CHEMICAL DREAMS SEBASTIAN NOBILE
GEDICHTE KURZGESCHICHTEN FANTASY
ALLE RECHTE LIEGEN BEIM AUTOR 1
Sebastian Nobile 2...
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CHEMICAL DREAMS SEBASTIAN NOBILE
GEDICHTE KURZGESCHICHTEN FANTASY
ALLE RECHTE LIEGEN BEIM AUTOR 1
Sebastian Nobile 2001 Vorwort: Ich widme diese Sammlung Claudia und meinen lieben Verwandten, die mich immer unterstützen, wenn es mal nicht so klappt. Dem(r) Leser(in) wünsche ich Vergnügen und Optimismus beim lesen dieser Sammlung von Gedichten, Kurzgeschichten verschiedenster Natur und den Geschichten von Merian. Die einzelnen Teile werden noch in komplettierten Bänden erscheinen. Vielen Dank für Ihr Interesse. Ich danke vor allem Daniel Gützlaff für Inspiration und Claudia Greubel für Geduld und Widerspruch. Und natürlich Mama, Papa und Volker,Tante Anni und Oma, die immer zu mir stehen. Das mußte mal gesagt werden. Bis dann, Sebastian Nobile 03/2001 Inhalt: Vorwort: 3 Gedichte: 4 An Claudia: 5; Anonym: 6; Hirngewaschen, Demokratiegelüftet, Zufrieden und Gewindelt: 7; Das Leid des jungen Narren: 9; Der Tag, an dem die Freiheit 2
endete: 10; Die Kraft der schlechten Worte: 11; Die Weisheit des Herzens: 12; Ein Freund: 13; Die Einsicht des Dummen: 14; Emanzipation: 15; Freunde...: 16; Genesis und Apokalypse: 18; Großstadt: 19; Hippie Nation: 21; Humor und Todesangst: 22; Lauf der Dinge: 23; Liebe und Lethargie: 24; Masse: 25; Mittelalter: 26; Müde: 27; Natural Born Lovers: 29; Nur eine Minute: 30; Ode an die Kerkerbrüder: 31; Optimismus: 32; Schnorren mit Stil: 33; Schönheit, Schönheit: 34; Sonnentag: 35; Theater der Verrückten: 37; Ungerechtigkeit: 38; Viele Leute: 39; Der von Pfeilen durchbohrte: 40
Kurzgeschichten: 41 Auf dem Heimweg: 42; Der Freak: 45; Der Gammler: 49; Der gestrige Tag: 53; Der Moralist: 58; Der Rebell: 81; Der Sammler: 87; Die Heilige: 91; Metamorphose: 97; Weltenblitz: 108
Merian: 118 Der Traumpfad: 119; Drachentöterin: 127; Der Gnomkrieg: 131; Der Fischer Mihan: 133; Die Unterirdischen: 135; Die Gegenwelt: 139; Der junge Zauberer: 142; Die Menschenkriege: 148; Der kleine Wurm: 151; Worstan: 155
Bonus: 157 Gespräch mit einem Neonazi: 158; Die Kommune 2001: 168;
Nachtrag: 174
GEDICHTE 3
An Claudia
Ihr Lächeln bezaubert jeden Ihre Augen dunkel und warm Ihr Körper jung und anmutig wie der eines Panthers Ihre Frucht warm und weich empfängt meine Liebe Sie geht stolzen Ganges wohin sie will Verzeiht dem ärgsten Feind der sie leiden machte Sie hat das gütige Wesen eines Gottes und die Großzügigkeit einer weisen Frau während ihr kindliches Gemüt lacht und lebt Sie allein kann mich halten Ihre Liebe gegen meinen Hass Ihr Feuer entzündet meine Glut Anonym
Man hört es Menschen sterben in Einzimmerwohnungen verwesen wochenlang Einsam schon lange Anonym Nachbarn, Bekannte Still und leise Anonym Haben eigene Probleme 4
Sorgen, sie sind Anonym Wie wird man dem Herr was passiert in Einzimmerwohnungen Vermüllung Wahnsinn Einsamkeit Wie Hirngewaschen, Demokratiegelüftet, Zufrieden und Gewindelt
USA, USA Land der Träume Wann bist Du da? Deine Wut Dein Hass Deine Dummheit USA Wir brauchen Dich Wir lieben Dich Erlöse uns mit Deiner Demokratie, Peacemaker und Hollywood Demo crazy? fragt der Sänger singt sein Lied USA wir verstehen Dich Bitte bringe uns mehr Fremdenhass mehr Bibeln mehr Wissenschaftler mehr von allem wir wollen den amerikanischen Traum BRD Wir lieben Dich werde zu einem demokratischen Traum wie die USA dann feiern wir Dich sagen:“DREAM, ROCK, GHETTO!“ 5
Wir glauben Euch Wir vertrauen Euch Waren immer brav im Unterricht, Wirtschaft und Recht, Geschichte haben brav gelernt brav geschafft brav geredet Freie Meinung, toll Freie Presse, toll Urlaub, Auto, Schäferhund, toll
Doch warum macht uns all das so unglücklich so verwirrt so rastlos USA, BRD, DEMOKRATIE, mache uns glücklich und zufrieden
Das Leid des jungen Narren
Der junge Narr, er lacht über alles Selbst seine Feinde erkennt er nicht, denn er ist gutmütig und wird zerstört denn die Menschen lieben es, die Schwachen zu zerstören So lacht er und lacht er bis eines Tages sich das Tor zur anderen Seite seiner Seele auftut und er in den grausigsten Schlund der Hölle blickt Der Fährmann grüßt ihn und lädt ihn ein der junge Narr fährt mit ihm und der Fährmann fährt Jahr um Jahr und kommt nicht an in der Unterwelt So legt er wieder an der anderen Seite an und der junge Narr ist uralt geworden denn er mußte die schlimmsten Dinge erblicken und tausend Prüfungen bestehen 6
auf seiner Fahrt, während der Fährmann lachte und spottete Der Narr ist kein Narr mehr und seine Leiden sind zuende Nun ist er voller Demut Güte Gnade Liebe Verständnis Treue und Weisheit Er geht seinen Weg und man sieht ihn wieder lachen.
Der Tag, an dem die Freiheit endete
Es kam der Tag, an dem ein Wissenschaftler den Menschen berechnete Er entwickelte eine Formel Verkaufte sie und die Mächtigen wandten sie an Das war der Tag, an dem die Freiheit endete Die Kraft der schlechten Worte
Man hat es in ihm immer gesagt Du bist dazu nicht in der Lage Das schaffst du nicht Traust du dir das zu? Werde dies! Mache das! Du endest noch auf der Straße Du mußt dies lernen! Du mußt das können! Meinen sie es wirklich gut? 7
Wollen sie ihn auf die Schule des Lebens vorbereiten oder ihn spüren lassen, was sie spüren? Daß sie es nicht geschafft haben Daß sie so geendet sind Daß sie sich selbst nicht vertrauen Man ahnt es schon Er schaffte es nicht Er traute es sich nicht zu Wurde dies, machte das Er endete auf der Straße Doch er lernte Und bald konnte er Und er war dankbar, irgendwie dankbar Die Weisheit des Herzens
Es ist wahr was ich sage Ich kann dich hier nicht belügen Dein Herz muß dir den Weg weisen nicht dein Verstand geblendet von der Dummheit der Menschen In deinem Herzen wohnt der Weg des Alls, deiner Mutter dein Herz wird das Böse erkennen dein Verstand läßt sich täuschen Sei immer das, was dein Herz dir sagt seine Stimme kannst du nicht hören doch jeden Tag trifft es deine Wahl wenn du küßt wenn du grüßt wenn du liebkost wenn du die freundlichen Worte sprichst der Blick in die Sonne der Dank an deine Mutter all die tausend Dinge, die du fühlst Sie allein sind wahr Nicht der Prophet spricht die ganze Wahrheit Nicht der Lehrer Nicht der die Bücher liebt 8
Nicht ich Nur du weißt wirklich was dein Herz will Wohin es dich führt Zu welchen anderen einsamen Herzen.
EIN FREUND
EIN FREUND EIN WOLF VOLL FREIHEIT INNEN IST ER WILD UND STARK EIN LIEBHABER IST ER FÜR ALLE ARMEN VOLL GÜTE IST ER HILFSBEREIT UND HELLSICHTIG EIN WESEN DER NACHT IST ER WIE ICH EIN FREUND IST ER UND BRUDER EIN FREUND EHRLICH UND TREU IN MEINEM HERZ IST ER MEIN FREUND UND KANN ES NUR BLEIBEN.
9
Die Einsicht des Dummen
Geräusche und Bilder aus der Maschine die die Zeit stiehlt und Illusion schenkt Ein Blick aus dem Fenster, Einsicht für einen kurzen Moment, Einsicht, daß man sich gerne bestehlen läßt, weil man eh nur wartet auf den Tod oder noch mehr gestohlene Stunden. Erinnerungen an Zeiten, sorglos, blitzen auf, werden immer weniger und bitter, Die Freude geraubt und die Zukunft voller Hass, der Weg aller Verstoßenen, Rache gegen die Sieger im dummen Spiel der Dummen, Schuldiger unter Schuldigen, König der Idioten. Emanzipation
Eine Wahrheit kann ich Euch lehren Sind die Frauen gleichberechtigt Werden Sie wie alle Menschen herrschen wollen und wie Tyrannen töten und hassen und gierig sein Besser ist keiner Noch Mann noch Frau sie alle sind nur unzufrieden und wollen das, was sie nicht haben Sind dann die Männer gleichberechtigt werden sie wieder nur töten hassen gierig sein Doch herrschen einst 10
all Eure prächtigen Seelen Dann werdet Ihr lieben und lieben und Glück verbreiten Freunde und andere Kriechtiere Ging es Dir mal richtig schlecht oder hast du gelitten unter den Wirren des Lebens dann weißt du genau, wovon ich spreche wenn ich sage daß du nur wenige wahre Freunde hast und du viele falsche Schlangen mit einem Lächeln begrüßt hast und ihre schöne Zeichnung für wahre Schönheit gehalten hast dabei sind sie nur kaltblütige Wesen, die niemals denken und niemals fühlen Sie gaukeln dir vor, sie seien Deine Freunde, doch bist du einmal anders traurig einsam seltsam verletzt beleidigt lebensmüde weise dann beißen sie dich und ihr Gift strömt in dein Herz und vergiftet deine Gefühle und Gedanken Sie sagen anderen Freunden, daß es Spaß macht und sie fangen an, dich mit freundlichen Worten zu locken und dich zu erschrecken und zu beißen Du denkst, Du müßtest sterben an all dem Gift doch dann wirst Du langsam gesund, auch wenn Du dich nicht bewegen kannst die ganze, lange Zeit Du bist einsam Du hast jetzt niemanden mehr der mit Dir wirklich reden will, nur noch Mitleid und Bedauern von denen die Dich einst vergiftet haben. Manche wissen es gar nicht, daß sie Dich verwundet haben 11
Für sie ist es der Lauf der Dinge Das Recht der Stärkeren Doch Du darfst Dich nicht wehren, es ist verboten Es ist Dein Lauf der Dinge Es ist das Naturrecht, wie es schon immer war Vielleicht weißt Du wovon ich spreche oder Du hältst mich für verrückt Dann sage ich dir daß Du das Paradies nicht erkennst weil Du nie die Hölle sahst auf Erden und Du wirst verletzen beleidigen Menschen traurig machen Menschen einsam machen Menschen in den Tod treiben und sie ebenfalls beißen und vergiften, bis Du sie nach Deinem Bild geformt hast, mächtig, humorvoll und stark oder so wie er sein sollte der perfekte Mensch oder der tote Doch Du wirst auch die Schwachen stark machen wenn Sie Deine Bisse überlebt haben Und Du wirst sehen Deine Waffen sind in Wirklichkeit stumpf Deine Worte dumm und oberflächlich Deine Liebe armselig Dein Hass größer als Du und Dein Tod einsam und wenig beweint Doch wenn Du mich verstehst und Du traurig bist verspreche ich Dir daß es einen Weg für Dich gibt daß die Nacht nicht ewig dauert daß das Schwache das Starke besiegt daß Du geliebt wirst daß Du nicht alleine bist und daß Gott niemals fragt sondern Dich führt zu den wahren Freunden 12
die die das Licht schon kennen und die Deine Angst verstehen und Deinen Hass in die Wärme ihres guten Herzens einschließen werden
Genesis und Apokalypse
Da war ein Affe, anders als andere Affen Sein Name war Adam Er nahm einen Stock und erschlug damit Gott und nannte sich Mensch Adam gründete eine Zivilisation und ein anderer Mensch nahm eine Bombe und zerstörte damit Adam und alle Menschen und alle Affen Großstadt Ein Höllenlärm vibriert euch im Gehör Gestank steigt euch in die Nase und ihr seid süchtig nach Benzin der die Motoren eurer Rastlosigkeit treibt und den Drogen die euch die Einsamkeit und den Rausch der Monotonie versüßen. Das ist die Großstadt Ihr seid die Jugend und euer Weg ist laut und schrill 13
Den Tod gibt es nicht in der Großstadt, versteckt ist er hinter den Vorhängen eurer Hoffnung auf Rettung durch die gestählten Körper und die getrimmten Hirne eures gedankenlosen Daseins als Verbraucher und seelenlose Körper schlägt euer kaltes Herz im Takt des Maschinengotts Das ist die Großstadt Ihr seid ihre Kinder und euer Weg ist die Einsamkeit Über euch herrschen die Reichen Über eure Worte entscheidet das Fernsehen Über eure Gedanken wird euch gelehrt und eure Menschenbrüder siechen im Dreck und eure Eltern weinen über euch doch das vergeßt ihr bald beim schnellen Fick und dem Tanz am Abgrund zur Musik
Das ist die Großstadt Ihr seid ihre Erbauer und euer Weg ist die Starre der ständigen Ablenkung Das ist die Großstadt Ihr werdet sie pflegen und euer Weg wird stinken nach den Leichen eurer Großeltern und den Arbeitssklaven der Welt die euch eingekleidet haben und für die ihr strahlt wie die Sonne wobei ihr grau seid wie eure Stadt 14
HIPPIE NATION
BLUMENKINDER LAUFEN BARFU ÜBER DEN BETON DEN DIE WURZELN DER BÄUME DURCHBROCHEN HABEN UND AUS DEM DIE PFLANZEN IN DIE FREIHEIT WACHSEN LIEBE LIEGT IN DER LUFT UND ALLE SCHEINEN IRGENDWIE GLÜCKLICH DIE SONNE SCHEINT IMMER UND DURCHFLUTET DIE LEIBER MIT WÄRME FRÖHLICHE MUSIK WEHT UM DIE BRÖCKELNDEN HÄUSERWÄNDE ALLE LÄCHELN HIGH UND POLIZISTEN VERSCHENKEN IHR MARIHUANA ÜBERALL REDEN DIE LEUTE ÜBER DEN KOSMOS 15
DIE EINHEIT DER MENSCHEN DIE GLÜCKSELIGKEIT DER EINFACHEN DINGE UND PLÖTZLICH WACHE ICH AUF UND DER TRAUM IST AUS Humor und Todesangst
Machen Witze Lachen laut Sehen Comdey Lachen laut Grimasse Scherz Karl Valentin Ablenkung Und doch Der Tod ist still Lacht nicht Scherzt nicht Wir wissens Lachen laut Ruhe Bloß keine Ruhe
Lauf der Dinge
16
Wie der Apfel am Baum Wie die Liebe Dein Traum in ihm der Same in Dir der Trieb Der Lauf der Dinge das ist Euer Name Müßt tun, was er Euch sagt Euch nie beschwert und niemals klagt Denn wir sind die Kinder des Alls so weit wir folgen dem Lauf der Dinge sind zur Wiedergeburt nur liebend bereit Der Tod nur Lauf der Dinge in ihm unsere Liebe wieder erklinge Liebe und Lethargie
Herumliegen und sich auf die Nerven gehen. Diskussion über das Fernsehprogramm:“Immer entscheidest Du, was wir anschaun!“ „Stimmt doch gar nicht. Du entscheidest immer!“ „Weißt Du was, es ist mir inzwischen egal, was wir anschaun.“ Man macht sich mürbe. Eine Stunde am Tag. Mindestens. Sich auf der Pelle hocken. Aggression in Wort und Gefühl. Die Liebe verkommt zu der Frage, ob der andere einen noch liebt. Man ist schon lange zusammen und hat den einen fürs Leben gefunden, glaubt man, hofft man. Doch man geht sich so lange auf die Nerven, bis 17
die Zuneigung versiegt in einem Meer aus dumpfen Vorwürfen. Doch der neue Tag bringt sie wieder, die Zuneigung. Und das langweilige Spiel geht von vorne los. Nie passiert etwas und jede Bewegung wird auf ihren Nutzen und den möglichst geringen Kalorienverbrauch geprüft. Gähnendes Nichts. Man wechselt die Position auf dem Sofa. Ein Meckerer von rechts:“Du liegst auf meinem Bein. Das tut weh.“ Man ist genervt. Vielleicht wäre Freiheit besser, frei sein und sie trotzdem lieben. Doch die Frauen akzeptieren das nicht. Sie verstehen es nicht. Engen einen ein, bis man nur noch ein tödlich genervter Ja-Sager ist. Ich nicht. Ich sage oft genug nein und es stinkt ihr, doch nimmt sie mich so nicht, braucht sie mich gar nicht nehmen. Lethargie liegt im Raum, die Glotze suggeriert Bewegung, doch nichts bewegt sich. Über Zukunftspläne, Träume wird gesprochen. Der Lebensinhalt ist das wenige gute, was im Fernsehen kommt. Liebe und Lethargie, sonst nichts. Masse
Hirnlose Werbung wabert über den Bildschirm Hirnlose Massen wälzen sich in die Kaufhäuser Wesen wie Du und ich kaufen gieren wollen haben Verbraucher Barcode Chipkarte Degenerierte Mutanten wollen sich von Sünde freikaufen Chemie zerstören lassen Gedanken beeinflussen lassen Hilfe Sinn Geld Liebe Wollen vergessen Tod Gewalt Wahrheit Wissen, zuviel Wissen Masse Mob Krieg und Frieden läuft im TV 18
Kinder träumen schlecht Eltern schauen verloren aus dem Busfenster Konsum Ficken Nachrichten Beruhigt bis dann Katastrophe Jemand stirbt schreit ruft um Hilfe Masse hört weg siehts im TV
Mittelalter Verbrennt die Hexe! Lacht über den Krüppel! Glaubt der Kirche! Bezahlt Euren Herrn! Macht Gold aus Blei! Finster wars damals grausam und lebensfeindlich Doch das ist vorbei macht man Euch glauben und Ihr glaubt Müde DAS TÄGLICHE TUN OHNE RASTEN UND OHNE RUHEN EUER WEG IN DIE MALOCHE UND DIE WUT DER GANZEN WOCHE EUER KAMPF GEGEN CHAOS UND DAS BÖSE JEDEN TAG DER SEELE BLÖ E ES MACHT MICH MÜDE 19
EUCH ZU HÖREN MÜDE EUCH IM TROTT ZU STÖREN MÜDE MACHT MICH EUER BLABLA MÜDE NEHM ICH EUREN HASS WAHR IMMER WIEDER SAGT IHR DAS GLEICHE LACHT ÜBER DIESELBE ALLTAGSSCHEI E DIE ROUTINE LIEBT EUCH SEHR IHR SIE LEIDER NOCH VIEL MEHR JEDEN TAG IHR SCHIMPFT UND KLAGT UND NACH DEM VERGANGENEN IHR FRAGT EUCH QUÄLT UND SCHINDET BIS IN DEN TOD UM ZU VERDIENEN DAS TÄGLICH BROT
ES MACHT MICH MÜDE EUCH ZU HÖREN MÜDE EUCH IM TROTT ZU STÖREN MÜDE MACHT MICH EUER BLABLA MÜDE NEHM ICH EUREN HASS WAHR 20
SEID IHR WIRKLICH SCHON SO BLÖDE IST EUER LEBEN NUR NOCH ÖDE? IST EUCH GAR NICHTS MEHR WAS WERT UND LIEB SEHNT IHR EUCH SCHON NACH DEM NÄCHSTEN HIEB? DIE FREIHEIT IST EUCH UNBEKANNT NACH EINER NUMMER WURDET IHR BENANNT SCHUFTEND BIS IN DAS UNDANKBARE ENDE SEHT IHR NUR EURE GEFÄNGNISWÄNDE .
Natural Born Lovers
Er gleitet in ihr feuchtes Fleisch Spürt sie spürt sich Wonne Lust Gier Gewalt Sie sind Eins lieben wahrhaftig wie Gott es gedacht lieben und töten den Hass Glauben jetzt während ihre Instinkte sie führen Er hört sie stöhnen Er denkt nicht mehr Will nur noch Liebe Urzustand 21
Zukunft Alles geht auf in bunten Farben Liebe Lust Chaos Sie ruhn sich aus und lieben sich nur Liebe Liebe wie sie immer war und immer sein wird
Nur eine Minute
Hör mir nur eine Minute zu Du wirst geliebt Du wirst geehrt Du wirst geachtet Du wirst vermißt Du wirst gebraucht Du wirst geschätzt Du wirst gehört Hör mir nur kurz noch zu Wer einzig zählt, bist Du, Du, Du Ode an die Kerkerbrüder
Ihr armen Schweine müßt hinter Mauer und Gitter vor Euch hinschimmeln Was habt ihr getan? Habt ihr eure Wut herausgelassen, weil man euch zeitlebens behandelt hat wie den letzten Dreck? Habt ihr geraubt, gestohlen, erpresst? Weil ihr arm gewesen seid? Die Ordnung gestört, oder das zerstört, was Euch kaputt macht? 22
Habt ihr das getan, was man überleben nennt? Dann seid ihr unschuldig und ich wünsche den Richter an eurer Stelle mit all der Gewalt und Menschen, die ihn bewachen dümmer und sadistischer als er Ihr sollt frei sein und leben, was habt ihr schon getan? Gegen Buchstaben in einer bestimmten Reihenfolge mit einem bestimmten Sinn, in einem Gesetzbuch habt ihr verstoßen, von Menschen gemacht, die sich anmaßen, euch Kriminelle zu nennen und ein System in Gang halten, das so kriminell ist, wie der schlimmste Massenmörder Es ist dem Untergang geweiht und ich hoffe, daß die Wärter euch die Türen öffnen, wenn die Schlechten verrecken, um gerichtet zu werden von ihrem Gott(den sie geschaffen). Optimismus Hoffen wir, daß die Blumen noch morgen stehn Hoffen wir, daß die Hochhäuser fallen Daß die Menschen verstehen Daß sie es endlich schnallen Hoffen wir, daß wir zufrieden sterben Hoffen wir, daß unsere Lieben uns ehren Daß sich die Natur wird endlich rächen Hoffen wir auf Weisheit in uns Auf das Licht, warm in unserem Herz Hoffen wir auf all das Gute in der Welt Hoffen wir, daß Gott nicht wirklich grausam ist Hoffen wir auf die, die die Verantwortung übernehmen für unsere Untaten Schnorren mit Stil 23
Ich brauchte Geld, wußte nicht wohin, schlief am Flußufer, hatte Hunger Ich ging in die Stadt und schnorrte „Entschuldigung, haben Sie ein bißchen Kleingeld übrig für mich?“ „Na ja, junger Mann, sie sind ja gut erzogen und sehen gepflegt aus. Ich mache mal eine Ausnahme.“ „Vielen Dank.Einen schönen Tag noch.“ Was will ich sagen? Wer braucht das Geld dringender? Der Penner mit schlechter Kindheit und entsprechenden Umgangsformen oder ich, der ich nur ab und zu auf der Straße lande und immer kriegte, was ich brauchte?
Schönheit, Schönheit Schönheit, ja die kommt von innen, doch wie sieht es aus bei Euch drinnen? Seid Ihr auch so häßlich wie ich es bin, helfen Euch nur die Schönheitsfarmen ein Leben lang, ohne Erbarmen Und seid Ihr dann eine Leiche schmückt Euch `ne vornehme Bleiche Eure Worte werden vergessen und alles wird von den Maden zerfressen die machen uns dann alle gleich ob Mittelloser oder Scheich Die häßlichen Gedanken sind dann fort doch irgendwo, an einem anderen Ort denkt einer, wie einst Ihr es gemacht den selben Schmarrn über das Ganze sitzt da und lacht 24
und lacht
SONNENTAG
ES SCHEINT VIEL ZU HELL IN MEIN ZIMMER UND MEINE DUNKLE SEELE ICH ZIEHE DIE ROLLÄDEN ZU UND WARTE WIEDER AUF DIE DUNKELHEIT DIE DIE GEFÜHLE SO EINFACH MACHT UND DIE GEDANKEN KLAR ICH MAG DIE SONNE NUR MEINE AUGEN MÖGEN SIE NICHT ICH MU SIE FAST SCHLIE EN UM NOCH ETWAS ZU SEHEN DER SOMMER KOMMT BALD UND ICH SEHNE MICH NACH DER WÄRME DES JUNI UND DER FREIHEIT AM SEE DIE MONSTER WERDEN KUSCHELTIERE UND ICH RÄKLE MICH SICHER IN DEN STRAHLEN DER SONNE EIN WINDHAUCH STREICHELT MIR ÜBER DIE HAARE UND DIE LIEBE IST ÜBERALL SIE STRAHLT NOCH MEHR ALS DIE SONNE UND ICH SAUGE GRATIS BEIDER WONNE FRIEDE HERRSCHT UND DIE ALTEN SPIELEN WIE KINDER UND BEHERRSCHEN SICH GERADESO 25
NICHT VERGNÜGT ZU RUFEN ICH SCHWIMME UND KÜHLE MEIN GEMÜT ES IST ALLES WERTVOLL UND ICH VERGESSE ARG UND GEMEINHEIT DER DUMMEN BIN EINFACH NUR DA UND LEBE IN DER SONNE UND SEHE NACHTS IN DEN SCHEIN EINES LAGERFEUERS Theater der Verrückten
Auf einem Schild an der Wand stand geschrieben: Eintritt nur für Verrückte Er ging vorüber und kam zurück Ging durch die unsichtbare Tür Da stand ein blonder Junge und ein düsterer Mörder Beide kamen auf ihn zu und lockten ihn Da waren zwei Türen Der Blonde lockte mit Liebe und Witz und bot sich an, ihm beizuwohnen Er lächelte und sein Blick war warm Der Dunkle sagte nichts Sein Blick Wahnsinn in der Hand ein Messer Er ging zu dem Dunklen und trat in die Tür Der Dunkle lachte und seine Gestalt war die des Blonden geworden und sein Blick war warm Er war getäuscht worden und vor der Tür wartete 26
der Dunkle und führte ihn in die Hölle Ungerechtigkeit Schau mit offenen Augen in die Welt und du wirst wirklich sehen woran auch du Schuld bist Die Armen darben Die Richter urteilen Die Reichen gieren Die Schwachen werden schwach gehalten(von ihnen) Das Leben wird nicht geachtet Du sagst, das sei der Lauf der Dinge Da könne man nichts machen? Doch siehe, wenn nur du allein weißt, was geschieht hat das Gute einen kleinen Sieg errungen Wenn nur du einem anderen sagst, was du gesehen hat das Gute zwei Siege errungen und sagt der es einem Sänger wird der das Leid besingen und siehe das Gute hat tausend Siege errungen Die Menschen schaffen so viel Unrecht und die meisten reden unrecht lasse nur du dich nicht verwirren von ihren Worten viele und dumm Glaube an deine Art, zu glauben und zu wissen und der Weg des Herzens wird zu einer Straße der Gerechtigkeit und der Tugend Sei du dein Richter Sei du reich an Weisheit Sei du ruhig schwach, wie Lao Tse sagt, wird das Weiche das Harte besiegen so wie das Wasser die Steine zu Sand zermahlt. Viele Leute
27
Viele Leute reden Sachen die mich denken und grübeln machen Viele Leute sind so schlau reden unverständlich, wow, wow, wow Viele Leute sehen gut aus ich dagegen, graue Maus Viele Leute sind sehr klever meiner einer never ever Viele Leute sind so laut schreien wichtig in die Gegend wie die Hühner, eierlegend Viele Leute nennt man auch Meute wie die Wölfe sie umherstreichen und hinundherundwiederhin und dorthindahin schleichen Viele Leute trinken viel Bier und fressen Mengen voller Gier Viele Leute sind sehr schön lieben Kamm, Tanga und den Föhn Viele Leute schauen leicht bekloppt wenn man sie ein bißchen foppt Und viele Leute nehmen sich zu ernst Viele Leute machen Dreck und viele Leute ihn dann weg Viele Leute tun komische Sachen wie bei Talkshows und so Zeug mitmachen Viele Leute machen sich wichtig Ihre Meinung jedoch nichtig Viele Leute interessieren mich nicht Ich bin nur einer, mit einem schwachen Gedicht Der von Pfeilen durchbohrte
Er sucht die große Liebe 28
wird sie finden, ich weiß es genau Romanze, Kerzenschein und süße Worte Er war ein Freund, einmal vor langem Er ist stets freundlich, hat auch seine Kanten Doch, oh Wunder, blickt man dahinter ist er immer noch freundlich und weich wie Samt Sein Herz ist rein Seine Worte wahr Er liebt die Schöne, Kluge kriegt er sie bald? Wünschen tut man`s ihm denn er ist wie wir alle auf seinem Weg von Pfeilen durchbohrt
KURZGESCHICH TEN HIER IST FÜR JEDEN GESCHMACK ETWAS DABEI
Auf dem Heimweg Ich möchte mich kurz vorstellen. Mein Name ist Julian und ich bin 20 29
Jahre alt. Ich möchte Ihnen von einem seltsamen Erlebnis erzählen, daß ich mit 17 Jahren hatte. Ich lebe auf einem Dorf, daß etwa zehn Kilometer von einer Stadt mit ungefähr 300.000 Einwohnern entfernt ist. Ich gehe immer am Wochenende mit meinen Freunden weg und wir organisieren meistens jemanden, der einen Wagen hat und uns dann in den Dörfern aufsammelt. Wir gehen in Clubs und Discos und feiern dann, trinken und baggern Mädels an. Eigentlich war es immer dasselbe. Nur an einem Freitag im Sommer vor drei Jahren passierte mir etwas, das einem wohl nicht jeden Tag passiert. Ich wurde, wie immer, von meinem Kumpel Jo abgeholt und wir sammelten die ganze Truppe aus den Nachbardörfern ein. Wir fuhren zu unserem Stammtreffpunkt, an dem der restliche Abend geplant wurde, danach gingen wir in die gewählte Disco und verbrachten eine feuchtfröhliche Nacht mit Bekannten und Neuentdeckungen in der weiblichen Welt. Wir trafen uns gegen ein Uhr vor der Disco, um wieder nach Hause zu fahren, wo wir noch bei mir daheim etwas feiern wollten, da meine Eltern übers Wochenende nicht daheim waren und wir so einfach mal tun konnten, was wir wollten. Doch das Auto von Jo war verschwunden, genau wie Jo. Er hatte jemanden kennengerlernt, wie ich später erfuhr, und ist einfach mit derjenigen nach Hause gefahren, ohne auch nur ein Wort davon zu sagen. Wir konnten auch niemanden finden, der uns heimfahren konnte und entschlossen uns so, mit dem Bus an den Stadtrand zu fahren und dann den Heimweg zu Fuß anzutreten und dabei zu versuchen, von Autofahrern mitgenommen zu werden. Wie geplant, wurde es getan und wir verließen die beleuchteten Straßen. Zuerst war es nur eine kleine Landstraße, auf der wir gingen, nach einer Viertelstunde unseres Weges in der Nacht, beschienen von einem Halbmond, begann der Wald, der unsere Dörfer einschloß. Wer nachts schon einmal auf einsamen Landstraßen unterwegs war, weiß, daß es ziemlich unheimlich ist. Kommt man dann noch in einen Wald, wird es um so unheimlicher, doch wir waren ja zum Glück zu dritt. Leider waren wir das nur bis zur Hälfte des Weges, denn meine beiden Kumpel mußten eine Abzweigung zu ihren Heimatdörfern nehmen, da keiner mehr so recht Lust auf eine Party hatte. Wir verabschiebeten uns und ich ging alleine weiter auf der kleinen Straße mitten im Wald. Ab und an fuhr ein Auto vorbei, doch niemand reagierte auf meinen erhobenen Daumen. Ich ging weiter und es war mir wirklich unheimlich, der Mond schien teilweise durch die Bäume, und über mir wurde der Sternenhimmel von den Baumwipfeln an der Seite der Straße 30
eingerahmt. Ich hörte in der Stille Geräusche aus dem Wald und ich bin nicht gerade der Mutigste. Eine Maus raschelte, oder so, ein Ast knackte und ein leiser Wind lies den Wald lebendig werden und ich setzte mir die Kopfhöhrer meines Discmans auf, um abgelenkt zu werden. Ich pfiff, um mir die leichte Angst zu vertreiben. Ich hatte nur noch zwei Kilometer bis zu meinem Dorf, als ein Auto mir auf der Straße entgegen kam. Es fuhr vorbei und ich schaute ihm nach, als ich im Scheinwerferlicht des verschwindenden Autos einen Mann hinter mr gehen sah. Er war etwa 100 Meter entfernt und vollkommen nackt. Als er sah, daß ich ihn gesehen hatte, sprang er wie ein Irrer in den Wald und man konnte ihn nicht mehr sehen. Ich riß mir die Kopfhörer aus den Ohren und rannte, als ob der Teufel hinter mir her war. Da ich etwas fülliger bin, habe ich es nicht besonders weit geschafft und mußte schließlich anhalten, vollkommen außer Atem. Ich blickte mich um und da war niemand. Erleichtert und gebeugt, mit den Händen auf den Knien, keuchte ich und starrte auf die Straße. Als ich dann aufschaute, stand er plötzlich vor mir. Ich hatte ihn nicht gehört, wie er das gemacht hatte, konnte ich mir auch später nicht erklären. Er sah gar nicht mehr unheimlich aus mit seinen langen Haaren und dem sanften Blick. Man konnte ihn recht gut erkennen im Mondschein. Er fing an, zu sprechen:“ Hallo, Du mußt keine Angst haben. Ich heiße Egon und war Buchhalter. Ich bin ausgestiegen und lebe seitdem im Wald. Ich bin aus Überzeugung nackt, Kleidung brauch man doch nicht, so warm, wie es ist. Tja, ich lebe seit drei Jahren hier in der Gegend und ich jage und lebe, wie die Menschen schon vor 20.000 Jahren gelebt haben. Ich bin meistens nachts wach, denn ich möchte nicht entdeckt werden, die stecken mich bestimmt in die Klapse. Jetzt habe ich ein Problem. Ich trage normalerweise eine Brille und die ist mir kaputt gegangen. Außerdem habe ich keinen Impfschutz mehr und eine Krankheit wäre hier draußen tödlich. Die kleinste Wunde kann einen niederraffen. Ich möchte Dich um einen kleinen Gefallen bitten: Ich brauche eine Brille mit der Stärke 2 Dioptrin, ich bin kurzsichtig. Besorge mir bitte Imfungen gegen Grippe und Tetanus. Ich kann Dich mit Gold bezahlen, das ich in Bächen hier in der Gegend gefunden habe. Kennst Du die Wolfsquelle? Dort kannst Du alles hinlegen, sobald Du es hast, ich deponiere dann das Gold hinter einem großen Stein, auf dem ein Name steht, direkt am Wegesrand. Lege die Sachen bitte auch dahin. Kannst Du das für mich machen?“ Ich überlegte, und irgendwie war er mir symphatisch und ich sagte zu. Er verabschiedete sich und verschwand im Wald, nackt, wie Gott ihn schuf. 31
Ich ging weiter und hatte plötzlich gar keine Angst mehr. Ich konnte die Sachen innerhalb von zwei Wochen besorgen und legte sie an den vereinbarten Platz. Am nächsten Tag lag dort Gold im Wert von 4.500 Euro, wie ich später herausfand. Immer, wenn wir Kontakt haben wollten, legte ich einen Zettel an den Platz und er antwortete, indem er am selben Platz Stöckchen in der Form von Buchstaben zurechtlegte. Leider hörte er irgendwann damit auf, mir zu antworten, vielleicht ist er gestorben. Deshalb schreibe ich es nieder. Es war ein sehr außergewöhnliches Erlebnis und Egon ein sehr außergewöhnlicher Mensch. Ich überlege auch, ob ich später genauso leben will, ich stelle es mir ganz toll vor, so frei und ungebunden. Der Freak Kapitel 1: Axel M. saß, wie so oft, vor seinem Computerbildschirm und erledigte eine Hausarbeit für sein Studium. Er beendete die Arbeit und schaute sich im Internet um, er bevorzugte Künstlerforen und benutzte den AliasNamen 'Freak'. Er hielt sich für eine Künstlerseele, war jedoch das krasse Gegenteil und es war nur sein Herzenswunsch, kreative Begabung zu besitzen. Er schätzte aber den schönen Schein und war alles andere, als ein Mensch mit Phantasie. Er bewunderte selbstbewußte Künstler in seinem Bekanntenkreis, konnte aber niemals wirklich verstehen, worauf es diesen ankam, wenn sie ihre Gefühle auf Leinwand bannten oder was sie wirklich bewegte. Wie gesagt, der schöne Schein war Axel`s Steckenpferd und er würde wohl niemals hinter die Geheimnisse abstrakter Gefühlswelten kommen und sich wahrscheinlich auch weiterhin an Ansichten halten, die seine streng logische und beschränkte Wirklichkeit aufrecht erhalten konnten. Er verletzte seine Mitmenschen regelmäßig und merkte dies nicht mal. Immer stellte er sich als freundlich und verständnisvoll da, doch war er in Wahrheit intrigant wie die gemeinste Hexe und konnte vorzüglich spotten, so grenzte er sich ab von all dem Undurchschaubaren. Axel hatte jedoch einen Hang zur Musik und schrubbte manchmal leidenschaftlich auf seiner E-Gitarre herum, seine Art, sich abzureagieren und der Trauer über sein ehrgeiziges und pragmatisches Ego einen Ausdruck zu geben. Axel war schön, er hatte einen Schlag bei Frauen, die sich Sicherheit versprachen von dem zukünftigen Computerexperten, seine innere Wut 32
übersahen sie dabei gerne, denn trotz allem, hatte er ein warmes Herz und versuchte wenigstens, erträglich für die zu sein, die seine Zielstrebigkeit nicht besaßen. Er hatte jedoch dabei keine Probleme damit, diese anders gearteten Menschen hinter ihrem Rücken lächerlich zu machen, was ihm natürlich tiefe Freundschaften verwehrte. Diese suchte er verzweifelt und so auch an diesem Tag, als er die verschiedensten Seiten im Internet besuchte und schließlich auf seinem Lieblingsforum landete, einem Platz, an dem sich Künstler beraten, ihre Ideen austauschen und Kontakte knüpfen konnten. Axel benutzte seinen üblichen Namen 'Freak' und man schrieb sich dies und das. Er log in diesen Foren, er sei ein unverstandener Künstler, der mit Tönen arbeitete, die er mit Hilfe eines Computerprogrammes in Bilder und Farben verwandeln konnte, diese Idee hatte er in demselben Forum gestohlen, in dem er jetzt war, und brüstete sich gerne mit 'seiner' Idee. Unverstanden deshalb, weil keiner verstehe, warum er das macht und niemand ihn finanziell unterstützen wollte. Er klaute viele Ideen und dachte dabei, das sei wohl eine Art von Inspiration. Schließlich vertiefte er sich in ein Gespräch mit 'Ikarus', der ihn in ein sogenanntes Flüsterzimmer einlud, ein Teil des Forums, indem man intime Gespräche führen konnte, ohne dabei von anderen belauscht zu werden. Die beiden quatschten über ihre Ideen, bis sich am Ende herausstellte, daß Ikarus eine junge Frau war, 24 Jahre alt und somit genauso alt wie Axel. Sie verstanden sich gut und vereinbarten einen Termin, um sich persönlich kennenzulernen. Kapitel 2: Ikarus Karina saß belustigt vor ihrem Bildschirm und schrieb 'Freak', sie fände seine Ideen ganz toll und wäre begeistert von ihm. Sie schmierte ihm Honig ums Maul und er fiel darauf herein, sie zogen sich ins Flüsterzimmer zurück und Karina pries ihre weiblichen Vorzüge an, ein sicherer Köder für Männer, die man so im Internet traf. Sie verabredete sich in Berlin, Axel`s Wohnort, mit ihm und sie freute sich auf den Kerl, der offensichtlich zwei ihrer Einfälle gestohlen hatte, als sie, etwas naiv, diese im Forum genannt hatte, dabei taten dies nur Leute, die keine Ahnung hatten, daß das hieß, daß irgendjemand sie klaut, der eben keine guten Einfälle hat. Sie verabschiedete sich von Axel und beschloß, ihm eine Lektion fürs Leben zu erteilen. Sie nahm einige Tropfen LSD und gab sie in eine Flasche mit einem wohlschmeckenden Cocktail. Am nächsten Tag bestieg sie den Zug und traf Axel in Berlin, wo sie 33
heuchelte, daß sie sich sehr freue und Axel glaubte, was sie so erzählte. Die beiden verbrachten einen schönen Tag und Axel erzählte über seine 'Projekte', während Karina innerlich kochte. Sie gab ihm eine CD und die Flasche mit dem Cocktail als Geschenk, er solle die Musik in aller Ruhe hören und den leckeren Cocktail dabei trinken. Dann begab sie sich zu einer Freundin, die in Berlin lebte, um bei ihr zu übernachten und Axel am nächsten Tag wieder zu treffen, um ihn über seine Erlebnisse während seines Trips auszufragen. Sie hielt es für einen bösen Scherz, denn die Musik, die Tatsache, daß er alleine in seinem Zimmer war und die Wirkung des LSD würden einen netten, kleinen Höllentrip verursachen, so glaubte sie. Sie hatte das auch schon mal gehabt und fand es schlimm, es hatte jedoch keinen tiefen Eindruck hinterlassen. Die Musik würde ihr übriges tun, denn die Klänge auf der CD schienen direkt aus den Abgründen der Seele in das Gehirn zu strömen. Sie freute sich über ihren, so glaubte sie, harmlosen Scherz und schlief mit den Gedanken an einen verängstigten Trottel ein, dem die Psyche vor Horrorvisionen vibriert. Axel war glücklich, er hatte eine wunderschöne Frau kennengelernt, die ihn mochte, Künstlerin war und spätestens am nächsten Tag würde sie mit ihm ins Bett steigen, doch da lag er falsch. Kapitel 3: Freakshow Axel kam zuhause an und legte sich auf seine Couch, trank den geschenkten Cocktail aus und rauchte dabei, startete das erste Lied auf der CD von Karina und hörte wunderschöne Synthesizerklänge, die ihn fortrugen auf ihrer Melodie. Er merkte, daß sein Bewußtsein sich veränderte und bekam Angst, denn er fühlte sich plötzlich irgendwie hilflos und seine Gedanken wurden wirr, er haßte dieses Gefühl, langsam die Kontrolle zu verlieren. Auch die Musik veränderte sich, langsam gingen die Klänge über in Flüsterstimmen und unheimliche Laute, als würde jemand langsam sterben. Einzelne Worte schnappte er auf, in Englisch, Worte über das Böse in Menschengestalt und über den Wahn, den man mit LSD hatte. Axel tauchte in diese nun grausamen und eingängig gemeinen Tönen ein und hatte plötzlich das Gefühl, er könne sich nicht mehr bewegen und wäre dieser satanischen Musik völlig ausgeliefert. Er versuchte es, doch er konnte nicht aufstehen und die Qual nahm ihren Lauf. Er war nun nur noch hilflos und die Töne, Laute und 34
Worte waren, so schien es ihm, in seinem Kopf. Er verlor sich und begann, zu halluzinieren. Er sah Bekannte den Raum betreten und sie standen da und lachten ihn unverhohlen aus. Ein düsterer Mann schlich im Raum herum und stand lange einfach nur vor der Couch. Axel durchlebte die Hölle und wollte nach Hilfe schreien, doch er wußte er nicht, wie. Er hatte vergessen, wie man spricht, oder war so verwirrt, daß es ihm einfach nicht einfiel. Er schrie stattdessen irgendetwas, doch niemand kam, die Musik war zu laut. Axel blieb lange in dieser Starre und mußte die bösen Klänge bis zum Schluß ertragen. Irgendwann schlief er ein und die Wirkung der Droge ließ nach. Er wachte am Nachmittag des nächsten Tages auf und wurde sich einiger Details des gestrigen Geschehens bewußt. Er dachte furchtbar langsam, so als ob man durch zähen Schlamm watet und jeder Schritt einem große Mühe bereitet. Axel rief einen Freund an und wollte ihn bitten, vorbeizukommen. Dieser hatte jedoch keine Zeit und wunderte sich über die Art und Weise Axels, zu sprechen. Jedes Wort schien ewig zu dauern und er sprach wirres Zeug, absolut zusammenhanglos. Axel verzweifelte und begann, zu weinen. 'Was ist mit mir geschehen?', war die Frage, die ihm durch die wirren Gedanken waberte. Er stand auf, schnappte sich seine Gitarre und schlug auf alles ein, was sich in seinem Wohnzimmer befand. Den Fernseher ließ er zum Glück aus, denn der Stromschlag wäre ihm wohl schlecht bekommen. Axel rannte ziellos in der Stadt umher, die Verwunderung der Leute, die ihn sahen, nahm er nur halbwegs wahr. Er endete in einem Park, wo er sinnloses Zeug daherbrabbelte und schließlich kehrte er nach Hause zurück, wo er wieder weinte. Er versuchte, mit einigen Freunden zu sprechen und ihnen seinen Zustand zu erklären, doch er erfuhr nur Ablehnung. In der folgenden Zeit blieb er verwirrt und konnte sich nur sehr langsam ausdrücken, er wurde zu einem Wrack und hatte bald keinen einzigen Menschen mehr, der sich für ihn interessierte. Er konnte nicht mehr studieren, denn seine Logik war für immer verschwunden und er konnte sich auf gar nichts konzentrieren. Es war, als wäre er jemand anderes geworden, dabei erlebte er nur das, was schlimme Alkoholiker oder psychisch Kranke so oft erlebten, den Blick in ihre Seele und er ließ sich einfangen, konnte gar nicht anders, die Droge hatte ihn zerstört. Er wurde einsam und konnte nicht für seinen Lebensunterhalt sorgen, fing an zu trinken und wurde zu einem der vielen Gescheiterten, über deren Schwäche und Disziplinlosigkeit er früher dumme Witze gemacht hatte. Karina hörte nie wieder etwas von ihm und dachte, daß sie wohl etwas zu 35
viel LSD in den Cocktail geschüttet hatte, den der 'Freak' tauchte nicht mehr auf im Künstlerforum. Der Gammler Frank Claudius Meinhardt alias 'Jesus', wie er von Freunden genannt wurde, machte eine Pause von seinem anstrengenden Alltag. Er saß am Rand eines Brunnens und aß, während die Sonne ihm ins Gesicht schien, einen vegetarischen Döner, denn er würde nie seine tierischen Freunde verspeisen. Frank war ein Gammler oder Penner, wie man im Volksmund sagt. Er war jedoch kein gewöhnlicher Heimatloser. Er trank keinen Alkohol, bettelte nicht und pöbelte keine Leute an. Er hatte zwar einen Platz, an dem er schlafen konnte, wenn es zu kalt draußen war, doch er zog es vor, im Freien zu schlafen. Er hatte eine Wohnung, vollgestopft mit den verrücktesten Dingen, die von einem Menschen bezahlt wurde, der ihm sein Leben zu verdanken hatte. Dieser Mensch war früher schwer heroinabhängig und Frank hatte es geschafft, ihn von seiner Sucht zu heilen. Jetzt war er ein sehr gut bezahlter Manager und sorgte für Franks Lebensunterhalt. Dieser hätte sich von all dem Geld schon längst eine Eigentumswohnung kaufen können, doch er spendete sein Geld immer an die Armenhilfe und behielt nur das, was er dringend zum leben brauchte. Wenn man Frank sah, wußte man, warum seine Freunde ihn Jesus nannten. Er hatte sich seit 15 Jahren weder Haare noch Bart geschnitten und beides reichte fast bis zur Taille.Außerdem trug er einen Überwurf, der stark an historische Bibelfilme erinnerte und Billiglatschen, die er benutzte, bis sie auseinanderfielen. Er war gutmütig und lächelte immer, ja, er war eine kleine Berühmtheit in der großen Stadt, in der lebte. Er kannte die meißten Obdachlosen und ließ jeweils zwei von ihnen in kalten Nächten bei sich in der Wohnung schlafen. Seltsamerweise tranken viele, die auch nur eine Nacht bei ihm verbrachten, danach keinen Alkohol mehr. Frank war ein Heiler und manche sagten, er würde Wunder vollbringen. Tatsächlich war er irgendwie beseelt, denn er schaffte es, die Menschen von Krankheiten zu heilen, die schulmedizinisch nicht mehr zu behandeln waren. Er hatte Krebs geheilt und er hatte sogar einen Aidskranken gesund gemacht. Er nahm in solchen Fällen den Kranken vor der Heilung immer das Versprechen ab, daß sie nichts von der wundersamen Heilung erzählten, und sie hielten sich fast immer daran. Er heilte viele Leute, doch er nahm nie Geld dafür. Frank war wirklich so etwas, wie ein moderner Jesus. Er 36
verbrachte seinen Tag eigentlich immer recht planlos, doch irgendetwas führte ihn immer zu den Menschen, die seine Hilfe benötigten, die so zahlreich waren, daß er manchmal nachts nicht schlafen konnte, vor lauter Arbeit. Er hatte eine Art inneren Kompass, der ihn zielstrebig zu den kranken Menschen führte, zu ihren Wohnungen oder zu den Orten, wo sie manchmal in erbärmlichen Umständen dahinvegetierten. Frank saß also an dem Brunnen und kühle Wassertropfen trafen ihm im sonnengebräunten Nacken, während er seine Mahlzeit beendete und danach eine Pfeife und Tabak und ein gewisses verbotenes Kraut aus seinem Beutel holte, den er immer bei sich trug und in dem sich außerdem diverse Mittelchen fanden, bei deren Zusammensetzung jeder Apotheker rätseln würde, denn die Rezepturen hatte Frank auf seinen Reisen durch die ganze Welt gesammelt. Frank rauchte seine Mischung aus Tabak und dem verbotenen Kraut und beschloß, danach etwas auf der Wiese im Park vor sich hin zu dösen. Beschwingt ging er in den Park und legte sich hin, um zu ruhen. Er grüßte auf dem Weg eine ganze Menge Menschen, denn es war bei den Jugendlichen der Stadt sogar in Mode, den Sonderling zu grüßen. Frank legte sich hin und träumte gerade, als er, wie er es gewohnt war, wenn es jemandem sehr schlecht ging, von einer mysteriösen Kraft aus dem Schlaf gerissen wurde und sich auf den Weg machte. Wohin er gehen mußte, wußte er nie, doch er kam immer da an, wo man ihn brauchte. Er ging schnellen Schrittes in die Altstadt und betrat schließlich ein altes Wohnhaus, an dem der Putz von der Wand bröckelte. Im Treppenhaus stank es nach Urin und Frank ging auf morschen Stufen in den obersten Stock. Er klingelte an einer Tür und wartete. Als er von drinnen nur stöhnen und jammern wahrnahm, beschloß er die Tür mit einem Trick zu öffnen. Er nahm zwei Drähte und knackte das Schloß. In der Wohnung stank es fürchterlich und es war unordentlich, überall lag Müll herum und Frank hörte Kakerlaken unter den Schränken trippeln. Er ging in das Schlafzimmer und fand dort den Mann, den er stöhnen gehört hatte. Der Mann war sehr dünn und sah aus, wie ein Skelett, das man mit Haut überzogen hatte. Der Mann registrierte irgendwie, daß Frank sein Schlafzimmer betreten hatte und keuchte so etwas wie „...ife...“, was wohl Hilfe meinen sollte. Frank wußte sofort, als er ihm die Hand auf die Strin legte, daß der Mann nicht krank wahr, sondern schon ewig nichts mehr gegessen hatte. Mindestens eine Woche mußte er schon bewegungsunfähig im Bett liegen. Frank wußte immer alles Notwendige, wenn die Menschen berührte, die seine Hilfe benötigten. Dieser Mann hatte seit Jahren immer weniger gegessen und die Zugehörigkeit zu einer Sekte, die von ihren 37
