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Univ.-Prof. Dr. Peter Apathy Institut für Zivilrecht, Johannes-Kepler-Universität, Linz, Österreich
Univ.-Prof. Dr. Peter Bydlinski Institut für Zivilrecht, Ausländisches und Internationales Privatrecht, Karl-Franzens-Universität, Graz, Österreich
Univ.-Prof. Dr. Silvia Dullinger Institut für Zivilrecht, Johannes-Kepler-Universität, Linz, Österreich
Univ.-Prof. Dr. Bernhard Eccher Institut für Zivilrecht, Leopold-Franzens-Universität, Innsbruck, Österreich
Univ.-Prof. Dr. Gert Iro Institut für Zivilrecht, Universität Wien, Wien, Österreich
Univ.-Prof. Dr. Ferdinand Kerschner Institut für Zivilrecht, Johannes-Kepler-Universität, Linz, Österreich
Univ.-Prof. Dr. Willibald Posch Institut für Zivilrecht, Ausländisches und Internationales Privatrecht, Karl-Franzens-Universität, Graz, Österreich
Univ.-Prof. Dr. Andreas Riedler Institut für Zivilrecht, Johannes-Kepler-Universität, Linz, Österreich Das Werk ist urheberrechtlich geschützt. Die dadurch begründeten Rechte, insbesondere die der Übersetzung, des Nachdruckes, der Entnahme von Abbildungen, der Funksendung, der Wiedergabe auf fotomechanischem oder ähnlichem Wege und der Speicherung in Datenverarbeitungsanlagen, bleiben, auch bei nur auszugsweiser Verwertung, vorbehalten. © 2002 und 2008 Springer-Verlag/Wien Printed in Austria SpringerWienNewYork ist ein Unternehmen von Springer Science + Business Media springer.at Produkthaftung: Sämtliche Angaben in diesem Fachbuch/wissenschaftlichen Werk erfolgen trotz sorgfältiger Bearbeitung und Kontrolle ohne Gewähr. Eine Haftung der Autoren, der Herausgeber oder des Verlages aus dem Inhalt dieses Werkes ist ausgeschlossen. Textkonvertierung und Umbruch: Grafik Rödl, 2486 Pottendorf Druck und Bindung: Ferdinand Berger & Söhne Gesellschaft m.b.H., 3580 Horn Gedruckt auf säurefreiem, chlorfrei gebleichtem Papier – TCF SPIN: 12039494 Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. ISSN 0723-5097
ISBN 978-3-211-73302-8 SpringerWienNewYork ISBN 978-3-211-83756-6 1. Aufl. SpringerWienNewYork
Vorwort des Herausgebers Dieser Band ergänzt die Lehrbuchreihe Bürgerliches Recht und entspricht dem Wunsch der Studierenden nach Fällen zur Prüfungsvorbereitung. Da die Falllösung sowohl bei der ersten wie bei der zweiten Diplomprüfung im Vordergrund steht, soll an Hand von 116 Fällen, die vielfach auf höchstgerichtlichen Entscheidungen beruhen, exemplarisch gezeigt werden, wie man an einen Fall herangeht, welche Voraussetzungen bei verschiedenen Anspruchsgrundlagen zu untersuchen sind und wo die wesentlichen juristischen Probleme des Falles liegen. Dabei wurde bewusst darauf verzichtet, die Fälle in großer Breite und mit umfassendem Nachweis der Judikatur und des Schrifttums zu bearbeiten. Vielmehr sollten zahlreiche Problemstellungen in teils kurzen, teils umfangreicheren Fällen präsentiert und dabei die Zusammenhänge zwischen den verschiedenen Gebieten des Privatrechts veranschaulicht werden. Die 116 Fälle sind nach den Buchbänden und nach Kapiteln geordnet; sie sind vielfach themenübergreifend gestaltet und erfassen alle Teilgebiete des bürgerlichen Rechts. Es werden wichtige Sachprobleme und häufig erhobene Ansprüche behandelt; man möge jedoch nicht erwarten, in den hier erarbeiteten Falllösungen alle (prüfungsrelevanten) Anspruchsgrundlagen vorzufinden. Die Verweise auf die verschiedenen Bände der Lehrbuchreihe sowie die Randzahlen sollen den Benützern helfen, rasch die dazugehörigen Lehrbuchpassagen zu finden. Diese und die zitierten Gesetzesbestimmungen auch wirklich nachzulesen, wird nachdrücklich empfohlen. Eine knappe Erläuterung der Falllösungstechnik findet sich im ersten Band der Lehrbuchreihe (I4/3/49). Die Verweise auf die anderen Bände beziehen sich auf die 2007 erschienene Auflage der Bände I, II, III, IV, VI; bei Band V und Band VII auf die 2002 erschienene Auflage. Die Autoren haben entsprechend den von ihnen in den einzelnen Bänden der Lehrbuchreihe bearbeiteten Teilen die Darstellung untereinander aufgeteilt: Bydlinski: Fälle 1–28 mit dem Schwerpunkt Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Rechts. Dullinger: Fälle 29–39 mit dem Schwerpunkt Schuldrecht Allgemeiner Teil. Apathy: Fälle 40–44 und 55–61 mit dem Schwerpunkt Schuldrecht Besonderer Teil. Riedler: Fälle 45–54 mit dem Schwerpunkt Schuldrecht Besonderer Teil.
VI
Vorwort
Iro: Fälle 62–79 mit dem Schwerpunkt Sachenrecht. Kerschner: Fälle 80–95 mit dem Schwerpunkt Familienrecht. Eccher: Fälle 96–107 mit dem Schwerpunkt Erbrecht. Posch: Fälle 108–116 mit dem Schwerpunkt Internationales Privatrecht. Die Autoren danken Mag. Peter Vollmaier, Mag. Thomas Petz (Graz), Mag. Dr. Christina Rauch, Mag. Christine Baur, Mag. Christoph Grumböck und Mag. Eva Maria Unterauer (Linz), Dr. Rainer Gehringer (Wien), für wertvolle und umfangreiche Mitarbeit bei der Materialsammlung und der Bearbeitung der Fälle sowie bei den Korrekturen. Linz, im Juni 2007
Peter Apathy
Inhaltsverzeichnis Abkürzungsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
XIII
Erster Teil: Fälle zum Allgemeinen Teil des Bürgerlichen Rechts 1. Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Fall 1: „Geschmäcker sind verschieden“ . . . . . . . . . . . . . . . . Fall 2: „Das langsame Fahrrad“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Rechtssubjekte und Rechtsobjekte . Fall 3: „Max und der Lutscher“ . . Fall 4: „Der teure Friseurbesuch“ . Fall 5: „Ein Moped mit Sechzehn“ . Fall 6: „Der Steinchenwerfer“ . . . Fall 7: „Kriminelle Rechtsanwälte?“ Fall 8: „Frau Winter lächelt“ . . . .
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4 4 6 8 13 15 22
3. Subjektive Rechte und ihre Grenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . Fall 9: „Zwei echte Fußballfans“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
26 26
4. Vertrag und Rechtsgeschäft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Fall 10: „Das schriftliche Zahlungsversprechen“ . . . . . . . . . . . .
27 27
5. Der Vertragsschluss . . . . . . . . . Fall 11: „Gut’ Autokauf braucht Weile“ Fall 12: „Ballbesuch um jeden Preis?“ Fall 13: „Die bayerische Brotzeit“ . . Fall 14: „Ein Schaden im Anzug“ . . Fall 15: „Die Steuernachzahlung“ . . Fall 16: „Die säumige Möbelkäuferin“
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28 28 30 33 37 40 44
6. Gültigkeitsvoraussetzungen eines Rechtsgeschäfts Fall 17: „Die billige Liegenschaft“ . . . . . . . . Fall 18: „Der begehrte Kachelofen“ . . . . . . . Fall 19: „Das Sponsionsgeschenk“ . . . . . . . . Fall 20: „Der glücklose Freier“ . . . . . . . . .
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47 47 48 51 53
7. Willensmängel und ihre Folgen . Fall 21: „Die Schwebende“ . . . Fall 22: „Ein Wanderer in Nöten“ Fall 23: „Der Faschingsumzug“ .
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55 55 60 63
8. Die Stellvertretung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Fall 24: „Der voreilige Farbenkauf“ . . . . . . . . . . . . . . . . . .
65 65
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1 1 2
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VIII
Inhaltsverzeichnis
Fall 25: „Ein rascher Einkauf“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Fall 26: „Das moderne Radio“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
68 74
9. Die Intensität rechtsgeschäftlicher Bindung . . . . . . . . . . . . . . Fall 27: „Der hartnäckige Händler“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . Fall 28: „Ein Arbeitsunfall mit Folgen“ . . . . . . . . . . . . . . . . .
79 79 82
Zweiter Teil: Fälle zum Schuldrecht Allgemeiner Teil 1. Schuldrecht und Schuldverhältnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Fall 29: „Wer zuerst kommt, mahlt zuerst“ . . . . . . . . . . . . . . . 2. Leistungsstörungen . . . . . . . . Fall 30: „Ganz oder gar nicht“ . . Fall 31: „Der missglückte Autokauf“ Fall 32: „Wohnwand unter Wasser“ Fall 33: „Tücken der Technik“ . . . Fall 34: „Die defekte Benzinleitung“
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85 85
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91 91 93 98 100 104
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107 107 113 114
4. Mehrheit von Berechtigten oder Verpflichteten . . . . . . . . . . . . . Fall 38: „Das stählerne Dreieck“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Fall 39: „Nicht alle Bürgen kann man würgen“ . . . . . . . . . . . .
119 119 121
3. Änderungen im Schuldverhältnis . . . . . . . . . . . . Fall 35: „Abtretung, Aufrechnung und andere Kalamitäten“ Fall 36: „Factor gegen Anwalt“ . . . . . . . . . . . . . Fall 37: „Gutes Geld für schlechte Zigaretten“ . . . . . .
Dritter Teil: Fälle zum Schuldrecht Besonderer Teil 1. Kaufvertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Fall 40: „Der vereitelte Erwerb“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Fall 41: „Der säumige Käufer“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
123 123 125
2. Schenkungsvertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Fall 42: „Familienzwist“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
128 128
3. Werkvertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Fall 43: „Das misslungene Hallendach“ . . . . . . . . . . . . . . . . Fall 44: „Im Urlaub gestolpert“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
130 130 131
4. Auftrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Fall 45: „Anwaltskosten des GmbH-Geschäftsführers“ . . . . . . . . .
138 138
5. Verwahrungsvertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Fall 46: „Die entlaufenen Katzen“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Fall 47: „Diebstahl des Mercedes und Reisegepäcks“ . . . . . . . . . .
140 140 142
6. Leihvertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Fall 48: „Der verhängnisvolle Lokalwechsel“ . . . . . . . . . . . . . .
144 144
7. Bestandvertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Fall 49: „Die Schwarzpappel neben dem Mietparkplatz“ . . . . . . . . Fall 50: „Der rauchende Kamin“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
146 146 148
8. Darlehensvertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Fall 51: „Die Bürgschaft der Tochter für Schulden der Eltern“ . . . . .
151 151
IX
Inhaltsverzeichnis 9. Wette und Spiel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Fall 52: „Europacupendspiel Paris Saint Germain/Rapid Wien“ . . . . .
154 154
10. Leibrentenvertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Fall 53: „Der ‚günstige‘ Liegenschaftskauf“ . . . . . . . . . . . . . . .
156 156
11. Gesellschaft bürgerlichen Rechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Fall 54: „Die Räumungsklage gegen die Ex-Ehefrau“ . . . . . . . . . .
158 158
12. Schadenersatz . . . . . . . . . . . . . . . Fall 55: „Die Pistenraupe und der Schifahrer“ Fall 56: „Die Dogge im Gasthaus“ . . . . . . Fall 57: „Leichtsinn“ . . . . . . . . . . . . Fall 58: „Die folgenschwere Schwarzfahrt“ . .
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160 160 162 163 164
13. Bereicherungsrecht . . . . . . . . . . Fall 59: „Die Versteigerung“ . . . . . . Fall 60: „Die fehlerhafte Überweisung“ Fall 61: „Der Bausparvertrag“ . . . . .
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172 172 173 174
1. Grundbegriffe und Grundsätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Fall 62: „Das ,exklusive‘ Restaurant“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . Fall 63: „Der Schein trügt“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
179 179 184
2. Besitz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Fall 64: „Das umstrittene Mansardenzimmer“ . . . . . . . . . . . . . Fall 65: „Wer zuerst kommt, mahlt zuerst“ . . . . . . . . . . . . . .
189 189 192
3. Grundbuch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Fall 66: „Der Streit um den Krautacker“ . . . . . . . . . . . . . . . . Fall 67: „Der falsche Freund“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
196 196 198
4. Begriff und Inhalt des Eigentumsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . Fall 68: „Das benachbarte Fastfood-Restaurant“ . . . . . . . . . . . .
203 203
5. Gemeinschaft des Eigentums . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Fall 69: „Der eigenmächtige Miteigentümer“ . . . . . . . . . . . . .
208 208
6. Erwerb und Verlust des Eigentums . . . . . Fall 70: „Das Strandbad auf fremdem Grund“ Fall 71: „Der abgeluchste Perserteppich“ . . Fall 72: „Das ,günstige‘ Fernsehgerät“ . . . .
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211 211 214 216
7. Eigentumsvorbehalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Fall 73: „LKW-Kauf auf Kredit“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
220 220
8. Pfandbestellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Fall 74: „Doppelt genäht hält besser“ . . . . . . . . . . . . . . . . .
224 224
9. Erlöschen des Pfandrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Fall 75: „Trügerische Sicherheit“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
231 231
10. Sonderformen des Grundpfandes . . . . . . . . . . . . . . . . . . Fall 76: „Die Mietzinshypothek“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Fall 77: „Wer zuletzt lacht, lacht am besten“ . . . . . . . . . . . . . .
234 234 236
11. Andere Arten von Sicherheiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Fall 78: „Der unlautere Sicherungseigentümer“ . . . . . . . . . . . .
239 239
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Vierter Teil: Fälle zum Sachenrecht
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X
Inhaltsverzeichnis
12. Dienstbarkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Fall 79: „Es kann der Beste nicht in Frieden leben, wenn es dem bösen Nachbarn nicht gefällt“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
241 241
Fünfter Teil: Fälle zum Familienrecht 1. Rechte und Pflichten der Ehegatten . . . . . Fall 80: „Der ehrgeizige Universitätsprofessor“ Fall 81: „Der untreue Ehemann“ . . . . . . Fall 82: „Die Ehepause“ . . . . . . . . . .
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247 247 249 251
2. Kindschaftsrecht . . . . . . . . . . . . . . . Fall 83: „Wohnsitzverlegung nach Amerika“ . . Fall 84: „Gemeinsame Obsorge und Unterhalt“ Fall 85: „Schicki-Miki“ . . . . . . . . . . . . Fall 86: „Der Casanova“ . . . . . . . . . . . .
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254 254 256 261 263
3. Scheidung und Scheidungsfolgenrecht . . . . . . Fall 87: „Die ‚ehrlose‘ Ehefrau“ . . . . . . . . . . Fall 88: „Staatliche Sozialhilfe versus Ex-Ehemann“ Fall 89: „Das ungehörige Zusammenspiel“ . . . . Fall 90: „Die fleißige Bäuerin“ . . . . . . . . . . Fall 91: „Behindertes Kind“ . . . . . . . . . . . Fall 92: „Das Konkubinat“ . . . . . . . . . . . . Fall 93: „Der überschuldete Ehegatte“ . . . . . . Fall 94: „Teures Heim, aber allein“ . . . . . . . .
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266 266 273 275 277 279 281 283 285
4. Außereheliche Lebensgemeinschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . Fall 95: „Renoviertes Haus – kaputte Lebensgemeinschaft“ . . . . . .
289 289
Sechster Teil: Fälle zum Erbrecht 1. Der Nachlass . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Fall 96: „Die Kassettenübergabe“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
291 291
2. Testamentarische Erbfolge . . . . . . . . . . . . . . . Fall 97: „Mangelhafte Erbrechtskenntnisse“ . . . . . . . Fall 98: „Die verspätete Testamentszeugin“ . . . . . . . Fall 99: „Bruder und Schwester“ . . . . . . . . . . . . Fall 100: „Das vergessene zweite Original des Testaments“ Fall 101: „Eine undatierte Verfügung“ . . . . . . . . . . Fall 102: „Der ungeliebte Testamentsvollstrecker“ . . . .
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294 294 295 298 300 301 303
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306 306
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308 311
4. Pflichtteilsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Fall 106: „Die Tochter in Amerika“ . . . . . . . . . . . . . . . . . .
313 313
5. Pflichtteilsanspruch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Fall 107: „Unehelichenstatus als Vorteil?“ . . . . . . . . . . . . . . .
315 315
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3. Vermächtnis – Begriff und Arten . . . . . . . . . . . . . . . Fall 103: „Die syrische Lebensgefährtin“ . . . . . . . . . . . Fall 104: „Nacherbschaft, Ersatzerbschaft, Nachvermächtnis und Untervermächtnis“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Fall 105: „Die pflegedürftige Witwe“ . . . . . . . . . . . . .
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XI
Inhaltsverzeichnis Siebenter Teil: Fälle zum Internationalen Privatrecht Fall Fall Fall Fall Fall Fall Fall Fall Fall
108: „Wohnen in Kitzbühel“ . . . . . 109: „Hochzeit in Las Vegas“ . . . . . 110: „Niederländische Liebe“ . . . . . 111: „Folgenreicher Au pair-Aufenthalt“ 112: „Der englische Journalist“ . . . . 113: „Kunsthandel“ . . . . . . . . . . 114: „Auswärtsniederlage“ . . . . . . 115: „Ladies’-Dinner“ . . . . . . . . . 116: „Spanische Diskothek“ . . . . . .
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319 322 325 330 335 337 341 343 346
Abkürzungsverzeichnis aA aaO ABGB Abs aE aF AG AGB Anh Anm arg Art ASVG AußStrG
anderer Ansicht am angeführten Ort Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch Absatz am Ende alte Fassung Aktiengesellschaft Allgemeine Geschäftsbedingungen Anhang Anmerkung argumento Artikel Allgemeines Sozialversicherungsgesetz Außerstreitgesetz
Bankvertragsrecht
Avancini/Iro/Koziol, Österreichisches Bankvertragsrecht I, 1987; II, 1993 Apathy/Iro/Koziol, Österreichisches Bankvertragsrecht I, 2. Auflage, 2007 Baurechtliche Blätter Bundesgesetz (deutsches) Bürgerliches Gesetzbuch Bundesgesetzblatt Beilagen zu den stenographischen Protokollen des Nationalrates Bundes-Verfassungsgesetz Bankwesengesetz bezüglich beziehungsweise
Bankvertragsrecht2 bbl BG BGB BGBl BlgNR B-VG BWG bzgl bzw cic CISG
culpa in contrahendo Vienna Convention on Contracts for the International Sale of Goods = UN-Kaufrechtsübereinkommen
DepG ders dh DHG ds
Depotgesetz derselbe das heißt Dienstnehmerhaftpflichtgesetz das sind
Abkürzungsverzeichnis
XIV E EBzRV EFSlg EGBGB EheG EKHG EMRK EO ErbRÄG EvBl EVHGB EVÜ
Entscheidung Erläuternde Bemerkungen zur Regierungsvorlage Ehe- und familienrechtliche Entscheidungen (deutsches) Einführungsgesetz zum BGB Ehegesetz Eisenbahn- und Kraftfahrzeughaftpflichtgesetz Europäische Menschenrechtskonvention Exekutionsordnung Erbrechtsänderungsgesetz Evidenzblatt der Rechtsmittelentscheidungen Verordnung zur Einführung handelsrechtlicher Vorschriften im Lande Österreich Übereinkommen über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht
f ff FinStrG FN FS
und der (die) folgende und die folgenden Finanzstrafgesetz Fußnote Festschrift
G GBG gem GesBR GewO GewRÄG GlU
GmbH GmbHG GP GrEStG GVG
Gesetz Allgemeines Grundbuchsgesetz gemäß Gesellschaft bürgerlichen Rechts Gewerbeordnung Gewährleistungsrechts-Änderungsgesetz Sammlung von zivilrechtlichen Entscheidungen des kk Obersten Gerichtshofes Sammlung von zivilrechtlichen Entscheidungen des kk Obersten Gerichtshofes, Neue Folge Gesellschaft mit beschränkter Haftung Gesetz über Gesellschaften mit beschränkter Haftung Gesetzgebungsperiode Grunderwerbsteuergesetz Grundverkehrsgesetz
hA HGB hL hM hRsp Hrsg HS
herrschende Ansicht Handelsgesetzbuch herrschende Lehre herrschende Meinung herrschende Rechtsprechung Herausgeber Handelsrechtliche Entscheidungen; Halbsatz
idF idgF idR idS ieS iHv
in der Fassung in der geltenden Fassung in der Regel in diesem Sinne im engeren Sinn in Höhe von
GlUNF
Abkürzungsverzeichnis
XV
insb IPRG iSd iSe iSv iVm iwS iZw
insbesondere BG über das internationale Privatrecht im Sinne der/des im Sinne einer/eines im Sinne von in Verbindung mit im weiteren Sinn im Zweifel
Jabornegg, HGB
Jabornegg (Hrsg), Kommentar zum HGB, 1997 (zitiert: Bearbeiter in Jabornegg, HGB Paragraph Randzahl) Justizausschussbericht Juristische Ausbildung und Praxisvorbereitung Juristische Blätter
JAB JAP JBl KBB
Koziol/P. Bydlinski/Bollenberger, Kurzkommentar zum ABGB, 2005; 2. Aufl. 2007 (zitiert: Bearbeiter in KBB Paragraph Randzahl) KFG Kraftfahrgesetz 1967 Kfz Kraftfahrzeug KG Kommanditgesellschaft, Katastralgemeinde KHVG Kraftfahrzeughaftpflichtversicherungsgesetz KindRÄG Kindschaftsrechtsänderungsgesetz Klang2 Klang (Hrsg), Kommentar zum Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuch, 2. Auflage, 1948--1978 (zitiert: Bearbeiter in Klang2 Band Seite) Klang3 Fenyves/Kerschner/Vonkilch (Hrsg), Kommentar zum Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuch, 3. Auflage, ab 2006 (zitiert: Bearbeiter in Klang3 Paragraph Randzahl) KO Konkursordnung Koziol/Welser I13, II13 Bürgerliches Recht, I , 13. Auflage, 2006, bearbeitet von Kletecˇ ka; II, 13. Auflage, 2007, bearbeitet von Welser Koziol, Haftpflichtrecht Koziol, Österreichisches Haftpflichtrecht, I, 3. Auflage, 1997; II, 2. Auflage, 1984 Kralik, ErbR Kralik, Erbrecht (= 3. Auflage des Systems von Ehrenzweig, Familien- und Erbrecht), 1983 krit kritisch KSchG Konsumentenschutzgesetz leg cit LG LGZ lit lt
legis citatae (des zitierten Gesetzes) Landesgericht Landesgericht für Zivilrechtssachen litera (Buchstabe) laut
Mänhardt/Posch
Mänhardt/Posch, Internationales Privatrecht, Privatrechtsvergleichung, Einheitsprivatrecht, 2. Auflage, 1999 Materialien mit anderen Worten meines Erachtens Mediengesetz
Mat maW mE MedG
XVI
Abkürzungsverzeichnis
MietSlg MR MRG mwN mwRspN
Mietrechtliche Entscheidungen Medien und Recht Mietrechtsgesetz mit weiteren Nachweisen Nicht weiteren Rechtsprechungsnachweisen
NJW NJW-RR NotAktG NR Nr NZ
Neue Juristische Wochenschrift Neue Juristische Wochenschrift, Rechtsprechungs-Report Zivilrecht Notariaktsaktsgesetz (vormals Notariatszwangsgesetz) Nationalrat Nummer Österreichische Notariats-Zeitung
ÖA ÖBA OG OGH ÖJZ OLG österr
Der österreichische Amtsvormund Österreichisches Bankarchiv Offene Gesellschaft Oberster Gerichtshof Österreichische Juristen-Zeitung Oberlandesgericht österreichisch, -e, -er, -es
pa Pkt
pro anno Punkt
RdW RGBl RRa Rsp Rummel3
Österreichisches Recht der Wirtschaft Reichsgesetzblatt ReiseRecht aktuell Rechtsprechung Rummel (Hrsg), Kommentar zum Allgemeinen bürgerlichen Gesetzbuch, 3. Auflage, 2000–2006 (zitiert: Bearbeiter in Rummel3 Paragraph Randzahl) Regierungsvorlage Randzahl, Randziffer Österreichische Richterzeitung
RV Rz RZ S s sa Schwimann3
sog SpR StGB str stRsp StVO SZ
Satz, Seite, Schilling siehe siehe auch Schwimann (Hrsg), Praxiskommentar zum Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuch, 3. Auflage, 2005–2006 (zitiert: Bearbeiter in Schwimann3 Paragraph Randziffer) sogenannte, -r, -s Spruchrepertorium des OGH Strafgesetzbuch strittig ständige Rechtsprechung Straßenverkehrsordnung Entscheidungen des österreichischen Obersten Gerichtshofes in Zivilsachen
Abkürzungsverzeichnis
XVII
ua überwA überwL Übk udgl UGB UN UN-KR unveröff UrhG uU uva uz
und andere(n), unter anderem überwiegende Ansicht überwiegende Lehre Übereinkommen und dergleichen Unternehmensgesetzbuch Vereinte Nationen UN-Kaufrechtsübereinkommen (CISG) unveröffentlicht Urhebergesetz unter Umständen und viele andere und zwar
verst VersVG vgl
verstärkt Versicherungsvertragsgesetz vergleiche
wbl wobl WTKG
Wirtschaftsrechtliche Blätter Wohnrechtliche Blätter Wirtschaftstreuhänder-Kammergesetz
Z zB ZIK ZPO zT ZVR
Ziffer, Zahl zum Beispiel Zeitschrift für Insolvenzrecht und Kreditschutz Zivilprozessordnung zum Teil Zeitschrift für Verkehrsrecht
Erster Teil: Fälle zum Allgemeinen Teil des Bürgerlichen Rechts 1. Grundlagen Fall 1: „Geschmäcker sind verschieden“ Sachverhalt Der Grazer Wirt René bestellt beim italienischen Gemüsegroßhändler Gino eine größere Lieferung Tomatensauce. Er probiert die Sauce zwei Tage nach Lieferung und ist mit ihrem Geschmack unzufrieden. Daher will er die von Gino geltend gemachte Kaufpreisforderung nicht begleichen. Welche Gesetze sind anzuwenden, wenn Gino René beim zuständigen Grazer Gericht auf Zahlung klagt? Lösung Es liegt ein Sachverhalt mit Auslandsbezug vor, so dass zuerst zu prüfen ist, welches materielle Recht das Grazer Gericht anzuwenden hat. IPRG und EVÜ, deren Verweisungsnormen bestimmen, ob eine Causa nach österr oder nach einem ausländischen Sachrecht zu beurteilen ist, kommen in concreto nicht zur Anwendung: Sowohl der Wirt René als auch der Gemüsegroßhändler Gino sind nämlich Unternehmer. Da es sich überdies um einen Kaufvertrag über Waren handelt und sowohl Österreich als auch Italien Vertragsstaaten des UN-KR sind, sind auf den Vertrag unmittelbar die materiellen Regeln des UN-KR anzuwenden (I/1/5). Dabei handelt es sich um Einheitsprivatrecht (I/1/4), also um vereinheitlichtes Sachrecht, das in seinem Geltungsbereich IPRG und EVÜ verdrängt. Das Grazer Gericht hat Ginos Klage auf Zahlung des Kaufpreises daher anhand der Bestimmungen des UN-KR zu beurteilen.
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Erster Teil: Fälle zum Allgemeinen Teil des Bürgerlichen Rechts
Fall 2: „Das langsame Fahrrad“ Sachverhalt Verkäufer V schließt mit K einen Kaufvertrag über ein Fahrrad; der Liefertermin wird nicht ausdrücklich festgelegt. Drei Tage später verlangt K Übergabe des Rades. V liefert aber erst 7 Tage später, weshalb K für einen Radausflug ein Fahrrad für € 30 mieten musste. Diese Summe verlangt K von V nun als Verspätungsschaden ersetzt. Nach näherer Begründung durch einen Rechtsanwalt erklärt V, vom Inhalt des § 904, wonach die Leistung im Zweifel sofort fällig ist, noch nie etwas gehört zu haben. Er habe vielmehr geglaubt, er müsse irgendwann innerhalb von 14 Tagen nach dem Vertragsschluss liefern. § 904 sei daher auf ihn nicht anwendbar. Kann K von V Zahlung der € 30 verlangen? Lösung Anspruch von K gegen V auf Zahlung von € 30 nach den §§ 918 iVm 1295 ABGB Sobald Normen ordnungsgemäß kundgemacht wurden, finden sie Anwendung, auch wenn sie dem Normunterworfenen nicht bekannt sind: § 2 ABGB ist mit Deutlichkeit zu entnehmen, dass im BGBl kundgemachte Gesetze für jedermann verbindlich sind, gleichgültig, ob er von ihnen Kenntnis hat oder nicht. Unkenntnis der Gesetze steht ihrer Anwendung also nicht entgegen (I/1/21). Selbst wenn V von § 904 noch nie etwas gehört hat, gilt diese Norm daher auch für ihn. Da im Kaufvertrag zwischen K und V kein Fälligkeitstermin vorgesehen ist, kann K die Übergabe des Fahrrades gem § 904 sofort verlangen (II/2/ 36 ff). V leistet auch nach entsprechender Aufforderung, der sog Mahnung, nicht, wodurch er gem § 918 in Schuldnerverzug gerät (II/3/7 ff). Neben dem Anspruch auf Erfüllung – hier bereits erledigt – kann der Gläubiger K auch den Ersatz des Verspätungsschadens iHv € 30 geltend machen, wenn V den Verzug verschuldet hat (II/3/20 ff). Diesbezüglich sind zwei Fragen zu unterscheiden. Zum Ersten ist zu klären, ob V ein Sorgfaltsverstoß in Bezug auf die Verspätung als solche vorzuwerfen ist. Da der Sachverhalt dazu nichts sagt, ist gem § 1298 Verschulden zu vermuten (III/13/37). V könnte sich daher nur dann erfolgreich gegen den Anspruch wehren, wenn er sich auf schuldlose Rechtsunkenntnis (Rechtsirrtum) berufen könnte, die das Verschulden ebenfalls ausschlösse. Nicht jede Gesetzesunkenntnis begründet ein Verschulden. Es ist daher zu prüfen, ob die Rechtsunkenntnis des V die Verpflichtung zur Zahlung von Schadenersatz in concreto entfallen lässt. Dies trifft aber eben nur ganz ausnahmsweise zu; nämlich dann, wenn die Rechtsunkenntnis dem Betreffenden nicht vorwerfbar ist. Subjektiv vorwerfbar und damit verschuldet ist die Unkenntnis jedoch dann, wenn dem Betreffenden vor
Fall 2: „Das langsame Fahrrad“ (P. Bydlinski)
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allem unter Berücksichtigung seiner Tätigkeit die Kenntnisnahme der Norm zuzumuten ist. Die Rechtspraxis legt hierbei einen sehr strengen Maßstab an. Jedermann ist verpflichtet, sich Kenntnis von den ihn betreffenden Gesetzen zu verschaffen (I/1/21). Wer wie V Sachen verkauft, wird sich daher mit den Regeln des Kaufrechts iwS vertraut machen müssen. Bei Anwendung der gehörigen Aufmerksamkeit hätte V leicht Rechtskenntnis erlangen können, weshalb seine Gesetzesunkenntnis nicht entschuldigt ist. K hat daher gegen V Anspruch auf Ersatz des Verspätungsschadens iHv € 30.
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Erster Teil: Fälle zum Allgemeinen Teil des Bürgerlichen Rechts
2. Rechtssubjekte und Rechtsobjekte Fall 3: „Max und der Lutscher“ Sachverhalt Der 5-jährige Max kauft sich wie schon öfters in Veronikas Zuckerlgeschäft einen Lutscher um 20 Cent. Diesmal hat er das Geld aber nicht mit. Veronika gibt ihm den Lutscher dennoch, lässt sich von Max aber „hoch und heilig“ versprechen, dass er die 20 Cent bald nachbringt. Max verlässt zufrieden lutschend das Geschäft, will sich beim nächsten Besuch aber an nichts mehr erinnern. Was kann Veronika von Max oder dessen Eltern verlangen? Variante: Was gilt, wenn der Vater dem Kauf nachträglich zustimmt, die Mutter aus erzieherischen Gründen aber strikt dagegen ist? A. Lösung Grundfall I. Anspruch von V gegen M auf Zahlung von 20 Cent gem § 1062 ABGB Zunächst ist zu prüfen, ob ein Vertrag zwischen M und V zustande gekommen ist, aus dem V einen entsprechenden Anspruch erworben hat. Willenseinigung wurde zwar erzielt. Allerdings ist Ms Geschäftsfähigkeit fraglich. M hat das 7. Lebensjahr noch nicht vollendet und ist daher gem § 865 S 1 grundsätzlich vollständig geschäftsunfähig. Eine Ausnahme normiert § 151 Abs 3 – auf den § 865 S 1 ausdrücklich verweist – jedoch für sog alterstypische Alltagsgeschäfte (I/2/20). Demnach kann ein Kind auch allein, dh ohne Mitwirkung seines gesetzlichen Vertreters, einen rechtswirksamen Vertrag schließen, wenn es sich dabei um ein alterstypisches Geschäft handelt, das eine geringfügige Angelegenheit des täglichen Lebens betrifft. Der Vertrag wird dann rückwirkend mit der vollständigen Erfüllung der das Kind treffenden Pflichten wirksam. Der Kauf eines Lutschers um 20 Cent stellt für ein 5-jähriges Kind jedenfalls ein alterstypisches Alltagsgeschäft iSd § 151 Abs 3 dar. Allerdings erfüllt M seine Pflicht – nämlich die Zahlung des Kaufpreises iHv 20 Cent – nicht. Da diese gesetzliche Voraussetzung (vollständige Erfüllung durch den Minderjährigen) fehlt, ist kein Vertrag zwischen V und M zustande gekommen. V hat daher keinen Anspruch gegen M auf Zahlung des Kaufpreises iHv 20 Cent nach § 1062. II. Anspruch von V gegen M auf Zahlung von 20 Cent gem § 877, § 1431 oder § 1435 (analog) ABGB M hat einen Lutscher erhalten, ohne dafür eine Gegenleistung erbracht zu haben. Daher ist an Ansprüche von V wegen ungerechtfertigter Bereicherung zu denken. Anspruchsgrundlage könnte § 1435 analog (condictio causa data causa non secuta – V leistete in Erwartung späterer Bezahlung), § 1431 (sofern V davon ausging, er schulde den Lutscher aufgrund der mit
Fall 3: „Max und der Lutscher“ (P. Bydlinski)
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M getroffenen Vereinbarung) oder § 877 sein. Die hA zieht bei Geschäftsfähigkeitsmängeln § 877 heran (III/15/13). Kondiktionsansprüche sind primär auf Herausgabe des zu Unrecht Erhaltenen gerichtet. Da M den Lutscher aber schon längst verzehrt hat, kommt nur noch ein Anspruch auf Wertersatz in Frage (vgl § 1431 HS 2 Fall 2). Mit welchem Wert der von V rechtsgrundlos übergebene Lutscher zu bemessen ist (er liegt sicherlich unter 20 Cent, da Vs Gewinnspanne abzuziehen ist), braucht hier allerdings gar nicht geklärt zu werden. Auf Bereicherungsansprüche gegen Geschäftsunfähige wird nämlich § 1424 S 2 analog angewendet (II/4/8). M wäre danach nur dann zum Wertersatz verpflichtet, wenn der Lutscher zu seinem Nutzen verwendet worden wäre. Zwar hat M den Lutscher bestimmungsgemäß verbraucht und dabei zumindest einen ideellen Nutzen (Genuss) gehabt. Ein solcher nicht vermögenswerter Vorteil reicht im Bereich des § 1424 S 2 aber schon aus Gründen des Schutzzwecks nicht aus (anders bei rechtsgrundloser Leistung einer richtigen Mahlzeit, sofern sich M – bzw dessen Eltern – dadurch den entgeltlichen Erwerb von Lebensmitteln erspart hätte). Ein Bereicherungsanspruch von V gegen M ist daher abzulehnen. III. Anspruch von V gegen Ms Eltern auf Zahlung von 20 Cent nach § 1062 oder § 877 ABGB Da der 5-jährige M ganz allein handelte, konnte selbstverständlich kein Vertrag zwischen V und Ms Eltern zustande kommen. Bereichert wurden sie durch die rechtsgrundlose Leistung des Lutschers ebenfalls nicht. Ein Anspruch von V gegen Ms Eltern kommt daher nicht in Betracht. B. Lösung Variante Hier stellt sich die Frage, ob die nachträgliche Zustimmung durch Ms Vater den seinerzeitigen Geschäftsfähigkeitsmangel sanierte. Wäre dies zu bejahen, läge ein (nunmehr) wirksamer Vertrag zwischen V und M1 vor, weshalb der unter A.I. geprüfte Anspruch zu Recht bestünde. Aus § 865 ergibt sich, dass von unter 7-Jährigen ohne die Mitwirkung des gesetzlichen Vertreters geschlossene Geschäfte grundsätzlich nicht bloß „schwebend“, sondern absolut unwirksam sind. Damit kann auch nachträgliche Zustimmung das Geschäft nicht retten (I/2/20). Demnach könnte nicht einmal die Genehmigung des Lutscherkaufs durch Ms Vater diesem Vertrag zur Rechtswirksamkeit verhelfen2. Möglicherweise liegt aber gerade in Konstellationen wie hier eine Ausnahme vom Prinzip der absoluten Unwirksamkeit vor. Methodisch ist bei § 865 S 1 anzu1 Es wäre ein schwerer Fehler, aufgrund dessen Zustimmung einen Anspruch gegen den Vater selbst zu bejahen! Dieser tritt ja nur als Vertreter von M auf, weshalb alle Rechtswirkungen bei M eintreten (siehe I/2/16 aE). 2 Von Studenten in den Anfangssemestern kann nicht mehr erwartet werden, als argumentativ bis hierher zu gelangen, zumal sich auch in den gängigen Lehrbüchern zum Folgenden nichts findet.
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Erster Teil: Fälle zum Allgemeinen Teil des Bürgerlichen Rechts
setzen, der diese extreme Rechtsfolge „außer in den Fällen des § 151 Abs. 3“ eingreifen lässt. Ein solcher „Fall des § 151 Abs. 3“ könnte aber auch schon dann vorliegen, wenn es um ein alterstypisches Alltagsgeschäft geht; also unabhängig von der Erfüllung durch das Kind. M hätte dieses Geschäft ja sogar allein wirksam zustande bringen können. In anderen Fällen, in denen die Mitwirkung des gesetzlichen Vertreters unabdingbar ist, führt das rechtsgeschäftliche Verhalten des über 7 Jahre alten Minderjährigen nun aber bloß zu schwebender Unwirksamkeit (§ 865 S 2). Dieser Vergleich lässt es nahe liegend erscheinen, die Konsequenz schwebender Unwirksamkeit auch dann anzunehmen, wenn ein Fall des § 151 Abs 3 vorliegt, das Kind aber noch nicht erfüllt hat. Dem Kind drohen dadurch nämlich keinerlei Nachteile, führt doch das „eigenständige“ Zustandebringen des Geschäftes zu keinem anderen (wirtschaftlichen und rechtlichen) Ergebnis als Abschluss3 oder Genehmigung des Geschäftes durch den gesetzlichen Vertreter. Teilt man diese Sicht, führte die Zustimmung durch Ms Vater zur Perfektion des Kaufvertrages4. Dass die Mutter dagegen ist, spielt keine Rolle; entscheidend ist immer die erste Vertretungshandlung (§ 154 Abs 1), die hier offensichtlich der Vater gesetzt hat. V hat daher gegen M einen Anspruch auf Zahlung von 20 Cent.
Fall 4: „Der teure Friseurbesuch“ Sachverhalt Die 16-jährige Schülerin B sieht wie 20 aus. Sie betritt Fs Friseurgeschäft und lässt alles machen, was gut und teuer ist. Erst danach erklärt sie F, dass sie weder volljährig sei noch Geld habe. Tatsächlich erhält B monatlich nur € 10 Taschengeld; gespart hat sie nichts. F hatte wegen der langen Prozedur, für die er € 150 berechnete, eine andere Kundin abweisen müssen, die daraufhin ein anderes Studio aufsuchte. Dadurch sind F € 50 entgangen. Auch eine Rückfrage von F bei Bs Eltern führt zu nichts: Sie erklären wie aus einem Mund, dass sie für derartige Dummheiten ihrer Tochter nichts übrig hätten und ihnen die neue Frisur überdies sehr missfalle. Welche Ansprüche hat F gegen B? Lösung I. Anspruch von F gegen B auf Zahlung von € 150 gem § 1170 ABGB Damit der Anspruch auf Zahlung von € 150 nach § 1170 besteht, muss zunächst ein gültiger Vertrag zwischen F und B zustande gekommen sein. Zwar haben sich F und B offenbar über Leistung (= bestimmter Erfolg, daher Werkvertrag) und Entgelt geeinigt. Die 16-jährige B ist jedoch noch 3 Zur Frage, ob und inwieweit in Bereichen eigener Geschäftsfähigkeit des Minderjährigen gesetzliche Vertretung überhaupt in Frage kommt, siehe I/2/18. 4 Ansonsten wäre zusätzlich eine neuerliche Erklärung von V nötig, die aber sicherlich abgegeben werden würde, da der Vertragsschluss für V nur Vorteile bringt. (Im Sachverhalt ist von der Abgabe einer solchen Erklärung jedoch keine Rede, weshalb sie nicht einfach unterstellt werden darf.)
Fall 4: „Der teure Friseurbesuch“ (P. Bydlinski)
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nicht voll geschäftsfähig (§ 21). Als mündige Minderjährige (§ 21 Abs 2 HS 2 ABGB € contrario) ist sie gem § 151 Abs 2 bloß eingeschränkt verpflichtungsfähig; nämlich nur bzgl der ihr zur freien Verfügung überlassenen Sachen und ihres Einkommens aus eigenem Erwerb, solange dadurch die Befriedigung ihrer Lebensbedürfnisse nicht gefährdet ist (I/2/24). Da B als Schülerin nichts verdient und nach dem Sachverhalt – außer einem kleinen Taschengeld – kein eigenes Geld hat, fehlt ihr für einen Werkvertrag über € 150 die Eigengeschäftsfähigkeit. Da auch kein Elternteil dem Handeln der Tochter nachträglich zugestimmt hat, sondern sogar eine klare Ablehnung erfolgte, fällt der gem § 865 S 2 zunächst „schwebend“ unwirksame Vertrag (I/2/23) ganz dahin. F steht daher kein vertraglicher Anspruch zu. II. Anspruch von F gegen B auf Zahlung von € 150 gem § 1431 bzw § 877 ABGB Da damit F seine Leistungen unbeabsichtigt ohne Rechtsgrund erbracht hat, ist als nächstes an Bereicherungsansprüche wegen irrtümlicher Leistung gegen B (condictio indebiti nach § 1431 bzw gem § 877) zu denken (siehe dazu schon bei Fall 3). Eine Rückstellung des Geleisteten durch B scheidet aufgrund der Natur der Leistung („Verschönerung“ von B) aus. Damit kommt von vornherein nur der Ersatz des der B verschafften Nutzens in Geld in Betracht. Abgesehen davon, dass bei immateriellen Vorteilen die Bemessung in Geld überaus schwierig ist1, muss hier vor allem beachtet werden, dass das Bereicherungsrecht nicht die Ziele der Geschäftsfähigkeitsschranken, nämlich den Schutz des Minderjährigen, durchkreuzen darf. So ordnet § 1424 S 2 sogar für die tatsächlich geschuldete Leistung an einen nicht voll Geschäftsfähigen an, dass diese nur insoweit schuldbefreiend wirkt, als sie das Vermögen des Empfängers (dauerhaft) mehrt. Diese Gesetzeswertung muss im Recht der ungerechtfertigten Bereicherung umso mehr gelten (vgl II/4/8). Da F hier B keinen materiellen Wert verschafft hat, scheidet ein Bereicherungsanspruch aus. III. Anspruch von F gegen B auf Zahlung von € 50 Schadenersatz gem § 1295 ABGB Nach dem Sachverhalt (erst alles ordern und danach auf fehlende Geldmittel hinweisen), war sich B offensichtlich durchaus bewusst, dass ihr für das konkrete Geschäft die nötige Eigengeschäftsfähigkeit fehlt. Ebenso musste sie aufgrund ihres Aussehens damit rechnen, dass F sie für volljährig und damit für voll geschäftsfähig hält. Ihr Verhalten erfüllt damit an sich ohne 1 Zum Ansatz, derartige Leistungen (aber etwa auch eine Reise oder den Besuch einer Kultur- bzw Sportveranstaltung) durch das Abstellen auf den Marktwert auch solcher „Güter“ zu „kommerzialisieren“, Lorenz in Staudinger14 BGB (1999) § 818 Rz 23 und 26; Larenz/Canaris, Lehrbuch des Schuldrechts13 (1994) II/2, 273 ff.
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Erster Teil: Fälle zum Allgemeinen Teil des Bürgerlichen Rechts
Zweifel den Tatbestand der cic (I/6/35 ff). Auch den von F nunmehr geltend gemachten Vermögensschaden hat sie verursacht: Hätte B nicht – vorsätzlich oder zumindest fahrlässig – über ihre Fähigkeit zum Vertragsschluss getäuscht, hätte F nicht sie, sondern die andere, wegen Zeitmangels abgewiesene Kundin bedient und von dieser € 50 erhalten. Dieser Betrag ist daher als Vertrauensschaden von F anzusehen, der in Fällen der cic ersetzt verlangt werden kann (nicht hingegen das Erfüllungsinteresse iHv € 150; siehe I/6/39)2. Fraglich ist nun aber, ob der minderjährigen B das für eine Haftung nach § 1295 nötige Verschulden vorgeworfen werden kann. Nachdem der einschränkende § 866 zum 1.7.2001 aufgehoben wurde, ist der Beginn der Verschuldensfähigkeit unklar und strittig. ME beginnt sie nunmehr generell, also auch im vorvertraglichen Bereich, mit dem 14. Lebensjahr (§ 153 iVm § 21 ABGB; näher dazu I/2/393). Konkrete Gründe, die ein Verschulden Bs ausschließen, sind nicht zu sehen. B haftet daher für den bei F entstandenen Vertrauensschaden. Da F nach den Umständen wohl auch keine Sorglosigkeit in eigenen Angelegenheiten vorgeworfen werden kann (B sah wie 20 aus und es ging doch eher um geringe Summen, weshalb F keinen Grund für Nachfragen hatte), wird sein Ersatzanspruch auch nicht infolge Mitverschuldens (§ 1304; dazu III/13/64 ff) gemindert4. F steht gegen B daher ein Anspruch auf Zahlung von € 50 nach § 1295 zu.
Fall 5: „Ein Moped mit Sechzehn“ Sachverhalt A nahm wenige Monate vor seinem 17. Geburtstag bei der Bank B einen Kredit iHv € 1.500 auf. Damit kaufte er sich ein Moped, um in seiner Freizeit mobiler zu sein. Vereinbart wurde eine Rückzahlung des Kredits in Monatsraten bei einer Verzinsung von 7%. Mangels eigenen nennenswerten Einkommens besaß A für das Geschäft keine ausreichende Geschäftsfähigkeit. Seine Eltern wurden nicht gefragt. A zahlte die Raten aber – vor allem mit Hilfe seiner Großeltern – wie ausgemacht immer pünktlich zurück; auch noch 4 Monate lang nach seinem 18. Geburtstag. Dann meinte jedoch ein Bekannter, der Kreditvertrag sei unwirksam, die Bank könne von ihm nichts verlangen. Seither zahlt A keinen Cent mehr. 2 Da es hier evident ist, dass F auch bei noch so korrektem Verhalten von B keine Forderung auf € 150 erlangt hätte, weshalb die Verursachung eines derartigen Schadens abzulehnen ist, wird dieser Anspruch nicht eigens geprüft. 3 Anders zB Kerschner V/2/71a; Kletecˇ ka in Koziol/Welser13 I 64 f; einschränkend auch Fischer-Czermak, ÖJZ 2002, 302. 4 Zulasten des Partners eines Minderjährigen offenbar generell strenger Hopf/ Weitzenböck, ÖJZ 2001, 530 FN 112.
Fall 5: „Ein Moped mit Sechzehn“ (P. Bydlinski)
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Da A zu seinem 18. Geburtstag ein Auto geschenkt bekam, verkaufte er das Moped um € 1.000 und legte das Geld zu 2,5% auf ein Sparbuch. a) Kann B von A die noch ausständigen Beträge zuzüglich der 7% Zinsen verlangen; womöglich alles auf einmal? b) Kann A das bereits Bezahlte zurückfordern? Variante: Ändert sich etwas, wenn ein Sachbearbeiter von B kurz nach As 18. Geburtstag bei diesem nachfragte, ob ihm seine Verpflichtungen aus der Kreditgewährung bewusst seien, was A telefonisch bejahte? Was, wenn A brieflich antwortete? A. Lösung zu a) I. Anspruch von B gegen A auf Zahlung der noch ausständigen Kreditraten zuzüglich 7% Zinsen gem den §§ 983 ff ABGB B hat nur dann Anspruch auf Zahlung der noch ausständigen Kreditraten samt 7% Zinsen, wenn der Kreditvertrag wirksam zustande gekommen ist. Mangels ausreichender Geschäftsfähigkeit des A hätte ein derartiger Vertragsschluss der Einwilligung von As gesetzlichem Vertreter bedurft, die laut Sachverhalt – As Eltern wurden nicht einmal gefragt – jedoch unterblieben ist. Der Kreditvertrag war daher schwebend unwirksam (§ 865 S 2). A ist aber mittlerweile volljährig (§ 21 Abs 2) und damit voll geschäftsfähig (I/2/15). Nach § 154 Abs 4 ABGB1 ist ein volljährig gewordenes Kind aus einem solchen schwebend unwirksamen Rechtsgeschäft nur dann wirksam verpflichtet, wenn es schriftlich erklärt, die Verpflichtungen als rechtswirksam anzuerkennen. Durch Einführung dieses Schriftformerfordernisses2 soll einerseits eine Disziplinierung präsumptiver Vertragspartner von Minderjährigen, andererseits ein erweiterter Schutz (partiell) Geschäftsunfähiger vor für sie nachteiligen Geschäften erreicht werden3. A wusste vom Geschäftsfähigkeitsmangel offensichtlich nichts. Daher können seine Zahlungen ohnehin nicht als (stillschweigende) nachträgliche Genehmigung gedeutet werden. Da A somit überhaupt nicht – und schon gar nicht schriftlich – erklärt hat, die Verbindlichkeiten aus dem Kreditvertrag als rechtswirksam anzuerkennen, kann ihn die Kreditvereinbarung auch nicht wirksam verpflichten (§ 154 Abs 4). B ist daher nicht berechtigt, die Zahlung der noch ausständigen Raten samt 7%iger Verzinsung von A auf vertraglicher Grundlage zu fordern. Damit erübrigt sich die Frage, ob B allenfalls alle Kreditraten auf einmal zurückverlangen kann4.
1 Eingefügt durch das KindRÄG 2001, BGBl I 135/2000. 2 Dazu kritisch P. Bydlinski, RdW 2001, 716 ff. 3 EB RV 296 BlgNr 21. GP 59 f. 4 Sog Terminsverlust; da es sich um ein Verbrauchergeschäft (§ 1 KSchG) handelt, müssten jedenfalls die Voraussetzungen des § 13 KSchG erfüllt sein (dazu noch in der Variante). Näheres zum Terminsverlust auch bei I/10/31 ff und in Fall 27.
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Erster Teil: Fälle zum Allgemeinen Teil des Bürgerlichen Rechts
II. Anspruch von B gegen A auf Rückzahlung des zu Unrecht Erhaltenen zuzüglich 4% Zinsen gem § 1431 (bzw § 877) ABGB iVm § 1333 Abs 1, § 1000 Abs 1 ABGB Allerdings hat A die Kreditvaluta iHv € 1.500 im Ergebnis ohne Rechtsgrund erhalten. Er ist daher einem Bereicherungsanspruch von B nach § 1431 (bzw § 877) ausgesetzt (III/15/5 ff und 12 ff). A war jedoch zum Zeitpunkt der Auszahlung der Kreditvaluta minderjährig, so dass § 1424 S 2, der im Bereicherungsrecht analog angewendet wird5, zu beachten ist (II/4/8 und III/15/35)6. A ist demnach nur insoweit zur Rückzahlung der Kreditraten verbunden, als die Kreditsumme noch wirklich vorhanden oder zu seinem Nutzen verwendet worden ist. „Wirklich vorhanden“ iSv § 1424 S 2 analog sind nur mehr die € 1.000, die A aus dem Verkauf des ursprünglich mit der Kreditvaluta angeschafften Mopeds erzielt und dann auf ein Sparbuch gelegt hat. Fraglich ist, ob A darüber hinaus ein Benutzungsentgelt schuldet (III/15/30). Das mit der Kreditsumme angeschaffte Moped ist ja nicht zuletzt wegen der Verwendung durch A entsprechend im Wert gesunken. Die Preisdifferenz von € 500 geht jedoch schon deshalb zulasten der Bank, weil A das Moped nur für Freizeitaktivitäten verwendet hat. Von einer „Verwendung zu seinem (bleibenden) Nutzen“ iSd § 1424 S 2 kann nicht die Rede sein7. B kann daher von A nach § 1431 maximal € 1.000 an Kapital zurückverlangen. Ferner ist zu berücksichtigen, dass A bereits Raten zurückgezahlt hat. Diese Zahlungen sind – obwohl kein wirksamer Darlehensvertrag zustande gekommen ist – nicht rechtsgrundlos erfolgt8: B hat zwar keine Darlehensforderung gegen A, sehr wohl aber einen Kondiktionsanspruch iHv € 1.000 (dazu noch bei der Lösung zu b). Fraglich ist allerdings, ob die Zahlung der (verzinsten) Raten in concreto die Erfüllung und damit ein – zumindest teilweises – Erlöschen (§ 1412) der Kondiktionsschuld bewirken kann9. A hat die verzinsten Raten ja offensichtlich als Rückzahlung auf die vermeintliche Forderung aus dem Darlehensvertrag erbracht. B hat die Zahlungen zweifellos auch in diesem Sinne entgegengenommen. Damit hat A aber genau jene Leistung – zumindest zum Teil – erbracht, die er der B (nach § 1431) tatsächlich schuldet, nämlich die Zahlung von Geld. In diesem Fall, in dem mit der Leistung objektiv „alles stimmt“, wäre es daher 5 Mader/W. Faber in Schwimann3 § 1424 Rz 2. 6 Dass A im Zeitpunkt der Kondiktion bereits volljährig ist, steht einer (analogen) Anwendung von § 1424 nicht entgegen. Nach dem Zweck der Norm ist ausschließlich darauf abzustellen, dass der Kondiktionsschuldner im Zeitpunkt der Verfügung über den fremden Gegenstand minderjährig war. 7 Anders wäre zu entscheiden, wenn A das Moped dazu verwendet hätte, um täglich zu seinem Arbeitsplatz zu kommen, und sich so die Kosten einer Monatskarte erspart hätte. Zur „nutzbringenden Verwendung“ vgl OGH SZ 55/166; SZ 60/119; JBl 1992, 39. 8 Dazu noch in der Lösung zu b). 9 Zur Erfüllung II/4/1 ff.
Fall 5: „Ein Moped mit Sechzehn“ (P. Bydlinski)
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verfehlt, eine entsprechende Tilgungsbestimmung bzw die richtige Bezeichnung der Forderung, die mit einer konkreten Leistung getilgt werden soll, als Voraussetzung für die wirksame Erfüllung anzusehen10. Die von A bereits geleisteten Ratenzahlungen (inklusive Zinsanteil) könnten daher in diesem Ausmaß gem § 1412 das Erlöschen von Bs Kondiktionsforderung bewirkt haben. Zweifel an der schuldtilgenden Wirkung der Ratenzahlung könnten allerdings wegen § 1421 S 2 bestehen. Nach dieser Bestimmung kann nämlich der gesetzliche Vertreter eines Minderjährigen, der eine „noch nicht verfallene11 Schuld abgetragen“ hat, die Zahlung entgegen § 1434 zurückfordern (III/15/8)12, was Erfüllung bzw Schuldtilgung ausschließt. Ein solcher Rückforderungsanspruch kann sich nach Zweck und Wortlaut13 des § 1421 jedoch von vornherein nur auf jene Ratenzahlungen beziehen, die A vor Erreichen der Volljährigkeit erbracht hat14. Jene Ratenzahlungen, die A nach Erreichen der Volljährigkeit geleistet hat, sind hingegen keinesfalls nach § 1421 S 2 rückforderbar und haben daher in diesem Ausmaß ein Erlöschen der Kondiktionsforderung der B bewirkt. Für die vor Erreichen des 18. Lebensjahres von A geleisteten Zahlungen ist damit zuerst zu prüfen, ob Bs Bereicherungsansprüche im jeweiligen Zahlungszeitpunkt überhaupt schon fällig waren (zur Fälligkeit II/2/36 ff). Mangels anderer Parteienvereinbarung oder gesetzlicher Fälligkeitsbestimmung ist auch für die Fälligkeit von Bereicherungsschulden auf die §§ 904 iVm 1417 zurückzugreifen15. Demnach kann die Begleichung von Bereicherungsansprüchen „sogleich“ gefordert werden. Sie werden also mit entsprechender Einforderung durch den Gläubiger fällig. Der Sachverhalt enthält keinerlei Hinweise darauf, dass B dem A gegen10 So F. Bydlinski, System und Prinzipien des Privatrechts (1996) 250 f. – Als komplizierte Alternativlösung käme ja nur in Betracht, die Ratenzahlungen von A als ihrerseits rechtsgrundlos anzusehen und die Beteiligten insoweit auf die Tilgung der jeweiligen Bereicherungsansprüche durch Aufrechnung zu verweisen. 11 Zur mangelnden Fälligkeit des Kondiktionsanspruches der B siehe sogleich. 12 Dieser Rückforderungsanspruch besteht bis zum Eintritt der Fälligkeit: Mader/W. Faber in Schwimann3 § 1421 Rz 2 aE. 13 § 1421 S 2 handelt nur von dem Fall, dass eine „Person, die sonst unfähig ist, ihr Vermögen zu verwalten“, also ein nicht (voll) Geschäftsfähiger, eine noch nicht verfallene Schuld abträgt. Die nach seinem 18. Lebensjahr erfolgten Ratenzahlungen hat A hingegen schon im Zustand voller Geschäftsfähigkeit getätigt. Zudem spricht der Zweck der Norm gegen eine Ausdehnung auf die nach Erreichen der Volljährigkeit erbrachten Ratenzahlungen: § 1421 S 2 will allein den nicht (voll) Handlungsfähigen vor Nachteilen bewahren, weil dessen Leistungswille altersbedingt mangelhaft ist (Rummel in Rummel3 § 1434 Rz 5). Diese Wertung trifft auf über 18-Jährige mit voller Geschäftsfähigkeit nicht zu, so dass eine analoge Anwendung ausscheidet. 14 Nach Erreichen des 18. Lebensjahres ist A allerdings für die Rückforderung nicht mehr auf die Mitwirkung seines gesetzlichen Vertreters angewiesen. 15 So für Ansprüche gem § 1435 bzw den §§ 1041 f Binder in Schwimann3 § 904 Rz 46 mwRspN.
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Erster Teil: Fälle zum Allgemeinen Teil des Bürgerlichen Rechts
über bereits einen bereicherungsrechtlichen Anspruch erhoben hätte. Mangels Mahnung (§ 1417) durch B ist der Anspruch nach § 1431 (bzw § 877) daher noch nicht fällig. Allerdings hätte B ihren Anspruch jederzeit mit Mahnung fällig stellen können, wofür die außergerichtliche Geltendmachung16 ihres Anspruches ausreicht. Die mit der Bezahlung „gewöhnlicher“ noch nicht fälliger Ansprüche verbundenen Nachteile drohen A daher gar nicht; etwa der Zinsnachteil, der entsteht, wenn jemand erst in mehreren Monaten zu bezahlende Schulden begleicht17. Da eine nachträgliche Fälligstellung (nach Zahlung) nur schwer zu konstruieren ist und es wenig einleuchtet, B zunächst zur Rückforderung zu verpflichten, um ihr „in der nächsten Sekunde“ (nach Fälligstellung) wieder einen Zahlungsanspruch zu gewähren, sprechen die besseren Argumente dafür, in Fällen wie dem vorliegenden, in dem die Fälligkeit bloß von einer Erklärung des Gläubigers abhängt, § 1421 S 2 nicht anzuwenden (teleologische Reduktion; dazu I/1/54). Des Weiteren ist zu prüfen, ob B hinsichtlich des noch offenen Betrages ihrer Kondiktionsforderung von A die Zahlung von Verzugszinsen (§§ 918 iVm 1333 f; II/2/33) verlangen kann. Voraussetzung für einen solchen Anspruch der B wäre, dass sich A mit der Begleichung der Bereicherungsschuld in Verzug (§ 918; II/3/7 ff) befindet. Dazu müsste die Schuld von A zunächst fällig sein, was aber bereits abgelehnt wurde. A befindet sich somit auch nicht in Verzug18, weshalb ein Anspruch von B auf Entrichtung von – wie immer berechneten – Verzugszinsen nicht besteht. Hingegen hat A die Sparbuchzinsen iHv 2,5% herauszugeben, soweit diese aus dem der B zustehenden Kapital gezogen wurden. Da A ansonsten zulasten von B ungerechtfertigt bereichert wäre, trifft ihn diese Verpflichtung auch dann, wenn er als redlicher Bereicherungsschuldner zu qualifizieren ist (III/15/33). B. Lösung zu b) Anspruch von A gegen B auf Rückzahlung des bereits Bezahlten gem § 1431 ABGB Da A den schwebend unwirksamen Kreditvertrag nicht gem § 154 Abs 4 nachträglich genehmigt, fällt der Vertrag rückwirkend und vollständig dahin; uz spätestens dann, wenn eine Aufforderung von B zur schriftlichen Genehmigung abgelehnt oder bis zum Ablauf einer angemessenen Frist von A ignoriert wird (I/2/27). Durch die Rückzahlung verzinster Kreditraten ist dem A jedoch – wie zuvor unter A. II. bereits angesprochen – kein Kondiktionsanspruch gegen B entstanden. Zwar hat A über den Rechtsgrund seiner Zahlung geirrt. Da er aber das Geld – wenn auch „nur“ aus Bereicherungsrecht – tatsächlich schuldete, greift § 1431 nicht ein. A kann 16 Bollenberger in KBB2 § 904 Rz 1; sa II/2/37. 17 Vgl Gschnitzer in Klang2 VI 395. 18 Näher zum Verzugsbeginn aufgrund einer Mahnung II/3/11.
Fall 6: „Der Steinchenwerfer“ (P. Bydlinski)
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daher die bereits an B bezahlten Raten samt Verzinsung grundsätzlich nicht zurückverlangen19. Auch der Umstand, dass Bs Bereicherungsanspruch noch nicht fällig ist20, berechtigt A nicht zur (teilweisen) Rückforderung des bereits Bezahlten gem § 1421 S 2, da hier – wie bereits unter A. II. ausgeführt – die Fälligkeit bloß von einer Erklärung der B abhängt (teleologische Reduktion von § 1421 S 2). As Interessen werden durch die Ablehnung eines Anspruchs von B auf Verzugszinsen (dazu schon oben A. II.) ohnehin ausreichend berücksichtigt. C. Lösung Variante § 154 Abs 4 verlangt ausdrücklich eine schriftliche Anerkennungserklärung des volljährig gewordenen Vertragsteiles. Wenn A dem Sachbearbeiter der B nur telefonisch bestätigt, dass ihm seine Verpflichtungen aus dem Kreditvertrag bewusst seien, ist damit der seinerzeitige Geschäftsfähigkeitsmangel nicht saniert. Antwortet A dem Sachbearbeiter der B brieflich, er erkenne die Verpflichtungen aus der Kreditvereinbarung als rechtswirksam an, so ist dem von § 154 Abs 4 geforderten Schriftformgebot entsprochen und damit dem Vertrag zur Vollgültigkeit verholfen (siehe I/2/27). B hat in diesem Fall Anspruch auf Zahlung der restlichen Kreditraten zuzüglich 7% Zinsen. A hat seit geraumer Zeit keinen Cent mehr zurückgezahlt. Daher wird B bestrebt sein, Terminsverlust geltend zu machen und von A die Zahlung aller noch offenen Raten auf einmal zu verlangen (I/10/31). Da es sich bei dem Kreditvertrag um ein Konsumentengeschäft iSd § 1 KSchG handelt, kann Terminsverlust nur unter den in § 13 KSchG normierten Voraussetzungen und bei entsprechender vertraglicher Vereinbarung eintreten. Nachdem aus dem Sachverhalt nicht hervorgeht, dass der Kreditvertrag überhaupt eine Terminsverlustabrede enthält, ist B nicht berechtigt, von A die Zahlung aller noch offenen Raten auf einmal zu verlangen.
Fall 6: „Der Steinchenwerfer“ Sachverhalt Der 12-jährige S ist viel allein. Seine Eltern sind beide berufstätig. Daher fällt ihm allerlei – meist harmloser – Unsinn ein. Eines Nachmittags bewirft er aus Langeweile im Park aus sicherer Deckung Passanten mit 19 Dies gilt allerdings mit der Einschränkung, dass sich die zurückgezahlten Raten samt Zinsen nicht auf mehr als € 1.000 (zuzüglich der B gebührenden Sparbuchzinsen) belaufen. Wäre dies der Fall, so könnte A den € 1.000 übersteigenden Betrag nach § 1431 zurückfordern, da er diesen (auch) bereicherungsrechtlich nicht schuldet. 20 Dazu bei der Lösung zu A. II.
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Erster Teil: Fälle zum Allgemeinen Teil des Bürgerlichen Rechts
kleinen Steinchen. Die Mindestrentnerin G stolpert bei einem Abwehrversuch. Beim darauf folgenden Sturz zerreißt sie sich ihr schönstes Kleid. S ist Gymnasiast und hat ein gut gefülltes Sparbuch. Muss S den Schaden ersetzen? Haften die Eltern von S? Lösung Vorbemerkungen: Im vorliegenden Fall wurde der Schaden durch jemanden verursacht, dem grundsätzlich die für eine Schadenersatzpflicht erforderliche Verschuldensfähigkeit („Deliktsfähigkeit“) fehlt. Nach § 153 ABGB ist insofern auf die Mündigkeit abzustellen; die Deliktsfähigkeit beginnt daher (§ 21 Abs 2 ABGB) erst mit Vollendung des 14. Lebensjahres (I/2/37 und III/13/32). S ist aber erst 12. Für derartige Schadensfälle ist nach dem System des Gesetzes (§§ 1308–1310) zuerst an die Haftung der Aufsichtspflichtigen und erst in zweiter Linie – und ausnahmsweise – an die Eigenhaftung des Unmündigen zu denken. Dem entspricht der folgende Prüfungsaufbau. I. Anspruch von G gegen die Eltern von S auf Schadenersatz für das beschädigte Kleid gem §§ 1295 iVm 1309 ABGB Erste Voraussetzung für einen Schadenersatzanspruch der G ist ein ihr entstandener Schaden, für den das Verhalten des S kausal war. Zweifellos hat G durch den Riss in ihrem Kleid einen Vermögensschaden erlitten, für den das Steinewerfen von S ursächlich war. Die Rechtswidrigkeit ist durch die Verletzung eines absolut geschützten Rechtsgutes, nämlich des Eigentums der G, indiziert. Da S aber erst zwölf Jahre alt ist, ist sein Verschulden fraglich. Diese Frage kann hier aber ohnehin zunächst zurückgestellt werden, da es nach § 1309 darauf ankommt, ob eine Aufsichtsperson (zumeist sind das die Eltern) ihre Obsorgepflicht schuldhaft verletzt hat. In einem solchen Fall hätte der zur Aufsicht Verpflichtete den Schadenersatz zu leisten (I/2/38). S wurde zwar von seinen Eltern an den Nachmittagen allein gelassen; doch ist es durchaus üblich, 12-jährige Kinder ohne ständige Beaufsichtigung im Park spielen zu lassen. Da S bisher offenbar nicht schon öfters Ähnliches angestellt hat, kann den Eltern von S keine Verletzung ihrer Obsorgepflicht vorgeworfen werden. Sie sind daher gem § 1309 auch nicht verpflichtet, den Schaden der G zu ersetzen. [Somit ist zu prüfen, ob S trotz Deliktsunfähigkeit ausnahmsweise selbst nach den §§ 1295 ff haftet.] II. Anspruch von G gegen S auf Schadenersatz für das kaputte Kleid gem §§ 1295 iVm 1310 ABGB Nach § 1310 können Unmündige dann selbst zum Schadenersatz herangezogen werden, wenn von den Obsorgepflichtigen kein Ersatz verlangt werden kann (weil sie nicht haften oder kein ausreichendes Vermögen besitzen), der Unmündige im konkreten Fall die Unrechtmäßigkeit seines
Fall 7: „Kriminelle Rechtsanwälte?“ (P. Bydlinski)
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Tuns erkennen konnte („Quasiverschulden“) und der unmündige Schädiger aufgrund seiner finanziellen Lage die – gänzliche oder auch nur teilweise – Schadenstragung leichter verkraften kann als der Geschädigte (I/2/38 und III/14/31)1. Dass G von den Eltern des S mangels Aufsichtspflichtverletzung keinen Schadenersatz verlangen kann, wurde bereits unter I. erörtert. S fällt ein Quasiverschulden zur Last, da ein Zwölfjähriger wissen muss, dass es Unrecht und konkret gefährlich ist, andere Menschen mit (auch bloß kleinen) Steinen zu bewerfen. Zudem verfügt S über ein gut gefülltes Sparbuch, während G Mindestrentnerin ist. Damit sind die Haftungsvoraussetzungen des § 1310 erfüllt. S muss daher den von ihm bei G verursachten Schaden gem §§ 1295 iVm 1310 wohl zur Gänze aus eigenem Vermögen ersetzen.
Fall 7: „Kriminelle Rechtsanwälte?“ Sachverhalt Rechtsanwalt R entdeckt in einer Wochenzeitschrift des Verlages V einen zweiseitigen Artikel über „kriminelle Rechtsanwälte“. Neben Fällen aus der Vergangenheit wird auch auf zwei aktuelle Ereignisse eingegangen. Im Zusammenhang mit der Veranlagung von Treuhandgeldern wird von „Veruntreuung“ gesprochen. Rs Name wird dabei ausdrücklich erwähnt (Vorname ausgeschrieben, Familienname nur mit Anfangsbuchstaben). Wegen des seltenen Vornamens weiß jeder Eingeweihte, wer gemeint ist. Der Journalist J hat sich bei der Abfassung seines Artikels auf Angaben eines anderen Anwaltes (A) verlassen und – wie schon öfter – nicht selbst recherchiert. A steht mit R in Streit, hat seine Verdachtsmomente J gegenüber aber deutlich zurückhaltender formuliert, als sie nun im Artikel zu lesen sind. Tatsächlich hat sich R niemals unkorrekt verhalten; es bestand nicht einmal ein entsprechender Verdacht. Welche Rechte hat R gegen V, wenn er aufgrund dieses Artikels wichtige Klienten verliert, wodurch sein Einkommen um € 50.000 zurückgeht? Variante 1: Was gilt, wenn der Artikel zwar ohne finanzielle Auswirkungen bleibt, sich aber einige alte Freunde von R abwenden und er auch auf dem Golfplatz geschnitten wird? Variante 2: Welche Rechte hat R gegen V, wenn die Angaben von A glaubwürdig waren und auch von anderer Seite bestätigt wurden, so dass J keine Zweifel an deren Richtigkeit haben musste und glaubte, wertvolle journalistische Arbeit zu leisten?
1 Zu § 1310 ABGB sa III/13/3 und III/13/64.
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A. Lösung Grundfall1 I. Anspruch von R gegen V auf Zahlung von Schadenersatz iHv € 50.000 gem §§ 1295 ff, 1330 Abs 2, 1315 ABGB R wird in erster Linie seinen durch die Veröffentlichung des Artikels über „verbrecherische Rechtsanwälte“ entstandenen Einkommensverlust von V ersetzt erhalten wollen. Zu prüfen ist, ob R seinen Schadenersatzanspruch gegen V auf § 1330 Abs 2 S 1 stützen kann. Dafür müsste V zunächst unwahre Tatsachen verbreitet haben, die den Erwerb bzw das Fortkommen des R gefährden und deren Unwahrheit V kannte oder kennen musste. Die Behauptung, R habe Treuhandgelder veruntreut, enthält den überprüfbaren Vorwurf eines verbrecherischen Verhaltens2 und ist damit eine Tatsache iSd § 1330 Abs 23. Da R sich tatsächlich niemals unkorrekt verhalten hat, stimmt diese Äußerung nicht mit der Wirklichkeit überein und ist somit unwahr. Dass diese unwahren Tatsachenbehauptungen geeignet waren, die wirtschaftliche Position des R zu beeinträchtigen, zeigt schon der Schwund wichtiger Mandanten und der damit verbundene Einkommensverlust iHv € 50.000. V hat diese unwahren Tatsachen der Öffentlichkeit in seiner Wochenzeitschrift mitgeteilt und damit iSv § 1330 Abs 2 „verbreitet“. Der wirtschaftliche Ruf einer Person wird als absolutes Recht behandelt4, dessen Verletzung die Rechtswidrigkeit von Vs Verhalten bereits indiziert. Da zudem nicht klar ist, woher A seine Informationen über die angebliche Veruntreuung durch R bezogen hat, hat für V bzw seine Organe eine Nachprüfungspflicht bestanden, deren Verletzung die Rechtswidrigkeit begründet5. Auf einen der in § 6 Abs 2 MedG normierten besonderen Rechtfertigungsgründe6 kann V sich nicht stützen: So scheidet eine Berufung auf Z 2 leg cit aus, weil die Veröffentlichung nicht wahr ist. Zudem hat J die gebotene journalistische Sorgfalt offenkundig nicht eingehalten, was eine Prüfung des Interesses der Öffentlichkeit an der Veröffentlichung erübrigt. Auch auf § 6 Abs 2 Z 4 MedG kann sich V nicht berufen, da J die Angaben von A nicht wörtlich zitiert hat. Dass V als juristische Person für das Verschulden des J nach den Grundsätzen der Repräsentantenhaftung (I/2/47) einzustehen hat, ist abzulehnen, da J offenbar schlichter Mitarbeiter von V ist7. J könnte aber als untüchtiger 1 Soweit im Folgenden der Vollständigkeit halber Ansprüche nach dem MedG geprüft werden, geht die Falllösung über den Stoff des Lehrbuches hinaus. 2 Vgl Koziol, Haftpflichtrecht2 II 174; OGH MR 1990, 184 (185). 3 Danzl in KBB2 § 1330 Rz 2. 4 Reischauer in Rummel3 § 1330 Rz 7 mwRspN. Unklar Danzl in KBB2 § 1330 Rz 2; Harrer in Schwimann3 § 1330 Rz 39 ff; vgl auch OGH MR 2004, 16. 5 Harrer in Schwimann3 § 1330 Rz 39 f. 6 Diese sind auch bei der Beurteilung eines Verstoßes gegen § 1330 Abs 2 relevant: OGH MR 2001, 93. 7 Anders wäre zu entscheiden, wenn J etwa Chefredakteur und damit „Machthaber“ wäre. Dann müsste V zweifellos für J nach den Grundsätzen der Repräsentantenhaftung einstehen (OGH MR 2000, 20).
Fall 7: „Kriminelle Rechtsanwälte?“ (P. Bydlinski)
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Besorgungsgehilfe iSd § 1315 (III/13/40 ff) zu qualifizieren sein8: Für die Annahme einer Veruntreuung von Treuhandgeldern durch R stand J im vorliegenden Fall nur die Aussage eines anderen Anwalts zur Verfügung, der mit R zerstritten war und der die Vorwürfe darüber hinaus weit zurückhaltender geäußert hatte, als von J letztlich dargestellt. Ohne Rücksprache mit R und ohne sonstige Recherche hat J die Verdächtigungen des A zur Grundlage seines Artikels gemacht. Dies stellt eine gravierende Verletzung der journalistischen Sorgfaltspflicht9 und einen auffallenden Mangel an Gewissenhaftigkeit dar. Die Annahme der habituellen Untüchtigkeit des J für den Journalistenberuf nach § 1315 ist auch deshalb gerechtfertigt, weil er bereits öfters eigene Recherchen unterlassen hat. V hat daher für das Verhalten des J einzustehen10. Der Anspruch von R gegen V auf Zahlung von € 50.000 besteht somit zu Recht. II. Anspruch von R gegen V auf Entschädigung für die erlittene Kränkung gem § 6 bzw § 7b MedG Nach § 1330 Abs 2 ist nur der materielle Schaden ersatzfähig11. Demgegenüber gewährt § 6 MedG einen verschuldensunabhängigen, aber der Höhe nach beschränkten, Entschädigungsanspruch für die erlittene Kränkung (dh für immaterielle Schäden), wenn in einem Medium der objektive Tatbestand der üblen Nachrede, der Beschimpfung, der Verspottung oder der Verleumdung erfüllt wird. Für die Verleumdung (§ 297 StGB) fehlt hier jedenfalls das Wissen um die Unrichtigkeit der erhobenen Anschuldigungen. Verwirklicht wurde jedoch der Tatbestand der üblen Nachrede gem § 111 StGB. Dieser liegt dann vor, wenn der Täter einen anderen in einer für einen Dritten wahrnehmbaren Weise einer verächtlichen Eigenschaft oder Gesinnung zeiht oder eines unehrenhaften Verhaltens oder eines gegen die guten Sitten verstoßenden Verhaltens beschuldigt, das geeignet ist, ihn in der öffentlichen Meinung verächtlich zu machen oder herabzusetzen. Der Vorwurf der Begehung einer vorsätzlichen Straftat von einigem Gewicht (hier Veruntreuung) stellt – wenn er wie im vorliegenden Fall hinreichend konkretisiert ist – einen nach § 111 StGB strafbaren Verhaltensvorwurf dar, für den die aufgrund der Zugänglichmachung einer breiten Öffentlichkeit strengere Strafdrohung des § 111 Abs 2 StGB gilt. Da die Behauptung, R habe Gelder veruntreut, nicht wahr ist, und auch keine Umstände vorlagen, aus denen sich hinreichende Gründe ergeben hätten, die Behauptungen für wahr zu halten, scheidet ein Entlastungsbeweis gem § 111 Abs 3 StGB aus. Passiv klagslegitimiert ist der Medieninhaber bzw 8 Auch juristische Personen haften für ihre Besorgungsgehilfen: Koziol, Haftpflichtrecht2 II 375. [Ein Anspruch gegen J selbst ist wegen der eingeschränkten Fragestellung nicht zu prüfen!] 9 Zur journalistischen Sorgfaltspflicht Zeiler, Persönlichkeitsschutz (1998) 54 ff. 10 Vgl auch OGH MR 1987, 93. 11 Koziol, Haftpflichtrecht2 II 177.
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der Verleger, hier also V. Rechtfertigungsgründe gem § 6 Abs 2 MedG sind nicht gegeben (dazu schon bei Anspruch I). R kann daher für den durch die Berichterstattung erlittenen immateriellen Schaden von V gem § 6 Abs 1 MedG Ersatz verlangen. Da R in einem Medium – nämlich der Wochenzeitschrift des V – als Täter einer Veruntreuung hingestellt wird, ohne deswegen rechtskräftig verurteilt zu sein, könnte er von V wahlweise auch wegen Verletzung der Unschuldsvermutung nach § 7b Abs 1 MedG eine Entschädigung für die erlittene Kränkung verlangen. Die Unschuldsvermutung ist bereits dann verletzt, wenn der Betroffene zwar namentlich nicht (präzise) genannt, aber – wie hier durch die Angabe von Rs seltenem Vornamen – zumindest identifizierbar ist. Ein Ausschlussgrund des § 7b Abs 2 MedG liegt nicht vor; insb kann V sich nicht darauf berufen, bloß die Äußerungen des A (wahrheitsgetreu) wiedergegeben zu haben (§ 7b Abs 2 Z 5 MedG)12. R könnte seinen Schadenersatzanspruch daher auch auf § 7b MedG stützen. Eine einzelne Veröffentlichung kann allerdings nur einen Anspruch auf Entschädigung auslösen. Eine Kumulierung der Ansprüche scheidet aus. Begehrt R daher sowohl nach § 6 als auch nach § 7b MedG Ersatz für die erlittene Kränkung, so darf das Gericht nur eine Entschädigung zusprechen, die das Höchstmaß des höchsten in Betracht kommenden Anspruches – hier also jenen nach § 6 MedG – nicht übersteigt (§ 8 Abs 2 MedG)13. III. Anspruch von R gegen V auf Zurücknahme der Behauptung, R habe Treuhandgelder veruntreut, als unwahr, sowie auf Veröffentlichung des Widerrufs in Vs Wochenzeitschrift gem § 1330 Abs 2 S 2 ABGB R kann ferner von V gem § 1330 Abs 2 S 2 den Widerruf der Behauptung, wonach er Klientengelder veruntreut habe, sowie dessen Veröffentlichung verlangen. Nach hA setzt dieser Anspruch ebenfalls Verschulden voraus14. Begründung dafür ist insb die Formulierung des § 1330 Abs 2 ABGB (vgl S 2 „in diesem Falle ...“ mit S 1 leg cit!); doch auch an die Einordnung des Widerrufs als Art (teilweiser) Naturalherstellung kann gedacht werden15. Dass V sich das Verschulden des J über § 1315 zurechnen lassen muss, wurde bei Anspruch I bereits ausgeführt. Der Widerruf hat in einer Weise zu erfolgen, die ebenso wirksam ist wie die Verbreitung der Falschbehauptung16. 12 Dazu – allerdings in Zusammenhang mit § 6 Abs 2 Z 2 MedG – schon zuvor bei Anspruch I. 13 Hanusch, Kommentar zum Mediengesetz (1998) § 8 MedG Rz 5; Berka/Höhne/Noll/Polley, Mediengesetz – Praxiskommentar2 (2005) § 8 MedG Rz 13. 14 Koziol, Haftpflichtrecht2 II 177; Danzl in KBB2 § 1330 Rz 7; jeweils mwN. 15 III/13/57 und III/14/18. Mit dem Argument, der Widerruf sei der Beseitigung einer Störungsquelle (siehe etwa I/2/50, IV/4/16) zumindest sehr ähnlich, könnte auf das Verschuldenselement allerdings auch verzichtet werden. 16 Statt vieler Harrer in Schwimann3 § 1330 Rz 55.
Fall 7: „Kriminelle Rechtsanwälte?“ (P. Bydlinski)
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R kann daher von V die Veröffentlichung des Widerrufs in dessen Wochenzeitschrift verlangen; uz regelmäßig an derselben Stelle und in derselben Aufmachung wie der seinerzeitige Artikel. IV. Anspruch von R gegen V auf unentgeltliche Veröffentlichung einer Gegendarstellung gem § 9 MedG Da R durch die Mitteilung der unrichtigen Tatsache, er habe Treuhandgelder veruntreut, „nicht bloß allgemein betroffen“ ist, hat er gem § 9 MedG einen – von Rechtswidrigkeit und Verschulden unabhängigen17 – Anspruch auf unentgeltliche Veröffentlichung einer Gegendarstellung. „Nicht bloß allgemein betroffen“ iSd § 9 Abs 1 MedG ist R deshalb, weil er zwar nicht mit vollem Nachnamen genannt wird, durch die Anführung seines exotischen Vornamens aber für jeden Eingeweihten erkennbar ist, dass R gemeint ist. Der Veruntreuungs-Vorwurf stellt zweifellos eine Tatsachenmitteilung iSd Legaldefinition des § 9 Abs 2 MedG dar. Gem § 12 Abs 1 MedG hat R sein Begehren auf Veröffentlichung einer Gegendarstellung schriftlich an V zu richten. Kommt V diesem Begehren nicht nach, kann R gem § 14 MedG einen gerichtlichen Antrag auf Anordnung der Veröffentlichung der Gegendarstellung stellen18. V. Anspruch von R gegen V auf Unterlassung der Behauptung, R habe Treuhandgelder veruntreut, gem § 1330 Abs 2 ABGB Obwohl § 1330 Abs 2 ABGB explizit nur Schadenersatz und Widerruf regelt, besteht nach dieser Bestimmung auch ein verschuldensunabhängiger Anspruch des Verletzten auf Unterlassung gleichartiger Äußerungen in der Zukunft (I/2/56)19. Voraussetzung dafür ist, dass pro futuro eine Gefährdung des in seinem wirtschaftlichen Ruf Beeinträchtigten durch eine weitere Verbreitung der unwahren Tatsachenbehauptungen zu befürchten ist (sog Wiederholungsgefahr)20. Diese wird im Regelfall auch bei bloß einmaligem Verstoß vermutet21; einen Wegfall der Wiederholungsgefahr hätte V im Prozess zu behaupten und zu beweisen22. Die Unterlassungsklage kann, weil sie eine andere Zielrichtung als der Widerruf hat, auch neben einer Widerrufsklage erhoben werden23. Nach dem vorliegenden Sachverhalt wird R gegen V wohl auch mit seinem Unterlassungsbegehren durchdringen. 17 Brandstetter/Schmid, Mediengesetz2 (1999) § 9 MedG Rz 4; Berka/Höhne/ Noll/Polley, Mediengesetz2 Vor §§ 9-12 MedG Rz 10. 18 Sonstige Ansprüche nach dem MedG, insb solche nach § 7a, werden mangels hinreichender Angaben im Sachverhalt nicht eigens geprüft. 19 HM: Statt vieler OGH MR 1999, 215; Brandstetter/Schmid, Mediengesetz2 Anh I C Rz 49. 20 Harrer in Schwimann3 § 1330 Rz 58. 21 Korn/Neumayer, Persönlichkeitsschutz im Zivil- und Wettbewerbsrecht (1991) 73. 22 Harrer in Schwimann3 Vor §§ 1293 ff Rz 39. 23 Reischauer in Rummel3 § 1330 Rz 22 aE.
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B. Lösung Variante 1 Bleibt der Artikel des J ohne finanzielle Auswirkungen, so hat R keinen Vermögensschaden erlitten. Schadenersatzansprüche nach § 1330 Abs 2 entfallen daher. Dies gilt jedoch nicht für den Schadenersatzanspruch nach § 6 MedG, da diese Norm den Ersatz für immaterielle Schäden regelt. Unberührt bleiben auch die Ansprüche auf Widerruf und dessen Veröffentlichung. Nach der Rsp zieht bereits die bloße Gefährdung der wirtschaftlichen Position den Anspruch auf Widerruf (sowie dessen Veröffentlichung) nach sich; der Nachweis eines tatsächlich eingetretenen Schadens wird nicht verlangt24. Ohne Einfluss bleibt das Fehlen finanzieller Konsequenzen auch auf den Unterlassungsanspruch (hier wird allein auf die Wiederholungsgefahr, nicht aber auf die Folgen einer neuerlichen Verletzung abgestellt) und auf das Gegendarstellungsrecht. C. Lösung Variante 2 I. Anspruch von R gegen V auf Zahlung von Schadenersatz iHv € 50.000 gem §§ 1295 ff, 1330 Abs 2, 1315 ABGB Zwar hat V auch in diesem Fall unwahre Tatsachen iSd § 1330 Abs 2 verbreitet, doch entfällt die Rechtswidrigkeit, weil V bzw dessen Organe keine Nachforschungs- und Prüfungspflichten verletzt haben. J hat mit der gebotenen Sorgfalt recherchiert: Er musste laut Sachverhalt keine Zweifel an den Angaben des A haben; diese wurden sogar von dritter Seite bestätigt. Da das Verhalten des V damit von vornherein nicht rechtswidrig war, kommt es auf die Verwirklichung eines Rechtfertigungsgrundes nach § 6 Abs 2 MedG, der auch im Rahmen der Prüfung des § 1330 Abs 2 heranzuziehen ist, nicht mehr an. Mangels Rechtswidrigkeit von Vs Verhalten scheidet ein Anspruch des R auf Ersatz des Vermögensschadens gem § 1330 Abs 2 aus. II. Anspruch von R gegen V auf Entschädigung für die erlittene Kränkung gem § 6 bzw § 7b MedG R kann auch keinen Ersatz für die „erlittene Kränkung“ nach § 6 MedG verlangen. Für den hier vorliegenden Fall der üblen Nachrede (§ 111 StGB) enthält das MedG in § 6 Abs 2 Z 2 einen Rechtfertigungsgrund für den Verleger, auch wenn die verbreiteten Tatsachen unwahr sind. Demnach ist das Verhalten des V dann gerechtfertigt, wenn ein überwiegendes Interesse der Öffentlichkeit an der Veröffentlichung bestanden hat und auch bei Aufwendung der gebotenen journalistischen Sorgfalt hinreichende Gründe vorgelegen sind, die Behauptung für wahr zu halten. Dass J bei seiner Recherche hinreichend gewissenhaft war, wurde zuvor schon ausgeführt. Zu klären ist noch, ob das Bedürfnis der Öffentlichkeit nach Information das Interesse des R am Schutz seines wirtschaftlichen Rufes überwiegt. Zweck der Rechtfertigung der – unwahren – Behauptung einer von R be24 Harrer in Schwimann3 § 1330 Rz 53.
Fall 7: „Kriminelle Rechtsanwälte?“ (P. Bydlinski)
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gangenen Veruntreuung ist das Informationsbedürfnis der Öffentlichkeit für den Fall, dass die Behauptung richtig wäre, falls bei Einhaltung der journalistischen Sorgfalt von der Richtigkeit ausgegangen werden kann. J spricht in seinem Artikel nicht nur Fälle aus der Vergangenheit an, sondern bezieht sich auch auf aktuelle Ereignisse. Damit soll auch bezweckt werden, künftig die Veruntreuung von Treuhandgeldern zu verhindern und potenzielle Opfer vor Schaden zu bewahren. Es ist daher von einem überwiegenden Interesse der Öffentlichkeit an der Veröffentlichung des Artikels von J auszugehen. Wegen Erfüllung der Voraussetzungen des § 6 Abs 2 Z 2 MedG scheidet ein Anspruch auf Ersatz des immateriellen Schadens gem § 6 Abs 1 MedG aus. Allerdings kann R seinen Schadenersatzanspruch erfolgreich auf § 7b MedG stützen25. Der Umstand, dass hinsichtlich des Ersatzanspruches nach § 6 MedG ein Rechtfertigungsgrund nach § 6 Abs 2 leg cit eingreift, führt nicht auch zum Ausschluss anderer Ersatzansprüche wie etwa nach § 7b MedG, zumal dort ohnehin spezielle Ausschlussgründe normiert sind. R hat daher wegen Verletzung der Unschuldsvermutung gegen V Anspruch auf Ersatz des immateriellen Schadens nach § 7b MedG. III. Anspruch von R gegen V auf Zurücknahme der Behauptung, R habe Treuhandgelder veruntreut, als unwahr, sowie auf Veröffentlichung des Widerrufs in Vs Wochenzeitschrift gem § 1330 Abs 2 ABGB Widerruf kann R nur begehren, wenn die Voraussetzungen des § 1330 Abs 2 S 1 vorliegen (siehe § 1330 Abs 2 S 2: „in diesem Falle“). Weil R mangels Rechtswidrigkeit von Vs Verhalten keinen Ersatzanspruch geltend machen kann, dringt er auch mit seinem Begehren auf Widerruf und dessen Veröffentlichung nicht durch. R kann von V daher nicht verlangen, dass dieser die seinerzeitige Äußerung über die Veruntreuung von Treuhandgeldern in seiner Zeitschrift als unwahr zurücknimmt. IV. Anspruch von R gegen V auf unentgeltliche Veröffentlichung einer Gegendarstellung gem § 9 MedG Unberührt bleibt der – von Rechtswidrigkeit und Verschulden unabhängige26 – Anspruch des R, gem § 9 MedG von V die unentgeltliche Veröffentlichung einer Gegendarstellung zu verlangen. Dazu kann auf das oben (zum Grundfall unter A.IV.) Ausgeführte verwiesen werden. V. Anspruch von R gegen V auf Unterlassung der Behauptung, R habe Treuhandgelder veruntreut, gem § 1330 Abs 2 ABGB Dem Unterlassungsbegehren des R ist dann stattzugeben, wenn für die Zukunft zu befürchten ist, dass V die Behauptung, R habe Treuhandgelder 25 Dazu schon zuvor im Grundfall unter Anspruch II. 26 Brandstetter/Schmid, Mediengesetz2 § 9 MedG Rz 4; Berka/Höhne/Noll/Polley, Mediengesetz2 Vor §§ 9–12 MedG Rz 10.
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veruntreut, weiterhin verbreiten wird. Diese sog Wiederholungsgefahr wird auch bei bloß einmaligem Verstoß vermutet; für ihren Wegfall wäre V im Prozess behauptungs- und beweispflichtig (dazu schon im Grundfall unter Anspruch V). Dass die erste Veröffentlichung der unrichtigen Anschuldigungen gerechtfertigt war, steht einer Unterlassungsklage nicht entgegen: Mittlerweile hat V Kenntnis von der Unrichtigkeit der Vorwürfe gegen R, so dass jede weitere öffentliche Verbreitung der falschen Behauptungen jedenfalls rechtswidrig27 wäre. Allerdings liegt es hier nahe, dass V vor Gericht dartun kann, eine Wiederholung seiner Eingriffshandlung sei nunmehr – nach Aufklärung des wahren Sachverhalts – ganz unwahrscheinlich. Die besonderen Umstände des Einzelfalls sprechen nämlich dafür, dass eine Wiederholungsgefahr nicht besteht. Insb die Tatsache, dass J beim ersten Eingriff gewissenhaft recherchiert hat und die Anschuldigungen gegen R bei Aufwendung der gebotenen journalistische Sorgfalt für wahr halten durfte, ihm also kein rechtswidriges Vorgehen angelastet werden kann, wird V zu seinen Gunsten vorbringen können28. Erklärt V nach der Beanstandung durch R und während des Prozesses glaubwürdig, dass er – da er von der Unrichtigkeit der Anschuldigungen weiß – keinesfalls auf der falschen Darstellung beharre, er also ernstlich gewillt ist, künftige Störungen zu unterlassen, wird man vom Vorliegen einer Wiederholungsgefahr nicht (mehr) ausgehen dürfen. Notfalls kann V die Ernsthaftigkeit seiner Beteuerung durch das Angebot eines vollstreckbaren (mit Konventionalstrafe bewährten) Unterlassungsvergleiches untermauern29.
Fall 8: „Frau Winter lächelt“ Sachverhalt Frau Winter ist in der Wiener Innenstadt unterwegs. Plötzlich streckt ihr jemand die Hand entgegen und überreicht freundlich lächelnd ein Werbegeschenk. Frau Winter lächelt höflich zurück. Wenige Wochen später findet sie sich überlebensgroß auf einem Werbeplakat für eine neue Wochenzeitung des Unternehmers U wieder. Was kann Frau Winter unternehmen? Variante: Mit dem Plakat buhlt die politische Partei U um Wählerstimmen. 27 Auch der Unterlassungsanspruch setzt die Rechtswidrigkeit der begangenen oder drohenden Eingriffshandlung voraus: Brandstetter/Schmid, Mediengesetz2 Anh I C Rz 42; OGH ecolex 1995, 892 mwRspN. 28 Vgl dazu ÖBl 1989, 52: Wenn ein Gesetzesverstoß auf einem Irrtum beruht, kann die Wiederholungsgefahr ausgeschlossen sein, wenn sich der Beklagte, sobald ihm die Gesetzesverletzung bekannt geworden ist, davon distanziert und geeignete Maßnahmen gegen eine Wiederholung ergreift. 29 Vgl MR 1989, 145.
Fall 8: „Frau Winter lächelt“ (P. Bydlinski)
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A. Lösung Grundfall Vorbemerkungen: Gem § 78 UrhG dürfen Bildnisse von Personen weder öffentlich ausgestellt noch auf eine andere Art, wodurch sie der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden, verbreitet werden, wenn dadurch berechtigte Interessen des Abgebildeten verletzt würden. Frau Winter hat einer Verwendung der von ihr aufgenommenen Fotos als Werbeplakate sowie deren Affichierung jedenfalls weder ausdrücklich noch konkludent zugestimmt. Daher ist nun zu prüfen, ob Frau Winter durch die Verwendung ihres Konterfeis für eine Werbekampagne in ihren „berechtigten Interessen“ iSd § 78 UrhG verletzt ist. Die Verwendung eines Personenbildnisses zu Werbezwecken führt dazu, dass der Abgebildete in seinem Recht, frei entscheiden zu können, ob und für welche Produkte er werben will bzw in welcher Form dies geschehen soll, beeinträchtigt wird (Eingriff in die Meinungsäußerungsfreiheit)1. Frau Winter ist nach stRsp2 schon deshalb in ihren berechtigten Interessen beeinträchtigt, weil sie sich nunmehr dem Verdacht ausgesetzt sieht, sie habe ihr Bild gegen Entgelt für Werbezwecke zur Verfügung gestellt. Frau Winter ist daher in ihrem Recht auf das eigene Bild gem § 78 UrhG verletzt. Daher könnten die im Folgenden angesprochenen Ansprüche in Betracht kommen3. I. Anspruch von W gegen U auf Unterlassung des Anbringens weiterer Plakate nach den §§ 81 iVm 78 UrhG Das Recht am eigenen Bild zählt nach ganz hA zu den „Ausschließungsrechten“ iSd §§ 81 ff UrhG. Da dieses verletzt wurde, kann W gem § 81 UrhG Unterlassung begehren und so erreichen, dass keine weiteren Plakate aufgeklebt werden. II. Anspruch von W gegen U auf Entfernung der bereits angebrachten und auf Vernichtung aller gedruckten Plakate gem §§ 82 iVm 78 UrhG Zudem kann W gem § 82 UrhG von U verlangen, dass dieser den dem Gesetz widerstreitenden Zustand beseitigt, indem er die bereits affichierten Plakate entfernt und den Lagerbestand vernichtet. Auf ein Verschulden von U kommt es wie beim Unterlassungsanspruch nicht an (I/2/50). III. Anspruch von W gegen U auf Finanzierung einer Veröffentlichung gem §§ 85 iVm 78 UrhG Bei entsprechendem „berechtigten Interesse“ hätte W darüber hinaus das Recht, auf Kosten von U das ihrem Antrag stattgebende Urteil im Unterlas1 Korn/Neumayer, Persönlichkeitsschutz im Zivil- und Wettbewerbsrecht (1991) 102, 105; OGH MR 1994, 162. 2 Siehe nur OGH MR 1999, 278 mwRspN. 3 Die Prüfung erfolgt schon deshalb sehr knapp und nicht taxativ, weil es um die Anwendung eines Spezialgesetzes geht, das bloß am Rande zum Prüfungsstoff gehört und auch im Lehrbuch (I/2/58 aE) nur kurz angesprochen wird.
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sungs- bzw Beseitigungsverfahren zu veröffentlichen (§ 85 UrhG). Da die Abbildung von W auf den Plakaten jedoch beim Betrachter – und damit in der Öffentlichkeit – keine negative Urteile über die abgebildete Person auslösen wird, muss hier ein berechtigtes Interesse an der Urteilsveröffentlichung wohl abgelehnt werden. IV. Anspruch von W gegen U auf Zahlung eines angemessenen Entgelts gem §§ 86 iVm 78 UrhG bzw nach § 1041 ABGB Ein Anspruch auf angemessenes Entgelt gem § 86 UrhG steht W nicht zu, da in der taxativen Aufzählung anspruchsbegründender Verletzungshandlungen der Verstoß gegen § 78 UrhG nicht genannt wird. Allerdings könnte es sich bei dem Bild von W um ein ihr ausschließlich zugewiesenes vermögenswertes Gut iSd § 1041 ABGB handeln4 (dazu III/15/17), so dass sie gegen U einen Verwendungsanspruch (III/15/16 ff) geltend machen könnte. Die Rechtsfolgen eines Verstoßes gegen § 78 UrhG sind in den §§ 81, 82, 85 und 87 UrhG nach der Rsp5 abschließend geregelt. Mit dieser Begründung werden auch Bereicherungsansprüche abgelehnt, sofern es sich nicht um die Verwendung des Bildes einer Persönlichkeit mit „geldwertem Bekanntheitsgrad“ handelt6. Allerdings sind Fotomodelle für kommerzielle Werbekampagnen typischerweise nur gegen Entgelt zu gewinnen. Überdies wurde in der Literatur bereits mehrmals gezeigt, dass das Recht am eigenen Bild zu den Persönlichkeitsrechten gehört; seine Regelung im UrhG ist zufällig und systematisch nicht überzeugend. Daher wird zu Recht die Heranziehung auch außerhalb des UrhG liegender (allgemeiner) Anspruchsgrundlagen befürwortet7. Damit könnte man W hier durchaus einen – nach dem Sachverhalt allerdings nicht näher bezifferbaren – Verwendungsanspruch zugestehen. V. Anspruch von W gegen U auf Zahlung von Schadenersatz nach den §§ 87 iVm 78 UrhG Da W offensichtlich keinen materiellen Schaden erlitten hat, scheiden Ersatzansprüche nach § 87 Abs 1 UrhG in concreto aus. Ob ihr von U ein etwa erlittener immaterieller Schaden nach § 87 Abs 2 UrhG ersetzt werden muss, hängt nach der Judikatur davon ab, ob die Beeinträchtigung den mit jeder Zuwiderhandlung verbundenen Ärger übersteigt8. Dafür liefert der Sachverhalt jedoch keine Anhaltspunkte.
4 Korn/Neumayer, Persönlichkeitsschutz 124 wollen das vermögenswerte Gut im „mit der Abbildung erzielten Werbewert“ sehen. 5 ZB SZ 55/12; JBl 1989, 786 mit Anm Nowakowski. 6 OGH ÖBl 1984, 141 mit Anm Schönherr (Fußballspieler). 7 Statt vieler Nowakowski, ÖBl 1983, 97; weitere Nachweise bei Korn/Neumayer, Persönlichkeitsschutz 123 f. 8 Zuletzt etwa OGH MR 2000, 303 mwRspN mit Anm Korn.
Fall 8: „Frau Winter lächelt“ (P. Bydlinski)
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B. Lösung Variante Wird Ws Bild zur Werbung für die politische Partei U verwendet, kann der unbefangene Betrachter davon ausgehen, dass W mit der betreffenden Partei sympathisiert. Da dies nicht der Wirklichkeit entspricht, verletzt die Plakataktion berechtigte Interessen von W iSd § 78 UrhG. Die im Grundfall unter A.I. und II. geprüften Ansprüche sind W hier daher ebenfalls zuzugestehen; der Anspruch auf Finanzierung der Veröffentlichung allenfalls dann, wenn es W ernsthaft zum Nachteil gereicht, gerade der Partei U zugerechnet zu werden. Verwendungsansprüche nach § 1041 scheiden in der Variante dann aus, wenn für derartige Plakatfotos üblicherweise „echte“ Parteigänger (ohne Honorar) und keine bezahlten Modelle engagiert werden.
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3. Subjektive Rechte und ihre Grenzen Fall 9: „Zwei echte Fußballfans“ Sachverhalt S hat G vor vier Jahren bei einer Rempelei auf der Ost-Tribüne des HorrStadions leicht verletzt. Erst jetzt, nach einem Streit, will G von S Schmerzengeld. G bringt gegen S Klage auf Zahlung von € 3.000 ein. In der Klage schildert er alles präzise und richtig. Der Beklagte S bleibt trotz korrekter Klagezustellung untätig. Wird Gs Klage erfolgreich sein? Lösung Anspruch von G gegen S auf € 3.000 gem §§ 1295 iVm 1325 ABGB Dadurch, dass G bei der Rempelei mit S leicht verletzt wurde, hat er einen Schaden an seiner Gesundheit bzw körperlichen Unversehrtheit erlitten. Mangels anderer Anhaltspunkte im Sachverhalt ist davon auszugehen, dass das Verhalten des S adäquat-kausal für die Verletzung des G sowie rechtswidrig und schuldhaft war (III/13/4). Damit besteht ein Schmerzengeldanspruch von G gegen S gem den §§ 1295, 1325 dem Grunde nach zu Recht. Geprüft werden muss allerdings noch, ob Gs Klage wegen Verjährung abzuweisen ist1. Die Verjährung von Schadenersatzansprüchen ist in § 1489 geregelt. Gem S 1 leg cit beträgt die Verjährungsfrist drei Jahre ab Kenntnis des Geschädigten von Schaden und Schädiger (I/3/36). Seit der Rempelei im Schwarzenegger-Stadion sind bereits vier Jahre verstrichen. Den Schädiger (S) kannte G seit damals. Zumindest kurze Zeit nach dem Vorfall wusste er auch von seinem Schaden und dessen Intensität. Der Anspruch des G ist daher gem § 1451 bereits verjährt. Allerdings hätte S die Verjährung im Prozess einredeweise geltend machen müssen (§ 1501); eine amtswegige Wahrnehmung findet nicht statt (I/3/41). Weil S auf die Klage des G nicht reagiert hat, darf das Gericht die Verjährung des Schadenersatzanspruches nicht berücksichtigen. G ist somit das eingeklagte, offenbar angemessene Schmerzengeld zuzusprechen.
1 Zum Verjährungsrecht sa Fall 15.
Fall 10: „Das schriftliche Zahlungsversprechen“ (P. Bydlinski)
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4. Vertrag und Rechtsgeschäft Fall 10: „Das schriftliche Zahlungsversprechen“ Sachverhalt G lässt sich von S folgende Erklärung unterschreiben: „Hiermit verpflichte ich mich, Herrn G am 1.4.2002 € 10.000 zu bezahlen.“ Als am 15.4. noch immer nicht bezahlt ist, überlegt G, die € 10.000 einzuklagen. Wird er damit Erfolg haben, wenn er sich bei Gericht bloß auf die Urkunde beruft? Lösung Anspruch von G gegen S auf Zahlung von € 10.000 nach § 861 ABGB Da der Verpflichtungserklärung von S kein wirtschaftlicher Grund zu entnehmen ist, auf den die Zahlung des Geldbetrages zurückgeführt werden könnte, stellt diese eine abstrakte Verpflichtung dar. Nach österr Recht ist eine solche Vereinbarung unwirksam: So könnte eine abstrakte Verpflichtung etwa dazu benutzt werden, die an verbotene Geschäfte geknüpfte Nichtigkeitsfolge (§ 879) zu unterlaufen. Daher wird auch § 937 so verstanden, dass dem Schuldner Einwendungen gegen einen geltend gemachten Anspruch nicht vorweg quasi „flächendeckend“ und auf Dauer genommen werden dürfen (I/5/15). Ausnahmsweise abgewichen wird vom Grundsatz prinzipieller Unwirksamkeit abstrakter Rechtsgeschäfte nur in drei- oder mehrpersonalen Verhältnissen, da – bzw sofern – sich die wirtschaftlichen Motivationen aus den (kausalen) Verhältnissen der beteiligten Personen zueinander erkennen lassen (I/5/16). Eine solche Konstellation liegt hier aber nicht vor. G wird daher mit seiner Klage keinen Erfolg haben, wenn er sich vor Gericht bloß auf die Urkunde beruft.
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5. Der Vertragsschluss Fall 11: „Gut’ Autokauf braucht Weile“ Sachverhalt (1. Teil) K interessiert sich für Vs Gebrauchtwagen. Bei einem Treffen bietet er V € 2.000. V meint aber, das sei viel zu wenig. Eine Woche später hat V es sich anders überlegt. Er ruft K an und meint, die 2.000 seien schon in Ordnung. Kann V Zahlung der € 2.000 verlangen? Lösung Anspruch von V gegen K auf Zahlung von € 2.000 gem § 1062 ABGB V kann von K nur dann Zahlung der € 2.000 verlangen, wenn zwischen den beiden ein gültiger Kaufvertrag (§ 1053) zustande gekommen ist. Dafür müssen die Voraussetzungen des § 861 – nämlich das Vorliegen eines Angebots und dessen wirksame Annahme durch eine deckungsgleiche Willenserklärung des Vertragspartners – erfüllt sein. Indem K dem V € 2.000 für den Gebrauchtwagen bietet, macht er ihm ein bindendes Angebot. Die Offerte des K, an dessen Bindungswillen nicht gezweifelt werden kann, ist inhaltlich ausreichend bestimmt: Sie enthält mit Angabe von Kaufgegenstand und Kaufpreis die essentialia eines Kaufvertrages (I/6/6 ff). Da K dem V sein Angebot bei einem persönlichen Treffen unterbreitet, ist dieses Angebot dem V zweifellos auch zugegangen (I/6/9). V nimmt das Angebot des K allerdings nicht an – die € 2.000 sind ihm zunächst ja zuwenig –, weshalb der Vertrag mangels zweier korrespondierender Willenserklärungen nicht zustande kommt (I/6/14 f). Dass V es sich eine Woche später anders überlegt hat, ändert daran nichts. Gem § 862 ist K an sein Angebot nicht mehr gebunden: Mangels einer von K gesetzten Frist hätte V das Angebot, das unter Anwesenden gemacht wurde, „sogleich“ annehmen müssen. Der Anruf des V ist zwar als neues Angebot – diesmal von V – zu deuten, den Wagen um € 2.000 an K verkaufen zu wollen. Nur wenn K dieses (rechtzeitig; § 862) annimmt, kann V von ihm die Zahlung der € 2.000 verlangen. Eine Annahme ist jedoch (noch) nicht erfolgt, weshalb der Anspruch auf Kaufpreiszahlung nicht besteht. 1. Fortsetzung des Sachverhalts V sagt beim Telefongespräch, er akzeptiere die € 2.000, schließe bei diesem Preis aber jede Gewährleistung aus. K entgegnet: „Der Preis ist o.k., aber auf meine Gewährleistungsrechte bestehe ich.“ Dann legt K auf. Ist ein Kaufvertrag zustande gekommen?
Fall 11: „Gut’ Autokauf braucht Weile“ (P. Bydlinski)
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Lösung Ein Vertrag kommt nur dann zustande, wenn Angebot und Annahmeerklärung präzise zur Deckung gebracht werden können. Übereinstimmung bloß in den Hauptpunkten (essentialia negotii) genügt allerdings dann nicht, wenn in die Vertragsverhandlungen auch Nebenpunkte einbezogen wurden: So lange auch nur einer davon offen ist, fehlt es am Konsens (I/6/14). Zwar sind V und K über Ware (das Auto) und deren Preis (€ 2.000) einig, nicht aber über den von V in sein Angebot aufgenommenen Gewährleistungsausschluss. K besteht weiterhin auf seinen Gewährleistungsrechten, womit er Vs Angebot ablehnt. Zugleich unterbreitet K nun seinerseits dem V ein neues Angebot mit dem Inhalt, dessen Auto unter Wahrung sämtlicher Gewährleistungsrechte um e 2.000 zu kaufen. Diese Offerte hat V nicht angenommen; zwischen V und K ist daher weiterhin kein Kaufvertrag zustande gekommen. 2. Fortsetzung des Sachverhalts Am nächsten Tag bringt V den Wagen bei K vorbei. Dieser bedankt sich und stellt einen Scheck über € 2.000 aus. Er übergibt ihn an V und erhält von diesem zugleich alle Schlüssel und Papiere. Anschließend fährt K das Auto in seine Garage. a) Wurde ein Kaufvertrag geschlossen? b) Wurde K Eigentümer des Autos? Wenn ja, wann? A. Lösung zu a) Im Vorbeibringen des Wagens ist ein neues Angebot des V zu sehen, das K durch die Danksagung und/oder die Ausstellung des Schecks konkludent (§ 863) angenommen hat. Da über die Gewährleistungsrechte nicht mehr gesprochen wurde, könnte man vertreten, dass diesbezüglich nunmehr die dispositiv-rechtlichen Bestimmungen eingreifen (§§ 922 ff; vgl II/ 3/66 ff). Näher liegt es aber wohl, im bedingungslosen Vorbeibringen des Autos ein Einlenken von V zu sehen: Er gibt sich geschlagen, akzeptiert also die bisherige Verhandlungsposition Ks (Kauf mit Gewährleistung). Jedenfalls aber ist zwischen V und K nunmehr – endlich! – ein gültiger Kaufvertrag (§ 1053) über den Gebrauchtwagen zu einem Preis von € 2.000 zustande gekommen. B. Lösung zu b) Damit K am Gebrauchtwagen Eigentum erwerben kann, bedarf es gem § 380 zunächst eines gültigen Titels (IV/6/37) sowie – bei beweglichen Sachen wie einem Auto – der körperlichen Übergabe der Kaufsache gem den §§ 426 ff (IV/6/42). Der Abschluss des Kaufvertrages allein kann K daher noch kein Eigentum an der Kaufsache verschaffen. Körperliche Übergabe bedeutet Überlassung der unmittelbaren Gewahrsame durch den Vormann, dh der Gebrauchtwagen muss in eine Lage
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Erster Teil: Fälle zum Allgemeinen Teil des Bürgerlichen Rechts
gebracht werden, die nach der Verkehrsauffassung die Herrschaft von K begründet (IV/2/34). Die Übergabe der Schlüssel und Papiere könnte nun aber bloß eine „Übergabe durch Zeichen“ iSd § 427 darstellen, die nach hM gegenüber § 426 subsidiär und daher nur dann zulässig ist, wenn die körperliche Übergabe untunlich wäre (IV/2/35). In Bezug auf Kfz verneint die stRsp1 die „Untunlichkeit“ einer körperlichen Übergabe. Mit der Aushändigung von Fahrzeugpapieren und -schlüsseln hat K daher uU noch kein Eigentum erworben. Eigentümer wird K allerdings (spätestens) mit dem Einsteigen in das Fahrzeug, da diese Handlung jedenfalls seine Alleingewahrsame am Auto begründet. ME ist es jedoch durchaus fraglich, ob bei § 426 eine solche Strenge tatsächlich angebracht ist. So ließ der OGH bei einem nicht betriebsbereiten, abgemeldeten und auf einer öffentlichen Verkehrsfläche abgestellten Fahrzeug die körperliche Übergabe durch Aushändigung von Fahrzeugpapieren und -schlüsseln zu2. Kann der Käufer mit dem Wagen ohne weiteres wegfahren (öffentliche Verkehrsfläche; hier sogar: Standort bereits beim Käufer), hat nur mehr er diese Möglichkeit (Erhalt aller Schlüssel) und kann er überdies über den Wagen verfügen (Erhalt der Papiere), steht der Käufer genauso wie vorher der Verkäufer: Er hat die Alleingewahrsame; und zwar unabhängig davon, ob er den Wagen bereits geöffnet hat oder nicht.
Fall 12: „Ballbesuch um jeden Preis?“ Sachverhalt Antonia (A) sucht schon seit längerem ein hübsches Kleid für den Grazer Opernball. In der Auslage des Geschäfts von Berta (B) sieht sie ein Kleid, das ihr sehr gefällt und auch preislich ihren Vorstellungen entspricht. Das Kleid ist mit € 500 ausgezeichnet. Sie probiert es an und scheint an diesem Tag Glück zu haben, denn das Ballkleid sitzt wie angegossen. Daraufhin sagt A: „Das Kleid nehme ich.“ B antwortet: „Da haben Sie eine gute Wahl getroffen“ und packt das Kleid ein. Als B dann beim Bezahlen an der Kassa einen Preis von € 1.500 eintippt, stellt sich heraus, dass das Kleid im Schaufenster preislich falsch ausgezeichnet war. B wollte nicht zum Preis von € 500 verkaufen. Da A ihrerseits die geforderten € 1500 nicht zahlen will, behält B das Kleidungsstück. Verdrossen zieht A von dannen. Zwei Straßen weiter trifft sie auf den Jusstudenten Martin (M), dem sie das Geschehene erzählt und der ihr sagt, dass sie von B die Übereignung des Kleides bei gleichzeitiger Bezahlung des Schaufensterpreises verlangen könne. (Ein Sachverständiger wird später feststellen, dass das Kleid im Schaufenster einen Handelswert zwischen € 700 und € 900 hat.) Kann A von B tatsächlich Übereignung verlangen? 1 Vgl OGH HS 7257/38. 2 EvBl 1982/111.
Fall 12: „Ballbesuch um jeden Preis?“ (P. Bydlinski)
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Variante: A betritt das Geschäft und sagt sofort: „Das 500-Euro-Kleid aus dem Schaufenster nehme ich!“ B verweist sofort auf den Fehler bei der Preisauszeichnung, bietet aber aus Kulanz einen Preis von € 1.200 an. A besteht hingegen auf Übergabe gegen Zahlung von nur € 500, was B verweigert. Da A das Kleid noch am selben Abend benötigt, ist sie gezwungen, in einer anderen Boutique ein ähnliches um € 800 zu kaufen. Ansprüche von A gegen B? A. Lösung Grundsachverhalt Anspruch von A gegen B auf Übereignung des Kleides gem den §§ 1061, 1047 ABGB Damit A von B Übereignung des Kleides verlangen kann, muss zwischen den beiden ein gültiger Kaufvertrag über das Kleid zu einem Preis von € 500 zustande gekommen sein. Dazu bedarf es gem § 861 zunächst eines Angebots und einer Annahme durch korrespondierende Willenserklärungen. Das Ausstellen des Kleides im Schaufenster ist als bloße „invitatio ad offerendum“ zu qualifizieren, weil es B am rechtlichen Bindungswillen fehlt. B möchte nur zu Vertragsverhandlungen einladen (I/6/8). Daher ist weiter zu prüfen, ob A der B ein wirksames Angebot gemacht hat, indem sie „Das Kleid nehme ich“ sagte. Fraglich ist, welchen Inhalt ein solches Angebot hätte. Ist der Inhalt von Willenserklärungen zweifelhaft, so ist dieser durch Interpretation zu ermitteln. Aus § 914 folgt, dass der Sinn einer Willenserklärung nicht bloß nach deren Wortlaut zu bestimmen ist, sondern auch nach dem Willen der Parteien. Nach der Vertrauenstheorie ist entscheidend, wie ein objektiver Empfänger das Angebot verstehen musste (I/6/42). Aus Sicht eines objektiven Empfängers wollte A das Kleid jedenfalls zu dem im Schaufenster angegebenen Preis, dh um € 500 kaufen. Die Erklärung der A ist inhaltlich ausreichend bestimmt. Es liegt somit ein gültiges Angebot über das Kleid zu einem Preis von € 500 vor. Ob B mit dem Satz „Da haben Sie eine gute Wahl getroffen“ dieses Angebot angenommen hat, ist wiederum nach dem objektiven Erklärungswert dieser Äußerung zu beurteilen. Aus Sicht der A ist die Erklärung der B dahingehend zu verstehen, dass diese das Kleid zum Preis von € 500 verkaufen wollte. Damit liegen zwei korrespondierende Willenserklärungen vor; B hat das Angebot der A angenommen. Der Kaufvertrag zwischen A und B über das Kleid zu einem Preis von € 500 ist daher zustande gekommen, weshalb der Anspruch der A gegen B auf Übereignung des Kleides entstanden ist. B könnte allerdings versuchen, den Vertrag wegen Irrtums anzufechten und den Übereignungsanspruch auf diese Weise zum Wegfall zu bringen1. 1 Eine ebenfalls denkbare Anfechtung wegen laesio enormis durch B scheitert zwar nicht daran, dass B Unternehmerin ist, da auch die Berufung eines Unternehmers auf Verkürzung über die Hälfte mangels anderer Vereinbarung nicht
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B wollte das Kleid nicht um € 500, sondern um € 1.500 verkaufen. B irrt daher über den Inhalt der von ihr abgegebenen Erklärung (Erklärungsirrtum; I/8/7). Der Irrtum der B ist jedenfalls wesentlich iSd § 871 (I/8/15), da der Vertrag ohne denselben nicht zustande gekommen wäre: Aus dem Sachverhalt geht deutlich hervor, dass B nicht bereit war, das Kleid für € 500 zu verkaufen, und dass A nicht um € 1.500 gekauft hätte. Damit der Irrtum zur Anfechtung berechtigt, muss er zudem eine der drei besonderen Voraussetzungen des § 871 Abs 1 erfüllen (I/8/17 ff). In Frage kommt hier die rechtzeitige Aufklärung (I/8/19) des Irrtums durch B. Da A noch keine vermögenswerten Dispositionen im Vertrauen auf das Zustandekommen des Vertrages getroffen hat, erfolgte die Erklärung der B, wonach der Preis im Schaufenster falsch sei und sie das Kleid nur um € 1.500 verkaufen wolle, jedenfalls rechtzeitig. Das bloße Vorliegen eines Irrtums ändert an der Gültigkeit des Vertrages allerdings noch nichts. Will sich der Irrende vom Vertrag lösen, muss er seinen Irrtum durch Anfechtung geltend machen (I/8/22). Hier könnte fraglich sein, ob B eine entsprechende Gestaltungserklärung bereits abgegeben hat; etwa stillschweigend durch die Weigerung, das Kleid für € 500 zu übergeben. Gemeinsam mit dem Hinweis auf die falsche Preisauszeichnung reicht Bs Verhalten für die Annahme einer solchen konkludenten Anfechtung sicherlich aus. Abzulehnen wäre hingegen eine einvernehmliche Vertragsauflösung, da die Handlung von A (sie entfernt sich verdrossen) nicht entsprechend gedeutet werden kann. Geht man wie hier von der Abgabe einer Anfechtungserklärung durch B aus, so ist der Anspruch auf Übereignung dann (rückwirkend) erloschen, wenn man außergerichtliche Abgabe der Gestaltungserklärung genügen lässt. Folgt man hingegen der hA (I/8/22), könnte B die Anfechtung während der Dreijahresfrist des § 1487 dann noch wirksam im Prozess erklären, wenn sie von A auf Übereignung geklagt würde2. Für die Frage der Rechtzeitigkeit der Irrtumsaufklärung genügen allerdings in jedem Fall außergerichtliche Hinweise. B. Lösung Variante Anspruch von A gegen B auf Schadenersatz iHv € 300 gem § 918 ABGB Da B das Kleid nicht um € 500 verkaufen wollte, war A gezwungen, sich ein anderes, € 800 teures, Kleid zu verschaffen. Zu prüfen ist, ob A die Differenz von € 300 als Schadenersatz von B verlangen kann. Ein Schadenersatzanspruch der A gegenüber B könnte hier nur durch schuldhafte Nichterfüllung einer vertraglichen Pflicht seitens der B entstanden sein. Es ist daher in einem ersten Schritt zu prüfen, ob in der Variante zwischen A und B ein Kaufvertrag über das Kleid zum Preis von € 500 zustande gekommen ist. ausgeschlossen ist (vgl § 351 UGB). Allerdings fehlt es hier bereits am massiven Missverhältnis iS des § 934 ABGB. 2 Zur Möglichkeit einer Perpetuierung der Irrtumseinrede durch fristgerechte Irrtumsanzeige I/8/22.
Fall 13: „Die bayerische Brotzeit“ (P. Bydlinski)
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Wie schon oben ausgeführt, ist das Ausstellen des Kleides im Schaufenster der B nur eine sog invitatio ad offerendum und damit kein Angebot iSd § 861. Das Angebot, das Kleid um € 500 kaufen zu wollen, macht A mit dem Satz „Das Kleid nehme ich“. Da B einem Vertrag über das Kleid zu einem Kaufpreis iHv € 500 weder ausdrücklich noch konkludent zustimmt, nimmt sie das Angebot der A nicht an. Indem B das Kleid um € 1.200 anbietet, macht sie der A vielmehr ein neues Angebot, welches A jedoch ablehnt. Es kommt daher kein Kaufvertrag zwischen A und B zustande, weshalb B gegenüber der A auch keinerlei vertragliche Pflichten (§ 1061) zu erfüllen hat. Ein Ersatzanspruch von A gegen B scheidet damit aus.
Fall 13: „Die bayerische Brotzeit“ Sachverhalt A kommt vom Training und sieht vor einem Lokal in der Zinzendorfgasse eine Tafel mit der Ankündigung: „Weißwürste mit Brezeln € 3,50“. Er lässt sich nieder und bestellt. Kurz darauf bringt ihm die Wirtin W einen Teller mit einem Paar Weißwürste mit Senf sowie einen Brotkorb, in dem sich zwei Brezeln befinden. A verzehrt alles genüsslich. Als er W € 4 geben will, meint diese, beim Menü sei nur eine Brezel dabei. Das Verzehrte koste insgesamt daher € 4,50. A zahlt murrend. Als er wenig später den Jus-Studenten S trifft, meint dieser, W habe zuviel verlangt. Hat A Rückforderungsansprüche gegen W? Variante 1: Wie oben, aber: A legt zwei 2-Euro-Münzen auf den Tisch und verlässt verärgert das Lokal. W nimmt die € 4 vom Tisch und lässt es diesmal dabei bewenden. Kann A 50 Cent zurückfordern? Variante 2: Wie oben, aber: A meint, das sei Bauernfängerei. Er zahle keinesfalls mehr als die € 3,50. Da W auf den € 4,50 beharrt und eine Entgegennahme der angebotenen € 3,50 daher ablehnt, geht A ohne zu zahlen. Rechte von W?