Mitgliedern das strenge Fasten verlangte, hatte bei ihm Magersucht ausgelöst. Frank gab ihm erst einmal etwas zu trinken aus dem Wasserhahn und fütterte ihn mit den wenigen Dingen, die er in seinem Kühlschrank fand. Danach ging er los, um Essen zu kaufen. Er kam zurück und der Mann war wie verwandelt, denn er aß schnell und hungrig. Frank blieb lange bei ihm und sie führten ein eindringliches Gespräch. Er besorgte Putzmittel und putzte die Wohnung des Mannes. Danach räumte er auf und rief den Kammerjäger an. Er gab dem Mann Telefonnummern von Stellen, die sich mit Sekten auskannten und Aussteiger unterstützten. Frank gab sich zufrieden, denn er hatte Erfahrung mit Magersucht und hatte schon viele mit diesem Leiden vollständig geheilt. Er verließ die Wohnung wieder, denn er mußte heute noch mit einigen Menschen arbeiten, die von harten Drogen abhängig waren. Er ging auf die Straße, als er ein Auto wahrnahm, daß hinter ihm losfuhr und dann mit quietschenden Bremsen neben ihm hielt. Ein Mann sprang aus der hinteren Tür und stieß Frank in den Wagen. Er drückte ihm einen Stoffetzen mit Chloroform ins Gesicht und Frank kippte auf der Rückbank zusammen, während das Auto die Stadt verließ und über vier Stunden über das Land fuhr. Die Männer trugen Frank in ein Gebäude, in dem sich Untersuchungsräume und Labors befanden und ein Zimmer, in dem Frank auf einem Bett festgeschnallt wurde. Die Männer verließen das Gebäude wieder und fuhren davon. Als Frank aufwachte, betrat ein Mann mit einem weißen Kittel das Zimmer, der ihn schon lange durch eine Kamera in Franks Zimmer beobachtet hatte. Er setzte sich auf einen Stuhl neben dem Bett und sagte zu Frank: „Wir kennen sie schon lange. Sie heilen Menschen und sie können Krankheiten heilen, die man im Moment einfach nicht heilen kann. Ihren Beutel haben wir schon durchsucht und analysieren gerade den Inhalt der Fläschchen. Sie bleiben so lange hier, bis wir ihr Geheimnis kennen.“ Er stand auf und verließ das Zimmer, schloß die Tür ab und freute sich innerlich auf die Millionen, die eine Firma ihm für den endgültigen Sieg über eine schwere Krankheit versprochen hatte. Und nicht nur das, er würde noch viele Krankheiten mehr heilen können, wenn er die Geheimnisse dieses Mannes besitzen würde. Er würde reich sein, dachte er mit Freude. Frank wurde allen möglichen Tests unterzogen, sein Blut abgezapft und seine Hirnströme gemessen. Man zwang ihn, von seinen Heilungen zu berichten und alles darüber zu erzählen. Man konnte die Substanzen aus seinem Beutel nur teilweise analysieren, denn einiges wahr noch vollkommen neu. 38
Als diese Menschen alles über Frank wußten, was er wußte, konnten sie sich nicht erklären, wie er die Heilungen vollbracht hatte, lediglich einige der Mittelchen hatten sie auf ihre Wirkung und ihre Zusammensetzung hin untersuchen können. Sie betäubten Frank, der nun schon vier Monate in ihrer Gewalt war und die gleichen Männer, die ihn hergebracht hatten, fuhren ihn in seine Heimatstadt. In einem Vorort stießen sie ihn während der Fahrt auf die Straße und Frank überschlug sich mehrmals und sein Kopf stieß hart am Bordstein an. Als er gerade aus seiner Betäubung durch den Schmerz erwachte, schwand sein Bewußtsein schon wieder, denn sein Hirn war schwer verletzt. Frank war am sterben, als einer derjenigen ihn aufsammelte, dem er vor einiger Zeit geholfen hatte. Er rief einen Krankenwagen und Frank wurde ins Krankenhaus gebracht. Dort hielt man ihn noch einige Zeit am Leben, doch die Blutung in seinem Gehirn hatte irreparable Schäden verursacht. Man gab ihn schon auf und wollte ihn in Pflege geben, als er die Augen aufschlug und versuchte zu sprechen, doch er konnte es nicht mehr. Er kam in eine Rehabilitationsklinik und es geschah ein Wunder, denn er konnte bald wieder sprechen und verließ die Klinik vollkommen gesund, was allen Beteiligten als medizinische Unmöglichkeit erschienen war. Heute reist Frank durch die Welt und geht seiner Berufung nach, er heilt Menschen. Der gestrige Tag Mir ist letztens etwas passiert, ich weiß nicht, ob ich es geträumt habe. Ich möchte euch eine Geschichte erzählen, die ihr mir nicht glauben werdet, doch ich versichere euch, daß sie so, wie ich sie erzähle, geschehen ist. So und nicht anders, man beweise mir das Gegenteil. Wie jeden Tag weckte mich das Radioprogramm von MMF. Ich stelle meinen Wecker immer auf neun Uhr morgens, denn ich war arbeitslos und gehe tagsüber immer auf Jobsuche und vertrödle meine Zeit in Cafe`s und in Parks. Ich hörte also den Song, den der Sender schon gestern um neun Uhr gespielt hatte, irgendein Lied von Aerosmith, und wunderte mich über die Sonne, die durch die Ritzen meines Rolladens schien, denn für heute war Regen angesagt worden. Nun, ich glaube, um alles richtig zu erzählen, muß ich mit meiner Erzählung bei dem Tag davor anfangen, denn irgendwie hat da alles angefangen. Ich bin aufgestanden, nachdem sich mein Radiowecker mit Aerosmith bemerkbar machte, und ging in die Küche. Ich machte mir etwas zu essen 39
und ging ins Wohnzimmer, um meinen Tag, wie üblich, mit den Nachrichten im Fernsehen zu beginnen. Ein Amoklauf in den USA, ein Nachbeben in El Salvador und eine Rentenreform läuteten meinen bedeutungslosen Tag ein. Ich packte meine Lebensläufe, meine Zeugnisse und meine schriftlichen Bewerbungen ein, denn ich hatte zwei Vorstellungsgespräche bei Speditionen, denn ich bin gelernter Speditionskaufmann. Ich aß zu Ende und verabschiedete mich von meinem Kater Billy. Ich ging nocheinmal auf die Arbeitsvermittlung und an den Jobinfocomputer, um neue Arbeitsstellen angezeigt zu bekommen. Es ergab sich nichts neues, doch ich traf einen abgerissen aussehenden jungen Mann, der Selbstgespräche führte am Jobinfocomputer neben mir. Ich hörte nur noch, daß er sagte, er würde sich heute umbringen, dann ging ich, peinlich berührt, davon. Ich ging zu meinem ersten Vorstellungsgespräch und man sagte mir gleich, daß ich keine Chancen hätte, in meinem Alter. Dabei bin ich erst 46 Jahre alt. Ich ging zu dem nächsten Vorstellungsgespräch, wo eine hübsche, junge Frau mich empfing und mr schöne Augen machte. Sie konnte höchstens 25 Jahre alt gewesen sein und ich machte mir Hoffnungen auf einen Job oder eine Affäre mit ihr, oder gar beides. Sie war mir sehr wohlgesonnen und im Gespräch wurde geflirtet, was das Zeug hält. Sie würde meine zukünftige Chefin sein und ich fand es irgendwie anziehend, unter einer schönen Frau arbeiten zu können, vielleicht konnte man ja auch privat zusammenarbeiten. Wir vereinbarten ein weiteres Treffen und sie wollte mir dann mitteilen, ob ich für den Job in Frage in käme. Beschwingt verließ ich die Spedition und pfeifte ein Lied, während mein drittes Bein langsam in seinen Normalzustand schrumpfte. Ich beschloß, den restlichen Tag mit süßem Nichtstun zu verbringen und mir ein neues Buch zu kaufen, etwas in der Richtung: 'Wie beeindrucke ich eine junge Frau?', oder so ähnlich. Eine Anleitung für Männer mittleren Alters, die eine junge Frau kennenlernen und von den Vorzügen erfahrener Männer überzeugen wollen. Ich ging in ein großes Buchgeschäft und zu der Lebenshilfe-Ecke. Auf dem Weg stolperte ich über den Fuß einer jungen Frau in der Psychologie-Ecke und ich beschimpfte das unscheinbare Wesen als ungeschickt und plump. Sie entschuldigte sich bei mir und war sehr eingeschüchtert von meiner Lautstärke. Ich hörte mir ihre leisen und gestammelten Entschuldigungen nicht zu Ende an und ließ sie stehen. Als ich zurückkam, mit meinem Buch in der Hand, war sie schon verschwunden und ich verschwendete keinen Gedanken mehr an das Mauerblümchen, ich dachte nur noch spöttisch, daß sie wohl ein Buch mit 40
dem Titel: 'Wie setzt ich mich durch im Beruf und im Privatleben?' gesucht hatte. Ich ging in ein Cafe und las das Buch, in dem es hieß, man solle sich sportlich und dynamisch geben und Erfolgswillen versprühen. Der Mann von heute soll seinen Körper pflegen und humorvoll sein. Ich las das Buch begierig bis zum Ende und ging in Gedanken das Gespräch mit meiner zukünftigen Chefin durch. Ich würde sie heißmachen auf die Vorzüge älterer Männer, da war ich mir sicher. Schließlich sehe ich ja auch gut aus und meine wenigen grauen Haare färbe ich erfolgreich. Außerdem habe ich einen angenehm männlichen Körper, der mir schon viele Liebeleien beschert hatte. Ich zog meine baldige Chefin im Geiste aus und mir gefiel, was ich sah. Danach ging ich nach Hause, schließlich mußte Billy gefüttert werden. Ich kam gerade an, als das Telefon klingelte. Ich stürmte hin und nahm ab, schließlich wurde ich ja selten angerufen. Die schöne Chefin meiner Träume war am Telefon und die Charaktereigenschaften des modernen Mannes gingen mir durch den Kopf. Sie sagte:“ Guten Tag, Herr Klein, leider muß ich ihnen mitteilen, daß sie für die Stelle nicht in Frage kommen. Ich habe mir ihre Unterlagen durchgesehen und mußte feststellen, daß sie von Computern keine Ahnung haben. Sie könne nicht einmal einen LKW fahren, wissen sie, das ist schon arm...“ Ich antwortete:“Na ja, ich bin ja auch Kaufmann und kein Fahrer.“ Sie sprach weiter:“...ich war ja noch gar nicht fertig. Sie haben mich echt absolut schmierig angemacht und ich stehe wirklich nicht auf alte Männer. Außerdem sind sie total altmodisch und wenn ich mir vorstelle, mit ihnen im Bett zu liegen, wäre die fantasievollste Stellung wahrscheinlich die Missionarsstellung.“, sie lachte spöttisch, und fuhr fort:“Außerdem verdiene ich dreimal mehr, als sie jemals verdienen können und sie glauben doch nicht ernsthaft, daß ich mich mit einem arbeitslosen Opa einlassen würde. Na ja, nehmen sie es nicht so schwer. Tschüß.“ Sie legte auf und ich blieb zurück, erst wurde ich wütend, dann fühlte ich mich verkohlt und war verletzt. Ich verbrachte den restlichen Tag mit Selbstmitleid und schweinischen Videos, dann ging ich ins Bett und wollte die Ereignisse des folgenden Tages abwarten, denn ich wußte, irgendwo mußte es eine Arbeit für mich geben. Am nächsten Tag weckte mich, wie gesagt, der Wecker wieder mit Aerosmith und ich zog den Rolladen auf, wo mich die Sonne erwartete, die gestern laut Wetterbericht noch unmöglich gewesen war. Ich dachte, daß der Wetterbericht, wie immer, unzuverlässig gewesen war und man sich einfach nicht darauf verlassen konnte. Ich setzte mich vor den Fernseher, 41
mit einer Tasse Kaffee und nachdem ich Billy gefüttert hatte. Ich schaute mir die Nachrichten an, ein Amoklauf in den USA, ein Nachbeben in El Salvador und die Ankündigung einer neuen Rentenreform. Ich wunderte mich, denn alles war haargenau wie am Vortag und ich dachte, daß die wohl ein Band eingelegt hatten, aber bei den Nachrichten ein Band einlegen, das war schon komisch. Außerdem wurde beim Wetterbericht das gestrige Datum angesagt und natürlich, Regen für den nächsten Tag. Ich schaltete aus und dachte kurz an den Film 'Und täglich grüßt das Murmeltier.' und mußte schmunzeln. Ich ging aus dem Haus, um mich wieder ins Arbeitsamt zu begeben. Auf dem Weg hatte ich ständig ein Gefühl des deja vu und es war wirklich seltsam. Im Arbeitsamt saß doch tatsächlich der gleiche junge Mann und sprach mit sich selbst. Er sprach von Selbstmord und ich reagierte darauf, anstatt wie am Vortag einfach zu verschwinden. Ich redete ihn an und er sagte:“...ach wissen sie, ich bin unglücklich. Seit zwei Jahren bin ich arbeitslos und meine Freunde sind alle weg, ich glaube, sie wollen mit einem Sozialhilfeempfänger nichts zu tun haben Ich kann nicht mehr. Heute bringe ich mich um, es hat doch alles keinen Sinn mehr.“ Er fing an, leise zu weinen und ich war gerührt, ein Wesenszug, der mir an mir selten aufgefallen ist. Ich sprach ihm gut zu und lud ihn ein, bei mir daheim einen Kaffe zu trinken. Ich wollte ihn dann unterstützen und mir seine Probleme anhören. Vielleicht konnte ich ihn ja irgendwie weiterbringen. Als wir bei mir ankamen, redeten wir ausführlich und es stellte sich heraus, daß der junge Mann zwar Abitur hatte, aber ohne Ausbildung keine Chance auf dem Arbeitsmarkt hatte. Ich kannte jemanden, der einen jungen Mann mit Abitur suchte, rief dort an und siehe da, er hatte eine Arbeitsstelle. Außerdem lebte er regelrecht auf und wurde fröhlich, er hatte einen väterlichen Freund gefunden. Wir treffen uns heute noch und wir mögen uns sehr. Na ja, jedenfalls nahm der Tag seinen Lauf und gegen 14.00 Uhr rief mich die Chefin des Speditionsunternehmens an, bei der ich mich gestern vorgestellt hatte. Ich wollte gerade beleidigend werden, als sie sehr höflich darauf aufmerksam machte, daß ich doch bitte noch zu dem Vorstellungsgespräch kommen solle, das für 13.00 Uhr ausgemacht war. Sie störte sich offensichtlich nicht daran, daß ich nicht gekommen war und fragte, ob es mir gut ginge, man könne das Gespräch ja auch verschieben. Ich stammelte, daß ich vorbeikommen würde, während ich dachte, daß sie wohl einen Sprung in der Schüssel hatte, weil sie ihre Gemeinheiten vom vorherigen Tag wohl vergessen hatte, oder mich einfach aus Versehen zweimal eingeladen hat. Ich sagte, innerlich auf Rache sinnend, zu und geleitete den nun zufrieden wirkenden jungen 42
Mann vor die Tür und machte mich auf den Weg, um der Gans die Meinung zu geigen. Ich wurde von ihr höflich in ihr Büro gebeten und als ich gerade loslegen wollte, indem ich ihr all die Bösartigkeiten an den Kopf schmiß, die ich mir auf der Fahrt überlegt hatte, merkte ich, daß sie unser gestriges Treffen wohl vollkommen vergessen hatte, denn sie sagte dieselben Dinge wie am Tag zuvor und fragte nach meinen Bewerbungsunterlagen, die sie doch schon bekommen hatte. Ich spielte das Spiel mit und flirtete heftigst mit ihr. Wie gestern, kamen eindeutige Signale zurück und ich ging in mein Buchgeschäft, um mich ein wenig umzuschauen. Ich konnte es nicht glauben, denn ich stolperte wieder über den Fuß der unscheinbaren Frau, die schon am Vortag da stand, wo ich jetzt auf sie traf. Sie entschuldigte sich und zeigte keine Anzeichen, daß sie mich erkannte. Mir tat mein Verhalten vom vorherigen Tag leid und ich entschuldigte mich dafür, was ich gesagt hatte. Sie schien von nichts zu wissen und wir kamen ins Gespräch. Sie war unglaublich freundlich und ich fühlte mich von ihr angezogen. Wir gingen in ein Cafe und sie offenbarte mir, daß sie selbständige Speditionskauffrau sei und dringend einen Geschäftspartner suche. Ich sagte sofort zu und heute verdiene ich sehr gut und ich bin mit ihr verheiratet. Sie ist nur äußerlich unscheinbar, denn sie konnte das Kama Sutra auswendig und ich bin heute sehr glücklich über das ganze Geschehen. Als ich nach unserem Gespräch daheim angekommen war, war es schon 18.30 und ich saß gerde gemütlch vor dem Fernseher, als das Telefon klingelte. Die schöne Speditionsangestellte, bei der ich mich vorgestellt hatte, war am Telefon und bevor sie anfangen konnte, den selben Mist wie gestern herunterzuleiern, sagte ich, unverhohlen arrogant:“Jaja, halt den Mund, du Schnalle. Ich habe dich nicht nötig und deinen lausigen Job kannst du dir dahin stecken, wo die Sonne nicht scheint. Außerdem verdiene ich bald viermal so viel wie du. Also, such dir einen jungen Stecher, der dir die Make-Up-Kruste vom Gesicht kratzt, um zu sehen, was dahintersteckt und deinen Abwasch macht und auch sonst wie ein braves Hündchen deine Launen erträgt, aber belästige mich nicht.“ Sie war sprachlos, bis auf ein leises “Ja“und legte auf, offensichtlich geschockt. Vergnügt legte ich ebenfalls auf und mußte bei dem weiteren Programm im Fernsehen feststellen, daß ich tatsächlich den vorherigen Tag wiedererlebt hatte. Ich konnte nie verstehen, wie so etwas gehen kann, aber ich schwöre, daß es so war und nicht anders. Heute bin ich enorm froh, daß es so war, denn der junge Mann hätte sich mit Sicherheit umgebracht, er hatte mir erzählt, daß er es schon einige Male versucht 43
hatte. Na ja, was soll ich ihnen sagen. Glauben sie mir, oder glauben sie mir nicht, ich habe wirklich einen Tag zwei Mal erlebt, da bin ich mir ganz sicher. Der Moralist Kapitel 1: Der Jäger Sein blondes Haar fiel ihm immer wieder störend ins Gesicht und bedeckte teils sein rechtes Auge, er wischte es hektisch zurück, wobei er nervös und fahrig wirkte, denn es war erst sein zweiter Auftrag und es war doch etwas gewöhnungsbedürtig, wie jede neue Arbeit. Er verließ seinen Platz am Fenster in dem abgedunkelten, muffigen Raum eines alten Bürogebäudes, das renoviert werden sollte und legte das Fernglas mit integrierter Nachtsicht auf den Boden, steckte sich eine Zigarette an und lief in dem Zimmer auf und ab. Er dachte nochmal über den Auftrag nach. Was er wußte, war, daß die zu observierende Person eine bekannte Talkshowmoderatorin war und daß sie einen großen Fehler gemacht hatte, in dessen Folge drei Menschen starben. Seine Auftraggeber sandten ihm letztes Mal den kompletten Bericht über die Zusammenhänge, so auch diesmal. Diese Moderatorin hatte sich oft an Themen gewagt hatte, die die Zuschauer im Publikum und an den Schirmen zuhause meist sehr in Rage brachte, da diese Sendung eben darauf angelegt waren, zu provozieren und nicht selten prügelten sich Gäste, es flogen Stühle und in einem besonders schlimmen Fall wurde ein Talkgast von einem Mann aus dem Publikum heraus erschossen, man fand drei Kugeln in seinem Körper. Nach diesem Vorfall wurde die Sendung nicht eingestellt, die Gäste und Zuschauer wurden jetzt auf Waffen kontrolliert und die Talkshow hatte noch höhere Quoten als je zuvor. Außerdem wurden die Gäste noch höher bezahlt. Die Themen dieser Show hatten Inhalte wie:“Mein Mann prügelt mich, aber ich liebe ihn trotzdem“, „Ich bin ein Triebtäter, war im Knast und heute stelle ich mich der Öffentlichkeit“ oder „Ich stehle und raube und es gefällt mir“. Im Deutschland des Jahres 2015 war dieses Konzept durchaus üblich, Vorgänger gab es schon zwanzig Jahre vorher in den USA und überall wo derartige Shows liefen, zogen sie die Leute an, wie Magneten, die Einschaltquoten in Deutschland bei der genannten Show lagen, je nach Potential von Haß, Streit und Gemeinheiten bei bis zu 16 Millionen 44
Zuschauern.Oft kam es auch vor, daß Gäste der Show noch lange Zeit nach ihrem Auftritt terrorisiert wurden, wenn sie nicht unkenntlich gemacht und ihre Stimmen verzerrt wurden. Auch konnte ein Mord mit der Show in Verbindung gebracht werden. Ein Zuschauer im Publikum von „Hülya-sag` was du denkst!“ wollte seine alte Magnum mit in die Show nehmen, vesteckte sie jedoch draußen, als er bemerkte, daß die Leute durch einen begehbahren Röntgengang geschleust und danach noch einmal dursucht wurden. Er änderte seinen Plan und ging in die Show mit dem Thema:“ Ich stecke meine Partner absichtlich mit NHIV an ( NHIV= Neue Variante des Aids-Virus, die mit herkömmlichen Mitteln nicht bekämpft werden konnte )“. In der Show saß, auf den Schirmen unkenntlich gemacht, der Kerl, der seine Schwester angesteckt hatte und nun ausführlich berichtete, was für Leid ihm angetan wurde von der Frau, die ihn angesteckt hatte und er sich nun rächen wolle an den Frauen. Zu diesen Frauen hat nun die Schwester des Zuschauers gehört, die zu der Zeit im Krankenhaus lag und wahrscheinlich an Lungenentzündung sterben würde. Der Zuschauer kam nur in die Show, um seine Wut zu steigern, das meisste wußte er schon und die Adresse seines Opfers kannte er auch. Er verließ das Studio und lauerte dem Kerl vor seinem Hauseingang auf, versteckte sich in einer Nische, überprüfte die Ladung seiner Pistole immer wieder und ensicherte sie schließlich. Das Opfer kam und suchte nun den Schlüssel für die Haustür, als der Rächer aus seiner Nische sprang, zielte und die gesamte Ladung seiner Pistole in den Körper seines Gegenübers schoß. Nach diesen Vorfällen wurden Christians Auftraggeber aufmerksam und beobachteten die weiteren Geschehnisse, die mit der Show in Zusammenhang standen. Der Vorfall, der endgültig dazu geführt hatte, daß Christian De La Vigne diesen neuen Auftrag bekommen hatte, ging so vor sich: In der Show mit dem Thema:“ Wir sind Sozialschmarotzer und leben wie die Made im Speck“ trat eine Familie auf, die offen bekannte, daß sie seit zehn Jahren Sozialhilfe beziehe und damit gerade so über die Runden komme.Der Familienvater war 53 Jahre alt, diplomierter Ingenieur und weigerte sich, Stellungen als Bauhelfer oder Fabrikarbeiter anzunehmen. Als Ingenieur nahm in keiner mehr, denn er war zu alt. Die Familie, Vater, Mutter, Kind, war in einem erbarmenswerten Zustand. Infolge der EUOsterweiterung und der Angleichung von staatlichen Hilfen in der gesamten Europäischen Union lebten die Bedürftigen in Deutschland unter Umständen, die an die der Armen in den USA sehr nahe herankamen: Keine Krankenversicherung ( Nur die Notversorgung war abgedeckt.), 45
klitzekleine Wohnungen oder oft gar keine und die Angst, ob man am nächsten Tag etwas zu essen haben würde. Unverzeihlich wurde vom Publikum gewertet, daß die Familie einen Großbildschirm besaß ( den sie geschenkt bekommen hatten und der natürlich nicht multifunktional war ( z.B: Anbindung an das Internet oder das Haus-oder Schulnetzwerk), was viel zu teuer wäre.), ebenso, daß die Familie ihre Tochter auf eine herkömmliche Schule schickte, auf der die Klassen höchstens 15 Schüler hatten und einen Lehrer aus Fleisch und Blut,während die meisten Zuschauer ihre Kinder auf Schulen schicken mußten, deren Klassen teilweise bis zu 60 Schüler beherbergten und die die gesamte Unterrichtszeit auf einen riesigen Bildschirm starrten, um von einem interaktiven Programm unterrichtet zu werden. Die Qualität dieses Unterrichts reichte lange nicht an die der herkömmlichen Schulen heran, wo die Schüler eigene Netzwerkserver besaßen und der Lehrer jederzeit zur Verfügung stand, in den kostenlosen Schulen befand sich lediglich eine ungebildete Sicherheitskraft, die die Ordnung wahren sollte. Was nicht erwähnt wurde, war, daß die Tante des Mädchens ihr die Material-und Schulkosten zahlte, so nahm das Publikum an, daß die Eltern ihr das zahlten. Nachdem die Eltern nun verbittert ihre Standpunkte verteidigten, kamen aus dem Publikum wüste Beschimpfungen wie“Ihr scheiß Schmarotzer, verschwindet aus Deutschland!“ oder „Euch sollte man vergasen, asoziales Pack!“. Dazu muß gesagt werden, daß die Zensur von Fernsehsendungen nicht durchgesetzt werden konnte, auch weil die Medienkonzerne Europas großen Einfluß auf die Politik in Europa hatten, was zu ungeahnten Auswüchsen in der Medienlandschaft führte, wie beispielsweise besagte Show und anderer perverser Showideen. Nun fingen einige Zuschauer an, wütend auf die Gäste einzustürmen, woran sie nicht gehindert wurden, denn schlagartig gingen die Quoten nach oben und die Programmverantwortlichen lachten sich in die Fäuste, während dieselben gegen die Familie flogen, die dann, alibihalber, nach einer halben Minute Prügelei von den Sicherheitskräften in einen gesonderten Raum gebracht wurde und von dort geschützt nach Hause transportiert. Das Ende der Geschichte war, daß besagte Familie monatelang von Fremden und Bekannten beschimpft wurden und sie keine ruhige Minute mehr fand, die Tochter und die Mutter wurden mit dem Tod bedroht und ein irgendwie geartetes normales Leben war nicht mehr möglich, als sich der Familienvater entschloß, seine Famile mit in den Tod zu nehmen, da er keinen Ausweg mehr sah. Er wartete ab, bis alle 46
schliefen, legte seiner Frau behutsam ein Kissen an den Kopf und dämpfte damit das Schußgeräusch, das die Kugel begleitete, in einen Kopf, der von alledem nichts mehr registrierte. Seine Tochter fand er ebenfalls schlafend, setzte sich auf ihre Bettkante und wiederholte die Tat. Danach schrieb er einen langen Brief mit einer Anklage an die Gesellschaft und ließ seinem Haß freien Lauf, schrieb aber auch seine Hoffnung auf eine bessere Zeit nieder, die er leider nicht mehr erleben würde, während alledem weinte er bitterlich und schoß sich dann durch den Mund ins Gehirn, was die Leute in der Nachbarwohnung weckte, was die Polizei und schließlich die örtliche Presse auf den Plan rief, die dann am nächsten Tag auf der zweiten Seite von dem bedauerlichen Amoklauf eines Sozialhilfeempfängers berichtete, dessen finanzielle Nöte ihn wohl zu dieser Tat getrieben hatten. Christian De La Vigne stimmte mit den Motiven seiner Auftraggeber immer überein, sonst würde er derartige Aufträge auch nicht ausführen. Er wurde langsam ruhiger, sah auf seine Uhr und blickte aus dem unteren Stück Fenster, das der Rolladen nicht bedeckte, nahm sein Fernglas auf, schaltete auf Nachtsicht und konnte so in der späten Dämmerung klar und deutlich das Haus auf der Gegenseite beobachten, das durch ein hohes Gitter mit Tor und mehrerer optischer und akustischer Sensoren gesichert war. Das Haus konnte nur durch Überwindung der Sicherheitsanlage am Tor erreicht werden und die war so ausgeklügelt, daß kein Unberechtigter durchkäme. Er spähte auf ein leicht erleuchtetes Panzerglasfenster im zweiten Stock, wo der Hausdiener die ersten Vorbereitungen für das Abendessen traf. Christian setzte das Fernglas ab, schaute auf die Uhr und wußte dank der zweiwöchigen Observierung, daß er noch eine gute Stunde Zeit hatte, bevor Talkshowmoderatorin Hülya Özkan nach Hause kam. Er nutzte die Gelegenheit, sein Präzisionsgewehr mit Nachtsicht,starkem Zoom und einer Treffsicherheit von 100% auf mindestens 2000m nocheinmal durchzuchecken, das Zielfernrohr und den Lauf zu reinigen und die Patronen aus der Schachtel zu holen. Die Patronen waren eine Neuentwicklung, nach dem Aufprall splitterten die Projektile in einem Winkel von etwa 90° nach vorne, was bei einem Kopfschuß die sicherste Methode war. Er wusste, daß Kopfschüsse überlebt werden können, also ging er auf Nummer Sicher. Während er die Waffe checkte und die Patronen in das Magazin lud und dieses an das Gewehr steckte, dachte er an seinen ersten Auftrag zurück, der erst vier Wochen zurück lag. Sein Zielobjekt war ein Kinderschänder, der schon zweimal verurteilt 47
wurde zu lächerlich niedrigen Haftstrafen, obwohl er seine Opfer besonders sadistisch gequält hatte, sie regelmäßig mißbraucht und sie tagelang in einem Kellerraum eingesperrt hatte, wobei er sehr vorsichtig war um später nicht von den Kindern identifiziert werden zu können, Kondome und Maske benutzte. Beide Taten konnten durch die Hilfe der europaweiten Gendatenbank für Verbrecher geklärt werden, da er einmal winzige Spuren Sperma auf der Kleidung eines der Opfer gefunden wurde und ein anderes Mal das Kind dem Täter den Arm zerkratzt hatte und sich so verwertbares Genmaterial unter den Fingern des Opfers gefunden werden konnte. Nun war Joseph Bleuka wieder auf freiem Fuß und durch detektivische Überwachung, die ebenfalls seine Auftraggeber organisiert hatten, fand man heraus, daß dieser sich wieder in Gegenden aufhielt, in denen Kinder für Geld angeboten werden. Der Detektiv konnte Fotografien liefern, die die Pädophilentreffs der Stadt zeigten, immer war Joseph Bleuks auf diesen Bildern zu sehen und diese Bilder implizierten, daß Informationen ausgetauscht werden und Kontakte geknüpft werden. Auch berichtete der Detektiv von langdauernden Fahrten des Joseph Bleuks in den Gegenden der Grundschulen der Stadt, wobei dieser sehr langsam fuhr und genau beobachtete. Seine Auftraggeber waren nun der Meinung, daß dieser Mann eine potentielle Gefahr darstelle, sämtliche Therapien und die Triebdämpfer zeigten keine Resultate, und gaben Christian De La Vigne den Auftrag, Joseph Bleuks zu liquidieren. Dieser beobachtete Bleuks nun eine Woche, um seine Gewohnheiten zu erkunden. Er fand heraus, daß Bleuks das Wochenende regelmäßig bei seiner Mutter auf dem Land verbrachte. Er suchte sich am frühen Freitagmorgen, es war noch dunkel, einen guten Platz zwischen den Bäumen auf der Hinterseite des Grundstücks von Bleuks Mutter und duckte sich unter ein paar Büsche. Er hatte den gesamten Garten des Hauses im Blick, konnte jedoch von der Terrasse aus nicht gesehen werden. Er wusste, daß Bleuks Mutter und ihr Sohn den ganzen Tag auf der Terrasse verbringen würden, denn es würde ein angenehmer Frühsommertag werden und schon letztes Wochenende saßen sie den ganzen Tag draußen, grillten und unterhielten sich, manchmal stritten sie, doch konnte Christian nichts verstehen, der Garten war groß und die Terrasse etwa 80m entfernt. Christian lag also auf Lauer und wartete, das Bleuks in Erscheinung trat. Es war gegen Mittag als er und seine Mutter das bereitete Essen auf dem Tisch auf der Terrasse abstellten und sich ans Essen machten. 48
Christian legte an, zielte auf Joseph Bleuks Kopf und drückte ab, wobei sein Gewehr kein vernehmbares Geräusch machte. Er wartete die folgenden Momente des Entsetzens bei Bleuks Mutter nicht ab, nahm sein Gewehr und rannte zu seinem auf einem Feldweg hinter dem Grundstück abgestellten Crossmotorrad, stieg auf und raste auf einen etwa 500m entfernten Wald zu, in dem ein sicheres Versteck für das Motorrad angelegt war, so daß es selbst bei intensiver Suche nicht gefunden werden konnte. Er verstaute das Motorrad und rannte auf eine Straße zu, die eine kleine, asphaltierte Einbuchtung hatte auf der ein Jeep stand, so daß seine Reifenspuren nicht auf dem Waldboden zu sehen waren. Er bestieg den Jeep, verstaute das Gewehr und die Tarnkleidung, die er trug, samt Schuhe in einem Fach des Jeeps, das selbst bei einer gründlichen Untersuchung durch die Polizei nicht gefunden werden konnte, zog sich Businessanzug mit Krawatte und italienische Designerschuhe an, schaltete zu den Börsendaten auf seinem Autobildschirm und schaute sich noch einmal zu seiner Alibikleidung auf dem Rücksitz um, eine Komplettausstattung für Vogelbeobachter, leicht beschmutzt, die Gummistiefel voller Dreck, daneben ein Fernglas und ein Bestimmungsbuch für hiesige Singvögel. Zur Sicherheit hatte er noch die Brutzeiten und die wichtigsten lokalen Arten gemerkt, er war viermal hiergewesen seit dem ersten Wochenende, als Bleuks hier war, und hat den Jeep an derselben Stelle geparkt wie jetzt, danach Vögel beobachtet und nachts dann das Versteck für das Motorrad gebaut, was sehr viel Zeit und Geschick verlangt hatte, jedoch konnte er sich ja tagsüber bei der Vogelbeobachtung ausruhen. Er fuhr also los und das betont gelassen und als er auf die Straße einbog fügte er sich gemächlich in den Verkehr ein. Er konnte immer noch keine Polizeisirenen vernehmen und als ihm ein Streifenwagen auf der Gegenfahrbahn in normalem Tempo entgegenkam, wußte Christian, daß Bleuks Mutter den Schock wohl noch nicht soweit verarbeitet hatte, daß sie die Polizei informieren konnte. Es war ja auch erst 11 Minuten her , daß das Gehirn ihres bestialischen Sohnes sich auf der Terrasse verteilt hatte und selbst wenn sie die Polizei in den nächsten Minuten anrief, würden sie nach einem komplett vermummten Mann in Tarnkleidung suchen, der auf einem Motorrad unterwegs ist und ein Gewehr auf den Rücken geschnallt hat. Für den unwahrscheinlichen Fall, daß die Polizei eine Straßensperre errichtet und jeden kontrolliert, war er der biedere Vermögensverwalter, der auf seinem Heimweg eine tolle Stelle zum Vögelbeobachten gefunden hat. Auch konnte er diese Geschichte festigen, falls der Polizei der Jeep in der etwas versteckten Waldeinbuchtung vorher 49
aufgefallen war. Er hatte vor zwei Tagen einen Hobby-Ornithologen an einem guten Aussichtspunkt am Waldrand getroffen und sich geduldig sein Fachchinesich angehört, dieser merkte bald, daß er einen Laien vor sich hatte und bot ihm an weitere Exkursionen in näherer Zukunft an anderen Orten an. Christian stimmte zu und sie tauschten Adressen aus. So hatte er sich nach allen Seiten abgesichert. Auch seine Auftraggeber hatten gut für ihn gesorgt, er besaß eine komplett neue Identität mit Personalausweis,Führerschein,Sozialversicherung, einer Legende seines Lebens, die er auswendig kannte, inklusive gelernter Erinnerungen an seine Eltern, die bei einem Verkehrsunfall ums Leben kamen. Die Person, die er laut seinem Personalausweis war, hieß Egon Hoffmann, beging vor drei Jahren Selbstmord und sah ihm ein bißchen ähnlich, also hatten die Leute, die seine Auftraggeber überall sitzen hatten, aus Sympathie für jene oder gegen gute Bezahlung alles veranlaßt, um aus Christian De La Vigne Herrn Egon Hoffmann zu machen, und sämtliche Zweifel an der neuen Identität von irgendeiner Seite würden im Keim erstickt werden, da alles perfekt war, selbst die wenigen Verwandten des Egon Hoffmann, die ihn das letzte Mal als Kind gesehen hatten, würden Christian für Egon halten, die Eltern von Egon hatten keinen Kontakt zu den Verwandten gehalten und auf beiden Beerdigungen kamen nur einige wenige Freunde und Bekannte. Die Vermögensverwaltungsfirma, von der Christian Gehalt bezog, führte ihn ganz normal als Egon Hoffmann und der Chef war ein Sympathisant seiner Auftraggeber und half, wo er konnte und stellte niemals Fragen. In der Firma hatte Christian ein eigenes Büro und über seinen multifunktionalen Bildschirm empfing er, so genial verschlüsselt, daß er Stunden brauchte, um drei Seiten Text zu decodieren, seine Anweisungen, Informationen und Hintergründe, alles Notwendige für den nächsten Auftrag eben. Seine Entlohnung für die Aufträge wurden auf ein Schweizer Bankkonto eingezahlt, je nach Schwierigkeitsgrad bis zu 100.000 Euro pro Auftrag. Ansonsten lernte er die Arbeit der Vermögensverwaltung gerade vom Chef persönlich, der natürlich nicht wußte, daß Christian ein Jäger war. Christian sah auf seine Uhr und merkte, daß Hülya Özkan in etwa einer Viertelstunde in ihrer Limousine vorfahren würde, dann, so wußte er, würde einer der Bodyguards, bewehrt mit einer alten Maschinenpistole und kugelsicherer Weste die Sicherheitsanlage mit Fingerabdrucksensor und Iriserfassung bedienen, das Tor würde sich öffnen, der Wagen in den Hof einfahren, der Bodyguard routiniert das schließen des Tors 50
überwachen. Dann würde er sich an die hintere Tür der Limousine stellen, der zweite Bodyguard würde aussteigen und beide würden dann Hülya Özkan die wenigen Meter bis zur gepanzerten Haustür begleiten, sie würde die nächste Sicherheitsanlage an der Tür bedienen und alle drei würden in der Festung, die wie ein teures Stadthaus aussah, verschwinden, wo sie unerreichbar wären für Christian. Doch hatten sie die paar Meter vom Wagen zur Haustür nicht bedacht und genau dort würde Christian zuschlagen. Er kniete sich an das Fenster und lehnte den Lauf seines Gewehrs auf den Fensterrahmen, war damit unzufrieden und montierte das Stativ für seine Waffe, stellte die richtige Höhe ein und kniete sich wieder hin. So blieb er zehn Minuten und bewegte sich nicht, nur seine Augen erfassten, was draußen vor sich ging. Es war inzwischen ganz dunkel bis auf das Licht der Straßenlampen und der Hofbeleuchtung von Hülya Özkans Haus. Eine Frau mit Stöckelschuhen ging unterhalb des Bürogebäudes in Richtung Innenstadt, eine Katze drehte ihre Runde, als plötzlich die Limousine auftauchte. Alles verhielt sich wie immer und die Limousine durchquerte das offene Tor, um kurz darauf vor der Tür des Anwesens zu halten. Der Bodyguard stellte sich an die Tür, der zweite stieg aus und Christian zielte auf die Stelle, wo Hülya Özkan gleich gehen würde. Sie stieg aus, tat zwei Schritte und das Projektil trat in ihren Hinterkopf ein und riß ihr einen großen Teil des Schädels vom Körper. Dieser sackte in sich zusammen und die Bodyguards reagierten blitzschnell, zogen ihre Waffen, setzten sich die Nachtsichtgeräte auf und suchten, mit ihren Waffen zielend, die Umgebung ab. Doch der Jäger war schnell auf den Boden gegangen, hatte Waffe und Stativ mit sich gerissen und schnallte sich alles auf den Rücken, lief geduckt zur Tür des Raums, während die Bodyguards immer noch keine Ahnung hatten, woher der Schuß kam und sich auf den Boden duckten, weiterhin auf Geraüsche lauschten und die Gegend absuchten. Sie hatten den Schuß nicht gehört und konnten folglich nicht orten, aus welcher Richtung er gekommen sein könnte. Christian war nun auf dem Flur und rannte, so schnell er konnte die Stufen der Haupttreppe hinunter, erreichte den Hinterausgang, stieg auf ein unscheinbares, rostiges Moped mit amtlichen Kennzeichen, was man diesem Moped jedoch nicht ansah, waren die 150 km/h, die man damit fahren konnte. Der Jäger setzte sich einen Helm auf, verstaute Gewehr und Stativ in einem bereitliegenden Gitarrenkasten, schnallte ihn auf den Gepäckträger, stieg auf und fuhr eine Zeit lang mit hoher Geschwindigkeit durch enge Gassen und gelangte schließlich auf eine beleuchtete Straße 51
und fuhr mit gemütlichen 30km/h seinem Ziel entgegen. Rein aüßerlich konnte man ihn jetzt für Gitarrespieler auf dem Weg zu einer Probe halten, etwas ärmlich gekleidet und natürlich auf einem alten Moped, das seltsamerweise kaum Geräusche von sich gab. Er fuhr in die Vorstadt, wofür er etwa 20 Minuten brauchte. Dort fuhr er in einen Garagenkomplex, öffnete eine alte, sonnengebleichte Garagentür und schloß sie wieder, schaltete das Licht an und stellte das Moped an der rechten Garagenwand ab. Er wollte eine rauchen, denn auch wenn es illegal war und er von bösen Urteilen gehört hatte über Leute, die dabei erwischt wurden, konnte und wollte er es sich nicht abgewöhnen, er rauchte Schmuggelware, mieses Kraut. Statt dessen erinnerte er sich daran, daß Eile geboten war und nahm Gewehr und Stativ aus dem Gitarrenkasten, der tatsächlich eine Gitarrenattrappe enthielt, unter der man so allerlei verstecken konnte. Auch diesmal hatte Christian alias Egon Hoffmann keine Spuren am Tatort hinterlassen, selbst die Kleidung, so zeitgemäß und normal wie sie aussah, war äußerst trickreich, sie hinterließ nicht die kleinste Faser am Tatort und konnte sogar seine Körperwärme komplett nach innen zurückgeben, falls ein Polizeihubschrauber in der Nacht mit Wärmebildkamera unterwegs wäre und zufällig in der Nähe des Tatorts wäre, die Polizei schnell schalten würde und dieser ihn dann suchen würde wäre er nur sehr schlecht zu sehen und als ehemaliger Soldat wüßte er auch dann, wie er noch entkommen kann. Das Töten war für Christian De La Vigne eine Erledigung wie Essen und Trinken und hatte nur beim ersten Mal ein schlechtes Gewissen verursacht.Im Irankrieg 2011 hatte er mit seinem Team von fünf Leuten in einer einzigen Nacht zwei patroullierende Grenztruppen von jeweils zwölf Mann schnell und unauffällig zu Allah geschickt. Er hatte es gelernt, das Töten. Zuerst bei der Bundeswehr, als Berufssoldat.Als dann 2002 sein Standort geschlossen wurde, wurde er arbeitslos und fand dank seiner ausgezeichneten Qualifikationen schnell einen Platz in einer Spezialeinheit der Bundeswehr, die zu dem Zeitpunkt noch geheim gehalten wurde und erst in einigen Jahren operieren sollte. Er wurde in allen Waffengattungen trainiert und konnte alles fliegen, das je gebaut wurde, hatte Überlebenstraining und war in der Lage in fast jeder Umgebung ohne Hilfsmittel zu überleben. Er lernte drei verschiedene Nahkampftechniken und sie trainierten ständig, um sich fit zu halten. Außerdem lernte er, mit einer halben Stunde Schlaf am Tag auszukommen und er lernte eine Technik, Schmerzen fast völlig zu unterdrücken. Nach drei Jahren Trainings und ständiger Schulungen, in denen Wissen 52
aufgefrischt wurde und Neues vorgestellt wurde kam es zu ersten Einsätzen, die die immer vermummten Gestalten als die SB1, die Sondereinheit der Bundeswehr, ins Gespräch brachten. Niemand außer dem Einsatzkommandeur und wenigen anderen war die Identität der sechs Soldaten der SB1 bekannt und ihr Einsatzgebiet und die Mission wurde ihnen erst eine Stunde vorher bekannt gegeben, meist von einem General. Da es im Jahr 2005 keine Konflikte gab, in die die Nato eingreifen mußte, blieb es bei Aktionen in Deutschland und Europa, wenn dies gewünscht wurde. In den nächsten Jahren gab es einige Geiselbefreiungen und einen Irren, der regelmäßig Unfälle auf Autobahnen verursachte, da er von der Böschung aus x-beliebige Fahrer erschoß. Nach seinem vierten Ausraster begann er Fehler zu machen und hinterließ eindeutige Spuren am Tatort. Beim fünften Mal wurde er gesehen, wie er, mit dem Gewehr in der Hand in seinen Wagen einstieg und der Zeuge merkte sich das Kennzeichen.Noch bevor der Mann sein Haus betreten konnte, hatte die SB1 ihn am Boden, ohne daß er gemerkt hätte, daß sich ihm jemand nähert. Durch derartige Erfolge wurde weiter eifrig rekrutiert und es gab bald eine SB2, SB3,SB4,SB5 und SB6. Die SB1 hatte nun ihren ersten richtigen Einsatz im Krieg gegen den Iran im Sommer 2011. Nachdem der Iran viele gesuchte Terroristen beherbergte, forderten die Amerikaner die Auslieferung von mindestens fünf der islamischen Fundamentalisten, die für verheerende Anschläge in den USA verantwortlich gemacht wurden. Einer von ihnen, Muhammad Pati, hatte, nach Geheimdienstinformationen mit einigen unbekannten Komplizen 2008 die Wall Street in die Luft gesprengt, es gab jedoch eine Vorwarnung und niemand wurde verletzt.. Andere legten Bomben in Supermärkten und vor Polizeistationen. Auch schon lange gesuchte Terroristen hielten sich nachweislich im Iran auf. Sie organisierten sich in der sog. Neuen Islamischen Befreiungsfront, die viel Zulauf von jungen Fundamentalisten, rachsüchtigen Palästinensern und anderen Amerikahassern bekam. Sie erhielt immer mehr Einfluß in der iranischen Politik, da sie tatkräftig von Moslems finanziell aus aller Welt unterstützt wurde und den reinen Gottesstaat anstrebten, was auch in vielen Nachbarländern Zustimmung fand. Im Frühling 2011 schließlich wurde der komplette untere Teil des Empire State Buildings in New York gesprengt, worauf das gesamte Gebäude herabstürzte und zwei angrenzende Häuser schwer beschädigte, wobei 53