A. Lösung Grundfall Anspruch von A gegen W auf Rückzahlung von € 1 gem § 1431 ABGB A wird den seiner Ansicht nach zuviel bezahlten € 1 von W zurückfordern wollen. Voraussetzung für einen solchen – bereicherungsrechtlichen – Rückforderungsanspruch ist, dass W den € 1 rechtsgrundlos, also ohne aus dem Vertrag mit A dazu berechtigt zu sein, von A erhalten hat (III/15/1 ff). Es gilt daher zuerst zu prüfen, ob und mit welchem Inhalt ein Vertrag zwischen A und W zustande gekommen ist. Die Ankündigung auf der Tafel vor dem Lokal wird deshalb nicht als verbindliches Angebot zu werten sein, weil ein endgültiger Bindungswille
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Erster Teil: Fälle zum Allgemeinen Teil des Bürgerlichen Rechts
der W fehlt: Zum einen wird W sich ihre Gäste aussuchen – oder jedenfalls bestimmte Personen abweisen – wollen, zum anderen werden Weißwürste und Brezeln wohl kaum in unendlicher Menge vorhanden sein (I/6/8). Die Ankündigung auf der Tafel vor dem Gasthaus ist daher bloß eine sog invitatio ad offerendum (I/6/8). Erst die Bestellung des A ist als Angebot im Rechtssinne zu qualifizieren1. Fraglich ist, welchen Inhalt dieses Angebot hat. Bei der Auslegung von Willenserklärungen ist auf den Empfängerhorizont abzustellen (sog Vertrauenstheorie): Entscheidend ist, wie die Erklärung unter Berücksichtigung aller Umstände objektiv verstanden werden durfte (I/6/42). Zweifellos bezieht sich das Angebot des A auf die Tafel mit der Ankündigung „Weißwürste mit Brezeln um € 3,50“. Diese Erklärung kann aus der Sicht eines objektiven Erklärungsempfängers nur so verstanden werden, dass mit „Brezeln“ zumindest zwei Stück gemeint sind. Mit Aufnahme der Bestellung, spätestens aber mit dem vorbehaltlosen Servieren, hat W die Offerte des A angenommen2, was nach der Vertrauenstheorie wieder nur dahingehend gedeutet werden kann, dass W dem A entsprechend der Ankündigung auf der Tafel ein Paar Weißwürste mit (mindestens) zwei Brezeln um € 3,50 überlassen wollte. Zwischenergebnis: Der Bewirtungsvertrag zwischen W und A kam über ein Paar Weißwürste mit Senf und (zumindest) zwei Brezeln zum Preis von € 3,50 zustande. W hat aber offenbar irrtümlich etwas anderes erklärt, als sie eigentlich erklären wollte: Sie meinte ja, über Weißwürste mit zwei Brezeln zu € 4,50 bzw mit nur einer Brezel um € 3,50 zu kontrahieren. Daher ist an eine Anfechtung des Bewirtungsvertrages gem § 871 wegen Erklärungsirrtums (I/8/7 f) zu denken. Das Vorliegen eines (wesentlichen und beachtlichen; I/8/15 ff) Irrtums allein beseitigt den Vertrag jedoch noch nicht. W muss den ihr unterlaufenen Irrtum auch durch eine Anfechtung des Vertrages geltend machen3. In ihrer Erklärung, das Verzehrte koste € 4,50, könnte eine solche – zumindest konkludente – Irrtumsanfechtung zu sehen sein. Allerdings hat A die Würstel samt Gebäck bereits verzehrt. Damit ist der Irrtum der W nicht mehr rechtzeitig iSd § 871 aufgeklärt worden (I/8/19). Auch die anderen Alternativvoraussetzungen des § 871 (Irrtumsveranlassung durch A, leichte Erkennbarkeit des Irrtums für A) sind nicht erfüllt. W kann den Vertrag mit A daher nicht wegen Irrtums anfechten. Aufgrund des Bewirtungsvertrages hat A tatsächlich nur € 3,50 geschuldet. Bei seiner Zahlung glaubte er aber offenbar, W werde mit ihrer Forderung schon Recht haben. Ihm unterlief in Bezug auf seine Zahlungspflicht daher ein (Rechts-)Irrtum, was grundsätzlich die Kondiktionsmöglichkeit nach § 1431 eröffnet (III/15/5 ff). Fraglich ist bloß noch, ob A € 1 oder nur 50 Cent von W zurückverlangen kann: Ursprünglich war er ja zur 1 Näheres zum Angebot I/6/6 ff. 2 Näheres zur Annahme I/6/14 ff. 3 Zur Frage, ob der Irrtum gerichtlich geltend gemacht werden muss oder ob auch eine außergerichtliche Gestaltungserklärung genügt, I/8/22.
Fall 13: „Die bayerische Brotzeit“ (P. Bydlinski)
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Zahlung von € 4 bereit, wobei 50 Cent offensichtlich als Trinkgeld gedacht waren. Ein Anspruch von W auf diesen Betrag ist allerdings niemals entstanden: Das Schenkungsanbot von A wurde von W nicht angenommen; und ein Vergleich (§ 1380; dazu II/5/8 ff) in diesem Umfang kam ebenfalls nicht zustande. Zum einen wollte A die € 4 zahlen, bevor es einen Streit über die Höhe der Entgeltforderung gab. Zum anderen hat sich W mit dieser Summe niemals einverstanden erklärt. A kann somit im Ergebnis € 1 von W gem § 1431 zurückfordern. B. Lösung der Variante 1 Anspruch von A gegen W auf Rückzahlung von 50 Cent gem § 1431 ABGB A und W haben – wie oben bereits ausgeführt – einen Bewirtungsvertrag über ein Paar Weißwürste mit Senf sowie (zumindest) zwei Brezeln zum Preis von € 3,50 geschlossen. Aus dem Bewirtungsvertrag schuldete A also nur die Zahlung von € 3,50, weshalb dieser für W keine Rechtsgrundlage für das Behalten der zuviel gezahlten 50 Cent darstellt. Es ist daher bzgl dieses Betrages an einen Rückforderungsanspruch des A gem § 1431 zu denken. Ausgeschlossen ist ein solcher Kondiktionsanspruch jedoch dann, wenn die Hingabe der 50 Cent vertraglich gedeckt ist. In Betracht kommt zunächst das Vorliegen einer konkludenten (§ 863) Schenkung (§ 938; III/2/1 ff). Dafür spricht insb die geringe Höhe des zurückgelassenen Geldbetrages. Bei unentgeltlicher Vermögensentäußerung sind aber strenge Anforderungen an die Annahme einer entsprechenden Erklärung zu stellen (I/4/6). Die von § 863 geforderte Zweifelsfreiheit, dass die Handlung des A als Schenkung zu deuten sei, ist hier wohl nicht gegeben: A ist ja der Ansicht, im Recht zu sein und ärgert sich über den höheren Preis für die Weißwürste. Dass er der W, die plötzlich mehr verlangt, nun auch noch ein Trinkgeld geben will, ist nicht sehr lebensnahe. Das Zurücklassen der das Entgelt aus dem Bewirtungsvertrag übersteigenden 50 Cent wird daher nicht als konkludentes Schenkungsangebot anzusehen sein. Zu prüfen ist aber noch, ob der Umstand, dass A zwei 2-Euro-Münzen auf den Tisch legt und dann das Lokal verlässt, als ein konkludentes Vergleichsangebot (§ 1380; II/5/8 ff) anzusehen ist. Dies würde W, wenn sie das Angebot annimmt, nämlich zum Behalten der 50 Cent berechtigen (dazu schon kurz oben zum Grundfall). Wie jeder andere Vertrag kommt auch ein Vergleich grundsätzlich nur bei Vorliegen zweier korrespondierender Willenserklärungen gültig zustande (§ 861; I/6/1). Da A – offenbar ohne nähere Erklärung – die 50 Cent auf den Tisch legt und anschließend die Gaststätte verlässt, kommt in concreto nur das Vorliegen einer konkludenten Willenserklärung gem § 863 in Betracht. An die Schlüssigkeit eines Verhaltens legt § 863 allerdings einen strengen Maßstab: Ein stillschweigendes Vergleichsangebot von A liegt daher nur dann vor, wenn W dessen Verhalten (hier: Zurücklassen der 50 Cent) unzweifelhaft den Willen entnehmen kann, einen Vergleich schließen zu wollen (I/4/6). A und W ver-
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Erster Teil: Fälle zum Allgemeinen Teil des Bürgerlichen Rechts
treten hinsichtlich der Höhe der Entgeltforderung aus dem Bewirtungsvertrag unterschiedliche Positionen: A steht auf dem Standpunkt, nur € 3,50 zu schulden, W hingegen meint, ihr stünden für die Weißwürste plus zwei Brezeln € 4,50 zu. Vor diesem Hintergrund ist das Verhalten des A (Hinlegen der € 4) aus Sicht eines objektiven Empfängers so zu deuten, dass A unter Aufgabe seiner eigenen (Rechts-)Position der W „einen Schritt entgegenkommt“ und so den streitigen Punkt (Preis für die Speisen) unter beiderseitigem Nachgeben neu festgelegt will. Daher ist von einem Vergleichsangebot des A auszugehen. Damit der Vergleich zustande kommt, müsste W dieses Angebot angenommen haben; ihre Annahmeerklärung müsste darüber hinaus dem A zugegangen sein (§ 862). Als (konkludente) Annahmeerklärung kommt das Wegnehmen der € 4 vom Tisch in Betracht. Dieses Verhalten ist jedoch nur dann iSd § 863 eindeutiger Anhaltspunkt für eine Annahme durch W, wenn unter Berücksichtigung aller Umstände kein Grund, daran zu zweifeln übrig bleibt, dass die W ebenfalls unter Aufgabe ihrer Rechtsposition das Entgelt für die Speisen mit € 4 neu festlegen wollte. Zweifel am Vorliegen einer Annahmeerklärung der W könnten deshalb vorliegen, weil aus Sicht eines sorgfältigen Erklärungsempfängers die Entgegennahme der € 4 auch den Schluss zulassen könnte, dass W sich vorerst mit einer Teilzahlung (§ 1415 S 1) begnügt, den Restbetrag später aber noch einfordern wird. Überdies ist das vom Tisch-Nehmen des Geldes offensichtlich zu einem Zeitpunkt erfolgt, zu dem A gar nicht mehr anwesend war. Daher scheidet eine wirksame (konkludente) Annahmeerklärung auch schon mangels eines Empfängers aus. W ist aber in der Folge mit den € 4 zufrieden; sie lässt es nach dem Sachverhalt „diesmal dabei bewenden“. Möglicherweise ist darin die Annahme des Vergleichsangebots zu sehen. A ist allerdings insoweit weder etwas erklärt worden noch gar zugegangen (§ 862; I/6/16). Zu prüfen ist daher, ob im Einkassieren der € 4 eine sog stille Annahme (§ 864 Abs 1) durch Willensbetätigung, für die das Zugangserfordernis nicht gilt, zu sehen ist (I/6/18). Eine stille Annahme kommt nach hM nicht nur dann in Frage, wenn eine Annahme nach der Natur des Geschäftes oder der Verkehrssitte nicht zu erwarten ist, sondern auch dann, wenn der Offerent auf eine Annahmeerklärung verzichtet4. So liegt der Fall hier: Indem A unmittelbar nach dem Hinlegen der € 4 das Lokal verlässt, verzichtet er stillschweigend auf eine Annahmeerklärung von W. Die von § 864 Abs 1 geforderte Annahmehandlung der W besteht in der Aneignung der € 4, die mit dem Willen erfolgt, das Angebot anzunehmen. W hat also dem Vergleichsangebot des A iSd § 864 Abs 1 „tatsächlich entsprochen“ (I/6/18). Zwischen A und W ist daher ein gültiger Vergleich über das Entgelt aus dem Bewirtungsvertrag zustande gekommen. Somit kann A, weil die Hingabe der 50 Cent (vergleichs-)vertraglich gedeckt ist, diese Summe nicht mehr von W gem § 1431 kondizieren. Es kommt aber auch noch ein anderer Lösungsweg in Frage: Die Kondiktion nach § 1431 könnte auch wegen § 1432 ausgeschlossen sein: Denk4 Bollenberger in KBB2 § 864 Rz 2.
Fall 14: „Ein Schaden im Anzug“ (P. Bydlinski)
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bar wäre nämlich, dass A sehr wohl weiß, nur € 3,50 aus dem Bewirtungsvertrag zu schulden und die € 4 nur deshalb zahlt, weil er den Betrag nicht kleiner hat oder sich – ohnehin schon verärgert – auf weitere Diskussionen mit W nicht mehr einlassen will. Diesfalls hätte A bewusst eine Nichtschuld bezahlt, weshalb er mangels Schutzwürdigkeit die „überzahlten“ 50 Cent nicht zurückfordern kann (§ 1432 ABGB; III/15/4 f). Am Ergebnis ändert sich nichts: A ist jedenfalls nicht berechtigt, von W die Rückzahlung der 50 Cent zu verlangen. C. Lösung der Variante 2 Anspruch von W gegen A auf Bezahlung von € 4,50 gem § 1062 ABGB sowie 4% Zinsen gem § 1333 Abs 1 iVm § 1000 Abs 1 ABGB Da zwischen A und W ein Bewirtungsvertrag lediglich mit € 3,50 als Entgelt zustande gekommen ist, kann W von A auch nur diesen Betrag und nicht die Zahlung von € 4,50 verlangen. Damit ist aber noch nichts darüber gesagt, ob W 4% Verzugszinsen von e 3,50 verlangen kann (§ 1333 Abs 1). Bevor jedoch an die Geltendmachung von Verzugsfolgen gedacht werden kann, ist zuerst zu prüfen, ob sich A überhaupt in (Schuldner-)Verzug befindet (II/3/7 ff). Dazu müsste er seine Zahlungspflicht aus dem Bewirtungsvertrag entweder „nicht zur gehörigen Zeit, nicht am gehörigen Ort oder nicht auf die bedungene Weise erfüllt“ haben (§ 918 Abs 1). Mangels erkennbarer anderer Vereinbarung wird das Entgelt für die Würste gem § 904 sofort fällig. Dennoch gerät A durch Verlassen des Lokals nicht in Schuldnerverzug: Er hat seine Leistung, nämlich die Zahlung von € 3,50, zum Fälligkeitszeitpunkt ordnungsgemäß angeboten. Die Annahme dieses Betrages hat W, die auf einen Preis von € 4,50 besteht, abgelehnt. Damit befindet sie sich ihrerseits in (Annahme-)Verzug (II/3/34 ff), während A mit seiner Zahlung nicht in Verzug geraten ist. Ergebnis: W kann von A aus dem Bewirtungsvertrag € 3,50 verlangen. Ein Anspruch auf 4% Verzugszinsen aus diesem Betrag nach § 1333 Abs 1 iVm § 1000 Abs 1 steht ihr hingegen nicht zu.
Fall 14: „Ein Schaden im Anzug“ Sachverhalt Der Reinigungsunternehmer R beruft sich in einem Streit mit dem Kunden K über den Ersatz angeblich verursachter Schäden an dessen Anzug auf Pkt 15 seiner „Allgemeinen Reinigungsbedingungen“. Darin steht, dass R nur für von ihm oder seinen Mitarbeitern absichtlich zugefügte Schäden haftet. K erwidert, Pkt 15 „gelte nicht“. a) Wie muss man vorgehen, um die Wirksamkeit von Pkt 15 zwischen R und K zu klären? b) Unter welchen Voraussetzungen erhält K Ersatz?
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Erster Teil: Fälle zum Allgemeinen Teil des Bürgerlichen Rechts
A. Lösung zu a) Die „Allgemeinen Reinigungsbedingungen“, auf deren Pkt 15 sich R beruft, sind von diesem einseitig vorformulierte Vertragsbedingungen, sog AGB. Da K nur zu diesen Bedingungen abschließen kann oder von einem Vertragsschluss überhaupt abstehen muss („verdünnte“ Willensfreiheit), unterliegen diese AGB einer strengen Kontrolle. Diese beinhaltet drei Prüfungsschritte, nämlich die Einbeziehungskontrolle, die Geltungskontrolle und die Inhaltskontrolle (I/6/23). Damit Pkt 15 zwischen R und K wirksam ist, müssen die „Allgemeinen Reinigungsbedingungen“ zunächst Vertragsinhalt geworden sein (sog Einbeziehungskontrolle, I/6/24). Voraussetzung dafür ist eine entsprechende Willenseinigung der Parteien. Beim Vertragsschluss musste daher für K erkennbar sein, dass R nur zu seinen Bedingungen abschließen will. Dazu musste K vor oder spätestens bei Vertragsschluss die Möglichkeit gehabt haben, sich über den Inhalt der „Allgemeinen Reinigungsbedingungen“ Kenntnis zu verschaffen. Eine solche Kenntnisnahmemöglichkeit wäre etwa bei deutlichem Aushang der AGB im Geschäftslokal gegeben. Die für eine wirksame Einbeziehung der „Allgemeinen Reinigungsbedingungen“ in den Vertrag erforderliche „Unterwerfung“ unter die AGB kann dann auch stillschweigend (§ 863) erfolgen. Sind diese Voraussetzungen erfüllt und die Allgemeinen Reinigungsbedingungen des R somit Vertragsbestandteil geworden, ist in einem nächsten Schritt die Frage nach der Geltung der konkreten Einzelklausel, hier also des Pkt 15, zu stellen (sog Geltungskontrolle, I/6/26). Hier kommt es darauf an, ob K mit einer derartigen Klausel rechnen musste oder nicht. Wäre Pkt 15 inhaltlich ungewöhnlich und für K sowohl benachteiligend als auch überraschend, wird diese Klausel gem § 864a nicht Vertragsinhalt. Eine Benachteiligung des K durch Pkt 15 resultiert daraus, dass nach dispositivem Recht bei jeder schuldhaften Schädigung gehaftet wird (§ 1295). Andererseits sind Haftungsausschlüsse in AGB durchaus üblich und damit nicht ungewöhnlich. Ob die Klausel aufgrund des äußeren Erscheinungsbildes der Urkunde für K überraschend war, lässt sich aus dem Sachverhalt nicht entnehmen. Hält Pkt 15 auch der Geltungskontrolle stand, so ist noch die dritte Hürde in Form der sog Inhaltskontrolle (I/6/27 ff) zu passieren. Es ist zu fragen, ob der in Pkt 15 enthaltene Haftungsausschluss in krasser Weise zulasten des K vom objektiven Recht (hier: von den §§ 1295, 1324) abweicht und daher als sittenwidrig anzusehen ist. Eine Konkretisierung der Sittenwidrigkeit enthält § 6 KSchG für Verbrauchergeschäfte. § 6 Abs 1 KSchG, der lex specialis zu § 879 ist (I/6/28), erlaubt in seiner Z 9 – entgegen Pkt 15 der Allgemeinen Reinigungsbedingungen – gegenüber Konsumenten einen Haftungsausschluss nur für leichte Fahrlässigkeit. Da R den Anzug zur Reinigung übernommen hat, ist allerdings noch § 6 Abs 2 Z 5 KSchG zu beachten (III/3/9): Demnach ist eine Vertragsbestimmung, nach der eine Pflicht des Unternehmers zum Ersatz eines Schadens an einer Sache, die er zur Bearbeitung übernommen hat, ausgeschlossen oder beschränkt
Fall 14: „Ein Schaden im Anzug“ (P. Bydlinski)
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wird, iSd § 879 nicht verbindlich, sofern der Unternehmer nicht beweist, dass sie im Einzelnen ausgehandelt worden ist. Da die Haftungsfreizeichnung in AGB – nämlich den Allgemeinen Reinigungsbedingungen – enthalten ist, kann von einer „individuellen Vereinbarung“ dieser Klausel zwischen R und K keine Rede sein. Pkt 15 der Allgemeinen Reinigungsbedingungen ist daher wegen § 6 Abs 2 Z 5 KSchG unwirksam. Eine geltungserhaltende Reduktion der Klausel (I/6/33) kommt schon deshalb nicht in Frage, weil das Gesetz keinen Spielraum lässt; nach hA steht der Reduktion im Konsumentengeschäft überdies § 6 Abs 3 KSchG generell entgegen (dazu kritisch I/7/9). B. Lösung zu b) Da Pkt 15 der Allgemeinen Reinigungsbedingungen wegen § 6 Abs 2 Z 5 KSchG nichtig ist, treten die §§ 1295 ff an dessen Stelle. Den Schaden1 am Anzug erhält K somit dann ersetzt, wenn R bzw seine Mitarbeiter diesen auf rechtswidrige und schuldhafte Weise adäquat verursacht haben. Die Rechtswidrigkeit (III/13/14 ff) ist durch die Verletzung eines absolut geschützten Rechtsgutes, nämlich des Eigentums des K, zunächst nur indiziert (III/13/16). R hat zudem aber auch vertragliche Hauptleistungspflichten verletzt, weil er den geschuldeten Erfolg nicht mangelfrei erbracht hat: Aus dem mit K abgeschlossenen Werkvertrag (§§ 1151 Abs 1 Fall 2, 1165 ff; III/ 3/1 ff) war R verpflichtet, den Anzug des K fachgemäß, dh ohne Beschädigung, zu reinigen. Rechtswidrigkeit (§ 1264) liegt damit zweifellos vor. Ohne die – offenbar unsachgemäße – Reinigung wäre der Anzug nicht beschädigt worden, so dass auch die Kausalität zu bejahen ist (III/13/10). Dass R den Reinigungsvorgang am Anzug nicht selbst, sondern – aller Wahrscheinlichkeit nach – durch sein Personal hat vornehmen lassen, befreit ihn nicht von seiner Haftung. R hat sich seiner Mitarbeiter zur Erfüllung des Werkvertrages mit K bedient, weshalb diese als Erfüllungsgehilfen nach § 1313a anzusehen sind. Deren Verhalten ist R schadenersatzrechtlich zuzurechnen; für das Verschulden seiner Angestellten muss R somit gegenüber K wie für sein eigenes Verschulden einstehen (III/13/ 44 ff). Da es in concreto um die Haftung wegen Vertragsverletzung geht, greift die Beweislastumkehr nach § 1298 ein (III/13/37). Gelingt K der Nachweis, dass der Schaden am Anzug durch die Vertragsverletzung entstanden ist, so kann er von R nach den §§ 1295 ff dessen Ersatz fordern. R kann sich nur durch den Beweis entlasten, dass weder ihn noch seine Gehilfen ein Verschulden trifft bzw dass der Schaden trotz Einhaltung aller ihm möglichen Sorgfalt nicht verhindert werden konnte (III/13/37). Dazu wird R wohl nicht in der Lage sein, zumal auf ihn der erhöhte Sorgfaltsmaßstab des § 1299 ABGB (III/ 13/15) anzuwenden ist.
1 Mehr zum Begriff des Schadens bei III/13/6.
Erster Teil: Fälle zum Allgemeinen Teil des Bürgerlichen Rechts
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Fall 15: „Die Steuernachzahlung“ Sachverhalt1 Im November 1997 beschließt A, die ein Fachgeschäft für Reitzubehör führt, sich von der Steuerberaterin B in steuerlicher Hinsicht beraten und vertreten zu lassen. Sie unterfertigt zu diesem Zwecke eine Vollmachtsurkunde, die unterhalb der in hervorstechender Weise gedruckten Überschrift „Vollmacht“ einen Text von insgesamt 16 Zeilen in normaler Schrift auf einer einzigen Seite umfasst. Der vorletzte Absatz lautet: „Für das Auftragsverhältnis gelten mangels anderer Vereinbarungen die jeweils gültigen Allgemeinen Auftragsbedingungen für Wirtschaftstreuhänder“. Diese im Amtsblatt der Wiener Zeitung veröffentlichten AAB bestimmen unter § 8 Abs 4: „Der Schadenersatzanspruch [gegen den Wirtschaftstreuhänder] kann nur innerhalb von sechs Monaten, nachdem der oder die Anspruchsberechtigten vom Schaden Kenntnis erlangt haben, spätestens aber innerhalb von drei Jahren nach dem anspruchsbegründenden Ereignis, geltend gemacht werden [...]“. In Abs 1 leg cit wird die Haftung auf grobes Verschulden beschränkt; in Abs 2 finden sich überdies Haftungsobergrenzen für den Fall grober Fahrlässigkeit (die allerdings für Steuerberater bei S 1,5 Mio, ds rund € 109.000, liegen). Eine schriftliche Ausfertigung der AGB wurde A nicht ausgehändigt. Aufgrund einer Ende 1998 im Unternehmen der A stattfindenden Buch- und Unternehmensprüfung wird A vom zuständigen Finanzamt eine Steuernachzahlung iHv rund S 350.000 (ds € 25.436) vorgeschrieben. Im Februar 1999 wird A von B über dieses Ergebnis der Betriebsprüfung informiert. Mitte April 1999 erfährt A, dass der betreffende Steuerbescheid mangels Berufung rechtskräftig geworden ist. B hatte aber nicht einmal bei A rückgefragt, ob eine Berufung erfolgen oder unterbleiben solle. A meint, das Unterbleiben der Bekämpfung des Steuerbescheides durch B sei eine Verletzung von Berufs- sowie Vertragspflichten und begehrt daher mit ihrer im Juli 2001 eingebrachten Klage von B Zahlung von S 350.000 (€ 25.436) aus dem Titel des Schadenersatzes. Zu Recht? [Unterstellen Sie, dass der Berufung mit großer Wahrscheinlichkeit stattgegeben worden wäre.] Lösung Anspruch von A gegen B auf Zahlung von € 25.436 gem § 1295 ABGB Geht man davon aus, dass B die Einbringung einer Berufung ohne Rückfrage unterließ, obwohl diese aller Voraussicht nach erfolgreich gewesen wäre, hat sie bei A rechtswidrig (Vertragsverletzung) und schuldhaft den geltend gemachten Schaden verursacht. (In Abzug wäre allenfalls der – nicht angefallene – Honorarbetrag zu bringen, den B für die Ausarbeitung der Berufung von A hätte verlangen können.) Es sind also an sich alle 1 Fall nachgebildet OGH JBl 2001, 232 = EvBl 2001/49.
Fall 15: „Die Steuernachzahlung“ (P. Bydlinski)
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Voraussetzungen des § 1295 erfüllt. Allerdings könnte sich aus den Wirtschaftstreuhänder-AAB eine Haftungsbefreiung von B ergeben. Nach § 8 Abs 1 AAB würde B ja nur bei grobem Verschulden haften; nach dessen Abs 4 könnte ein etwaiger Ersatzanspruch bereits verjährt sein. Damit ist als nächstes zu prüfen, ob die AAB Inhalt des Steuerberatungsvertrages2 geworden sind. Dies kann bloß durch vertragliche Einbeziehung erfolgt sein, da auch die AAB ohne Zweifel als „gewöhnliche“ AGB anzusehen sind. Sie gelten weder kraft Gesetzes noch kraft Verordnung. Dass sie nicht von B persönlich, sondern von deren Interessenvertretung3 herausgegeben und im Amtsblatt zur Wiener Zeitung veröffentlicht wurden, ändert an ihrer Qualifikation als Vertragsbestandteile nichts4. Wurden die AAB aber nun in ihrer Gesamtheit wirksam in den Steuerberatungsvertrag zwischen A und B einbezogen? Für diese Einbeziehungskontrolle (dazu I/6/24) ist einmal entscheidend, ob die Vertragsparteien A und B dieses Bedingungswerk in ihre Vereinbarung aufnehmen wollten. Im vorliegenden Fall wurden die AAB durch den von A unterfertigten Satz „Für das Auftragsverhältnis gelten mangels anderer Vereinbarungen die jeweils gültigen Allgemeinen Auftragsbedingungen für Wirtschaftstreuhänder“ ausdrücklich zum Vertragsinhalt erklärt. Die Unternehmerin A musste daher nicht nur mit dem Vorhandensein von AGB rechnen, sie wusste sogar davon. Überdies hatte sie schon aufgrund der Veröffentlichung der AAB die Möglichkeit, von deren Inhalt Kenntnis zu erlangen, was ebenfalls zwingende Voraussetzung der Geltung von AGB ist. Dass A sich darum nicht weiter gekümmert hat, ist allein ihre Sache. Die AAB wurden daher „an sich“ Bestandteil des Vertrages zwischen A und B5. Ob die Klausel des § 8 Abs 1 AAB (Einschränkung der Haftung auf grobes Verschulden) überhaupt relevant wird, hängt davon ab, wie man das Verhalten von B bewertet. Hier spricht manches dafür, grobe Fahrlässigkeit anzunehmen. Zum einen erfolgte keinerlei Rücksprache mit der Mandantin A, obwohl es um nicht unbedeutende Summen ging. Zum anderen und vor allem aber ist B als Sachverständige iSd § 1299 anzusehen. Das führt zu einem erhöhten Sorgfaltsmaßstab im betroffenen Fachbereich. B hätte daher wissen müssen, dass im konkreten Fall aufgrund der Rechtslage und/oder der Steuerjudikatur beste Chancen für eine Berufung bestanden; bei Fehlen aktuellen Wissens hätte sie sich informieren müssen. Offensichtlich hat sie sich um die Angelegenheit aber nicht weiter gekümmert. Darin liegt wohl eher eine extreme Abweichung vom Verhalten eines durchschnittlich sorgfältigen Steuerberaters, was zur Bejahung groben Ver2 Dieser wird – je nach den Umständen des Einzelfalles – entweder als Werkvertrag oder als Dienst- und Auftragsverhältnis eingeordnet: OGH SZ 68/21; Mazal, ecolex 1997, 277. Für die hier zu klärenden Fragen kommt dem präzisen Vertragstypus jedoch keine Bedeutung zu. 3 Kammer der Wirtschaftstreuhänder, gestützt auf § 17 Abs 2 WTKG (in Geltung bis 30.6.1999). 4 Ganz hA: siehe nur OGH JBl 2001, 232; Karollus, RdW 1997, 583. 5 OGH JBl 2001, 232.
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Erster Teil: Fälle zum Allgemeinen Teil des Bürgerlichen Rechts
schuldens führt (näher III/13/35). Bei dieser Sicht greift die Einschränkung des § 8 Abs 1 AAB von vornherein nicht ein, weshalb es keiner weiteren Klauselkontrolle bedarf 6. Da der Anspruch von A somit weder an § 8 Abs 1 noch an Abs 2 AAB scheitert, kommt der Verjährungsregelung des § 8 Abs 4 AAB entscheidende Bedeutung zu. Ist sie wirksam, wären As Ansprüche nämlich verjährt und die Klage abzuweisen, sofern sich B auf den Fristablauf beruft (§ 1501). Kenntnis vom Schaden hat A im April 1999 erlangt (Information über die Rechtskraft des Steuerbescheids). Geklagt hat sie aber erst im Juli 2001, also gut 2 Jahre später. Das wäre zwar nach dem Gesetz ausreichend gewesen, da § 1489 eine Dreijahresfrist vorsieht, die ab Kenntnis von Schaden und Schädiger zu laufen beginnt; nicht aber nach § 8 Abs 4 AAB, dessen Anwendung (Sechsmonatefrist) zu einem Fristablauf noch im Jahr 1999 führt. Diese Einzelklausel des § 8 Abs 4 AAB ist zunächst der Geltungskontrolle nach § 864a zu unterziehen (dazu I/6/26). Danach wird eine Klausel dann nicht Vertragsbestandteil, wenn der Inhalt der Bestimmung ungewöhnlich ist, diese den Vertragspartner benachteiligt und für ihn überraschend ist (Überrumpelungseffekt). Wie bereits gezeigt, ist die Bestimmung des § 8 Abs 4 AAB für A jedenfalls benachteiligend, da sie die Verjährungsfrist des § 1489 ABGB deutlich verkürzt. Allerdings ist eine solche Bestimmung in derartigen Verträgen nicht ungewöhnlich. Die Klausel stand auch nicht unter einer irreführenden Überschrift, so dass A mit ihr durchaus rechnen musste. § 8 Abs 4 AAB hält damit der Geltungskontrolle nach § 864a ABGB stand. In einem dritten und letzten Schritt ist zu prüfen, ob die Verjährungsklausel in krasser Weise zulasten der A vom objektiven Recht (hier: von § 1489) abweicht und daher als sittenwidrig gem § 879 ABGB anzusehen ist. Grundsätzlich ist eine Verkürzung von Verjährungsfristen durch Vereinbarung zulässig (§ 1502 e contrario). Wurde eine Fristenverkürzung von annähernd gleich starken Vertragspartnern individuell vereinbart, gilt dies nahezu uneingeschränkt. Ist eine derartige Regelung, wie in diesem Fall, hingegen in AGB enthalten, so unterliegt sie der Inhaltskontrolle nach § 879 Abs 3 (dazu I/6/27 ff). Danach sind Klauseln dann nichtig, wenn sie den Partner des AGB-Verwenders gröblich benachteiligen. Bestimmungen der AGB, die vom objektiven Recht abweichen, können als gröblich benachteiligend zu qualifizieren sein, wenn sie sachlich nicht gerechtfertigt sind. Ob eine sachliche Rechtfertigung vorliegt, ist durch eine umfassende Interessenabwägung zu ermitteln. 6 Wer mehr zu bloß leichtem Verschulden tendiert, müsste zunächst einmal die Klauselgeltung anhand des § 864a ABGB kontrollieren und (wegen ausreichender Deutlichkeit) bejahen. Auch die abschließende Inhaltskontrolle nach § 879 Abs 3 sollte positiv ausfallen: Dafür spricht schon ein Umkehrschluss aus § 6 Abs 1 Z 9 KSchG, wonach die Haftung für leichte Fahrlässigkeit grundsätzlich sogar gegenüber Verbrauchern vertraglich abbedungen werden kann: P. Bydlinski, FS Ostheim (1990) 361; Karollus, RdW 1997, 586 f.
Fall 15: „Die Steuernachzahlung“ (P. Bydlinski)
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Der OGH7 hat die Unbedenklichkeit des § 8 Abs 4 AAB mit folgenden Argumenten bejaht: Das Institut der Verjährung diene vor allem dem Schuldnerschutz, da es für den Schuldner wegen des langen zeitlichen Abstandes schwierig sei, das Nichtbestehen von Gläubigeransprüchen zu beweisen. Besonders Wirtschaftstreuhänder, die eine Vielzahl von Mandanten betreuen, gerieten mit zunehmendem zeitlichen Abstand zur Tätigkeit für den Mandanten in viel größere Beweisschwierigkeiten als ihr Mandant. Das Interesse des Wirtschaftstreuhänders an einer raschen Klärung der Frage, ob er mit Schadenersatzansprüchen seines Mandanten zu rechnen hat, stelle also eine zureichende sachliche Rechtfertigung für die Verkürzung der Verjährungsfrist dar. Eine Frist von sechs Monaten ab Kenntnis des Schadens sei für den Geschädigten umgekehrt ausreichend, da der Mandant genügend Zeit habe, um seine Ansprüche gegen den Wirtschaftstreuhänder zu prüfen. Gegen diese schädigerfreundliche Beurteilung bestehen massive Bedenken8. Zunächst berücksichtigt bereits das Gesetz – uz gerade mit der Verjährungsregel des § 1489 – die Vergrößerung der Beweisprobleme nach langer Zeit ohnehin; und dies mit guten Gründen ohne noch weiter gehende Differenzierungen. Vor allem aber beachtet der OGH die Wendung des § 879 Abs 3 nicht ausreichend, wonach die gröbliche Benachteiligung „unter Berücksichtigung aller Umstände des Falles“ zu beurteilen ist. B hat ihre Ersatzpflicht im Vergleich zum dispositiven Recht nämlich gleich in dreifacher Hinsicht einzuschränken versucht: Einmal durch einen vollständigen Haftungsausschluss bei leichtem Verschulden; dann durch eine betragsmäßige Haftungsbeschränkung bei grober Fahrlässigkeit (was bei der Prüfung nach § 879 Abs 3 auch dann mitberücksichtigt werden darf, wenn der Schaden in concreto unter der Haftungsgrenze liegt); und schließlich durch eine Verkürzung der Verjährungsfrist im verbliebenen Bereich grob schuldhafter, ja sogar vorsätzlicher, Schädigung auf 1/6 der gesetzlichen Frist. Eine derartige Begünstigung grob fahrlässig Schädigender ist keinesfalls sachlich gerechtfertigt; auch nicht, wenn sie – was übrigens für die meisten Unternehmer gilt – mit vielen Vertragspartnern zu tun haben. Schließlich ist die Behauptung des OGH, sechs Monate seien für den Geschädigten ausreichend, gerade in Fällen wie dem vorliegenden mehr als fraglich: Um ihre Prozesschancen einigermaßen verlässlich abschätzen zu können, musste A nämlich nicht nur klären, was B getan bzw unterlassen hatte. Sie musste vielmehr auch die schwierige Prüfung vornehmen (lassen), wie die entscheidende steuerrechtliche Frage zu lösen ist; und wegen § 8 Abs 1 AAB überdies, ob das Verhalten von B wohl als grob oder womöglich nur als leicht fahrlässig einzustufen ist. Das alles braucht seine Zeit9. Wie diese Erwägungen zeigen, hat man es insb im Bereich der Steuer7 StRsp: JBl 2001, 232; 9 Ob 212/02w (unveröffentlicht); RdW 2005, 486; ZIK 2006, 207; 1 Ob 143/06w (unveröffentlicht). 8 Ablehnend bereits P. Bydlinski, FS Ostheim 365 f; Karollus, RdW 1997, 586. 9 Die – ausreichend lange – Verjährungsfrist soll sicherlich auch dazu beitragen, aussichtslose Prozesse zu vermeiden.
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Erster Teil: Fälle zum Allgemeinen Teil des Bürgerlichen Rechts
beratung und Wirtschaftsprüfung häufig mit überdurchschnittlich schwierigen Vorfragen zu tun, weshalb ein Abgehen von der gesetzlichen Schadenersatzverjährung – die auch für die einfachsten Sachverhalte gilt! – schon überhaupt nicht zu rechtfertigen ist. Ergebnis: Da § 8 Abs 4 AAB an § 879 Abs 3 scheitert, war As Schadenersatzanspruch bei Einbringung der Klage10 noch nicht verjährt. Sie fordert die € 25.436 von B daher zu Recht.
Fall 16: „Die säumige Möbelkäuferin“ Sachverhalt In den Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) des Unternehmers U findet sich unter 13. die Klausel, dass der Kunde bei Zahlungsverzug 2% Zinsen zu leisten habe. Als K, die von U eine Wohnzimmergarnitur zum Preis von € 2000 gekauft hat, erst zwei Monate nach dem vereinbarten Termin zahlt, verlangt U von ihr zusätzlich 4% der Kaufsumme: Die 2% seien selbstverständlich Monatszinsen. Welche Ansprüche hat U? Variante 1: Ändert sich etwas, wenn in zwei anderen Verzinsungsklauseln der AGB ausdrücklich „pro Monat“ stand, nur in Pkt 13 nicht? Variante 2: Was gilt, wenn K Ärztin ist und die Sitzgarnitur für das Wartezimmer ihrer Ordination gekauft hat? A. Lösung Grundfall Anspruch von U gegen K auf Zahlung von € 80 gem Pkt 13 der AGB iVm § 903 S 2 ABGB Zuallererst ist zu prüfen, ob K überhaupt in Verzug geraten ist. Nur und erst dann ist ja an Verzugsfolgen zu denken. Nach dem Sachverhalt zahlt K erst zwei Monate nach dem vereinbarten Termin. Damit geriet sie mit dem auf den vereinbarten Termin folgenden Tag in Verzug (§ 903 S 2). Unter der Voraussetzung, dass Pkt 13 der AGB Bestandteil des Kaufvertrages zwischen U und K wurde – wovon mangels anderer Hinweise im Folgenden auszugehen ist –, kann U von K nur dann € 80 (= 4% Zinsen) verlangen, wenn die Klausel so zu verstehen ist, dass mit den 2% tatsächlich Monatszinsen gemeint sind. Dazu ist Pkt 13 der AGB auszulegen. Weder der Wortlaut der Klausel noch die Umstände des Vertragsschlusses lassen jedoch einen sicheren Rückschluss auf das von den Parteien wirklich Gewollte zu. Zwar wären 2% Jahreszinsen ungewöhnlich niedrig. Umgekehrt wären 24% Jahreszinsen (12 x 2%) unüblich hoch. Entscheidend dürfte allerdings sein, dass vertraglich vereinbarte Zinsen zum einen üblicherweise als Jahreszinsen zu verstehen sind1 und dass dem Vertrag ein 10 Diese unterbricht den Lauf der Verjährungsfrist (§ 1497 ABGB). 1 OGH GlU 6496.
Fall 16: „Die säumige Möbelkäuferin“ (P. Bydlinski)
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anderer Parameter für die Zinsenberechnung nicht einmal ansatzweise entnommen werden kann. Pkt 13 ist daher wohl schon gem § 914 („Übung des redlichen Verkehrs“; vgl I/6/41 f) iSv Jahreszinsen auszulegen. Eines Rückgriffs auf Sondervorschriften für Konstellationen, in denen auch nach den üblichen Auslegungsschritten ernste Unklarheiten über das Gemeinte verbleiben (§ 915 ABGB, § 6 Abs 3 KSchG), bedarf es also nicht2. Damit stehen U wegen des Zahlungsverzuges nur Verzugszinsen iHv 2% pa zu. Da diese Zinsen deutlich unter dem Banküblichen liegen, kann die Prüfung, ob auf den vorliegenden Fall § 6 Abs 1 Z 13 KSchG anwendbar sein könnte3, von vornherein unterbleiben. Ergebnis: U hat gegen K nur Anspruch auf Zahlung von Verzugszinsen iHv 2% pa von € 2.000, ds € 6,574. B. Lösung Variante 1 Im Unterschied zum Grundsachverhalt tritt eine weitere Unklarheit hinzu, die im Rahmen der einfachen Vertragsauslegung nach § 914 nicht mehr aus der Welt geschafft werden kann. Aus der unterschiedlichen Formulierung in den AGB könnte sich ableiten lassen, dass mit Zinsen eben gerade nicht Monatszinsen gemeint sind, da diese Präzisierung nur an anderer Stelle zu finden ist. Umgekehrt ist es aber auch denkbar, dass U in den AGB durchgehend an Monatszinsen dachte und in Pkt 13 die konkretisierende Wendung „pro Monat“ bloß vergessen wurde. Da somit (zumindest) zwei mögliche Auslegungsvarianten verbleiben, für die vernünftige Gründe sprechen, haben wir es mit einer unklaren Klausel zu tun. Nach § 915 Fall 2 wäre nunmehr die für U inhaltlich nachteiligere Auslegung zu wählen, also die geringere Verzinsung (2% Jahreszinsen). Da es sich bei der unklaren Vertragsbestimmung aber um eine gegenüber einem Verbraucher verwendete AGB-Klausel handelt, geht § 6 Abs 3 KSchG als lex specialis vor. Diese – missglückte – Norm muss grundsätzlich wortlautgetreu angewandt werden (dazu und zum Folgenden näher I/6/49). Das würde zur Totalnichtigkeit der Klausel und damit zum Eingreifen dispositiven Rechts führen. Dieses bringt für K allerdings einen ungünstigeren Zinssatz als die nach § 915 Fall 2 ausgelegte Vertragsklausel, nämlich 4% Jahreszinsen (§ 1333 Abs 1 iVm § 1000 Abs 1). Das kann nicht Ziel einer Vorschrift sein, die Partner von AGB-Verwendern besonders schützen will. Daher wird man die in § 6 Abs 3 KSchG angeordnete Unwirksamkeit als bloß relative Nichtigkeit verstehen müssen (dazu I/7/4). Beruft sich K auf diesen Unwirksamkeitsgrund nicht – und sie wäre hier dumm, wenn sie dies täte –, bleibt es bei der von § 915 Fall 2 vorgesehenen 2 In einer Klausur würde bei entsprechender Begründung aber auch das gegenteilige Ergebnis als gut vertretbar positiv bewertet werden (zur Fortsetzung der Prüfung bei Bejahung der Unklarheit von Pkt 13 vgl die Variante 1). 3 Tatsächlich fehlt hier ein Tatbestandsmerkmal, nämlich eine Zinsabrede „für den Fall vertragsgemäßer Zahlung“. Siehe aber auch I/10/30 aE. 4 Die 2% Jahreszinsen von € 2.000 für zwei Monate sind wie folgt zu berechnen: 2.000 x 0,02 : 365 x 60.
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Erster Teil: Fälle zum Allgemeinen Teil des Bürgerlichen Rechts
Lösung, also dem Verständnis als Jahreszinsen. Damit ändert sich gegenüber dem Grundfall am Ergebnis nichts. C. Lösung Variante 2 Kauft K die Sitzgruppe als Ärztin für das Wartezimmer ihrer Ordination, so handelt sie als Unternehmerin, weshalb die Vorschriften des KSchG (und insb dessen § 6 Abs 3) nicht zur Anwendung kommen. Für die Auslegung des Pkt 13 der AGB sind daher ausschließlich die §§ 914 f heranzuziehen. An den bisher erzielten Ergebnissen ändert sich dadurch nichts.
Fall 17: „Die billige Liegenschaft“ (P. Bydlinski)
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6. Gültigkeitsvoraussetzungen eines Rechtsgeschäfts Fall 17: „Die billige Liegenschaft“ Sachverhalt K kauft von V ein Grundstück. Man einigt sich auf einen Preis von € 100.000. Um Grunderwerbssteuer zu „sparen“, enthält die beim Notar errichtete Kaufvertragsurkunde jedoch einen Preis von bloß € 60.000. Wie viel kann V von K verlangen? Lösung Anspruch von V gegen K auf Zahlung von € 100.000 gem § 1062 ABGB Fraglich ist, ob V von K Zahlung von € 100.000 oder bloß von € 60.000 verlangen kann. In einem ersten Schritt ist deshalb zu klären, ob der von V und K in Schriftform errichtete Kaufvertrag über das Grundstück mit einem Kaufpreis iHv € 60.000 gültig geschlossen worden ist. Voraussetzung für das Zustandekommen eines Vertrages ist die Abgabe korrespondierender Willenserklärungen durch K und V (§ 861; I/6/1 ff), die zudem „frei, ernstlich, bestimmt und verständlich“ sein müssen (§ 869 S 1). Für außenstehende Dritte scheint es in concreto zwar so, als ob zwei ernst gemeinte (vgl § 869 S 1), deckungsgleiche Willenserklärungen vorlägen. Das von V und K Geäußerte (nämlich ein Verkauf des Grundstücks um nur € 60.000) ist von ihnen tatsächlich aber nicht gewollt. Einvernehmlich gewollt war vielmehr der Kauf mit € 100.000. Die Angabe des niedrigeren Betrages in der Vertragsurkunde hatte allein den Zweck, dem K Grunderwerbsteuer zu „ersparen“1. Da sich beide Beteiligte darüber einig sind, dass der Kaufpreis von € 60.000 nicht gelten soll, und sie deshalb die Willenserklärungen in gegenseitigem Einverständnis nur zum Schein abgegeben haben, stellt der schriftliche Kaufvertrag ein Scheingeschäft dar (I/7/12). Dieses entfaltet zwischen K und V als Ausfluss der Vertrauenstheorie jedoch keine Rechtswirkungen, weil diese auf die Wirksamkeit des Vertrages nicht vertraut haben. Der Verkauf des Grundstücks um nur € 60.000 ist daher gem § 916 Abs 1 unwirksam. In einem zweiten Schritt ist nun zu prüfen, ob der durch das Scheingeschäft „verdeckte“ Kaufvertrag über € 100.000, auf den der Rechtsgeschäftswille von V und K in Wahrheit gerichtet war, gültig zustande gekommen ist. Gem § 916 S 2 ist das verdeckte Geschäft „nach seiner wahren Beschaffenheit zu beurteilen“, dh es darf nicht selbst an Ungültigkeitsgründen leiden2. Der mündliche Kaufvertrag, in dem V und K einen Preis von € 100.000 vereinbart haben, ist trotz zu niedriger Beurkundung zu Zwe1 Die Grunderwerbsteuer wird vom Kaufpreis berechnet: §§ 4 f GrEStG. 2 Bollenberger in KBB2 § 916 Rz 3.
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cken der Steuerhinterziehung gültig3. Auch Formgebote bestehen insoweit nicht: Die Notwendigkeit einer Urkunde mit notariell beglaubigten Unterschriften (vgl insb die §§ 432 f) betrifft nur die grundbücherliche Durchführung, also das Verfügungsgeschäft (dazu IV/3/23 f). Weil die mündliche Kaufabrede somit auch dann gültig bleibt, wenn im notariellen Kaufvertrag zwecks Steuerhinterziehung ein geringeres Entgelt als vereinbart festgesetzt wurde, kann V von K gem § 1062 den – tatsächlich vereinbarten – Kaufpreis iHv € 100.000 verlangen.
Fall 18: „Der begehrte Kachelofen“ Sachverhalt I liest in der Samstagsausgabe einer Tageszeitung ein Inserat, in dem ein abgetragener Kachelofen angeboten wird. Er ist von der Beschreibung und vom geringen Preis (€ 400) – ähnliche Stücke werden sonst um etwa € 700 gehandelt – derart begeistert, dass er sofort die angegebene Telefonnummer wählt. Dort meldet sich allerdings F, die den Haushalt führende Ehefrau des Inserenten. I fragt zunächst, ob der Kachelofen schon weg ist. Nachdem F zuerst erklärt, dass ihr Mann E das Inserat geschaltet habe, und anschließend Is Frage verneint, sagt dieser: „Dann kaufe ich ihn hiermit um 400 Euro!“ Anschließend macht I mit F einen Abholtermin aus. Als I kommt, begrüßt ihn E freundlich. Nach einer Tasse Kaffee bezahlt I die € 400 in bar. Anschließend lädt er die Einzelteile des Kachelofens in seinen Transporter. Hat I Eigentum am Kachelofen erworben? Wenn ja, wann? Variante 1: E ist gleich selbst am Telefon und wird mit I schnell einig. Schon am nächsten Tag steht I mit einem Anhänger vor der Tür. Allerdings stellt sich nunmehr heraus, dass die Teile des Kachelofens bereits in der Nacht vor dem Telefonat von unbekannten Tätern aus einem unversperrten Nebengebäude gestohlen wurden. Is Aufwand von € 110 (100 für die Miete des Anhängers und 10 für den verbrauchten Treibstoff) sind damit frustriert; von dem verpatzten Sonntag gar nicht zu reden. Welche Ansprüche hat I gegen E? Variante 2: E kann den Kachelofen deshalb nicht übergeben, weil ihn die alte Nachbarsbäuerin B nun wider Erwarten doch nicht hergibt. Eine Woche vorher hatte sie E noch gesagt, da er ihr beim Ausräumen der Stube und beim Abtragen des Ofens geholfen habe, könne er sich die Teile jederzeit gratis abholen. Sie hat ihre Meinung aber geändert: Der Ofen sei viel mehr wert als das bisschen Mitarbeit. E überlegt nun, ob er 3 Ständige Rsp: OGH SZ 24/183; 26/143; 48/36. Verboten und sogar strafbar (§ 33 FinStrG) war nur die Falschbeurkundung im notariellen Kaufvertrag.
Fall 18: „Der begehrte Kachelofen“ (P. Bydlinski)
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die € 400 von I gegen Abtretung seines Herausgabeanspruchs gegen B verlangen könne. Sicherheitshalber erklärt er I, ihm diesen Anspruch abzutreten. I ist damit einverstanden; zahlen will er aber erst, wenn er den Kachelofen auch tatsächlich bekommt. Ansprüche von I?
A. Lösung Grundfall Eigentumserwerb durch I?1 Nach dem vor allem in den §§ 380 und 424 f niedergelegten Prinzip von Titulus und Modus (IV/6/36 ff) benötigt I zum Eigentumserwerb grundsätzlich einen entsprechenden Vertrag mit dem früheren Eigentümer. Ferner muss dieser den Kachelofen iSd §§ 426 ff an I übergeben haben (IV/2/ 34 ff). Eigentümer des Kachelofens war offensichtlich E. Daher ist zunächst zu prüfen, ob zwischen E und I ein Vertrag zustande gekommen ist, der I einen Anspruch auf Übereignung verschafft. Hier kommt bloß ein Kaufvertrag (III/1/1 ff) in Frage. Da Inserate nur invitationes ad offerendum sind (I/6/8), macht I das Angebot. Ob dieses durch Erklärung gegenüber der Ehefrau F (als Empfangsbotin; dazu I/9/15) dem E zugegangen ist und ob es beim späteren Besuch von I noch aufrecht ist (fraglich wegen § 862 ABGB; dazu I/6/10 ff), kann hier schon deshalb offen bleiben, weil sich I anschließend persönlich mit E trifft und diese ganz offensichtlich Einigung erzielen: Jedenfalls ist das Zahlen und Entgegennehmen der € 400 iSd § 863 als Willenseinigung zu verstehen; gleichgültig ist damit auch, wer hier das Angebot und wer die Annahme erklärte. Einigung ist aber auch iVm der Kaufpreiszahlung für den Eigentumserwerb durch I zu wenig. Dieser erfolgte hier mit dem Einladen der Teile des Kachelofens in Is Transporter. Ob I, E oder beide Hand anlegten, spielt keine Rolle. Auch wenn E das Aufladen durch I bloß duldete – eine nach dem insoweit offenen Sachverhalt mögliche Variante –, ist darin eine körperliche Übergabe iSd § 426 zu sehen. B. Lösung Variante 1 I. Anspruch von I gegen E auf Übereignung des Kachelofens nach § 1061 ABGB I und E haben hier zwar unzweifelhaft bereits am Telefon einen Kaufvertrag geschlossen. Da der Kachelofen aber von Unbekannten gestohlen wurde, ist die Übergabe für E tatsächlich unmöglich2.
1 Da hier nicht nach Ansprüchen gefragt ist, kann und muss eine Anspruchsformulierung unterbleiben. 2 Sog schlichte ursprüngliche Unmöglichkeit; I/7/16 und II/3/47.
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II. Anspruch von I gegen E auf Zahlung von € 300 nach § 1295 bzw § 920 ABGB I hätte bei Durchführung des Vertrages ein gutes Geschäft gemacht: Der vereinbarte Kaufpreis lag ja um € 300 unter dem objektiven Wert. Anspruch auf diesen „Gewinn“ (das Erfüllungsinteresse; III/13/9) hätte I jedoch nur dann, wenn die Voraussetzungen des § 920 (II/3/45 ff) erfüllt wären. Dagegen spricht aber schon, dass die Unmöglichkeit der Leistung des Kachelofens bereits vor Vertragsschluss gegeben war. E hätte I das Eigentum am Ofen auch bei noch so sorgfältigem Verhalten nicht verschaffen können. Daher ist der Anspruch abzulehnen. III. Anspruch von I gegen E auf Zahlung von € 110 nach § 878 ABGB (analog) bzw aus cic Da I das Erfüllungsinteresse nicht erhält, ist zu prüfen, ob ihm wenigstens seine frustrierten Aufwendungen – die Vertrauensschäden (III/13/9) – zu ersetzen sind. E könnte allenfalls der Vorwurf gemacht werden, dass er sich vor Vertragsschluss nicht genau über seine Erfüllungsfähigkeit informiert bzw I mögliche Hindernisse nicht mitgeteilt hat. An einem entsprechenden Verschulden (III/13/31 ff) von E dürfte es hier aber fehlen: Zum einen stellt es – jedenfalls vor Vertragsschluss – keine Sorgfaltswidrigkeit gegenüber anderen Personen dar, eigene Sachen in unverschlossenen Räumen aufzubewahren. Zum anderen ist ein Diebstahl so knapp vor dem Verkauf ganz ungewöhnlich und unerwartet; davon, dass die Gegend häufig von Dieben heimgesucht wird, ist im Sachverhalt keine Rede. Da ein durchschnittlich Sorgfältiger wohl kaum während des Telefonats noch einmal nachgesehen hätte, bevor er sich mit dem Interessenten einigt, scheitert dieser Ersatzanspruch am fehlenden Verschulden Es. C. Lösung Variante 2 I. Anspruch von I gegen B auf Übereignung des Kachelofens nach § 938 iVm § 1392 ABGB I möchte am liebsten den Kachelofen bekommen. Da sich dieser bei B befindet, ist zuerst zu prüfen, ob I direkt von ihr Herausgabe verlangen kann. Dieser Anspruch steht unter zwei Voraussetzungen: Erstens, dass E gegen B einen Übereignungsanspruch erworben hat und zweitens, dass dieser wirksam auf I übertragen wurde. Im Verhältnis zwischen B und E könnte allenfalls eine Schenkung (III/2/1 ff) vorliegen. Die Erklärung von B, E könne sich die Teile jederzeit gratis abholen, ist als Schenkungsangebot (I/6/6 ff) zu verstehen. Dieses ist mangels wirklicher Übergabe allerdings gem § 1 Abs 1 lit d NotAktG formwidrig (III/2/6) und daher unwirksam. Aus diesem Grund muss nicht geprüft werden, ob und wie E dieses Schenkungsangebot angenommen hat. Umso mehr gilt das für die zwischen E und I getroffene Abtretungsvereinbarung3, da die abgetretene Forderung nicht existiert. 3 Näheres zur Abtretung unter II/5/16 ff.
Fall 19: „Das Sponsionsgeschenk“ (P. Bydlinski)
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II. Anspruch von I gegen E auf Übereignung des Kachelofens nach § 1061 ABGB Da I mit E unzweifelhaft einen Kaufvertrag geschlossen hat, könnte er aus diesem Erfüllung begehren. Als einzige denkbare Einwendung von E ist an die Unmöglichkeit der Übereignung zu denken. Nach den Sachverhaltsangaben dürfte Unmöglichkeit aber nicht vorliegen4: B will den Ofen ja bloß nicht gratis hergeben. Hingegen spricht alles dafür, dass sie zu einem guten Preis verkaufen würde. Da sich E ohne Einschränkung zur Übereignung verpflichtet hat, trifft ihn gegenüber dem Käufer I die Pflicht, alles Zumutbare zu tun, um seiner wirksam übernommenen Übereignungspflicht nachzukommen5. Dazu gehört der Ankauf des Kaufgegenstandes6; sogar zu einem uU etwas überhöhten Preis7. Die Übereignungspflicht von E ist auch nicht durch die Abtretung des Anspruchs gegen B weggefallen. Zum einen war diese Zession nur als solche erfüllungshalber und nicht an Leistungs Statt gedacht (dazu II/4/19 ff und II/5/48), was schon daraus folgt, dass I seine Kaufpreiszahlung vom tatsächlichen Erhalt des Ofens abhängig machte. Zum anderen hat I überhaupt nichts abgetreten erhalten, weil E den behaupteten Anspruch gegen B gar nicht besaß (dazu schon unter C.I.). Da somit weder Unmöglichkeit8 vorliegt noch sonstige Einwendungen gegen den Übereignungsanspruch bestehen, ist E bloß in Verzug (II/3/7 ff). Der hier geprüfte Erfüllungsanspruch von I gegen E besteht daher zu Recht.
Fall 19: „Das Sponsionsgeschenk“ Sachverhalt Großvater G platzt anlässlich der Sponsion seiner Enkelin E beinahe vor Stolz. Gleich nach der Zeremonie sagt er zu ihr, er werde die Einrichtung ihrer neuen Wohnung mit € 2.000 unterstützen. E fällt ihm freudestrahlend um den Hals. Zu Hause studiert G seine Kontoauszüge und stellt fest, dass mit seiner kleinen Pension – zumal nach den letzten Reformen – maximal € 1.000 möglich sind. Diesen Betrag schickt er E mit einem erklärenden Beibrief. Rechte von E gegen G bzw von G gegen E? 4 Vgl OGH 1 Ob 792/81 unveröff. 5 Statt vieler Binder/Reidinger in Schwimann3 § 920 Rz 4 mwRspN. 6 Kletecˇ ka in Koziol/Welser13 I 172. 7 Solange dies dem Schuldner zumutbar ist: OGH 4 Ob 128, 129/81 Redok 439; vgl auch OGH RdW 1993, 274. Ein unverhältnismäßig hohes Entgelt kann die Beschaffung der geschuldeten Sache jedoch unmöglich machen: OGH EvBl 1954/ 132. 8 Wer sich hier dennoch für Unmöglichkeit entscheidet, darf keinesfalls zu § 920 ABGB gelangen, da das Leistungshindernis ein ursprüngliches, kein nachträgliches ist!
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Erster Teil: Fälle zum Allgemeinen Teil des Bürgerlichen Rechts
Lösung I. Anspruch von E gegen G auf Zahlung der restlichen € 1.000 gem § 938 ABGB Voraussetzung für das Bestehen dieses Anspruches ist ein wirksamer Schenkungsvertrag (§ 938) zwischen E und G. Da auch die Schenkung ein zweiseitiges Rechtsgeschäft ist, sind für deren Zustandekommen zwei korrespondierende Willenserklärungen erforderlich (I/5/7 und III/2/1). G hat mit seiner Ankündigung, die Einrichtung von Es neuer Wohnung mit € 2.000 unterstützen zu wollen, der E ein bindendes Angebot (I/6/6 ff) gemacht: Es ist inhaltlich bestimmt und enthält keinerlei Einschränkungen; auch die Umstände lassen nicht am Vorliegens eines Bindungswillens von G zweifeln. Zum Vertragsschluss ist nun noch eine entsprechende Annahmeerklärung der E erforderlich. Da sie ihrem Großvater freudestrahlend um den Hals fällt, hat sie dessen Angebot jedenfalls stillschweigend iSd § 863 akzeptiert (I/4/6 und I/6/14 ff)1. G hat seiner Enkelin bei der Sponsion den versprochenen Betrag allerdings nicht gleich ausgehändigt, sondern nur dessen Zahlung in Aussicht gestellt. Eine solche „Schenkung ohne Übergabe“ zählt zu jenen Geschäften, für die das Gesetz zwingend die Einhaltung einer bestimmten Form vorschreibt. Entgegen § 943 S 2 genügt Schriftlichkeit des Geschäfts nicht, da dieser Bestimmung durch § 1 NotAktG derogiert wurde (III/2/6). § 1 Abs 1 lit d NotAktG ordnet für Schenkungen ohne Übergabe Notariatsaktspflicht an. Zweck dieses Formgebots ist es, den Geschenkgeber vor einer übereilten und unüberlegten Vermögensentäußerung zu schützen (I/7/21 und III/2/6). Weil über die Schenkung der € 2.000 entgegen § 1 Abs 1 lit d NotAktG kein Notariatsakt errichtet wurde, ist diese formnichtig. Auch die Übersendung der € 1.000 durch G konnte den Formmangel keinesfalls zur Gänze heilen (zur Heilungsfrage noch unter 2.). E hat daher keinen Anspruch gegen G auf Zahlung von weiteren € 1.000 nach § 938. II. Anspruch von G gegen E auf Rückzahlung der brieflich übersandten € 1.000 gem § 1431 ABGB Der Vertrag zwischen G und E ist, wie eben unter 1. erläutert, wegen eines Formmangels nicht rechtsgültig zustande gekommen. Fraglich ist, ob G, der aufgrund eines nichtigen Vertrages geleistet hat, die von ihm brieflich übersandten € 1.000 gem § 1431 kondizieren kann. Nach § 1432 können Zahlungen, die „nur aus Mangel der Förmlichkeiten ungültig sind“, nicht zurückgefordert werden. Ansprüche aus einem formnichtigen Vertrag können somit zwar nicht gerichtlich durchgesetzt werden, sind aber sehr wohl 1 Allenfalls lässt sich die Umarmung auch als ausdrückliche Willenserklärung in Form eines „allgemein angenommenen Zeichens“ verstehen. Für die Frage des Zustandekommens des Vertrages ist es aber unerheblich, ob E dem Schenkungsanbot ausdrücklich oder stillschweigend zugestimmt hat (vgl § 863).
Fall 20: „Der glücklose Freier“ (P. Bydlinski)
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erfüllbar. Da § 1 Abs 1 lit d NotAktG nicht den Zweck hat, die formlose Vermögensverschiebung überhaupt zu verhindern, wird der Formmangel gem § 1432 saniert, soweit G die formmangelhaft versprochene Leistung tatsächlich erbracht hat (I/7/30 und III/15/7). Ergebnis: Wegen Heilung des Formmangels nach § 1432 ABGB kann G die bereits gezahlten € 1.000 nicht von E zurückfordern.
Fall 20: „Der glücklose Freier“ Sachverhalt Der schüchterne X ist seit langem auf Brautschau. Aufgrund eines Inserats wendet er sich vertrauensvoll an das Partnervermittlungsinstitut Eva Glück. Er verpflichtet sich dort zu einer Anzahlung von € 500 sowie zur Zahlung von weiteren 12-mal e 100 monatlich. Dafür verspricht ihm Frau Glück, solange er keine Partnerin findet, vier Kontaktvermittlungen pro Monat. Nachdem die ersten drei Damen zwar gut auf Kosten von X dinieren, aber kein weiteres Interesse an ihm zeigen, möchte er die bereits gezahlten € 600 wieder zurück. Rechte von X und G?
Lösung I. Anspruch von X gegen G auf Rückzahlung von € 600 gem § 1431 ABGB X könnte die € 600 dann von G zurückfordern, wenn sich herausstellt, dass der zwischen ihnen abgeschlossene Vertrag nichtig ist, die Zahlung also rechtsgrundlos erfolgte. Näher erwogen werden muss hier Sittenwidrigkeit, insb ein Verstoß gegen § 879 Abs 2 Z 1. Aufgrund geänderter Moralvorstellungen (I/7/37) wird der Tatbestand der entgeltlichen Heiratsvermittlung heute sehr eng ausgelegt (I/7/40). Partnervermittlungsverträge unterfallen dann nicht § 879 Abs 2 Z 1, wenn bloß Adressen bzw Kontakte von und zwischen heiratswilligen Personen vermittelt werden. Solange dem „Vermittelten“ die Freiheit der Wahl unter einer größeren Zahl von Partnervorschlägen bleibt und auf seinen Ehewillen nicht unmittelbar eingewirkt wird, scheidet eine Berufung auf § 879 Abs 2 Z 1 daher aus1. X kann den bereits bezahlten Betrag von € 600 mangels Sittenwidrigkeit des Partnervermittlungsvertrages nicht nach § 879 Abs 2 Z 1 von G zurückfordern. Andere Anspruchsgrundlagen scheiden schon deshalb aus, weil G nach dem Sachverhalt ihre Vertragspflichten korrekt erfüllt hat.
1 Zumal die Partnervermittlung heutzutage sogar ein gesetzlich anerkanntes Gewerbe ist (freies Gewerbe iSd § 5 Abs 3 GewO).
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Erster Teil: Fälle zum Allgemeinen Teil des Bürgerlichen Rechts
II. Anspruch von G gegen X auf Bezahlung von weiteren 11 mal € 100 monatlich aus dem Partnervermittlungsvertrag Wie oben erläutert, ist der Partnervermittlungsvertrag zwischen G und X gültig zustande gekommen. X ist daher an sich vertraglich verpflichtet, der G noch weitere 11-mal € 100 zu bezahlen. Zu prüfen ist nun noch, ob X möglicherweise vom Vertrag zurücktreten bzw diesen kündigen kann (I/10/2). Ein Rücktritt nach § 3 KSchG (I/10/4 ff) scheidet schon deshalb aus, weil der Vertragsschluss nach dem Sachverhalt („Er verpflichtet sich dort …“) direkt in den Räumlichkeiten des Partnervermittlungsinstitutes erfolgte. Zudem hat X den Partnervermittlungsvertrag selbst angebahnt, was gem § 3 Abs 3 Z 1 KSchG ein Rücktrittsrecht jedenfalls ausschließt: Dass X aufgrund eines von G geschalteten Inserats aktiv wurde, spielt schon deshalb keine Rolle, weil X vollkommen frei über die Kontaktaufnahme entscheiden konnte2. Auch eine Kündigung des Vertrages gem § 15 KSchG kommt nicht in Betracht, weil die Vertragsdauer den Zeitraum eines Jahres nicht übersteigt. Gesetzliche Lösungsrechte stehen dem X daher nicht zu. Hinweise auf die Einräumung eines vertraglichen Kündigungs- oder Rücktrittsrechts sind dem Sachverhalt nicht zu entnehmen. X muss sich somit nach dem Grundsatz „pacta sunt servanda“ (I/5/28 und I/10/1) an dem mit G geschlossenen Partnervermittlungsvertrag festhalten lassen und noch weitere 11 mal € 100 monatlich an G zahlen, sofern diese weiterhin die versprochenen Vermittlungsleistungen erbringt.
2 HA: siehe etwa OGH SZ 55/183.
Fall 21: „Die Schwebende“ (P. Bydlinski)
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7. Willensmängel und ihre Folgen Fall 21: „Die Schwebende“ Sachverhalt K interessiert sich für die Plastik „Die Schwebende“, die seit längerem im Hinterhof eines Innenstadthauses steht (bzw schwebt). Dieser respektlose Umgang mit Kunst empört den Kunstfreund K, der an der „Schwebenden“ vor allem wegen deren Ausdrucksstärke Gefallen gefunden hat. Recherchen ergeben, dass sie V, ein Jurist, von einer entfernten Verwandten geerbt hat und nicht recht weiß, was er damit tun soll. K bittet F, einen Fachmann, den er über mehrere Ecken kennen gelernt hat, heimlich Herkunft und Wert der Plastik zu beurteilen. Fs Auskunft: Das Werk stamme mit größter Sicherheit von einem berühmten russischen Künstler der 20-er Jahre und sei mindestens € 20.000 wert. K wendet sich nun an V und bietet diesem für die Skulptur, in die er sich „unsterblich verliebt“ habe, € 12.000. V wundert sich über das hohe Gebot, das er schließlich akzeptiert. Sicherheitshalber nimmt er in den Vertrag aber die Klausel auf, dass Anfechtungsrechte wegen Irrtums und laesio enormis ausgeschlossen sind. Das Geschäft wird abgewickelt. Zweieinhalb Jahre später stellt sich heraus, dass F das Kunstwerk, das von einem Akademieschüler stammt und etwa € 3.000 wert ist, bewusst unrichtig beschrieben und bewertet hat, da er mit einigen Mitgliedern von Ks weitverzweigter Familie verfeindet ist. Welche Rechte hat K? Variante 1: V weiß, dass K von F eine Expertise erhalten hat. Dies wundert den vom Zwist zwischen F und Familie K informierten V, dem auch bekannt ist, dass F diesen Streit mit allen Mitteln austrägt. Den Inhalt des von F erstellten Gutachtens kennt V nicht. Ändert sich dadurch etwas an den Rechten von K? Variante 2: Was ändert sich, wenn alles schon nach sieben Monaten ans Licht kommt? Variante 3: Was ändert sich, wenn V gewerbsmäßig mit Kunstobjekten handelt? A. Lösung Grundfall I. Anspruch von K gegen V auf Rückzahlung von € 12.000 gem §§ 1435 iVm 932 ABGB Da K für eine Plastik, die nur € 3.000 wert ist, € 12.000 bezahlt hat, er aber glaubte, das ausdrucksstarke Kunstwerk günstig zu bekommen, wird K uU primär daran interessiert sein, den von ihm bezahlten Betrag von V zurückzubekommen. Ein erstes Hindernis stellt insoweit jedoch der abgeschlossene Vertrag dar, da er den Rechtsgrund für die erfolgte Zahlung bildet. Im Rahmen des Gewährleistungsrechts müsste K, um Vertragsbesei-
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tigung zu erreichen, Wandlung gem § 932 Abs 4 geltend machen. Eine nähere Prüfung des möglicherweise bestehenden Wandlungsrechtes erübrigt sich jedoch, da dieser Anspruch zweieinhalb Jahre nach Ablieferung der Kaufsache wegen der für bewegliche Sachen geltenden Zweijahresfrist (§ 933 Abs 1) bereits verjährt ist. II. Anspruch von K gegen V auf Rückzahlung der € 12.000 gem § 877 iVm § 871 ABGB K glaubt, die Skulptur stamme von einem berühmten russischen Künstler und geht daher fälschlicherweise davon aus, dass diese zumindest € 20.000 wert sei. Diese unzutreffende Vorstellung von der Wirklichkeit begründet einen Irrtum. Damit dieser zur Vertragsanfechtung berechtigt, müssen bestimmte Voraussetzungen erfüllt sein. Zunächst muss es sich bei dem dem K unterlaufenen Irrtum um einen Geschäftsirrtum handeln; also um einen Willensmangel, der sich auf den Vertragsinhalt bezieht (I/8/9 f). Es ist daher zu fragen, ob die Urheberschaft der „Schwebenden“ Inhalt des Vertrages geworden ist. V und K haben nie darüber gesprochen, von welchem Bildhauer die „Schwebende“ geschaffen wurde. K wollte zwar die Plastik nur deshalb für € 12.000 kaufen, weil er annahm, sie stamme von einem berühmten Künstler der 20-er Jahre. Er hat aber diese Eigenschaft nicht zum Inhalt seines Angebotes gemacht. Für die Interpretation einer Erklärung kommt es auf das Verständnis an, das ein redlicher Erklärungsempfänger von dieser gewinnen durfte (I/6/42). Da V der Inhalt der Expertise nicht bekannt war, konnte er die Offerte des K nur so verstehen, dass dieser die „Schwebende“ ohne wenn und aber um € 12.000 kaufen wollte. Die Urheberschaft eines bestimmten Bildhauers wurde daher nicht Inhalt des Vertrages. Damit ist K bloß einem Motivirrtum1 (I/8/11) erlegen, der ihn allerdings nicht zur Anfechtung des Kaufvertrages berechtigt (vgl § 901 S 2)2. Insb kann K sich nicht erfolgreich darauf berufen, dass der Motivirrtum von V, der ja keinerlei Kenntnis von der „Expertise“ des F hatte, listig herbeigeführt worden sei (I/8/27 f). K kann daher den Kaufvertrag nicht gem § 871 anfechten. Ein Rückzahlungsanspruch scheidet somit aus. III. Anspruch von K gegen V auf Rückzahlung von € 12.000 gem § 1435 (bzw § 877) iVm § 934 ABGB K könnte den Kaufvertrag aber möglicherweise wegen Verkürzung über die Hälfte (§ 934) anfechten (I/8/43). Voraussetzung dafür ist, dass die von V versprochene Leistung nicht einmal halb so viel wert war wie die des K. Das Ausmaß der Verkürzung ist am Vereinbarten zu messen (I/8/46). Zunächst ist daher zu fragen, was genau vereinbart und damit von V geschul1 Nur wer einen Geschäftsirrtum annimmt, muss sich mit der Ausschlussklausel auseinandersetzen. In der Variante 3 wäre dabei insb § 6 Abs 1 Z 14 KSchG zu beachten (I/8/23). 2 Zur ausnahmsweisen Beachtlichkeit I/8/27 ff.
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det war3. Wie bereits unter II. ausgeführt, ist die Urheberschaft des berühmten Künstlers aus den 20-er Jahren nicht Vertragsinhalt geworden. Nach § 1061 geschuldet war somit bloß die Übereignung einer bestimmten Skulptur (Spezies), die objektiv € 3.000 wert ist. Dieser Leistungspflicht ist V auch nachgekommen. K hat also € 12.000 für eine Plastik bezahlt, die lediglich € 3.000 und damit nur ein Viertel dessen wert ist, was er geleistet hat. K könnte daher den Vertrag nach § 934 anfechten. Zu prüfen ist jedoch, welche Bedeutung der Klausel zukommt, nach der eine Anfechtung wegen laesio enormis ausgeschlossen sein soll. § 935 HS 1 normiert, dass die Anwendung des § 934 vertraglich nicht ausgeschlossen werden kann; die vertragliche Abbedingung des Anfechtungsrechts wegen Verkürzung über die Hälfte ist daher unwirksam (I/8/45). Offen bleibt damit aber noch, ob K die Skulptur nicht vielleicht „aus besonderer Vorliebe um einen außerordentlichen Wert“ gekauft hat. Dann besteht das Anfechtungsrecht nämlich schon von Gesetzes wegen nicht (§ 935 HS 2). Dies trifft hier wohl zu, denn K hat V ausdrücklich erklärt, sich „unsterblich“ in die Plastik verliebt zu haben4. Überdies hat V das Objekt nicht einmal angeboten; vielmehr hat K die Vertragsverhandlungen durch eigene Aktivität eröffnet. Genau für derartige Fälle passt die Wertung des Gesetzes besonders gut. Nicht notwendig ist dann – auch wenn dies der Gesetzeswortlaut nahe legt –, dass K überdies ausdrücklich erklärt, zu einem außerordentlichen Preis zu kaufen. Damit ist eine Anfechtung nach § 934 bzw eine daraus folgende Rückforderung der von K geleisteten € 12.000 ausgeschlossen. IV. Anspruch von K gegen V auf Rückzahlung von € 12.000 gem § 877 iVm §§ 870, 875 ABGB K könnte zudem versuchen, den Vertrag gem § 870 wegen List (des F) anzufechten. Nach § 875 S 1 sind Verträge, zu deren Abschluss einer der Vertragsteile durch List eines Dritten bewogen worden ist, aber grundsätzlich gültig. Eine Anfechtungsmöglichkeit besteht nur dann, wenn der Vertragspartner des Getäuschten, also V, an der Handlung des Dritten (hier F) teilnahm oder von derselben offenbar wissen musste. F hat Herkunft und Wert der Skulptur heimlich – also ohne das Wissen des V – beurteilt. V 3 Wäre die Urheberschaft des berühmten Künstlers Vertragsinhalt geworden, so wären die Voraussetzungen für eine Anfechtung wegen laesio enormis mE nicht gegeben. Vereinbart wäre dann nämlich die Lieferung einer Skulptur im Wert von € 20.000, dh K hätte in dem Fall sogar ein ausgesprochen günstiges Geschäft getätigt. Leistet V diesfalls nur eine Plastik im Wert von € 3.000, so kann K Gewährleistungsbehelfe geltend machen. Ein Anfechtungsrecht wegen laesio enormis besteht daneben – entgegen der hA – nicht (dazu I/8/46). 4 Dass K sich in Wahrheit nicht unsterblich in die Plastik verliebt hat, sondern nur ein gutes Geschäft machen wollte (nämlich bloß € 12.000 statt – vermeintlich – etwa € 20.000 zahlen zu müssen), spielt keine Rolle. § 935 HS 2 stellt aus guten Gründen (nur) auf das vom Erwerber Erklärte ab. Entscheidend ist somit, wovon der Erklärungsempfänger ausgehen durfte (Vertrauenstheorie), nicht hingegen, was sich der Erklärende eigentlich dachte.
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war daher weder über die Täuschung des F informiert noch nahm er an dieser teil. Da F dem V auch sonst nicht zuzurechnen ist5, kann K den Vertrag nicht wegen Arglist anfechten (I/8/36 ff). V. Anspruch von K gegen F auf Schadenersatz iHv € 9.000 gem den §§ 1295, 1300 ABGB Durch Erstellen einer falschen Expertise hat K einen Vermögensschaden iHv € 9.000 erlitten. Dass F für diesen Schaden kausal war, kann nicht bezweifelt werden: Hätte er – der Wahrheit entsprechend – den Wert des Kunstwerkes mit € 3.000 angegeben, hätte K auch nur diesen Betrag und nicht € 12.000 für die „Schwebende“ gezahlt. Der den Streit mit Familie K mit allen Mitteln führende F hat K wissentlich eine falsche Auskunft iSd § 1300 erteilt und muss daher jedenfalls deliktisch für den dadurch entstandenen Schaden einstehen (III/14/21). Darauf, ob zwischen K und F ein entgeltliches Vertragsverhältnis bestanden hat, kommt es deshalb gar nicht an6. K kann daher von F die Zahlung von Schadenersatz iHv € 9.000 verlangen. B. Lösung Variante 1 Weiß V von einer durch F erstellten „Expertise“ und ist er über dessen Zwist mit der Familie K informiert, so lässt dies (mögliche) Rechte des K wegen Gewährleistung und Verkürzung über die Hälfte unberührt. Relevant könnte dieser Umstand jedoch für die Anfechtung des Vertrages nach den §§ 870 ff sein: Wie schon ausgeführt, kann K den Kaufvertrag gem § 875 dann wegen List anfechten, wenn V an der Täuschungshandlung des F teilnahm oder von derselben offenbar wissen musste. Zwar ist V der genaue Inhalt der „Expertise“ des F unbekannt, doch weiß er über den Streit und dessen bedingungslose Austragung Bescheid. Damit, dass F die Gelegenheit, dem K mit einem falschen Gutachten „eines auszuwischen“, wahrnehmen werde, hätte V daher bei verkehrsüblicher Sorgfalt rechnen müssen. Er hat K auf die Expertise aber nicht einmal angesprochen. Nach allem hat V als der Vertragspartner des K von der Täuschungshandlung des F iSd § 875 „offenbar wissen müssen“, was K zur Anfechtung des Kaufvertrages berechtigt. Eine Berufung des V auf den vertraglich vereinbarten Anfechtungsverzicht hätte keinen Erfolg. Zum einen ist vom Wortlaut der Ausschlussvereinbarung der Tatbestand der List gar nicht umfasst, zum anderen ist nach hM das Anfechtungsrecht wegen List rechtsgeschäftlich überhaupt indisponibel (I/8/33)7. 5 Etwa als Verhandlungsgehilfe oder Vertreter (siehe I/8/38). 6 Dennoch spricht hier alles – Expertisen werden in aller Regel gegen Entgelt erstellt – für das Vorliegen eines Werkvertrags (siehe III/3/1). F haftet dann auch wegen schuldhafter – hier sogar: bewusster – Schlechterfüllung. 7 Nachdenken könnte man allerdings noch darüber, ob die Unzulässigkeit eines vertraglich vereinbarten Anfechtungsverzichts wegen List auch das Anfechtungsrecht nach § 875 S 2 Fall 2 (Wissen-Müssen von der List des Dritten) einschließt. Dagegen spricht zunächst der – im Vergleich zur Teilnahme an der Täuschungshandlung eines Dritten als eigene List des Vertragspartners – geringere
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K kann daher jedenfalls den Vertrag gem den §§ 870, 875 anfechten (I/8/32 f) und den bereits bezahlten Kaufpreis Zug um Zug gegen Rückgabe der „Schwebenden“ nach § 877 (I/8/24) zurückfordern8. Hätten V und K ohne der von F geübten Arglist den Kaufvertrag dennoch, aber mit entsprechend niedrigerem Preis geschlossen, so kann K anstelle der Anfechtung die Anpassung des Vertrages iSd § 872 begehren und das zuviel Gezahlte nach § 877 kondizieren9. C. Lösung Variante 2 Kommt der wahre Sachverhalt schon nach sieben Monaten ans Licht, so hat dies auf die Ansprüche des K wegen Irrtums, Verkürzung über die Hälfte und Schadenersatz keinerlei Auswirkungen. Da diese Ansprüche binnen drei Jahren nach Vertragsschluss (§ 1487; I/3/38) bzw ab Kenntnis von Schaden und Schädiger (§ 1489; I/3/36) geltend gemacht werden müssen, sind sie noch nicht verjährt. Eine Rolle spielt die frühere Aufdeckung der Urheberschaft des Kunstschülers jedoch für mögliche Gewährleistungsbehelfe: Diese wären nämlich gem § 933 Abs 1 ebenfalls noch nicht verjährt. Voraussetzung für die Geltendmachung von Gewährleistungsrechten ist das Vorhandensein eines Mangels im Zeitpunkt der Übergabe der Skulptur. Ob die wahre Urheberschaft der Plastik einen Mangel iSd Gewährleistungsrechts darstellt, ist nach der vertraglichen Vereinbarung zu beurteilen (§ 922 Abs 1 S 1; II/3/ 72 ff). Wie bereits unter A.III. erörtert wurde, ist die Eigenschaft „Herkunft von einem berühmten Künstler der 20-er Jahre“ nicht Vertragsinhalt geworden. Weil V exakt das geleistet hat, was vertraglich geschuldet war, fehlt es somit an einem für die Geltendmachung von Gewährleistungsbehelfen erforderlichen Mangel. Obwohl das Geschäft für V sehr günstig war, kann K daher keine Gewährleistungsbehelfe geltend machen10. D. Lösung Variante 3 Handelt V gewerbsmäßig mit Kunstobjekten, so ist dies für die zum Grundfall geprüften Ansprüche wie folgt relevant: Grad der Verwerflichkeit. Dazu kommt, dass Anfechtungsrechte nach § 871, der gerade auch den Fall des Veranlassens des Irrtums erfasst, sehr wohl vertraglich abbedungen werden können (I/8/23). Literatur zu dieser Frage existiert soweit ersichtlich nicht. Nähere Überlegungen können hier aber schon deshalb unterbleiben, weil der – nach § 915 Fall 2 eng auszulegende – Wortlaut der Ausschlussvereinbarung den Tatbestand der List ohnehin nicht erfasst. 8 Sollte K dadurch, dass er auf die Gültigkeit des Vertrages vertraut hat, einen Schaden erlitten haben – wofür es im Sachverhalt allerdings keine Anhaltspunkte gibt –, so trifft V eine Schadenersatzpflicht wegen cic: Rummel in Rummel3 § 875 Rz 3. 9 Rummel in Rummel3 § 875 Rz 3. 10 Vgl P. Bydlinski in KBB2 § 922 Rz 1.
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1. Bezüglich der vertraglichen Abbedingung des Anfechtungsrechts wegen laesio enormis ändert sich für K schon deshalb nichts, weil sich der Ausschluss der Anfechtung in concreto bereits aus dem Gesetz ergibt (§ 935 HS 2). [Da K kein Unternehmer ist, wäre die Abdingung zu seinen Lasten allerdings auch nach § 351 UGB nicht wirksam.] 2. Denkbar wäre, dass V als gewerbsmäßiger Kunsthändler eine Aufklärung des K über den wahren Wert der Plastik bewusst unterlassen und K daher listigerweise zum Vertragsschluss bewogen hat (zur Arglist durch Unterlassen I/8/32). K könnte den Kaufvertrag dann auch gem § 870 anfechten. 3. Nahe liegt schließlich eine schuldhafte Verletzung vorvertraglicher Aufklärungspflichten durch V, weshalb dieser K nach den Grundsätzen der cic einen – allenfalls vorhandenen – Vertrauensschaden ersetzen muss.
Fall 22: „Ein Wanderer in Nöten“ Sachverhalt Der Wanderer W kommt bei extrem schlechtem Wetter erschöpft und unterkühlt zu einer Hütte. Hüttenwirt H wittert ein gutes Geschäft. Auf die Frage nach einem Quartier meint H, er habe noch ein Bett frei. Dieses koste aber € 150. W will nichts als schlafen und stimmt daher zu. Am nächsten Tag ist er gut ausgeschlafen. Er liest auf einem Aushang nach, dass ein Bett regulär (angemessene) € 30 kostet. Wütend sagt W daraufhin zu H, wenn dieser auch nur einen Euro von ihm verlange, werde er ihn bei allen in Betracht kommenden Behörden und bei der Wirtschaftskammer anzeigen. Rechte von H? Variante 1: Ändert sich etwas, wenn H auf jegliche Ansprüche verzichtet, um der Anzeige zu entgehen? Variante 2: Ändert sich etwas, wenn H nur € 55 verlangt hat? Variante 3: H weist W am Abend ein Bett zu, ohne über den Preis zu sprechen. Erst auf der am nächsten Tag überreichten Rechnung findet sich der Preis von € 150. W zahlt diese Summe und überlegt sich die Sache erst näher, als er wieder im Tal ist. Ansprüche von W? A. Lösung I. Anspruch von H gegen W auf Zahlung von € 150 gem den §§ 1092, 1100 ABGB H kann von W nur dann Zahlung von € 150 verlangen, wenn zwischen den beiden ein gültiger (Miet-)Vertrag (dazu III/8/1 ff) zu diesem Preis zustande gekommen ist. Der exorbitant hohe Zimmerpreis legt zunächst eine Prüfung des Vertrages am Maßstab des § 879 Abs 2 Z 4 ABGB nahe
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(I/7/39). Zwischen den beiden Hauptleistungspflichten aus dem Mietvertrag – Überlassung eines Zimmers gegen Entgelt (vgl § 1090 ABGB) – besteht ein auffallendes Missverhältnis: Der für eine Nächtigung angemessene Betrag beträgt € 30, H verrechnet jedoch € 150, also das Fünffache. Der Wuchertatbestand des § 879 Abs 2 Z 4 ist jedoch nur dann erfüllt, wenn bei W im Zeitpunkt des Vertragsschlusses ein besonderes Element der Schwäche vorlag. Da W die Hütte des H erst nach ermüdendem Marsch bei besonderem Schlechtwetter und bereits unterkühlt erreicht hat, war er, wollte er sich nicht einer ernsten Gefahr für Leib und Leben aussetzen, auf ein Quartier angewiesen. Auch hatte er wohl kaum mehr die Kraft, über den Preis zu verhandeln. Damit befand er sich zweifellos in einer Zwangslage iSd § 879 Abs 2 Z 4. Diese Zwangslage hat H, der in dem erschöpften Wanderer die Möglichkeit zusätzlicher Einkünfte witterte und daher einen besonders hohen Preis für ein Bett verlangte, ausgebeutet. Der Wuchertatbestand ist somit ohne Zweifel erfüllt. Der Vertrag ist allerdings nicht absolut, sondern nur relativ nichtig (I/7/43). W muss sich daher auf die Nichtigkeit berufen, was er hier – nach Wegfall der Zwangslage – offensichtlich auch tut1. W könnte den Vertrag aber möglicherweise auch nach § 934 wegen Verkürzung über die Hälfte anfechten (I/8/43). Anders als beim Wuchertatbestand kommt es dafür allein auf das objektive Element des krassen Wertmissverhältnisses an. Da eine Übernachtung auf der Hütte üblicherweise nicht € 150, sondern bloß € 30 kostet, ist W zugunsten des H um mehr als die Hälfte „verkürzt“. Da W der Aushang und damit der wahre Preis bei Vertragsschluss augenscheinlich nicht bekannt war, liegt auch kein Fall des § 935 HS 3 vor. W kann den Vertrag daher gem § 934 wegen laesio enormis anfechten. H hätte in diesem Fall jedoch die Möglichkeit, die Beseitigung des Vertrages dadurch zu verhindern, dass er dem W für die Übernachtung in seiner Hütte nur die dem Verkehrswert der Übernachtung entsprechenden € 30 verrechnet (I/8/43). II. Anspruch von H gegen W auf Zahlung von € 30 gem § 877 ABGB Beruft sich W – wie hier – auf die relative Nichtigkeit des Mietvertrages gem § 879 Abs 2 Z 4, so ist noch zu klären, ob H ihm gegenüber Bereicherungsansprüche nach § 877 (III/15/14) geltend machen kann. Immerhin hat H dem W gegenüber eine Leistung – nämlich die Überlassung eines Zimmers für die Dauer einer Übernachtung – erbracht. Eine Rückgabe derselben in natura scheidet allerdings aus. W schuldet daher Wertersatz nach Maßgabe seines Nutzens im Zeitpunkt der Leistung (III/15/27); dieser bemisst sich – da W redlich (§ 417) war – nach dem gemeinen Wert einer Übernachtung in einer Berghütte (§ 1437; III/15/28). H kann daher von W gem § 877 die Zahlung von (angemessenen) € 30 verlangen. 1 Nach Krejci in Rummel3 § 879 Rz 252 mwN genügt für die Geltendmachung von Wucher bereits eine außergerichtliche Erklärung des Bewucherten (str); aA etwa Kletecˇ ka in Koziol/Welser13 I 182.
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B. Lösung Variante 1 Anspruch von H gegen W auf Zahlung von € 30 gem § 877 ABGB Gem § 1444 kann der Gläubiger (H) zugunsten des Schuldners (W) auf sein Recht verzichten und so dessen Verbindlichkeit (hier: Zahlung von € 30 gem § 877) aufheben (II/4/48 ff). Fraglich ist, ob H wirksam auf seinen Bereicherungsanspruch gegen W verzichtet hat oder ob er den Verzicht wegen Drohung gem § 870 anfechten kann. Die Ankündigung des W, er werde H bei allen in Betracht kommenden Behörden und bei der Wirtschaftskammer anzeigen, wenn dieser auch nur einen Euro von ihm verlange, stellt eine Drohung iSd § 870 dar. Diese ist „gegründet“ (oder – moderner ausgedrückt – begründet), da eine Anzeige für H jedenfalls mit Unannehmlichkeiten verbunden wäre; bei Bekanntwerden der Anzeige liefe H zudem Gefahr, dass künftig Gäste wegbleiben könnten. Die Drohung muss darüber hinaus aber auch „ungerecht“, dh rechtswidrig sein. Zwar ist das Erstatten einer Anzeige an sich legitim, doch will W mit deren Ankündigung nicht bloß die Reduktion auf den angemessenen Preis, sondern den Erlass der gesamten Schuld erreichen und sich damit selbst einen unberechtigten Vorteil verschaffen. Damit ist die Drohung des W auch rechtswidrig. H kann daher seine Verzichtserklärung gem § 870 anfechten (I/8/34). Tut er das, lebt sein Anspruch auf Zahlung gem § 877 wieder auf. C. Lösung Variante 2 Verlangt H anstelle von € 150 „nur“ € 55, so ändert dies an der Erfüllung des Wuchertatbestandes gem § 879 Abs 2 Z 4 nichts. Auch das (beinahe) Doppelte des üblichen Übernachtungspreises begründet ein auffallendes Missverhältnis zwischen den Hauptleistungspflichten aus dem Mietvertrag. Anderes gilt hingegen für die Anfechtung wegen Verkürzung über die Hälfte: Nach § 934 ist hierfür Voraussetzung, dass die Leistung des einen Vertragsteils nicht einmal halb so viel wert ist wie die des anderen. Da der Verkehrswert der Leistung des H € 30 beträgt, W für die Übernachtung aber nur € 55 und damit nicht mehr als € 60 bezahlt hat, scheidet eine Anfechtung des Vertrages nach § 934 aus. D. Lösung Variante 3 Anspruch von W gegen H auf Zahlung von € 120 gem § 1431 ABGB Da H und W über den Preis einer Nächtigung nie gesprochen haben, ist zu fragen, mit welchem Inhalt der Vertrag zwischen W und H zustande gekommen ist. Der Aushang, in dem die Übernachtungspreise ausgewiesen sind, ist als invitatio ad offerendum zu qualifizieren (I/6/8). Somit stellt erst die Erklärung des W, in der Hütte übernachten zu wollen, ein Angebot im Rechtssinne dar (I/6/6 ff). Aus der Sicht eines objektiven Erklärungsempfängers musste H dieses Angebot allerdings so verstehen, dass W zu einem üblichen Preis bei ihm nächtigen wolle. Durch Zuteilung eines Zim-
Fall 23: „Der Faschingsumzug“ (P. Bydlinski)
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mers hat H dieses Angebot konkludent angenommen, was nach der Vertrauenstheorie (I/6/42) wiederum nur so gedeutet werden kann, dass auch H zum Preis von € 30 kontrahieren wollte. W war daher aus dem Beherbergungsvertrag mit H nur zur Leistung von € 30 verpflichtet. Die von W irrtümlicherweise zuviel bezahlten € 120 waren daher nicht geschuldet, so dass W diesen Betrag gem § 1431 von H kondizieren kann (III/15/5).
Fall 23: „Der Faschingsumzug“ Sachverhalt Raphael (R) hat eine große Schwäche für Feiern und Kostüme. Er beschließt deshalb, den diesjährigen Grazer Faschingsumzug aus luftiger Höhe zu verfolgen. Zu diesem Zweck mietet R bei dem ihm gut bekannten Fred (F), der in der Innenstadt wohnt, einen überdachten Balkon für den Tag, an dem der Umzug stattfinden soll. F ist klar, dass R den Balkon nur wegen der Faschingsfeier für diesen Tag haben möchte. Er übergibt R den Schlüssel für den Balkon. Leider kommt alles ganz anders als geplant: Sturm und Regen verhindern, dass der Umzug stattfindet. Kann F dennoch von R Zahlung der vereinbarten € 30 verlangen? Lösung Anspruch von F gegen R auf Zahlung iHv € 30 gem den §§ 1092, 1100 ABGB Zwischen F und R ist ein gültiger Mietvertrag (III/8/1 ff) gem § 1090 zustande gekommen, weshalb F gegen R einen Anspruch auf Mietzinszahlung iHv € 30 erworben hat (§ 1100). Gegen dieses Zahlungsbegehren wird R einwenden, dass er den Balkon nur zwecks (passiver) Teilnahme am Faschingsumzug mieten wollte. Da dieser jedoch abgesagt wurde, habe er auch kein Interesse mehr am Mietvertrag. Zu prüfen ist damit, ob sich R erfolgreich auf einen „Wegfall der Geschäftsgrundlage“ berufen kann (I/8/40 ff). Voraussetzung dafür ist zunächst, dass andere, gesetzlich ausdrücklich vorgesehene Rechtsbehelfe, zB wegen Irrtums, Unmöglichkeit oder Verzuges, versagen. Dies trifft auf den vorliegenden Fall zu: Eine Anfechtung des Mietvertrages wegen Irrtums scheidet aus, weil das Motiv des R – nämlich das Verfolgenkönnen des Umzugs – zwar dem F bekannt gegeben, aber weder zur Bedingung erhoben noch sonst zum Vertragsinhalt gemacht wurde (I/8/27 und I/8/31). Da F bereit und in der Lage war, den Balkon am vereinbarten Tag dem R zu überlassen, liegt auch kein Fall der Unmöglichkeit vor1. Schließlich ist F mit seiner Leistung auch nicht in Verzug (§ 918) geraten. 1 Und zwar weder der ursprünglichen gem § 878 (dazu I/7/14) noch der nachträglichen gem den §§ 920 f und 1447 (dazu II/3/45 ff).
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R und F haben die Möglichkeit einer Absage des Umzuges nicht bedacht und daher im Vertrag für diesen Fall keinerlei Vorsorge getroffen. Der Entfall des Festzuges wegen Schlechtwetters war unvorhersehbar und kann als „von außen kommend“ keinem der Vertragsteile zugerechnet werden. Dass das Stattfinden der Veranstaltung geschäftstypische Voraussetzung für die Miete eines Balkons gerade zum Zwecke des Miterlebens eines Umzuges ist, bedarf keiner näheren Erläuterung. Bliebe R an den Vertrag gebunden, so hätte dies eine schwere Äquivalenzstörung zur Folge: R hat ja nur deshalb einen derart hohen Preis für die Balkonbenützung angeboten, weil es ihm erkennbar nicht auf die Benützung als solche, sondern nur auf den guten Beobachtungsplatz ankam. Anders gesagt: Der Balkon war an diesem Tag ausschließlich wegen des Faschingsumzugs derart wertvoll. Niemand wäre bereit gewesen, an anderen Tagen – bzw ohne Umzug – entsprechende Summen zu bezahlen. Zugleich ist unbestreitbar die Voraussetzung der Zweckvereitelung erfüllt. R kann dem Zahlungsbegehren des F daher erfolgreich den Wegfall der Geschäftsgrundlage entgegenhalten.
Fall 24: „Der voreilige Farbenkauf“ (P. Bydlinski)
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8. Die Stellvertretung Fall 24: „Der voreilige Farbenkauf“ Sachverhalt Im Betrieb des Malermeisters M ist die Farbe ausgegangen. Da M und die für den Einkauf üblicherweise Zuständigen auf Urlaub bzw krank sind, kauft der Geselle G eigenmächtig die für die nächsten Tage dringend benötigte Menge bei V ein. G bittet V, die Rechnung iHv € 600 auf M auszustellen und die Farbe an dessen Geschäftsadresse zu liefern. Das tut V auch, wofür er € 15 aufwendet. Als M zurückkehrt, benutzt auch er die neue Farbe. Erst als die Rechnung einlangt, wird M stutzig und stellt G zur Rede: Erstens kaufe er selbst – bei X – immer deutlich günstiger ein; und zweitens seien im hinteren Lagerraum noch einige Kanister Farbe vorhanden. M will daher die Rechnung nicht bezahlen. Die Hälfte der Farbe ist allerdings schon verbraucht. Wie ist die Rechtslage? Lösung I. Anspruch von V gegen M auf Zahlung von € 600 gem § 1062 ABGB M ist beim Kauf der Farbe V gegenüber nie in Erscheinung getreten. V kann daher von M nur dann die Zahlung von € 600 aus dem Kaufvertrag verlangen, wenn dem M die Willenserklärung des G so zuzurechnen ist, als hätte sie M selbst abgegeben. M ist also nur dann aus dem Kaufvertrag mit V verpflichtet, wenn die Voraussetzungen wirksamer Stellvertretung erfüllt sind (dazu I/9/59). Zweifellos zählt der Kauf von Farbe zu den vertretungstauglichen Rechtsgeschäften. Mangels gegenteiliger Hinweise ist auch davon auszugehen, dass G zumindest beschränkt geschäftsfähig ist1, was trotz § 1018 verlangt werden muss (I/9/22). Indem G den V bittet, die Rechnung auf M auszustellen und diesem zuzuschicken, hat er zudem offengelegt, dass er in Ms und somit in fremdem Namen agiert (I/9/53 ff). Schließlich hat G unstreitig auch eine eigene Willenserklärung abgegeben (I/9/52) und nicht eine vorformulierte Erklärung des M nur überbracht2. Problematisch und daher genauer zu untersuchen ist jedoch, ob G überhaupt über entsprechende Vertretungsmacht zum Abschluss eines Kaufvertrages für M verfügte. Für eine ausdrückliche oder stillschweigende Bevollmächtigung (I/9/18 ff) liefert der Sachverhalt keinerlei Anhaltspunkte; eine rechtsgeschäftliche Einräumung von Vertretungsmacht ist also unterblieben. G handelt vielmehr eigenmächtig. In concreto auszuschließen ist aber auch die Begründung von Vollmacht durch Anschein (I/9/25). Da bisher für den Einkauf von Farben immer andere Mitarbeiter als G zuständig waren, hat 1 Allgemein zur Geschäftsfähigkeit I/2/15 ff. 2 Dann wäre G nämlich nur Bote; dazu I/9/11 ff.
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Erster Teil: Fälle zum Allgemeinen Teil des Bürgerlichen Rechts
M dem V gegenüber nie den Anschein erweckt, G für derartige Einkäufe Vollmacht erteilt zu haben. Auch die besonderen Tatbestände der §§ 1029 S 2, 1030 ABGB bzw § 56 UGB sind nicht erfüllt. G hat damit als Vertreter ohne Vertretungsmacht (sog falsus procurator) agiert; sein Handeln kann keine rechtsgeschäftliche Bindung des M auslösen (I/9/65 ff). Allerdings kann der vollmachtlos „geschlossene“ Farbenkauf durch Genehmigung des M oder durch Vorteilszuwendung saniert werden (§ 1016). Der Kaufvertrag wäre diesfalls dennoch zwischen V und M zustande gekommen. Eine nachträgliche Genehmigung durch ausdrückliche oder stillschweigende Willenserklärung (I/9/66) des Geschäfts durch M scheidet hier aus: M, der selbst immer zu deutlich günstigeren Konditionen einkauft, weigert sich ja, die Rechnung zu bezahlen. Zu prüfen bleibt noch eine Sanierung des Vertrages durch Vorteilszuwendung (§ 1016 Fall 2 ABGB). Voraussetzung dafür ist, dass M in Kenntnis des Vollmachtmangels über die von V stammende Farbe mit Genehmigungswillen disponiert (I/9/67). Davon ist in concreto jedoch keine Rede: M verwendet die von G „gekauften“ Farben zwar, ist im Zeitpunkt der Verwendung aber der Meinung, es handle sich um Farbe aus seinem eigenen Vorrat. Bis zum Eintreffen von Vs Rechnung weiß M nicht einmal vom eigenmächtigen Handeln seines Gesellen und hat daher bei Gebrauch der Farbe auch (noch) keine Kenntnis vom Vollmachtmangel. Eine Heilung des Kaufvertrages durch Vorteilszuwendung ist daher zu verneinen. Da M den durch G ohne Vollmacht geschlossenen Kaufvertrag weder nachträglich genehmigt noch durch Vorteilszuwendung saniert hat, ist zwischen ihm und V kein wirksamer Kaufvertrag über die Farbe zustande gekommen. Aus diesem Grund hat V keinen Anspruch auf Zahlung des Kaufpreises (§ 1062) iHv € 600 gegen G. II. Anspruch von V gegen G auf Zahlung von € 600 gem § 1062 ABGB Auch zwischen V und G ist kein Kaufvertrag über die Farbe zustande gekommen, da G offensichtlich den Vertrag nicht selbst schließen wollte. Aufgrund Gs Bitte, die Rechnung auf M auszustellen, durfte V nicht von einem Eigengeschäft des G ausgehen (I/9/53). Mangels Vertragsverhältnisses kann V daher von G die Zahlung des Kaufpreises iHv € 600 gem § 1062 nicht fordern. III. Anspruch von V gegen G auf Zahlung von € 600 gem § 1019 ABGB Weil V hinsichtlich der € 600 weder gegen M noch gegen G einen Kaufpreisanspruch erworben hat, wird er sich beim Scheinvertreter G schadlos halten wollen. Allerdings hat dessen Fehlverhalten das Ausbleiben des vertraglichen Erfüllungssanspruchs nicht verursacht: Bei korrektem Verhalten von G hätte V bloß nicht mit einem wirksamen Vertrag gerechnet. G schuldet daher nicht das Erfüllungsinteresse, sondern gem § 1019 ABGB bloß Ersatz des dem V zugefügten Vertrauensschadens. Hätte G nicht den Anschein ausreichender Bevollmächtigung erweckt oder gar ausdrücklich gesagt, dass das Geschäft von der derzeit unsicheren Genehmigung durch
Fall 24: „Der voreilige Farbenkauf“ (P. Bydlinski)
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M abhänge, hätte V nicht geliefert. Der dem V von G verursachte Vertrauensschaden liegt also in dessen Aufwendungen in Höhe von € 15. Ein Mitverschulden von V gem § 1304 ABGB ist abzulehnen, da er keine Anhaltspunkte für das Fehlen ausreichender Vollmacht hatte und eine Erkundigungs- oder Nachforschungspflicht schon wegen der regelmäßig notwendigen Schnelligkeit der Geschäftsabwicklung idR nicht besteht3. Ergebnis: V kann von G Zahlung der € 600 fordern. IV. Anspruch von V gegen M auf Zahlung von € 15 nach den §§ 1295 ff und 1313a ABGB Dass M vertraglich zur Zahlung des Kaufpreises nicht verpflichtet ist, wurde oben unter I. bereits ausgeführt. Möglicherweise kann V von ihm jedoch Schadenersatz verlangen, weil G für M ohne Vollmacht Vertretungsakte gesetzt hat. Eine solche Haftung, die vor allem in dem Fall interessant wird, dass V von G keinen Schadenersatz erlangen kann4, ist dann in Erwägung zu ziehen, wenn G als Gehilfe des M zu qualifizieren ist. Dann könnte M für das Fehlverhalten von G nach den Grundsätzen der cic haften5. M hat G jedoch niemals zum Einkauf von Farbe beauftragt, weshalb G von ihm auch nicht als Gehilfe in contrahendo eingesetzt wurde. Ein Anspruch des V gegen M auf Ersatz des Vertrauensschadens nach cic iVm § 1313a ist somit schon aus diesem Grund abzulehnen, was eine weitergehende Prüfung erübrigt6. V. Anspruch von V gegen M auf Herausgabe der Farbe bzw auf Wertersatz gem § 1431 ABGB V wird aber auch überlegen, ob er – vor allem, wenn G keinen Schadenersatz leistet – seine Ware zurückfordern kann. Da er die Farben geleistet hat, ohne vertraglich hierzu verpflichtet gewesen zu sein, ist als Rechtsgrundlage für seinen Rückforderungsanspruch § 1431 in Betracht zu ziehen (III/15/5 ff). V hat über das Bestehen des Kaufvertrags, zu dessen Erfüllung er die Farben geleistet hat, geirrt. Soweit noch vorhanden – die Hälfte der Farbe ist ja schon verbraucht –, kann V seine Leistung daher von M7 gem § 1431 in natura (III/15/27) zurückverlangen (I/9/70). Für den von M verbrauchten Teil der Farbe gebührt dem V Wertersatz in Geld, der sich nach dem Wert der Farbe für M im Zeitpunkt der Leistung bemisst (III/15/27). Für den Umfang des Wertersatzes kommt es entscheidend auf die Redlichkeit des M an (§ 1437; III/15/28). Zu dem Zeitpunkt, als M die Farbe ver3 So etwa (noch für die Rechtslage vor Inkrafttreten des HaRÄG) Schuhmacher in Straube, HGB I3 (2003) Art 8 Nr 11 Rz 22. 4 Etwa, weil G zahlungsunfähig ist. 5 I/9/70 aE; P. Bydlinski in KBB2 § 1019 Rz 4. 6 Siehe dazu aber Fall 25 Anspruch IV. Lösung Variante (B.IV.). 7 Näher zur Feststellung des Kondiktionsschuldners bei Fall 25 Lösung Grundfall unter V.
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wendete, durfte er mit gutem Grund davon ausgehen, dass es sich dabei um einen Teil seines eigenen Lagerbestandes handelte. M ist daher als redlich (§ 417) anzusehen und hat folglich nur den gemeinen Wert der Farbe zu ersetzen8. Ergebnis: V kann von M die Farbe, soweit noch vorhanden, in natura gem § 1431 kondizieren. Für die bereits verbrauchte Menge gebührt ihm aus demselben Rechtsgrund der Ersatz des gemeinen Wertes. VI. Anspruch von V gegen M auf Herausgabe der noch vorhandenen Farbe gem § 366 ABGB Soweit die Farbe noch existiert, kann V diese von M neben § 1431 auch nach § 366 ABGB herausverlangen (IV/7/1 ff). Da M mangels gültigen Kaufvertrags an der Farbe kein Eigentum erworben hat (vgl § 380; IV/6/ 36 f), ist V nach § 366 aktiv und M als Inhaber der Farbe passiv klagslegitimiert9.
Fall 25: „Ein rascher Einkauf“ Sachverhalt A möchte einen neuen Fernsehapparat kaufen. Er ist aber bettlägerig. Daher bittet er seinen Freund F, für ihn auf die Suche zu gehen. As Vorgaben lauten: große Bildröhre, Teletext und nicht teurer als € 600. F handelt sich mit seinem Hinweis, er werde bei sorgfältiger Suche wohl einen ganzen Tag unterwegs sein, den Ersatz seiner Fahrtkosten sowie € 20 Belohnung aus. Tatsächlich geht F schnurstracks in das Elektronikfachgeschäft von V, einem flüchtigen Bekannten Fs. Nach kurzer Beratung kauft er ein koreanisches TV-Gerät („Heifeng 2000 T“), das die Vorgaben von A erfüllt, um € 589. F bringt am Abend das Gerät sowie die auf A ausgestellte Rechnung bei A vorbei. Noch bevor A den Kaufpreis an V überweist, erfährt er aus der Zeitung, dass der gleiche Apparat bei anderen Händlern um € 545 zu haben ist. Welche Rechte haben V und A? Variante: Der „Heifeng 2000 T“ kostet bei V € 610. F sieht ihn bereits in der Auslage und sagt zu V: „A lässt Ihnen ausrichten, dass er den koreanischen Heifeng kaufen möchte“, worauf V zustimmt und F das letzte Gerät dieser Marke mitgibt. Den Interessenten I, der wenig später ebenfalls einen „Heifeng 2000 T“ kaufen möchte, muss V daher abwei8 Da nach dem Sachverhalt M bei X immer günstiger einkaufen konnte, steht nicht fest, ob die € 300 (halber Rechnungsbetrag) dem gemeinen Wert entsprechen. 9 Für die bereits verbrauchte Farbe scheidet ein dinglicher Herausgabeanspruch nach § 366 hingegen nach Lage der Dinge aus. Sie wurde ja vermutlich zur „Ausbesserung“ einer Hauptsache iSd § 416 verwendet (dazu IV/6/24), was zum originären Eigentumserwerb des Hauptsacheeigentümers führte.
Fall 25: „Ein rascher Einkauf“ (P. Bydlinski)
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sen. Als A die Rechnung näher ansieht und dabei bemerkt, dass F zu teuer gekauft hat, spricht er diesem auf die Mailbox, er solle das Gerät unverzüglich wieder abholen. F tut allerdings nichts dergleichen. Was ändert sich? A. Lösung Grundfall I. Anspruch von V gegen A auf Zahlung von € 589 gem § 1062 ABGB Zuallererst ist zu prüfen, ob zwischen V und A ein wirksamer Kaufvertrag über den „Heifeng 2000 T“ zustande gekommen ist, denn nur dann kann V von A Zahlung der € 589 verlangen. Voraussetzung eines jeden Vertragsschlusses ist das Vorliegen zweier korrespondierender Willenserklärungen (§ 861). A selbst ist gegenüber dem V allerdings nie in Erscheinung getreten, dh er hat nicht selbst, sondern durch F gehandelt. Der Abschluss eines Kaufvertrages zwischen A und V ist daher nur unter der Voraussetzung denkbar, dass F den A wirksam vertreten hat. Es erscheint somit sinnvoll, zunächst das Rechtsverhältnis zwischen F und A näher zu betrachten, um beurteilen zu können, ob F den A überhaupt vertreten konnte. F hat sich A gegenüber verpflichtet, für diesen und auf dessen Kosten ein – näher beschriebenes – Fernsehgerät zu kaufen. Dafür soll er von A seinen Aufwand für die Fahrtkosten sowie eine kleine Belohnung erhalten. Diese Vereinbarung ist als (entgeltlicher) Auftrag (§§ 1002 ff) zu qualifizieren (III/5/1 ff), der zwar das Innenverhältnis zwischen A und F rechtlich determiniert, aber noch nichts darüber aussagt, ob F den A auch im Außenverhältnis wirksam vertreten konnte. Damit A als Vertragspartner des V angesehen werden kann, müsste A dem F Vertretungsmacht eingeräumt haben. Dabei handelt es sich um eine einseitige Willenserklärung des Vollmachtgebers, die mangels Formgebots auch stillschweigend abgegeben werden kann (I/9/20). So liegt der Fall hier: In der Beauftragung des F zum Kauf eines Fernsehers für A wird – mangels gegenläufiger Anhaltspunkte – auch eine entsprechende Bevollmächtigung enthalten sein (I/9/20). Wirksame Stellvertretung setzt neben ausreichender Vertretungsmacht zumindest beschränkte Geschäftsfähigkeit des Vertreters (§ 1018; dazu I/9/22), Offenlegung des Handelns für einen anderen, Vertretungstauglichkeit des Rechtsgeschäfts sowie Abgabe einer eigenen Willenserklärung durch den Vertreter voraus (I/9/59). Diese Erfordernisse sind hier erfüllt: Der Kauf eines Fernsehapparates zählt zweifellos zu den vertretungstauglichen Rechtsgeschäften und ist, da das Gerät nur € 589 anstatt maximal € 600 kostet, von der Vollmacht gedeckt. Dass F den „Heifeng 2000 T“ nicht für sich selbst, sondern für A kaufen will, ist dem V offensichtlich bewusst, da er die Rechnung auf A ausstellt. F hat sein Handeln als Stellvertreter also offen gelegt (I/9/53 f). Hinweise, die auf eine Einschränkung der Geschäftsfähigkeit von F schließen ließen, fehlen1. Der Kaufvertrag über den Fernseher ist somit zwischen V und A wirksam zustande gekom1 Allgemein zur Geschäftsfähigkeit I/2/15 ff.
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men. Dass F nicht – wie es seinen Pflichten aus dem Auftrag eigentlich entsprochen hätte (§ 1009; III/5/4) – mehrere Händler zwecks Preis-/Leistungsvergleiches aufgesucht, sondern gleich bei seinem Bekannten V gekauft hat, ändert für das Außenverhältnis und damit am wirksamen Zustandekommen des Kaufvertrages nichts, zumal V von den Interna keine Kenntnis hatte (vgl I/9/61 ff). Aufgrund des Kaufvertrages verlangt V daher gem § 1062 von A zu Recht die Zahlung von € 589. II. Anspruch von V gegen F auf Zahlung von € 589 gem § 1062 ABGB Zwischen V und F selbst ist kein Kaufvertrag über den Fernseher zustande gekommen, da F im Namen von A aufgetreten ist und – siehe unter I. – den Vertrag für A sogar wirksam geschlossen hat. Ein Anspruch des V gegen F auf Kaufpreiszahlung scheidet daher aus. III. Anspruch von A gegen F auf Zahlung von € 44 gem § 1012 ABGB Wie bereits erläutert, wäre F aufgrund des Auftragsverhältnisses dem A gegenüber gem § 1009 verpflichtet gewesen, das ihm aufgetragene Geschäft sorgfältig auszuführen und die Interessen des A bestmöglich zu wahren (III/5/4 f). Dazu hätte er mehrere Händler zum Zweck des Preisvergleichs aufsuchen und unter jenen Fernsehgeräten, die den Vorgaben des A entsprechen, denjenigen aussuchen müssen, der die beste Preis-Leistungs-Relation aufweist. Diese Pflicht hat F schuldhaft, nämlich fahrlässig, verletzt, indem er schnurstracks zu V gegangen ist und den Fernseher ohne viel Federlesens auch gleich gekauft hat. Hätte F etwas mehr Zeit und Sorgfalt investiert, hätte auch er erfahren, dass das gleiche Gerät üblicherweise um € 44 günstiger angeboten wird. Für diesen dem A schuldhaft verursachten Schaden wird F daher gem § 1012 ersatzpflichtig (III/5/8). B. Lösung Variante I. Anspruch von V gegen A auf Zahlung von € 610 gem § 1062 ABGB Anders als im Grundfall deutet das Auftreten von F hier nicht auf Stellvertretung, sondern auf bloße Botenschaft hin (I/9/11 ff). Botenschaft und Stellvertretung unterscheiden sich dadurch, dass der Stellvertreter im Rahmen der im eingeräumten Rechtsmacht einen eigenen Willen bildet, während der Bote nur eine fremde, vom Auftraggeber vorformulierte Erklärung übermittelt (I/9/11). Ob jemand Bote oder Stellvertreter ist, bestimmt sich zum einen nach dem Auftreten Dritten gegenüber (I/9/14), zum anderen nach der Art der Betrauung. Aus der Sicht des V ist das Verhalten des F („A lässt Ihnen ausrichten, dass er den koreanischen Heifeng kaufen möchte“) nur dahingehend zu interpretieren, dass F eine Erklärung des A überbringt und damit (nur) Erklärungsbote (I/9/15) ist. Tatsächlich hat A eine solche Erklärung, wie nun von F „ausgerichtet“, niemals abgegeben: A wollte nur irgendeinen Fernseher, der die von ihm gestellten Anforderungen erfüllt, nicht jedoch ausgerechnet den koreanischen Heifeng. Aller-
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dings wurde F von A – wie oben ebenfalls erörtert – zum Kauf eines näher umschriebenen Fernsehgeräts bevollmächtigt. Das Auftreten des F als Bote schadet mE daher nicht, wenn sich die von F übermittelte, vermeintlich von A stammende Erklärung im Rahmen der erteilten Vertretungsmacht hält (I/9/11 aE). Im vorliegenden Fall ist die Erklärung des F von der ihm erteilten Vollmacht wegen des Preises von € 610 aber nicht mehr gedeckt. Für eine nachträgliche Sanierung des Vollmachtmangels durch A gem § 1016 gibt es keinerlei Hinweise. F konnte wegen Überschreitung seiner Rechtsmacht den A gegenüber V nicht wirksam durch Kaufvertrag verpflichten (I/9/65); uz weder bei Auftreten als Stellvertreter noch als Bote, als der er von A gar nicht eingesetzt war2. V hat daher keinen Anspruch auf Zahlung von € 610 gem § 1062 gegen A. II. Anspruch von V gegen F auf Zahlung von € 610 gem § 1062 ABGB Da F dem V gegenüber deutlich gemacht hat, dass er nicht in eigener Person, sondern (als Bote) für A tätig wird, scheidet ein Eigengeschäft von F von vornherein aus (I/9/53). V kann somit auch nicht von F die Zahlung des Kaufpreises iHv € 610 verlangen. III. Anspruch von V gegen F auf Zahlung von € 610 analog § 1019 ABGB V hat mangels ausreichender Vertretungsmacht des F keinen Kaufpreiszahlungsanspruch aus § 1062 gegen A erworben. Er wird daher versuchen, sich an F schadlos zu halten. Dieser ist als Bote aufgetreten, ohne tatsächlich Bote zu sein (sog Scheinbote; I/9/13). Da die Interessenlage parallel liegt, ist für die Haftung des Scheinboten die analoge Anwendung von Stellvertretungsrecht sachgerecht3. Auf diese Weise ist allerdings kein Anspruch auf die € 610 zu begründen. Vielmehr haftet F nach § 1019 bloß auf den verursachten Vertrauensschaden. Hätte sich F korrekt verhalten und dem V die Beschränkung der Vollmacht mitgeteilt oder den Vertragsabschluss unterlassen, so hätte V ja dennoch keinen Kaufpreisanspruch (auf Zahlung von € 610) erlangen können. Dieser Vertrauensschaden des V könnte im Entgang einer anderen Abschlussmöglichkeit bestehen: Weil V von der Gültigkeit des mit A geschlossenen Kaufvertrages ausgegangen ist und daher dem F in Erfüllung seiner (vermeintlichen) Pflichten aus diesem Vertrag den letzten „Heifeng 2000 T“ mitgegeben hat, musste er den ebenfalls am Kauf eines solchen Gerätes interessierten I abweisen. Von diesem hätte V ebenfalls € 610 erhalten. Er hätte also die volle Gewinnspanne lukriert. Bekommt V das Gerät zurück (dazu noch unter V.) und kann er es später nur billiger an den Mann bzw die Frau bringen, hat ihm F die Differenz zu ersetzen. Gelingt es V nicht, den Heifeng trotz fehlenden 2 Aus diesem Grund kommt hier der Lehrmeinung, wonach sich der Geschäftsherr zumindest fahrlässige Entstellungen der Erklärung durch den Erklärungsboten zunächst zurechnen lassen muss (vgl I/9/13), keine Bedeutung zu. 3 Vgl Apathy in Schwimann3 § 1002 Rz 7.
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Vertrags wieder zu erlangen, steht ihm zumindest der objektive Wert des Gerätes als Ersatzbetrag zu; mehr dann, wenn er es aller Voraussicht nach teurer hätte verkaufen können. Uneingeschränkt gilt dies allerdings nur dann, wenn von einer rechtlich abgesicherten Erwerbschance (bzw nach der neueren Rsp von einer im Verkehr mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit anzunehmenden Gewinnchance) des V auszugehen ist4. Nur dann läge nämlich ein positiver Schaden vor, der bei jeglichem Verschuldensgrad zu ersetzen wäre. Ist die Position des V noch nicht gesichert, handelt es sich bei der Erwerbschance um entgangenen Gewinn, für den F gem den §§ 1323 f nur bei grobem Verschulden zu haften hat (III/13/52). Da aber angesichts des in der Sachverhaltsvariante geschilderten Verhaltens des F ohnehin von grober Fahrlässigkeit ausgegangen werden muss, erübrigt sich letztlich die Frage, ob es sich bei der Erwerbschance des V um einen positiven Schaden oder um entgangenen Gewinn handelt. IV. Anspruch von V gegen A auf Schadenersatz gem den §§ 1295 ff iVm § 1313a ABGB A selbst könnte ersatzpflichtig werden, weil F für A ohne ausreichende Vollmacht Vertretungsakte gesetzt hat und A für F einstehen muss. Eine solche Haftung, die vor allem dann interessant wird, wenn V von F keinen Schadenersatz erlangen kann5, ist deshalb zu prüfen, weil F als Gehilfe (III/13/39 ff) des A zu qualifizieren ist6: A hat F tatsächlich zum Kauf eines näher bestimmten Fernsehers beauftragt und (wenn auch beschränkt) bevollmächtigt, F somit als Gehilfen in contrahendo eingesetzt (I/9/70). Gehilfenverschulden wird nach hA bereits im vorvertraglichen Stadium nach § 1313a zugerechnet (I/6/35 und III/13/44). Daher wird A als Geschäftsherr nach den Grundsätzen der cic (I/6/35 ff) für das Verhalten von F schadenersatzpflichtig (§ 1295)7. V. Anspruch von V gegen A auf Herausgabe des „Heifeng 2000 T“ gem § 1431 ABGB Da V kein Anspruch auf den Kaufpreis zusteht, wird er daran interessiert sein, den Fernsehapparat zurückzuerlangen. Einen solchen Herausgabeanspruch könnte V auf § 1431 stützen, da er den Fernseher irrtümlich – nämlich ohne vertraglich dazu verpflichtet gewesen zu sein – geleistet hat8. Näher zu untersuchen ist allerdings, wer überhaupt Kondiktionsschuldner 4 Karner in KBB2 § 1293 Rz 4 f. 5 Etwa, weil F zahlungsunfähig ist. 6 Welser, Vertretung ohne Vollmacht (1970) 103, 106 f. 7 Die Haftung des Geschäftsherrn aus cic kommt auch dann in Frage, wenn der Scheinvertreter selbst nach § 1019 einstandspflichtig ist. Geschäftsherr und Scheinvertreter werden nebeneinander verantwortlich, wobei der Geschädigte frei wählen kann, wen er belangt (vgl III/13/47 aE). 8 Bereicherungs- und Schadenersatzansprüche (etwa gegen den Scheinvertreter) können nebeneinander geltend gemacht werden: siehe zB OGH ÖBA 2001, 158 mit Anm F. Bydlinski.
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ist. In Frage kommen dafür ja sowohl A als auch F. Zwar erfolgte die tatsächliche Zuwendung an F, doch kann nach dem Sachverhalt kein Zweifel daran bestehen, dass V die Leistung dem A erbringen wollte, dem er sich aufgrund eines (vermeintlich gültigen) Kaufvertrages zur Erfüllung verpflichtet glaubte9. Nach hM ist A dann Kondiktionsschuldner, wenn F, der zwar keine Vollmacht zum Abschluss des konkreten Kaufvertrages hatte, immerhin zur Entgegennahme der Leistung (also des „Heifeng 2000 T“) für A autorisiert war10. Das ist hier jedoch nicht der Fall. F war nur zum Kauf eines Fernsehgeräts bis zum Preis von € 600 bevollmächtigt; daher durfte er auch nur einen Fernseher, der den preislichen Vorgaben des A entspricht, für diesen in Empfang nehmen. Abschluss- und Empfangsvollmacht fallen daher zusammen. Allerdings hat F den Fernsehapparat direkt an A weitergegeben, den dieser auch als Leistung des V in Empfang nahm. Dem A war ja bewusst, dass ihm nicht F selbst eine (eigene) Leistung erbringen wollte. Dass V möglicherweise ohnehin einen Rückforderungsanspruch gegen den falsus procurator F nach § 1041 hat11, schließt eine Kondiktion gegen A nicht aus. Würde nämlich ein Bereicherungsanspruch gegen A, der die Leistung tatsächlich erhalten hat, verweigert, so wären die Interessen des V, der uU auf die Bonität des A vertraut hat, nicht ausreichend gewahrt: Im Falle einer Insolvenz des F würde V dann nämlich leer ausgehen. V ist daher ein Bereicherungsanspruch gem § 1431 gegen A zu gewähren. VI. Anspruch von V gegen A auf Herausgabe des „Heifeng 2000 T“ gem § 366 ABGB Seinen Herausgabeanspruch bzgl des Fernsehgeräts könnte V auch auf § 366 stützen (IV/7/1 ff). Dass A Inhaber des „Heifeng 2000 T“ und damit passiv klagslegitimiert ist, ergibt sich unzweifelhaft aus dem Sachverhalt, wonach F den Apparat noch am selben Abend bei A vorbeigebracht hat. Die erfolgreiche Geltendmachung der rei vindicatio setzt voraus, dass V noch Eigentümer des Fernsehgeräts ist und A ihm gegenüber kein Recht zur Innehabung zusteht (IV/7/3). A hätte nur dann Eigentum am „Heifeng 2000 T“ erwerben können, wenn er einen gültigen Erwerbstitel vorweisen könnte. Da F zum Abschluss des Kaufvertrages nicht über ausreichende Vollmacht verfügte und trotz seines Auftretens auch nicht Bote des A war, ist kein Kaufvertrag zwischen A und V zustande gekommen12. Ein Eigentumserwerb von A am „Heifeng 2000 T“ scheidet daher gem § 380 aus (IV/6/36 f). A kann aber auch keinen Titel vorweisen, der (nur) seine Innehabung gegenüber V rechtfertigen könnte. V steht also gegen A ein Herausgabeanspruch nach § 366 zu. 9 Vgl dazu III/15/39. 10 III/15/40; Welser, Vertretung ohne Vollmacht 243 f; Koziol in KBB2 Vor §§ 1431 ff Rz 13; OGH ÖBA 2001, 158 mit Anm F. Bydlinski. 11 Dazu sogleich bei Anspruch B.VII. 12 Dazu schon bei Anspruch I der Variante (B.I.).