4879 Menschen starben. Amerika forderte die sofortige Auslieferung der Terroristen, die sich einen Monat später zu dem Anschlag bekannten. Sie gehören zur neuen Islamischen Befreiungsfront und nannten dreist ihre Namen und Details, die nur den Tätern bekannt sein konnten. Der Iran weigerte sich und es kam zum Krieg, der schon nach 43 Tagen von der Nato gewonnen war. Die Neue Islamische Befreiungsfront wurde in alle Winde zerschlagen und einige der Gesuchten arrestiert, einige wurden tot aufgefunden und die Geschnappten wurden verurteilt. Während dieses Krieges kam die SB1 oft zum Einsatz, sie erkundeten und machten den Weg frei für größere Einsätze. Nach diesem Krieg stieg Christian De La Vigne aus, da er auch noch andere Seiten an sich erkunden wollte und nutzte seine Sanitäterausbildung bei der Bundeswehr und sein Abitur, um Medizin zu studieren, schließlich war er erst 36 Jahre alt und wollte sein Leben mit anderen Inhalten füllen als dem des harten Lebens eines Soldaten. Er war ungebunden und hatte keine Familie, jedenfalls keine, die er kannte, er war im Heim aufgewachsen. Er führte ein normales Studentenleben, wollte Allgemeinmediziner werden und genoß das neue Leben ohne Befehle, ohne Angst und ständiger Bevormundung. Er begann sich ernsthaft für Politik zu interessieren, las viel und ging so manche Affäre ein. Auch lebte er recht gut, da er in seiner Soldatenzeit kaum Geld ausgegeben hatte und sich theoretisch ein kleines Häuschen leisten konnte, man hatte ihn gut bezahlt bei der SB1. Er mietete sich eine große, gut ausgestattete Wohnung und saß an einem Winterabend des Jahres 2013 vor seinem multifunktionalen Bildschirm und spielte ein Rollenspiel, Menschen aus aller Welt stellten sich in diesem dreidimensionalem Spiel eine Spielfigur zusammen, die aus hunderten von einzelnen Teilen zusammengestellt werden konnte, man konnte sein, wer man will: Ein gepflegter Gentleman, kleiner Gauner oder ein attraktives Model, es gab sehr viele Variationen und man konnte zusätzlich aus tausenden historischen und zeitgemäßen Persönlichkeiten auswählen. Er hatte bereits einen Charakter aus vorhergehenden Sitzungen, ein stattlicher Irokese, bemalt mit den Kriegsfarben und bewaffnet mit Tomahawk, Pfeil und Bogen, er behielt diesen Charakter bei und kam nun auf das Menü für die Szenarios, von denen er schon einige bespielt hatte, so auch einige Kriminalfälle und Abenteuer, einen Kampf mit Raumschiffen im Weltall oder.eine eigene Variation von Alice im Wunderland. Diesmal wählte er die Sitzung der imaginären Weltregierung des Jahres 2105, die Parameter des Spiels waren bereits von einer Gruppe Spieler bestimmt worden und er 54
platzte mitten in ein laufendes Spiel. Er öffnete das Nordportal des Plenarsaals und blickte auf das Szenario. Einige Spieler drehten sich nach ihm um, da sie sich gestört fühlten während der Rede eines Politikers.Er holte sich die Datentafel, die ihm die wichtigsten Informationen zum Spiel lieferten: Er befand sich in der Sitzung der Weltregierung des Jahres 2105 und die regierenden Parteien waren die Grüne Weltpartei als kleinster Teil, dann die Neuen Sozialen Asiens als nächstgrößerer Teil, und als die größte Partei die Partei der Freien Welt, die auch den Weltpräsidenten stellte und die Minister für Bevölkerungsplanung und Vermögungsregulierung. Die laufende Debatte drehte sich um die anhaltenden Aufstände der Anarchisten in Deutschland und wie man ihnen beikommen könne. Er blickte sich im Plenarsaal um und sah in dem geteilten Oval etwa 3000 Spieler sitzen, einige angemessen futuristisch andere so schräg wie er und rechts von ihm saßen Mahatma Gandhi und Adolf Hitler in einer erregten Diskussion vertieft, und er mußte schmunzeln. Er ging ein längeres Stück in Richtung der Neuen Sozialen Asiens, die waren ihm am sympathischsten. Er setzte sich auf einen freien Platz und konnte die verstärkte Stimme des Redners gut verstehen, er erkannte auch den Charakter, es war Helmut Kohl. Er holte sich die Daten des Spielers und sah, daß er der Kapitalistischen Partei Europas angehörte. Er schickte die Tafel weg und lauschte der Rede. Der Spieler forderte, daß man die aufständische Region mit den Spezialtruppen befriedete und den Geschäftsleuten wieder ein anständiges Leben ermöglichte. Aus dem Regierungsflügel kamen laute Mißfallensrufe und der Chor rief:“Simulation! Simulation!“ worauf eine riesige, holografische Erdkugel über ihren Köpfen erschien und das betroffene Gebiet in Deutschland schwarz und rot aufblinkte. Der Plenarcomputer sprach:“ Die Region wird jetzt befriedet.“ Die blinkende Stelle färbte sich grau, die Farbe der Kapitalistischen Partei Europas, die Geschäftsleute zeigten sich dankbar und wählten grau. Es schien alles in Ordnung, als plötzlich das Blinken an verschiedenen Stellen wieder auftauchte, zuerst klein, dann größer und schließlich blinkte ein Drittel des Globus. Die Simulation stoppte, der Globus verschwand und der Plenarcomputer resümierte:“ Die Weltregierung ist außer Kraft gesetzt, die Aufstände sind weltweit nicht mehr einzudämmen,die Anarchisten werden unterstützt, es gibt heftige Kriege und Normalisierung findet lange Zeit nicht statt.“ Geknickt verließ Helmut Kohl die Rednerbühne und überließ einem Angehörigen der 55
Regierungskoalition die Bühne, der seine Rede begann:“Wir müssen Nachsicht üben und den Forderungen nach einem unbesiedelten Territorium nachgeben, aber die Aufständischen müssen die Gesetze der Weltreg...“ Mehr hörte Christian nicht, denn er wollte sich unterhalten und schaute sich nach potentiellen Gesprächspartnern um. Auf die Art fand man oft einen interessanten Partner, manchmal einen Flirt und manchmal wurde man erschossen, was ihm auch schon mehrmals passiert war, dann war er raus aus dem Spiel und durfte das Szenario erst sechs Stunden später wieder benutzen. Er ließ den Blick schweifen und entdeckte einen nackten Mann mit einem langen weißen Bart, der offensichtlich eine ganze Gruppe mit seinen Reden zu faszinieren schien, er saß auf der Lehne eines Stuhls und von der Seite und unten blickten sieben Spieler in seine Richtung. Christian trat dazu und das war das erste Mal, daß er mit der Organisation ohne Namen oder den vielen Namen Kontakt hatte. Kapitel 2: Die Organisation Der nackte Mann blickte kurz in seine Richtung und sprach:“...deshalb solltet ihr euch die Frage stellen, ob die Zustände auf dieser Welt für aufgeklärte Menschen noch tragbar sind. Nach wie vor sterben in Afrika die Menschen an Aids, während in reichen Ländern alle Menschen geimpft sind. Donald McLoughlin ist der reichste Mann der Welt, hat sein Geld mit der Entwicklung von Medikamenten mit Hilfe der Gentechnik verdient, während die häufigste Todesursache bei den Armen in Amerika die Grippe ist. Der Rassismus ist in Europa und den USA zu einer regelrechten Volkskrankheit geworden. Die republikanische Regierung der USA ist geprägt von Verwicklungen mit dem KuKluxKlan, der White-PowerBewegung und anderen Freunden der Unterdrückung und Gewalt. Dieselbe Regierung hält noch immer an den uralten Waffengesetzen fest, obwohl es in diesem Jahr 14 Amokläufe in amerikanischen Schulen gegeben hat. In China wird die Geburt von mehr als zwei Kindern mit Sterilisation bestraft. In Deutschland gibt es 35 sogenannte `national befreite Zonen`, in denen aus Angst vor Skinheads keine Ausländer mehr leben. Die verbotene NPD hat sich neu formiert und nennt sich nun Deutsche Alternative, hat die Regierungsgewalt in Brandenburg und eine Menge Unterstützung in ganz Deutschland. Die Todestrafe in Texas hat dieses Jahr 521 Opfer gefordert, davon stellten sich danach 23 als uschuldig heraus. Im Internet organisieren sich vermehrt Verbrecher 56
verschiedenster Coleur und fordern offen zu Mord, Vergewaltigung und Terror auf. Die Pädophilen, Neonazis, Bombenbauer, Terroristen und andere Wirrköpfe tauschen dort ungestört Informationen aus. Es gibt Gruppen in aller Welt, die offen Massenmord propagieren und Sekten, die auf den Weltuntergang hinarbeiten und großen Zulauf bekommen..“. Er führte noch viele Beispiele für untragbare Gesetze, organisierten Terror, Unterdrückung und abartige Entwicklungen in aller Welt in seiner dramatischen Art und mit verschwörischer Stimme. Christian holte sich die Daten des Redners auf den Schirm und sah überrascht, daß der Spieler einen Phantasienamen benutzte, `Jörg Kohlrabe`, der als Polizist in den Romanen von Gerd Schilling auftauchte, die Christian gerne las. Er nahm sich vor, die angegebene Adresse zu überprüfen, denn kein Spieler durfte das Spiel ohne Kenncode spielen, der auch Namen, Adresse und Schirmcode enthielt. Der Spieler schloß seine lange Rede mit den Worten:`...solltet ihr gegen diese Ungerechtigkeiten aktiv werden wollen, schließt euch doch entsprechenden Parteien, Selbsthilfegruppen oder Vereinen an, wie den Neuen Marxisten, Greenpeace, Amnesty International oder dem Weißen Ring Ihr könnt auch meiner Gruppe, der `Vereinigung Verstand und Seele`beitreten und unsere Standpunkte unter das Volk bringen. Werdet Teil der Bewegung, seid Teil eines Aufstands der Anständigen und handelt, statt nur zu träumen. Ihr seid die Zukunft und wenn ihr etwas ändern könnt, dann tut es!“, schloß er, sprang auf und verschwand Richtung Ausgang. Die Zuhörerschaft betrug mittlerweile 23 Personen, die sich nun angeregt unterhielten. Christian beendete das Spiel und versuchte, Jörg Kohlrabe zu erreichen. Tatsächlich erschien ein Gesicht auf dem Bildschirm, ein junger Mann mit Kinnbart und eingefallenen Wangen, der ihn eindringlich ansah.“Ja, Herr De La Vigne, wie kann ich ihnen helfen?“, sein Name wurde bei Calls automatisch angegeben. Christian wollte Informationen über die `Vereinigung Verstand und Seele`und ließ sich von Jörg Kohlrabe aufklären. Er erfuhr, daß sie hauptsächlich aus Studenten, Doktoren und Professoren bestand, die aus den Gebieten der Philosophie, Politikwissenschaften, Theologie und Naturwissenschaften kamen. Sie führten Reden, veröffentlichten Artikel und wissenschaftliche Arbeiten, diskutierten und warben für befreundete Organisationen. Christian war sehr interessiert und trat der Vereinigung bei. Er fragte nach dem Phantasienamen und erfuhr, daß es tatsächlich der Name des Polizisten aus den Romanen Gerd Schillings war, ein Scherz von dem jungen Mann. Christian war nun schon ein dreiviertel Jahr dabei und erwies sich als sehr eifrig und forderte oft Taten, wie Aktionen gegen 57
Massentierhaltung oder aktuelle, politische Entwicklungen, was Theoretikern wie der `Vereinigung Verstand und Seele`etwas zu weit ging, sie hielten sich streng an die Grundsätze. Er wurde im Januar 2015 in der Innenstadt von einem gewöhnlich wirkenden Mann, der Beamter hätte sein können, angesprochen und sie unterhielten sich auf offener Straße über Politik, Gott und die Welt und nach einiger Zeit wurde er auf seine Mitgliedschaft bei `Vereinigung Verstand und Seele`angesprochen und der Mann wußte mehr über ihn, als er je bei der VVS oder Freunden hatte bekannt werden lassen. Er wußte von seiner Soldatenzeit und sogar von seiner Vergangenheit bei der SB1, was fast unmöglich war, nur sehr wenige Militärangehörige wußten das. Christian wurde mulmig zumute und tausend Gedanken an Geheimdienst und Polizei gingen ihm durch den Kopf. Der Mann bemerkte seine Nervosität und beruhigte ihn, er sei ihm wohl gesinnt. Er wußte offensichtlich alles über ihn. Er fragte Christian, ob er bereit wäre, stärker für seine Überzeugungen einzutreten, aktiv zu werden und er bejahte. Eine Woche später erhielt er eine gesicherte Textbotschaft auf seinem Bildschirm und entsicherte sie, sie konnte nur vom gemeinten Empfänger gelesen werden, da er seinen Fingerabdruck über einen Sensor zur Identifikation benutzen mußte, um sie zu lesen. Er konnte sich nicht erklären, woher der Sender diese Daten hatte. Die Nachricht war so gut wie nicht zu entsichern für andere, wie etwa einem Geheimdienst und durften offiziell auch nicht von Dritten gelesen werden. Zusätzlich war die Nachricht codiert, mit einem verzwickten Hackercode, den Christian entschlüsseln konnte, da er über die VVS Kontakt zu einem Informatikstudenten bekommen hat, der ihn einweihte. Er las den Text:`Unser Kontaktmann (Ihr Treffen in der Stadt vor einer Woche) beschreibt Sie als geeignet. Die Organisation bietet Ihnen an, für sie zu arbeiten. Wir stellen sie zur Deckung bei einer Firma an. Sie werden Aufträge zur Exekution erhalten. Deren Ausführung steht ihnen frei, sie können jederzeit aussteigen. Sie bekommen alles benötigte Material und Geld zum leben und für die Aufträge gestellt. Sie werden sehr gut entlohnt. Sie bekommen detaillierte Erklärungen für die Aufträge. Sie können Nachrichten an Orten hinterlegen, die wir Ihnen bei der ersten Auftragsaufgabe bekanntgeben. Alles weitere erfahren Sie, nachdem sie uns morgen über den Kauf einer Ausgabe der Frankfurter Allgemeinen punkt zwölf Uhr im Kiosk unter Ihrer Wohnung Ihre Zusage geben.` Er lehnte sich in seinem Sessel zurück und die Nachricht verschwand plötzlich. Während er sich noch wunderte, wie das geschehen konnte, hatte 58
er sich schon entschieden. Er war bereit, für seine Ideale zu töten. Er erledigte am nächstenTag den Zeitungskauf, schaute sich verstohlen in dem Kiosk um, war jedoch mit dem Verkäufer alleine. Auf der Straße sah er außer einem alten Omchen mit ihrem Dackel niemanden und er ging wieder auf seine Wohnung. Er wurde von seinem Haushaltssystem mit der erotischen weiblichen Stimme über zwei Nachrichten informiert, die auf seinem multifunktionalen Bildschirm auf ihn warteten. Er betrat das Wohnzimmer, der Schirm schaltete sich an und zeigte die wartenden Nachrichten an. Er befahl das Abspielen und vernahm die Stimme seiner derzeitigen Freundin und sah sich die Videobotschaft an. Jennifer lächelte ihn an und wollte sich mit ihm für den abend verabreden. Er schickte seine Zusage zurück und bekam die nächste Nachricht auf den Schirm, ein gesicherter Text wie der vom Vortag. Er entsicherte, decodierte sie mit der Hackersoftware und las:`Wir dürfen sie willkommen heißen in der Organisation und wünschen ihnen viel Erolg. Sie sind ab morgen bei der Firma Dietmann Vermögensverwaltung angestellt und werden ab acht Uhr eingearbeitet. Sie finden in Ihrem Büro alle Mittel, um unsere Codes zu entschlüsseln, die eigentliche Technik für die Entschlüsselung finden sie gesondert in der Zeitung, die sie eben gekauft haben. Sie haben etwa zwei Stunden Zeit, die Technik zu lernen, dann wird sich das Blatt langsam zersetzen. Verlassen sie in diesen zwei Stunden nicht die Wohnung, kopieren sie das Blatt nicht und bleiben sie bis zur Zersetzung am Wohnzimmerfenster, sonst werden alle Vereinbarungen hinfällig und unsere Saubermacher werden alle Spuren verwischen. Alle weiteren Anweisungen erhalten sie in Ihrem Büro. Viel Glück.` Die Nachricht verschwand wieder, als er sich bewegte und er machte sich an das Lernen des Blattes, gut sichtbar am Wohnzimmerfenster. Er kam am nächsten Tag in seine neue Firma, brach sein Studium ab und war ab da Egon Hoffmann, 39 Jahre alt, Vermögensverwalter und sein altes Ich befand sich offiziell in Südamerika als Sanitäter für die UNO. Er kündigte seine Wohnung, schwärmte seinen wenigen Bekannten von Südamerika vor und arbeitete fortan in seiner neuen Firma. Er glich sich dem Photo auf seinem neuen Personalausweis an und wäre nur sehr schwer von früheren Freunden als Christian erkannt worden. Er wohnte in einer angemessenen Wohnung und bekam einen Mercedesjeep mit allen Neuheiten, die es gab. Der Wagen konnte selbstständig von A nach B fahren und war an das Internet angeschlossen, er konnte aber auch selber fahren, was ihm wesentlich besser gefiel als sich Filme anzuschauen während der Fahrt und nur ab und zu den Navipilot zu kontrollieren. Außerdem verbrauchte der 59
Wagen durchschnittlich nur einen Liter Treibstoff auf hundert Kilometer, er konnte wahlweise mit Diesel, Speiseöl oder anderen Pflanzenölen fahren und der Wagen hatte kaum Emissionen und das Kohlendioxid wurde von speziell entwickelten Organismen in Sauerstoff umgewandelt. Außerdem konnte der Wagen satellitentechnisch nicht geortet werden wie die meisten selbstnavigierenden Fahrzeuge. Christian arbeitete nun schon einige Wochen in seiner neuen Firma, der Chef wußte nur so viel, wie nötig und unterstützte die Organisation, wo er konnte, behandelte Christian regelrecht unterwürfig und war der Meinung, daß dieser Geheimdienstler war und mit Wirtschaftskriminalität betraut, so konnte er sich fühlen wie ein echter Freund des Rechtsstaates und tatsächlich war der Auftraggeber Christians ein Geheimdienstangehöriger mit einem Hang zu eigenständigem Handeln, er stimmte ebenfalls mit den Motiven der Organisation vollkommen überein. Christian bekam die Anweisungen für seinen ersten Auftrag und konnte nun die trickreiche Entschlüsselungstechnik anwenden. Er sah gängige Wirtschaftsbücher in einer bestimmten Anordnung im Regal stehen und die vielen Seiten an Zahlen, die seine ersten Anweisungen darstellten. Die Zahlen waren als Geldgeschäfte eines Kunden der Firma getarnt und stellten nach Reihenfolge zB. Das dritte Buch von rechts aus der untersten Reihe dar. Dann die Seitenzahl, der Absatz, das Wort und der Buchstabe. So konnte er in nervtötend langer Arbeit die einzelnen Buchstaben mühsam zusammenfügen und selbst das nach Stunden erlangte Format war in einer Sprache geschrieben, die mit keiner jemals existierenden Sprache vergleichbar war und auch nicht mit modernen sprachwissenschaftlichen Mitteln entziffert werden konnte. Nur die Organisation benutzte diese Sprache und hatte sie eigens entwickeln lassen. Christian hatte das Übersetzungsbuch zur Hand und hatte bald den lesbaren Text vor sich, der über die Garage mit dem Crossmotorrad und alle Informationen und Hintergründe des Falles Joseph Bleuks auch seine neue Kontonummer des Schweizer Bankkontos und den Ort an dem er Nachrichten in der Sprache der Organisation hinterlassen konnte. Den Erfolg des Auftrags konnte man ja in der Zeitung lesen und die Nachrichten waren nur zur nötigsten Korrespondenz gedacht, wenn es beispielsweise zu wichtigen Planänderungen kam. Christian erwies sich bei seinem ersten und den nächsten Aufträgen als erfolgreich und wurde einer der effektivsten Jäger der Organisation, deren Aufbau und tatsächliche Vielfalt war ihm nicht bekannt, nur die drei Personen, die den Kopf der Organisation bildeten, kannten alle 60
Zusammenhänge und waren so unverdächtig, wie unschuldige Kleinkinder. Sie nannten sich untereinander die Erneuerer der Welt und erhebten Anspruch auf die absolute Moral und universale Gerechtigkeit. Sie trafen sich regelmäßig zu konspirativen Sitzungen, die in einem abhörsicheren Raum stattfanden und ihre Identität als die geistigen Führer der Organisation waren keinem außer ihnen bekannt. Sie waren reich, hatten enormen Einfluß in ihrem Heimatland Amerika und waren friedliebend, nahmen ideologisch motivierte Morde jedoch in Kauf. Sie hatten das Motto, daß ein kleineres Übel besser war als ein größeres und zielten mit ihren Aktionen auf Veränderung durch höchstmögliche Öffentlichkeitswirkung ab. Die vielen Geldgeber der Organisation bezahlten Journalisten, Redakteure und das meistgelesene Nachrichtenmagazin Deutschlands war im Besitz eines Freundes der Organisation. Ebenso gab es diverse Zeitschriften, deren Schreiber die Taten in ihrem Zusammenhang positiv darstellten, ohne natürlich einen Mord gut zu heißen, jedoch der Effekt der Morde und anderer Aktionen war oft als durchaus gut dargestellt worden und so nutzte die Organisation die Dummheit, Lenk- und Beeinflußbarkeit der breiten Masse als Nährboden für ihre Ideale und die Akzeptanz in der Bevölkerung war bei Morden an besonders unappetitlichen Personen wie Joseph Bleuks sehr groß. Um die Diskussion in diversen Fernsehsendungen und in der Öffentlichkeit anzuheizen wurden natürlich auch genau entgegengesetzt wirkende Artikel gestreut, die zusätzlich polarisierten. Es gab zwar viele Vermutungen von Seiten der Geheimdienste, daß hinter den Morden eine bestimmte Gruppe stecken mußte, doch kam man ihnen nicht auf die Spur, da alles perfekt vertuscht wurde und man bei den meisten Taten wurde an Einzeltäter mit Rachemotiv oder Wichtigtuer geglaubt. Ein einziges Mal wurde ein Jäger in China erwischt und verriet, daß er bezahlt wurde und regelmäßig Aufträge bekam, doch die Ermittlunge führten ins Nichts. Es gab noch einen Vorfall mit einem Saubermacher, der entdeckt hatte, daß ein Zusammenhang zwischen ihm und einem Mord bestand, konnte jedoch nichts genaues aussagen und wurde schließlich für wichtigtuerisch befunden, von einem anderen Saubermacher wurden die Spuren verwischt und es verlief sich. Natürlich gab es Aussteiger, so einen Beobachter, der die Arbeit mit seinem Gewissen nicht vereinbaen konnte, jedoch Angst vor der Organisation hatte und außerdem ein prall gefülltes Konto, was gute Gründe für sein Schweigen waren. Die vielen Geldgeber dachten oft, sie würden für andere Zwecke zahlen 61
und einige zahlten bewußt für die Organisation, wußten jedoch nur von Pressearbeit und politischer Aktivität derselben. Es gab weltweit in Spitzenzeiten 150 Jäger, 48 Auftraggeber, 213 Beobachter, 320 Saubermacher, 15 Kontaktmänner, 4 Spezialisten für Problembeseitigung, 160 Organisatoren und hunderte Informationssammler, -weiterleiter und – verarbeiter. Zusätzlich gab es tausende Sympathisanten, Unterstützer und Informanten aus der Politik, der Presse, den Geheimdiensten, der Polizei,aus angesehenen Vereinen wie den `Freunden des Lebens`, diverser Menschenrechtsorganisationen und Studentenvereinigungen wie den `Jungen Europäischen Liberalen`. Die Organisation konnte alles vertuschen, wenn sie wollte und die Gesamtzahl der Menschen, die in irgendeiner Form mit oder für sie arbeiteten, obwohl die meißten nichts davon wußten, war enorm: 54.500 Personen waren in der Hochzeit auf die eine oder andere Art beteiligt, weltweit. Zusätzlich kamen noch all die Menschen, die gar nicht wußten, daß sie der Organisation oder deren Unterorganisationen dienlich waren, oder daß sie überhaupt etwas tun würden, was nichts anders als ihre normale, alltägliche Arbeit war. Initiator der ganzen Sache war John Strauss, ein durch Börsen- und andere Geschäfte reich gewordener Mann mit einem Vermögen von etwa 1,5 Milliarden Dollar. Er knüpfte Kontakte zu den anderen späteren Oberhäuptern der Organisation Barney Jackson und dem Deutschamerikaner Prof. Karl Weißmüller. Auch sie waren reich, der Professor ein Erbe, Barney Jackson war ein Baulöwe, der unter anderem den 1000m hohen Wesley-Wolkenkratzer in Chicago gebaut hat. Sie alle hatten die menschenfeindlichen Zustände auf der Welt satt und beschlossen, aktiv zu werden. Sie machten Pläne und lernten nach der ersten Aktion 2006 immer mehr dazu, vor allem, das Risiko ihrer Entdeckung möglichst gering zu halten. Sie machten sich schlau, ihre Untermänner warben Leute an und die Organisation wuchs rasch, bis sie 2012 ihre Blüte erreicht hatte. Bis dahin gingen etwa 8400 Morde auf ihr Konto und noch mehr Demonstrationen, Bürgerbewegungen, Vereinsgründungen, Intrigen, neue Gesetze, Hilfsaktionen für die dritte Welt und verschiedenste andere Aktionen und Initiativen auf dem ganzen Planeten. Die Morde bildeten eigentlich den kleinsten Teil aller Aktionen, waren jedoch die medienträchtigsten und hatten somit die größte Wirksamkeit, denn Ziel war es, eine Veränderung herbeizuführen. Und sie schafften es tatsächlich, so zum Beispiel wurde heftigst im deutschen Bundestag über Reformen des Ausländer- und Strafrechts, der 62
Drogenpolitik und anderen schwierigen Themen debattiert und die 2014 gewählte Regierung verdankte ihren Wahlsieg hauptsächlich all den Initiativen der Organisation, die politisch sehr aktiv war. In den USA wurden Bürgerrechtsbewegungungen enorm gestärkt und bildeten den stärksten Widerpart zur armenfeindlichen Sozialpolitikder Republikaner. Die Kinderarbeit war wirksam bekämpft worden und überall auf der Welt Schulen und Krankenhäuser gebaut worden durch die Hilfe der Organisation und ihrer Verbindungen. Und, natürlich, waren die Morde und deren Presseecho ein wirksames Mittel für die Meinungsbildung, in deren Folge die Menschen umdachten und viele neue Denkungsweisen und Gesetze aufkamen, beispielsweise durften Privatpersonen, mit wenigen Ausnahmen, keine Schußwaffen mehr in Deutschland tragen, allein durch die Tatsache, daß diese vermeintlich unzusammenhängenden Morde stattfanden. Viele andere Veränderungen waren auch eher im kleinen Rahmen, so die Einstellung einer Sendung im Fernsehen, die Menschenjagd in einigen Großstädten der Welt zeigten, im Vertrag nahm der gejagte Kandidat soger den eigenen Tod in Kauf, wenn es bei der Hetzjagd zu Unfällen kam. Die drei Oberhäupter der Organisation waren sehr zufrieden, besonders John Strauss, der sich selbst gerne als `Der Moralist`betitelte. Er war auch derjenige, der die Morde, nach stundenlanger Diskussion, gutgeheißen und deren Initialisierung er in die Wege geleitet hatte. Nun entschloß sich John Strauss dazu, die Organisation langsam, aber sicher in die Öffentlichkeit zu führen, denn er wollte die Morde beenden und er wollte Ansehen beim Volk. Er dachte daran, all die guten Taten öffentlich zu machen und die Spuren der Mordtaten zu beseitigen, die am Tag seines Beschlusses im August 2017 die stattliche Zahl von 15.876 betrugen. Er hatte ein bleischweres Gewissen deswegen, er leitete noch alles Nötige in die Wege und nahm am 19.10.2017 eine Pille mit schnellwirkendem Gift, der Moralist war tot. Doch nicht nur John Strauss mußte sterben, auch 123 seiner 150 Jäger starben und alle ihre direkten Auftraggeber und Mitwisser der Mordtaten. Er setzte die Jäger einfach auf andere Jäger an, die natürlich nichts voneinander wußten, die Jäger töteten auch die Auftraggeber, die nicht für sie zuständig waren und die Mitwisser. Kapitel 3: Der Gejagte 63
Christian legte an, zielte und schoß Peter Keitel in den Kopf, ein besonders übler Bursche. Peter Keitel war ein Waffenhändler, der in Russland lebte und von dort Waffen aller Art in Länder verkaufte, die Krieg führten und für moderne Waffen kein Geld hatten. Er lieferte hauptsächlich russische Waffen, darunter chemische Kampfstoffe und waffenfähiges Plutonium aus alten Beständen. Er fiel vor allem durch sein luxuriöses Leben auf und dadurch, daß er fast perfekt durch fünf Bodyguards geschützt war und sich kaum draußen bewegte, es sei denn, er verließ seinen gepanzerten und bombensicheren BMW, um in einem Haus oder Hotel zu verschwinden. Christian befand sich in einem russischen Kurort, nachdem er sieben Wochen lang nichts außer nervenaufreibend vorsichtig Beobachtungen gemacht hat und dreimal einen Mordplan ändern mußte, war er nun auf dem Dach eines Hotels lag, gegenüber war das Hotel, in dem Peter Keitel abgestiegen war. Wie jeden Tag seit einer Woche würde er heute ins Casino gehen, wußte Christian. Er erwischte Peter Keitel am Hoteleingang und wurde in der Dämmerung prompt von einem der Bodyguards entdeckt, als er vom Rand des flachen Hoteldaches wegrobbte und der Lauf seines Gewehres in der untergehenden Sonne aufblitzte, als er kurz in die Höhe ragte. Christian bekam es mit,fluchte und rannte wie der Teufel auf den Dacheingang zu, während der Bodyguard mit der Polizei telefonierte, das war Christians größte Sorge. Ihm gingen die Bilder von überfüllten, lebensfeindlichen russischen Gefängnissen durch den Kopf, die er im Fernsehen gesehen hatte. Er rannte die Hoteltreppe hinunter, entsicherte währendessen seine Betäubungspistole, die einen Menschen innerhalb von Sekunden in Narkose versetzte und kam in die Nähe der Hintertür, als einer der Bodyguards vor ihm an Ende der Treppe stand. Der maskierte Christian hörte noch den Schuß an sich vorbeipfeifen, dann schoß er dem Bodyguard in die Schulter und sprang seitlich über das Geländer auf den Boden. Er duckte sich und sah, wie der Bodyguard nochmal die Waffe heben wollte, als er in sich zusammensackte, Christian rannte durch die Tür und auf sein Rennmotorrad zu. Da war kein Motorrad. Es war geklaut worden. Christian blieb ruhig und rannte auf den angrenzenden Wald zu. Er rannte auf Wildpfaden durch die immer dichter werdenden Bäume und das sechs Stunden lang in eine Richtung, wie ihm sein Kompass verriet. Er vermutete, daß die Polizei wohl erst am nächsten Morgen eine Fahndung einleiten würde und sie war auch schlecht ausgestattet. Er kannte das Gebiet und konnte sich noch in derselben Nacht dank seines GPSEmpfängers zu einem nahen Dorf lotsen. Er beschwerte seine 64
Normalbürgerkleidung und seine Maske mit einem Stein und versenkte alles in einem kleinen Fluß. Er schmiß noch einige Steine darauf und es war nichts mehr zu erkennen. Der Rucksack unter dieser Kleidung war ein typischer Wanderrucksack, wie ihn Touristen benutzen würden, die Kleidung, die nun zu sehen war, könnte einem russischen Wanderer gehören, der in der Gegend Urlaub machte. Er schraubte sein Gewehr auseinander und verstaute es im doppelten Boden seines Rucksacks. Alles war perfekt, paßte zu seinem ursprünglichen Plan, in dem Wandergebiet in einiger Entfernung von dem Kurort, wo Peter Keitel Ferien gemacht hatte, sein Motorrad in einer Garage zu verstecken, noch einige Zeit als der Urlauber auftreten, der er die ganze Woche gewesen war. Er fuhr also mit dem Bus am nächsten Morgen in den Ort, wo er einer Pension lebte und verbrachte noch zwei Tage möglichst auffällig in den Wirtschaften und dem Hallenbad des Orts. Er begegnete nicht einem Polizisten in dieser Zeit und fuhr zurück nach Deutschland. Als er auf der Autobahn in Polen war, hielt er auf einem Parkplatz, um eine Pause zu machen. Er achtete nur kurz auf das italienische Kennzeichens des Wagens, der hinter ihm hielt und setzte sich dann auf eine Bank mit einem Tisch und ihm gegenüber noch einer Bank. Der Parplatz war etwas abgelegen und sehr einsam gelegen, die Frau, die aus dem anderen Wagen ausstieg setzte sich gegenüber, stellte sich als Carina Pozzi vor und sie unterhielten sich.Carina alias Maria Fiorentina spielte mit ihren Reizen und Christian fiel darauf herein. Auf Englisch verständigten sie sich auf und verabredeten sich in einem Berliner Cafe für den nächsten Tag. Christian ging zu seinem Wagen, öffnete die Tür und wurde von einem Schuß von hinten in den Rücken getroffen.`Jetzt bist Du dran, Du Schwein`, dachte Maria, die diesmal weniger Informationen über die Zielperson erhalten hatte. Außerdem hielt sie nichts von großartiger Planung und Observierung. Sie nutzte meist die Gunst der Stunde bei ihren Aufträgen und wartete einfach auf eine günstige Gelegenheit, sie war ein schneller Jäger und hatte viel Glück, daß sie nicht erwischt worden war, seit sie bei der Organisation war, sie verließ sich auf die Saubermacher und vertraute den Informationen in ihrem Auftrag. Für sie hieß Christian Karl Hassmann und war, ironischerweise, Waffenhändler. Man hatte ihn als besonders rücksichtslos beschrieben, da er Waffen auch an die Kinderkrieger der Welt verkaufen soll und mit üblen biologischen Waffen handeln soll. Maria war sehr emotional und empfand, nicht wie Christian, tiefe Befriedigung bei den Attentaten. Sie war regelmäßig über den Standort des Mercedesjeeps informiert worden, Beobachter der Organisation waren schon seit Wochen auf seiner Fährte, 65
sie wurden geschickt nur auf den Jeep angesetzt worden, um den Mord an Peter Keitel nicht mitzukriegen. Sie hatte ihn an der polnischen Grenze zu Russland abgepaßt und war ihm seitdem unauffällig gefolgt, bis die Zeit und der Ort richtig waren. Christian war schwer verletzt, er hatte Schwierigkeiten beim atmen und die folgenden Schüsse schlugen in das Metall des Fahrzeugs ein. Er war nun auf dem Fahrersitz und fuhr auf die Autobahn, wo er so schnell fuhr, wie es erlaubt war. Maria folgte ihm, er hatte schließlich ihr Gesicht gesehen, doch sie wurde nervös und brach die Verfolgung ab, da sie wußte, wo er wohnte und sie war sich sicher, daß sie ihn noch erwischen würde, wenn es auch zu einer Planänderung kam und nun einige Leute der Organisation aktiv werden mußten, um die Spuren zu verwischen. Außerdem mußte Karl Hassmann ja zu einem Arzt gehen, wovon die Organisation erfahren würde,sie konnte ihn noch erwischen und wartete weiter Instruktionen ab, nachdem sie die Nachricht über den Vorfall hinterlassen hatte. Das war ihr dritter Fehlschlag in ihrer vierjährigen Laufbahn als Jäger und es hatte bisher immer irgendwie geklappt, auch wenn ihr ein Auftrag davon entzogen wurde. Christian fuhr in Deutschland zu einem Arzt, der ihm am Anfang seiner Karriere als Jäger genannt wurde. Er stellte bei Schußwunden keine Fragen und wurde bezahlt von der Organisation. Christian unterdrückte, wie gelernt, seine Schmerzen während der Fahrt und legte sich einen Druckverband an. Er spritzte sich zusätlich noch Morphium und wurde von dem Arzt gut behandelt. Er hatte einen Lungenschuß sitzen, doch der Arzt konnte ihn mit modernen Mitteln wieder auf Vordermann bringen. Christian fuhr erst ziellos im Nordosten Deutschlands herum, schlief auf versteckten Parkplätzen und beschloß, nicht nach Hause zurückzukehren, denn er ahnte, das das nicht nur irgendeine Irre gewesen war auf dem Parkplatz. Er kontrollierte über den Autoschirm seine Nachrichten bei sich daheim und wählte die Adresse seines Büros in der Firma, um Nachrichten zu lesen. Die Adresse existierte nicht mehr. Er vermutete einen Fehler und wählte seinen Chef an, um sich für die Verspätung zu rechtfertigen. Es dauerte etwas und der Kopf seines Chefs erschien auf dem Display. „Ja, bitte?“ tönte es. Christian sprach:“Hier spricht Egon Hoffmann, es tut mir leid, das ich mich etwas verspäten werde, aber ein Kunde...“, er wurde unterbrochen:“Welcher Egon Hoffmann? Sie müssen sich verwählt haben.“. Der Schirm wurde schwarz und Christian verstand: Die Organisation hatte ihn ausgebootet, er war so gut wie tot. Tatsächlich war er einer der wenigen Jäger, die den ersten Anschlag überlebten und 66
begriffen, wer dahintersteckte. Er handelte jetzt schnell, veränderte sein Aussehen soweit ihm das möglich war, holte sich das Geld von seinen Schweizer Konten und kaufte sich einen passabel gefälschten Personalausweis. Er nahm die Ausrüstung, die er noch brauchen konnte, aus dem Wagen und verbrannte diesen mit Hilfe eines Funkzünders und einem Kanister Benzin. Er kannte die Methoden der Organisation und reiste auschließlich mit Verkehrsmitteln, die schwer zu überwachen waren. Mit einem Handelsschiff wechselte er nach Südamerika und baute sich dort ein Leben als Arzt auf, er war nicht mehr gefunden worden von der Organisation oder einem Informationssammler oder Beobachter. Er ließ noch einmal seine Identität ändern und nutzte seine Computerkenntnisse und sein Geld, von dem niemand seiner neuen Bekannten wußte, um alles zu festigen. Er lebte unauffällig und kam nie wieder in Kontakt mit der Organisation. Er legte sich auch aus Angst nicht mit ihr an, obwohl er nie erfuhr, daß es kurze Zeit nach dem Anschlag auf ihn keine organisierten Morde mehr von ihrer Seite gab. Egon Hoffmann galt als verschollen, sein ehemaliger Chef sagte aus, daß er wohl in Russland im Urlaub war, von dort sei er nie zurückgekommen. Die Organisation beschränkte sich nun auf mehr oder weniger legale Aktionen und die Zusammenhänge wurden nie aufgedeckt. Der Rebell Kapitel 1: Der Alltag des Rebellen Wenn man ihn so sah, waren die ersten Bezeichnungen, die auf ihn paßten, wohl Sesselpupser oder Langweiler, Spießer oder Biedermann und er hatte einen geläufigen Namen: Paul Mahler. Er trug einen alten Anzug und dazu eine typische Beamtenweste und billige Schuhe. Insgesamt sah er einfach sehr normal und unauffällig aus und zu allem Überfluß trug er eine Brille mit Kassengestell. Er arbeitete als Sachbearbeiter beim Arbeitsamt und saß den ganzen Tag vor einem Computerbildschirm und wurde nur von den langweiligen und deprimierenden Gesprächen mit zukünftigen Arbeitslosen unterbrochen, die er dann als arbeitssuchend in eine Kartei eintrug und bei den meisten ahnte er schon, daß sie einfach zu alt, dumm oder faul waren, um jemals wieder für längere Zeit Arbeit zu finden. Er hatte Mitleid mit vielen, die Depressionen hatten oder alkoholabhängig 67
waren, das nahm ihn mehr mit, als es gut für ihn war. Er war auch schon 45 Jahre alt und wäre er nicht beim Staat beschäftigt, hätte er wohl auch große Probleme, Arbeit zu finden. Er grenzte sich dadurch ab, daß er nach außen hin gleichgültig und sachlich wirkte, wenn die Arbeitssuchenden in persönliche Gespräche abrutschten und sich über die Leistungsgesellschaft beklagten oder über Mobbig und sadistische Vorgesetzte. Das konnte er nachvollziehen, denn man mochte ihn nicht gerade auf dem Amt, er war ein Eigenbrötler und gab sein Privatleben nicht preis, reagierte nicht auf die Anbaggerversuche seiner Kolleginnen und zeigte seine Ablehnung deutlich, wenn er jemanden nicht mochte, was als Arroganz ausgelegt wurde. Viele belächelten ihn und nannten ihn Trottel, denn er schien oft nicht ganz bei der Sache zu sein und irgendwie abwesend und verträumt. Außerdem las er in den Pausen, meist Abenteuerromane, die für Jugendliche gedacht waren und war dann kurz angebunden und eigentlich nicht ansprechbar. Sein Lieblingsautor war James Cooper und er identifizierte sich mit den Helden in diesen romantischen Werken und konnte soweit darin versinken, daß er sogar einmal die Stimme seines Chefs mehrmals überhörte und erst reagierte, als dieser ihn wütend anschrie. Paul wirkte nicht so, doch er hatte eine enorme Phantasie und konnte tagelang nur lesen und dabei gerademal das Klo aufsuchen und die Seiten mit Keksen bekrümeln und Cola darauf tropfen lassen. Er saß mal wieder vor seinem Computer und tippte die persönlichen Daten seines Gegenübers ein, so wie er dies schon immer tat. Der Arbeitslose wirkte etwas eingeschüchtert, wie dies oft bei den Deutschen so war, wenn sie in einem Amt waren, autorithätshörig wie sie waren. Paul war das gewohnt und war immer entsprechend höflich und zurückhaltend, er wußte, daß es unangenehm war, um etwas zu bitten, etwas zu fordern. Er hatte danach Pause und las wie üblich in einem Schmöker an einem Tisch, wo seine Kollegen plappernd und tratschend um ihn herum saßen und sich, wie üblich, nicht um den Sonderling und Sachbearbeiter Paul kümmerten. Paul indes las einen historischen Roman über Indien und befand sich in einem Kampf an der Seite des Moguls gegen seine Feinde. Außerdem war eine Tochter des Moguls wohl scharf auf ihn und er stellte sie sich sehr schön vor, geschmückt mit Gold und Traum eines jeden Dichters. Paul schaute nur in die Runde, wenn er von seinem Kaffe trank oder sich eine Zigarette anzündete und verpaßte, wie immer, das Ende der Pause und wurde freundlich von der Kollegin angesprochen, die mit ihm das Büro teilte. Er schaute auf und steckte das Buch in seine Hosentasche, ging schleppend langsam in sein Büro und ließ sich resigniert auf seinen Stuhl 68
fallen. Er arbeitete den Rest der Arbeitszeit ab und machte sich auf den Heimweg, verabschiedet nur von seiner Kollegin, die jedoch zehn Jahre jünger war als er und viel zu hübsch, um sie anzusprechen, so fand Paul. Doch sie hatte ein Auge auf ihn, ja bewunderte ihn heimlich und hatte schon einige kitschige Liebesbriefe geschrieben, die sich bei ihr daheim stapelten, parfümiert und mit Gedichtchen versehen, würden sie den Empfänger wohl nie erreichen. Paul stieg auf sein Fahrrad, er war gegen luftverpestende Autos, und fuhr den kurzen Weg nach Hause. Auf dem Weg hielt er vor einem Buchladen und stöberte in der Jugendabteilung, wobei er von einer Verkäuferin belustigt angeschaut wurde. Sie kannte ihre Klientel und Paul kaufte in dem Geschäft ausnahmslos Abenteuerromane, sie kannte ihn und beriet ihn über Neuerscheinungen. Paul kaufte ein Exemplar über die Geschichte eines Indiokriegers zur Zeit der spanischen Eroberung Südamerikas. Er wirkte glücklich wie ein Kind, als er den Laden verließ und die Verkäuferin schaute ihm wohlwollend nach, wobei sie dachte, daß er entweder viele Neffen hatte oder eines der vielen großen Kinder war, die oft durch die Jugendabteilung streunten und vorgaben, sie würden ein Geschenk für ihren Sohn kaufen wollen. Kapitel 2: Pauls Wohnung Er betrat sein Wohnhaus, in dem nur einige alte Leutchen wohnten, die alle nicht besonders wohlhabend waren. Entsprechend ärmlich war das Haus und in den meisten Wohnungen sah es zwar sauber, aber eben bürgerlich und bieder aus. Hätte jemals einer der Bewohner die Wohnung Pauls betreten, wäre er aus allen Wolken gefallen. Paul öffnete die Wohnungstür und eine mannshohe afrikanische Figur starrte einem am Ende des Flurs entgegen, den steifen Penis in die Luft erhoben. Nicht aus moralischen, sondern aus praktischen Gründen hängte er seine Lederjacke auf die Spitze des Phallus und ging in die Küche. Hier nun stand, trotz der Steckdosen, ein alter Ofen, der mit Holz beheizt wurde, auf dem Paul kochte. Er öffnete den Kühlschrank, ein alter amerikanischer Stromfresser, und nahm sich hastig die üblichen ungesunden Snacks heraus, die er beim lesen eines Buches so in sich hineinstopfte. Er ging bewaffnet mit Cola, Chips und Schokolade in sein Wohnzimmer, wo die wirkliche Überraschung der Wohnung auf einen Besucher warten würde. In der Mitte des Raumes stand ein Tipi, das typische, kegelförmige Zelt der Eingeborenen Nordamerikas. Es war verkleinert und reichte bis unter die 69