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VII. Anspruch von V gegen F auf Rückstellung des „Heifeng 2000 T“ gem § 1041 ABGB Fraglich ist, ob V auch gegen F Rückforderungsansprüche hinsichtlich des Fernsehers geltend machen kann13. Da V dem F keine Leistung erbringen wollte, sondern diesem den „Heifeng 2000 T“ nur „für A“ übergeben hat, und auch dem F die Leistung des V nicht als Leistung an ihn erschien, ist nicht an eine Leistungskondition, sondern bloß an einen Verwendungsanspruch nach § 1041 zu denken (vgl III/15/41). Zwar wird bei § 1041 an sich nicht berücksichtigt, ob der aus der fremden Sache gezogene Nutzen in der Folge weggefallen ist, doch ist in concreto zu beachten, dass F über den Fernseher genauso verfügte, wie es V erwartet hat: F hat das Gerät an den von V als Leistungsempfänger angesehenen A übergeben. Der Wegfall des Nutzens bei F war somit auch von V „einkalkuliert“, ist also nicht durch Zufall oder aufgrund einer dem F vorwerfbaren Handlung erfolgt. Gewährte man nun aber sogar in solchen Fällen einen Rückstellungsanspruch nach § 1041 gegen den Scheinboten bzw falsus, so würde auch ein Gutgläubiger das Insolvenzrisiko des Geschäftsherrn zu tragen haben. Der Dritte (hier V) ist jedoch insoweit ohnehin nicht schutzwürdig, da er höchstens auf die Bonität seines vermeintlichen Vertragspartners A vertraut hat. Den Fernseher kann V daher nur von A nach § 1431 zurückverlangen; ein Verwendungsanspruch gem § 1041 gegen F steht ihm hingegen nicht zu.
Fall 26: „Das moderne Radio“ Sachverhalt Die Pensionistin Paula (P) bittet den technisch sehr versierten 15-jährigen Nachbarssohn Norbert (N), für sie ein Radio im Wert von etwa € 100 zu besorgen. Zur Sicherheit gibt sie ihm € 120 mit. Als Belohnung verspricht sie N € 5. N sieht sich beim Elektrohändler (E) sehr genau um und erklärt E schließlich, für P ein ganz bestimmtes Gerät um € 109 zu kaufen. Obwohl N nur € 20 anzahlen kann, da er einen Teil des Geldes bei P vergessen hat, gibt ihm E das Radio mit. P, der N das Radio sofort begeistert in die Hand drückt, ist aber von dem Gerät gar nicht angetan, da ihr das Design zu modern ist und es auch „zu viele Knöpfe“ hat. a) Ansprüche von E gegen P, N und Ns Eltern? b) Ansprüche von N gegen P? c) Hat E Anspruch auf den restlichen Kaufpreis, wenn N beim Kauf vergisst, auf sein Handeln für P hinzuweisen?
13 Wegen des unter III. der Variante bejahten Ersatzanspruchs ist dieses Begehren von untergeordneter Bedeutung. Sein Fehlen in einer Klausur wäre daher nicht gravierend.
Fall 26: „Das moderne Radio“ (P. Bydlinski)
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A. Lösung zu a) I. Anspruch von E gegen P auf Zahlung des restlichen Kaufpreises iHv € 89 gem § 1062 ABGB Zuallererst gilt es zu prüfen, ob zwischen E und P ein wirksamer Kaufvertrag iSd § 1053 über das Radio zu einem Kaufpreis von € 109 zustande gekommen ist. Voraussetzung dafür sind zwei korrespondierende Willenserklärungen (§ 861). E hat zweifelsohne eine entsprechende Erklärung abgegeben. P hingegen hat nicht selbst gehandelt. Sie muss sich aber eine entsprechende Willenserklärung des N so wie eine eigene zurechnen lassen, wenn sie von N wirksam vertreten wurde. Damit eine Vertretungshandlung wirksam ist, müssen mehrere Voraussetzungen kumulativ vorliegen (I/9/59). Zweifellos hat N, der ja selbstständig ein Radio für P aussuchen durfte, eine eigene Willenserklärung abgegeben und nicht bloß eine Erklärung der P überbracht (I/9/59 aE und I/9/11 ff). Dass N den zu den vertretungstauglichen Rechtsgeschäften gehörenden Kaufvertrag nicht für sich selbst, sondern für P schließen wollte, hat er dem E gegenüber ausdrücklich erklärt (I/9/53 ff). Näherer Prüfung bedarf allerdings der Umstand, dass N erst 15 Jahre alt und damit bloß beschränkt geschäftsfähig ist (§§ 21 Abs 2, 151 f, 865 S 2; I/2/24 ff). § 1018 scheint seinem Wortlaut nach auch geschäftsunfähige Personen als Stellvertreter zuzulassen. Da der Vertreter jedoch einen eigenen Willen bilden und diesen dem Dritten erklären können muss, wird diese Norm von der hA dahingehend teleologisch reduziert, dass dem Vertreter jedenfalls beschränkte Geschäftsfähigkeit zukommen muss (I/9/22). Dies trifft für N zu. Dass N für den Kauf eines derartigen Radios möglicherweise gar nicht über ausreichende (Eigen-)Geschäftsfähigkeit verfügt, spielt keine Rolle: Weil N nicht über eigenes, sondern über fremdes (nämlich Ps) Vermögen disponiert, kann er P auch aus solchen Geschäften wirksam verpflichten, die er im eigenen Namen nicht schließen könnte (I/9/22). Die Rechtswirkungen aus dem Kaufvertrag treten aber nur dann bei P ein, wenn N auch über ausreichende Vertretungsbefugnis zum Erwerb des Radios verfügt hat. Dies wird zu bejahen sein. In der Beauftragung des N zum Kauf eines näher umschriebenen Radios ist dessen Bevollmächtigung stillschweigend mit enthalten (I/9/20). Dass das Radio nicht exakt € 100, sondern € 109 kostet, stellt keine Überschreitung der dem N eingeräumten Vollmacht dar. Zum einen sollte das Radio nach den Vorgaben der P „ungefähr € 100“ kosten; eine geringfügige Überschreitung von € 9 ist daher nicht zu beanstanden. Zum anderen hat P den N „zur Sicherheit“ mit € 120 ausgestattet, was auf einen bis zu diesem Betrag bestehenden Spielraum des N schließen lässt. Dass P das Design als zu modern empfi ndet, führt mangels entsprechender Einschränkungen ebenfalls zu keiner Vollmachtüberschreitung. Somit sind alle Voraussetzungen wirksamer Stellvertretung erfüllt. Der Kaufvertrag über das Radio ist zwischen E und P (vertreten durch N) wirksam zustande gekommen. E kann daher gem § 1062 ABGB von P Zahlung des restlichen Kaufpreises iHv € 89 verlangen.
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II. Anspruch von E gegen N auf Zahlung des restlichen Kaufpreises iHv € 89 gem § 1062 ABGB Da, wie soeben ausgeführt, N den Kaufvertrag über das Radio als Stellvertreter wirksam für P geschlossen hat, ist der Vertrag zwischen E und P zustande gekommen, nicht aber zwischen E und N. E hat daher gegen N keinen Anspruch auf Kaufpreiszahlung gem § 1062 ABGB. III. Anspruch von E gegen Ns Eltern auf Zahlung des restlichen Kaufpreises iHv € 89 gem § 1062 ABGB Auch mit den Eltern von N ist selbstverständlich kein Vertrag zustande gekommen. Ein Anspruch von E gegen Ns Eltern kommt daher nicht in Betracht. B. Lösung zu b) Anspruch von N gegen P auf Zahlung von € 5 gem den §§ 1013 S 1 iVm 1004 ABGB N und P haben offensichtlich vereinbart, dass N für P ein Radio besorgt und dafür eine Belohnung von € 5 erhält. Diese Vereinbarung ist als entgeltlicher Auftrag nach §§ 1002 ff zu qualifizieren (III/5/1 ff)1. Dabei handelt es sich um einen (formfreien) Konsensualvertrag, dessen Zustandekommen nach den allgemeinen Bestimmungen zu beurteilen ist. Da N erst 15 Jahre alt und damit mündiger Minderjähriger ist (§ 21 Abs 2 HS 2 e contrario), ist in einem ersten Schritt zu klären, ob N zum Abschluss eines solchen Auftragsvertrages über ausreichende (Eigen-)Geschäftsfähigkeit verfügt. Nach § 865 S 2 können Minderjährige nur ein „bloß zu ihrem Vorteil gemachtes Versprechen annehmen“, also rechtlich ausschließlich begünstigende Geschäfte abschließen (I/2/22). Zwar hat P dem N eine Belohnung von € 5 und damit einen „Vorteil“ versprochen; weil aber einen Beauftragten im Gegenzug erhebliche Pflichten – nämlich aktuelle Erfüllungspflichten und mögliche Haftpflichten – treffen (siehe die §§ 1009 ff; III/5/ 4 ff), kann N ohne die Zustimmung seines gesetzlichen Vertreters einen Auftragsvertrag grundsätzlich nicht wirksam eingehen (§ 151 Abs 1 ABGB). Zu prüfen ist aber noch, ob der Abschluss eines derartigen Vertrages nicht in den Bereich der einem mündigen Minderjährigen nach (bzw analog) den §§ 151 Abs 2 und 3 sowie 152 zukommenden Eigengeschäftsfähigkeit fällt. § 152 sieht vor, dass sich ein mündiger Minderjähriger grundsätzlich ganz allein rechtsgeschäftlich zu Dienstleistungen verpflichten kann, so zB zu einer ganztägigen Hilfsarbeitertätigkeit für 12 Monate, aber auch auf 1 Wer eine bloße Ermächtigung (I/9/8) von N annimmt, gelangt in der Folge zu denselben Rechtsfragen, da N das von P Gewünschte erledigt, also von der Ermächtigung Gebrauch macht, was ihm die Rechte und Pflichten eines Beauftragten verschafft.
Fall 26: „Das moderne Radio“ (P. Bydlinski)
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unbestimmte Dauer. Nach hA ist diese Bestimmung aus Gründen des Minderjährigenschutzes eng auszulegen und daher nur auf Dienstverträge ieS (§ 1151 Abs 1 Fall 1; III/4/1 ff) anzuwenden, nicht hingegen auf Werk- oder Geschäftsbesorgungsverträge2. Das ist allerdings zu pauschal. Tatsächlich kann es nur darauf ankommen, ob und inwieweit in concreto bei einer ex-ante-Betrachtung ein gegenüber „normalen“ Dienstverträgen erhöhtes Risiko für den Minderjährigen besteht. Dies ist beim Kauf einer Sache für jemand anderen im Wert von ca € 100 sicherlich nicht der Fall. Bei der Frage, ob der vorliegende Auftragsvertrag unter § 152 fällt – der Dienstleistungsbegriff des ABGB ist an sich sehr weit (siehe nur die Überschrift vor § 1151 sowie Abs 1 und 2 dieser Vorschrift) –, kann ferner die Wertung des § 151 Abs 3 fruchtbar gemacht werden: Kleinere Erledigungen für Nachbarn gegen Belohnung zu übernehmen, ist für einen 15-Jährigen sowohl alterstypisch als auch geringfügig. N setzt hier ja nicht einmal eigene Vermögenswerte, sondern nur ein wenig Freizeit ein, weshalb ihm insoweit keine Nachteile drohen. Umgekehrt ist das Haftungsrisiko beim einmaligen Kauf eines einfachen Radios keinesfalls höher als bei Verletzung von Pflichten aus einem gewöhnlichen Dienstvertrag; ganz im Gegenteil. Schließlich hat N die ihm aus dem Vertrag treffenden Pflichten bereits erfüllt, womit auch diese Voraussetzung des § 151 Abs 3 vorliegt. N hat somit im Rahmen seiner eigenen Geschäftsfähigkeit mit P kontrahiert3, weshalb ihm die vertraglich zugesagte Belohnung iHv € 5 zusteht. C. Lösung zu c) I. Anspruch von E gegen P auf Zahlung des restlichen Kaufpreises iHv € 89 gem § 1062 ABGB Ob E von P Kaufpreiszahlung verlangen kann, ist wiederum davon abhängig, ob zwischen E und P (vertreten durch N) ein Kaufvertrag zustande gekommen ist. Für eine wirksame Stellvertretung der P müssen – wie unter a) bereits ausgeführt – mehrere Voraussetzungen gegeben sein (I/9/59). Dazu gehört insb auch die Offenlegung des Vollmachtverhältnisses gegenüber V (I/9/53 ff). N hat beim Kauf des Radios allerdings vergessen, darauf hinzuweisen, dass er nicht für sich selbst, sondern für P agiert. Da E aufgrund der fehlenden Offenlegung von einem Eigengeschäft des N ausgehen darf, hat N seine Willenserklärung im eigenen Namen abgegeben, was bei ausreichender Eigengeschäftsfähigkeit von N (dazu sogleich unter 2.) zu einer Vertragsbindung zwischen E und N führte (I/9/53). Nach hM kann 2 Siehe nur Nademleinsky in Schwimann3 § 152 Rz 1 mwN. 3 Wer anderes vertritt, müsste zuerst an die Genehmigungsmöglichkeit durch die gesetzlichen Vertreter nach § 865 S 2 denken. Dass genehmigt werden wird, ist hier sehr wahrscheinlich, da N nur so zu seinem vertraglich vereinbarten Entgelt kommt. Da aber auch mit dem Ausbleiben der rechtzeitigen Einwilligung gerechnet werden muss, kommt für diesen Fall nur eine – höchst ungewisse – bereicherungsrechtliche Abgeltung der Leistung des Minderjährigen in Betracht.
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eine Offenlegung der Vertretung zwar ausnahmsweise dann unterbleiben, wenn es sich um beiderseits sofort erfüllte Bargeschäfte handelt. Diese Geschäfte sollen sogleich für den wirtschaftlich Betroffenen (also P) wirken, weil es dem Dritten (hier V) auf die Person des Geschäftspartners nicht ankomme (Bedenken dagegen I/9/58). Hier liegt ein solches „Geschäft für den, den es angeht“, aber schon deshalb nicht vor, weil E den Kaufpreis nicht vollständig erhalten hat: Ihm kommt es daher sehr wohl darauf an, zu wissen, von wem er den Restbetrag fordern kann. Es bleibt somit dabei, dass mangels Offenlegung zwischen E und P kein Vertrag über den Kauf des Radios zustande gekommen ist. Ein Anspruch des E gegen P auf Kaufpreiszahlung kommt daher nicht in Betracht. II. Anspruch von E gegen N auf Zahlung des restlichen Kaufpreises iHv € 89 gem § 1062 ABGB Wie soeben unter C.I. kurz angesprochen, führt mangelnde Offenlegung des Vollmachtverhältnisses grundsätzlich dazu, dass der Vertrag nunmehr mit dem verhinderten Stellvertreter (also N) selbst zustande kommt (I/9/53). Zu beachten ist allerdings, dass N wegen seines Alters nur beschränkt geschäftsfähig ist (§§ 21 Abs 2, 151, 865; I/2/24 f) und sich damit grundsätzlich nur unter Mitwirkung seines gesetzlichen Vertreters wirksam rechtsgeschäftlich verpflichten kann. Mangels entsprechender Angaben im Sachverhalt bzgl Erwerbseinkommen oder Taschengeld des N ist davon auszugehen, dass er kein oder nur wenig frei verfügbares Vermögen hat. Deshalb ist ausreichende Eigengeschäftsfähigkeit gem § 151 Abs 2 abzulehnen. Auch die Voraussetzungen des § 151 Abs 3 liegen nicht vor: Zunächst handelt es sich beim Kauf eines Radios um € 109 wohl nicht um eine „geringfügige Angelegenheit des täglichen Lebens“, zum anderen hat N nicht den vollen Kaufpreis, sondern nur € 20 gezahlt (I/2/20). Da die Voraussetzungen des § 151 nicht erfüllt sind, ist kein Vertrag zwischen E und N zustande gekommen. Eine Genehmigung des Kaufes durch die Eltern ist schon deshalb ganz unwahrscheinlich, weil N ja überhaupt nicht für sich selbst kaufen wollte. E hat daher keinen Anspruch gegen N auf Zahlung des restlichen Kaufpreises iHv € 89 nach § 1062.
Fall 27: „Der hartnäckige Händler“ (P. Bydlinski)
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9. Die Intensität rechtsgeschäftlicher Bindung Fall 27: „Der hartnäckige Händler“ Sachverhalt Der Gartengerätehändler V liegt K schon seit längerer Zeit wegen des Ankaufs eines Rasenmähertraktors in den Ohren. Ks großes Grundstück könne nur so in Schuss gehalten werden. Schließlich kauft K den Traktor ohne Anzahlung zu 12 Monatsraten à € 200. Der Kaufvertrag enthält folgende Klausel: „Bei Zahlungsverzug Terminsverlust.“ K hat allerdings auch einen alten Traktormäher des Nachbarn N in Aussicht. Er lässt daher in den Kaufvertrag die Klausel aufnehmen, dass der Vertrag erlischt, wenn er von N innerhalb von 12 Monaten dessen Gerät bekommt. Für diesen Fall werde K pro Monat der Benützung € 30 zahlen. Tatsächlich entschließt sich N sechs Monate nach dem Kauf dazu, den alten Rasenmähertraktor um € 800 herzugeben. K greift zu und teilt dies V sofort mit. Zu diesem Zeitpunkt hat K bereits € 1.200 an V bezahlt. Rechte von V und K? Variante: N hat sich von K das Recht einräumen lassen, diesem sein altes Mähgerät innerhalb der nächsten 12 Monate um € 800 zu verkaufen. Als N dem K innerhalb der Frist den Mäher anbietet und ihn zugleich zur Zahlung auffordert, will K von Ns Altgerät nichts mehr wissen, da er von dem neuen, bei V gekauften Rasenmähertraktor vollkommen begeistert ist. Ansprüche von N gegen K? A. Lösung Grundfall I. Anspruch von V gegen K auf Zahlung des restlichen Kaufpreises iHv € 1.200 gem § 1062 ABGB Zunächst ist zu untersuchen, ob der hier geprüfte Anspruch überhaupt entstanden, dann, ob er uU wieder erloschen ist bzw ob K Einwendungen gegen den Anspruch zustehen (I/3/49). V und K haben einen gültigen Kaufvertrag über einen Rasenmähertraktor zum Preis von insgesamt € 2.400 geschlossen, aufgrund dessen V gegen K grundsätzlich Anspruch auf Zahlung des restlichen Kaufpreises iHv € 1.200 hat (§ 1062). Fraglich ist allerdings, ob K den offenen Betrag überhaupt noch zahlen muss; und wenn ja, ob wegen der Terminsverlustabrede (I/10/31) auf einmal, was zum Verlust des Ratenzahlungsvorteils führte. Da V als Gartengerätehändler Unternehmer iSd § 1 Abs 1 KSchG und K Verbraucher iSd Abs 2 leg cit ist, muss § 13 KSchG (I/10/32) beachtet werden. Demnach kann bei Verbrauchergeschäften Terminsverlust nur dann eintreten, wenn dies im Vertrag vereinbart wurde, der Unternehmer seine Leistung bereits erbracht hat, zumindest eine rückständige Leistung des Verbrauchers seit mindestens sechs Wochen fällig ist und der Unternehmer den Verbraucher unter Androhung des Terminsverlustes und unter
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Erster Teil: Fälle zum Allgemeinen Teil des Bürgerlichen Rechts
Setzung einer Nachfrist von mindestens zwei Wochen erfolglos gemahnt hat. Diese Voraussetzungen sind nach dem Sachverhalt nur zum Teil erfüllt: V hat den Rasenmähertraktor gem § 1061 bereits an K geleistet. Dass K wegen des Erwerbs des Rasenmähertraktors von N an V keine Raten mehr bezahlen wird, liegt ebenso auf der Hand. Die Folgen des im Kaufvertrag vereinbarten Terminsverlustes treffen K jedoch nur dann, wenn seine letzte Rate schon mindestens sechs Wochen fällig ist und V ihm den Terminsverlust unter Nachfristsetzung angedroht hat. Mangels Erfüllung aller Voraussetzungen des § 13 KSchG tritt daher kein Terminsverlust ein. Weiters sind die Bestimmungen über das Abzahlungsgeschäft (§§ 16 ff KSchG) zu beachten: Ein Abzahlungsgeschäft ist nach § 16 Abs 2 KSchG ein Kaufvertrag über eine bewegliche körperliche Sache, aufgrund dessen der Unternehmer die Sache vor vollständiger Bezahlung dem Verbraucher zu übergeben und dieser das Entgelt in (gem § 16 Abs 1 Z 2 KSchG mindestens zwei) Teilzahlungen zu entrichten hat. Darüber hinaus darf der Barzahlungspreis den Betrag von € 25.000 nicht übersteigen. Diese Voraussetzungen sind alle erfüllt: V und K haben einen Kaufvertrag über einen Rasenmähertraktor zum Preis von € 2.400 geschlossen. Der Mäher, der zweifellos eine bewegliche (§ 293) körperliche (§ 292) Sache darstellt, wurde von V bereits übergeben. K ist demgegenüber verpflichtet, den Kaufpreis in zwölf Monatsraten zu begleichen. Dass K entgegen § 20 KSchG keine Anzahlung geleistet hat, berührt weder die Gültigkeit des Vertrages noch dessen Qualifikation als Abzahlungsgeschäft, wird aber als Obliegenheitsverletzung des Unternehmers sanktioniert: Der Kaufpreisanspruch des V erlischt nämlich gem § 20 Abs 2 KSchG im Ausmaß der gesetzlich vorgesehenen Mindestanzahlung. Da der Barzahlungspreis € 220 übersteigt, hätte K mindestens 20% von e 2.400, ds € 480, anzahlen sollen. Damit reduziert sich Vs Anspruch auf Zahlung des restlichen Kaufpreises iHv € 1.200 um € 480, dh V kann von K aus dem Kaufvertrag über den Rasenmähertraktor nur mehr € 720 fordern. K kann dem (restlichen) Zahlungsbegehren des V jedoch vor allem entgegenhalten, ein Erlöschen des Vertrages für den Fall vereinbart zu haben, dass er von N innerhalb von zwölf Monaten dessen Rasenmähertraktor bekommt. Zu prüfen ist nun die Rechtsnatur dieser Abrede. Eine Qualifikation als vertragliches Rücktrittsrecht des K scheidet aus, weil der Vertrag nicht durch eine Willenserklärung des K aufgelöst wird, sondern dann, wenn K das gebrauchte Gerät von N bekommt. Trotz Einschränkung der möglichen Vertragsauflösung auf ein Jahr handelt es sich bei dem Passus auch nicht um eine Befristung, weil der Eintritt des vertragsbeendigenden Ereignisses nicht sicher ist (I/10/17): Ob N seinen Rasenmähertraktor innerhalb eines Jahres hergeben wird, ist ungewiss. Im Ergebnis ist die Klausel daher als auflösende1 (Zufalls-)Bedingung (§§ 696 iVm 897) zu deuten (I/10/13 ff). Mit Bedingungseintritt (Erlangung von Ns Rasenmähertraktor durch K) – und nicht 1 Für das Vorliegen einer Resolutivbedingung spricht auch § 1084 ABGB, der als Auslegungshilfe herangezogen werden kann, wenn unklar ist, ob eine Bedingung aufschiebend oder auflösend wirkt (I/10/13).
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erst (rückwirkend) mit Verständigung des V vom Abschluss des Geschäftes mit N2 – erlischt der Kaufvertrag zwischen V und K. Der mit Abschluss des Kaufvertrags entstandene Anspruch von V gegen K auf Zahlung des Kaufpreises – hier: der noch offenen € 720 – gem § 1062 ist daher mit Eintritt der vereinbarten auflösenden Bedingung wieder weggefallen. II. Anspruch von K gegen V auf Rückzahlung der € 1.200 gem § 1435 ABGB Zwar war die Leistung der € 1.200 zunächst durch den Kaufvertrag zwischen V und K gedeckt, doch kann K nun, da dieser Vertrag wegen Eintritts einer auflösenden Bedingung weggefallen ist, den von ihm bezahlten Betrag mittels der condictio causa finita Zug um Zug (III/15/36) gegen Rückstellung des Rasenmähertraktors (dazu unter III.) nach § 1435 von V zurückfordern (III/15/9). V, der wegen des sechsmonatigen Gebrauchs des Mähgeräts seinerseits von K die Entrichtung eines (vertraglich vereinbarten) Benützungsentgelts iHv € 180 fordern kann (dazu unter V.), wird gegen Ks Zahlungsbegehren jedoch aufrechnen wollen (§§ 1438 ff; II/4/23 ff). Die an die Ausübung dieses (rechtsvernichtenden) Gestaltungsrechts (II/4/30) gebundenen Voraussetzungen (Gegenseitigkeit, Fälligkeit, Gültigkeit und Gleichartigkeit der Forderungen; dazu näher II/4/25 ff) sind erfüllt. Erklärt3 daher V die Aufrechnung, so bewirkt er damit – auch gegen den Willen des K – die Zahlung. Da in concreto die Forderungen, die gegeneinander aufgerechnet werden, nicht gleich hoch sind, wirkt die Aufrechnung nur soweit, als sich die Verbindlichkeiten decken (II/4/39). Trotz Aufrechnung mit seiner Gegenforderung iHv € 180 schuldet V dem K gem § 1435 noch € 1.020. III. Anspruch von V gegen K auf Rückgabe des Rasenmähertraktors gem § 1435 ABGB Mit Wegfall des Kaufvertrags hat auch K keinen Rechtsgrund mehr zum Behalten des Rasenmähertraktors. V kann daher von ihm die Rückgabe des Gerätes Zug um Zug (III/15/36) gegen Rückzahlung der von K geleisteten € 1.200 gem § 1435 verlangen. IV. Anspruch von V gegen K auf Herausgabe des Rasenmähertraktors gem § 366 ABGB V könnte möglicherweise auch ein dinglicher Herausgabeanspruch gem § 366 am Rasenmähertraktor zustehen. Voraussetzung dafür wäre, dass der Eintritt einer auflösenden Bedingung den Kaufvertrag als Titel für einen 2 Dass der Kaufvertrag erst bei Verständigung des V erlöschen soll, hätten V und K vereinbaren müssen, wofür der Sachverhalt aber keine Anhaltspunkte liefert. Als auflösende Bedingung festgelegt wurde bloß die Tatsache des Erwerbs von N, nicht die Information des V davon. (Allerdings wird K die Pflicht treffen, V vom Eintritt der Bedingung unverzüglich in Kenntnis zu setzen.) 3 Zum Erfordernis der Aufrechnungserklärung II/4/30.
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Erster Teil: Fälle zum Allgemeinen Teil des Bürgerlichen Rechts
Eigentumserwerb des K am Mäher rückwirkend vernichtet. V wäre dann nach wie vor Eigentümer des Rasenmähertraktors und könnte diesen mittels rei vindicatio (§ 366) von K herausverlangen. Ob dem Eintritt einer Resolutivbedingung eine solche Wirkung zukommt, ist zweifelhaft4, wird aber eher abzulehnen sein. Wegen seiner Nähe zum Rücktritt kommt auch dem Eintritt einer auflösenden Bedingung wohl nur schuldrechtliche ex tunc-Wirkung zu: Der aufgrund des auflösend bedingten Kaufvertrages zwischen V und K vollzogene Übereignungsakt am Rasenmähertraktor ist sachenrechtlich trotz Bedingungseintritts weiter wirksam, doch hat V einen schuldrechtlichen Anspruch auf Rückübertragung des Eigentums am Mäher (dazu bereits zuvor). V. Anspruch von V gegen K auf Zahlung des Benützungsentgeltes iHv € 180 gem § 861 ABGB Entsprechend der Vereinbarung ist V berechtigt, von K für die sechsmonatige Verwendung des Rasenmähertraktors ein (angemessenes) Benützungsentgelt iHv € 30 pro Monat, insgesamt also € 180, zu verlangen. B. Lösung Variante Anspruch von N gegen K auf Zahlung von € 800 gem § 1062 ABGB Durch die Einräumung des Verkaufsrechts (Verkaufsoption) hat N die Rechtsmacht, innerhalb der Optionsfrist allein durch seine Erklärung den Kaufvertrag mit K über den Rasenmähertraktor zustande zu bringen (I/10/23). Dass K wegen der Anschaffung eines neuen Geräts an Ns Mähmaschine kein Interesse mehr hat, ist unbeachtlich: Übt N sein Gestaltungsrecht innerhalb der vereinbarten zwölf Monate aus, so kommt der Kaufvertrag über den Rasenmähertraktor zum Preis von € 800 zustande. K ist dann gem § 1062 verpflichtet, den vereinbarten Kaufpreis (Zug um Zug gegen Erhalt des Altgeräts) zu entrichten. Der Anspruch besteht somit zu Recht.
Fall 28: „Ein Arbeitsunfall mit Folgen“ Sachverhalt K ist von einem Sofa, das der Händler V anbietet, begeistert. Er unterschreibt einen Kaufvertrag, der für den Fall seines Zahlungsverzuges verschuldensunabhängig 15% Zinsen vorsieht. Wegen eines schweren Arbeitsunfalls liegt er mehrere Wochen im Krankenhaus. Er zahlt den Kaufpreis daher erst zwei Monate nach Fälligkeit. Welche Ansprüche hat V gegen K? 4 Rummel in Rummel3 § 897 Rz 9, meint, der Eintritt einer Resolutivbedingung vernichte das Geschäft jedenfalls ex nunc, lässt die Frage nach einer ex-tunc-Wirkung jedoch unbeantwortet. Gschnitzer in Klang2 III 656 schließt eine dingliche Rückwirkung generell aus.
Fall 28: „Ein Arbeitsunfall mit Folgen“ (P. Bydlinski)
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Lösung Anspruch von V gegen K auf Zahlung von 15% Zinsen für 2 Monate aus dem Kaufvertrag Zwischen V und K ist ein wirksamer Kaufvertrag (§ 1053) mit einer Zinsabrede zustande gekommen. Die Vereinbarung, wonach K bei Zahlungsverzug unabhängig von seinem Verschulden daran 15% Zinsen zu entrichten hat, ist als Vertragsstrafe („Vergütungsbetrag“) gem § 1336 Abs 1 zu qualifizieren. Dabei handelt es sich um das Versprechen einer Geldzahlung an den Vertragspartner für den Fall, dass der Versprechende seine vertragliche Hauptpflicht überhaupt nicht, nicht vertragsgemäß oder nicht rechtzeitig erfüllt (I/10/27). Zwar ist der Vergütungsbetrag idR nur bei Verschulden des Versprechenden zu leisten. V und K haben aber den Anspruch auf die Vertragsstrafe verschuldensunabhängig ausgestaltet, was grundsätzlich zulässig ist. Vs Anspruch auf Zahlung eines Vergütungsbetrages besteht daher dem Grunde nach zu Recht. Zu prüfen ist jedoch, ob dies auch für die Höhe des Anspruchs gilt. K kann sich nämlich möglicherweise auf das „richterliche“ Mäßigungsrecht gem § 1336 Abs 2 berufen, wonach die Vertragsstrafe zu mindern ist, wenn diese übermäßig hoch ist (I/10/29). Der einem Gläubiger durch Zahlungsverzug entstandene Schaden liegt idR deutlich unter 15%. Zudem trifft K, der wegen eines Arbeitsunfalles im Krankenhaus liegt, an der verspäteten Zahlung – zumindest in den ersten Wochen – kein Verschulden, was zu seinen Gunsten zu veranschlagen ist. Insgesamt wird die Vertragsstrafe daher nach richterlichem Ermessen gem § 1336 Abs 2 zu mäßigen sein. Für Verbrauchergeschäfte wäre im Übrigen möglicherweise § 6 Abs 1 Z 13 KSchG als die zu § 1336 speziellere Norm (I/10/30) zu beachten, wonach Verzugszinsen die für den Fall vertragsgemäßer Zahlung vereinbarten Zinsen nicht um mehr als fünf Prozentpunkte pro Jahr übersteigen dürfen. Zwar liegt hier ein solches Verbrauchergeschäft vor, da K offenbar als Nichtunternehmer abschließt (§ 1 KSchG). In Betracht kommt jedoch allenfalls eine analoge Anwendung dieser Bestimmung, da hier mangels Kreditoder Ratenkaufvertrags keine vertraglichen Zinsen denkbar sind, an denen man sich iSd § 6 Abs 1 Z 13 KSchG orientieren könnte. Eine analoge Anwendung dieser Bestimmung wäre daher wohl nur in dem Sinn denkbar, dass Verzugszinsvereinbarungen den ohne eine derartige Klausel geltenden Zinssatz um maximal 5% übersteigen dürfen. Ausgehend von gesetzlichen (Verzugs-)Zinsen iHv 4% (§ 1333 Abs 1 iVm § 1000 Abs 1 ABGB) wären die vereinbarten Verzugszinsen danach auf 9% zu reduzieren1. Im Ausmaß der Mäßigung nach § 1336 Abs 2 bzw analog § 6 Abs 1 Z 13 KSchG ist der Anspruch des V auf Zahlung der vereinbarten Zinsen daher nicht durchsetzbar, weshalb V von K nur die Zahlung entsprechend gemäßigter Verzugszinsen begehren kann. 1 Schwarzenegger in Jesser/Kiendl/Schwarzenegger, Das neue Konsumentenschutzrecht (1997) 39 erwägt sogar eine Reduktion auf 5%, was mit der Gesetzeswertung aber wohl nicht zu vereinbaren ist.
Zweiter Teil: Fälle zum Schuldrecht Allgemeiner Teil 1. Schuldrecht und Schuldverhältnis Fall 29: „Wer zuerst kommt, mahlt zuerst“ Sachverhalt1 Die X-GmbH schließt mit der A-Bank einen Globalzessionsvertrag zur Besicherung mehrerer Kreditverbindlichkeiten. Nach der Vereinbarung sind alle gegenwärtigen und künftigen Forderungen aus dem Betrieb des Unternehmens der X-GmbH von der Abtretung umfasst. Diese Zession wird in den Geschäftsbüchern der X-GmbH ordnungsgemäß vermerkt. Eine Verständigung der Drittschuldner soll vorläufig nicht erfolgen. Die X-GmbH verpflichtet sich aber, ihren Schuldnern zwecks Überweisung der Zahlungsbeträge ihr Konto bei der A-Bank bekanntzugeben. Einige Zeit später benötigt die X-GmbH einen weiteren Kredit, den ihr aber die A-Bank nicht mehr gewährt. Die daraufhin kontaktierte B-Bank ist zwar grundsätzlich zur Kreditgewährung bereit, verlangt aber auch eine Sicherheit. Da keine anderen Sicherungsmittel zur Verfügung stehen, kommt wieder nur eine Forderungsabtretung in Betracht. Die B-Bank erlangt zwar durch Einsicht in die Geschäftsbücher der XGmbH Kenntnis von der Zession zugunsten der A-Bank; dennoch gewährt sie der X-GmbH auf deren Drängen den benötigten Kredit und schließt mit ihr zur Besicherung der Rückzahlungsverbindlichkeit einen Globalzessionsvertrag. Von dieser Abtretung verständigt die X-GmbH entsprechend der mit der B-Bank getroffenen Vereinbarung ihre Schuldner. In der Folge zahlen die Schuldner der X-GmbH insgesamt € 300.000,– an die B-Bank, wodurch deren Kreditforderung gegen die X-GmbH weitgehend abgedeckt wird. Als über das Vermögen der X-GmbH der Konkurs eröffnet wird, sind gegenüber der A-Bank noch Kreditverbindlichkeiten in Höhe von € 500.000,– offen. Die A-Bank fordert von der B-Bank € 300.000,–. – Zu Recht? Variante: Der Zessionsvermerk zugunsten der A-Bank ist wegen inhaltlicher Mängel unwirksam. Die B-Bank erlangt durch Einsicht in die 1 Angelehnt an den der E OGH JBl 2002, 182 (mit Anm Dullinger/Riedler = ÖBA 2001, 910 mit Anm Karollus) zugrunde liegenden Fall.
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einschlägigen Verträge Kenntnis von der zwischen X-GmbH und A-Bank getroffenen Zessionsvereinbarung. A. Lösung zum Grundsachverhalt I. Anspruch der A-Bank gegen die B-Bank auf Zahlung von € 300.000,– gem § 1041 ABGB 1. Voraussetzungen des Verwendungsanspruchs nach § 1041 ABGB Der bereicherungsrechtliche Verwendungsanspruch nach § 1041 setzt voraus, dass eine „Sache“ des Verkürzten ohne Rechtsgrund zu fremdem Nutzen verwendet worden ist2. Der Begriff „Sache“ ist im weiten Sinn des § 285 zu verstehen, sodass auch Forderungsrechte umfasst sind. Anspruchsberechtigt nach § 1041 ist derjenige, dem im Zeitpunkt der Verwendung das Rechtsgut ausschließlich zugeordnet war. Im vorliegenden Fall hängt somit der Verwendungsanspruch der ABank gegen die B-Bank davon ab, ob die von der B-Bank eingezogenen Forderungen im Wert von € 300.000,– der A-Bank zustanden. 2. Forderungsberechtigung der A-Bank Die fraglichen Forderungen wurden der A-Bank von der X-GmbH im Rahmen einer Globalzession zur Besicherung von Kreditverbindlichkeiten abgetreten. An der Gültigkeit des Titelgeschäfts bestehen nach dem Sachverhalt keine Zweifel; insb waren die von der Zession umfassten Forderungen ausreichend bestimmt3. Da die Abtretung zu Sicherungszwecken erfolgte, ist deren Wirksamkeit analog § 452 von einem Publizitätsakt abhängig4. Diese Voraussetzung wurde dadurch erfüllt, dass die Zession in den Geschäftsbüchern der X-GmbH (=Zedentin) „ordnungsgemäß vermerkt“5 wurde. Die A-Bank hat somit sämtliche gegenwärtigen und künftigen Forderungen aus dem Unternehmensbetrieb der X-GmbH wirksam erworben, wobei freilich der Erwerb der künftigen Forderungen durch deren Entstehen (aufschiebend) bedingt ist. Die nachträgliche Abtretung derselben Forderungen durch die X-GmbH an die B-Bank ist ungültig; denn in diesem Zeitpunkt hatte die X-GmbH kein Recht mehr an den Forderungen und konnte sie daher auch nicht mehr wirksam abtreten. Ein gutgläubiger Forderungserwerb vom Nichtberechtigten ist grundsätzlich ausgeschlossen6. Abgesehen davon war die B-Bank im Zeitpunkt der Zessionsvereinbarung mit der X-GmbH keineswegs gutgläubig. 2 3 4 5 OGH 6
III3/15/17 ff; dort auch zum Folgenden. II3/5/19 und II3/5/53. II3/5/27 und IV3/14/19 ff. Vgl dazu IV3/10/8 mwN; zum Zessionsvermerk bzgl künftiger Forderungen JBl 2002, 182. II3/5/49.
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3. Verwendung der Forderungen zum Nutzen der B-Bank Die X-GmbH (Zedentin) gab allerdings in ihren Abtretungsverständigungen die B-Bank als neue Gläubigerin bekannt. Für die Drittschuldner hatten daher die Zahlungen an die B-Bank schuldbefreiende Wirkung (§ 1395 S 2 per analogiam)7. Dadurch sind die entsprechenden Forderungen der ABank erloschen. Die Verwendung der Forderungen bestand also in deren schuldtilgender Einziehung. Der Nutzen daraus ist der B-Bank zugeflossen. 4. Ergebnis Die der A-Bank zustehenden Forderungen wurden ohne Rechtsgrund zum Nutzen der B-Bank verwendet. Daher hat die B-Bank den daraus erzielten Nutzen in Höhe von € 300.000,– gem § 1041 an die A-Bank herauszugeben. II. Anspruch der A-Bank gegen die B-Bank auf Zahlung von € 300.000,– gem § 1295 ABGB Der Anspruch der A-Bank gegen die B-Bank auf Ersatz des Wertes der gegenständlichen Forderungen könnte auch auf eine rechtswidrige Verletzung dieser Forderungsrechte gestützt werden8. 1. Zur Frage der Rechtswidrigkeit Da Forderungsrechte bloß relative Rechte sind, wird ihnen grundsätzlich kein Schutz gegen eine Beeinträchtigung durch Dritte, also durch Personen, die am Schuldverhältnis nicht beteiligt sind, gewährt. Nur in wenigen Ausnahmefällen wird die Verletzung fremder Forderungsrechte als rechtswidrig beurteilt. Absoluter Schutz wird vor allem der Rechtszuständigkeit zuerkannt. Da das Forderungsrecht nur einer bestimmten Person und sonst niemandem zusteht, darf dieses Recht auch kein anderer für sich in Anspruch nehmen. Der Eingriff in fremde Rechtszuständigkeit macht jedenfalls dann schadenersatzpflichtig, wenn der Schädiger weiß, dass ihm die Forderung nicht zusteht9. Im vorliegenden Fall stand die Rechtszuständigkeit an den fraglichen Forderungen der A-Bank zu (s oben zu I. 1.). Die B-Bank hat dadurch, dass sie diese Forderungen für sich selbst in Anspruch nahm, die Rechtszuständigkeit der A-Bank verletzt. Da auf Seiten der B-Bank die Forderungsberechtigung der A-Bank bekannt war, liegt ein der B-Bank zurechenbares rechtswidriges Verhalten vor. 7 II3/5/50. 8 Allgemein zur Konkurrenz zwischen Verwendungs- und Schadenersatzanspruch Rummel in Rummel3 § 1041 Rz 17. 9 Vgl zum Ganzen II3/1/36 ff und insb Koziol, Die Beeinträchtigung fremder Forderungsrechte (1967) 15 ff, 140 ff; dens, Haftpflichtrecht2 II 40 ff.
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2. Die sonstigen Haftungsvoraussetzungen Die der A-Bank zustehenden Forderungsrechte sind durch die befreienden Leistungen der Drittschuldner an die B-Bank erloschen (s oben zu I. 3.). Bei der Berechnung des Schadens10 der A-Bank ist insb zu berücksichtigen, dass die Forderungsabtretung zur Besicherung von Kreditverbindlichkeiten der X-GmbH gegenüber der A-Bank dienen sollte. Da diese Kreditschulden noch in Höhe von € 500.000,– aushaften, stellt der Verlust von Sicherungsmitteln im Wert von € 300.000,– einen Schaden in entsprechender Höhe dar. Dass dieser Schaden der A-Bank durch das rechtswidrige Verhalten auf Seiten der B-Bank adäquat verursacht11 wurde, ergibt sich bereits aus den bisherigen Ausführungen. Ebenso wurde der Rechtswidrigkeitszusammenhang12 in der Sache schon dadurch bejaht, dass ein rechtswidriger Eingriff in fremde Rechtszuständigkeit angenommen wurde. In der Frage des Verschuldens kann davon ausgegangen werden, dass auf Seiten der B-Bank die Rechtswidrigkeit des Verhaltens bewusst war und die Schädigung der A-Bank zumindest in Kauf genommen wurde (dolus eventualis)13. 3. Ergebnis Der auf Zahlung von € 300.000,– gerichtete Schadenersatzanspruch der A-Bank gegen die B-Bank besteht zu Recht. B. Lösung zur Variante I. Anspruch der A-Bank gegen die B-Bank auf Zahlung von € 300.000,– gem § 1041 ABGB Die Einziehung der fraglichen Forderungen durch die B-Bank könnte – wie oben (zu A. I. 1.) dargelegt wurde – nur dann einen Anspruch der A-Bank nach § 1041 begründen, wenn der A-Bank diese Forderungen zugestanden wären. Mangels eines ausreichenden Publizitätsaktes ist jedoch die Sicherungszession zwischen der X-GmbH und der A-Bank nicht gültig zustande gekommen. Da somit die A-Bank die Forderungsrechte nicht erworben hat, kann ihr schon aus diesem Grund kein Verwendungsanspruch nach § 1041 gegen die B-Bank zustehen. II. Anspruch der A-Bank gegen die B-Bank auf Zahlung von € 300.000,– gem § 1295 ABGB Als Grundlage für einen Schadenersatzanspruch der A-Bank gegen die BBank kommt wieder nur eine rechtswidrige Forderungsverletzung in Betracht. Da aber hier – anders als im Grundfall – der A-Bank die gegen10 11 12 13
III3/13/53. III3/13/10 ff. III3/13/25 ff. III3/13/33.
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ständlichen Forderungen nicht wirksam abgetreten wurden, scheidet ein Eingriff in die Rechtszuständigkeit als Haftungstatbestand von vornherein aus. Die A-Bank hatte allerdings aufgrund des gültigen Zessionsvertrages mit der X-GmbH (Titelgeschäft; s A. I. 2.) einen schuldrechtlichen Anspruch auf Forderungsübertragung, gleichsam eine Forderung auf die Forderungen. Die Erfüllung dieses Anspruchs ist dadurch vereitelt worden, dass die Forderungen durch die B-Bank eingezogen wurden und dadurch erloschen sind (s zu A. I. 3.). Damit hat die B-Bank an der Verletzung des Forderungsrechts der A-Bank zumindest mitgewirkt. Fraglich ist jedoch, ob das diesbezügliche Verhalten als rechtswidrig beurteilt werden kann; denn Forderungsrechten wird – wie bereits gesagt wurde (A. II. 1.) – nur ausnahmsweise Schutz gegen Eingriffe durch Dritte gewährt. Als haftungsbegründender Tatbestand ist neben dem Eingriff in fremde Rechtszuständigkeit nur die wissentliche Verleitung des Schuldners zum Vertragsbruch allgemein anerkannt14. Eine Verleitung in diesem Sinn liegt nach hA nur dann vor, wenn der Dritte gezielt auf den Willen des Schuldners Einfluss nimmt, um ihn zum Vertragsbruch gegenüber seinem Gläubiger zu bewegen. Nach dem vorliegenden Sachverhalt kann allerdings nicht davon ausgegangen werden, dass die Vertreter der X-GmbH von Seiten der B-Bank zum Bruch des mit der A-Bank bestehenden (Zessions-)Vertrages verleitet worden sind. Das Kreditgeschäft mit der B-Bank kam erst auf Drängen der X-GmbH zustande. Daraus kann geschlossen werden, dass auch die für den Vertragsbruch gegenüber der A-Bank unmittelbar ursächlichen Handlungen, nämlich Abschluss des Abtretungsvertrages mit der B-Bank und entsprechende Drittschuldnerverständigung15, von der X-GmbH durchaus „freiwillig“ gesetzt wurden, also ohne dass dafür ein gezieltes Einwirken durch die B-Bank nötig gewesen wäre. Die B-Bank hat den Vertragsbruch der X-GmbH gegenüber der A-Bank bloß ausgenutzt. Ob auch ein solches Verhalten eine Schadenersatzpflicht auslösen kann, ist streitig, mE jedoch im Anschluss an Koziol16 zu verneinen17; dies zum einen schon aus Kausalitätsgründen18. Vor allem würde aber durch eine dermaßen weitgehende Ausdehnung des Forderungs14 II3/1/38 und insb Koziol, Beeinträchtigung 159 ff; ders, Haftpflichtrecht2 II 48 ff. 15 Dass allgemein die Verständigung der Drittschuldner von der (Sicherungs-) Zession in jedem Fall, also auch bei Forderungen buchführungspflichtiger Unternehmer einen ausreichenden Publizitätsakt darstellt, hat der OGH jüngst in der E JBl 2007, 379 unter ausführlicher Auseinandersetzung mit den zu dieser Frage vertretenen unterschiedlichen Auffassungen klargestellt. – Für den im vorliegenden Fall zu prüfenden Schadenersatzanspruch der A-Bank gegen die B-Bank spielt die Frage des wirksamen Forderungserwerbs durch die B-Bank keine Rolle. 16 Beeinträchtigung 77 f und Haftpflichtrecht2 II 49. 17 Gegenteilig freilich OGH JBl 2002, 182; näher dazu Dullinger, ÖBA 2003, 601 ff. 18 Koziol, aaO.
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schutzes die Bewegungsfreiheit im Wirtschaftsverkehr auf unzumutbare Weise beschränkt. Im Ergebnis ist daher mangels eines rechtswidrigen Verhaltens auf Seiten der B-Bank der Schadenersatzanspruch der A-Bank abzulehnen.
Fall 30: „Ganz oder gar nicht“ (S. Dullinger)
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2. Leistungsstörungen Fall 30: „Ganz oder gar nicht“ Sachverhalt1 Rechtsanwalt R kaufte am 31.8. bei der Vega-GmbH ein Standardsoftwarepaket für Anwaltskanzleien. Die Vega-GmbH verpflichtete sich zur Lieferung und Installation der Software sowie zur Einschulung des Kanzleipersonals von R bis zum 20.10. Als Gesamtpreis für diese Leistungen wurden € 22.000,– vereinbart. Da bis zum 20.10. zwar das Programm geliefert und installiert, aber keine Einschulung durchgeführt worden ist, verweigert R die Bezahlung des gesamten Entgelts. Die Vega-GmbH ist hingegen nicht bereit, vor Zahlung des Kaufpreises für das Softwarepaket in Höhe von € 17.000,– mit der Einschulung zu beginnen. Wie ist die Rechtslage? Lösung I. Anspruch der Vega-GmbH gegen R auf Zahlung von € 17.000,– gem § 1062 ABGB Die Vega-GmbH war nach dem mit R geschlossenen Kaufvertrag nicht nur zur Lieferung und Installation der Software, sondern auch zur Einschulung des Kanzleipersonals von R verpflichtet. Die Einschulung ist als Nebenleistung zu qualifizieren, und zwar, weil sie im Entgeltsverhältnis steht, als äquivalente Nebenleistung2. Der Austausch der beiderseitigen Leistungen hat bei Kaufverträgen (wie allgemein bei synallagmatischen Verträgen) – mangels abweichender Vereinbarung – Zug um Zug zu erfolgen (§ 1052 S 1, § 1062)3. Da die Vega-GmbH ihre eigene Leistungspflicht (noch) nicht vollständig erfüllt hat, kann R ihrem Zahlungsanspruch die Einrede des nicht (gehörig) erfüllten Vertrages entgegenhalten und seine Gegenleistung zur Gänze zurückhalten. Der VegaGmbH steht also – zumindest vorerst – auch kein Anspruch auf jenen Teil des Entgelts zu, der ihrer bereits erbrachten Teilleistung entspricht. II. Rechtliche Möglichkeiten des R Da die Vega-GmbH ihre vertragliche Einschulungspflicht nicht fristgemäß erfüllt hat, befindet sie sich in (teilweisem) Leistungsverzug4. Für die 1 Angelehnt an den der E OGH SZ 70/202 (= JBl 1998, 577 mit Anm Staudegger = ecolex 1998, 127 mit Anm Wilhelm) zugrunde liegenden Fall. 2 II3/1/12. 3 II3/2/43 ff. 4 Der OGH (SZ 70/202) geht hingegen von einer mangelhaften Leistung aus und wendet Gewährleistungsrecht an; vgl dazu die berechtigte Kritik von Reischauer in Rummel3 § 923 Rz 11.
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Rechtsfolgen des Verzugs mit einer äquivalenten Nebenleistung ist die Frage der Teilbarkeit der nach dem Vertrag geschuldeten Gesamtleistung maßgebend5. Diese Frage ist nicht nach objektiven Kriterien, sondern nach dem Parteiwillen zu beurteilen6. Im konkreten Fall ist wohl davon auszugehen, dass die gelieferte Software ohne Einschulung des Personals für R weitgehend unbrauchbar und daher ohne Interesse ist. Die insgesamt geschuldete Leistung ist somit als unteilbar anzusehen, und R stehen demnach gem § 918 folgende Alternativen zur Wahl: 1. Rücktritt vom gesamten Vertrag Erklärt R der Vega-GmbH gem § 918 Abs 1 den Rücktritt vom Vertrag, so muss er ihr die Möglichkeit einräumen, die ausstehende Teilleistung innerhalb einer angemessenen Nachfrist noch nachzuholen7. Nach dem Gesetzeswortlaut müsste R die entsprechende Frist „festsetzen“. Die Rsp begnügt sich jedoch mit dem tatsächlichen Gewähren der Nachfrist. Das bedeutet, dass R bei seiner Rücktrittserklärung zu erkennen geben muss, dass er die Einschulungsleistung innerhalb angemessener Frist noch annehmen will. Nach erfolglosem Ablauf der Nachfrist wird der Rücktritt wirksam und der Vertrag aufgelöst. In diesem Fall ist R der Vega-GmbH nach § 14358 zur Rückstellung der erhaltenen Software verpflichtet und hat gem § 921 S 1 iVm §§ 1295 ff Anspruch auf Ersatz seines Nichterfüllungsschadens9; es sei denn, die Vega-GmbH könnte gem § 1298 oder § 1297 nachweisen, dass ihr insofern kein objektiv oder subjektiv sorgfaltswidriges Verhalten zur Last gelegt werden kann10. Wird innerhalb angemessener Nachfrist die Einschulungsleistung von Seiten der Vega-GmbH ordnungsgemäß erbracht, bleibt der Vertrag aufrecht, und R ist zur Zahlung des vereinbarten Entgelts von € 22.000,– verpflichtet. R hat jedoch – bei Vorliegen der entsprechenden Voraussetzungen – Anspruch auf Ersatz eines allfälligen Verspätungsschadens11. Mit diesem Anspruch kann er gegen die Entgeltforderung der Vega-GmbH aufrechnen12. 2. Teilrücktritt Das Recht zum bloßen Teilrücktritt steht R jedenfalls dann zu, wenn die Unteilbarkeit der geschuldeten Leistungen nur in seinem Interesse gelegen ist, wenn also für die Vega-GmbH die gegenseitigen Leistungen analog 5 6 7 8 9 10 11 12
II3/3/29 f. II3/2/11. II3/3/14 ff. III3/15/9. II3/3/22 f. III3/13/34 und III3/13/37. II3/3/21. Allgemein zur Aufrechnung II3/4/23 ff.
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§ 918 Abs 2 teilbar sind 13. Insofern kann wohl davon ausgegangen werden, dass die Vega-GmbH das Softwarepaket auch ohne Einschulung an R verkauft hätte; das nachträglich dafür geforderte Entgelt von € 17.000,– wird dem diesbezüglichen Kaufpreis entsprechen. Da somit die gegenseitigen Leistungen für die Vega-GmbH entsprechend teilbar sind, ist R berechtigt, statt des Gesamtrücktritts den Teilrücktritt zu wählen. Auch in diesem Fall muss er allerdings der Vega-GmbH die Möglichkeit einräumen, die ausstehende Teilleistung innerhalb einer angemessenen Nachfrist noch nachzuholen. Bzgl der weiteren Details gelten die Ausführungen zum Gesamtrücktritt (unter 1.) entsprechend. 3. Bestehen auf Erfüllung Besteht R gem § 918 Abs 1 ABGB auf Erfüllung der Einschulungsleistung und kommt die Vega-GmbH ihrer diesbezüglichen Pflicht nach, so steht ihr grundsätzlich auch das vereinbarte Entgelt in Höhe von € 22.000,– zu. R hat jedoch – bei Misslingen des Entlastungsbeweises nach § 1298 oder § 1297 (s zu 1.) – Anspruch auf Ersatz seines Verspätungsschadens und kann damit gegen die Entgeltforderung der Vega-GmbH aufrechnen. Erbringt die Vega-GmbH die geschuldete Einschulungsleistung nicht, so ist R auch nachträglich noch zum Gesamt- oder Teilrücktritt berechtigt14.
Fall 31: „Der missglückte Autokauf“ Sachverhalt1 K ersucht seinen Freund F, sich beim Autohändler V nach dem neuesten Modell des Audi A6 in hellblau-metallic mit grauem Innenleder zu erkundigen. Nach kurzen Verhandlungen bietet V einen Sonderpreis von € 49.519,– (objektiver Wert des PKW € 51.000,–) und übergibt F ein entsprechend den Farb- und Ausstattungswünschen des K ausgefülltes Vertragsformular. K unterfertigt das ihm von F ausgehändigte Formular mit dem Vermerk, dass sich V wegen allfälliger Rückfragen direkt mit ihm in Verbindung setzen solle, und übermittelt das Schriftstück an V. Kurz darauf erhält K von V eine „Auftragsbestätigung“, die (auch) hinsichtlich Farbe und Innenausstattung seiner Bestellung entspricht. Da V keinen Audi A6 mit der von K gewünschten Ausstattung auf Lager hat, wendet er sich an die L-GmbH. Diese teilt V mit, dass sie einen Audi A6 in dunkelblauer Außenfarbe und beiger Innenausstattung sofort liefern könne. Da V den K nicht erreichen kann, erkundigt er sich bei F, ob für K auch dieses Modell in Frage komme. F erklärt, dass dies schon 13 II3/3/28. 14 II3/3/17. 1 Entspricht im Wesentlichen dem von Univ.-Prof. Dr. Meinhard Lukas verfassten Fall der Diplomprüfung aus Bürgerlichem Recht vom 8. 1. 2007 an der Universität Linz.
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in Ordnung gehe und eine Rücksprache bei K nicht erforderlich sei. V gibt sich damit zufrieden und kauft von der L-GmbH den dunkelblauen Audi A6 mit beiger Innenausstattung um € 48.216,–. In der Folge teilt V dem K schriftlich mit, dass er vom vereinbarten Kaufpreis den Betrag von € 48.216,– direkt an die L-GmbH bezahlen und sich den Wagen dort abholen solle. Eine Kopie dieses Schreibens übermittelt V an die L-GmbH. Als K nach Überweisung der € 48.216,– auf das von V bekannt gegebene Bankkonto der L-GmbH den Audi A6 abholen will, stellt er fest, dass das bereitgestellte Fahrzeug bezüglich Farbe und Innenausstattung nicht seiner Bestellung entspricht. Er lehnt daher die Übernahme des Wagens ab. Weder die L-GmbH noch V sind bereit, einen Audi A6 in der von K gewünschten Farbe und Innenausstattung zu liefern. Wie ist die Rechtslage? Lösung I. Anspruch des K gegen V auf Lieferung eines Audi A6 in hellblaumetallic mit grauem Innenleder gem § 1061 ABGB Voraussetzung für diesen Anspruch ist der Abschluss eines entsprechenden Kaufvertrages zwischen K und V gem § 1054 iVm §§ 861 ff. Nach dem Sachverhalt ist spätestens mit Zugang der sog Auftragsbestätigung des V bei K ein Kaufvertrag zwischen den beiden über einen Audi A6 in hellblaumetallic mit grauem Innenleder zum Preis von € 49.519,– zustande gekommen. F hat dabei nur als Vertragsgehilfe und Empfangsbote des K, aber nicht als Stellvertreter fungiert. Die vertraglichen Willenserklärungen sind von K und V selbst abgegeben worden. K hat durch den im Sachverhalt zitierten Vermerk auf dem Vertragsformular ausdrücklich klargestellt, dass er F keine Vollmacht bzgl des Kaufvertrages über den Audi A6 eingeräumt hat. Daher konnte durch die entsprechende Erklärung des F gegenüber V keine Vertragsänderung hinsichtlich Farbe und Innenausstattung des gekauften Fahrzeugs zustande kommen. Die Zahlung des K an die L-GmbH stellt auch keine nachträgliche Genehmigung (§ 1016) der Vertragsänderung dar; dies vor allem deshalb, weil diese Zahlung nicht an den Vertragspartner V, sondern an die L-GmbH erfolgt ist. Eine Genehmigung iSd § 1016 kann hingegen allgemein nur dann angenommen werden, wenn die entsprechende (ausdrückliche oder konkludente) Willenserklärung gegenüber dem falsus procurator oder dem Geschäftspartner abgegeben wird2. Abgesehen davon konnte man im vorliegenden Fall die Zahlung des K auch deshalb nicht als Genehmigung der Vertragsänderung verstehen, weil nicht angenommen werden durfte, dass K im Zeitpunkt der Zahlung bereits Kenntnis vom diesbezüglichen Gespräch zwischen F und V hatte. 2 I4/9/66 f.
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Insgesamt ist also festzuhalten, dass der Kaufvertrag zwischen V und K mit dem ursprünglich vereinbarten Inhalt aufrecht ist. Da K die nach diesem Vertrag geschuldete Leistung noch nicht erhalten hat, ist sein Anspruch gem § 1061 aufrecht. V muss diesen Anspruch aber nur Zug um Zug gegen Zahlung des noch offenen Kaufpreises iHv € 1.303,– erfüllen. II. Anspruch des K gegen V auf Rückzahlung von € 48.216,– gem § 921 iVm § 1435 ABGB Die Leistungskondiktion des K gegen V gem § 1435 setzt voraus, dass in diesem Verhältnis eine entsprechende Leistung erfolgt ist und der Rechtsgrund für diese Vermögensverschiebung nachträglich beseitigt werden kann3. Insofern stellt sich zunächst die Frage, ob die Überweisung der € 48.216,– auf das Bankkonto der L-GmbH als Leistung des K an V beurteilt werden kann4. 1. Leistung an V K zahlte den besagten Geldbetrag (via Banküberweisung) deshalb an die L-GmbH, weil ihn V dazu aufgefordert hatte. Dabei handelte es sich um eine Anweisung iSd §§ 1400 ff5 (näher dazu unter IV.). Da K dem V die entsprechende Leistung aufgrund des in diesem Verhältnis (Deckungsverhältnis) bestehenden Kaufvertrages schuldete, war er gem § 1401 Abs 1 verpflichtet, die Anweisung zu befolgen (Anweisung auf Schuld)6. Durch die Zahlung an die L-GmbH wollte K im entsprechenden Umfang seine Kaufpreisschuld gegenüber V erfüllen, was auch der L-GmbH klar sein musste. Diese Zahlung ist daher rechtlich als Leistung an V zu beurteilen7. 2. Beseitigung des Leistungsgrundes Da der für K bereitgestellte Audi A6 bzgl Farbe und Innenausstattung nicht dem vereinbarten Schuldinhalt entsprach, brauchte K diese Leistung nicht anzunehmen und kann die Rechtsbehelfe des Schuldnerverzugs geltend machen8. Dass die geschuldete Leistung unmöglich ist, kann ausgeschlossen werden, weil es sich um eine Gattungsschuld handelt. Gem § 918 Abs 1 kann K entweder auf Erfüllung seines Anspruchs bestehen (dazu I.) oder vom Vertrag zurücktreten. Die Setzung bzw Gewährung einer angemessenen Nachfrist ist im vorliegenden Fall verzichtbar, da V von vornherein die Lieferung eines vertragsgemäßen Audi A6 verweigert9. 3 4 5 6 7 8 9
III3/15/9. III3/15/4. II3/5/61 ff. II3/5/65. III3/15/42. II3/3/7 ff. II3/3/14.
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3. Ergebnis Macht K von seinem Rücktrittsrecht nach § 918 Abs 1 Gebrauch, wird der Vertrag aufgelöst. Damit wird der Rechtsgrund für die Kaufpreiszahlung in Höhe von € 48.216,– beseitigt, und K kann diesen Betrag gem § 921 iVm § 1435 von V zurückfordern. III. Anspruch des K gegen V auf Schadenersatz gem § 921 iVm §§ 1295 ff ABGB Wird der Kaufvertrag zwischen V und K durch Rücktritt nach § 918 Abs 1 aufgelöst und hat V seinen Leistungsverzug verschuldet (subjektiver Verzug), so hat K Anspruch auf Ersatz seines Nichterfüllungsschadens; er ist also vermögensmäßig so zu stellen, wie er stünde, wenn ordnungsgemäß erfüllt worden wäre10. 1. Schaden Nach dem Sachverhalt beträgt der objektive Wert des geschuldeten Audi A6 € 51.000,–, der dafür vereinbarte Kaufpreis hingegen nur € 49.519,–. Die Differenz von € 1.481,– kann K als Nichterfüllungsschaden geltend machen (Differenzanspruch)11. 2. Rechtswidrigkeit V hat seine Leistungspflicht aus dem Kaufvertrag mit K nicht vereinbarungsgemäß erfüllt. Die objektive Sorgfaltswidrigkeit12 seines Verhaltens ergibt sich insb aus der Verweigerung einer obligationsgemäßen Leistung. 3. Kausalität, Rechtswidrigkeitszusammenhang und Adäquanz Durch die Nichterfüllung seiner Vertragspflicht hat V den unter 1. dargelegten Schaden des K verursacht. Dieser Schaden ist auch vom Rechtswidrigkeitszusammenhang13 umfasst und entstand nicht durch einen atypischen Kausalverlauf14. 4. Verschulden Die subjektive Vorwerfbarkeit des objektiv sorgfaltswidrigen Verhaltens wird gem § 1397 vermutet15. Der Sachverhalt bietet keine Anhaltspunkte für eine diesbezügliche Entlastungsmöglichkeit des V. 10 11 12 13 14 15
II3/3/22. II3/3/22. III3/13/15. III3/13/25 ff. III3/13/11. III3/13/34.
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5. Ergebnis Der Anspruch des K gegen V auf Ersatz seines Nichterfüllungsschadens iHv € 1.481,– besteht gem § 921 iVm §§ 1295 ff zu Recht. IV. Anspruch des K gegen die L-GmbH auf Lieferung eines Audi A6 in hellblau-metallic mit grauem Innenleder Nach dem Sachverhalt hat V dem K schriftlich mitgeteilt, dass er vom vereinbarten Kaufpreis den Betrag von € 48.216,– direkt an die L-GmbH bezahlen und sich den Wagen dort abholen solle. Damit hat V zwei Anweisungen iSd §§ 1400 ff16 erklärt: Einerseits sollte K € 48.216,– an die L-GmbH zahlen und andererseits sollte die L-GmbH den Audi A6 an K leisten. Da V diese Erklärung sowohl an K als auch an die L-GmbH übermittelt hat, ist das Erfordernis der doppelten Ermächtigung gem § 140017 erfüllt. In beiden Fällen handelt es sich um eine Anweisung auf Schuld gem § 1400 Abs 118; denn V hatte gegen K im Deckungsverhältnis einen Anspruch auf Kaufpreiszahlung und gegen die L-GmbH im Valutaverhältnis eine Forderung auf Leistung des Audi A6. Eine Annahme der Anweisung iSd §§ 1400 S 2, 140219 hat weder K noch die L-GmbH erklärt. Daher entstanden im Einlösungsverhältnis keine Forderungen zwischen K und der L-GmbH. Schon aus diesem Grund hat K gegen die L-GmbH keinen Leistungsanspruch. V. Anspruch des K gegen die L-GmbH auf Rückzahlung von € 48.216,– gem § 1041 ABGB Wie oben (zu II.) dargelegt wurde, ist die Überweisung der € 48.216,– auf das Bankkonto der L-GmbH durch K rechtlich als Leistung an V zu beurteilen. Daher kommt im Verhältnis zwischen K und L-GmbH keine Leistungskondiktion, sondern allenfalls ein Verwendungsanspruch gem § 1041 in Betracht. Die Kondiktion nach § 1041 setzt voraus, dass eine Sache des K (in concreto dessen Geld) ohne Rechtsgrund zum Nutzen der L-GmbH verwendet worden ist20. Der Anspruch steht daher nicht zu, wenn die LGmbH derivativ oder gem § 367 Eigentum an der Sache erworben hat21; bei Banküberweisung ist insofern in gleicher Weise zu entscheiden, als wäre Bargeld gezahlt worden. Die Überweisung der € 48.216,– von K an die L-GmbH erfolgte aufgrund einer gültigen Titelkette in Deckungs- und Valutaverhältnis. Der Rücktritt des K vom Kaufvertrag mit V gem § 918 hat das Deckungsverhältnis nachträg16 17 18 19 20 21
II3/5/61 ff. II3/5/63. II3/5/65. II3/5/70 f. III3/15/16. III3/15/19.
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lich, aber ohne dingliche ex-tunc-Wirkung22 beseitigt und ist daher ohne Einfluss auf den Erwerb der L-GmbH. K kann daher den Zahlungsbetrag nur von V (dazu II.), aber nicht von der L-GmbH zurückfordern. VI. Anspruch des V gegen die L-GmbH auf Lieferung des Audi A6 gem § 1061 ABGB Nach dem Sachverhalt ist zwischen V und der L-GmbH ein Kaufvertrag über den dunkelblauen Audi A6 mit beiger Innenausstattung zum Preis von € 48.216,– zustande gekommen. Durch die Zahlung des K an die L-GmbH (Einlösungsverhältnis) wurde die Kaufpreisschuld des V getilgt. Die LGmbH hat jedoch, da K den Wagen nicht übernommen hat, ihre Leistungspflicht noch nicht erfüllt. Daher besteht der Anspruch des V auf Lieferung des Audi A6 gem § 1061 zu Recht. VII. Anspruch des V gegen F auf Schadenersatz gem § 1019 ABGB F hat nach Abschluss des Kaufvertrages zwischen K und V der von V angebotenen Vertragsänderung (bzgl Farbe und Innenausstattung des Audi A6) zugestimmt. Dass er keine entsprechende Vollmacht von K hatte, musste F nach dem Sachverhalt bekannt sein. Daher ist sein Verhalten als rechtswidrig und schuldhaft zu beurteilen. Gem § 101923 ist F dem V zum Ersatz des Schadens verpflichtet, den dieser im Vertrauen auf die Vertretungsmacht erlitten hat. Ob bei V ein solcher Vertrauensschaden – insb durch den Kauf des Audi A6 von der L-GmbH – entstanden ist, geht aus dem Sachverhalt nicht hervor. Bei einem allfälligen Ersatzanspruch des V wäre jedenfalls dessen Mitverschulden zu berücksichtigen. Da K auf dem Bestellformular ausdrücklich vermerkt hatte, dass sich V wegen allfälliger Rückfragen bzgl des Autokaufs direkt mit ihm in Verbindung setzen solle, durfte V auf die Vertretungsbefugnis des F nicht vertrauen. Dieses Mitverschulden des V führt gem § 1304 zu einer entsprechenden Minderung des Schadenersatzanspruchs24 gegen K.
Fall 32: „Wohnwand unter Wasser“ Sachverhalt1 Der Möbelhändler K kauft beim Hersteller V eine Wohnwand „Nizza“ zum Preis von € 5.700,–. Als die Wohnwand vereinbarungsgemäß in der 22 II3/3/18. 23 § 1019 ABGB ersetzt die durch das HaRÄG (BGBl I 2005/120) aufgehobene Bestimmung des Art 8 Nr 11 EVHGB; in Kraft seit 1. 1. 2007; vgl I4/9/68 f. 24 Da in § 1019 ABGB – anders als in Art 8 Nr 11 Abs 3 EVHGB – für den Mitverschuldensfall keine Kulpakompensation vorgesehen ist, kommt § 1304 ABGB zur Anwendung; vgl EBzRV 1058 BlgNr 22. GP 82; s auch I4/9/68. 1 Angelehnt an den der E OGH SZ 54/90 zugrunde liegenden Fall.
Fall 32: „Wohnwand unter Wasser“ (S. Dullinger)
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15. Kalenderwoche geliefert wird, verweigert K die Annahme mit der Begründung, dass sein Lager überfüllt sei. Kurz darauf erhält K von V die Verständigung, dass die Wohnwand bei der mit der Auslieferung betrauten internationalen Spedition S eingelagert worden ist. Als K sechs Wochen später von S die Zustellung der Wohnwand verlangt, wird ihm mitgeteilt, dass das Möbelstück in Folge eines Wasserrohrbruchs völlig zerstört worden sei. Der Rohrbruch in den Lagerräumen der S war weder vorhersehbar, noch waren die dadurch verursachten Schäden vermeidbar. K fordert von V die Lieferung einer neuen Wohnwand „Nizza“. V verweigert hingegen jegliche Leistung und verlangt seinerseits die Bezahlung des Kaufpreises von € 5.700,–. – Zu Recht? Lösung I. Anspruch des K gegen V auf Lieferung einer (neuen) Wohnwand „Nizza“ gem § 1061 ABGB Ob V durch den Untergang der bei S eingelagerten Wohnwand von seiner Leistungspflicht befreit worden ist, hängt zunächst vom konkreten Schuldinhalt ab. Bei der von V zu leistenden Wohnwand handelt es sich offenbar um ein Serienprodukt, das auch im Vertrag nicht nach individuellen, sondern nur nach generellen Merkmalen bestimmt worden ist. Es liegt daher keine Spezies-, sondern eine (beschränkte) Gattungsschuld vor2. Im allgemeinen wird zwar der Erfüllungsanspruch des Käufers durch den Untergang einzelner Sachen aus der geschuldeten Gattung nicht berührt; hat allerdings der Verkäufer bei Fälligkeit das für den Käufer bestimmte Stück abgesondert und diesem angeboten (Konzentration), so führt der zufällige Untergang (wie bei der Speziesschuld) zur Aufhebung der Leistungspflicht. Im vorliegenden Fall hat K die von V vertragsgemäß gelieferte Wohnwand nicht angenommen und ist dadurch in Gläubigerverzug3 geraten. Gem § 1419 hat K die „widrigen Folgen“ seines Verzugs, also insb die Gefahr des zufälligen Untergangs des Leistungsgegenstandes zu tragen4. Dass die für K bestimmte und abgesonderte Wohnwand während des Annahmeverzugs durch Zufall untergegangen ist, geht aus dem Sachverhalt zweifelsfrei hervor. Da der insofern ursächliche Wasserrohrbruch in den Lagerräumen der S nicht vorhersehbar war und die dadurch entstandenen Schäden auch nicht vermeidbar waren, kann keinem der Beteiligten ein diesbezügliches Verschulden zur Last gelegt werden. Abgesehen davon, handelt es sich bei dem von V und K geschlossenen Geschäft um einen Warenkauf zwischen Unternehmern, auf den § 373 2 II3/2/13 ff. 3 II3/3/34 ff. 4 II3/3/38 ff; dort auch zur umstrittenen Frage einer weitergehenden Gefahrtragung des Gläubigers während seines Annahmeverzugs.
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Zweiter Teil: Fälle zum Schuldrecht Allgemeiner Teil
UGB5 anzuwenden ist. Nach Abs 1 dieser Bestimmung kann der Verkäufer bei Annahmeverzug des Käufers „die Ware auf Gefahr und Kosten des Käufers in einem öffentlichen Lagerhaus oder sonst in sicherer Weise hinterlegen“. Dass die Einlagerung bei einer internationalen Spedition als Verwahrung „in sicherer Weise“ gilt, entspricht hA6. Da diese Verwahrung auf Gefahr des K erfolgt, hätte dieser selbst das Risiko eines vom Verwahrer verschuldeten Untergangs des Leistungsgegenstandes zu tragen7. Als Ergebnis ist somit festzuhalten, dass V durch den Untergang der bei S eingelagerten Wohnwand während des Annahmeverzugs des K von seiner diesbezüglichen Leistungspflicht befreit worden ist. Der Anspruch des K gegen V auf Lieferung einer neuen Wohnwand „Nizza“ besteht daher nicht zu Recht. II. Anspruch des V gegen K auf Bezahlung von € 5.700,– gem § 1062 ABGB K hat als „widrige Folge“ seines Annahmeverzugs (§ 1419) vor allem auch die Preisgefahr zu tragen8. Seine Pflicht zur Entgeltleistung bleibt also aufrecht, obwohl er selbst wegen des zufälligen Untergangs der Wohnwand während seines Annahmeverzugs von V keine Leistung mehr fordern kann. Der Anspruch des V gegen K auf Bezahlung des Kaufpreises in Höhe von € 5.700,– besteht somit gem § 1062 zu Recht.
Fall 33: „Tücken der Technik“ Sachverhalt1 K kaufte von V einen Heißgetränkeautomaten, der am 8. 5. 2005 geliefert und in ihrem Unternehmen aufgestellt wurde. Als das Gerät tags darauf in Betrieb genommen wurde, zeigte sich, dass es nicht ordnungsgemäß funktionierte. Die Belegschaft der K beschwerte sich vor allem über Störungen bei der Abgabe der Becher und über Fehler bei der Pulverund Wasserdosierung. K wandte sich umgehend an V und verlangte die Behebung der geschilderten Funktionsstörungen. Am 22. 8. 2005 schickte V einen Techniker, der feststellte, dass zwei Schalter nicht richtig eingestellt waren, und diese Fehler korrigierte. Kurze Zeit später langte bei V erneut eine Beschwerde der K ein, worin die weitgehende Erfolglosigkeit der durchgeführten Reparatur beanstan5 In Kraft seit 1. 1. 2007; die Regelung entspricht – soweit sie im vorliegenden Fall einschlägig ist – der Vorgängerbestimmung in § 373 HGB. 6 Kerschner in Jabornegg, HGB § 373 Rz 20 mwN. 7 Kerschner, aaO Rz 22 mwN. 8 II3/3/39. 1 Angelehnt an den der E OGH SZ 39/34 zugrunde liegenden Fall.
Fall 33: „Tücken der Technik“ (S. Dullinger)
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det wurde. Daraufhin wurde am 15. 11. 2005 das Gerät vom Servicedienst der V überprüft und in Ordnung befunden. Als Ursache für die Störungen wurden Fehler bei der Befüllung durch die Mitarbeiter der K angegeben. Diese Diagnose erwies sich jedoch in der Folge als unrichtig. Obwohl die Angestellten von K die Bedienungsanleitung für den Automaten genau befolgten, waren die produzierten Getränke weiterhin ungenießbar. Die wiederholten Beschwerden der K blieben allerdings erfolglos. Von Seiten der V wurde zwar eine nochmalige Überprüfung des Geräts mehrmals zugesagt, aber nicht durchgeführt. Daher verlangt K schließlich mit Klage vom 22. 5. 2007 den bezahlten Kaufpreis zurück. – Zu Recht? Ein Sachverständiger stellte nachträglich fest, dass die Funktionsstörungen des Getränkeautomaten auf mehrere fehlerhafte Einstellungen zurückzuführen waren, die für einen einschlägigen Fachmann relativ leicht erkennbar und auch behebbar gewesen wären. Lösung Anspruch der K gegen V auf Rückzahlung des Kaufpreises gem § 1435 iVm § 932 ABGB Die Leistungskondiktion der K gegen V nach § 1435 setzt voraus, dass der Rechtsgrund für die Kaufpreiszahlung beseitigt werden kann2, dass also K ein Recht zur Auflösung des bestehenden Kaufvertrages zusteht. Insofern könnte ein Wandlungsrecht gem § 932 Abs 4 in Betracht kommen. 1. Wandlungsrecht der K nach § 932 Abs 4 ABGB a) Mangel im Zeitpunkt der Übergabe Jedes Gewährleistungsrecht setzt grundsätzlich das Vorliegen eines Mangels im Zeitpunkt der Übergabe voraus (§§ 922, 924)3. Ob die erbrachte Leistung mangelhaft ist, wird nach dem konkreten Vertrag bestimmt4. Das Fehlen von „gewöhnlich vorausgesetzten Eigenschaften“ begründet, wenn keine abweichende Vereinbarung besteht, einen Mangel. Daher stellen die Funktionsstörungen des Getränkeautomaten einen Sachmangel dar. Dass der Mangel bereits bei Übergabe vorhanden war, wird gem § 924 S 2 „bis zum Beweis des Gegenteils vermutet, wenn der Mangel innerhalb von sechs Monaten nach der Übergabe hervorkommt“. Im vorliegenden Fall ergibt sich schon aus der Art des Mangels, dass er bereits im Zeitpunkt der Übergabe bestanden hat; denn die Funktionsstörungen traten bereits kurz nach Inbetriebnahme des Automaten auf und beruhten auf – offenbar von Anfang an – fehlerhaften Einstellungen. 2 III3/15/9. 3 II3/3/66 ff und II3/3/82 ff. 4 II3/3/72.
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b) Vorrang der Verbesserung Welches Gewährleistungsrecht zusteht, richtet sich gem § 932 Abs 2 iVm Abs 4 vor allem danach, ob der Mangel ohne unverhältnismäßigen Aufwand – allenfalls auch durch Austausch – behebbar ist. Bei behebbaren Mängeln kann grundsätzlich nur Verbesserung oder Austausch der Sache verlangt werden; es sei denn, diese Abhilfe wäre „für den Übernehmer mit erheblichen Unannehmlichkeiten verbunden oder ... ihm aus triftigen, in der Person des Übergebers liegenden Gründen unzumutbar“ (§ 932 Abs 4 S 2)5. Zwischen Verbesserung und Austausch steht dem Übernehmer nach § 932 Abs 2 grundsätzlich das Wahlrecht zu; dies gilt allerdings nicht, wenn eine der beiden Abhilfen unmöglich ist oder im Vergleich zur anderen Abhilfe für den Übergeber mit einem unverhältnismäßigen Aufwand verbunden wäre6. Im vorliegenden Fall wären nach Auskunft des Sachverständigen die Funktionsstörungen des Getränkeautomaten von einem einschlägigen Fachmann relativ leicht zu beseitigen gewesen. Daher konnte K von V gem § 932 Abs 2 zunächst nur die Behebung der Mängel fordern. Ob ihr insofern nur der – geltend gemachte – Verbesserungsanspruch zustand oder ob sie statt dessen auch den Austausch des defekten Geräts verlangen hätte können, ist zweifelhaft; denn angesichts der relativ leicht durchführbaren Verbesserung könnte der für V mit dem Austausch verbundene Aufwand als unverhältnismäßig iSd § 932 Abs 2 anzusehen sein. K hat von V umgehend die Behebung des Mangels verlangt und hat dadurch zugleich ihre Rügeobliegenheit (§ 377 UGB)7 erfüllt. Durch den von Seiten der V vorgenommenen Verbesserungsversuch wurden die Funktionsstörungen nicht (vollständig) beseitigt, was von K erneut ordnungsgemäß gerügt wurde. Da V in angemessener Frist (und auch in weiterer Folge) ihre Pflicht zur Mangelbehebung nicht erfüllt hat, ist Verbesserungsverzug eingetreten. c) Die sekundären Gewährleistungsbehelfe Aufgrund des Verbesserungsverzugs der V ist K gem § 932 Abs 4 grundsätzlich berechtigt, Preisminderung oder Wandlung zu begehren8. Das Wandlungsrecht steht K allerdings nur dann zu, wenn „es sich nicht um einen geringfügigen Mangel handelt“ (§ 932 Abs 4 S 1). Der Begriff des geringfügigen Mangels ist im Gesetz nicht definiert, in den Mat9 nur vage umschrieben und wirft daher erhebliche Abgrenzungsprobleme auf. Grundsätzlich ist darauf abzustellen, ob aufgrund des Mangels der – übliche oder besonders vereinbarte – Verwendungszweck der Leistung mehr als nur geringfügig beeinträchtigt ist10. 5 6 7 8 9 10
II3/3/86 ff. II3/3/91. II3/3/139. II3/3/100. RV 422 BlgNR 21. GP 19. II3/3/105.
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Im vorliegenden Fall führte der Mangel des Getränkeautomaten dazu, dass die produzierten Getränke ungenießbar waren. Da das Gerät somit für den ordentlichen Gebrauch untauglich war, kann der entsprechende Mangel nicht als geringfügig angesehen werden. Daran ändert auch der Umstand nichts, dass der Mangel von einem einschlägigen Fachmann relativ leicht zu beseitigen gewesen wäre. Von einem Teil der Lehre wird zwar die Meinung vertreten, dass leicht behebbare Mängel selbst dann als geringfügig anzusehen sind, wenn sie den ordentlichen Gebrauch der Sache verhindern11. Dieser Ansicht kann jedoch mE jedenfalls in all jenen Fällen nicht gefolgt werden, in denen der Übergeber zur Verbesserung aufgefordert wurde, den Mangel aber – trotz leichter Behebbarkeit (!) – binnen angemessener Frist nicht behoben hat. Selbst wenn man der geschilderten Auffassung zustimmen würde, wäre im konkreten Fall die leichte Behebbarkeit des Mangels zumindest zweifelhaft; denn daraus, dass die Funktionsstörung des Getränkeautomaten für einen einschlägigen Fachmann relativ leicht zu beseitigen wäre, kann nicht ohne weiteres auf die leichte Behebbarkeit auch für die Übernehmerin K geschlossen werden. Insofern wäre zumindest zu fordern, dass ein geeigneter Reparateur problemlos auffindbar und zur Mangelbehebung innerhalb angemessener Frist auch bereit wäre. Außerdem dürften die Reparaturkosten den Minderungsbetrag keinesfalls übersteigen.
In Wahrheit kann aber – wie gesagt – die leichte Behebbarkeit des Mangels dessen Geringfügigkeit nicht begründen. Ist die gelieferte Sache – wie im vorliegenden Fall – für den ordentlichen Gebrauch untauglich, steht der Übernehmerin nach Verbesserungsverzug der Übergeberin das Wandlungsrecht grundsätzlich zu. 2. Klagefrist Da der Getränkeautomat eine bewegliche Sache ist, beträgt die Frist für die klagsweise Geltendmachung eines diesbezüglichen Gewährleistungsrechts nach § 933 Abs 1 S 1 zwei Jahre. Diese Frist läuft bei Sachmängeln gem § 933 Abs 1 S 2 grundsätzlich ab dem Zeitpunkt der „Ablieferung der Sache“. Dabei ist im vorliegenden Fall allerdings zu beachten, dass der am 22. 8. 2005 von Seiten der V durchgeführte Verbesserungsversuch ein konkludentes Anerkenntnis des Mangels darstellt, das zur Unterbrechung der (seit 8. 5. 2005) laufenden Gewährleistungsfrist geführt hat. Durch die Beendigung der (weitgehend erfolglosen) Verbesserungsarbeiten ist gleichsam eine neuerliche „Ablieferung“ erfolgt, wodurch eine neue Zwei-Jahres-Frist zu laufen begonnen hat12. Diese Frist war bei Einbringung der Klage am 22. 5. 2007 noch nicht abgelaufen.
11 So Bollenberger, RdW 2002, 715; Kletecˇ ka, RdW 2003, 616; P. Bydlinski, JBl 2005, 688; gegenteilig B. Jud, Schadenersatz bei mangelhafter Leistung (2003) 299 f; ebenso wohl Reischauer, JBl 2002, 142; vgl auch II3/3/105. 12 II3/3/123.
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3. Ergebnis Das Begehren der K gegen V auf Aufhebung des bestehenden Kaufvertrages ist aufgrund des Verbesserungsverzuges der V gem § 932 Abs 4 berechtigt und wurde fristgemäß gerichtlich geltend gemacht (§ 933 Abs 1). Nach Auflösung des Vertrages sind die erbrachten Leistungen gem § 1435 zurückzustellen. K kann allerdings – bei entsprechendem Einwand durch V – die Rückzahlung des Kaufpreises nur Zug um Zug gegen Rückgabe des Getränkeautomaten fordern13.
Fall 34: „Die defekte Benzinleitung“ Sachverhalt K erwarb vom Autohändler V einen Gebrauchtwagen um € 10.000,–. Laut Kaufvertrag fiel das Fahrzeug in die „Bewertungsklasse 3: genügend fahrbereit“. Bereits zwei Wochen nach Übergabe konnte K das Auto nicht mehr starten. Ursache dafür waren Rissbildungen wegen Brüchigkeit des Schlauchmaterials im Bereich der Benzinpumpe und der damit verbundene Druckverlust. K ließ die Benzinleitung von einem befreundeten Mechaniker austauschen, der ihm für Ersatzteile und Einbau angemessene € 495,– verrechnete. K verlangt von V den Ersatz dieser Kosten. – Zu Recht? Lösung Anspruch des K gegen V auf Ersatz seiner Reparaturkosten iHv € 495,– 1. Anspruchsgrundlage Der Kostenersatzanspruch des K gegen V könnte auf § 1042 oder auf § 933a iVm §§ 1295 ff gestützt werden. Als weitere Anspruchsgrundlage kommt eine Leistungskondiktion (§ 1435) nach Preisminderung (§ 932 Abs 4) in Betracht, wodurch K ebenfalls zumindest für einen Teil der aufgewendeten Reparaturkosten Ersatz erlangen könnte. Beide bereicherungsrechtlichen Ansprüche (§ 1042 und § 1435) setzen voraus, dass K gegen V ein Gewährleistungsrecht zusteht; daher wird zunächst diese Frage geprüft. 2. Gewährleistungsrecht des K gegen V a) Mangel im Zeitpunkt der Übergabe (§§ 922, 924) Ob die vom Übergeber an den Übernehmer erbrachte Leistung mangelhaft ist, wird gem § 922 Abs 1 nach dem konkreten Vertrag bestimmt1. Danach schuldete V dem K ein Auto, das „genügend fahrbereit“ ist. Ein PKW, des13 III3/15/36. 1 II3/3/72.
Fall 34: „Die defekte Benzinleitung“ (S. Dullinger)
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sen Benzinleitung derart brüchig und rissig ist, dass bereits zwei Wochen nach Übergabe nicht einmal mehr Startmöglichkeit besteht, ist nicht fahrbereit und somit mangelhaft iSd § 922 Abs 1. Da dieser Mangel bereits zwei Wochen nach Übergabe zur Fahruntauglichkeit des Autos führte, kann davon ausgegangen werden, dass er schon im Zeitpunkt der Übergabe zumindest latent vorhanden war. Jedenfalls kann V der Gegenbeweis nach § 9242 nicht gelingen. b) Vorrang der Verbesserung Welches Gewährleistungsrecht zusteht, richtet sich gem § 932 Abs 2 iVm Abs 4 vor allem danach, ob der Mangel ohne unverhältnismäßigen Aufwand (allenfalls auch durch Austausch) behebbar ist. Im vorliegenden Fall hat der befreundete Mechaniker des K die defekte Benzinleitung repariert. Der Mangel war also behebbar; dies offenbar ohne unverhältnismäßigen Aufwand 3 und ohne erhebliche Unannehmlichkeiten4 für K iSd § 932 Abs 4 S 2. Nach dem Sachverhalt ist auch nicht anzunehmen, dass für K die Mangelbehebung durch V aus triftigen in dessen Person gelegenen Gründen unzumutbar war5. Demnach stand K gegen V gem § 932 Abs 2 iVm Abs 4 nur der Anspruch auf Verbesserung zu. 3. Anspruch des K gegen V auf Rückzahlung eines Teils des Kaufpreises gem § 1435 iVm § 932 Abs 4 ABGB Aus den eben (unter 1.) dargelegten Gründen hatte K gegen V wegen der mangelhaften Leistung nur einen Verbesserungsanspruch, aber weder ein Wandlungs- noch ein Preisminderungsrecht. Der Anspruch auf Rückzahlung eines Teils des Kaufpreises nach Preisminderung gem § 1435 iVm § 932 Abs 4 ist daher abzulehnen. 4. Anspruch des K gegen V auf Ersatz der Verbesserungskosten gem § 1042 ABGB Ob der gewährleistungsberechtigte Übernehmer das Primat der Verbesserung gem § 932 Abs 2 iVm Abs 4 dadurch umgehen kann, dass er den Mangel von einem Dritten beheben lässt und für die aufgewendeten Kosten vom Übergeber Ersatz gem § 1042 verlangt, ist in der Lehre streitig. Soweit ein solcher Aufwandersatzanspruch bejaht wird, soll er jedenfalls der Höhe nach mit dem Betrag der beim Übergeber aufgrund der Fremdverbesserung eingetretenen Ersparnis begrenzt sein. Zum Teil wird zur Begründung dieses Ersatzanspruchs auch der Grundgedanke des § 1168 ins Treffen geführt. In Wahrheit steht jedoch die gesetzliche Wertung des § 932 nach der Intention des Gesetzgebers einer bereicherungsrechtlichen Abgeltung der 2 3 4 5
II3/3/82 f. II3/3/99. II3/3/102. II3/3/103.
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Zweiter Teil: Fälle zum Schuldrecht Allgemeiner Teil
Eigenersparnis des Übergebers entgegen. Daher kommt mE ein Anspruch des Übernehmers auf Ersatz seines Aufwandes für Selbst- oder Fremdverbesserung nach § 1042 allenfalls als Sekundärbehelf, insb bei Verbesserungsverzug oder -verweigerung des Übergebers in Betracht6. Im konkreten Fall ist demnach der auf § 1042 gestützte Anspruch des K gegen V auf Ersatz der Verbesserungskosten abzulehnen. 5. Anspruch des K gegen V auf Ersatz seiner Verbesserungskosten gem § 933a iVm §§ 1295 ff ABGB § 933a Abs 2 normiert den Vorrang der Mangelbehebung durch den Übergeber auch im Rahmen eines allfälligen Anspruchs auf Ersatz des Mangelschadens7. Daher kann K sein Begehren auf Ersatz seiner Verbesserungskosten auch nicht auf § 933a iVm §§ 1295 ff stützen.
6 II3/3/96; dort auch Nachweise zu abweichenden Lehrmeinungen. 7 II3/3/151.
Fall 35: „Abtretung, Aufrechnung und andere Kalamitäten“ (S. Dullinger)
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3. Änderungen im Schuldverhältnis Fall 35: „Abtretung, Aufrechnung und andere Kalamitäten“ Sachverhalt Die Fa UBM lieferte der Vau-GmbH im Frühjahr 2006 Personal-Computer um insgesamt € 110.000,–, zahlbar bis Ende September 2006. Dem Rechtsgeschäft lagen die Lieferbedingungen der Fa UBM zugrunde, die unter anderem folgende Bestimmungen enthalten: „Zur Sicherung der Ansprüche des Lieferanten tritt der Besteller diesem schon jetzt alle aus einer Weiterveräußerung der gelieferten Waren entstehenden Forderungen gegen seine Käufer ab. Zu anderen Verfügungen über die an den Lieferanten abgetretenen Forderungen ist der Besteller nicht befugt.“ Im Juni 2006 verkaufte die Vau-GmbH Personal-Computer um € 50.000,– an die Kern-AG, zahlbar bis Anfang Dezember 2006. Da im Unternehmen der Vau-GmbH die dem Geschäft mit der Fa UBM zugrundeliegenden Lieferbedingungen nicht bis zur Buchhaltung vorgedrungen waren, wurden bzgl der zitierten Abtretungsbestimmungen keine Vorkehrungen getroffen. Daher erfolgte auch keine Verständigung der KernAG über eine Abtretung der gegen sie gerichteten Entgeltforderung an die Fa UBM. Vielmehr trat die Vau-GmbH am 5. 8. 2006 ihre Zahlungsforderung gegen die Kern-AG im Rahmen eines Factoring-Geschäfts an Fox ab. Dieser verständigte die Kern-AG von der Abtretung. Im September 2006 wurde die Vau-GmbH zur Zahlung von € 30.000,– Schadenersatz an die Kern-AG verurteilt. Die Schuld entstand aufgrund mangelhafter Wartungsarbeiten an einigen Spezialcomputern der KernAG im März 2005. Die Klage hatte die Kern-AG im Jänner 2006 eingebracht. Anfang Dezember 2006 erteilte die Kern-AG der X-Bank den Auftrag, zu Lasten ihres Girokontos € 20.000,– an Fox zu überweisen. Dem Fox teilte die Kern-AG schriftlich mit, dass die Restforderung in Höhe von € 30.000,– durch Aufrechnung erloschen sei. Irrtümlich überwies die XBank den Betrag zweimal und belastete das Konto der Kern-AG mit € 40.000,–. Fox verweigert jegliche Rückzahlung, weil der Gesamtbetrag von € 50.000,– fällig sei. Eine Aufrechnung akzeptiere er nicht. Die Fa UBM fordert von der Kern-AG € 50.000,–. Wie ist die Rechtslage?
Zweiter Teil: Fälle zum Schuldrecht Allgemeiner Teil
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Lösung
I. Anspruch der Kern-AG gegen die X-Bank auf Stornierung der Abbuchung iHv € 20.000,– Die Bank- oder Giroüberweisung stellt nach hA eine Sonderform der Anweisung dar1. Der Bankkunde weist seine Bank an, für den Leistungsempfänger eine Gutschrift in bestimmter Höhe auf dessen Bankkonto zu begründen. Sind Absender- und Empfängerbank nicht identisch, erteilt die angewiesene Absenderbank – allenfalls unter Einschaltung eines weiteren Kreditinstituts – der Empfängerbank einen entsprechenden Auftrag (sog mehrgliedrige Banküberweisung). Diese schreibt dann dem Leistungsempfänger den überwiesenen Geldbetrag auf dessen Konto gut. Der entsprechende Betrag wird als Aufwandersatz im Deckungsverhältnis vom Konto des Anweisenden abgebucht. Im vorliegenden Fall hatte die Kern-AG die X-Bank nur angewiesen, € 20.000,– an Fox zu überweisen. Die Überweisung der weiteren € 20.000,– wurde hingegen von der X-Bank ohne Anweisung seitens der Kern-AG durchgeführt und konnte daher auch nicht auf Rechnung der Kern-AG erfolgen2. Zu erwägen ist allerdings, ob nicht die X-Bank durch die Überweisung der zusätzlichen € 20.000,– an Fox eine entsprechende Schuld der Kern-AG getilgt hat und daher Aufwandersatz nach § 10423 fordern konnte. Nach dem Sachverhalt behauptete ja Fox eine offene Verbindlichkeit der KernAG, die über diesen Betrag noch hinausging. Selbst wenn eine solche Schuld tatsächlich bestanden hätte (dazu unter III.), so fehlte jedoch auf Seiten der X-Bank jeder eigene Leistungswille gegenüber Fox (auch aus dessen Sicht). Die X-Bank wollte die € 20.000,– nicht dem Fox zuwenden; sie wollte nur der irrtümlich unterstellten Anweisung der Kern-AG Folge leisten, aber selbst keine Forderung (des Fox) erfüllen bzw Schuld (der 1 II3/5/74 ff. 2 Vgl III3/15/43. 3 Allgemein dazu III3/15/22 ff.
Fall 35: „Abtretung, Aufrechnung und andere Kalamitäten“ (S. Dullinger)
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Kern-AG) tilgen. Schon aus diesem Grund kann die X-Bank aus der – ohne Anweisung durch die Kern-AG erfolgten – Überweisung an Fox keinen Anspruch nach § 1042 gegen die Kern-AG ableiten4. Als Ergebnis ist somit festzuhalten, dass die Belastung des Kontos der Kern-AG in Höhe von € 20.000,– ohne Rechtsgrund durchgeführt wurde und daher rückgängig gemacht werden muss. Die Pflicht der X-Bank zur korrekten Kontoführung ergibt sich aus dem Girovertrag. II. Anspruch der X-Bank gegen Fox auf Rückzahlung von € 20.000,– gem § 1431 oder § 1041 ABGB Dass die Überweisung der X-Bank an Fox iHv € 20.000,– ohne Rechtsgrund erfolgte, ergibt sich bereits aus den Ausführungen zu I. Allerdings handelte es sich dabei – auch aus der Sicht des Empfängers Fox – um keine Leistung der X-Bank im Sinn einer bewussten Vermögenszuwendung5; vielmehr wollte die X-Bank durch diese Überweisung nur eine (vermeintliche) Anweisung der Kern-AG befolgen. Daher besteht keine Leistungskondiktion der X-Bank gegen Fox nach § 1431. Durch die Überweisung hat jedoch die X-Bank den Betrag von € 20.000,– ohne Rechtsgrund zum Nutzen des Fox verwendet. Somit besteht der Rückforderungsanspruch gem § 1041 zu Recht6. III. Anspruch des Fox gegen die Kern-AG auf Zahlung weiterer € 30.000,– gem § 1062 iVm §§ 1392 ff ABGB Der Zahlungsanspruch des Fox gegen die Kern-AG gem § 1062 iVm §§ 1392 ff setzt zunächst voraus, dass eine Forderung gegen die Kern-AG gültig begründet und durch Zession auf Fox übertragen wurde. An der wirksamen Begründung einer Kaufpreisforderung der Vau-GmbH gegen die Kern-AG in Höhe von € 50.000,– besteht nach dem Sachverhalt kein Zweifel. Problematischer ist hingegen die Frage des Forderungsübergangs von der VauGmbH auf Fox. 1. Forderungserwerb des Fox Nach dem Sachverhalt hat die Vau-GmbH die Kaufpreisforderung gegen die Kern-AG im Rahmen eines Factoring-Geschäfts7 an Fox abgetreten. Von der Gültigkeit des diesbezüglichen Verpflichtungsgeschäfts kann mangels gegenteiliger Hinweise ausgegangen werden. Fraglich ist jedoch die Wirksamkeit der entsprechenden Forderungsübertragung, ob also Fox den Anspruch gegen die Kern-AG tatsächlich erworben hat. Dies hängt zunächst davon ab, ob die Forderung im maßgebenden Zeitpunkt noch der Vau-GmbH (= Zedentin) zustand oder ob sie bereits vorher an die Fa UBM übertragen worden war. 4 5 6 7
S OGH JBl 1981, 324 = EvBl 1981/123. III3/15/43. Vgl OGH SZ 54/187 = JBl 1982, 372 = EvBl 1982/44. II3/5/57.
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Zweiter Teil: Fälle zum Schuldrecht Allgemeiner Teil
a) Forderungsübergang an die Fa UBM Nach der getroffenen Vereinbarung hat die Vau-GmbH der Fa UBM alle aus einer Weiterveräußerung der gelieferten Computer entstehenden Forderungen gegen ihre Käufer sicherungsweise abgetreten. Beabsichtigt war also eine Globalzession künftiger Forderungen. Deren Rechtsgrund ist ausreichend bestimmt8. Diese Abtretung sollte allerdings zu Sicherungszwecken erfolgen; daher wäre zu ihrer Wirksamkeit analog § 452 ein Publizitätsakt notwendig gewesen9. Da kein entsprechender Akt gesetzt wurde, ist es zu keinem Forderungsübergang an die Fa UBM gekommen. Die Forderung gegen die Kern-AG stand somit im Zeitpunkt der Zession an Fox noch der Zedentin (Vau-GmbH) zu und konnte daher grundsätzlich von dieser wirksam abgetreten werden. b) Zessionsverbot Nach dem mit der Fa UBM geschlossenen Vertrag war die Vau-GmbH zu anderen Verfügungen über jene Forderungen, die Gegenstand der mit UBM getroffenen Abtretungsvereinbarung waren, nicht befugt. Fraglich ist, ob dieses zwischen UBM und Vau-GmbH vereinbarte Abtretungsverbot auch dem Fox entgegengehalten werden kann, ob es also absolute oder bloß relative Wirkung hat. Ein absolut wirkendes Zessionsverbot kommt jedoch nur dann in Betracht, wenn die entsprechende Vereinbarung zwischen Gläubiger und Schuldner getroffen wurde (§ 1396)10, wenn diese also eine unabtretbare Forderung „geschaffen“ haben. Das konkrete Abtretungsverbot wurde jedoch zwischen Zedentin (= Vau-GmbH) und Zessionar (= UBM) vereinbart. Diesen ist es nicht möglich, die Forderung mit Wirkung gegenüber Dritten in irgendeiner Weise zu verändern. Eine derartige Vereinbarung bindet nur die Vertragsparteien, sie wirkt also nur relativ. c) Ergebnis Insgesamt ist somit festzuhalten, dass Fox die Forderung der Vau-GmbH gegen die Kern-AG wirksam erworben hat. Die Fa UBM kann sich wegen der Vertragsverletzung der Vau-GmbH nur an diese halten (s unter V.). 2. Aufrechnungseinrede der Kern-AG Nach dem Sachverhalt erklärte die Kern-AG dem Fox die Aufrechnung mit einer Gegenforderung gegen die Vau-GmbH. Gem §§ 1395, 1396 kann der Schuldner dem Zessionar alle Einwendungen entgegenhalten, die ihm bis 8 II3/5/19 und II3/5/53. 9 Vgl IV3/10/8 und seither insb OGH JBl 2002, 182 mit Anm Dullinger/Riedler = ÖBA 2001, 910 mit Anm Karollus. 10 II3/5/25 und dazu Fall 36.
Fall 35: „Abtretung, Aufrechnung und andere Kalamitäten“ (S. Dullinger)
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zur Kenntnis von der Abtretung gegen den Zedenten entstanden sind. Dies gilt auch für die Aufrechnung mit Gegenforderungen (§ 1442)11. Insofern ist es ausreichend, dass die Gegenforderung im maßgebenden Zeitpunkt dem Grunde nach entstanden ist; es brauchen aber noch nicht alle Aufrechnungsvoraussetzungen vorzuliegen. Im konkreten Fall entstand die von der Kern-AG (= Schuldnerin) gegenüber Fox (= Zessionar) aufrechnungsweise geltend gemachte Schadenersatzforderung bereits im Zeitpunkt des Schadenseintrittes (März 2005), also über ein Jahr vor Zession der Hauptforderung (5. 8. 2006). Der Zeitpunkt der gerichtlichen Feststellung der Gegenforderung (September 2006) spielt in dem Zusammenhang keine Rolle. Als die Kern-AG die Aufrechnung gegenüber Fox erklärte, waren die Voraussetzungen der §§ 1438 ff (Gleichartigkeit, Richtigkeit und Fälligkeit)12 erfüllt. Daher war die Aufrechnungseinrede der Kern-AG berechtigt und Fox steht kein Zahlungsanspruch mehr gegen die Kern-AG zu. Bzgl seines Ausfalls muss sich Fox an die Vau-GmbH halten (s unter VI.). IV. Anspruch der Fa UBM gegen die Kern-AG auf Zahlung von € 50.000,– gem § 1062 iVm §§ 1392 ff ABGB Da die Fa UBM die Forderung der Vau-GmbH gegen die Kern-AG nicht wirksam erworben hat (s unter III. 1. a), steht ihr kein diesbezüglicher Zahlungsanspruch zu. V. Anspruch der Fa UBM gegen die Vau-GmbH auf Schadenersatz wegen Vertragsverletzung gem §§ 1295 ff ABGB Eine Vertragsverletzung der Vau-GmbH ergibt sich zum einen daraus, dass sie den Publizitätsakt, der für die Wirksamkeit der der Fa UBM geschuldeten Sicherungszession notwendig gewesen wäre, nicht gesetzt hat. Außerdem hat sie die Forderung gegen die Kern-AG entgegen dem mit der Fa UBM vereinbarten Zessionsverbot an Fox abgetreten. Von einem objektiv und auch subjektiv sorgfaltswidrigen Verhalten der Vau-GmbH kann nach dem Sachverhalt ausgegangen werden; denn es bestehen keine Anhaltspunkte für eine diesbezügliche Entlastungsmöglichkeit nach § 1298 oder § 129713. Ob der Fa UBM aus dieser schuldhaften Nichterfüllung der Sicherungsabrede durch die Vau-GmbH ein Schaden entstanden ist, hängt von der Einbringlichkeit der inzwischen fälligen Hauptforderung ab. Als (Natural-) Ersatz kommt analog § 458 die Bestellung einer anderen Sicherheit 14 in Betracht.
11 12 13 14
II3/5/37. II3/4/26 ff. III3/13/34 und III3/13/37. II3/5/47.
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Zweiter Teil: Fälle zum Schuldrecht Allgemeiner Teil
VI. Gewährleistungsrecht des Fox gegenüber der Vau-GmbH gem § 1397 iVm §§ 922 ff ABGB Da die Forderung, die Fox von der Vau-GmbH erworben hatte, mit einer Aufrechnungseinrede behaftet war, war sie nicht richtig iSd § 139715. Damit dem Zessionar ein Gewährleistungsrecht zusteht, muss der Mangel grundsätzlich im Zeitpunkt der Abtretung bestanden haben (§ 924). Wird allerdings – wie im vorliegenden Fall – eine noch nicht fällige Forderung zediert, ist der Fälligkeitszeitpunkt maßgebend16, in concreto also Anfang Dezember 2006. Zu diesem Zeitpunkt stand der Kern-AG die aufrechenbare Gegenforderung gegen die Vau-GmbH bereits zu. Der Mangel ist unbehebbar, da die unrichtige Forderung bereits getilgt wurde und damit erloschen ist. Fox stehen somit die sekundären Gewährleistungsbehelfe gem § 932 Abs 417 zu. Insofern kommt neben Preisminderung eine sog Teilwandlung18 in Betracht; denn der Mangel betrifft nicht sämtliche Forderungen, die Fox von der Vau-GmbH erworben hat, sondern nur den Anspruch gegen die Kern-AG. Da die gegenseitigen Gesamtleistungen teilbar sind19 und der Mangel, weil er den Wert der Forderung um mehr als die Hälfte verringert hat, auch nicht als geringfügig20 anzusehen ist, könnte – wie gesagt – Fox ein Teilwandlungsrecht geltend machen. War allerdings – wie beim Factoring üblich – der für die Forderung bezahlte Preis niedriger als deren Wert (ohne Mangel), ist für Fox das Preisminderungsrecht unter Anwendung der relativen Berechnungsmethode 21 die günstigere Alternative. Das zuviel geleistete Entgelt kann er gem § 143522 von der Vau-GmbH zurückverlangen. Entscheidet sich Fox hingegen für die Teilwandlung, so hat er gegen die Vau-GmbH gem § 1435 Anspruch auf Rückerstattung des Entgelts für die Forderung und muss selbst den von der Kern-AG erhaltenen Forderungserlös (€ 20.000,–) herausgeben. Das Preisminderungs- oder Teilwandlungsrecht muss Fox gem § 933 Abs 1 binnen zwei Jahren gerichtlich geltend machen. Diese Frist beginnt erst mit Fälligkeit der Forderung zu laufen23. Ein Gewährleistungsrecht gem § 1397 steht Fox allerdings nur dann zu, wenn es sich bei dem FactoringGeschäft mit der Vau-GmbH nicht bloß um eine treuhändige Abtretung (Inkassozession)24 gehandelt hat. 15 II3/5/42 ff. 16 II3/5/44. 17 II3/3/97 ff. 18 II3/3/107. 19 Den abgetretenen mangelfreien Forderungen kann ein entsprechender Teil der Gegenleistung des Fox zugeordnet werden (vgl II3/3/107). 20 Dazu II3/3/105. 21 II3/3/109. 22 III3/15/9. 23 II3/5/45. 24 II3/5/57.
Fall 36: „Factor gegen Anwalt“ (S. Dullinger)
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Fall 36: „Factor gegen Anwalt“ Sachverhalt Rechtsanwalt B hat den Baumeister U mit Renovierungsarbeiten sowohl in seinen Kanzleiräumen als auch in seiner Privatwohnung beauftragt. In beiden von B formulierten Werkverträgen findet sich eine Bestimmung, wonach jede Abtretung der Werklohnforderung gegen B verboten ist. In den Vertragsverhandlungen zwischen U und B ist über dieses Thema nicht gesprochen worden. Vor Unterfertigung hat U die Verträge nur kurz überflogen und daher die besagte Klausel übersehen. U hatte schon vor Abschluss der beiden Werkverträge mit B sämtliche gegenwärtigen und künftigen Forderungen aus seinem Unternehmensbetrieb im Rahmen eines Factoringgeschäfts an F verkauft und abgetreten. Kurz nach Abschluss der Renovierungsarbeiten in den Kanzleiräumen und der Privatwohnung des B macht F die beiden Werklohnforderungen geltend. B verweigert die Bezahlung. – Zu Recht? Lösung Anspruch des F gegen B auf Zahlung des Werklohns gem § 1170 iVm §§ 1392 ff ABGB Zu prüfen ist zunächst, ob U seine Werklohnforderungen gegen B wirksam an F abgetreten hat. Dafür sind Titel und Modus erforderlich1. Nach dem Sachverhalt hat V die Forderungen aus seinem Unternehmensbetrieb im Rahmen eines Factoringgeschäfts an F verkauft und abgetreten. Titelgeschäft ist also ein Kaufvertrag. Die von dem Geschäft umfassten Forderungen sind auch ausreichend bestimmt; denn es wurden sämtliche gegenwärtigen und künftigen Forderungen aus dem Unternehmensbetrieb des U an L verkauft. Da für die Übertragung (Modus) von verkauften Forderungen die bloße Einigung zwischen Zedent und Zessionar genügt2, kann davon ausgegangen werden, dass F grundsätzlich die gegenwärtigen und künftigen Forderungen aus dem Unternehmensbetrieb des U erworben hat. Hinsichtlich der Werklohnforderungen gegen B stellt sich allerdings die Frage, ob B dem Zahlungsbegehren des F das mit V vereinbarte Abtretungsverbot entgegenhalten kann. Dies hängt zum ersten von der Gültigkeit der entsprechenden Vertragsklausel und zum zweiten davon ab, ob das Zessionsverbot bloß relative (auf die Vertragsparteien beschränkte) oder absolute Wirkung (auch dem Zessionar gegenüber) entfaltet. Insofern ist zwischen den beiden gegen B gerichteten Werklohnforderungen zu unterscheiden. 1. Werklohnforderung für die Kanzleirenovierung Auf das vertragliche Abtretungsverbot bzgl der Entgeltforderung für die Kanzleirenovierung ist § 1396a anwendbar; denn es handelt sich um ein 1 II3/5/26 ff. 2 II3/5/27.
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Zweiter Teil: Fälle zum Schuldrecht Allgemeiner Teil
vertragliches Zessionsverbot über eine Geldforderung aus einem Geschäft zwischen zwei Unternehmern, das auch zum jeweiligen Unternehmensbetrieb gehört (sowohl Baumeister U als auch Rechtsanwalt B sind Unternehmer iSd § 1 Abs 2 KSchG). Ein von § 1396a erfasstes Zessionsverbot hat in keinem Fall absolute Wirkung; es kann also dem Zessionar nicht entgegengehalten werden (Abs 1)3. Der Anspruch des F gegen B auf Bezahlung des Werklohns für die Kanzleirenovierung besteht somit gem § 1170 iVm §§ 1392 ff zu Recht. Da das Abtretungsverbot bzgl der Entgeltforderung für die Kanzleirenovierung nach dem Sachverhalt nicht im einzelnen ausgehandelt wurde4, ist es – auch ohne gröbliche Benachteiligung des U5 – gem § 1396a Abs 1 S 1 nicht einmal inter partes (zwischen B und U) verbindlich. 2. Werklohnforderung für die Wohnungsrenovierung Der Werkvertrag über die Wohnungsrenovierung gehört nicht zum Unternehmensbetrieb des B. § 1396a ist somit auf das diesbezügliche Abtretungsverbot nicht anwendbar (s unter 1.). Das Verbot ist daher wirksam vereinbart, obwohl es nicht im einzelnen ausgehandelt wurde, und hat iSd hRsp absolute Wirkung. Es kann also auch dem Zessionar F als Einwand gem § 1396 entgegengehalten werden6. Dass das Zessionsverbot erst vereinbart wurde, nachdem U dem F die Forderung (als künftige) abgetreten hatte, hindert die absolute Wirkung nicht; denn die Werklohnforderung ist durch das bereits bei Abschluss des Werkvertrages vereinbarte Zessionsverbot als unabtretbare Forderung begründet worden. Die Zahlungsverweigerung des B gegenüber F ist daher bzgl der Entgeltforderung für die Wohnungsrenovierung gem § 1396 berechtigt. B ist insofern nur dem U zur Zahlung verpflichtet.
Fall 37: „Gutes Geld für schlechte Zigaretten“ Sachverhalt1 V und K schließen einen Kaufvertrag über drei Container Zigaretten um insgesamt € 170.000,–. Dabei wird ua vereinbart, dass der Kaufpreis mittels Akkreditiv gegen Vorlage der im Vertrag näher umschriebenen Versandpapiere bezahlt werden soll. Die X-Bank übermittelt nach entsprechendem Auftrag und Vorschusszahlung (€ 170.000,–) durch K die sog Akkreditiveröffnung an V, worin 3 II3/5/24. 4 II3/5/23. 5 II3/5/23. 6 II3/5/25. 1 Angelehnt an den der E OGH SZ 67/111 (= wbl 1994, 412 = ecolex 1994, 673 = RdW 1995, 57) zugrunde liegenden Fall.
Fall 37: „Gutes Geld für schlechte Zigaretten“ (S. Dullinger)
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sie sich diesem gegenüber unwiderruflich zur Zahlung von € 170.000,– gegen Vorlage der (auch in dieser Erklärung genau bezeichneten) Versandpapiere bis zum 15. 9. verpflichtet. Die von V am 12. 9. vorgelegten Versandpapiere werden von der X-Bank als akkreditivkonform beurteilt und in der Folge an K zur Prüfung weitergeleitet. Auch K findet keinen Grund zur Beanstandung der Dokumente. Dennoch verlangt er von der X-Bank die – zumindest vorläufige – Unterlassung der Auszahlung der Akkreditivsumme; denn er habe von Branchenkollegen erfahren, dass die von V gelieferte Ware schwere Mängel aufweise. Ungeachtet dieses Einwandes zahlt die X-Bank die € 170.000,– an V. Nach Einlangen der Zigarettenlieferung bei K zeigt sich, dass tatsächlich mehr als die Hälfte der Ware fehlerhaft ist. Daraufhin fordert K von der X-Bank die Rückzahlung der € 170.000,–. – Zu Recht? Variante2: K teilt nach Erhalt der von V vorgelegten Versandpapiere der X-Bank mit, dass diese Dokumente gefälscht seien und dass daher der Akkreditivbetrag nicht ausbezahlt werden dürfe. K stützt seine Behauptung auf ein – der X-Bank gleichzeitig übermitteltes – Schreiben des angeblichen Dokumentenausstellers und Transporteurs, worin dieser erklärt, dass er weder die fraglichen Versandpapiere ausgestellt noch die Ware (zum Transport) übernommen habe. Dennoch zahlt die X-Bank die € 170.000,– an V aus. Nachträglich stellt sich im Zuge eines gegen V eingeleiteten Strafverfahrens heraus, dass dieser die Versandpapiere tatsächlich gefälscht und die dem K geschuldeten Zigaretten niemals abgeschickt hat. A. Lösung zum Grundsachverhalt Anspruch des K gegen die X-Bank auf Rückzahlung der € 170.000,– gem § 1435 ABGB 1. Voraussetzung der Leistungskondiktion nach § 1435 ABGB K hat die € 170.000,– als Vorschuss für einen allfälligen Aufwandersatzanspruch der X-Bank aufgrund des Akkreditivauftrages geleistet (s § 1014)3. Der bereicherungsrechtliche Rückzahlungsanspruch des K gegen die XBank setzt voraus, dass der Rechtsgrund für das Behalten der Vorschussleistung weggefallen ist 4, dass also der X-Bank kein entsprechender Aufwandersatzanspruch gegen K entstanden ist (und auch nicht mehr entstehen kann). Diese Frage hängt vor allem davon ab, ob der Aufwand, den die X-Bank durch die Zahlung der € 170.000,– an V gemacht hat, durch 2 Angelehnt an den der E ÖBA 1991, 666 (mit Anm Avancini = RdW 1991, 144 = ecolex 1990, 745) zugrunde liegenden Fall. 3 III3/5/10. 4 III3/15/9.
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Zweiter Teil: Fälle zum Schuldrecht Allgemeiner Teil
einen (weiterhin) gültigen Akkreditivauftrag des K gedeckt ist. Insofern ist zunächst die rechtliche Einordnung der Dreiecksbeziehung zwischen K, der X-Bank und V von Bedeutung. 2. Zur Rechtsnatur des Dokumentenakkreditivs Das (Dokumenten-)Akkreditiv wird in Österreich überwiegend als Sonderform der angenommenen Anweisung (§ 1400 S 2, § 1402) qualifiziert5. Die sog Akkreditiveröffnung durch die Bank (= Angewiesene) gegenüber dem Begünstigten (= Anweisungsempfänger) stellt die Annahme der Anweisung dar und erfolgt im Auftrag des Anweisenden. Der dadurch begründete Zahlungsanspruch des Begünstigten gegen die Akkreditivbank ist zwar von der Erfüllung der Akkreditivbedingungen, insb von der Übergabe bestimmter Dokumente abhängig, im übrigen jedoch von Deckungsund Valutaverhältnis unabhängig, insofern also abstrakt6.
3. Auszahlungspflicht der X-Bank gegenüber V Im vorliegenden Fall waren die vom Begünstigten V fristgerecht vorgelegten Versandpapiere offenbar akkreditivkonform. Allfällige Einwendungen aus Valuta- oder Deckungsverhältnis standen der X-Bank grundsätzlich nicht zu. Nur bei missbräuchlicher Inanspruchnahme des Akkreditivs7 durch V wäre die X-Bank nicht zur Auszahlung der € 170.000,– an V verpflichtet gewesen. Der von K geäußerte vage Verdacht, dass die von V abgesandte Ware mangelhaft sein könnte, berechtigte jedoch die X-Bank keinesfalls zur Erhebung des Missbrauchseinwandes. Die X-Bank war daher zur Auszahlung der Akkreditivsumme an V verpflichtet. 5 II3/5/77; ausführlich dazu Avancini, Bankvertragsrecht1 II Rz 4/1 ff, insb 4/84 ff. 6 Allgemein zur angenommenen Anweisung II3/5/71; zum Akkreditiv Avancini, aaO Rz 4/84 ff. 7 Vgl dazu insb Avancini, aaO Rz 4/132 ff.
Fall 37: „Gutes Geld für schlechte Zigaretten“ (S. Dullinger)
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4. Aufwandersatzanspruch der X-Bank gegen K (§ 1014 ABGB) Zum Ersatz des Aufwandes, der der X-Bank durch die Auszahlung der Akkreditivsumme entstanden ist, war K – wie bereits oben (unter 1.) gesagt wurde – dann verpflichtet, wenn diese Zahlung von seinem Akkreditivauftrag gedeckt war8. Nach dem Sachverhalt erfolgte die Akkreditiveröffnung der X-Bank gegenüber V „nach entsprechendem Auftrag des K“. Daraus ist insb zu schließen, dass auch die Unwiderruflichkeit des Akkreditivs vom Auftrag des K gedeckt war. Das bedeutet aber, dass nach Eröffnung des Akkreditivs auch K seinen diesbezüglichen Auftrag nicht mehr wirksam widerrufen oder inhaltlich abändern konnte. Dass im übrigen kein ausreichender Grund zur Erhebung des Einwandes des Rechtsmissbrauchs gegenüber V vorlag, wurde bereits dargelegt (s unter 3.). Die X-Bank hat daher durch die Auszahlung des Akkreditivbetrages nicht nur gegenüber V, sondern auch gegenüber K pflichtgemäß gehandelt. K war somit gem § 1014 der X-Bank zum Ersatz des dadurch entstandenen Aufwandes verpflichtet. 5. Ergebnis Da der X-Bank durch die Auszahlung der € 170.000,– an V ein entsprechender Aufwandersatzanspruch gegen K entstanden ist, kann dieser seine bereits als Vorschuss geleistete Zahlung nicht zurückfordern. Wegen der Mangelhaftigkeit der von V gelieferten Zigaretten kann sich K nur an diesen halten. B. Lösung zur Variante Anspruch des K gegen die X-Bank auf Rückzahlung der € 170.000,– gem § 1435 ABGB Zur Voraussetzung der Leistungskondiktion des K gegen die X-Bank und zur rechtlichen Einordnung der Dreiecksbeziehung zwischen K, X-Bank und V vgl oben zu A. 1. und 2. 1. Auszahlungspflicht der X-Bank gegenüber V Da die von V vorgelegten Versandpapiere gefälscht und damit nicht akkreditivkonform waren, wäre die X-Bank nicht zur Auszahlung des Akkreditivbetrages an V verpflichtet gewesen9. Der X-Bank steht daher eine Kondiktion wegen irrtümlicher Leistung ohne Rechtsgrund gem § 143110 gegen V zu.
8 Avancini, aaO Rz 4/67. 9 Dazu insb Avancini, Anm zu OGH ÖBA 1991, 666; ders, Bankvertragsrecht1 II Rz 4/124. 10 III3/15/5 ff.
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Zweiter Teil: Fälle zum Schuldrecht Allgemeiner Teil
2. Aufwandersatzanspruch der X-Bank gegen K (§ 1014 ABGB) Die Akkreditivbank hat im Allgemeinen gem § 1014 Anspruch auf Ersatz aller notwendigen und nützlichen Aufwendungen, die sie im Zusammenhang mit der Durchführung des Akkreditivgeschäfts gemacht hat; insb ist ihr der ausgelegte Akkreditivbetrag zu ersetzen. Voraussetzung dieses Ersatzanspruchs ist allerdings, dass die Bank zur Honorierung des Akkreditivs aufgrund einer ordnungsgemäßen Vorlage akkreditivkonformer Dokumente tatsächlich verpflichtet war oder sich zumindest für verpflichtet halten durfte11. War die Fälschung der vorgelegten Papiere bei verkehrsüblich sorgfältiger Prüfung erkennbar, hat die Bank keinen Aufwandersatzanspruch; denn in diesem Fall war der gemachte Aufwand nicht „notwendig“ oder „nützlich“ iSd § 1014. Einen begründeten Fälschungsverdacht hat die Bank (im Verhältnis zu ihrem Auftraggeber) stets zu beachten. Im gegenständlichen Fall lag der X-Bank vor Auszahlung des Akkreditivbetrages an V eine schriftliche Erklärung des angeblichen Ausstellers der fraglichen Versandpapiere vor, die den von K geäußerten Fälschungsverdacht bestätigte. Unter diesen Umständen hätte die X-Bank – mangels Entkräftung des Fälschungsverdachtes durch V – die Honorierung des Akkreditivs verweigern müssen. Die dennoch erfolgte Auszahlung an V stellt keinen notwendigen oder nützlichen Aufwand gem § 1014 dar und war daher von K nicht zu ersetzen12. 3. Ergebnis Da K der X-Bank nicht zum Ersatz des ausgelegten Akkreditivbetrages verpflichtet war, besteht sein Anspruch auf Rückerstattung seiner diesbezüglichen Vorschussleistung gem § 1435 zu Recht.
11 Vgl dazu und zum Folgenden wieder Avancini, ÖBA 1991, 668 ff und Bankvertragsrecht1 II Rz 4/67. 12 So im Ergebnis auch OGH ÖBA 1991, 666.
Fall 38: „Das stählerne Dreieck“ (S. Dullinger)
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4. Mehrheit von Berechtigten oder Verpflichteten Fall 38: „Das stählerne Dreieck“ Sachverhalt1 Für Bauarbeiten, die der Bauunternehmer U für die Wohnungsbaugesellschaft B durchführt, liefert ihm der Stahlhersteller L Baustahl. Da U mit der Zahlung für die erste Stahllieferung in Verzug gerät, akzeptiert L einen Folgeauftrag nur unter der Bedingung, dass Vorauszahlung geleistet oder Sicherheit durch B geboten werde. Daraufhin wird zwischen B und U vereinbart, dass U den Stahlverbrauch monatlich mit B verrechnen und diese die entsprechenden Zahlungen direkt an L leisten werde. Über diese Vereinbarung wird L von U schriftlich unterrichtet. L erklärt sein Einverständnis und liefert nun weiterhin Baustahl an U. Noch vor Abschluss der Bauarbeiten wird über das Vermögen des U der Konkurs eröffnet. Zu diesem Zeitpunkt sind zwei (bereits eingebaute) Monatslieferungen Stahl von U noch nicht verrechnet und daher von B auch nicht an L bezahlt. Sowohl der Masseverwalter als auch L begehren von B die Zahlung für diese Stahllieferungen. Wie ist die Rechtslage? Lösung I. Anspruch des L gegen B auf Bezahlung der Stahllieferungen 1. Anspruchsgrundlage Ein Zahlungsanspruch des L gegen B könnte, da in diesem Verhältnis keine direkte Vertragsbeziehung besteht, nur durch entsprechende Einbeziehung des L in das Schuldverhältnis zwischen U und B entstanden sein. Nach dem vorliegenden Sachverhalt kommt als Grundlage für das Zahlungsbegehren des L gegen B § 881 Abs 2 (echter Vertrag zugunsten Dritter) iVm § 1406 Abs 2 (Schuldbeitritt) in Betracht. Man könnte zwar die Dreiecksbeziehung zwischen U, B und L auch als Anweisung (§§ 1400 ff)2 qualifizieren; ein direkter Zahlungsanspruch des Anweisungsempfängers L gegen den Angewiesenen B bestünde jedoch gem § 1400 S 2 nur dann, wenn B die Anweisung gegenüber L angenommen hätte (vgl auch § 1402)3. Eine solche Annahmeerklärung (gegenüber L) hat jedoch B nach dem Sachverhalt nicht abgegeben. Daher kann der Zahlungsanspruch des L gegen B nicht auf § 1400 S 2 gestützt werden. 1 Angelehnt an den der E OGH SZ 53/25 zugrunde liegenden Fall. 2 II3/5/61 ff. 3 II3/5/70 f.