Decke. Oben kam ein Ofenrohr heraus, das ihm Kaminschlot des Hauses endete. Er heizte selten mit der vor einigen Jahren instalierten Zentralheizung, sondern ließ doch tatsächlich ein offenes Feuer in seinem Tipi brennen. Er schlief sogar im Tipi, auf einer Matratze und hatte dort alles, was man so brauchte, einen kleinen Fernseher, ein Tischchen, eine Lampe und das wichtigste: Eine originalgetreue Ausrüstung eines Mohawk-Kriegers, die er selbst gefertigt hatte und die ein Tomahawk(Ein handliches Beil) und sogar eine echte Adlerfeder beinhaltete. Er konnte nur über Autoren wie Karl May lachen, die die Indianer sehr verfälscht dargestellt hatten. Er hatte sich nach Tatsachenberichten, so hoffte er, die Kleidung selbst geschneidert und die berühmte Bemalung gelernt. Er hatte sich intensiv mit der Religion der Mohawk beschäftigt und manchmal zog er sich die spärliche Kleidung an, die hauptsächlich aus einer kurzen Lederhose, Mokkasins und einem primitiven, pulloverartigen Überzug bestand. Außerdem hatte er einen selbstgefertigten Anhänger an einer Sehnenschnur und bestimmt fünfzig verschiedene Schmuckstücke, die von heutigen Reservatsindianern hergestellt worden waren. Er hatte sie bei einer Reise in den Südwesten Nordamerikas erworben und der Besuch in einem Reservat ernüchterte ihn, denn er sprach mit einigen Indianern, die jedoch alle sehr traurig wirkten und von denen er erfuhr, daß viele Reservatsbewohner alkoholabhängig waren und die Selbstmordrate sehr hoch war. Er hielt sich nicht lange im Reservat auf, denn die Tatsachen paßten nicht in seine romantische Vorstellung vom tapferen Krieger, der den weißen Mann kaltblütig erschlägt, wenn es Krieg gibt. Paul schichtete einige Scheite auf der feuerfesten Unterlage in seinem Tipi und holte noch einige Bücher aus dem gerade so begehbaren Schlafzimmer, das er in eine Privatbibliothek verwandelt hatte. Die Bücher standen bis unter die Decke und er hatte manchmal Angst, daß alles in sich zusammenstürzen könnte. Er holte zwei Bücher, die er schon lange nicht mehr gelesen hatte und hatte am Ende vier Bücher in seinem Tipi liegen, sein Neugekauftes, das, was er in der Arbeit gelesen hatte und die zwei aus dem Schlafzimmer. Da er so etwas wie ein Gesellschaftsleben nicht hatte, bis auf gelegentliche Besuche bei einem Freund und einer Bekannten, wählte er das erste Buch aus und machte sich ans lesen, lange in die Nacht hinein las er und der Schein des kleinen Feuers machte seine konzentrierten und verträumten Gesichtszüge aufleuchten und mysthisch erscheinen. Als er ein Buch zu Ende gelesen hatte, ging er zu seiner Stereoanlage und ließ ruhige Musik laufen, legte sich auf seine Matratze und blickte in die 70
Glut des inzwischen heruntergebrannten Feuers. Während er noch über die eben gelesene Geschichte nachdachte, fielen ihm die Augen zu und er schlief fest bis das Klingeln seines mechanischen Weckers den neuen Arbeitstag einläutete. Wie jeden Tag schleppte er sich lustllos in die Arbeit zu einem motzenden Chef und Bergen von Namen, Akten und Schicksalen. Er brachte diesen letzten Arbeitstag der Woche hinter sich und beschloß, den Rest dieses Frühlingstages an seinem Lieblingssee zu verbringen, wo er baden und lesen würde und vielleicht Bekanntschaften schließen konnte. Er fuhr direkt nach der Arbeit zu dem See, wo nur unerschrockene Sonnenanbeter das kalte Wasser ab und zu zum erfrischen nutzten. Er begrüßte einen Bekannten, legte sich neben ihn und redete etwas über das Wetter, die Arbeit und andere banale Dinge. Dann zog er seine Badehose an, packte sein neues Buch aus und las eine Stunde, tastete sich danach in das kalte Wasser vor und dachte, daß das Leben doch eigentlich ganz in Ordnung war. In diesem Moment fühlte er sich wirklich lebendig und die ersten Gedanken, sein langweiliges Leben zu verändern, kamen ihm in den Sinn. Er wollte nicht mehr in dem stickigen Amtszimmer arbeiten, Tag für Tag, bis zu seinem Tod, nach einer ermüdend tatenlosen Zeit, in der er Rente bezog und vor sich hinschimmelte. Ja, er würde kündigen! Gleich am Montag würde er seinem Chef die Meinung sagen und kündigen! Es lebe die Midlife-Crisis! Mit einem lauten 'JA!' sprang er wie ein Irrer aus dem Wasser, zog sich hastig seine Sachen an und achtete nicht auf die Anwesenden, die ihm verdutzt nachschauten, als er auf seinem Rad davonfuhr. Er strampelte so schnell er konnte und kam verschwitzt daheim an, wo er sich an sein Kündigungsschreiben machte, der im wesentlichen folgendes besagte: Kapitel 3: Die Kündigung '...ich kündige hiermit für immer und ewig. Die Zustände, die unsere Zivilisation für Menschen geschaffen hat, finde ich unerträglich. Der Mensch ist zu einer Zahl, einem Arbeitssuchendem, einem Bittsteller und Rentenempfänger verkommen und ich werde diese Entwicklung nicht mehr unterstützen. Ab jetzt kämpfe ich für die armen Schweine dieser Welt und tue etwas wirklich Wichtiges! Ich rette die Welt! Ihr könnt Euch mir anschließen und endlich tun, was ihr schon immer wolltet. Jawohl, ich kündige! Auf Nimmerwiedersehen. Paul .' Befriedigt starrte er auf den Text und druckte dreißig Exemplare des 71
Werks aus. Den Rest des Wochenendes verbrachte er damit, seine Zukunft zu planen, an einem anderen Ort der Welt und mit einer Aufgabe, die Einsatz verlangte, anders als seine bisherige Arbeit. Er wollte aktiv in die Entwicklungshilfe gehen und besorgte sich mehrere Adressen. Nachdem er einige Absagen am Telefon bekommen hatte, sagte einer seiner Ansprechpartner sofort zu, ohne mehr über ihn zu wissen. Er mußte wohl den Enthusiasmus in Paul`s Stimme gehört haben, denn er bot ihm einen Flug in zwei Wochen an, nach Ruanda, und er solle sich noch vorbereiten und bei dem Sitz der Organisation in seiner Stadt die Grundlagen lernen, dann könne es losgehen. Paul stimmte allem eifrig zu, obwohl er vor Freude alles überhörte, sogar, daß er nur für Kost und Logis arbeitete und die niedrigsten Tätigkeiten übernehmen mußte, anfangs zumindest. Als sein Wecker am Montagmorgen klingelte, war Paul schon wach und stand, sich bewundernd, in voller Indianermontur, mit Schmuck und Tomahawk vor einem Spiegel. Er zog sich einen seiner Anzüge über und packte Tomahawk, Gesichtsfarbe und andere Dinge in seine Aktentasche, inklusive der dreißig Kündigungsschreiben. Fröhlich pfeifend und äußerlich unscheinbar, wie immer, radelte er zur Arbeit, kam zu spät und traf auf seinen Chef, der sofort loslegte:“, sie kommen eine halbe Stunde zu spät und was pfeifen Sie so dämlich? Sind sie noch ganz richtig? Frau Behr mußte Ihre ganze Arbeit erledigen und überhaupt, rufen Sie gefälligst an, wenn Sie zu spät kommen. Sie bleiben heute länger und holen sich zusätzliche Arbeit ab bei mir. Und jetzt gehen Sie mir aus den Augen...“ Paul schaute auf seine Uhr, nahm sie ab und warf sie seinem Chef vor die Füße, grinste ihn an und sagte: „Kaputt. Hier ist meine Kündigung, schön lesen, ich gehe außer Dienst, für immer!“ Er verschwand auf der Toilette, riß sich den Anzug vom Leib und stand da, ein Mohawk mit Leib und Seele. Er legte Kriegsbemalung auf, schmiß seine Brille in eine Ecke und ersetzte sie durch giftgrüne Kontaktlinsen und nahm sein Tomahawk in die Hand. Er öffnete den Mund zu einem lautlosen Schrei und man hätte sich gefürchtet, hätte man Paul in diesem Moment erblickt. Er trat auf den Flur hinaus, sein Chef blickte von dem Kündigungsschreiben auf und starrte Paul ungläubig an:“Sind sie verrückt, wie sehen Sie denn aus?“ fragte er. Paul schrie:“AHHHHHHH!!!, jetzt wirst Du skalpiert, Du verdammter Engländer!“, hob das Beil und trat seinem Chef entgegen, der sich sofort umdrehte und rannte, als wäre der Teufel hinter ihm her. Er rannte aus dem Gebäude und zur nächsten Telefonzelle und blickte sich 72
währenddessen öfter um, fast wäre er gestolpert. Paul indes steckte das Beil in eine Halterung an seiner knappen Hose und ging stolzen Schrittes auf sein Büro zu, trat ein und wurde von seiner Lieblingskollegin begrüßt, wobei sie nicht aufschaute. Paul stand vor ihr und sagte:“Ich will Dich!“ Sie schaute auf, lachte und stand auf. „Ich Dich auch, Krieger.“ Sie zog sich das Höschen unter dem Rock aus und setzte sich auf den Tisch. Sie liebten sich wie wilde Tiere, bis Polizeisirenen ertönten. Paul steckte ihn weg und verteilte noch schnell die restlichen Kündigungsschreiben an seine Kollegen, als Polizisten auf ihn zukamen und ihm beschwichtigend zuredeten. Er drückte einem eines seiner Schreiben in die Hand und sein Chef stand hinter einem der Beamten und sagte:“Der wollte mich umbringen! Er ist verrückt, schauen sie ihn sich doch mal an. Nehmen sie ihn mit, versuchter Mord!“ Seine Kollegin stand schon länger hinter Paul und sagte:“Glauben sie ihm nicht. Paul ist total harmlos!“ Die Beamten sahen aus, als könnten sie die ganze Situation nicht so recht einordnen, nahmen Paul sein Tomahawk ab und nahmen alle drei mit, um ihre Aussage aufzunehmen. Auf dem Revier nahm Pauls Chef den Vorwurf zurück, als Paul es als schlechten Scherz darstellte und seine Kollegin ihm zustimmte und behauptete, sie hätte alles beobachtet und Paul habe nie das Beil gehoben. Die Polizisten mahnten Paul und hielten eine Predigt, ließen ihn jedoch nach einem Drogentest gehen und hatten etwas ähnliches noch nie erlebt. Paul machte seine Pläne wahr und lebt heute in Ruanda, wo ihn seine ehemalige Kollegin oft besuchte und sie sich innig liebten. Der Sammler Kapitel 1: Gewohnheiten Gustav Levin, 38 Jahre alt und äußerlich ganz der wirrköpfige Exzentriker, stand in dem größten Raum seines Hauses auf dem Land und besah sich seine eindrucksvollen Sammlungen an wunderschönen Schmetterlingen, Fossilien, Mineralien und Schädeln von prähistorischen Tieren und frühen Menschen und vieler anderer Dinge. Da stand die Nachbildung eines Neanderthalerschädels und über ihm hing ein riesiger, blau schimmernder Schmetterling hinter einer kleinen Glasscheibe, auf Regalen standen kleine Modelle von Dinosauriern und ein ein Meter großer Amnethyst, dessen Inneres geheimnisvoll lila und blau von Stein eingefaßt war, schmückte eine Ecke des Zimmers. Es gab ein Regal mit wunderschönen Kristallen, 73
rohen Edelsteinen und den verschiedensten Mineralien, 498 Stück hatte er inzwischen. Ein kleineres Regal war mit Korallen aus allen Teilen der Welt bestückt, immerhin aber 200 Stück. Gustav liebte die Natur, er war schon als Kind ein eifriger Sammler gewesen. Damals sammelte er Muscheln und wassergeschliffene Steine und Glas. Mit der Zeit und dank der Tatsache, daß er äußerlich unattraktiv war und so nur lose Frauenbekanntschaften hatte, konnte er dieses Hobby ausbauen und war ein wichtiger Ratgeber und Spender für das Naturkundemuseum in der nahegelegenen Stadt, wo er sich besonders wohl fühlte, war doch der 70 Quadratmeter große Raum, in dem er jetzt stand, in den Bereichen Fossilien und Mineralien informativer und besser bestückt, als es das Museum war. Er besaß einen kolossal großen Ammoniten, ein Meereslebewesen aus der Urzeit, der in der Mitte der Wand gegenüber der Tür auf einem kleinen Tischchen stand, darüber ein Plakat mit einer farbigen Zeichnung, auf der das Tier abgebildet war, so wie man es sich vorstellte, als es noch lebte. Außerdem hatte er einen täuschend echten Neanderthaler, wie er neuesten Erkenntnissen nach ausgesehen haben mußte, in einer Ecke des Raumes stehen, daneben Nachbildungen der Steinwerkzeuge, die man diesem ausgestorbenen Verwandten des Menschen zuschrieb. Würde man ihm Straßenkleidung überziehen, könnte man ihn für einen bärtigen Mann halten, der an die Ureinwohner Australiens erinnerte. Gustav ließ seine Augen über die beträchtliche Ansammlung von Raritäten gleiten und war mit sich zufrieden. Er sah die Versteinerungen von Blättern, einen großen Rauchquarzkristall, die Glasaugen des Neanderthalers, die Fossilien aus allen möglichen Epochen der Entwicklung des Lebens und niemand außer ihm hatte diese großartige Sammlung je erblickt. Er wollte das nicht, für ihn war das alles ein großer Schatz und der gehörte ihm, schließlich sammelte er die meisten Dinge selbst und fertigte die Rekonstruktionen selber an. Er ging mit einer Gruppe von Paläontologen, Erdaltertumsforschern, regelmäßig auf Exkursionen in der ganzen Welt. Sie waren alle Hobbysammler und man traf sich auch so, um die neusten Errungenschaften deutscher Museen zu begutachten, oder wichtigtuerische Gespräche über naturwissenschaftliche Theorien zu führen. Gustav zeigte ihnen, wenn sie vorbeikamen nur die kleinere Sammlung in seinem Wohnzimmer und hielt den Raum mit den schönsten Exponaten immer verschlossen. Er wußte, sie würden nur neidisch werden oder dumme Fragen stellen. Seine Augen blieben auf den Stücken haften, die auf einem großen Regal in der Mitte des Raumes standen. Dort waren menschliche Schädel in verschiedenen Größen und 74
Nachbildungen aus der frühen Zeit der menschlichen Entwicklung zu sehen. Er kannte die Zahl aller seiner Objekte in dem Raum immer genau, insgesamt besaß er 17.984 Stücke aus den Bereichen seines Interesses. In seinem Wohnzimmer waren es nur etwa 4.000 Stücke. Doch die Krönung der Natur war für ihn der Mensch und der war seit etwa zehn Jahren sein Hauptgebiet. Er hatte acht Nachbildungen aus der frühen Zeit der Menschen auf dem Tisch stehen und auch der Mensch der Neuzeit war für ihn von Interesse. Er hatte auf dem Tisch die absoluten Lieblingsstücke stehen, denn er hatte viel Arbeit und Geduld in ihre Beschaffung gesteckt, 52 menschliche Schädel von den Rassen dieser Welt, Kinder und Frauen, Männer und Mißgeburten. Selbstverständlich stammten die Schädel von Menschen, die bereits einige Zeit zuvor gestorben waren. Das Schwierigste war, das Fleisch effektiv von ihnen herunterzuschaben, wenn er sie getötet hatte. Die reinste Geduldsarbeit. Das Hirn mußte herausgeholt werden und der Rest des Körpers irgendwie beseitigt werden, lästig fand er das. Am Anfang ekelte er sich vor der unangenehmen Art und Weise, die Schädel in ihre jetzige Form zu bringen. Sie standen da und waren genau beschriftet und er fragte sich manchmal, warum er das alles eigentlich tat, die Schädel sahen alle ziemlich langweilig aus, Schädel halt. Gustav hatte wohl doch mehr Spaß an der Beschaffung der Schädel, als er sich eingestehen wollte. Er bereitete sich immer lange auf die Menschenjagd vor und niemals wurde er verdächtigt, denn die restlichen Teile der Leiche verfütterte er an seine Katze oder kompostierte sie, was dann immer zur Folge hatte, daß die Fliegen seine Kompostgrube geradezu liebten. Er stellte sich die Frage, ob diese Angewohnheit, Menschen zu jagen, zu töten und dann ihre Schädel zu sammeln, bedeutete, daß er nicht ganz richtig im Kopf war. Es war nicht gerade ethisch korrekt, aber na ja, für die Wissenschaft mußte man halt Opfer bringen. So wie er, er würde sich nach seinem Tod bei einem Plastinator, ein Anatomieprofessor, der tote Menschen mit einer besonderen Methode für die Ewigkeit präparierte, zu einem wunderschönen Lehrobjekt verwandeln lassen. Er fand, daß er nichts schlimmes tat, er war wohl die personifizierte natürliche Auslese, wie der Wolf, der das Schaf reißt. Die Menschen taten den Lebewesen auf diesen Planeten ja auch die grausamsten Dinge an, sie fraßen sie, töteten sie in schmerzvollen Experimenten oder machten sie verrückt, indem sie sie in viel zu kleine Käfige steckten. Er konnte sich vor sich selbst rechtfertigen, mehr interessierte ihn nicht. Gustav war mit sich im reinen und er wahr ja auch nicht verrückt, so dachte er. Er bewunderte ja die 75
Schönheit der Schädel und war kein bösartiger Kannibale, die fand er unheimlich. Gustav schaltete das Licht aus und schloß die Tür des Raumes wieder ab, ging ins Wohnzimmer, wo seine Katze auf der Couch lag und nur kurz die Augen aufmachte, als er sich setzte und den Fernseher anschaltete. Er kraulte den schlafenden Kater, der genüßlich schnurrte und sich auf den Rücken drehte, um am Bauch gestreichelt zu werden. Gustav war wirklich rundum zufrieden, er hatte alles, was man sich wünschen konnte. Er hatte das Haus geerbt und dazu sieben Millionen Euro, von denen man gut leben konnte. Er machte sich um nichts Sorgen, als er einen schnulzigen Liebesfilm anschaute, seine Lieblingsfilme, und sich insgeheim eine Partnerin wünschte, die seine Sammelleidenschaft teilte und sein ungewöhnliches Hobby, Schädel zu sammeln, verstand und ihn akzeptierte. Doch er war nicht dumm und ein Realist, denn das war unmöglich. Er schaute bis in die frühen Morgenstunden Fernsehen und ging dann ins Bett, wo er eine Zeit lang nicht einschlafen konnte, da er sich Gedanken, um die nächste Jagd machte, deren Opfer schon feststand. Kapitel 2: Die Jagd Er hatte sich einen alten Mann in einer 200 Kilometer entfernten Stadt ausgesucht, der seiner Meinung nach sowieso nicht mehr lange zu leben hatte und dessen Gewohnheiten er genau kannte. Endlich schlief er ein und wachte erst am Mittag wieder auf, die Sonne schien ihm ins Gesicht. Er hatte morgens immer eine unheimliche Wut, wieso, wußte er nicht. Er nahm eine Nachttischlampe, warf sie gegen die Wand und schrie laut herum, schlug auf einen Boxsack ein, der in der Mitte des Schlafzimmers stand und trainierte danach eine Stunde an seinen Gewichten, um die Aggression abzubauen. Erschöpft begab er sich in die Küche und frühstückte, ja heute würde er sich den alten Mann schnappen, wenn er abends seinen Hund an einem Waldrand in der Nähe seiner Stadt ausführen würde. Er spürte die Erregung, die wohl uralt und diesselbe wie bei allen Raubtieren sein mußte, und in Gedanken ging er den Plan noch einmal durch. Seine Katze maunzte und bettelte wie immer um noch mehr Futter und er machte den Napf voll. Danach stellte er das Mordwerkzeug zusammen, das er brauchen würde, um den Mann möglichst schmerzlos und leise zu töten. Er besorgte sich illegal ein schnellwirkendes Betäubungsmittel, daß er nun nach dem geschätzten Gewicht seines Opfers berechnet, in einen Pfeil füllte, den man mit einer Luftdruckpistole abschießen konnte. Sorgfältig lud er die Pistole und legte ein 76
Ersatzgeschoß in das Pistolenköfferchen. Er packte eine halbleere Flasche Schnaps in einen Rucksack. Er würde einem Spaziergänger, der ihn beim tragen des Mannes überraschen könnte, vortäuschen, daß sie beide betrunken waren und sein 'Kumpel' zuviel getankt hatte. Außerdem packte er etwas Verpflegung ein und eine Flasche Chloroform, falls die Betäubung nicht lange anhielt. Er tat alles in den Kofferraum seines Kombis und trank noch einige Tassen Kaffee, kümmerte sich um das Modell eines Velociraptor-Dinosauriers und verbrachte den Tag mit Ablenkung, was ihm nicht so recht gelang, da seine Gedanken immer wieder abschweiften. Er kleidete sich, nach Plan, als Wanderer ein und klebte sich einen täuschend echten Bart ins Gesicht, stieg am späten Nachmittag in seinen Wagen und fuhr zu dem Weg, der am Waldrand verlief und nach einem Kilometer in den Wald mündete, wo er tagsüber ein beliebter Wanderweg war, abends jedoch kam seines Wissens nach niemand, außer dem alten Mann, der seinen VW immer an derselben Stelle am Rand des Weges parkte und dann seinen Hund bis zur Einmündung des Weges in den Wald führte und dann mit ihm zu seinem Auto zurückkehrte. Es war bisher immer dasselbe Schema, dieselbe Uhrzeit. Gustav war eine Stunde vor der erwarteten Ankunft des alten Mannes da und stellte seinen Wagen auf dem improvisierten Parkplatz am Waldrand ab und versteckte sich im angrenzenden Wald, auf der Hälfte des Weges. Er war in der Dämmerung nicht zu sehen und störte sich nicht an dem anderen Auto, das auf dem Parkplatz stand. Er wartete und wurde nervös, als der alte Mann nicht zu der gewohnten Zeit auftauchte. Gustav trat kurz aus dem Wald heraus und sah plötzlich die näherkommenden Lichter eines Wagens. Es war der Wagen des alten Mannes. Kapitel 3: Das Opfer Gustav kauerte sich auf den Boden, lud die Pistole und steckte sich den Ersatzpfeil in die Jackentasche. Er war furchtbar aufgeregt, denn es war immer wie das erste Mal, wenn er auf der Jagd war. Der alte Mann stieg aus und sein Dackel fetzte auf der Wiese umher. Der alte Mann rief ihn und er kam brav an seine Seite. In der Dunkelheit konnte Gustav nur wenig erkennen, doch seine Augen hatten sich genügend an die Dunkelheit gewöhnt, um alles wahrzunehmen. Der Mann kam näher und Gustav wurde immer aufgeregter. Plötzlich hörte er ein knackendes Geräusch hinter sich, fuhr herum und konnte nur noch kurz einen Stahlhaken aufblitzen sehen, der sich tief in 77
seine Brust bohrte. Ein Gesicht konnte er nicht mehr erkennen, nur noch Schmerzen fühlte er und bekam gerade noch mit, wie er auf den Boden gerissen und ihm dabei eine Hand auf den Mund gehalten wurde, um seinen Schrei zu unterdrücken. Gustav starb und der alte Mann ging an der Stelle vorbei, wo er auf ihn gewartet hatte, nur der Hund schaute in die Richtung der beiden Personen, die im Dickicht des Waldes auf dem Boden lagen. Der alte Mann beendete seine Runde und fuhr davon, als der Mörder Gustavs diesen durch den Wald auf einem Pfad zu seinem auf dem Parkplatz abgestellten Auto schleppte. Er lud Gustav in seinen Kofferraum und fuhr davon. Auf seiner Fahrt in die Dunkelheit dachte er:'...endlich ist meine Sammlung komplett. Was für ein Glücksfall, daß der mir in die Quere kam. War viel leichter, als den alten Mann mit dem Haken mitten auf dem Weg zu kriegen. Jetzt habe ich schon vier Schädel, wunderbar.' Der Sammler fuhr nach Hause und machte sich an die Arbeit.
Die Heilige Kapitel 1: Die Vorbereitung Sarah saß auf dem Holzboden ihres ordentlichen Wohnzimmers und hörte auf die Stimme, die sie manchmal hörte, die Stimme der Heiligen Katharina von Genua, wie sie meinte. Die Stimme sprach von großem Leid und von Menschen, die starben. Sarah wußte von der heiligen Katharina, sie hatte als Kind über die guten Taten von ihr während der Pest im Mittelalter gelesen. Sie war nun 32 Jahre alt und Stimmen hörte sie schon lange, oft die ihres Vaters oder ihres Bruders. Man hatte sie sogar schon zu einem Psychologen geschickt. Einem Psychologen! Sie war doch nicht verrückt! Vielmehr war die Welt um sie herum verrückt, sie war die wiedergeborene Katharina von Genua, auch an Wiedergeburt glaubte sie fest und in einer anderen Kultur, als der westlichen, wäre sie geachtet und respektiert und ihr Wort würde etwas gelten. Sie hatte von dem Seelenklempner Tabletten bekommen, hat jedoch nicht eine davon genommen und sie log dem Psychologen vor, sie höre nun keine Stimmen mehr. Psychose! Halluzinationen! Diese Wissenschaftler fanden doch für alles eine Erklärung, jedoch für die Ursache ihrer Krankheit konnte ihr der Psychologe keine Erklärung geben. Klar, sie war eine ungewöhnliche Frau. Krankheit! Sie war kerngesund, sie ging seit ihrem 18ten Lebensjahr 78
in der Fabrik arbeiten und war in all der Zeit nur fünf Tage krank gewesen. Eine Frechheit! Sie erzählte auch keinem ihrer Bekannten, daß sie die Stimme von Katharina hörte oder gar, daß sie die wiedergeborene Heilige war, das könnten diese Kleingeister nur sehr schwer verstehen. Die automatische Waffe, die vor ihr auf dem Boden lag, war geladen und gesichert. Um sie herum standen Kerzen und die mystische Stimmung wurde noch verstärkt durch gregorianische Mönchsgesänge, die den Raum ausfüllten. Sie bereitete sich vor. Sie bereitete sich auf die Flucht vor, denn sie wurde schon lange beobachtet. Es gab teuflische Kräfte auf dieser Welt, die sie vernichten wollten, denn das Reich des Teufels sollte auf Erden errichtet werden und sie war erwählt, dieses Reich zu verhindern. Vor allem die Männer in den Anzügen waren ihr suspekt, überall traf sie auf sie. Letztens hatte sie sogar einen Nachbarn von ihrem Fenster aus dabei erwischt, wie er in ihr erleuchtetes Schlafzimmer blickte, mit einem Fernglas. Die Wohnung lag genau gegenüber und der Nachbar trug tagsüber auch so einen dunklen Anzug, er gehörte eindeutig dazu. Sie vermutete, daß irgendeine Organisation sich darauf spezialisiert hatte, die Gegner des Teufels auszuspionieren und zu töten. Sie hat den Mann am nächsten Tag angesprochen und er erschrak sich sehr und rannte davon. Ein Beweis! Auch auf der Straße wurde sie von den Anzugsmännern angestarrt, und gerade in letzter Zeit bemerkte sie auch andere Personen, die ihr nachstarrten, alte Frauen, Mädchen, vor allem aber Männer. Auch in ihrem Auto wurde sie verfolgt, über mehrere Stadtteile manchmal, und nur, wenn sie verschlungene Wege durch die Stadt fuhr, fühlte sie sich sicher. Gestern war es besonders schlimm gewesen. An einer Hausecke hatte sie auf einem Spaziergang in ihrer Gegend einen Anzugsmann beobachtet, der so tat, als ob er in ein Handtelefon sprach, doch sie war sich sicher, daß es ein Funkgerät war. Nach zweihundert Metern konnte sie schon wieder einen Mann beobachten, der bei ihrem Anblick auch ein Funkgerät zückte und wohl zu seiner Zentrale funkte. Auf dem Spaziergang kam sie durch ein nahes Vergügungsviertel und wurde sich dort wieder der Gottlosigkeit dieser Welt bewußt. Überall lockten die Profiteure die armen Seelen in die Sex-Shops und Spielhallen und die Verlorenen gingen in dem Viertel ein und aus. Das waren die auffälligsten Zeichen für das kommende Reich des Teufels. Doch die Pest dieser Zeit war die Armut, fand sie. Überall auf der Welt war die Bevölkerung am darben und aus Soildarität aß sie auch nur sehr wenig und spendete das meiste ihres Verdienstes an die Hilfsorganisationen der katholischen Kirche. Sie war überhaupt ein sehr guter Mensch und in einem gewissen 79
Sinne war sie tatsächlich eine Heilige. Die Waffe vor ihr auf dem Boden war nur zur Verteidigung gedacht, denn sie mußte den Anzugsmännern ja schließlich etwas entgensetzen, die waren ja schließlich auch alle bewaffnet, wie sie vermutete, denn der Teufel würde jedes Mittel ergreifen, um die Weltherrschaft an sich zu reissen. Die Waffe war ihr auch unheimlich, sie hatte sie von einem schmierigen Typen auf der Straße gekauft, einem Verlorenen, doch keinem Anhänger des Teufels. Auch die Satanisten wurden immer mehr, sie bedauerte, daß es die heilige Inquisition nicht mehr gab, die würde diesen dunklen Seelen die Erlösung bringen. Sie würde sie nicht gebrauchen, da war sie sich sicher, denn sie war ein sehr friedliebender Mensch. Es war Sonntag und sie hatte am Mittwoch gekündigt, auch ihre Wohnung würde sie verlassen, sie wollte irgendwoanders hinziehen, mit einem anderen Namen leben und der ständigen Überwachung durch die Teufelsjünger entgehen. Selbst in der Arbeit waren sie überall, vor allem die Kollegen und ihr Chef waren verdächtig. Ein Neuling an ihrem Arbeitsplatz trug seine satanistische Einstellung offen zur Schau: Er trug ausnahmslos schwarz und ein silbernes Pentagramm baumelte an seinem Hals, sie verdächtigte ihn, daß er das Satanszeichen '666' an eine Tür der Toilette geschmiert hatte. Einmal hatte sie ihn angesprochen und von ihm erfahren, daß er keineswegs ein Satanist sei, sondern der 'Gothic'Bewegung angehörte und dies ein Ausdruck seines kreativen Geistes sei. Sie konnte das nur als Ausrede werten, wer gibt das schon offen zu, daß er ein Teufelsanbeter ist? Sie machte ein Kreuz, wenn sie an ihm vorbei kam und immer wenn sie ihn sah, betete sie ein kurzes Gebet, daß ihre Seele rein bleibe. Ihr Chef war der schlimmste von allen, er schlief mit seiner Sekretärin und einer Kollegin von ihr, obwohl er verheiratet war und nutzte so seine Stellung schamlos aus. Sie konnte dort nicht mehr arbeiten, auch weil die Kollegen oft über ihre Frömmigkeit spotteten und darüber, daß sie noch Jungfrau war. Sie hörte sie auch manchmal reden, böse, gemeine Dinge, doch sie war sich nicht sicher, ob sie sich das einbildete, sie hatte ja eine etwas überschäumende Phantasie. Sie kündigte also und war foh über ihre neugewonnene Freiheit, doch sie hatte keine Freunde und nur der Fernseher und ihre Musik lenkten sie ab. Sie las auch in der Bibel, vor allem das Buch Hiob hatte ihr es angetan, denn auch sie hatte viele Prüfungen im Leben über sich ergehen lassen müssen, wie ihren gewaltätigen Vater und ihren älteren Bruder, der auch gerne trank und dann zuschlug. Aus diesen Gründen hatte sie auch keinen Kontakt zu ihrer Familie, denn ihre Mutter war bei einem Autounfall gestorben und sie 80
hatte kein Interesse an den beiden Säufern, die sie immer so schlimm verprügelt hatten, während ihre Mutter schwieg und ihr Schicksal ertrug. Sie hatte das Auto wahrscheinlich absichtlich an einen Baum gesetzt, vorher hatte sie Sarah auch noch erzählt, wie sehr sie leide, und das schon seit ihrer Kindheit. Etwa da hatte es wohl damit angefangen, daß Sarah Stimmen hörte und eine seltsame, weltferne Stimmung hatte. Sie flüchtete sich in das Studium der Bibel und ging ihren Weg, hatte kein Interesse an Männern und ihr fiel zunehmend der drohende Untergang der Welt und ihr Verlust an die Mächte der Dunkelheit auf. Man konnte die Zeichen überall sehen, schon wenn sie den Fernseher einschaltete, konnte sie dort das ganze Verderben sehen. Aber der Fernseher lieferte ihr auch Botschaften, die nur sie und die anderen Mitstreiter gegen den Teufel verstehen konnten. Sie wollte nicht töten, aber die Stimmen und Botschaften gaben ihr manchmal den Befehl, jemanden zu töten. Vor allem Menschen , die sie als Freunde betrachtete, waren betroffen, je freundlicher jemand zu ihr war, desto mißtrauischer wurde sie. Da lag also ihre Waffe und sie war eigentlich bereit zur Flucht. Sie wollte noch den Montag abwarten, denn da würden die Leute zur Arbeit gehen und sie könnte ihre Verfolger besser erkennen, als an Tagen, wo die Straßen zu voll waren. Sie packte die wichtigsten Sachen zusammen, Schmuckstücke, ihr Sparbuch und Bargeld, sie gab ja kaum etwas aus und sparte. Sie löschte die Kerzen und schaltete die Musikanlage aus, legte sich in ihr Bett und war nervös, denn ihr spießiges Leben würde morgen einen Einbruch erleiden und es würde sich erst wieder alles normalisieren, wenn sie ihr Leben in der anonymen Großstadt Berlin aufgebaut haben würde. Sie ging ihren Fluchtplan in Gedanken noch einmal durch und schlief schließlich um zwei Uhr morgens ein. Was für einen Einbruch ihr Leben erfahren würde, wußte sie natürlich nicht. Kapitel 2: Die Flucht Ihr Wecker tönte laut in ihrem erwachenden Verstand und sie sah die Zahl neun auf der Digitalanzeige. Sie wurde sich ihres Fluchtplans bewußt und sprang aus dem Bett, bis zwölf mußte sie sich aus dem Staub machen, denn da hatten die Leute Pause. Sie wusch sich, trank ruhig einen Kaffee, denn Nervosität verspürte sie nun keine mehr, sie stellte sich auf ihre Flucht ein. Vorsichtig lugte sie aus ihrem Fenster und sah niemanden auf der Straße, sie glaubten wohl, daß sie in der Arbeit war! Was für ein 81
Glück! Sie schnappte sich alles Nötige und verließ leise ihre Wohnung, um in der Tiefgarage in ihren Wagen zu steigen. Sie verließ die Tiefgarage und fuhr auf großen Umwegen in die Richtung der Autobahn. Sie wurde teilweise verfolgt, doch konnte sie die Anzugsmänner immer wieder abschütteln, indem sie einige Tricks anwandte. Auf der Autobahn fuhr dann ein Streifenwagen der Polizei direkt hinter ihr und sie wußte, daß die die schlimmsten Anhänger des Teufels waren, denn sie glaubten doch tatsächlich, daß sie etwas gutes taten, dabei dienten sie den Anzugsmännern, Politikern und Richtern, Staatsanwälten und Beamten, den größten Parasiten die es gab! Sie war beruhigt, als der Wagen sie überholte und an ihr vorbeifuhr. Später dann auf der Fahrt blinkte sie ein Wagen hinter ihr an und der Fahrer deutete, wie sie im Rückspiegel sah, auf die rechte Fahrbahnseite. Sie legte die Hand auf die Waffe in ihrer Tasche und war beruhigt, der konnte sie ruhig überfallen, sie war gewappnet. Um den Verfolgern auf der Autobahnzu entgehen, fuhr sie auf die Landstraße und schlug Haken in alle möglichen Richtungen. Sie beschloß, die Autobahn zu meiden und fuhr auf anderen Straßen Richtung Berlin. Sie fühlte sich sicher, denn sie konnte niemand Verdächtigen mehr erkennen, bis sie die Vororte Berlins am Dienstagmorgen erreichte. Dort fielen ihr sehr viele Anzugsmänner auf und sie übertrat mehrfach die Geschwindigkeitsgrenze, um ihnen zu entkommen. Schließlich wurde sie von einem Handlanger des Teufels angehalten, ein Streifenwagen lotste sie an den Straßenrand. Sie legte die Hand an die Waffe und wartete im Wagen auf den Polizisten, der nun ausstieg und sie aufforderte, auszusteigen und ihm die Zulassung und den Führerschein auszuhändigen. Sie gehorchte und war bereit für alles. Der Polizist sagte zu ihr, daß sie zu schnell gefahren war und daß ihr linkes hinteres Rücklicht eingeschlagen war, außerdem wirke sie müde. Sie entschuldigte sich und der Polizist ließ es nocheinmal durchgehen, forderte sie jedoch auf, eine Pause zu machen und das Rücklicht sofort reparieren zu lassen. Sie stieg wieder ein und wartete die Abfahrt des Streifenwagens ab, dann sank sie über dem Lenkrad zusammen und war froh, daß sie nicht erkannt worden war. Die Flucht war geglückt. Sie fuhr an und begab sich auf die Suche nach einem Hotel. Sie begegnete noch einigen Anzugsmännern, doch die wirkten nicht so bedrohlich auf sie. Sie erreichte ein kleines Hotel und mietete sich ein. Sie schlief bis zum frühen Mittwochmorgen, die Sonne war noch nicht aufgegangen, und betete zu Gott, daß sich alles zum Guten wenden würde und sie ein neues, sorgenfreies Leben anfangen 82
konnte, ohne die ständige Angst vor den Anzugsmännern. Sie informierte sich über Mietwohnungen und machte einen Besichtigungstermin für den Nachmittag. Sie regelte die Auflösung ihrer alten Wohnung mit dem Vermieter und überließ ihm die Möbelstücke und ihre Kaution, sie belog ihn und erzählte, es gäbe familiäre Probleme und er willigte in die ungewöhnliche Prozedur ein. Sie tätigte alles von ihrem Zimmer aus und beobachtete die Leute draußen genau, doch niemand schien ihr Beachtung zu schenken. Sie aß ein kleines Frühstück und trank zur Stärkung einen Kaffee, dann sah sie etwas fern und wartete den Besichtigungstermin ab. Eine Stunde vor dem Termin stieg sie in ihren Wagen und fuhr zu der angegebenen Adresse in der Innenstadt. Kapitel 3: Die Erlösung Sarah stieg aus ihrem Wagen und schloß ihn ab, als sie einen Anzugsmann auf sich zulaufen sah, der sich, während er auf sie zurannte, in die innere Anzugstasche griff. Sarah reagierte schnell und zog ihre Waffe. Sie schoß schnell drei Schüsse in den Kopf und den Körper des Angreifers, eine Schachtel Zigaretten flog aus seiner Hand in die Luft und sein Gesicht fiel blutüberströmt auf den Asphalt. Sarah erkannte, daß sie enttarnt war und schoß noch auf einen Mann, der auf sie zukam und beschwichtigend auf sie einredete. Sie verstand nicht was er sagte, denn die Menschen auf der Straße schrien und rannten wirr durcheinander. Sie stieg in ihren Wagen und fuhr schnell an, bloß weg aus der Stadt, weg von den Anzugsmenschen! Sie fuhr durch die Straßen und wurde immer gehetzter. Sie sah plötzlich eine große Gruppe Anzugsmänner vor einem Gerichtsgebäude stehen und entschied, daß sie ihr Leben jetzt sowieso nicht mehr retten konnte, also wollte sie noch so viele von den Teufelsanbetern mit ins Grab nehmen. Sie kam am Straßenrand zum stehen und steckte ein neues Magazin in ihre Waffe, von denen sie noch fünf besaß. Sie stieg aus, duckte sich hinter den Wagen und schoß systematisch in die Gruppe von zehn Männern. Sie erwischte neun tödlich und nur einer konnte fliehen, verletzt zwar, aber sicher versteckte er sich hinter einem Auto. Sarah stieg wieder in den Wagen und umfuhr die Wagen der Leute, die angehalten hatten, um zu helfen oder zu sehen, was da los war. Sie achtete nicht auf die Schreie der Passanten und fuhr mit Vollgas wieder zurück in die Stadt. Nach zehn Minuten waren zwei Streifenwagen mit Blaulicht und Sirene hinter ihr und sie konnte einen Blick auf einen Hubschrauber erhaschen, der in großer Höhe in ihrer 83
Richtung flog. Sie lud die Waffe erneut und schoß nun aus dem Fenster auf Anzugsmänner, die draußen vorbeigingen, als Schüsse in ihren Wagen von hinten eindrangen und die Rückscheibe zerstörten. Sie dachte noch, daß die Beamten das doch gar nicht durften, gefährdeten sie doch auch andere Menschen. Sie beschloß, sich irgendwo zu verbarrikadieren und fuhr zu diesem Zweck an die Tür eines Geschäfts heran und rannte schießend hinein. Die Verkäuferin schrie und zeterte, was sie denn wolle. Sarah sprang hinter ein Schaufenster und schoß von dort aus auf die Polizisten, die nun vor dem Geschäft standen. Sie feuerte das Magazin leer und lud nach, noch ein Streifenwagen traf ein und sie schoß auch auf die Neuankömmlinge. Sie schoß, bis eine Kugel sie an der Schulter traf, ihr die Waffe aus der Hand fiel und sie auf dem Boden aufschlug. Sie konnte keinen Widerstand leisten, als die Polizisten sie untersuchten und nach zehn Minuten der Krankenwagen eintraf und sie einlud. Sie wurde immer schwächer und verlor viel Blut. Im Krankenwagen dachte sie:“ Jetzt gehe ich in den Himmel ein. Gleich stehe ich Gott gegenüber und er wird mich belohnen für den Kampf, den ich für ihn geführt habe. Ich bin eine Märtyrerin...“ . Ihr Bewußtsein schwand und noch auf der Fahrt starb sie und mit ihr waren 14 Menschen gestorben. Metamorphose Kapitel 1: Ludwig Ludwig wurde vom Summton seines Radioweckers aus dem Schlaf gerissen und er brauchte etwas Zeit, um endlich aufzustehen. Er stieg aus dem Bett, zog sich an und hatte noch eine Stunde Zeit, bis er an seinem Arbeitsplatz erscheinen mußte. Er setzte sich vor seinen Fernseher und rauchte, dazwischen machte er sich einen Kaffee und frühstückte. Er hatte keine große Lust in die Arbeit zu gehen, war es doch Montag und das Wochenende ein einziger Exzess mit Alkohol und diversen Drogen gewesen. Es würden sowieso nur die ganzen Spießer auf ihn warten, ausgeschlafen würden sie ihm ein 'Guten Morgen' entgegenträllern und den Rest des Tages, so wie er, in irgendwelchen Akten verschwinden und auf den Computerbildschirm starren. Das war seine Arbeit, er war Steuerberater und sein Job langweilte ihn tödlich. Er war vielmehr der Typ, der an der frischen Luft arbeiten wollte und vielleicht mit Tieren zu tun haben wollte. Sein Hund Cujo kläffte und nieste zweimal. Cujo war ein kleiner Dackel und es war Zeit für seinen Ausgang. Ludwig öffnete die 84
Terassentür und die kalte Luft einer Frühlingsnacht wehte ihm ins Gesicht und machte ihn frösteln. Cujo rannt hinaus und machte ein Häufchen, begutachtete sein kleines Revier und kam zurück in die Wohnung gewackelt.'Du Glücklicher', dachte Ludwig,'hast keine Sorgen.'. Cujo, der selten etwas anderes tat, als zu schlafen und dabei manchmal vor sich hin zu furzen, sprang auf seine Hundedecke auf der Couch und legte seine Schnauze auf die Pfoten, um weiterzuschlafen. Ludwig beneidete ihn und wurde an seinen Arbeitstag erinnert. Er verließ das Haus, bestieg seinen Kombi und fuhr davon. Als er eine Viertelstunde später bei seiner Arbeit eintraf, wurde er von allen gegrüßt und vor allem zwei seiner Kolleginnen sagten betont 'Guten Morgen' , denn er hatte sie einige Male beglückt und sie machten sich wohl Hoffnungen auf mehr, doch Ludwig wahr überzeugter Junggeselle. Er hätte einige Frauen haben können, doch war nicht gerade scharf auf eine längere Beziehung, denn seine letzte war ein nervtötender Mix aus Streit, kurzzeitiger Trennungen und ständigen Versöhnungen gewesen. Er kam gut alleine klar und genoß seine Freiheit. Er meldete sich bei seinem Chef, der schon zwei neue Kunden für ihn hatte und das hieß für Ludwig einen verplanten Vormittag, obwohl er noch einiges zu erledigen hatte. Er kam in sein Büro, schloß die Tür und trank erst einmal einen Kaffe, rauchte eine Zigarette und schaltete seinen Lieblingssender im Radio an, er ließ sich nie hetzen, das war schlecht für die Gesundheit. Am Computer legte er die Dateien für die neuen Kunden an und erledigte alles Nötige schneller als gedacht. Er hatte noch zwanzig Minuten bis zu seiner Mittagspause und baute sich einen kleinen Joint, um ihn im Park zu rauchen, während er einen Hamburger verspeisen und den Bürotussis des Geschäftsviertels hinterherschauen würde. Eigentlich konnte er sich nicht beschweren, sein Leben war in Ordnung, bis auf die Tatsache, daß er bei Pflegeeltern groß geworden war, weshalb er nicht bei seinen richtigen Eltern aufgewachsen war, hatte man ihm damit erklärt, daß seine Mutter und sein Vater viel getrunken hätten. Er hatte nie ihre Namen erfahren, jedoch hatten sich seine Pflegeeltern alle Mühe gegeben, aus Ludwig etwas zu machen und er liebte sie, wie richtige Eltern. Er hatte auch noch einen 'Bruder', der wohl türkische Eltern gehabt hatte, aber ebenfalls keine Erinnerung an seine richtigen Eltern hatte und einen deutschen Namen hatte: Karl. Ludwig kannte ihn nicht anders, doch Karl paßte gar nicht auf den nun 28-Jährigen, der inzwischen türkisch gelernt hatte, aber sonst nicht in das Klischee paßte, er war ruhig und zurückhaltend, die Landsleute in seinem Alter waren eher der Typ 85
Angeber und Karl fühlte sich als Außenseiter unter ihnen, er betonte auch immer, daß er kein Türke sei, sondern Deutscher. Die beiden trafen sich einmal in der Woche und tranken etwas zusammen, spielten Billard oder erzählten sich von ihren Liebschaften. Sie waren gut befreundet, da ihr Schicksal ja ziemlich ähnlich war. Ludwig kehrte, etwas erheitert und mit leicht geröteten Augen, in sein Büro zurück und erledigte die anstehenden Anrufe zu seinen Kunden, die etwa vergessen hatten, einige Unterlagen zu schicken. Der Nachmittag ging etwas schleppend dahin und Ludwig konnte um 16.00 Uhr endlich wieder nach Hause zurückfahren und sich seinem richtigen Leben widmen, sein Hobby war Modedesign, er überließ seine Entwürfe kostenlos einem befreundeten Schneider, der ihm im Gegenzug billige Kleidung verschaffte. Außerdem hatte er vor, bald mit einer Ausbildung zum Werbedesigner anzufangen, das war garantiert aufregender als Zahlen, Wälzer über Steuerrecht und ähnliches Zeug. Ludwig kam an und wurde von seinem Cujo schwanzwedelnd an der Tür begrüßt. Ludwig richtete ihm sein Futter und betrat seine Terasse. Er dachte, daß es ein wunderschöner Tag war, die Sonne schien ihm warm ins Gesicht und der Winter war vorüber, in ihm regten sich Triebe, die er im Winter eher mit Essen befriedigt hatte, als ihnen nachzugehen. Er beschloß, daß der Tag viel zu schön war, um ihn am Zeichenbrett zu verbringen und im Dunst der Zigaretten neue Ideen auszubrüten. Er schnappte sich Cujo, der merkte, daß es hinausging zu den süßen Hundedamen und den anderen Kläffern aus der Nachbarschaft. Er sprang aufgeregt herum und sie gingen auf ihren Spaziergang. Ludwig legte seinem Cujo keine Leine an, er ging Streit mit anderen Hunden meistens aus dem Weg. Sie trafen auf ihrem Spaziergang durch den Vorort und seinen Grünflächen einige Hundebesitzer und wie üblich bellten sich die Hunde an, oder beschnüffelten sich freundschaftlich, spielten miteinander und rannten vergnügt herum. Doch eines an dem Spaziergang war seltsam. Es knurrten und bellten diesmal mehr Hunde Cujo an, als bei vorhergehenden Ausflügen. Das Seltsame war auch, daß die Hunde gar nicht so sehr an Cujo interessiert waren, sondern vielmehr an Ludwig. Ein Bullterrier mit Leine und Maulkorb rastete regelrecht aus, als sie Cujo und Ludwig erblickte. Er entriß die Leine den Händen seines Besitzers und sprintete auf die beiden zu. Er kam bis auf einige Meter heran und brachte ein wütendes Knurren und ein wegen des Maulkorbs gedämpftes Möchtegernbellen zu hören. Doch anstatt sich zu ängstigen, wie es Ludwig bei derart agressiv wirkenden Hunden immer tat, ging er einige Schritte auf ihn zu und trat ihm energisch 86