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Zweiter Teil: Fälle zum Schuldrecht Allgemeiner Teil
2. Schuldbeitritt (§ 1406 Abs 2 ABGB) durch Vertrag zugunsten Dritter (§ 881 Abs 2 ABGB) Die Vereinbarung, durch die sich B gegenüber U zur Bezahlung der Stahllieferungen an L verpflichtet hat, entspricht dem Tatbestand des § 881 Abs 1. U hat sich von B eine Leistung an einen Dritten, nämlich an L, versprechen lassen4. Den Rechtsgrund für die Leistungspflicht des B (= Versprechender) bildet der mit U (= Versprechensempfänger) geschlossene Werkvertrag (= Deckungsverhältnis); die Kosten für die Stahllieferungen stellen einen Teil des von B geschuldeten Werklohns dar. Die Zahlungspflicht des U (= Versprechensempfänger) gegenüber L (= Begünstigter) beruht auf dem in diesem Verhältnis bestehenden Kaufvertrag (= Valutaverhältnis). Ob durch den Vertrag zugunsten Dritter (neben dem Versprechensempfänger U) auch der Begünstigte (L) selbst einen Anspruch gegen den Versprechenden (B) erworben hat, ist gem § 881 Abs 2 primär „aus der Vereinbarung und der Natur und dem Zwecke des Vertrages zu beurteilen“. Nach dem Sachverhalt wurde die Vereinbarung zwischen B und U getroffen, um L die geforderte Sicherheit zu bieten. Dieser Zweck konnte nur durch die Begründung eines eigenen Forderungsrechts des L gegenüber B erreicht werden. Das Geschäft ist daher als echter Vertrag zugunsten Dritter iSd § 881 Abs 2 zu beurteilen5. Durch diesen Vertrag ist B der Schuld des U gegenüber L beigetreten. Da nicht – jedenfalls nicht zweifelsfrei – angenommen werden kann, dass L durch seine Zustimmung seinen bisherigen Schuldner U aus der Haftung entlassen wollte, kann nicht von einer privativen Schuldübernahme ausgegangen werden (s §§ 1405, 1406)6. Aufgrund des Schuldbeitritts haften B und U dem Gläubiger L solidarisch. 3. Ergebnis Der Zahlungsanspruch des L gegen B besteht gem § 881 Abs 2 iVm § 1406 Abs 2 zu Recht. II. Anspruch des Masseverwalters gegen B auf Bezahlung der Stahllieferungen gem § 1062 ABGB Aufgrund des Vertrages zugunsten Dritter kann der Versprechensempfänger (U) gem § 881 Abs 1 vom Versprechenden (B) nur mehr Leistung an den Begünstigten (L), nicht aber an sich selbst, fordern. Der vom Masseverwalter im Konkurs des U geltend gemachte Zahlungsanspruch gegen B besteht daher nicht zu Recht. 4 II3/6/11 ff. 5 II3/6/14; so im Ergebnis auch OGH SZ 53/25; anders hingegen OGH JBl 2007, 379 mit Anm Dullinger. 6 II3/5/80 ff.
Fall 39: „Nicht alle Bürgen kann man würgen“ (S. Dullinger)
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Fall 39: „Nicht alle Bürgen kann man würgen“ Sachverhalt Das Bankhaus G gewährt der S-GmbH einen Kredit in Höhe von € 600.000,–. Für die Rückzahlung übernimmt A, ein Geschäftsführer der S-GmbH, durch entsprechende schriftliche Erklärung die Haftung als Bürge und Zahler. Der Gesellschafter B verpflichtet sich – ebenfalls schriftlich –, „im Fall der Zahlungsunfähigkeit der S-GmbH für die Rückzahlung der Kreditverbindlichkeit einzustehen“. Als die S-GmbH mit ihren Ratenzahlungen in Verzug gerät, stellt G den Kredit mit dem noch aushaftenden Betrag von € 530.000,– fällig und fordert A zur Zahlung auf. Dieser erklärt die Aufrechnung mit einer ihm gegen G zustehenden Sparbuchforderung in Höhe von € 270.000,–. Daraufhin wird A von G aus der Haftung entlassen. Als über das Vermögen der S-GmbH der Konkurs eröffnet wird, verlangt G von B die Zahlung von € 260.000,–, was dieser jedoch verweigert. Wie ist die Rechtslage? Lösung I. Anspruch des Bankhauses G gegen B auf Zahlung von € 260.000,– gem § 1356 ABGB Zwischen dem Bankhaus G und dem Gesellschafter der S-GmbH B ist nach dem Sachverhalt ein gültiger Bürgschaftsvertrag zustande gekommen. Die zu sichernde Hauptschuld (= Kreditverbindlichkeit der S-GmbH gegenüber G1) wurde wirksam begründet (§ 1351)2, und B hat seine Verpflichtungserklärung gem § 1346 Abs 2 schriftlich abgegeben3 (aus den gleichen Gründen ist auch der Bürgschaftsvertrag zwischen G und A gültig zustande gekommen). Die von B übernommene Bürgschaft wurde ausdrücklich auf den Fall der Zahlungsunfähigkeit der S-GmbH beschränkt. B ist also bloßer Ausfallsbürge, der zwar gem § 1356 im Konkurs der Hauptschuldnerin grundsätzlich „zuerst belangt werden kann“; dies jedoch nach dem Zweck der Vorschrift nur dann, wenn tatsächlich alle sonstigen Befriedigungsmöglichkeiten, insb auch alle sonstigen Sicherungsrechte ausgeschöpft worden sind4. Im vorliegenden Fall stehen zwar dem Gläubiger G keine sonstigen Sicherungsrechte mehr zur Verfügung; dies jedoch nur deshalb, weil er den Bürgen und Zahler A nach Erfüllung eines bloßen Teils der Schuld (durch Aufrechnung) aus der Haftung entlassen hat. Nach § 1356 kann aber der Ausfallsbürge auch dann nicht belangt werden, wenn der Gläubiger einer 1 2 3 4
Vgl dazu III3/9/2. II3/6/24. II3/6/22. II3/6/31.
Zweiter Teil: Fälle zum Schuldrecht Allgemeiner Teil
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„Nachlässigkeit zu beschuldigen ist“. Die (freiwillige) Aufgabe einer anderen Sicherheit stellt eine solche „Nachlässigkeit“ des Gläubigers bei der Verfolgung seiner Rechte dar und befreit somit den Ausfallsbürgen im entsprechenden Umfang von dessen Haftung5. Der Zahlungsanspruch des Bankhauses G gegen B besteht daher gem § 1356 nicht zu Recht. II. Anspruch des A gegen B auf Zahlung von € 135.000,– gem § 1359 S 2 iVm § 896 ABGB Grundsätzlich besteht zwar im Innenverhältnis zwischen mehreren Bürgen gem § 1359 S 2 iVm § 896 (im Zweifel) Anteilshaftung. Dies gilt jedoch nur für solche Bürgen, die gegenüber dem Gläubiger solidarisch haften (§ 1359 S 1), und daher nicht für den bloßen Ausfallsbürgen6. A steht somit kein (anteiliger) Regressanspruch gegen B zu. Er kann nur von der S-GmbH Ersatz gem § 13587 fordern.
5 II3/6/31. 6 II3/6/38 f. 7 II3/6/34 ff.
Dritter Teil: Fälle zum Schuldrecht Besonderer Teil 1. Kaufvertrag Fall 40: „Der vereitelte Erwerb“ Sachverhalt1 A pachtete von B einen Restaurationsbetrieb, wobei ein nicht zu verbücherndes Vorkaufsrecht zugunsten des A vereinbart wurde. Später verkaufte B den Restaurationsbetrieb an C. Ein Hinweis auf das Vorkaufsrecht des A ist im Kaufvertrag nicht enthalten; allerdings wurde eine Kopie des Pachtvertrags schon einige Tage vor Unterfertigung des Kaufvertrags dem C zur Verfügung gestellt. Das Vorkaufsrecht war ihm daher bei Vertragsunterfertigung bekannt. Als A vom Kauf verständigt und aufgefordert wurde, den Pachtzins in Hinkunft an C zu zahlen, erklärte er, die Liegenschaft in Ausübung des Vorkaufsrechtes nach den Bedingungen des Kaufvertrages mit C erwerben zu wollen. A verlangt von C es zu unterlassen, das Eigentumsrecht für C einverleiben zu lassen, insb unter Ausnutzung der angemerkten Rangordnung für die beabsichtigte Veräußerung. Mit Recht? Lösung Vorüberlegungen: Da es sich im vorliegenden Fall um ein nicht verbüchertes Vorkaufsrecht (§ 1073) handelt, steht A kein Abforderungsrecht nach § 1079 S 2 zu (III3/1/26). Das Vorkaufsrecht richtet sich daher grundsätzlich nur gegen den Vorkaufsverpflichteten B. Hat aber B die Aufsandungserklärung bereits abgegeben und einen Rangordnungsbeschluss für die beabsichtigte Veräußerung dem C oder dem mit der Vertragsabwicklung beauftragten Rechtsanwalt oder Notar übergeben, so kann B dem A grundsätzlich2 kein Eigentum mehr verschaffen. Ob A durch die Verletzung des Vorkaufsrechts ein rechnerischer Schaden erwachsen ist, für dessen Ersatz B nach § 1079 S 1 haftet, ist aus dem Sachverhalt nicht erkennbar. Damit konzentriert sich das Interesse des A 1 Erstellt auf Grund von OGH SZ 68/22 = JBl 1995, 526 mit Anm Rummel; Themenschwerpunkte: Vorkaufsrecht, Beeinträchtigung fremder Forderungsrechte. 2 Anders bei Verzug des C mit der Kaufpreiszahlung und nachfolgendem Rücktritt des B vom Kaufvertrag.
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Dritter Teil: Fälle zum Schuldrecht Besonderer Teil
darauf, ob ihm C deswegen haftet, weil er beim Abschluss des Kaufvertrags mit B vom Vorkaufsrecht des A Kenntnis hatte. Anspruch des A gegen C auf Unterlassung der Einverleibung des Eigentumsrechts Voraussetzung für den Unterlassungsanspruch ist eine rechtswidrige Verletzung des Vorkaufsrechts des A durch C. Das nicht verbücherte Vorkaufsrecht ist zwar ein obligatorisches Recht gegenüber B, doch ist anerkannt, dass gewisse Beeinträchtigungen fremder Forderungsrechte ersatzpflichtig machen, wobei der grundsätzlich auf Naturalrestitution gerichtete Schadenersatzanspruch (§ 1323; III3/13/49) dem Geschädigten dazu verhelfen kann, die Sache selbst vom schädigenden Dritten zu erhalten3. Unter denselben Voraussetzungen steht dem Vorkaufsberechtigten ein Unterlassungsanspruch zu, wenn das Eigentumsrecht des Dritten noch nicht verbüchert ist4, aber eine Gefährdung des Vorkaufsrechts durch rechtswidriges Verhalten des C droht5. Der Unterlassungsanspruch setzt nicht voraus, dass er ausdrücklich gesetzlich normiert ist, sondern folgt aus dem Gedanken, dass die Verhinderung von Rechtsverletzungen Vorrang vor deren Beseitigung oder Vergütung hat6. Anerkannt ist eine solche absolute Wirkung von Forderungsrechten bei wissentlicher Verleitung zum Vertragsbruch. Da im vorliegenden Fall die Initiative zur Nichtbeachtung des Vorkaufsrechts jedoch nicht von C ausgegangen ist, könnte ihm allenfalls das bewusste Ausnützen des Vertragsbruchs durch den Vorkaufsverpflichteten B vorgeworfen werden7. Im vorliegenden Fall steht fest, dass C vom Vorkaufsrecht des A Kenntnis hatte. Dies allein rechtfertigt aber noch keine Ersatzpflicht des C, der keineswegs von vornherein damit rechnen muss, B werde einen Vertragsbruch begehen. Vielmehr kann C grundsätzlich annehmen, B und A hätten sich über die Nichtausübung des Vorkaufsrechts geeinigt8, etwa weil dem A der von C gebotene Preis zu hoch ist. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass dem Dritten keine weitgehenden Nachforschungspflichten aufzuerlegen sind (II3/1/40), die zu einer unzumutbaren Einschränkung im wirtschaftlichen Verkehr führen würden9. Da C beim Vertragsabschluss mit A mithin nicht rechtswidrig gehandelt hat, besteht weder ein Schadenersatzanspruch wegen Beeinträchtigung fremder Forderungsrechte noch ein Unterlassungsanspruch.
3 4 5 klage 6 7 8 9
II3/1/38 ff und III3/14/3; SZ 68/22. SZ 49/75; Apathy in KBB2 § 1079 Rz 2. Reischauer in Rummel2 § 1294 Rz 23. – Zur vorbeugenden Unterlassungswegen Gefährdung absolut geschützter Rechtsgüter siehe III3/13/15. Reischauer in Rummel2 § 1294 Rz 23. Dazu sa die Fälle 29 (B. II.) und 66 (B. II.). SZ 68/22; III3/1/25. SZ 68/22.
Fall 41: „Der säumige Käufer“ (P. Apathy)
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Fall 41: „Der säumige Käufer“ Sachverhalt1 V verkaufte dem Transportunternehmer K ein Kfz und übertrug die Restkaufpreisforderung und das vorbehaltene Eigentum der B-Bank. Diese räumte dazu K einen Kredit in Höhe des Restkaufpreises ein; den Betrag überwies sie direkt an V. Die Übertragung des vorbehaltenen Eigentums bildete einen integrierenden Bestandteil des Kreditvertrags. K sollte den Kredit in 18 Raten zurückzahlen; bei Nichteinhaltung der Kreditbedingungen könne die B-Bank die sofortige Bezahlung der Restschuld verlangen. Als K die Ratenzahlungsvereinbarung nicht einhält, stellt die B-Bank den Restkredit fällig und nimmt das Kfz dem K zur Abgeltung der offenen Forderung ab. Hat die B-Bank Anspruch auf Zahlung? Lösung I. Anspruch der B-Bank gegen K auf Bezahlung des Restkaufpreises gem § 1062 iVm § 1392 ABGB Voraussetzung für den Anspruch ist der Abschluss eines Kaufvertrages zwischen V und K, die Abtretung der noch unberichtigten Kaufpreisforderung an die B-Bank und deren Fälligkeit. Nach dem Sachverhalt haben V und K einen Kaufvertrag über ein Kfz geschlossen, wobei die Finanzierung durch die B-Bank erfolgte, der V die Kaufpreisforderung abgetreten und das vorbehaltene Eigentum durch Besitzanweisung (IV3/2/40) übertragen hat. Infolge der Vereinbarung eines Terminsverlustes (III3/1/37) kann die B-Bank bei Verzug des K den Restkaufpreis fällig stellen; da K Unternehmer iSd § 1 KSchG ist, hängt die Wirksamkeit der Terminsverlustvereinbarung nicht von den Kriterien des § 13 KSchG ab. Damit besteht der Anspruch auf Zahlung des Restkaufpreises, sofern nicht durch die Abnahme des Kfz eine Änderung der Rechtslage eingetreten ist. Man könnte die Abnahme des Kfz als einen Rücktritt der B-Bank vom Kaufvertrag verstehen, so dass die Kaufpreisforderung nicht mehr bestünde (II3/3/17). Zwar hat V und nicht die B-Bank den Kaufvertrag mit K geschlossen, doch kann man bei einem drittfinanzierten Kauf die Übertragung der für die Ausübung des Eigentumsvorbehalts notwendigen Gestaltungsrechte als vereinbart ansehen2. Da im vorliegenden Fall keine Rücknahmeklausel vereinbart wurde und K Unternehmer ist, spielt § 22 KSchG3 von vornherein keine Rolle; dass sich K mangels Rückgabeverpflichtung der Abnahme des Kfz hätte widersetzen können, braucht nicht weiter ver1 Erstellt auf Grund von OGH SZ 58/39 = JBl 1986, 307 mit Anm Reidinger; Themenschwerpunkt: drittfinanzierter Kauf. 2 Vgl SZ 58/39; III3/1/40 f. 3 Dazu III3/1/36.
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Dritter Teil: Fälle zum Schuldrecht Besonderer Teil
folgt zu werden, solange K in Verzug ist4. Ob die Rückforderung der Sache als Rücktritt vom Kaufvertrag zu verstehen ist, bestimmt sich – entsprechend der Vertrauenstheorie (I3/6/42) – nach der dem K erkennbaren Absicht der B-Bank5. Da die B-Bank nicht nur das Kfz dem K abgenommen, sondern zugleich die restliche Forderung fällig gestellt hat, geht ihr Wille offenkundig dahin, den Kaufvertrag nicht aufzulösen, sondern das Kfz nach Möglichkeit zu verwerten, um die offene Restforderung damit zu reduzieren. Demzufolge besteht der Anspruch der B-Bank auf Bezahlung der offenen Restforderung, allerdings verringert um einen von der B-Bank beim Verkauf des Kfz erzielten Erlös. II. Vorüberlegung Aus dem Sachverhalt ist nicht zu entnehmen, dass die Ratenzahlungsvereinbarung und die Abrede über die Kosten der Finanzierung bereits zwischen V und K vereinbart wurden. Vielmehr ist von einem Kredit der BBank an K die Rede, so dass wir die Variante des drittfinanzierten Kaufs vor uns haben, die als Darlehenskonstruktion bezeichnet wird6. In dieser Konstellation räumt der Kreditgeber allerdings nach dem in III3/1/41 dargelegten Verständnis dem Käufer kein Darlehen ein, sondern er zahlt in seinem Auftrag an den Verkäufer zur Einlösung (§§ 1422 f) der offenen Kaufpreisforderung. Daraus ergibt sich auch noch folgender Anspruch der B-Bank, die ja nicht nur die noch offene Kaufpreisforderung, sondern den gesamten offenen Restkredit geltend macht: Anspruch der B-Bank gegen K auf Zahlung des Restkredits gem § 1014 ABGB. Voraussetzung für den Anspruch ist ein Aufwand, den die B-Bank im Auftrag und auf Rechnung des K gemacht hat. Die B-Bank hat im Auftrag und auf Rechnung des K an V den Restkaufpreis bezahlt und den Aufwandersatzanspruch – ebenso wie die eingelöste Kaufpreisforderung – gestundet; K sollte in Raten an die B-Bank zahlen. Dieser Aufwandersatzanspruch besteht neben dem Kaufpreisanspruch, doch wirken die Zahlungen des K an die B-Bank hinsichtlich beider Ansprüche schuldbefreiend7. Zu berücksichtigen ist ferner, dass Kaufvertrag und Finanzierungsgeschäft so inhaltlich aufeinander bezogen sind, dass das Entstehen und Weiterbestehen des einen Geschäfts Bedingung für das andere ist (III3/1/46), wurde doch vereinbart, dass die Übertragung des vorbehaltenen Eigentums integrierender „Bestandteil des Kreditvertrags“ 4 Zwar könnte K seinen Anspruch auf Übergabe des LKW (§ 1061) gegenüber V geltend machen, doch müsste er entsprechend § 1052 zugleich bereit sein, seine Verbindlichkeit zu erfüllen, also zumindest die bereits fälligen Raten (an die BBank) bezahlen. 5 SZ 58/39 auch zum Weiteren. 6 SZ 58/39. 7 I4/1/33: Anspruchskonkurrenz.
Fall 41: „Der säumige Käufer“ (P. Apathy)
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sei. Daher könnte K auch gegenüber der B-Bank Einwendungen aus dem Kauf erheben, insb wirkte sich ein Rücktritt vom Kaufvertrag auch auf den Aufwandersatzanspruch aus8. Ein solcher Rücktritt ist jedoch, wie bereits unter I festgestellt, nicht erfolgt. Die oben zum Terminsverlust und zur Anspruchsminderung bei Verwertung des Kfz durch die B-Bank gemachten Aussagen treffen für den Anspruch nach § 1014 gleichfalls zu. Darüber hinaus muss sich die B-Bank den aus der vorzeitigen Rückzahlung des kreditierten Aufwandersatzanspruchs resultierenden Zinsvorteil anspruchsmindernd anrechnen lassen.
8 OGH SZ 58/39.
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Dritter Teil: Fälle zum Schuldrecht Besonderer Teil
2. Schenkungsvertrag Fall 42: „Familienzwist“ Sachverhalt1 Als Franz von der Möglichkeit erfuhr, das Grundstück 2977/2 zu erwerben, wozu ihm aber die Mittel fehlten, sprach er darüber auch mit seiner Mutter (M). M wollte in der Öffentlichkeit nicht als Käuferin auftreten. Familienintern wurde daher vereinbart, dass Franz beim Kauf zwar offiziell als Käufer aufscheinen, aber nur Treuhänder für M sein solle, die den Kaufpreis zahlte; auf diesem Grundstück sollte nach den Plänen von M eines ihrer fünf Kinder ein Haus bauen. Damals stand jedoch noch nicht fest, welchem Kind sie den Grund überlassen werde. Franz wurde als Eigentümer ins Grundbuch eingetragen. Als Jahre später Fritz ein Haus zu bauen beabsichtigte, schenkte ihm M das Grundstück 2977/2. Fritz teilte dies auch Franz mit, der sich vorerst nicht dagegen aussprach. Später fuhr Fritz mit seiner Familie und M zum Grundstück. Bei der Besichtigung erklärte M neuerlich, dass sie Fritz das Grundstück nunmehr schenke; telefonisch setzte sie Franz davon in Kenntnis und forderte ihn auf, das Grundstück seinem Bruder Fritz mittels Schenkungsvertrags zu übereignen, der dies verweigert und daher von Fritz geklagt wird. Hat die Klage Erfolg? Lösung Vorüberlegungen: Das Grundstück 2977/2 gehört Franz und nicht der Treugeberin M (I3/9/9 f). Wenn daher M das Grundstück dem Fritz schenkt, so handelt es sich um eine Schenkung durch die Nichteigentümerin. Da Fritz davon Kenntnis hat, haftet ihm M nicht nach § 945 ABGB (III3/2/7; II3/3/133). Das Fehlen eines Notariatsaktes stellt zwar insofern kein Problem dar, als man eine außerbücherliche Übergabe des Grundstücks (etwa bei dessen Besichtigung durch Fritz und M) annehmen kann (III3/2/5). Allerdings verschafft eine solche Schenkung dem Fritz nur einen Erwerbstitel gegenüber M, nicht auch einen unmittelbaren Anspruch gegen Franz. Einen solchen unmittelbaren Anspruch erlangt Fritz hingegen, wenn man eine Schenkung des Herausgabeanspruchs der Treugeberin gegenüber dem Treuhänder annimmt2. Daher ist zu prüfen: Anspruch des Fritz gegen Franz auf Einwilligung in die Einverleibung des Eigentumsrechts gem § 1009 iVm §§ 938, 1392 ABGB. Voraussetzung für diesen Anspruch ist, dass M von Franz die Herausgabe des Treuguts, also des Grundstücks 2977/2, verlangen könnte und diese 1 Erstellt auf Grund von OGH JBl 2001, 313; Themenschwerpunkt: Schenkung einer Forderung; Treuhand; Zession. 2 So OGH JBl 2001, 313.
Fall 42: „Familienzwist“ (P. Apathy)
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Forderung schenkungsweise auf Fritz übertragen (abgetreten) hat. Dies erfordert einen gültigen Titel (Schenkung) und ein wirksames Verfügungsgeschäft (Zession). Franz hat zwar das Grundstück gekauft, doch steht dies der Annahme einer Treuhand nicht entgegen; denn Treuhänder wird nicht nur, wem der Treugeber unmittelbar das Treugut übereignet, sondern auch derjenige, der im Auftrag und auf Rechnung des Treugebers das Treugut von einem Dritten erwirbt3. Da M den Kaufpreis für das Grundstück bezahlt hat, ist dessen Erwerb durch Franz auf ihre Rechnung erfolgt. Dass die Initiative zum Erwerb des Grundstücks nicht von M, sondern von Franz ausgegangen ist, steht der Beurteilung des Verhältnisses zwischen M und Franz als Auftragsverhältnis nicht entgegen. Ein Beauftragter hat aber gem § 1009 allen aus dem Geschäfte entspringenden Nutzen dem Auftraggeber zu überlassen (III3/5/7). Da der Treugeber bei der fremdnützigen Treuhand das Geschäftsbesorgungsverhältnis jederzeit beenden kann (§ 1020; III3/5/12), selbst wenn es sich um ein Dauerschuldverhältnis handelt4, könnte M die sofortige Herausgabe5 und Übereignung des Treuguts von Franz verlangen. Nach dem Sachverhalt wollte M das Grundstück dem Fritz schenken, doch ist bei der Auslegung eines Vertrages entsprechend § 914 nicht am buchstäblichen Ausdruck zu haften, sondern die Absicht der Parteien zu erforschen. M hätte unzweifelhaft die Herausgabe (Übereignung) des Grundstücks von Franz verlangen und es dann Fritz übereignen können; sie wollte aber in Abrede mit Fritz, dass dieser direkt von Franz Eigentum erwirbt. Auch wenn die Vorstellung, Franz solle das Grundstück dem Fritz schenken, nicht zielführend ist, weil der Treuhänder zur Herausgabe des Treuguts, aber nicht dazu verpflichtet ist zu schenken, entspricht eine Auslegung der zwischen M und Fritz getroffenen Vereinbarung als Schenkung der Forderung auf Herausgabe und Übereignung des Grundstücks der Absicht der Parteien. Die Formpflicht für Schenkungsverträge ohne Übergabe nach § 1 Abs 1 lit d NotAktG (III3/2/6) steht dem nicht entgegen, weil die Schenkung einer Forderung samt Verständigung des Schuldners durch den Schenker und Zedenten von Rsp6 und Lehre7 als eine Schenkung mit wirklicher Übergabe angesehen wird, ein wirksamer Titel und der Akt der Verfügung mithin vorliegen. Fritz kann daher von Franz die Einwilligung in die Einverleibung verlangen.
3 4 5 6 7 § 943
OGH JBl 1954, 619; Strasser in Rummel3 § 1002 Rz 42k. Strasser in Rummel3 §§ 1020–1026 Rz 2; Apathy in Schwimann3 § 1020 Rz 1. OGH JBl 2001, 313. OGH JBl 1970, 424; 1984, 378; 2001, 313. II3/5/28; III3/2/5; Binder in Schwimann3 § 943 Rz 24; Bollenberger in KBB2 Rz 7; Schubert in Rummel3 § 943 Rz 4.
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Dritter Teil: Fälle zum Schuldrecht Besonderer Teil
3. Werkvertrag Fall 43: „Das misslungene Hallendach“ Sachverhalt1 B bestellte bei W ein Dach für seine Möbelausstellungshalle, wobei B die Pläne beistellte. Das Dach war auf die Höchstbelastung von 200 kg/m2 ausgerichtet; nach der Regelwetterkarte hätte die Belastbarkeit doppelt so groß sein müssen. Nach starken Schneefällen führte Wassereintritt zu Schäden an ausgestellten Möbeln. B ließ von F das Dach so umgestalten, dass es der zu erwartenden Schneelast entsprach. B verlangt von W den Ersatz dieser Kosten sowie der Wertminderung der ausgestellten Möbel. Mit Recht? Lösung I. Anspruch des B gegen W auf Ersatz des Schadens an den ausgestellten Möbeln gem §§ 1168a S 3, 1332 ABGB. Voraussetzung für diesen Anspruch ist die rechtswidrige und schuldhafte Schädigung des B durch ein adäquat kausales Verhalten des W, insb dadurch, dass W die Warnpflicht verletzt, die ihn als Werkunternehmer trifft (III3/3/8). Dass W einen Schaden an den ausgestellten Möbeln erlitten hat, ergibt sich aus dem Sachverhalt. W schuldet als Werkunternehmer einen Erfolg, uz ein tragfähiges Dach (mit den vereinbarten Eigenschaften). Da er diesen Erfolg nicht erbracht und damit den Schaden verursacht hat, haftet er für Schadenersatz, sofern er sich nicht entsprechend § 1298 entlasten kann (III3/13/37). Dazu genügt nicht schon der Nachweis, die Pläne für das Dach habe der Werkbesteller B beigestellt und W habe das Dach entsprechend diesen Plänen errichtet. Vielmehr trifft den Werkunternehmer die Pflicht, den Besteller zu warnen, wenn er als Fachmann (§ 1299) erkennen muss, dass diese Pläne der zu erwartenden Schneelast nicht Rechnung tragen und daher ihre Umsetzung zum Misslingen des Werkes führen2. Unterlässt er diese Warnung, ohne gem § 1298 nachzuweisen, dass er bei gehöriger Sorgfalt die Untauglichkeit der Pläne nicht kennen musste3, so handelt er rechtswidrig und mangels gegenteiliger Anhaltspunkte im Sachverhalt auch schuldhaft (§ 1297). Hätte er gewarnt, so hätte B das Hallendach entsprechend den auftretenden Schneelasten errichten lassen und die ausgestellten Möbel wären unbeschädigt, so dass W den Schaden an den Möbeln rechtswidrig und schuldhaft verursacht hat (Mangelfolgeschaden). Dass § 1168a den Eintritt derartiger Schäden verhindern will (III3/13/26) ist 1 Erstellt auf Grund von OGH wbl 1987, 119; Themenschwerpunkt: Verletzung der Warnpflicht. 2 OGH wbl 1987, 119; M. Bydlinski in KBB2 § 1168a Rz 7. 3 Reischauer in Rummel2 § 1298 Rz 19.
Fall 44: „Im Urlaub gestolpert“ (P. Apathy)
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ebenso wenig zu bezweifeln wie die Zurechnung des Schadens im Hinblick auf die Adäquanz (III3/13/11). W hat daher die Differenz zwischen dem Wert der Möbel vor und nach dem Wassereintritt zu ersetzen. II. Anspruch des B gegen W auf Ersatz der Kosten für die Errichtung eines tragfähigen Daches durch F gem § 1168a S 3 ABGB Die Voraussetzungen für diesen Anspruch entsprechen denen für den Anspruch unter Z I. Hätte W den B pflichtgemäß gewarnt, so hätte dies freilich nicht die Folge gehabt, dass W zu denselben Bedingungen (insb zu demselben Werklohn) ein entsprechend tragfähiges Dach hätte errichten müssen. Daher haftet W auch nicht auf das Erfüllungsinteresse. Vielmehr hat W nur den Vertrauensschaden, also den frustrierten Aufwand (Kosten der Errichtung entsprechend den ungeeigneten Plänen) und die Kosten der Entfernung des mangelhaften Daches, rechtswidrig und schuldhaft verursacht4.
Fall 44: „Im Urlaub gestolpert“ Sachverhalt1 J buchte im Reisebüro A für sich und seine Ehefrau K für die Zeit vom 21. 3. bis zum 14. 4. 2005 eine von Urlaubsreisen B veranstaltete Flugpauschalreise nach Trinidad zum Preis von € 1990. Im von J unterfertigten Buchungsformular wird auf die Allgemeinen Reisebedingungen verwiesen, in denen es unter anderem heißt: „Derjenige, der für sich oder für Dritte eine Buchung vornimmt, gilt damit als Auftraggeber und übernimmt mangels anderweitiger Erklärung die Verpflichtungen aus der Auftragserteilung gegenüber dem Reisebüro (Zahlungen, Rücktritt vom Vertrag usw.)“. J hat den Reisepreis beim Abholen der Reiseunterlagen einer Reisebüroangestellten bezahlt. K und J trafen am 21. 3. nach 23.00 Uhr im Hotel C ein. Am nächsten Vormittag fand ein Begrüßungscocktail des Reiseveranstalters im benachbarten Hotel D statt, an dem K und J teilnahmen. Als sie hiernach die Rezeption ihres Hotels aufsuchen wollten, stolperte K in der Hotelhalle über eine auf dem Weg zur Rezeption befindliche Stufe, die infolge des glänzenden Steinbodens und des Lichteinfalls nur schwer zu erkennen war. Sie kam zu Fall und zog sich eine Sprunggelenkverletzung zu, welche in der internationalen Klinik in Trinidad behandelt werden musste. Sie trug während des ganzen Urlaubs einen Gipsverband. Wie ist die Rechtslage? 4 OGH wbl 1987, 119; III3/3/8; Rebhahn in Schwimann3 § 1168a Rz 33; Krejci in Rummel3 § 1168a Rz 35. 1 Erstellt auf Grund von OLG Düsseldorf NJW-RR 2003, 59 = RRa 2003, 14; Themenschwerpunkte: Reisevertragsrecht, Gewährleistung, Verschuldenshaftung (aus Delikt, aus Vertrag), Erfüllungsgehilfenhaftung.
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Dritter Teil: Fälle zum Schuldrecht Besonderer Teil
Lösung Vorüberlegungen zur Aktiv- und Passivlegitimation: Im vorliegenden Fall handelt es sich zweifellos um eine Reiseveranstaltung iSv § 31b KSchG, da die „Pauschalreise“ zumindest Flug und Hotel (vgl § 31b KSchG lit a und lit b) umfasst und zum Gesamtentgelt von € 1990 angeboten wird. Somit sind die §§ 31b – 31f KSchG grundsätzlich anwendbar (III3/3/19). Es stellt sich aber die Frage, wer die Vertragsparteien des Reisevertrags sind. Vertragspartner sind der Reisende, der den Vertrag selbst oder durch einen Stellvertreter abgeschlossen hat, und der Veranstalter, nicht hingegen der Vermittler (III3/3/20). Auf der einen Seite kommen J und K, auf der anderen Seite das Reisebüro A und Urlaubsreisen B in Betracht. J hat die Reise für sich und seine Ehefrau K gebucht. Damit ist J jedenfalls Vertragspartei geworden und gleichzeitig Reisender iSv § 31b Abs 2 Z 3 KSchG. Problematisch ist die Rechtsstellung der mitreisenden Ehefrau. Diese könnte Vertragspartei sein, wenn J als ihr direkter Stellvertreter gehandelt hat. Dagegen spricht allerdings die Formulierung der ARB: „Derjenige, der für sich oder für Dritte eine Buchung vornimmt, gilt damit als Auftraggeber und übernimmt mangels anderweitiger Erklärung die Verpflichtungen aus der Auftragserteilung gegenüber dem Reisebüro (Zahlungen, Rücktritt vom Vertrag usw.).“ Dies weist eher darauf hin, dass der Buchende grundsätzlich in eigenem Namen als indirekter Stellvertreter den Vertrag abschließt. Auch das LGZ Wien hat in einer Entscheidung2 ausgeführt, dass im Allgemeinen von einem Handeln im eigenen Namen auszugehen sei, wenn jemand eine Reiseveranstaltung nicht nur für sich sondern auch für einen ihm persönlich Nahestehenden bucht. Auch sind im Sachverhalt keine deutlichen Hinweise dafür zu erkennen, dass J als direkter Stellvertreter der A aufgetreten wäre. Der bloße Umstand, dass J eine Reise bucht und sich und seine Ehefrau als Reiseteilnehmer bezeichnet, macht die Ehefrau nicht zur Vertragspartei des Reisevertrages3. Damit ist nur J Vertragspartner. Allerdings wird im Bezug auf die Ehefrau der Reisevertrag wohl als echter Vertrag zugunsten Dritter (§ 881 ABGB) anzusehen sein4, weil die Reiseleistung zu ihrem Vorteil gereichen soll. Jedenfalls stehen dem Reisenden, der nicht Vertragspartner, sondern bloß Mitreisender ist, Schadenersatzansprüche unter dem Gesichtspunkt eines Vertrags mit Schutzwirkung zugunsten Dritter zu (III3/13/30). Weiters stellt sich die Frage, ob das Reisebüro A bloß als Vermittler des Reisevertrags fungiert oder als Veranstalter anzusehen ist. Unter Reisevermittlung ist die Herbeiführung eines Vertragsabschlusses über eine Reiseveranstaltung oder eine einzelne Reiseleistung durch einen Dritten zu verstehen5. Ob jemand als Vermittler oder Veranstalter anzusehen ist, be2 ZVR 1991/106; ferner Bläumauer, Reiserecht (2000) 9; OGH ZVR 2007/141. 3 OLG Düsseldorf NJW-RR 1990, 186. 4 Apathy in Schwimann3 § 31b KSchG Rz 7; Bläumauer, Reiserecht 9 f; Mayrhofer in Klang3 § 31b KSchG Rz 17; Zechner, Reisevertragsrecht (1989) Rz 301; OLG Düsseldorf NJW-RR 1990, 186. 5 OGH RdW 1995, 382; Kathrein in KBB2 § 31b KSchG Rz 4; Mayrhofer in Klang3 § 31b Rz 14.
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stimmt sich nach dem Auftreten gegenüber dem Reisenden (III3/3/20). Im vorliegenden Fall ist das Reisebüro zweifellos als Vermittler zu qualifizieren; es erbringt keine Reiseleistungen, sondern stellt die Vertragsbeziehung mit dem Reiseveranstalter Urlaubsreisen B her. Der Reisevermittler haftet nicht für Mängel der vermittelten Leistung6. Daher sind die im Folgenden zu prüfenden Ansprüche gegen B zu richten. I. Anspruch der K gegen das Hotel C auf Schadenersatz gemäß § 1325 ABGB Voraussetzung für den Anspruch ist, dass K eine Körperverletzung erlitten hat, die durch ein C zurechenbares rechtswidriges und schuldhaftes Verhalten herbeigeführt worden ist. K hat sich eine Sprunggelenkverletzung zugezogen, die in der internationalen Klinik in Trinidad behandelt werden musste; sie trug während des ganzen Urlaubs einen Gipsverband. A wird daher Schmerzengeld, Ersatz für entgangene Urlaubsfreuden (§ 31e Abs 3 KSchG) und allfällige sonstige Schäden fordern. K stand mit C in keiner Vertragsbeziehung. Es bestand lediglich ein Vertrag zwischen J und B zugunsten der K und zudem ein Vertrag zwischen B und C. Ein deliktischer Schadenersatzanspruch richtet sich gemäß § 48 IPRG nach dem Recht des Staates, in dem das den Schaden verursachende Verhalten gesetzt worden ist (VII/15/28). Hier ist der Schaden in Folge eines Sturzes über eine in der Hotelhalle des Hotels C befindlichen Stufe, die in Folge des glänzenden Steinbodens und des Lichteinfalls nur schwer zu erkennen war, entstanden. Auslösend war also das (möglicherweise) unzureichende Absichern der Stufe (etwa durch ein Warnschild oder eine farbige Markierung). Bei Unterlassungen könnte man an jenen Ort anknüpfen, wo eine Handlungspflicht bestanden hätte7. Dies wäre freilich ein Zirkelschluss: Um überhaupt feststellen zu können, ob eine Handlungspflicht besteht, ist ja schon notwendig zu wissen, nach welcher Rechtsordnung eine Prüfung vorzunehmen ist8. Bei Verkehrsicherungspflichten ist jenes Recht maßgebend, wo sich die Gefahrenquelle befindet9 – daher ist hier das Recht von Trinidad maßgebend. Eine weitere Prüfung des Anspruchs nach dem Recht von Trinidad unterbleibt in diesem Zusammenhang. Man könnte noch überlegen, ob der Vertrag zwischen B und C als Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten der K anzusehen ist10. Nimmt man das an, so stellt sich wiederum die Frage der Anknüpfung. Hier ist strittig, ob jenes Recht maßgeblich sein soll, dem das Vertragsverhältnis zwischen dem B und C unterliegt oder ob wie für deliktische Schadenersatzansprü6 7 8 9 10
RdW 1995, 382. Verschraegen in Rummel3 § 48 IPRG Rz 23. Koziol, Haftpflichtrecht I3 Rz 19/30. Koziol, Haftpflichtrecht I3 Rz 19/31. Vgl Apathy in Schwimann3 § 31b KSchG Rz 9.
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che anzuknüpfen ist11. Beides führt grundsätzlich12 zur Anwendung des Rechts von Trinidad (Art 4 EVÜ; § 48 IPRG). II. Anspruch der K gegen B auf Schadenersatz 1. Schmerzengeld gem § 1325 ABGB Voraussetzung für den Anspruch ist, dass K eine Körperverletzung erlitten hat (dazu oben I), die durch ein B zurechenbares rechtswidriges und schuldhaftes Verhalten herbeigeführt worden ist. Da der Vertrag zwischen J und B ein Vertrag (mit Schutzwirkung) zugunsten von K ist, kommen die Grundsätze der Vertragshaftung, insb die §§ 1298 und 1313a zur Anwendung. Der Reiseveranstalter ist verpflichtet, die Reiseleistung so zu erbringen, dass sie nicht mit Fehlern behaftet ist. Soweit der Reisevertrag keine besonderen Angaben zur Beschaffenheit einer Reiseleistung enthält, ist die nach allgemeiner Verkehrsauffassung gewöhnliche Beschaffenheit der Reiseleistung zu erwarten (§ 922). Der Reiseveranstalter hat dafür zu sorgen, dass der Reisende durch die Erbringung der Reiseleistung weder an seiner Person noch an seinen sonstigen Rechtsgütern geschädigt wird13. Im konkreten Fall entstand die Körperverletzung in Folge eines Sturzes über eine in der Hotelhalle des Hotels C befindlichen Stufe, die in Folge des glänzenden Steinbodens und des Lichteinfalls nur schwer zu erkennen war. Ein Hotel mit einer derart gefährlichen Stufe ohne Absicherung entspricht wohl nicht dem vertraglich Vereinbarten. Zwar sind länderspezifische Unterschiede und Besonderheiten zu berücksichtigen, doch kann wohl auch bei einem Hotel in Trinidad von einer insoweit sicheren Hotelanlage ausgegangen werden. Wäre freilich die Stufe durch eine Markierung oder ähnliches deutlich gekennzeichnet gewesen, so wäre K nicht gestürzt und kein Schaden eingetreten. Es gilt zu untersuchen, ob sich der Reiseveranstalter objektiv sorgfaltswidrig verhalten hat. Hier sind zwei Ansatzpunkte denkbar: Erstens ein rechtswidriges Verhalten von Mitarbeitern des C, das B über § 1313a zurechenbar ist, und zweitens eine Sorgfaltswidrigkeit der Mitarbeiter von B. Nach deutscher Rechtssprechung14 haben Reiseveranstalter bei den von ihnen veranstalteten Reisen Verkehrsicherungspflichten zu beachten. Indem der Reiseveranstalter fremde Reiseleistungen als eigene anbietet, eröffne er im Rahmen seiner Gewerbeberechtigung eine Gefahrenquelle für Dritte. Daher müsse er sich vergewissern, ob die Hotels, die er anbietet, über einen ausreichenden Sicherheitsstandard verfügen. Dabei genüge eine einzige Kontrolle bei Vertragsschluss nicht. Vielmehr müsse regelmäßig überprüft werden, ob von den Einrichtungen des Hotels keine Gefahren für die Reisenden ausgehen. Folgt man dieser Auffassung, so lässt sich hier 11 Vgl Koziol, Haftpflichtrecht I3 Rz 19/13 f; Verschraegen in Rummel3 § 48 IPRG Rz 42. Zur Produzentenhaftung siehe VII/15/28. 12 Rechtswahl ist dem Sachverhalt nicht zu entnehmen. 13 Bläumauer, Reiserecht 15. 14 OLG Düsseldorf, NJW-RR 2003, 59; weitere Nachweise bei Bläumauer, Reiserecht 124 FN 367 und 125 FN 368.
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bereits eine Rechtswidrigkeit von B erblicken; jedenfalls ergeben sich aus dem Sachverhalt keine Anhaltspunkte, dass B entsprechende Kontrollen durchgeführt hat. Daneben ist von Bedeutung, dass C dem B als Erfüllungsgehilfe nach § 1313a zurechenbar ist15. Ein objektiv sorgfältiger Hotelier hätte sicherlich eine so gefährliche (schlecht sichtbare) Stufe gekennzeichnet oder zumindest ein Warnschild aufgestellt. Er hätte diese Gefahrenquelle jedenfalls abgesichert. Zu überlegen ist noch, ob K Mitverschulden (Sorglosigkeit in eigenen Angelegenheiten: III3/13/64) trifft. Dabei ist daran zu denken, dass K sich in der ihr nicht vertrauten Hotelhalle achtsamer bewegen hätte sollen. Bei Anwendung der gewöhnlichen Sorgfalt hätte sie die Stufe wohl erkennen und den Sturz und damit die Körperverletzung vermeiden können. Das OLG Düsseldorf16 ging im vorliegenden Fall von einem Mitverschulden von 50% aus. Auch der OGH17 hat eine Schadensteilung von 1 : 1 angenommen zwischen einer Person, die einen ihr unbekannten, nicht ausreichend beleuchteten Raum betrat und so unvorsichtig weiterging, dass sie dort stürzte und dem für das Gebäude Verantwortlichen, der diese Kellerstiege weder durch Beleuchtung noch anders gegen eine Absturzmöglichkeit abgesichert hat. Daher kann K nur die Hälfte des nach dem Sachverhalt nicht weiter bezifferbaren Schadens ersetzt verlangen. 2. Ersatz für entgangene Urlaubsfreude gem § 31e KSchG Voraussetzung für den Schadenersatzanspruch wegen entgangener Urlaubsfreude ist, dass der Reiseveranstalter (oder dessen Erfüllungsgehilfe) einen erheblichen Teil der vertraglich geschuldeten Leistung schuldhaft nicht erbracht hat (III3/3/23). Dass dem Reiseveranstalter B gem § 1313 zurechenbare Mitarbeiter von C sorgfaltswidrig gehandelt haben, wurde bereits unter Z 1 geprüft. § 31e Abs 3 KSchG gewährt einen Anspruch auf Ersatz dieses immateriellen Schadens nur dann, wenn der Reiseveranstalter einen erheblichen Teil der vertraglich geschuldeten Leistung nicht erbracht hat. Nach P. Bydlinski 18 kommt es für die Beurteilung der Erheblichkeit auf die Auswirkungen der Nicht- bzw Schlechterfüllung auf die gesamte Reise an. Es genüge gegebenenfalls eine verdorbene Mahlzeit, um eine Ersatzpflicht zu begründen. Ebenso sollte es daher im vorliegenden Fall genügen, dass infolge des mangelhaften Hotelzustandes (fast) der gesamte Urlaub verdorben wurde. Dies ist zweifellos der Fall, da K die Verletzung am ersten Tag erlitten hat und danach den ganzen Urlaub einen Gipsverband tragen musste. Es stellt sich noch die Frage, wie hoch dieser Anspruch zu bemessen ist. § 31e Abs 3 KSchG gibt dazu allgemeine Angaben, wobei es insbesondere auf die Dauer und Schwere des Mangels, den Verschuldensgrad, den vereinbarten Reisezweck und die Höhe des Reisepreises ankommen soll. 15 16 17 18
III3/3/20; Apathy in Schwimann3 § 31b KSchG Rz 9; SZ 66/69. NJW-RR 2003, 59. JBl 1970, 372; vgl auch ZVR 1984/280. JBl 2004, 66; zustimmend Apathy in Schwimann3 VI § 31e KSchG Rz 21.
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Nach den Gesetzesmaterialien19 bestehen keine Bedenken dagegen, der Bemessung Pauschalbeträge pro Tag zugrunde zu legen, „etwa 50 bis 60 Euro pro Tag, wie es die Entscheidung des LG Linz20 ... nahe legt“. Diese Beträge können je nach den Umständen des Einzelfalls über- oder unterschritten werden. Riedler 21 schlägt hingegen vor, dem Berechnungsmodell von Führich22 zu folgen, bei dem sich der Schadenersatzanspruch nach dem Reisepreis, den vertanen Urlaubstagen und der Minderungsquote bemisst. Eine Preisminderung ist im vorliegenden Fall freilich problematisch (dazu unten IV). Jedenfalls sollten die nach § 31e gebührenden Beträge in einem angemessenen Verhältnis zur Schmerzengeldbemessung durch die Judikatur stehen23. III. Anspruch des J gegen B auf Schadenersatz gemäß § 31e KSchG Voraussetzung für den Schadenersatzanspruch des J wegen entgangener Urlaubsfreude ist, dass auch er durch die rechtswidrige und schuldhafte Verletzung von Vertragspflichten geschädigt worden ist. J ist zwar nicht selbst gestürzt, doch ist auch seine Reise beeinträchtigt, da er sich um seine Frau kümmern und Hilfestellungen leisten musste und weil auch kein gemeinsames Schwimmen und keine gemeinsamen Spaziergänge etc möglich waren24. Das LG Linz25 hat dazu in einem Fall, in dem die Tochter auf Grund einer mit Salmonellen verseuchten Mahlzeit erkrankt ist, Folgendes ausgeführt: Die Eltern sowie ihre Kinder hätten auf der Grundlage der Buchung des Familienurlaubs Anspruch darauf, dass eine gesundheitliche Beeinträchtigung der mitreisenden Familienmitglieder im Rahmen der vertraglichen Schutz- und Sorgfaltspflichten unterbleibt. Der Pauschalreisevertrag habe einen Familienerholungsurlaub zum Inhalt. Die Erholung im Familienverband stehe als Vertragszweck im Vordergrund. Der Reiseveranstalter verpflichte sich unmittelbar gegenüber den Vertragspartnern zur Zielerreichung. Da die Tochter aus einem dem Reiseveranstalter zurechenbaren Verschulden erkrankt ist, liege damit auch eine Vertragspflichtverletzung gegenüber den Eltern vor, sodass ihnen ein unmittelbarer Schadenersatzanspruch ex contractu gebühre. Hingegen hat das OLG Düsseldorf im vorliegenden Fall eine Entschädigung wegen entgangener Urlaubsfreude verneint, weil es insoweit an einer „erheblichen Beeinträchtigung“ der Reise fehle. Zu bedenken ist jedenfalls, dass für J der Urlaub keinesfalls in gleichem Maße beeinträchtigt war, wie für K; zudem wird man ihm die Sorglosigkeit seiner Frau in eigenen Angelegenheiten anspruchsmindernd anrechnen müssen (vgl § 7 Abs 2 EKHG; III3/13/66). 19 20 21 22 23 Rz 46. 24 25
Mat RV 173 BlgNR 22. GP 23. ZVR 2002/69. RZ 2003, 274. Reiserecht4 § 11 Rz 352b. Apathy in Schwimann3 VI § 31e KSchG Rz 22; Mayrhofer in Klang3 § 31b OLG Düsseldorf, NJW-RR 2003, 59. ZVR 2002/69; dazu P. Bydlinski, JBl 2004, 66.
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IV. Anspruch des J gegen B auf Rückzahlung eines Teiles des Reisepreises gem § 1435 ABGB iVm § 932 ABGB Voraussetzung für die condictio causa finita ist, dass die Zahlung des Reisepreises teilweise rechtsgrundlos geworden ist, weil der Reisende wegen der mangelhaften Vertragserfüllung Preisminderung verlangen kann. J hat als Vertragspartei in eigenem Namen eine Leistung, und zwar die Zahlung von € 1990, an B erbracht. Zur Geltendmachung von Gewährleistungsrechten (Recht auf Preisminderung) ist nicht K, sondern der Vertragspartner, also J berechtigt26. Die Gewährleistungsbehelfe richten sich beim Reisevertrag gegen den Veranstalter und nicht gegen den Vermittler. Im vorliegenden Fall kommt Preisminderung in Betracht. Verbesserung ist ja einerseits nach dem Ende der Reise nicht mehr möglich, andererseits hätte auch eine Verbesserung nach dem Stolpern von K in der Hotelhalle an der Situation nichts geändert. Die Problematik der Rügepflicht (III3/3/23) stellt sich daher im vorliegenden Fall von vornherein nicht. Gewährleistung setzt das Vorliegen eines Mangels voraus. Ob die erbrachte Leistung mangelhaft ist, bestimmt sich nach dem Inhalt des konkreten Vertrags. Soweit der Reisevertrag keine besonderen Angaben zur Beschaffenheit einer Reiseleistung enthält, ist die nach allgemeiner Verkehrsauffassung gewöhnliche Beschaffenheit der Reiseleistung zu erwarten. Der Reiseveranstalter hat dafür zu sorgen, dass der Reisende durch die Erbringung der Reiseleistung weder an seiner Person noch an seinen sonstigen Rechtsgütern geschädigt wird. Ein Hotel mit einer derart gefährlichen Stufe ohne Absicherung entspricht wohl nicht dem vertraglich Vereinbarten. Zwar sind länderspezifische Unterschiede und Besonderheiten zu berücksichtigen, doch kann wohl auch bei einem Hotel in Trinidad von einer sicheren Hotelanlage ausgegangen werden. Das OLG Düsseldorf ist im vorliegenden Fall daher davon ausgegangen, dass ein Recht auf Preisminderung bestehe. Wollte man dem folgen, so stellt sich die Frage, ob etwa auch die anderen Gäste, die nicht gestürzt sind, berechtigt sein sollen, einen Teil des Reisepreises zurückzufordern? Sie sind ja ebenfalls in einem „mangelhaften“ Hotel untergebracht worden. Auffällig ist ferner, dass in der Frankfurter Tabelle27 keine derartigen Mängel aufgelistet sind. Gegen ein Preisminderungsrecht im vorliegenden Fall spricht, dass es sich bei der vom Erfüllungsgehilfen des B verletzten Verkehrssicherungspflicht um eine nichtäquivalente Nebenpflicht handelt. Bei der Verletzung derartiger Pflichten besteht aber nach hA kein Recht, vom Vertrag teilweise zurückzutreten (II3/3/30). Dementsprechend ist auch eine Preisminderung in diesen Fällen abzulehnen28. 26 Zechner, Reisevertragsrecht Rz 223. 27 Zu deren Relevanz für Österreich siehe Apathy in Schwimann3 VI § 31e KSchG Rz 16. 28 Apathy in Schwimann3 VI § 31e KSchG Rz 16; so auch LG Frankfurt NJW 1983, 2264.
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4. Auftrag Fall 45: „Anwaltskosten des GmbH-Geschäftsführers“ Sachverhalt1 K war bis nach Eröffnung des Konkurses am 24.11.2000 handelsrechtlicher alleinvertretungsbefugter Fremdgeschäftsführer der „D C GmbH“. Wegen dieser Tätigkeit wurde gegen K vor dem Landesgericht für Strafsachen W ein Verfahren wegen grob fahrlässiger Beeinträchtigung von Gläubigerinteressen nach § 159 StGB2 durchgeführt, welches im Jahr 2007 mit einem rechtskräftigen Freispruch endete. Die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Kosten anwaltlicher Vertretung beliefen sich auf € 10.000. Weiters wurde K von der Konkursgläubigerin „Apotheke KG“ vor dem Handelsgericht W auf € 70.000 mit der Begründung geklagt, dass er es als Geschäftsführer schuldhaft unterlassen habe, fristgerecht einen Antrag auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens für die „D C GmbH“ zu stellen3 und andererseits in Kenntnis der Überschuldung neue Verbindlichkeiten gegenüber der „Apotheke KG“ eingegangen sei. Auch diese Klage wurde im Jahr 2007 rechtskräftig abgewiesen. Im Zivilprozess liefen K Anwaltskosten in der Höhe von € 40.000 auf. K meldete im Konkurs über das Vermögen der „DC GmbH“ seine Rechtsbeistandskosten in der Gesamthöhe von € 50.000 an, welche Forderung vom Masseverwalter B bestritten wurde. Mit Recht? Lösung Vorüberlegungen: Nach § 25 Abs 1 GmbHG hat der Geschäftsführer die Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmannes zu prästieren. K war als Fremdgeschäftsführer Angestellter der „D C GmbH“. Dennoch kommt ein (Regress)Anspruch des K gegen die „D C GmbH“ nach DHG (III/13/48) nicht in Betracht, da die Sonderhaftungsnorm des § 25 GmbHG die Anwendung des DHG für solche Dienstnehmer einer GmbH ausschließt, welche zugleich ihre Geschäftsführer sind4. Nach hA wird allerdings § 1014 ABGB 1 Angelehnt an die E des OGH JBl 2000, 530 mit Anm Kerschner unter Berücksichtigung der Änderung des § 159 StGB durch BGBl I 2000/58; Themenschwerpunkt: Risikohaftung des Auftraggebers. 2 Vgl § 159 StGB idF BGBl I 2000/58, wonach – im Gegensatz zur früheren Rechtslage – nur mehr grob fahrlässige Beeinträchtigung von Gläubigerinteressen strafbar ist. 3 Vgl § 69 KO, der als Schutzgesetz zugunsten der Gläubiger iSd § 1311 ABGB angesehen wird. 4 Vgl JBl 2000, 530 mit Anm Kerschner. Differenzierend Kerschner, DHG2 § 1 Rz 5.
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auf Tätigkeiten in fremdem Interesse – insb Arbeitsverhältnisse – analog angewendet5 (III/5/11). Anspruch des K gegen die Masse vertreten durch den Masseverwalter B auf Ersatz der Rechtsbeistandskosten in der Höhe von € 50.000 gem § 1014 ABGB Neben der verschuldensabhängigen Haftung des Geschäftsherrn für dem Beauftragten zugefügte Schäden statuiert § 1014 ABGB, dass der Geschäftsherr dem Geschäftsbesorger allen zur Besorgung des Geschäftes notwendigen und nützlichen gemachten Aufwand, selbst bei fehlgeschlagenem Erfolg, ersetzen muss, auf Verlangen zur Bestreitung der Barauslagen einen angemessenen Vorschuss zu leisten hat und auch „alle mit der Erfüllung des Auftrags verbundenen Schäden“ vergüten muss. Voraussetzung für die (zuletzt genannte) verschuldensunabhängige Risikohaftung des Auftraggebers sind weder Rechtswidrigkeit der Schadensverursachung noch Verschulden des Geschäftsherrn, sondern nur ein adäquater Kausalzusammenhang zwischen Geschäftsbesorgung und Schadensentstehung (ex causa mandati)6. Diese weitgehende Erfolgshaftung des Auftraggebers basiert auf dem Gedanken, dass der Auftragnehmer Geschäfte im Interesse des Auftraggebers besorgt, also in dessen Interesse handelt und daher billigerweise auch auf dessen Gefahr handeln soll. Der Auftraggeber haftet allerdings nur für typischerweise mit der Auftragsausführung verbundene Gefahren (Schaden ex causa mandati), für Schäden aus der Verwirklichung von atypischen (bei ex-ante-Beurteilung unwahrscheinlichen) Gefahren (Schäden ex occasione mandati) nur bei unentgeltlichem Auftrag (III/5/11). Im konkreten Fall ist daher zu prüfen, ob das Risiko einer (mit Freispruch endenden) Strafverfolgung oder einer (erfolglosen) zivilrechtlichen Inanspruchnahme eines Geschäftsführers zu dessen allgemeinem Lebensrisiko zählt oder aber typisches – spezifisches – Folgerisiko seiner „Auftragsdurchführung“ – seiner Geschäftsführertätigkeit – ist. Auch mit einer ordnungsgemäßen Geschäftsführertätigkeit ist regelmäßig das spezielle Risiko verbunden, unberechtigten (strafgerichtlichen) Verfolgungen oder aber (zivilrechtlichen) Inanspruchnahmen mit der unzutreffenden Begründung ausgesetzt zu sein, dass die Geschäftsführung eben keine ordentliche gewesen sei7. Handelt es sich aber um eine typische Gefahr des aufgetragenen Geschäfts, so muss auch die Haftung des Auftraggebers für die damit verbundenen Rechtsbeistandskosten bejaht werden. K hat somit einen Anspruch gegen die Masse (auf Bevorschussung) der Rechtsbeistandskosten in der Höhe von € 50.000. 5 P. Bydlinski in KBB2 § 1014 Rz 8; Apathy in Schwimann3 § 1014 Rz 1; Strasser in Rummel3 §§ 1014, 1015 Rz 10. 6 III/5/11. P. Bydlinski in KBB2 § 1014 Rz 7; Strasser in Rummel3 §§ 1014, 1015 Rz 10. 7 JBl 2000, 530 mit Anm Kerschner.
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Dritter Teil: Fälle zum Schuldrecht Besonderer Teil
5. Verwahrungsvertrag Fall 46: „Die entlaufenen Katzen“ Sachverhalt1 K gab B drei Perserkatzen im Gesamtwert von € 3.000 für 15 Monate in Pflege und Verwahrung und bezahlte von Oktober 2005 bis Dezember 2006 im Voraus vereinbarungsgemäß monatlich € 20 für Verwahrung und € 10 für Verpflegung. Ende November 2006 entliefen die Katzen durch ein zerbrochenes Fenster, welches durch einen wegen unfachmännischer Schlichtung umgefallenen Holzstoß beschädigt worden war. Am 1. Dezember 2006 forderte K vorzeitige Rückgabe der Katzen, worauf B den Verlust offenlegte. K fordert nun die Rückzahlung des gesamten geleisteten Entgelts in der Höhe von € 450 und die Bezahlung von € 3.000 aus dem Titel des Schadenersatzes, weil V den Geschäftszweck (Rückgabe der Katzen) wider Treu und Glauben verhindert hätte. Mit Recht? Lösung I. Anspruch des K gegen B auf Rückzahlung von € 450 gem § 1435 ABGB Voraussetzung der condictio causa finita ist, dass der Rechtsgrund für eine vom Bereicherungsgläubiger an den Bereicherungsschuldner erbrachte Leistung nachträglich weggefallen ist, sodass der Leistungsempfänger nicht mehr berechtigt ist, die Leistung zu behalten (III/15/9). In der Übergabe der Katzen in die Obsorge des B durch K liegt der Abschluss eines Verwahrungs(Real)vertrages iSd §§ 960 ff ABGB. In Erfüllung der daraus resultierenden Entgeltspflicht bezahlte K an B monatlich € 20 für Verwahrung und € 10 für Verpflegung, sodass diese Leistungen nicht rechtsgrundlos, sondern rechtmäßig, da vertraglich geschuldet, waren. Rechtsgrundlos wurde jedoch die Leistung durch das Rückgabeverlangen des K, der als Hinterleger gem § 962 ABGB das Recht hat, auch vor Ablauf der Verwahrungszeit Rückgabe der Sache zu verlangen. Dieses Rückgabeverlangen hat den Verwahrungsvertrag vorzeitig aufgelöst, sodass B keinen vertraglichen Anspruch auf die für Dezember 2006 geleisteten Verpflegungs- und Verwahrungskosten hatte. Die diesbezüglichen2 Zahlungen in 1 Angelehnt an die E des OGH EvBl 1995/8; Themenschwerpunkt: Pflichten des Verwahrers. 2 Dagegen geht der OGH in den E EvBl 1995/8 und 6 Ob 7/06g wegen Verletzung der Rückstellungspflicht offenbar von einem völligen Verlust des Entgeltsanspruches des B aus, doch spricht gegen diese Lösung im vorliegenden Sachverhalt die Teilbarkeit der Leistungen (Monatsentgelt) und die Tatsache, dass B bis Ende November 2006 ihre vertraglichen Pflichten korrekt erfüllt hat. Vgl auch Griss in KBB2 § 964 Rz 4; Schubert in Rummel3 § 964 Rz 1.
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der Gesamthöhe von € 30 waren damit rechtgrundlos und können von K kondiziert werden3. II. Anspruch des K gegen B auf Zahlung von € 3.000 gem §§ 964 iVm 1331 ABGB Voraussetzung für diesen Anspruch ist die rechtswidrige und schuldhafte Schädigung des K durch ein adäquat kausales Verhalten des B, insb dadurch, dass B seine vertragliche Verpflichtung zur unversehrten Rückgabe der verwahrten Sache verletzt hat, die ihn als Verwahrer nach § 961 ABGB trifft (III/6/4). K hat durch den Verlust der Katzen einen positiven (Sach)Schaden in der Höhe von € 3.000 erlitten. Haftungsansatzpunkt ist die schuldhafte Verletzung der vertraglichen Obsorgepflicht durch B. Da es um die Nichterfüllung der vertraglichen Verpflichtung zur Rückgabe der Sache geht (Erfolgsverbindlichkeit), greift die Beweislastumkehr des § 1298 Satz 1 ABGB ein, sodass es an B läge, zu beweisen, dass „er an der Erfüllung seiner vertragsmäßigen … Verbindlichkeit ohne sein Verschulden verhindert worden“ (§ 1298 Satz 1 ABGB) ist. Das objektiv sorgfaltswidrige Verhalten des B wird also vermutet (§ 1298 Abs 1 ABGB), zudem war lt Sachverhalt die Schlichtung des Holzstapels instabil, sodass das Handeln des B nicht dem Sorgfaltsmaßstab des § 1297 ABGB gerecht wurde. Das sorgfaltswidrige Verhalten des B lag im Herbeiführen und Aufrechterhalten dieser Gefahrenlage, die der instabile Holzstapel vor dem Fenster des Verwahrungsraumes bildete4. Dieses sorgfaltswidrige Verhalten des B war kausal für den Schadenseintritt iSd Äquivalenztheorie, da es nicht weggedacht werden kann, ohne dass der Schaden in seiner konkreten Gestalt entfiele. Der eingetretene Schaden liegt innerhalb der allgemeinen Lebenserfahrung (Adäquanz), da er nicht bloß aufgrund einer außergewöhnlichen Verkettung von unglücklichen Umständen eintrat, und liegt innerhalb des sachlichen, persönlichen und zeitlichen Rechtswidrigkeitszusammenhanges, da die von B verletzte Obsorgepflicht den Schutz der verwahrten Sachen bezweckt (vgl die verba legalia der §§ 961 und 964 ABGB). § 1298 Satz 1 ABGB vermutet leicht fahrlässiges Verhalten des B (III/13/37)5, der somit zur Zahlung der € 3.000 an K verpflichtet ist6.
3 Schubert in Rummel3 § 962 Rz 1. 4 Vgl EvBl 1995/8. 5 Koziol, Haftpflichtrecht3 I Rz 16/25; Riedler/Hubmer, JAP 2000/2001, 47. 6 Dabei ist zu beachten, dass die 30-Tagesfrist des § 967 ABGB zwar für Forderungen wegen Sachbeschädigung, nicht aber für Forderungen wegen Sachverlusts gilt (III/6/8).
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Dritter Teil: Fälle zum Schuldrecht Besonderer Teil
Fall 47: „Diebstahl des Mercedes und Reisegepäcks“ Sachverhalt1 Nach Absolvierung einer Jagdsafari in Afrika und eines Erholungsaufenthaltes in Spanien logierte K mit seiner Freundin V in der Nacht vom 7. bis 8. September 2006 im Hotel des B in Wien. Bei seiner Ankunft fragte K den Wagenmeister des B, ob in der Garage noch ein Platz frei sei und das Gepäck, das sich zT auch auf der Rückbank befand, im Wagen bleiben könne. Dieser bejahte beides, worauf K den Wagenschlüssel für seinen Mercedes 500 SL dem Wagenmeister übergab. Der Wagenmeister des B verständigte in der Folge ohne Wissen des K den Garagenmeister der A-Garage, der das Fahrzeug abholte und entsprechend den gesetzlichen Vorschriften unversperrt und mit steckendem Zündschlüssel in der A-Garage abstellte. Tags darauf fehlten sowohl der Mercedes des K im Wert von € 100.000 als auch der auf der Rückbank des Mercedes gelagerte Koffer der X im Wert von € 1.200, den K ausgeborgt hatte. K begehrt von B vollen Ersatz. Mit Recht? Lösung Anspruch des K gegen B auf Ersatz des entstandenen Schadens in Höhe von € 101.200 gem §§ 970 ff iVm 1331 ABGB K hat mit B einen Gastaufnahmevertrag geschlossen, sodass K schon wegen schuldhafter Verletzung der Obsorgepflicht Schadenersatzansprüche ex contractu zustehen könnten. Allerdings setzen diese Verschulden des B voraus. Fraglich ist jedoch, ob nicht ohnedies die besonderen (deliktischen und zT verschuldensunabhängigen) Haftungsbestimmungen der §§ 970 ff ABGB greifen. Gem § 970 ABGB haften Gastwirte, die Fremde beherbergen, als Verwahrer für die von den aufgenommenen Gästen eingebrachten Sachen, sofern sie nicht beweisen, dass der Schaden weder durch sie oder einen ihrer Leute verschuldet noch durch ein- und ausgehende Personen verursacht wurde. K hat einen Sachschaden in der Höhe von € 100.000 erlitten und ist auch zur Geltendmachung des Schadens der X aktivlegitimiert, der aus dem Verlust des Koffers der X resultiert, da die Gastwirtehaftung der §§ 970 ff ABGB eigene und fremde vom Gast eingebrachte Sachen erfasst (erlaubte Drittschadensliquidation; III/6/13). Die Haftung des Gastwirtes für eingebrachte Sachen ist zwar nach § 1 des BG über die Haftung der Gastwirte und anderer Unternehmer2 generell mit dem Höchstbetrag von € 1.100 limitiert, doch gilt dieses Haftungslimit nicht für Unternehmer von Stallungen und Aufbewahrungsräumen für die bei ihnen abgestellten Tiere und Fahrzeuge und auf diesen befindlichen Sachen (§ 1 Abs 2 leg cit). Daran ändert auch das Verbringen des Mercedes 1 Angelehnt an die E des OGH SZ 55/7 und ZVR 1999/12; Themenschwerpunkt: Gastwirtehaftung. 2 BGBl 1921/638 idgF BGBl I 98/2001.
Fall 47: „Diebstahl des Mercedes und Reisegepäcks“ (A. Riedler)
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in die A-Garage nichts3. Zudem gelten die betraglichen Haftungsbeschränkungen ohnedies nicht, wenn dem Gastwirt die Sachen besonders zur Verwahrung übergeben worden sind (§ 970a ABGB; § 1 Abs 1 BG über die Haftung der Gastwirte und anderer Unternehmer BGBl 1921/638 idgF; III/6/18). In casu wurde der Mercedes samt Schlüsseln dem Wagenmeister des B zur Verwahrung in der A-Garage übergeben, sodass besondere Verwahrung vorliegt, die von der bloßen Einbringung von Sachen durch Gäste zu differenzieren ist. Während bei letzterer dem Gast nur ein Raum zur Verfügung gestellt wird, den der Gast auf eigene Gefahr benützen kann, erlangte der Wagenmeister des B durch die Übergabe des Mercedes und der Wagenschlüssel die tatsächliche Verfügungsgewalt über das Fahrzeug, womit dem K auch die Möglichkeit genommen war, selbst für Diebstahlsicherung oder gegen Beschädigung Vorsorge zu treffen. Ohne Bedeutung ist dabei die Frage des Entgeltes für die Verwahrung, weil das Gesetz die unbeschränkte Haftung hinsichtlich der zur Verwahrung übernommenen Sachen nicht von einem Entgelt für diese Verwahrung abhängig macht4. Die Pflicht zur unverzüglichen Anzeige des entstandenen Schadens nach § 970b ABGB gilt nicht für vom Gastwirt zur Verwahrung übernommene Sachen (§ 970b Satz 2 ABGB; III/6/19)5. K hat damit gegen B einen Anspruch auf Zahlung von € 101.200.
3 SZ 55/7; ZVR 1999/12. Schubert in Rummel3 § 970 Rz 5. 4 SZ 55/7. 5 Forderungen wegen Sachverlusts sind von der 30 Tagesfrist des § 967 ABGB nicht erfasst. Vgl III/6/19; Griss in KBB2 § 970b Rz 1 und Schubert in Rummel3 § 970b Rz 2.
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Dritter Teil: Fälle zum Schuldrecht Besonderer Teil
6. Leihvertrag Fall 48: „Der verhängnisvolle Lokalwechsel“ Sachverhalt1 Im Laufe einer geselligen Abendrunde schlug B dem K einen Lokalwechsel vor. K lehnte es ab, mit seinem eigenen PKW zu fahren und wies auf seinen Alkoholkonsum hin. B bot daraufhin an, den PKW des K zu lenken, womit K einverstanden war. Während der Fahrt kam B bei einer Geschwindigkeit von 70 km/h ins Schleudern, geriet aufs Bankett, wodurch der PKW umkippte und auf dem Dach in die angrenzende Wiese schleuderte. Am PKW des K, der einen Zeitwert von € 25.000 hatte, trat Totalschaden ein. K begehrt von B Ersatz. Mit Recht? Lösung Anspruch des K gegen B auf Zahlung von € 25.000 gem §§ 979 iVm 1331 ABGB2 Voraussetzung für diesen Anspruch ist ein schuldhaft zugefügter Schaden (III/7/4). K hat durch den Totalschaden des PKW einen positiven Schaden in Höhe von € 25.000 erlitten. Der Schaden ist durch das Verhalten des B verursacht iSd Äquivalenztheorie, da dessen Fahrfehler nicht weggedacht werden kann, ohne dass der Schaden in seiner konkreten Gestalt entfiele. Da der eingetretene Schaden innerhalb der allgemeinen Lebenserfahrung liegt und sich nicht nur infolge einer außergewöhnlichen Verkettung von unglücklichen Umständen realisiert hat, ist auch die Adäquanz gegeben. Fraglich ist allerdings der Haftungsansatzpunkt, das sorgfaltswidrige Verhalten des B. Einerseits ist zu prüfen, ob B ex contractu wegen der Verletzung der Pflicht zur Rückgabe einer unversehrten Sache nach Ablauf eines Leihvertrages haftet (vgl § 979 ABGB), andererseits kommt uU Haftung ex delicto wegen der Verletzung des absolut geschützten Rechtsguts Eigentum (§ 1331 ABGB) in Betracht. Nach dem OGH3 ist die unentgeltliche Überlassung eines Kfz zumindest unter sinngemäßer Anwendung der Vorschriften über den Leihvertrag 1 Angelehnt an die E des OGH ZVR 1999/26; Themenschwerpunkt: Haftung des Entlehners. 2 Eine Haftung des B gegenüber K nach den §§ 1 und 5 EKHG scheidet aus, da B bei bloß kurzfristiger Gebaruchsüberlassung nicht Halter nach § 5 EKHG wird (Apathy, EKHG § 5 Rz 18) und zudem Schäden an der gefährlichen Sache selbst nicht vom EKHG erfasst sind (Koziol, Haftpflichtrecht2 II 512). 3 ZVR 1999/26. Nach der E ZVR 2002/102 ist unentgeltliche Überlassung eines Kfz durch einen Kfz-Händler während der Reparaturdauer an seinen Kunden als Leihvertrag zu qualifizieren.
Fall 48: „Der verhängnisvolle Lokalwechsel“ (A. Riedler)
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zu beurteilen; allerdings begründen bloße Gefälligkeiten, bei denen von den Parteien nicht an eine vertragliche Bindung gedacht wird, kein Vertragsverhältnis. a. Nimmt man im vorliegenden Fall eine vertragliche Bindung zwischen den Streitteilen – also den Abschluss eines Leihvertrages – an, dann wäre B verpflichtet gewesen, das Auto nach Vertragsende in unversehrtem Zustand zurückzustellen (§ 972 Satz 2 ABGB). Auch wenn K dem B den PKW jederzeit hätte entziehen können (was hier im Hinblick auf den Zweck der Gebrauchsüberlassung nicht eindeutig ist), würde dies nicht unbedingt gegen den Abschluss eines Leihvertrages sprechen, denn auch bei einer Bittleihe iSd § 974 ABGB (III/7/11) trifft den Prekaristen dieselbe Pflicht zur Zurückstellung des unversehrten Leihgegenstandes. Dieser Rückstellungspflicht, die als Erfolgsverbindlichkeit anzusehen ist, ist B nicht nachgekommen. Nach § 1298 Satz 1 ABGB wird das objektiv sorgfaltswidrige Verhalten des B vermutet. Lt Sachverhalt kann sich B nicht freibeweisen, die objektiv gebotenen Sorgfalt eines Kraftfahrers (§ 1299 ABGB) eingehalten zu haben. § 1298 Satz 2 ABGB vermutet leicht fahrlässiges Verhalten des B (III/13/37)4, der somit K ex contractu haftet. b. Aber auch wenn man eine vertragliche Beziehung zwischen den Streitteilen verneint und eine bloße Gefälligkeitsabrede annimmt, ist die Haftung des B gegeben, denn B hat durch die Beschädigung des PKW in das absolut geschützte Rechtsgut des Eigentums des K eingegriffen. Aus der Beeinträchtigung eines solchen Rechts allein kann zwar noch nicht zwingend auf die Rechtswidrigkeit der Handlung geschlossen werden, doch ist das unbegründete Abkommen eines Fahrzeuges von der Fahrbahn nach der allgemeinen Lebenserfahrung eine typische Folge eines Fahrfehlers und indiziert wegen der Gefährlichkeit das Vorliegen einer objektiven, die Rechtswidrigkeit begründenden Sorgfaltsverletzung und im Übrigen eines subjektiven Verschuldens. Das bloße Interesse des K, in das Gastlokal mitgenommen zu werden, kann nicht dazu führen, dass der Eingriff in sein Eigentum durch B rechtmäßig gewesen wäre, zumal B die Benützung des Fahrzeuges des K vorschlug und daraus auch selbst Vorteile zog. Der Verschuldensmaßstab bemisst sich nach § 1299 ABGB. K hat damit gegen B einen Anspruch auf Bezahlung von € 25.000.
4 Koziol, Haftpflichtrecht3 I Rz 16/25; Riedler/Hubmer, JAP 2000/2001, 47.
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Dritter Teil: Fälle zum Schuldrecht Besonderer Teil
7. Bestandvertrag Fall 49: „Die Schwarzpappel neben dem Mietparkplatz“ Sachverhalt1 B überließ K ab 1. Februar 2007 auf zehn Jahre einen nicht überdachten Autoabstellplatz gegen einen Monatszins von € 50. Seit dem Frühjahr 2007 treten durch den Wuchs einer Schwarzpappel am Nachbargrundstück in unmittelbarer Nähe des Autoabstellplatzes im April und Mai Einwirkungen durch klebrige Ausscheidungen dieser Pappel auf, deren Sekrete wasserunlöslich bzw nur sehr schwer löslich sind und den Lack von Fahrzeugen beschädigen. Auch das Herabstürzen von Ästen auf den Parkplatz ist möglich. Nach dem Wiener Baumschutzgesetz darf die Pappel nicht entfernt werden. K verlangt von B im Mai 2007 die Rückzahlung von zwei Monatsraten und die Überdachung des Autoabstellplatzes. Mit Recht? Lösung I. Anspruch des K gegen B auf Rückzahlung von € 100 gem § 1435 ABGB Voraussetzung der Kondiktion ist der nachträgliche Wegfall des Rechtsgrundes für die erbrachte Leistung. Die Zurverfügungstellung der Parkfläche durch B ohne Übernahme einer Obsorgepflicht für den abgestellten PKW ist rechtlich nicht als Verwahrungsvertrag (III/6/2), sondern Miete einzustufen (III/8/2 und 5). Das MRG gelangt ausweislich § 1 MRG nicht zur Anwendung, da es sich um Miete von unbebauten Freiflächen handelt (III/8/8), sodass es beim Bestandrecht der §§ 1090 ff ABGB verbleibt. Nach der (dispositiven) Norm des § 1096 Abs 1 ABGB trifft den Bestandgeber die Pflicht, die Bestandsache auf eigene Kosten grundsätzlich in brauchbarem Zustand zu erhalten. Grenze der Instandhaltungspflicht ist die Möglichkeit und (wirtschaftliche) Erschwinglichkeit der Arbeiten2 (III/8/20). Ist das Bestandstück bei Übergabe derart mangelhaft oder wird es während der Bestandzeit (zB durch Bauführung des Grundnachbarn3, Bleikonzentration im Trinkwasser4, Schimmelbildung in mehreren Räumen5) derart mangelhaft, dass es zu dem bedungenen Gebrauche nicht taugt, so tritt auf Grund der speziellen (verschuldensunabhängigen) Gewährleistungsbestimmung des § 1096 Abs 1 Satz 2 ex lege vom Beginn der Gebrauchsbeeinträchtigung bis zu deren Behebung in dem Maße der Unbrauchbarkeit 1 Angelehnt an die E des LGZ Wien WoBl 2000/109, 193 mit Anm Mohr; Themenschwerpunkt: Zinsminderung bei Unbrauchbarwerden des Bestandobjektes. 2 Verst Senat WoBl 1994/17, 114 mit Anm Würth. 3 SZ 66/26. 4 WoBl 2006/32. 5 3 Ob 286/05p.
Fall 49: „Die Schwarzpappel neben dem Mietparkplatz“ (A. Riedler)
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eine (aliquote) Zinsbefreiung(-minderung) ein (III/8/22)6. Bei der Miete unbeweglicher Sachen ist ein Vorwegverzicht auf diese Zinsbefreiung ungültig (§ 1096 Abs 1 letzter Satz). Ein nachträglicher Verzicht auf das Zinsminderungsrecht (durch vorbehaltslose weitere Bezahlung des vollen Zinses in Kenntnis dieses Umstandes) ist in casu nicht anzunehmen, sodass B dem K die zwei Monatszinse zu refundieren hat. Weitergehende Schadenersatzansprüche des K (III/8/22) sind mangels Verschuldens des B an der Unbrauchbarkeit nicht möglich. II. Anspruch des K gegen B auf Setzung geeigneter Schutzmaßnahmen gem § 1096 ABGB Voraussetzung für diese verschuldensunabhängige Instandhaltungspflicht (Erhaltungspflicht) des B ist die Möglichkeit und (wirtschaftliche) Erschwinglichkeit der Instandhaltungsarbeiten (III/8/20). Den Vermieter eines Autoabstellplatzes trifft die Verpflichtung, alle in seinem Bereich liegenden zumutbaren Maßnahmen zu ergreifen, damit der Bestandnehmer nicht an seinen Sachen oder seiner Person geschädigt wird. Gem § 1096 ABGB hat der Bestandgeber nämlich das Bestandstück in brauchbarem Zustand zu übergeben und (laufend) zu erhalten und den Bestandnehmer im bedungenen Gebrauch oder Genuss nicht zu stören. Die Brauchbarkeit der Bestandsache richtet sich nach dem Vertragszweck und muss eine Verwendung zulassen, wie sie gewöhnlich nach dem Vertragszweck erforderlich ist und nach der Verkehrssitte erfolgt (III/8/19). Ein nicht überdachter Parkplatz, der im Frühling zwei Monate den Einwirkungen durch die klebrigen Ausscheidungen einer Pappel ausgesetzt ist, deren Sekrete den Lack von Fahrzeugen beschädigen, ist in seiner Brauchbarkeit wesentlich beeinträchtigt. Es handelt sich nicht um Beeinträchtigungen, die üblicherweise mit dem Abstellen eines Fahrzeuges im Freien verbunden und in Kauf zu nehmen sind. Selbst Störungen, die erst Jahre nach Anmietung durch den Wuchs einer Schwarzpappel am Nachbargrundstück in unmittelbarer Nähe zum Autoabstellplatz auftreten, hat der Vermieter im Zuge der laufenden Instandhaltungspflicht nach Möglichkeit zu unterbinden, weil er dafür zu sorgen hat, dass der bedungene Gebrauch des Bestandnehmers nicht beeinträchtigt wird (III/8/21). Das Verbot der Entfernung der Pappel nach dem Wiener Baumschutzgesetz hat nicht zur Folge, dass die Leistung des Bestandgebers unmöglich wäre, da auch die Anbringung eines Daches in Betracht kommt, um die Störungen hintanzuhalten. K hat zwar als Bestandnehmer keinen Anspruch auf eine bestimmte Art der Durchführung von Schutzmaßnahmen7 (zB zeitweise Überdachung des Autoabstellplatzes), doch kommt ein Anspruch des K gegen B auf Durchführung geeigneter Schutzmaßnahmen nach Maßgabe der wirtschaftlichen Erschwinglichkeiten in Betracht.
6 ZVR 2007/6: unbrauchbarer Tiefgaragenplatz. 7 Würth in Rummel3 § 1096 Rz 6.
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Dritter Teil: Fälle zum Schuldrecht Besonderer Teil
Fall 50: „Der rauchende Kamin“ Sachverhalt1 M mietete im Oktober 2006 eine in einer im Jahr 1950 aus Eigenmitteln neu errichteten Wohnanlage gelegene Wohnung der Wohnungsgesellschaft V-GmbH gegen einen Mietzins in Höhe von monatlich € 600. Dem schriftlichen Mietvertrag liegen die standardisierten Vertragsbedingungen der V-GmbH zugrunde, die ua folgende Klausel beinhalten: „23. Der Mieter verpflichtet sich, den Mietgegenstand pfleglich zu behandeln und unter Ausschluss des § 1096 ABGB sämtliche am Mietgegenstand notwendig werdenden Reparaturen auf eigene Kosten durchzuführen und überhaupt den Mietgegenstand zu erhalten; er ist ua verpflichtet, die im Mietgegenstand befindlichen Heizungsvorrichtungen, ferner sämtliche Gas-, Elektro- und Wasserinstallationen samt Geräten stets in betriebsfähigem Zustand zu erhalten und im Falle von Störungen diese unverzüglich sach- und fachgemäß auf eigene Kosten instand setzen zu lassen.“
Im April 2007 wird der Kamin auf Grund orkanartiger Sturmböen stark beschädigt, weshalb es in der Wohnung des M durch Kaminrisse zu verstärkter Rauchentwicklung kommt. Als M der V-GmbH den Schaden anzeigt, verlangt diese unter Berufung auf Zif 23 des Mietvertrages die Reparatur des Kamins von M. Als sich M weigert, übermittelt die VGmbH dem M die schriftliche Kündigung des Mietvertrages. Da M die Wohnung nicht freiwillig verlässt, erhebt die V-GmbH Räumungsklage. Zu Recht? Anspruch der V-GmbH gegen M auf Räumung der Wohnung gemäß § 366 ABGB Die V-GmbH kann als aktivlegitimierte Eigentümerin nach § 366 ABGB die Räumung der (individuell bestimmbaren) Wohnung vom passivlegitimierten Mieter und Bewohner der Wohnung M begehren, wenn das dem M aufgrund des Mietvertrages zustehende Recht zur Innehabung (und Benützung) durch Auflösung des Mietvertrages weggefallen ist. Dies setzt voraus, dass der gültige Mietvertrag zwischen der V-GmbH und M wirksam beendet wurde. Beendigungsgründe für Bestandverträge statuieren sowohl das ABGB als auch das MRG. Fraglich ist, ob auf den gegenständlichen Sachverhalt die Sondervorschriften des MRG Anwendung finden. Die V-GmbH und M haben im Oktober 2006 einen (Haupt)Mietvertrag über die in einem von der V-GmbH im Jahr 1950 aus Eigenmitteln neu errichteten Gebäude liegende Wohnung abgeschlossen, der in den Vollanwendungsbereich des MRG fällt (vgl § 1 Abs 1 und Abs 4 Z 1 MRG, § 2 MRG). Im Geltungsbereich des MRG kann der Vermieter unbefristete Mietverträge nach § 30 MRG immer nur bei Vorliegen eines sog wichtigen 1 Angelehnt an die E des OGH 7 Ob 78/06f; Themenschwerpunkt: Erhaltungspflicht des Vermieters/Mieters nach MRG.
Fall 50: „Der rauchende Kamin“ (A. Riedler)
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Grundes kündigen, wobei sich der Rückgriff auf die Generalnorm des § 30 Abs 1 MRG („... wichtiger Grund …“) erübrigt, wenn einer der in § 30 Abs 2 MRG demonstrativ angeführten 16 Spezialtatbestände erfüllt ist (III/8/72). Als wichtiger Grund gilt insbesondere der erheblich nachteilige Gebrauch des Mietgegenstandes durch den Mieter (§ 30 Abs 2 Z 3 MRG; III/8/73). Ein erheblich nachteiliger Gebrauch liegt vor, wenn durch eine wiederholte oder lang andauernde vertragswidrige Benützung des Bestandobjektes oder eine Reihe längerer Unterlassungen notwendiger Vorkehrungen eine erhebliche Verletzung der Substanz des Mietgegenstandes erfolgte oder auch nur droht2. Der Kündigungsgrund des erheblich nachteiligen Gebrauchs kann durch die Verletzung einer Pflicht des Mieters, das Bestandobjekt in brauchbarem Zustand zu erhalten, nur verwirklicht werden, wenn eine derartige Pflicht besteht3. Zu prüfen ist daher, ob M zur Instandhaltung des Kamins verpflichtet war. Während (im Anwendungsbereich des ABGB) nach der (dispositiven) Bestimmung des § 1096 ABGB der Bestandgeber die gesamte Bestandsache in brauchbarem Zustand zu erhalten hat (III/8/20), trifft im Vollanwendungsbereich des MRG die Pflicht zur Erhaltung des einzelnen Mietgegenstandes grundsätzlich den Mieter (III/8/33). § 8 Abs 1 S 2 und 3 MRG präzisieren diese Instandhaltungspflicht dahin, dass der Mieter den Mietgegenstand und die für den Mietgegenstand bestimmten Einrichtungen (wie Lichtleitungs-, Gasleitungs-, Wasserleitungs-, Beheizungs- und sanitäre Anlagen) so zu warten und instand zu halten hat, dass dem Vermieter und den anderen Mietern des Hauses kein Nachteil erwächst. Die Behebung von ernsten Schäden des Hauses obliegt dagegen dem Vermieter (§ 3 Abs 2 Z 2 MRG; III/8/33). Nach Klausel 23 des vorliegenden Mietvertrages soll der Mieter jedoch alleine, generell und uneingeschränkt zur Instandhaltung des Mietgegenstandes verpflichtet sein. Soweit durch Zif 23 des Mietvertrages dem Mieter eine Erhaltungspflicht auferlegt wird, die nach dem Regelungskonzept des § 3 MRG den Vermieter trifft, verstößt Zif 23 des Mietvertrages gegen die (einseitig zugunsten des Mieters) zwingende Mieterschutzvorschrift des § 3 MRG (III/8/24) und ist damit ungültig4. Auf Grund der Kaminrisse kommt es in der Wohnung des M zu verstärkter Rauchentwicklung. Schadhafte Kamine stellen nach ständiger Rsp5 einen ernsten Schaden des Hauses iSd § 3 Abs 2 Z 2 MRG dar, für dessen Behebung der Vermieter Sorge zu tragen hat. Zudem ist durch die Rauchentwicklung in der Wohnung des M eine erhebliche Gefahr für die Gesundheit der Bewohner gegeben, sodass die VGmbH die nach § 3 Abs 3 MRG sog privilegierten Erhaltungsarbeiten durch Kaminsanierung unabhängig von der allfälligen Deckung durch die sog Mietzinsreserve durchführen muss (III/8/24 f). Somit ist nicht M als Mieter, 2 MietSlg 52.384. Vgl auch III/8/73 und 67. 3 MietSlg 50.401. 4 Zudem ist zu beachten, dass nach dem OGH (7 Ob 78/06f) auch die (laufende) Erhaltungspflicht des Vermieters Ausdruck seiner bestandrechtlichen Gewährleistungspflicht ist, die in Verbraucherverträgen wegen § 9 Abs 1 KSchG nicht generell ausgeschlossen werden kann. 5 MietSlg 55.252.
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Dritter Teil: Fälle zum Schuldrecht Besonderer Teil
sondern die V-GmbH als Vermieterin für die Sanierung und Reparatur des schadhaften Kamins verantwortlich. Die Weigerung des M zur Instandsetzung des Kamins stellt damit keine Pflichtverletzung dar, die den Kündigungsgrund des erheblich nachteiligen Gebrauchs iSd § 30 Abs 2 Z 3 MRG verwirklichen konnte. Da M damit keinen Kündigungstatbestand des § 30 MRG erfüllt hat, konnte die V-GmbH (mangels Kündigungsgrundes) den Mietvertrag nicht wirksam aufkündigen. Daran ändert auch die zugestellte schriftliche Kündigungserklärung der V-GmbH nichts, bei der zudem zu beachten ist, dass seit der Wohnrechtsnovelle 2006 (BGBl I 2006/124) gemäß § 33 Abs 1 MRG Mietverträge zwar durch den Mieter auch schriftlich wirksam gekündigt werden können, doch ist Kündigung durch den Vermieter (weiterhin) nur gerichtlich möglich. Die (außergerichtliche) Kündigung der V-GmbH ist daher auch wegen Verstoßes gegen § 33 Abs 1 MRG (form)unwirksam. Letztlich ist zu beachten, dass auch eine außergerichtliche Kündigungserklärung des Vermieters bzw die mündliche Kündigungserklärung des Mieters bei Annahme durch den jeweils anderen Vertragspartner zur einvernehmlichen Vertragsaufhebung durch formfreie Dissolutionsvereinbarung führen können (III/8/77). Die V-GmbH übermittelte dem M ein außergerichtliches Kündigungsschreiben, das nur dann zur gültigen Beendigung des Vertrages geführt hat, wenn M dieses Vertragsauflösungsangebot auch angenommen hat. Da sich M weigert, die Wohnung zu verlassen, nimmt er die angebotene einvernehmliche Vertragsauflösung gerade nicht an. Mangels wirksamer Kündigung der V-GmbH bzw Auflösungsvereinbarung ist der Mietvertrag zwischen M und der V-GmbH weiterhin aufrecht. M hat damit ein vertraglich eingeräumtes Recht zur Innehabung und Benützung der Wohnung. Der Anspruch der V-GmbH gegen M auf Räumung der Wohnung besteht daher nicht.
Fall 51: „Die Bürgschaft der Tochter für Schulden der Eltern“ (A. Riedler)
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8. Darlehensvertrag Fall 51: „Die Bürgschaft der Tochter für Schulden der Eltern“ Sachverhalt1 B ist türkische Staatsangehörige, hält sich jedoch seit ihrer Geburt in Österreich auf. Sie ist der deutschen Sprache in Wort und Schrift mächtig und beendete 1997 eine kaufmännische Lehre mit Lehrabschluss. B arbeitete im elterlichen Lebensmittelgeschäft. Als die Eltern mit der Zahlung von Sozialversicherungsbeiträgen in Verzug kamen, führte der Sozialversicherungsträger K zwei Fahrnisexekutionen und vier weitere Exekutionen durch. Das Ansuchen des Vaters auf Ratenzahlung wurde von einer Beibringung eines Bürgen abhängig gemacht. In der Folge unterfertigte B auf Wunsch ihres Vaters den von K an den Vater der B übermittelten Bürgschaftsvertrag, wonach sie eine Haftung als Bürgin und Zahlerin nach österreichischem Recht für die noch offenen Beitragsrückstände der Eltern vorbehaltlos und unwiderruflich übernahm. B verdiente monatlich € 700. K kannte die Verdienstsituation von B. Aufgrund unzureichender Ratenrückzahlungen durch die Eltern verlangt K von B die aushaftende Beitragsschuld von € 8.880. Mit Recht? Lösung Anspruch von K gegen B auf Zahlung von € 8.880 gem § 1357 ABGB Da B ihren gewöhnlichen Aufenthalt in Österreich hat, ist die Wahl des österr Rechts im Bürgschaftsvertrag ungeachtet der türkischen Staatsbürgerschaft der B zulässig (Art 3 Abs 1 und Art 5 Abs 2 EVÜ). Die schriftliche (§ 1346 Abs 2 ABGB) Verpflichtung der B als Bürgin und Zahlerin iSd § 1357 ABGB ist grundsätzlich gültig, es sei denn, es käme in casu Sittenwidrigkeit iSd § 879 Abs 1 ABGB oder ein richterliches Mäßigungsrecht iSd § 25d KSchG in Betracht. Die in der Rsp entwickelten Kriterien der Sittenwidrigkeit der Bürgschaften erwachsener Familienangehöriger des Schuldners sind die inhaltliche Missbilligung des Bürgschaftsvertrages, die Missbilligung der Umstände seines Zustandekommens infolge verdünnter Entscheidungsfreiheit sowie die Kenntnis oder fahrlässige Unkenntnis dieser Faktoren durch den Kreditgeber2. Maßgebliche Aspekte für die Beurteilung einer allfälligen Sittenwidrigkeit sind ein grobes Missverhältnis zwischen der Leistungsfähigkeit des Bürgen und seiner Mithaftung, deren Ausgestaltung, eine hoff1 Angelehnt an die E des OGH ÖBA 2001, 405; Themenschwerpunkt: Mäßigung der Bürgschaft von interzedierenden Verbrauchern. 2 ÖBA 2001, 405.
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Dritter Teil: Fälle zum Schuldrecht Besonderer Teil
nungslose Überschuldung des Hauptschuldners, die Verharmlosung des Risikos oder der Tragweite der Verpflichtungen durch einen Mitarbeiter der klagenden Partei, die Überrumpelung des Angehörigen durch den Kreditgeber, die Ausnutzung seiner seelischen Zwangslage durch die gefühlsmäßige Bindung an den Hauptschuldner oder seiner wirtschaftlichen Abhängigkeit von diesem, die geschäftliche Unerfahrenheit des Bürgen, das Fehlen eines wesentlichen Eigeninteresses am Zustandekommen des Vertrages, die Sinnlosigkeit der Bürgschaft für die Bank sowie Kenntnis oder fahrlässige Unkenntnis der Beeinträchtigung der Entscheidungsfreiheit des Haftenden auf Seiten des Kreditgebers3. Sittenwidrigkeit der eingegangenen Bürgschaftsverpflichtung ist in casu zu verneinen. Zwar ist das geforderte krasse Missverhältnis zwischen dem Haftungsumfang und der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit der Interzedentin unzweifelhaft, doch existieren keine Anhaltspunkte dafür, dass B ihre Verpflichtungen leichtsinnig, unerfahren oder in einer seelischen Zwangslage eingegangen oder sie überrumpelt worden wäre. Im Übrigen bestand ein wesentliches Eigeninteresse der B an der Besicherung der Beitragsschulden, zumal sie damit den Bestand des Lebensmittelgeschäfts zunächst sichern konnte, was ihrem Arbeitsplatz, ihren Ansprüchen auf Krankenversicherung, Pensionsanwartschaftsrechten und eventuellen Ansprüchen nach dem IESG diente. Fraglich bleibt jedoch ein richterliches Mäßigungsrecht nach § 25d KSchG. Gem § 25d Abs 1 KSchG kann der Richter die Verbindlichkeit des Interzedenten insoweit mäßigen oder ganz erlassen, als dessen Mithaftung in einem unter Berücksichtigung aller Umstände unbilligen Missverhältnis zu seiner Leistungsfähigkeit steht, weil er langfristig wirtschaftlich ruiniert ist (III/9/12). (Weitere) Voraussetzung ist, dass dem Gläubiger bereits im Vertragsschlusszeitpunkt das (nunmehrige oder künftige) unbillige Missverhältnis erkennbar war. Bei der (späteren) Mäßigung ist auf die Situation bei Inanspruchnahme des Bürgen abzustellen (III/9/12). § 25d Abs 2 KSchG enthält eine demonstrative Aufzählung von zu berücksichtigenden Kriterien (Gläubigerinteresse an der Haftungsbegründung des Interzedenten, Nutzen des Interzedenten aus der Leistung des Gläubigers, Leichtsinn, Zwangslage, Unerfahrenheit oder Abhängigkeit des Interzedenten vom Schuldner bei Begründung der Verbindlichkeit etc). Der Umfang der Mäßigung ist aber nicht näher determiniert, sodass dem Richter eine reine Billigkeitsentscheidung obliegt4. Die Anwendung der in § 25d Abs 2 KSchG enthaltenen Kriterien führt im vorliegenden Fall zu einer Mäßigung der Verbindlichkeit der Beklagten, wobei die Entscheidung über die richterliche Mäßigung durch die im Einzelfall zu treffenden Billigkeitserwägungen bestimmt wird. Wenngleich die in casu vorliegenden Umstände keine Berücksichtigung von Leichtsinn, Zwangslage, Unerfahrenheit oder Gemütsaufregung der B zulassen, kann eine gewisse, im Rahmen der hier anzustellenden Billigkeitserwägungen zu berücksichtigende Beein3 Ausführlich ÖBA 2001, 405 mwN. 4 Apathy in Schwimann3 § 25d KSchG Rz 5.
Fall 51: „Die Bürgschaft der Tochter für Schulden der Eltern“ (A. Riedler)
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flussung der B durch den Wunsch ihres Vaters nicht ganz von der Hand gewiesen werden. Mag diese Beeinflussung auch nicht ausreichen, um eine Sittenwidrigkeit der Haftungserklärung zu begründen, so kann doch im Rahmen der nach § 25d KSchG anzustellenden Überlegungen nicht außer Acht gelassen werden, dass im Kulturkreis der B den Bindungen an die Familie und den Wünschen des Vaters als Familienoberhaupt (auch ohne Zwang) besondere Bedeutung zukommt. Da das vom Gesetz geforderte Missverhältnis zwischen eingegangener Verpflichtung und Leistungsfähigkeit der B für K auch erkennbar war, ist der Anspruch des K gegen B auf ein Drittel (€ 2.960) zu mäßigen.
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Dritter Teil: Fälle zum Schuldrecht Besonderer Teil
9. Wette und Spiel Fall 52: „Europacupendspiel Paris Saint Germain/ Rapid Wien“ Sachverhalt1 B erhielt mit Bescheid der Wiener Landesregierung eine Buchmacherkonzession zur gewerblichen Annahme von Wetten aus Anlass sportlicher Ereignisse. Für das Fußballeuropacupendspiel zwischen Paris Saint Germain und Rapid Wien bot B im Teletext die Annahme von Wetten zu einer Quote von 2:1 an. K rief im Wettbüro des B an und wollte wissen, ob er telefonisch eine Wette plazieren könne, worauf ihm die Auskunft gegeben wurde, er müsse den beabsichtigten Wetteinsatz überweisen. K überwies am Vortag des Endspiels € 3.500 auf das Konto des B mit dem Vermerk „Solowette, Paris Saint Germain Sieg € 3.500“ und faxte den Überweisungsbeleg an B, worauf ihm dessen Angestellter telefonisch erklärte, dass „die Wette gilt“. Tags darauf verlor Rapid Wien das Europacupspiel. B verweigert die Auszahlung der von K begehrten € 7.000. Mit Recht? Lösung Anspruch des K gegen B auf Zahlung von € 7.000 gem § 1274 ABGB Einklagbar sind grundsätzlich nur Gewinne aus Staatslotterien nach Maßgabe des GlückspielG (III/10/4; § 1274 ABGB) bzw Gewinne aus erlaubten Spielen, sofern der bedungene Preis wirklich entrichtet oder hinterlegt worden ist (III/10/5; § 1271 ABGB). Buchmacherwetten aus Anlass sportlicher Veranstaltungen, die auf Grund einer Bewilligung der Landesregierung zur gewerbsmäßigen Vermittlung derartiger Wetten abgeschlossen werden, sind nach Ansicht des verst Senates2 „Staatslotterien“ im Sinne des § 1274 ABGB. Demnach ist die Wettschuld eines solchen Buchmachers jedenfalls dann klagbar, wenn sein Vertragspartner den Wettpreis tatsächlich entrichtet oder hinterlegt hat. Unklagbar wäre dagegen umgekehrt ein Anspruch des B gegen K, wenn B dem K den Wettpreis kreditiert und K die Wette verloren hätte3. Da K in 1 Angelehnt an die E des verst Senats des OGH SZ 71/183; Themenschwerpunkt: Klagbarkeit von Buchmacherwetten. 2 SZ 71/183. 3 Hätte dagegen B den Wettpreis kreditiert und K die Wette gewonnen, so könnte nach der Ansicht des verst Senates in SZ 71/183 auch hier der gesetzliche Leitgedanke des Schutzes des Vertragspartners vor betrügerischen oder sonst unseriösen Wettangeboten eines gewerblichen Buchmachers der Annahme einer klagbaren Wettschuld – unter Abzug des kreditierten Wettpreises – dienen, obwohl
Fall 52: „Europacupendspiel Paris Saint Germain/Rapid Wien“ (A. Riedler)
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casu seinen Einsatz geleistet und die Wette gewonnen hat, hat K gegen B einen Anspruch auf Zahlung von € 7.000.
– wie zu ergänzen ist – in diesem Fall weder B noch K ihren Einsatz „wirklich entrichtet oder hinterlegt“ (§ 1271 ABGB) haben und B im Fall des Wettverlustes durch K seinerseits keinen klagbaren Anspruch hätte.
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Dritter Teil: Fälle zum Schuldrecht Besonderer Teil
10. Leibrentenvertrag Fall 53: „Der ‚günstige‘ Liegenschaftskauf“ Sachverhalt1 Die 99-jährige K verkaufte und übergab am 30. August 2006 die Liegenschaft EZ KG X zum Preis von € 14.000 an B, der K zudem ein lebenslängliches, höchstpersönliches und unentgeltliches Wohnrecht in der im Erdgeschoß befindlichen Wohnung und die Gartenmitbenützung einräumte und sich ferner zu einer monatlichen, höchstpersönlichen und wertgesicherten Zahlung von € 500 an K verpflichtete. Der (wahre) Wert der Liegenschaft beträgt € 140.000. Bereits im September 2006 beruft sich K auf laesio enormis und will die Liegenschaft zurück. Mit Recht? Lösung Anspruch der K gegen B auf Unwirksamerklärung und Löschung der Eintragung des B bei gleichzeitiger Wiederherstellung des vorigen Grundbuchsstandes des bücherlichen Eigentums der K2 Zug um Zug gegen Rückerstattung der geleisteten Zahlungen gem § 61 GBG iVm § 934 ABGB Voraussetzung für die Löschungsklage der K ist, dass sie durch die Eintragung des B in einem bücherlichen Recht verletzt wurde (IV/6/68 f; § 61 GBG). Titel für die Intabulation des B war dessen Vertrag mit K vom 30. August 2006, sodass B von K derivativ Eigentum erworben hat (§§ 423, 431 ABGB). Die Löschungsklage würde demgemäß nur dann erfolgreich sein, wenn K den Vertrag mit B mit dinglicher ex tunc Wirkung anfechten könnte (IV/6/69). In Betracht könnte eine Vertragsanfechtung wegen laesio enormis (§ 934 ABGB) kommen. Vorab muss allerdings die Rechtsnatur des Kontrakts geklärt werden. Die Überlassung einer Liegenschaft gegen Leibrente ist zwar (prinzipiell) Kaufvertrag, bei dem die Liegenschaft den Kaufgegenstand, die Rente den Preis bildet, doch hat dies nicht zur Folge, dass auf diesen Vertrag lediglich die Regeln über den Kaufvertrag anzuwenden wären. Vielmehr unterliegt ein solcher Vertrag aufgrund des Unsicherheitsfaktors (aleatorischen Moments) der endgültigen Höhe der Gegenleistung, die ja letztlich vom ungewissen Zeitpunkt des Ablebens des konkreten Vertragspartners abhängt, auch den Regeln über Glücksverträge3, in casu 1 Angelehnt an die E des OGH SZ 67/99; Themenschwerpunkt: Anfechtbarkeit eines Leibrentenvertrages. 2 Das Begehren der Löschungsklage ist entgegen der in SZ 67/99 enthaltenen Formulierung nicht auf Einwilligung in die Einverleibung der Löschung, sondern auf Unwirksamerklärung und Löschung der bekämpften bücherlichen Eintragung und Wiederherstellung des vorigen bücherlichen Standes zu richten (vgl auch die verba legalia des § 61 GBG; näher Marent/Preisl, Grundbuchsrecht3 § 61 GBG Rz 2 mit Hinweis auf SZ 41/151). 3 SZ 67/99.
Fall 53: „Der ‚günstige‘ Liegenschaftskauf“ (A. Riedler)
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den Regeln über Leibrentenverträge (§§ 1284 ff ABGB). § 1269 ABGB zählt den Leibrentenvertrag zu den Glücksverträgen. Gemäß § 1268 ABGB findet bei solchen Verträgen das Rechtsmittel wegen Verkürzung über die Hälfte aber nicht statt. Allerdings ist im Gegenzug zu bedenken, dass das aleatorische Moment eines Leibrentenvertrages im Abweichen der tatsächlichen Lebensdauer des Rentenberechtigten von der durchschnittlichen Lebenserwartung liegt. Je älter freilich ein Mensch zum Zeitpunkt des Abschlusses eines Leibrentenvertrages ist, desto mehr wird sich das aleatorische Moment grundsätzlich zugunsten desjenigen verschieben, der die Rente zu bezahlen hat. In den Fällen, in denen das aleatorische Element bei einem Leibrentenvertrag gänzlich in den Hintergrund tritt, unterliegt die Geltendmachung der laesio enormis nach der jüngeren Rsp daher nicht der im § 1268 ABGB normierten Beschränkung4. Ist nämlich schon im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses gewiss, dass der Rentenberechtigte bis an sein Lebensende nicht einmal die Hälfte des Wertes der eigenen Leistung erhalten wird, so lässt die Rsp die Geltendmachung der laesio enormis (§ 934 ABGB) zu (III/11/5). Während jedoch ein Teil der Rsp5 der statistischen Berechnung die mögliche (durchschnittliche) Lebenserwartung der österr Bevölkerung zugrunde legt, orientiert sich ein anderer Judikaturzweig6 an der absoluten Obergrenze der Dauer eines Menschenlebens von ca 100 Jahren, während in einer dritten Judikaturlinie7 die Lebenserwartung der Übergeberin im Hinblick auf ihr Geschlecht und auf ihren konkreten Gesundheitszustand herangezogen wird. In casu treffen wohl alle drei Maßstäbe zu (K war im Zeitpunkt des Vertragsschlusses 99 Jahre), sodass das Wertmissverhältnis von Leistung und Gegenleistung iSd § 934 ABGB im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses gegeben ist. Da B von seiner Möglichkeit zur Aufzahlung auf den gemeinen Wert nicht Gebrauch gemacht hat (I/8/43), kann K den Vertrag durch Anfechtung nach § 934 ABGB beseitigen, wodurch der Titel des Eigentumserwerbs des B mit dinglicher ex tunc Wirkung (I/8/44)8 entfällt. K wurde damit durch die Eintragung des B in ihrem bücherlichen Eigentumsrecht verletzt und kann innerhalb der dreijährigen Frist des § 1487 ABGB (vgl § 62 GBG) B auf Löschung klagen.
4 Ausführliche Analyse bei Binder in Schwimann3 § 1268 Rz 3; Reischauer in Rummel3 § 934 Rz 1b. 5 SZ 67/99; ecolex 1999, 621 mit Anm Urbanek. 6 NZ 1994, 206. 7 SZ 71/59: Berechnungshilfe können auch die „provisorischen österreichischen Sterbetafeln“ sein. 8 JBl 2004, 252 mit zust Anm Riedler, JBl 2004, 215. Erkennt man der laesio enormis dagegen bloß obligatorische ex tunc Wirkung zu (idS Reischauer in Rummel3 § 934 Rz 8), so wäre K durch die Intabulation des B trotz Beseitigung des Vertrages in keinem bücherlichen Recht verletzt worden, sodass K nur auf eine bereicherungsrechtliche Rückabwicklungskondiktion nach § 1435 ABGB verwiesen wäre, die ihm aber – wenngleich auf Basis der Anspruchsgrundlage nach § 877 ABGB – auch bei dinglicher ex tunc Wirkung zusteht.
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Dritter Teil: Fälle zum Schuldrecht Besonderer Teil
11. Gesellschaft bürgerlichen Rechts Fall 54: „Die Räumungsklage gegen die Ex-Ehefrau“ Sachverhalt1 B betreibt im Parterre des Hauses ihres Ex-Ehemannes K einen Kosmetiksalon, zu dessen Führung B und K während noch aufrechter Ehe aus steuerlichen Gründen 1986 eine GesBR begründet hatten. K erhielt von der GesBR unabhängig vom tatsächlichen Geschäftsgang ein monatliches Fixum von € 500. Im Juni 2006 wurde die Ehe zwischen K und B aus beiderseitigem Verschulden geschieden. Ein Aufteilungsverfahren nach den §§ 81 ff EheG ist im Gange. B betreibt den Kosmetiksalon auch nach der Scheidung weiter. K begehrt von B Räumung der Liegenschaft. Zu Recht? Lösung Anspruch von K gegen B auf Räumung der Liegenschaft gem § 366 ABGB Voraussetzung der Räumungsklage ist, dass B die K gehörende Liegenschaft titellos benützt. K ist als Eigentümer der Liegenschaft aktivlegitimiert, B als Sachinhaberin passivlegitimiert, die herauszugebende Sache ist individuell bestimmbar gem § 370 ABGB, doch ist fraglich, ob nicht B eine Einwendung aus einem Recht zur Innehabung aus einem aufrechten Mietvertrag zwischen K und der GesBR zukommt. K und B haben 1986 eine GesBR errichtet. Stellt ein Gesellschafter der Gesellschaft Räume gegen Entgelt zur Verfügung, so kann es sich dabei um einen Mietvertrag handeln; es ist aber auch denkbar, dass der Gesellschafter die Räume quoad usum in die Gesellschaft eingebracht hat (III/12/3)2 oder dass ein gemischter Vertrag vorliegt. Bei der Beurteilung, um welchen Vertragstyp es sich handelt, ist regelmäßig nicht entscheidend, wie die Parteien das Rechtsverhältnis bezeichnen. Für das Vorliegen eines Mietvertrages spricht in casu die Vereinbarung eines fixen gewinnunabhängigen Entgelts für K3. Partner des Bestandvertrags waren K als Vermieter und „die GesBR“ als Mieterin. Der als Außengesellschaft (III/12/2) gegenüber dem Finanzamt aus steuerlichen Gründen errichteten GesBR kommt keine eigene Rechtspersönlichkeit (iSe juristischen Person) zu; Zurechnungssubjekte sind vielmehr ausschließlich die Gesellschafter (III/12/1). Dass K auch Gesellschafter der GesBR war, hinderte weder das Zustandekommen eines Mietvertrages noch führte es zu dessen Beendigung durch 1 Angelehnt an die E des OGH EvBl 2000/84; Themenschwerpunkt: Mietvertrag einer GesBR, Auflösung einer GesBR. 2 Zur Einbringung quoad usum, quoad sortem und quoad dominium vgl jüngst wbl 2006/251 mit Anm Riedler, wbl 2007, 218. 3 Näher EvBl 2000/84.
Fall 54: „Die Räumungsklage gegen die Ex-Ehefrau“ (A. Riedler)
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die Auflösung der GesBR. Denn durch die Auflösung wandelt sich die GesBR in eine Rechtsgemeinschaft iSd §§ 825 ff ABGB um, die dann ihrerseits (erst) durch die Teilung des gemeinschaftlichen Vermögens beendet wird (§ 1215 ABGB; III/12/16). Bis zur Aufteilung des Gesellschaftsvermögens, die nach den Regeln über die Auflösung des Miteigentums (§§ 841 ff ABGB) erfolgt, ist die Rechtsgemeinschaft der (nunmehrigen) Gemeinschafter iSd §§ 825 ff ABGB nicht beendet. Ein zwischen einer GesBR und einem Gesellschafter geschlossener Mietvertrag wird durch das Eintreten der GesBR in das Liquidationsstadium auch nicht durch Vereinigung der „Vertragspartnerpositionen“ (§ 1445 ABGB) unwirksam4, sondern bleibt bis zur endgültigen Auseinandersetzung aufrecht. Daraus folgt, dass die ehemalige Gesellschafterin B das Gesellschaftsvermögen bis zur endgültigen Auseinandersetzung nicht titellos benützt5. K kann somit von B (derzeit) nicht Räumung der Liegenschaft verlangen.
4 Neben K war auch B Gesellschafterin der GesBR, sodass durch die Auflösung der GesBR keine Konfusionskonstellation iSd § 1445 ABGB eintritt, die nur vorliegen würde, wenn sich Vermieter- und Mieterposition bei K vereinigt hätten. 5 EvBl 2000/84 mit Verweis auf JBl 1988, 516 mit Anm Kerschner.
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Dritter Teil: Fälle zum Schuldrecht Besonderer Teil
12. Schadenersatz Fall 55: „Die Pistenraupe und der Schifahrer“ Sachverhalt1 A betreibt einen Sessellift und sorgt für die Pistenpräparierung. B hatte eine Tageskarte gelöst und fuhr auf der Piste, als der bei A beschäftigte C das Pistengerät rückwärts bergauf lenkte. B kam 10 m vor einer Kuppe zu Sturz und konnte nicht sofort aufstehen, da die Bindungen nicht aufgingen. C bemerkte wegen der Kuppe und einer Sichteinschränkung durch das automatisch hochgehobene Fräsgerät den am Boden liegenden B nicht und überfuhr ihn. B ist bei der Gebietskrankenkasse (GKK) krankenversichert. Welche Ansprüche stehen B und der GKK zu? Lösung Vorüberlegung: Der Anspruch nach § 1325 steht grundsätzlich dem Verletzten zu; soweit jedoch die GKK für Heilungskosten aufzukommen hat, geht der Anspruch infolge Legalzession nach § 332 ASVG auf sie über (III3/13/29). I. Anspruch des B bzw der GKK gegen C auf Ersatz der Heilungskosten, des Verdienstentganges sowie von angemessenem Schmerzengeld gem § 1325 ABGB Voraussetzung für den Schadenersatzanspruch (ex delicto) ist insb2, dass C den B rechtswidrig und schuldhaft am Körper verletzt hat (III3/14/6 ff). C hat den Schaden (Körperverletzung) des B dadurch verursacht, dass er das Pistengerät rückwärts bergauf lenkte und den B wegen einer Kuppe und einer Sichteinschränkung durch das hochgehobene Fräsgerät nicht bemerkte (III3/13/10 ff). Hätte C sich vergewissert, dass sich in dem von ihm nicht eingesehenen Bereich niemand aufhält, wäre B unverletzt geblieben. Diese Fahrweise ist ihrer allgemeinen Natur nach nicht völlig ungeeignet, die Verletzung eines Menschen herbeizuführen, so dass die Verursachung adäquat erfolgt ist. C hat sich rechtswidrig verhalten, uz die objektiv gebotene Sorgfalt eines durchschnittlichen Lenkers von Pistengeräten (§ 1299; III3/13/15) nicht eingehalten, weil ein solcher damit rechnet, dass sich Schifahrer auf der Piste aufhalten und zu Sturz kommen, so dass sie nicht immer rechtzeitig dem Pistengerät ausweichen können3. 1 Erstellt auf Grund von OLG Innsbruck ZVR 1991/37; Themenschwerpunkte: Verschuldenshaftung (aus Delikt, aus Vertrag), Erfüllungsgehilfenhaftung. 2 Bezüglich der erlittenen Schmerzen, des konkreten Verdienstentgangs und der konkreten Heilungskosten enthält der Sachverhalt keine näheren Angaben, weshalb darauf nicht näher eingegangen wird. 3 ZVR 1991/37.
Fall 55: „Die Pistenraupe und der Schifahrer“ (P. Apathy)
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Dafür, dass C subjektiv nicht in der Lage gewesen wäre, die objektiv gebotene Sorgfalt einzuhalten (§ 1297), gibt es im Sachverhalt keinen Anhaltspunkt; zudem kann er sich als Fachmann iSd § 1299 nicht durch das Fehlen von Fachkenntnissen entlasten (III3/13/34). Somit hat C die Verletzung des B verschuldet und seine Ersatzpflicht für Schmerzengeld, Heilungskosten und Verdienstentgang4 ist zu bejahen. Für den Umfang der Ersatzpflicht des C spielt noch eine Rolle, ob den B Mitverschulden trifft, ob er also durch eine ihm anlastbare Sorglosigkeit in eigenen Angelegenheiten seine Körperverletzung adäquat mitverursacht hat (III3/13/64). Mitursächlich für die Verletzung ist einerseits der Sturz des B, andererseits der Umstand, dass seine Bindung nicht aufgegangen ist, so dass er nicht sofort aufstehen konnte. Auch wenn der Sturz auf einen schifahrtechnischen Fehler zurückzuführen sein sollte, wird die Vermeidung solcher Fehler nicht zur Sorgfalt des ordentlichen Schifahrers gerechnet5. Ebenso ergibt sich aus dem Sachverhalt kein Anhaltspunkt dafür, dass die Bindung aus einem Umstand nicht aufgegangen ist, der B anzulasten ist; da diesbezüglich C die Beweislast trifft, bleibt seine Ersatzpflicht uneingeschränkt. II. Anspruch des B bzw der GKK gegen A auf Ersatz der Heilungskosten, des Verdienstentganges sowie von angemessenem Schmerzengeld gem § 1325 iVm § 1313a ABGB Voraussetzung für den Anspruch ist insb, dass A oder eine ihm zurechenbare Person den B rechtswidrig und schuldhaft am Körper verletzt hat. Aus dem Sachverhalt ergibt sich kein rechtswidriges Verhalten von A selbst, sondern nur von C. Da A und B einen Beförderungsvertrag geschlossen haben, aus dem A gegenüber B zur Sicherung der von ihm angelegten und präparierten Pisten verpflichtet ist, kann ihm das Verhalten des C zufolge § 1313a zugerechnet werden6. Denn A hat sich zur Erfüllung seiner Vertragspflichten des C als seines Erfüllungsgehilfen bedient (III3/13/44). Wie bereits festgestellt, hat C den Schaden, uz die Körperverletzung des B, adäquat verursacht. Dieses Verhalten ist auch im Hinblick auf die vertraglichen Pflichten des A als rechtswidrig und schuldhaft zu beurteilen: Hätte A die Pistenraupe in gleicher Weise wie C gelenkt, so hätte er die gegenüber B geschuldete Sorgfalt verletzt (III3/13/47). Der Geschäftsherr A und der Erfüllungsgehilfe C haften daher dem B bzw der GKK solidarisch.
4 Da § 1325 die Ersatzpflicht für die genannten Folgeschäden normiert, stellen sich in diesem Fall keine Probleme im Hinblick auf den Rechtswidrigkeitszusammenhang. 5 ZVR 1991/37. 6 Eine Zurechnung kann auch analog § 19 Abs 2 EKHG erfolgen, wenn man die analoge Anwendung des EKHG auf Pistenfahrzeuge bejaht: III3/14/49; dazu ferner OLG Innsbruck ZVR 1991/37; OGH ZVR 2005/30 mit Anm Apathy; Apathy, Kommentar zum EKHG (1992) § 2 Rz 17; Reindl, ZVR 1994, 193, 195.
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Dritter Teil: Fälle zum Schuldrecht Besonderer Teil
Fall 56: „Die Dogge im Gasthaus“ Sachverhalt1 Der vierjährige A besuchte mit seinen Eltern ein Gasthaus. Als er auf dem Boden spielte, stieß er gegen die Dogge des Wirtes W, die in der Gastwirtschaft frei herumlief, worauf diese den A in das Gesicht biss. Haftet W? Lösung Vorüberlegung: Auch wenn der Verletzte minderjährig ist, stehen die Ansprüche nach § 1325 ABGB – soweit keine Legalzession eintritt (oben Fall 55) – ihm und nicht seinen Eltern zu; zur prozessualen Geltendmachung der Ansprüche bedarf es der pflegschaftsbehördlichen Genehmigung (§ 154 Abs 3; V2/2/71). Anspruch des A gegen W auf angemessenes Schmerzengeld gem § 1325 iVm § 1320 ABGB Voraussetzung für den Anspruch ist eine Körperverletzung durch ein Tier, dessen Halter nicht beweist, für die erforderliche Verwahrung oder Beaufsichtigung gesorgt zu haben. § 1320 normiert neben der gewöhnlichen Verschuldenshaftung dessen, der das Tier angetrieben, gereizt oder zu verwahren vernachlässigt hat, eine spezielle Haftung des Tierhalters (III3/14/35). Es ist dies eine vom Verschulden unabhängige Haftung mit Beweislastumkehr hinsichtlich der Rechtswidrigkeit. Diese Haftung hat ihren Grund darin, dass der Tierhalter eine besondere Gefahrenquelle schafft und unterhält, weil Tiere infolge der Unberechenbarkeit ihres triebhaften Verhaltens gefährlich sind2. Halter der Dogge ist im vorliegenden Fall W, da er über die Verwahrung und Beaufsichtigung entscheidet. Dass seine Dogge die Verletzung des A durch ihren Biss verursacht hat, ergibt sich aus dem Sachverhalt. Ob W die erforderliche Beaufsichtigung und Verwahrung unterlassen und damit rechtswidrig gehandelt hat, bestimmt sich nach der Gefährlichkeit des Tieres, der Wahrscheinlichkeit der Schädigung und einer Interessenabwägung. Auch wenn die Dogge zuvor niemanden gebissen hat, ist das freie Herumlaufen des Tieres in dem den Gästen allgemein zugänglichen Bereich der Gastwirtschaft eine ständige Gefahr für die Gäste, insb für kleine Kinder. Ein besonderes Interesse des W am freien Herumlaufen der Dogge ist nach dem Sachverhalt nicht erkennbar, so dass eine entsprechende Verwahrung des Tieres geboten ist, um von vornherein die Gefährdung der körperlichen Integrität von Menschen zu vermeiden. Dass die Verwahrungspflicht nach § 1320 vor Schäden wie 1 Erstellt auf Grund von OGH JBl 1982, 150 mit Anm Koziol; Themenschwerpunkt: Tierhalterhaftung. 2 OGH JBl 1982, 150 mit Anm Koziol.
Fall 57: „Leichtsinn“ (P. Apathy)
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dem eingetretenen schützen will (III3/13/26: Rechtswidrigkeitszusammenhang), ist evident. Daher haftet W dem A und schuldet angemessenes Schmerzengeld. Dass die Dogge von A gestoßen wurde, was erst zum Biss geführt hat, vermag im Hinblick auf das Alter des A kein Mitverschulden zu begründen (III3/13/64).
Fall 57: „Leichtsinn“ Sachverhalt1 H fuhr mit seinem PKW bei Dunkelheit mit Abblendlicht und 50,7 km/h sowie einem Seitenabstand zum rechten Fahrbahnrand von 1 m im Ortsgebiet, als F, der zuvor in Richtung des herannahenden PKW geblickt hatte, 1,1 sec vor dem Unfall die Fahrbahn betrat, um diese zu überqueren. H verriss das Fahrzeug nach links und bremste, doch wurde die Bremsung erst 0,3 sec vor dem Unfall wirksam. Auch wenn H mit 40 km/h gefahren wäre, hätte er F mit gleichen Unfallfolgen niedergestoßen und verletzt. F begehrt eine Rente von € 100 monatlich. Mit Recht? Lösung I. Anspruch des F gegen H auf Verdienstentgang iHv monatlich € 100 gem § 1325 iVm § 1311 ABGB. Voraussetzung für den Anspruch ist, dass H den F rechtswidrig und schuldhaft verletzt hat und F infolge dieser Körperverletzung einen Verdienstentgang iHv € 100 erleidet. H hat die Verletzung des F dadurch adäquat verursacht, dass er ihn niedergestoßen hat; hätte er vor dem Zusammenstoß angehalten, so wäre F unverletzt geblieben. Einen Verstoß gegen die objektiv gebotene Sorgfalt eines durchschnittlichen Kraftfahrers2 (§ 1299) könnte man darin sehen, dass H entgegen § 20 Abs 2 StVO schneller als 50 km/h gefahren ist. Allerdings ist es fraglich, ob H die geringfügige Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit hätte bemerken müssen, weshalb die Rsp3 in derartigen Fällen Verschulden verneint. Selbst wenn man dem nicht folgte, kann sich H darauf berufen, dass auch bei rechtmäßigem Verhalten derselbe Schaden eintreten wäre, so dass eine Verschuldenshaftung des H zu verneinen ist4.