entgegen. Der Hund legte die Ohren an und kniff den Schwanz zwischen seine Beine ein, seine Zunge kam hinter dem Maulkorb zum Vorschein und er duckte sich unterwürfig zu Boden, kam winselnd näher und blickte Ludwig dabei nicht in die Augen. Der Besitzer kam heran und zeterte:“Haben sie meinen Hund geschlagen?! Was haben sie mit meinem Hund gemacht? Komm her, Kleiner, komm zu Herrchen.“. Der Bullterrier verzog sich hinter sein Herrchen und die Leine lag wieder in der Hand seines Besitzers. Der Mann blickte Ludwig beim Weggehen mißtrauisch an und ging schnellen Schrittes davon, so hatte sich sein Hund noch nie verhalten, ganz im Gegenteil. Ludwig dachte triumphierend, daß er seine Angst vor diesen Kampfmaschinen wohl erfolgreich besiegt hatte. Cujo trottete vor ihm her und benahm sich anders als sonst. Er hielt mehr Abstand von Ludwig, als sonst, und schaute ihn auch etwas aufmerksamer an. Doch Ludwig dachte sich nichts dabei, Cujo hatte wohl Respekt vor ihm seit der Aktion mit dem Bullterrier. Sie betraten die Wohnung und spätestens beim Fressen war Cujo wieder der Alte. Doch auch den restlichen Abend benahm sich Cujo merkwürdig, er legte sich nicht auf seine Decke, sondern auf den Boden, zu Ludwigs Füßen und er mußte sich herunterbeugen, um ihn zu streicheln. Cujo sah ihn, wie immer, treu dabei an und legte sich schließlich doch auf seinen Stammplatz. Ludwig aß vor seinem Fernseher zu abend und sah sich einen albernen Spielfilm an, während Cujo vor sich hindöste und nur ab und zu den Kopf hob, wenn er ein Geräusch draußen vernahm. Nach der Late-Night-Show begab Ludwig sich in sein Badezimmer, um sich zu duschen und sich die Zähne zu putzen. Er stellte sich unter das warme Wasser und die Ereignisse des Tages spielten sich nocheinmal in seinem Kopf ab. Er dachte an den fantastischen Hintern von Laura, einer seiner Kolleginnen und auch Gelegenheits-Bettgenossin. Vor allem aber ging ihm der Vorfall mit dem Bullterrier durch den Kopf, er fühlte immer noch ein Gefühl des Triumphes, das war eigentlich nicht seine Art, war doch bloß ein Hund, dachte er bei sich. Er trocknete sich ab und begab sich vor den Spiegelschrank, nahm seine Zahnbürste und erschrak beim Anblick seines Spiegelbildes:'Gott, habe ich einen Bartwuchs, das ist ja ein Dreitagebart! Ich habe mich doch heute morgen rasiert, oder?', er konnte sich nicht erinnern, aber es hatte ihn auch keiner auf sein ungepflegtes Aussehen angesprochen. Hatte er sich am Freitag morgen das letzte Mal rasiert? Außerdem schien sich sein Bart, so verrückt, wie er den Gedanken auch fand, mehr auf das Gesicht verteilt zu haben. Kleine, kaum sichtbare, schwarze Härchen waren bis fast unter die Augen und bis zum Ansatz der 87
Brusthaare zu sehen. So kannte er sich nicht, auch wenn er in den letzten Tagen beobachten konnte, daß er Haare an Stellen hatte, wo er sie ganz sicher noch nie gesehen hatte. Er beschaute sich den ganzen Körper und entdeckte, daß er offensichtlich am ganzen Körper dichter behaart war, als noch vor einiger Zeit. Er schüttelte den Kopf, und beschloß, zu einem Arzt zu gehen, vielleicht litt er unter irgendeiner hormonellen Störung, doch hatte er noch nie von derartigen Haarwuchsgeschichten gehört. Er legte sich zu Bett und stellte seinen Wecker. Unruhig schlief er ein und träumte von bellenden Hunden und von seiner Arbeit. Kapitel 2: Die neue Seite Ludwigs Der Wecker gab seinen nervigen Ton von sich, doch Ludwig war schon seit einigen Minuten wach und lag bloß da und sah in die Dämmerung hinaus. Er schaltete den Wecker aus und fügte sich in die Routine des Alltags. Er zog sich einen gebügelten Anzug an und betrachtete sein Antlitz im Schrankspiegel, sein Bart war in der Nacht gewachsen, das sah er deutlich. Er schüttelte den Kopf ungläubig und seine Männlichkeit, die ihm der Bart verlieh, gefiel ihm eigentlich ganz gut. Er ging ins Bad, putzte sich die Zähne und rasierte sich. Doch die Rasur dauerte um einiges länger als sonst, denn offensichtlich hatte sich sein Bart auf das ganze Gesicht ausgebreitet, wenn auch kaum sichtbar. Zwischen den Augenbrauen hatte er ebenfalls mehr Haare, ja sie waren regelrecht zusammengewachsen, das hatte er am Abend zuvor auch schon gesehen. Er rasierte sich also alle sichtbaren Haare bis zur Brust weg und erblickte sein gewohntes Äußeres. Er streichelte Cujo über den Kopf, der schon sehnsüchtig auf sein Futter wartete. Er holte sich danach einen Kaffee und bekam beim Anblick des fressenden Dackels auch Hunger. Er frühstückte, wie jeden Tag, vor dem Fernseher und sein Tageshoroskop verriet ihm eine überraschende Begegnung und eine neue Liebe. Er stellte sich auf einen angenehmen Arbeitstag ein, denn heute würde er zu Mittag mit Karl essen und er mußte Kunden persönlich besuchen, was ihm wesentlich besser gefiel, als der Büromuff. Er fuhr zur Arbeit und machte seine Kundenbesuche, als es endlich Zeit für sein Essen mit Karl war. Sie trafen sich beide, wie verabredet beim Italiener an der Ecke und redeten über ihre Pläne für das nächste Wochenende, als der Kellner kam, um die Bestellung aufzunehmen. „ Ja, bitte, was darf ich ihnen bringen, Signor Bäumler?“, fragte er. Karl antwortete:“ Ja, äh, für mich ein Weizen und äh, eine 88
Calzone, aber ohne Pilze, bitte.“. Ludwig gab seine Bestellung auf:“ Für mich bitte ein Steak, blutig, und Roastbeef als Vorspeise, leicht angebraten. Lassen sie das Gemüse bitte weg. Danke.“ Der Kellner lächelte schleimig und bedankte sich, ging in Richtung Küche und Ludwig und Karl redeten weiter. „ Seit wann ißt du denn Fleisch? Du bist doch Vegetarier! Was ist denn mit dir los, mir erzählst du, die Tiere täten dir leid und Massentierhaltung wäre Tierquälerei und so Sachen. 'Lassen sie das Gemüse weg'! Bist du bekehrt worden?“ , fragte Karl. „ Ja, mein Gott, mir hängt das ewige Grünzeug zum Hals raus. Ist nur eine Ausnahme. Aber wir sind ja eigentlich Allesfresser, wir Menschen.“ antwortete Ludwig. Sie redeten über eine Frau, die ihnen beim letzten Discobesuch am Wochenende den Kopf verdreht hatte und schließlich kam die Vorspeise Ludwigs. Das Roastbeef stand gerade auf dem Tisch, als er eine Gabel in das Fleisch steckte und Ludwig es sich, ohne zu schneiden, in den Mund stopfte. In weniger als einer Minute war die Portion in Ludwigs Magen verschwunden, der beim Essen schmatzte und mit offenem Mund kaute. Karl schaute sich peinlich berührt um, denn so waren sie nun wirklich nicht erzogen worden. Er wartete ab und fragte dann:“ Ähh, hast du schon mal was von einem Messer gehört? Du frißt wie ein Schwein, Mann. Nix gegen Schweine, aber die würden sich schämen, wenn eins von ihnen dich essen sehn w...“, er wurde von Ludwig unterbrochen:“ Pff, is` mir doch Wurscht. Ich esse, wie ich will, die Leute interessieren mich nicht. Ich sag`dir mal was: Ich habe keinen Bock mehr, mich zu benehmen. Ich bin fast dreißig Jahre alt und habe mich immer benommen. Keine Lust mehr. Ich möchte mein Leben ändern, und du wirst sehen, in zwei Jahren werde ich irgendwo als Werbegrafiker anfangen!“ Karl sah seine Pizza kommen und er begann schon, zu essen, als auch Ludwigs Steak ankam und dieser diesmal auch ein Messer benutzte, war doch das Steak etwas zu groß für seinen Mund. Doch die Stücke, die er aus dem Steak schnitt, waren so groß, daß er sie geradeso essen konnte und dieses Mal schaute ein Tischnachbar auf, als Ludwig laut schmatzte. Sie blickten sich kurz in die Augen und der Andere wich Ludwigs Blick aus, als dieser provozierend in seine Augen starrte und keine Anstalten machte, wegzusehen. Ludwig grinste und aß, vielmehr fraß sein Steak zu Ende. Karl und Ludwig verabredeten sich danach zu einem Bier nach Arbeitsschluß, was für den derzeit arbeitslosen Karl egal war. Er hatte immer Zeit. Ludwig erledigte seine restliche Arbeit und kam zur vereinbarten Kneipe, wo Karl schon wartete und ein Bier auf der Bande eines Billardtisches 89
stand, auf dem schon die Kugeln in Anordnung gebracht worden waren. Ludwig schnappte sich einen Queue und sie spielten. Wie immer gewann Karl und Ludwig spielte fahrig und unkonzentriert. Eigentlich hatte er keine Lust, zu spielen. Sie tranken noch ein Bier an der Theke und verabschiedeten sich. Ludwig fuhr nach Hause und wurde, wie immer, schon von einem ungeduldigen Dackel erwartet. Doch der benahm sich höchst ungewöhnlich, er bellte Ludwig an und knurrte aus einiger Entfernung abgewechselt von Sprüngen nach hinten, wo er immer wieder seine Drohstellung einnahm, bis Ludwig schließlich sprach:“ Was hast du denn, Cujo? Bist du krank? Ich bins bloß. Kein Einbrecher, den du mit deinem kläglichen Gekläffe auch eher zum Lachen brächtest!“ Er bückte sich und Cujo kam augenblicklich auf ihn zu, wedelte mit dem Schwanz und ließ sich streicheln. „ Heute kein Spaziergang, Kleiner, du mußt auf die Terasse, ich muß leider noch einige Grafiken fertigmachen, sorry.“ sagte er zu Cujo und öffnete die Terassentür. Der Dackel ging hinaus und Ludwig schaltete seinen Computer an. Er arbeitete bis spät in die Nacht, denn er stellte eine Bewerbungsmappe zusammen, die ihn zu einer Werbegrafikerausbildung bringen sollte. Er unterbrach seine Arbeit nur, um Cujo zu füttern und Kaffee zu kochen. Doch er konnte sich heute einfach nicht konzentrieren, als er Hunger bekam, bestellte er sich ein Fleischgericht bei einem Lieferservice und fütterte dann Cujo. Beim Zähneputzen betrachtete er wieder genau sein Spiegelbild und ihm fiel sein neuer Bartwuchs deutlich auf. Wieder sah es aus, als hätte er sich länger als zwei Tage nicht rasiert und er schüttelte den Kopf. Er beschloß, am nächsten Tag zum Arzt zu gehen, er hatte ja auch häufig Kopfschmerzen und konnte sich kaum konzentrieren. So geschah es am nächsten Tag und der Arzt sagte ihm, er sei wahrscheinlich überarbeitet, kein Grund zur Sorge. Er schrieb ihn zehn Tage krank und Ludwig brachte die Krankmeldung in der Arbeit vorbei und freute sich auf die freie Zeit, denn er konnte jetzt ausgiebige Spaziergänge machen und sich um seine Bewerbungsmappe kümmern. Außerdem kam ihm ein Urlaub sehr gelegen, er beschloß, nach Ende der zehn Tage seinen regulären Urlaub in Anspruch zu nehmen. Er würde etwas ans Meer fahren, nach Italien und vielleicht hatte Karl ja auch Lust, mitzukommen. Er kam daheim an und Cujo begrüßte ihn diesmal zwar weniger mißtrauisch, war jedoch ungewöhnlich zurückhaltend und mied Ludwig. Er ging mit ihm zum Tierarzt, der aber nichts feststellte und Ludwig ein Shampoo für Hunde andrehte. Ludwig verbrachte die zehn Tage damit, seine Mappe endlich fertigzustellen, doch er tat sich sehr 90
schwer, hatte er doch oft Kopfschmerzen und konnte sich nicht konzentrieren. Er ging viel spazieren und bemerkte die eigenartigen Reaktionen der Hunde, die ihm begegneten. Selbst wenn er alleine war, gingen sie ihm ängstlich aus dem Weg oder sie bellten ihn wütend an. Er konnte es sich nur damit erklären, daß er wohl nach Cujo roch. Karl konnte ihn nicht auf seiner Reise in die Toscana begleiten, da er schon etwas mit ihren gemeinsamen Pflegeeltern geplant hatte. Die machten sich etwas Sorgen um Ludwig, da dieser sich seltener meldete und seit zwei Wochen nicht zu Besuch gekommen war. Karl erzählte ihm davon und er schaute noch einmal bei ihnen vorbei, bevor er abfuhr. „ Ludwig, rasier dich doch mal, du siehst ja aus wie einer von der Straße! Junge, du hast ja abgenommen, du siehst nicht gesund aus. Komm erst mal `rein und iß mit uns.“, begrüßte ihn seine Pflegemutter. Sie aßen zusammen und Ludwig verschmähte den Broccoli, den seine Pflegemutter ihm hinstellte, und aß stattdessen den Braten, wie alle Familienmitglieder. Hier wurde der Wandel zum Fleischesser gut aufgenommen, denn seine Pflegeeltern waren der festen Überzeugung, daß es ungesund war, wenn man nur von Gemüse lebte. Ludwig verabschiedete sich von allen, wobei er geduldig die besorgten Worte seiner Mutter über sich ergehen ließ, die fand, daß er so wenig spräche und abwesend wirke. Ludwig beruhigte sie, er habe nur etwas Kopfschmerzen und das würde sich schon wieder geben. Ludwig startete und hatte vor, die Nacht auf der Hälfte der Strecke zu verbringen und irgendwo in der freien Natur sein Zelt aufzuschlagen, das war ganz seine Sache. Er genoß die Fahrt und Cujo saß die ganze Zeit in dem durch ein Gitter abgetrennten Hinterteil des Kombis und schaute fasziniert nach draußen, während die Umgebung am Wagen vorbeischoß. Sie waren schon in Italien angekommen, als sich Ludwig entschloß, von der Autobahn abzufahren und irgendwo sein Zelt aufzuschlagen. Er fand eine geeignete Stelle an einem kleinen Bach und kochte sich ein Feriggericht auf einem Gaskocher. Danach legte er sich, erschöpft von der Fahrt, in seinem Schlafsack schlafen und sah vorher noch liebevoll seinem Dackel zu, der sich auf seiner Hundedecke in einer Ecke des Zelts hingelegt hatte und schlief. Ludwig schlief ebenfalls ein und träumte, wobei er komische Laute von sich gab. „AHHH“, schrie Ludwig, als er aus dem Schlaf hochschreckte. Cujo wachte auf und bellte, ohrenbetäubend schrillten die Laute in Ludwigs Ohren. Er schrie Cujo an, doch der bellte weiter und biss Ludwig in den Arm, auf dem er sich vorgebeugt hatte. Der Dackel hatte sich festgebissen und instinktiv biss Ludwig dem kleinen Tier in die Kehle, aus der sofort 91
das Blut zu sprudeln begann. Der Biss an Ludwigs Arm lockerte sich und Cujo fiel auf den Plastikboden des Zeltes, wo er noch ein letztes Winseln von sich gab und sich schließlich nicht mehr regte. Ludwig blutete aus seiner Wunde am Arm, doch er nahm das nicht so richtig war. Seine Gedanken wirbelten durcheinander und er konnte nicht glauben, daß er seinen Hund getötet hatte. Gleichzeitg aber war er wie im Rausch, er blickte wild umher und stieß die Hundeleiche mit einer Hand an. Er wollte weg von hier, bloß weg. Er riß das Zelt aus seiner Verankerung am Boden und packte es, mitsamt des toten Hundes, in den Kofferraum seines Kombis, stieg ein und steckte den Schlüssel in das Zündschloß, doch der Wagen machte ein stotterndes Geräusch und verstummte schließlich. Er probierte es nocheinmal und wieder starb der Wagen ab. Er bemerkte nicht, daß er vergessen hatte, die Kupplung zu treten, denn es war der erste Gang geschaltet. Ludwig war verwirrt, er wußte nicht mehr, was er tun sollte, er hatte schlicht vergessen, wie man Auto fährt. Kapitel 3: Ludwigs neues Ich Er stieg aus dem Auto aus, schloß es ab und beschloß, in die nächste Ortschaft zu gehen und dort Hilfe zu holen. Er trat in den Kotflügel des Kombis und fluchte, doch wenn es jemand gehört hätte, hätte es für denjenigen geklungen wie das Knurren eines großen Hundes. Ludwig machte sich auf den Weg und traf 20 Minuten später in einem größeren Dorf ein. Von da an können wir Ludwigs Weg mit Augenzeugenberichten nachzeichnen: Eine Frau, die ihn am Ortseingang durch ihr Wohnzimmerfenster beobachtet hatte, beschrieb den Vorfall so:“Der Mann war sehr behaart und ich konnte Speichel auf seinem Bart erkennen. Er ging nicht wie ein Mensch, sondern gebückt und seine Arme berührten manchmal den Boden, wie ein Tier. Er schaute mich an, als er mich entdeckt hatte und er hatte einen wilden Blick dabei. Schrecklich, ich dachte, er hat vielleicht die Tollwut. Dann ging er weiter in den Ort hinein. Ich rief die Carabinieri an und das war`s.“ Ein Mann, der Ludwig, oder den, der er geworden war, auf der Straße traf, beschrieb seine Begegnung so: „Da kam dieser komische Kerl auf mich zu, er schlich mehr, als daß er ging, und er schnupperte in der Luft, sehr seltsam. Er kam genau auf mich zu und ich wechselte die Straßenseite, denn er war schon etwas unheimlich, behaart wie ein Affe und ein Blick wie ein hungriger Wolf. 92
Doch der Kerl wechselte ebenfalls die Straßenseite und kam weiter auf mich zu. Als ich an ihm vorbeigehen wollte, schaute ich ihn nicht direkt an, doch er roch seltsam und ich merkte, daß er sich nach mir umdrehte. Ich ging schnell weiter und habe den Typ nicht mehr gesehen. Ah, eins noch: Ich glaube, er hat mich leise angeknurrt, als er mir näher kam. Dann hat er einen kleinen Bogen um mich gemacht.“ Als Ludwig dann am Dorfplatz angekommen war trugen sich mehrere Dinge zu: Er bellte den Hund einer alten Dame an und als er in der Telefonzelle stand, konnte er das Telefon ncht mehr bedienen und aus seinem Mund kamen seltsame Mischlaute, die noch kaum erkennbare Worte enthielten. Ludwig bewegte sich ziellos auf dem Platz herum und als er ein Geschäft betreten wollte, um den Pannendienst zu informieren, kamen italienische Polizisten auf ihn zu und redeten auf ihn ein, mit der Hand an der Waffe. In Ludwigs Kopf ging es inzwischen wirr zu, er verstand die Worte der zwei Männer nicht, obwohl er eigentlich italienisch fließend sprach. Er knurrte die beiden Polizisten an und bellte laut. Daraufhin riefen die beiden Verstärkung und einen Gefangenentransport. Sie hielten ihn in Schach und Ludwig verstummte schließlich und seine unheimlichen Laute waren erst wieder zu vernehmen, als er an Armen und Beinen gefesselt, im Gefangenentransport auf den Weg in die Psychiatrie war. Dort konnte man nur Schwachsinn feststellen und er lebte von da an in einem Einzelzimmer, wurde aufgrund seines Haarwuchses jede Woche rasiert und lief auf Händen und Füßen durch das Zimmer. Eine Verständigung war kaum möglich und nur ein Pfleger konnte mit der Zeit ein Vertrauensverhältnis zu ihm aufbauen, er streichelte Ludwig über den Kopf, wenn er mit ihm im Zimmer war und behandelte ihn auch sonst wie einen Hund, was Ludwig zu gefallen schien. Er wurde in seine Heimatstadt verfrachtet und der ungewöhnliche Fall verdiente eine neue Diagnose, man nannte es die Retro Schwarzer, benannt nach einem Professor der Psychiatrie, der Ludwig untersuchte und diese Veränderung als eine Art geistige Rückentwicklung zum Kind mißdeutete, den ungewöhnlichen Haarwuchs am ganzen Körper konnte man nicht so recht erklären. Ludwig verstarb ein halbes Jahr nach seiner Verbringung in die Einzelhaft und in den Zeitungen wurde er der Wolfsmensch genannt. Da das Phänomen nicht endgültig geklärt werden konnte, kamen auch nur einige kleine Artikel in den Fachzeitschriften zum Vorschein und man beobachtete in der folgenden Zeit ähnliche Fälle, die sich so verhielten, wie bei Ludwig. Doch lernte man schnell und bemerkte die Ähnlichkeit mit Wölfen oder 93
Hunden und wurde dem Verhalten der Erkrankten damit gerecht, daß man ihnen mehr Zuwendung gab und sie wie Hunde behandelte. Die Krankheit wurde umbenannt und die wenigen Fälle, die nach Ludwig kamen, erhielten nur wenig Aufmerksamkeit und man nannte die Erkrankten im Volksmund 'Tiermenschen'. Weltenblitz Kapitel 1: Die Erde Kapitän Laura Smith nahm die Daten ihres neuen Schiffs, der `Discovery` in ihren Speicher auf. Sie hatte die Augen geschlossen und lernte mit ihrem optimierten Verstand sämtliche Funktionen der Bord- elektronik und ihrer Bedienung innerhalb von knapp drei Sekunden. Ihre neuronale Verbindung zu dem etwa daumengroßen Rechner mit Speicher und der Sende/Empfangseinheit funktionierte perfekt. Selbst ihre Nervenzellen waren so verändert worden, daß sie zehnmal so reaktionsfähig war wie nichtoptimierte Menschen, die selten geworden waren im Jahre 2243 nach dem gregorianischen Kalender, der für die ganze Welt galt. Sie war eine der frühen Menschen, die schon durch Genprognose als ungenügend diagnostiziert wurde und entsprechend manipuliert. Ihre Eltern hatten damals teuer bezahlt, um ein Wesen zu schaffen, das die besten bekannten Gene in sich trug. Sie war eine Mischung aus Teilen ihrer Eltern,einigen der effiktivsten Wissenschaftlern und Denkern dieser Zeit und weniger Künstler. Später stellte sich heraus, daß das unnötig gewesen war, das Gehirn konnte dann beliebig erweitert und verbessert werden. In ihren 128 Lebensjahren war sie ständig optimiert worden, sie war ein Demonstrationsobjekt des berühmten Professor Carlisle, der sich als erster selbst geklont hatte, um anschließend sein Bewußtsein und alles was ihn ausmachte, auf einen Computer zu kopieren, der dieses Bewußtsein dann auf seinen wesentlich jüngeren Klon übertragen hat und das erfolgreich. Mit Hilfe der genetischen Programmierung wurde diese Methode überflüssig, er hatte sie selbst überholt mit den sog.`Ewigen`, die er konstruiert hat und die theoretisch ewig leben konnten, Laura war eine `Ewige`. Sie wurde 17 Jahre nach dem ersten `Ewigen` gemacht worden und wuchs, genetisch so gut wie perfekt, im Leib ihrer Mutter auf und lebte unbehelligt bis zum 14ten Lebensjahr, da sich andere Methoden in früherem Lebensalter als unbefriedigend erwiesen. Von da an wurde sie ständig verbessert und ihre Gesundheit 94
kontrolliert, unheilbare Krankheiten geheilt und Organe ausgetauscht aus ihrem Ersatzlager, es gab große Organbanken, doch sie war eben etwas besonderes. Sie bekam den Computer implantiert, der ihr Gedächtnis mit einem Speicher der nicht weniger als das gesamte bis dahin erlangte Wissen der Menschheit behebergte und genug Platz, um noch einmal so viel zu speichern. Sie erneuerte ihren Wissensstand ständig und konnte jeden Beruf ergreifen, den sie wollte. Sie entschied sich im Alter von 35 für die Pilotentätigkeit und zeigte manch sterblichem und spezifischer optimiertem Mann, daß sie um Längen besser war in allem, was sie tat. Sie flog erst für einen großen Konzern und später dann für Geningenieure, die etwa auf dem Mars neue Pflanzen und Organismen testete. Der kolonialisierte Planet mußte oft mit neuen Erkentnissen weiterentwickelt werden und sie flog meist die gleichen Basen an. Sie bevorzugte es, selbst zu fliegen, anstatt den AMO fliegen zu lassen, ein Programm, daß perfekt navigierte. Die `Discovery`war nach einer frühen Raumfähre benannt und ein tolles Schiff, wie Laura fand. Sie kannte das Schiff nach der Datenübertragung so gut wie die Erbauer. Sie wurde natürlich nicht bezahlt für ihre Flüge, Geld gab es schon lange nicht mehr auf der Erde und ihren Kolonien auf dem Mars, dem Mond und den geeigneten Monden anderer Planteten. Sie bekam Urlaub und verbrachte mehr Zeit mit ihrer Freizeit, die eigentlich auch aus Arbeit für die Gemeinschaft bestand: Maschinen bauen, Assistenz für Prof.Carlisle und andere Wissenschaftler, Testflüge neuer Schiffstypen und Entwicklung neuer Techniken für die Raumfahrt. Der Antimaterieantrieb war vor 68 Jahren von ihr mitentwickelt worden. Die Erdregierung war sehr zufrieden mit ihr und sie besaß schon etliche Rechte an Planeten in anderen Sonnensystemen, die noch gar nicht besiedelt waren. Drei der vor 35 Jahren gestarteten Siedlerschiffe waren noch gar nicht an ihrem Bestimmungsort angekommen und man hatte keine Erfolgsnachricht von ihnen, die auch erst viele Jahre später ankommen.würden, nachdem sie gesendet wurden. Das vierte Schiff, die `Explorer from Earth 1` war erfolgreich und der Zielplanet wird effektiv besiedelt. Sie freute sich auf den Mars und seine tausende von Kuppeln und der guten Luft. Es war die beste Luft, die sie je geatmet hatte. Befriedigt nahm sie die Infos der Weltregierung für die letzten zehn Minuten auf und sprach mit einem längst verstorbenen Physiker, dessen Bewußtsein im Planetennetz herumgeisterte und mit ihr über den Mars philosophierte, er war herrlich erfrischend, wie ein kleines Kind freute er 95
sich über die Techniken, die das Leben dort möglich machten. Er konnte die Entwicklungen der Wissenschaft seit seines Todes nicht so recht hinnehmen, immer wieder sprach er von der guten, alten Zeit, als man noch stritt und ständig neue Theorien über das Wesen des Alls aufkamen. Viele Wissenschaften waren ausgestorben im Jahr 2243 und alle spezifischen Zweige hatten sich vereinigt, es gab aber auch neue Disziplinen wie die der Planetenerkundung und der Genperfektionsforschung. Die Religionen waren tot und die Menschen glaubten fast alle an die sog. `Universalseele` des Universums, ein größter gemeinsamer Nenner, der theoretisch bei allen Lebewesen im Universum existiert. Die Weltregierung war der `Earthcom`, eine Maschine, die die Geschicke der Menschen besser lenkte, als die Menschen es jemals taten, die Erdbevölkerung hatte sich auf etwa drei Milliarden Menschen reduziert und es gab keine Armut und nur `schlaue` Viren und Erreger konnten den Organismus noch befallen, wurden aber in kurzer Zeit besiegt, die Tiere dieser Welt lebten alle in Freiheit oder in Symbiose mit dem Menschen, wie Hunde, Katzen oder Ratten. Außerdem war das Klima der Erde so verträglich wie seit 350 Jahren nicht und einen Krieg hatte man seit 2078 nicht gehabt auf der Erde, als es den großen und opferreichen Krieg, im Volksmund `Roboterkrieg` auf dem asiatischen Kontinent gab, der knapp ein Jahr dauerte und bei dem 670 Millionen Menschen starben. Arbeit war kein Thema und fast jeder tat das, was ihn interessierte, interessierte einen nichts, wurde man optimiert und man hatte ein Interesse. Man konnte auch faulenzen, doch es war ein Ideal geworden, das menschliche Leben immer mehr zu verbessern und fast jeder tat sein Bestes. Natürlich gab es auch Abtrünnige, die die neue Ordnung nicht akzeptierten und als `Wilde` lebten in den Wäldern und den Territorien, die nicht besiedelt waren. Sie wurden in Ruhe gelassen und bekamen Hilfe, wenn sie diese brauchten, es gab die verrücktesten Gemeinschaften, die jedoch alle harmlos waren und nie einem anderen Menschen auch nur ein Haar krümmten. Die unabhängigsten Gemeinschaften der Erde waren bis dahin unentdeckte Völker in den Urwäldern der Welt. Wenige Eingeweihte waren informiert und ein System des `Earthcom` überwachte sie und der neue`Gott`schickte ihnen neue Heilpflanzen gegen ihre Krankheiten und im Falle einer langen Zeit ohne Jagderfolg auch einige Tiere. Sie bekamen nie auch nur einen Menschen außer den Angehörigen ihres Volkes zu Gesicht und lebten isoliert von den rasanten Entwicklungen, die die Erde machte. Laura Smith checkte die Earthcominfos und der Status war als produktiv 96
eingestuft für die letzten zehn Minuten. Sie warf noch einen Blick auf ihr Schiff, das als Hologramm im Raum drehte und war begeistert. Das Schff war ästhetisch das Beste, was sie kannte, ein Traum. Sie klinkte sich aus den Systemen aus und legte sich schlafen, acht Stunden später war sie wach und eine Stunde danach saß sie in ihrem Schiff und ihre Sende/Empfangseinheit war ans Schiff gekoppelt. Die Wissenschaftler und Privatpersonen, die im rückwärtigen Teil des Schiffs saßen, unterhielten sich entspannt und ein Hologramm begleitete sie auf den Flug vor. Sie schaute hinter sich und erkannte Dr. Waldheim, einen Freund aus Europa. Sie begrüßte alle Anwesenden höflich und setzte sich wieder. Das Schiff hob lautlos ab, verließ die Atmosphäre und befand sich auf dem Weg zum Mars. Die Wissenschaftler erledigten während des zweiwöchigen Fluges ihre mitgebrachten Aufgaben und schliefen viel. Laura benötigte keinen Schlaf, es gab ein Täuschungsprogramm in ihrem BRAINCOMComputer, das dem Hirn Schlaf vortäuschte, sie schlief nur des Vergnügens der Träume wegen, wenn sie das wollte. Die zwei Wochen waren vorbei und sie näherten sich dem Mars im NOCON-Modus, der zweitlangsamsten Geschwindigkeit. Sie waren schon recht nahe und Laura kommunizierte mit der Zielbasis. Zum Vergnügen der Mitreisenden holte sie Ansichten des besiedelten Mars über die Mars-Satcom, einem Satellitenverbund rund um den Mars, auf den Schirm und die Passagiere ließen ein „Ohh“ und ein „Ahh“ ertönen. Sie waren immer wieder begeistert vom Mars und seinen Kuppeln, den Basen und den riesigen Terraformingmaschinen, die langsam, aber sicher eine Atmosphäre aufbauten, die Idee dazu war schon über 260 Jahre alt. Das Schiff flog an die Basis heran und Laura navigierte im langsamsten Modus auf sie zu. Die Basis gab Landeerlaubnis und die Schleuse öffnete sich. Laura flog vorsichtig heran, schaltete auf Präzisionssysteme um und landete weich im Bauch der großen Schleuse. Die Schleuße schloß sich wieder und auf dem Schirm erschien ein freundliches Frauengesicht, daß sie herzlich willkommen hieß und alles Notwendige für den Marsbesuch erklärte. Sie schaltete ab, da alle Insassen mit dem Procedere vertraut waren und ließ sich von den Magnetleitstrahlen in die Haltebucht der großen Schiffshalle transportieren. Dort herrschte ausgewogene Atmosphäre und sie verließen das Schiff. Laura beschloß, sich später die riesenhaften Canyonlandschaften des Mars anzusehen, natürlich von ihrem Schiff aus, nicht über Satcom. Die Passagiere gingen ihre Wege und erfüllten ihre Aufgaben, die sie auf 97
allen Teilen des Mars forderte. Sie reisten auf dem Mars meist mit der Marstrans, einem Tunnelsystem, das den ganzen Mars überzog und die 450 Millionen Bewohner miteinander verband. Kapitel 2: Der Mars Laura spazierte durch die Atmosphärenkuppel des Abschnitts Alpha des B12-Komplexes. Sie marschierte durch dichten Pflanzenbestand und an Wohnhäusern vorbei. Die Kuppel war so hoch, daß sie nur eben so die Streben zwischen dem bruchfesten Glas zu erkennen waren. Ein 1 ½ Kilometeorit konnte das Werk nicht durchschlagen, sollte doch bei einer Kuppel der Marskolonie etwas durchkommen, wurde die entsprechende Kuppel durch Schleußentore verschlossen, wobei man zum Schutz des Abschnitts keine Rücksicht auf die Personen nehmen konnte, die sich in der betroffenen Kuppel aufhielten. Das kam seit Gründung der Kolonie nur zweimal vor und der Mars war kurz nach dem Wiederaufkommen der bemannten Raumfahrt besiedelt worden. Also sicher, dachte Laura beim betrachten der verletzlich wirkenden Konstruktion und beim Gedanken an die lebensfeindliche Atmosphäre außerhalb. Sie richtete ihren Blick gerade rechtzeitig wieder auf die Straße, um einen Marsianer nicht anzurempeln, der blickte auf und war das etwas offensive Auftreten der Erdbewohner nicht gewohnt, kniff die Augen zusammen und streckte die Hände abwehrend vor sich, um den möglichen Zusammenstoß zu vermeiden. `Mein Gott, diese Memmen`, dachte Laura. Die Marsianer waren irgendwie anders als die Erdbewohner, sie waren sehr gelassen und sensibel, woher das kam, wußte sie nicht. Sie zogen sich auch etwas exzentrisch an. Sie waren in schrillen Farbtönen gekleidet und hoben sich immer stark vom rötlichen Schimmer des Mars, der alles durchwirkte, ab. Außerdem waren die hier geborenen Marsianer ein Volk von Geheimnistuern und Eigenbrötlern, die Erde war für sie ein fehlgeleitetes Experiment. Sie jedoch würden die erste perfekt funktioniernde Welt erschaffen, ein warmes Paradies im Herzen des kalten Alls. Und das gelang, soweit ganz gut, eine Atmosphäre war im Begriff zu entstehen, Leben war jedoch erst in frühestens zweihundert Jahren möglich, außerhalb der Kuppeln. Der Mars hatte das Glück, daß die Menschen die Zusammenhänge in der Natur fast gänzlich verstanden hatten und so die Schöpfer einer neuen Welt waren. Laura grüßte mehrere Gruppen von schlendernden Marsianergrüppchen 98
und genoß die ersehnte Luft, die hauptsächlich durch manipuliertes, pflanzliches Plankton besonders kohlendioxidhungrige Pflanzen erzeugt wurde und die überall standen. Zwischen den Bäumen und Pflanzen sprangen Tiere herum, Hasen und andere Kleintiere. Es war wie aus einem Bilderspiel für Kinder, alles klar und übersichtlich, doch die Technik und der komplizierte Aufbau der Kolonie wurde nur den Technikern bewußt. Laura hatte vor, später einmal für immer hier zu leben und sie hatte auch schon ein Haus auf der anderen Seite des Planeten. Dort würde sie die Woche verbringen, die sie jetzt frei hatte, bis zum nächsten Transfer zur Erde vom B12-Komplex. Sie ging zurück zu ihrem Schiff und besichtigte die Canyonlandschaft mit gewagten Tiefflügen. Danach flog sie zum F4-Komplex und besuchte dort einige Bekannte. Sie saßen bei einigen uralten Tierdokumentationen, die vor allem unter Wissenschaftlern sehr viel Heiterkeit hervorriefen, da bis zu 90% der Kommentare schlicht falsch waren und die Sicherheit der Sprecher war Realsatire pur. Sie genossen noch einige Spielfilme aus den Anfängen des 21ten Jahrhunderts, als Laura eine seltsame Meldung über die Erde bekam von `Earthcom` über ihren BRAINCOM-Computer. Die Nachricht wurde von der `Discovery` gesandt, es war ewig her, daß die Nachricht aktuell war. Sie war vor einer Woche aufgegeben worden. Sie verstand nicht, wieso die `Discovery die Nachricht nicht während des Fluges angezeigt hatte. Die Nachricht lautete: `Earthcom-Bericht für die letzten zwei Stunden, CODE BETA-342-866. Die Rebellen in Südamerika haben sich die LIFECHECK- Einheiten herausoperiert und vernichtet. Sie wurden vom Earth-Satcom visuell geortet und sie formierten sich strategisch an Verwaltungsstellen der Regionen. Sie entwaffneten die Priortät 1-Truppen und haben die Regionen unter Kontrolle. Earthcomdefense hat die betroffenenen Regionen befriedet und die Rebellen in Gefrierschlaf versetzt, um sie später ideologisch neu zu polen und ihren Verstand zu optimieren. Earthcomsafety hat dem Verfahren zugestimmt. Der Status ist unbefriedigend. Die Prognose ist sehr gut. Earthcomnewsservice, New York` Laura war beruhigt, alles war in Ordnung. Sie checkte die Eartcomberichte der letzten zehn Minuten und die Earth-Satcominfos. Der Status war gut und die Bilder ihrer Heimatstadt waren so normal anzuschauen wie immer. Sie entspannte sich und wandte sich wieder ihren Bekannten zu, man 99
tauschte sich aus und einige Stunden später verschwand sie in ihre Behausung. Sie konnte einfach nicht glauben, daß es noch unzufriedene Menschen auf der Erde gab, und daß es ihnen an irgendetwas mangeln konnte. Sie schaltetete BRAINCOM aus, legte sich schlafen und träumte vom Mars und seinen Landschaften. Sie wanderte in ihrem Traum durch die Straßen einer neuen Welt und atmete, außerhalb der Kuppeln, reine Luft und sah die Wunder des Mars. Sie schlief geschlagene elf Stunden und wachte auf, voller Energie und Tatendrang auf. BRAINCOM wurde aktiviert und sie checkte nocheinmal die Earthcom-Neuigkeiten, aus Sorge. Der Status wahr sehr produktiv in den letzten zehn Minuten. Sie genoß ihren Aufenthalt auf dem Mars und half, wo sie konnte. Die Zeit ging schnell vorbei und sie flog zur Mars-Hauptbasis bei New Berlin, der Hauptstadt des Mars, landete und begrüßte die wartenden Passagiere. Einige waren sehr aufgebracht, da sie schon tagelang auf einen Flug warteten und ständig Absagen von den Piloten kamen, das Schiff werde gewartet, es gäbe Probleme mit der Flightcontrol des Mars und ähnliches. Die Passagiere waren erleichtert und sie betraten die Passagierabteilung der `Discovery`. Captain Laura Smith checkte die Schiffssysteme und klinkte sich in diese mit BRAINCOM ein. Die Passagiere hatten wieder ein Hologramm vor sich, das ihnen abschließend einen guten Flug wünschte und verschwand. Laura kommunizierte mit der Basiskontrolle und ließ sich vom Magnetleitstrahl in die Richtung der Abflughalle transportieren. Sie waren auf halbem Weg, als die Absage von der Basiskontrolle kam: `Der Abflug verzögert sich auf unbestimmte Zeit. Eine Starterlaubnis kann nicht gegeben werden. Die Erde ist aus noch unbekannten Gründen nicht freigegeben für Landungen jeglicher Art. Die Anordnung für eine Starterlaubnis wird Ihnen von Marscom bekanntgegeben. Wir danken für Ihr Verständnis. Basiskontrolle D2-Komplex.` Das Schiff wurde in seine Haltebucht transportiert und Laura klinkte sich aus den Systemen und klärte die Passagiere auf, worauf einige wütend wurden und einer herumschrie, bis die anderen ihn beschwichtigten. Sie beschlossen, zusammen im Quartier der Basiskontrolle zu übernachten und dort die Starterlaubnis abzuwarten. Laura wunderte sich als einzige über die Meldung der Basiskontrolle und wollte wissen, was auf der Erde nicht stimmte. Sie kommunizierte mit Earthcom und erhielt folgende Nachricht: 100
`Earthcom-Bericht für die letzten 43 Stunden. CODE DELTA-342-989. Es gab großflächig Unruhen in Südamerika. Die Netcontrol konnte die Verbreitung der Ideologien der Unruhestifter nicht verhindern. Es gab Aufstände in Europa, China, Nordamerika und Australien und kleinere Unruhen in allen Teilen der Erde.. Systematisch wurden Verwaltungsstellen besetzt und es kamen Truppenmitglieder der Prioritäten 1, 2, und 3 zu Tode. Earthcomdefense entschloß sich zur Aktivierung der Notstandssysteme und die Truppen in Aktion zu berufen und Defensecontrol wurde aktiviert. Der Kampf mit allen zur Verfügung stehenden Robotern dauert zur Zeit an. Der Status ist untragbar. Die Prognose ist unbefriedigend. Weitere Informationen sind nur für die Code1-Truppenangehörige abzurufen.` Laura war erschüttert. Krieg! Auf der Erde war der erste Krieg seit fast zweihundert Jahren ohne ernste Auseinandersetzungen ausgebrochen. Laura konnte es nicht glauben, sie hat nie einen Krieg erlebt und das würde ihr erster Einsatz sein, denn sie war Code-1-Captain der Verteidigung. Sie rief die entsprechende Information ab, die im Earthcombericht genannt war: `Defensecontrol Code-1-Nachricht für Truppenangehörige. Alle Truppenangehörige in den Kolonien haben hiermit die Option, auf die Erde zurückzukehren und den Frieden wieder herbeizuführen. Wir wünschen Ihnen Glück. Anweisungen erhalten Sie bei Ihrer Erfassung durch Earth-Satcom.` Kapitel 3: Der Krieg Laura rannte zur `Discovery` und ließ sich nach Nennung ihres militärischen Sicherheitscodes in die Abflughalle transportieren. Der Start wurde freigegeben und sie flog mit HIGHCON, der höchstmöglichen Geschwindigkeit, in Richtung Erde. Während des Fluges schaltete sie auf ständige Statuskontrolle von Earthcomdefense und erfuhr alles, mit kurzer Verzögerung, was passierte auf der Erde. Sie erfuhr von den Kämpfen im ehemaligen Deutschland, wo die Situation derzeit hoffnungslos war. Truppenteile hatten sich den Rebellen angeschlossen und das nicht nur dort. Sie alle kämpften miteinander gegen die Friedenstruppen. Laura konnte nicht glauben, was sie da erfuhr. Von Truppenangehörigen war offensichtlich ein Großteil der Kriegsroboter außer Kraft gesetzt worden. Eine Verschwörung! Ständig erfuhr sie über die Veränderungen in der folgenden Woche, die 101
schrecklich waren. Sie konnte den Tod nicht als natürlich betrachten, sie war ja schließlich eine`Ewige`, und Tote gab es viele, bis zum Ende der ersten Woche ihres Fluges waren es etwa drei Millionen Menschen. Ihre Heimatstadt war größtenteils noch intakt. Sie flog noch einige Tage und bekam dann die Nachricht von der Defensecontrol, daß es keine andere Möglichkeit gäbe, als die Ultimate Global Defense Strategy anzuwenden, die letzte Alternative bei großflächigen Konflikten. Das bedeutete, das von der Earth-Satcomdefense alle Gebiete mit hoher Rebellenaktivität ausradiert wurden und schließlich Eathcom sich selbst zerstören würde, als Konsequenz aus dem Kriegsausbruch, das war von den Erbauern so vorgesehen. Sämtliche Mitglieder im Plenum der Bewußtseinseinheit von Earthcom würden `sterben` und alle Menschen, die nach direkter Anordnung von Earthcom verstandsoptimiert worden sind. Das war eine Katastrophe, dachte Laura und wollte schnell bei der Erde ankommen, um das schlimmste Szenario noch zu verhindern. Earthcomdefense rechnete mit dem Tod von etwa neunzig Prozent der Erdbevölkerung, das war noch die beste Prognose. Sie war noch zwei Tage von der Erde entfernt, als Eartcom folgende Nachricht an alle Empfänger sandte: `Earthcom-Bericht der letzten Kriegsphase und Prognose für die nächsten zwei Stunden. CODE X-001-001. Die Situation auf der Erde ist vollkommen außer Kontrolle. Die Ultimate Global Defense Strategy hatte keinen Erfolg, die Aufstände waren nicht mehr einzudämmen. Defensecontrol hat die Vernichtung aller Beteiligter beschlossen, inklusive der Truppen. Die Sicherheitskontrollen von Earthcom haben diesem Verfahren zugestimmt, ebenso die letzte Konferenz der Bewußtseinseinheit. Halten sie sich von der Erde fern, wir können Ihre Sicherheit nicht garantieren. Der Wiederbesiedlungsplan für die entvölkerte Erde ist schon beschlossen und wurde an die Kolonien gesandt. Die wichtigsten Mitglieder der Erneuerung wurden evakuiert und befinden sich auf dem Weg zum Mars. Defensecontrol wird ihren Beschluß innerhalb der nächsten Stunde ausführen. Earthcom wird noch einen letzten Bericht senden nach Abschluß der Vernichtungsphase und wird eine letzte Prognose stellen. Earthcom gesteht hiermit sein totales Versagen und wird die Daten aller Ereignisse und den Forderungen der Rebellen im letzten Bericht mitsenden, um entsprechende Fehler in den Kolonien zukünftig zu vermeiden. Alle Mitglieder entschuldigen sich hiermit und Earthcom wird sich nach dem letzten Bericht vernichten und alle Untersysteme unwiederbringlich 102
zerstören. Viel Glück und Frieden für die Zukunft. Earthcomnewsservice, New York.` Laura verlangsamte den Flug und stoppte schließlich. Sie schwebte im All und weinte. Sie weinte über die Toten, ihre Freunde, ihre Verwandten und sie weinte drei Stunden lang, bis der letzte Bericht von Earthcom bei ihr eintraf: `Letzter Earthcombericht und Bericht über die Zusammenhänge. CODE X-001-001. 99,7 Prozent der menschlichen Bewohner sind vernichtet. Earthcom hat diesen letzten Bericht bei Satcom vor fünf Minuten hinterlassen. Earthcom wird innerhalb der nächsten Stunde vernichtet sein, inklusive aller untergebenen Systeme. Die Einrichtungen auf der Erde sind zu 89,4 Prozent intakt. Der Planet ist innerhalb einer Woche bewohnbar. Die unabhängigen Völker sind alle vorhanden. Satcom wird die Säuberungseinheiten anleiten, um die Leichen zu beseitigen und alle zerstörten lebensdienlichen Systeme reparieren und erneuern. Bericht über die Zusammenhänge: Trotz des sorgenlosen Lebens weigerten sich südamerikanische Rebellenverbünde, die ständige Überwachung zu billigen. Sie widersetzten sich allen Optimierungen und wollten unabhängig sein. Die Rebellen hatten eine Zahl von über 67 Millionen Menschen. Nach den ersten Versuchen, diese Bewegung niederzuschlagen, ging kurzzeitig alles gut, bis ihre Ideologien in aller Welt Zustimmung fanden und der nächste Versuch, die Bewegung in der Welt auszurotten fehlschlug. Der Krieg war unvermeidlich. Der Fehler von Earthcom war die fehlende Einbindung der Bewegung in den Lauf der Welt. Die Einwände hätten akzeptiert werden müssen. Earthcom hat falsch gehandelt und den ersten, ernsten Konflikt seit der EarthcomInbetriebnahme falsch gehandhabt. Die Bewußtseinseinheit gesteht schwere Fehler in der Bewertung der Sachlage. Die Systeme müssen überdacht werden. Abschluß des Berichts, alle Daten sind in ihrem Nachrichtenspeicher, inklusive der Todesursache ihrer Verwandten und der Aufgaben für die baldige Wiederbesiedlung der Erde. Bitte verzeihen sie uns. Der Status ist negativ im dritten Grad. Die Prognose für die nächsten dreihundert Jahre ist sehr gut. Earthcom verabschiedet sich bei allen Menschen. Earthcomnewsservice, New York.` Laura machte sich auf den Rückflug zum Mars und weinte viel. Milliarden Menschen sind tot und sie war nun fast allein. 103
Auf dem Mars empfing man sie mit Beileidsbekundungen und Marscom wurde gründlich überdacht und verbessert. Nach 80 Jahren war die Erde wieder angemessen bevölkert mit 1,2 Milliarden Menschen und ihr Status war produktiv, die Einsicht war gewonnen, daß Frieden eine Utopie war.
GESCHICHTEN VON
MERIAN WEIT WEG UND DOCH NICHT FERN FANTASY UND MÄRCHENARTIGES, EINIGES IST 104
KINDGERECHT, DOCH ENTSCHEIDEN SIE . VIEL VERGNÜGEN DABEI UND WARTEN SIE AUF DIE ILLUSTRIERTE GESAMTAUSGABE, DIE BALD FOLGT , MIT NOCH VIEL MEHR GESCHICHTEN. Der Traumpfad Stellt Euch vor, Ihr seid in einem Wald auf einer Welt, die noch kein Mensch gesehen hat. Es ist ein tiefer, dunkler und geheimnisvoller Ort mit Wesen darin, die Ihr in keinem Naturkundebuch finden werdet und Pflanzen, die Eure Sinne verzaubern würden. Mann nennt diese Welt Merian. Es geschah nun eines morgens, daß ein Zwerg, der in einem hohlen Baumstumpf friedlich schlummerte, vom aufgeregten Gezwitscher und Gerufe eines kleinen Schnarks aufgeweckt wurde, der sich anscheinend sehr wichtig nahm und mit lauten Flügelschlägen vor dem Baumstumpf auf und ab flog. Der Zwerg erwachte und blinzelte den Störenfried müde an:“ Was ist denn los mit dir? Warum bist du so unruhig? Was für ein Gorgol reitet dich, daß du mich weckst, bevor die Sonne aufgeht?“ „SCHNARK, SCHNARK, weit bin ich geflogen, SCHNARK, SCHNARK, und du weißt, es wird schon wieder kalt, SCHNARK. Ich komme von den Bergen der Talhiar, habe die sandigen Ebenen von Sarkon überquert und bin über der Steppe von Kalhom geflogen, nur um Dich zu finden. Schnark. Ich habe eine äußerst wichtige Nachricht für Dich. Sehr, sehr wichtig. Schnark. Auf dem Weg hierher habe ich eine Cousine von mir getroffen, und wir hatten viel zu schnarken. Du mußt wissen, sie ist eine schnarkfreudige Cousine. Schnark. Wir haben uns die Federn gepflegt und sie hatte mir viel von der Familie zu erzählen...“ „So, jetzt halte aber mal ein, das ist doch nicht die Nachricht für mich.“ „SCHNARK, SCHNARK“, tönte der Kleine beleidigt. “Schnark. Welche Nachricht?“ „Du sagtest doch eben, daß du eine enorm wichtige Nachricht für mich hättest, sei doch nicht sauer, ich weiß ja, wie gerne ihr schnarkt.“ „Schnark. Also gut. Ich sehe schon. Die Nachricht lautet..., sie lautet..., 105
SCHNARK.“ „Du bist so weit geflogen, um sie zu vergessen?“ „Schnark.“ Jetzt war er endgültig beleidigt. „Also gut. Komm doch herein und erzähl mir ganz in Ruhe, was du noch weißt.“ „Schnark.“ klang es, schon wieder etwas beruhigt. „Ach komm schon.“ „SCHNARK, es fällt mir wieder ein. Ein Talhiar-Zauberer schickt mich, dich zu finden und dir auszurichten, daß du dich auf den Weg in die Berge machen sollst. Er scheint etwas mit dir vorzuhaben, wollte mir aber nicht sagen, was. Schnark. Du sollst gleich losgehen. Schnark, sobald ich dir die Nachricht überbracht habe. Hast du eine Nachricht für mich?“ Der Zwerg wußte nicht, was er dem Zauberer ausrichten konnte. Er war ganz verdutzt, daß ausgerechnet er so eine Nachricht erhält und glaubte schon, der Schnark wolle ihn auf den Arm nehmen. Denn, müßt Ihr wissen, Schnarks kriegen Langeweile vom ständigen Nachrichten überbringen und legen die Leute deshalb manchmal rein. „Ach noch was“, sagte der Schnark, „du sollst deinen Träumen folgen. Schnark.“ Da wußte der Zwerg, er mußte sich auf den Weg machen, denn er hatte in letzter Zeit seltsame und mächtige Träume gehabt, in denen er vor immer neuen Rätseln stand, die er nicht lösen konnte, und sie beschäftigten ihn auch am Tag. Er sagte zu dem Schnark: “Richte dem Zauberer aus, daß ich komme. Und verschnarke dich nicht wieder auf dem Weg.“ „SCHNARK, SCHNARK, SCHNARK“ rief der Schnark, „ Ich verschnarke mich nie!“ und flog davon. Der Zwerg packte zusammen, was er für die lange Reise brauchte; seine Tasche mit Proviant, seinem Kräutertrank, der ihn träumen machte, und seinem schlauen Buch, in dem Antworten auf alle Fragen stehen sollen. Er drehte sich noch einmal um zu seinem Baumstumpf , und schaute seine Freunde an, die alle gekommen waren, weil sie das laute Geschnatter des Schnarks gehört haben. Sie plapperten wild durcheinander, runzelten die Stirn und waren sehr aufgewühlt darüber, daß ihr Zwerg sie für so lange Zeit verlassen wollte und sie auf seine Besuche verzichten mußten, denn Ihr müßt wissen, der Zwerg war dafür bekannt, daß er mit seiner Heilkunst schon so manchem Gnoffer das Fell gerettet hat und er hat selbst den schlimmsten Erkeln seine Hilfe angeboten. Sie alle waren nun versammelt und wußten nicht so recht, ob sie ihm 106
Glück wünschen sollten, oder darüber traurig waren, daß er gehen mußte. Er lächelte sie an, und sagte: „Ich komme bald wieder. Ich werde so schnell wiederkommen, wie ich meine Aufgabe erfüllt habe. Seid nicht traurig.“ Mit den Gedanken an alle seine Freunde ging er los in den düsteren Wald hinein. Da er nicht wußte, welche Richtung er einschlagen sollte, schlug er sein allwissendes Buch auf, daß ihm zeigte, daß die Berge in Richtung der aufgehenden Sonne liegen. Er schaute hinauf und ging los. Plötzlich hörte er ein helles Quietschen neben sich, schaute hinab und entdeckte einen fröhlichen, jungen Gnoffer, der ihn treu anblickte aus seinen winzigen schwarzen Augen und ihn anscheinend begleiten wollte. „Also gut, du darfst mich begleiten, etwas Gesellschaft könnte ich schon brauchen.“ Der Gnoffer schaute zufrieden und wedelte mit seinem Schwanz, stieß ein kurzes „Waff“ aus und trottete voran. Die zwei gingen den halben Tag schweigend nebeneinander her, als der Gnoffer plötzlich lautstark gähnte und sich wie selbstverständlich ins weiche Moos legte und sofort wegschlummerte. Der Zwerg dachte sich `Ich würde ja gerne noch laufen, um voranzukommen, aber ich soll ja meinen Träumen folgen` und legte sich neben den Gnoffer, nahm einen Schluck von seinem Traumtrunk und döste weg. Langsam fing er an, zu träumen. Er schaute sich um, und fand sich im selben, dichten Wald wieder, in dem er sich hingelegt hatte. Ein angenehmer, purpurner Lichtschein lag über allem und durchdrang jede Pflanze und jeden Stein in seiner Umgebung. Als er sich noch so umschaut, hört er auf einmal eine tiefe, dröhnende Stimme hinter sich, dreht sich um und erblickt einen dicken, häßlichen und alten Baum mit einem traurigen Gesicht, großen Augen und einer Unmenge Falten. `Der muß aber alt sein` denkt der Zwerg. „Wie alt bist du, Baum?“ Der Baum sagte:“ Oh, ich bin schon uralt. Ich stehe hier seit mehr als tausend Jahren. Und wer bist du? Bist du ein Gelehrter aus Talhiar? Dann könntest du mir vielleicht eine Frage beantworten, die mich schon lange quält.“ Der Zwerg antwortete: „ Ich weiß nicht, ob ich dir alle Fragen beantworten kann, aber ich werde es versuchen. Ich bin aber kein Gelehrter. Du mußt mit einem ungebildeten Zwerg vorlieb nehmen.“ „Das macht mir nichts. Seit ewiger Zeit wollte niemand mehr mit mir reden. Nur wenige können meine Stimme hören und alle, die mit mir 107
geredet haben, mußten merken, daß ich nur traurige Dinge zu erzählen habe. Sie sind dann einfach gegangen. Kannst du mir sagen, weshalb niemand mir zuhören will?“ Der Zwerg grübelte und schlug dann sein schlaues Buch auf. Da stand bei dem Stichwort Pflanzen: Brauchen die Sonne und Wasser. Wachsen gegen das Licht. Einige sind nahrhaft, andere giftig... So ging das seitenweise und der Zwerg fürchtete schon, keine Antwort zu finden, als er, ganz ohne das schlaue Buch, wußte, wie er dem Baum helfen konnte. „Das ist schwer, aber ich glaube, ich weiß die Antwort. Du mußt wissen, daß die Glücklichen und die Unglücklichen gleichermaßen nicht gerne daran erinnert werden, daß sie in ihrem Herzen so einsam sind wie du. Der Unglückliche hat die ewige Hoffnung, wieder glücklich zu werden und der Glückliche hält so eisern an seinem Glück fest, daß er es erdrückt. Sie sind beide nicht zufrieden, und du zeigst ihnen nur, was du beobachtest und was dir die Jahreszeiten gelehrt haben, sie wollen das nicht sehen und gehen lieber schnell weiter. Du machst ihnen Angst. Hast du denn schon einmal mit den Bäumen um dich herum gesprochen?“ „Nein. Ich dachte immer, sie könnten nicht sprechen.“ „Du wirst sehen, daß sie von deiner Art sind und ihr werdet euch mögen, denn auch sie haben die selben traurigen Dinge sehen müssen, wie du.“ „Du hast bestimmt recht. Auf diese Idee bin ich noch nie gekommen. Ich habe sie angesehen und geglaubt, sie wären zu verschlossen, um sich zu unterhalten.“ „Ich bin sicher, daß sie dasselbe von dir gedacht haben.“ , antwortete der Zwerg und beobachtete den Baum, der die Freude über seine Erlösung nicht zurückhalten konnte und von einer Astgabel bis zur anderen grinste. Auf einmal war der alte Baum gar nicht mehr häßlich und man hätte meinen können, er wäre erst 200 Jahre alt. Langsam verschwamm der Traum vor seinen Augen und er mußte feststellen, daß sein Gnoffer ihn zu wecken versuchte, indem er ihm das Gesicht von oben bis unten abschleckte. Lachend sprang er auf und schaute ihn gespielt böse an. Der Gnoffer setzte sich auf seine Hinterpfoten, schaute sehr schuldbewußt und treuherzig und gab ein kurzes „Waff“ von sich. `Richtig`, dachte der Zwerg, `er hat Hunger.` Sie hockten sich wieder ins weiche Moos und verzehrten eine leckere Stulpia mit Schleimbeeren. Danach gingen sie weiter und als sie schon glaubten, der Wald würde nie enden, schauten sie plötzlich auf die unendliche Weite 108
einer Wüste und die Sonne brannte ihnen in die Gesichter. Der Zwerg, der in seinem Leben noch nie den Wald verlassen hatte, kam aus dem staunen nicht mehr heraus. So weit hatte er noch nie geschaut und er mußte die Augen zukneifen, weil es so hell war. Der Gnoffer war ganz aufgeregt und sprang um ihn herum. Sie liefen den ganzen Tag und konnten schon die Berge in der Ferne sehen, als der Zwerg beschloß, im Schatten eines großen Steines Rast zu machen. Sie legten sich nieder und der Zwerg nahm wieder einen Schluck seines Traumtrunks. Er döste ein und fing an, zu träumen... Er stand in der Wüste und die Dämmerung zog herauf. In einiger Entfernung sah er zwei riesige, lange Felsen stehen, die wie ein gigantisches Tor aussahen und im Licht der untergehenden Sonne erstrahlten. Er ging darauf zu und als er hindurchgehen wollte, bellte ihm eine laute und harte Stimme entgegen: „HALT , DURCHSCHREITE DIESES TOR UND DU WIRST STERBEN!“ Der Zwerg erschrak fürchterlich und ging einige Schritte zurück, als er den riesengroßen Kofur erblickte, der hinter einem der Felsen hervortrat. Der Kofur, müßt ihr wissen, ist eines der schrecklichsten Wesen, die in dieser Welt existieren. Er war viermal so groß wie der Zwerg und sein ganzer Körper war panzerbewehrt. Aus seinem Mund schauten die größten Zähne heraus, die der Zwerg jemals gesehen hatte und ein spitzer, langer Stachel schwang bedrohlich hinter dem Körper des Kofur hin und her. Seine Augen funkelten den Zwerg gefährlich an. Der Zwerg fragte ihn zögernd:“ Weshalb hütest du dieses Tor? Es scheint ins Nichts zu führen.“ Der Kofur, der merkte, daß der Zwerg das Tor nicht durchqueren wollte, antwortete:“ Etwas Respekt bitte. Dieses Tor wurde mir vor langer Zeit von einem der Alten von Sarkon übergeben. Es ist ihr größtes Heiligtum und es ist mir eine große Ehre, es zu bewachen. Ich töte jeden, der es durchqueren will, das ist meine Aufgabe.“ Der Zwerg schlug in seinem schlauen Buch unter Heiligtümern der Sarkon nach und fand das genannte Tor. Das Buch verriet ihm , daß die Sarkon das Tor schon seit 100 Jahren nicht mehr für ihre Riten benützten. Das sagte ihm nun recht wenig und er überlegte, als er plötlzlich eine Ahnung hatte. Er mußte etwas schmunzeln und sprach zu dem Kofur:“ Weshalb bewachst du das Tor wirklich?“ Der Kofur machte ein verdutztes Gesicht und konnte vor Verlegenheit nur 109
noch stottern, wobei er so gar nicht mehr furchteinflößend aussah:“ Ich...ich...“, er brauchte eine Pause „ Ich bewache es, weil ich eine furchtbare Angst vor den magischen Kräften der Sarkon habe. Sie drohten mir damals, sie würden mir einen Pfeil ihres Gottes schicken, der mich auf der Stelle tötet, wenn ich meine Pflicht vernachlässige. Sie können die Nacht zum Tag machen und kennen die geheimen Formeln. Sie sind sehr mächtig und ich unterwerfe mich ihrem Wissen. Sie sind die Herrscher der Welt, und ich nur ein dummer Kofur.“ Der Zwerg, der durch die Nachrichten, die manchmal zu ihm vorgedrungen waren, besser Bescheid wußte über die angeblichen so mächtigen Sarkon, mußte wieder schmunzeln. Er sprach zu dem Kofur: „ Ja weißt du denn nicht, daß es vor langer Zeit einen Krieg gab zwischen dem Volk der Sarkon und dem der Talhiar? Die Talhiar besiegten die Sarkon und nahmen ihnen die geheimen Formeln, die übrigens gestohlen waren, und ihre Waffen nahmen sie auch mit. Die Sarkon waren schon immer groß im Reden schwingen und im stehlen. Du hast Angst vor einem Gott, der nicht existiert und vor einem Volk, das viel zu schwach wäre, dir etwas zu tun. Schau dich an, du bist das stärkste und mächtigste Tier, das auf dieser Welt lebt. Die Sarkon sind nur eine Bande von Dieben und Angebern. Laß ihren dummen Glauben los und gehe, wohin du willst. Du bist frei.“ Der Kofur schaute immer noch reichlich überrascht und konnte es noch gar nicht fassen. Er ging zaghaft einige Schritte von dem Tor weg. Als er merkte, daß gar nichts geschah, ging er immer schneller und schließlich rannte er in die Wüste und war auf und davon. Jetzt konnte der Zwerg sich nicht mehr halten und lachte laut los. Dieser Kofur hatte sicher noch nie jemanden getötet, denn jeder, der sich ihm genähert hatte, war ebenso schnell gerannt wie der Kofur , vor lauter Angst. Der Gnoffer schaute den Zwerg verwundert an, denn er wollte gar nicht mehr aufhören, zu lachen. Der Zwerg erwachte vom Gebelle des Gnoffers, der darauf drängte, weiter zu gehen. Sie aßen noch eine Kleinigkeit und machten sich dann auf den Weg. Nach einigen Tagen Fußmarsch begann ihre Umgebung, wieder lebendiger zu werden. Sie stapften durch hohes, dürres Gras und beschlossen, unter einem einzeln stehenden Baum Rast zu machen und sich auszuruhen. Der Zwerg nahm wieder einen Schluck seines Trunkes und versank in einen weiteren Traum. 110
Er fand sich in der Steppe wieder und schaute sich um, da entdeckte er einen Zafiar und er dachte, daß das das schönste Tier sei, daß er jemals gesehen hatte. Der Zafiar ist ein großer und geschickter Jäger. Der Zwerg hatte von ihnen gelesen in seinem schlauen Buch, doch dieser Zafiar war wirklich etwas besonderes. Er hatte ein glänzendes, schwarzes Fell und grün schimmernde Augen und seine Muskeln, geschmeidig vom jagen, zeichneten sich auf seinem Fell ab. Der Zafiar putzte sich gerade und war wohl so mit sich beschäftigt, daß er den Zwerg gar nicht bemerkte, bis dieser nach einiger Zeit ein Hüsteln von sich gab. Da wurde der Zafiar aufmerksam und schaute den Zwerg gelangweilt an. „Du bist ja ein häßliches Ding. So was wie dich habe ich noch nie gesehen. Sind alle von deiner Art so häßlich und klein?“ Der Zwerg wurde etwas verlegen, denn er war ja nun wirklich keine Schönheit. Er besann sich und sprach: „Du hast Glück. Es gibt nicht viele von meiner Sorte und außer mir wirst du wohl nie wieder einen Zwerg zu Gesicht bekommen.“ „Ach ja, es gibt niemanden, der so schön und stark ist, wie ich.“ Der Zwerg sagte zu dem Zafiar: „Dann bist du sicher sehr zufrieden und glücklich.“ Da mußte der Zafiar sich schon überwinden, denn er sprach ja mit einem so häßlichen Wesen, doch schließlich antwortete er: „Nein, das bin ich nicht. Keiner der Zafiar, die ich kenne, kann mich leiden. Wenn sie mich sehen, drehen sie mir den Rücken zu und tun so, als hätten sie etwas anderes zu tun. Ich bin schon lange so alleine und ich kann nicht verstehen, weshalb. Ich bin doch so schön, groß, stark, schnell und wendig. Sie müßten mich anbeten...“ Dem Zwerg ging die Leier schon ziemlich auf die Nerven, als er in seinem schlauen Buch blätterte und eine Beschreibung der Zafiaren fand, die genau auf sein Gegenüber paßte. Das Buch stellte fest, daß Zafiaren ziemlich eingebildet sind. Wieder einmal war das Buch keine große Hilfe.`Da kann er sich doch eigentlich nicht beschweren. Wenn alle Zafiaren so sind, müßten sie sich doch sehr gut verstehen` dachte der Zwerg. Dann beschloß er aber, dem Zafiar zu helfen und sagte zu ihm: „Du mußt lernen, daß nicht nur du schön und stark bist. Deine Freunde brauchen diese Anerkennung auch von dir. Du mußt versuchen sie genauso hoch zu schätzen, wie dich selbst und damit du das schaffst, überlasse ich dir meinen Gnoffer, der dir dich ab jetzt immer begleiten wird. Du bist für ihn verantwortlich und mußt dich gut um ihn kümmern. Du wirst sehen, daß du sehr schnell einen Freund in ihm finden kannst.“ 111
Der Gnoffer hatte verstanden und lief schwanzwedelnd zu dem Zafiar, leckte seine Pfote und drückte seine Freude über den neuen Kumpan mit einem lauten „WAFF“ aus. Der Zafiar wußte erst gar nicht so recht, was er mit dem kleinen Kerl anfangen sollte, als dieser sich an ihn schmiegte und ihn aus seinen treuen Augen anblickte. Da war das Eis gebrochen und der Zafiar fuhr mit seiner Pfote über das Fell des Gnoffers. Er schaute den Zwerg dankbar an und sagte: „Du bist zwar ein furchtbar häßliches Ding, aber noch nie war jemand so freundlich zu mir wie du. Bleib so häßlich, es gefällt mir.“ Das Traumbild verschwamm und der Zwerg wachte langsam wieder auf. Diesmal wurde er nicht von seinem kleinen Begleiter geweckt und er mußte entdecken, daß der Gnoffer verschwunden war. Der Zwerg reckte sich und machte sich, gestärkt durch etwas Kalman, auf den Weg in die Berge, die ihm schon sehr nah vorkamen. Nach einem Tag Marsch erreichte er die ersten felsigen Hänge und ging immer weiter auf den ausgetretenen Pfaden zwischen ihnen. Plötzlich tat es einen Donnerschlag und aus dem Qualm, der vor ihm aufstieg, trat ein alter, bärtiger Mann hervor, der mit einer würdevollen Simme und einem freundlichen Lächeln im Gesicht zu dem Zwerg sprach: „Sei gegrüßt, Zwerg aus den Wäldern. Du bist an deinem Ziel angekommen, ich habe nach dir geschickt.“ Der Zwerg ging in die Knie, denn er hatte großen Respekt vor dem Volk der Talhiar, die die Geschicke der Welt lenken, so hatte er gehört. Er stand wieder auf und der Zauberer führte ihn zu seiner Hütte, wo sie drei Tage damit verbrachten, Neuigkeiten auszutauschen und ihr Wissen zu teilen. Der Zauberer erklärte dem Zwerg die Bedeutung der Träume, die dieser auf dem Weg gehabt hatte und sagte: „Zwerg, mit deinen Handlungen hast du bewiesen, daß du ein Anwärter bist für den Kreis der Zauberer der Talhiar, dem auch ich angehöre. Du sollst mit uns über die Schwierigkeiten unserer Welt beraten und dem Rat der Weisen Unterstützung geben. Sie regieren unsere Welt mit unserer Hilfe und du kannst daran teilhaben.“ Der Zwerg lachte und sagte: „Das überlasse ich euch, da ihr dies schon lange tut und ich in meinem Wald gebraucht werde, wo ich sicher sein kann, daß die Entscheidungen, die ich treffe, die Welt nicht verändern, sondern nur das Leben besser machen, wo ich es will. Ich möchte diese Entscheidungen denen überlassen, die sich dazu berufen fühlen und ich hoffe, daß sie weise entscheiden. Ich liebe meinen Wald.“ Der Zauberer schaute verdutzt, hatte er sich doch so eine Mühe gegeben, um den Zwerg auf die Probe zu stellen. Aber er konnte den Zwerg 112
verstehen, denn er war auch einmal jung gewesen, und sie vereinbarten ein weiteres Treffen in einigen Jahren. Sie trennten sich voneinander und der Zwerg kehrte in seinen Wald zurück, wo er schon sehnlichst erwartet wurde. Drachentöterin In einer Zeit auf Merian, als dort noch die Vulkane ihre heiße Lava spuckten und die Sitten rauh waren, weil keiner sich um eine Ordnung kümmerte, ereignete sich eine Geschichte, die ich Euch hier erzählen möchte. Sie erzählt vom Schicksal eines Bewohners von Merian, denn ich Euch jetzt vorstelle. Es war noch dunkel, doch man konnte schon die Hütten des Dorfes vor dem Licht des anbrechenden Tages unterscheiden und das Leben kehrte langsam in die kleine Gemeinschaft von Tieren und Menschen ein, die sich anschickte, einen neuen Tag zu begrüßen. Alles lag friedlich und ruhig da und schien den so gewohnten täglichen Ablauf der Dinge zu erwarten, als plötzlich ein wildes Gröhlen und Rufen erschall und eine Horde bewaffneter Männer auf schweren Rahmans in die Mitte des Dorfes ritt, innehielt und abwartete. Jeder der acht Männer entzündete eine Fackel, während sie den Befehlen ihres Anführers horchten. Aufgeschreckt von dem Lärm sprang der Bauer Simon von seiner Lagerstatt und wies seine Frau und seine Tochter Meana an, sich zu verstecken. Er rannte zum Eingang seiner Lehmhütte und sah, daß auch andere Männer vor ihre Hütten geeilt waren und zum Teil bewaffnet waren, aber sehr ängstlich und unschlüssig waren angesichts des überraschenden Angriffs. Es war einen Moment lang ruhig, als der Kampf auf einmal losbrach. Die Angreifer sprangen von ihren Rahmans, zogen ihre Schwerter und stürmten auf die Bauern ein, die, bis auf Simon, einen verzweifelten und hoffnungslosen Kampf gegen die wütende Rotte führten. Simon rannte zurück, riß seine weinende Frau und seine ahnungslose Tochter vom Boden und befahl ihnen, so schnell in die Dunkelheit hinter dem Haus zu rennen, wie sie können. Die beiden taten es und das letzte, was sie von Simon sahen, war sein Greifen nach einem Holzknüppel, denn er wollte das Dorf nicht seinem Schicksal überlassen. Simon mußte erkennen, daß die Schlacht von den Angreifern schon gewonnen war und viele seiner 113
Freunde im Sterben lagen, während ihre Hütten brannten und die Fremden schon dabei waren, das ärmliche Hab und Gut der Dorfbewohner zu rauben. Wilde Schreie begleiteten ihre Greueltaten und sie ließen keinen Menschen im Dorf am Leben. Simons Frau und Meana liefen so schnell sie konnten in den dunklen Wald hinein und konnten so entkommen. Nachdem sie einige Tage durch die Wildnis geirrt waren, kamen sie auf eine Lichtung und konnten in der Ferne den Rauch von den Feuern eines Dorfes erkennen, auf das sie nun zuliefen. Sie erreichten die ersten Hütten und baten um Einlaß. Erst in der zehnten Hütte fanden sie eine Bleibe, denn es trieben sich viele Vagabunden herum zu dieser Zeit und die Menschen hatten Angst. Als sie der alten Frau, die sie mit Essen versorgte, ihre Geschichte erzählten, hatte diese großes Mitleid mit den beiden und stellte Simons Frau als Magd an, denn sie war nicht arm und konnte die Hilfe brauchen. Es geschah nun nach einigen Jahren, Meana war schon eine Frau geworden, daß Simons Frau an einer Krankheit starb, die zu dieser Zeit viele Menschenleben kostete. Kurz bevor sie starb, sprach sie zu Meana: „Ich habe eine große Bitte an dich.Ich möchte, daß du dich zur Kriegerin ausbilden läßt bei Thoran, dem Roten, den dein Vater kannte. Frage nach ihm in der Schutzburg von Darlaham. Er wird dir beibringen, die Waffen zu führen und im Kampf gegen jeden Mann zu bestehen. Deine Aufgabe im Leben soll es sein, mit deinem Wissen Gutes zu vollbringen. Du sollst die Schwachen beschützen und gerecht sein gegen jeden. Ich will nicht, daß du das Verbrechen an unserem Dorf rächst, ich möchte, daß du verhinderst, daß es woanders wieder passiert.“ Meana stimmte zu. Zwei Tage, nachdem ihre Mutter gestorben war, machte sie sich auf den Weg nach Darlaham und fragte an der Schutzburg nach Thoran, dem Roten. Sie wartete einige Zeit und mußte staunen, als sie ihn zu Gesicht bekam. Thoran war ein Riese und doppelt so breit wie Meana. Er trug einen langen, roten Bart und seine Haare hatte er zu einem Zopf gebunden. Man sah ihm an, daß er nicht mehr jung war, doch Meana dachte, sie hätte noch nie so einen großen und eindrucksvollen Krieger gesehen. Auf den ersten Blick war er furchteinflößend, doch sah man ihm in die kleinen, dunklen Augen und auf die vom vielen Lachen gezeichneten Falten, war keine Spur mehr von dem berüchtigten Krieger zu erkennen, von dem man sich erzählte, daß er in einer Schlacht zehn Feinde erschlagen hatte. 114
Meana erzählte von sich und dem Wunsch ihrer Mutter , von Simon und dem Mord, der an ihm begangen wurde. Thoran beschloß, sie aufzunehmen und zur Kriegerin auszubilden. Nach einem Jahr auf der Burg war Meana so weit, ihr eigenes Schwert und einen Langbogen zu besitzen und nach einem weiteren Jahr beherrschte sie die Waffen und die Kunst des Faustkampfes wie noch kein Schüler Thorans. Er war sehr stolz auf sie, denn sie hatte schnell gelernt und konnte sich mit ihrem Lehrer messen und war dem Hünen in ihrer Schnelligkeit sogar überlegen. Die beiden hatten einen tränenreichen Abschied, denn sie waren sehr gute Freunde geworden. Meana wußte erst gar nicht, welchen Weg sie einschlagen sollte. Kämpfen konnte sie nun, doch gegen was? In ihrer Zeit auf der Burg hatte sie hin und wieder Geschichten von einem Drachen gehört, der die Menschen in den nördlichen Wäldern heimsuchen soll und der gemeiner und gefährlicher sein soll als alle Drachen auf ganz Merian. Schon viele tapfere Männer hatten versucht, dem Treiben des Drachen ein Ende zu machen, doch sie versagten alle und es schien hoffnungslos. Meana jedoch sprühte vor Tatendrang und Ehrgeiz und beschloß, die Bewohner der besagten Gegend von ihrem Übel zu befreien. Sie ritt also los und erreichte bald die nördlichen Wälder. Die Erzählungen der Menschen, die sie traf, wurden immer schrecklicher und Meana konnte nicht glauben, daß ein einziger Drache so viel Angst verbreiten konnte. Sie bekam Respekt vor der Bosheit des Drachen und ging deshalb um so schneller in seine Richtung. Sie erreichte nach einer Woche das Dorf, in dessen Nähe der Drache hausen sollte. Als sie den Menschen, die dort lebten, erzählte, was ihr Vorhaben war, lachten diese sie aus, doch beherbergten sie Meana, da ihnen am Ende jede noch so kleine Hoffnung auf Rettung recht war. Meana bereitete sich drei Tage lang auf den Kampf mit dem Drachen vor, indem sie wenig aß und ihren Geist auf die Begegnung einstellte. Als sie in Richtung der Höhle des Drachen losging, fühlte sie sich dem Kampf gewachsen und fürchtete den Tod nicht. Sie erreichte die Höhle bei Tagesanbruch und konnte keine Spur des Drachen entdecken. Sie nahm ihren Bogen zur Hand und spannte einen Pfeil ein, schrie laut, um den Drachen herauszulocken und wartete gespannt. Der Drache brüllte vor Wut, denn er war schon lange nicht mehr herausgefordert worden. Meana hörte schwere Schritte und ein lautes Schnaufen aus der Dunkelheit der Höhle, als plötzlich der Körper des Drachen auftauchte und er sie kampflustig anschaute und seinen schuppigen schwarzen Kopf in ihre Richtung stieß. Sie schoß ihren Pfeil 115
ab und traf den Drachen in sein rechtes Auge, worauf dieser laut aufheulte vor Wut und sich in seine Höhle zurückzog. Er war noch nie verletzt worden und brüllte fürchterlich vor Angst und Wut. Meana zog nun ihr Schwert und folgte dem Drachen schnell in seine Höhle um ihren Vorteil zu nutzen und den Drachen zu töten. Sie entdeckte ihn, wie er vor Schmerz wimmerte und seinen verwundeten Kopf hin und her warf. Meana holte mit dem Schwert aus und war bereit, dem Drachen einen Hieb in seinen Hals zu versetzen, als sie erkannte, daß der Drache vor ihr genauso hilflos war wie alle seine Opfer es vor ihm gewesen waren. Da hatte sie Mitleid mit ihm, senkte das Schwert, drehte sich um und verließ die Höhle. Sie kehrte in das Dorf zurück, schenkte ihre Waffen einem Bauern, bestieg ihr Rahman und ritt in Richtung ihrer Heimat. Ab da hörte man nichts mehr von der Bösartigkeit des Drachen, obwohl die Menschen sich ab und zu noch eine Geschichte einfallen ließen, nur um etwas erzählen zu können. . Der Gnomkrieg Auf Merian, der Welt, von der ich Euch schon etwas erzählt habe, gibt es viele verschiedene Völker, die Tiere können sprechen und es geschieht so allerlei wundersames. Ihr müßt wissen, daß Merian in der jüngsten Zeit eine friedliche Welt geworden ist. Doch ist es nicht immer so. Ich möchte Euch davon erzählen, wie die Kolferts mit den Tolmans einen Krieg führten. Der Oberste der Tolmans, der Größte unter den Gnomen, schien empört und sein Gesicht lief dunkelrot an. Gerade hatte ihm nämlich einer seiner Spione eine Nachricht gebracht. Der Spion hatte ein Gespräch des Rats der Kolferts belauscht und mit angehört, wie der Oberste zu seinen Ratsleuten gesagt hat, die Tolmans wären so verbittert über ihre Körpergröße, daß sie nicht mehr über sich selbst lachen könnten. Ihr müßt wissen, daß die beiden Gnomvölker sehr stolz auf die Tatsache sind, daß sie über ihre Warzen, ihre Runzeln und vor allem ihre kleinen Körper lachen können. Ja, es gehört dort zum guten Ton, wenn man eine riesige Warze auf der Nase hat, lauter über sie zu lachen, als beispielsweise über eine kleine Warze auf der Backe. Die ist nämlich längst nicht so auffällig. Nun ist es ein großes Verbrechen unter den Gnomen, wenn man dem Gegenüber vorwirft, es könne nicht über sich 116
lachen. Nachdem der Oberste seine Gesichtsfarbe zu dunkelblau gewechselt hatte, brüllte er:“ DAS BEDEUTET KRIEG!!!“ Diesen Schrei hatte man in der ganzen Tolmangemeinschaft gehört und es brach ein freudiges Geschrei über den bevorstehenden Kampf aus. Sie hatten bis heute jeden Krieg mit den Kolferts gewonnen und machten sich sofort an die Vorbereitungen zum Kampf. Es sammelten sich über hundert Tolmans und sie marschierten los in Richtung der Kolferts. Nach einigen Stunden erreichten sie das Dorf und wurden schon von einer hohen Anzahl der anderen Gnome erwartet, die bereitstanden, da einer ihrer Späher die Tolmans erblickt hatte, und laut in die Hände klatschten, um sich für den Kampf Mut zu machen. Die beiden Völker nahmen Aufstellung und rannten aufeinander zu. Jeder suchte sich einen besonders häßlichen Gnom von der anderen Seite und schrie ihn an mit Sätzen wie:“ DU BIST SO HÄßLICH, DAß DIE SONNE ABENDS NUR UNTERGEHT, DAMIT DIE ANDEREN DEINEN ANBLICK NICHT MEHR ERTRAGEN MÜSSEN!“ Oder auch:“ DU BIST SO KLEIN, DAß EIN KLOKAKÄFER DICH UNTER SICH ZERQUETSCHEN WÜRDE!“ So ging das über eine sehr lange Zeit und die Tolmans hatten mal wieder über die Kolferts gesiegt, die bis auf den Obersten allesamt auf dem Boden lagen und vor Lachen nicht mehr aufstehen konnten. Die schlimmsten Verletzungen waren die Muskelschmerzen vieler Gnome, die gar nicht mehr aufhören konnten, zu lachen. Aber auch die Tolmans mußten empfindliche Verluste einstecken. Einige von ihnen brüllten sogar vor lachen und das schickte sich nun wirklich nicht für einen Sieger. Die beiden Völker vereinbarten, daß sie bald mal wieder Krieg führen wollten und versicherten sich, daß man sich schon darauf freue. Noch spät am abend wurde in den beiden Dörfern geschmunzelt und gekichert. Der Fischer Mihan Auf Merian geht das Leben seinen Gang und es passieren ganz normale Dinge, wie eben auf unserer Welt auch. Doch erlebt fast jeder Bewohner von Merian seine Welt manchmal von einer anderen Seite. Ich möchte Euch nun von einem Fischer erzählen, der ein ganz normales Leben führte, 117
bis etwas seltsames sich ereignete, wie das auf Merian so oft geschieht. Der Fischer Mihan streckte sich, gähnte und verabschiedete damit die kurze Nacht, die er auf seinem Strohlager verbracht hatte. Er lauschte dem Rauschen der Wellen mit offenen Augen und sah sich seine Frau und seine Kinder an, die erst in einigen Stunden aufstehen würden. Das Mondlicht beschien ihre Gesichter und Mihan dachte, daß er großes Glück hatte, denn seine Frau war eine gute Mutter und die drei Kinder waren freundlich und lebensfroh. Mihan setzte sich an den Tisch, aß etwas trockenes Brot und trank einen Schluck Wasser. Er nahm sich sein Netz von einem Haken an der Wand und verließ die Strohhütte, um an den Strand zu gehen. Sein Boot lag da wie jeden Tag und das Wasser plätscherte an seine Planken. Mihan schob es ins Meer und stieg ein. Er setzte sein Segel und fuhr in die Nacht hinein. Wie jeden Tag steuerte er eine der Stellen an, wo es besonders viele und große Fische gab, denn er wußte genau, bei welchem Wetter und bei welchem Stand des Mondes er bestimmte Plätze aufsuchen mußte. Die Dämmerung setzte schon langsam ein, als er eine günstige Stelle zum fischen gefunden hatte und sein Netz auswarf. Wie erwartet, machte er einen guten Fang und füllte gut zwanzig Fische in seinen Bottich. Er wiederholte diesen Vorgang einige Stunden lang und hatte schneller als an den anderen Tagen einen vollen Bottich mit Fischen, die sich gut verkaufen würden. Mihan machte sich zufrieden auf den Heimweg, als plötzlich eine Stimme zu ihm sprach:“ Laß´ mich frei. Ich habe Dir nichts getan und Du nimmst mich aus dem Wasser. Weißt Du denn nicht, daß wir Fische an der Luft nicht lange leben können?“ Mihan erschrak fürchterlich, denn er hatte natürlich noch nie einen seiner Fische reden gehört. Er wurde blaß und stotterte:“ Ich...ich...Ich tue meine Arbeit schon lange und noch nie hat ein Fisch mit mir gesprochen. Wer bist Du?“ Der Fisch lachte und antwortete:“ Wir können alle sprechen. Du hast es nur noch nie gehört!“ Auf einmal brach ein wahrer Sturm von Geplapper aus dem Bottich und der Fischer wurde noch blasser und seine Augen wurden groß. Er nahm den Bottich und kippte die Fische zurück ins Meer. Mit zitternden Händen lenkte er das Boot an seinen Strand zurück, stolperte in die Richtung seiner Hütte und fand seine zwei Söhne beim reparieren eines Netzes. Er stürmte auf sie zu, riß ihnen das Netz aus den Händen und schrie laut:“ Versprecht mir, daß ihr niemals Fischer werdet!“ Die Söhne waren sehr überrascht und versprachen es ihm, denn sie spürten, daß es dem Vater ernst war. 118
An den folgenden Tagen blieb der Fischer auf seinem Strohbett und beachtete auch seine Frau nicht, die ihn vor Wut anschrie, da die Kinder kaum noch etwas zu essen hatten. Mihan starrte stumpfsinnig in die Gegend und weigerte sich, auch nur die dünnste Brotkruste zu sich zu nehmen. Nach einer Woche kam er zur Vernunft, stand auf und ging ins Dorf, um nach einer neuen Arbeit zu suchen. Er fand sie bei einem Teppichhändler und konnte seine Familie wieder ernähren, die schon bald vergessen hatte, daß Mihan niemals erzählt hat, weshalb er kein Fischer mehr sein wollte. Die Unterirdischen Liebe Leser, Ihr müßt wissen, daß es auf Merian nicht zu allen Zeiten Menschen gegeben hat. Als die Menschen vor dreitausend Jahren auf Merian angekommen sind, hat der damalige Rat der Weisen über sie geschrieben: 'Vor vier Tagen hat eine Zwergengruppe in den Wäldern des Westens eine Beobachtung gemacht. Ein Berg aus Metall ist vom Himmel gefallen, die Zwerge sagen, daß der Berg nicht aussah, wie ein Berg und auch, daß er nicht richtig fiel, sondern eher schwebte. Der Berg glänzte in der Sonne und die Zwerge sagen, daß er mehr aussah wie ein riesengroßer Tropfen aus Metall als wie ein Berg. Die Zwerge spürten eine starke Erschütterung der Erde und suchten den Metallberg. Sie suchten einige Stunden und fanden ihn. Er hatte eine große Lichtung in den Wald gerissen und brannte aus verschieden Stellen. Die Zwerge sahen viele Gruppen von großen Wesen, die überall um das Schiff herumstanden und einige halfen den Wesen, die noch aus Löchern in dem Metallberg vor dem Feuer flohen. Die Zwerge schätzten, daß es etwa 30.000 Wesen sein mußten, die da herumstanden. Die Zwerge flohen und verbreiteten die Kunde von der Ankunft des Metallbergs.' Die Menschen nun sprachen anfangs eine unverständliche Sprache, lernten aber schnell die wichtigsten Sprachen Merians und verteilten sich auf dem ganzen Planeten. Sie lebten mehr oder weniger friedlich mit den Völkern Merians zusammen und man hatte, bis auf die Menschenkriege, von denen ich Euch in einer anderen Geschichte noch erzähle, kaum Probleme mit den großen, lauten Menschen. Doch hatte niemand mit den Wissenschaftlern gerechnet, die jetzt hauptsächlich unter der Erde in 119