1 Erstellt auf Grund von OGH ZVR 1986/2; Themenschwerpunkt: Haftung des Kraftfahrzeughalters. 2 Zur Rechtswidrigkeit sa Fall 55 Z I. 3 ZVR 1986/2. 4 Zum rechtmäßigen Alternativverhalten s III3/13/26.
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Dritter Teil: Fälle zum Schuldrecht Besonderer Teil
II. Anspruch des F gegen H auf Verdienstentgang iHv monatlich € 100 gem § 13 Z 2 iVm §§ 1, 5 EKHG. Voraussetzung für den Anspruch ist eine Körperverletzung des F durch einen Unfall beim Betrieb eines Kfz des H mit der Folge eines Verdienstentganges iHv € 100 (III3/14/37 ff). F wurde vom PKW, dessen Halter offenkundig H ist, niedergestoßen. Dieser Unfall steht mit dem Betrieb des Kfz des H in adäquatem Kausalzusammenhang, da ohne das Fortbewegen des Kfz der Unfall und damit die Verletzung des F nicht eingetreten wäre. Auch am Gefahrenzusammenhang ist bei einem PKW in Bewegung nicht zu zweifeln (III3/14/38). Damit ist die Haftung des Halters (§ 5 EKHG) grundsätzlich gegeben, außer er kann sich durch den Nachweis eines die Haftung ausschließenden Umstandes entlasten. Im vorliegenden Fall ist ein Haftungsausschluss nach § 9 EKHG in Betracht zu ziehen, könnte doch das Verhalten des geschädigten F ein unabwendbares Ereignis sein (III3/14/43). Dies setzt zufolge § 9 Abs 2 EKHG freilich voraus, dass H nicht nur die durchschnittliche Sorgfalt eines Kraftfahrers (§ 1299), sondern jede nach den Umständen des Falles gebotene Sorgfalt eingehalten hat. Wegen der (wenngleich geringfügigen) Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit hat H die äußerste Sorgfalt nicht eingehalten. Unter dem Gesichtspunkt des rechtmäßigen Alternativverhaltens5 fällt dies jedoch nicht ins Gewicht: Da auch bei Einhaltung dieser Sorgfalt eines idealen Kraftfahrers derselbe Schaden eingetreten wäre, trifft H keine Haftung. Die Verletzung des F war auch für einen äußerst sorgfältigen Kraftfahrer unvermeidbar. Zum gleichen Ergebnis kommt der OGH6, wenn er das Mitverschulden des F (§ 7 EKHG) als derart schwerwiegend ansieht, dass man die geringfügige Geschwindigkeitsüberschreitung des H demgegenüber vernachlässigen könne (III3/14/43).
Fall 58: „Die folgenschwere Schwarzfahrt“ Sachverhalt1 E hat seinen PKW beim Autohaus W warten und reinigen lassen. Nach Durchführung der Arbeiten durch einen Kfz-Mechaniker des Autohauses wurde der PKW zur Reinigung an R überstellt, der in einer Halle, die er vom Autohaus W gemietet hat, als selbständiger Unternehmer Autoreinigung und Vermietung von Autoabstellplätzen betreibt. Der als Wagen5 Im konkreten Zusammenhang geht es um den Rechtswidrigkeitszusammenhang hinsichtlich der nach § 9 Abs 2 EKHG gebotenen Sorgfalt: vgl III3/13/26. 6 ZVR 1986/2. 1 Erstellt auf Grund von OGH ZVR 2000/26; Themenschwerpunke: Vertragsund Deliktshaftung; Haftung mehrerer Beteiligter; Schwarzfahrt; Gehilfenhaftung; Haftung eines Garagenunternehmers; Gefahrtragung beim Werkvertrag.
Fall 58: „Die folgenschwere Schwarzfahrt“ (P. Apathy)
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pfleger bei R beschäftigte H reinigte den PKW und stellte ihn danach in der Halle ab. Entsprechend der Weisung des R ließ H den Zündschlüssel im Zündschloss stecken, damit bei Feuerwehreinsätzen die Fahrzeuge rasch entfernt werden können. K, der H kannte und schon öfters im Betrieb besucht hatte, suchte diesen an diesem Tag zwischen 18.00 und 19.00 Uhr auf. Gegen 19.30 Uhr verließ H als Letzter – K war schon gegangen – das Firmengelände, nachdem er die Halle mittels eines Vorhängeschlosses versperrt hatte. Am Abend begab sich K erneut zum Firmengelände, brach ohne große Mühe das am Tor der Halle angebrachte Schloss auf, indem er die Vorrichtung, die zum Einhängen des Vorhängeschlosses diente, aus dem Türrahmen herausriss, und fuhr – nachdem er die Kennzeichen eines anderen Autos montiert hatte – mit dem PKW des E davon. In weiterer Folge wurde die Besatzung eines Funkstreifenwagens auf den PKW aufmerksam und verfolgte diesen mit Blaulicht. K erhöhte hierauf seine Geschwindigkeit auf 70 km/h im Ortsgebiet und kollidierte auf einer Kreuzung mit dem Fahrzeug des D, der den Vorrang des K verletzte. An beiden Fahrzeugen entstand Totalschaden iHv jeweils € 10.000. Die X-AG, bei der das Fahrzeug des E haftpflicht- und vollkaskoversichert war, hat € 10.000 an E gezahlt. Das Autohaus W stellt E für die Wartung angemessene € 500 in Rechnung. Welche Ansprüche stehen der X-AG zu? Lösung Vorüberlegung zur Aktivlegitimation der X-AG: Laut Sachverhalt hat die X-AG aufgrund der zwischen ihr und E bestehenden Kaskoversicherung € 10.000 an E gezahlt. Gem § 67 VersVG gehen Schadenersatzansprüche des Versicherungsnehmers gegen einen Dritten auf den Versicherer über, soweit dieser den Schaden dem Versicherungsnehmer ersetzt (III3/13/29). Es sind daher die infolge dieser Legalzession auf die X-AG übergegangenen Ansprüche zu prüfen. I. Anspruch der X-AG gegen D auf Zahlung von € 10.000 1. gem §§ 1, 5, 11 EKHG Voraussetzung für den Anspruch ist ein Schaden (an einer Sache) infolge eines Unfalls beim Betrieb des von D gehaltenen Kfz. Nach dem Sachverhalt hat der PKW des E bei der Kollision mit dem PKW des D, an dessen Haltereigenschaft nicht zu zweifeln ist, einen Totalschaden erlitten. Es handelt sich dabei um einen positiven Schaden iHv € 10.0002. Der Schaden ist fraglos durch einen Unfall beim Betrieb des PKW des D verursacht worden (III3/14/37 f). An dem Unfall, durch den der Schaden am PKW des E eingetreten ist, waren zwei Kfz beteiligt, denn auch der PKW des E war zum Zeitpunkt 2 Die Haftungshöchstbeträge des § 16 EKHG werden nicht erreicht.
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der Kollision in Betrieb. Ob die vom PKW des E ausgehende Betriebsgefahr zu berücksichtigen ist, richtet sich nach § 11 EKHG. Danach kommt es für die gegenseitige Ersatzpflicht der Beteiligten3 und die Mitverantwortung primär auf das Verschulden der Beteiligten, sekundär auf die außergewöhnliche4 und tertiär auf die überwiegende gewöhnliche Betriebsgefahr an5. Wegen der vorrangigen Berücksichtigung eines schuldhaften Verhaltens des D erfolgt die weitere Behandlung des Schadenersatzanspruchs gegen D im Rahmen der Verschuldenshaftung: 2. gem §§ 1331 f iVm § 1311 ABGB iVm § 11 EKHG Voraussetzung für die Haftung nach §§ 1331 f ist eine rechtswidrige und schuldhafte Sachbeschädigung durch D. Nach dem Sachverhalt hat D den Schaden am PKW des E durch eine Vorrangverletzung, also durch sein rechtswidriges und schuldhaftes Verhalten adäquat verursacht: Hätte D den Vorrang nicht verletzt, so wäre es nicht zur Kollision und damit nicht zur Beschädigung des PKW des E gekommen (III3/13/10). Der Sachverhalt bietet keine Anhaltspunkte, die den Schluss zulassen, die Vorrangverletzung wäre dem D nicht vorwerfbar; auch der Rechtswidrigkeitszusammenhang bereitet keine Probleme. Ob den D grobe oder leichte Fahrlässigkeit trifft ist aus dem Sachverhalt nicht erkennbar6 und auch nicht weiter erheblich, zumal es nur um den Ersatz von positivem Schaden geht. Die Haftung des D nach §§ 1331 f ABGB und § 5 EKHG ist damit grundsätzlich zu bejahen, doch bleibt noch zu prüfen, ob im Hinblick auf § 11 EKHG die Betriebsgefahr, die vom PKW des E ausgegangen ist, und das Verhalten des K, der den PKW des E mit überhöhter Geschwindigkeit gelenkt hat, für den Schadenersatzanspruch des E gegenüber D zu berücksichtigen ist, ob also E Mitverantwortung trifft. Ob schuldhaftes Verhalten des K (überhöhte Geschwindigkeit7) dem E anzulasten ist, wird nicht in § 11 EKHG geregelt, sondern ergibt sich aus § 19 Abs 2 EKHG: Danach haftet der Halter für das Verschulden derjenigen Personen, die mit seinem Willen beim Betrieb des Kfz tätig waren, soweit diese Tätigkeit für den Unfall ursächlich war (III3/14/45 und 46). K war aber nicht mit Willen des E beim Betrieb des Wagens tätig, sondern „Schwarzfahrer“, so dass sein Verschulden dem E auch nicht zugerechnet werden kann. Daran ändert auch § 7 Abs 2 EKHG nichts, wonach dem 3 Beteiligte sind nicht nur nach dem EKHG Haftende, wie Halter oder Schwarzfahrer, sondern auch der Lenker: Apathy, Kommentar zum EKHG (1992) § 8 Rz 2. 4 Es finden sich im Sachverhalt keine Anhaltspunkte für außergewöhnliche Betriebsgefahr. 5 III3/14/45; Apathy, Kommentar zum EKHG § 11 Rz 17; Schauer in Schwimann3 § 11 EKHG Rz 2, 19. 6 Der Sachverhalt enthält keinen Hinweis darauf, ob D den Vorrang bewusst oder aus Unachtsamkeit verletzt hat: vgl OGH ZVR 1969/94; Reischauer in Rummel3 § 1324 Rz 4. 7 Dazu unten II.
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Verschulden des Geschädigten das Verschulden desjenigen gleichsteht, der die tatsächliche Gewalt über die Sache ausübt8. Denn nach heute hA fehlt für die Zurechnung von Personen, die gegen den Willen des Geschädigten in dessen Sphäre eingedrungen sind, jede sachliche Rechtfertigung; die Bestimmung ist daher dahin teleologisch zu reduzieren, dass sich der Geschädigte die Sorglosigkeit seiner (innehabenden) Bewahrungsgehilfen anspruchsmindernd anrechnen lassen muss9. Anders als K waren aber W und in weiterer Folge R (und daher auch H) mit Willen des E beim Betrieb seines Wagens tätig10. R hat freilich allenfalls11 iSd § 6 Abs 1 EKHG die Schwarzfahrt des K schuldhaft ermöglicht, was nur den Fortbestand der Gefährdungshaftung des Halters trotz der Schwarzfahrt zur Folge hat12, nicht jedoch die Verschuldenshaftung nach § 19 Abs 2 EKHG rechtfertigt. Da gegenüber dem Verschulden des D die gewöhnliche Betriebsgefahr des PKW des E zufolge § 11 EKHG nicht ins Gewicht fällt, besteht der Anspruch der X-AG gegen D in voller Höhe von € 10.000. Aus demselben Grund besteht auch keine Gegenforderung des D wegen der Beschädigung seines PKW gegen die X-AG als Haftpflichtversicherer gem § 26 KHVG (vgl III3/14/40), mit der er gegen die Forderung der X-AG aufrechnen könnte. Denn E haftet für den Schaden am PKW des D entsprechend den Wertungen des § 11 EKHG nicht, wenn er nur die Betriebsgefahr zu verantworten hat, während D Verschulden (iSd Sorglosigkeit in eigenen Angelegenheiten) trifft. II. Anspruch der X-AG gegen K auf Zahlung von € 10.000 gem § 1331 iVm § 1311 ABGB Voraussetzung ist eine rechtswidrige und grob schuldhafte Sachbeschädigung. Den positiven Schaden des E (oben I.1.) hat K durch rechtswidriges Verhalten adäquat verursacht, indem er dessen PKW unbefugt in Betrieb genommen hat (§ 136 StGB) und – als ihn das Polizeiauto verfolgte – zu schnell gefahren ist, womit er gegen die Schutznorm des § 20 Abs 2 StVO verstoßen hat13. Da § 136 StGB und § 20 Abs 2 StVO den Schutz des Eigentums bezwecken, ist auch der Rechtswidrigkeitszusammenhang zu bejahen 8 Apathy, Kommentar zum EKHG § 7 Rz 2. 9 Koziol, JBl 1997, 201, 208; ders, Haftpflichtrecht3 I Rz 12/70. 10 Apathy, Kommentar zum EKHG § 6 Rz 15; Schauer in Schwimann3 § 6 EKHG Rz 12. 11 Zur Verantwortlichkeit des R vgl unten III. 12 Nach § 6 Abs 1 EKHG haftet der Halter neben demjenigen, der zur Zeit des Unfalls das Kfz ohne den Willen des Halters benutzte (Schwarzfahrer), wenn die Benutzung des Kfz entweder durch sein Verschulden oder durch das Verschulden von solchen Personen verursacht wurde, die mit seinem Willen beim Betrieb des Kfz tätig gewesen sind. Dazu III3/14/40. 13 III3/13/16; Reischauer in Rummel3 § 1311 Rz 4; Harrer in Schwimann3 § 1311 Rz 29.
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Dritter Teil: Fälle zum Schuldrecht Besonderer Teil
(III3/13/25 f). Schließlich hat K die Beschädigung des PKW des E verschuldet, da er vorsätzlich den PKW unbefugt in Betrieb genommen hat und zu schnell gefahren ist. Zwar hat er den Unfall nicht gewollt, aber bewusste Fahrlässigkeit und damit grobes Verschulden zu verantworten (III3/13/35). Der Anspruch der X-AG gegen K besteht daher zu Recht. Nach § 8 Abs 2 EKHG haften D und K als am Unfall Beteiligte14 solidarisch (III3/14/45). III. Anspruch der X-AG gegen R auf Zahlung von € 10.000 gem §§ 1331 f iVm § 1311 ABGB Vorüberlegungen zur Frage deliktischer oder vertraglicher Haftung: Da zwischen E und R kein Vertragsverhältnis besteht, kommt ein vertraglicher Schadenersatzanspruch der X-AG nur in Betracht, wenn es sich beim Vertrag zwischen W und R um einen Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter (II3/6/17 ff; III3/13/30) handelt. Die Figur des Vertrages mit Schutzwirkung zugunsten Dritter wurde entwickelt, um Personen, die – für den Schuldner (Schädiger) erkennbar – in einem besonderen Naheverhältnis zur vertraglichen Hauptleistung stehen und daher durch Erfüllungshandlungen in erhöhtem Maße gefährdet sind und die der Interessensphäre des Vertragspartners zuzurechnen sind, erhöhten Schutz bei Schädigungen infolge einer Verletzung von Vertragspflichten zukommen zu lassen, sie also nicht auf die Ansprüche aus Deliktshaftung zu beschränken. Diese Voraussetzungen sind im konkreten Fall an sich erfüllt, weil R als Erfüllungsgehilfe für W agiert15 und daher weiß, dass seine vertragliche Hauptleistung einem Dritten, uz dem jeweiligen Vertragspartner des W, erbracht wird, ferner dass dieser schon deswegen daran interessiert ist, dass E nicht geschädigt wird, weil er ihm aus Vertrag haftet. Dennoch würde von der Rsp16 ein vertraglicher Schadenersatzanspruch des E gegen R abgelehnt, weil E ohnehin einen vertraglichen Anspruch gegen W hat17, und die Figur des Vertrages mit Schutzwirkung zugunsten Dritter nicht die Aufgabe hat, Erfüllungsgehilfen generell eine Vertragshaftung mit den Folgen der Beweislastumkehr (§ 1298) aufzubürden. Immerhin hat sich ja E den W und nicht (auch) den R als Vertragspartner ausgesucht18. Der Erfüllungsgehilfe R haftet daher nur deliktisch. Zu überlegen ist ferner, ob R Garagenunternehmer iSd § 970 Abs 2 ist, so dass ihn die spezielle Gastwirtehaftung trifft (III3/6/10). Dieser Haftungstatbestand kombiniert die Elemente Beweislastumkehr, verstärkte 14 Zum Begriff der Beteiligten siehe oben FN 3. 15 Vgl ZVR 2000/26. 16 SZ 51/176 = EvBl 1979/101 = JBl 1980, 39 mit Anm Koziol; RdW 1999, 468; so auch Koziol/Welser II13 143. „Erwägenswert“ hält die vertragliche Haftung, wenn der Erfüllungsgehilfe nicht Dienstnehmer des Geschäftsherrn, sondern selbständiger Unternehmern ist, Koziol, Haftpflichtrecht2 II 90; dazu SZ 62/173 = JBl 1990, 376; EvBl 1993/119 = JBl 1994, 331 mit Anm Karollus. 17 Dazu unten IV. 18 Karollus, JBl 1994, 334.
Fall 58: „Die folgenschwere Schwarzfahrt“ (P. Apathy)
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Verschuldenshaftung und Gefährdungshaftung zulasten desjenigen, der die Gefahr des offenen Hauses tragen soll. § 970 gilt aber grundsätzlich nur für Verwahrer und nicht auch für Werkunternehmer mit der Nebenpflicht zur sorgfältigen Verwahrung19. Auch der Umstand, dass R Autoabstellplätze vermietet, begründet keine Haftung des R nach § 970, da es in Zusammenhang mit dem PKW des E zu keiner solchen Vermietung kam und sich auch nicht die spezielle Gefahr des offenen Hauses verwirklicht hat: Denn selbst Gastwirte haften zwar für die durch Einschleichdiebe verursachten Schäden, nicht aber wenn sich der Dieb – wie im vorliegenden Fall – durch Gewaltanwendung Zutritt verschafft hat20. Voraussetzung für die Haftung nach §§ 1331 f (ex delicto) ist eine rechtswidrige und schuldhafte Sachbeschädigung. Dass E einen positiven Vermögensschaden iHv € 10.000 erlitten hat, wurde bereits erörtert (I.1.). R hat angeordnet, dass an den abgestellten Kfz die Zündschlüssel im Zündschloss verbleiben sollen, er hat aber das Tor der Halle, in der sich diese leicht in Betrieb nehmbaren Kfz befanden, nur mit einem Vorhängeschloss abgesichert. Dieses Verhalten des R war kausal iSd Äquivalenztheorie (III3/13/10), denn hätte R die Schlüssel abziehen lassen und/oder für eine wirksamere Absperrung des Tores gesorgt, hätte K mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit den Wagen nicht gestohlen und folglich den Schaden nicht verursacht. Auch ist ein adäquater Zusammenhang gegeben, weil es durchaus im Bereich der allgemeinen Lebenserfahrung liegt, dass Kfz, die leicht zugänglich sind, auch leicht gestohlen werden, ferner dass es bei gestohlenen PKW zu Verfolgungsfahrten und in der Folge zu Unfällen kommen kann. Hier muss auch mitbedacht werden, dass die Halle auch Betriebsfremden zugänglich war, die sich über die örtlichen Verhältnisse leicht Kenntnis verschaffen konnten. R kann mehrfach objektiv sorgfaltswidrig, also rechtswidrig gehandelt haben: Zum einen hat er angeordnet, dass in den abgestellten Fahrzeugen die Zündschlüssel stecken zu bleiben haben. Dieses Verhalten verstößt grundsätzlich21 gegen § 102 Abs 6 KFG (Schutzgesetz), sofern dem R nicht behördlich aufgetragen wurde, im Hinblick auf mögliche Feuerwehreinsätze die Schlüssel in den Kfz zu belassen22. Zum anderen hat R das Tor zur Halle, in der diese Fahrzeuge abgestellt waren, nur mit einem Vorhängeschloss versperrt, das ohne große Mühe aufgebrochen werden konnte, 19 OGH ZVR 2000/26. 20 OGH SZ 49/10; III3/6/17; Schubert in Rummel3 § 970 Rz 8. 21 R könnte freilich auch andere, gleich effiziente Sicherungsmaßnahmen treffen: Apathy, Kommentar zum EKHG § 6 Rz 18 mit Bezug auf OGH ZVR 1981/221, wonach zwar bei der Auslegung von § 102 Abs 6 KFG ein strenger Maßstab anzulegen ist, es aber ausreicht, wenn Kfz auf einem umzäunten Abstellplatz abgestellt werden, wobei ein Stacheldraht das Übersteigen des Zauns wesentlich erschwert, das Einfahrtstor mit einem Schloss und zusätzlich mit einer Kette mit Vorhangschloss gesichert ist, wenn ferner der Abstellplatz in der Nacht ausgeleuchtet ist und Wachhunde vorhanden sind. 22 OGH ZVR 2000/26.
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Dritter Teil: Fälle zum Schuldrecht Besonderer Teil
indem man die Vorrichtung, die zum Einhängen des Vorhängeschlosses diente, aus dem Türrahmen herausreißt. Gerade wenn man im Hinblick auf mögliche Feuerwehreinsätze die Schlüssel in den Kfz belässt, ist es auch wegen des Wertes der verwahrten Fahrzeuge und des Zutritts Betriebsfremder, die sich mit den örtlichen Verhältnissen vertraut machen können, unbedingt geboten, für eine entsprechende Absperrung des Tors zur Halle zu sorgen. Insgesamt handelt es sich daher um einen groben Verstoß gegen die zum Schutz der verwahrten Fahrzeuge objektiv gebotene Sorgfalt. Schließlich ist R sein sorgfaltswidriges Verhalten auch subjektiv vorwerfbar, da der Sachverhalt keine Anhaltspunkte dafür bietet, wie sich R entsprechend § 1297 entlasten könnte. R hat somit fahrlässig den Schaden am PKW des E herbeigeführt und haftet der X-AG entsprechend § 1302 solidarisch mit K und D. IV. Anspruch der X-AG gegen W auf Zahlung von € 10.000 gem §§ 1331 f iVm § 1313a ABGB (ex contractu) Voraussetzung für die Haftung nach §§ 1331 f ist eine dem W zurechenbare rechtswidrige und schuldhafte Sachbeschädigung. Wie vorhin festgestellt, hat R den Schaden des E fahrlässig herbeigeführt. Da sich W nach dem Inhalt des mit E geschlossenen Werkvertrags zur Reinigung des PKW verpflichtet hat und diese Arbeiten durch R durchführen hat lassen, muss er sich das Verhalten seines Erfüllungsgehilfen R nach § 1313a zurechnen lassen und haftet – unbeschadet der Regressmöglichkeit nach § 1313 gegenüber R sowie gem § 896 gegenüber K und D – solidarisch mit R (III3/13/47), K und D. Zu untersuchen ist aber noch, ob W mit seiner Werklohnforderung von € 500 aufrechnen kann. Nach einer Zession kann der Schuldner gegen den Neugläubiger mit allen Forderungen aufrechnen, die bis zur Verständigung von der Abtretung dem Grunde nach entstanden sind23. Zudem muss die Forderung, mit der man aufrechnen will, fällig geworden sein. Nach dem Sachverhalt ist das Werk jedoch vor der Übernahme durch den Werkbesteller E untergegangen, wobei der Grund für den Untergang nicht in der Sphäre des Werkbestellers liegt (§ 1168a; III3/3/14). ISd Sphärentheorie trägt der Werkunternehmer die Preisgefahr, da er ja den geschuldeten Erfolg nicht herbeigeführt hat. V. Anspruch der X-AG gegen H auf Zahlung von € 10.000 gem § 1332 ABGB (ex delicto) Voraussetzung für die Haftung nach § 1332 ist eine leicht fahrlässige Sachbeschädigung. Dabei hat H, wenn er von der X-AG zum Ersatz des Schadens des E herangezogen wird, dies gem § 3 DHG seinem Dienstgeber R unverzüglich mitzuteilen und ihm im Falle der Klage den Streit zu verkünden (III3/13/48). 23 II3/5/37; Dullinger in Rummel3 § 1442 Rz 1 f; Griss in KBB2 § 1442 Rz 1; Koziol/Welser II13 102.
Fall 58: „Die folgenschwere Schwarzfahrt“ (P. Apathy)
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Zwar hat H den Schaden des E durch sein weisungsgemäßes Verhalten mitverursacht, doch kann ihm die Beachtung der Weisung seines Arbeitgebers in diesem Fall wohl nicht vorgeworfen werden. Ein objektiv sorgfältiger Arbeitnehmer kann grundsätzlich davon ausgehen, dass die Weisungen seines Arbeitgebers korrekt sind.
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Dritter Teil: Fälle zum Schuldrecht Besonderer Teil
13. Bereicherungsrecht Fall 59: „Die Versteigerung“ Sachverhalt1 Im Zuge einer von G gegen S betriebenen Liegenschaftsexekution wurde ein LKW mit einem Schätzwert von € 15.000 ins Schätzungsprotokoll aufgenommen. Der bei der Versteigerung der Liegenschaft einschließlich Zubehör erzielte Erlös betrug 73 % des Schätzwertes. Der LKW hat nicht S, sondern E gehört. Wie ist die Rechtslage? Lösung Vorüberlegungen: Nach dem Sachverhalt hat der LKW dem E gehört. Er hätte sich daher mittels Klage nach § 37 EO gegen die Versteigerung zur Wehr setzen können; dann hätte der Ersteher auch nicht gutgläubig2 Eigentum am LKW erwerben können (IV3/6/95). Dass er dies nicht getan hat, schließt einen Verwendungsanspruch (§ 1041) allerdings nicht aus3, weil das Verhalten des E weder den iSd § 863 ABGB unzweifelhaften Schluss zulässt, er habe auf sein Eigentumsrecht verzichten wollen, noch als sittenwidrige Schädigung iSd § 1295 Abs 2 ABGB zu qualifizieren ist. Anspruch des E gegen G auf Zahlung von € 10.950 gem § 1041 ABGB Voraussetzung für einen Anspruch nach § 1041 ist, dass eine Sache des E zum Nutzen eines anderen, uz des G, verwendet wurde, ohne dass E dem G diese Sache bewusst zugewendet hätte (zuweisungswidrige Nutzung: III3/15/16 ff). Durch die Zwangsversteigerung ist der Nutzen aus der Sache des E dem G als betreibendem Gläubiger zugeflossen; er konnte sich aus dem Versteigerungserlös (teilweise) befriedigen. Die Nutzung (Verwendung) des LKW erfolgte durch die Exekutionsführung, die das Eigentum des E infolge Gutglaubenserwerb des Erstehers erlöschen ließ. Diese Nutzung war zuweisungswidrig, weil G keinen Exekutionstitel gegenüber E, sondern gegen S hatte. Als redlicher Bereicherungsschuldner4 hat G den gemeinen Wert der verwendeten Sache zu ersetzen, bei geringerem Nutzen jedoch entsprechend weniger (III3/15/28). Da dem G nicht der gesamte Schätzwert des LKW (€ 15.000), sondern nur der anteilige Versteigerungserlös zuge1 Erstellt auf Grund von OGH SZ 46/8; Themenschwerpunkt: Verwendungsanspruch. 2 Mangels gegenteiliger Anhaltspunkte im Sachverhalt ist entsprechend § 328 S 2 von der Redlichkeit des Erstehers auszugehen: IV3/2/25. 3 SZ 46/8. 4 Aus dem Sachverhalt ergibt sich kein Anhaltspunkt dafür, dass G davon Kenntnis haben musste, dass der LKW nicht S gehört.
Fall 60: „Die fehlerhafte Überweisung“ (P. Apathy)
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kommen ist, beschränkt sich der Verwendungsanspruch des E auf diesen tatsächlich erzielten Nutzen des G, also € 10.950.
Fall 60: „Die fehlerhafte Überweisung“ Sachverhalt1 A stand gegen B eine Vermittlungsprovision von € 3.000 zu. A trat diese Forderung an C ab. B wurde von der Zession verständigt. Nach dem Tod des A überwies B versehentlich € 3.000 statt an C auf ein Girokonto des A bei der D-Bank. Wie ist die Rechtslage? Lösung Vorüberlegungen: Ursprünglich bestand eine Forderung des A gegenüber B. Infolge der Abtretung dieser Forderung an C hat A die Gläubigerstellung verloren. Da B von der Abtretung verständigt worden ist, kann er sich nicht auf die Schuldnerschutzbestimmung des § 1395 S 2 ABGB berufen (II3/5/30), sondern nur noch an C schuldbefreiend zahlen. Die Überweisung auf das Konto des A hat daher für B keine schuldbefreiende Wirkung, so dass B interessiert ist, das Gezahlte wieder zu erlangen. Daher ist zu prüfen: Anspruch des B gegen die Verlassenschaft nach A auf Rückzahlung € 3.000 gem § 1431 ABGB Voraussetzung für den Anspruch ist die irrtümliche Leistung von € 3.000 durch B an A oder dessen Verlassenschaft, ohne dass eine entsprechende Verpflichtung des B gegenüber A bestand (III3/15/5 f). Die Überweisung ist eine bewusste Zuwendung, also eine Leistung des B an die Verlassenschaft nach A, will doch B damit seine (vermeintliche) Schuld gegenüber A tilgen. B hat daher an die Verlassenschaft nach A geleistet und nicht an die D-Bank, da er dem A die € 3.000 zahlen wollte, nicht der D-Bank. Diese ist lediglich empfangsberechtigter Bote des A bzw von dessen Verlassenschaft, weshalb die condictio indebiti gegen die Verlassenschaft des A, nicht gegen die D-Bank zu richten ist2. Der Tod des A hat die Empfangsberechtigung der D-Bank nicht beendet, da ein Auftragsverhältnis – wie es auch bei einem Girovertrag vorliegt – zwar grundsätzlich mit dem Tod des Auftraggebers erlischt, aber eine begrenzte Fortführungspflicht im Interesse der Verlassenschaft bzw Erben besteht (§§ 1022, 1025). Da dem A nach der Abtretung an C keine Forderung mehr gegenüber B zustand, hat B seine Leistung (an Zahlungs Statt: II3/2/25) rechtsgrundlos 1 Erstellt auf Grund von OGH SZ 54/28; Themenschwerpunkt: irrtümliche Zahlung einer Nichtschuld. 2 SZ 54/28; III3/15/40.
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Dritter Teil: Fälle zum Schuldrecht Besonderer Teil
erbracht. Nach dem Sachverhalt ist die Überweisung versehentlich erfolgt, so dass auch das Irrtumserfordernis des § 1431 erfüllt und B anspruchsberechtigt ist.
Fall 61: „Der Bausparvertrag“ Sachverhalt1 A hat im Namen seines damals 16-jährigen Sohnes M ohne dessen Wissen bei der X-Bausparkasse einen Bausparvertrag abgeschlossen und in der Folge aus seinem eigenen Vermögen (durch Abbuchungen von seinem Konto) die Ansparraten gezahlt. Er hatte niemals die Absicht, das angesparte Guthaben seinem Sohn zukommen zu lassen, sondern wollte nur sein eigenes Vermögen vermehren und eine weitere Bausparprämie lukrieren; diese Absicht verschwieg er damals allerdings X. Nach Ablauf der sechsjährigen Bindungsfrist erwirkte A die Überweisung des Bausparguthabens von € 5.678 (inklusive Bausparprämien) auf sein Konto Nr. 12345 bei der A-Bank. Die Auszahlung des Guthabens beantragte er mit einem Formular, das ihm von einer Mitarbeiterin von X ausgehändigt wurde, damit es M als Inhaber des Bausparvertrags unterfertige. A setzte in der Folge nicht nur seine Unterschrift in die für den Vertreter des Vertragsinhabers („gesetzlicher Vertreter des minderjährigen Antragstellers“) vorgesehene Spalte, sondern unterschrieb auch mit dem Namen seines Sohnes in der für den „Antragsteller“ vorgesehenen Spalte. Als Konto für die Gutschrift des Auszahlungsbetrags gab A sein eigenes an. M möchte sich nicht damit abfinden, dass sein Vater das Bausparguthaben für sich verwendet. Wie ist die Rechtslage?2 Lösung I. Anspruch des M gegen X auf Zahlung von € 5.678 aus dem Bausparvertrag Voraussetzung für den Anspruch ist ein Bausparvertrag zwischen X und M sowie Fälligkeit. Nach dem Sachverhalt hat A im Namen seines damals 16-jährigen Sohnes M bei X einen Bausparvertrag abgeschlossen und in der Folge aus seinem Vermögen die Ansparraten bezahlt. Das angesparte 1 Erstellt auf Grund von OGH SZ 2004/46 = ÖBA 2005, 509 mit Anm Dullinger; Themenschwerpunkte: Verwendungsanspruch, Leistungskondiktion, Stellvertretung, Umgehungsgeschäft, Anweisung, Schenkung. 2 Beachte dazu § 108. EStG (1) Leistet ein unbeschränkt Steuerpflichtiger … Beiträge an eine Bausparkasse …, so wird ihm auf Antrag Einkommensteuer (Lohnsteuer) erstattet. ... Die Erstattung steht dem Steuerpflichtigen nur für jeweils einen Bausparvertrag zu. (6) Zu Unrecht erstattete Einkommensteuer (Lohnsteuer) ist vom Steuerpflichtigen zurückzufordern.
Fall 61: „Der Bausparvertrag“ (P. Apathy)
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Guthaben wollte er nie seinem Sohn zukommen lassen. A wollte vielmehr sein eigenes Vermögen vermehren und eine weitere Bausparprämie lukrieren. Es stellt sich daher zunächst die Frage, ob der Bausparvertrag als Schein- oder Umgehungsgeschäft zu qualifizieren ist. Scheingeschäfte sind Geschäfte, die von den Beteiligten nicht wirklich gewollt werden; die Willenserklärungen werden im Einverständnis mit dem Empfänger bloß zum äußeren Schein abgegeben, in der Regel wollen die Beteiligten ein anderes, wirklich gewolltes Geschäft verschleiern. Das zum Schein abgeschlossene Geschäft wirkt zwischen den Parteien nicht, weil es ja nicht gewollt ist und keiner der Partner auf die Wirksamkeit der Erklärung vertraut hat (vgl § 916 Abs 1 ABGB)3. Im gegenständlichen Fall ist ein Scheingeschäft aber jedenfalls auszuschließen, da nach dem Sachverhalt nicht davon ausgegangen werden kann, dass ein entsprechendes Einverständnis von X bestand. X kannte die Absicht von A, selbst die Bausparprämie zu lukrieren nicht und wollte daher den Vertrag mit M und nicht mit A abschließen. Bei einem Umgehungsgeschäft wollen die Vertragspartner durch die Art der Gestaltung des Rechtsgeschäfts die Anwendung einer bestimmten gesetzlichen Regelung vermeiden oder das Eingreifen einer anderen Norm erreichen. Das Umgehungsgeschäft ist daher nicht nur zum Schein geschlossen, sondern von den Parteien wirklich gewollt; es ist daher nicht von vornherein unwirksam4. Gemäß § 108 Abs 1 letzter Satz EStG steht die Prämie nur für einen Bausparvertrag pro Person zu. Nach dem Sachverhalt strebte A durch den Abschluss des Bausparvertrags die Lukrierung einer weiteren Prämie an, das heißt, er hatte bereits einen Bausparvertrag für sich selbst abgeschlossen, für den er auch die Prämien bezieht. Der Abschluss des Bausparvertrages im Namen des Sohnes in der Absicht, entgegen § 108 EStG eine weitere Bausparprämie zu erlangen, stellt daher ein verbotenes Umgehungsgeschäft dar. Die Rechtsfolgen eines Umgehungsgeschäftes richten sich nach der umgangenen Norm, weshalb dem Vater neben der Prämie aus seinem eigenen Bausparvertrag keine weitere Prämie zukommen darf. Der Bausparvertrag für den Sohn als solcher ist davon aber nicht betroffen, weshalb er aufrecht bleibt5. Bezüglich der Bausparprämie ist hingegen anzunehmen, dass diese – soweit sie unrechtmäßig bezogen wurde6 – vom Finanzamt gemäß § 108 Abs 6 EStG zurückgefordert wird. Der Vater A hat den Bausparvertrag als gesetzlicher Vertreter seines Sohnes M abgeschlossen. Gemäß § 154 ABGB ist grundsätzlich (Ausnahmen finden sich in § 154 Abs 2 und 3 ABGB) jeder Elternteil für sich alleine der gesetzliche Vertreter des Kindes (Grundsatz der Einzelvertretung)7. Auch wenn man Zweifel daran haben kann, ob der Abschluss eines Bau3 I4/7/12; Koziol/Welser I13 146; Bollenberger in KBB2 § 916 Rz 1; Rummel in Rummel3 § 916 Rz 2. 4 I4/7/41; Koziol/Welser I13 147, 178 f; Bollenberger in KBB2 § 916 Rz 5; Apathy/ Riedler in Schwimann3 § 879 Rz 6; Krejci in Rummel3 § 879 Rz 37. 5 SZ 2004/46; Dullinger, ÖBA 2005, 211. 6 Dazu Dullinger, ÖBA 2005, 211. 7 V2/2/71; ausführlich Hopf in KBB2 § 154 ABGB Rz 1 ff.
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Dritter Teil: Fälle zum Schuldrecht Besonderer Teil
sparvertrages im Namen des Sohnes, obwohl dieses Geschäft allein der eigenen Vermögensbildung des Vaters dienen soll, von der gesetzlichen Vertretungsmacht des A gedeckt ist, so ist der gegenständliche Bausparvertrag jedenfalls durch die nachträgliche Genehmigung des volljährig gewordenen Sohnes wirksam8. Diese Genehmigung ist nicht an die Formpflicht des § 154 Abs 4 ABGB gebunden, da sich aus dem Bausparvertrag keine Verpflichtung von M mehr ergibt. Folglich stehen die Rechte aus dem Bausparvertrag grundsätzlich dem Sohn M als Vertragspartner von X zu. Zu überlegen ist nun, ob der Anspruch des M gegen X auf Auszahlung des nach dem Ende der Bindungsfrist fälligen Guthabens mit der Zahlung von X an A erloschen ist. Dies hängt davon ab, ob der Vater zur Entgegennahme des Bausparguthabens für seinen Sohn bevollmächtigt beziehungsweise ermächtigt war (§ 1424 Satz 1 ABGB; II3/4/9). Mit dem Eintritt der Volljährigkeit ist die gesetzliche Vertretungsmacht des Vaters A hinsichtlich seines Sohnes M erloschen (§ 172 Abs 1 ABGB). Eine rechtsgeschäftlich eingeräumte Vertretungsmacht kann nach dem Sachverhalt jedenfalls ausgeschlossen werden. Auch das Vorliegen einer Anscheinsvollmacht (II3/4/9) scheidet aus, da M keine Handlung gesetzt hat, die ein Vertrauen von X begründen könnte, er habe seinem Vater das Inkasso des Anspruchs aus dem Bausparvertrag gestattet (I4/9/25). Der Anspruch des Sohnes auf Auszahlung des Bausparguthabens (abzüglich der vom Finanzamt zurückgeforderten Bausparprämie)9 ist daher trotz der Zahlung an A weiterhin aufrecht. II. Anspruch von X gegen A auf Zahlung von € 5.678 (abzüglich der vom Finanzamt zurückgeforderten Bausparprämie) gemäß § 1431 oder § 1041 ABGB Vorüberlegung: Wie oben dargelegt, besteht zwischen X und M ein Bausparvertrag und daher ist X zur Zahlung der Bausparsumme an M verpflichtet. Da der Vater A das Auszahlungsformular mit dem Namen seines Sohnes unterschreibt und sein eigenes Konto für die Gutschrift des Auszahlungsbetrages angibt, liegt es nahe anzunehmen, dass X meinte von M angewiesen worden zu sein und daher (im Deckungsverhältnis) an den Berechtigten M zu leisten die Absicht hatte (II3/5/62 ff; III3/15/42). Ferner besteht offenkundig zwischen X und A kein Rechtsgrund, der die Vermögensverschiebung an diesen rechtfertigen würde. Dies bedeutet, dass A ein Vermögenswert zugeflossen ist, der ihm nicht gebührt, so dass er ungerechtfertigt bereichert sein könnte. Das ABGB kennt keine allgemeine Bereicherungsnorm, sondern verschiedene Tatbestände, die man in zwei Fallgruppen gliedert: Die Vermögensverschiebung kann auf einer Leistung 8 SZ 2004/46: Genehmigung durch Klagserhebung; Dullinger, ÖBA 2005, 211. 9 M hat ja keine Beiträge an X geleistet. Vertretbar ist aber auch, dass der Anspruch die Bausparprämien einschließt, weil 108 EStG nicht dagegen spricht, dass M die Bausparprämien lukriert. Sein Vater hätte ja auch im Namen des Sohnes die Beiträge zahlen können.
Fall 61: „Der Bausparvertrag“ (P. Apathy)
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des Verkürzten beruhen oder ohne eine solche Leistung eingetreten sein (III3/15/3 und 16). Voraussetzung für einen Anspruch gemäß § 1431 ist die irrtümliche Erbringung einer nicht geschuldeten Leistung (III3/15/5). Leistung ist die zweckgerichtete Vermehrung fremden Vermögens durch bewusste Zuwendung10. Hingegen besteht ein Verwendungsanspruch nach § 1041 bei zuweisungswidriger Nutzung, wenn also – ohne Leistung des Verkürzten – eine Sache zum Nutzen einer Person, der dieser Nutzen nicht gebührt, verwendet worden ist (III3/15/16 f ), wobei keine Rolle spielt, wer die Verwendung vorgenommen hat (III3/15/18). Ob in der Überweisung der Bausparsumme auf das Konto des A eine Leistung von X an den Kontoinhaber liegt, bestimmt sich danach, wem X leisten wollte. Wie oben festgestellt, wollte X an ihren Vertragspartner M zahlen, nicht an A, der als falsus procurator auftritt. Nimmt jemand in fremdem Namen eine nicht geschuldete Zahlung entgegen, ohne zum Empfang berechtigt zu sein, so steht dem Verkürzten keine Leistungskondiktion, sondern ein Verwendungsanspruch gegen den Scheinvertreter zu11. Gleiches gilt aber auch, wenn der Verkürzte zwar dem scheinbar Vertretenen schuldet, aber einem nicht zum Empfang berechtigten Scheinvertreter zahlt. Denn es fehlt an einem rechtfertigenden Grund das Empfangene zu behalten, wenn dem Leistenden zwar eine Verpflichtung obliegt, allerdings gegenüber jemand anderem als dem Empfänger12. Damit übereinstimmend steht im Falle der Zahlung auf Grund einer unwirksamen Anweisung ein Verwendungsanspruch des vermeintlich Angewiesenen gegen den Empfänger (III3/15/43). III. Anspruch des A gegen M auf Zahlung von € 5.678 (abzüglich der vom Finanzamt zurückgeforderten Bausparprämie) gemäß § 1041 ABGB Voraussetzung für einen Anspruch des A nach § 1041 ABGB ist, dass seine Sache zum Nutzen von M verwendet worden ist. Verwendung zum Nutzen eines anderen ist die zuweisungswidrige Nutzung eines Rechtsguts; ein Nichtberechtigter hat Vorteile, die ausschließlich dem Berechtigten zustehen, aus der Sache gezogen (III3/15/16 f). Nach dem Sachverhalt hatte A niemals die Absicht, das Guthaben aus dem Bausparvertrag seinem Sohn M zukommen zu lassen; vielmehr wollte A sein eigenes Vermögen vermehren. Eine etwaige Schenkung von A an seinen Sohn M kann daher von vornherein ausgeschlossen werden, zumal A auch kein Verhalten gesetzt hat, aus dem sein Sohn auf eine Schenkung schließen hätte können; M hatte ja auch keine Kenntnis vom Abschluss des Bausparvertrags. Der Vermögenswert, der von A an X geleisteten Zahlungen (samt den daraus erwachsenen Zinsen) ist daher im 10 III3 /15/4; Rummel in Rummel3 § 1431 Rz 2; Koziol in KBB2 Rz 1 zu Vor §§ 1431–1437 ABGB; Mader in Schwimann3 Vor §§ 1431 ff Rz 7. 11 III3 /15/41; Rummel in Rummel3 Vor § 1431 Rz 18; Koziol in KBB2 Vor §§ 1431– 1437 Rz 13. 12 Koziol in KBB2 § 1431 ABGB Rz 3.
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Dritter Teil: Fälle zum Schuldrecht Besonderer Teil
Verhältnis zu M auch weiterhin A zuzuordnen. Da M – wie oben festgestellt – einen Anspruch gegen X erworben hat, ohne dass er dafür eigene Mittel aufwenden musste, ist ein zuweisungswidriger Nutzen in seinem Vermögen eingetreten. Solange X nicht an M gezahlt hat, besteht der Nutzen in der Forderung gegen X (oben I), die M seinem Vater abtreten muss; nach Zahlung von X an M ist der erlangte Geldbetrag Gegenstand des Verwendungsanspruchs von A. IV. Anspruch des M gegen A auf Zahlung von € 5.678 (abzüglich der vom Finanzamt zurückgeforderten Bausparprämie) gemäß § 1041 ABGB Zu überlegen ist noch, ob M die Zahlung der Bausparsumme (anstatt von X) direkt von seinem Vater fordern kann, da der Vertrag ja zwischen M und X zustande gekommen ist, die Auszahlungssumme aber an A überwiesen wurde. Voraussetzung dafür wäre, dass A eine Sache des M ohne Berechtigung zu seinem Nutzen verwendet. Auf den ersten Blick ließe sich argumentieren, der Anspruch aus dem Bausparvertrag stehe M zu, und sein Vater habe diese Forderung zum eigenen Nutzen verwendet, indem er sich den Betrag hat auszahlen lassen. Aber abgesehen davon, dass der Anspruch gegen X durch die Überweisung auf das Konto von A nicht erloschen ist, muss man berücksichtigen, dass – wie oben (III) ausgeführt – der Vermögenswert mangels Schenkung oder anderem Rechtsgrund materiell dem A zuzuordnen ist, da er sich aus dessen Zahlungen an die X ergibt. M hat daher keinen Anspruch gegen seinen Vater A.
Vierter Teil: Fälle zum Sachenrecht Wegen der engen Verflechtung des Sachenrechts mit den anderen Teilbereichen des bürgerlichen Rechts, insb mit dem Allgemeinen Teil und dem Schuldrecht, ist es unvermeidbar, aber auch sinnvoll, Sachverhaltselemente aus diesen Rechtsgebieten miteinzubeziehen. Das bedingt natürlich, dass in den Lösungsvorschlägen regelmäßig auf Fragen aus dem Allgemeinen Teil bzw dem Schuldrecht eingegangen werden muss, weil deren Beantwortung Voraussetzung für die Behandlung der sachenrechtlichen Probleme ist. Auch erfordert die Falllösung idR die Erörterung schuldrechtlicher Ansprüche, die zB auf Schadenersatz, Herausgabe der Bereicherung oder Vertragserfüllung gerichtet sind. Diese werden hier aber unter bewusstem Verzicht auf eingehende Prüfung eher skizzenhaft dargestellt, weil die sachenrechtlichen Aspekte der Fälle im Vordergrund stehen und ihnen daher breiter Raum gewidmet wird. Soweit in einem Sachverhalt nur bestimmte Ansprüche erhoben werden, beschäftigt sich die dazu angebotene Lösung nur mit diesen und den Folgeansprüchen.
1. Grundbegriffe und Grundsätze Fall 62: „Das ,exklusive‘ Restaurant“ Sachverhalt1 V eröffnet in ihrem Landhaus ein kleines, aber exklusives Restaurant. Für die Unterhaltung der Gäste im Speisesaal sucht sie ein gutes Klavier. Da sie sich aber ein solches nicht leisten kann, bittet sie ihren Freund F, ihr seinen Flügel bis auf weiteres zu borgen, womit F einverstanden ist. Außerdem schafft V eine automatische Geschirrwaschanlage, die in die Kücheneinrichtung integriert wird, im Wege eines Leasings von der AFinanz an. Wenige Monate später möchte K die erfolgreiche Gastwirtschaft samt Liegenschaft kaufen. Nach einer Besichtigung werden sich V und K handelseins. Nachdem K den Kaufpreis gezahlt hat, wird er im Grundbuch als neuer Eigentümer eingetragen. Den Restaurationsbetrieb übernimmt 1 In Anlehnung an die E des OGH HS 6407/23. Problembereiche: Zubehör; Maschineneigentum.
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Vierter Teil: Fälle zum Sachenrecht
K entsprechend der Vereinbarung erst einen Monat später. Kurz vorher erfährt K, dass die Geschirrwaschanlage der A-Finanz und das Klavier dem F gehöre, was ihn aber unter Hinweis auf den Kaufvertrag nicht hindert, sich auch diese Gegenstände von V ausfolgen zu lassen. F verlangt das Klavier und die A-Finanz die Geschirrwaschanlage von K heraus. Lösung I. Anspruch F gegen K auf Herausgabe des Klaviers nach § 366 ABGB Nach dem Sachverhalt ist davon auszugehen, dass F Eigentümer des Klaviers ist. Er kann daher mit der rei vindicatio die Herausgabe von demjenigen verlangen, der die Sache innehat, hier also von K, da diesem die Gastwirtschaft bereits übergeben wurde. Wenn allerdings K das Eigentum an dem Klavier erworben hat oder dem F ein Recht zum Besitz entgegenhalten kann, würde dieser mit der rei vindicatio nicht durchdringen. K hat die Gastwirtschaft samt Liegenschaft gekauft und wurde auf Grund der Eintragung im Grundbuch Eigentümer der Liegenschaft. Ob er auch das Klavier miterworben hat, hängt zunächst vom Inhalt des Kaufvertrages zwischen V und K ab, weil ein Rechtserwerb wegen des Grundsatzes der Kausalität des Verfügungsgeschäfts (IV/6/41) nur an solchen Sachen möglich ist, auf die sich das Titelgeschäft erstreckt. Da der Kaufvertrag iZw auch das Zugehör der gekauften Sache umfasst (§§ 1061, 1047) und die Parteien keine abweichende Vereinbarung getroffen haben, sind auch selbständige Bestandteile und das Zubehör der Gastwirtschaft als mitverkauft anzusehen. Wenn das Klavier der V gehört hätte, wäre es eindeutig Zubehör des Restaurantunternehmens der V, weil es zwar nicht fest mit der Hauptsache verbunden ist – dann wäre es selbständiger Bestandteil –, aber doch dem Unternehmen dient und dafür von V auf Dauer gewidmet wurde. Berücksichtigt man nun, dass das Klavier F gehört, so würde es sich nach hA mangels Eigentümeridentität (dazu IV/1/23) nicht um Zubehör handeln. Allerdings kommt es auf der Ebene des Titelgeschäfts nicht auf sachenrechtliche Grundsätze, sondern auf den Parteiwillen an. Weil V den K offenbar nicht darauf hingewiesen hat, dass das Klavier nicht ihr gehört, konnte K nach den ihm erkennbaren Umständen davon ausgehen (Vertrauenstheorie, vgl I/6/42), dass das Klavier Zubehör des Restaurantbetriebes und daher mitveräußert ist. Das musste auch V erkennbar sein, so dass die Vereinbarung in diesem Sinne zu verstehen ist. Für die Frage, ob K tatsächlich das Eigentum am Klavier erworben hat, ist aber nunmehr die sachenrechtliche Situation, also das Recht des Vormannes (V) zur Veräußerung des Instruments zu berücksichtigen. Wäre V Eigentümerin des Klaviers, so hätte K mit der Verbücherung seines Eigentums an der Liegenschaft zweifellos auch dieses miterworben, ohne dass es einer Übergabe nach den §§ 426 ff bedurft hätte (§§ 293, 296; IV/1/15).
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Da aber der Flügel F gehört und dieser der V keine Befugnis zur Übereignung an K erteilt hat (zur Verfügungsermächtigung vgl IV/6/44), kommt ein derivativer Erwerb durch K nicht in Betracht. Zu prüfen ist somit, ob K das Eigentum am Klavier kraft guten Glaubens zusteht. Die Rechtsgrundlage hiefür kann aber nicht in § 63 GBG gefunden werden, weil das Klavier mangels Eigentümeridentität nicht als unbewegliche Sache iSd § 293 zu behandeln ist (IV/1/15 und 27). Maßgeblich ist daher § 367. Da F das Klavier der V anvertraut hat und K mangels irgendwelcher Verdachtsmomente wohl nicht einmal leichte Fahrlässigkeit hinsichtlich seines Vertrauens auf das Eigentum der V am Klavier vorgeworfen werden kann, käme ein gutgläubiger Eigentumserwerb des K in Betracht. Der Flügel blieb allerdings vorerst noch in der Innehabung der V; für eine Übergabe durch Besitzkonstitut findet sich im Sachverhalt kein Anhaltspunkt. Der erforderliche Modus wurde erst mit der faktischen Überlassung des Restaurantbetriebes an K in Form einer körperlichen Übergabe gesetzt. Zu diesem Zeitpunkt hat K aber bereits vom Eigentum des F Kenntnis erlangt, so dass er nicht mehr gutgläubig war und ein Erwerb nach § 367 ausscheidet. Folgt man jedoch der neueren Lehre (vgl die Hinweise in IV/1/27 FN 21), nach der für den gutgläubigen Eigentumserwerb an Scheinzubehör einer Liegenschaft eine Übergabe nach den §§ 426 ff nicht erforderlich ist, sondern die Verbücherung genügt, hätte K mit der Einverleibung seines Eigentums im Grundbuch auch das Eigentum am Klavier erlangt.
Wenn man mit der hA den gutgläubigen Eigentumserwerb des K am Klavier verneint, so ist noch zu prüfen, ob dieser dem F ein Recht zum Besitz einwenden kann (IV/7/3). Zwischen V und F wurde ein Leihvertrag über das Klavier geschlossen, wobei es hier dahinstehen kann, ob es sich um ein Prekarium handelt, das jederzeitig widerrufen werden kann (dazu III/7/11). Selbst wenn nämlich ein „normaler“ Leihvertrag vorliegen sollte, wäre zwar V während dessen Bestandes gegenüber F zum Besitz des Klaviers berechtigt, doch durfte sie den Gebrauch mangels abweichender Vereinbarung nicht einem Dritten überlassen (§ 978) und schon gar nicht das Instrument dem F durch Veräußerung endgültig entziehen; das gilt umso mehr für das Prekarium. Es fehlt daher eine geschlossene Titelkette F – V und V – K, so dass K dem F kein Recht zum Besitz entgegenhalten kann. II. Anspruch A-Finanz gegen K auf Herausgabe der Geschirrwaschanlage nach § 366 ABGB Da es für das Leasing typisch ist, dass der Leasinggeber Eigentümer der Leasingsache bleibt (III/8/84), ist davon auszugehen, dass die Waschanlage der A-Finanz gehört hat. Deren Eigentum ist auch nicht durch Einbau der Anlage in die Kücheneinrichtung erloschen, weil diese Verbindung sicherlich wieder ohne ins Gewicht fallende Beeinträchtigung der Teile gelöst werden kann; es handelt sich daher bei der Waschanlage um einen selbständigen Bestandteil, der sonderrechtsfähig ist (IV/1/22). Die A-Finanz
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kann somit die Herausgabe der Waschanlage von K als Inhaber mittels rei vindicatio verlangen, es sei denn dieser hätte das Eigentum daran erworben oder könnte der A-Finanz ein Recht zum Besitz entgegenhalten. Hier stellt sich wieder die Frage, ob das Eigentum des K an der Liegenschaft auch die Geschirrwaschanlage umfasst. Das richtet sich zunächst nach dem Titelgeschäft, also dem Kaufvertrag. Diesbezüglich kann auf die Ausführungen in A.I. verwiesen werden, weil die Zweifelsregel des § 1047 auch für selbständige Bestandteile gilt. Da V den K nicht auf das Eigentum der A-Finanz an der Waschanlage hingewiesen hat, konnte K davon ausgehen, dass diese der V gehört und daher mitveräußert sein soll. In sachenrechtlicher Hinsicht kommt es jedoch darauf an, ob das Recht des Vormanns (V) zur Eigentumsverschaffung tatsächlich bestanden hat. Da V nicht Eigentümerin der Waschanlage ist und ihr auch keine entsprechende Verfügungsermächtigung seitens der A-Finanz erteilt wurde, ist ein derivativer Erwerb des K daran auf Grund der Verbücherung seines Eigentums an der Liegenschaft nicht möglich. Zu prüfen ist daher, ob K das Eigentum an der Waschanlage kraft guten Glaubens erlangt hat. Dabei ist zu beachten, dass es sich bei der Waschanlage um eine Maschine handelt, weil sie selbsttätig die Reinigung des Geschirrs besorgt. Daher ist § 297a anwendbar. Diese Bestimmung beinhaltet insofern eine Besonderheit gegenüber sonstigen selbständigen Bestandteilen und Zubehörsachen der Liegenschaft, als es für die Erstreckung von bücherlichen Rechten Dritter an der Liegenschaft auf die Maschine nicht auf die Eigentümeridentität ankommt, wenn im Grundbuch nicht angemerkt ist, dass die Maschine Eigentum eines anderen ist (dazu IV/1/40). Da eine solche Anmerkung im vorliegenden Fall offenbar unterblieben ist, könnte K das Eigentum auch an der Waschanlage durch die Einverleibung im Grundbuch – also nicht wie beim Klavier nach § 367 – erworben haben. Allerdings gilt § 297a nach hA nur für Fälle, in denen die Maschine dem Liegenschaftseigentümer unter Eigentumsvorbehalt verkauft wurde, was hier nicht zutrifft. Eine Mindermeinung, der mE zu folgen ist, wendet jedoch § 297a auch auf gemietete oder entlehnte Maschinen an (IV/1/41). Das muss aber noch mehr für auf Grund eines Leasingvertrags überlassene Maschinen gelten, weil ein solcher in der üblichen Ausgestaltung mit Kaufoption des Leasingnehmers wirtschaftlich einem Kauf unter Eigentumsvorbehalt gleichkommt, zumindest aber Elemente von Kaufvertrag und Miete enthält (III/8/83 f). Ferner ist nach hA auch für eine auf § 297a gestützte Erlangung eines Rechts an der Maschine Voraussetzung, dass der Erwerber gutgläubig ist, ihm also im Zeitpunkt der Stellung des Grundbuchsgesuchs um Eintragung seines Eigentums an der Liegenschaft weder bekannt ist noch bekannt sein muss, dass die Maschine einem anderen als dem Grundeigentümer gehört (IV/1/42 iVm IV/6/67). Im vorliegenden Fall wird man zwar in Anbetracht der – nicht genutzten – Möglichkeit der A-Finanz, den Verkehr durch eine Anmerkung nach § 297a auf ihr Eigentum an der Waschanlage aufmerksam zu machen, die Nachforschungspflichten des K eher gering anzusetzen
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haben. Da K aber bei den Verhandlungen über den Erwerb des Gasthauses sicherlich in die Geschäftsbücher und sonstigen Unterlagen Einsicht genommen hat, müssen ihm dabei wohl Hinweise auf das Vorliegen eines Leasingvertrags über die Waschanlage untergekommen sein. Aufgrund dieser konkreten Verdachtsmomente hätte er zumindest damit rechnen müssen, dass die Waschanlage nicht im Eigentum der V steht. K ist daher im Zeitpunkt der Stellung des Grundbuchsgesuchs nicht redlich und erwirbt somit nicht das Eigentum an der Geschirrwaschanlage nach § 297a. Dem Herausgabebegehren der A-Finanz könnte allerdings noch ein Recht des K zum Besitz aufgrund der Titelkette Leasingvertrag A-Finanz – V und Kaufvertrag V – K entgegenstehen. Da V jedoch nicht zur kaufweisen Überlassung des Leasingobjekts berechtigt war, kann sich K im Verhältnis zur A-Finanz nicht auf seinen Kaufvertrag berufen (IV/7/3). Außerdem ist die A-Finanz wegen der Veräußerung der Waschanlage durch die V jedenfalls zur Auflösung des Leasingvertrags aus wichtigem Grund (dazu II/3/158) berechtigt. Mangels (tauglicher) Titelkette steht somit K gegen A-Finanz kein Recht zum Besitz zu. Die A-Finanz kann von K die Herausgabe der Waschanlage nach § 366 verlangen. III. Anspruch F bzw A-Finanz gegen K auf Herausgabe des Klaviers bzw der Geschirrwaschanlage nach § 1409 ABGB Da K das Unternehmen der V übernommen hat, ist noch zu prüfen, ob er nicht aufgrund des in § 1409 angeordneten Schuldbeitritts zur Herausgabe der dem F bzw der A-Finanz gehörenden Gegenstände verpflichtet ist. Dafür ist zunächst Voraussetzung, dass F bzw der A-Finanz ein diesbezüglicher Anspruch gegen die V zusteht. Das wurde bereits in I. und II. bei der Prüfung des Rechts des K zum Besitz bejaht: F kann die Rückstellung des Klaviers aus dem Leihvertrag bzw Prekarium und die A-Finanz die Rückstellung der Waschanlage aus dem Leasingvertrag von V verlangen. Beide Ansprüche hängen mit dem Gasthausbetrieb zusammen und bestehen bereits im Zeitpunkt der Übernahme des Unternehmens durch K. Dass sie nicht auf Geld, sondern auf die Herausgabe von Teilen des übernommenen Unternehmens gerichtet sind, steht hier der Anwendbarkeit des § 1409 wohl nicht entgegen, weil es hier nicht um den Fall geht, dass F und A-Finanz konkurrierend mit K (schuldrechtliche) Ansprüche auf Erwerb dieser Gegenstände geltend machen, sondern um Herausgabeansprüche aus dem Eigentum2. Weiters ist für die Haftung des K nach § 1409 erforderlich, dass er diese Schulden der V kannte oder kennen musste. Das kann bezüglich der Waschanlage ohne weiters angenommen werden, weil den Erwerber eines Unternehmens die Obliegenheit zur Einsichtnahme in die Geschäftsbücher trifft und K aus diesen wohl das Bestehen des Leasingverhältnisses und den sich daraus ergebenden Rückstellungsanspruch erkennen konnte (dazu schon oben in II.). Für den Anspruch des F auf Rückgabe des Klaviers wird 2 Vgl dazu Ertl in Rummel3 § 1409 Rz 6; OGH in SZ 59/140.
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das hingegen eher nicht zutreffen, weil sich die Existenz des Leihvertrags kaum den Unterlagen entnehmen lässt. Die A-Finanz kann daher ihren Rückstellungsanspruch gegen K auch auf § 1409 stützen. Da K das Unternehmen der V fortführt, kommt auch eine Übernahme der unternehmensbezogenen Rechtsverhältnisse zwischen V – F und V – AFinanz durch K nach § 38 Abs 1 UGB bzw eine Haftung des K für die aus diesen Vertragsbeziehungen der V erwachsenen Verbindlichkeiten (§ 38 Abs 4 UGB) in Betracht (II/5/91).
Fall 63: „Der Schein trügt“ Sachverhalt1 V schloss mit M eine als „Pachtvertrag“ bezeichnete Vereinbarung, mit der sie ihre Liegenschaft dem M zum Zwecke der Errichtung eines Freizeitzentrums auf die Dauer von 25 Jahren gegen Zahlung eines „Pachtzinses“ überließ. Im Vertrag wurde vorgesehen, dass alle fest mit dem Erdboden verbundenen Bauwerke sofort unentgeltlich in das Eigentum der V übergehen. M und seinen Rechtsnachfolgern wurde das Recht zur Weitergabe des Pachtgegenstandes eingeräumt. Nachdem M die geplanten Gebäude errichtet und das Freizeitzentrum einige Jahre betrieben hatte, verkaufte er dieses an K. Im schriftlichen Kaufvertrag erklärte M, dass er die „in seinem Eigentum stehenden Baulichkeiten (Superädifikat)“ samt den Nutzungsrechten an der Liegenschaft dem K übertrage und in die Hinterlegung der Urkunde einwillige. Der Vertrag wurde auch von V mit dem Zusatz unterfertigt, dass sie sich mit der Hinterlegung des Kaufvertrags einverstanden erkläre. Die Urkunde wurde beim Grundbuchsgericht hinterlegt. Als K sich anschickt, größere Umbauarbeiten an den Baulichkeiten vorzunehmen, verbietet V ihm das mit der Begründung, dass die Gebäude in ihrem Eigentum stünden. K beharrt darauf, Eigentümer der Gebäude zu sein. Lösung Vorüberlegungen: Sowohl V als auch K berufen sich auf ihr Eigentumsrecht an den Gebäuden, das durch das Verhalten des jeweils anderen gestört werden könnte: Hat V Recht, so würde K durch die Veränderung der Bausubstanz in ihr Eigentum eingreifen. Ist K Eigentümer der Baulichkeiten, so steckt in der Rechtsberühmung der V und etwaiger daraus folgender Maßnahmen eine potenzielle Gefährdung seines Eigentums. Die wahre Rechtslage lässt sich somit von beiden Seiten mit entgegengesetzter Zielrichtung aufrollen: V könnte wegen des unmittelbar bevorstehenden 1 In Anlehnung an die E des OGH JBl 1994, 250. Problembereiche: Superädifikat, Begründung.
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Eingriffs in „ihr“ Eigentum einen vorbeugenden Unterlassungsanspruch (vgl IV/7/14) geltend machen. Ob auch K einen solchen Anspruch erheben kann, ist fraglich, weil in einem bloß verbalen Verbot wohl noch keine „Anmaßung“ iSd § 523 liegt. Ihm wird aber eine Feststellungsklage (§ 228 ZPO) zu gewähren sein, mit der er einen gerichtlichen Ausspruch über das Nichtbestehen des von V behaupteten Eigentums an den Baulichkeiten erwirken kann. Im Folgenden wird der vorbeugende Unterlassungsanspruch der V geprüft, sodass ein näheres Eingehen auf den Anspruch des K nicht erforderlich ist. Anspruch V gegen K auf Unterlassung der geplanten Veränderungen an den Gebäuden V ist Eigentümerin der „verpachteten“ Liegenschaft. Nach dem Grundsatz „superficies solo cedit“ wird sie auch Eigentümerin aller Sachen, die untrennbar mit dem Grundstück verbunden werden, also insb auch der darauf aufgeführten Gebäude. Eine Durchbrechung dieses Prinzips ist jedoch nach dem Gesetz in verschiedenen Fällen möglich. Von diesen kann das Bestehen eines Baurechts (IV/17/1 ff) des M nach dem Sachverhalt von vornherein ausgeschieden werden. Aber auch der in § 418 Satz 3 vorgesehene Eigentumserwerb des Bauführers an fremdem Grund kommt hier nicht in Betracht, weil die Errichtung des Freizeitzentrums auf einer Vereinbarung zwischen V und M beruht (IV/6/28). Näher einzugehen ist auf die dritte Möglichkeit, nämlich dass es sich bei den streitgegenständlichen Gebäuden um Superädifikate handelt. Die Voraussetzungen dafür scheinen gegeben zu sein (dazu IV/1/33 ff): M hat auf fremdem Grund Bauwerke errichtet. Das Fehlen der Absicht des M, die Gebäude stets auf dem Grundstück der V zu belassen, könnte aus dem „Pachtvertrag“, einem zeitlich befristeten Grundbenützungsverhältnis, erschlossen werden (IV/1/35 f). Trotz der Bezeichnung als Pachtvertrag liegt hier eine Miete vor, weil M Früchte nicht aus der Liegenschaft, sondern aus der erst von ihm zu errichtenden Anlage ziehen soll und V ihm dafür weder irgendwelche Betriebsmittel noch einen Kundenstock überlässt; auch eine Betriebspflicht wird nicht vereinbart (III/8/3).
Dem Eigentumserwerb durch M steht jedoch die Vereinbarung zwischen V und M entgegen, dass alle fest mit dem Erdboden verbundenen Bauwerke sofort unentgeltlich in das Eigentum der V übergehen sollen, wodurch ein vom Grundeigentum getrenntes Eigentum des M an den Baulichkeiten logischerweise ausgeschlossen wird. Daher werden die von M aufgeführten Bauwerke keine Superädifikate, sondern unselbständige Bestandteile der Liegenschaft der V und stehen in ihrem Eigentum. Das Mietrecht des M erstreckt sich aber nach der klaren Absicht der Parteien auch auf diese Gebäude. Zu prüfen ist nun, ob die Tatsache, dass M beim Verkauf des Freizeitzentrums an K die Gebäude als Superädifikate bezeichnete und der Kaufvertrag mit Zustimmung der V hinterlegt wurde, an der eigentumsrechtlichen Situation etwas ändert.
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Der Sache nach geht es hier um den Verkauf eines Unternehmens, zu dem das Mietrecht an der Liegenschaft mit den Gebäuden gehört. Da nunmehr K anstelle des M in den Mietvertrag mit V eintreten soll, bedarf es einer Vertragsübernahme (II/5/95). Diese ist unproblematisch, da V vorweg durch Einräumung des Weitergaberechts ihre Zustimmung zum Wechsel des Vertragspartners gegeben hat. Es muss daher nicht geprüft werden, ob auf den vorliegenden Mietvertrag das MRG anwendbar ist und daher ein ex lege-Übergang der Mieterposition nach § 12a Abs 1 MRG in Betracht kommt, weil diese Bestimmung nach hA bei Bestehen eines vertraglichen Weitergaberechts ohnedies nicht eingreift (III/8/42). Allerdings hat M dem K gegenüber erklärt, Eigentümer der Baulichkeiten zu sein und ihm diese als Bestandteil des Unternehmens „Freizeitzentrum“ übereignen zu wollen. Diese Zusage ist Inhalt des Kaufvertrags geworden, sodass K einen Titel zum Erwerb des Eigentums an den vermeintlichen Superädifikaten hat. M hat auch die Einwilligung zur Hinterlegung des Kaufvertrags gegeben und damit das in den §§ 434 f vorgesehene Verfügungsgeschäft vorgenommen (IV/6/40). Da nach dem Sachverhalt die Hinterlegung vom zuständigen Gericht bewilligt worden ist, kann davon ausgegangen werden, dass die Urkunde in der erforderlichen Form (§§ 432 f, 435 und § 4 Abs 3 UHG) errichtet worden ist. Wäre M tatsächlich Superädifikatseigentümer gewesen, hätte K das Eigentum an den Gebäuden mit der Urkundenhinterlegung, genauer gesagt mit dem Zeitpunkt des Einlangens des Gesuches um Urkundenhinterlegung beim Grundbuchsgericht (§ 1 Abs 2 UHG iVm § 29 GBG), erlangt. Da aber die Gebäude der V gehören, kann K das Eigentum an den Baulichkeiten nicht von M ableiten. In Erwägung zu ziehen wäre aber, ob nicht in der Zustimmung der V zur Hinterlegung des Kaufvertrags eine Verfügungsermächtigung zu erblicken ist, auf Grund deren M dem K das Eigentum an den Gebäuden verschaffen konnte. Das ist jedoch zu verneinen: Formal ist diese Erklärung der V Voraussetzung dafür, dass das Bauwerk aus Anlass der Urkundenhinterlegung im Gutsbestandsblatt der Grundbuchseinlage ersichtlich gemacht wird (§ 19 Abs 1 UHG). Damit ist aber keine konstitutive Wirkung verbunden, sodass keine Änderung der Rechtslage eintritt; die Ersichtlichmachung genießt nach hA nicht einmal Vertrauensschutz (IV/3/69). Eine darüber hinausgehende Bedeutung der Zustimmung der V zur Hinterlegung in der Weise, dass sie sich damit einverstanden erklärte, die Gebäude nunmehr als Superädifikate zu behandeln, über die M zugunsten des K verfügen kann, scheidet aus mehreren Gründen aus. Zunächst kommt diesem Verhalten der V ein solcher Erklärungswert schon deswegen nicht zu, weil jedenfalls M und K, damals offenbar aber auch V, erkennbar davon ausgingen, dass es sich bereits um Superädifikate handelt, und keiner der Beteiligten daher mit dem betreffenden Passus im Vertrag den Willen der Parteien zur Änderung der bisherigen Rechtslage verband. Es fehlt daher nach vertrauenstheoretischen Grundsätzen bereits an einer diesbezüglichen Willenserklärung der V. Aber selbst wenn man hier eine solche annähme, hätte diese nicht den gewünschten Erfolg, weil es nach hA rechtlich unmöglich ist, Bauwerke, die unselbständige Be-
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standteile des Grundstücks geworden sind, nachträglich als Superädifi kate rechtlich selbständig zu machen (IV/1/35). Eine dennoch darauf gerichtete Willenserklärung wäre daher nach § 878 unwirksam. Zu erwägen ist schließlich noch ein gutgläubiger Erwerb des Eigentums an den Gebäuden durch K nach § 367. Ein solcher kommt jedoch nicht in Betracht, weil die Baulichkeiten unselbstständiger Bestandteil der Liegenschaft geworden sind und – wie soeben ausgeführt wurde – bleiben. Da an ihnen somit kein gesondertes Eigentumsrecht derivativ begründet werden kann, kommt auch ein solcher Erwerb im Vertrauen auf das Vorliegen eines Superädifikats des M, das ja nur dessen fehlendes Eigentum, nicht aber die Unmöglichkeit der Begründung von Eigentum bloß an den Baulichkeiten überspielen könnte, nicht in Betracht. Außerdem wäre ein diesbezüglicher guter Glaube des K gem § 20 UHG ohnedies nicht geschützt. V ist daher weiterhin Eigentümerin der Gebäude, K nur Mieter. Als solcher ist er aber nicht befugt, Änderungen des Bestandobjekts vorzunehmen, die die Substanz beeinträchtigen (III/8/30). Tut er es trotzdem, greift er in das Eigentum der V ein. Dagegen kann sich V mit der actio negatoria zur Wehr setzen, die auch vorbeugend erhoben werden kann, wenn eine solche Störungshandlung unmittelbar bevorsteht. Weitere Ansprüche 1. Anspruch K gegen M auf Rückzahlung eines Teils des Kaufpreises nach § 1431 ABGB Nach dem Kaufvertrag über das Freizeitzentrum soll K Eigentümer der Gebäude werden; M hat ihm diese Position aber nicht verschafft. Da die isolierte Übertragung von Eigentum an einem unselbständigen Bestandteil einer Liegenschaft – abgesehen von der hier nicht gewollten Begründung eines Baurechts (IV/17/4) – nach sachenrechtlichen Grundsätzen schlechthin ausgeschlossen ist, liegt insofern rechtliche Unmöglichkeit vor. Es ist daher zu prüfen, ob der Unternehmenskauf im Übrigen weiter Bestand haben kann (§ 878 Satz 2). Das richtet sich nach dem hypothetischen Willen beider Parteien (I/7/8) und wird hier möglicherweise zu bejahen sein, wobei diesfalls allerdings der Kaufpreis niedriger angesetzt worden wäre. Es liegt dann Teilungültigkeit vor. K kann die Differenz zwischen dem vereinbarten Kaufpreis für das Unternehmen und dem Kaufpreis, auf den sich die Parteien geeinigt hätten, wenn sie nicht von der rechtlichen Möglichkeit der Eigentumsverschaffung an den Gebäuden ausgegangen wären, mit der condictio indebiti zurückverlangen, da er sich bezüglich der wahren Rechtslage in einem Irrtum befunden hat. 2. Anspruch K gegen M auf Schadenersatz nach § 878 Satz 3 iVm §§ 1293 ff ABGB Da M in Anbetracht seiner Vereinbarung mit V von der Unmöglichkeit jedenfalls wissen musste, hat er dem K den Schaden zu ersetzen, den
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dieser im Vertrauen auf die Wirksamkeit der Eigentumsübertragung an den Gebäuden erlitten hat. Wahrscheinlich wird aber auch K den zwischen V und M geschlossenen Vertrag gekannt haben. Ob ihm deswegen ebenfalls fahrlässige Unkenntnis der Unmöglichkeit zur Last fällt, ist allerdings fraglich, weil er wohl in Anbetracht der Erklärungen von M und V, dass es sich um Superädifikate handle, davon ausgehen konnte, dass die tatsächliche Rechtslage vom (schriftlichen) Vertrag – aus welchem Grund auch immer – abweicht. Zu einer Culpakompensation (III/13/67) kommt es mangels Verschuldens des K daher nicht. 3. Anspruch K gegen V auf Schadenersatz aus culpa in contrahendo Zwischen K und V entsteht im Wege des Eintritts des K in die Mieterposition des M ein Vertragsverhältnis. Dafür ist zwar wegen des von V eingeräumten Weitergaberechts keine Mitwirkung ihrerseits mehr erforderlich, doch hat V sich bereits vor Eintritt des K in den Mietvertrag wegen der vorwirkenden vertraglichen Schutz- und Sorgfaltspflichten und natürlich umso mehr nach Zustandekommen der Vertragsübernahme jeder Handlung zu enthalten, die bei K einen falschen Eindruck von seiner (zukünftigen) Stellung als Vertragspartner erweckt. Verstößt sie dagegen schuldhaft, wie dies durch die irreführende Zusatzerklärung im Vertrag zwischen M und K geschehen ist, dann hat sie dem K für die Nachteile zu haften, die dieser im Vertrauen auf die unzutreffende Angabe der V erleidet. Ein solcher Schaden würde etwa in dem Teil des Kaufpreises liegen, den K dem M nicht gezahlt hätte, wenn ihm die Unmöglichkeit des Eigentumserwerbs an den Baulichkeiten bekannt gewesen wäre.
Fall 64: „Das umstrittene Mansardenzimmer“ (G. Iro)
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2. Besitz Fall 64: „Das umstrittene Mansardenzimmer“ Sachverhalt1 V ist Eigentümerin eines Einfamilienhauses in Wien. Das Mansardenzimmer hat sie auf drei Jahre an den Innsbrucker Studenten M vermietet. Dieser fährt wie immer zu Semesterende nach Hause, vergisst dabei aber völlig, dass der Mietvertrag Ende August abläuft. Am 1.9. erkundigt sich N bei V, ob sie ihm ein Zimmer vermiete. Da V nicht weiß, ob M den Mietvertrag verlängern will, erklärt sie dem N, ihm das Mansardenzimmer ab 2.9. für drei Jahre vermieten zu wollen. Noch vor dessen Einzug am nächsten Tag räumt V die Sachen von M aus dem Mansardenzimmer in den Keller. Als M am 10.9. zurückkommt, findet er sich vor vollendete Tatsachen gestellt, womit er sich aber nicht abfinden will. Lösung Vorüberlegungen: Nach dem Sachverhalt ist davon auszugehen, dass zwischen V und M ein Mietvertrag mit einem unbedingten Endtermin (31.8.) zustande gekommen ist2. Allerdings könnte eine stillschweigende Verlängerung des Vertrages nach § 1114 aE eingetreten sein, weil M die Wohnung über den 31.8. hinaus durch Belassen seiner Sachen weiterbenützt. Ob dadurch mit ausreichender Deutlichkeit der Fortsetzungswille zum Ausdruck gebracht wird, ist jedoch fraglich, da ja auch denkbar wäre, dass M die betreffenden Gegenstände bloß vergessen hat oder zu einem späteren Zeitpunkt abholen wollte. In diese Richtung deuten auch die Zweifel der V. Aber selbst wenn man in diesem Verhalten des M eine ausreichende Kundgabe der Verlängerungsabsicht erblickte, käme es nicht zu einer Fortsetzung des Vertragsverhältnisses nach § 1114, weil V durch die Vermietung an N ihre Ablehnung unmissverständlich zum Ausdruck bringt und M davon bei seiner Rückkunft Kenntnis erlangt. V hat daher innerhalb von vierzehn Tagen ab Beendigung des Mietverhältnisses und damit rechtzeitig (vgl § 569 ZPO) erklärt, eine Verlängerung abzulehnen, weshalb eine solche nicht zustande kommt. Es ist somit davon auszugehen, dass der Mietvertrag mit M am 31.8. erloschen ist.
1 Problembereiche: Besitz; Besitzstörung; actio Publiciana. 2 Es wird davon ausgegangen, dass sich dieser Sachverhalt nach dem 31.12.2001 ereignet und daher das MRG nicht anwendbar ist (§ 1 Abs 2 Z 5 MRG idF der Mietrechtsnovelle 2001).
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Vierter Teil: Fälle zum Sachenrecht
I. Anspruch M gegen N auf Wiederherstellung des Besitzstandes und Unterlassung künftiger Störungen 1. Besitzklage Auf Grund der Benützung des Mansardenzimmers als Mieter ist M Rechtsbesitzer. Daran ändert auch das Erlöschen des Mietvertrags am 31. 8. nichts, weil der Besitz vom Bestehen eines die Besitzausübung rechtfertigenden Rechtsverhältnisses unabhängig ist. Auch die Abwesenheit des M von der Wohnung schadet nicht, bringt doch die Lockerung der Gewahrsame bzw die vorübergehende Nichtausübung des Besitzes diesen grundsätzlich nicht zum Erlöschen, weil M weiterhin den Besitzwillen hat (IV/2/ 48 und 53). Da N das Mansardenzimmer ab dem 2.9. als Mieter benützt, übt nunmehr dieser insofern den Rechtsbesitz aus. Es ist daher zu prüfen, ob darin eine Entziehung des Rechtsbesitzes des M zu erblicken ist, gegen die er sich mit einer Besitzklage zur Wehr setzen kann. Dass N die Wohnung mit Zustimmung der V benützt, schließt an sich den Vorwurf der Eigenmacht nicht aus, weil dafür die Gestattung des Eingriffs durch M als Rechtsbesitzer und nicht durch einen Dritten erfolgen hätte müssen. Allerdings ist zu beachten, dass bereits V in den ruhigen Besitz des M eingreift, indem sie die Sachen des M in den Keller räumt und N das Zimmer zur Ausübung der Mieterrechte überlässt. Dadurch setzt sie sich über die Einschränkung ihres Sachbesitzes durch den Rechtsbesitz des M hinweg und entzieht ihm den Besitz. N greift somit nicht unmittelbar in den Rechtsbesitz des M ein, sondern leitet seine Besitzausübung von V ab; er ist daher Einzelrechtsnachfolger der den Besitz entziehenden V. Gegen einen solchen können Besitzklagen aber nur dann gerichtet werden, wenn er von den Umständen der Besitzerlangung durch den Vormann, also V, Kenntnis hatte (IV/2/61). Diese Voraussetzung ist offenbar nicht gegeben, weil V die Sachen des M weggeräumt hat und N daher nicht wissen konnte, dass möglicherweise ein anderer Rechtsbesitz an dem Mansardenzimmer hat. M wird daher mit der Besitzentziehungsklage gegen N nicht durchdringen. 2. Actio Publiciana Nach ganz hA könnte M als Rechtsbesitzer den Anspruch gegen N auch in einem petitorischen Verfahren geltend machen, wenn er rechtlicher (qualifizierter) Besitzer ist (§ 372). Die Voraussetzungen hiefür sind hinsichtlich der Echtheit und der Redlichkeit zweifellos zu bejahen. Problematisch ist das dritte Erfordernis, die Rechtmäßigkeit, weil im Zeitpunkt des Besitzverlustes der Mietvertrag bereits aufgelöst war. Dieser Umstand wäre allerdings ohne Bedeutung, wenn man so wie bei der Redlichkeit (IV/2/69) auf den Zeitpunkt des Besitzerwerbes abstellte. Das ist aber jedenfalls für den Rechtsbesitz nicht zutreffend, da dieser typischerweise mit einem auf Dauer angelegten Rechtsverhältnis (Bestandvertrag, Servitutsvertrag, Pfand-
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bestellungsvertrag usw) korreliert und daher nur so lange als rechtmäßig bezeichnet werden kann, wie dieser Titel besteht. Da somit M nicht rechtmäßiger Besitzer und damit auch nicht rechtlicher Besitzer ist, dringt er mit der actio Publiciana gegen N nicht durch, wobei es auf die Qualifikationen des Besitzes von N nicht mehr ankommt. II. Anspruch M gegen V auf Wiederherstellung des Besitzstandes und Unterlassung künftiger Störungen 1. Besitzklage Wie in I.1. ausgeführt wurde, hat V den Rechtsbesitz des M entzogen. Sie ist dabei eigenmächtig vorgegangen, weil sie sich weder auf eine gesetzliche, noch richterliche oder von M erteilte Berechtigung berufen kann. Sie kann auch nicht die Einrede der Unechtheit des Besitzes des M geltend machen (vgl IV/2/63), stellt doch die bloße Fortsetzung des Rechtsbesitzes trotz Beendigung des ihm zugrunde liegenden Rechtsverhältnisses keine Besitzstörung dar (IV/2/60). Das Begehren des M auf Wiederherstellung seines ruhigen Besitzes kann allerdings nur dann Erfolg haben, wenn eine solche überhaupt möglich ist. Das ist jedoch fraglich, weil N das Zimmer als Mieter bereits bezogen hat. Die Wiederherstellung könnte daher nur dadurch bewerkstelligt werden, dass V den N zur Räumung des Zimmers bringt, was aber eine entsprechende Möglichkeit zur Beendigung des Mietvertrages mit N voraussetzt. Da dies bei befristeten Mietverhältnissen vor Ablauf der Vertragszeit grundsätzlich nicht möglich ist, wird eine Wiederherstellung des Besitzes des M in absehbarer Zeit nicht in Betracht kommen, es sei denn N stimmt einer einvernehmlichen Auflösung des Mietvertrags zu. Ist das nicht der Fall, wäre das Wiederherstellungsbegehren mit dem Sinn und Zweck der Besitzklage, eine schnelle und vorläufige Abhilfe zur Erhaltung der Friedensordnung zu erreichen, schwerlich vereinbar und daher wohl abzuweisen. Doch selbst wenn man es für zulässig hielte, hätte V bis zur Durchsetzbarkeit der Wiederherstellung wahrscheinlich genügend Zeit, um M auf Feststellung zu klagen, dass ihm kein Recht auf Benützung der Wohnung mehr zusteht; mit rechtskräftiger Stattgebung der Klage wäre auch der Endbeschluss im Besitzentziehungsverfahren hinfällig (IV/2/65). Das zweite mögliche Begehren einer Besitzklage, nämlich auf Unterlassung zukünftiger Störungen durch V, ist ebenfalls problematisch, weil noch völlig ungewiss ist, ob M jemals wieder den Besitz am Mansardenzimmer erhält, und daher ein neuerlicher Eingriff in seinen Besitz durch V sehr unwahrscheinlich ist. Damit fehlt es an der für jeden Unterlassungsanspruch erforderlichen Wiederholungsgefahr. Wenn in diesem Sinne weder ein Wiederherstellungs- noch ein Unterlassungsbegehren Erfolg hätte, wäre der Besitzklage des M gegen V nicht stattzugeben.
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2. Actio Publiciana Ein Anspruch des M gegen V nach § 372 kommt schon deswegen nicht in Betracht, weil M im Zeitpunkt des Eingriffs in seinen Besitz keinen Titel mehr gehabt hat und es damit an einer Voraussetzung für die actio Publiciana fehlt (vgl oben in I.2.).
Fall 65: „Wer zuerst kommt, mahlt zuerst“ Sachverhalt1 S eröffnet bei der B-Bank ein Wertpapierdepot, über das er in der Folge laufend Wertpapiergeschäfte tätigt. Die Geltung der AGB der B-Bank wird vereinbart. Diese lauten im hier maßgeblichen Teil: „Z 49 (1) Der Kunde räumt dem Kreditinstitut ein Pfandrecht an Sachen und Rechten jeder Art ein, die in die Innehabung des Kreditinstituts gelangen. […] Z 50 (1) Das Pfandrecht sichert die Ansprüche des Kreditinstituts gegen den Kunden aus der Geschäftsverbindung, [...] auch wenn die Ansprüche bedingt, befristet oder noch nicht fällig sind. (2) Das Pfandrecht entsteht mit der Erlangung der Innehabung der Pfandsache durch das Kreditinstitut, sofern Ansprüche des Kreditinstituts gem Abs 1 bestehen, andernfalls mit dem Zeitpunkt des späteren Entstehens. Z 51 (3) Das Pfandrecht erstreckt sich weiters nicht auf Vermögenswerte, die […] ohne den Willen des Kunden in die Innehabung des Kreditinstituts gelangt sind.“
Am 20.6. nimmt S bei der C-Bank einen Kredit auf, wobei vereinbart wird, dass sämtliche auf seinem Depot bei der B-Bank befindlichen Wertpapiere der C-Bank verpfändet sein sollen. Dies teilt die C-Bank der B-Bank am 23.6. mit, die daraufhin antwortet, dass die Wertpapiere auf dem Depot des S aufgrund der Z 49 (1) Bank-AGB bereits zu ihren Gunsten verpfändet seien. Seit 21.6. hat nämlich S sein Girokonto bei der B-Bank um € 10.000 überzogen. Nach vergeblicher Aufforderung an S zur Glattstellung seines Girokontos verkauft die B-Bank die auf dessen Depot befindlichen Wertpapiere und verwendet den Erlös von € 8.000 zur teilweisen Abdeckung ihrer Forderung gegen S. Lösung Vorüberlegungen: „Depot“ ist der technische Begriff für die Verwahrung und Verwaltung von Wertpapieren durch eine Bank für den Hinterleger (vgl § 1 Abs 1 Z 5 BWG); dieser ist idR, aber nicht notwendigerweise der Eigentümer der Papiere. Infolge der üblichen Verwahrung von Wertpapieren gemeinsam mit gleichartigen Urkunden anderer Hinterleger und der 1 In Anlehnung an die E des OGH RdW 1998, 730. Problembereiche: Übergabsformen (Besitzanweisung, traditio brevi manu); Pfandrecht.
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Bank selbst (Sammelverwahrung, § 4 DepG) handelt es sich normalerweise um Miteigentum an diesem Bestand von Wertpapieren derselben Art (Sammelbestand, § 5 DepG). Wenn daher im Folgenden kurz von den Wertpapieren des S gesprochen wird, ist zu bedenken, dass es sich in Wahrheit um den Miteigentumsanteil des S am Sammelbestand und nicht um konkrete Wertpapierurkunden handeln wird. Das macht aber für das Verständnis des vorliegenden Falles keinen Unterschied. I. Anspruch C-Bank gegen B-Bank auf Ausfolgung des Erlöses aus den Wertpapieren nach § 1041 ABGB Die C-Bank könnte den Erlös aus den Wertpapieren2 von der B-Bank mit der Begründung herausverlangen, dass sie ein Pfandrecht an den Wertpapieren gehabt habe und dieses durch den Verkauf der Wertpapiere erloschen sei3; der Erlös aus der Verwertung sei der B-Bank zugekommen, obwohl er der C-Bank auf Grund ihres absolut geschützten Pfandrechts zur Sicherung und Befriedigung ihrer Forderung gegen S zugestanden wäre. Die B-Bank habe daher ohne Rechtsgrund einen Nutzen aus dem primär der C-Bank zugewiesenen Pfandobjekt gezogen. Diese Argumentation setzt voraus, dass die C-Bank tatsächlich ein Pfandrecht an den Wertpapieren des S erlangt hat. Außerdem muss dieses einem etwaigen Pfandrecht der B-Bank an den Wertpapieren im Rang vorgehen, weil sonst die B-Bank sehr wohl einen rechtfertigenden Grund dafür hätte, den Verkaufserlös primär zur Befriedigung ihrer eigenen Forderung gegen S zu verwenden. Der Titel für den Pfanderwerb der C-Bank liegt in der Sicherungsabrede mit S. Das Verfügungsgeschäft wird hier gleichzeitig mit dem Verpflichtungsgeschäft abgeschlossen („verpfändet sein sollen“). Auch eine zu besichernde Forderung liegt auf Grund der Kreditgewährung vor. Da sich die Wertpapiere des S in der Gewahrsame der B-Bank befinden und eine körperliche Übergabe offenbar nicht gewollt ist, bietet sich als Modus eine Besitzanweisung an (IV/2/40), die auch für den Erwerb eines Pfandes an Fahrnis als wirksam anerkannt ist. An sich müsste aber S als (mittelbarer) Besitzer die B-Bank anweisen, die Wertpapiere in Zukunft auch für die C-Bank als Pfandnehmer innezuhaben. Doch wird die Verständigung der B-Bank durch die C-Bank von der Verpfändung der Wertpapiere als ausreichende Besitzanweisung angesehen werden können. Die C-Bank tritt nämlich insofern als Bote des S auf und die B-Bank muss deren Erklärung aus dem Zusammenhang als Aufforderung zur Detention der Papiere (auch) für die C-Bank verstehen. Dass die B-Bank auf ihr Pfandrecht an den Wertpapieren hinweist, nimmt der Besitzanweisung nicht die Wirksamkeit, weil darin nur der Wille zum Ausdruck kommt, dass 2 Der Freihandverkauf der Wertpapiere ist nach § 466b Abs 4 rechtmäßig; vgl auch Z 53 Bank-AGB. 3 Eine automatische Erstreckung des Pfandrechts auf den Verwertungserlös (Pfandrechtswandlung, IV/12/2) kommt hier mangels einer entsprechenden gesetzlichen Regelung nicht in Betracht.
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ihr Pfandrecht durch die Verpfändung an die C-Bank nicht tangiert werden soll. Das ist aber ohnedies gewährleistet, weil die Besitzanweisung regelmäßig so zu verstehen ist, dass der Angewiesene die Sache vorbehaltlich etwaiger eigener Rechte an der Sache für den neuen Besitzer innehaben soll (IV/11/1). Eine Annahme der Anweisung durch die B-Bank ist nicht erforderlich (IV/2/40). Mit der Besitzanweisung am 23.6. liegt daher ein ausreichender Modus für den Erwerb des Pfandrechts der C-Bank an den Wertpapieren des S vor. Zu prüfen ist aber noch, ob nicht in diesem Zeitpunkt die B-Bank bereits ein vorrangiges Pfandrecht an den Wertpapieren erworben hat. Der Titel und das Verfügungsgeschäft dafür liegen in Z 49 Abs 1 AGB. Der zu besichernde Anspruch der B-Bank aus der Geschäftsverbindung mit S ist ihre Forderung auf Grund der Überziehung des Kontos, die allerdings bei Vereinbarung der AGB noch nicht bestand. Nun ist es zwar nach hA möglich, auch für näher bestimmte zukünftige Forderungen ein Pfandrecht zu bestellen (IV/9/3), doch ergibt sich aus Z 50 Abs 1 AGB, dass die zu besichernde Forderung bereits bestehen muss, mag sie auch bedingt, befristet oder noch nicht fällig sein. Unter der Annahme, dass die B-Bank keine sonstigen Forderungen gegen S hat, steht ihr daher zunächst kein Pfandrecht an den Wertpapieren des S zu. Durch die Überziehung des Kontos am 21.6. nimmt S einen Kredit in Anspruch, woraus der B-Bank gegen S eine Forderung auf Rückzahlung dieses Betrages erwächst. Damit soll nach Z 50 Abs 2 AGB das Pfandrecht der B-Bank entstehen. Rechtstechnisch handelt es sich bei dieser Konstruktion um eine Besitzauflassung (traditio brevi manu), die zwischen den Parteien vorweg vereinbart, also „antizipiert“ wurde (IV/2/39): Mit Vereinbarung der AGB erklärt S gem Z 49 Abs 1 AGB, der B-Bank ein Pfandrecht an solchen Sachen zu bestellen, die mit seinem Willen – das ergibt sich aus Z 51 Abs 3 AGB – in die Innehabung der B-Bank gelangen, und die B-Bank bildet in diesem Zeitpunkt den Pfandrechts-Besitzwillen bzgl dieser Sachen, jeweils aufschiebend bedingt durch das Entstehen einer Forderung der B-Bank gegen S aus der Geschäftsverbindung. Mit dem Eintritt dieser Bedingung am 21.6. hat daher die B-Bank ein Pfandrecht an den Wertpapieren erworben. Das Pfandrecht der B-Bank hindert freilich den Pfandrechtserwerb der C-Bank im Wege der Besitzanweisung nicht; es wird dadurch aber auch nicht berührt. Die C-Bank erwirbt das Pfandrecht an den Wertpapieren im zweiten Rang hinter dem Pfandrecht der B-Bank. Diese ist daher berechtigt, aus dem Verkaufserlös zunächst ihre Forderung gegen S zu begleichen, so dass ein Verwendungsanspruch der C-Bank gegen sie nicht in Betracht kommt. II. Anspruch C-Bank gegen S auf Bestellung eines Ersatzpfandes 1. nach § 458 ABGB Es ist anzunehmen, dass die C-Bank das Pfandrecht an den Wertpapieren nach der Vereinbarung mit S im ersten Rang bekommen sollte. Tatsächlich
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wurde sie aber Pfandgläubiger im Rang nach der B-Bank, so dass die ihr eingeräumte Sicherheit nicht die Qualität aufweist, die ihr von S versprochen wurde. Es liegt daher ein ursprünglicher Mangel des Pfandes vor, so dass die C-Bank von S die Bestellung anderer Sicherheiten verlangen kann (dazu IV/9/33 f), weil der Erlös aus den Wertpapieren zur Gänze für die Befriedigung der B-Bank herangezogen wurde. 2. nach §§ 1295 ff ABGB Da S nach Abschluss der Verpfändungsvereinbarung mit der C-Bank infolge der Überziehung des Kontos ein vorrangiges Pfandrecht der B-Bank an den Wertpapieren entstehen lässt, erfüllt er den Pfandbestellungsvertrag mit der C-Bank nicht in der vereinbarten Weise. Er könnte daher der CBank schadenersatzpflichtig werden (zur Konkurrenz von Schadenersatz und Gewährleistung vgl II/3/149), wenn ihn an der mangelhaften Erfüllung ein Verschulden trifft. Zwar ist S möglicherweise der Meinung gewesen, die C-Bank habe die B-Bank bereits von der Verpfändung der Wertpapiere verständigt und damit sei das Pfandrecht der C-Bank im Zeitpunkt der Kontoüberziehung bereits entstanden, doch konnte er damit in Anbetracht der kurzen Frist von einem Tag nicht mit Sicherheit rechnen, so dass ihm wohl zumindest Fahrlässigkeit bei der nicht gehörigen Erfüllung des Pfandbestellungsvertrags mit der C-Bank vorzuwerfen ist. Er hat daher im Wege der Naturalrestitution (§ 1323) die C-Bank in eine gleichwertige Lage wie bei Einräumung eines Pfandes an den Wertpapieren im ersten Rang zu versetzen, der C-Bank also entsprechende Ersatzsicherheiten zu geben.
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3. Grundbuch Fall 66: „Der Streit um den Krautacker“ Sachverhalt1 Der Bauer V verkaufte im Mai 1994 seinen Krautacker EZ 465 mit schriftlichem Vertrag an den Nachbarn K. Als dieser in der Folge auf die bücherliche Abwicklung drängte, vertröstete ihn V immer wieder. V war nämlich auf der Suche nach einem besseren Käufer, weil er meinte, den Acker zu billig verkauft zu haben. K, dem das schließlich zu dumm wurde, erwirkte im März 1996 die Vormerkung seines Eigentums auf der Liegenschaft EZ 465 und klagte V auf Zuhaltung des Vertrages. Zu diesem Zeitpunkt war bereits die von V im November 1995 beantragte Anmerkung der Rangordnung für die beabsichtigte Veräußerung mit Wirksamkeit bis 18.12.1996 im Grundbuch eingetragen. Im Oktober 1996 wurde der Klage des K rechtskräftig stattgegeben und die Rechtfertigung der von K erwirkten Vormerkung im Grundbuch angemerkt. Am 10.12.1996 beantragte L, der den Krautacker im Februar 1996 von V gekauft hatte, unter Vorlage des Rangordnungsbeschlusses und des Kaufvertrags die Einverleibung seines Eigentumsrechts an der Liegenschaft EZ 465. Zugleich begehrte er die Löschung der Eintragung des K. A. Lösung Anspruch des L auf Löschung des K im Grundbuch nach § 57 Abs 1 GBG Dem Ansuchen des L auf Löschung des K im Grundbuch nach § 57 Abs 1 GBG ist nur dann stattzugeben, wenn L hinsichtlich des Erwerbs des Eigentums an der Liegenschaft einen besseren Rang genießt als K. Dafür ist nicht der Zeitpunkt des Abschlusses des Kaufvertrags entscheidend, sondern die Reihung auf Grund der bücherlichen Durchführung der beiden Erwerbsgeschäfte. K hat im März 1996 um Vormerkung seines Eigentumsrechts an der Liegenschaft EZ 465 angesucht. Er musste diese Vorgangsweise wählen, da er nur den schriftlichen Kaufvertrag, aber keine notarielle Beglaubigung der Unterschriften und auch keine Aufsandungserklärung des V hatte (§ 35 GBG). Immerhin kommt der Vormerkung des Eigentums rangwahrende Wirkung zu, weil die Rechtfertigung, die im vorliegenden Fall durch das stattgebende Urteil auf Grund der Klage des K gegen V erfolgt ist (§ 41 lit c GBG), auf den Zeitpunkt des Ansuchens um die Vormerkung zurückwirkt (IV/3/28). K erwirbt daher in diesem Rang das Eigentum an der Liegen1 In Anlehnung an die E des OGH NZ 1998, 281 mit Anm Hoyer (286). Problembereiche: Prioritätsgrundsatz; Vormerkung; Anmerkung der Rangordnung.
Fall 66: „Der Streit um den Krautacker“ (G. Iro)
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schaft. Gleichzeitig wären alle Eintragungen, die gegen V nach Einlangen des Ansuchens des K um Vormerkung erwirkt wurden, von Amts wegen zu löschen (§ 49 Abs 2 GBG) bzw wären noch nicht erledigte Ansuchen, die auf Eintragung eines von V abgeleiteten Rechts gerichtet sind, abzuweisen. Ob dies auch auf das Ansuchen des L um Einverleibung seines Eigentums an der Liegenschaft EZ 465 zutrifft, muss näher geprüft werden. Dieser Antrag wurde zwar erst lang nach der Vormerkung des Eigentums des K gestellt, doch begehrte L die Eintragung unter Vorlage eines Rangordnungsbeschlusses. Dieser beruhte auf einer Anmerkung der Rangordnung für die beabsichtigte Veräußerung, die V bereits vor Einlangen des Vormerkungsgesuches des K beim Grundbuchsgericht beantragt hat. Da nun L innerhalb der Wirksamkeitsdauer des Rangordnungsbeschlusses den Antrag auf Einverleibung seines Eigentums gestellt und die dafür erforderlichen Urkunden vorgelegt hat, wurde die Eintragung im Rang der Anmerkung der Rangordnung vollzogen, dh dass dem Eigentumserwerb des L der Rang des Ansuchens des V um Anmerkung der Rangordnung (§ 56 Abs 1 GBG) und damit ein besserer Rang zukommt als dem Vormerkungsgesuch des K, das erst lang danach beim Grundbuchsgericht eingelangt ist. Dass L sein Recht nicht von K als bücherlichem Vormann, sondern von V ableitet (IV/3/56), schadet hier nicht, weil im Falle einer Ranganmerkung über die Zulässigkeit der begehrten Eintragung nicht der Buchstand im Zeitpunkt des Einlangens des Grundbuchsgesuchs des L, sondern des Einlangens des Ansuchens des V um Anmerkung der Rangordnung entscheidet (IV/3/52); zu dieser Zeit war aber noch V als Eigentümer der Liegenschaft eingetragen.
Vom Rangverhältnis zwischen den beiden Eintragungen sind die eigentumsrechtlichen Verhältnisse zu unterscheiden: Wie bereits ausgeführt wurde, erlangt K das Eigentum rückwirkend mit dem Zeitpunkt des Ansuchens um Vormerkung (§ 438), also im März 1996. Daran ändert auch die Eintragung des L im Rang der Ranganmerkung nichts, weil dadurch – anders als bei der Vormerkung – der Eigentumserwerb des L nicht auf den Zeitpunkt der Anbringung des Ansuchens um Anmerkung der Rangordnung zurückbezogen wird; für den Eigentumserwerb des L ist vielmehr das Einlangen seines Einverleibungsgesuchs beim Grundbuchsgericht entscheidend (IV/3/54). Daher steht das Eigentum an der Liegenschaft zunächst K, ab dem 10.12.1996 aber L zu. K hat also das Eigentum an der Liegenschaft nur so lange, wie es sein Vormann V ohne die Veräußerung an ihn gehabt hätte. Ein zeitlich unbeschränkter Eigentumserwerb des K im Vertrauen auf das Grundbuch kommt nicht in Frage, da im Zeitpunkt seines Antrags auf Vormerkung das Ansuchen um Anmerkung der Rangordnung im Grundbuch bereits ersichtlich war, so dass K damit rechnen musste, dass V einem anderen das Eigentumsrecht in diesem Range verschaffen könnte. L kann die Löschung der Eintragung des K gem § 57 Abs 1 GBG verlangen.
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B. Folgeansprüche I. K gegen V auf Erfüllung nach §§ 1061, 918 ABGB V hat K das aus dem Kaufvertrag geschuldete Eigentum an der Liegenschaft nicht (auf Dauer) verschafft und damit seine vertragliche Verpflichtung nicht erfüllt. Zwar hat V die Liegenschaft dem L übereignet und sich damit außerstande gesetzt, dem K das Eigentum daran zu übertragen, doch steht es diesem nach hA offen, auf Erfüllung zu bestehen, wenn dem V der Wiedererwerb der Liegenschaft möglich und zumutbar ist2. Das wäre nach der Rsp dann zu verneinen, wenn sich L endgültig weigert, die Liegenschaft dem V zu verkaufen, oder ein übermäßiges Entgelt dafür verlangt. In diesem Fall läge von V verschuldete Unmöglichkeit der Vertragserfüllung vor und K könnte nach §§ 920 f 3 zwischen Austausch- und Differenzanspruch wählen (II/3/56). II. K gegen L auf Schadenersatz Da zwischen K und L kein Vertragsverhältnis besteht, kommt ein Schadenersatzanspruch des K nur auf deliktischer Basis, nämlich wegen Ausnützung der bei V bereits vorhandenen Bereitschaft zum Vertragsbruch (dazu III/14/3) durch L in Betracht. Voraussetzung dafür wäre, dass L bei Abschluss des Kaufvertrages mit V von der Veräußerung der Liegenschaft an einen anderen gewusst hat. L hat aber den Kaufvertrag mit V vor Einlangen des Vormerkungsgesuchs des K geschlossen; zu diesem Zeitpunkt konnte er aus dem Grundbuch keine Rechte Dritter auf die Liegenschaft ersehen. Dass dem L der Verkauf an K aus anderen Quellen bekannt war, ist dem Sachverhalt nicht zu entnehmen. Der Anspruch ist daher zu verneinen.
Fall 67: „Der falsche Freund“ Sachverhalt1 E war Eigentümer der unbelasteten Liegenschaft EZ 100. Da er sie verkaufen wollte, bat er seinen geschäftserfahrenen Freund F, mit Kaufinteressenten einen guten Preis auszuhandeln. F war dazu bereit, meinte aber, dass sich derartige Liegenschaften leichter verkaufen ließen, wenn sie mit einer möglichst hohen Hypothek belastet sind. Er schlug daher vor, dass E bei ihm ein Darlehen über € 200.000 aufnimmt und zur Besicherung des Rückzahlungsanspruchs eine Hypothek auf der Liegen2 Vgl Reischauer in Rummel3 § 920 Rz 10 mit Nachweisen zur Rsp. 3 Gewährleistungsrecht ist hier nicht anwendbar, weil noch keine Übergabe der Liegenschaft stattgefunden hat (II/3/68). 1 In Anlehnung an die E des OGH SZ 42/25. Problembereiche: Materielles Publizitätsprinzip.
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schaft EZ 100 eintragen lässt; in Wirklichkeit sollte aber „kein Cent rollen“. E, der F voll vertraute, war damit einverstanden und unterschrieb einen Darlehensvertrag, in dem er sein Einverständnis zur Verpfändung der Liegenschaft EZ 100 erklärte. Am 1.4. stellte F beim zuständigen Grundbuchsgericht den Antrag auf Einverleibung der Hypothek; die Eintragung wurde am 2.5. vollzogen und E erhielt den Beschluss am 10.5. zugestellt. F dachte aber nicht daran, sich um einen Käufer für die Liegenschaft des E, den er immer wieder vertröstete, zu kümmern. Er verkaufte vielmehr die Hypothekarforderung aus dem Darlehensvertrag am 1.6. um € 180.000 dem Z, der am 4.6. beim Grundbuchsgericht den Antrag auf Einverleibung der Übertragung der Forderung stellte. Am 8.6. langte beim Grundbuchsgericht ein Ansuchen des E um Streitanmerkung bzgl der Einverleibung der Hypothek für F ein. E hatte nämlich in der Zwischenzeit von den Umtrieben des F erfahren und sofort einen Rechtsanwalt gebeten, für ihn rasch die erforderlichen Schritte zur Löschung der Hypothek des F einzuleiten. Z, der inzwischen als neuer Gläubiger im Grundbuch eingetragen wurde, verlangt von E Zahlung von € 200.000. A. Lösung Anspruch Z gegen E auf Zahlung von € 200.000 nach § 983 ABGB 1. Derivativer Erwerb der Hypothekarforderung Der Anspruch des Z gegen E auf Zahlung von € 200.000 hängt zunächst davon ab, ob die Darlehensforderung wirksam entstanden ist. Sie beruht auf einem Darlehensvertrag zwischen E und F, den die Parteien allerdings nicht vollziehen, sondern nur zum Anlocken von Käufern für die Liegenschaft vortäuschen wollten. Es liegt daher ein (absolutes) Scheingeschäft vor (I/7/12), wobei es keine Rolle spielt, aus welchem Motiv diese Vorgangsweise gewählt wurde und ob F den E dabei listig irregeführt hat. Da somit die Vereinbarung nicht wirksam zustande gekommen ist, steht dem F auch keine vertragliche Forderung auf Rückzahlung der € 200.000 zu. Allerdings hat F unter Vorlage des Darlehensvertrags, der offensichtlich auch die Pfandbestellungsvereinbarung und die Aufsandungserklärung des E enthielt, die Einverleibung der Hypothek im C-Blatt der EZ 100 veranlasst. Die Eintragung im Grundbuch als bloßer Modus lässt jedoch das Pfandrecht des F nicht wirksam entstehen, weil dafür nach dem im österr Recht geltenden Grundsatz der Kausalität des Verfügungsgeschäfts (IV/6/41 und IV/10/1) ein gültiges Titelgeschäft erforderlich ist. Daran fehlt es aber, weil der Pfandbestellungsvertrag genauso wie der Darlehensvertrag ein Scheingeschäft und daher unwirksam ist. F veräußert nun die zwar verbücherte, aber materiellrechtlich nicht entstandene Hypothekarforderung an Z. Titel für den Erwerb der Darlehensforderung und den Übergang der Hypothek ist der Kaufvertrag
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zwischen F und Z. Hypothekarisch sichergestellte Forderungen können nach hA nur bücherlich übertragen werden (IV/10/35). Da Z nach dem Sachverhalt im Grundbuch eingetragen wurde, ist davon auszugehen, dass alle Voraussetzungen – insb auch die Aufsandungserklärung des F (§ 32 Abs 1 lit b GBG) – dafür vorlagen. Z konnte jedoch die Hypothekarforderung nicht derivativ von F erlangen, weil sie nicht bestand. 2. Gutgläubiger Erwerb der Hypothekarforderung nach §§ 61 ff GBG In Betracht kommt daher nur ein gutgläubiger Erwerb, der in Ausnahmefällen auch bei Forderungen möglich ist (II/5/49). So könnte Z die Hypothekarforderung nach den Regeln der §§ 61 ff GBG erworben haben2. Dafür ist neben dem Kaufvertrag als Titel weiters Voraussetzung, dass Z ohne jede Fahrlässigkeit auf den Grundbuchsstand, welcher F als Gläubiger einer Forderung gegen E auswies, vertraut hat. Davon kann man ausgehen, da nach dem Sachverhalt im Zeitpunkt des Ansuchens um Einverleibung der Übertragung der Hypothekarforderung (4.6.) – und davor – für Z kein Anhaltspunkt für die Unrichtigkeit der Eintragung des F ersichtlich war; die Streitanmerkung wurde von E erst am 8.6. veranlasst. Auch konnte Z darauf vertrauen, dass E tatsächlich die Darlehensvaluta erhalten hat, weil in dem Darlehensvertrag, der sicherlich in die Urkundensammlung aufgenommenen wurde, wohl auch die Zuzählung des kreditierten Betrages als gesetzliche Wirksamkeitsvoraussetzung (§ 983; III/9/1) bestätigt wurde. Allerdings ist noch § 63 Abs 1 GBG zu beachten. Danach ist zu prüfen, ob E, der wahrscheinlich ordnungsgemäß von der Einverleibung der Hypothek des F verständigt wurde, diese Eintragung mit der Wirkung als ungültig bestreiten kann, dass dies auch gegenüber Z wirkt. Dafür ist zunächst Voraussetzung, dass E innerhalb von 30 Tagen ab Zustellung des Grundbuchsbeschlusses (§§ 63 Abs 1, 123 Abs 1 GBG) um Streitanmerkung bzgl der Einverleibung der Hypothek ansucht. Da dieses Gesuch des E am 8.6. beim Grundbuchsgericht einlangte und damals die Rekursfrist, die am 11.5. begonnen hatte (§ 81 Abs 1 GBG), noch nicht abgelaufen war, ist die genannte Voraussetzung des § 63 Abs 1 GBG erfüllt. Weiters ist für die Drittwirkung der Löschungsklage notwendig, dass innerhalb von 60 Tagen nach Ablauf der Rekursfrist die Löschungsklage gegen alle Personen, die ein bücherliches Recht aus der bestrittenen Eintragung ableiten, eingebracht wird. Auch davon kann man im vorliegenden Fall ausgehen, weil der Rechtsanwalt „die erforderlichen Schritte zur Löschung der Hypothek“ eingeleitet hat. E wird mit der Löschungsklage durchdringen, weil die Einverleibung der Hypothek für F mangels eines Titels von Anfang an ungültig war (§ 61 Abs 1 GBG). Das stattgebende Urteil verhindert somit den gutgläubigen 2 Da sich die eingetragene Hypothek betraglich mit der (vorgegebenen) Darlehensforderung deckt und E sowohl Pfand- als auch Darlehensschuldner zu sein scheint, kann hier dahingestellt bleiben, ob Z nur die dingliche Haftung des E oder auch das Forderungsrecht gegen E erwirbt (vgl IV/10/42).
Fall 67: „Der falsche Freund“ (G. Iro)
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Erwerb der Hypothek durch Z, obwohl im Zeitpunkt seines Einverleibungsansuchens der Antrag auf Streitanmerkung noch nicht eingebracht und daher auch nicht im Grundbuch ersichtlich war. Doch musste Z eben in Anbetracht des § 63 Abs 1 GBG bis zum Ablauf der Rekursfrist mit einer derartigen Rückwirkung einer Streitanmerkung rechnen. Ein gutgläubiger Erwerb der Hypothekarforderung durch Z nach den §§ 61 ff GBG ist daher auszuschließen. Um kein Missverständnis aufkommen zu lassen: Die Möglichkeit des E, die Löschungsklage zu erheben und eine Streitanmerkung eintragen zu lassen, unterliegt hier an sich keiner zeitlichen Beschränkung, weil der Darlehens- und Pfandbestellungsvertrag von Anfang an nichtig ist und die Berufung darauf an keine gesetzliche Befristung gebunden ist (§ 62 GBG). Eine Rückwirkung auf bereits vor Ansuchen um Streitanmerkung bei Grundbuchsgericht eingelangte Verbücherungsanträge Dritter tritt allerdings nur bei Einhaltung der in § 63 GBG angeführten Fristen ein. Sonst müssen sich nur solche Dritte, deren Grundbuchsgesuch erst nach dem Ansuchen um Streitanmerkung angebracht wird, den Ausgang des Verfahrens über die Löschungsklage entgegenhalten lassen.
3. Gutgläubiger Erwerb der Hypothekarforderung nach § 916 Abs 2 ABGB Zu prüfen ist jedoch, ob Z die Forderung gegen E nicht nach § 916 Abs 2 erworben hat. Diese Bestimmung bewahrt den redlichen Übernehmer einer Forderung vor dem Einwand des Schuldners, dass diese nur zum Schein begründet wurde und daher gar nicht besteht. Da die Forderung auf Rückzahlung des Darlehens auf einem Scheingeschäft zwischen E und F beruht, wäre daher Z in seinem Vertrauen auf ihr Bestehen zu schützen und so zu behandeln, als hätte er eine tatsächlich existente Forderung erworben. Da es sich um eine verbücherte Forderung handelt, ist aber noch das Verhältnis des § 916 Abs 2 zu den §§ 61 ff GBG zu beleuchten. Richtiger Ansicht nach stellt der Gutglaubensschutz nach § 916 Abs 2 einen eigenständigen Tatbestand dar, der auch im Sachenrecht Wirkung entfaltet3. Das muss auch für Rechte an Liegenschaften gelten, so dass sich der redliche Dritte auf § 916 Abs 2 berufen und damit die Abweisung der gegen ihn gerichteten Löschungsklage erreichen kann. Da der gute Glaube des Dritten nach § 916 Abs 2 geschützt wird, sind die §§ 61 ff GBG nicht heranzuziehen und kommt daher die in § 63 Abs 1 GBG vorgesehene, oben dargestellte Rückwirkung der erfolgreichen Löschungsklage nicht zur Anwendung. Dieses Ergebnis ist damit zu rechtfertigen, dass hier der wahre Berechtigte (E) nicht schutzwürdig ist, weil er selbst an der Erzeugung des Scheins mitgewirkt hat. Daher hat Z die Darlehensforderung gegen E samt Hypothek gutgläubig nach § 916 Abs 2 erworben und kann bei Fälligkeit von E Zahlung von € 200.000 verlangen. 3 Gschnitzer in Klang2 IV/1, 422; Rummel in Rummel3 § 916 Rz 4.
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Vierter Teil: Fälle zum Sachenrecht
B. Folgeansprüche I. E gegen F auf Zahlung von € 200.000 nach §§ 1293 ff ABGB Durch die Abtretung der bloß zum Schein begründeten Darlehensforderung an Z verstößt F gegen die mit E getroffene Vereinbarung. Der Darlehensvertrag wurde nämlich nur zum Zweck des leichteren Verkaufs der Liegenschaft geschlossen, nicht aber um E tatsächlich für diesen Betrag haften und F einen diesbezüglichen Vorteil zukommen zu lassen. Die Vertragsverletzung hat F vorsätzlich gesetzt, so dass er dem E für allen daraus entstehenden Schaden haftet, somit jedenfalls für die von E an Z zu zahlenden € 200.000. II. E gegen F auf Zahlung von € 200.000 nach § 1041 ABGB Ein Verwendungsanspruch des E gegen F ist insofern problematisch, als dieser nicht ein Rechtsgut des E, das diesem ausschließlich zugewiesen ist (vgl III/15/16 ff), zu seinem Nutzen verwendet, sondern sein Vorteil aus der Begründung einer Forderung gegen E resultiert, deren Begleichung aus dem als solchem nicht geschützten „bloßen“ Vermögen des E erfolgt. Zwar könnte man die Belastung der Liegenschaft des E mit einem Pfandrecht als Verwendung des Eigentums des E iSd § 1041 qualifizieren, doch hilft das nicht weiter, wenn E die Forderung des Z befriedigt und es daher nicht zur Verwertung der Liegenschaft kommt. Dann geht es insofern eben wieder um einen Nutzen des F aus dem bloßen Vermögen des E. Zu überlegen ist aber, ob man in Fällen wie dem vorliegenden nicht auch den rechtswidrigen Eingriff in das Vermögen durch Begründung einer Forderung unter § 1041 subsumieren kann4. Bejaht man das, so stellt sich noch die Frage nach der Höhe des Bereicherungsanspruchs. Dieser wird in Anbetracht der Unredlichkeit des F mit dem Forderungsbetrag von € 200.000 und nicht mit dem tatsächlich erzielten Nutzen des F (€ 180.000) anzusetzen sein (III/15/28).
4 Dazu etwa Apathy, Der Verwendungsanspruch (1988) 69 ff; Rummel in Rummel3 § 1041 Rz 6.
Fall 68: „Das benachbarte Fastfood-Restaurant“ (G. Iro)
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4. Begriff und Inhalt des Eigentumsrechts Fall 68: „Das benachbarte Fastfood-Restaurant“ Sachverhalt1 M ist Mieter einer ebenerdigen Wohnung mit Terrasse im Haus des E. Auf der benachbarten Liegenschaft, die N gehört, führt S auf Grund eines Mietvertrages mit N ein Fastfood-Lokal. M fühlt sich dadurch beeinträchtigt, dass S auch nach 22 Uhr bis zur behördlich vorgeschriebenen Sperrstunde um 2 Uhr früh Musik mit großer Lautstärke oft bei offenen Fenstern und Türen abspielen lässt, wobei der Geräuschpegel im Inneren des Lokals bis zu 110 dB und beim Haus des E immer noch 82 dB erreicht. Der gewerbebehördlichen Genehmigung zufolge darf die Musikanlage nur als „Hintergrundberieselung“ betrieben werden und müssen sämtliche Fenster und Türen ab 22 Uhr geschlossen sein. Außerdem werfen Gäste des Lokals häufig Verpackungsmaterial der bei S gekauften und auf dem Weg verzehrten Speisen und Getränke auf die zur Wohnung des M gehörende Terrasse. Darauf von M angesprochen, meint S, dass er damit nichts zu tun habe. M will wissen, welche Möglichkeiten er hat, gegen diese Störungen vorzugehen.
Lösung Vorüberlegungen: Bei diesem Fall denkt man wohl in erster Linie an nachbarrechtliche Rechtsbehelfe. Darüber hinaus wäre aber zu überlegen, ob nicht ebenso Besitzstörungsklagen in Betracht kommen. Voraussetzung dafür ist eine Störung iSd § 339; wann eine solche vorliegt, lässt sich jedoch kaum scharf umgrenzen. Nach der stRsp, die hier wegen der Rechtsmittelbeschränkungen im Besitzstörungsverfahren (§ 528 Abs 2 Z 6 ZPO) von den Landesgerichten gebildet wird, liegt keine Störung vor, wenn weder das äußere Erscheinungsbild der Macht und Gewahrsame an der Sache verändert noch dem Willen des Besitzers ein anderer Besitzwille entgegengesetzt wird, also in der inkriminierten Handlung nicht ein Element der Besitzerwerbung liegt. In diesem Sinne werden Einwirkungen durch Lärm, Gerüche oder Staub nicht als Besitzstörung angesehen2. Folgt man dieser Ansicht, so kommt bzgl der Lärmbeeinträchtigung keine Besitzklage in Betracht, wohl aber wegen der laufenden Ablagerung von Abfällen auf dem Grundstück des E. 1 In Anlehnung an die E des OGH RdU 2001/59 mit Anm Kerschner. Problembereiche: Nachbarrecht; mittelbarer Störer. 2 So etwa LGZ Wien MietSlg 36.013; 38.009; 49.012; LGZ Graz MietSlg 34.016. Kritisch Kodek, Die Besitzstörung (2002) 208 ff; Spielbüchler in Rummel3 § 339 Rz 2.
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Vierter Teil: Fälle zum Sachenrecht
Im Folgenden wird zunächst auf die Ansprüche des M nach den §§ 364 f und sodann auf jene nach § 339 eingegangen, wobei die Sachfragen weitgehend ident sind. I. Anspruch des M auf Unterlassung der Lärmbeeinträchtigungen nach § 364 iVm § 372 ABGB 1. gegen S Die Aktivlegitimation des M als Mieter von Teilen der beeinträchtigten Liegenschaft des E ist zu bejahen. Als solchem steht ihm nämlich nach der hL und der neueren Rsp der Unterlassungsanspruch gem § 364 gegen den Störer zu (IV/4/14), den er iVm § 372 geltend machen kann, da er als rechtlicher Besitzer eine quasidingliche Position hat (IV/2/68 ff). S ist passivlegitimiert, weil er durch den Betrieb des Restaurants, von dem der Lärm ausgeht, das Nachbargrundstück des N für eigene Zwecke in Anspruch nimmt. Die laute Musik, die beim Haus des E noch einen Geräuschpegel von bis zu 82 dB erreicht, übersteigt jedenfalls in einer Wohngegend ab 22 Uhr das nach den örtlichen Verhältnissen gewöhnliche Maß, das die Rsp üblicherweise mit Zimmerlautstärke ansetzt. Auch beeinträchtigt sie die ortsübliche Benutzung des Grundstücks des E zu Wohnzwecken wesentlich, weil sie die Nachtruhe der Bewohner stört, wobei auch Art und Intensität von Disco-Musik (ausgeprägter Rhythmus des Schlagzeugs; dröhnende Bässe) sowie deren Dauer eine maßgebliche Rolle spielen. Damit wären die Voraussetzungen für einen Unterlassungsanspruch des M gegen S gegeben (vgl IV/4/10 ff). Allerdings betreibt S das Lokal auf Grund einer gewerbebehördlichen Genehmigung, so dass eine Anlage iSd § 364a vorliegt. Nach dieser Norm kann der beeinträchtigte Nachbar die Unterlassung der Immissionen nicht verlangen, sondern nur einen Ausgleichsanspruch geltend machen. Das gilt aber nur für solche Einwirkungen, die ihrer Art und ihrem Umfang nach für den ordnungsgemäßen Betrieb der Anlage typisch sind. Da die Betriebsanlagengenehmigung im vorliegenden Fall aber gerade bzgl der möglichen Lärmemissionen durch Musik Einschränkungen vorsieht, die geeignet wären, solche Störungen hintanzuhalten, gehen die Einwirkungen über das durch die behördliche Genehmigung gedeckte Ausmaß eindeutig hinaus. Daher wird diesbezüglich der Unterlassungsanspruch nach § 364 nicht durch § 364a beseitigt. M kann somit von S die Unterlassung von Musiklärm aus dessen Lokal, durch den die Nachtruhe gestört wird, begehren, wobei er aber nicht bestimmen kann, mit welchen Maßnahmen dies zu erreichen ist. 2. gegen N N ist als Eigentümer des Grundstücks, von dem der Lärm ausgeht, für die Unterlassungsklage an sich primär passivlegitimiert. Hat jedoch nicht er die Immissionen verursacht, sondern ein Dritter, so haftet er neben diesem
Fall 68: „Das benachbarte Fastfood-Restaurant“ (G. Iro)
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nach der Rsp nur dann gem § 364, wenn er die Störung duldet, obwohl er sie verhindern könnte, oder wenn er mit dem Dritten bzgl der Benützung der Liegenschaft in einem Rechtsverhältnis steht (IV/4/15). Letzteres ist hier der Fall, da S das Lokal auf Grund eines Mietvertrags benützt. Unerheblich ist, ob N nach diesem Vertrag überhaupt berechtigt wäre, die störenden Handlungen zu untersagen. M kann daher den Unterlassungsanspruch auch gegen N richten. II. Anspruch des M auf Unterlassung der Ablagerung von Verpackungsmaterial nach § 523 iVm § 372 ABGB 1. gegen S Unmittelbare Störer sind bzgl des weggeworfenen Verpackungsmaterials die betreffenden Lokalbesucher. Da im Sachverhalt kein konkreter „Verschmutzer“ genannt wird, müssen insofern auch keine Ansprüche geprüft werden. Allerdings haftet nach der Rsp der Lokalbetreiber für störendes Verhalten seiner Gäste, wenn er es duldet, obwohl er es zu hindern berechtigt und dazu auch imstande wäre3. Dabei wird jedoch vom Wirt nicht verlangt, hinter jeden Gast einen Aufpasser zu stellen, sondern nur, dass er alles ihm Zumutbare zur Verhinderung derartiger Störungen unternimmt. Im konkreten Fall wäre von S zu erwarten, dass er auch vor seinem Lokal Abfallbehälter in ausreichender Zahl anbringt und die Gäste mittels Anschlag eindringlich darauf hinweist, diese zu benützen. Zusätzlich könnte von ihm verlangt werden, dass er solche Kunden, die schon wiederholt wegen der Verschmutzung angrenzender Grundstücke durch Verpackungsmaterial aus seinem Lokal aufgefallen sind, darauf anspricht und bei Uneinsichtigkeit nichts mehr an sie verkauft. Aus dem Sachverhalt kann geschlossen werden, dass S keine in diesem Sinn ausreichenden Vorkehrungen zur Verhinderung von solchen Beeinträchtigungen getroffen hat. Seine Aussage, er habe damit nichts zu tun, deutet nämlich darauf hin, dass er sich bisher nicht darum gekümmert hat und auch weiterhin nichts dagegen zu tun gedenkt. Da das Verpackungsmaterial auch auf die von M gemietete Terrasse gelangt ist, liegt wieder eine Störung des nach § 372 geschützten qualifizierten Rechtsbesitzes des M vor. Daher kann dieser die Klage auf Unterlassung der Eingriffe durch Ablagerung von Verpackungsmaterial auch gegen S richten. Bei dem Abfall handelt es sich um grobkörperliche Immissionen, die noch dazu gezielt auf das Grundstück des E gelangen, also „unmittelbare Zuleitungen“ sind. Der Unterlassungsanspruch des M gegen derartige Einwirkungen richtet sich daher nicht nach der speziellen Norm des § 364 Abs 2 S 1, sondern auf Grund des § 364 Abs 2 S 2 nach der allgemeinen Bestimmung des § 523, so dass es nicht darauf ankommt, ob die Immissionen das orts3 OGH RdU 1997/42; RdU 2001/59 mit Anm Kerschner.