Höhlen lebten und an Dingen arbeiteten, die niemand so recht erklären konnte. Man nannte diese Menschen die Unterirdischen. „GENERATOR IST AN“, schrie Claudius. „MASCHINEN BEREIT“, meldete Timerius über die Sprechanlage. Ein Tag in der Cromantahöhle nahm seinen Anfang. Der Wissenschaftsleiter Khan Martens begann, seine Anleitungen für den Tag an die verschiedenen Hallen, die man gebaut hatte, weiter. Er sprach:“ Waffenschmiede ok?“, aus der Sprechanlage kam die Meldung:“Waffenschmiede bereit.“. „Gentechnische Produktion ok?“, die Bestätigung kam und Khan Martens überprüfte auch noch die anderen Forschungs- und Produktionsbereiche. Es lebten etwa 120.000 Wissenschaftler, Techniker und Arbeitskräfte in den teilweise künstlich errichteten Höhlen im Untergrund Merians. Die Höhlen waren fast alle verbunden und ein unübersichtliches Labyrinth war entstanden, in dem sich ein Oberweltler sofort verirren würde. In diesem Labyrinth waren im Laufe der Jahrhunderte Fabriken, Labors und andere Einrichtungen entstanden, der Rat der Weisen von Merian wußte schon lange von den Aktivitäten der Menschen unter der Erde, doch niemand traute sich hinunter, weil man wußte, daß gefährliche Völker unter der Erde lebten, wie ein kampflustiges Gnomvolk, daß nur an der Oberfläche auftauchte, um zu rauben und zu stehlen.Der Rat der Weisen entschied, daß man abwarten mußte, was die Menschen weiter tun würden, doch man verpflichtete Soldaten, um auf einen möglichen Kampf vorbereitet zu sein. Die Menschen hatten bei ihrem Absturz mit dem Raumschiff einige Geräte und wissenschaftliche Texte retten können, außerdem hatte man all das menschliche Wissen, das die Überlebenden gerettet hatten, über die Generationen weitergegeben und nach dreitausend Jahren hatte man einen enormen Wissenstand erlangt und forschte, um die Menschheit zur beherrschenden Art auf dem Planeten Merian zu machen. In riesigen, unterirdischen Hallen standen Kampfwägen, die sich auf Ketten fortbewegen konnten und bis zu 50 Menschen faßten. Die Unterirdischen hatten auch Kampfmaschinen gebaut, 70 Meter hoch, die die Wälder niedertrampeln konnten und schießen, doch man sah keine Kugeln und die Verletzungen, die der Schuß verursachte, waren groß wie eine Hand und immer tödlich. Jetzt kam es dazu, daß die Unterirdischen sich entschlossen, Merian zu erobern und alles zu unterwerfen, inklusive dem Rat der Weisen und aller seiner Anhänger, die fast die gesamte Bevölkerung darstellten. Die Menschen auf Merian waren fast alle friedlich und dem Rat der Weisen 120
treu. Ein menschlicher Informant hatte den Rat gewarnt und die Weisen entschieden, Truppen aufzustellen, um den Angreifern zu begegnen. Fast jeder erwachsene Mann, Zwerg, Gnom und andere Wesen, wie die Elfen, stellten sich in den Dienst des Rats. Zauberer und Hexen schlossen sich zusammen und alle wurden von erfahrenen Kriegern geführt und zu den verschiedenen Höhlenausgängen geleitet, wo sie Lager machten und sich Mut zusprachen, während sie auf die Schlacht warteten. Und die kam sehr schnell. Die laufenden Kampfmaschinen tauchten zeitgleich an allen möglichen Stellen Merians auf und der Kampf begann. Eine Gruppe von Kämpfern in den Kachuatälern führte einen erbitterten Kampf gegen diese riesigen, gepanzerten Kampfmaschinen. „ZUM SEE, WIR MÜSSEN SIE ZUM SEE LOCKEN!“ schrie Marcus, der Menschenkrieger und Anführer der Gruppe, die aus etwa 130 Zwergen und Menschen bestand. Sie waren alle mehr oder weniger bewaffnet, meist mit Pfeil und Bogen, Speer oder Kurzschwertern. Sie könnten vielleicht einzelnen Menschen etwas entgegensetzen, aber gegen die Maschinen waren sie machtlos, sie nannten sie 'Metalldrachen'. Die riesige Kampfmaschine erledigte zielgenau die Krieger, die panisch vor ihr wegliefen. Die Schüsse lösten sich lautlos und man hörte die Schreie der tödlich Verletzten, laut und klagend. Doch die Krieger waren schlau und man faßte den Plan, die Maschine auf weiten Umwegen zu einem nahegelegenen See zu locken. Eine kleine Kriegergruppe hatte dort, wissend, daß die Unterirdischen derartige Maschinen besaßen, eine Falle gebaut und die wollte man jetzt ausprobieren. Nach einigen Stunden kam die um sich schießende Maschine am See an und die Bediener des K-01, wie die Unterirdischen sie nannten, wähnten die Kriegergruppe, die sie verfolgten, in der Falle. Der K-01 war noch 20 Meter vom Ufer des Sees entfernt, als die verfolgte Gruppe plötzlich nach beiden Seiten auswich und fünf Meter vor dem Metalldrachen ein quergelegter riesiger Baumstamm emporschnellte und in etwa 25 Meter Höhe stoppte, kurz unter den 'Kniegelenken' des K-01, gestützt an den Seiten von zwei anderen Baumstämmen. Die Konstruktion war genial für das Wissen über Kriegsapparate, das die Oberwelt besaß, getarnt unter Wiesenstücken war ein Mechanismus versteckt, der durch mehrere gespannte Seile beim auslösen die Baumstämme emporschnellten ließ und dann automatisch von unten gestützt wurde. Auf die Weise stießen die Läufer des K-01 an den Stamm und eines der Gelenke wurde durch die Gewalt des Aufpralls zerstört. Die Maschine strauchelte und fiel schließlich der Länge nach in den See, die Oberweltler hatten gesiegt. Doch der K-01 folgten die 121
Besetzungspanzer, riesige, gepanzerte Kettenfahrzeuge, die die Soldaten faßten. Die Oberweltler hatten große, getarnte Gruben gegraben und man konnte auf ganz Merian diese Panzer in die Gruben locken, wo sie mit Alkohol begossen und verbrannt wurden. Doch die Unterirdischen konnten sich irgendwie verständigen und so wurden die Soldaten später einfach an der Oberwelt abgesetzt und mußten Merian im Kampf Mann gegen Mann bestehen. Das jedoch war der Todesstoß für den Angriff der Unterirdischen, sie hatten zwar Waffen, die mit unsichtbaren Pfeilen schossen, aber die Krieger der Oberwelt waren schlauer und sie kannten ihr Territorium besser als die bleichgesichtigen Unterirdischen. Die Kämpfe auf ganz Merian dauerten etwa zwei Monate an und wurden von den Oberweltlern schließlich gewonnen. Die Überlebenden aus der Unterwelt wurden gefangengenommen und verpflichtet, die Weisen und Zauberer von Merian durch das komplexe Höhlensystem zu führen, wo diese schreckliche Entdeckungen machen mußten. Die unterirdisch lebenden Menschen hatten offensichtlich neuartige Wesen geschaffen, die in Käfigen in vielen Höhlen lebten und für die verschiedensten Zwecke gemacht worden sind. Da gab es Wesen, die doppelt so groß wie Menschen waren und den wilden Blick eines Raubtiers hatten. Auch Wesen, so klein wie ein Zwergenbaby, aber aüßerlich menschlich und anscheinend erwachsen waren. Sie beschimpften die Neuankömmlinge und man rätselte, wozu sie wohl gut waren. Die Weisen vermuteten Kriegs- und Arbeitszwecke und waren bestürzt, als sie von den Gefangenen erfahren mußten, daß es viele solche Wesen gab und daß die Unterirdischen es geschafft hatten, jedes beliebige Lebewesen zu erschaffen, das sie nur wollten. Der Rat der Weisen beschloß die Vernichtung aller Höhlen und Maschinen, die von den Unterirdischen gebaut worden waren und man verhinderte erfolgreich, daß die Techniken der Unterirdischen sich auf Merian verbreiteten. Die Überlebenden wurden in Burgen eingesperrt, da man nicht wußte, was man mit diesen gefährlichen Menschen machen sollte, die ersten Gefängnisse auf Merian waren entstanden. Die seltsamen Wesen wurden auch eingesperrt, man hatte Angst vor ihnen. Die Höhlen wurden verbrannt und zum Einsturz gebracht und man verbot Aktivitäten wie die der Unterirdischen für alle Zeiten. Die Gegenwelt
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Die Geschichten auf Merian finden einfach kein Ende, denn es gibt dort so viele verschiedene Wesen, daß man sich nie sicher sein kann, ob man von allen schon gehört hat. Es gibt dort all die Gestalten, von denen ihr bestimmt schon gehört habt und ich habe Euch ja schon einige vorgestellt. Es leben dort Menschen wie wir zusammen mit Kobolden, Gnomen, Zwergen, Zauberern, Hexen, Feen und so komischen Wesenheiten, daß es selbst auf Merian keine Beschreibung für sie gibt. Von einem dieser Wesen, von dem nur wenige Bewohner von Merian gehört haben, möchte ich Euch hier erzählen. Seine Blätter wiegten sich im Wind und ein leichter Regen benetzte seine Rinde, als die Sonne langsam hinter dem Horizont verschwand und der Rangan seine tiefgrünen Augen öffnete. Eine kleine Moormaus sah in diesem Moment zu dem Rangan hinauf und erschrak fürchterlich, als dieser sich bewegte. Nur wenige konnten den Rangan bisher sehen, wenn dieser sich von seiner Pflanzengestalt in seine Tiergestalt verwandelte, weil der Rangan bei Tageslicht immer schläft und dann fest an einem Platz steht und von anderen Pflanzen kaum zu unterscheiden ist. Nachts nimmt er seine kurzen Wurzeln aus dem Boden, schaut sich vorsichtig um und wandert herum, um einen guten Platz zum Schlafen zu finden. Oft besucht er auch einen Zwerg, der seine Verwandlung einmal beobachten konnte und seitdem sein einziger Freund ist. Doch das Leben ist nicht aufregend für einen Rangan, da sein Lebenszweck daraus zu bestehen scheint, daß er sich vor den Menschen versteckt. Der Wind hatte ihm einige Male schon die ängstlichen Gedanken anderer Rangans zugetragen, die von den Menschen aus Unkenntnis mit der Axt geschlagen und zu Brettern ihrer Hütten verarbeitet worden sind. In dieser Nacht nun beschloß der Rangan, seinen Freund, den Zwerg zu besuchen, um etwas Unterhaltung zu haben. Er wanderte tief in den Wald hinein und ging zielstrebig auf die verborgene Behausung des Zwerges Taorin zu. Er stellte sich in den Eingang der von Pflanzen verdeckten Höhle und sagte leise den Namen des Zwerges mit seiner tiefen Brummelstimme. Taorin schaute von seinem Lager auf und erkannte den Rangan im Mondlicht. Er stand auf,ging auf den Rangan zu und begrüßte ihn mit einem sanften Lächeln. Der Rangan brummelte einen Gruß und betrat die Höhle. Sie setzten sich beide auf den Boden und unterhielten sich angeregt über das Waldleben, denn der Wald hatte nachts andere Eigenarten als tagsüber und es gab viel zu erzählen. Der Zwerg merkte 123
jedoch nach einiger Zeit, daß sein Freund nicht gekommen war, um zu plaudern. In seiner Stimme schwang ein Ton mit, der dem Zwerg verriet, daß der Rangan eine Sorge hatte, die er selbst nicht so genau kannte. Also fragte der Zwerg:“ Mein Freund, ich merke, daß dich etwas bedrückt, kannst Du mir sagen, was es ist?“ Der Rangan tat einen tiefen Seufzer und überlegte lange. Nach einigen Minuten des Schweigens sagte der Rangan:“ Ach weißt Du, Taorin, ich tue seit 150 Jahren jeden Tag und jede Nacht die selben Dinge und ich möchte sie nicht mehr tun müssen. Ich möchte mich nicht mehr vor den Menschen mit ihren Äxten verstecken müssen und mir Sorgen machen müssen, von jemandem entdeckt zu werden. Ich sehe keinen Sinn in meinem Tun und es wird jeden Tag schlimmer. Vor einiger Zeit habe ich mich über viele Tage nicht verwandeln können und mußte die Zeit an einem Platz verbringen. Kannst Du mir sagen, wie ich wieder Gefallen an meinem Leben finde?“ Der Zwerg mußte nicht lange überlegen, denn auch er kannte dieses Gefühl sehr gut. Er war auch schon an diesem Punkt gewesen und hatte damals einen weisen, alten Mann zu Rate gezogen. Er riet nun dem Rangan dasselbe, was dieser ihm gesagt hatte:“ Mein Freund, es gibt ein Geheimnis auf Merian, daß nur sehr wenige kennen. Es gibt eine Möglichkeit, Merian zu sehen, wie Du es noch nie vorher gesehen hast. Die Eingeweihten kennen sie, die Gegenwelt. Doch ist sie ein Ort, der niemals gleich ist und in den Augen eines jeden Wesens anders aussieht. Dort wirst du erfahren, wer du bist und wie du wieder zufrieden werden kannst. Um diese Welt zu betreten, mußt du an den Ort deiner größten Angst gehen und dich dort von dieser Angst lösen, indem du alle Sinne ausschließlich darauf konzentrierst, diese Angst nicht zuzulassen. Du mußt dich in einen Zustand der inneren Reinheit versetzen, dann wirst du die Gegenwelt betreten.“ Der Zwerg erklärte dem Rangan noch die Technik, wie er sich in diesen Zustand versetzen konnte, eine Art Meditation, und die beiden verabschiedeten sich voneinander. Der Rangan machte sich auf den Weg. Nach einem kurzen Marsch erreichte er den Ort seiner größten Angst, ein freies Feld zwischen zwei Menschendörfern. Er kam rechtzeitig zum Sonnenaufgang dort an und tat, wie der Zwerg ihm geheißen hatte. Er machte seine Sinne weit und dachte nicht an die vielen Menschen und ihre schweren Stahläxte. Sie würden ihn am Tag bestimmt entdecken, doch er dachte nicht daran. Er wandte die Meditationstechnik des Zwerges an und begann, sich zu verwandeln. Plötzlich, er dachte, er würde träumen, fand er sich am selben Platz 124
zwischen den zwei Dörfern wieder, an dem er sich verwandelt hatte, obwohl er die Augen geschlossen hatte. Doch es war alles so anders als sonst. Die Sonne strahlte goldgelb und wärmte seine Blätter und seinen Stamm und die Geräusche waren um so viel schöner als sonst, lauter und angenehmer. Die ganze Umgebung strahlte ein wohliges, alles durchdringendes Licht aus, das den Rangan schauern machte, so schön war es. Er hatte schon einige Male seine Tiergestalt am Tag behalten, doch nie hatte er seine Umgebung so erlebt und er fühlte sich etwas benommen von der Schönheit, die ihm da entgegenschlug. Er stand dort nun einige Zeit, als eine Gruppe von Menschen in seine Richtung gelaufen kam. Einige hatten eine Axt bei sich, denn sie wollten in den Wald, um Bäume für ihre Hütten zu schlagen. Sie unterhielten sich laut und bald standen sie vor dem Rangan, der, für die Augen der Menschen, seine Pflanzengestalt angenommen hatte. Doch konnte der Rangan in der Gegenwelt genau verfolgen, was die Menschen redeten und was sie taten. Diese waren sehr überrascht, denn gestern stand an dieser Stelle noch kein Baum und sie berieten sich. Nach einiger Zeit schickten sich zwei kräftige Männer an, den Rangan zu fällen. Sie setzten die Axt an seinen Stamm, als plötzlich ein Junge, der in Begleitung der Männer war, laut schrie:“ Halt. Fällt ihn nicht. Für euch sieht er aus wie ein Baum, doch er ist kein Baum. Welcher Baum könnte in einer Nacht wachsen?“ Die Männer grübelten, berieten sich und beschlossen, daß sie den seltsamen Baum beobachten wollten. Sie hörten auf den Jungen, da dieser schon oft gezeigt hatte, daß er besondere Fähigkeiten besitzt. Er hatte Wasseradern aufgespürt und Gold gefunden, was ihm Ansehen im Dorf eingebracht hatte. Der Baum erlebte diesen Moment in der Gegenwelt und konnte sein Glück nicht fassen. Die Menschen hatten ihn nicht geschlagen. Der Junge und einer der Männer blieben bei dem Rangan und warteten den Einbruch der Nacht ab. Als die Sonne unterging, begann der Rangan, sich zu verwandeln und die beiden Menschen kamen aus dem Staunen nicht mehr heraus. Der Rangan sah sie freundlich an und bedankte sich bei ihnen. Er ging wieder auf Wanderschaft und hatte seitdem keine Angst mehr, von den Menschen geschlagen zu werden. Er wußte nun, daß einige Menschen ihn kannten und er hatte keine Angst mehr vor den Menschen, die sein Geheimnis nicht kannten. Er lebte noch lange und zufrieden und sah nie wieder einen Menschen mit einer Axt in der Hand. Der junge Zauberer 125
Auf Merian gab es viele Zauberer und natürlich auch Zauberlehrlinge. Doch ihr dürft Euch einen Zauberer auf Merian nicht vorstellen, wie einen von der Erde. Die Zauberer auf Merian konnten wirklich zaubern und nicht nur Tricks zeigen. Von so einem Zauberer und seinem Lehrling möchte ich Euch hier erzählen. Kasim, der Zwerg war am Ende seiner Pubertät und wurde von seinem Meister in allem unterrichtet, was ein echter Zauberer wissen mußte. Er kannte schon alle Heilkräuter in der Gegend und konnte mit vielen Techniken Krankheiten heilen, zum Beispiel Beschwörungsformeln oder Blutreinigung. Kasim konnte kraft seiner Gedanken Dinge bewegen und Feuer entzünden. Er konnte auch seinen Körper verlassen und mit seinem Geist herumfliegen und beobachten, was anderswo geschieht. Er konnte auch so etwas wie Gedankenlesen, jedoch konnte er nicht die Gedanken aufschnappen, sondern wußte nur, was sein gegenüber in den nächsten Momenten tun würde. Das Wissen um die Gedankenkraft war sehr geheim und nur wenige Zauberer hatten dieses Wissen, es war nirgends niedergeschrieben und konnte nur von den alten Zauberern an absolut vertrauenswürdige Lehrlinge weitergegeben werden und das nur, wenn der Zauberer wußte, daß er nicht mehr lange zu leben hat. So wie der Zauberer Korsa Bahiman, der Kasim gerade zum vierten Mal ein wichtiges Heilkraut zeigte, was diesen langsam langweilte. „...das ist jetzt sehr wichtig. Du darfst die Kloipflanze, niemals kochen, wenn Du sie anwenden willst, sie wird sonst...“,“ giftig, Meister, ja ich weiß. Meister, bitte, ich kenne die Kloi schon in- und auswendig...“ sagte Kasim. Korsa antwortete:“ Habe Respekt vor dem Alter, mein Junge, ich bin immerhin schon 102 Jahre alt. Du mußt noch mehr lernen und dein Wissen immer wieder auffrischen. Heute und in den nächsten Wochen werde ich dir die letzten Geheimnisse der Culonmagie verraten und du wirst ein guter Zauberer werden. Du darfst nie deine Fähigkeiten für schlechte Zwecke gebrauchen und mit dem Schwur verpflichtest du dich dazu, den Menschen zu helfen, wo immer sie dich brauchen. Heute zeige ich dir, was du mit deinen Gedanken noch alles machen kannst. Du wirst heute lernen, deine Gedanken in Energie zu verwandeln und du wirst lernen, wie du den Willen deines Gegenübers beeinflussen kannst.“ Kasim kam aus dem staunen nicht mehr heraus, als Korsa sich plötzlich in die Luft erhob und es unter seinem Körper durscheinend-blau schimmerte. Korsa lachte mit seiner kratzigen Art und kam wieder herunter. Als er 126
stand, streckte er die Hände nach vorne und es fing an, wie vorher zu flimmern. Es entstand eine leuchtende Kugel und das Blau wurde immer dichter und entlud sich mit kleinen Blitzen in alle Richtungen. Plötlzlich löste sich die Kugel und flog mit einer enormen Geschwindigkeit über die Wiese, Korsa machte eine Handbewegung und die Kugel kehrte zurück und verschwand in den Händen von ihm. Korsa lächelte Kasim schelmisch an und sah ihn staunend und ungläubig erstarrt dastehen. „Wo-Wozu ist das nützlich, Meister?“, fragte Kasim. Korsa antwortete:“ Du kannst es zu vielem verwenden. Es ist nicht etwa deine Energie, die du da benützt, es ist Energie die in den Lüften und der Erde steckt, du lernst nur, sie zu bündeln. Dann kannst du damit kranke Wesen stärken, ja sogar, sie wieder gesund machen. Du kannst auch einen Feind damit bekämpfen, denn je stärker die Energie ist, desto eher kannst du sie auch als Waffe gebrauchen.“ Er zeigte es Kasim und dieser lernte es innerhalb von wenigen Stunden. Danach zeigte er ihm noch, wie man die Gedanken und Gefühle anderer beeinflussen konnte, sehr nützlich bei Kranken, deren Leiden eher seelischer Natur waren. Zur Demonstration verursachte Korsa ein Hungergefühl bei Kasim, der nicht merkte, daß er beeinflußt wurde. Kasim leckte sich die Lippen und äußerte sein Bedürfnis nach etwas zu essen, als Korsa ihm das Gefühl der Sattheit vermittelte und Kasim sich wunderte, warum er plötzlich satt war. Korsa zeigte es ihm und Kasim war begeistert und beschloß heimlich, daß er seinen Meister etwas ärgern würde. Er versuchte, Korsa ein jucken an den unmöglichsten Stellen seines Körpers zu verursachen. Nach einiger Zeit tat sich nichts, doch hatte Kasim das Gefühl, als würden ihn tausend Bienen in den Hintern stechen. „Au, au,auaua, Meister, Bienen!“, rief Kasim und drehte sich um, doch da waren keine Bienen. Als er sich wieder umdrehte, brach Korsa in schellendes Lachen aus und sprach, nachdem er sich beruhigt hatte:“Du mußt noch viel lernen! Ich habe deine Gedankenkraft abgeblockt und stattdessen dich beeinflußt! Ha, ha, du junger Hüpfer, habe ich alter Mann dich ausgetrickst! Ich zeige dir morgen, wie das geht. Jetzt solltest du schlafen gehen, der morgen graut schon bald. Wir treffen uns morgen bei Sonnenhochstand an der alten Eiche. Gute Nacht.“ Die beiden trennten sich und legten sich schlafen. In der folgenden Zeit zeigte Korsa Kasim noch so einige weniger spektakuläre Geheimnisse, unterbrochen von meistens sehr hochtrabenden Reden über den Geheimbund der Culonmagier und darüber, wie wichtig es war, daß er sein Wissen nur für gute Taten verwendete. Kasim ließ es über sich ergehen, wie die ganzen vier Jahre, die er jetzt schon lernte bei Korsa. 127
Korsa kündete Kasim endlich vom letzten Tag seiner Lehrzeit und versprach ihm einen krönenden Abschluß. Korsa sprach:“Heute zeige ich dir, wie du dir Unterstützung aus der Natur holen kannst. Weißt du, die meisten Leute beten, wenn sie das wollen, jedoch helfen die Naturgeister nur bei ernstgemeinten Gebeten und nur, wenn der Bittende in höchster Not ist und selbst dann sind sie noch launisch, sie helfen nur, wenn sie wollen. Ich werde dir zeigen, wie du sie sehen kannst. Was schaust du so skeptisch? Ah, ich weiß. Du glaubst nicht an die Götter und Geister. Du wirst staunen. Hä. Hähähä.“ Korsa führte Kasim zu einer Stelle, an der ein Büschel giftiger Pilze wuchsen. Korsa pflückte sie und gab Kasim die eine Hälfte, während er die andere verspeiste. Kasim rief, das die Pilze giftig seien, worauf Korsa antwortete, daß das nicht stimme. Er sagte, daß er das allen Lehrlingen im ersten Jahr erzählte, da dies eine Droge sei, die man erst bei geistiger Reife benützen dürfe. Kasim hatte Erfahrung mit Drogen, doch mied er die gefährlichen und ungesunden Drogen wie Alkohol und den Mohnsaft. Er aß die Pilze und wartete auf ihre Wirkung. Nach einer halben Stunde schienen ihm die Farben der Umgebung viel stärker und alles leuchtete in den schönsten Farben. Ein warmes Gefühl lullte ihn ein, doch er war vollkommen bei Verstand und dementsprechend verdutzt, als er seinen Meister mit einem Baum sprechen sah. Er kam in seine Nähe und schaute an die Stelle, auf die auch Korsa sah. Kasim konnte nicht glauben, was er da sah: Ein kleiner Körper begann, sich auf dem Holz abzuzeichnen. Der Körper wurde langsam plastisch und sah aus wie eine Mischung aus einem Tier und einer Pflanze, perfekt getarnt im Braun des Baumstammes und einer Maserung. Offensichtlich sprach Korsa mit dem Geist und Kasim lauschte: „ah, Kasim. Du kannst meinen Freund also sehen. Das ist ein Erdgeist. Du darfst die Hilfe der Geister nur beanspruchen, wenn es absolut notwendig ist, denn eigentlich sind sie direkt den Göttern zugeordnet und müssen tun, was diese ihnen sagen. Schau dich doch mal um.“ Kasim blickte in die Umgebung und sah plötzlich mindestens zehn verschiedene Geister, die teilweise neugierig um Kasim, Korsa und den Erdgeist herumstanden. Ein hellblau gefärbter Geist schwebte in der Luft. Korsa stellte die verschiedenen Geister vor, da waren Feuergeister, ein Wassergeist und ein Luftgeist. Ein anderer, grüner Erdgeist hatte sich der kleinen Gruppe angeschlossen. Korsa erklärte Kasim, daß ausschließlich gute Geister anwesend seien, denn es gab natürlich auch die Geister des Todes und der Zerstörung. Korsa verabschiedete den Geist, mit dem er sprach und er und Kasim gingen ihres Weges. Sie wurden noch von 128
einigen Geistern begleitet und sahen einen Todesgeist in einiger Entfernung vorbeischweben, in Richtung eines nahen Dorfes. Korsa erklärte, daß wohl die Zeit für Melchor, den Dorfältesten, gekommen war. Die Todesgeister wurden nur als schlecht angesehen, waren jedoch ebenso notwendig wie die anderen Geister, denn sie alle waren unentbehrlich für das Leben, wie der Tod es eben auch war. Kasim fröstelte es etwas beim Anblick des schwarzgrünen Geistes und er schaute weg. Langsam verschwanden die Geister wieder in der Umgebung, die Wirkung der Pilze ließ langsam nach. Korsa und Kasim gingen zu Melchor und gaben ihm Kräuter, die ihm den Übergang in die Totenwelt erleichtern sollten. Korsa und Kasim besuchten noch einige Monate lang Kranke und andere Hilfsbedürftige und Kasim genoß seine neue Eignung zum Zauberer, als Korsa eines Tages äußerte, daß er nur noch drei Tage zu leben hatte, das hatte er von den Geistern erfahren, die er bei wichtigen Fragen oft zu Rate zog. Er äußerte die Hoffnung, daß er als Geist weiterexistiern durfte nach seinem Tod. Er mußte jedoch eine lange Prüfungszeit in der Totenwelt überstehen, wo er sich für seine Taten in der Welt der Lebenden rechtfertigen mußte. Er war guten Mutes, da er immer reinen Gewissens war und sich nichts zu Schulden hat kommen lassen, doch das entschieden die Götter und jedem Gott konnte man es einfach nicht recht machen. Nach drei Tagen verstarb Korsa und Kasim war sehr traurig, befolgte jedoch brav die Anweisungen Korsas und ging seinen üblichen Aufgaben nach. Er hatte auch über zwei Jahre nichts außergewöhnliches zu tun, schloß einige Freundschaften mit anderen Zauberern und machte sich gut als Culonmagier. Eines Tages, es war ein früher Sommermorgen, bekam er eine Eingebung. Sehr viele Culonmagier mußten ihn rufen, denn die Eingebung war stark und er hatte danach ein dumpfes Pochen im Schädel. Er machte sich auf den Weg und wußte instinktiv, wohin er gehen mußte. Er ging drei Tage durch Wald und Wiesen, als er auf ein befrundetes Dorf traf, in dessen Mitte sich zwölf Zauberer versammelt hatten. Sie diskutierten und ein alter Magier namens Dahmian Creschan war offensichtlich der Wortfüherer, das Recht der Älteren. Kasim näherte sich der Gruppe und zeitgleich verstummte die Diskussion und alle drehten sich in seine Richtung um. Dahmian sprach zu ihm: „Hör mir gut zu, junger Culon. Die Menschen haben uns eine neue Plage geschickt. Wir beobachten seit einiger Zeit die Aktivitäten eines Menschenzauberers, ein Lokwarmagier, der die Gegend tyrannisiert. Er hat schon drei Dörfer zerstört und tötet alle, die ihm und seiner Bande kein Gold oder Diamanten 129
geben. Wie alle Menschen ist er habgierig und er hat die Unterstützung von Dohlki, dem Gott der Zerstörung. Vier Culonzauberer hat er schon getötet und wir müssen uns dem Kampf stellen, wie es der Bund von uns verlangt. Junger Culon, wenn du bereit bist, ziehe mit uns in den Kampf. Wir haben den Kampf vereinbart. Er wird in einer Woche im Tschedartal stattfinden.“Kasim stimmte zu und begrüßte die Magier mit dem Culongruß. Sie diskutierten über die Taktik und redeten über die Schwächen des Lokwarmagiers Martin. Sie meditierten viel und zogen drei Tage vor dem vereinbarten Termin in das Tschedartal. Als sie ankamen, sahen sie mit Genugtuung, daß sie zahlenmäßig überlegen waren, dreizehn Culonmagier gegen einen Lokwarmagier und vier Menschen, die allesamt nicht sonderlich schlau aussahen. Die Aufstellung wurde eingenommen und die dummen Menschen, die Martin anführte, schossen mit Pfeilen nach den Magiern, die von konzentrierter Energie abgelenkt wurden. Martin hielt sich im Hintergrund, bis der erste Mensch fiel. Der Räuber stieß sich sein Schwert selbst in die Brust, er war von einem Culonmagier beeinflußt worden, als Martin die Kapuze seines schwarzen Mantels herabzog und sein durch Narben entstelltes Gesicht entblößte. Er hob die Hände und eine schwarze Kugel begann sich zwischen ihnen zu bilden. Er stieß sie mit einer Handbewegung von sich und sie flog zu der Culonmagiergruppe. Die Kugel verhielt sich entsprechend der Handbewegungen Martins und durchstieß die Körper von drei Culonmagiern, die noch etwas unerfahren waren. Die älteren Culon schützten sich mit konzentrierter Energie und hoben ebenfalls die Hände. Kasim tat es ihnen nach und sie stießen ihre blauen Energiekugeln in die Richtung der Angreifer. Allein vier Kugeln flogen auf Martin, doch plötzlich war er verschwunden. Seine Mitstreiter wurden durchlöchert und starben ebenso qualvoll, wie die getroffenen Culonmagier. Die Culonzauberer suchten Martin, der hinter ihnen auftauchte und laut lachte.' Lokwarmagie!', dachte Kasim und die Zauberer duckten sich, als erneut eine Kugel konzentrierter Energie auf sie zukam. Jetzt wandte Martin wieder seinen Trick an und tauchte nacheinander bei allen von Kasims Mitstreitern auf und tötete alle, bis auf Dahmian und Kasim, die sich nun ängstlich durch ein Energiefeld schützten, daß nur schwer durchdrungen werden konnte. Sie sprachen die guten Geister an, die in der Nähe waren und baten um Unterstützung. Martin stand vor ihnen und grinste siegessicher, als Kasim und Dahmian versuchten, seinen Geist zu beeinflussen, mit gemeinsamen Kräften. Sie scheiterten, denn Martin war eingeweiht und konnte sie abwehren. Martin lachte laut und wurde 130
sich nicht der unsichtbaren Geister bewußt, die sich um ihn herum ansammelten. Sie schickten Dahmian und Kasim die Bestätigung über ihre Bereitschaft ihnen zu helfen. Martin schaute überrascht, als er sich plötzlich in die Luft erhob und immer schneller nach oben stieg. Er fluchte und schrie, doch das half ihm nicht, denn die Götter hatten seinen Tod beschlossen und die Geister der Vernichtung hatten sich gegen ihn gewandt. Er schwebte etwa 80 Meter hoch, als er einfach zerplatzte und seine Körperteile wieder auf den Boden zurückfielen. Trotz der herben Verluste, freuten sich Dahmian und Kasim über den Erfolg und gingen in das nächstgelegene Dorf, um ihren Erfolg zu feiern und die Leute zu beruhigen. Kasim hatte seine erste wahre Prüfung bestanden und hatte teil gehabt an dem unverständlichen Spiel, das die Götter spielten. Die Menschenkriege Auf Merian gab es immer wieder Auseinandersetzungen wie der Krieg gegen die Unterirdischen. Jedoch waren die Kriege unter den Menschen die schlimmsten, denn es gab viele Opfer, was bei anderen Kriegen nicht so war, denn auf Merian war es eigentlich eine Sache der Ehre, niemanden schwer zu verletzen oder gar zu töten. Die Weisen hatten schon vor langem beschlossen, daß es keinen Krieg mehr geben soll, da die Bevölkerung sehr klein war und auf diese Weise weniger starben, nur auf natürliche Weise sollte gestorben werden. Doch hielten sich natürlich nicht alle an die Weisung des Rats, vor allem die Menschen, die sich jahrtausendelang nicht dem Rat unterwarfen und natürlich einigen abtrünnigen Gruppen, die auf ihrer Eigenständigkeit beharrten. Die Menschen kämpften wegen jeder Kleinigkeit und ganz Merian zitterte vor menschlichen Räuberbanden und der Agressivität der menschlichen Siedler, die sich immer nahmen, was sie wollten. Ich möchte Euch von den zwei Kriegen erzählen, die die Menschen schon vor einiger Zeit geführt haben. Es gab im Jahr 56.830 seit der Einführung des Rats der Weisen auf Merian vier große Menschenstädte, verteilt auf dem ganzen Planeten. Die Menschen hatten eine für die anderen Bewohner Merians seltsame Art und Weise eingeführt, ihr Territorium aufzuteilen. Sie hatten den Planeten in vier Zonen aufgeteilt und beanspruchten ganz Merian für sich, was jedoch 131
keinen interessierte. Vielmehr wurde darüber gelacht, denn die anderen Bewohner Merians waren doch deutlich in der Überzahl, etwa 20mal soviel körperliche Wesen lebten auf Merian, wie Menschen. Außerdem war ein Territorium auf Merian unwichtg und ein Zwerg, dem ein Karte von Merian gezeigt wurde, konnte schwer verstehen, warum es Grenzen zwischen den menschlichen Gebieten gab, das Wort Grenze gab es in der Zwergensprache nicht. Die Städte der Menschen waren häßlich und es war dreckig. Sie hatten Straßen gebaut und hohe Häuser und bewegten sich mit Rahmanwagen vorwärts, die pferdeähnlichen Tiere wurden auch für den Feldanbau genutzt. Die Menschenfrauen zogen sich lustig an und bemalten sich die Gesichter, was immer wieder Anlaß zu Witzen auf ganz Merian war, doch davon ließen sich die eitlen Frauen nicht beeindrucken, sie gingen immer stolz einher und imponierten den Menschenmännern. Die Männer wiederum trugen meist Messer und Hosen aus Leder und Stoff. Die Städte waren verrufen als Hort der Sünde und keine anderen Merianer trauten sich in sie hinein, auch weil die Menschen sie nicht immer gut behandelten. Nun kam es, daß die Stadt Derling und die Stadt Farthinden einen Streit hatten. Die Händler aus Farthinden durften keine Wolle mehr an die Stadt Derling verkaufen, weil sie viel billiger war, als die der Derlinger und so die Wollhändler und die Schafhirten in Derling entschieden, daß keine Wolle mehr aus Farthinden verkauft werden durfte, der Rat der Stadt stimmte zu und die Händler durften die Stadt nicht mehr betreten. Im Gegenzug fingen die Farthinder an, kein Eisenerz mehr an Derling zu verkaufen, um den Wollhandel wieder zu erzwingen. Doch Derling verkaufte dann einfach keine Waffen mehr an Farthinden und so blockierten sich die beiden Städte gegenseitig, jeweils mit den Waren, die man in der anderen Stadt nicht bekommen konnte. Es ging dann so weiter, daß keine Farthinder mehr nach Derling durften, ebenso umgekehrt. Da Derling nach einer Zeit das Erz für die Waffenproduktion ausging, beschlossen sie, die Erzgruben, die Farthinden gehörten, zu besetzen und es selbst abzubauen. Die Derlinger stellten ein Truppe von 20.000 Mann auf und machten sich auf die monatelange Reise nach Farthinden, wobei sie auch ein Meer überqueren mußten. Sie nahmen auf ihrer Reise die Männer von befreundeten Dörfern auf und wuchsen so auf 67.000 Mann heran, alle bis auf die Zähne bewaffnet. Das Meer überquerten sie mit Schiffen, die von überall her beschlagnahmt wurden und als sie am Ufer der Farthindenregion ankamen, wußte man dort schon längst, was auf 132
Farthinden zukam. Die Stadtmauer wurde verstärkt und die jungen Männer auf einen Krieg vorbereit und aus den Dörfern wurden alle Männer rekrutiert, die man kriegen konnte. Sie wurden mit den modernsten Bögen ausgestattet und mit Eisenschildern und Speeren. Die Ritter der Stadt trugen Rüstung und waren die einzigen, die auf Rahmans reiten durften. Die Erzgruben wurden durch Soldaten geschützt und es kam schließlich zum Kampf um die Gruben und schlußendlich um die Stadt Farthinden. Die Farthinder waren 120.000 Mann und man stellte sich auf einen Sieg ein. Doch der Kampf sollte schwieriger werden, als man sich das vorgestellt hatte Am frühen Morgen eines eiskalten Wintertages begann die Schlacht um Farthinden. In der Dunkelheit flogen brennenden Pfeile in die Stadt und bald brannte es in den aüßeren Bezirken der Stadt, wofür natürlich Männer von den Soldaten abgezogen werden mußten, die das Feuer löschen konnten. Als das passierte, legten die Derlinger eine künstliche Brücke über den Wassergraben, der ganz Farthinden umringte, danach gingen 20 Mann mit einem Rammbock daran, das schwere Eisentor aufzubrechen, hatten jedoch den ganzen Tag keinen Erfolg und viele Derlinger starben durch das heiße Pech, das auf sie geschüttet wurde von den Mauern aus. Auch wurden sie mit Pfeilen beschossen und man traute sich schließlich nicht mehr an die Stadt heran. Die künstliche Brücke wurde durch Feuerpfeile in Brand gesteckt und die Derlinger mußten ihre erste Attacke abbrechen. Einzelkämpfer aus den Dörfern schlichen sich in die Lager der Derlinger und legten auch dort Feuer, man vergiftete die beschlagnahmten Brunnen und legte vergiftetes Brot in den Bäckerein der Gegend aus, um die Derlinger dahinzuraffen. Doch nach einigen Tagen war eine neue Brücke gebaut worden und man beschloß, die Mauern mit Leitern zu besteigen und das an vielen Stellen, um die Abwehr zu erschweren. So passierte es und nach einem erbitterten Kampf konnten schließlich die Eisentore von innen geöffnet werden und die Derlinger erstürmten die Stadt. Die meisten Soldate wurden getötet, der Rest geriet in Gefangenschaft. Man brachte die Stadt unter Kontrolle und transportierte alle Waffen und das Erz nach Derling, außerdem waren nun die Erzgruben im Besitz der Derlinger. Die Farthinder arrangierten sich mit der Fremdherrschaft und es ging einige Zeit gut, bis ein zweiter Krieg begann. Die umliegenden Dörfer wollten sich nicht mit den hohen Steuern und der neuen Bevormundung zufrieden geben und es gab einen erneuten Kampf um die Stadt. Die freigelassenen Farthinder verbündeten sich mit den Bauern und sogar Frauen machten bei dem neuen Krieg mit. 133
Da die Derlinger nichts ahnten und nur die Stadtoberen und die Soldaten gebürtige Derlinger waren und alle anderen Derlinger zu ihren Familien heimgekehrt waren, war die Überraschung perfekt und Farthinden wurde zurückerobert und die Verteidigung verbessert, jedem Angriff würde jetzt getrotzt werden können und Kasernen wurden überall in der Region Farthindens gebaut. Die Menschen wurden allgemein bedauert, vor allem, da sie zwar groß waren, aber offensichtlich nicht sehr viel Mitgefühl besaßen, metzelten sie sich doch gegenseitig nieder. Der Rat beschloß nach den Kriegen, daß die Menschen ab sofort nicht mehr unterstützt werden durften und daß Kontakte zu Menschen vermieden werden sollten. Außerdem sollte die Waffenproduktion der Menschen sabotiert werden. Das gelang recht gut, doch die Menschennatur war nun einmal eher eine feindselige und sie lernten nichts von den Merianern, die zwar das Wissen um den Bau von Waffen besaßen, jedoch sie nur selten benutzten. Ab da hatten die Menschen nur wenig Sympathisanten auf Merian und man mied sie. Der kleine Wurm Ihr denkt jetzt wohl, daß es auf Merian nur große, bedeutende Ereignisse gab, doch ich möchte Euch von einem Tier erzählen, daß manchmal achtlos zertreten wird, ohne, daß jemals darüber gesprochen wird. Ein kleiner Wurm, und was ihm widerfuhr, davon erzähle ich Euch jetzt. Nicht etwa, daß der Wurm wie ein Wurm bei uns wäre, er denkt wie wir und kann sogar sprechen. Er sieht etwas schlecht und lebt schon lange unter der Erde. Der Wurm war gerade dabei, einen seiner vielen Gänge zu graben, als er anfing, darüber nachzudenken, wieso er eigentlich jeden Tag das Gleiche machte. Er tat das, was ein Wurm eben so tat, graben, verdauen, weitergraben. Doch der Wurm wollte an die Oberfläche und den Tag erleben, statt immer nur in Dunkelheit zu leben. Er entschied, nocheinmal Kraft zu tanken und dann an die Oberfläche zu gehen. Er ruhte sich aus und grub sich die kurze Strecke nach oben durch, ohne einen seiner gänge zu benutzen. Er kam unter einem Stein hervor und mußte etwas buddeln, um unter dem Stein hervorzukommen. Er konnte die kleinen Augen nicht öffnen und nur sehr, sehr langsam sah er die Umrisse eines Baumes klarer werden und...etwas kam auf ihn zu. Er konnte noch nicht recht erkennen, was da auf ihn zukam, doch shcon stoppte das trippeln, das er hörte und 134