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Vierter Teil: Fälle zum Sachenrecht
übliche Maß übersteigen und die ortsübliche Nutzung des Grundstücks wesentlich beeinträchtigen (IV/4/6). M hat daher einen Unterlassungsanspruch gegen S nach § 523 iVm § 372. 2. gegen N Hier gilt das oben unter I.2. Gesagte entsprechend. N ist mittelbarer Störer, weil die Immissionen von seinem Grundstück ausgehen, dessen Benützung er dem S vertraglich gestattet hat. Der Anspruch gegen N beruht ebenfalls auf § 523 iVm § 372. III. Anspruch M gegen S und N auf Beseitigung des Verpackungsmaterials nach § 523 iVm § 372 ABGB Neben dem Anspruch auf Unterlassung künftiger Ablagerungen von Verpackungsmaterial hat M im Hinblick auf die Beeinträchtigung seines Benutzungsrechts an der Terrasse einen Anspruch nach § 523 iVm § 372 (vgl oben II.) gegen S und N auch auf Beseitigung der von den Lokalgästen stammenden Verunreinigungen. Auf ein Verschulden von S bzw N kommt es dafür nicht an (IV/7/14). IV. Anspruch M gegen S und N auf Unterlassung der Ablagerung von Verpackungsmaterial nach § 339 ABGB M könnte auf Grund seines Rechtsbesitzes an Teilen der Liegenschaft des E mit der Besitzstörungsklage von den Gästen des Lokals des S, die das Verpackungsmaterial auf die von ihm gemietete Terrasse werfen, Unterlassung zukünftiger Störungen verlangen. Deren Verhalten birgt nämlich iSd Rsp „ein gewisses Element der Besitzerwerbung“ in sich, nehmen sie doch das Recht in Anspruch, Abfall auf der Terrasse ablagern zu dürfen. Die Besitzstörungsklage kann aber aus entsprechenden Überlegungen wie zu den §§ 364 und 523 auch gegen S als mittelbaren Störer gerichtet werden. Nach der stRsp ergibt sich dies bereits daraus, dass S – wie oben in II.1. dargelegt – Abhilfe gegen die Besitzstörung durch seine Lokalgäste schaffen könnte (IV/2/61). Maßgeblich ist aber wohl, dass die Verpackungsmaterialien aus dem Lokal des S stammen, dieser sie also in seinem geschäftlichen Interesse verwendet und trotz Kenntnis von der damit verursachten Störung durch Dritte nicht das ihm Zumutbare dagegen unternimmt. Für die Frage, ob auch gegen N ein Unterlassungsanspruch nach § 339 in Betracht kommt, ist dessen Eigentum an der Liegenschaft – anders als etwa nach § 364 – ohne Bedeutung. N wäre allerdings als Vermieter des Lokals wohl rechtlich in der Lage, Einfluss auf S dahingehend zu nehmen, dass dieser Vorkehrungen gegen die Verschmutzung der Nachbarliegenschaft trifft; auch er könnte daher „Abhilfe schaffen“. Das wäre von ihm auch zu erwarten, weil er ein wirtschaftliches Interesse am Betrieb des S
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und damit letztlich auch an der Verwendung des Verpackungsmaterials hat. Das spricht für die Zulässigkeit einer Besitzstörungsklage gegen N. V. Anspruch M gegen S und N auf Beseitigung der Ablagerungen nach § 339 ABGB Neben dem Anspruch auf Unterlassung künftiger Störungen hat M auch den possessorischen Anspruch auf Beseitigung des bereits abgelagerten Verpackungsmaterials. Dieser ist wieder verschuldensunabhängig. VI. Anspruch M gegen E auf Abwehr der Störungen nach § 1096 Abs 1 ABGB Aus dem Störungsverbot des § 1096 Abs 1 wird abgeleitet, dass der Vermieter den Mieter vor Eingriffen Dritter schützen muss, uz auch dann, wenn der Mieter eigene Ansprüche gegen den Störer – etwa wie hier nach § 364 – hat (III/8/21). M kann daher wählen, ob er von E Abhilfe verlangt oder selbst gegen S bzw N mit der Klage nach § 339 oder nach §§ 364, 523 iVm § 372 vorgeht. E könnte die soeben für M geprüften Rechtsbehelfe nach §§ 364, 523 als Grundeigentümer und nach § 339 als Sachbesitzer gegen N bzw S geltend machen.
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5. Gemeinschaft des Eigentums Fall 69: „Der eigenmächtige Miteigentümer“ Sachverhalt1 Die Brüder A und B haben ein Zinshaus in der Stadt zu gleichen Teilen geerbt. Während A seinen Urlaub in der Karibik genießt, vermietet B eine frei werdende Wohnung in diesem Haus an M, wobei er sich als Miteigentümer vorstellt. M zieht in die Wohnung ein. Als A nach seiner Rückkunft von der Vermietung an M erfährt, will er sich mit den vollendeten Tatsachen nicht abfinden, weil er B wiederholt gesagt hat, dass er die betreffende Wohnung, wenn sie frei wird, für sich benötige. A verlangt von M die Räumung der Wohnung.
A. Lösung Anspruch A gegen M auf Räumung der Wohnung nach § 366 ABGB A ist als Miteigentümer des Hauses zur Geltendmachung von Ansprüchen bei Eingriffen Dritter in das gemeinschaftliche Recht befugt (IV/5/6). Er hat daher auch die Räumungsklage gegen Personen, die Teile der Liegenschaft ohne Rechtsgrund benützen. Ob dies auf M zutrifft, ist im Folgenden zu prüfen. M hat mit B einen Mietvertrag geschlossen. Dieser steht jedoch einer Räumungsklage des A nur dann entgegen, wenn er (auch) diesen bindet. Es ist daher zu fragen, mit wem der Vertrag zustande kam. Das hängt zunächst davon ab, wie B gegenüber M aufgetreten ist, ob im eigenen Namen oder für die Miteigentümergemeinschaft. Nach der Rsp schließt ein Miteigentümer einen Mietvertrag iZw als Vertreter sämtlicher Eigentümer ab. Das kann aber nur dann gelten, wenn dem Dritten erkennbar ist, dass das Mietobjekt im Miteigentum steht. Da dies nach dem Sachverhalt zutrifft, kontrahiert B im Namen der Miteigentümergemeinschaft, also sowohl im eigenen Namen als auch im Namen des A. Damit der von B abgeschlossene Vertrag auch A bindet, ist eine entsprechende Vertretungsmacht des B erforderlich. Da eine solche nicht rechtsgeschäftlich erteilt wurde, könnte sie nur auf die Verwaltungsbefugnis beim Miteigentum (§§ 833 ff) gestützt werden. Denn soweit Miteigentümer zur Verwaltung der gemeinsamen Sache befugt sind, haben sie auch die für die Durchführung der diesbezüglichen Agenden notwendige Vertretungsbefugnis, mit Dritten im Namen der Miteigentümergemeinschaft zu kontrahieren (IV/5/13). An sich ist die Vermietung von Wohnungen in einem Zinshaus zu üblichen Konditionen eine Maßnahme der ordentlichen 1 In Anlehnung an die E des OGH JBl 1987, 445. Problembereiche: Verwaltung beim Miteigentum.
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Verwaltung. Zu dieser ist allerdings B alleine nicht berechtigt, weil er nicht Mehrheits-, sondern nur Hälfteeigentümer ist (§ 833). Darüber hinaus ist zu beachten, dass A dem B ausdrücklich und mehrmals erklärt hat, die Vermietung der betreffenden Wohnung an Dritte nicht zu wünschen. Da somit die Vermietung offensichtlich den Interessen eines Miteigentümers widerspricht, liegt eine wichtige Veränderung iSd § 834 vor, für die Einstimmigkeit verlangt wird. B kann sich auch nicht auf § 837 S 3 berufen, wonach ein Miteigentümer, der die Verwaltung ohne Auftrag der übrigen führt, wie ein Machthaber anzusehen ist, weil A der Verwaltung durch B jedenfalls hinsichtlich der Vermietung der Wohnung widersprochen hat. Zumal auch keine Anhaltspunkte für eine Anscheinsvollmacht (I/9/25) vorliegen, hat B beim Abschluss des Mietvertrags mit M den A vollmachtslos vertreten, weshalb der Vertrag mangels Genehmigung durch A insoweit jedenfalls unwirksam ist. Da aber eine teilweise Aufrechterhaltung des Vertrags gegenüber B sinnlos ist, muss von gänzlicher Ungültigkeit des Vertrages ausgegangen werden. M hat somit kein Recht zum Besitz und muss die Wohnung räumen. Hinweis: Wäre dem M die Position des B als Miteigentümer nicht erkennbar gewesen, so hätte er von einem Eigengeschäft des B ausgehen können. Denn als Erwerber eines obligatorischen Rechts an der Liegenschaft trifft ihn keine Obliegenheit zur Einsichtnahme ins Grundbuch. Der Mietvertrag wäre daher zwischen B und M wirksam zustande gekommen. Dass B nur Miteigentümer und daher nicht alleine verfügungsbefugt ist, ändert daran nichts, weil es sich – ähnlich wie beim Verkauf einer fremden Sache – nicht um eine Unmöglichkeit iSd § 878, sondern höchstens um eine schlichte anfängliche Unmöglichkeit, die Mieterposition zu verschaffen, handelt, die die Gültigkeit des Vertrages nicht berührt (II/3/47 und 124). Gegenüber A könnte aber M aus dem Mietvertrag mit B kein Recht zum Besitz ableiten.
B. Folgeansprüche I. M gegen B auf Schadenersatz aus cic Wenn M wegen der Ungültigkeit des Mietvertrags einen Nachteil erleidet, hat er gegen B als falsus procurator einen Anspruch auf Ersatz des Vertrauensschadens (I/9/68). II. M gegen A bzw B auf Rückzahlung des Mietzinses M kann, falls er den Mietzins bar bezahlt hat, das Geld mit der Eigentumsklage, wenn es noch unterscheidbar vorhanden ist, oder mit der Quantitätsvindikation, wenn es Teil eines abgrenzbaren Geldgemenges geworden ist (IV/6/23), von A bzw B – je nachdem, wo sich der entsprechende Betrag befindet – zurückverlangen. Eine Leistungskondiktion kommt hier nach hA nicht in Betracht, weil zwar M an die Miteigentümergemeinschaft leisten wollte und auch B das Geld aus der Sicht des M für diese entgegennahm, jedoch dazu nicht berechtigt war (§ 848 S 2 und 3); sein Verhalten ist der Miteigentümergemein-
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schaft also nicht zurechenbar (vgl III/15/41). M kann sich aber auf einen Verwendungsanspruch (§ 1041) gegen A bzw B stützen, wenn die konkreten von M übergebenen Geldscheine nicht mehr lokalisierbar sind und daher eine Eigentumsklage ausscheidet. Sollte M den Mietzins mittels Banküberweisung auf das Konto der Miteigentümergemeinschaft gezahlt haben, scheidet ein Eigentumsherausgabeanspruch von vornherein aus. Hier steht M nur ein Verwendungsanspruch gegen die Empfänger zu. III. A und B gegen M auf Benützungsentgelt nach § 1041 ABGB Umgekehrt können A und B von M eine Vergütung für den während der Dauer der Benützung der Wohnung gezogenen Vorteil verlangen. Obwohl diese Bereicherung aus der Sicht des M auf einer Leistung der Miteigentümer beruht, kommt wohl eine Leistungskondiktion nicht in Betracht, weil die Zuwendung mangels Einwilligung des A der Miteigentümergemeinschaft nicht zurechenbar ist. Der Anspruch kann aber auf § 1041 gestützt werden.
Fall 70: „Das Strandbad auf fremdem Grund“ (G. Iro)
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6. Erwerb und Verlust des Eigentums Fall 70: „Das Strandbad auf fremdem Grund“ Sachverhalt1 K hat die Liegenschaft EZ 445, zu der nach dem Grundbuchsstand ua das Grundstück 776/7 im Ausmaß von 46 m2 gehört, auf Grund eines Kaufvertrags vom Voreigentümer V erworben. Dieser hatte jedoch das Grundstück 776/7 bereits 1990 an L verkauft; eine grundbücherliche Durchführung war allerdings unterblieben. L baute 1992 sein Strandbad, das sich auf der ihm gehörenden Liegenschaft EZ 468 befindet, so um, dass ein Teil der Gebäude auf dem Grundstück 776/7 steht. Außerdem errichtete er zum angrenzenden Grundstück 776/4, das zur EZ 445 gehört, entlang der in der Grundbuchsmappe ausgewiesenen Grenze einen Zaun. L verlangt nunmehr von K die Einwilligung in die lastenfreie Abschreibung des Grundstücks 776/7 von der Liegenschaft EZ 445 und in dessen Zuschreibung zur Liegenschaft EZ 468. A. Lösung I. Anspruch L gegen K auf Einwilligung zur Ab- und Zuschreibung nach § 1498 ABGB Wenn L das Eigentum am Grundstück 776/7 erlangt hat, kann er vom nunmehr als Eigentümer der Liegenschaft EZ 445 eingetragenen K die erforderliche Einwilligung zur – deklarativ wirkenden – Verbücherung der Änderung verlangen (vgl § 1498). Nach dem Sachverhalt scheidet jedoch ein derivativer Erwerb des L aus, weil er zwar mit V einen Kaufvertrag über das Grundstück 776/7 geschlossen hat, die Intabulation jedoch unterblieben ist, so dass mangels Modus kein Eigentumsübergang stattgefunden hat; eine „Nachholung“ des Grundstückserwerbs scheitert jetzt daran, dass V wegen der Übereignung der EZ 445 an K nicht mehr bücherlicher Vormann ist und daher seine Einwilligung in die Einverleibung des L bedeutungslos wäre. Zu prüfen ist aber ein originärer Eigentumserwerb durch L, wobei eine Ersitzung mangels Verstreichens der 30-jährigen Frist von vornherein ausscheidet. L könnte durch die Errichtung eines Bauwerks im Jahr 1992 das Eigentum am Grundstück 776/7 nach § 418 erworben haben. Voraussetzung dafür ist einerseits, dass L redlicher Bauführer war, und andererseits die Nichtuntersagung der Bauführung durch den damaligen Eigentümer V. L war sicherlich gutgläubig, weil er in Anbetracht des mit V abgeschlossenen Kaufvertrags davon ausgehen durfte, durch die Bauführung in keine fremden Rechte einzugreifen (IV/2/22). Dabei spielt es keine Rolle, 1 In Anlehnung an die E des OGH bbl 1998/169 mit Anm Egglmeier. Problembereiche: Bauen auf fremdem Grund; negatives Publizitätsprinzip.
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Vierter Teil: Fälle zum Sachenrecht
dass er wahrscheinlich das Bauwerk durch einen Baumeister aufführen ließ, weil ihm dessen Tätigkeit im Rahmen des § 418 zugerechnet wird, so dass L als Bauführer anzusehen ist. Da wohl auch V erkennbar war, dass L auf dem von ihm gekauften Grundstück vor der Verbücherung seines Eigentums Bauten aufführte, ist davon auszugehen, dass er von der Bauführung auf seinem Grund wusste und nichts dagegen unternahm. Daher erwarb L nach § 418 das Eigentum am Grundstück, allerdings nach hA nur am verbauten Teil und an der zur bestimmungsgemäßen Benützung des Gebäudes unerlässlichen Grundfläche, so dass sich das Eigentum des L möglicherweise nicht auf das gesamte Grundstück 776/7 erstreckte. Sollte ein von L errichtetes Gebäude nur teilweise auf dem Grundstück 776/7 stehen und zum anderen Teil auf der L gehörenden Liegenschaft EZ 468, so läge ein Grenzüberbau vor. Da auf einen solchen nach hA ebenfalls § 418 S 3 anwendbar ist (IV/6/33), wäre L auch in diesem Fall Eigentümer an der soeben umschriebenen Grundfläche geworden.
Zu prüfen ist aber noch, ob nicht L sein Eigentum am Grundstück 776/7 infolge eines Eigentumserwerbs durch K wieder verloren hat. K hat mit V einen Kaufvertrag über die Liegenschaft EZ 445 geschlossen. Da V den K nicht über den Verkauf des Grundstücks 776/7 an L informierte, muss die Vereinbarung ihrem objektiven Erklärungswert nach so verstanden werden, dass die Liegenschaft so, wie sie im Grundbuch aufscheint, also inklusive des Grundstücks 776/7, Gegenstand des Kaufvertrags sein sollte. Durch die Einverleibung seines Eigentumsrechts hat K somit prinzipiell auch das Grundstück 776/7 als Teil des Grundbuchskörpers EZ 445 miterworben (§ 3 Abs 1 GBG). Soweit dieses Grundstück im außerbücherlichen Eigentum des L stand, konnte K aber das Eigentum nur gutgläubig nach § 1500 erlangen. Allerdings ist die Redlichkeit bereits dann zu verneinen, wenn der Erwerber bei der gebotenen Besichtigung der Liegenschaft Anhaltspunkte wahrnehmen hätte müssen, die Rechte Dritter an (Teilen) der Liegenschaft nahe legen (IV/6/66). Im konkreten Fall hätte K nicht nur die auf dem Grundstück 776/7 befindlichen, zum Strandbad des L gehörenden Gebäude, sondern auch die Abgrenzung des Grundstücks von der restlichen Liegenschaft EZ 445 durch einen Zaun sehen und deshalb an den sich aus dem Grundbuchsstand ergebenden Eigentumsverhältnissen zweifeln müssen. K konnte daher jenen Teil des Grundstücks 776/7, der nach § 418 dem L gehörte, mangels Gutgläubigkeit nicht erwerben. Den Rest des Grundstücks 776/7 erlangt K hingegen derivativ vom Voreigentümer V, so dass insofern seine Unredlichkeit sachenrechtlich keine Rolle spielt. L ist somit weiterhin Eigentümer des von ihm nach § 418 S 3 erworbenen Teils des Grundstücks 776/7 und kann daher die Richtigstellung des Grundbuchs durch Abschreibung dieses Grundstücksteils von der EZ 445 und Zuschreibung zur EZ 468 nach § 1498, der auf den Fall des außerbücherlichen Eigentumserwerbs nach § 418 S 3 analog anwendbar ist, verlangen.
Fall 70: „Das Strandbad auf fremdem Grund“ (G. Iro)
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II. Anspruch L gegen K auf Eigentumsverschaffung nach §§ 1293 ff ABGB Nach der Rsp wird dem Käufer nicht nur der vertragsbrüchige Verkäufer, sondern auch derjenige, dem der Verkäufer die Liegenschaft (zum zweiten Mal) veräußert hat, haftbar, wenn der zweite Käufer bei Besichtigung der Liegenschaft auf Grund der Besitzausübung des ersten Käufers damit rechnen musste, dass er in dessen Forderungsrecht eingreift (III/14/3). Das ist hier gegeben, weil K erkennen konnte, dass L Besitzer der Gebäude auf dem Grundstück 776/7 ist, und sich trotzdem nicht weiter darum kümmerte, welche Rechtsstellung L dabei zukommt. Er wird daher nach dieser Ansicht wegen Ausnützung des Vertragsbruchs des V schadenersatzpflichtig2 und muss das Eigentum an dem von ihm erworbenen Teil des Grundstücks 776/7 dem L im Wege der Naturalrestitution verschaffen. Auf welche Weise dies zu geschehen hat, ist umstritten3. Bezüglich des von L bereits nach § 418 S 3 erworbenen Teils des Grundstücks 776/7 besteht zwar kein schadenersatzrechtlicher Anspruch auf Übereignung, doch – alternativ zum Anspruch nach § 1498 (dazu A.I.) – auf Einwilligung des K zur Berichtigung des Grundbuchs. B. Folgeanspruch K gegen V auf Kaufpreisrückerstattung nach §§ 932, 1435 bzw §§ 1293 ff ABGB Da K das Eigentum am ihm mitverkauften Grundstück 776/7 nicht erhält (dazu A.I.) bzw nicht behalten kann (vgl A.II.), leidet die von V geleistete Liegenschaft EZ 445 an einem Rechtsmangel, der K zur Preisminderung berechtigt. Mangels Kenntnis des K vom Eigentum des L an Teilen des Grundstücks greift der Ausschlussgrund des § 929 nicht ein. Alternativ dazu kann K die teilweise Rückforderung des Kaufpreises auf einen Schadenersatzanspruch wegen unterlassener Aufklärung über das Recht des L am Grundstück 776/7 stützen, wobei ihm aber ein Mitverschulden anzulasten sein wird, weil er in Anbetracht der auf dem Grundstück befindlichen Gebäude und der Einzäunung Verdacht hätte schöpfen müssen.
2 Siehe dazu auch die Fälle 29 (B. II.) und 37. 3 Dazu Aicher in Rummel3 § 1053 Rz 13; Hoyer, JBl 1996, 540 f; Koziol, Haftpflichtrecht3 I Rz 9/27; Pletzer, Doppelveräußerung und Forderungseingriff (2000) 252.
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Vierter Teil: Fälle zum Sachenrecht
Fall 71: „Der abgeluchste Perserteppich“ Sachverhalt1 Die Ärztin K war auf der Suche nach einem repräsentativen Teppich für ihre neu eröffnete Praxis. Sie fand einen solchen in der passenden Größe bei V. Auf Grund ihrer Fachkenntnis bemerkte sie sofort, dass es sich um einen echten „Perser“ mit einem Wert von € 10.000 handelte. Da sie nicht so viel Geld zur Verfügung hatte, andererseits den Teppich aber gerne haben wollte, erklärte sie V, dass sie ihm für diese „Industrieware“ einen guten Preis mache und € 500 biete. V, der den Teppich von einer Tante geerbt hatte und sich ohnedies etwas Moderneres zulegen wollte, war damit einverstanden. Das Geschäft wurde umgehend abgewickelt und der Teppich in der Ordination der K aufgelegt. Als kurz danach die Patientin L den Teppich sah, war sie so begeistert, dass sie K bedrängte, ihr diesen zu verkaufen. K gab schließlich nach und überließ L den Teppich um € 10.000. L hatte allerdings momentan nur € 5.000 flüssig, versprach aber, die restlichen € 5.000 bei ihrem nächsten Termin in drei Wochen mitzubringen. K war damit einverstanden. L ließ am nächsten Tag den Teppich abholen und der K € 5.000 überbringen. In der Zwischenzeit wurde V von einem Freund über den wahren Wert des Teppichs aufgeklärt. V fordert daraufhin von L, deren Namen er von K erfahren hatte, die Herausgabe des Teppichs. A. Lösung Anspruch V gegen L auf Herausgabe des Teppichs nach § 366 ABGB V war im Erbwege Eigentümer des Teppichs geworden. L, die im Besitz des Teppichs ist, könnte jedoch das Eigentum daran derivativ auf Grund der Kaufverträge V – K und K – L erworben haben. Allerdings ist V bei Abschluss des Vertrages mit K einem Irrtum unterlegen, weil er der Meinung war, es handle sich um ein eher billiges, maschinell gefertigtes Produkt. Er irrte somit über eine wertbildende Eigenschaft des Teppichs und somit über den Geschäftsinhalt (I/8/12). Die Fehlvorstellung wurde von K bewusst hervorgerufen, so dass nicht nur Veranlassung iSd § 871, sondern auch Arglist (§ 870) vorliegt. V kann daher den Kaufvertrag mit K anfechten, was zum Wegfall des Kaufvertrags mit sachenrechtlicher ex tunc-Wirkung führt2. K ist daher so zu behandeln, als hätte sie das Eigentum nie erworben und somit auch nicht im Zeitpunkt der Übergabe des Teppichs an L gehabt. Daraus folgt, dass L den Teppich vom Nichtbe1 Problembereiche: Ex tunc-Wirkung der Irrtumsanfechtung; Gutglaubenserwerb an Fahrnis. 2 V könnte sich auch auf laesio enormis berufen; zu deren Rechtsfolgen vgl I/8/44.
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rechtigten erworben hat und nur kraft guten Glaubens Eigentümerin werden konnte. Daher sind die Voraussetzungen des § 367 zu prüfen. K ist zwar als Ärztin Unternehmer iSd § 1 UGB und somit des § 367 2.Variante, sie veräußert jedoch den Teppich nicht im gewöhnlichen Betrieb ihres Unternehmens. Es kommt daher nur der Vertrauensmanntatbestand des § 367 in Betracht. V hat der K den Teppich auf Grund eines Kaufvertrages überlassen, worin zwar kein Anvertrauen ieS liegt, weil die dafür erforderliche Rückgabeerwartung fehlt, aber ein von den gesetzlichen Wertungen her gleichzuhaltendes Belastungselement auf Seiten des ursprünglichen Eigentümers (IV/6/57). Auch das listige Herauslocken des Teppichs durch K schließt nach hA das Anvertrauen nicht aus. Die Redlichkeit der L wird mangels entgegenstehender Anhaltspunkte im Sachverhalt zu bejahen sein. Dass sie später mit dem Herausgabeverlangen des V konfrontiert wird und auf diese Weise von der mangelnden Berechtigung der K Kenntnis erlangt, ist ohne Belang, da der gute Glaube bei der Übergabe, nicht aber auch danach gegeben sein muss. Allerdings hat L zunächst nur einen Teil des Kaufpreises an K gezahlt, was aber nach der hA den gutgläubigen Eigentumserwerb nicht hindert. V hat daher keinen Herausgabeanspruch nach § 366. Nach einer neueren Ansicht (dazu IV/6/48) umfasst hingegen der gutgläubige Erwerb der L nicht sofort das volle Eigentum an dem Teppich, sondern nur Miteigentum im Verhältnis des gezahlten Kaufpreisteils zum Wert des Teppichs, also einen Hälfteanteil (5.000 : 10.000). Alleineigentum würde L erst mit Zahlung der restlichen € 5.000 erlangen. In diesem Zeitpunkt ist sie aber nicht mehr gutgläubig, weil V sie davor von der Anfechtung des Kaufvertrags mit K in Kenntnis gesetzt hat, so dass L mit dem ex tunc-Wegfall des Eigentums der K rechnen musste. Es bleibt daher nach dieser Ansicht beim Miteigentum, wobei sich die Auseinandersetzung nach § 415 richtet, mit der Besonderheit, dass der Erwerber immer das Wahlrecht hat, ob er die Sache gegen Wertersatz an den bisherigen Eigentümer übernimmt oder diesem gegen Ablösung seines Anteils überlässt. Wählt L die erstgenannte Alternative, so muss sie V € 5.000 zahlen.
B. Folgeansprüche I. V gegen K auf Wertersatz nach § 877 bzw §§ 874, 1293 ff ABGB Da L der hA zufolge das Eigentum am Teppich gutgläubig erworben hat, kommt gegen sie kein Verwendungsanspruch des V in Betracht (III/15/19). V kann nur von K nach § 877 Wertersatz verlangen. Die Höhe des Anspruchs richtet sich gem § 1437 iVm § 417 nach dem höchsten am Markt erzielbaren Preis, weil K, die mit der Anfechtung des Kaufvertrags und in der Folge mit der Pflicht zur Rückstellung des Teppichs rechnen musste, unredliche Bereicherungsschuldnerin ist (III/15/28). Alternativ dazu hat V gegen K Schadenersatzansprüche. Das rechtswidrige Verhalten der K kann entweder darin erblickt werden, dass sie V über die wertbildende Eigenschaft des Teppichs täuschte (§ 874), woraus sich ein Anspruch auf das Vertrauensinteresse ableiten lässt. Oder es wird
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K vorgeworfen, die Erfüllung des drohenden Rückstellungsanspruchs dadurch vereitelt zu haben, dass sie die Sache L wirksam übereignet hat. Auf beiden Wegen gelangt man letztlich zum Ersatz des Wertes des Teppichs, wobei am jeweiligen Verschulden der K nicht zu zweifeln ist. II. K gegen L auf Zahlung von € 5.000 nach § 1062 ABGB K steht aus dem Kaufvertrag mit L noch ein Anspruch auf Zahlung des Restkaufpreises von € 5.000 zu. Folgt man allerdings der vorhin geschilderten neueren Ansicht, wonach L nur Miteigentum am Teppich erlangt hat, und nimmt man weiters an, dass sie den Hälfteanteil des V nach § 415 durch Zahlung von € 5.000 an V erwirbt, so kann L den Kaufvertrag mit K wegen eines Rechtsmangels der Sache gem § 932 oder wegen Geschäftsirrtums über die Eigentümerstellung der K (§ 871) teilweise beseitigen, da dieser nur zur Hälfte erfüllt wurde. K hat dann keinen Anspruch mehr gegen L auf Zahlung der ausständigen € 5.000. Bezüglich des von L gutgläubig erworbenen Anteils haftet K dem V – entsprechend den Ausführungen in B. I. – nach § 877 iVm §§ 1437, 417 bzw nach den §§ 874, 1293 ff auf € 4.500.
Fall 72: „Das ,günstige‘ Fernsehgerät“ Sachverhalt1 B hat sich zum Zivildienst gemeldet. Um die Zuteilung zu einer als angenehm bekannten Organisation zu erreichen, bietet er dem dafür zuständigen Beamten C an, ihm ein Fernsehgerät im Wert von € 1.000 um € 600 zu verschaffen. C erklärt sich bereit, den Wünschen des B zu entsprechen, und übergibt diesem € 600. B verspricht C, den Fernsehapparat in dessen Wohnung liefern zu lassen. B mietet daraufhin beim Händler A ein Fernsehgerät in dieser Preisklasse für ein Jahr zu einem monatlichen Mietzins von € 50 und vereinbart mit A, dass dieser das Gerät an C liefert, was A in der Folge auch tut. B zahlt regelmäßig die Miete für den Fernsehapparat. Als A nach einem Jahr das Gerät bei C wieder abholen möchte, verweigert dieser die Herausgabe mit der Begründung, dass er es von B gekauft habe. A. Lösung Anspruch A gegen C auf Herausgabe des Fernsehapparates nach § 366 ABGB C ist als nunmehriger Besitzer des Fernsehapparates für die rei vindicatio passivlegitimiert. Zu prüfen bleibt, ob A noch Eigentümer des Gerätes und damit aktivlegitimiert ist. 1 Problembereiche: Streckengeschäft; Fehlen des Deckungsverhältnisses.
Fall 72: „Das ,günstige‘ Fernsehgerät“ (G. Iro)
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C beruft sich auf einen von B abgeleiteten Erwerb des Eigentums. Da die Lieferung des Fernsehapparates an C nicht durch B, sondern durch A erfolgt, handelt es sich um eine Übergabe im Wege eines Streckengeschäfts, dem eine Anweisungskonstruktion zugrunde liegt: B ermächtigt einerseits A, den Fernsehapparat dem C auf seine (B’s) Rechnung auszufolgen. Andererseits ermächtigt B den C, das Gerät in Erfüllung des zwischen ihnen geschlossenen Vertrags von A entgegenzunehmen. C musste (und durfte) die Leistung des A so verstehen, dass diese ihm zur Erfüllung seiner Vereinbarung mit B erbracht wird und ihm daher Eigentum an dem Fernsehgerät verschafft werden soll. Das Verfügungsgeschäft zwischen B und C wurde hier ausnahmsweise (vgl IV/6/40) bereits mit Abschluss des Kaufvertrages vorgenommen, weil B dem C die Lieferung des Geräts durch A angekündigt hat und damit beiden klar war, dass es diesbezüglich zu keinem weiteren Kontakt zwischen ihnen kommen werde. Ein derivativer Eigentumserwerb des C scheitert jedoch bereits daran, dass keine auf Verschaffung des Eigentums gerichtete Titelkette vorliegt: Das Deckungsverhältnis (zwischen A und B) besteht nämlich in einem Mietvertrag, der B nur ein Recht auf zeitlich befristeten Gebrauch des Fernsehgeräts verschafft. Zu prüfen ist daher, ob C das Eigentum an dem Fernsehgerät in analoger Anwendung des § 367 erlangt hat (IV/6/82). Damit die Übergabe an C tatsächlich zum gutgläubigen Eigentumserwerb führt, muss dieser redlich auf das Vorliegen eines Deckungsverhältnisses, das einen Eigentumserwerb des B rechtfertigen würde, vertrauen (IV/6/82). Da C keinen Einblick in die Vereinbarung zwischen A und B hat, bei ihm aber aus der Befolgung der Anweisung des B durch A der Eindruck entstehen muss, dass B auf Grund eines entsprechenden Rechtsverhältnisses den A zu dieser Disposition über das Fernsehgerät veranlassen kann, ist er als gutgläubig anzusehen. Von den weiteren Voraussetzungen des § 3672 macht noch das Anvertrauen Schwierigkeiten, da A das Gerät nicht dem B, sondern direkt dem C übergeben hat. Doch wird man die Befolgung der Anweisung des B durch A einem Anvertrauen wertungsmäßig gleichhalten müssen, weil dieser dadurch die Gefahr einer treuwidrigen Veräußerung durch B schafft. Dafür spricht auch ein Vergleich mit der Abwicklung „im langen Weg“: Hätte nämlich B das Fernsehgerät auf Grund des Mietvertrags mit A von diesem übernommen und dann dem C übergeben, so wären einerseits das Vertrauen des C auf das Eigentum des B und andererseits die Vertrauensmannstellung des B ohne weiters zu bejahen. Problematisch ist allerdings das Titelgeschäft, also der Vertrag zwischen B und C. Obwohl das von C zu entrichtende Entgelt deutlich unter dem Verkehrswert des Fernsehapparates festgelegt wurde, handelt es sich nicht um eine gemischte Schenkung, sondern um einen Kaufvertrag, weil die Schenkungsabsicht fehlt; beabsichtigt ist vielmehr ein günstiges Geschäft. Allerdings soll C durch den ihm zukommenden Vorteil dazu bewo2 Die Gewerbsmannvariante des § 367 kommt hier nicht in Betracht, weil B kein Gewerbetreibender ist.
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gen werden, von seiner behördlichen Entscheidungsgewalt nicht nach objektiv- sachlichen Gesichtspunkten Gebrauch zu machen, sondern B zu begünstigen. Dadurch verstößt B gegen § 307 StGB und C mit der Annahme des günstigen Geschäfts gegen § 304 StGB. Die Vereinbarung wird demnach auf Grund ihres Inhalts strafrechtlich missbilligt und ist daher wegen Gesetzwidrigkeit nach § 879 nichtig. Ein gutgläubiger Eigentumserwerb des C kommt somit nicht in Betracht, weil es an einem gültigen Titel fehlt. A kann daher den Fernsehapparat von C mit der rei vindicatio herausverlangen. B. Folgeansprüche I. A gegen B auf Rückstellung des Fernsehapparates nach § 1109 ABGB A steht gegen B ein Anspruch aus dem Mietvertrag auf Rückstellung des Fernsehapparates nach Ablauf der Bestandzeit zu. Dieser wird nicht dadurch ausgeschlossen, dass B das Gerät nicht hat. Er muss sich um dessen Verschaffung bemühen, womit sich die Frage stellt, ob B einen Herausgabeanspruch gegen C hat. Dieser könnte sich auf § 1431 stützen, weil auf Grund der Anweisungslage eine Leistung des B an C vorliegt (II/5/64), für die der Rechtsgrund fehlt, da der Kaufvertrag im Valutaverhältnis nach § 879 ungültig ist. Allerdings hat B dem C den Vorteil aus dem Geschäft zur Bewirkung einer unerlaubten Handlung zugewendet, weshalb nach § 1174 eine Kondiktion ausscheidet (III/15/11). Zwar lag der Anreiz für C, den B zu begünstigen, nicht im Erhalt des Fernsehapparates an sich, sondern nur in der Differenz zwischen dem Wert des Geräts und der Gegenleistung, also im „Gewinn“ von € 400, doch lässt sich der Kaufvertrag mangels Teilbarkeit des Kaufobjekts nicht bloß bzgl der Bestechungskomponente rückabwickeln, so dass die Kondiktion des B zur Gänze an § 1174 scheitert. A kann daher von B nur Schadenersatz in der Höhe des Wertes des gebrauchten Gerätes wegen schuldhafter Vereitelung der Rückstellungspflicht verlangen, wenn er dieses nicht ohnedies von C bekommt (vgl oben A.). II. C gegen B auf Rückzahlung von € 600 nach § 1431 ABGB An sich steht C eine Leistungskondiktion gegen B auf € 600 zu, weil der Kaufvertrag ungültig ist. Da er den Fernsehapparat zwar im Verhältnis zu B wegen § 1174 behalten darf (oben B.II.), er ihn aber dem A nach § 366 herausgeben muss (vgl oben A.), besteht kein sachlicher Grund, dem C die Kondiktion gegen B zu verweigern, ist doch der mit der Zahlung der € 600 angestrebte Erfolg (Erwerb des Eigentums am Fernsehgerät) nicht eingetreten. Der Kondiktionsausschluss des § 1174 kommt hier nicht zum Tragen, weil das Entgelt für eine Sachleistung und nicht zur Bewirkung einer unerlaubten Handlung gegeben wurde.
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III. B gegen C auf Benützungsentgelt für das Fernsehgerät nach § 1431 ABGB C hat den Fernsehapparat ein Jahr lang rechtsgrundlos benützt, wofür B an sich eine dem verschafften Nutzen entsprechende Vergütung verlangen könnte. Diesem Anspruch steht jedoch § 1174 entgegen, weil die Leistung des B eine unerlaubte Handlung des C bewirken sollte. Außerdem hat B die mit der Zuwendung an C angestrebten Vorteile tatsächlich erlangt, so dass diese ihren Zweck erreicht hat.
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7. Eigentumsvorbehalt Fall 73: „LKW-Kauf auf Kredit“ Sachverhalt1 Der Spediteur K bestellt beim Händler V einen LKW um € 100.000. Es wird vereinbart, dass K die Hälfte des Kaufpreises erst zwei Monate nach Lieferung zu zahlen hat und V bis zur vollständigen Bezahlung des Kaufpreises Eigentümer des LKW bleibt. Zwei Wochen später übergibt V den LKW an K gegen Zahlung von € 50.000. V hat den LKW kurz zuvor um € 80.000 beim Produzenten P unter Einräumung einer 60-tägigen Zahlungsfrist erworben. Es wurde ein Eigentumsvorbehalt am LKW vereinbart und P erklärte sein Einverständnis mit einer Weiterveräußerung, wobei er sich im Falle einer Kreditierung des Kaufpreises die daraus entstehenden Forderungen gegen den Käufer zahlungshalber abtreten ließ. V erwähnt gegenüber K nichts von dieser Vereinbarung. Auf der Rechnung, die K eine Woche nach Lieferung des LKW erhält, findet sich ein Zessionsvermerk zugunsten der B-Bank, an die V alle Forderungen gegen seine Kunden zur Sicherung eines Kredits abgetreten hat. P, der nach zwei Monaten von V keine Zahlung erhalten hat, möchte nun zu seinem Geld kommen; hilfsweise strebt er die Rückstellung des LKW an. A. Lösung I. Anspruch P gegen V auf Zahlung von € 80.000 nach § 1062 ABGB Der im Kaufvertrag zwischen P und V vereinbarte Zahlungstermin ist verstrichen; daher hat P Anspruch auf Entrichtung des Kaufpreises. Allerdings wurden die aus dem Weiterverkauf des LKW entstehenden Forderungen dem P zahlungshalber abgetreten. Das bedeutet, dass P primär versuchen muss, sich aus solchen Forderungen zu befriedigen, und erst im Falle des Scheiterns auf den Kaufpreisanspruch gegen V zurückgreifen kann (II/5/48). Da der von V dem K gestundete Kaufpreisteil von € 50.000 unter diese Zessionsvereinbarung fällt, müsste sich P diesbezüglich zunächst an K halten, wenn er die Forderung gegen diesen tatsächlich erworben hat (dazu gleich in A.II.). Hinsichtlich der restlichen € 30.000 besteht der Kaufpreisanspruch des P gegen V jedenfalls zu Recht. II. Anspruch P gegen K auf Zahlung von € 50.000 nach §§ 1062, 1392 ABGB K schuldet dem V aus dem zwischen ihnen abgeschlossenen Kaufvertrag € 50.000. Diese Forderung sollte dem P abgetreten werden. Titel dafür ist 1 Problembereiche: Gutgläubiger Erwerb des Anwartschaftsrecht; nachgeschalteter Eigentumsvorbehalt; Doppelzession.
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die Vereinbarung der Hingabe zahlungshalber; das Verfügungsgeschäft – die Zession – wurde nach dem Sachverhalt vorweg für den zukünftigen Verkauf des LKW abgeschlossen. Allerdings wohnt der Zession zahlungshalber meistens auch ein Sicherungselement inne. Das ist im vorliegenden Fall, in dem es um einen „verlängerten Eigentumsvorbehalt“ (IV/8/ 22 ff) geht, ganz deutlich ausgeprägt: An die Stelle des Eigentums am LKW, das im Normalfall durch dessen Weiterveräußerung wegen der von P dem V eingeräumten Verfügungsermächtigung (dazu unten A.III.) erlischt, soll die Kaufpreisforderung gegen den Abnehmer treten und damit die Sicherungsfunktion des vorbehaltenen Eigentums fortsetzen. Wegen dieses von den Parteien mitverfolgten Sicherungszwecks ist daher auch für die vorliegende Zession die Einhaltung des für die Forderungsverpfändung und die Sicherungsabtretung erforderlichen Publizitätsakts zu verlangen (II/5/27; IV/14/26); dafür kommt grundsätzlich ein Vermerk in den Geschäftsbüchern des V oder die Verständigung des K von der Abtretung in Betracht. Im Sachverhalt ist nur von einem Vermerk auf der K zugesendeten Rechnung die Rede. Darin wird K allerdings von der Zession der Forderungen des V an die B-Bank in Kenntnis gesetzt. Es fehlt somit der Publizitätsakt für die Zession an P, so dass diese nicht wirksam geworden ist. P hat daher keinen Anspruch gegen K auf Zahlung der € 50.000. Für den unter A.I. geprüften Anspruch folgt daraus, dass P weiterhin den vollen Kaufpreis für den LKW von V verlangen kann. III. Anspruch P gegen K auf Rückgabe des LKW nach § 366 ABGB P war Eigentümer des LKW und ist es auch nach Übergabe an V geblieben, weil ein Eigentumsvorbehalt vereinbart wurde. Zu prüfen ist aber, ob er nicht das Eigentum infolge des Erwerbs des LKW durch K verloren hat. Zwischen V und K wurde ein Kaufvertrag geschlossen, auf Grund dessen K das Eigentum am LKW derivativ erlangt haben könnte. V wurde nämlich von P ausdrücklich die Erlaubnis zum Weiterverkauf des LKW erteilt, worin konkludent auch eine Verfügungsermächtigung liegt, da V ohne eine solche das Eigentum des P auf regulärem Weg nicht im eigenen Namen einem Dritten übertragen könnte. Diese Befugnis war allerdings davon abhängig, dass V dem P eine etwaige offene Kaufpreisforderung gegen den Kunden abtritt. Weil sich V aber, wie oben in A.II. ausgeführt, nicht daran hielt, war die Übereignung an K von seiner Verfügungsberechtigung nicht gedeckt (IV/8/25), weshalb K nicht derivativ Eigentümer werden konnte. Es kommt daher nur ein gutgläubiger Erwerb des K in Frage. Es ist eher nicht anzunehmen, dass K den V für den Eigentümer des LKW gehalten hat, weil er als Unternehmer, der immer wieder Fahrzeuge für seinen Fuhrpark anschafft, wohl davon ausging, dass V den LKW seinerseits auf Kredit und unter Eigentumsvorbehalt gekauft hat. Sollte K dennoch im Vertrauen auf das Eigentum des V gehandelt haben, wäre ihm als Unternehmer nach der Rsp der Vorwurf einer Sorgfaltswidrigkeit
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zu machen, weil er sich offenbar von V keine Rechnung oder sonstigen Unterlagen über den Erwerb des LKW durch V vorlegen ließ. Daher würde der Eigentumserwerb nach § 367 an der fehlenden Redlichkeit scheitern. Geht man von der wahrscheinlicheren Alternative aus, dass K auf die Verfügungsbefugnis des V zur Veräußerung des LKW vertraute, so könnte er auf Grund des § 367, Unternehmervariante, erlangt haben (IV/8/17). Näher einzugehen ist auf die Gutgläubigkeit des K. Dieser wurde zwar von einer Zession an die B-Bank, nicht aber an P verständigt, woraus er möglicherweise den Verdacht hätte schöpfen müssen, dass sich V über die Beschränkung der ihm erteilten Verfügungsermächtigung hinwegsetzt. Jedoch erfolgte diese Mitteilung erst in der Rechnung eine Woche nach Lieferung des LKW. Bei der Prüfung des guten Glaubens ist aber auf die Übergabe des LKW abzustellen. In diesem Zeitpunkt wird man K Redlichkeit attestieren können, weil er damit rechnen durfte, dass V als Autohändler Geschäftsbücher führt und die Abtretung der Kaufpreisforderung gegen K an seinen Lieferanten (P) durch einen entsprechenden Vermerk in diesen herbeiführen werde. Die Verständigung von der Zession an die BBank in der Rechnung änderte daran nichts, weil die nachträgliche Kenntnis von der mangelnden Verfügungsberechtigung des V nach hA nicht schadet (IV/8/18). K wird daher bzgl der Verfügungsbefugnis des V als redlich zu behandeln sein. Nun ist aber zu beachten, dass sich V das Eigentum vorbehalten hat. Es handelt sich dabei um einen „nachgeschalteten Eigentumsvorbehalt“, weil V das Eigentum am LKW zurückbehält, obwohl er es selbst noch gar nicht erworben hat (IV/8/15). Eine solche Vereinbarung bewirkt, dass K so lange nicht Eigentümer wird, als er noch V einen Teil des Kaufpreises schuldet. K hat demnach zunächst nur ein Anwartschaftsrecht erworben, das allerdings von den Vorgängen im Verhältnis zwischen P und V, insb von der Kaufpreiszahlung, unabhängig ist. K wird nämlich infolge seines guten Glaubens an die Verfügungsbefugnis des V so gestellt, als wäre diese tatsächlich gegeben gewesen und hätte daher P der Eigentumsübertragung an K seine Zustimmung erteilt. Mit Zahlung der € 50.000 an die B-Bank, die auf Grund der wirksamen Zession die neue Gläubigerin ist, wird K daher auch dann Eigentümer des LKW, wenn P von V den Kaufpreis nicht erhält. Bis dahin bleibt P zwar Eigentümer des LKW, den er jedoch nicht von K herausverlangen kann, weil dieser ein Recht zum Besitz hat. Dieses scheint auf den Kaufverträgen P – V und V – K (Titelkette) zu beruhen, besteht jedoch in Wahrheit auch dann, wenn P von seinem Kaufvertrag mit V wegen Verzugs mit der Kaufpreiszahlung zurücktritt. Denn aus dem Erwerb des Anwartschaftsrechts durch K, der vom tatsächlichen Bestehen einer Verfügungsermächtigung des V unabhängig ist, folgt notwendigerweise, dass er sein Recht zum Besitz dem wahren Eigentümer genauso entgegenhalten kann, wie er es gegenüber V aus dem mit diesem geschlossenen Kaufvertrag könnte. P dringt daher mit der rei vindicatio gegen K nicht durch.
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IV. Anspruch P gegen V auf Verschaffung einer Ersatzsicherheit nach § 458 ABGB Die restliche Kaufpreisforderung des V gegen K über € 50.000 wurde von V der B-Bank zur Sicherheit abgetreten. Da K von dieser Zession verständigt wurde, liegt nach hA ein ausreichender Publizitätsakt vor, weshalb die B-Bank die Forderung erworben hat. Die nachträgliche Setzung eines Publizitätsaktes zugunsten des P wäre wirkungslos. V kann daher P diese Forderung nicht mehr verschaffen. In Betracht käme ein Anspruch auf Abtretung einer anderen Forderung. Zwar liegt hier eine Zession zahlungshalber vor, bei der Gewährleistungsansprüche mit der Begründung abgelehnt werden, dass der Zessionar ohnedies auf die ursprüngliche Forderung zurückgreifen könne (II/5/48). Doch dient die Zession an den P auch Sicherungszwecken, so dass ein Anspruch auf eine Ersatzsicherheit in analoger Anwendung des § 458 zu bejahen ist. B. Folgeansprüche I. P gegen V auf Schadenersatz nach § 918 ABGB bzw Wertersatz nach § 1435 ABGB P kann bei Zahlungsverzug des V – anstatt auf der Zahlung des Kaufpreises zu beharren (vgl oben A.I) – nach Setzung einer Nachfrist vom Kaufvertrag zurücktreten (II/3/14) und mit der Leistungskondiktion nach § 1435 die Vergütung des Wertes des LKW verlangen. Darüber hinaus steht ihm ein Anspruch auf Schadenersatz wegen Nichterfüllung zu. II. P gegen B-Bank auf Herausgabe der € 50.000 nach § 1041 bzw §§ 1293 ff ABGB Da zwischen P und der B-Bank kein Vertragsverhältnis besteht, kommen nur gesetzliche Anspruchsgrundlagen in Betracht. Ein Anspruch nach § 1041 ist aber schon deswegen auszuscheiden, weil P das Forderungsrecht gegen K nicht erworben hat und die B-Bank daher nicht eine dem P zustehende Rechtsposition zum eigenen Nutzen verwendet hat. Ein Schadenersatzanspruch des P gegen die B-Bank wegen Beeinträchtigung seines Anspruchs gegen V auf Abtretung der Forderung gegen K durch Verleitung zum Vertragsbruch setzt grundsätzlich Wissen der BBank vom Besicherungsanspruch des P voraus (III/14/3), wofür im Sachverhalt Indizien fehlen.
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8. Pfandbestellung Fall 74: „Doppelt genäht hält besser“ Sachverhalt1 Wegen eines Liquiditätsengpasses kann S seine Schuld von € 100.000,– gegenüber G nicht zum vereinbarten Zeitpunkt begleichen. G ist zur Stundung des offenen Betrages gegen Stellung einer Sicherheit bereit. S bringt daraufhin seinen Freund D dazu, dass dieser dem G seine wertvolle Münzsammlung verpfändete. Als G in der Folge seinerseits Geld benötigt, bittet er A, ihm ein Darlehen in der Höhe von € 50.000,– zu geben. Als Sicherheit bietet G dem A die Verpfändung seiner Forderung gegen den S und der Münzsammlung, die er von D zu deren Besicherung erhalten habe, an. A ist damit einverstanden und lässt sich gegen Auszahlung des Kreditbetrages die Münzsammlung übergeben. G setzt den S von diesen Verpfändungsakten in Kenntnis. Weil S bei Fälligkeit seiner Schuld keine Anstalten macht, sie zu begleichen, überweist D dem G die € 100.000,– aus Angst, dieser könnte sonst die Münzsammlung verkaufen. Als er ein paar Tage später von G die Rückstellung der Münzen begehrt, verweist ihn G an A, dem er sie verpfändet habe. Lösung Vorüberlegungen: Im Zentrum der Anspruchsprüfung steht der Anspruch des D gegen A auf Herausgabe der Münzsammlung. Als Grundlage käme zunächst § 1369 Satz 2 in Betracht, der dem Pfandbesteller einen Anspruch gegen den Pfandnehmer auf Rückstellung des Pfandes gewährt, sobald die gesicherte Forderung beglichen wird. Wie sich aus dieser Bestimmung und aus ihrer systematischen Einordnung unter die §§ 1368 ff ergibt, handelt es sich dabei um einen vertraglichen Anspruch aus dem Pfandbestellungsvertrag. Dieser wurde zwischen D und G geschlossen. Mit A steht D bezüglich der Pfandsache jedoch in keinem Vertragsverhältnis, sodass ein Rückstellungsanspruch nach § 1369 nicht in Betracht kommt. Der Anspruch auf Rückgabe der Münzsammlung könnte aber nach Tilgung der Schuld auf § 469, der die Rechtsstellung des Pfandbestellers ohne Bezugnahme auf den Pfandbestellungsvertrag regelt, oder – in den Normalfällen, in denen der Pfandbesteller auch der Eigentümer des Pfandes ist – ganz allgemein auf § 366 gestützt werden, da dem Pfandnehmer kein dingliches Recht zum Besitz mehr zukommt. Weiters wird D den an G gezahlten Betrag zur Auslösung des Pfandes von S vergütet haben wollen. 1 Problembereiche: Afterpfandrecht; Drittpfandbestellung; Forderungsverpfändung.
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I. Anspruch D gegen A auf Herausgabe der Münzsammlung nach § 469 ABGB bzw § 366 ABGB D hat als Drittpfandbesteller seine Münzsammlung, genauer die darin zusammengefassten Münzen (IV/1/17), für die Schuld des S dem G verpfändet und in Erfüllung des Faustpfandprinzips körperlich übergeben, der somit Pfandgläubiger wurde. G hat seinerseits dem A „die Verpfändung der Münzsammlung“ angeboten. Da G dabei auf das ihm an den Münzen zustehende Pfandrecht hinwies, trat er gegenüber A nicht als Eigentümer auf und geht es daher nicht um einen gutgläubigen Pfandrechtserwerb nach § 456, sondern machte er deutlich, dass er dem A ein Pfandrecht an seinem Pfandrecht, also ein Afterpfandrecht nach § 454, einräumen möchte. Mangels abweichender Vereinbarung mit D war G dazu berechtigt (IV/10/10). Es kam somit ein Pfandbestellungsvertrag bezüglich des Pfandrechts des G an den Münzen des D und der Forderung des G gegen S dem A zustande. Als Modus fand bezüglich der Münzen eine Übergabe von Hand zu Hand an A und bezüglich der Forderung gegen S eine Schuldnerverständigung statt. A hat somit ein Afterpfandrecht am Pfandrecht des G und ein Pfandrecht an der dadurch besicherten Forderung gegen S erworben (IV/10/11). D kann die Münzsammlung von A daher nur dann herausverlangen, wenn dessen Afterpfandrecht und damit sein Recht zum Besitz erloschen sind. Das könnte durch die Begleichung der Schuld des S seitens des D eingetreten sein, wenn diese zur Beendigung des Pfandrechts des G an der Münzsammlung kraft Akzessorietät geführt hat. Allerdings hat D durch die Zahlung an G nicht die Schuld des S getilgt, sondern nach § 1358 die Forderung des G eingelöst, weil er für diese mit der Münzsammlung haftet. Gleichzeitig hat er auch alle mit der Forderung verbundenen Nebenrechte, wie insbesondere Sicherungsrechte, erworben. Dazu gehört an sich auch das Pfandrecht an den Münzen, so dass D ein Pfandrecht an seiner eigenen Sache – vergleichbar einer forderungsbekleideten Eigentümerhypothek (vgl IV/12/19) – haben könnte, das durch die Vereinigung der Pfandbestellerund Pfandnehmerposition bei D nicht erlischt, wenn das Pfandrecht des A weiterhin darauf haftet und damit „Verhältnisse von ganz verschiedener Art“ vorliegen (§ 1445). Jedoch wurde nach dem Sachverhalt nur S, nicht aber D als Eigentümer der Pfandsache von der Afterverpfändung der Münzsammlung an A benachrichtigt. Das genügt jedoch nach dem eindeutigen Wortlaut des § 455, der im Gegensatz zu anderen Bestimmungen nicht auf den Pfandgeber, sondern ausdrücklich auf den Eigentümer der Pfandsache abstellt, nicht, um die Rechtsfolge eintreten zu lassen, dass trotz Begleichung der gesicherten Schuld „das Pfand dem Inhaber des Afterpfandes verhaftet“ bleibt. Das Afterpfandrecht des A an den Münzen ist daher nach § 455 e contrario erloschen, weshalb D diese von ihm nach § 469 oder § 366 herausverlangen kann.
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II. Anspruch A gegen G auf Bestellung eines Ersatzpfandes nach § 458 ABGB § 458 beinhaltet zwei Tatbestände: Der Anspruch auf ein Ersatzpfand wegen eines „erst offenbar gewordenen Mangels der Sache“ setzt als pfandrechtliche Gewährleistungsvorschrift voraus, dass der Mangel bereits im Übergabezeitpunkt bestanden hat. Das trifft aber vorliegendenfalls nicht zu, weil A zunächst das Afterpfandrecht an den Münzen ordnungsgemäß erworben hat. Es ist vielmehr erst durch die später erfolgte Zahlung des D an G nachträglich untergegangen. In Betracht kommt daher nur der zweite in § 458 geregelte Tatbestand der Beeinträchtigung des Pfandrechts durch ein Verschulden des Pfandbestellers. Es ist daher zu prüfen, ob dem G als Afterpfandbesteller wegen des Erlöschens des Afterpfandrechts ein Vorwurf zu machen ist. An sich wird die Verständigung nach § 455 so wie jene nach § 1396 (II/5/27), bei der es um eine ähnliche Problematik geht, sowohl durch den Afterverpfänder als auch durch den Afterpfandnehmer erfolgen können, sodass sich A die unterlassene Benachrichtigung des D selbst zuschreiben müsste. Doch dürfte G es in der Vereinbarung mit A übernommen haben, die erforderlichen Verständigungen vorzunehmen, was die Tatsache der Information des S durch G indiziert. Wenn G dann aber die nach § 455 entscheidende Benachrichtigung des D nicht vornimmt, ist ihm sehr wohl ein Verschulden anzulasten. Selbst wenn diese Annahme nicht zutreffen sollte und G mit der Verständigung des D durch A rechnen konnte, handelt er insofern grob sorgfaltswidrig, als er die Zahlung seitens des D entgegennimmt, ohne sich mit A ins Einvernehmen zu setzen, und daher eine Beeinträchtigung des Afterpfandrechts an der Münzsammlung in Kauf nimmt. Dadurch wird der 2. Tatbestand des § 458 verwirklicht. Der Anspruch des A auf ein Ersatzpfand besteht daher zu Recht. Dass A weiterhin das Pfandrecht an der Forderung gegen S hat, ändert daran nichts, weil A verlangen kann, wieder so gesichert zu sein, wie er es ohne Beeinträchtigung des Pfandrechts war (IV/9/34), nämlich neben dem Forderungspfandrecht noch durch ein weiteres Pfandrecht. III. Anspruch D gegen S auf Zahlung von € 100.000,– 1. Forderungseinlösung nach § 1358 ABGB Infolge des Erwerbs der Forderung des G gegen S nach § 1358 kann D von diesem prinzipiell die Zahlung von € 100.000,– verlangen. Jedoch wird durch die Forderungseinlösung das Pfandrecht des A an der Forderung des G gegen S nicht beeinträchtigt, weil ein gutgläubiger lastenfreier Erwerb eines reinen Forderungsrechts – abgesehen von den Fällen des § 916 Abs 2 – nicht in Betracht kommt (IV/6/61). Daher kann hier (vgl aber unten b) dahin gestellt bleiben, ob D, der bei Befragung des S von der Verpfändung der Forderung an A höchstwahrscheinlich erfahren hätte, überhaupt als redlich angesehen werden kann, was aber nur dann verneint werden könnte, wenn eine solche Erkundigung geboten gewesen wäre.
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Daher kann S, der ja von der Verpfändung der Forderung an A verständigt wurde, nicht ohne dessen Einwilligung schuldbefreiend an D zahlen; das lässt sich sinngemäß aus den §§ 445, 1395 ableiten. A kann sich vielmehr aus der Forderung gerichtlich nach den §§ 294 ff EO bzw auf Grund einer eventuell mit G getroffenen Vereinbarung über die außergerichtliche Pfandverwertung durch Einziehung und Verrechnung der von S geschuldeten Summe befriedigen. Da A somit das vorrangige Recht zur Befriedigung aus der Forderung hat, erhält D nur die Hyperocha, die im vorliegenden Fall einfach mit € 50.000,– angenommen wird. 2. Aufwandersatz nach § 1014 ABGB Nach dem Sachverhalt kann davon ausgegangen werden, dass zwischen S und D ein Auftragsvertrag zustande kam, in dem sich D verpflichtete, dem G ein taugliches Pfand zur Besicherung der Schuld des S zu geben. Diesem Auftrag ist D nachgekommen. Hätte sich G aus der Münzsammlung des D befriedigt, könnte dieser nach § 1014 die Vergütung seines Aufwands, der ihm durch den Verlust des Pfandobjektes entstanden ist, verlangen. Dasselbe muss natürlich auch für die zur Rettung der Münzsammlung erfolgte Zahlung der € 100.000,– an G gelten. Zu prüfen ist aber noch, ob dieser Aufwand des D für S notwendig oder nützlich war. Das kann nicht schon deswegen verneint werden, weil die Schuld des S dem A gegenüber, dessen Pfandrecht an der Forderung nicht erloschen ist, weiterhin besteht. Vielmehr ist die Notwendigkeit oder Nützlichkeit des Aufwandes aus der Sicht eines sorgfältigen Verkehrsteilnehmers in der Situation des D bei der Zahlung zu beurteilen (III/5/10). Dabei erhebt sich die Frage, ob nicht vor Zahlung an G eine Rückfrage bei S geboten gewesen wäre. Das wird man bejahen müssen, weil D ja nicht wusste, aus welchem Grund S nicht an G leistete, und er es für möglich halten musste, dass S berechtigterweise die Zahlung zurückhielt (vgl auch den Gedanken des § 1361). Eine Erkundigung war insbesondere auch in Anbetracht der strengen Interessenwahrungspflicht des Beauftragten angezeigt, die grundsätzlich die Einholung von Weisungen durch den Auftraggeber gebietet. Schließlich sollte D wohl schon deshalb vor der Bezahlung der materiell fremden Schuld Erkundigungen beim Schuldner einholen, weil ihm der Schutz des § 1395 bei gutgläubiger Zahlung an den Scheingläubiger nicht zugute kommt. Die Anwendung des § 1395 auf Bürgen oder Pfandbesteller wird – soweit zu sehen – anders als auf Gesamtschuldner (vgl Ertl in Rummel3 § 1395 Rz 2 mwN) nicht vertreten. Dass möglicherweise S eine Pflicht zur Benachrichtigung des D von der Afterverpfändung aus dem Auftragsvertrag traf (dazu unten III.3.), entlastet D wohl nicht, weil das zu einer Pattsituation führen würde, könnte sich doch dann jeder darauf verlassen, dass der jeweils andere Teil die Initiative zur Informationsverschaffung ergreift. Daher ist die Zahlung des D an G nur insoweit nützlich für S, als D sorgfältiger Weise mit einer Befreiung des S von seiner Schuld rechnen konnte, also nur iHv von € 50.000,–, da er von der weiter bestehenden
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Haftung des S gegenüber A für dessen Forderung gegen G iHv € 50.000,– im Falle der Rückfrage bei S gewusst hätte. 3. Schadenersatz nach § 1014 ABGB Aus dem Auftragsvertrag lässt sich die Pflicht des Auftraggebers ableiten, den Auftragnehmer mit allen ihm zur Verfügung stehenden Informationen zu versorgen, die für diesen bei Erledigung seines Auftrages notwendig oder nützlich sind. Dazu gehört zweifellos auch die Verständigung von der Afterverpfändung jedenfalls dann, wenn S nicht damit rechnen konnte, dass auch D davon erfahren hat. Da S diese Benachrichtigung des D nach dem Sachverhalt offensichtlich unterlassen hat und kein rechtfertigender Grund ersichtlich ist, kann von einer schuldhaften Vertragsverletzung durch S ausgegangen werden. Sollte man eine derartige Informationspflicht des S verneinen, so ließe sich ein Schadenersatzanspruch des D gegen S noch auf § 1014 aE („mit der Erfüllung des Auftrags verbundenen Schaden vergüten“) stützen, für den nach hA weder Rechtswidrigkeit noch Verschulden des Geschäftsherrn Voraussetzung ist, sondern nur die für solche Geschäftsbesorgungen typische erhöhte Gefahr des Eintritts eines derartigen Schadens. Das wird man für Aufträge zur Besicherung einer fremden Forderung durchaus bejahen können, ist doch diesen das erhöhte Risiko immanent, dass der zur Zahlung an den Dritten verpflichtete Auftragnehmer aus Unkenntnis von einem Gläubigerwechsel an den Falschen leistet. Allerdings ist zu beachten, dass auch D eine Sorglosigkeit vorzuwerfen ist, weil er vor Zahlung nicht bei S rückgefragt hat, so dass er nicht den gesamten Schaden ersetzt bekommt, sondern etwa nur die Hälfte, also wieder € 50.000,–. IV. Weitere Ansprüche 1. D gegen G auf € 50.000,– nach § 1293 ff ABGB Zwischen D und G liegt ein Pfandbestellungsvertrag vor. Aus diesem Schuldverhältnis treffen G verschärfte Schutz- und Sorgfaltsanforderungen gegenüber D. Dazu gehört sicherlich auch die Pflicht, D auf die Afterverpfändung jedenfalls dann hinzuweisen, wenn dieser erkennbar in seiner Position als Drittpfandbesteller die Schuld des S durch Zahlung an G abtragen will. Denn ein redlicher Verkehrsteilnehmer muss dann damit rechnen, dass D von der Afterverpfändung nichts weiß und durch die Leistung an G das angestrebte Ziel nicht erreichen kann, sondern uU ein zweites Mal – und zwar an A – zahlen muss. G kann wahrscheinlich Vorsatz – zumindest in Form eines dolus eventualis – zur Last gelegt werden, weil er ja von seiner mangelnden Berechtigung zur Empfangnahme des Geldes wusste. Gegenüber diesem groben Verschulden würde die dem D vorwerfbare Nachlässigkeit, dass er vor Zahlung nicht bei S Erkundigungen eingeholt hat (vgl oben 3.b), nicht ins Gewicht fallen, so dass es zu keiner Schadensteilung kommt.
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D könnte daher von G Ersatz des Schadens verlangen, der ihm bei Aufklärung durch G über die Afterverpfändung nicht entstanden wäre. Dann hätte er die € 100.000,– zwar nicht an G, wohl aber an A gezahlt, wodurch er einen Aufwandersatzanspruch gegen S nach § 1014 in voller Höhe von € 100.000,– bzw eine unbelastete Forderung iHv € 100.000,– gegen S nach § 1358 erlangt hätte. Der von G verschuldete Schaden des D liegt daher in der Differenz dieses hypothetischen Ergebnisses zu seiner vermögensmäßigen Position infolge Zahlung der € 100.000,– an G, auf Grund deren er von S nur € 50.000,– erhält (vgl dazu näher oben III.1. und 2.), beträgt also € 50.000,–. D kann somit € 50.000,– von S im Wege auftragsrechtlicher Ansprüche oder auf Grund der nach § 1358 eingelösten Forderung des G gegen S und € 50.000,– als Schadenersatz von G verlangen. Sollte allerdings G die Forderung des A begleichen, so fällt das Pfandrecht des A an der Forderung der von D nach § 1358 eingelösten Forderung gegen S weg (vgl III.1.) bzw ist die Zahlung des D an G in vollem Umfang für S nützlich (vgl III.2.), sodass D ohnedies € 100.000,– von S fordern kann; er hat dann keinen Schaden durch das Verhalten des G erlitten. 2. D gegen G auf € 100.000,– nach §§ 1431, 1434 ABGB In Erwägung zu ziehen wäre ferner eine Kondiktion der € 100.000,– nach § 1431. Dem scheint zwar entgegenzustehen, dass die Forderung des G gegen S, auf die D hin zahlt, tatsächlich besteht, doch ist G nicht zu ihrer Geltendmachung berechtigt, solange das Pfandrecht des A an ihr besteht. Vielmehr kann A als Pfandgläubiger im Falle der Nichtbegleichung seiner Forderung gegen G gerichtlich (§§ 303, 308, 316 EO) oder – wenn vereinbart – außergerichtlich die Zahlung des Forderungsbetrages an sich verlangen, um sich daraus zu befriedigen. Man könnte daher die Berechtigung des G aus der Forderung gegen S als durch die Nichtausübung des Pfandrechts des A aufschiebend bedingt ansehen und gelangt damit zur Kondizierbarkeit der € 100.000,– (§ 1434). Diese Rechtsfolge ließe sich mit der Rsp und einem Teil der Lehre ferner damit begründen, dass D nur Zug um Zug gegen Rückstellung der Pfandsache an G leisten hätte müssen und daher die Zahlung an G mangels Eintritts dieser Voraussetzung nach § 1431 iVm § 1434 kondizieren kann2. Dadurch würde allerdings auch der Forderungsübergang nach § 1358 auf D wegfallen. 3. Anspruch A gegen G auf Zahlung von € 50.000,– nach § 983 ABGB A hat gegen G einen Anspruch auf Rückzahlung des Darlehensbetrages bei Fälligkeit. Er kann das Darlehen im Wege der außerordentlichen Kündigung auch vorzeitig fällig stellen (III/9/4), wenn G keine Ersatzsicherheit bestellt (vgl II.). Sollte G seiner Rückzahlungsverpflichtung nicht nachkommen, kann A ihn auf Zahlung klagen und mit dem stattgebenden Urteil Exekution in das Vermögen des G führen; für die Befriedigung aus der inzwischen von D erworbenen Forderung gegen S, an der ja A ein Pfand2 So OGH in ÖBA 1987, 505; Koziol in KBB § 1434 Rz 1.
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recht hat (vgl III.1.), muss dieser allerdings gegen D die Pfandrechtsklage erheben, um einen Exekutionstitel für die Pfändung dieser Forderung zu erwerben (IV/11/18). Im Verwertungsverfahren kann A dann sein Vertragspfandrecht in dem diesem zukommenden Rang geltend machen (§ 300a Abs 2 EO, vgl IV/11/17).
Fall 75: „Trügerische Sicherheit“ (G. Iro)
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9. Erlöschen des Pfandrechts Fall 75: „Trügerische Sicherheit“ Sachverhalt1 G gewährt S ein Darlehen über € 20.000. Zur Besicherung verpfändet und übergibt S dem G ein wertvolles Gemälde. Nach einigen Wochen bittet S den G, ihm das Gemälde für einige Tage zu überlassen, da er den Besuch seiner Mutter erwarte und familiäre Zwistigkeiten befürchte, wenn diese das Erbstück nicht in der Wohnung vorfindet. Unter der ausdrücklichen Bedingung, dass S das Gemälde nur vorübergehend für G verwahrt und in wenigen Tagen wieder an ihn zurückstellt, willigt G ein. S gibt jedoch das Gemälde nicht dem G zurück, sondern verpfändet es dem H zur Besicherung eines Darlehens über € 15.000. Lösung I. Anspruch G gegen H auf Herausgabe des Gemäldes aus Pfandrecht Mit der Pfandklage verlangt der Faustpfandgläubiger die Herausgabe der Pfandsache vom Inhaber derselben (IV/11/1). Die Innehabung des H ist nicht zweifelhaft; er könnte allerdings selbst ein Pfandrecht am Gemälde erworben haben, das er dem Herausgabeanspruch des G entgegenhalten kann. Außerdem ist fraglich, ob G überhaupt ein Pfandrecht am Gemälde zusteht. S hat mit G einen Pfandbestellungsvertrag über das Bild zur Besicherung einer Darlehensschuld abgeschlossen und dieses dem G übergeben. Da S – offenbar auf Grund einer Erbschaft – Eigentümer des Gemäldes ist, sind die Voraussetzungen für einen derivativen Pfandrechtserwerb durch G erfüllt. Allerdings hat G das Gemälde dem S in der Folge vorübergehend für einige Tage überlassen. Obwohl § 467 nahe legt, dass eine Rückstellung des Pfandes unter Vorbehalt das Pfandrecht unberührt lässt, ist der hA zu folgen, nach der das Pfandrecht durch die Rückstellung der Pfandsache zu welchem Zweck auch immer erlischt (IV/12/4). Denn durch ein solches Vorgehen wird genauso wie bei der – unwirksamen – Übergabe durch Besitzkonstitut die Gefahr hervorgerufen, dass ein Dritter in seinem Vertrauen auf den Haftungsfonds des S getäuscht wird. G hat daher sein Pfandrecht am Bild verloren; die Pfandklage gegen H steht ihm somit nicht zu. II. Anspruch G gegen S auf Wiederverschaffung des Gemäldes aus Pfandbestellungsvertrag Auch wenn durch die Ausfolgung des Pfandes an S das Pfandrecht erloschen ist, bleibt doch der Anspruch des G aus dem Pfandbestellungsvertrag 1 In Anlehnung an die E des OGH SZ 25/89. Problembereiche: Rückstellung der Pfandsache; Erwerb eines besseren Pfandrangs.
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auf Überlassung der Pfandsache wegen des von ihm angebrachten Rückgabevorbehalts aufrecht (IV/12/4). G kann daher von S verlangen, dass dieser ihm das Gemälde wieder übergibt und damit das Pfandrecht neuerlich einräumt. Allerdings hat S in der Zwischenzeit das Bild dem H zur Besicherung einer Darlehensforderung verpfändet und übergeben. H erwirbt damit derivativ ein Pfandrecht im ersten Rang, weil zu diesem Zeitpunkt das Pfandrecht des G am Gemälde nicht mehr besteht. In Anbetracht des Pfandrechts des H kann S das Gemälde nicht von diesem herausverlangen, um es dem G zu übergeben, weil H ein Recht zum Besitz hat und außerdem durch die Rückgabe sein Pfandrecht verlieren würde. Die einzige Möglichkeit, dem G ein Pfandrecht am Bild zu verschaffen, bestünde in einer Besitzanweisung: S weist H an, das Gemälde in Zukunft auch für G innezuhaben. Da aber am Bild bereits ein Pfandrecht des H besteht, kann G auf diese Weise nur ein Pfandrecht im zweiten Rang, also hinter jenem des H, erwerben. Zu erwägen wäre noch, ob nicht G das Pfandrecht gutgläubig im ersten Rang erwerben und damit das Pfandrecht des H auf den zweiten Rang verdrängen könnte. Eine diesbezügliche Regelung findet sich in § 456 Abs 2 (gutgläubiger Erwerb des besseren Ranges; IV/10/21). Allerdings fehlt es bereits an einem schutzwürdigen Vertrauen des G auf das Nichtbestehen von Pfandrechten Dritter, weil er in Anbetracht der Innehabung des Gemäldes durch H mit einem diesem zustehenden Sicherungsrecht rechnen muss. S kann somit G das Pfandrecht am Gemälde bloß im zweiten Rang verschaffen. Dieser muss damit rechnen, nur den restlichen Verkaufserlös, der nach Befriedigung des H übrig bleibt, zur Deckung seiner Darlehensforderung gegen S heranziehen zu können und daher einen Ausfall zu erleiden. Außerdem kann G von H nicht die Herausgabe der Pfandsache zum Zwecke der Verwertung verlangen (IV/11/8). III. Anspruch G gegen S auf Bestellung eines Ersatzpfandes nach §§ 1293 ff ABGB Da somit G durch Wiedereinräumung eines Pfandrechts am Gemälde schlechter gestellt wäre als vor dessen Rückstellung an S, steht ein Anspruch des G auf Bestellung eines anderen gleichwertigen Pfandes zur Diskussion. Dafür kann er sich zwar nicht auf § 458 berufen, weil das Pfandrecht des G bereits durch die Rückstellung erloschen ist und daher nicht erst von S durch die Verpfändung an H beeinträchtigt wurde. Doch hatte G einen Anspruch aus dem Pfandbestellungsvertrag auf Wiederverschaffung des Pfandrechts am Gemälde (oben II.). Die diesbezügliche Erfüllungspflicht hat S schuldhaft vereitelt, so dass er dem G auf Schadenersatz haftet, der hier in der Bestellung einer gleichwertigen anderen Sicherheit als Naturalrestitution besteht.
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Hinweis: Sollte man mit der Rsp der Meinung sein, dass das Pfandrecht des G trotz Rückstellung aufrecht geblieben ist, so bestand es noch im Zeitpunkt der Verpfändung an H. Dieser hätte daher auf derivativem Weg nur ein Pfandrecht im zweiten Rang erlangen können. Es müsste wieder nach § 456 Abs 2 geprüft werden, ob nicht H das Pfandrecht gutgläubig im ersten Rang erworben hat. Das ist zu bejahen, weil G das Gemälde dem S anvertraut hat – dieses Erfordernis ergibt sich zwar nicht aus § 456 Abs 2, ist aber in korrigierender Auslegung zu verlangen (IV/10/21) – und H nichts vom bestehenden Pfandrecht des G wissen musste. Dem G bleibt demzufolge nur mehr ein Pfandrecht im zweiten Rang. Das Ergebnis unterscheidet sich daher im vorliegenden Fall nicht von dem oben in I. und II. dargelegten.
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10. Sonderformen des Grundpfandes Fall 76: „Die Mietzinshypothek“ Sachverhalt1 M mietet ein Geschäftslokal im Haus des V zum monatlichen Mietzins von € 5.000. Zur Besicherung der laufenden Mietzinse wird die Einverleibung einer Höchstbetragshypothek über € 30.000 auf der Liegenschaft EZ 100 des M vereinbart. Außerdem soll F, die vermögende Gattin des M, als Bürge und Zahler für solche Schulden einstehen. F erklärt sich damit schriftlich einverstanden. Die Höchstbetragshypothek wird auf der Liegenschaft EZ 100 einverleibt. Wenige Monate später verkauft und übereignet V das Haus dem W. Als das Unternehmen des M in wirtschaftliche Schwierigkeiten gerät und dieser mit der Zahlung des Mietzinses säumig wird, mahnt W den M unter Androhung der Auflösung des Mietvertrags. Da M den Mietzins auch für den nächsten Monat nicht zahlt, löst W das Bestandverhältnis auf. W verlangt nun von F die Zahlung von € 10.000. Lösung I. Anspruch W gegen F auf Zahlung von € 10.000 nach §§ 1100, 1357 ABGB F hat schriftlich (§ 1346 Abs 2) gegenüber V die Bürgschaftsverpflichtung als Bürge und Zahler für den Mietzins aus dem zwischen M und V abgeschlossenen Mietvertrag übernommen. Durch die Einverleibung des W als neuen Eigentümer des Hauses tritt dieser gem § 2 Abs 1 S 3 MRG2 bzw § 1120 im Wege einer gesetzlichen Vertragsübernahme in den Mietvertrag ein (III/8/78 und 81). Damit erwirbt er alle Rechte als Vermieter und – so wie bei der Zession (II/5/29) – die damit zusammenhängenden Sicherungsrechte, also auch die Rechte aus der Bürgschaft der F. Da die Mietzinse bereits fällig sind, kann W sie von F verlangen, wobei keine vorherige Mahnung des M nötig ist, weil F als Bürge und Zahler wie ein Mitschuldner haftet (§ 1357). II. Anspruch F gegen M auf Zahlung von € 10.000 nach §§ 1100, 1358 ABGB Mit der Begleichung der € 10.000 für den offenen Mietzins ist diese Forderung des W gem § 1358 auf F übergegangen. Diese kann daher von M 1 In Anlehnung an die E des OGH JBl 1995, 669. Problembereiche: Höchstbetragshypothek; Einlösung durch Bürgen. 2 Es kann hier von der Geltung des MRG als Normalfall (§ 1 Abs 1 MRG; dazu III/8/8) ausgegangen werden.
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Zahlung von € 10.000 verlangen. Da zu erwarten ist, dass M die Schuld nicht begleichen kann, ist weiter zu prüfen, ob F ein Pfandrecht an der Liegenschaft des M zur bevorzugten Befriedigung ihrer Forderung erworben hat. Bei dem Pfandrecht, das M dem V eingeräumt hat, handelt es sich um eine Höchstbetragshypothek zur Besicherung der Mietzinsforderungen aus dem zwischen den Parteien abgeschlossenen Mietvertrag bis zu einem Höchstbetrag von € 30.000. Das Pfandrecht soll somit für genau umschriebene Forderungen (auf Mietzins) aus einem bestimmten Grundverhältnis (dem Mietvertrag) bis zu einem bezifferten Höchstbetrag haften. Da nach der neueren Rsp und der Lehre auch andere als die in § 14 Abs 2 GBG angeführten Arten von Ansprüchen, also etwa auch Mietzinsforderungen, Gegenstand einer Höchstbetragshypothek sein können, ist eine wirksame Vereinbarung über die Bestellung einer solchen Hypothek getroffen worden. Diese ist mit ihrer Verbücherung auf der Liegenschaft des M entstanden. Als nächstes ist zu prüfen, ob W diese Hypothek erworben hat. Prinzipiell muss bei einer Vertragsübernahme die ausscheidende Partei (V) der neuen Partei (W) auch ein Pfandrecht, das eine ihr zustehende Forderung aus dem Vertrag sichert, übertragen (vgl oben I.). Das würde auf die vorliegende Hypothek zutreffen, da sie für die Mietzinsforderungen haftet. Allerdings handelt es sich um eine Höchstbetragshypothek, die nur dann auf den Einzelrechtsnachfolger des Pfandgläubigers übergehen kann, wenn er in das besicherte Grundverhältnis eintritt. Auch diese Voraussetzung ist hier verwirklicht, weil W auf Grund des § 2 Abs 1 S 4 MRG bzw § 1120 den Mietvertrag, aus dem die Mietzinsforderungen resultieren, auf Vermieterseite übernimmt. W hat somit Anspruch auf Übertragung des Pfandrechts. Fraglich ist sodann, ob der Übergang der Hypothekarforderung auf W dessen Eintragung im Grundbuch voraussetzt oder so wie nach § 1358 eo ipso stattfindet. Für die letztgenannte Alternative spricht, dass es sich bei der Vertragsübernahme nach § 2 Abs 1 S 4 MRG bzw § 1120 so wie bei der Zession nach den §§ 1358, 1422 um einen auf dem Gesetz basierenden Rechtsübergang handelt, bei dem nach hA kein weiterer Modus für die Weitergabe der Sicherungsrechte an den Rechtsnachfolger nötig ist uz auch nicht bei Hypotheken. Das liegt in den Fällen des § 2 Abs 1 S 4 MRG bzw § 1120 sogar besonders nahe, weil hier der Eigentümerwechsel an der Liegenschaft ohnedies verbüchert werden muss, wodurch für Dritte erkennbar wird, dass und an wen die Gläubigerposition bzgl der hypothekarisch besicherten Mietzinsforderungen übergegangen ist. W wurde daher der aus der Höchstbetragshypothek berechtigte Gläubiger. Zahlt nun F die von W geforderten € 10.000, so stellt sich die Frage, ob sie damit neben dieser Forderung gegen M auch die dafür haftende Hypothek einlöst. Grundsätzlich hat F nach § 1358 auch „alle vorhandenen Rechtsbehelfe und Sicherungsmittel“ erworben. Ein solcher Rechtsübergang wird jedoch von der hA bei Höchstbetragshypotheken verneint, weil
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diese nicht zur einzelnen Forderung, sondern zum Grundverhältnis, also hier zum Mietvertrag, akzessorisch sind (IV/13/4). Die vom Bürgen eingelöste Forderung scheidet daher aus dem „Haftungsverband“ aus und ist nicht mehr durch die Maximalhypothek besichert. Allerdings hat W das Mietverhältnis mit sofortiger Wirkung aufgelöst, wozu er wegen des qualifizierten Zinszahlungsverzuges nach § 1118 (vgl § 29 Abs 1 Z 5 MRG ) berechtigt war. Damit ist das Grundverhältnis, für das die Höchstbetragshypothek bestellt wurde, erloschen und können keine weiteren Mietzinsforderungen entstehen. In einem solchen Fall wird die Übertragbarkeit der Maximalhypothek auf den zahlenden Bürgen anerkannt (IV/13/9), wobei sich diese aber in eine „normale“ Verkehrshypothek in der Höhe der eingelösten Forderung verwandelt. F kann daher auf Grund eines gegen M erwirkten vollstreckbaren Leistungsurteils unter Nachweis des außerbücherlichen Erwerbs der Hypothek nach § 1358 die Zwangsversteigerung der Liegenschaft beantragen (§ 138 EO) und dann im Rang der Hypothek Zuteilung von € 10.000 aus dem Verwertungserlös verlangen.
Fall 77: „Wer zuletzt lacht, lacht am besten“ Sachverhalt1 S nimmt für die Ausweitung seiner Softwarefirma, an der T als stiller Gesellschafter beteiligt ist, bei der B-Bank einen Kredit über € 200.000 auf. Diese verlangt als Sicherstellung, dass sowohl S als auch T ihre Miteigentumsanteile an der Liegenschaft EZ 100, die ihnen gemeinsam gehört, verpfänden. S und T sind damit einverstanden und auf ihren Miteigentumsanteilen wird jeweils zugunsten der B-Bank eine Hypothek für die ausgezahlte Kreditsumme im ersten Rang im Grundbuch eingetragen. Als S in wirtschaftliche Schwierigkeiten gerät und die vereinbarten Kreditraten an die B-Bank nicht zahlen kann, kündigt diese den Kreditvertrag und stellt den noch aushaftenden Betrag von € 160.000 fällig. Um die drohende Versteigerung der Liegenschaft abzuwenden, zahlt T diesen Betrag. Da kurz danach auch T mit seinem eigenen Computerhandelsunternehmen Schiffbruch erleidet, betreibt der Lieferant L, bei dem T noch offene Rechnungen iHv € 100.000 hat, die Zwangsversteigerung des Miteigentumsanteils des T an der Liegenschaft EZ 100. Lösung Vorüberlegungen: Die B-Bank hat für ihre Kreditforderung gegenüber S an den Hälfteanteilen des S und des T an der Liegenschaft EZ 100 je eine Hypothek erworben. 1 Problembereiche: Simultanhypothek; Verfügungsrecht nach § 1446.
Fall 77: „Wer zuletzt lacht, lacht am besten“ (G. Iro)
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Dabei handelt es sich um keine Simultanhypothek iSd § 15 GBG, weil nach dieser Bestimmung die Haftung von zwei oder mehreren Grundbuchskörpern begriffswesentlich ist, hier aber nur ein Grundbuchskörper betroffen ist. Allerdings sind auf die Verpfändung von Miteigentumsanteilen an einer Liegenschaft für dieselbe Forderung die für die Simultanhypothek geltenden Regeln – abgesehen von jenen über die grundbücherliche Behandlung (§§ 105 ff GBG) – entsprechend anzuwenden (IV/13/14); im Folgenden wird daher die Pfandhaftung von S und T als Simultanhypothek bezeichnet. I. Anspruch T gegen S auf Zahlung von € 160.000 nach §§ 983, 1358 ABGB Voraussetzung für die gesetzliche Zession nach § 1358 ist, dass jemand eine materiell fremde Schuld bezahlt, für die er persönlich oder dinglich haftet. Das trifft auf T zu, weil er als stiller Gesellschafter nur mit S ein Rechtsverhältnis (Innenverhältnis) begründet hat, gegenüber Dritten aber nicht für die Schulden des S einstehen muss (§ 179 Abs 2 UGB). Er hat auch nicht den Kredit gemeinsam mit S aufgenommen, sondern bloß ein Pfand bestellt. Im Verhältnis zu S ist T nicht verpflichtet, einen Teil der beglichenen Schuld selbst zu tragen, weil er mangels einer abweichenden Vereinbarung über die Leistung der Einlage hinaus nicht zu weiteren Zahlungen verpflichtet ist (§ 180 UGB). Gem § 1358 löst T daher mit der Zahlung an die B-Bank die Darlehensforderung gegen S iHv € 160.000 zur Gänze ein, wodurch die dafür bestellten Sicherungsrechte auf ihn übergehen, ohne dass hiefür ein grundbücherlicher Akt erforderlich wäre (IV/10/33). T erwirbt daher die Hypothek auf dem Miteigentumsanteil des S, die für die gesamte eingelöste Forderung haftet. Er kann somit von S Zahlung von € 160.000 verlangen und im Falle der Erfolglosigkeit Exekution in den Miteigentumsanteil des S führen, wobei er im Rang der übergegangenen Hypothek aus dem Meistbot zu befriedigen ist. Wenn man als Wert des Hälfteanteils € 100.000 unterstellt, ist aber zu erwarten, dass T keine volle Deckung seiner Forderung finden wird. II. Anspruch L gegen T auf Befriedigung aus dem Meistbot für dessen Liegenschaftsanteil Durch die Bewilligung der Zwangsversteigerung auf Antrag des L erlangt dieser ein Befriedigungsrecht, dessen Rang sich nach dem Einlangen des Ersuchens des Exekutionsgerichts um Anmerkung der Bewilligung der Zwangsversteigerung beim Grundbuchsgericht richtet (§ 135 S 2 EO). Bei der Meistbotsverteilung wird er daher erst nach Pfandgläubigern befriedigt, die bereits vorher um Einverleibung ihrer Hypothek angesucht haben (§ 216 Abs 1 Z 4 EO). Im vorliegenden Fall könnte dem L die zugunsten der B-Bank auf dem Miteigentumsanteil des T eingetragene Hypothek vorgehen, wenn auf diese noch eine Zuteilung vorzunehmen ist.
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Durch die Einlösung der Kreditforderung gegen S gem § 1358 tritt T auch in die Hypothek der B-Bank an seinem Hälfteanteil ein, so dass er ein Pfandrecht an der eigenen Sache hat. Da dieses die Rückgriffsforderung des T gegen S sichert, handelt es sich um eine forderungsbekleidete Eigentümerhypothek, oder besser gesagt, um ein Verfügungsrecht nach § 1446 (IV/12/18 f). Nach § 470 ist ein solches Verfügungsrecht im Falle der Zwangsversteigerung der Liegenschaft zu berücksichtigen: Dem Eigentümer, der eine auf seiner Liegenschaft sichergestellte Forderung nach § 1358 eingelöst hat, wird der darauf entfallende Teil des Meistbots zugewiesen. Daher steht T aus dem Meistbot im Range der übergangenen Hypothek (also im ersten Rang) der Betrag zu, den er nicht durch Verwertung des Liegenschaftsanteils des S erhält. Unterstellt man, dass T aus der Verwertung des Hälfteanteils des S € 100.000 erhält, so hat er noch eine offene Forderung gegen S iHv € 60.000, die er aus dem Meistbot für seinen Liegenschaftsanteil beanspruchen kann. L bekommt daher auf Grund seines Befriedigungsrechts nur den Rest des Meistbots, also € 40.000, wenn man davon ausgeht, dass auch der Anteil des T um € 100.000 versteigert wird. III. Anspruch L gegen T auf Zahlung von € 60.000 nach § 1062 ABGB L hat daher gegen T weiterhin einen aufrechten Kaufpreisanspruch von € 60.000, den er wahrscheinlich auch gegen ihn durchsetzen wird können, weil T € 100.000 aus der Verwertung des Miteigentumsanteils des S erhalten hat. Eine andere Möglichkeit des L bestünde darin, die restliche Forderung des T gegen S (€ 60.000) zu pfänden und damit gem §§ 320 ff EO ein Pfandrecht an der forderungsbekleideten Eigentümerhypothek des T zu erwerben (vgl § 1446 aE2); es handelt sich also um die exekutive Begründung eines Afterpfandrechts. Der auf das Verfügungsrecht des T entfallende Teil des Meistbots von € 60.000 wäre dann L zuzuweisen, so dass sich dieser bei der Meistbotsverteilung nicht mit den vorhin (unter II.) ermittelten € 40.000 zufrieden geben müsste, sondern insgesamt € 100.000, also den gesamten Forderungsbetrag, erhielte. Hinweis: Daran zeigt sich, dass die Berücksichtigung der forderungsbekleideten Eigentümerhypothek im Exekutionsverfahren letztlich nur den (wachsamen) Gläubigern des Liegenschaftseigentümers zugute kommt. Natürlich könnte L auch die gesamte von T eingelöste Hypothekarforderung pfänden und damit auch am Miteigentumsanteil des S ein Afterpfandrecht erwerben, wodurch er im Rang dieser Hypothek aus dem Meistbot für den Miteigentumsanteil des S Befriedigung erlangen würde. Es käme dann nicht zur Versteigerung des Liegenschaftsanteils des T und dessen Rückgriffsforderung gegen S wäre daher weiterhin durch die Eigentümerhypothek auf seinem Hälfteanteil „gesichert“.
2 Dazu Klang in Klang2 VI 537.
Fall 78: „Der unlautere Sicherungseigentümer“ (G. Iro)
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11. Andere Arten von Sicherheiten Fall 78: „Der unlautere Sicherungseigentümer“ Sachverhalt1 S übergibt G zur Besicherung einer offenen Schuld seine goldene Uhr und überträgt ihm das Eigentum daran. Dabei wird vereinbart, dass G dem S nach Begleichung der Schuld das Eigentum an der Uhr wieder verschaffen soll. Obwohl S dem G den geschuldeten Betrag zahlt, gibt ihm G die Uhr nicht zurück, sondern verkauft sie seinem Freund F, dem er sie schon früher gezeigt und vom sicherungsweisen Erwerb erzählt hat, „unter Brüdern“ um die Hälfte ihres Wertes. S verlangt die Uhr von F heraus. A. Lösung Anspruch S gegen F auf Herausgabe der Uhr nach § 366 ABGB Voraussetzung für diesen Anspruch gegen den innehabenden F ist, dass S Eigentümer der Uhr ist. Dabei ist davon auszugehen, dass die Uhr ursprünglich S gehört. Er übereignet sie in der Folge an G zur Besicherung einer Forderung, die dieser gegen ihn hat. Zu diesem Zweck wird eine Sicherungsabrede geschlossen und die Uhr dem G körperlich übergeben. Damit wird G Eigentümer der Uhr. Da es sich beim Sicherungseigentum um eine (eigennützige) Treuhand handelt, darf G aber im Verhältnis zu S über die Sache nur im Falle der Nichtbegleichung der besicherten Forderung zum Zwecke der Befriedigung verfügen (IV/14/10). Da das Sicherungseigentum nicht akzessorisch zur besicherten Forderung ist, fällt es an sich nicht automatisch auf den Sicherungsgeber zurück, wenn die Forderung getilgt wird. Nach hA ist aber die Sicherungsabrede iZw so zu verstehen, dass das übertragene Eigentum durch das Erlöschen der Forderung auflösend bedingt ist und daher der Sicherungsgeber ohne weiteren Rechtsakt wieder Eigentümer der Sache wird (IV/14/13). Im vorliegenden Fall wurde allerdings verabredet, G solle die Uhr bei Bezahlung des restlichen Kaufpreises rückübereignen. Daraus folgt, dass die Parteien keine auflösende Bedingung vereinbaren wollten, sondern die sonst sich aus der Treuhandbindung ergebende Rechtsfolge bei Wegfall des Sicherungszwecks, nämlich die Pflicht zur Rückübertragung des Eigentums, eingreifen soll. G bleibt daher trotz Erlöschens der besicherten Forderung Eigentümer der Uhr, wenn er sie auch dem S rückübereignen muss. Als Eigentümer kann G dem F, dem er die Uhr verkauft, an sich derivativ das Eigentum verschaffen; die Verpflichtung des G gegenüber S hat 1 Problembereiche: Sicherungseigentum; Akzessorietät; Veräußerung des Sicherungsgutes.
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Vierter Teil: Fälle zum Sachenrecht
grundsätzlich keine Außenwirkung. Allerdings weiß F, dass G nur Sicherungseigentümer der Uhr ist. Das ist deswegen von Bedeutung, weil nach zutreffender Ansicht der Eigentumserwerb des Dritten jedenfalls dann scheitert, wenn diesem der Verstoß gegen die Treuhandbindung des Veräußerers bekannt oder offenkundig ist (IV/14/10). Zwar genügt dafür allein das Wissen des Erwerbers, dass es sich um Sicherungstreugut handelt, nicht, weil es sich bei der Veräußerung um die – idR zulässige – Verwertung der Sache zum Zwecke der Befriedigung der besicherten Forderung handeln kann. Doch steht ein solcher Verkauf unter den Beschränkungen der §§ 1371 f, so dass er nur zum Schätzwert erfolgen darf (IV/14/15). Da F von dem günstigen Preis weiß („unter Brüdern“), hat er wohl in Kauf genommen (dolus eventualis) oder zumindest ohne weiters erkennen müssen, dass es sich um eine abrede-, ja gesetzwidrige Verfügung über die Uhr handelt und G dadurch gegen seine Treuhandbindung verstößt. Daher ist der Kaufvertrag zwischen G und F – wie in den Fällen des Vollmachtsmissbrauchs (I/9/61 ff) – wegen Sittenwidrigkeit (§ 879 Abs 1) ungültig. F konnte somit das Eigentum an der Uhr nicht erwerben und G ist weiterhin Eigentümer. S kann von G die Rückübertragung des Eigentums verlangen, wozu G in der Lage ist, indem er die Uhr von F nach § 1431 kondiziert und in der Folge durch körperliche Übergabe dem S übereignet. B. Folgeanspruch F gegen G auf Rückzahlung des Kaufpreises nach § 1431 ABGB Da der Kaufvertrag nach § 879 nichtig ist, hat F den Kaufpreis rechtsgrundlos gezahlt. Dabei wird er sich wohl auch in einem Irrtum über die Wirksamkeit des Vertrages befunden haben. Dass es sich um einen vorwerfbaren Rechtsirrtum handelt, hindert die Anwendbarkeit des § 1431 nicht (III/15/5). F kann daher den Kaufpreis von G nach dieser Norm kondizieren. Dem steht der Kondiktionsausschluss des § 1174 wegen Unerlaubtheit des Leistungszwecks nicht entgegen, weil es hier um eine Gegenleistung für eine Sache (die Uhr) und nicht für eine Handlung geht (III/15/11).
Fall 79: „Es kann der Beste nicht in Frieden leben“ (G. Iro)
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12. Dienstbarkeiten Fall 79: „Es kann der Beste nicht in Frieden leben, wenn es dem bösen Nachbarn nicht gefällt“ Sachverhalt1 V hat die Liegenschaft EZ 548, die ursprünglich die Grundstücke 686/5 und 686/9 umfasste, im Jahr 1955 von N, dem auch die Liegenschaft EZ 839 mir den Grundstücken 686/6 und 686/8 gehörte, erworben. Bereits 1956 errichtete V auf dem Grundstück 686/5 für seine Familie ein Wohnhaus und legte für die Zufahrt einen Weg zur öffentlichen Straße an, der über das Grundstück 686/9 und teilweise auch über die Liegenschaft des N führte. N stimmte der Errichtung und Benützung dieses Weges über seine Liegenschaft zu, ohne dass ausdrücklich über die Einräumung einer Servitut gesprochen wurde. 1969 kaufte die Tochter des V, T, dem N die Liegenschaft EZ 839 ab und tauschte mit V das dazu gehörende Grundstück 686/8 gegen das zur Liegenschaft EZ 548 gehörende Grundstück 686/9. Gleichzeitig räumte sie V ein Fruchtgenussrecht an allen unverbauten Flächen ihrer Liegenschaft ein. Alle diese Vorgänge wurden verbüchert. Die EZ 548 umfasst daher seitdem die Grundstücke 686/5 und 686/8, die EZ 839 die Grundstücke 686/6 und 686/9. In der Folge errichtete T auf dem Grundstück 686/9 ein Wohnhaus, das unmittelbar an das auf dem Grundstück 686/5 befindliche Haus des V angrenzt. Als V 1988 starb, erbte sein Sohn S die Liegenschaft EZ 548. 1998 errichtete T an der Grenze zwischen den Grundstücken 686/5 und 686/9 eine Mauer, durch die die Zufahrt zum Haus des S erschwert und für große Fahrzeuge unmöglich gemacht wird. S verlangt von T die Entfernung der Mauer. Lösung S gegen T auf Entfernung der Mauer nach § 523 ABGB S erhebt gegen T eine actio confessoria, die auch auf Beseitigung, also auf Rückgängigmachung von Maßnahmen des Servitutsbelasteten, die die Ausübung der Servitut beeinträchtigen, gerichtet werden kann. Voraussetzung dafür ist einerseits das Bestehen der von S behaupteten Dienstbarkeit, bei der es sich um ein Wegerecht gem § 492 handelt, andererseits die eigenmächtige Störung der Rechtsausübung durch T. Eine Wegservitut könnte dadurch begründet worden sein, dass V 1956 einen Fahrweg anlegte und seither benützte, der über Grundstücke führte, die damals N gehörten. Da eine ausdrückliche Einräumung einer Dienstbarkeit nach dem Sachverhalt nicht vorliegt, kommt nur eine konkludente 1 In Anlehnung an die E des OGH MietSlg 54.043/22. Problembereiche: Erwerb und Erlöschen von Servituten, offenkundige Servitut.
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Vereinbarung in Betracht. Diese könnte dadurch zustande gekommen sein, dass N die betreffenden Vorgänge auf seiner Liegenschaft ohne jeden Widerspruch duldet. Daraus kann jedoch nach zutreffender Ansicht noch nicht „ohne Zweifel“ (§ 863) geschlossen werden, dass N eine derartige Belastung seiner Liegenschaft – noch dazu unentgeltlich – in Kauf nehmen wolle. Vielmehr wird eher anzunehmen sein, dass er bloß die Benützung des Weges auf Widerruf gestatten wolle (vgl § 915). Allerdings war die Herstellung der Zufahrtsstraße sicherlich mit einem größeren Aufwand an Geld und Arbeitsleistung verbunden (zB Schottern oder Asphaltieren des Weges). In einem solchen Fall wird von der Rsp sehr wohl die konkludente Einräumung einer Servitut angenommen, weil dem belasteten Grundeigentümer klar sein muss, dass der Begünstigte solche Aufwendungen nicht tätigen würde, wenn ihm das Gebrauchsrecht jederzeit entzogen werden kann (vgl OGH MietSlg 54.043/22 mwN). Daher ist davon auszugehen, dass zwischen V und N ein Vertrag über die Bestellung einer Wegservitut auf der Liegenschaft des N zustande gekommen ist. Dabei handelt es sich um eine Grunddienstbarkeit, weil kein Anhaltspunkt für Abweichungen vom gesetzlichen Leitbild einer solchen Dienstbarkeit besteht (§ 479 iVm § 492). Ferner ist anzunehmen, dass die Parteien eine Servitut im technischen Sinn, also mit dinglicher Wirkung begründen wollten, da eine bloß obligatorische Berechtigung des V besonders vereinbar hätte werden müssen (§ 479). V hätte daher die Verbücherung der Dienstbarkeit verlangen können, dies jedoch nicht getan. Nach der stRsp und einem Teil der Lehre ist jedoch die Wegservitut als dingliches Recht auch ohne Einverleibung im Grundbuch infolge Offenkundigkeit entstanden, weil der von V errichtete Fahrweg sicherlich ohne weiters bei Besichtigung der Liegenschaft des N erkennbar war (IV/15/18; so auch der OGH MietSlg 54.043/22). Dabei ist allerdings der Tausch der Grundstücke zwischen V und T zu beachten: Im Zeitpunkt der Bestellung der Dienstbarkeit war V Eigentümer des Grundstücks 686/9 und betraf daher die Wegservitut das Grundstück 686/8, das dem N gehörte. Durch den Grundstückstausch erwarb V das Grundstück 686/8, so dass die Dienstbarkeit insofern infolge Vereinigung des Eigentums an der herrschenden und dienenden Liegenschaft jedenfalls materiell erlosch (IV/15/46). Dafür erhebt sich aber die Frage, ob am Grundstück 686/9, an dem ja bisher wegen der Zugehörigkeit zur EZ 548 eine Wegservitut nicht nötig und daher die Offenkundigkeit ohne Bedeutung war, eine solche mit Eigentumserwerb der T entstand. Der OGH wendete in der vorliegenden Entscheidung den vor allem in der Rsp aufgestellten Grundsatz an, dass eine Dienstbarkeit auch dann ohne Eintragung im Grundbuch entsteht, wenn der Eigentümer einer Liegenschaft ein dazu gehörendes Grundstück verkauft, das offenkundig (Teilen) der restlichen Liegenschaft dient (IV/ 15/18). Teilt man mit einem Teil der Lehre die rechtsbegründende Wirkung der Offenkundigkeit einer weder durch Eintragung noch durch Ersitzung erworbenen Dienstbarkeit nicht, so käme man wohl auf anderen Wegen zu dem vom OGH im konkreten Fall vertretenen Ergebnis. Hinsichtlich des
Fall 79: „Es kann der Beste nicht in Frieden leben“ (G. Iro)
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ursprünglichen Grundstücksbestandes der EZ 839 wird nämlich die Wegservitut durch Ersitzung entstanden sein. V und sein Gesamtrechtsnachfolger S haben sie 42 Jahre ungestört ausgeübt, bevor sie T dem S streitig macht. V hatte einen gültigen Titel, nämlich die konkludente Vereinbarung mit N, in die S auf Grund der Universalsukzession eintrat; es liegt also rechtmäßiger Besitz vor (was allerdings bei der langen Verjährung kein Erfordernis ist, vgl § 1493). V und S sind auch redlich, weil sie in Anbetracht des Servitutsbestellungsvertrags auch ohne Verbücherung davon ausgehen durften, nicht in fremde Rechte einzugreifen (IV/2/22); ebenso steht die Echtheit ihres Besitzes außer Zweifel, hat doch N die Benützung seiner Liegenschaft dem V gestattet. Daher kann S an sich die Ersitzungszeit des V einrechnen (§ 1493). Allerdings sind dabei zwei Hürden zu überwinden. Die eine ist der Erwerb der EZ 839 durch T im Jahr 1969. Zwar wird durch einen Eigentümerwechsel beim dienenden Gut die Ersitzung nicht tangiert, doch muss nach hA der Erwerber einer Liegenschaft eine bereits begonnene Ersitzungszeit nicht gegen sich gelten lassen, wenn er insofern im Zeitpunkt des Ansuchens um Verbücherung seines Eigentums redlich ist (IV/6/93). Das trifft jedoch auf T keinesfalls zu, da sie nicht nur den Fahrweg auf der EZ 839 bei deren Erwerb erkennen musste, sondern als Tochter des V bereits von Anfang an von dieser Berechtigung des V gewusst haben wird. Eine Unterbrechung der Ersitzung der Wegservitut durch V ist somit nicht eingetreten. Das zweite Problem in diesem Zusammenhang ist die Einräumung eines Fruchtgenussrechtes an den unverbauten Teilen der Liegenschaft EZ 839 durch T an V im Zuge des Tausches der Grundstücke im Jahr 1969. Da der Fruchtgenuss als umfassende Befugnis zur Benützung des dienenden Gutes auch das Befahren umfasst, wäre dadurch die Wegservitut überflüssig geworden und mangels Nützlichkeit erloschen. Allerdings vertritt dazu der OGH in der E MietSlg 54.043/22 zutreffend die Ansicht, dass hier von einer völligen Zwecklosigkeit der Wegservitut nicht gesprochen werden könne, da sie nach Erlöschen des Fruchtgenussrechtes des V, das auf dessen Lebenszeit beschränkt ist (§ 529), für die EZ 548 wieder nützlich bzw sogar notwendig wurde. Fraglich ist aber, ob die Benützung des Weges während des Bestandes des Fruchtgenussrechtes als Ausübung der Grunddienstbarkeit angesehen und damit auf die zu ihrer Ersitzung erforderliche Zeit angerechnet werden kann. Man könnte nämlich die Meinung vertreten, dass die Wegservitut in dieser Zeit „ruhte“ und daher die Benützung des Weges nur auf dem Fruchtgenussrecht beruhte. Dem wäre aber mE nicht zu folgen, da sich das äußere Erscheinungsbild des Gehens und Fahrens auf dem Weg gegenüber den bisherigen Ausübungshandlungen wohl kaum geändert hat und daher ohne weiters auch auf die Wegservitut bezogen werden kann. Das gilt insbesondere auch im Hinblick darauf, dass das Interesse des V an der Ersitzung des Wegerechts objektiv erkennbar ist und es daher nicht sachgerecht wäre, die Ersitzungszeit durch Nichtanrechnung der Benutzung während des Bestandes des Fruchtgenusses erheblich zu verlängern. Daher hat wohl V die Wegservitut bereits 1986 ersessen.
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Sollte man diese Ansicht nicht teilen, dann wäre die Ersitzungszeit 1998 noch nicht abgelaufen. S könnte zwar die actio confessoria (§ 523) gegen T publizianisch (§ 372) erheben, da er qualifizierter Besitzer der Wegservitut ist, doch könnte er damit dann nicht durchdringen, wenn T sich auf ihr unbelastetes Eigentum an der EZ 839 beruft. In Erwägung zu ziehen wäre daher noch die Möglichkeit, dass T beim Erwerb dieser Liegenschaft die Verpflichtung des N aus dem Servitutsbestellungsvertrag etwa durch Schuldbeitritt übernommen hat und daher S von ihr nunmehr die Einwilligung zur Verbücherung der Dienstbarkeit verlangen kann. Für die Annahme einer diesbezüglichen konkludenten Vereinbarung zwischen N und T spricht im vorliegenden Fall einerseits das erkennbare Interesse des N, beim Verkauf der Liegenschaft nicht das Risiko einzugehen, gegenüber V vertragsbrüchig zu werden, und andererseits die familiäre Nahebeziehung der T zu V, die annehmen lässt, dass T ihren Vater nicht durch den Liegenschaftserwerb in seiner langjährigen Ausübung der Servitut, die der T sicherlich bekannt war, zu beeinträchtigen. Der dagegen denkbare Einwand, dass T diesem Anliegen ihres Vaters gerade – und nur – mit der Einräumung eines Fruchtgenussrechtes an den unverbauten Teilen der EZ 839 Rechnung tragen wollte, schlägt mE nicht durch, weil damit – wie auch der OGH feststellt – das erkennbare Interesse des V an der Grunddienstbarkeit wegen der zeitlichen Beschränkung des Fruchtgenusses nicht hinfällig wurde. Als weiterer Lösungsansatz kommt noch ein schadenersatzrechtlicher in Betracht: So wie bei der Doppelveräußerung einer Liegenschaft der Zweiterwerber dem nicht verbücherten, aber besitzenden Ersterwerber nach den Grundsätzen der Verleitung zum Vertragsbruch schadenersatzpflichtig wird (III/14/3) und im Weg der Naturalrestitution zur Mitwirkung bei der Verbücherung des Eigentumsrechts des Ersterwerbers verpflichtet ist, kann auch derjenige, der auf vertraglicher Grundlage eine offenkundige Dienstbarkeit ausübt, aber nicht im Grundbuch eingetragen wurde, vom Erwerber der Liegenschaft, der den Anspruch auf Verbücherung der Servitut zumindest kennen musste, wegen dessen schuldhafter Vertragsverletzung verlangen, in die Einverleibung der Servitut einzuwilligen (vgl Schauer, wobl 1996, 241 f). Die Voraussetzungen wären im vorliegenden Fall gegeben, weil T sogar von der Servitutsvereinbarung zwischen N und V gewusst haben wird. Bezüglich des von T eingetauschten Grundstücks 686/8 fehlt es jedoch an der erforderlichen Ersitzungszeit, weil man die Jahre, in denen die Parzelle noch im Eigentum des V stand, wohl nicht mitrechnen kann. Auch der zuletzt dargestellt schadenersatzrechtliche Weg scheidet hier mangels einer der Doppelveräußerung vergleichbaren Konstellation aus. Erwägenswert wäre aber die Annahme einer konkludenten Vereinbarung zwischen V und T, dass diese jenem eine Wegservitut an dem Grundstück 686/8 einräumt. T war nämlich bekannt, dass seit vielen Jahren die Zufahrt zum Haus des V über dieses Grundstück führt und V auch in Zukunft auf deren Benützung angewiesen sein wird. Es kann daher den Parteien kaum unterstellt werden, dass sie dieses Recht des V mit dem Eigentumserwerb
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der T an dem Grundstück enden lassen wollten. Insoweit deckt sich diese Überlegung mit der Rsp zur Entstehung einer Servitut im Falle der Veräußerung eines der übrigen Liegenschaft des Eigentümers dienenden Grundstücks. Allerdings kommt man auf diesem Weg mangels Verbücherung der Servitut nur zu einer schuldrechtlichen Bindung der T, wenn man nicht dem OGH darin folgt, dass die Servitut infolge Offenkundigkeit als dingliches Recht entsteht. Doch hat S immerhin einen Anspruch gegen T auf Setzung der erforderlichen Akte für die Einverleibung der Wegservitut auch hinsichtlich des Grundstücks 686/8 (§ 12 Abs 2 GBG). Letztlich ist somit die fragwürdige Rsp des OGH, dass offenkundige Dienstbarkeiten keine Einverleibung im Grundbuch bedürfen, nicht erforderlich, um zu sachgerechten Ergebnissen zu gelangen. Wie nämlich gezeigt wurde, gibt es durchaus dogmatisch abgesicherte Wege, um das sicherlich sachgerechte Ergebnis zu erzielen, dass S die bis 1998 ausgeübte Benützung des Weges auch gegen T durchsetzten kann. Folgeansprüche T gegen N auf Lastenfreistellung der verkauften Liegenschaft Dieser Anspruch, der gewährleistungsrechtlicher Natur ist (Depurierungsanspruch, II/3/136), besteht nicht zu Recht, weil die Servitut nicht nur offenkundig, sondern T sogar bekannt war (§ 928).
Fünfter Teil: Fälle zum Familienrecht 1. Rechte und Pflichten der Ehegatten Fall 80: „Der ehrgeizige Universitätsprofessor“ Sachverhalt1 Der 1979 geschlossenen Ehe zwischen Markus (M) und Franziska (F) entstammen fünf zwischen 1979 und 1985 geborene Kinder. M, ein Neuropathologe und Universitätsprofessor, hat seinen Beruf zum Lebensinhalt gemacht. Während der Woche arbeitet er bis spätabends am Institut. Obwohl es finanziell nicht nötig ist, verfasst er an Wochenenden Gutachten und bereitet Vorträge vor. F hat M in den bisherigen 27 Ehejahren stets erfolglos ersucht, doch seine Arbeitsintensität zu verringern. M macht immer häufiger auch Dienstreisen ins Ausland, die er privat um einige Tage verlängert. Bei dessen Rückkehr wird er von F, die sich verlassen und eingesperrt fühlt, meist unfreundlich empfangen. Ab 2002 resigniert F und wendet sich mehr ihrem Hobby, dem Reitsport zu, womit M auch einverstanden ist. Zwischen F und dem Gestütsbesitzer D, der homosexuell und HIV-infiziert ist, kommt es zu einem freundschaftlichen, aber nicht intimen Verhältnis. Als bei D die Krankheit ausbricht, kümmert sich F auch um ihn, wofür M durchaus Verständnis aufweist. Im Sommer 2005 entsteht bei einer gemeinsamen Urlaubsfahrt ein akuter Ehestreit, weil sich F mit dem Auto verfahren und einen Tankwart um den Weg gefragt hat. Danach spricht M mit F zwei Monate nicht mehr. Ms Vorschlag, eine Paartherapie bei einem Kollegen in seiner Klinik zu absolvieren, lehnt F ab. Seit November 2006 bügelt F Ms Wäsche nicht mehr, da er sich sehr unfreundlich und fordernd verhält. In den letzten Monaten vor der Scheidung spielt M Harmonie vor, obwohl er bereits Beweise für Eheverfehlungen der F sucht. An seiner Arbeits- und Zeiteinteilung hat sich nichts geändert. M begehrt im Dezember 2006 Scheidung der Ehe aus Verschulden der F. Diese erhebt Widerklage aus Verschulden des M. 1 Der Fall ist angelehnt an die E des OGH 15.3.2000, 7 Ob 4/00i. Der OGH hat mit den Unterinstanzen auf schwere Eheverfehlung der F erkannt. Während die 2. Instanz gleichteiliges Verschulden angenommen hat, haben die 1. Instanz und der OGH dem M überwiegendes Verschulden beigemessen.
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Fünfter Teil: Fälle zum Familienrecht
Lösung Eine Scheidungsklage des M gem § 49 EheG setzt eine schwere Eheverfehlung der F voraus, durch die die Ehe unheilbar zerrüttet worden ist. In Betracht kommt zunächst ihr unfreundliches Verhalten nach den Auslandsdienstreisen des M. Da dies aber nur eine Reaktion auf das übermäßige berufliche Engagement des M war, wird diese Eheverfehlung schon nicht als schwer zu qualifizieren sein. Zumindest aber ist eine Kompensation mit den Verfehlungen des Mannes, nämlich der Verletzung der Pflicht zur umfassenden Lebensgemeinschaft (dazu gleich unten) nach § 49 S 3 EheG anzunehmen, da sowohl ein zeitlicher als auch sachlicher Zusammenhang zu bejahen ist (V/2/112). Ein besonders intensives freundliches Verhältnis zu einem Dritten anderen Geschlechts, hier zum Gestütsinhaber, kann zwar nach der Rsp uU eine schwere Eheverfehlung darstellen, wenn der Ehepartner damit nicht einverstanden ist. Hier hat aber M dieser Beziehung zugestimmt, so dass insofern keine Eheverfehlung der F vorliegt. Auch die Weigerung der F, in der Klinik des M eine Paartherapie zu absolvieren, bildet keine schwere Eheverfehlung, weil es für F unzumutbar ist, einem Kollegen des M intime Verhältnisse kundzutun. Auch die Weigerung der F, Ms Wäsche nicht mehr zu bügeln, wird zum einen keine schwere Eheverfehlung sein, zum anderen ist sie jedenfalls mit den Verfehlungen des M (sehr unfreundliches und forderndes Verhalten) zu kompensieren. Die Scheidungsklage des M ist somit abzuweisen. Die Widerklage der F kann sich ebenfalls nur auf § 49 EheG (Verschuldensscheidung wegen schwerer Eheverfehlung) stützen. M hat maßgeblich und bis zuletzt seine Pflicht zur umfassenden Lebensgemeinschaft (§ 90) verletzt, indem er die berufliche Tätigkeit nicht so eingeteilt hat, dass entsprechende Zeit für den anderen Ehegatten und für die Familie bleibt (V/2/110). M hat F und seine Kinder zu häufig allein gelassen. Zwingende, etwa finanzielle Gründe für sein Überengagement liegen nicht vor. Obwohl F den M immer wieder ersuchte, mehr Zeit für die Familie aufzubringen, hat M beharrlich sein fast ausschließliches Engagement für den Beruf fortgesetzt. Dieses Verhalten hat auch der seelischen Gemeinschaft der Ehepartner schwer geschadet und letztlich im Sommer 2005 zur Zerrüttung geführt, als M nach dem Streit zwei Monate hindurch jedes Gespräch verweigert hat. Bei F könnte die eheliche Gesinnung durch das Verhalten des M bereits früher verloren gegangen sein. Dennoch hat auch das spätere Verhalten des M bis zur Scheidung noch zur Vertiefung der Zerrüttung beigetragen. Vor allem hat M bis zuletzt sein berufliches Überengagement nicht aufgegeben. Eine Verfristung nach § 57 EheG ist somit nicht eingetreten. Die Ehe ist daher aus alleinigem, zumindest aber überwiegendem Verschulden des M zu scheiden. Der Widerklage der F ist also stattzugeben.
Fall 81: „Der untreue Ehemann“ (F. Kerschner)
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Fall 81: „Der untreue Ehemann“ Sachverhalt1 Nach anwaltlicher Beratung wird zwischen den Ehegatten Johann H und Hilde H folgende schriftliche Vereinbarung geschlossen. 1. Herr Johann H räumt seiner Gattin Hilde H für den Fall, dass er das Verhältnis bzw die freundschaftlichen Beziehungen zu Frau Gerti wieder aufnehmen sollte, das alleinige Wohnrecht im im Miteigentum stehenden Haus Wohnstraße 14 ein. 2. Festgehalten wird, dass die monatlichen Mietzahlungen, die Herr Johann H und Frau Hilde H aus der Vermietung der Wohnung in ihrem Hause erhalten, je zur Hälfte den Ehegatten H zustehen. 3. Herr Johann H verpflichtet sich in jedem Fall, sämtliche Auslagen für das Haus zu bezahlen, wobei etwaig anfallende, über das normale Maß hinausgehende Reparaturarbeiten sowie die nunmehr anfallenden Kanalanschlussgebühren je zur Hälfte bezahlt werden. Herr Johann H verpflichtet sich, zur Gänze für das Brennmaterial für das Haus aufzukommen. Da Johann H die freundschaftlichen Beziehungen zu Frau Gerti nicht aufgibt, klagt die Ehefrau Hilde H – gestützt auf obige Vereinbarung – den Ehemann auf Räumung des gemeinsamen Hauses samt seinen Fahrnissen, solange das Verhältnis bzw die freundschaftlichen Beziehungen zur Frau Gerti andauern. Lösung Anspruch der Hilde H gegen ihren Ehemann Johann H auf Räumung des gemeinsamen Hauses samt seinen Fahrnissen, solange das freundschaftliche Verhältnis bzw die freundschaftlichen Beziehungen zu Frau Gerti andauern Voraussetzung dieses Räumungsanspruchs ist die Wirksamkeit der entsprechenden, nach anwaltlicher Beratung unterzeichneten schriftlichen Vereinbarung. Diese könnte nach § 1 NAktG nichtig sein, wenn es sich um einen Ehepakt handelt. Zwischen den Ehegatten ist nämlich kein Notariatsakt geschlossen worden. Ein solcher Ehepakt setzt aber eine umfassendere Regelung des Ehevermögens voraus, die hier nicht gegeben ist (vgl V/2/96). Wegen des spezifischen familienhaften Bezuges ist auch kein „normaler“ unentgeltlicher Ehegattenvertrag gegeben, der ebenfalls nach § 1 NAktG formpflichtig wäre. Das Fehlen eines Notariatsakts macht also die Vereinbarung nicht unwirksam. Da die Vereinbarung die ehelichen Pflichten des gemeinsamen Wohnens und der Treue betrifft, könnte insofern eine einvernehmliche Gestal1 Angelehnt an den Sachverhalt der E OGH JBl 2000, 517. Die beiden Unterinstanzen haben der Klage stattgegeben, der OGH hat sie abgewiesen.
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Fünfter Teil: Fälle zum Familienrecht
tung der ehelichen Lebensgemeinschaft vorliegen (V/2/31). Solche einvernehmliche Gestaltungen konkretisieren die persönlichen Ehewirkungen, stellen aber im allgemeinen nur faktische Einigungen dar, die vom andauernden gemeinsamen Konsens getragen werden müssen. Nach dem neuen § 91 Abs 2 (BGBl I 1999/125) kann jeder Ehegatte prinzipiell grundlos davon abgehen. Die Beweislast für entgegenstehende Gründe trifft den anderen Teil. Hier haben die Ehegatten allerdings eindeutig nicht nur eine faktische, sondern eine rechtlich verbindliche Einigung gewollt. Nach hA2 sind allerdings Verträge im rein persönlichen Bereich der Ehegatten unwirksam, weil sonst das hier geltende Prinzip der staatlichen Nichteinmischung bei rein persönlichen Rechten und Pflichten allzu leicht umgangen werden könnte (V/2/32). Die vereinbarte Räumungspflicht betrifft eindeutig das gemeinsame Wohnen und auch die Treuepflicht, da sie nämlich von der Aufnahme bzw vom Bestehen eines Verhältnisses des Mannes zu einer anderen Frau abhängt. Somit ist jedenfalls ein rein persönlicher Bereich erfasst3. Die Verletzung der Treuepflicht müsste ja dann allenfalls auch im Vollstreckungsverfahren releviert werden können. Freilich haben das Wohnen bzw die ebenso geregelten Wohnungskosten auch einen nicht unerheblichen vermögensrechtlichen Bezug. Im vermögensrechtlichen Bereich sind Einigungen verbindlich und klagbar. Wegen der schwierigen Zuordnung zum rein persönlichen oder vermögensmäßigen Bereich ist es – vor allem auch aus Rechtssicherheitsgründen – sachlich und zweckmäßig, nur dort eine Vertragsbindung zuzulassen, wo auch ohne besondere Vereinbarung Eherechte während aufrechter Ehe gerichtlich durchsetzbar sind (zB §§ 94, 97 ua). Hier könnte es sich um einen Fall der gesonderten Wohnungnahme nach § 92 Abs 2 handeln (Konkretisierung der Unzumutbarkeit des Zusammenlebens). Freilich hat der Gesetzgeber im Fall der gesonderten Wohnungnahme nur ein Feststellungsurteil vorgesehen (§ 92 Abs 3 S 2), das keiner Vollstreckung zugänglich ist. Nach dieser gesetzlichen Wertung ist somit eine vollstreckbare Räumungsklage auszuschließen und damit auch die der Frau Hilde H abzuweisen.
2 Vgl nunmehr auch die Rsp OGH JBl 2000, 517. 3 Die schriftliche Vereinbarung hat aber zumindest die Wirkung einer faktischen Einigung. Die Interessenabwägung nach § 91 Abs 2 wird wohl zu Gunsten der Ehefrau ausfallen, so dass die Nichträumung durch den Mann zumindest eine Eheverfehlung darstellt. Diese kann aber erst in einem Scheidungsverfahren releviert werden.
Fall 82: „Die Ehepause“ (F. Kerschner)
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Fall 82: „Die Ehepause“ Sachverhalt1 Martin (M) und Fabia (F) sind seit 20 Jahren verheiratet. F hat bislang den Haushalt geführt und die jetzt selbsterhaltungsfähigen Kinder betreut. Nachdem die Kinder nunmehr auf eigenen Füßen stehen und „außer Haus“ sind, fühlt sich F durch M in ihrer Selbstverwirklichung eingeengt und will daher „in die Welt hinaus“. M stimmt der von F gewünschten vorläufigen Trennung von 1.1.2007 bis 1.6.2007 zu. Als F am 1.6.2007 nicht zurückkehrt, fordert M sie mit Schreiben vom 1.7.2007 auf, binnen vierzehn Tagen zurückzukehren. F, die sich eine weitere Partnerschaft mit M nicht mehr vorstellen kann, begehrt bis zur Klärung der Lage im Scheidungsverfahren Unterhalt iHv € 700. M verweigert dies: „Sie solle sich doch ihren Lebensunterhalt selbst verdienen, wenn sie sich schon selbst verwirklichen will“. Lösung Anspruch der F gegen M auf Zahlung von Unterhalt gem § 94 ABGB2 – Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung gem § 382 Abs 1 Z 8 lit a EO Die Rechtsprechung gewährt „einstweiligen Unterhalt“ bis zur rechtskräftigen Beendigung des Scheidungsverfahrens gem § 382 Abs 2 Z 8 lit a EO3. Der Anspruch nach § 94 Abs 2 setzt eine aufrechte Ehe voraus. Die Ehe zwischen F und M ist noch nicht geschieden. Gem § 94 Abs 2 hat derjenige Ehegatte, der den gemeinsamen Haushalt führt, gegen den anderen Anspruch auf Unterhalt, wobei eigene Einkünfte angemessen zu berücksichtigen sind. Dies gilt auch im Fall der Trennung, so dass der bisher Haushaltsführende seinen Anspruch grundsätzlich in voller Höhe (nach der derzeitigen gerichtlichen Praxis 33% des Nettoeinkommens) behält. Auf die Zumutbarkeit einer Erwerbstätigkeit kommt es nicht an, so dass der Einwand des M grundsätzlich fehl zu schlagen scheint. Nach Aufhebung der ehelichen Gemeinschaft ist der während aufrechter Ehe grundsätzlich in natura zu erbringende Unterhalt (vgl aber § 94 Abs 3) in Geld zu leisten. Allerdings stehen sämtliche auf § 94 gestützten Unterhaltsansprüche unter dem Vorbehalt des Rechtsmissbrauchs, der den Unterhaltsanspruch zum Erlöschen bringt. Rechtsmissbrauch iSd § 94 Abs 2 hat die frühere Rsp4 bei allen krassen Eheverfehlungen angenommen, die auf eine deutliche Eheablehnung 1 2 3 4
Der Sachverhalt ist an die E des OGH JBl 2001, 582 angelehnt. Vgl V/2/53. Vgl V/2/51. ZB OGH JBl 2001, 582; EFSlg 28.585 uva.
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Fünfter Teil: Fälle zum Familienrecht
durch den Unterhaltsberechtigten schließen lassen, so dass die Aufrechterhaltung des Unterhaltsanspruchs für den Verpflichteten grob unbillig wäre. Es fragt sich, ob F ein solches Verhalten durch das Verlassen der gemeinsamen Ehewohnung bzw durch Nichtrückkehr gesetzt hat. Angesichts der mit M getroffenen Vereinbarung kann in einer vorübergehenden Auflösung der Haushaltsgemeinschaft bis 1.6.2007 keine solche krasse Eheverfehlung gesehen werden. Zwar leitet sich aus der Pflicht zur umfassenden Lebensgemeinschaft zwingend eine Pflicht zum gemeinsamen Wohnen ab (§ 90), allerdings kann bloß vorübergehend getrenntes Wohnen wirksam vereinbart werden. Nach dem 1.6.2007 ist Fs gesonderte Wohnungnahme allerdings nicht mehr durch Vereinbarung gedeckt. Eine gesonderte Wohnungnahme nach § 92 Abs 2 kann allerdings durch zweierlei Gründe gerechtfertigt sein: Einerseits Unzumutbarkeit des Zusammenlebens und andererseits wichtige persönliche Gründe. Der Grund für Fs gesonderte Wohnungsnahme liegt im Wunsch „sich selbst zu verwirklichen“. Dass ihr dadurch das Zusammenleben mit M unzumutbar geworden ist, kann nicht angenommen werden, da solches insb bei körperlichen Misshandlungen oder der Gefährdung der körperlichen und seelischen Integrität anzunehmen ist5. Der Wunsch nach Selbstverwirklichung durch dauernd getrenntes Wohnen ist zwischen Ehegatten auch nicht als ein solch wichtiger persönlicher Grund anzusehen, da er der Pflicht zur umfassenden Lebensgemeinschaft diametral entgegensteht. Sowohl M als auch F könnten die Rechtmäßigkeit oder Unrechtmäßigkeit des Wohnverhaltens grundsätzlich feststellen lassen. Ein solches Feststellungsurteil ist aber zB wie hier für Fragen des Unterhalts oder der Scheidung keinesfalls Voraussetzung. Da für die Aufrechterhaltung der Trennung keine triftigen Gründe vorhanden sind, ist Fs Weigerung, die Haushaltsgemeinschaft wieder aufzunehmen, ihr auch subjektiv vorwerfbar. Sie verletzt damit massiv ihre gesetzliche Pflicht zur umfassenden Lebensgemeinschaft. Fs Weigerung lässt unzweifelhaft sogar den völligen Verlust ihres Ehewillens erkennen. Ihr Unterhaltsbegehren könnte daher grundsätzlich als rechtsmissbräuchlich angesehen werden. Allerdings könnte F trotzdem ein Unterhaltsanspruch nach § 94 Abs 2 zustehen. Um Wertungswidersprüche zu vermeiden, ist nämlich auch der neue § 68a EheG zu berücksichtigen, der in zwei Fällen einen verschuldensunabhängigen Unterhaltsanspruch gewährt: 1. Kindererziehungsfall des Abs 1 2. Aufopferungsfall des Abs 2 Auf F treffen die Schutzwürdigkeitserwägungen des § 68a Abs 2 EheG durchaus zu: Sie hat sich zwanzig Jahre lang in Haushaltsführung, Pflege und Erziehung der Kinder „aufgeopfert“. F hätte daher trotz überwiegenden Verschuldens auf ihrer Seite nach Scheidung einen verschuldensunabhängigen Unterhaltsanspruch nach § 68a EheG. Darauf ist auch bei 5 Vgl V/2/39; Schwimann in Schwimann3 § 92 Rz 10.
Fall 82: „Die Ehepause“ (F. Kerschner)
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der Beurteilung der Rechtsmissbräuchlichkeit nach § 94 Abs 2 Bedacht zu nehmen6. Das ergibt ein Größenschluss: Wenn nach der Scheidung ein Unterhaltsanspruch zusteht, dann erst recht unter denselben Voraussetzungen bei aufrechter Ehe, wo die Pflichten zwischen den Ehegatten keine geringeren sein können. Die Harmonisierung des § 94 Abs 2 mit § 68a EheG könnte aber auch anders erfolgen. Welcher Grad des Verschuldens bei F gegeben ist, hat Einfluss auf die Höhe des Anspruchs. Gem § 68a EheG kann der verschuldensunabhängige Unterhaltsanspruch bei besonders gravierenden einseitigen Eheverfehlungen auch gemindert werden. Den Gerichten steht damit ein bewegliches System zur Verwirklichung der Einzelfallgerechtigkeit zur Verfügung. Nach der alten Rsp zu § 94 Abs 2 ist entweder der volle Anspruch oder gar kein Anspruch iS eines „Alles oder nichts“-Prinzips gewährt worden. Eine bloße Herabsetzung des Unterhalts muss nun aber vor dem Hintergrund der Wertungen des § 68a EheG auch nach § 94 Abs 2 möglich sein7. Da es sich bei der EV nur um einen vorläufigen Anspruch handelt, bedarf es bei dieser nach dem OGH aber keiner Feinprüfung8. Der Unterhaltsanspruch der F gegen M besteht, allerdings gemindert entsprechend dem Verschulden der F.
6 Vgl die zutreffende Entscheidung des OGH 7.2.2007, 2 Ob 193/06f. 7 So zutreffend wieder OGH 2 Ob 193/06f. 8 Vgl OGH 2 Ob 193/06f.
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Fünfter Teil: Fälle zum Familienrecht
2. Kindschaftsrecht Fall 83: „Wohnsitzverlegung nach Amerika“ Sachverhalt1 Die Ehe zwischen Martin (M) und Franziska (F) wird am 1.9.2006 gem § 55a EheG einvernehmlich geschieden. Im Scheidungsvergleich einigen sich beide dahin, dass die Obsorge für das neunjährige gemeinsame Kind K bei F sein solle. Diese Obsorgevereinbarung wird pflegschaftsgerichtlich genehmigt. Am 1.12.2007 heiratet F den Amerikaner A. Dieser und F beabsichtigen, mit K nach Amerika zu übersiedeln, wo A eine „Ranch“ besitzt. M beantragt, der F die Obsorge zu entziehen und auf ihn zu übertragen, da die Übersiedlung in die Vereinigten Staaten das Kindeswohl gefährde. M selbst ist derzeit arbeitslos. Wie hat das Pflegschaftsgericht über diesen Antrag zu entscheiden? Lösung Antrag des M, gem § 176 ABGB der F die Obsorge für K zu entziehen und auf ihn zu übertragen Dem Antrag des M ist nur stattzugeben, wenn F obsorgeberechtigt ist und durch ihre Absicht, nach Amerika zu übersiedeln, das Wohl des gemeinsamen Kindes K gefährdet. Während aufrechter Ehe steht die Obsorge für eheliche Kinder grundsätzlich beiden Ehegatten zu (§ 144). Für den Fall der Scheidung haben die Parteien eine Obsorgeregelung zu treffen, die gerichtlich nach Maßgabe des Kindeswohls (§ 177 Abs 3) zu genehmigen ist2. Mit Scheidungsvergleich gem § 55a EheG, der als notwendigen Inhalt eine Zuteilung der Obsorge bzgl gemeinsamer Kinder zu enthalten hat (§ 55a Abs 2 Ehe), andernfalls die Ehe nicht einvernehmlich geschieden werden kann3, wurde die alleinige Obsorge für K der F übertragen4. M stehen damit nur noch das im Scheidungsvergleich vereinbarte Besuchsrecht (vgl § 148)5 sowie Informations- und Äußerungsrechte in wichtigen Angelegenheiten (§ 178)6 zu. 1 Der Sachverhalt ist an die E des OGH 15.2.2000, 10 Ob 25/00z angelehnt. 2 Bei Nichteinigung hat das Gericht eine Obsorgeregelung zu treffen (§ 177a); vgl Ergänzungsheft 16. 3 Vgl V/2/125. 4 F und M hätten im Scheidungsvergleich seit dem KindRÄG 2001 auch eine gemeinsame Obsorge vereinbaren können. Sie hätten dann aber eine Vereinbarung über den hauptsächlichen Aufenthalt des K zu treffen gehabt, die gerichtlich hätte genehmigt werden müssen (§ 177; vgl Ergänzungsheft 16). 5 Vgl V/2/125. 6 Vgl Ergänzungsheft 12.
Fall 83: „Wohnsitzverlegung nach Amerika“ (F. Kerschner)
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Der Elternteil, dem die Obsorge nicht zusteht, kann jedoch die Entziehung der Obsorge und die Übertragung auf ihn beantragen, wenn der Obsorgeberechtigte das Wohl des Kindes gefährdet. Dies ist nur dann zulässig, wenn der Obsorgeberechtigte die elterlichen Pflichten subjektiv gröblich vernachlässigt oder wenigstens objektiv nicht erfüllt oder vernachlässigt7. Die Änderung der Obsorge darf nur äußerste Notmaßnahme sein. Dabei ist ein strenger Maßstab anzulegen und es bedarf besonders wichtiger Gründe, die im Interesse des Kindes eine so einschneidende Maßnahme dringend geboten erscheinen lassen, weil andernfalls das Wohl des pflegebefohlenen Kindes gefährdet wäre8. Die Wohnsitzverlegung eines Kindes durch den Obsorgeberechtigten in einen Drittstaat ist nicht generell eine Gefährdung des Kindeswohls9. Da das Kindeswohl eine materielle, geistige und seelische Komponente aufweist und diese Komponenten auch bei der Wohnsitzverlegung jeweils nach den Umständen des konkreten Falls zu beurteilen sind, spielen das fremde Recht, die fremde Kultur und Religion, der Umstand der materiellen Versorgung im Wohnsitzstaat sowie Alter, Sprachkenntnisse und Staatsbürgerschaft des Kindes eine wesentliche Rolle10. Diese Umstände können umso eher zu Anpassungsproblemen führen, je älter das Kind ist. Im vorliegenden Fall wird der Antrag des M abzuweisen sein. Die materielle Versorgung des K ist auf der Ranch des A in Amerika eher gewährleistet als beim derzeit arbeitslosen M. Zum anderen lassen die amerikanische Kultur und die amerikanischen Lebensbedingungen – auch nach den letzten weltpolitischen Entwicklungen – per se noch keine Kindeswohlgefährung befürchten. Weiters kann bei einem Neunjährigen das Erlernen der englischen Sprache erwartet werden. Interessen des M, die gegen die Wohnsitzverlegung sprechen (insb erschwerte Besuchsbedingungen), spielen dabei mittelbar nur insofern eine Rolle, als sie Auswirkungen auf das Kindeswohl haben können (Recht des Kindes auf persönlichen Verkehr mit dem nicht obsorgeberechtigten Elternteil; vgl § 148). Damit M jedoch seine Mindestrechte bei Übersiedlung nach Amerika faktisch ausüben kann, wird eine neue Besuchsrechtsregelung (einvernehmlich) zu treffen sein. Kommt eine solche einvernehmlich nicht zustande, so hat das Gericht die Ausübung dieses Rechts unter Bedachtnahme auf die Bedürfnisse und Wünsche des Kindes in einer dem Wohl des Kindes gemäßen Weise zu regeln (§ 148 Abs 1 ). Das Pflegschaftsgericht hat den Antrag des M abzuweisen. 7 Vgl Weitzenböck in Schwimann3 § 176 Rz 4; Stabentheiner in Rummel3 § 176 Rz 2; Pichler in Klang3 § 176 Rz 5. 8 OGH 15.2.2000, 10 Ob 25/00z. 9 Keine Gefährdung des Kindeswohls: Übersiedlung eines siebenjährigen Kindes nach Jugoslawien (LGZ Wien EFSlg 38.377); Übersiedlung von acht- und zehnjährigen Kindern mit philipinischer Mutter nach Philipinen (LGZ Wien EFSlg 75.161); Gefährdung des Kindeswohls: Verbringung von Kindern nach Pakistan durch pakistanischen Vater (LGZ Wien EFSlg 71.864); Verbringung des Kindes nach Ägypten durch den Vater (LGZ Wien EFSlg 68.827). 10 Vgl OGH 15.2.2000, 10 Ob 25/00z.
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Fünfter Teil: Fälle zum Familienrecht
Fall 84: „Gemeinsame Obsorge und Unterhalt“ Sachverhalt1 Die Ehe von Maria und Viktor wird 2004 einvernehmlich geschieden. Für die drei aus der Ehe stammenden minderjährigen Kinder (14, 13 und 6 Jahre) besteht gemeinsame Obsorge. Als hauptsächlicher Aufenthaltsort ist der Wohnort von Maria festgelegt. Dort halten sich die Kinder auch überwiegend auf. Anfang 2006 ist Maria mit den Kindern zu ihrem Lebensgefährten Ludwig gezogen. Die Wohnorte von Maria und Viktor sind nunmehr rund 300 km entfernt. Viktor steht ein Besuchsrecht von 4 Tagen pro Monat (jedes zweite Wochenende 2 Tage) zu. Anlässlich der Scheidung hat sich Viktor zu monatlichen Unterhaltsleistungen für die drei Kinder von insgesamt € 500,– verpflichtet. Maria begehrt nun im Namen der gemeinsamen Kinder eine Erhöhung des Unterhalts um insgesamt € 250,–. Viktors monatliches Nettoeinkommen beläuft sich auf € 2.000,–. Viktor spricht sich gegen eine derartige Erhöhung aus und wendet ein, dass er monatlich € 450,– an Reisekosten aufbringen müsse, um sein Besuchsrecht ausüben zu können. Dieser Betrag sei jedenfalls von der Unterhaltsbemessungsgrundlage abzuziehen. Des Weiteren bestehe noch eine Sorgepflicht für den aus einer außerehelichen Beziehung stammenden 12 Jahre alten Paul. Wie ist die Rechtslage? Lösung Anspruch der Kinder, vertreten durch die Mutter, gegen Viktor auf Erhöhung des Geldunterhaltes von € 500,– auf € 750,– gem § 140 Abs 1 ABGB Der Anspruch auf Herauf- (bzw auch Herab-) setzung des Unterhaltes ist im außerstreitigen Verfahren durchzusetzen2. Die Eltern haben grundsätzlich iSd § 140 Abs 1 gemeinsam „nach ihren Kräften“ zum Unterhalt beizutragen (Anspannungstheorie). Jener Elternteil, der den Haushalt führt, in dem das Kind betreut wird, leistet dadurch seinen Beitrag (§ 140 Abs 2). (Diese Anordnung betrifft nach der freilich sehr zweifelhaften Rspr nur das Verhältnis zwischen den beiden Elternteilen3.) Zur Betreuung, die das Kind im Rahmen des Haushaltes erfährt, 1 Der SV ist im Wesentlichen der Entscheidung des OGH 7 Ob 102/06k, 21.6. 2006 = FamZ 2006, 200 mAnm Neumayr = EF-Z 2006/51 mAnm Tews/Gitschthaler = ÖA 2006, 142 = Zak 2006/494 = ÖJZ-LSK 2006/253 = EvBl 2007/1 = RZ 2007, 24 entnommen. Für wesentliche Vorarbeiten zu diesem Fall ist Frau Mag. Brigitte Lang sehr herzlich zu danken. 2 Stabentheiner in Rummel3 § 140 Rz 16; seit 1.1.2005 sind alle Unterhaltsansprüche (auch der volljährigen Kinder) im außerstreitigen Verfahren durchzusetzen. 3 Vgl OGH 1 Ob 560/95, 26.8.1992 = SZ 65/114= EvBl 1993/12 = JBl 1993, 238.
Fall 84: „Gemeinsame Obsorge und Unterhalt“ (F. Kerschner)
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rechnet die Judikatur die Zubereitung der Nahrung, Reinigung der Kleidung und Wäsche, Pflege im Krankheitsfall aber auch die Überlassung der Wohnung zur Mitbenützung und geistig-seelische Erziehungsmaßnahmen4. Sowohl die Bedürfnisse des Kindes unter Berücksichtigung seiner Anlagen, Fähigkeiten, Neigungen und Entwicklungsmöglichkeiten als auch die Leistungsfähigkeit der Eltern sind für die Frage der Höhe des Kindesunterhaltes ausschlaggebend. Die Judikatur orientiert sich am Regelbedarf bzw an Prozentsätzen des monatlichen Durchschnittseinkommens („Prozentjudikatur“): bis zu 6 Jahren
16 %
zwischen 6 und 10 Jahren
18 %
zwischen 10 und 15 Jahren
20 %
über 15 Jahre
22 %
Für konkurrierende weitere Unterhaltspflichten erfolgen Abzüge: 1 % für ein Kind unter 10 Jahre, 2 % für ein Kind über 10 Jahre und 0–3 % für einen Ehegatten, je nach dessen Eigenverdienst. Für den hier einschlägigen Fall bedeutet das, dass ausgehend von einem monatlichen Nettolohn von € 2.000,–, Viktor für seine Kinder (14, 13 und 6 Jahre) insgesamt einen Unterhalt von € 840,– zu leisten hätte. 1. Kind (14 J)
20 %
abzüglich 5 %, da 3 weitere Unerhaltspflichten bestehen
15 % = € 300
Regelbedarf5 € 315
2. Kind (13 J)
20 %
abzüglich 5 %, da 3 weitere Unerhaltspflichten bestehen
15 % = € 300
Regelbedarf € 315
3. Kind (6 J)
18 %
abzüglich 6 %, da 3 weitere Unerhaltspflichten bestehen
12 % = € 240
Regelbedarf € 275
€ 840
€ 905
Die geforderten € 750,– monatlich stehen daher grundsätzlich zu und bewegen sich sogar unterhalb der nach der Prozentmethode ermittelten Sätze und des Regelbedarfes. Die weitere Sorgepflicht für den 12jährigen Paul wurde bei der Prozentberechnung berücksichtigt. Einzugehen ist nun auf den Einwand Viktors, die Reisekosten für die Besuchsrechtsausübung minderten die Unterhaltsbemessungsgrundlage. Die durch das KindRÄG 2001 geänderte Rechtslage sieht seit 1.7.2001 die Möglichkeit der gemeinsamen Obsorge vor. Die §§ 167 Abs 2 und 177 Abs 1 ermöglichen es den Eltern, eine solche zu vereinbaren. 4 Siehe die Nachweise aus der Rspr in Gitschthaler, Unterhaltsrecht Rz 17. 5 Regelbedarf ab 1.7.2006; siehe dazu www.help.gv.at.
Fünfter Teil: Fälle zum Familienrecht
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Auch bei gemeinsamer Obsorge haben sich die Eltern darauf zu einigen, bei welchem Elternteil sich das Kind hauptsächlich aufhalten soll. In diesem Zusammenhang hat der OGH ausgesprochen, dass der Elternteil, der den Haushalt des „hauptsächlichen Aufenthalts“ führt (hier die Mutter), weiterhin als derjenige anzusehen ist, der seine Unterhaltspflicht nach § 140 Abs 2 ABGB erfüllt. Der andere Elternteil (meist – wie auch hier – der Vater) müsse seinen Unterhaltsbeitrag in Geld leisten6. Das Besuchsrecht ist in § 148 geregelt und nunmehr auch explizit als ein Recht des Kindes, dem eine entsprechende Elternpflicht gegenübersteht, normiert. Nur wenn die übliche Dauer des Besuchsrechts überschritten wird, könne dies nach der Rspr zu einer Reduzierung der Unterhaltspflicht führen. Da im vorliegenden Fall ein Besuchsrecht von 2 Tage alle 2 Wochen vereinbart ist – dies sei als „üblich“ anzusehen – schmälern die Aufwendungen von Viktor gemäß OGH die Unterhaltsbemessungsgrundlage nicht. Ein 14-tägiges Besuchsrecht und ein Ferienaufenthalt von 4 Wochen gelten als üblich7. Die höheren Fahrtkosten seien daher nicht zu berücksichtigen8. Erst bei einem mehr als vierwöchigen Aufenthalt liege eine Besuchsrechtsausübung über dem gewöhnlichen Ausmaß vor 9. Selbst bei einem die übliche Dauer überschreitenden Besuchsrechts und einer dadurch bedingten Reduzierung der Unterhaltsverpflichtung sei laut OGH zu beachten, dass ausschließlich von den ersparten Aufwendungen des Elternteils auszugehen sei, bei dem sich das Kind hauptsächlich aufhalte. Die dadurch erzielbaren Abzüge seien aber entsprechend niedrig, da sich der hauptsächlich betreuende Elternteil nur einzelne Bereiche des Unterhaltes erspare (va Nahrung), während die Fixkosten (insb Bereithaltung von Wohnraum) unberührt blieben10. Gitschthaler kritisiert hier zu Recht, dass es sich bei der Reduzierung des Unterhaltes dann nur um Bagatellbeträge handeln könne11. Durch die hohen Fahrtkosten des Vaters wird die Mutter hier wohl überhaupt nicht finanziell entlastet, daher wird in solchen Fällen eine Anrechnung nach dem OGH immer scheitern12. Seine äußerst restriktive Haltung relativiert der OGH allerdings durch den Verweis auf die Rspr des deutschen BGH. Danach müsse der unterhaltspflichtige Elternteil seinem Besuchsrecht nachkommen können, ohne seinen eigenen Unterhalt zu gefährden. Erst wenn Viktor ohne eine Unterhaltsherabsetzung auf Sozialhilfe angewiesen wäre, könne es zu einer Unterhaltskürzung kommen. Eine derartige Existenzgefährdung wird allerdings nicht die Regel sein13. 6 7 8 9 10 11 12 13
Vgl OGH 7 Ob 145/04f, 25.5.2005 und OGH 7 Ob 102/06k, 21.6.2006. So OGH 6 Ob 20/97b, 27.2.1997. Vgl die Nachweise bei Gitschthaler, Unterhaltsrecht Rz 45. Vgl LGZ Wien EFSlg 86.029; OGH 10 Ob 2018/96d = EFSlg 79.968. Siehe dazu Gitschthaler, Unterhaltsrecht Rz 46. Gitschthaler, Unterhaltsrecht Rz 46. Auch Neumayr, FamZ 2006, 200 steht der Linie des OGH kritisch gegenüber. So auch Neumayr, FamZ 2006, 200.
Fall 84: „Gemeinsame Obsorge und Unterhalt“ (F. Kerschner)
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In der diesem Fall zugrunde liegenden Entscheidung betont der OGH, dass beim Besuchsrecht das Wohl des Kindes im Vordergrund stehe. Es sei daher nicht zu rechtfertigen, den Unterhalt des Kindes zu mindern, weil der Wohnort des geldunterhaltspflichtigen Vaters weit entfernt sei. Da hier schon keine das üblich Ausmaß überschreitende Besuchsregelung vorliege und darüber hinaus die Kosten für die Besuchsfahrten nicht existenzgefährdend seien, stehe einer Erhöhung des Unterhaltes nichts im Wege14. Diese überaus restriktive Ansicht der Rspr ist höchst fraglich. Erbringt der (geld-) unterhaltspflichtige Elternteil im Rahmen der gemeinsamen Obsorge nämlich tatsächliche Unterhalts- und Pflegeleistungen, so muss dies bei der Bemessung des Unterhaltes berücksichtigt werden. Wenn – wie nach der erörterten Judikaturlinie des OGH – nur das „Ersparte“ des überwiegend betreuenden Elternteils anzuerkennen sei, so wird dabei die Wertung des § 140 übersehen. Danach sind Geld- und Naturalunterhalt grundsätzlich als gleichwertig anzusehen. Zudem sind eben die Lebensverhältnisse der Eltern durch die Vereinbarung der gemeinsamen Obsorge einvernehmlich (!) gestaltet worden. Auch ist zu befürchten, dass bei Fortschreiten dieser „väterfeindlichen“ Rspr die Bereitschaft der Väter zu gemeinsamer Obsorge und verstärktem Umgang sinken wird15. Maßgeblich betreuen und „voll“ zahlen, wird auf Dauer nicht zu haben sein. Ob hier tatsächlich beim Besuch entlastende Betreuungsleistungen aufgrund der gemeinsamen Obsorge erfolgen, ist nach dem Sachverhalt nicht klar erkennbar. Hier steht aber ohnehin die zweite Unterhaltsbemessungskomponente, nämlich die Leistungsfähigkeit des Vaters im Vordergrund. Es geht um die Frage, ob dieser durch die außerordentlich hohen Reisekosten in seiner Leistungsfähigkeit beeinträchtigt ist. Zu beachten ist sicher auch, aus welchem Grund die Wohnorte der Elternteile derart weit auseinander liegen. Sollte nämlich der Fall so liegen, dass der hauptsächlich betreuende Elternteil aus Gründen, die nicht mit dem Kindeswohl zu rechtfertigen sind, weit weg vom bisherigen Wohnort zieht, müssten die hohen Anreisekosten jedenfalls Berücksichtigung finden16. Damit deckt sich das Argument von Tews17, der aus dem Wortlaut des § 140 („Die Eltern haben zur Deckung der ihren Lebensverhältnissen angemessenen Bedürfnisse des Kindes … nach ihren Kräften anteilig beizutragen.“) ableitet, dass das Kind tatsächlich – positiv wie auch negativ – an den Lebensverhältnissen der Eltern teilhaben soll. In diesem Sinne wären auch hohe Reisekosten zur Ausübung des Besuchsrechts Teil der Lebensverhältnisse. Die Mutter verlegt laut Sachverhalt ihren Wohnort, um mit ihrem Lebensgefährten zusammenzuziehen. Dies stellt keinen Grund dar, der auf 14 15 (2004) 16 17
Vgl nochmals OGH 7 Ob 102/06k, 21.6.2006. Vgl dazu schon Kerschner in Riedler (Hrsg), Privatrecht VI Familienrecht Rz 9/89 und Rz 12/36. So auch Neumayr, FamZ 2006, 200 und Tews/Gitschthaler, EF-Z 2006/52. Tews/Gitschthaler, EF-Z 2006/52.
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Fünfter Teil: Fälle zum Familienrecht
das Kindeswohl zurückzuführen ist. Die hohen Anreisekosten sind daher im Rahmen der Leistungsfähigkeit des Vaters grundsätzlich zu berücksichtigen18. Auch bereits vor der Neuregelung durch das KindRÄG 2001 wurde die gemeinsame Obsorge in einigen Fällen bereits de facto praktiziert. Der OGH19 hat in diesem Bereich durchaus Tendenzen in die richtige Richtung erkennen lassen. So wurde in einem Fall, bei welchem dem Vater zwar die alleinige Obsorge zukam, tatsächlich Vater und Mutter aber gleichwertige Betreuungsleistungen erbrachten (jeweils 50%), ein Ausgleich zwischen den Eltern angestrebt. Im Ergebnis ist das mit der Begründung allerdings verneint worden, dass der Vater alle größeren, langlebigeren Anschaffungen trage. Nur wenn die Mutter auch die Anschaffungen für die längerlebigeren Aufwendungen sowie der Bekleidung und des Schuhwerks zur Hälfte getragen hätte, könne „von einer völligen Bedarfsdeckung des Kindes im Wege von Naturalleistungen durch beide Elternteile ausgegangen werden.“ Da dies nicht zutreffe, müsse die (nicht obsorgeberechtigte) Mutter den auf den Regelbedarf noch fehlenden Geldunterhalt im Ausmaß ihrer Leistungsfähigkeit bestreiten20. Auch eine weitere Entscheidung des OGH lässt zumindest im Ansatz richtige Tendenzen erkennen21. In diesem Fall verfügen sowohl der Vater als auch die Mutter über hohe monatliche Nettoeinkünfte (ca € 4.000,– und € 2.200,–) und teilen sich die Betreuung im Ausmaß von 4/722 (Mutter) und 3/7 (Vater). Mangels Regelung einer Obsorge ist diese bei beiden Elternteilen verblieben. Der Vater sei somit zu 3/7 naturalunterhaltspflichtig und zu 4/7 geldunterhaltspflichtig. Der Mutter würden somit nur 4/7 des bei alleiniger Betreuung zustehenden Geldunterhaltes gebühren. Eine darüber hinausgehende Anrechnung der konkreten Naturalleistungen des Vaters komme aber nicht in Betracht. Die Auffassung des Vaters, wonach dem Sohn nur 1/7 an Geldunterhalt zustehe, „entbehrt jeder Grundlage“. Der OGH fügt auch zutreffend an, dass eine gemeinsame Obsorge eben einmal zu einem „insgesamt erhöhten Aufwand“ (zweifache Fixkosten) führe. Im Fall der gemeinsamen Obsorge, gleichen Betreuungsleistungen und gleich hohen Einkommensverhältnissen der Eltern muss eine beiderseitige Verpflichtung zu Naturalunterhalt bzw eine wechselseitige Geldunterhaltsverpflichtung bestehen. Wie erwähnt entstehen natürlich erhöhte Aufwendungen (etwa 2 Kinderzimmer, doppelte Kleidungskosten usw)23. Differenzieren die Betreuungsleistungen und/oder die Einkommensverhältnisse, dann muss eben proportional berechnet werden. 18 In der OGH Entscheidung 7 Ob 102/06k, 21.6.2006, ist nicht ersichtlich, warum die Wohnorte der Eltern derart weit auseinander liegen; im Ergebnis verneinte der OGH eine Anrechnung der Reisekosten. 19 OGH 6 Ob 182/02m, 12.12.2002. 20 OGH 6 Ob 182/02m, 12.12.2002. 21 OGH 3 Ob 222/02x, 18.12.2002. 22 4 Tage pro Woche. 23 Vgl Gitschthaler, Unterhaltsrecht Rz 46.
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Fall 85: „Schicki-Miki“ (F. Kerschner)
Entgegen dem OGH (siehe bereits oben) wären im Ergebnis die Anfahrtskosten von Viktor dennoch zu berücksichtigen und würden die Unterhaltsbemessungsgrundlage entsprechend schmälern. Dies vor allem deshalb, weil Maria ihren Wohnort derart weit verlegt hat, ohne dass dies durch das Kindeswohl zu rechtfertigen wäre. Fraglich ist, ob die Berücksichtigung tatsächlich in dem von Viktor geforderten Ausmaß (€ 450) erfolgt. Angemessen wäre hier wohl eine Berücksichtigung von 4/5 des geforderten Betrages (somit € 360). Geht man davon aus, dass die Bemessungsgrundlage nun € 1.640,– beträgt, ergeben sich folgende Unterhaltspflichten: 1. Kind (14 J)
20 %
abzüglich 5 %, da 3 weitere Unerhaltspflichten bestehen
15 % = € 246
2. Kind (13 J)
20 %
abzüglich 5 %, da 3 weitere Unerhaltspflichten bestehen
15 % = € 246
3. Kind (6 J)
18 %
abzüglich 6 %, da 3 weitere Unerhaltspflichten bestehen
12 % = € 196,80 € 688,80,–
Der geforderte Betrag von € 750,– wäre demnach tatsächlich zu hoch angesetzt. Eine Erhöhung des Kindesunterhaltes auf insgesamt € 688,80,– steht jedoch zu.
Fall 85: „Schicki-Miki“ Sachverhalt1 Mike (M) ist außerehelicher Vater des am 1.1.2005 geborenen Patrick (P), der bei seiner Mutter Fanny (F) lebt. M betreibt eine Brokerfirma als eigenen Gewerbebetrieb, aus dem er ein monatliches Einkommen von € 400 bezieht. Bis 1.1.2006 war M zudem als freier Mitarbeiter einer Vermögensberatungsfirma tätig und bezog dort ein durchschnittliches monatliches Einkommen von € 1.500 netto. Ohne triftigen Grund gibt er diese auf. Seither arbeitet M ausschließlich im eigenen Gewerbebetrieb. Das Pflegschaftsgericht setzt am 1.7.2006 den Unterhalt für P ab seiner Geburt mit € 250 monatlich fest. Am 1.12.2006 begehrt M, den Unterhalt für P rückwirkend zum 1.1.2006 und für die Zukunft auf € 50 monatlich herabzusetzen. Er begründet dies mit seinem niedrigen monatlichen Nettoeinkommen. Insb könne er selber seinen Lebensunterhalt nur durch ein Privatdarlehen finanzieren und sei laufenden Rückzahlungsverpflichtungen ausgesetzt. Dagegen verfüge F aus gelegentlichen Modeljobs ca über € 1.500 monatlich. 1 Sachverhalt an die E des OGH EvBl 2001/89 angelehnt.
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Fünfter Teil: Fälle zum Familienrecht
Lösung2 Antrag des M auf Herabsetzung des Unterhalts Die Entscheidung über die gesetzlichen Unterhaltsanprüche Minderjähriger und jetzt auch Volljähriger (ehelicher wie unehelicher Kinder) ist im Außerstreitverfahren zu treffen3. Gem § 140 Abs 1 haben die Eltern zur Deckung der ihren Lebensverhältnissen angemessenen Bedürfnisse des Kindes unter Berücksichtigung seiner Anlagen, Fähigkeiten, Neigungen und Entwicklungsmöglichkeiten nach ihren Kräften anteilig beizutragen. Ein Kind unter 6 Jahren – wie P es ist – hat nach stRsp grundsätzlich einen Anspruch auf Zahlung eines Betrags von 16% des monatlichen Durchschnittseinkommens des Unterhaltspflichtigen. M bezieht in der Zeit vom 1.1.2005 bis 1.1.2006 ein Einkommen von € 1.500 netto zuzüglich € 400 aus eigenem Gewerbebetrieb. Ab 1.1.2006 verdient er jedoch nur noch € 400 monatlich. Bei selbstständig Erwerbstätigen ist nach hL4 und stRsp5 bei der Unterhaltsbemessung für die Zukunft regelmäßig das Durchschnittseinkommen der letzten drei Wirtschaftsjahre heranzuziehen. Damit soll verhindert werden, dass die Unterhaltsbemessungsgrundlage durch Einkommensschwankungen verzerrt wird, die auf steuerliche Gestaltungsmöglichkeiten zurückzuführen sind. Für die Prüfung, ob in der Vergangenheit ausreichend Unterhalt geleistet worden ist, kommt es auf das tatsächliche Einkommen an. Auch unter Zugrundelegung eines Durchschnittseinkommens aus selbständiger Erwerbstätigkeit ergibt sich auf Ms Seite nicht mehr als ein Einkommen von € 400 monatlich. Dagegen verfügt die Mutter F monatlich über € 1.500. Da F den P im Haushalt betreut, könnte sie damit bereits gem § 140 Abs 2 ihren Beitrag zu Ps Unterhalt leisten. Ihr Einkommen hätte daher bei der Unterhaltsbemessung außer Betracht zu bleiben. Nur ausnahmsweise hat auch der betreuende Elternteil zu weiteren Unterhaltsleistungen beizutragen, nämlich wenn • entweder der andere Elternteil nicht ausreichend leistungsfähig ist • oder der andere Elternteil aufgrund erheblich geringeren Einkommens im Vergleich zum betreuenden Elternteil unangemessen viel leisten müsste6. Da M seit 1.1.2006 lediglich über ein Einkommen von € 400 verfügt, erscheint die Verpflichtung zur Zahlung von € 250 monatlich „seinen Lebensverhältnissen entsprechend“ (§ 140) unangemessen hoch. Allerdings trifft den Unterhaltspflichtigen die Obliegenheit, für die Erfüllung seiner gesetzlichen Unterhaltspflicht im zumutbaren Rahmen alle seine Kräfte anzuspannen, um seiner Unterhaltspflicht nachkommen zu können. Wenn der 2 Vgl V/2/73 ff. 3 Neuhauser in Schwimann3 § 140 Rz 119. 4 Schwimann, Unterhaltsrecht3 (2004) 54. 5 ZB OGH EvBl 2001/89. 6 Vgl Neuhauser in Schwimann3 § 140 Rz 19; Pichler in Klang3 § 140 Rz 8; Stabentheiner in Rummel3 § 140 Rz 10.
Fall 86: „Der Casanova“ (F. Kerschner)
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Verpflichtete diese Obliegenheit schuldhaft (vorsätzlich oder fahrlässig) verletzt, wird jenes Einkommen zugrundegelegt, das er bei zumutbarer Erwerbstätigkeit nach den konkreten Umständen tatsächlich erzielen könnte (Anspannungstheorie). M hat ohne triftige Gründe seine Tätigkeit als freier Mitarbeiter bei der Vermögensberatungsfirma aufgegeben und hat somit schuldhaft die Situation herbeigeführt, nicht mehr zu verdienen. Bei der Unterhaltsfestsetzung ist somit auch ein fiktives Einkommen von ca € 1.500 heranzuziehen. In einem solchen Fall scheidet ebenso eine – zwar auch für die Vergangenheit grundsätzlich zulässige – Unterhaltsherabsetzung7 auf Grundlage des tatsächlich erzielten Einkommens aus. Auch die Tatsache, dass M seinen Lebensunterhalt aus Privatkrediten deckt, ist daher grundsätzlich unerheblich. Rückzahlungsverpflichtungen, die sich aus Kreditverträgen ergeben, können zwar uU die Bemessungsgrundlage dann mindern, wenn die Kreditmittel dem Unterhaltsberechtigten zu Gute kommen. Wendet man aber die Anspannungstheorie konsequent an, muss eine solche Kreditrückzahlung unberücksichtigt bleiben. Auch das Einkommen der Mutter F hat gem § 140 Abs 2 gänzlich außer Betracht zu bleiben, weil hier keine der oben genannten Ausnahmen vom Grundsatz der Betreuung als ausreichende Unterhaltsleistung zutrifft. Es kann dahingestellt bleiben, ob man das von M höchsterzielbare Einkommen von € 1.900 oder ein durchschnittliches Monatseinkommen von € 1.500 zugrundelegt, da die gerichtlich festgesetzten € 250 dem P als Unterhalt in jedem Fall zustehen. Dem Herabsetzungsbegehren des M ist daher nicht stattzugeben.
Fall 86: „Der Casanova“ Sachverhalt1 Der verheiratete Landmaschinenhändler Friedl (F) lernt bei seiner Tätigkeit mehrfach Frauen näher kennen. Während der Landwirtschaftsmesse im Sommer 2005 in W unterhält er mit der rund zwanzig Jahre jüngeren und ebenso verheirateten Poldi (P) ein intimes Liebesverhältnis. Ps Gatte Gustl (G) ist gerade als Fernfahrer im Ausland unterwegs. Nach Ende der Messe will F von P nichts mehr wissen. Als G am Stammtisch vom Seitensprung der P erfährt, vermutet er, dass die im Frühjahr geborene Tochter Susanne (S) gar nicht von ihm stamme. Zur „Bereinigung“ allfälliger Ansprüche treffen G, P und F schließlich folgende Vereinbarung: G und P verpflichten sich, weder vor Gericht noch außergerichtlich zu 7 Wäre eine solche Unterhaltsrückzahlung für die Vergangenheit berechtigt, so könnte der Unterhaltsberechtigte jedoch gutgläubigen Verbrauch einwenden. 1 Der Sachverhalt ist an die E des OGH JBl 2001, 712 angelehnt. Seit dem 1.7.2004 kommen dem Staatsanwalt bezüglich der Ehelichkeit eines Kindes keine Klage- und Anfechtungsbefugnisse mehr zu.
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Fünfter Teil: Fälle zum Familienrecht
behaupten, S sei nicht ehelich. F verpflichtet sich, € 35.000 an P und G zu bezahlen. Im Nachhinein wird P aber stutzig. Zur Überraschung aller entdeckt sie aufgrund der Blutgruppe ihrer Tochter, dass nur G und nicht F der Vater sein kann. F begehrt die Rückzahlung des bereits geleisteten Betrags von € 35.000,–. Lösung I. Anspruch des F gegen G gem § 1042 ABGB Da G der Vater der S und demnach unterhaltspflichtig ist, könnte F einen Aufwand für G gemacht haben, „den dieser nach dem Gesetz selbst hätte machen müssen“. Ein solcher Aufwandersatzanspruch nach § 1042 kommt aber deshalb nicht in Betracht, weil die Zahlung des F an G und P einen Rechtsgrund in der vertraglichen Abmachung hatte. Selbst wenn wegen allfälliger Sittenwidrigkeit der Vereinbarung die Zahlung des F rechtsgrundlos erfolgt sein sollte (dazu näher unten), so handelt es sich nach dem Charakter der gegenständlichen Zahlung nicht um irrtümlich erbrachte Unterhaltsleistungen. Aber nur in einem solchen Fall könnte der irrtümlich Leistende die Leistung nachträglich als für den wahren Unterhaltsschuldner erbracht gelten lassen2. II. Anspruch des F gegen G und P gem § 877 bzw § 1431 ABGB Ein solcher Bereicherungsanspruch setzt voraus, dass die Zahlung von € 35.000 rechtsgrundlos erbracht wurde. Als Rechtsgrund der Zahlung kommt hier ein Vergleich (arg „zur Bereinigung der Ansprüche“) in Betracht. Rechtsgrundlos ist die Zahlung dann, wenn der Vergleich zwischen F, P und G entweder nichtig oder im Wege eines Gestaltungsrechts (vgl § 1385: Anfechtung wegen Grundlagenirrtums) beseitigbar ist. Vorrangig zu prüfen ist eine allfällige Nichtigkeit. Bei der Generalklausel des § 879, wonach sittenwidrige Verträge nichtig sind, müssen gerade auch grundrechtliche Wertungen beachtet werden (Drittwirkung der Grundrechte). Im Bereich der Eltern- Kind-Beziehung ist auf den speziell durch Art 8 EMRK manifestierten verfassungsrechtlichen Schutz Rücksicht zu nehmen. Dieser schließt auch das Grundrecht auf Feststellung der richtigen Vaterschaft mit ein. Art 8 EMRK schützt sowohl die eheliche als auch die außereheliche Vaterschaft3. Dieser Schutz setzt voraus, dass ein Kind im Streitfall die Zugehörigkeit zur „richtigen“ Familie durch ein formelles Verfahren klären lassen kann. Die entgeltliche Abbedingung des Rechts auf Feststellung der wahren Vaterschaft zu Lasten des Kindes – wie hier vereinbart – ist daher absolut nichtig. Daran ändert auch das mit dem 2 Vgl dazu Auckenthaler, Die irrtümliche Zahlung fremder Schulden (1980). 3 Pernthaler/Rath-Kathrein in: 40 Jahre EMRK Grund- und Menschenrechte in Österreich, II 245, 264 mwN aus der Rsp des EGMR in FN 94 und 95.
Fall 86: „Der Casanova“ (F. Kerschner)
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Fam ErbRÄG neu begründete Recht des Kindes auf Feststellung, dass es nicht vom Ehemann der Mutter abstammt nichts (§ 156). Durch die vereinbarte Schweigepflicht wird nämlich die Position des Kindes erheblich beeinträchtigt. Rechtsgrundlage für die Rückforderung nichtiger Leistungen bildet § 1431 (condictio indebiti)4, sofern der Verbotszweck nicht einen Ausschluss der Kondiktion verlangt. Eine Kondiktion gem § 1174 Abs 1 S 3 (condictio ob turpem vel iniustam causam) kommt wohl nicht in Betracht, da der Betrag von € 35.000 nicht zur Verhinderung einer unerlaubten Handlung gegeben wurde. Die Erhebung der Vaterschaftsklage ist ja grundsätzlich erlaubt. Auch der Ausschluss des Bereicherungsanspruchs gem § 1174 Abs 1 S 1 (Bewirkung einer unerlaubten Handlung) trifft hier nicht zu: Das Geleistete müsste nach der Absicht der Parteien Belohnung oder Entgelt für eine unerlaubte Tätigkeit sein. Die Nichterhebung der Ehelichkeitsbestreitungsklage ist aber per se nicht rechtswidrig, da zu ihrer Erhebung der Ehemann rechtlich nicht verpflichtet ist. F hat auch irrtümlich iSd § 1431 geleistet, da er zum einen die Vereinbarung für wirksam und zum anderen seine Vaterschaft als möglich gehalten hat. Der Anspruch des F auf Rückzahlung von € 35.000 besteht daher zu Recht.
4 AA Rummel in Rummel3 § 877 Rz 2, der Analogie zu § 877 annimmt; differenzierend Apathy/Riedler in Schwimann3 § 877 Rz 5 f.
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Fünfter Teil: Fälle zum Familienrecht
3. Scheidung und Scheidungsfolgenrecht Fall 87: „Die ‚ehrlose‘ Ehefrau“ Sachverhalt1 Beatrice (B) und Arnold (A) sind seit 1982 verheiratet und haben zwei Kinder, die 1983 bzw 1985 geboren sind. B hatte zu Beginn der Ehe als Sekretärin gearbeitet. Sie hat ihren Beruf aber nach der Geburt des ersten Kindes aufgegeben und auch keine weitere Ausbildung verfolgt, um sich ganz der Familie und dem Haushalt widmen zu können. Mittler weile ist B 47 Jahre alt. Während A die Ehe bis in das Jahr 2006 als harmonisch empfunden hat, trifft dies bei B schon seit längerem nicht mehr zu. Der Hauptgrund dafür ist, dass A stets vehement gegen einen Wiedereinstieg der B ins Berufsleben eingetreten ist. Besonders bedrückend sind für B die gelegentlichen Beschimpfungen und Vorwürfe wegen völlig nichtiger Gründe, die maßgeblich auf die cholerische Natur des A zurückzuführen sind. Auch hat B seine Körperpflege immer mehr als unzulänglich empfunden und sich daran gestoßen, dass er seine Freizeit gelegentlich lieber allein auf seinem Motorrad zugebracht hat als mit ihr gemeinsam. Für gemeinsame kulturelle Aktivitäten ist A überhaupt nicht mehr zu haben gewesen. Er hat sich zunehmend von ihr zurückgezogen. Immerhin aber haben sie noch bis 2006 gemeinsam Urlaub verbracht und sich an den Wochenenden regelmäßig in ihrem Wochenendhaus aufgehalten. Im September 2006 verbringt B allein einen Urlaub auf Mallorca. Dort lernt sie den außerordentlich charmanten Daniel (D) kennen, mit dem sie alsbald eine freundschaftliche, ab Anfang des Jahres 2007 aber auch intime Beziehung verbindet. Seither übernachtet B teils bei ihrem Freund, teils in der Ehewohnung, wo sie nach wie vor Haushaltsarbeiten verrichtet. Der als Vorstandsmitglied mit monatlich € 8.000 Nettoeinkommen außerordentlich gut verdienende A gewährt B nunmehr – abgesehen von der Benützung der Ehewohnung – unter Hinweis auf ihr „ehrloses Verhalten“ keinerlei Unterhalt mehr. A und B haben kurz nach Eheschließung einen Ehepakt über das gesamte gegenwärtige und zukünftige Vermögen der Ehegatten abgeschlossen. A hat etwa zwei Drittel des Vermögens in die Gütergemeinschaft eingebracht. A begehrt die Scheidung der Ehe aus dem Verschulden der B. B spricht sich nicht gegen die Ehescheidung aus, beantragt jedoch, das überwiegende Verschulden des A an der Zerrüttung der Ehe auszusprechen. Erst auf Grund vieler Erniedrigungen und Beschimpfungen seitens 1 Der Sachverhalt ist angelehnt an die Entscheidung des OGH 7.2.2007, 2 Ob 193/06f. Für wesentliche Vorarbeiten zu diesem Fall ist Herrn cand iur Wolfram Bauer sehr herzlich zu danken.
Fall 87: „Die ‚ehrlose‘ Ehefrau“ (F. Kerschner)
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des A sei sie in die Arme des D geflüchtet. Außerdem verlangt sie einen monatlichen einstweiligen Unterhalt von € 2.000 bis zur rechtskräftigen Beendigung des Scheidungsverfahrens. Wie ist die Rechtslage? Lösung 1. Anspruch der B gegen A auf Unterhalt iHv € 2.000/Monat gem § 94 Abs 2 ABGB – Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung gem § 382 Abs 1 Z 8 lit a EO Der Unterhalt nach § 94 Abs 2 ABGB gehört zu den wenigen klagbaren und vollstreckbaren Rechten und Pflichten der Ehegatten während aufrechter Ehe2. Die Rechtsprechung gewährt „einstweiligen Unterhalt“ bis zur rechtskräftigen Beendigung des Scheidungsverfahrens gem § 382 Abs 2 Z 8 lit a EO3. Nach hA gewährt § 94 Abs 2 drei verschiedene Ansprüche4: 1. Anspruch des allein Haushaltsführenden. 2. Bei Trennung der Ehegatten behält der bisher Haushaltsführende seinen Anspruch. 3. Anspruch des beitragsunfähigen Partners, nach der Rsp auch des wesentlich schlechter verdienenden Ehegatten. Die Ehe zwischen A und B ist laut Sachverhalt noch nicht rechtskräftig geschieden. B führte und führt allein den gemeinsamen Haushalt und hat kein eigenes Einkommen. A verweist aber auf ihr „ehrloses Verhalten“ und wendet in der Sache damit Verwirkung des Unterhaltsanspruchs ein. Nach § 94 Abs 2 besteht kein Unterhaltsanspruch, sofern seine Geltendmachung ein Missbrauch des Rechtes wäre (Rechtsmissbrauchskorrektiv). Es ist daher zu prüfen, ob in Anbetracht aller Umstände des konkreten Falles die Geltendmachung durch B einen Rechtsmissbrauch darstellt. B unterhält seit Anfang 2007 eine außereheliche intime Beziehung mit D. Nach § 90 Abs 1 sind Ehegatten einander auch zur Treue verpflichtet. Nach der Rsp kann sogar schon der bloße intensivere Umgang mit einer Person des anderen Geschlechts gegen den Willen des Partners eine Verletzung dieser Pflicht sein5. Laut Sachverhalt liegt aber ohnehin eine intime Beziehung gegen den Willen des A vor. Das Verhalten der B stellt an sich und isoliert betrachtet eine schwere Eheverfehlung dar. Für B ist die Ehe aber möglicherweise bereits vor der Aufnahme ihrer außerehelichen Beziehung objektiv unheilbar zerrüttet gewesen. Ihr Verhalten wäre dann nicht mehr kausal für die Zerrüttung. Ehezerrüttung bedeutet Verlust jeglicher ehelichen Gesinnung (jeglicher Bindung an die 2 3 4 5
V/2/26. V/2/51. Vgl V/2/53. Vgl dazu kritisch Kerschner, V/Rz 2/110.
Fünfter Teil: Fälle zum Familienrecht
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Ehe) zumindest bei einem Partner 6. Eine unheilbare Zerrüttung der Ehe ist nach objektiven Maßstäben zu messen und dann anzunehmen, wenn die geistige, seelische und körperliche Gemeinschaft zwischen den Ehegatten objektiv und wenigstens bei einem Ehegatten subjektiv zu bestehen aufgehört hat7. A ist stets (!) vehement gegen einen Wiedereinstieg der B ins Berufsleben eingetreten. Damit könnte er gegen die Pflicht zum Einigungsbemühen nach § 91 verstoßen haben. Eine kategorische Diskussionsverweigerung bezüglich eines bedeutenden Interesses des Partners wird wohl eine solche Pflichtverletzung darstellen. B hätte aber von sich aus eine Tätigkeit suchen können (vgl § 91 Abs 2). Die Pflicht zur anständigen Begegnung des § 90 Abs 1 könnte von A gleichfalls verletzt worden sein. Eine solche Pflichtverletzung liegt jedenfalls bei Zufügung körperlicher Gewalt oder schweren seelischen Leids vor (vgl § 49 Satz 2 EheG). Die Pflicht zur anständigen Begegnung verweist auf das in der Gesellschaft – allenfalls in bestimmten Schichten – Übliche. Herkunft, Erziehung, Beruf, Alter der Ehegatten sind hierbei bedeutsam. In ihr kommt auch besonders zum Ausdruck, dass die Ehe von gegenseitigem Respekt und gegenseitiger Rücksichtnahme (§ 91) geprägt ist8. Cholerische Beschimpfungen und zweifellos psychischen Druck erzeugende Vorwürfe wegen nichtiger Gründe können sicherlich auch schweres seelisches Leid verursachen. Gerade nur im Haushalt tätige Eheleute sind typischerweise betreffend ihres Selbstwertgefühls auf die Anerkennung vor allem durch ihre Familie angewiesen. Ob im konkreten Fall bereits schweres seelisches Leid vorliegt, ist aus dem Sachverhalt nicht eindeutig ersichtlich. Jedenfalls war die Situation für B aber „bedrückend“. Eine schwere Eheverfehlung kann wohl unter bestimmten Umständen (etwa besonders lange Dauer) auch unter der Schwelle eines schweren seelischen Leids gegeben sein (Argument § 49 Abs 1 EheG: „insbesondere“). Beschimpfungen als schwere Eheverfehlung werden von der Rsp zT eingeschränkt auf „wiederholte und schwere“ Beschimpfungen, manchmal auch auf „nicht milieubedingte“ Beschimpfungen9. Im Sachverhalt ist von gelegentlichen Beschimpfungen die Rede. Wie häufig diese tatsächlich waren, geht aus dem Sachverhalt nicht hervor. Als Vorstandsmitglied wird man an A auch bezüglich des Kriteriums Üblichkeit (Herkunft, Beruf) einen grundsätzlich strengeren Maßstab anlegen. Ob der Umgang innerhalb von Familien „besserer“ gesellschaftlicher Schichten idR tatsächlich respektvoller ist, mag allerdings zweifelhaft und damit dahingestellt sein. Eher relevant ist sicher der Umstand, dass die Ausbrüche des A aus völlig nichtigen Gründen, also ganz grundlos, erfolgt sind. Auch die mangelnde Körperpflege des A könnte eine Verletzung der Pflicht zur anständigen Begegnung darstellen. Mangelnde Körperpflege ist 6 7 8 9
ZB OGH EFSlg 63.384; vgl V/2/109. OGH 7 Ob 254/04k mwN. Stabentheiner in Rummel3 § 90 Rz 8. Stabentheiner in Rummel3 § 49 EheG Rz 11 mwN.
Fall 87: „Die ‚ehrlose‘ Ehefrau“ (F. Kerschner)
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dem Partner gegenüber nicht respekt-, rücksichtsvoll oder höflich. Hinzuweisen ist in diesem Zusammenhang auf § 52 EheG, wonach ansteckende oder ekelerregende Krankheiten die Scheidung der Ehe wegen Zerrüttung ermöglichen. Mangelnde Körperpflege bleibt dahinter zwar weit zurück, im Unterschied zu den Fällen des § 52 EheG hätte A aber die Möglichkeit zur Veränderung gehabt. Je nach Grad und Beharrlichkeit der Verweigerung der Besserung ist eine Verletzung der ehelichen Pflicht wohl anzunehmen. Der Sachverhalt ist diesbezüglich aber eher unbestimmt. Die Pflicht zur umfassenden Lebensgemeinschaft nach § 90 ist nach der Rsp ua dann verletzt, wenn ein Ehepartner seine spärliche Freizeit allein verbringt10. B beklagt die mangelnde Zuwendung ihres Gatten. Auch wenn die Freizeit des A knapp bemessen sein wird, ist er auch als Vorstandsmitglied verpflichtet, sich seine Zeit so einzuteilen, dass ausreichend Zeit für die Ehefrau und Familie verbleibt. Je weniger Freizeit ein Ehegatte zur Verfügung hat, umso mehr muss er diese gemeinsam gestalten und verbringen. A verbringt seine Freizeit gelegentlich aber lieber allein auf seinem Motorrad. Allerdings verbringen sie noch regelmäßig bis 2006 gemeinsam die Wochenenden und Urlaube. Es muss aber auch beachtet werden, wie die Wochenenden tatsächlich verbracht werden, ob also im Wochenendhaus eine gemeinsame Freizeitgestaltung stattfindet. Dem Sachverhalt lässt sich auch nicht entnehmen, bis zu welchem Zeitpunkt genau im Jahr 2006 diese gemeinsamen Aktivitäten stattgefunden haben. Im Herbst 2006 verbringt B jedenfalls bereits alleine einen Urlaub. Es kann angenommen werden, dass zu dieser Zeit diese gemeinsamen Aktivitäten bereits im Wesentlichen beendet worden sind. Auch die kategorische Verweigerung gemeinsamer kultureller Aktivitäten durch A fällt hier erheblich ins Gewicht. A war nicht mehr für gemeinsame kulturelle Aktivitäten mit B zu haben. Er hat sich überhaupt immer mehr von ihr zurückgezogen. Die Pflicht zur umfassenden ehelichen Lebensgemeinschaft umfasst auch die so genannte geistige Gemeinschaft11 (vgl auch § 51 EheG). Aus dem Sachverhalt lässt sich ein beträchtliches Desinteresse des A an seiner Beziehung zu B ableiten. Darunter leidet die geistige Gemeinschaft der Ehegatten. Auch wenn nicht alle Verfehlungen des A für sich allein eine schwere Eheverfehlung darstellen mögen, so wird A jedenfalls gesamthaft betrachtet eine schwere Eheverfehlung anzulasten sein. Das Gesamtverhalten des A lässt zusammenfassend eine generelle Unzugänglichkeit für Anliegen und Argumente seiner Frau (Wiedereinstieg in den Beruf, Körperpflege, Freizeitgestaltung, ua) erkennen. Vor allem auch sind die Verfehlungen von A früher und über lange Zeiträume gesetzt worden. Seine Verfehlungen haben die Ehe subjektiv für B zerrüttet. Sie empfindet laut Sachverhalt die Ehe schon länger nicht mehr als „harmonisch“ und flüchtet auf Grund der bedrückenden Situation in die Arme des D. In Anbetracht der Situation der B ist es nicht verwunderlich, dass sie sich dem charmanten D zugewendet 10 Vgl V/2/210. 11 Schwimann/Ferrari in Schwimann3 § 90 Rz 1.
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Fünfter Teil: Fälle zum Familienrecht
hat. Die Zerrüttung ist damit aber auch schon objektiv unheilbar, bevor B ihre außereheliche Beziehung mit D eingegangen ist12. Da die Verfehlungen von A erst die der B herbeigeführt haben, ist seine Schuld höher zu bewerten. A hat in Folge noch eine weitere eheliche Pflicht verletzt. Da er B – abgesehen vom Wohnen in der Ehewohnung – jeden Unterhalt verweigert, verletzt er seine Unterhaltspflicht. Diese Eheverfehlung kann aber – wie der fortgesetzte Ehebruch der B – nicht mehr kausal für die Zerrüttung sein. Die Geltendmachung des vorläufigen Unterhaltsanspruchs nach § 94 Abs 2 durch B kann daher nicht rechtsmissbräuchlich sein. Als Zusatzargument könnte weiters noch bedacht werden, dass selbst unter der Annahme, dass B – bei anderer Beurteilung – das überwiegende Verschulden träfe, ihr ein Unterhaltsanspruch nach § 94 Abs 2 zustehen könnte13. Um Wertungswidersprüche zu vermeiden, wäre nämlich auch der neue § 68a EheG zu berücksichtigen. B hat ihren Beruf aufgegeben, um sich den Kindern und dem Haushalt zu widmen. Mittlerweile ist sie 47 Jahre alt und auf dem Arbeitsmarkt kaum mehr vermittelbar. Eine Erwerbstätigkeit erscheint deshalb als unzumutbar. Es liegt ein typischer Aufopferungsfall iSd § 68a Abs 2 EheG vor. B hätte daher auch bei überwiegendem Verschulden auf ihrer Seite einen verschuldensunabhängigen Unterhaltsanspruch nach § 68a EheG. Darauf ist auch bei der Beurteilung der Rechtsmissbräuchlichkeit nach § 94 Abs 2 Bedacht zu nehmen14. Die Pflichten zwischen den Ehegatten bei aufrechter Ehe können keine geringeren sein als nach Scheidung. Die von B geforderten € 2.000 entsprechen 25% des Einkommens des A und sind bei Annahme des überwiegenden Verschuldens des A sicher vertretbar. Ergebnis: Der Anspruch der B gegen A besteht. 2. Scheidungsklage des A gegen B gem § 49 EheG Eine Scheidungsklage des A gegen B setzt eine schwere Eheverfehlung der B voraus, durch die die Ehe unheilbar zerrüttet worden ist. Trotz schwerer Eheverfehlung kann die Scheidungsklage abzuweisen sein bei 1. Aufrechnung mit einer eigenen Eheverfehlung des Klägers (§ 49 Satz 3 EheG) 2. Verzeihung (§ 56 EheG) 3. Verzicht 4. Fristablauf (§ 57 EheG)15. 12 Anders das Erstgericht in der zugrunde liegenden Rechtssache bei allerdings leicht modifiziertem SV, worin der OGH keine korrekturbedürftige Fehlbeurteilung erkannte (OGH 2 Ob 193/06f). 13 Ausführlich zu diesem Thema VIII Fall 82 „Die Ehepause“. 14 Vgl OGH 2 Ob 193/06f. 15 Kerschner in Bürgerliches Recht VIII, S. 248.
Fall 87: „Die ‚ehrlose‘ Ehefrau“ (F. Kerschner)
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B hat durch ihre intime Beziehung zu D eine schwere Eheverfehlung gesetzt. Die Ehe zwischen A und B ist aber wie oben ausgeführt bereits vor dieser Eheverfehlung objektiv unheilbar zerrüttet gewesen. Es mangelt daher an der Kausalität für die Zerrüttung. Selbst wenn man – bei anderer Beurteilung – eine objektive unheilbare Zerrüttung erst nach der Eheverfehlung der B, also Mitkausalität des Ehebruchs, annähme (Eventualbegünstigung), bliebe die Prüfung der sittlichen Rechtfertigung des Scheidungsbegehrens iSd § 49 Satz 3 EheG. Hier lassen sich drei Fallgruppen unterscheiden. Das Scheidungsbegehren ist nicht sittlich gerechtfertigt, wenn 1. die Verfehlungen des Beklagten erst durch solche des Klägers hervorgerufen wurden, 2. ein sonstiger Zusammenhang besteht, insbesondere bei weit überwiegendem Klägerverschulden kombiniert mit gegenseitiger Beeinflussung der beiderseitigen Verfehlungen, ohne dass es dabei zu einer Schuldkompensation kommen darf, 3. die Verfehlungen des Klägers derart überwiegen, dass jene des Beklagten vergleichsweise völlig zurücktreten16. Wie bereits oben ausgeführt ist es nahe liegend, das Verhalten der B als Folge der Zerrüttung ihrer Ehe, also als Folge der Eheverfehlungen des A zu verstehen. Für die Verschuldensabwägung ist das Gesamtverhalten der Ehepartner in seinem Zusammenhang maßgebend. Abwägungskriterien sind die Verwerflichkeit und das Gewicht der Eheverfehlungen, das Ausmaß ihrer Ursächlichkeit für das Scheitern der Ehe und ein allfälliges Kausalverhältnis des einen und des anderen17. Vor allem sind die Verfehlungen von A früher und über lange Zeiträume gesetzt worden. Es ist nicht verwunderlich wenn sich ein Partner von dem anderen abwendet, nachdem dieser ihn schlecht behandelt hat und kein Interesse mehr an ihm zeigt. Dieser Zusammenhang lässt das Verschulden von A deutlich höher erscheinen als das der B. Die Klage des A ist somit abzuweisen. 3. Scheidungsklage der B gegen A gem § 49 EheG Auch B könnte ihr Scheidungsbegehren auf § 49 EheG (Widerklage) stützen. Bei einem Mitschuldantrag nach § 60 Abs 3 EheG möchte der beklagte Ehepartner an der Ehe festhalten und stellt seinen Antrag auf Ausspruch des Verschuldens des Klägers nur für den Fall der Stattgabe der Klage18. B hat sich aber nicht gegen die Ehescheidung ausgesprochen. Nach § 60 Abs 2 EheG hat das Gericht entweder beide für schuldig zu erklären oder das überwiegende Verschulden einer Partei auszusprechen. Wie oben ausgeführt trifft A, insbesondere wegen der Ursächlichkeit seiner Verfehlungen für die der B, das überwiegende Verschulden. Da sich 16 Schwimann/Weitzenböck in Schwimann3 § 49 EheG Rz 26. 17 Vgl Stabentheiner in Rummel3 § 60 EheG Rz 3. 18 Stabentheiner in Rummel3 § 60 EheG Rz 4.
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Fünfter Teil: Fälle zum Familienrecht
sein Verhalten gegenüber B bis Ende 2006 und darüber hinaus nicht verändert hat (Dauerfehlverhalten), ist noch keine Verfristung nach § 57 EheG eingetreten. Verzeihung und Verzicht seitens der B sind aus dem Sachverhalt ebenfalls nicht ersichtlich. Ergebnis: Die Ehe ist gem § 49 EheG zu scheiden und das überwiegende Verschulden des A auszusprechen. 4. Folgen der Scheidung 4.1. Schicksal des Ehepakts Der dispositive gesetzliche Güterstand der Gütertrennung (§§ 1233 und 1237) kann durch notariatsaktpflichtigen Ehepakt abgeändert werden. Es muss sich nach § 1217 um einen Vertrag in Absicht auf die eheliche Verbindung über das Vermögen handeln19. Der praktisch wichtigste Ehepakt ist die Gütergemeinschaft nach den §§ 1233 ff. Sie kann eine allgemeine (gesamtes Vermögen) oder eine beschränkte (nur bestimmte Vermögensmassen) sein. Laut Sachverhalt haben A und B einen Ehepakt über das gesamte gegenwärtige und zukünftige Vermögen abgeschlossen, es liegt also eine allgemeine Gütergemeinschaft vor. Fraglich ist das Schicksal des Ehepakts bei der Scheidung. Im Fall der Scheidung gelten die §§ 1263–1266 direkt oder zumindest in analoger Anwendung. Die hA geht von einer Aufhebung der Ehepakte bei Scheidung mit Wirkung ex nunc aus. Da die heutige Scheidung der früheren gerichtlichen Trennung entspricht, müsste aber nach § 1266 Satz 2 grundsätzlich Halbteilung wie beim Tode erfolgen. Das könnte aber in beiden Fällen, je nach Höhe des Eingebrachten, für den Scheidungsschuldigen geradezu eine Belohnung für seine Eheverfehlungen bedeuten. Deshalb wird dem Schuldlosen nach hA ein Wahlrecht zwischen Halbteilung oder Auflösung des Ehepakts ex nunc eingeräumt20. Bei letzterem wird das Eingebrachte zurückgestellt, Gewinn und Verlust während der Ehe entsprechend der vereinbarten Quote geteilt. Bei gleichem oder fehlenden Verschulden soll nach hA der Ehepakt ebenfalls ex nunc aufgelöst werden. Richtig wäre es auch hier, auf Halbteilung wie beim Tode entsprechend dem allgemeinen Grundsatz zu entscheiden21. Laut Sachverhalt hat A etwa zwei Drittel in die Gütergemeinschaft eingebracht. Wegen des überwiegenden Verschuldens des A kann und wird B Halbteilung wählen, weil das für sie vermögensmäßig viel günstiger ist. Eheliche Ersparnisse und eheliches Gebrauchsvermögen sind nach den §§ 81 ff EheG aufzuteilen.
19 V/2/96. 20 V/2/103. 21 V/2/103.
Fall 88: „Staatliche Sozialhilfe versus Ex-Ehemann“ (F. Kerschner)
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4.2. Anspruch der B gegen A auf angemessenen Unterhalt gem §§ 66 f EheG Wird das überwiegende Verschulden des A ausgesprochen, dann steht B ein angemessener Unterhalt nach § 66 EheG zu. Die eigene Leistungsfähigkeit des A ist dabei gem § 67 EheG zu berücksichtigen. § 66 EheG verweist auch auf eine zumutbare Tätigkeit, was für B aber in Anbetracht der Umstände nicht in Frage kommen wird. Nach der Rsp hat der Haushaltsführende grundsätzlich nur Anspruch auf 33% des Familieneinkommens22. B stünden demnach € 2.667 zu. Der Anspruch der B besteht. 4.3. Sonstige Scheidungsfolgen23
Fall 88: „Staatliche Sozialhilfe versus Ex-Ehemann“ Sachverhalt1 Die Ehe zwischen Moritz (M) und Flora (F) wird im Jahr 2005 gem § 55a EheG geschieden. Da F als Geschäftsfrau erfolgreich eine Boutique betreibt und M als Finanzbeamter in leitender Position über ein gesichertes Einkommen verfügt (ca € 2.900 netto), verzichten die Streitteile im Scheidungsvergleich wechselseitig auf Unterhalt auch für den Fall geänderter Verhältnisse und der Not. F sind die Folgen des Unterhaltsverzichts bei Vergleichsabschluss weitgehend bewusst. Sie will damit gerade auch der Gefahr entgehen, dem M für den Fall, dass sie mehr als er verdiene, Unterhalt leisten zu müssen. Im Jahr 2006 verfällt F in Depressionen, deren Ursachen in nicht verarbeiteten Kindheitserlebnissen liegen. 2007 wird über das Vermögen der F der Konkurs verhängt. Der Gesundheitszustand der F verschlechtert sich allmählich bis hin zur gänzlichen Arbeitsunfähigkeit. F begehrt nun von M die Zahlung eines monatlichen Unterhaltsbeitrags von € 600,–. Lösung Anspruch der F gegen M auf monatlichen Unterhalt iHv € 600,– F könnte ein Anspruch auf nachehelichen Unterhalt zukommen. Dem scheint aber der anlässlich der Scheidung gem § 55a EheG geleistete wechselseitige Unterhaltsverzicht entgegenzustehen. Dieser umfasst ausdrück22 Kritisch Kerschner, V/2/54. 23 Dazu allgemein V/2/129 ff; zu den sozialversicherungsrechtlichen Folgen ausführlich Neumayr, Sozialversicherungsrechtliche Folgen der Ehescheidung Teil II: Pensionsversicherung, FamZ 1/2007, 40. 1 Der Sachverhalt ist an die E des OGH JBl 2000, 513 mit Anm F. Bydlinski = EFSlg 90.401, 90.402, 90.403, 90.404 = ecolex 2000/173 mit Anm Spunda angelehnt; vgl dazu auch Spunda, ecolex 2000, 638; Ferrari, JBl 2000, 609.
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Fünfter Teil: Fälle zum Familienrecht
lich gerade den nunmehr eingetretenen Fall der Not. Selbst wenn aber der Unterhaltsanspruch dem Grunde nach bestehen sollte, müsste noch die Unterhaltshöhe geprüft werden, weil die verschiedenen Unterhaltskategorien zu unterschiedlichen Unterhaltshöhen führen können2. Zu prüfen ist zuerst, ob der von F abgegebene Verzicht wirksam ist. Anders als während aufrechter Ehe, wo ein Unterhaltsverzicht „an sich“ ex lege (§ 94 Abs 3) unzulässig ist, kann auf nachehelichen Unterhalt grundsätzlich verzichtet werden. Ein solcher Verzicht würde im Allgemeinen allerdings geänderten Verhältnissen nicht standhalten, da Unterhaltsvereinbarungen iZw der Umstandsklausel unterliegen3. Die Parteien können aber auch die Umstandsklausel vertraglich ausschließen. Eine Einschränkung macht die Rsp insofern, als sie das „Beharren“ auf einen Verzicht auf die Umstandsklausel am Maßstab der Sittenwidrigkeit misst4. Der OGH geht davon aus, dass ein solches Beharren dann sittenwidrig werden kann, wenn dadurch der Unterhaltsberechtigte der Existenzbedrohung (Not) ausgesetzt wäre. Im vorliegenden Fall haben A und F die Umstandsklausel sogar ausdrücklich für den Fall der Not ausgeschlossen. Da A aufgrund ihrer Depressionen völlig arbeitsunfähig ist, mangelt es ihr an eigenem Einkommen und eigenen Einkommensmöglichkeiten. Der OGH folgert aus den Nachwirkungen der personenrechtlichen Fürsorgepflicht zwischen vormaligen Ehegatten, dass in einem Fall wie dem vorliegenden5 ein Bestehen des A auf den vereinbarten Unterhaltsverzicht sittenwidrig sei. Indem der OGH die Vereinbarung als solche für rechtswirksam erachtet, aber das „Beharren“ auf das vertraglich erworbenen Recht als sittenwidrig ansieht, beruft er sich dogmatisch auf Rechtsmissbrauch6. Geht man allerdings – mit dem OGH – davon aus, dass nacheheliche Beistandspflichten für den Fall der Existenzbedrohung des Ex-Ehegatten jedenfalls existieren, so ist kein Grund ersichtlich, warum die Vereinbarung, soweit sie sich auf diesen Fall bezieht, prima vista gültig sein sollte, um dann das Beharren auf ein solches vertraglich erworbenes Recht als sittenwidrig zu qualifizieren. Es geht doch um Rechtsbegründung für den notleidenden Ehegatten und nicht um Rechtsvernichtung für den anderen Ehegatten. Von den während aufrechter Ehe bestehenden Beistandspflichten verbleibt eben nachehelich nur der Unterhaltsanspruch7, der für den Fall gänzlicher 2 Vgl V/2/132. 3 Vgl V/2/134. 4 So hält der OGH zB eine Unterhaltsvereinbarung, mit der sich der Unterhaltsverpflichtete unter Ausschluss der clausula rebus sic stantibus zu Unterhalt verpflichtet, dann für sittenwidrig, wenn ohne Berücksichtigung nachfolgender Umstände der Unterhalt anderer Unterhaltsberechtigter gefährdet oder die Existenzgrundlage des Unterhaltspflichtigen entzogen wird; vgl OGH EFSlg 25.102; 35.241; 40.045; 69.303. 5 OGH 3 Ob 229/98t. 6 Vgl F. Bydlinski, Anm zu JBl 2000, 513 (515). 7 Vgl insb § 73 EheG, der bestimmt, dass ein unterhaltsberechtigter geschiedener Gatte sogar dann, wenn er seine Bedürftigkeit selbst verschuldet hat, immerhin noch einen Anspruch auf den notdüftigen Unterhalt hat.
Fall 89: „Das ungehörige Zusammenspiel“ (F. Kerschner)
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Existenzbedrohung – mit der Rsp – nicht rechtswirksam ausgeschlossen werden kann8. Insoweit ist eine solche Vereinbarung wegen Sittenwidrigkeit unwirksam9. Zu prüfen bleibt, in welcher Höhe der Unterhaltsanspruch zu gewähren ist. Die mit dem EheRÄG 1999 neu eingeführten §§ 69a Abs 2 und 69b EheG treffen für den Fall der Ungültigkeit einer im Rahmen einer Scheidung gem § 55a EheG geschlossenen Unterhaltsvereinbarung (und dem gänzlichen Fehlen einer solchen) nunmehr eine ausdrückliche Anordnung10. Gem § 69a Abs 2 EheG steht ein Billigkeitsanspruch zu, in den Fällen des § 68a EheG (Kindererziehung oder Aufopferung) ist sogar der „großzügigere“ Lebensbedarfsunterhalt (§ 69b Abs 2 EheG) zu gewähren11. Dieses Ergebnis wird nunmehr auch auf der Basis der geltenden Rechtslage für Unterhaltsverzichte vertreten, die unter Ausschluss der clausula abgegeben wurden12. Diese Lösung berücksichtigt aber zu wenig die ratio des Sittenwidrigkeitsurteils: Geht man von einer unausschließbaren Restverpflichtung aus, notdürftigen Unterhalt zu gewähren, so ergibt sich daraus aber auch gleichzeitig die Höhe des zu gewährenden Unterhalts: Es darf nicht mehr gewährt werden, als zur Existenzerhaltung erforderlich ist. Die Vereinbarung ist eben nicht zur Gänze sittenwidrig, sondern nur insofern, als sie den notdürftigen Unterhalt erfasst. Wegen der Restgültigkeit der Vereinbarung schließt diese den gesetzlichen Unterhalt nach §§ 69a und 69b EheG (die insofern das gänzliche Fehlen einer Vereinbarung betreffen) aus, soweit dieser den notdürftigen Unterhalt übersteigt13. F hat gegen M Anspruch auf Unterhalt in dem Ausmaß, als dies zur Existenzerhaltung (lebensnotwendiger Unterhalt) erforderlich ist.
Fall 89: „Das ungehörige Zusammenspiel“ Sachverhalt1 Bis zur Scheidung im Jahr 2005 bewohnten die Ehegatten M und F ein dem M gehöriges Haus in W. Die Liegenschaft samt Haus (Verkehrswert 8 So auch F. Bydlinski, Anm zu JBl 2000, 513 (516); im Ergebnis ebenso Ferrari, JBl 2000, 609, die im Verzicht auf den notdürftigen Unterhalt einen Verzicht zu Lasten Dritter, subsidiär Unterhaltsverpfl ichteter oder der öffentlichen Fürsorge, erblickt und daraus die Unwirksamkeit ableitet; aA Spunda, ecolex 2000/173. 9 Zutreffend F. Bydlinski, Anm zu JBl 2000, 513 (516). 10 Der OGH hat bereits vor dem EheRÄG 1999 eine analoge Anwendung des § 69 Abs 3 EheG bejaht (SZ 58/192; EvBl 1995/110; ÖA 1997, 64). 11 Der OGH hatte den gegenständlichen Fall nach der Rechtslage vor Inkrafttreten des EheRÄG 1999 zu beurteilen. 12 So jedenfalls Ferrari, JBl 2000, 610. 13 Im Ergebnis wohl ebenso F. Bydlinski, Anm zu JBl 2000, 513 (515). 1 Der Fall ist weitgehend an die E des OGH JBl 2001, 583 = ecolex 2001/178 angelehnt.
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Fünfter Teil: Fälle zum Familienrecht
€ 1,2 Mio) ist im anhängigen nachehelichen Aufteilungsverfahren gem den §§ 81 ff EheG einbezogen, da die F mit ihren Kindern auf deren Weiterbenützung dringend angewiesen ist. Als sich 2003 bereits die Scheidung abzeichnete, nahm M bei der X-Bank einen Kredit iHv € 630.000 auf und ließ zur Kreditsicherung auf seiner Liegenschaft eine Höchstbetragshypothek im selben Betrag einverleiben. Ohne wirtschaftliche Notwendigkeit unterfertigte M 2006 einen vollstreckbaren Notariatsakt, aufgrund dessen die Bank die Zwangsversteigerung der Liegenschaft beantragte. M organisierte auch einen „Ersteher“. Zwei Bekannte des M gründeten die Y-GmbH, die die Liegenschaft samt Haus exekutiv um € 90.000 erstand. Im Einvernehmen aller Beteiligten erfolgte dies, „um die F aus dem Haus zu bringen“. Die Y-GmbH beantragt zwangsweise Räumung der Wohnung durch F und deren Kinder. Unter Hinweis auf ihr dringendes Versorgungsbedürfnis erhebt F die Exszindierungsklage. Lösung Die Exszindierungsklage der F nach § 37 EO wäre berechtigt, wenn ihr ein Recht zusteht, das die exekutive Räumung unzulässig macht. F stand wegen ihres dringenden Wohnungsbedürfnisses zunächst ein Wohnungserhaltungsanspruch nach § 97 zu, der aber ein aufrechtes Eheverhältnis voraussetzt. Nach zutreffender hA setzt sich dieser Anspruch als Weiterbenützungsanspruch im Verfahren auf Aufteilung des Ehevermögens nach dem §§ 81 ff EheG fort2. Dieser Anspruch wirkt zwar grundsätzlich nur gegen den (geschiedenen) verfügungsberechtigten Ehepartner. Nach den allgemeinen Grundsätzen der Beeinträchtigung fremder Forderungsrechte3 kann aber auch ein Dritter dem auf die Wohnung angewiesenen Ehegatten ersatzpflichtig werden. Im Wege der Naturalrestitution wäre dann hier die Y-GmbH jedenfalls zunächst verpflichtet, die Räumung zu unterlassen4. Unter welchen Voraussetzungen es rechtswidrig ist, fremde Forderungsrechte zu beeinträchtigen, ist umstritten. Die Rsp folgt jedenfalls in Doppelverkaufsfällen der These von Schilcher/Holzer 5, wonach bei besitzverstärkten Forderungsrechten bereits fahrlässige Beeinträchtigung haftbar macht6. Die einschlägige Rsp zu § 97 war aber bisher nicht einheitlich7. Zum hier 2 Vgl OGH SZ 58/126. 3 Vgl näher II/1/36 ff. 4 Die Frage, ob und wieweit die Y-GmbH weiters auch verpflichtet wäre, dem M ein dem Recht der F entsprechendes Verfügungsrecht einzuräumen, wird zwar zu bejahen sein, muss hier aber im Rahmen der Exszindierungsklage nicht beantwortet werden. 5 JBl 1974, 445 ff und 512 ff. 6 Vgl aus der Rsp SZ 56/125; 56/140 ua. 7 Einmal wird auf doloses bzw arglistiges Zusammenwirken (zB OGH WoBl 1993/18), einmal auf Kenntnis des Dritten (zB OGH NZ 1995, 178), einmal auch auf Besitzverstärkung (OGH JBl 1987, 518) abgestellt.
Fall 90: „Die fleißige Bäuerin“ (F. Kerschner)
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vorliegenden Fall des exekutiven Erwerbs lässt der OGH nun allein Kenntnis des obligatorischen Rechts des Wohnungserhaltungsanspruchs gem § 97 nicht ausreichen8. Bei exekutivem Erwerb seien grundsätzlich allein die Versteigerungsbedingungen für die Lastenübernahme maßgeblich. Der Dritte hafte allerdings bei absichtlichem Zusammenspiel, also bei Kollusion. Da M, die X-Bank und die Gründer der Y-GmbH absichtlich zu Lasten der M agierten, „um sie aus dem Haus zu bringen“, liegt hier eindeutig ein Kollusionsfall vor. Die Exekution ist daher unzulässig und somit der Exszindierungsklage stattzugeben.
Fall 90: „Die fleißige Bäuerin“ Sachverhalt1 M und F schließen 1974 die Ehe, wobei sie mittels Ehepakt eine Gütergemeinschaft über das gesamte Vermögen vereinbaren. F wird Hälftemiteigentümerin. Sie bringt eine Schlafzimmereinrichtung und S 175.000 (ca € 12.720) Bargeld ein. S 160.000 (ca € 11.630) werden für den Bau eines Kuhstalls verwendet. M bringt den landwirtschaftlichen Betrieb ein (Verkehrswert 1974 S 5,3 Mio (ca € 385.000) einschließlich des neuen Kuhstalls). Bis 1995 hilft F fleißig in der Landwirtschaft mit; wegen ehelicher Differenzen führt sie danach nur mehr den Haushalt, bis sie 1997 überhaupt den Hof verlässt. Die Ehe wird am 25.9.2002 rechtskräftig geschieden. Der Verkehrswert der Landwirtschaft beträgt nun S 11,920.000 (ca € 866.260). Von dieser Wertsteigerung von S 6,620.000 (ca € 481.100) entfällt ein Betrag von S 5,7 Mio (ca € 414.240) allein auf die marktbedingte Werterhöhung der Liegenschaften. Der Rest von S 920.000 (ca € 66.860) ist auf Kapital- und Arbeitseinsätze zurückzuführen. Die genauen Anteile lassen sich nicht exakt eruieren. Die Schlafzimmereinrichtung ist inzwischen wertlos geworden. Im nachehelichen Aufteilungsverfahren wird die Ehewohnung dem M zugewiesen, der zu einer Ausgleichszahlung an F iHv € 15.000 verpflichtet wird. Nicht vom Aufteilungsverfahren erfasst sind die Liegenschaften als Teil eines geschlossenen landwirtschaftlichen Betriebs. M klagt auf Zustimmung der F zur (grundbücherlichen) Rückübertragung der Hälfteanteile dieser Liegenschaften. Die F ist dazu nur gegen Zahlung von € 245.850 Zug um Zug bereit.
8 Vgl OGH JBl 2001, 583 = ecolex 2001/178. 1 Der Sachverhalt ist angelehnt an die E des OGH JBl 2001, 309 mit Anm Pfersmann. Die 1. Instanz hat F einen Anspruch iHv S 410.472, die 2. Instanz hingegen iHv S 1,774.000 zugesprochen. Der OGH wies F wiederum nur 3,6% vom Gesamtwert (ca S 235.000) plus eingebrachtes Bargeld (S 175.000) plus S 301.505 zu.
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Fünfter Teil: Fälle zum Familienrecht
Lösung Der Anspruch des M auf Rückübertragung des Hälfteliegenschaftsanteils gegen F ist berechtigt, weil gem § 1266 grundsätzlich die Ehepakte durch Scheidung mit Wirkung ex-nunc aufgehoben werden und jeder Ehegatte sein Eingebrachtes zurückerhält2. Da es sich hier um Vermögen handelt, das der nachehelichen Aufteilung entzogen ist (§ 82 Abs 2 Z 3 EheG), greifen die Spezialregeln der §§ 81 ff EheG nicht ein. F könnte aber wegen Forderungen aufgrund der Auflösung der Gütergemeinschaft gem § 471 ein Zurückbehaltungsrecht zukommen. Der F steht zunächst ein Betrag von € 12.720 (als eingebrachtes Bargeld) zu. Der Wertverlust infolge Kaufkraftschwund wird über die Beteiligung am Zuwachs des gemeinsamen Vermögens berücksichtigt (dazu gleich unten). Da wegen der ex-nunc-Auflösung des Ehepakts die Wirkungen der Gütergemeinschaft während der Ehe aufrecht bleiben, sind allfälliger Gewinn bzw Verlust auf die beiden Ehepartner aufzuteilen, woraus sich uU für einen Ehepartner ein Wertausgleich ergeben kann. Hier hat während der Ehe eine Wertsteigerung des landwirtschaftlichen Betriebs um € 481.100 stattgefunden, wobei € 414.280 allein auf eine marktbedingte Wertsteigerung der Liegenschaft zurückzuführen sind. Die überwiegende frühere Rsp hat den gesamten Mehrwert proportional zum Wert des jeweils Eingebrachten aufgeteilt (zB OGH SZ 35/10). Rummel folgend will die neuere Rsp den aus eingebrachten Sachen allein entstandenen Gewinn (vor allem durch Änderung der Marktlage) ebenso wie bisher proportional aufteilen3. Der marktbedingte Wertzuwachs der Liegenschaften iHv € 414.280 ist demnach hier im Verhältnis von 96,4% zu Gunsten des Mannes und 3,6% zu Gunsten der Frau zu verteilen. Für F entsteht daraus ein Ausgleichsanspruch iHv € 14.915. Während nach Rummel 4 der übrige gemeinsam erwirtschaftete Gewinn entsprechend der Ehepaktsquote, hier also zur Hälfte, zu teilen ist, will die Rsp5 auch diesen erwirtschafteten Gewinn nochmals nach Kapital- und Arbeitseinsatz trennen. Da die Anteile nicht genau zu eruieren sind, seien diese nach § 273 ZPO zu schätzen. Der OGH hat im vorliegenden Fall 2/3 Gewinn der Arbeitsleistung, 1/3 Gewinn dem Kapitaleinsatz zugerechnet. Von diesem 2/3 Gewinn aus Arbeitsleistung (hier ca € 44.570) soll die Hälfte, also ein Betrag von € 22.285 der F zustehen. Dieses Ergebnis entspricht aber nicht mehr dem Zweck der Gütergemeinschaft, so dass mit Rummel jedenfalls der gesamte erwirtschaftete Zuwachs (also einschließlich des Anteils aus Kapitaleinsatz) zu teilen ist, so dass der F insofern € 33.430 zustehen. Insgesamt kommt F daher ein Anspruch auf Ausgleichszahlung iHv € 61.065 zu. 2 Nur der Schuldlose (minder Schuldige) kann zwischen Halbteilung und Auflösung des Ehepakts wählen. 3 OGH EvBl 2000/156; nunmehr auch OGH JBl 2001, 309. 4 JBl 1968, 406 ff. 5 OGH JBl 2001, 309.
Fall 91: „Behindertes Kind“ (F. Kerschner)
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Ein Abgeltungsanspruch nach § 98 wegen Mitwirkung im Erwerb des anderen Ehegatten scheidet aus, weil diese Bestimmung auch gegenüber den Regeln der Gütergemeinschaft subsidiär ist. Der Klage des M auf Zustimmung der F zur Rückübertragung der Hälfteanteile der Liegenschaften ist Zug um Zug gegen Zahlung von € 61.065 stattzugeben.
Fall 91: „Behindertes Kind“ Sachverhalt1 Die Ehe zwischen Egon (E) und Gitte (G) wird aus Verschulden des E 1995 geschieden. E verpflichtet sich, G einen monatlichen Unterhalt von S 5.000 (= € 363,37) zu bezahlen. G nimmt eine Lebensgemeinschaft mit Leo (L) auf. Aus dieser Beziehung geht im Juli 1997 ein schwer behindertes Kind (K) hervor, das ganztägiger Betreuung durch die nunmehr 38-jährige G bedarf. Nachdem L bei einem Autounfall verstirbt, begehrt G von E unter Hinweis auf ihre Betreuungsverpflichtung, die ihr eine eigene Erwerbstätigkeit unmöglich macht, den vereinbarten monatlichen Unterhalt von € 363,37 von E. G ist gelernte Bürokauffrau, sie hat diesen Beruf allerdings seit ihrer Verheiratung mit E nicht mehr ausgeübt. E weigert sich zu zahlen, da ihn „K nichts angehe“ und G außerdem eigenes Einkommen erzielen könne. Lösung Anspruch der G gegen E auf Unterhalt iHv € 363,37 gem § 66 EheG Ein solcher Anspruch setzt voraus, dass die vereinbarte Unterhaltpflicht des E gegenüber der G noch aufrecht ist und gegebenenfalls auch in voller Höhe von € 363,37 gebührt. Da es nach dem Tod des Lebensgefährten L zum Wiederaufleben der Unterhaltspflicht kommt (vgl zum Ruhen des Unterhalts während aufrechter Lebensgemeinschaft Fall 92)2, hätte G grundsätzlich Anspruch auf Unterhalt gegen E. Die Ehe zwischen G und E ist aus Verschulden des E geschieden worden. Somit gebührt G grundsätzlich Unterhalt nach § 66 EheG: Bemessungsgrundlage wäre diesfalls die während aufrechter Ehe (33 bzw 40%) zu gewährende Unterhaltshöhe, die hier die Parteien einvernehmlich mit S 5.000 (= € 363,37) festgelegt haben. Allerdings muss sich gem § 66 EheG der Unterhaltsberechtigte Einkünfte aus Vermögen und Erträgnisse aus einer zumutbaren Erwerbstätigkeit anrechnen lassen (Anspannungsprinzip). Mangels anderer Anhaltspunkte ist nicht anzunehmen, 1 Der Sachverhalt ist der E des OGH EvBl 2000/68 nachgebildet. 2 Nach der Rsp tritt die Unterhaltspflicht nicht schon mit der tatsächlichen Auflösung der Lebensgemeinschaft, sondern erst mit dem Zeitpunkt ein, in dem der Unterhaltsberechtigte vom Schuldner eingemahnt hat (EvBl 2000/68).
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Fünfter Teil: Fälle zum Familienrecht
dass G und E dies durch Vereinbarung abbedungen hätten3. Der gesetzlich geschuldete Unterhalt ist somit nur vertraglich fi xiert worden. § 66 EheG verweist den geschiedenen Ehegatten auf eine ihm zumutbare Erwerbstätigkeit4. Für die Frage der Zumutbarkeit ist darauf abzustellen, ob es für den Unterhaltsberechtigten eine konkrete Arbeitsmöglichkeit gibt. Kriterien für die Zumutbarkeit sind Alter, Ausbildung und bisherige Erwerbstätigkeit insofern, als die Wiederaufnahme einer früher ausgeübten Erwerbstätigkeit eher zugemutet wird als der völlige Neubeginn5. G ist gelernte Bürokauffrau. Diesfalls kann von ihr verlangt werden, dass sie auch alle ihr zumutbaren Schritte setzt, ihr uU veraltetes Bürowissen „aufzufrischen“ (Besuch von PC- bzw Sprachkursen). Will sie das nicht, so könnte wohl auch die Annahme einer „geringerwertigeren“ Stellung verlangt werden. Ebenso wäre G in Hinblick auf ihr Alter (38 Jahre) grundsätzlich noch eine Berufstätigkeit zuzumuten6. Allerdings hängt die Zumutbarkeit einer Erwerbstätigkeit auch wesentlich vom Vorhandensein von Kindern ab7. Dabei gehen Rsp8 und Lehre9 davon aus, dass es unerheblich ist, ob das zu betreuende Kind aus erster oder zweiter Ehe (mit dem Unterhaltspflichtigen) stammt oder unehelich ist. Fraglich ist nur, ob auch eine Betreuungspflicht gegenüber einem „nachehelichen Kind“ (nicht vom Unterhaltspflichtigen stammenden) – wie hier dem K – zu berücksichtigen ist. Der tatsächliche Betreuungsbedarf des nunmehr 10-jährigen K ergibt sich aufgrund seiner schweren Behinderung10. Der Einwand des E, „K gehe ihn nichts an“, zielt auf den Umstand der Nachehelichkeit ab. Die Rsp bejaht die Relevanz des Betreuungsbedarfs für nacheheliche Kinder des Unterhaltsberechtigten. Nach der clausula rebus sic stantibus seien auch auf Seiten des Unterhaltsschuldners Sorgepflichten für weitere nach der Scheidung geborene Kinder zu berücksichtigen. Es wäre somit eine sachlich nicht zu rechtfertigende Ungleichbehandlung, wollte man eine schuldlos geschiedene Ehegattin iSd Anspannungstheorie so behandeln, als hätte sie für ihr außereheliches Kind keine Betreuungspflicht und könnte daher einem geregelten Erwerb nachge3 Vgl V/2/133. 4 Vgl V/2/133. 5 V/2/133; Zankl in Schwimann3 § 66 EheG Rz 17 und Rz 19; Schwimann, Unterhaltsrecht3, 163. 6 Vgl LGZ Wien EFSlg 63.498: Für die Zumutbarkeit einer Erwerbstätigkeit ist bei einer 46-jährigen Frau ein strenger Maßstab anzulegen. 7 Vgl Zankl in Schwimann3 § 66 EheG Rz 20; Schwimann, Unterhaltsrecht3, 164 f. 8 Vgl OGH EvBl 2000/68. 9 Zankl in Schwimann3 § 66 EheG Rz 22; Pichler in Rummel3 § 66 EheG Rz 3. 10 Hingegen gestatte die Betreuung eines 10-jährigen gesunden Kindes im Allgemeinen eine Berufstätigkeit, wenn dessen Versorgung bis zur Rückkehr der Mutter sichergestellt werden kann (LGZ Wien EFSlg 54.499).
Fall 92: „Das Konkubinat“ (F. Kerschner)
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hen11. Dem ist insb auch deshalb beizupflichten, da der Unterhaltsschuldner auch das Risiko anderer, von ihm nicht zu beeinflussender oder vorherzusehender Umstände auf Seiten des Unterhaltsberechtigten trägt, wie zB Unzumutbarkeit einer Erwerbstätigkeit wegen Krankheit. Der Anspruch der G auf Unterhalt besteht daher in voller Höhe zu Recht.
Fall 92: „Das Konkubinat“ Sachverhalt1 Die Ehe zwischen Anton (A) und Berta (B) wird aus überwiegendem Verschulden des A geschieden und B ein monatlicher Unterhalt von € 300 zugesprochen. Da A seit Herbst 2006 keinen Unterhalt mehr für B bezahlt, betreibt diese gegen ihn Lohnexekution. B kennt seit Beginn 2006 den hauptberuflich als Rettungsfahrer tätigen Rudi (R), der – soweit er nicht Nachtdienst hat – bei B übernachtet, mit B und deren Kindern auch Ausflüge und Einkäufe unternimmt. Weiters leistet R finanzielle Zuschüsse zu Miete und Betriebskosten. A begehrt, die gegen ihn geführte Exekution unter Hinweis auf das von B geführte „Konkubinat“ für unzulässig zu erklären. Lösung Recht des A auf Unzulässigerklärung der gegen ihn geführten Exekution gem § 35 EO Die sog Oppositionsklage gem § 35 EO setzt einen gültigen Exekutionstitel und den gänzlichen oder teilweisen Wegfall des Anspruchs aus diesem Titel voraus. Vom Verpflichteten können nur anspruchsaufhebende oder anspruchshemmende Tatsachen eingewendet werden, die nach dem Zustandekommen des Exekutionstitels eingetreten sind. Indem A ein Konkubinat seitens B behauptet, könnte er damit einen den nachehelichen Unterhalt möglicherweise beeinflussenden Umstand geltend machen2. Dabei bieten sich drei denkbare Lösungen an3: • Das Eingehen einer Lebensgemeinschaft ist für den Unterhaltsanspruch belanglos. • Der Unterhaltsanspruch ruht während aufrechter Lebensgemeinschaft. • Das Ruhen des Anspruchs tritt nur in dem Umfang ein, als die geschiedene Frau durch den Lebensgefährten tatsächlich erhalten wird. 11 Vgl OGH EvBl 2000/68. 1 Der Sachverhalt ist an die E des OGH JBl 2000, 530 angelehnt. 2 Kommt das Gericht zum Ergebnis, dass die Unterhaltspflicht in einem Zeitraum ruht, so ist diesbezüglich nicht von Hemmung, sondern vom zeitweiligen Erlöschen der Unterhaltspflicht auszugehen (OGH JBl 2000, 530; EvBl 1973/266). 3 Vgl OGH SZ 27/134 = SpR 38 neu.
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Fünfter Teil: Fälle zum Familienrecht
Die Rsp folgt seit SpR 38 neu = SZ 27/134 in stRsp der zweiten Lösung. Sie geht davon aus, dass bei außerehelicher Lebensgemeinschaft der Unterhaltshaltsanspruch unabhängig davon ruht, ob der Berechtigte aus der Lebensgemeinschaft auch tatsächlich versorgt wird4. Ausnahmen anerkennt die Judikatur in gewissen, hier allerdings nicht einschlägigen Fällen5. Das gesetzlich nicht ausdrücklich vorgesehene Ruhen begründet der OGH in der E des verstärkten Senats mit zwei Argumenten: 1. Eine Beitragspflicht zu einer fremden Lebensgemeinschaft sei sittenwidrig (§ 879), wenngleich das Eingehen einer Lebensgemeinschaft nicht per se sittenwidrig sei. 2. Es dürfe kein finanzieller Anreiz geschaffen werden, die Lebensgemeinschaft der Ehe vorzuziehen. In seiner jüngeren Rsp erachtet der OGH allein dieses letzte Kriterium als maßgebend6. Die Sittenwidrigkeitsklausel des § 879 ist in der Tat dogmatisch nicht einschlägig, da es um keinen Vertrag geht. Weder Argumente des Rechtsmissbrauchs (§ 1295 Abs 2 2. Fall) noch der Verwirkung (§ 74 EheG) noch der Analogie zu § 75 EheG7 vermögen das Ergebnis der Rsp zu stützen. Auch ein Verbot der Benachteiligung der Ehe gegenüber der Lebensgemeinschaft besteht derzeit nicht8. Die von der Judikatur vorgenommene Gleichsetzung mit der Wiederverheiratung erscheint insb deshalb problematisch, da mit dem Eingehen einer Lebensgemeinschaft kein Unterhaltsanspruch gegen den Lebensgefährten erworben wird. Eine solche Gleichsetzung erachtet daher die jüngere Lehre mit beachtlichen Argumenten nur insoweit als gerechtfertigt, wenn und soweit Versorgung aus der Lebensgemeinschaft gegeben ist9. Solche Anrechnungsmomente ergeben sich nur über den tatsächlichen Bedarf, der allerdings wohl nicht bei allen Kategorien nachehelichen Unterhalts die gleiche Bedeutung hat10. Da bei der Lebensgemeinschaft grundsätzlich eine Wirtschaftsgemeinschaft vorausgesetzt ist, ist eine Versorgung des Unterhaltsgläubigers aus 4 Vgl dazu V/2/134. 5 Unterhalt trotz Lebensgemeinschaft gewährt der OGH in folgenden Fällen: • wenn die Umstandsklausel wirksam ausgeschlossen wurde, • wenn Unterhalt auch für den Fall des Eingehens einer Lebensgemeinschaft vereinbart wurde (RZ 1982/3), • wenn sich der Unterhaltsschuldner in Kenntnis einer bestehenden Lebensgemeinschaft des Unterhaltsgläubigers zu Unterhalt verpfl ichtet (SZ 28/53). 6 OGH JBl 2000, 530; jüngst hat der OGH bei Eingehen einer gleichgeschlechtlichen Lebensgemeinschaft wieder den Sittenwidrigkeitsaspekt betraut; vgl OGH 6 Ob 28/07x, 16.3.2007. 7 Es fehlt an der Planwidrigkeit der Lücke; vgl dazu Gimpel-Hinteregger in: Harrer/Zitta, Familie und Recht (1992) 633 ff. 8 V/2/134. 9 Vgl V/2/134; Gimpel-Hinteregger, aaO 633 ff; Lammer, ÖJZ 1999, 53 ff. 10 Vgl die Übersicht V/2/132. Im Rahmen des Billigkeitsabwägung des § 67 Abs 1 EheG sowie des Lebensbedarfsunterhalts des § 68a EheG kann eine solche Anrechnung wohl erfolgen.
Fall 93: „Der überschuldete Ehegatte“ (F. Kerschner)
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einer Lebensgemeinschaft widerleglich zu vermuten. Die Beweislast für die Nichtversorgung muss dann den Berechtigten treffen11. Zu prüfen ist daher, ob zwischen R und B eine Lebensgemeinschaft vorliegt. Diese setzt sogenannte Eheähnlichkeit, die aus Geschlechts-, Wohnungs- und Wirtschaftsgemeinschaft besteht, sowie eine gewisse Dauerhaftigkeit voraus12. Eine Wohngemeinschaft liegt vor, wenn die Partner einen gemeinsamen Lebensmittelpunkt haben. Da R bei B übernachtet, wenn er nicht gerade Nachtdienst hat, ist anzunehmen, dass dies nicht nur fallweise passiert. R hat somit seinen Lebensmittelpunkt bei B. Auch eine Wirtschaftsgemeinschaft wird zwischen B und R gegeben sein, da R finanzielle Zuschüsse zu Miete und Betriebskosten leistet und somit B und R die Bedürfnisse des täglichen Lebens auf gemeinsame Rechnung bestreiten. Hinsichtlich einer – auch nicht unbedingt nötigen – Geschlechtsgemeinschaft ergeben sich keine genauen Anhaltspunkte. Eine solche ist aber naheliegend. Auch der Wille, für gewisse Zeit zusammen zu bleiben, dürfte bei R und B aufgrund des bisherigen Verhaltens gegeben sein. Immerhin wohnen sie seit Beginn 2006 zusammen. Da somit zwischen B und R eine Lebensgemeinschaft besteht, aus der B auch tatsächlich versorgt wird, muss sich diese die von R zugewendeten Beträge auf ihren Unterhaltsanspruch gegen A anrechnen lassen. Das Recht des A auf Unzulässigerklärung der gegen ihn geführten Exekution gem § 35 EO ist daher nur in Höhe der tatsächlichen Versorgung der B durch den Lebensgefährten zu bejahen13.
Fall 93: „Der überschuldete Ehegatte“ Sachverhalt1 M und F heiraten 1974. F führt den Haushalt und betreut die drei gemeinsamen Kinder, M ist berufstätig. 1987 erwirbt dieser eine Liegenschaft samt Einfamilienhaus, das als gemeinsame Ehewohnung verwendet wird. Das zur Ankaufsfinanzierung aufgenommene Bauspardarlehen haftet 2002 noch mit € 40.000 aus und wird im selben Jahr allein von M zurückbezahlt. Ebenfalls 2002 verlässt M die eheliche Lebensgemeinschaft; F und die Kinder wohnen weiterhin im Einfamilienhaus. Die Liegenschaft wird 2005 mit einer Höchstbetragshypothek iHv € 325.000 zur Sicherung aller 11 V/2/134. 12 Vgl V/3/2; zB OGH JBl 2000, 530 mwN. 13 Nach der Rsp des OGH (Ruhen des Unterhaltsanspruchs während Lebensgemeinschaft) dringt A mit seiner Oppositionsklage hingegen zur Gänze durch. 1 Angelehnt an die E des OGH ecolex 2001/237 mit Anm Reidinger = RdW 2001/602.
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Fünfter Teil: Fälle zum Familienrecht
Schulden des M zu Gunsten der X-Bank belastet. M hat sich gegenüber der X-Bank auch verpflichtet, das Einfamilienhaus nicht ohne deren Zustimmung in Bestand zu geben. 2007 wird die Ehe aus alleinigem Verschulden des M geschieden. Im rechtzeitig von der F beantragten außerstreitigen Aufteilungsverfahren wird am Ende des Schlusses der mündlichen Verhandlung ein Verkehrswert der Liegenschaft iHv € 380.000 festgestellt. Da M seine Verbindlichkeiten iHv € 1 Mio gegenüber der X-Bank nicht erfüllen kann, betreibt diese die Zwangsversteigerung der Liegenschaft. Eheliche Ersparnisse sind nicht vorhanden, das übrige eheliche Gebrauchsvermögen ist bereits verteilt. Die sonst einkommens- und vermögenslose F ist auf die Benützung der Ehewohnung dringend angewiesen. Daher beantragt sie die Einräumung eines auf Lebenszeit grundsätzlich unkündbaren Mietrechts an der Ehewohnung gegen einen angemessenen Mietzins von € 700 monatlich und eine Ausgleichszahlung iHv € 190.000. M und die X-Bank sprechen sich dagegen aus. Letztere begründet dies vor allem damit, dass durch ein solches Mietrecht die Hypothek maßgeblich entwertet werden würde. Lösung Die Liegenschaft samt Einfamilienhaus ist während der Ehe erworben worden und unterliegt daher jedenfalls der nachehelichen Aufteilung gem den §§ 81 ff EheG2. Hier hat die sonst einkommens- und vermögenslose F zudem unbestrittenermaßen ein dringendes Wohnbedürfnis (vgl § 82 Abs 2 EheG). § 87 EheG begründet eine besonders weite richterliche Gestaltungsbefugnis bezüglich der Ehewohnung. Das Gesetz gibt auch keinen bestimmten Inhalt eines allenfalls zu begründenden Mietverhältnisses vor. Eine an sich mögliche Eigentumsübertragung an F scheidet – abgesehen vom anderslautenden Antrag – aus, weil F zu keiner Ausgleichszahlung fähig ist und sie außerdem als Eigentümerin die Zwangsversteigerung durch die X-Bank hinnehmen müsste. Eine Sicherung ihres Wohnbedürfnisses gegenüber künftigen Erwerbern bzw Erstehern im Zwangsversteigerungsverfahren kann hier daher nur durch Begründung eines Mietrechts auf Lebenszeit erfolgen, das dem Kündigungsschutz nach dem MRG unterliegt. Zwar ist M ohnedies auch zu einer Ausgleichszahlung bei – iZw gleichen – Beitragsanteilen in der Höhe der Hälfte des Verkehrswertes der Liegenschaft zu verpflichten, wobei freilich die alleinige Rückzahlung von € 40.000 zu beachten ist (€ 380.000 – € 40.000 = € 340.000). M wird zwar zu einem Ausgleich von € 160.000 zu verpflichten sein, aufgrund seiner hohen Schulden (€ 1 Mio) ist aber eine tatsächliche Erfüllung der Ausgleichszahlung nicht zu erwarten. Der richterlichen Begründung eines Mietrechts für F gegen einen angemessenen Mietzins von € 700 monatlich vermag auch die X-Bank, die 2 Vgl dazu V/2/143 ff.
Fall 94: „Teures Heim, aber allein“ (F. Kerschner)
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Hypothekargläubigerin, nicht entgegenhalten, dass dadurch ihr Pfandrecht beeinträchtigt werde. Zwar kann der Hypothekargläubiger mit einer verschuldensunabhängigen Unterlassungsklage gem § 458 gegen einen Dritten (Mieter) vorgehen, wenn der Pfandschuldner zu unüblichen Konditionen oder sonst außerhalb der ordentlichen Bewirtschaftung vermietet hat3. Der angemessene Bestandzins zu € 700 monatlich ist aber keine unübliche Bedingung und liegt auch nicht außerhalb der ordentlichen Bewirtschaftung. Freilich könnte eine Entwertung der Liegenschaft aufgrund der übermäßig langen Bindung aufgrund des Kündigungsschutzes nach dem MRG eintreten. Selbst wenn man hierin eine unübliche Bedingung sähe, ist maßgeblich, dass das Pfandrecht bereits an der Ehewohnung begründet worden ist. Diese Eigenschaft Ehewohnung ist eben im Fall der Scheidung mit der richterlichen Gestaltungsbefugnis verbunden, so dass schon im Zeitpunkt der Hypothekenbegründung mit der Möglichkeit eines Mietrechts zu Gunsten des Ehegatten zu rechnen war. Insofern ist also gar keine spätere Verschlechterung eingetreten. Dass sich M zur Unterlassung der Inbestandgabe ohne Zustimmung der X-Bank verpflichtet hat, bindet nur den M, nicht aber den Richter gem § 87 EheG4. Die Ausgleichszahlung kann auch in Raten angeordnet werden. Hier liegt es nahe, den M zu monatlichen Raten zu € 700 zu verpflichten. Mit dieser Forderung kann dann F5 gegen die gleich hohe Mietzinsforderung aufrechnen. Dem Antrag der F auf Einräumung eines kündigungsgeschützten Mietrechts auf Lebenszeit gegen einen monatlichen Zins iHv € 700 ist demnach stattzugeben.
Fall 94: „Teures Heim, aber allein“ Sachverhalt1 Die Ehegatten Manfred (M) und Frieda (F) beabsichtigen 1997, ein Haus zu bauen, das als Ehewohnung dienen soll. Da sie über keine eigenen Mittel verfügen, erklärt sich Fs Vater (V) grundsätzlich bereit, die Liegenschaft im Wert von S 1,5 Mio (ca € 109.000) und die zur Errichtung erforderlichen Mittel iHv S 4 Mio (ca € 291.000) beizusteuern. Allerdings zögert V noch, weil er nicht will, dass die von ihm bereitgestellten Mittel jemandem anderen als seiner Tochter zukommen. Erst als M die schriftliche Erklärung abgibt, dass er (M) für seine Tätigkeit im Zusammenhang 3 ZB OGH JBl 2000, 508; IV/11/4. 4 Anderes muss konsequenterweise gelten, wenn das Pfandrecht zu einer Zeit begründet wird, in der die Wohnung noch keine Ehewohnung ist. 5 So auch die überaus weise Entscheidung aller Instanzen zu OGH ecolex 2001/237 mit Anm Reidinger = RdW 2001/602. 1 Der Sachverhalt ist an die E des OGH EFSlg 87.550 = 87.594 = 87.596 = 87.597 angelehnt.
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Fünfter Teil: Fälle zum Familienrecht
mit der Planung und Errichtung des Hauses keine Ansprüche an die F und ihre Familie stellen werde, steuert V die Mittel bei. Deren Verwaltung sowie Organisation und Überwachung der gesamten Bauarbeiten erfolgen durch M. 2002 ziehen M und F in das fertiggestellte Eigenheim ein, dessen Wert ca € 510.000 beträgt. Die Ehegatten leben in der Folge ausschließlich vom Einkommen des M, da sich F der Betreuung des Haushalts widmet. Die Ehe bleibt kinderlos. 2006 lernt M die zwanzig Jahre jüngere Z kennen, bei der er kurz darauf einzieht. Im Jahr 2007 wird die Ehe zwischen M und F aus Verschulden des M geschieden. Das eheliche Gebrauchsvermögen besteht im Wesentlichen aus dem Haus. M begehrt unverzüglich nach der Scheidung die Aufteilung derart, dass das Haus im Eigentum der F verbleiben solle, ihm aber der Wertzuwachs der Liegenschaft durch die Errichtung des Hauses abgegolten werde. Lösung Antrag des M gegen F auf Ausgleichszahlung in Höhe des Wertzuwachses an der Liegenschaft gem § 94 EheG Ein solcher Antrag des M setzt voraus, dass der Wertzuwachs an der Liegenschaft in die nach Scheidung gem §§ 81 ff EheG aufzuteilende Vermögensmasse gehört2, die von M begehrte Aufteilung der Billigkeit entspricht3, rechtzeitig (vgl 95 EheG) geltend gemacht wurde und ihr keine wirksame Vereinbarung bzw kein wirksamer Verzicht entgegensteht. Über den Antrag ist im außerstreitigen Verfahren zu entscheiden. M begehrt Ausgleichszahlung in Höhe des Wertzuwachses an der Liegenschaft. Die von V an F zugewendete Liegenschaft im Wert von € 109.000 ist vom Antrag des F ausdrücklich nicht umfasst4. Die Liegenschaft hat nach dem Bau des Hauses einen Wert von € 510.000, woraus sich ein Wertzuwachs von € 400.000 ergibt. Ob M ein Ausgleich in dieser Höhe gebührt, ist aber aus mehreren Gründen fraglich: Zweifelhaft ist zunächst, ob die von M geltend gemachten Vermögenswerte überhaupt in die Aufteilung einzubeziehen sind. Gem § 81 Abs 1 EheG unterliegen dieser das eheliche Gebrauchsvermögen, zu dem auch die Ehewohnung zählt, und die ehelichen Ersparnisse. Das Haus diente als Ehewohnung, da es Schwerpunkt der gemeinsamen Lebensführung war. Zwar ist das von dritter Seite Geschenkte von der Aufteilung ausgenommen (gem § 82 Abs 1 EheG), dies gilt allerdings nicht für die Ehewohnung (§ 82 Abs 2 EheG), wenn der andere Ehegatte auf ihre Weiterbenützung zur Sicherung seiner Lebensbedürfnisse angewiesen ist oder wenn ein gemeinsames Kind an ihrer Weiterbenützung einen berücksichtigungswürdigen Bedarf hat. 2 Vgl V/2/144. 3 Vgl V/2/148. 4 Der Richter darf grundsätzlich nicht mehr zusprechen, als vom Antragsteller begehrt wird; vgl V/2/149.
Fall 94: „Teures Heim, aber allein“ (F. Kerschner)
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Nach der Intention des Gesetzgebers gilt somit, dass grundsätzlich nur der von den Ehegatten gemeinsam geschaffene Erwerb der Aufteilung unterliegt. Die von einem Ehegatten eingebrachten oder von Dritter Seite einem Ehegatten zugewendeten Mittel sollen bei der jeweiligen Seite verbleiben. Nur wenn die „Sicherung der Lebensbedürfnisse“ (Obdachlosigkeit) oder der Bedarf eines gemeinsamen Kindes auf dem Spiel stehen, kann selbst eine in die Ehe eingebrachte Wohnung dem anderen Ehegatten ausnahmsweise zugesprochen werden. Der Fall des § 82 Abs 2 EheG ist hier allerdings nicht einschlägig: Zu beachten ist zum einen, dass V nicht die „fertige Ehewohnung“, sondern „nur“ die Liegenschaft sowie die Mittel zum Hausbau zugewendet hat. Dies würde wohl grundsätzlich der Anwendung des § 82 Abs 2 EheG noch nicht entgegenstehen (Surrogationsgedanke). Allerdings stützt sich das Begehren des M gerade nicht auf die Weiterbenützung der Ehewohnung wegen dringender Wohnbedürfnisse; es ist vielmehr auf Wertausgleich gerichtet. Dabei könnte maßgeblich sein, dass die Mittelaufbringung für den Hausbau der Seite der F zuzurechnen ist (vgl § 82 Abs 1 Z 1 EheG). Das Haus als solches ist weitgehend, freilich nicht zur Gänze Surrogat dieser Mittel, die sich insgesamt auf € 400.000 belaufen. Das Haus selbst wurde ja auch durch Arbeitsleistungen des M gebaut. Die Rsp berücksichtigt denn auch Zuwendungen Dritter zur Schaffung der Ehewohnung meist nicht schon im Rahmen der Ausnahmen des § 82 Abs 1 Z 1 EheG. Sie bezieht vielmehr die Ehewohnung zur Gänze gem § 81 EheG in die Aufteilung ein. Leistungen der Verwandten eines Ehegatten berücksichtigt die Judikatur erst im Rahmen von Billigkeitserwägungen bei der Aufteilung. Gem § 83 EheG ist dabei der Umfang des Beitrags jedes Ehegatten zur Anschaffung des Gebrauchsvermögens in Anschlag zu bringen. M stützt sich auf einen gemeinsam geschaffenen Wertzuwachs iHv € 400.000. Billigkeitserwägungen müssen jedoch dazu führen, dass die vom Vater der F stammenden Mittel von € 291.000 nicht dem M zuzurechen sind. Der Aufteilung unterliegt somit nur ein Wertzuwachs iHv € 110.0005. Zu diesem hat M durch die organisatorische Abwicklung des Hausbaus überwiegend (geschätzt zu ca 2/3; § 273 ZPO) beigetragen. Zu prüfen bleibt, ob seine Verzichtserklärung, nämlich keine Ansprüche aus seiner Tätigkeit iZm der Errichtung des Hauses geltend zu machen, dem Wertausgleich entgegensteht. Das setzt voraus, dass die Erklärung überhaupt einen Verzicht für den Scheidungsfall miteinschließt. Dies ist nach Sinn und Zweck der Vereinbarung eindeutig zu bejahen, so dass die Zweifelsregelung des § 915 gar nicht anzuwenden ist. Allerdings kann gem § 97 Abs 1 EheG auf den Anspruch auf Aufteilung des ehelichen Gebrauchsvermögens im Voraus nicht rechtswirksam verzichtet werden. Der Aufteilungsanspruch unterliegt somit nicht der Par teiendisposition. Vertragliche Regelungen, die während aufrechter Ehe abgeschlossen werden, können sich nur auf die ehelichen Ersparnisse beziehen und sind nur in Form eines Notariatsakts gültig. 5 Zum Problem auch Bernat in Schwimann3 § 81 EheG Rz 16.
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Fünfter Teil: Fälle zum Familienrecht
Nur Vereinbarungen, die im Zusammenhang mit einem Scheidungsbzw Aufteilungsverfahren getroffen werden (vgl § 97 Abs 2 EheG), gehen einer Aufteilung nach Billigkeit gem den §§ 81 ff EheG vor. Bei der Beurteilung des Zusammenhangs nach § 97 Abs 2 EheG kommt es zwar nicht auf die zeitliche Nähe, sondern auf den ursächlichen Zusammenhang an. Entscheidend ist die beim Abschluss der Vereinbarung vorhandene Scheidungsabsicht. Liegt eine solche vor, ist auch eine außergerichtliche und formlose Vereinbarung – durch die künftige Scheidung aufschiebend bedingt – wirksam6. Die von M abgegebene Erklärung steht allerdings in keinem kausalen Zusammenhang mit einer Scheidungsabsicht, so dass der Verzicht unwirksam ist. Die Ansicht des JA, dass bei der Beurteilung der Billigkeit der Inhalt der von den Ehegatten während aufrechter Ehe geschlossenen (ungültigen) Vereinbarung und die Gründe, warum die Ehegatten zu der Vereinbarung gekommen sind, berücksichtigt werden müssten7, hat im Gesetz keinen Niederschlag gefunden. Derartige Vereinbarungen können aber im Rahmen der Billigkeit beachtet werden8. Zweck des § 97 Abs 1 EheG ist es, dem Ehegatten jedenfalls einen billigen Ausgleich am gemeinsamen Erwerb während der Ehe zu sichern. Sinn der Verzichtserklärung andererseits, dass der Vermögenswert Liegenschaft samt Haus grundsätzlich auf Seite der Familie der F bleibt. Daher erscheint eine Ausgleichszahlung iZw in der Höhe der Hälfte der eigenen Beitragsleistung des M, somit iHv € 36.667 der Billigkeit zu entsprechen. Da der Aufteilungsantrag unverzüglich nach der Scheidung gestellt wurde, ist die Jahresfrist des § 95 EheG jedenfalls gewahrt.
6 Vgl dazu V/2/145. 7 So der JAB 916 BlgNR XIV. GP 20. 8 Vgl V/2/145.
Fall 95: „Renoviertes Haus – kaputte Lebensgemeinschaft“ (F. Kerschner)
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4. Außereheliche Lebensgemeinschaft Fall 95: „Renoviertes Haus – kaputte Lebensgemeinschaft“ Sachverhalt1 F und M befinden sich jahrelang in außerehelicher Lebensgemeinschaft. M erwirbt im Mai 1998 eine Liegenschaft samt altem Haus um S 900.000 (ca € 65.400). Der Kaufpreis wird durch gemeinsame Kreditaufnahme finanziert. Die monatlichen Kreditraten entrichtet M. Da er mit seinen Kindern aus einer früheren Ehe völlig zerstritten ist und diesen daher nichts zukommen lassen will, überträgt M mittels Übergabsvertrag im Oktober 1998 seine Liegenschaft an F, wobei er sich ein lebenslanges dingliches Wohnrecht einräumen lässt. Das baufällige Haus wird in der Folge von F und M bzw dessen Verwandten renoviert. Man hat vor, „da halt zu arbeiten und zu investieren“. Da sich F einem anderen Mann zuwendet, verlässt M 2006 den gemeinsamen Haushalt und löst die Lebensgemeinschaft auf. Seither wohnt der neue Freund der F im renoviertem Haus. Um eine Rückkehr des M zu verhindern, wechselt F im Haus alle Schlösser aus. Da es für ihn unerträglich sei, im Haus zusammen mit dem neuen Freund der F zu wohnen, klagt M auf Zivilteilung der Liegenschaft, in eventu auf Zahlung von € 100.000, was der Wertsteigerung der Liegenschaft infolge seiner Kreditrückzahlungen und Arbeitsleistungen entspricht. Der objektive Wert des lebenslangen dinglichen Wohnrechts beträgt € 110.000. Lösung Aus der Auflösung einer außerehelichen Lebensgemeinschaft können sich vermögensrechtliche Ansprüche wegen gemeinsamer Investitionen oder Arbeitsleistungen ergeben2. Es gelten dafür jedenfalls nicht – auch nicht analog – die Regeln bei Auflösung einer Ehe. Zur vermögensrechtlichen Auseinandersetzung kommen primär allfällige vertragliche Ansprüche (vor allem Entgeltsvereinbarung, GesBR), sonst gesetzliche, insb Bereicherungsansprüche in Betracht. Das Recht auf Zivilteilung der Liegenschaft könnte dem M gem § 1215 dann zustehen, wenn zwischen M und F eine GesBR (zumindest schlüssig) vereinbart worden ist. Gegen eine solche Vereinbarung spricht schon, dass die Lebensgefährten ausdrücklich eine andere Vereinbarung, nämlich den Übergabsvertrag geschlossen haben. Zudem reicht alleiniges gemeinsames Wohnen und Wirtschaften für die Begründung einer GesBR nicht aus. Es muss jedenfalls eine Einigung zur wechselseitigen Bindung mit konkreten Rechten und Pflichten vorliegen3. Solche bindende Organisationsabspra1 Der Sachverhalt ist maßgeblich an die E des OGH EFSlg 90.225 angelehnt. 2 Vgl V/3/9 ff. 3 Vgl OGH EFSlg 90.225.
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Fünfter Teil: Fälle zum Familienrecht
chen fehlen hier. Die gemeinsame Kreditaufnahme und die Absprache „da halt zu arbeiten und zu investieren“ sind dafür zu wenig. Zwischen M und F ist daher keine GesBR vereinbart worden. Dem F könnte aber aufgrund seiner Geld- und Arbeitsleistungen ein Bereicherungsanspruch analog § 1435 (condictio causa data, causa non secuta) zustehen, wenn diese in Hinblick auf den (längeren) Bestand der Lebensgemeinschaft erfolgt sind. Einem solchen Anspruch aus rechtsgrundloser Leistung wird hier aber gerade wieder die besondere vertragliche Regelung der Vermögensverhältnisse durch den Übergabsvertrag entgegenstehen. Die Leistungen des M haben sich wirtschaftlich auch auf den Wert seines dinglichen Wohnrechts ausgewirkt. Das Eventualbegehren des M auf Ersatz seiner Aufwendungen4 setzt somit voraus, dass er den Übergabsvertrag bezüglich seines dinglichen Wohnrechts auflösen kann oder dass ihm ein Aufwandersatzanspruch schon aufgrund des Vertrages zusteht. Der Fall der Unzumutbarkeit des Zusammenlebens der bisherigen Lebensgefährten („Unvergleichsfall“)5 ist im Übergabsvertrag nicht bedacht worden, so dass insofern eine Vertragslücke vorliegt. Zur Lückenschließung kann mangels einschlägiger Verkehrssitte nur eine Vertragsergänzung durch den hypothetischen Parteiwillen6 stattfinden. Fragt man, was redliche Vertragspartner vereinbart hätten, wenn sie den Unvergleichsfall bedacht hätten, so wären zwei Alternativen denkbar: Sie könnten den objektiven Wert des verbleibenden dinglichen lebenslangen Wohnungsrechts oder den Ersatz der von M zur Wertsteigerung erbrachten Leistungen vereinbart haben. Da es dem M offensichtlich um die Wohnungsversorgung bis zu seinem Lebensende gegangen ist, wird ersteres anzunehmen sein, zumal auch eine solche Regelung einem redlichen Lebensgefährten zumutbar ist. Demnach wird dem M nach Vertragsergänzung ein vertraglicher Ausgleichsanspruch iHv € 110.000 gegen F zustehen7.