eine Stimme sprach:“Haha, seht Euch dieses häßliche Tier an, ganz nackt und häßlich. Sicher ein Wurm aus der Erde,haha, die sind ja etwas dumm. Was sagt ihr, Freunde?“ Drei Stimmen erklangen:“Stimmt, er ist absolut häßlich...und schleimig....und dumm ist er wohl auch, der kann ja nicht mal sprechen..“,“Und er sieht irgendwie komisch aus, kommt wir ärgern ihn etwas, wir sind schlau und wollen ihn mal etwas foppen.“,“Ja,hähähä, foppen, foppen, foppen!“ Der Wurm konnte langsam erkennen, mit wem er es zu tun hatte, vier bunt schillernde Käfer. Er kannte nur schwarze Käfer, so etwas hatte er noch nie gesehen. Er bewunderte die Schönheit der Käfer und hatte auch etwas Angst, denn er hatte sehr wohl verstanden, was sie eben gesagt hatten. Der große Käfer sprach:“Sag, Wurm, wo kommst Du her?“ „Aus der Erde“, antwortete der Wurm und die Käfer lachten und der Große antwortete:“Ja, woher denn sonst, du Idiot!“ Die Käfer lachten und der Große fragte den Wurm, der etwas eingeschüchtert war:“Sag, warum hast Du keinen Panzer und bist so...nackt?“ “Ich weiß nicht, so war ich schon immer.“sagte der Wurm. Der etwas kleinere Käfer sagte:“ Soooo häßlich, klein und....schleimig?“ Der kleine Wurm war etwas verwirrt:“Ja...so war ich halt schon immer.“ „Das hast du jetzt schon zweimal gesagt. Wieso bleibst du nicht unter der Erde, wo häßliche Dinger wie du sich verstecken sollten?“ fragte der große Käfer. „Ich...ich wollte mal sehen, wie es hier oben so ist.“, sagte der Wurm. Der mittlere Käfer sagte:“ Du bist hier in unserer Welt, in der Welt der Schönen und Schlauen und wir sind hier die Chefs. Doch du kannst bleiben, wir sind ja nicht so, wir sind sehr großzügig, und vielleicht kannst du sogar unser Freund werden und unsere Panzer polieren!“ Die Käfer lachten böse und machten sich gerade weiter über den kleinen Wurm lustig, als ein großer Schatten auf die kleine Gruppe fiel. Der Wurm schaute nach oben und sah einen Fuß herunterkommen und verschwand so schnell er konnte in seinem Loch und unter dem großen Stein. Er hörte noch ein Knackgeräusch, als er in der Tiefe verschwand und kam wieder hervor, als der Boden aufhörte, zu vibrieren. Er sah einen Haufen Käfermatsch und überraschte sich, wie er schadenfroh etwas vor sich hinmurmelte. Die Käfer waren nun nicht mehr so schön und die Madenfreunde des kleinen Wurms würden den Rest erledigen. Der Wurm dachte, daß das wohl eines der in der Erdwelt berüchtigten Stampfwesen gewesen war und ihm schauerte bei der Erinnerung an den Fuß. Er schaute sich um und beschloß, etwas die Gegend zu erkunden. Die Sonne brannte auf ihn herab und die ungewohnte Wärme fand er irgendwie ganz angenehm. Er kam in eine Wiese hinein, denn er war auf einem 135
Trampelpfad herausgekommen und nun auf dem Weg zu einem Baum. Er schlängelte sich und traf eine junge Raupe, die wohl noch nie einen Wurm gesehen hatte. Die Raupe erschrak:“Ja huch, du bist aber kahl, wo kommst du denn her?“ „Hallo, ich bin ein Wurm. Ich lebe unter der Erde und schaue mir deine Welt an, willst du sie mir zeigen?“ fragte der Wurm, der schon eine Raupe kannte.„Na klar, ich heiße übrigens Kaspar und werde bald ein Schmetterling sein, groß und bunt und ich kann dann fliegen!“, sagte die Raupe stolz. „Was ist denn ein Schnätterling? Und was ist fliegen?“ fragte der Wurm. Die Raupe antwortete:“Schmetterling, es heißt Schmetterling und fliegen bedeutet...na ja, wie soll man das sagen, ich werde in der Luft laufen können.“ „In der Luft LAUFEN? Wie geht denn das? Und du wirst bunt sein, etwa wie ein Käfer?“ fragte der Wurm. „Viel schöner als ein Käfer. Außerdem werde ich nicht so eingebildet sein wie die Käfer, sie verstehen ja nichts von der Verwandlung zu einem Schmetterling. Außerdem sind Käfer ziemlich dämlich und manche fressen sogar Raupen. Doch sie sind nicht so schlimm wie die Spinnen. Oder die Vögel, die sind furchtbar groß und böse, vor denen mußt du dich in acht nehmen. Auch vor den Füßen der Menschen warne ich dich. Folge mir, wir gehen auf den Baum da hinten und du kannst dir die Welt einmal von oben anschauen.“ sagte die Raupe und die beiden machten sich auf den Weg zu dem Baum, der unglaublich hoch war und der kleine Wurm konnte seinen Wipfel nicht sehen. Er fragte verwirrt:“Spinnen kenn ich ja, die sind echt fies, aber Vögel, was ist ein Vogel?“ Die Raupe sagte:“ Vögel sind riiiiesig und fressen alles kleine! Die können auch fliegen und sind echt gemein. Wir müssen aufpassen, daß uns keiner sieht, wenn wir auf dem Baumstamm sind.“ Die beiden kamen an den Baum und die Raupe schaute sich angestrengt um. Sie machten sich auf den Weg nach oben und die Raupe wies den Wurm an, nicht nach unten zu sehen. Sie kletterten sehr lange und kamen endlich auf dem aüßersten Ast in der Mitte des Baumes an. Der Wurm staunte und konnte sich gar nicht satt sehen an der Weite und den Farben:“Wooow, das ist ja...das ist ja toll. Wo ist denn das Ende der Welt, das sieht man ja gar nicht. Und die Dinger da unten, was ist denn das?“ Die Raupe sagte:“Die Welt hat kein Ende, sie ist unendlich, sagt man. Später werde ich so weit fliegen, wie ich will. Die Dinger nennt man Menschen, die sind auch gefährlich. Sie treten auf uns und merken das nicht mal, ist das nicht schrecklich?“ „Toll. Das sind ja die Stampfer, diese Menschen. Wegen denen wackelt die Erde immer so, die kenne ich nur von unten. Zeig mir noch mehr. Was ist das für ein...fliegendes Ding?“ fragte der Wurm.“Das ist ein Falke, ein Vogel, 136
sehr, sehr böse. Siehst du seinen Schnabel, mit dem hackt er kleine Tiere wie dich und mich. Versteck dich und bewege dich nicht, dann kann er uns auch schlecht entdecken.“sagte die Raupe und sie krochen unter ein Blatt. Von dort erklärte die Raupe die Welt aus ihrer Sicht und beschrieb die Tiere, die sie kannte. Zwischendurch kam eine kleine Spinne vorbei und die Raupe stellte einige Borsten auf, worauf die Spinne verschwand schnell. Die Raupe erklärte, daß sie giftig sei und spinnen seien etwas feige. Der Wurm bewunderte die Raupe und konnte sich beim besten Willen nicht vorstellen, was ein Schmetterling ist, worauf sich die Raupe bemühte, es zu erklären, als plötzlich ein Schmetterling vorbeiflog, kurz schwebte und sich dann entfernte. Der Wurm staunte und staunte und hatte tausend fragen. Die Raupe redete viel, als plötzlich ein Vogel angeflogen kam und die beiden erstarrten. Der Vogel setzte sich auf den gleichen Ast, auf dem auch sie waren und suchte offenbar nach etwas zu essen, denn er bewegte den Kopf hin und her. Die Raupe verhielt sich ruhig, doch der Wurm bewgte sich und der Vogel bemerkte ihn und pickte nach ihm. Er hackte dem kleinen Wurm einen Teil seines Körpers ab und dieser fiel vom Ast und prallte auf der Erde auf. Er grub schnell ein Loch in den Boden und verschwand gerade in der Erde, als der Vogel über ihm landete und mit dem Schnabel im Boden wühlte. Der Wurm war jedoch schon zu tief im Boden und der Verlust des Teils, das der Vogel gefressen hatte, war nicht so schlimm, das würde heilen. Er war wirklich froh, am Leben zu sein und dachte sich, daß zwar alles sehr schön sei da oben, vor allem die Käfer und die Schmetterlinge. Aber es war furchtbar gefährlich und er wollte nie wieder an die Sonne. Er würde von jetzt an bleiben, wo er hingehörte und das tun, was ihn vorher so gelangweilt hatte. Außerdem dachte er sich, gab es für jedes Tier seinen Platz auf dieser Welt und wußte nicht, daß er da einen sehr weisen Gedanken gehabt hat. Worstan Auf Merian gab es viele Götter, für fast jeden Zweck wurden sie angebetet und verehrt. Es gab gute und böse Götter und sie bestimmten wirklich die Schicksale auf Merian, egal, was einige Bewohner Merians glaubten. Doch es gab Götter, die man nicht richtig einordnen konnte und die die Seiten wechselten, wie sie es wollten. Sie entzogen sich fast jeder Kontrolle und funktionierten nur nach den Gesetzen, die das unergründliche Universum für den Lauf der Welten vorgesehen hatte. Diese Götter nannte man die Schicksals-, Universal- und Chaosgötter. Und so ein Chaosgott war 137
Worstan, ein Gott der, so dachte man, tat, was er wollte. Er verursachte die seltsamsten Dinge auf Merian und viele dachten dann, daß die Götter wohl verrückt waren. Von Worstan, einem Gott des Chaos, möchte ich Euch hier erzählen. Worstan war ein Wirrkopf. Er stiftete Streit unter den Göttern und war ein Meister der Verwandlung. Er hatte einmal sogar das ewige Liebespaar unter den Göttern, Dehran und Leila, den Gott des Kampfes und die Göttin der Leidenschaft, getäuscht, indem er, verkleidet als Leila, Dehran beschimpfte und ihn einen Mörder und Verbrecher schimpfte. Dieser ging zu Kira, der Mutter Leilas und war verwirrt, bis diese ihn aufklärte und man Worstan fand, lachend und spottend. Dehran war wütend und das Chaos nahm seinen Lauf, wie es Worstan beabsichtigt hatte, Dehran warf einen Speer nach ihm und dieser flog über dem sich duckenden Worstan vorüber und flog auf die Erde. Er traf einen bis dahin friedlichen Mann, der ab diesem Zeitpunkt nur noch Streit suchte und viele Männer mit List und Tücke tötete. Doch Worstan tat auch harmlose und unverständliche Dinge, er versteckte Gegenstände und erfreute sich dann an den ratlosen Suchern auf Merian oder er klaute sämtliche Kleidungsstücke einer schönen Frau, die dann am nächsten Tag nicht aus dem Haus gehen konnte. Er benahm sich immer so seltsam und immer fiel ihm etwas neues, noch verwirrenderes ein, scheinbar ohne Sinn und Zweck. Er wurde auch gebremst, doch das konnte nur Redeka, eine Schicksalsgöttin. Sie überzeugte ihn davon, daß er bestimmte Dinge doch unterlassen sollte. Aber sie hatte auch viel zu tun und konnte nicht immer ein Auge auf Worstan haben, so auch an dem Tag, als er einen Verräter in den Rat der Weisen schleuste. Worstan dachte sich, daß die eingebildeten Weisen eine Wahrheit lernen mußten, nämlich, daß nichts von Bestand ist und daß die Götter die Macht der Entscheidungen besäßen, nicht die Weisen. Sie taten immer das, was sie wollten und wurden von vielen Göttern unterstützt. Das stank ihm und er wollte etwas Unruhe stiften. Zu diesem Zweck wählte er einen verrückten Zwerg aus, Kertian, den Narren. Er hauchte ihm Verstand und Erfahrung ein und stattete ihn mit Zauberkräften aus. Kertian, ein bekannter Scherzbold und Unhold, fühlte sich plötzlich zu Höherem berufen und legte die Prüfungen des Rates ab, die er sämtlich bestand. Er wurde aufgenommen und bewährte sich zuerst als Ratgeber und dann als Mitglied des Ratszirkels, die Stufe unter dem Rat der Weisen. Dort entschied er, daß alle Zwerge, die in Dörfern lebten, sich von den 138
Einzelgängern abheben mußten, indem sie rote Schuhe trugen und Witze über den Rat machten. Das wurde natürlich verworfen und man zweifelte an Kertian, legte es jedoch als den Scherz eines klugen Geistes aus. Er wurde nach einiger Zeit zum Meister des Zirkels benannt und tat lange nur vernünftige Dinge, bis Worstan ihm die Vernunft nahm und ihn mit den Kräften des Chaos ausstattete. Von da an war Merian für einige Zeit das reinste Irrenhaus. Der Ratszirkel mußte nackt zusammenkommen und Tierlaute von sich geben. Der Rat der Weisen legte dies als Demutsbeweis der Zirkelmitglieder aus und ließ Kertian schalten und walten, über seinen Witz lachend. Es folgten die unmöglichsten Auflagen, wie die, daß alle Frauen sich einen Bart stehen lassen mußten, wenn sie so veranlagt waren und die Männer durften nur noch kleine Mäuse jagen und sich von Brennesseln ernähren. Worstan lachte und lachte, bis sich alles aufklärte und Kertian aus dem Zirkel entfernt wurde. Das Chaos hatte zugeschlagen und würde es wieder, Worstan würde schon dafür sorgen.
BONUS EIN THEATERSTÜCK, LEICHT ZU ARRANGIERN+EINE ALTERNATIVE LEBENSART
Gespräch mit einem Neonazi Personen: Karl Rosenfeld, Journalist, Sohn jüdischer Eltern, Vater im KZ ermordet, 62 Jahre alt(RO) Kevin H., Neonazi, um die zwanzig Jahre alt(K) RO sitzt K gegenüber in der Wohnung des K, klein schmutzig und eine Lampe auf dem Tisch zwischen ihnen beleuchtet die 139
Wohnung im Dämmerlicht des schwindenden Tages. Beide sind im Anzug, nur RO ist etwas schlampig, die Anzugsjacke offen und beide rauchen. Vor ihnen liegen Unterlagen, jeder ist vorbereitet auf das Gespräch. K wirkt ruhig, RO überlegen und etwas arrogant.
RO: Kevin, wie sie mir erzählt haben, sind sie aktiv als Parteimitglied der NPD. Sie haben, nach ihrer Aussage, noch keine Gewalt gegen politische Gegner oder Menschen angewandt. Sie sollen hauptsächlich neue Mitglieder werben und diese betreuen in Fragen des Image und der Pressearbeit. Sie sollen wiederholt öffentlich zur Gewalt gegen Ausländer und Andersdenkende aufgerufen haben. Ist dies im Sinne ihrer Partei? K: Herr Rosenfeld, Gewalt liegt in der Natur des Menschen, ich sehe sie als erlaubtes Mittel der Durchsetzung von politischen Meinungen, wenn die Regierung mit unterdrückerischen Mitteln arbeitet. Wir müssen uns schließlich wehren gegen die Untergrabung der Rede- und Meinungsfreiheit und unserer Rechte, unsere politische Einstellung nach außen zu tragen, wie das auch jeder Mensch macht, der die SPD wählt und damit, zum Beispiel, den Krieg im ehemaligen Jugoslawien unterstützt und mitverantwortet hat. Meine Partei ist natürlich demokratisch, sie akzeptiert es, daß ich Meinungen habe, die nicht parteikonform sind. RO: Wann haben sie ihre Affinität zu rechtem Gedankengut entwickelt? K: Als ich 16 war, hat mir in der Schule jemand Hitlers `Mein Kampf`` empfohlen. Ich habe es gelesen und stimme mit vielem überein, was Hitler so geschrieben hat. 140
RO: Was hat sie an dem Buch so fasziniert? K: Hitler ist einfach ein beeindruckender Mensch, er hat Recht, wenn er auf die damals reichen Juden schimpft. Er hatte ein Herz für die Unterdrückten. RO: Auch fur die sechs Millionen Juden, deren Tod er zu verantworten hat? K: Sind sie Jude? Rosenfeld ist doch ein jüdischer Name. Wie finden sie die systematische Ermordung von Palästinensern von den Israelis? Ist das gerecht? RO: Nein. Frieden ist immer besser als Krieg. Aber sie haben meine Frage nicht beantwortet. Ist die Ausrottung der Juden gerechtfertigt gewesen, die schlimmen Experimente, Mord an Kindern? K: Ach wissen sie, das sind doch Untermenschen, genau wie die schwarzen Affen oder die Reisfresser, was glauben sie, warum die alle so arm sind? Kennen sie Darwin, er hat festgestellt, daß der Stärkere überlebt, das ist ein Naturgesetz, das kann ihnen jeder Biologe bestätigen. Die Deutschen haben die besseren Gene, schauen sie sich doch an, was dieses Land geleistet hat, nachdem die Juden tot oder ausgewandert waren. Die Arier sind die Herrenrasse, die Zukunft gehört den Weißen! Hier gibt es nur noch Juden, die keine Gefahr mehr darstellen, so wie sie. RO entschuldigt sich, verschwindet auf die Toilette und erbricht sich. Danach sieht man RO an einer Pistole herumfummeln, die er aus seiner Anzugsinnentasche herausgeholt hat. K gießt RO währenddessen ein Glas Wasser ein und erkundigt sich bei ROs Rückkehr, ob es ihm gut gehe, betont besorgt. RO( zögert): Was genau verstehen sie unter einem Arier? 141
K: Die Arier sind Nordmenschen, der große, weiße und tapfere Krieger. Es gibt keinen bestimmten Typus, er sollte blond und blauäugig sein, es gibt aber auch östliche Arier und südliche, sie haben dunklere Haare und Augen. Sie unterscheiden sich deutlich von Juden, sie sind nicht so gedrungen und haben keine krummen Nasen, der Unterschied zu Negern und Türken ist offensichtlich. RO: Sie sind kleiner als ich, ihre Augen sind braun, sie haben schwarze Haare. Sind sie ein arischer Krieger? K: Ich bin Sturmbannführer. RO(grinst, beherrscht sich): Soso. Bei der SS? K(ernsthaft): Natürlich nicht. In meiner Wehrsportgruppe. Ich trainiere regelmäßig und bereite mich auf den Befreiungskampf vor. RO: Wann werden sie kämpfen? Sind sie ein Terrorist? K: Ja, ich kämpfe für die nationale Bewegung in Deutschland. Wir werden dann kämpfen, wenn es genug Mitstreiter gibt, haben sie keine Sorge, es dauert nicht mehr lange. RO: Gegen wen richtet sich ihr Hass? K: Die Ausländerfreunde. Die Juden. Die Türken, Albaner, Neger, die Anarchisten, Kommunisten, die Mischlinge und die Negerhuren, der Antifa, der entarteten Kunst, allem, das nicht deutsch ist, eben. RO: Was ist deutsch? K: Nicht das, was wir heute sehen. Deutsch war Ordnung, 142
Disziplin, Gehorsam und Gründlichkeit. Dafür stehe ich. Ich werde teil sein der Bewegung, die im Moment stattfindet, eine neue, blühende Jugendkultur ist entstanden. Der Osten erhebt sich gegen Überfremdung und die Schmarotzer, die uns Steuerzahler ausbeuten und dieses Land ruinieren. RO: Was sagen sie dazu, daß die Deutschen in einigen Jahrzehnten die Minderheit in Deutschland darstellen werden? K: Das wissen wir zu verhindern. RO: Sprechen sie hier für die Partei? K: Nein. Hier spreche ich als Privatmann. Wir sind uns doch einig, daß ich anonym bleibe? So haben wir es abgesprochen und sollten sie sich nicht daran halten... RO(unterbricht K): Dann? K: Das werden sie dann schon sehen. RO: Keine Sorge. Ich werde keine Daten weitergeben. Es wird auch alles gedruckt, was sie sagen, wie abgesprochen. K: Ja. RO(sieht kurz auf ein Blatt Papier): Sind sie schon einmal angegriffen worden? K: Ja, bei einer Demonstration bin ich von einer Zecke geschlagen worden. Meine Kameraden haben mir geholfen und der Punk landete im Krankenhaus. RO: Sie meinen einen Antifaschisten. 143
K: Ja, eine Zecke. RO: Wie stehen sie zur Demokratie? K: Ich bin Demokrat. Wir werden unsere Ziele in der Hauptsache auf demokratischem Weg erreichen. Sollte es jedoch notwendig sein, werden wir auch zu anderen Mitteln greifen. RO: Nutzen sie auch die neuen Medien? K: Natürlich. Wir stehen in engem Kontakt mit Guppen in aller Welt, die uns nahe stehen. Das Internet ist mein zweites zuhause geworden. Ich sitz mehr vor dem Computer, als daß ich meine Freundin sehe(lacht). RO: Sie haben eine Freundin? K: Ja. RO: Ist sie eine Arierin? K: Selbstverständlich. RO: Wie haben sie sich kennengelernt? K: Ich habe sie auf einem Onkelzkonzert getroffen, als ich Mitglieder werben wollte und wir sind ins Gespräch gekommen. Sie ist nun auch Mitglied. RO: Stimmt sie mit ihren Überzeugungen überein? K: Sie ist nicht besonders politisch, sie kümmert sich um unser Kind. RO(wirkt überrascht, dann nervös): Sie haben ein Kind? Wie... 144
heißt ihr Kind? K: Ja, meine Tochter heißt Eva. Sie ist ein Jahr alt. RO: Eva, wie Eva Braun? K: Ja! Das fällt fast keinem auf.(wirkt fröhlich) RO: Verstehe. Stimmt es, daß viele Dummköpfe sich ihnen anschließen und nachplappern, was sie so aufschnappen? K: Ja, leider. Wir müssen uns momentan halt mit solchen Leuten zufrieden geben. RO: Finden sie, daß die öffentlichen Autritte von Rechten bei Demonstrationen zum Beispiel, gut für das Image ihrer Bewegung ist, geschweige denn die Übergriffe auf wehrlose Asylanten, die keine Ahnung haben, weshalb sie verprügelt werden? K: Da kann man nicht pauschal urteilen. Ich rate meinen Schützlingen vor solchen Dingen ab und sage ihnen, wie sie besser ankommen. Ich schule sie und bringe ihnen bei, wie sie mit der Presse umgehen müssen oder wie sie die richtigen Worte finden. RO: Ja. Haben sie viel Zulauf? K: Sie würden es nicht glauben. Wenn diese Generation wählt, werden es viele nicht glauben. Und denken sie nicht, daß nur der deutsche Osten aktiv ist. Je mehr die Gesellschaft gegensteuert, desto mehr Jugendliche treibt sie uns zu. Konzerte gegen rechte Gewalt und ähnliche Aktionen sind uns durchaus willkommen, auf viele wirkt die Bewegung sehr anziehend, schon allein, weil sie ein Tabu ist. Wir wachsen stetig und ein NPD-Verbot wird Meinungen nicht verbieten können. Da muß man uns schon mundttot machen. 145
RO: Sie sind sehr überzeugt von sich. Es muß ihnen doch klar sein, daß Deutschland nicht in ihre Hände fallen wird, das ist unmöglich, wird nie passieren. K(wird laut): Woher wollen sie das wissen? Das letzte Wort ist noch lange nicht gesprochen, du Scheißjude!(erhebt sich aus dem Stuhl) RO(bleibt ruhig): So funktioniert also ihre Imageberatung. Soll ich das auch drucken lassen? K( setzt sich langsam, zögert): Nein, entschuldigung, ich habe mich vergessen. Drucken sie das nicht. Sind wir bald fertig? RO: Ja. Nur noch einige Fragen. Was wissen sie über den Nationalsozialismus? K: Ich weiß genug. Wir sehen uns in der Tradition der Hitlerjugend und stehen mit Faschisten in Italien in Kontakt. RO: Wer ist wir? K: Darauf möchte ich nicht antworten. RO: Sind `wir` viele? K: Wir sind viele. RO: Werden sie Gewalt anwenden? K: Gewalt erzeugt Gegengewalt. RO(zieht seine Pistole aus der Anzugstasche und zielt auf K): Ja. 146
Aber sie werden keine Gewalt mehr anwenden(zittert, Stimme klingt unterdrückt wütend). Du verdammtes Schwein!(laut) Mein Vater ist von den Nazis umgebracht worden!(geflüstert) Meine Mutter und ich mußten uns bei Freunden verstecken in einem Loch von einem Keller. Wir haben wie Tiere gelebt und das schlimmste war die Angst vor der Gestapo. Zweimal waren sie im Haus und wir haben ihre Stiefel über unseren Köpfen gehört. Später habe ich dann erfahren, wo mein Vater starb. Willst du hören, wie es zuging im KZ? Frauen haben ihre Kinder über den Latrinen geboren, die sie dann verschluckten. Wer zu schwach zum arbeiten war, wurde erschossen! Die Hunde bissen, wen sie wollten und jeder Sadist hat seine Wut an all den Hilflosen ausgelassen! Wußtest du, daß den Insassen alle möglichen Krankheiten injiziert wurden, um Tests an ihnen durchzuführen? Hast du gewußt, daß die Opfer kurz vor ihrer Vergasung glaubten, daß Wasser aus den Duschen kommen würde? Wußtest du, daß deine hochverehrten Herrenmenschen Leichenfledderer waren, die den Toten ihr Zahngold, ihre Brillen und sogar ihre Haut genommen haben? Lampen wurden mit der Haut bespannt! Hast Du gewußt, daß Menschen in künstlicher Kälte gestorben sind, um die Widerstandsfähigkeit des Organismus zu testen? Daß Juden sich `paaren`mußten? Daß irre KZ-Leiter willkürlich auf Menschen geschossen haben, daß Kinder und Frauen mißhandelt wurden? Hast du geahnt, was deine Vorbilder für Verbrecher waren, was für ordentliche, gründliche und disziplinierte Vernichter? Da hast du deine deutschen Tugenden, du Ignorant! Du wirst büßen für das, was du gesagt hast, das verspreche ich dir! K(ängstlich, angespannt): Bitte, erschießen sie mich nicht. Bitte,...ich entschuldige mich für alles, ich werde alles tun, was sie von mir verlangen, bitte, ich habe eine kleine Tochter. RO: Mein Vater hatte auch eine Sohn. K: Ich...ich dachte das wäre alles nur Propaganda, ich habe es nie 147
geglaubt. Man hat uns erzählt, es sei alles eine Verschwörung gegen Deutschland, ich... RO(unterbricht ihn): Und was denkst du, was die Jugendlichen tun werden, die du heranzüchtest? Werden sie die Ausländer brav bitten, diese Land zu verlassen? Werden sie sie mit einem Bier verabschieden, statt mit einem Molotov-Cocktail? K(weinerlich): Bitte, lassen sie mich leben, ich werde aussteigen, ich verspreche es, ich steige aus. Ich verspreche es, nehmen sie einem Kind nicht den Vater, bitte! RO schweigt, Stille zwischen den beiden. RO schnauft, ist erschöpft. Es vergeht etwas Zeit. K: Wie ist ihr Vater gestorben? RO(zögert): Da weiß man nichts genaues. K(druckst herum, weiß nicht, was er sagen soll): Ich...habe ihn doch nicht umgebracht, ich bin unschuldig. Lassen sie mich leben, ich verspreche, daß ich aussteige. RO: Ich lasse sie leben. Versprechen sie mir, daß mir nichts passiert, ich habe mich abgesichert, das würde ihnen nicht schmecken. K(hektisch): Ja, okay, okay, ich bin einverstanden. Es tut mir leid, alles tut mir leid. Ich bereue es. Wirklich. RO steht auf, nimmt seine Papiere, zielt die ganze Zeit mit der Pistole, verläßt rückwärts die Wohnung. K holt ein Gewehr aus einem Versteck und setzt sich wieder. K zittert und schreckt bei einem Geräusch von der Straße auf. Er hebt kurz das Gewehr, zielt Richtung Tür und senkt es dann 148
wieder. K sitzt lange einfach nur da und bricht schließlich in Weinen aus. Über seiner Waffe liegt er auf dem Tisch und weint. Ende
Sebastian Nobile am 12.2.01
KOMMUNE 2001 ein Gedankenspiel Die Freiheit des Einzelnen geht so weit, wie sie die Freiheit eines Anderen nicht einschränkt. Die Prinzipien der Kommune 2001 Die Ideale der K2001 sind ökologische Vernunft und Verantwortungsbewußtsein für alles Leben, soziale Gerechtigkeit, möglichst vollkommene Eigenversorgung,die Verteilung der Entscheidungsgewalt auf alle mündigen Mitglieder, Gewaltlosigkeit, Freiheit in Glauben, Meinung, Rede und Kunst, respektvolles, höfliches,liebevolles Miteinander, die pflichtbewußte Erfüllung der jeweiligen Aufgaben, Ausbildung, Forschung und Arbeit zur Verbesserung des Lebens von armen Menschen in aller Welt, Engagment in Fragen der Menschenrechte, Umweltschonung und allen Belangen, die der Welt eine friedliche, lebenswerte Zukunft bieten könnten.
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Definition der oben genannten Punkte Ökologische Vernunft und Verantwortungsbewußtsein für alles Leben: Sämtliche Vorgänge in der K2001, die die Umwelt betreffen, müssen diese schonen. Organische Abfälle sind zu kompostieren. Der Energieverbrauch der K2001 muß durch umweltfreundliche Erzeugung wie z.B. Wind- und Sonnenenergie, Wasserkraft, Biogas oder anderen umweltschonenden Methoden abgedeckt werden. Die Gebäude der K2001 müssen nach ökologischen Gesichtspunkten erbaut werden. Die Fortbewegung und der Transport von Gütern muß mit umweltschonenden Verkehrsmitteln, wie z.B. Elektroautos, Brennstoffzellenautos, Bus, Bahn, Fahrrad, Niedrigenergieautos (3-Liter-Autos, zukünftig 1-Liter-Autos) erfolgen. Möglichst alle Gebrauchs- und Verbrauchsgüter sollten umweltfreundlich erzeugt worden sein, wie z.B. Produkte vom Biobauern, Eigenanbau, oder wenigstens vollkommen in den Stoffkreislauf durch Recycling zurückgeführt werden können. Der Verbrauch von Produkten, deren Bestandteile, Herstellung oder Entsorgung die Umwelt belasten, soll vermieden werden (z.B. Pharmachemie, bestimmte Putzmittel, usw.). Das Versiegeln des Bodens(Zubetonieren) ist verboten, ersatzweise gibt es Pflastersteine, die das Wasser versiegen lassen. Die Bewirtschaftung der Felder muß ohne Pestizide, Fungizide und anderen chemischen Mitteln, wie z.B. Dünger erfolgen. Die Tierhaltung zur Milch-, Eier-,Wollproduktion muß artgerecht sein, die Tiere müssen Auslauf haben und mit Respekt behandelt werden, die Ställe müssen Platz genug bieten, der Seele des Tieres muß Rechnung getragen werden. Es ist Pflicht, vegetarisch zu leben. Unnötige Veränderungen in der Natur sollen vermieden werden (z.B. Bewirtschaftung des Waldes.) Soziale Gerechtigkeit: Die Anhäufung von Reichtum ist verboten, Gewinne aus dem Verkauf der K2001-Produkte werden sämtlich für wohltätige Zwecke, die Erweiterung und Verbesserung der K2001, bestimmte Forschungsprojekte oder andere sinnvolle Aufgaben oder Anschaffungen verwandt. Grundsätzlich gilt, daß kranke oder schwache Mitglieder der K2001 von der Allgemeinheit versorgt werden müssen. Außenseiter dürfen nicht beschimpft oder auf irgendeine Art und Weise 150
ausgegrenzt werden(Seelische Grausamkeit). Es ist nicht erlaubt, sich durch Statussymbole oder andere sichtbare Andersartigkeiten von anderen Mitgliedern abzuheben, d.h. sich als etwas besseres darzustellen. Um die K2001 überschaubar zu halten und der Anonymität (Städte) keinen Nährboden zu geben ist die Mitgliederzahl einer Kommune auf 100 mündige Mitglieder beschränkt. Mündig ist jedes Mitglied nach Abschluß seiner schulischen Ausbildung und der Erfüllung einer Aufgabe, die die Gruppe stellt. Jedes Mitglied hat die gleichen Rechte, jedoch muß sich einer Gruppenentscheidung untergeordnet werden. Eigenversorgung: Die K2001 versorgt sich, soweit das möglich ist, selbst. Die Gruppe hat einen eigenen Schneider, Weber, Baumeister, Schreiner, usw., es wird sich über selbst angebaute Feldfrüchte, Milcherzeugnisse, Obstanbau, usw., versorgt. Überschüsse werden verkauft, der Gewinn verteilt, oder, wie oben genannt, für die Gruppe verwandt. Natürlich gilt auch hier, daß die Umweltschonung an erster Stelle steht. Auch Krankheiten, soweit möglich, sollen mit natürlichen Mitteln (z.B.Kräutern) geheilt werden, wobei jedoch Vorsicht geboten ist, bei Unklarheiten in der Diagnose muß die Schulmedizin herangezogen werden. Kleidung, Schuhe, Seile, Möbel, Baustoffe, usw. sollten auch selbst hergestellt werden. Werden Bäume gefällt, muß für Neuanpflanzung gesorgt werden. Verteilung der Entscheidungsgewalt auf alle mündigen Mitglieder: Jedes Mitglied hat die Möglichkeit, vor der ganzen Gruppe angehört zu werden, um ein Problem oder eine Anregung anzusprechen. Die gesamte Kommune (mündige Mitglieder) trifft sich abends nach dem Essen, um Aufgaben zu verteilen, Probleme zu besprechen, Vorschläge anzuhören, Beschlüsse zu fassen, oder auch die Strafen bei Verbrechen gegen die Gruppe, Überschreitung der Gruppengrundsätze, zu verkünden. Es wird direkte Demokratie ausgübt, d.h. Entscheidungen, über die abgestimmt wird, brauchen eine Mehrheit von 51 Prozent, d.h. bei 100 mündigen Mitgliedern müssen mindestens 51 Mitglieder den Vorschlag annehmen. Von den Prinzipien der K2001 sollte nicht abgewichen werden bei den 151
Beschlüssen, jedoch ist praktisch jedes Prinzip der K2001 aktualisierbar oder von der Mehrheit der Gruppe zu kippen, bzw. durch neue Ideen zu erweitern. Verbrechen sind ebenfalls zuerst innerhalb der Gruppe zu besprechen, danach kann Anzeige erstattet werden. Strafen müssen konstruktiv sein und ebenfalls von der Mehrheit der Gruppe beschlossen werden. Jedes Mitglied ist Richter, Politiker und Polizist in einem. Gewaltlosigkeit: Wer Gewalt anwendet, muß sich vor der Gruppe rechtfertigen. Bei besonders schweren Fällen droht der Ausschluß aus der Kommune. Gewalt darf nur als Mittel der Verteidigung bei einem Angriff, der nicht anders zu handhaben ist, eingesetzt werden. Protestaktionen müssen friedlich vonstatten gehen. Schußwaffen sind verboten, die Jugendlichen der Gruppe müssen Zivildienst statt Wehrdienst ableisten. Freiheit in Glauben, Meinung, Rede und Kunst: Jedes Mitglied hat das Recht zu sagen, was immer es will, es gibt absolut keine Einschränkung. Religion darf nach Belieben ausgeübt werden, es sei denn, die Mehrheit der Gruppe fühlt sich von der öffentlichen Ausübung der Rituale unangenehm berührt, oder bevormundet. In dem Fall müssen diese Rituale in einem geschlossenen Raum stattfinden, der die Gruppe vor Laut und Bild derselben schützt. Meinungen stehen frei von der Bewertung oder Bestrafung durch die Gruppe, jedoch darf nicht zur Gewalt aufgerufen werden. Die Kunst ist absolut frei. Respektvolles, höfliches, liebevolles Miteinander: Es ist Respekt vor JEDEM Lebewesen geboten. Jedes Mitglied wird gleich höflich und respektvoll behandelt. Wer diese Regel durch Ausgrenzung eines Mitglieds mit Wort oder Tat verletzt, muß sich vor der Mitgliederversammlung rechtfertigen.Grundsätzlich sollte jedes Mitglied liebevoll, freundlich behandelt werden. Pflichtbewußte Erfüllung der Aufgaben: 152
Die Aufgaben, die jedes Mitglied hat, müssen gründlich und genau erledigt werden. Im Grunde gilt, daß jeder mitverantwortlich ist für das Funktionieren der verschiedenen Aufgabenbereiche. Folgende Funktionen müssen, außerhalb der wirtschaftlichen und ökologischen Aufgaben, auf geeignete Mitglieder verteilt werden: Ansprechpartner für Jugendliche, Erzieherin für Kleinkinder im Kindergartenalter, Psychologisch geschulter Ansprechpartner bei seelischen Problemen, Gruppensprecher und Protokollar bei Mitgliederversammlungen. Diese Funktionen sind natürlich je nach Bedarf beliebig zu ergänzen. Ausbildung, Forschung und Arbeit zur Verbesserung des Lebens von armen Menschen in aller Welt: Es ist für jedes junge Mitglied Pflicht, seinen Zivildienst in einer sozialen oder ökologischen Einrichtung abzuleisten, die weiblichen Mitglieder müssen ein freies soziales oder ökologisches Jahr absolvieren. Es müssen sich Arbeitskreise für Entwicklungshilfe, nachaltige Energiegewinnung, Bewässerungsprojekte, Kredite für die Existenzgründung, Familienplanung, usw.,usw. bilden .Die jugendlichen Mitglieder sollen gezielt dazu erzogen werden, daß sie ein Studium beginnen, das armen Menschen in der Welt nützt (z.B. Sozialpädagoge, Bauingenieur,usw.). Auch sollten Berufe gelernt werden, die die Praxis liefern fürAufgaben, die in der dritten Welt zu erledigen sind.Es ist ebenfalls Pflicht für jedes jugendliche Mitglied, das seinen 18ten Geburtstag hinter sich hat, eine Reise in ein Land zu machen, das von Armut gebeutelt wird. Diese Reise soll derjenige dazu nutzen, ein Projekt vorzuschlagen, daß den Menschen dort hilft. Auch können derartige Projekte spontan von jedem Mitglied vorgeschlagen werden. Bereits in frühem Alter sollen Kinder für diese Thematiken sensibilisiert werden. Engagment in Fragen der Menschenrechte, Umweltschonung und allen Belangen, die der Welt eine friedliche, lebenswerte Zukunft bieten können: Es gilt, Protestaktionen zu organisieren, die sich gegen Dinge wie Rechtsextremismus, Todesstrafe, unterdrückerische Regime, Übergriffe von Polizisten, Umweltverschmutzung, usw., usw.Es gibt denkbar Vieles , daß man unterstützen kann. 153
Es ist sogar Pflicht für jedes mündige Mitglied, wenigstens eine gemeinnützige Organisation zu unterstützen. Grundsätzlich sollte man sich ständig gegen Ungerechtigkeiten und Verletzungen der Freiheitsrechte, organisierte Umweltverschmutzung, Mißbrauch von Menschen zur Kinderarbeit, Menschenverblödung, Tiermißhandlung und Dinge jeglicher Art, die einem bitter aufstossen, wehren. Zuzsatz: Die K2001, bzw. deren Mitglieder sollten ständig ein Vorbild für die Jugend und Menschen sein, die weniger bewußt leben und nicht so rücksichtsvoll mit allen Geschenken der Natur umgehen. Ständig soll an Verbesserungen der K2001 gearbeitet werden und daran, daß die Grundsätze der K2001 auch andere Menschen erreichen und sie vielleicht dazu inspirieren, ähnlich zu leben und selbst eine Gruppe dieser Art ins Leben zu rufen. Die Überschaubarkeit ist dabei sehr wichtig, da diese auch Verbrechen verhindert. Engagment ist sehr wichtig. Geld sollte in der Kommune keine Rolle spielen. Grundsätzlich sollen sämtliche Gewinne von einer Person verwaltet werden, deren Nutzung wird von der Gruppe entschieden. Es gilt Freiheit, Gleichheit und Gerechtigkeit zu leben und vorzuleben. Auf die Selbständigkeit und Unabhängigkeit soll geachtet werden, die Kommune soll möglichst alle Notwendigkeiten des Lebens ohne fremde Hilfe in den Griff kriegen. Nachtrag Ich hoffe, es hat Ihnen gefallen und Sie animiert, selbst etwas niederzuschreiben. Hören Sie einfach nicht auf überkritische Schwachmaten in Ihrem Freundeskreis oder das Sperrfeuer der Selbstkritik und treten Sie ein paar Ärsche, ohne Rücksicht auf konventionelles Gequatsche der Ewiggestrigen oder selbsternannten Apostel für die einzige Wahrheit und ähnliche Mutanten. Tun Sie, was SIE wollen nicht das, was man von Ihnen erwartet oder denken könnte. Üben Sie fleißig die Anarchie und es kommt etwas dabei heraus. Sie besitzen alles, wovon man Ihnen 154
immer glauben machte, daß es Ihnen völlig fehlte, ich spreche aus Erfahrung. Machen Sie doch mal etwas Planloses. Laufen Sie nackt durch die Stadt oder so, ganz egal. Abwechslung tut immer gut, man muß nur mal ausbrechen. Wagen, Riskieren, Machen! Bitte verstehen Sie obige Aufforderung zum Nacktsein in aller Öffentlichkeit bitte nicht als ernst gemeint, machen Sie doch stattdessen eine Anzeige gegen Babys kurz nach der Geburt, die tragen doch tatsächlich keinen Anzug und Krawatte, sind nackt! Nackt! Machen Sie`s gut.
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