4 Mangels entsprechenden Begehrens des M ist nicht zu prüfen, ob allenfalls der gesamte Übergabsvertrag anfechtbar wäre. 5 Vgl zum bäuerlichen Übergabsfall Krejci in Rummel3 §§ 1284, 1286 Rz 62. 6 Dazu näher Rummel in Rummel3 § 914 Rz 12. 7 Der OGH hat hingegen in der E EFSlg 90.225 nicht den Übergabsvertrag in Hinblick auf den Unvergleichsfall ergänzt, sondern bei Beendigung des dinglichen Wohnrechtsverhältnisses Rückabwicklung nach § 1435 wegen nachträglichen Wegfalls des Leistungszwecks angenommen. Dabei müsste von den gesamten Aufwendungen des M ein entsprechender Betrag für die bisherige Nutzung abgezogen werden.
Sechster Teil: Fälle zum Erbrecht 1. Der Nachlass Fall 96: „Die Kassettenübergabe“ Sachverhalt1 Die spätere Erblasserin übergab am 29.6.1999 einer ihrer Töchter, der späteren Testamentserbin, eine Kassette, die verschiedene Schmuckstücke und ein Sparbuch enthielt, und sagte dabei: „Lisl, ich vertraue dir und übergebe dir diese Kassette zu treuen Händen, verwalte den Inhalt und gib alles meiner Enkelin Michaela (Nichte der Erbin), sobald sie 19 Jahre alt ist, egal was mit mir passiert“. Die Testamentserbin übernahm die Kassette samt Schlüssel und deponierte sie bei sich zu Hause. Die Erblasserin verstarb am Tag nach der Übergabe, also am 30.6.1999. Im Verlassenschaftsverfahren begehrt eine andere Tante der Michaela, die im Testament auf dem Pflichtteil gesetzt worden war, die Inventarisierung und Schätzung der Kassette sowie deren Inhalt. Wie ist verfahrensmäßig vorzugehen und wie stellen sich die Besitz- und Eigentumsverhältnisse an der Kassette und ihrem Inhalt dar? Lösung2 1. Inventarisierung und Schätzung im Verlassenschaftsverfahren Die Inventarisierung und Schätzung des Nachlassvermögens (§§ 784, 804) dient (auch) dem Schutz der Pflichtteilsberechtigten und sollte die möglichst rasche Gewinnung der Grundlagen für die Ausmittlung der Pflichtteile gewährleisten. Die erwähnten Bestimmungen bilden auch die rechtliche Grundlage für die Beteiligtenstellung der Pflichtteilsberechtigten im Nachlassverfahren. Das Inventar stellt ein vollständiges Verzeichnis aller körperlichen Sachen und vererblichen Rechte und Verbindlichkeiten des Verstorbenen (Verlassenschaft iS des § 531; s VI/1/ ff; ausnahmsweise nur Teilinventar ist bei Nacherbschaften, Privatstiftungen oder bei Inventarerrichtung auf Antrag denkbar) und deren Wertes im Zeitpunkt des Todes dar (§ 166 AußStrG). Für die Aufnahme in das Inventar ist grundsätzlich 1 Aus OGH NZ 1999, 153. 2 Siehe VI/1/3, 4/2 ff, 4/6, 4/7.
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Sechster Teil: Fälle zum Erbrecht
der bisherige Besitz des Verstorbenen maßgeblich, doch hat das Gericht Sachen auszuscheiden, deren Nichtzugehörigkeit zum Nachlass durch unbedenkliche Urkunden dargetan wird, oder auch ohne Besitz Sachen einzubeziehen, wenn sie dem Erblasser gehören3 oder ähnlich starke Indizien wie der Besitz für die Nachlasszugehörigkeit sprechen.4 Nach dem Gesagten sind also uU auch die Eigentumsverhältnisse oder besser die materiellrechtliche Zugehörigkeit der Sachen zum Nachlass (§ 531) für die Frage ihrer Einbeziehung in das Verlassenschaftsverfahren zu klären. Das Verlassenschaftsgericht geht grundsätzlich vom tatsächlichen Besitz oder auch Mitbesitz, nicht aber von der bloßen Innehabung aus. Nach Ansicht des OGH sind darüber hinaus eigenmächtig entzogene Sachen oder besser Sachen, hinsichtlich derer der Erblasser noch einen Besitzwillen hatte, ebenfalls in das Verfahren einzubeziehen5. Diese Grundsätze werden auf eine Sparbuchforderung in der Weise angewendet, dass eine solche einbezogen wird, wenn sich zeigt, dass an der Sparbuchurkunde zwar fremder Sachbesitz vorliegt, der Erblasser aber mangels Besitzaufgabewillens noch Gläubiger der Forderung geblieben ist. Dies lässt sich insb dann sagen, wenn er ein allfälliges Losungswort nicht bekannt gegeben hat. Im vorliegenden Fall steht nun die Absicht der Erblasserin, die Kassette samt ihrem Inhalt der Enkelin zu schenken, und damit auch ihr Besitzaufgabewille fest. Nach dem oben Gesagten kann es aber auch auf die materielle Nachlasszugehörigkeit ankommen. 2. Besitz- und Eigentumsverhältnisse Die materielle Rechtslage an der Kassette mit Sparbuch ist wegen des mehrdeutigen Sachverhalts und nicht einheitlicher Rechtsmeinungen schwer zu beantworten. Es sollen daher einige mögliche Varianten überlegt werden: a) Eine sofort wirksame Handschenkung scheidet aus, weil kein Vertragsschluss zwischen der Erblasserin und der Enkelin, vertreten durch ihre Mutter, vorliegt. b) Aus den angeführten Gründen kann auch keine (vertragliche) Schenkung auf den Todesfall (§ 956 S 2) – ganz abgesehen von der fehlenden Notariatsaktsform nach § 1 Abs 1 lit d NotAktG (unten d) – vorliegen. c) Geht man – anders als in den Varianten a) und b) – von der Widerruflichkeit der Übergabe aus, liegt es nahe, an ein Vermächtnis zu denken. Auch hier fehlt aber die Einhaltung der Form, nämlich jener für letztwillige Verfügungen (§ 956 S 1; siehe dazu auch unten d). d) Die Varianten b) und c) werfen die Frage der Wirksamkeit von Erfüllungshandlungen, die der Erblasser noch zu Lebzeiten vornimmt, und der dadurch allenfalls sogar eintretenden Heilung der fehlenden Schen3 Vgl Rabl, NZ 1999, 133 ff. 4 EBzRV 224 BlgNR 22. GP 107. 5 Vgl aber zuletzt Rabl, NZ 1999, 129, der darauf abstellt, ob der Dritte zur Herausgabe bereit ist.
Fall 96: „Die Kassettenübergabe“ (B. Eccher)
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kungs- bzw Vermächtnisform (§ 1432) auf. Zu beiden Fragen äußert sich die überwL ablehnend6. e) Es bleibt noch anzunehmen, dass die Empfängerin der Sache diese als Beauftragte oder Treuhänderin der Erblasserin nach deren Tod (Auftrag bzw Treuhand auf den Todesfall) auszufolgen hätte. Nach der hA können aber dadurch selbst bei Annahme eines Vertrags zugunsten Dritter die erbrechtlichen Formvorschriften nicht umgangen werden, deren Einhaltung wäre also danach für die Gültigkeit dieser Vertragskonstruktionen Voraussetzung7. 3. Ergebnis Als Ergebnis zeigt sich, dass die Kassette und ihr Inhalt nicht auf Grund der Besitzverhältnisse in das Verlassenschaftsverfahren einbezogen werden, weil die Erblasserin ihren Besitz daran aufgeben wollte. Materiellrechtlich verbleiben aber diese Gegenstände Bestandteile des Vermögens der Erblasserin und daher auch ihres Nachlasses, weil nach überwA alle denkbaren Konstruktionen für einen Rechtserwerb der Kassette durch die in Aussicht genommene begünstigte Enkelin fehlschlagen. Aus diesem Grund könnte daher doch eine Einbeziehung in das Verlassenschaftsverfahren erfolgen.
6 Vgl die Angaben bei Eccher in Schwimann3 § 647 Rz 4; vgl weiter zuletzt Rabl, NZ 1999, 129; Zankl, NZ 1999, 314. 7 Vgl Apathy, JBl 1976, 393; Zankl, NZ 1998, 226 ff.
Sechster Teil: Fälle zum Erbrecht
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2. Testamentarische Erbfolge Fall 97: „Mangelhafte Erbrechtskenntnisse“ Sachverhalt1 Der am 19.5.1992 verstorbene Dipl.-Ing. Marian Bruno F war bei seinem Ableben mit Anna F, der Klägerin, aufrecht verheiratet, lebte aber mit seiner Lebensgefährtin Elisa P zusammen. Sein einziger Verwandter war sein Bruder Karl. In der Absicht, möglichst sein gesamtes Vermögen seiner Lebensgefährtin zukommen zu lassen, verfügte er am 20.8.1991: „Elisa P, meine Lebensgefährtin seit 1986, die mit mir in H lebt, ist meine Universalerbin. Mein Bruder bekommt nichts! Er ist explizit enterbt! Mit Anna F habe ich ja schon vor geraumer Zeit eine Teilung der ehelichen Güter durchgeführt. Sie bekam S 350.000 (= € 25.435) in bar und das Geschäft am Bauernmarkt, von dem ich 70% Eigentümer war.“ Der Erblasser hat nicht gewusst, was ein gesetzliches Erbrecht bzw ein gesetzlicher Pflichtteilsanspruch ist, welche Personen ein Noterbrecht haben und was die „Unumgehbarkeit“ von Pflichtteilsansprüchen bedeutet. Insb hat er nicht gewusst, dass man einen Nichtpflichtteilsberechtigten im Fall der Bestellung eines Testamentserben gar nicht ausdrücklich enterben muss. Wie hoch ist die Pflichtteilsquote der Klägerin? Lösung2 1. Das Pflichtteilsrecht des überlebenden Ehegatten Dem überlebenden Ehegatten steht als Pflichtteil die Hälfte seines gesetzlichen Erbteils zu (§ 765). Dieser gesetzliche Erbteil beträgt neben Kindern des Erblassers ein Drittel, neben Eltern oder deren Kindern und neben Großeltern zwei Drittel. Dazu kommen jene Erbteile, die hypothetisch den Nachkommen von ausgefallenen Großeltern und den Nachkommen ausgefallener Geschwister zufallen würden. Bei gänzlichem Fehlen von Großeltern erhält der Ehegatte den gesamten Nachlass. (§ 757 Abs 1). Ist also im vorliegenden Fall der Bruder des Erblassers mit zu berücksichtigen, beträgt die Pflichtteilsquote der Ehegattin ein Drittel (Hälfte von zwei Dritteln), anderenfalls die Hälfte. 2. Das negative Testament Die explizite Enterbung des Bruders geht insofern ins Leere, als diesem gar kein Pflichtteilsrecht zusteht. Eine solche Enterbung ist aber immer noch ein sog negatives Testament, mit dem dem Betroffenen sein gesetzliches Erbrecht entzogen werden soll. 1 Aus OGH NZ 2001, 204. 2 Siehe VI/4/24 f, 4/80, 11/21.
Fall 98: „Die verspätete Testamentszeugin“ (B. Eccher)
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Kommt es allerdings aus welchen Gründen auch immer zur gesetzlichen Erbfolge (zB wegen Vorversterbens des Testamentserben), ist durch Auslegung zu ermitteln, ob auch in diesem Fall der negativ genannte Erbe ausgeschlossen sein soll3. 3. Der Irrtum des Erblassers Geht man von der festgestellten Absicht des Erblassers aus, seiner Lebensgefährtin möglichst viel von seinem Vermögen zukommen zu lassen, zeigt sich, dass seine mangelhaften erbrechtlichen Kenntnisse (Rechtsirrtum) zu einem von ihm gerade nicht erwünschten Ergebnis, nämlich zu einer Vergrößerung der Pflichtteilsquote der Ehegattin führen. Das negative Testament hat nämlich zur Folge, dass der Bruder als gesetzlicher Erbe ausfällt und nun die Ehegattin ein (fiktives) gesetzliches Erbrecht zum gesamten Nachlass und somit ein Pflichtteilsrecht in der Höhe der Hälfte des Reinnachlasses hätte. Der Irrtum des Erblassers ist als kausal und erheblich anzusehen und daher anzunehmen, dass der Kläger ohne den Irrtum anders verfügt, nämlich den Bruder nicht enterbt hätte (sog unwesentlicher Irrtum zum Unterschied zum wesentlichen Irrtum, bei dem anzunehmen ist, der Erblasser hätte ohne den Irrtum überhaupt keine Verfügung getroffen4). 4. Ergebnis Der Klägerin steht nur eine Pflichtteilsquote von einem Drittel zu.
Fall 98: „Die verspätete Testamentszeugin“ Sachverhalt1 Der am 22.12.1997 verstorbene Erblasser hinterließ zwei Testamente. In jenem vom 12.12.1995 hatte er eine Kusine sowie drei juristische Personen zu je einem Viertel zu Erben eingesetzt. Dieses Testament ist vom Erblasser und drei Testamentszeugen mit dem Hinweis auf ihre Zeugeneigenschaft unterschrieben. Mit dem ebenfalls in Maschinenschrift geschriebenen und vom Erblasser unterschriebenen Testament vom 14.12.1997 hat er seine Gattin zur Alleinerbin seines Vermögens eingesetzt und der Kusine ein Legat von S 500.000 (= € 36.336) vermacht. Dieses Testament ist auch von drei Zeugen unterfertigt uz vom Sohn des Erblassers und dessen Freundin sowie einer Krankenschwester des Spitals, in der sich der Erblasser vor seinem Tod aufhielt. Diese hatte ihre Unterschrift auf das Originaltestament allerdings erst im Zuge des Verlassenschaftsverfahrens am 29.5.1998 über entsprechende Aufforderung 3 Vgl Eccher in Schwimann3 § 553 Rz 2 f; Welser in Rummel3 § 553 Rz 4 f. 4 Vgl Eccher in Schwimann3 § 570 Rz 3. 1 Aus OGH SZ 72/16 noch zum AußStrG aF (vgl VI/6/3); Lösung nach AußStrG neu.
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Sechster Teil: Fälle zum Erbrecht
des Notars als Gerichtskommissär geleistet, nachdem sie zu Protokoll gegeben hatte, dass sie bei der Testamentserrichtung anwesend war und der Erblasser auch bestätigt habe, dass das ihm von seinem Sohn vorgelesene Testament sein letzter Wille sei. Beide Testamente wurden kundgemacht. Alle in den beiden Testamenten eingesetzten Erben gaben Erbantrittserklärungen ab, die zu Gericht angenommen wurden. Welches Testament ist gültig und auf welche Weise ist die Frage zu klären? Lösung2 1. Feststellung des Erbrechts Der Kernpunkt der Reform des Außerstreitverfahrens im Bereiche des Verlassenschaftsverfahrens (s VI/6/3) liegt zweifellos in der Abschaffung des Verweises auf den Rechtsweg unter Bestimmung der Klägerrolle für die im streitigen Verfahren zu erhebende Erbrechtsklage. Stehen nämlich Erbantrittserklärungen untereinander (zB auch einschließlich solcher aus fideikommissarischer Substitution) oder mit einer Erklärung der Finanzprokuratur (bei behaupteter Erblosigkeit) im Widerspruch, entscheidet hierüber – nach erfolglosem Versuch des Gerichtskommissärs auf gegenseitige Anerkennung des Erbrechts zwischen den Erbansprechern (§ 160 AußStrG) – das Verlassenschaftsgericht selbst im „Verfahren über das Erbrecht“, für das einige besondere Verfahrensvorschriften gelten (§§ 161 ff AußStrG). Damit ist auch die frühere noch im Verlassenschaftsverfahren zu treffende Entscheidung über die Annahme oder Nichtannahme einer Erbantrittserklärung (früher Erbserklärung) hinfällig geworden. Inhalt des Verfahrens ist die Entscheidung über das beste Erbrecht und die Abweisung der Ansprüche jenes Erbansprechers oder auch der mehreren Erbansprecher, der/die nur einen schlechteren oder nicht bestehenden Erbrechtstitel vorweisen kann/können. Da die Entscheidung Grundlage für die Einantwortung bildet, können Erbantrittserklärungen nur bis spätestens zum Zeitpunkt der Bindung des Erstgerichts an die Einantwortung abgegeben werden (zur Möglichkeit der späteren Erbschaftsklage s VI/6/24 ff). Das Verfahren ist mündlich zu führen, es besteht relativer und bei Aktivnachlässen mit einem Wert von mehr als € 4.000 absoluter Anwaltszwang. Die Beweislast (vgl § 161 AußStrG) liegt nach allgemeinen Grundsätzen jeweils bei jenem Erbansprecher, der Rechte aus behaupteten Umständen ableitet3. 2. Gültigkeit des zweiten Testaments Im vorliegenden Fall stützten sich die Erbanwärter jeweils auf ein fremdhändiges Privattestament, dessen Gültigkeitserfordernisse im Wesentlichen 2 Siehe VI/4/44, 4/66, 6/12. 3 Feil/Marent, Außerstreitverfahren 310; Mayr/Fucik, Das neue Verfahren außer Streitsachen3 (2006) Rz 607
Fall 98: „Die verspätete Testamentszeugin“ (B. Eccher)
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a) die eigenhändige Unterschrift eines (nicht eigenhändig geschriebenen) Aufsatzes, b) die ausdrückliche Bestätigung des Erblassers vor drei fähigen Zeugen, von denen zwei zugleich gegenwärtig sein müssen, dass der Aufsatz seinen letzten Willen darstellt und c) die Unterschrift der Zeugen auf der Urkunde selbst mit einem auf ihre Zeugeneigenschaft hinweisenden Zusatz sind (§ 579). Erforderlich ist bei dieser Testamentsform die – sowohl die Erbantrittserklärung als solche als auch deren Beurkundung einschließende – Einheit des Testieraktes in örtlicher und zeitlicher Hinsicht. Auch wenn in der L unterschiedliche Meinungen zur Frage vertreten werden4, ob die Unterfertigung durch einen Zeugen noch unmittelbar nach dem Tod des Erblassers erfolgen kann, wobei wegen der Gefahr der Unterschiebung eines anderen Aufsatzes mitunter das Nichtverlassen des Raumes durch den Zeugen gefordert wird5, so ist jedenfalls eine Zeugenunterschrift einige Monate nach Testamentserrichtung verspätet und das Testament wegen dieses Formfehlers ungültig (§ 601). Das zu prüfende Testament aus dem Jahre 1997 könnte aber auch aus einem weiteren Grund ungültig sein, wenn nämlich der als Zeuge und Verleser (vgl § 581) fungierende Sohn das gemeinsame Kind des Erblassers und der im Testament begünstigten Ehegattin ist, während dies für die Freundin des Sohnes nicht gelten würde (§ 594). 3. Widerruf des ersten Testaments Wäre das Testament aus dem Jahre 1997 gültig, hätte dies den Widerruf des früheren Testaments aus dem Jahr 1995 auch ohne ausdrückliche Widerrufserklärung gem § 713 zur Folge, wobei es bei mehreren Testamenten (also Verfügungen mit Erbeinsetzungen; vgl § 553) nicht darauf ankommt, ob sich die Verfügungen gegenseitig ausschließen oder nicht. Es würde also auch eine Vermächtnisanordnung aus dem früheren Testament ihre Wirksamkeit verlieren6. 4. Ergebnis Bei der Erbrechtsfeststellung im Verlassenschaftsverfahren wird die Gattin des Erblassers wegen der Verletzung der Einheit des Testieraktes, möglicherweise aber auch wegen der Unfähigkeit eines Zeugen keinen Erfolg haben. Das Verlassenschaftsverfahren wird daher mit den im ersten Testament berufenen Erben fortzusetzen sein.
4 Vgl Angaben in der hier zugrundegelegten Entscheidung, in der selbst eher gegen die Zulässigkeit der Zeugenunterschrift nach dem Tod des Erblassers argumentiert wird. 5 Vgl Kralik, ErbR 135 f. 6 Vgl Rabl, Altes Testament – Neues Testament (2001).
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Sechster Teil: Fälle zum Erbrecht
Fall 99: „Bruder und Schwester“ Sachverhalt1 Der Vater, dessen wesentliches Vermögen aus dem Anteil an einer OHG bestand, hinterließ seine Ehegattin und fünf Kinder, einen Sohn und vier Töchter. In seinem Testament setzte er den Sohn zu 60 %, die Töchter zu je 10 % zu Erben ein, wobei die Erbteile der Töchter diesen in Form einer Unterbeteiligung am Gesellschaftsanteil des Sohnes zukommen sollten, damit dadurch die Stellung des Sohnes als Mehrheitsgesellschafter gestärkt und gesichert wird. Bei der Festlegung der Erbquoten der Töchter ging der Erblasser davon aus, dass jedenfalls ihr angenommener Pflichtteil (Hälfte von 20 %) – auch in der Erwägung, dass sie schon zu Lebzeiten Schenkungen erhalten haben – abgedeckt sein soll. Seine Ehegattin bedachte der Erblasser überhaupt nicht und bezog sie daher auch in seine Pflichtteilsüberlegungen gar nicht ein, weil sie ebenfalls bereits Schenkungen erhalten hatte. Im Verlassenschaftsverfahren schlugen drei der vier Schwestern den ihnen zugedachten Erbteil aus. Die Ehegattin entschlug sich daraufhin in einem Notariatsakt ebenfalls ihrer Erb- und Pflichtteilsansprüche und schenkte ihrem Sohn jene Ansprüche und Vermögenswerte, die ihr nach ihrer Rechtsansicht durch die Erbsentschlagung ihrer Kinder angewachsen seien oder noch anwachsen würden. Daraufhin gab der Sohn im Verfahren eine Erbantrittserklärung zu 90% des Nachlasses und die nicht ausschlagende Tochter eine Erbantrittserklärung zu 25% des Nachlasses mit der Behauptung ab, die frei gewordenen Erbteile von 30% seien zwischen ihr und dem Bruder gleichmäßig aufzuteilen. Besteht die Rechtsmeinung des Klägers, dass seiner Schwester lediglich ein Erbteil von 10 % zusteht, zu Recht? Wie stellen sich die erb- und pflichtteilsrechtliche Situation der Mutter und die pflichtteilsrechtliche Situation der nicht ausschlagenden Tochter dar? Lösung2 1. Anwachsung Hat der Erblasser mehrere Erben eingesetzt und gelangen einzelne von ihnen aus welchem Grund auch immer nicht zur Erbschaft, so kommt es unter bestimmten Voraussetzungen zur Anwachsung nach den als Auslegungsregeln geltenden Bestimmungen der §§ 560 ff. Da nach § 562 bestimmt eingesetzten Erben kein Anwachsungsrecht zu- steht, können sich der Sohn und die nicht ausschlagende Tochter iZw nicht auf Anwachsung berufen, sie partizipieren aber als gesetzliche Erben an den freigewor1 Aus OGH SZ 70/70; dazu Rabl, NZ 1997, 345; Lösung des Falles nach dem AußStrG neu (s VI/6/3, 12). 2 Siehe VI/2/42, 4/29, 4/76 ff, 11/31, 12/16.
Fall 99: „Bruder und Schwester“ (B. Eccher)
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denen Erbteilen (gemischte Erbfolge), uz mangels anderer Anhaltspunkte im Testament je zur Hälfte (also zu 15%). 2. Stillschweigende Übergehung Die Witwe des Erblassers ist im Testament weder positiv noch negativ erwähnt, also stillschweigend übergangen. Da die Sonderregeln der stillschweigenden Übergehung von Kindern nach §§ 776 ff hier ausscheiden, könnte die Ehegattin daher – in offensichtlicher Ermangelung eines Enterbungsgrundes – den Pflichtteil, aber auch nur diesen verlangen, es sei denn es lässt sich ein anderer Wille des Erblassers beweisen. Hier ist aber im Gegenteil anzunehmen, dass der Erblasser seinen Nachlass zu Gänze an seine Kinder verteilen wollte. 3. Erbschaftsschenkung und Pflichtteilsabtretung Die zwischen der Ehegattin und dem Sohn in Form eines Notariatsakts getroffene Vereinbarung kann, da eine Erbausschlagung zugunsten einer bestimmten Person nicht möglich ist, nur als Erbschaftsschenkung (analog § 1278) gedeutet werden. Eine solche Erbschaftsschenkung geht aber hier ins Leere, weil der Ehegattin weder ein testamentarischer noch wie oben bereits festgestellt (2.) ein gesetzlicher Erbteil zustand. Sie konnte aber ihren erhalten gebliebenen Pflichtteilsanspruch (oben 2.) abtreten, wozu ein Notariatsakt nicht erforderlich gewesen wäre. Ob ihr allerdings konkret überhaupt ein Pflichtteils(ergänzungs-)anspruch zusteht, wäre im Hinblick auf die behaupteten Schenkungen im Lichte des § 787 Abs 2 zu prüfen. 4. Pflichtteilsdeckung Der Fall ist zusätzlich unter dem Gesichtspunkt interessant, ob sich die nichtausschlagende Tochter, der nach der skizzierten Falllösung insgesamt 25% des Nachlasses als testamentarische (10%) und gesetzliche (15%) Erbin zustehen, in ihrer Eigenschaft als Pflichtteilsberechtigte mit der Zuweisung einer Unterbeteiligung am Gesellschaftsanteil des Bruders zufrieden geben musste, maW ob diese Zuwendung eine geeignete Pflichtteilsdeckung nach § 774 darstellt. Nach längerem Schwanken der Rsp in dieser Frage hat der OGH dies zuletzt in einem ähnlichen Fall bejaht3 und sich damit eher für eine wertorientierte Betrachtung der Pflichtteilsdeckung ausgesprochen. 5. Ergebnis Der Sohn ist aus dem Testament zu 60%, die nicht ausschlagende Tochter zu 10% berufen. Dazu kommt für beide eine gesetzliche Erbquote von 15%. Der Sohn könnte überdies einen allenfalls durch Schenkungen noch nicht abgedeckten, auf ihn übergegangenen Pflichtteilsergänzungsanspruch seiner Mutter geltend machen, der ihn aber letztlich selbst als Miterbe zu 75% belasten würde. 3 OGH SZ 71/166.
Sechster Teil: Fälle zum Erbrecht
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Fall 100: „Das vergessene zweite Original des Testaments“ Sachverhalt1 Der Erblasser, dessen wesentliches Vermögen in Unternehmensbeteiligungen an einer GmbH und einer GmbH & Co KG bestand, hatte zwei private fremdhändige Zeugentestamente errichtet. Hiervon gab es jeweils zwei Originale (Ausfertigungen), wobei eines in der Verwahrung des beratenen Rechtsanwalts verblieb und das andere vom Erblasser mit sich genommen wurde. Im ersten Testament vom 21.1.2000 hatte der Erblasser seine Familienmitglieder zu Erben eingesetzt und dabei für seinen Enkel (später Zweitkläger) 51% der Unternehmensbeteiligungen vorgesehen. Im zweiten Testament vom 19.9.2002 setzte der Erblasser seine Ehegattin und die zwei Kinder zu Erben ein. Aus den Verfahrensergebnissen ergab sich, dass Grund für die Errichtung der zweiten Testaments ein kurzfristiges Zerwürfnis des Erblassers mit seinem als Nachfolger vorgesehenen Enkel war. Nach Aussöhnung mit dem Enkel wollte der Erblasser die Verfügung vom 21.1. 2000 wiederherstellen und beauftragte seinen Rechtsanwalt, die bei diesem befindliche Testamentsurkunde der zweiten Verfügung vom 19.9.2002 zu vernichten und versprach auf entsprechende Aufforderung des Rechtsanwalts, auch das sich bei ihm selbst befindliche zweite Original zu vernichten. Irrtümlicherweise vernichtete der Erblasser jedoch eine bloße Abschrift dieses Testaments, da er vergessen hatte, dass sich das Original im Safe in seinem Schlafzimmer befand. Ist das Testament vom 21.1.2000 wieder wirksam geworden? Lösung2 1. Widerruf des Testaments Der Widerruf einer schriftlichen letztwilligen Verfügung kann ausdrücklich oder stillschweigend erfolgen. Ein stillschweigender Widerruf erfolgt durch die in § 721 nicht taxativ genannten Einwirkungen auf die Urkunde (zusätzlich etwa auch durch Streichungen, Anbringen des Wortes „ungültig“, Zerreißen, Verbrennen). Der Erblasser muss diese Handlungen nicht persönlich vornehmen, sie können auch in seinem Auftrag, gewissermaßen wie durch ein Werkzeug des Erblassers, durch einen Dritten vorgenommen werden. Damit diese Handlungen Widerrufswirkung erlangen, muss Testierfähigkeit gegeben sein. Der Aufhebungswille wird hiebei jedoch nur widerleglich vermutet (vgl § 722). 2. Mehrere Testamentsurkunden Von einem Testament kann es sowohl zwei oder mehrere Ausfertigungen (Originale) geben, als auch Abschriften (Kopien) hievon. Eine Abschrift 1 Aus JBl 2006, 647. 2 Siehe VI/4/63 ff, 4/71, 4/73.
Fall 101: „Eine undatierte Verfügung“ (B. Eccher)
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bildet kein selbständiges Testament. Eine solche kann allerdings im Fall des zufälligen Verlustes der Urkunde zum Zweck des Beweises des Inhalts des nicht mehr vorhandenen Testaments Bedeutung erlangen (§ 722)3. Die Vernichtung bloß einer von mehreren Ausfertigungen bedeutet hingegen folgerichtig keinen Widerruf (§ 721 S 2), es sei denn der Aufhebungswille wird – wie im vorliegenden Fall – bewiesen. 3. Widerruf des Widerrufs Grundsätzlich lebt durch einen Widerruf des Widerrufs die frühere letztwillige Verfügung wieder auf. § 723 regelt allerdings nur den – mit dem vorliegenden Sachverhalt übereinstimmenden – Fall, dass der Erblasser eine spätere schriftliche Anforderung vernichtet, eine frühere schriftliche jedoch unversehrt lässt. Über § 723 hinaus ist im Übrigen aber anerkannt, dass einerseits der zu widerrufende Widerruf nicht bloß in einer späteren Anordnung sondern auch in einem ausdrücklichen Widerruf bestehen kann. Verneint wird aber, dass durch einen ausdrücklichen Widerruf des Widerrufs die ursprüngliche Anordnung wieder zur Geltung kommt4. Immer muss die ursprüngliche Verfügung eine schriftliche gewesen und unversehrt geblieben sein. 4. Ergebnis Das Testament vom 19.9.2002 ist widerrufen, wodurch das Testament vom 21.1.2000 wieder Gültigkeit erlangt.
Fall 101: „Eine undatierte Verfügung“ Sachverhalt1 Die Erblasserin (D), deren wesentliches Vermögen aus einem ZweidrittelAnteil eines Hauses am Attersee einschließlich eines Fischereirechts bestand, gegen die aber auch noch offene Forderungen aus einer geplanten Teilung dieses Anwesens bestanden, hatte am 11.4.1991 ein mündliches Testament2 errichtet, in dem sie Frau Brigitte S (Beklagte) zu ihrer alleinigen Erbin bestimmte. Im Herbst des darauffolgenden Jahres erhielt Herr A unerwarteterweise einen Brief ohne Absender, in dem sich ein Schriftstück folgenden Inhalts befand: „Auguste D, geb am 25.12.1905/Mein Testament/Mein letzter Wille ist von meine 2/3 vom Besitz W am Attersee hat Herr Dr. G die gerichtlichen Sachen zu machen und Hans A soll es erben./D“. Wie in der Folge festgestellt wurde, war der Text zwar eigen3 4 1 2 ment
Vgl Eccher in Schwimman3 § 721 Rz 5, § 722 Rz 1. Vgl abgesehen von der vorliegenden Entscheidung auch OGH JBl 1998, 507. Aus OGH SZ 72/179. Inzwischen durch FamErbRÄG 2004 aufgehoben und nur noch als Nottestanach § 597 zugelassen.
Sechster Teil: Fälle zum Erbrecht
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händig, jedoch mit gewissen zeitlichen Verzögerungen und unter Verwendung verschiedener Schreibgeräte verfasst worden. Es konnte hingegen nicht festgestellt werden, ob dieses Schriftstück vor oder nach der mündlichen Verfügung vom 11.4.1991 entstanden ist. Nachdem Brigitte S im Verlassenschaftsverfahren eine bedingte Erbantrittserklärung abgegeben hatte und ihr der Nachlass auch eingeantwortet worden war, klagte A die S auf Herausgabe des Liegenschaftsbesitzes am Attersee. Besteht der Herausgabeanspruch zu Recht? Lösung3 1. Eigenhändige letztwillige Verfügung Das Erfordernis der Eigenhändigkeit von Text und Unterschrift beim eigenhändigen Testament (§ 578) soll Fälschungen oder Verfälschungen des Testaments verhindern und die Identität des Verfassers ermöglichen. Die Art des Schreibgerätes spielt ua keine Rolle, ebensowenig wie die zeitliche Einheit des Testieraktes. Grammatikalische Richtigkeit bzw die Bildung ganzer Sätze sind nicht notwendig, wenn sich ein widerspruchsfreier Sinn durch Auslegung ermitteln lässt, wobei auch auf den „favor testamenti“ Bezug genommen werden kann. Die Unterschrift muss räumlich am Schluss der Verfügung stehen. Die Beisetzung des Datums (und Ortes) ist zwar angeraten aber nicht zwingend. Das Vorhandensein eines Testierwillens ist zwar essentiell, sofern jedoch keine gegenläufigen Umstände vorliegen, lässt sich der Testierwille aus der Verwendung einer Überschrift „Mein Testament“ oä sicher erschließen. 2. Erbeinsetzung oder Legat Zwischen Erbeinsetzung (Gesamtrechtsnachfolge) und Legat (Einzelrechtsnachfolge) ist zu unterscheiden. Dabei kommt es – schon weil der durchschnittliche Laie den Unterschied nicht kennt – nicht auf die verwendeten Worte an, und auch die Nennung eines bestimmten Vermögensteiles muss Erbeinsetzung nicht ausschließen. Bezogen auf den vorliegenden Fall sind als Argumente für eine hier vorliegende Erbeinsetzung etwa zu nennen, dass die Erblasserin den Bedachten offensichtlich als Gesamtnachfolger haben wollte, dass sie ihm einen direkten Zugriff auf das Nachlassvermögen einräumen wollte, dass die Erblasserin trotz Aufzählung einer bestimmten Sache damit mehr oder weniger an ihr gesamtes Vermögen gedacht hatte und dass die Erblasserin dem Begünstigten auch die Entrichtung von Lasten auferlegen wollte. 3. Zusammentreffen von datierten und undatierten Verfügungen Eine Sonderregel für das Verhältnis mehrerer letztwilliger Verfügungen (im Allgemeinen §§ 713 f) stellt § 715 für Fälle auf, in denen mehrere Verfü3 Siehe VI/4/41 ff, 4/14, 4/74, 6/24 ff.
Fall 102: „Der ungeliebte Testamentsvollstrecker“ (B. Eccher)
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gungen vorliegen, deren Errichtungszeitpunkt aber nicht mehr festgestellt werden kann. § 715 ist auch anwendbar, wenn eines der Testamente mit einem Datum versehen ist. Auch die an sich nicht miteinander vereinbaren Anordnungen sind in einem solchen Fall möglichst miteinander zu kombinieren, zB die je als Alleinerben eingesetzten Erben erben dann zur Hälfte. 4. Erbschaftsklage Mit der Erbschaftsklage (§ 823 f) verfolgt der Kläger das Rechtsschutzziel, die Rechtsstellung als Universalsukzessor des/der Verstorbenen zu erlangen. Die Klage ist erst nach rechtskräftiger Beendigung des Verlassenschaftsverfahrens, genau nach Bindung des Gerichts an den Beschluss über die Einantwortung (§ 164 AußStrG), zulässig. Die Erhebung der Erbschaftsklage bedeutet substantiell Abgabe einer Erbantrittserklärung. Der Kläger muss im Prozess sein besseres Erbrecht gegenüber dem Beklagten beweisen oder zumindest beweisen, dass ihm ebenfalls eine Erbquote zusteht. IdS spricht § 823 entweder von Abtretung oder Teilung der Erbschaft. Die Erbschaftsklage ist nach hA auf ein Leistungsurteil gerichtet, nämlich auf Verurteilung zur gänzlichen oder teilweisen Abtretung des Nachlassbesitzes. Die Abtretung des Erbschaftsbesitzes erfolgt durch Willenserklärung und wird durch das Urteil gemäß § 367 EO ersetzt. Mit Rechtskraft des Urteils tritt der siegreiche Erbschaftskläger somit als Universalnachfolger in die einzelnen vererblichen Rechtspositionen des Nachlasses ein und kann diese erforderlichenfalls mit entsprechenden Singularklagen (zB Eigentumsklage) durchsetzen (vgl § 823 S 2). Nach hA haftet der siegreiche Erbschaftskläger immer beschränkt wie nach bedingter Erbserklärung. Die Erbschaftsklage ist nach einem Teil der nunmehrigen Rsp unverjährbar4. Zu beachten ist jedoch, dass uU zum Zweck des Nachweises des besseren Erbrechts eine bestehende letztwillige Verfügung angefochten werden muss, wofür die kurze dreijährige Verjährungsfrist des § 1487 einzuhalten ist. 5. Ergebnis S und A sind je zur Hälfte Erben. A hat seine Ansprüche mit Erbschaftsklage geltend zu machen.
Fall 102: „Der ungeliebte Testamentsvollstrecker“ Sachverhalt1 Der am 13.3.1994 verstorbene Erblasser hinterließ seine Ehegattin und drei Kinder aus seiner geschiedenen Ehe mit Andrea H. In seinem Tes4 Vgl OGH NZ 1999, 167; andererseits wiederum die hier zugrunde gelegte E OGH SZ 72/179. 1 Stark verkürzt aus OGH SZ 70/40.
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Sechster Teil: Fälle zum Erbrecht
tament vom 3.3.1988 setzte er seine jüngste, noch minderjährige Tochter Felicitas zur Alleinerbin ein und vermachte den anderen Kindern Barlegate iHv je S 5 Mio (= € 363.364). Seinen Freund und Rechtsanwalt Ludwig D bestimmte er zum Testamentsvollstrecker. Zusätzlich ordnete er an: „Sollte meine geschiedene Frau Andrea nach dem 4.3.1988, 24.00 Uhr, weitere Anzeigen direkt oder indirekt gegen mich erstatten oder Verfahren … gegen mich einleiten …, kommen meine Kinder Felicitas, Katharina und Maximilian erst nach dem Tod meiner geschiedenen Frau Andrea in den Genuss ihres Erbes bzw ihrer Legate. Diesfalls ersuche ich meinen Verlassenschaftskurator Dr. Ludwig D die Verwaltung meines gesamten Vermögens zu übernehmen und verfüge, dass bis zum Ableben meiner geschiedenen Frau Andrea die Erträgnisse aus meinen Betrieben und Vermögen zur Verbesserung und Erweiterung meiner Betriebe und zur Erhaltung meines Schlosses herangezogen werden. Meine Kinder erhalten in diesem Falle bis zum Tod meiner geschiedenen Frau Andrea nichts. Jedes meiner Kinder, welches diese Verfügungen anficht, verliert seine Zuwendung aus meinem Testament.“ Die Nachlassberechtigten und ihre Mutter stehen Ludwig D ablehnend gegenüber. Ist vom Gericht ein Nachlasskurator zu bestellen und wer kommt dafür in Frage? Lösung2 1. Testamentsvollstrecker und Nachlassverwalter Der Erblasser kann zur Überwachung der Durchführung seiner Anordnungen letztwillig einen Testamentsvollstrecker bestimmen (§ 816). Er ist insb Auflagenberechtigter und hat damit Parteistellung im Verlassenschaftsverfahren. Der Erblasser kann aber auch zusätzlich einen Verwalter für den Nachlass benennen und diese Aufgabe auch dem Testamentsvollstrecker zuweisen (sog verwaltender Testamentsvollstrecker). Das Verwaltungsrecht steht jedoch als Ausfluss des Erbrechts entweder dem ausgewiesenen Erben zu (§ 810) oder ansonsten einem vom Gericht zu bestellenden Nachlasskurator. Dabei kann das Gericht auch den vom Erblasser gewünschten Testamentsvollstrecker oder Verwalter bestellen, sofern es dies im Hinblick auf ein gedeihliches Zusammenwirken der Betroffenen für opportun hält (vgl § 156 Abs 2 AußStrG.). In jedem Fall stehen Testamentsvollstrecker und Verwalter unter der Aufsicht des Verlassenschaftsgerichts. Steht dem Erben das Verwaltungsrecht zu, ist str, ob er einen vom Erblasser bestimmten Verwalter jederzeit grundlos oder nur im Fall grober Pflichtverletzung oder überhaupt nur über einen entsprechenden Antrag an das Verlassenschaftsgericht entlassen kann3.
2 Siehe VI/1/7 ff, 4/89, 4/120 ff, 6/15. 3 Vgl die zugrunde gelegte E OGH SZ 70/40.
Fall 102: „Der ungeliebte Testamentsvollstrecker“ (B. Eccher)
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2. Kollisionskurator Im vorliegenden Fall ist zu beachten, dass der Erblasser seine geschiedene Frau Andrea von jeder Verwaltung seines Nachlassvermögens ausschließen wollte. Gem § 5 Abs 2 lit a AußStrG kann das Gericht daher das Verwaltungsrecht nicht der minderjährigen Felicitas, vertreten durch ihre Mutter als gesetzliche Vertreterin, übertragen, sondern müsste einen eigenen (Kollisions-)Kurator bestellen. 3. Sozinische Klausel Die Anordnung, wonach die Kinder im Fall der Anfechtung der erblasserischen Anordnungen ihre Zuwendungen aus dem Testament verlieren sollen, ist eine zulässige „Sozinische Klausel“. Dadurch sollen die Begünstigten die über die Pflichtteilsdeckung hinausgehenden Zuwendungen verlieren (oder bei ungeeigneter Pflichtteilsdeckung nur den gesetzlichen Pflichtteilsanspruch behalten). 4. Ergebnis Aufgrund der Feindseligkeiten zwischen der Erbin und ihrer Mutter einerseits und dem vom Erblasser gewünschten Testamentsvollstrecker und Verwalter andererseits wird das Gericht einen anderen Nachlasskurator bestellen. Es darf hierbei aber in Beachtung des gewünschten Ausschlusses der gesetzlichen Vertreterin der Erbin von jeglicher Verwaltung das Verwaltungsrecht auch nicht der Erbin, vertreten durch ihre Mutter als gesetzliche Vertreterin übertragen. Im Fall einer Anfechtung der Verfügungen des Erblassers würden die Erbin und auch die Vermächtnisnehmer die über die Pflichtteilsdeckung hinausgehenden Zuwendungen verlieren.
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Sechster Teil: Fälle zum Erbrecht
3. Vermächtnis – Begriff und Arten Fall 103: „Die syrische Lebensgefährtin“ Sachverhalt1 Der Erblasser, ein österr Staatsbürger, der in München lebte und auch dort am 26.4.1991 verstorben ist, hinterließ seine Witwe, die spätere Beklagte, der als (gesetzlicher) Alleinerbin nach einem in Österreich durchgeführten Verlassenschaftsverfahren der Nachlass des Verstorbenen zur Gänze eingeantwortet wurde. Aufgrund der Einantwortung konnte die Erbin auch alle im Nachlass vorgefundenen Sparbücher realisieren. Kurz vor seinem Tod hatte der an Krebs erkrankte Verstorbene seiner Schwester aus München einen in Blockbuchstaben verfassten und mit „EUER FRED“ unterzeichneten Brief geschrieben, in dem es ua hieß: „ICH HABE NUN NOCH EINE BITTE!!! SOLLTE MIR ETWAS UNVORHERGESEHENES ZUSTOSSEN; SO BITTE ICH EUCH DAS SPARBUCH MIT DEN S 300.000 (= € 21.802) SAMT ZINSEN AN FRL. H N [Postfach, Telefon, etc] ZUKOMMEN ZU LASSEN“. H N, eine syrische Staatsbürgerin, war zeitweise die Lebensgefährtin des Erblassers. In ihrer am 23.3.1994 eingebrachten Klage begehrt sie gegenüber der Witwe des Verstorbenen die Zahlung von S 300.000 samt 4% Zinsen ab dem 11.7.1991. Besteht der Anspruch der Klägerin zu Recht? Lösung2 1. Internationales Erbrecht Aufgrund der mehrfachen Auslandsberührungen des geschilderten Falles ist zunächst eine Prüfung des Falles nach internationalem Privat- und Verfahrensrecht angebracht. Da der Verstorbene im Zeitpunkt seines Todes österr Staatsbürger war, richtet sich die Rechtsnachfolge von Todes wegen gem § 28 Abs 1 IPRG grundsätzlich nach österr Recht. Österr Recht gilt aber auch für die Frage des Erwerbs des offensichtlich beabsichtigten Vermächtnisses, weil eine Verlassenschaftsabhandlung in Österreich durchgeführt wurde. Dabei wird der Begriff „Erbschaftserwerb“ in § 28 Abs 2 IPRG weit ausgelegt und umfasst auch den Vermächtniserwerb3. Was das auf die Form letztwilliger Verfügungen anzuwendende Recht anlangt, so ist nach dem Haager Testamentsabkommen (BGBl 1963/295), dem sowohl Österreich als auch Deutschland beigetreten sind, das Recht des Heimatstaates des Verstorbenen ein anwendbares Recht, wobei das Abkommen noch zahlreiche weitere Anknüpfungspunkte enthält. Die Gültigkeit der vorliegenden letzt1 Aus OGH SZ 69/247. 2 Siehe VI/4/34, 4/40, 4/41 ff, 9/20, 10/12; vgl zum Internationalen Erbrecht Posch VII/12/1 ff. 3 Vgl Schwimann in Rummel3 § 28 IPRG Rz 8.
Fall 103: „Die syrische Lebensgefährtin“ (B. Eccher)
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willigen Verfügung kann sich somit jedenfalls auch aus dem österr Recht ergeben. Der Umstand, dass die Begünstigte syrische Staatsangehörige ist, spielt hingegen bei der internationalrechtlichen Beurteilung des Falles keine Rolle. 2. Eigenhändiges Kodizill Ein eigenhändiges Kodizill (vgl § 553), das genau den gleichen Formvorschriften wie ein eigenhändiges Testament (§ 578) unterliegt, kann auch in einem Brief enthalten sein und als Unterschrift genügt auch eine Bezeichnung, unter der der Erblasser bekannt ist, so dass an seiner Identität kein Zweifel besteht. Über die Art der verwendeten Schrift bestehen keine besonderen Vorschriften, so dass auch die Verwendung von Blockschrift in Frage kommt, umso mehr wenn dies eine Gewohnheit des Verfügenden war. Wird eine letztwillige Verfügung als „Bitte“ udgl formuliert, hängt es von der Auslegung der Verfügung ab, ob damit nur ein unverbindlicher Wunsch oder aber eine bindende letztwillige Anordnung vorliegt. Im vorliegenden Fall spricht für die Ernstlichkeit des Willens der Umstand, dass keine sonstigen Verfügungen vorliegen und dass der Erblasser daran dachte, es könnte ihm etwas Unvorhergesehenes zustoßen. 3. Gegenstand des Vermächtnisses Bei wörtlicher Auslegung bezieht sich die vorliegende Anordnung spezifisch auf ein individuell bestimmtes Sparbuch, nämlich „das Sparbuch mit den S 300.000“ (= € 21.801,85), oder besser gesagt das Vermächtnis hat die Forderung aus diesem Sparbuch zum Gegenstand (vgl § 664; Forderungsvermächtnis). Da aber grundsätzlich ein letzter Wille möglichst aufrecht bleiben und zum beabsichtigten Ergebnis führen soll (favor testamenti; vgl § 655), ergibt die Auslegung im vorliegenden Fall, dass es dem Erblasser mehr auf den Geldbetrag als auf dessen rechtliche Herkunft angekommen ist, dass er also in Wahrheit das Sparguthaben und nicht die – inzwischen durch die Realisierung des Sparbuchs seitens der Witwe erloschene – Sparbuchforderung vermacht hat. 4. Fälligkeit und Verzugszinsen Nach § 685 wird ein vermachter Geldbetrag ein Jahr nach dem Tod des Erblassers fällig, worauf auch die gesetzlichen Verzugszinsen zu laufen beginnen. 5. Ergebnis Der Klägerin steht eine Vermächtnisforderung iHv S 300.000 (= € 21.801,85) gegenüber der Beklagten zu. Diese Forderung wurde am 26.4.1992 fällig (vgl § 685), die gesetzlichen Verzugszinsen laufen ab dem 27.4.1992 (vgl § 1333 f).
Sechster Teil: Fälle zum Erbrecht
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Fall 104: „Nacherbschaft, Ersatzerbschaft, Nachvermächtnis und Untervermächtnis“ Sachverhalt1 Der am 8.3.1991 verstorbene Rudolf A hinterließ ein Testament vom 28.2. 1990 mit folgendem Wortlaut: „1. Zu meiner Alleinerbin bestimme ich meine Frau Maria A. Falls meine Frau das Erbe nicht antreten will oder nicht antreten kann, sollen mein Sohn Jörg A und meine Enkelin Gerda L je zur Hälfte meine Erben sein. 2. Zugleich setze ich folgende Vermächtnisse aus: Meiner Frau Maria A vermache ich die mir gehörige Hälfte des Wohnhauses in N EZ 455 KG G mit der Auflage, an der ihr gehörigen und an der ererbten Hälfte dieser Liegenschaft, somit an der Gesamtliegenschaft, meinem leiblichen Sohn Jörg A auf dessen Lebensdauer das Fruchtnießungsrecht einzuräumen, unserer Enkelin Gerda L an dieser Liegenschaft jedoch nach ihrem Tod das Nachvermächtnis einzuräumen. Dieses Anwartschaftsrecht der Gerda L ist durch grundbücherliche Eintragung des Veräußerungs- und Belastungsverbotes zu ihren Gunsten abzusichern, das dem Jörg A einzuräumende Fruchtnießungsrecht ist ebenfalls grundbücherlich einzutragen.“ Im Verlassenschaftsverfahren erklärte Maria A (Erstbeklagte), die „Auflage“, an der ihr gehörenden Hälfte der Liegenschaft dem Jörg A (Zweitbeklagter) das Fruchtgenussrecht und der Gerda L (Klägerin) das Nachvermächtnis einzuräumen, als unzulässig zu erachten und nicht erfüllen zu wollen. Hinsichtlich der ererbten Hälfte der Liegenschaft werde sie das angeordnete Veräußerungs- und Belastungsverbot und das Fruchtgenussrecht dulden. Sie räume an der vom Erblasser stammenden Hälfte der Liegenschaft dem Zweitbeklagten das Fruchtgenussrecht ein und verpflichte sich, diese Hälfte ohne Zustimmung der Klägerin weder zu veräußern noch zu belasten. Inwieweit kann sich die Erstbeklagte gegen die Anordnungen ihres verstorbenen Mannes zur Wehr setzen? Lösung2 1. Allgemein Der zu lösende Fall vereint in komplexer Weise Fragen der Nacherbschaft (fideikommissarische Substitution; §§ 608 ff), der Ersatzerbschaft (§§ 604 ff), des (dazu analogen) Nach- und Ersatzvermächtnisses (§ 652) und des Untervermächtnisses, das darin besteht, dass der Vermächtnisnehmer (zum Unterschied vom Nachvermächtnis) zur Leistung einer vom Hauptvermächtnisgegenstand verschiedenen Vermächtnisgegenstandes verpflichtet 1 Aus SZ 70/102 = NZ 1998, 146, mit Anm B. Jud. 2 Siehe VI 4/100 ff, 4/106 ff, 9/10, 9/25, 10/3.
Fall 104: „Nacherbschaft“ (B. Eccher)
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wird (auch Subvermächtnis; § 650). Bei der Lösung des Falles empfiehlt sich zunächst eine getrennte Beurteilung hinsichtlich der Liegenschaftshälfte des Erblassers und der der Ehegattin gehörigen Liegenschaftshälfte. 2. Die Wirkung der letztwilligen Verfügung hinsichtlich der Liegenschaftshälfte des Erblassers a) Der Ehegattin als testamentarischer Alleinerbin wird mit der letztwilligen Verfügung zusätzlich zu ihrer Erbenstellung hinsichtlich des sonstigen Vermögens die Stellung einer Vermächtnisnehmerin an der Liegenschaftshälfte des Erblassers zugewiesen. In einem solchen Fall ist der bedachte Erbe hinsichtlich des Vermächtnisgegenstandes wie ein Legatar zu betrachten. IZw liegt echtes Vorausvermächtnis vor, dh das Vermächtnis tritt zum Erbteil hinzu und wird nicht in diesen eingerechnet (§ 648 f), was vor allem bei einer Mehrzahl von Erben eine Rolle spielt (sa unten b). b) Die Annordnung unter Pkt 1. des Testaments, 2. Absatz, ist als Ersatzerbschaft nach § 604 zu verstehen. Diese Anordnung verliert nach Annahme der Erbschaft durch die Alleinerbin ihre Bedeutung. Auf das Vermächtnis der Liegenschaft wirkt die Anordnung der Ersatzerbschaft infolge des gebotenen Auseinanderhaltens von Erbfolge und (Voraus-)Vermächtnis nicht (sa zum stillschweigenden Ersatzvermächtnis unten c). c) Das an der Liegenschaftshälfte des Erblassers bestellte Fruchtgenussrecht zugunsten des Jörg A ist ein Untervermächtnis gem § 650, dem sich die Vermächtnisnehmerin nur durch Ausschlagung des Hauptvermächtnisses entziehen kann. Einem dann allenfalls zum Zug kommenden Ersatzvermächtnisnehmer steht dagegen die Wahlmöglichkeit zu, anstelle der Leistung des Untervermächtnisses dem Begünstigten das Hauptvermächtnis zu überlassen. Im vorliegenden Fall könnte dieser Fall eintreten, wenn man davon ausgeht, Maria A habe das Vermächtnis ausgeschlagen (dazu unten 4.) und wenn man bedenkt, dass Gerda L hinsichtlich derselben Liegenschaftshälfte Nachvermächtnisnehmerin ist, wodurch die Regel des § 608 iVm § 652 anwendbar wird, nämlich dass ein Nachvermächtnisnehmer iZw auch Ersatzvermächtnisnehmer ist. d) Gerda L ist hinsichtlich der gegenständlichen Liegenschaftshälfte Nachvermächtnisnehmerin gem § 652, wodurch grundsätzlich die Vorschriften der §§ 608 ff über die Nacherbschaft sinngemäß Anwendung finden. 3. Die Wirkungen der letztwilligen Verfügung hinsichtlich der Liegenschaftshälfte der Ehegattin Bezogen auf die eigene Liegenschaftshälfte der Ehegattin stellen sich beide letztwillige Anordnungen, nämlich hinsichtlich des Fruchtgenussrechtes des Sohnes als auch hinsichtlich des „Nachvermächtnisses“ der Enkelin als Untervermächtnis nach § 650 dar, weil der Gegenstand des Hauptvermächtnisses (Liegenschaftshälfte des Verstorbenen) ein anderer ist. Die Ehegattin könnte sich daher durch dessen Ausschlagung (dazu unten 4.) der Verpflichtung zu den Untervermächtnissen entziehen.
Sechster Teil: Fälle zum Erbrecht
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Zu beachten ist, dass auch ein Untervermächtnis iSd § 662 nur gültig ist, wenn es sich entweder auf eine Sache des Erblassers, des Vermächtnisschuldners oder des Vermächtnisnehmers bezieht oder eine Verschaffungspflicht ausdrücklich oder zumindest ausreichend deutlich angeordnet ist. Hier steht aber fest, dass die Ehegattin als Vermächtnisschuldnerin (gleichzeitig auch als mit den Vermächtnis Beschwerte) jedenfalls im Zeitpunkt des Erbfalls Eigentümerin dieser Liegenschaftshälfte war. Von einem Teil der Lehre3 wird das Untervermächtnis hinsichtlich der Enkelin jedoch deshalb als ungültig angesehen, weil es hier erst nach dem Tod der Beschwerten zu leisten ist und dies als Testierverbot hinsichtlich des eigenen Vermögens einen unzulässigen Eingriff in die Testierfreiheit darstelle. ME ist allerdings die Testierfreiheit durch die Möglichkeit der Ausschlagung des Hauptvermächtnisses auch dann ausreichend gewahrt, wenn das Vermächtnis nicht sofort zu erfüllen ist4. 4. Ausschlagung Die Erklärung der Ehegattin im Verlassenschaftsverfahren, die angeordneten Vermächtnisse zugunsten des Sohnes und der Enkelin nur hinsichtlich der aus dem Vermögen des Erblassers stammenden Liegenschaftshälfte erfüllen zu wollen, interpretierte der OGH aufgrund der nicht zulässigen Teilausschlagung eines (unteilbaren) Vermächtnisses als Ausschlagung des gesamten Vermächtnisses5. 5. Grundbücherliche Sicherung der Vermächtnisse Der vorliegende Fall zeigt, dass ein Erblasser zum Zweck der Verdinglichung der von ihm geschaffenen Begünstigungen auch letztwillig Grundbuchseintragungen anordnen kann. Hinsichtlich des Vermächtnisses zugunsten der Enkelin (oben 2. d) würde sich allerdings schon aus § 652 iVm § 613 die Möglichkeit der Eintragung der Substitutionsbindung ergeben6. Die Anordnung des Veräußerungsverbotes stellt hier aber jedenfalls klar, dass es sich keinesfalls um ein befreites Nachvermächtnis (analog der befreiten Nacherbschaft oder Nacherbschaft auf den Überrest; § 614) handeln kann. Die Vorvermächtnisnehmerin dürfte somit nicht ohne Zustimmung der Nachvermächtnisnehmerin über die Substanz verfügen. Inhaltlich stellt sich die Anordnung des Belastungs- und Veräußerungsverbotes hier nicht als Auflage, sondern ebenfalls als (Unter-)Vermächtnis dar, weil eindeutig klar ist, dass dieses Belastungs- und Veräußerungsverbot zugunsten der Enkelin angeordnet wurde, ihr somit also ein Recht zugewiesen werde sollte7. 3 4 Rabl, 5 6 7
Insb Welser, NZ 1994, 197. Vgl auch OGH NZ 1999, 91; sa zur Problematik im „Fall Klimt“ bei Welser/ Der Fall Klimt (2005) 42 ff; Krejci, Der Klimt-Streit (2005) 110 ff. Krit B. Jud, Anm zu dieser E. Vgl Eccher in Schwimann3 § 652 Rz 5. Vgl Eccher in Schwimann3 § 709 Rz 3.
Fall 105: „Die pflegedürftige Witwe“ (B. Eccher)
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6. Ergebnis Sämtliche Anordnungen des Erblassers erscheinen also im Ergebnis gültig und zulässig. Nimmt man Ausschlagung des Vermächtnisses durch die Ehegattin an, wird sie dadurch hinsichtlich ihrer eigenen Liegenschaftshälfte von den Verpflichtungen zu den Untervermächtnissen befreit, hinsichtlich der dem Erblasser gehörenden Liegenschaftshälfte fiele das Vermächtnis der Enkelin als Ersatzvermächtnisnehmerin (§ 652 iVm § 608) zu. Diese hätte ihrem Vater gem § 606 das grundbücherlich einzutragende Fruchtgenussrecht einzuräumen.
Fall 105: „Die pflegedürftige Witwe“ Sachverhalt1 Der am 18.3.1993 verstorbene Erblasser hinterließ seine Witwe (Klägerin) und zwei Töchter, denen auch der Nachlass aufgrund der gesetzlichen Erbfolge zu je einem Drittel eingeantwortet wurde. Die Liegenschaft mit dem Haus, in dem sich auch die Ehewohnung befand, hatte der Erblasser einer seiner Töchter (Beklagte) in einem mit 4.6.1986 datierten Kodizill vermacht. Die Klägerin verlangte von der Beklagten die Pflichtteilsergänzung, wobei sie erklärte, auf ihr gesetzliches Vermächtnis des Wohnrechts an der Ehewohnung (§ 758) wegen ihrer Pflegebedürftigkeit zu verzichten und daher den gesamten Pflichtteil in Geld (öS 280.000,– = € 20.348,40) zu verlangen. Die Beklagte wendete im Wesentlichen ein, dass bei der Berechnung des Pflichtteilsanspruchs auf das Vorausvermächtnis des § 758 Bedacht zu nehmen sei und dass sie aufgrund der Nichtinanspruchnahme des Wohnrechts durch ihre Mutter von dieser Last befreit worden sei. Ist es zulässig, das Wohnrecht des § 758 auszuschlagen und an dessen Stelle den Pflichtteil zu verlangen? Lösung2 1. Das Wohnrecht des § 758 Gemäß § 758 gebühren dem überlebenden Ehegatten, sofern er nicht rechtmäßig enterbt worden ist, als gesetzliches Vorausvermächtnis (gesetzlicher Voraus) das Recht, in der Ehewohnung weiter zu wohnen, und das Eigentum an den zum ehelichen Haushalt gehörenden beweglichen Sachen, soweit sie zu dessen Fortführung entsprechend den bisherigen Lebensverhältnissen erforderlich sind. Durch dieses Vorausvermächtnis sollen nach der erklärten Absicht des Gesetzgebers3 dem überlebenden Ehegatten sei1 Aus OGH SZ 70/47. 2 Siehe VI/9/27 ff, 11/30 ff. 3 EBzRV 1158 Blg NR 17. GP 4.
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ne bisherigen Lebensverhältnisse erhalten und gesichert werden: Der Tod des Ehegatten soll nicht dazu führen, dass der andere die ihm vertrauten Dinge des Alltags verliert, vielmehr soll der hinterbliebene Ehegatte seine gewohnte Umgebung beibehalten können. Das Recht, in der Wohnung weiter zu wohnen, ist ein gesetzliches Vorausvermächtnis mit Pflichtteilsund Unterhaltscharakter, unterliegt daher grundsätzlich den Regeln des Vermächtnisrechts4. 2. Pflichtteilsdeckung Die Hinterlassung eines gesetzlichen, vertraglichen oder letztwilligen Erbteils oder Vermächtnisses bindet den Pflichtteilsberechtigten, wenn die Zuwendung als Pflichtteilsdeckung geeignet ist. Dies bedeutet, dass der Pflichtteilsberechtigte die Zuwendung nicht unter Vorbehalt seines Geldpflichtteils ausschlagen kann. Die Zuwendung muss jedoch ganz frei bleiben. Daher kann der Pflichtteilsberechtigte die die Zuwendung einschränkenden Bedingungen und Belastungen grundsätzlich anfechten (§ 774). In L und Rsp bestehen jedoch Divergenzen und Unsicherheiten darüber, wann eine Zuwendung trotz vorhandener Belastungen als Pflichtteilsdeckung geeignet ist und inwiefern diese angefochten werden können. Während manche fordern, dass dem Pflichtteilsberechtigten die sofortige und freie Verfügbarkeit der Sache zustehen müsse5, betonen andere, dass der Pflichtteil in Wahrheit nur aus einem Anteil am Nachlasswert besteht6. Je nach Sichtweise besteht ein mehr oder weniger großer Spielraum für Pflichtteilsdeckungen. Das Wohnrecht im Rahmen des gesetzlichen Vorausvermächtnisses des Ehegatten ist aber kraft der ausdrücklichen Vorschrift des § 758 jedenfalls als Pflichtteilsdeckung anzusehen. Der OGH macht in der hier zugrundeliegenden Entscheidung jedoch dann eine Ausnahme hievon, wenn dem überlebenden Ehegatten aus nicht von ihm zu vertretenden Gründen, va wegen alters- bzw krankheitsbedingter Pflegebedürftigkeit das Verbleiben in der ehelichen Wohnung nicht zumutbar oder gar unmöglich ist. In diesem Fall kann der überlebende Ehegatte den für ihn nutzlosen Voraus ausnahmsweise unter Vorbehalt seines ungekürzten Pflichtteilsanspruch ausschlagen. 3. Ergebnis Der überlebenden Witwe steht der volle Pflichtteilsanspruch zu.
4 Vgl Angaben bei Eccher in Schwimann3 § 758 Rz 1 ff. 5 ZB Welser in Rummel3 § 774 Rz 9. 6 Vgl etwa Zankl, Vorausvermächtnis 128 ff.
Fall 106: „Die Tochter in Amerika“ (B. Eccher)
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4. Pflichtteilsrecht Fall 106: „Die Tochter in Amerika“ Sachverhalt1 Der Erblasser hatte sich im Jahr 1946 scheiden lassen, worauf seine Exgattin mit der gemeinsamen, damals dreijährigen Tochter, der nunmehrigen Klägerin, in die USA übersiedelte. Seither bestand kein Kontakt mehr zwischen dem Vater und der Tochter. Seit 1978 lebte der Erblasser mit der Beklagten in Lebensgemeinschaft. Im Jahr 1989 war der Erblasser wegen eines Oberschenkelhalsbruches zunächst in stationärer Behandlung und lebte anschließend in einem Altersheim, wo ihn die Beklagte regelmäßig besuchte und betreute. In der letzten Zeit vor seinem Tod am 19.11.1992 litt der Erblasser neben seinen körperlichen Gebrechen auch an einem starken Intelligenzabbau und einer hochgradigen Gedächtnisschwäche. Immer wieder beklagte sich der Erblasser darüber, dass ihn der fehlende Kontakt zu seiner Tochter seelisch belastete. In seinem Testament vom 18.8.1982 hatte der Erblasser, der zu diesem Zeitpunkt noch in guter Gesundheit und Zufriedenheit lebte, die Beklagte zu seiner Alleinerbin bestimmt und zusätzlich verfügt: „Meine Tochter Rita R, von der ich seit 1946 keine Nachricht erhalten habe und deren Aufenthalt in Amerika mir nicht bekannt ist, enterbe ich hiemit, da sie sich niemals um mich gekümmert und im Notstand hilflos gelassen hat“. Die Klägerin macht Pflichtteilsansprüche iHv S 400.000 (= € 29.069) geltend. Mit Recht? Lösung2 1. Enterbung Gem § 768 Z 2 kann ein Kind enterbt werden, dh kann ihm letztwillig der Pflichtteil entzogen werden, wenn es den Erblasser in Notstand hilflos gelassen hat. Als Notstand ist jeder, nicht nur wirtschaftlich hervorgerufene Zustand der Bedrängnis zu verstehen, der nach den Grundsätzen der Menschlichkeit zur Erwartung berechtigt, dass der Pflichtteilsberechtigte dem Erblasser helfen werde. Schuldlose Unkenntnis von der Hilflosigkeit des Erblassers schließt aber einen die Enterbung rechtfertigenden Vorwurf gegenüber dem Pflichtteilsberechtigten aus. Im vorliegenden Fall hatte die damals dreijährige Klägerin auf die Trennung von ihrem Vater keinerlei Einfluss und wuchs unter der Obhut ihrer Mutter in einem fremden Erdteil auf. Es ist ihr daher nicht vorzuwerfen, dass sie nicht aus Eigenem den Kontakt mit ihrem Vater wiederherstellte, dies wäre vielmehr an diesem gelegen. 1 Aus OGH NZ 1997, 243. 2 Siehe VI/2/15, 11/6 ff, 11/23 f.
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Im Übrigen ist zu beachten, dass sich der Vater zum Zeitpunkt der Enterbung noch in keinem Notstand befand. Man müsste also zusätzlich davon ausgehen, dass eine Enterbung auch bedingt für den allfälligen späteren Eintritt einer Notstandslage und die Verwirklichung des Enterbungsgrundes ausgesprochen werden kann, was nicht unumstritten ist3. 2. Erbunwürdigkeit Der vorliegende Sachverhalt könnte auch im Hinblick auf das Vorliegen eines Erbunwürdigkeitsgrundes, nämlich der gröblichen Vernachlässigung der sich aus dem Rechtsverhältnis zwischen Eltern und Kindern ergebenden Pflichten (§ 540 2. Fall) geprüft werden. Dieser Erbunwürdigkeitsgrund überschneidet sich teilweise mit dem Enterbungsgrund des § 768 Z 2 (vgl auch § 770) und führt zum automatischen, also nicht von einer entsprechenden letztwilligen Verfügung abhängigen Wegfall des Erbrechts und damit auch des Pflichtteilsrechts. Wegen des Tatbestandsmerkmals der „gröblichen“ Pflichtverletzung in § 540 ist aber ein Erbunwürdigkeitsgrund jedenfalls nicht an weniger strenge Voraussetzungen wie der entsprechende Enterbungsgrund geknüpft, kann also hier ebenfalls nicht vorliegen. 3. Pflichtteilsminderung Zu prüfen ist vorliegendenfalls noch, ob die Verfügung des Erblassers wenigstens als Pflichtteilsminderung nach § 773a interpretiert werden könnte, was zur Reduktion des Pflichtteils der Klägerin auf die Hälfte führen würde. Wichtig ist, dass die Anordnung der Pflichtteilsminderung nicht unbedingt ausdrücklich erfolgen muss, sondern sich auch aus einer Auslegung des Testaments, wie etwa auch aus einer Enterbungsklausel, ergeben kann. Der Tatbestand des § 773a ist aber nicht erfüllt weil ein „zu keiner Zeit bestehendes Naheverhältnis zwischen Elternteil und Kind“ nach hA bei einem über drei Jahre andauernden Familienleben nicht vorliegt, umso mehr als die Lebensumstände ein fortgesetztes Naheverhältnis wegen der Trennung der Eltern gar nicht zuließen. 4. Ergebnis Mangels Vorliegens eines Enterbungs-, Erbunwürdigkeits- oder Pflichtteilsminderungsgrundes steht der Klägerin der volle Pflichtteil gegenüber dem Nachlass nach ihrem Vater bzw nach Einantwortung gegenüber der Testamentserbin zu.
3 Vgl Eccher in Schwimann3 § 768 Rz 6 mwA.
Fall 107: „Unehelichenstatus als Vorteil?“ (B. Eccher)
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5. Pflichtteilsanspruch Fall 107: „Unehelichenstatus als Vorteil?“ Sachverhalt1 Die beiden Kläger sind die ehelichen Kinder des am 12.1.1996 verstorbenen Egon V und entstammen dessen erster, später geschiedenen Ehe mit Hilde V. Der Beklagte ist der am 3.1.1965 geborene Sohn des Erblassers und der Armanda A, mit der der Erblasser am 29.12.1978 seine zweite Ehe schloss. Kurz vor dieser Eheschließung schenkte der Erblasser dem Beklagten eine Eigentumswohnung im behaupteten Wert von S 2.600.000 (= € 188.949) und räumte hieran seiner zweiten Frau und Mutter des Beklagten ein lebenslanges Fruchtgenussrecht im angenommenen Wert von S 800.000 (= € 58.138) ein. Das Verlassenschaftsverfahren nach Egon V wurde mangels nennenswertem Nachlassvermögen gem § 72 AußStrG armutshalber abgetan. Die Kläger begehren je S 200.000 (= € 14.534) als Schenkungspflichtteil (Pflichtteilsquote von je 1/9 von 2.600.000 abzüglich 800.000 = 1.800.000 = € 130.8112). Der Beklagte wendete dagegen ein, er sei von der Schenkungsanrechnung gem § 785 Abs 3 befreit, da die Schenkung mehr als zwei Jahre vor dem Tod des Schenkers zurückliege und er selbst als uneheliches Kind zum damaligen Zeitpunkt kein Pflichtteilsrecht gehabt habe. Wie ist zu entscheiden? Lösung3 1. Vorüberlegung Die Bestimmungen der §§ 785 und 951 über die Berücksichtigung von Schenkungen bei der Berechnung und Leistung des Pflichtteils sollen die Pflichtteilsberechtigten gegen die Gefahr der Umgehung ihrer Ansprüche durch Schenkungen unter Lebenden schützen (Schenkungspflichtteil). Da diese Bestimmungen innerhalb des Kreises der Pflichtteilsberechtigten auch dem gegenseitigen Vermögensausgleich dienen, spielt bei Schenkungen an pflichtteilsberechtigte Personen der Zeitpunkt der Schenkung keine Rolle, während Schenkungen an nicht pflichtteilsberechtigte Personen von der Anrechnung befreit sind, wenn sie mehr als zwei Jahre vor dem Tod des Erblassers erfolgt sind (§ 785 Abs 3). In Lehre und Rsp werden jedoch unterschiedliche Meinungen zur Frage vertreten, zu welchem Zeitpunkt (Schenkungszeitpunkt oder Erbfall) die Pflichtteilsberechtigung des Beschenkten gegeben sein muss und ob 1 Aus SZ 71/93. 2 Beachte: Die drei Kinder des Erblassers haben neben der zweiten Ehefrau je eine Erbquote von 2/9, daher eine Pflichtteilsquote von 1/9; vgl §§ 757 iVm 765. 3 Siehe VI/12/5 ff, 12/13 f.
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es hierbei auf die sog abstrakte (Zugehörigkeit zum Personenkreis des § 762) oder die konkrete Pflichtteilsberechtigung ankommt. Die nun hRsp vertritt jedenfalls das Erfordernis der konkreten Pflichtteilsberechtigung im Zeitpunkt des Erbfalles und der wenigstens abstrakten Pflichtteilsberechtigung im Schenkungszeitpunkt und begründet dies gegenüber den Vertretern der Auffassung von der „familia suspecta“ mit dem Reziprozitätsgedanken, wonach einer Anrechnungspflicht auch eine Anrechnungsberechtigung iS § 785 Abs 1, die unbestritten konkrete Pflichtteilsberechtigung voraussetzt, gegenüberstehen müsse4. Bei absichtlicher Beseitigung der Pflichtteilsstellung des Beklagten zum Nachteil der übrigen Pflichtteilsberechtigten (zB durch Verzicht nach § 551) bzw auch bei Geltendmachung der befristeten Schenkungsanrechnung trotz späterer Kenntnis der benachteiligenden Folgen könnte aber nach den Umständen Rechtsmissbrauch vorliegen5. 2. Anrechnungspflicht des Beklagten Der Beklagte war bei der Schenkung noch nicht pflichtteilsberechtigt (vgl § 754 Abs 2 alt), da die völlige Gleichstellung ehelicher und unehelicher Kinder im Erbrecht erst durch das ErbRÄG 1989 (BGBl Nr 656), wirksam geworden mit 1.1.1991, erfolgte. Im konkreten Fall ist allerdings der Beklagte schon früher, nämlich durch die nachfolgende Eheschließung seiner Eltern am 29.12.1978 eheliches Kind (Legitimation; § 161) und damit auch pflichtteilsberechtigt geworden. Wenn man neben der gegebenen konkreten Pflichtteilsstellung des Beklagten im Todeszeitpunkt für eine fristenlose Schenkungsanrechnung abstrakte Pflichtteilsstellung auch im Schenkungszeitpunkt verlangt, so kann man diese Voraussetzung hier insofern als erfüllt ansehen, als die Schenkung kurz vor der Legitimation und wahrscheinlich im Hinblick darauf gemacht wurde6. Der OGH ist zur Anrechnungspflicht des Beklagten mit der zusätzlichen Begründung gelangt, dass die mit dem ErbRÄG 1989 herbeigeführte Gesetzesänderung unterschiedslos für alle Erbfälle nach dem 1.1.1991 gilt, also gewissermaßen auch auf früher erfolgte Schenkungen zurückwirkt, was auch für den umgekehrten Fall, nämlich wenn ein ue Kind seinerseits die Anrechnung früherer Schenkungen verlangt, vertreten wird7. 3. Geltendmachung des Schenkungspflichtteils Der durch die fiktive Hinzurechnung der anrechnungspflichtigen Schenkung zum Nachlass erhöhte Pflichtteil (Schenkungspflichtteil) ist zunächst aus dem Nachlass nach Einantwortung von den Erben und Vermächtnisnehmern (§ 783), im Fehlbetrag gem den §§ 951 f vom Beschenkten bei 4 5 6 7
Vgl Vgl Vgl Vgl
die Angaben bei Eccher in Schwimann3 § 785 Rz 16. OGH SZ 68/47; SZ 2004/155. Umlauft, NZ 1989, 260. OGH SZ 67/50; SZ 69/58.
Fall 107: „Unehelichenstatus als Vorteil?“ (B. Eccher)
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sonstiger Exekution in die geschenkte Sache zu verlangen. Da beim vorliegenden Fall kein nennenswerter Nachlass vorhanden ist, richtet sich der Anspruch praktisch zur Gänze gegen den Beklagten. 4. Eigentumswohnung als Vorempfang (Variante) Wäre die Zuwendung der Ehewohnung als Vorempfang iSd §§ 788 (Heiratsgut/Ausstattung oder Existenzgründung) oder 789 (vereinbarte Vorausleistung auf den Pflichtteil; sog Vorschuss) zu qualifizieren, wäre ihr Wert auf den gesamten Pflichtteil, also auch auf den Nachlasspflichtteil anzurechnen (vgl § 788 im Gegensatz zu § 787 Abs 2). Mangels eines Nachlassvermögens würde dies hier allerdings keine Rolle spielen. 5. Bewertung Die Bewertung von Zuwendungen zum Zweck der Anrechung von Schenkungen und Vorempfängen erfolgt grundsätzlich nach dem Verkehrswert. Das der Ehegattin eingeräumte lebenslanges Fruchtgenussrecht ist nach versicherungsmathematischen Grundsätzen für die wahrscheinliche Lebensdauer auf der Grundlage des durchschnittlichen Nutzungswertes zu kapitalisieren und vom Wert der Eigentumswohnung in Abzug zu bringen. Dabei stellt die § 794 korrigierende Praxis auf den Zustand der Sache zum Empfangszeitpunkt ab, wertet den so festgestellten Schätzwert nach einem geeigneten Index zum Todeszeitpunkt auf, und zieht einen Betrag für die durchschnittliche Abnutzung ab. 6. Ergebnis Den Klägern steht gegenüber dem Beklagten der Schenkungspflichtteil im Umfang der zutreffend angenommenen Pflichtteilsquoten bezogen auf den zu ermittelnden Wert der Zuwendung zu.
Siebenter Teil: Fälle zum Internationalen Privatrecht Fall 108: „Wohnen in Kitzbühel“ Sachverhalt Der in Pakistan geborene und aufgewachsene Geschäftsmann G hat 1984 seine pakistanische Freundin Y in Jhelum in der pakistanischen Provinz Punjab geheiratet. G ist 1994 gemeinsam mit Y nach Österreich gekommen. Beide haben 2002 die österreichische Staatsbürgerschaft erworben. 2004 haben sie sich in Kitzbühel niedergelassen, wo G ein Haus gekauft hat. Bald danach kommt es zu einer schweren Ehekrise, da Y sich mit der bodenständigen Tiroler Bevölkerung schwer tut. Y zieht aus dem Haus in Kitzbühel aus und fliegt nach Islamabad zu ihrer pakistanischen Familie. G reist ihr im Winter 2005/06 nach und spricht dort nach dem in Pakistan geltenden islamischen Recht durch dreimaliges Wiederholen der Verstoßungsformel (talaq al-bain) die unwiderrufliche Scheidung von seiner Frau aus, wovon er, wie nach pakistanischem Recht vorgesehen, den Vorsitzenden des zuständigen Schlichtungsrates verständigt. Die Scheidung wird registriert und darüber eine Bestätigung ausgestellt Nach seiner Rückkehr aus Pakistan beantragt G unter Vorlage dieses Dokuments die Anerkennung der Scheidung durch das örtlich zuständige Bezirksgericht. Auch G möchte nicht mehr in Kitzbühel wohnen. Deshalb vermietet er das Haus auf 12 Jahre befristet an seinen russischen Geschäftsfreund K, der die Wohnung vor allem im Winter als Freizeitwohnsitz benützen will. Derartige befristete Mietverträge mit Ausländern unterliegen aus „staatspolitischen Interessen“ (§ 13 Tiroler Grundverkehrsgesetz) nach § 12 iVm § 9 Abs 1 lit e Tiroler Grundverkehrsgesetz einer grundverkehrsbehördlichen Genehmigungspflicht. Da die Erteilung der Genehmigung unwahrscheinlich erscheint, vereinbaren G und K, dass der Mietvertrag russischem Sachrecht unterliege. Als K kurz nach Vertragsabschluss in wirtschaftliche Schwierigkeiten kommt und trotz mehrmaliger Mahnung die monatliche Miete nicht bezahlt, möchte G den Vertrag für nichtig erklären. Welches Recht ist anwendbar, wenn sämtliche Ansprüche vor österr Gerichten geltend gemacht werden?
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Siebenter Teil: Fälle zum Internationalen Privatrecht
Lösung Vorüberlegung: Der gegenständliche Fall soll die Rechtsinstitute „ordre public“ und „Eingriffsnormen“ kontrastieren: Während der ordre public Wertungen einer zur Entscheidung berufenen Rechtsordnung als mit den Grundwertungen der Rechtsordnung des Gerichtsstaates unvereinbar dartut, fügen Eingriffsnormen durch die Verdrängung des an sich zur Entscheidung berufenen Sachrechts Wertungen des Rechts des Gerichtsstaates hinzu. Somit ist der ordre public in wertungsmäßiger Hinsicht subtraktiver, die Eingriffsnorm dagegen additiver Natur. Beide dienen jedoch einer wertungsabhängigen Korrektur der eigentlichen kollisionsrechtlichen Anknüpfung. Da die Zahl der Personen muslimischen Glaubens, die in Österreich ihren gewöhnlichen Aufenthalt genommen haben, stark gestiegen ist, hat das Problem, wie weit einzelne Regeln des in concreto an sich anwendbaren islamischen Familienrecht dem ordre public widersprechen, in jüngster Zeit sehr an Bedeutung gewonnen1. I. Antrag auf Anerkennung der Scheidung der Y von G als rechtskräftig (§ 97 AußStrG; §§ 6, 9, 18 Abs 1 Z 1, 20 IPRG) Da G geltend macht, sich rechtskräftig von seiner Frau in Pakistan geschieden zu haben und die Anerkennung der Scheidung beantragt, ist zu prüfen, ob die Bestätigung des pakistanischen Schlichtungsrates die Grundlage für die Anerkennung gem § 97 AußStrG 2003 bilden kann. Diese ist als Vorfrage selbständig zu beurteilen. Da beide Ehepartner österreichische Staatsbürger sind, ergibt sich aus § 18 Abs 1 auf den § 20 IPRG verweist, dass österreichisches Sachrecht maßgebend ist. Nach § 20 IPRG ist das im Zeitpunkt der Scheidung für die persönlichen Rechtswirkungen der Ehe maßgebliche Recht anzuwenden. Gem § 18 Abs 1 Z 1 IPRG ist dies das gemeinsame Personalstatut der Ehegatten, mangels eines solchen, das letzte gemeinsame Personalstatut der Ehegatten, sofern es einer von ihnen beibehalten hat. Das Personalstatut ist nach § 9 Abs 1 IPRG das Recht jenes Staates, dem eine natürliche Person angehört. Da sowohl G, als auch Y die österreichische Staatsbürgerschaft angenommen haben, ist nach § 20 Abs 1 iVm § 18 Abs 1 Z 1 und § 9 Abs 1 IPRG österreichisches Recht anzuwenden. Dieses kennt die Möglichkeit einer Privatscheidung nicht, wobei selbst, wenn nach dem von § 20 IPRG berufenen Recht eine derartige Privatscheidung vorgesehen sein sollte, davon auszugehen wäre, dass sie, wenn sie in der Form des talaq vorgenommen wird, dem inländischen ordre public widersprechen würde. Denn nach der Vorbehaltsklausel des § 6 IPRG sind vom österr IPR an sich berufene ausländische Sachnormen von der Anwendung ausgeschlossen, wenn dies zu einem Ergebnis führen würde, das mit den Grundwertungen der österr Rechtsordnung nicht vereinbar ist. Von dieser Ausnahmeregelung ist nach stRsp sparsamster Gebrauch zu machen 1 Vgl zuletzt mwN: OGH 31.8.2006, 6 Ob 189/06x, RIS-Justiz E 81897 = FamZ 2007/30 S 60 (Fucik) = ZfRV 2007/6 (Nademleinsky).
Fall 108: „Wohnen in Kitzbühel“ (W. Posch)
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(Posch 8/1). So sind als „Grundwertungen“ wohl die Grundsätze der EMRK und andere grundrechtliche Normen sowie tragende Verfassungsprinzipien, nicht jedoch bloß zwingende Normen des österr Sachrechts anzusehen (Posch 8/3). Auch vor diesem Hintergrund ist davon auszugehen, dass die einseitig und außergerichtlich ausgesprochene Verstoßungsscheidung den österr ordre public verletzt2. Die in Pakistan von G ausgesprochene und vom dortigen Schlichtungsamt gem Art 7 der pakistanischen Muslim Family Laws Ordinance 1961 3 registrierte Scheidung kann daher in Österreich nicht anerkannt werden, wobei sich ein weiteres Eingehen auf die in § 97 Abs 2 AußStrG aufgelisteten Gründe für die Verweigerung der Anerkennung erübrigt. II. Anspruch G gegen K auf Nichtigerklärung des Mietvertrages (§ 12 Tiroler GVG iVm Art 7 Abs 2 EVÜ) Da G österreichischer und K russischer Staatsbürger ist, liegt ein Sachverhalt mit Auslandsberührung vor (§ 1 IPRG). Das Erstgericht hat daher von Amts wegen eine kollisionsrechtliche Prüfung vorzunehmen (§ 2 IPRG). Da der Mietvertrag zwischen G und K ein vertragliches Schuldverhältnis mit Verbindung zu verschiedenen Staaten darstellt und nach dem 1.12.1998 abgeschlossen wurde, ist auf ihn in zeitlicher wie sachlicher Hinsicht das „Römische Vertragsrechts-Übk“ (EVÜ)4 anzuwenden. Dieses hätte gem § 53 IPRG als unmittelbar anwendbarer Staatsvertrag Vorrang vor dem IPRG, doch hat es ohnedies die schuldvertragsrechtlichen Anknüpfungsregeln des IPRG ersetzt5. Nach Art 7 Abs 2 EVÜ gelten jene Bestimmungen des Rechts des Gerichtsstaates, die einen Sachverhalt zwingend regeln, ohne Rücksicht auf das auf den Vertrag anzuwendende Recht. Mit dieser Umschreibung sind nach hM „Eingriffsnormen“, also Normen, die kraft ihres eigenen Anwendungswillens gelten, gemeint6. Sie verdrängen bzw durchbrechen das vom IPR der lex fori bestimmte Recht. Im gegenständlichen Fall ist Österreich Gerichtstaat; als mögliche Eingriffsnorm kommt § 12 Tiroler GVG in Frage. Es ist daher als erstes zu prüfen, ob diese Bestimmung eine Eingriffsnorm statuiert. 2 Vgl schon die E BMJ auf der Grundlage des § 24 4. DVEheG, 3.3.1998, ZfRV 1999, 193. 3 Text in Bergmann/Ferid, Internationales Ehe- und Kindschaftsrecht, Pakistan, 105 (1999). 4 BGBl III 1998/208. Das EVÜ soll durch eine Verordnung auf der Grundlage der Art 61, 67 EG-Vertrag ersetzt werden, vgl Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht („Rom I“), KOM (2005) 650; das interinstitutionelle Verfahren ist jedoch noch nicht sehr weit fortgeschritten. 5 Zur Klarstellung hat der Gesetzgeber diesen Vorrang auch in § 35 Abs 1 IPRG nochmals normiert. 6 Anders als das IPRG, das keine ausdrückliche Regelung der Eingriffsnormen beinhaltet und deren Vorrang deshalb über den Grundsatz der engsten Beziehung (§ 1 IPRG) regelt, normiert das EVÜ in Art 7 Abs 2 explizit die Beachtlichkeit der Eingriffsnormen.
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Siebenter Teil: Fälle zum Internationalen Privatrecht
Für die Qualifizierung als Eingriffsnorm ist erforderlich, dass die gegenständliche Norm dazu dient, ein spezifisches staatliches Lenkungsziel zu verfolgen. Dieses Ziel ist hier vorhanden: Durch die Statuierung der Genehmigungspflicht soll der Ausverkauf Tirols an Ausländer, die dort lediglich Ferienwohnsitze begründen wollen, verhindert werden. Dieses öffentliche Interesse wird durch § 13 Tiroler GVG belegt, der „staatspolitische Interessen“ als Ratio des Gesetzes anspricht. § 12 Tiroler GVG ist daher als öffentlich-rechtliche Eingriffsnorm zu qualifizieren. Der räumliche Umfang ihres eigenen Anwendungswillens ergibt sich, da eine ausdrückliche Selbstaussage – wie etwa in § 13a Abs 2 KSchG – fehlt, interpretativ aus ihrem Normzweck (Posch 8/4). Demnach ist die Norm auf Verträge über in Tirol gelegene Liegenschaften anzuwenden. Damit ist auf den gesamten Mietvertrag österr Recht anzuwenden. Die von G und K getroffene ausdrückliche Rechtswahl zugunsten des russischen Sachrechts wird dadurch verdrängt.
Fall 109: „Hochzeit in Las Vegas“ Sachverhalt Die deutsche Staatsbürgerin P wohnt seit sieben Jahren in Salzburg mit ihrem österr Freund M zusammen. Im Jänner 1999 wird P allerdings nach einem Seitensprung von einem ihrer Arbeitskollegen schwanger. Um M nicht zu kränken, verschweigt P ihm, dass das Kind nicht von ihm ist. Da M unbedingt will, dass „sein“ Kind in einer „intakten Familie“ aufwächst, hält er ad hoc um Ps Hand an. Wäre das Kind nicht unterwegs gewesen, hätte M der P nie einen Antrag gemacht. Für ihre Hochzeit lassen sich die beiden etwas Besonderes einfallen: Sie buchen im Münchener Büro des deutschen Reiseveranstalters H-AG ein „USA-Pauschal-Hochzeitspaket“ inklusive Trauung in Las Vegas. Erfahren haben M und P von dieser Möglichkeit, in den USA zu heiraten, durch ein in einer Salzburger Tageszeitung geschaltetes Werbeinserat der H-AG. Als M und P in Las Vegas ankommen, stellt sich jedoch heraus, dass sie nicht, wie von einem Mitarbeiter der H-AG ausdrücklich zugesichert, im feudalen Hotel „Cleopatra“, sondern in einer weit weniger noblen Dependence untergebracht sind. Die Hochzeitszeremonie selbst, die, wie im Bundesstaat Nevada gesetzlich vorgesehen, vor einem privaten Friedensrichter geschlossen wird, empfinden beide aber als sehr feierlich. Wieder zurück in Salzburg wendet sich M telefonisch an die H-AG. Dort verweist man ihn auf die AGB, wo es heißt: „Macht der Reisende die Mängel nicht unverzüglich bei unserem Partnerunternehmen vor Ort geltend, so gilt sein Schweigen als Verzicht auf eine spätere Geltendmachung von aus diesen Mängeln resultierenden Ansprüchen. Als auf etwaige Ansprüche anzuwendendes Recht wird deutsches Recht vereinbart.“
Fall 109: „Hochzeit in Las Vegas“ (W. Posch)
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Nach der Geburt des Kindes gesteht P ihrem nunmehrigen Ehegatten zudem, dass es nicht von ihm ist. P möchte sich nicht von M scheiden lassen, dieser will aber nichts mehr von ihr wissen. Welches Recht ist anwendbar, wenn sämtliche Ansprüche vor österr Gerichten geltend gemacht werden? Lösung I. Anspruch M gegen P auf Aufhebung der Ehe wegen arglistiger Täuschung nach § 38 EheG iVm § 17 Abs 1 IPRG P ist deutsche Staatsbürgerin, zudem wird die Ehe im US-Bundesstaat Nevada geschlossen. Damit liegt ein Sachverhalt mit Auslandsberührung vor (§ 1 Abs 1 IPRG). Nach § 2 IPRG ist von Amts wegen eine kollisionsrechtliche Prüfung durchzuführen. Aus dem Sachverhalt ergeben sich bzgl der Einhaltung der Eheschließungsvoraussetzungen sowohl in formaler Hinsicht (Eheschließung vor einem Friedensrichter) als auch in materieller Hinsicht (Irrtum über die Vaterschaft) Bedenken. Damit ist für beide Aspekte das in der Sache anzuwendende Recht zu bestimmen. Ob die Ehe zwischen M und P in einer gültigen Form geschlossen wurde und welche Rechtsfolgen ein eventueller Formverstoß nach sich zöge, bestimmt sich, da die Ehe im Ausland geschlossen wurde, nach § 16 Abs 2 IPRG. Nach dieser Bestimmung müssen bei einer Auslandseheschließung entweder die Formerfordernisse, die das Personalstatut beider Ehegatten (kumulativ!) vorsehen, erfüllt sein, oder jene, die das Sachrecht am Ort der Eheschließung vorschreibt (Ortsform). Da M nach § 9 Abs 1 IPRG als Österreicher über ein österr und P als Deutsche über ein deutsches Personalstatut verfügt, ist nach der ersten Alternative erforderlich, dass die Formvorschriften des österr und des deutschen Rechts erfüllt sind. Die Verweisung des § 16 Abs 2 Alternative 1 iVm § 9 Abs 1 IPRG ist als Sachnormverweisung zu qualifizieren1, eine Rück- oder Weiterverweisung des deutschen Kollisionsrechts ist daher unbeachtlich. Nach österr Sachrecht kann eine Ehe nur vor einem Standesbeamten formgültig geschlossen werden (§§ 15, 17 EheG). Dies gilt gem § 1310 BGB auch für Deutschland. Ob die Verehelichung vor einem Friedensrichter dieses Erfordernis erfüllt, ist daher fraglich. Jedenfalls eingehalten ist jedoch die Ortsform. Dies ergibt sich aus der zweiten Alternative des § 16 Abs 2 IPRG, welche – ebenfalls als Sachnormverweisung – auf das Recht des Ortes der Eheschließung, also jenes des Bundesstaates Nevada verweist2. Nach den Formvorschriften dieses Bundesstaates ist die Trauung durch einen Friedensrichter eine gültige Form der Eheschließung. Da die Anknüpfung an die Ortsform gleichwertig mit 1 Verschraegen in Rummel3 § 5 IPRG Rz 1. 2 Aus der Qualifizierung des § 16 Abs 2 IPRG als Sachnormverweisung ergibt sich vor dem Hintergrund der föderalen Struktur des US-Privatrechts, dass unmittelbar das Recht des betroffenen Bundesstaates zur Anwendung berufen ist.
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Siebenter Teil: Fälle zum Internationalen Privatrecht
jener an das Personalstatut der Eheleute ist (Posch 11/3), ist die Ehe zwischen M und P ungeachtet § 16 Abs 2 Alternative 1 formgültig zustande gekommen. Hinsichtlich der materiellen Voraussetzungen der Eheschließung zwischen M und P ergibt sich das in der Sache anzuwendende Recht aus § 17 IPRG. Diese Bestimmung regelt nicht nur, nach welchem Recht die sachlichen Ehevoraussetzungen zu eruieren sind, sondern bestimmt auch, welches Recht für die Rechtsfolgen, die eine Verletzung derselben mit sich bringt, maßgeblich ist. § 17 IPRG stellt auf das Personalstatut jedes der Verlobten im Zeitpunkt der Eheschließung ab. Demzufolge ist für jeden Eheschließenden getrennt zu beurteilen, welche sachliche Voraussetzungen erfüllt sein müssen (Posch 11/4). Da sich das Personalstatut einer natürlichen Person gem § 9 Abs 1 IPRG nach ihrer Staatsangehörigkeit richtet, ist für M das österr Recht, für P das deutsche Recht das Personalstatut. Diese Verweisung auf das deutsche Recht ist – wie jene nach § 16 Abs 2 IPRG – eine Sachnormverweisung, womit eine allenfalls in Frage kommende Weiter- oder Rückverweisung unbeachtlich wäre. Gem § 17 Abs 1 IPRG reicht es aus, wenn einer der beiden Eheschließenden die Ehe nach dem durch sein Personalstatut bestimmten Recht aufheben kann („Grundsatz des ärgeren Rechts“). § 38 EheG als anzuwendende österr Sachnorm räumt M das Recht zu einer Aufhebungsklage wegen arglistiger Täuschung über die Vaterschaft ein3. Damit kann M nach § 17 Abs 1 iVm § 38 EheG die Aufhebung der Ehe begehren. II. Anspruch M und P gegen H-AG auf Preisminderung (Art 3 EVÜ, § 13a Abs 2 KSchG) Die H-AG ist ein deutsches Reiseunternehmen, der Vertrag wird in Deutschland abgeschlossen. Damit liegt ein Sachverhalt mit Auslandsberührung (§ 1 IPRG) vor, eine kollisionsrechtliche Prüfung ist gem § 2 IPRG von Amts wegen durchzuführen. Dies betrifft auch die Frage nach dem Vorliegen einer gültigen Rechtswahl. Zu prüfen ist zudem, ob allenfalls vereinheitlichtes Sachrecht auf den Sachverhalt anzuwenden ist. Dies ist zu verneinen. Insbesondere ausgeschlossen ist die Anwendung des UN-KR4, da es sich bei der Pauschalreise nicht um einen Kaufvertrag oder einen diesem gleichgestellten Vertrag handelt (vgl Art 3 CISG). Zudem dient die Reise dem Privatvergnügen und damit dem persönlichen Gebrauch (Art 2 CISG). Bei dem Rechtsgeschäft zwischen M bzw P und der H-AG handelt es sich um ein nach dem 1.12.1998 geschlossenes vertragliches Schuldverhältnis. Damit ist das EVÜ sachlich wie zeitlich auf den Sachverhalt anzuwenden. Es liegt eine ausdrückliche Rechtswahl zugunsten deutschen Rechts vor (vgl Art 3 EVÜ). Allerdings ist der in Deutschland geschlossene Pauschalreisevertrag als ein Verbrauchervertrag im Sinne des Art 5 EVÜ zu 3 Vgl OGH 27.2.1985 JBl 1985, 611. 4 United Nations Convention on Contracts for the International Sale of Goods, kurz CISG, BGBl 1988/96.
Fall 110: „Niederländische Liebe“ (W. Posch)
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qualifizieren, da er Dienstleistungen zu einem privaten Zweck zum Gegenstand hat. Die Anwendung des Art 5 EVÜ auf Pauschalreiseverträge ist zudem ausdrücklich in seinem Absatz 5 vorgesehen. Nach Art 5 Abs 2 EVÜ darf eine Rechtswahl – wie hier des deutschen Rechtes – nicht dazu führen, dass dem Verbraucher jener Schutz, den er im Staat, in dem er seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat, durch zwingende Bestimmungen genießt, entzogen wird. Ist das der Fall, ist die Rechtswahl, soweit sie zwingende Verbraucherschutzbestimmungen des Verbraucherstaates betrifft, unwirksam. Voraussetzung für die Anwendung des Art 5 Abs 2 EVÜ sind einerseits Werbemaßnahmen oder ein ausdrückliches Angebots des Unternehmens im Verbraucherstaat und andererseits die Abgabe der Willenserklärung ebendort. Dies ist allerdings im gegenständlichen Fall nicht erfolgt: M und P schließen den Vertrag in Deutschland und nicht in Österreich, wo sie ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben und H seine Werbetätigkeit entfaltet. Damit ist Art 5 Abs 2 EVÜ nicht anzuwenden und die Wahl des deutschen Rechts wirksam erfolgt. Da die Verweisungen des EVÜ gem Art 15 als Sachnormverweisungen konzipiert sind, braucht nicht geprüft zu werden, ob das deutsche IPR die Verweisung annimmt. Während der Pauschalreisevertrag grundsätzlich nach deutschem Recht zu beurteilen ist, gilt dies nicht für die im Sachverhalt wiedergegebene Bestimmung über den Verzicht auf Geltendmachung von Ansprüchen durch Schweigen. Nach § 13a Abs 2 KSchG sind § 6 KSchG und §§ 864a, 879 Abs 3 vor österr Gerichten zum Schutz des Verbrauchers unabhängig vom Vertragsstatut anzuwenden5. Damit durchbricht § 13a Abs 2 KSchG als eine Eingriffsnorm, die eine ausdrückliche Selbstaussage über ihren Anwendungsbereich trifft (Posch 8/4) die kollisionsrechtliche Anknüpfung. Voraussetzung für die Anwendbarkeit dieser Bestimmung ist, dass die H-AG in Österreich eine Tätigkeit zur Schließung von Verbraucherverträgen entfaltet hat. Eine derartige Tätigkeit ist gegeben, da die H-AG für sich mit Inseraten in einer österr Tageszeitung wirbt. Somit ist die Frage, ob die inkriminierte Bestimmung der von der H-AG verwendeten AGB gültig ist, gem § 13a Abs 2 KSchG nach österr Sachrecht – in concreto § 6 Abs 2 KSchG – zu lösen.
Fall 110: „Niederländische Liebe“ Sachverhalt Während seines Österreichurlaubs im Jahr 1993 lernt B, ein wohlhabender niederländischer Staatsbürger, die junge Wienerin S kennen und lieben. Er beschließt, bis zur Hochzeit im Frühjahr des folgenden Jahres in Wien zu bleiben. Bei der Hochzeit im Wiener Rathaus nimmt S den Namen von B an. Auf Rat eines Bekannten vereinbaren B und S bzgl der 5 Da Deutschland EWR-Vertragsstaat ist, ist § 13a Abs 1 KSchG nicht anwendbar.
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Siebenter Teil: Fälle zum Internationalen Privatrecht
künftig zu erwerbenden ehelichen Ersparnisse eine Gütergemeinschaft in Form eines Notariatsaktes. Für den Fall einer Scheidung wird vereinbart, dass S die Hälfte der Ersparnisse erhalten soll. Um seiner Ehefrau einen „angemessenen Lebensstandard“ zu ermöglichen, sichert B ihr zudem einen monatlichen Geldunterhalt iHv € 1.500 zu. Kurz nach der Eheschließung ziehen B und S in die Niederlande. Nach 10 Jahren Ehe wird S 2003 niederländische Staatsbürgerin, die österr Staatsbürgerschaft legt sie zurück. Als die Beziehung 2005 aufgrund eines Seitensprungs von B in die Krise kommt, zieht S wieder nach Österreich. Nachdem B vier Monate lang keinen Unterhalt gezahlt hat, reicht S die Scheidungsklage ein. Zudem möchte sie wieder ihren Mädchennamen führen. Zum Zeitpunkt der Klagserhebung zählen unter anderem zwei Häuser in Südfrankreich bzw in den Niederlanden, sowie Hausrat im Wert von € 20.000 zum ehelichen Gebrauchsvermögen. Welches Recht ist auf die Ansprüche von S anwendbar, wenn sie vor österr Gerichten verhandelt werden? Lösung I. Anspruch S gegen B auf Zahlung von € 6000,– vertraglicher Unterhalt nach § 94 ABGB iVm § 18 Abs 1 Z 1 IPRG Da B und S niederländische Staatsbürger sind, liegt ein Sachverhalt mit Auslandsberührung (§ 1 IPRG) vor. Eine kollisionsrechtliche Prüfung ist von Amts wegen vorzunehmen (§ 2 IPRG). In Ermangelung vereinheitlichten Sach- oder Kollisionsrechts im Ehegattenunterhaltsrecht ist nach dem IPRG anzuknüpfen. Zunächst ist zu prüfen, ob ein gültiger Ehepakt vorliegt, und für den Fall, dass dies zutrifft, zu fragen, ob der Ehegattenunterhalt wie die persönlichen Rechtswirkungen der Ehe nach § 18 oder wie das Ehegüterrecht nach § 19 IPRG anzuknüpfen sei. Der Ehepakt zwischen S und B ist in Österreich in Form eines Notariatsaktes geschlossen worden. Nach § 8 S 1 IPRG ist die Frage der Formgültigkeit des Ehepaktes nach dem Recht jenes Staates zu beurteilen, das für die Anknüpfung des Ehepaktes maßgeblich ist. Für das Ehegüterrecht normiert § 19 IPRG zunächst das Primat der ausdrücklichen Rechtswahl. Für das Vorliegen einer solchen gibt es jedoch im Sachverhalt keine Anhaltspunkte. In Ermangelung einer Rechtswahl richtet sich das auf das Ehegüterrecht anwendbare Recht nach den persönlichen Rechtswirkungen der Ehe (§ 18 IPRG). Beurteilungszeitpunkt ist nach § 19 IPRG jener der Eheschließung. In diesem Zeitpunkt (1985) war B niederländischer Staatsbürger, S jedoch österr Staatsbürgerin. Damit ist nach § 9 Abs 1 IPRG sein Personalstatut das niederländische, ihres das österr Recht. Ein gemeinsames Personalstatut, wie von § 18 Abs 1 Z 1 IPRG gefordert, hat somit zum Zeitpunkt der Eheschließung nicht bestanden. Das Statut des § 18 IPRG ist hier ein unwandelbares: Dass S später die niederländische Staatsbürgerschaft verliehen bekommen hat, hat keinen Einfluss (Posch 11/7). Damit ist nach § 18 Abs 1 Z 2 IPRG das Recht jenes Staates maßgeblich, in
Fall 110: „Niederländische Liebe“ (W. Posch)
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dem S und B – wiederum im Eheschließungszeitpunkt – ihren gewöhnlichen Aufenthalt gehabt haben. Laut Sachverhalt war der gemeinsame gewöhnliche Aufenthalt von B und S zu jenem Zeitpunkt in Österreich. Auf die Frage der Formgültigkeit des Ehepaktes ist somit nach § 18 Abs 1 Z 2 IPRG iVm § 19 IPRG österr Sachrecht anzuwenden. Zum selben Ergebnis kommt man nach der in § 8 S 2 IPRG normierten alternativen Anknüpfung an die Ortsform. Nach dieser Bestimmung reicht es aus, wenn die Formvorschriften des Staates, in dem der Ehepakt geschlossen wird, eingehalten werden. Da S und B ihren Ehepakt in Österreich entsprechend den hier geltenden Formvorschriften geschlossen haben, ist er somit jedenfalls formgültig. S kann sich damit auf die ihr vertraglich zugesicherten Unterhaltsansprüche berufen. Als nächstes ist zu prüfen, ob diese vertraglich zugesicherten Unterhaltsansprüche während aufrechter Ehe nach dem Güterrechtsstatut (§ 19 IPRG) oder nach den persönlichen Rechtswirkungen der Ehe (§ 18 IPRG) anzuknüpfen sind. Abgrenzungskriterium hierfür ist, ob es sich bei der Vereinbarung um in Hinblick auf das Eheverhältnis getroffene Dauerregelungen über ganze Vermögensmassen oder um einfache Vermögensverschiebungen handelt. Im Zweifel sind Vermögensregelungen zwischen Ehegatten nicht zum Güterrecht zu zählen (Posch 11/7). Bei Unterhaltszahlungen ist daher nicht nach § 19, sondern nach § 18 IPRG anzuknüpfen. § 18 IPRG setzt als Vorfrage den Bestand einer Ehe voraus, der nach §§ 16, 17 IPRG zu prüfen ist. Da es im Sachverhalt keine Anhaltspunkte dafür gibt, dass die formalen oder materiellen Voraussetzungen für eine Eheschließung nicht erfüllt sein könnten, kann vom Bestand einer gültigen Ehe ausgegangen werden. § 18 IPRG knüpft zunächst am gemeinsamen Personalstatut der Ehegatten an. Beurteilungszeitpunkt hierfür ist der Schluss der mündlichen Verhandlung der letzten Tatsacheninstanz (Posch 11/6). In diesem Zeitpunkt ist S niederländische Staatsangehörige. Ihr Personalstatut ist folglich nach § 9 Abs 1 IPRG ebenso wie jenes von B das niederländische Recht, ein Statutenwechsel ist eingetreten (Posch 11/5). Es liegt damit ein gemeinsames Personalstatut von S und B vor, nämlich das niederländische Recht (§ 18 Abs 1 Z 1 Alternative 1 IPRG). Da diese Verweisung als Gesamtverweisung konzipiert ist, ist zu prüfen ob das niederländische Kollisionsrecht die Verweisung annimmt. Im Fall einer Rückverweisung wäre nach § 5 Abs 2 IPRG österr Sachrecht (§ 94) anzuwenden. II. Anspruch S gegen B auf Scheidung wegen schwerer Eheverfehlung (§ 20 IPRG) Auf die Scheidungsklage von S ist § 20 IPRG anzuwenden. Dieser stellt für die Voraussetzungen und Wirkungen einer Scheidung auf die persönlichen Rechtswirkungen der Ehe ab. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der persönlichen Rechtswirkungen ist der Zeitpunkt der Ehescheidung. Dies ist nach hM der Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Verhandlung
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der letzten Tatsacheninstanz (Posch 11/8). Die persönlichen Rechtswirkungen bestimmen sich nach § 18 Abs 1 Z 1 IPRG nach dem gemeinsamen Personalstatut der Ehegatten im Beurteilungszeitpunkt. Laut Sachverhalt sind sowohl S als auch B in diesem Zeitpunkt niederländische Staatsbürger. Ihr gemeinsames Personalstatut ist folglich das niederländische Recht (§ 9 Abs 1 IPRG). Gem § 18 Abs 1 Z 1 IPRG ist daher auf die Scheidungsklage von S niederländisches Recht anzuwenden. Diese Verweisung ist eine Sachnormverweisung1. Eine etwaige Weiter- oder Rückverweisung des niederländischen Kollisionsrechts ist daher unbeachtlich. III. Anspruch S gegen B auf nachehelichen Unterhalt (§ 20 IPRG) § 20 Abs 1 IPRG umfasst nicht nur die Voraussetzungen, sondern auch die Wirkungen der Ehescheidung. Zu den Wirkungen zählt unter anderem der nacheheliche Unterhalt. Ob und in welcher Höhe S von B nach der Scheidung Unterhaltszahlungen erhält, ist daher nach dem Ehewirkungsstatut im Zeitpunkt der Ehescheidung zu beurteilen. Gem § 18 Abs 1 Z 1 Alternative 1 bestimmt das gemeinsame Personalstatut der Ehegatten das Ehewirkungsstatut. Beurteilungszeitpunkt ist hierbei nach hM zu § 20 Abs 1 IPRG der Schluss der mündlichen Verhandlung der letzten Tatsacheninstanz (Posch 11/8). In diesem Zeitpunkt sind B und S mangels gegenteiliger Anhaltspunkte im Sachverhalt niederländische Staatsangehörige. Ihr gemeinsames Personalstatut ist daher das niederländische Recht, das somit auf die nachehelichen Unterhaltsansprüche von S anzuwenden ist. Da die Verweisung des § 20 Abs 1 IPRG eine Sachnormverweisung ist, ist nicht zu prüfen, ob das niederländische Kollisionsrecht die Verweisung annimmt. IV. Anspruch S gegen B auf Aufteilung der ehelichen Ersparnisse (§ 81 EheG iVm § 19 IPRG) Die Aufteilung der ehelichen Ersparnisse haben S und B – anders als jene des ehelichen Gebrauchsvermögens (s Anspruch V) – bereits im Ehepakt geregelt. Damit ist diese Frage kollisionsrechtlich getrennt zu beurteilen (Posch 11/8). Anzuknüpfen ist – in Ermangelung vereinheitlichten Kollisions- oder Sachrechts – nach § 19 IPRG. Da S und B keine ausdrückliche Rechtswahl getroffen haben, bestimmt sich das Güterrechtsstatut nach den persönlichen Rechtswirkungen im Zeitpunkt der Eheschließung. Zu diesem Zeitpunkt war S österr Staatsbürgerin, B hingegen niederländischer Staatsangehöriger. Daher gab es im Beurteilungszeitpunkt kein gemeinsames Personalstatut. Für diesen Fall sieht § 18 Abs 1 Z 2 IPRG die Anknüpfung nach dem Recht jenes Staates vor, in dem die beiden Ehegatten ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben. Laut Sachverhalt hatten S und B zur Zeit der Eheschließung ihren gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalt in Österreich. Da § 19 iVm § 18 Abs 1 Z 2 IPRG ein unwandelbares Statut vorsieht, ist die Tatsache, dass S und B kurz nach ihrer Hochzeit in die Niederlande verzogen und dort ihren gewöhnlichen Aufenthalt begründe1 Verschraegen in Rummel3 § 5 IPRG Rz 1.
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ten, unbeachtlich (Posch 11/7). Auf die im Ehepakt geregelte Aufteilung der ehelichen Ersparnisse ist daher nach § 18 Abs 1 Z 2 IPRG iVm § 19 IPRG österr Recht anzuwenden. V. Anspruch S gegen B auf Aufteilung des ehelichen Gebrauchsvermögens (§§ 20, 31 IPRG) Ebenso wie der nacheheliche Unterhalt gehört die Aufteilung des ehelichen Gebrauchsvermögens zu den Wirkungen der Ehescheidung (Posch 11/8). Im gegenständlichen Fall besteht das eheliche Gebrauchsvermögen aus den beiden Häusern sowie dem Hausrat. Als Scheidungswirkungen knüpfen Hausrat wie Häuser nach § 20 Abs 1 IPRG an das für die persönlichen Rechtswirkungen der Ehe im Zeitpunkt der Ehescheidung maßgebende Recht an. Gem § 18 Abs 1 Z 1 IPRG bestimmen sich die persönlichen Rechtswirkungen nach dem gemeinsamen Personalstatut der Ehegattin im Zeitpunkt der Scheidung, das ist nach hM der Schluss der mündlichen Verhandlung der letzten Tatsacheninstanz (Posch 11/8). In diesem Zeitpunkt sind sowohl S als auch B niederländische Staatsangehörige. Damit verfügen sie gem § 9 Abs 1 IPRG über ein gemeinsames Personalstatut, nämlich das niederländische Recht. Auf die Aufteilung der Eigentumswohnungen und des Hausrats ist daher nach § 20 Abs 1 IPRG iVm § 18 IPRG niederländisches Recht anzuwenden. Auch diese Verweisung ist als Sachnormverweisung konzipiert2. Ob das niederländische Kollisionsrecht die Verweisung annimmt, ist daher unbeachtlich. Hinsichtlich der Eigentumswohnungen ist allerdings zu beachten, dass es zu einer Änderung der eigentumsrechtlichen Verhältnisse kommen kann. Während die Anknüpfung nach § 20 Abs 1 IPRG iVm § 18 IPRG die Aufteilung des ehelichen Gebrauchsvermögens regelt, ist für die sachenrechtliche Durchführung der Aufteilung § 31 Abs 1 IPRG maßgeblich. Diese Bestimmung stellt auf das Recht jenes Staates ab, in dem sich die Häuser befinden (lex rei sitae). Belegenheitsort des einen Hauses ist Frankreich, jener des anderen die Niederlande. Damit ist unabhängig von der obigen Anknüpfung der Aufteilung ihre sachenrechtliche Durchführung im Fall des ersten Hauses nach französischem, in jenem des zweiten nach niederländischem Recht vorzunehmen. Dies ergibt sich aus § 32 IPRG, demzufolge das sachenrechtliche Einzelstatut (§ 31 IPRG) das nach § 20 Abs 1 iVm § 18 Abs 1 Z 1 IPRG ermittelte Gesamtstatut bricht (Posch 13/6). VI. Antrag S auf Führung eines früheren Namens (§ 13 IPRG) Anders als der nacheheliche Unterhalt und die Aufteilung des Gebrauchsvermögens, die dem Scheidungsstatut des § 20 IPRG unterliegen, sind die namensrechtlichen Scheidungsfolgen kollisionsrechtlich getrennt zu beurteilen (Posch 11/8). Nach § 13 IPRG ist hierfür das Personalstatut des Namensführers ausschlaggebend. Dieses Statut ist ein wandelbares3. S war 2 Verschraegen in Rummel3 § 5 IPRG Rz 1. 3 Verschraegen in Rummel3 § 13 IPRG Rz 2.
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im Zeitpunkt der Eheschließung Österreicherin, seit 1995 ist sie jedoch niederländische Staatsangehörige. Ihr Personalstatut ist gem § 9 Abs 1 IPRG daher nunmehr das niederländische Recht, nach dem gem § 13 Abs 1 IPRG die namensrechtlichen Scheidungsfolgen zu beurteilen sind. Da diese Verweisung eine Gesamtverweisung iSd § 5 Abs 1 IPRG4 ist, wäre eine allenfalls vom niederländischen Kollisionsrecht vorgesehene Rück- oder Weiterverweisung beachtlich. Im Fall einer Rückverweisung wäre österr Sachrecht (§ 93a) anzuwenden (§ 5 Abs 2 IPRG).
Fall 111: „Folgenreicher Au pair-Aufenthalt“ Sachverhalt Die Salzburgerin A lernt 1985 während eines Au-pair-Aufenthalts in Rom den italienischen Staatsbürger T kennen. Im Mai 1986 heiraten die beiden, zwei Jahre später kommt ihr gemeinsamer Sohn D zur Welt, der mit der Geburt die italienische Staatsbürgerschaft erhält. Nach der Hochzeit siedelt A endgültig nach Italien um. Im Juli 2000 wird ihr zusätzlich zur österr Staatsbürgerschaft die italienische verliehen. Zu diesem Zeitpunkt ist die Ehe allerdings bereits aufgrund einer Liebesbeziehung des T zu einer anderen Frau in der Krise. A beschließt, sich scheiden zu lassen. Im September 2000 kehrt sie mit D nach Österreich zurück. Unmittelbar nach der Rückkehr erhält D zusätzlich zur italienischen auch die österr Staatsbürgerschaft. Zurück in Salzburg findet A Trost bei X, ihrem Wohnungsnachbarn, einem schwedischen Staatsbürger. Am 10.9.2001 kommt S, ihr gemeinsames Kind, als österr Staatsbürgerin in einem Salzburger Privatspital zur Welt. Die privat zu tragenden Kosten dieser Entbindung belaufen sich auf € 1000. X weigert sich jedoch, das Kind anzuerkennen. Am 7.10.2001, also kurz nach der Geburt von S, wird die Ehe von A mit T vom österr Erstgericht rechtskräftig geschieden. Einige Wochen später erfährt T von der Existenz von S. Er betont, dass S „nicht von ihm“ sei und stellt sofort seine Unterhaltszahlungen – A erhält von ihm monatlich € 600, D, der eine österr AHS besucht, € 350 – ein. A möchte hingegen, dass sowohl X als auch T sich um ihr jeweiliges Kind persönlich kümmern. Nach welchem Recht werden A und T geschieden? Welches Recht ist anwendbar, wenn sämtliche Ansprüche vor österr Gerichten geltend gemacht werden? Lösung I. Anspruch A gegen T auf Scheidung wegen schwerer Eheverfehlung (§§ 20 (1), 18 Abs 1 Z 2 IPRG) T ist italienischer Staatsbürger, A ist im Zeitpunkt der Scheidung italienischösterr Doppelstaatsbürgerin. Damit ist ein Sachverhalt mit Auslandsberüh4 Verschraegen in Rummel3 § 5 IPRG Rz 1.
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rung gegeben (§ 1 IPRG) und von Amts wegen eine kollisionsrechtliche Prüfung vorzunehmen (§ 2 IPRG). In Ermangelung vereinheitlichten Sachrechts sind die Voraussetzungen und Wirkungen einer Ehescheidung gem § 20 Abs 1 IPRG nach dem für die persönlichen Rechtswirkungen maßgebenden Recht im Zeitpunkt der Ehescheidung zu beurteilen, das ist nach hM der Schluss der mündlichen Verhandlung der letzten Tatsacheninstanz (Posch 11/8). Hier liegt allerdings mit dem Scheidungsurteil vom 7.10.2001 bereits eine rechtskräftige Entscheidung vor. Somit ist in diesem Fall der Schluss der mündlichen Verhandlung erster Instanz der Beurteilungszeitpunkt für die persönlichen Rechtswirkungen. Die persönlichen Rechtswirkungen richten sich primär nach dem gemeinsamen Personalstatut (§ 18 Abs 1 Z 1 Alternative 1 IRPG) oder, in Ermangelung eines solchen, nach dem letzten gemeinsamen Personalstatut der Ehegatten, sofern einer der beiden es beibehalten hat (§ 18 Abs 1 Z 1 Alternative 2 IPRG). Das Personalstatut einer natürlichen Person ist nach § 9 Abs 1 IPRG das Recht des Staates, dem sie angehört. T und A sind italienische Staatsangehörige, doch ist bei Doppelstaatsbürgern, die neben einer anderen auch über die österr Staatsbürgerschaft verfügen, gem § 9 Abs 1 S 2 IPRG ausschließlich letztere maßgeblich (Posch 9/5). Das Personalstatut von A ist daher nicht das italienische, sondern das österr Recht und deshalb mangelt es auch an einem gemeinsamen Personalstatut (Posch 11/6). Die Anknüpfung nach § 18 Abs 1 Z 1 IPRG scheidet deshalb aus. Nun sieht § 18 Abs 1 Z 2 Alternative 1 IPRG eine Anknüpfung an den gewöhnlichen Aufenthalt der beiden Ehegatten vor, wobei der relevante Beurteilungszeitpunkt der Zeitpunkt der Ehescheidung (§ 20 Abs 1 IPRG) ist, also nach hM der Schluss der mündlichen Verhandlung, als deren Ergebnis die Ehe zwischen A und T am 7.10.2001 vom Erstgericht rechtskräftig geschieden wird. A hält sich zu dieser Zeit bereits wieder vorwiegend in Österreich auf, T in Italien; A hat daher ihren gewöhnlichen Aufenthalt in Österreich, T in Italien, ein gemeinsamer gewöhnlicher Aufenthalt ist im Zeitpunkt der Scheidung nicht mehr gegeben. Allerdings greift die zweite Alternative des § 18 Abs 1 Z 2 IPRG. Der letzte gemeinsame gewöhnliche Aufenthalt von A und T war in Italien und T hat diesen gewöhnlichen Aufenthalt auch im Scheidungszeitpunkt beibehalten. Daher ist nach § 18 Abs 1 Z 2 Alternative 2 iVm § 20 Abs 1 IPRG auf das Scheidungsbegehren von A italienisches Recht anzuwenden. Diese Verweisung ist eine Sachnormverweisung, allfällige Weiter- und Rückverweisungen des italienischen Kollisionsrechts sind daher unbeachtlich1. II. Anspruch A gegen T auf Zahlung von € 600,– monatlichen Unterhalt (§ 20 Abs 1 iVm § 18 Abs 1 Z 2 IPRG) Wie im Bereich des Scheidungsrechts fehlt auch beim Ehegattenunterhalt staatsvertraglich vereinheitlichtes Sachrecht. In kollisionsrechtlicher Hin1 Verschraegen in Rummel3 § 5 IPRG Rz 1.
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sicht ist wiederum § 20 Abs 1 IPRG einschlägig. Diese Bestimmung regelt nicht nur die Voraussetzungen für eine Ehescheidung, sondern auch deren Wirkungen, zu denen auch nacheheliche Unterhaltsansprüche zählen (Posch 11/8). Auch diese Ansprüche von A sind also nach dem Ehewirkungsstatut (§ 18 IPRG) anzuknüpfen. Ein gemeinsames Personalstatut von A und T hat es, da A italienisch-österr Doppelstaatsbürgerin ist, aufgrund der Vorrangsregel des § 9 Abs 1 S 2 IPRG nie gegeben. Ein gemeinsamer gewöhnlicher Aufenthalt der beiden hat zwar in Italien von 1986 bis 2000 bestanden, besteht jedoch im relevanten Zeitpunkt der Ehescheidung2 nicht mehr. T wohnt allerdings noch immer in Italien. Damit hat er den letzten gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalt beibehalten. Nach § 18 Abs 1 Z 2 IPRG iVm § 20 Abs 1 IPRG ist demnach italienisches Recht anzuwenden (weiter vgl Anspruch I). III. Anspruch D gegen T auf Zahlung von € 350 monatlichen Unterhalt nach § 140 ABGB iVm Art 1 S 1 Haager Übk über das auf Unterhaltsverpflichtungen gegenüber Kindern anzuwendende Recht D ist italienisch-österr Doppelstaatsbürger, T italienischer Staatsangehöriger. Damit liegt ein Sachverhalt mit Auslandsberührung vor (§ 1 IPRG). Eine kollisionsrechtliche Prüfung ist von Amts wegen durchzuführen (§ 2 IPRG), wobei bei Unterhaltsansprüchen von Kindern zunächst zu prüfen ist, ob das von Österreich ratifizierte Haager Übk über das auf Unterhaltsverpflichtungen gegenüber Kindern anzuwendende Recht3 Anwendung findet. Als staatsvertraglich vereinheitlichtes Kollisionsrecht geht es gem § 53 IPRG in seinem Anwendungsbereich den einschlägigen Bestimmungen des IPRG (konkret den §§ 24, 25) vor. Das Unterhaltsstatut-Übk ist nur auf jene Sachverhalte anzuwenden, in denen die Verweisung seines Art 1 das Recht eines Vertragsstaates bezeichnet (Art 6 Übk). Diese Verweisung stellt auf den gewöhnlichen Aufenthalt des Kindes ab (Art 1 S 1 Übk). Danach bestimmt das Recht jenes Staates, in dem das Kind seinen gewöhnlichen Aufenthaltsort hat, ob, von wem und in welchem Ausmaß ein Kind Anspruch auf Unterhalt hat. Als „Kind“ gilt jedes eheliche, uneheliche oder adoptierte Kind, das unverheiratet ist und das 21. Lebensjahr noch nicht vollendet hat (Art 1 S 4 Übk). D ist laut Sachverhalt zum Zeitpunkt als sein Vater die Unterhaltszahlungen einstellt, 13 Jahre alt. Damit ist er „Kind“ gem Art 1 S 4 Übk. Seit September 2000 hat D seinen gewöhnlichen Aufenthalt in Österreich. Ab diesem Zeitpunkt ist gem Artikel 1 S 2 Übk österr Sachrecht anzuwenden, zuvor wäre italienisches Recht maßgebend gewesen. D klagt Unterhaltsansprüche ein, die erst nach Wechsel des gewöhnlichen Aufenthalts entstanden sind. Da Österreich, wie von Art 6 Übk gefordert, Vertragsstaat des Unterhaltsstatut-Übk ist, ist gem Art 1 S 1 Übk auf den Unterhaltsanspruch des D österr Sachrecht anzuwenden. 2 Das ist der Schluss der mündlichen Verhandlung erster Instanz. 3 BGBl 1961/293.
Fall 111: „Folgenreicher Au pair-Aufenthalt“ (W. Posch)
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IV. Anspruch A oder D gegen T auf persönlichen Verkehr nach § 148 Abs 1 ABGB iVm § 24 IPRG D ist laut Sachverhalt das eheliche Kind von A und T. Die Wirkungen der Ehelichkeit sind gem § 24 IPRG nach dem Personalstatut des Kindes zu beurteilen. Unter den Wirkungen der Ehelichkeit ist der Gesamtbereich der familienrechtlichen Verhältnisse zwischen Eltern und Kind zu verstehen (Posch 11/12), auch der persönliche Verkehr. D ist seit seiner Geburt italienischer Staatsbürger. Allerdings erhält er nach seiner Rückkehr nach Österreich zusätzlich die österr Staatsbürgerschaft. Aufgrund der Vorrangsregel des § 9 Abs 1 S 2 IPRG ist für die Bestimmung des Personalstatutes bei österr Doppelstaatsbürgern nur die österr Staatsangehörigkeit maßgebend. Das Personalstatut von D ist damit das österr Recht. Dass D vom Zeitpunkt seiner Geburt bis in den Sommer 2000 italienischer Staatsbürger war, ist für die Beurteilung des Anspruchs auf persönlichen Verkehr gem § 24 IPRG unbeachtlich, da dieses Statut wandelbar ist (Posch 11/12). Damit ist auf diesen Anspruch österr Sachrecht (§ 148 Abs 1 ABGB) anzuwenden. Dies betrifft sowohl die Anspruchsberechtigung als auch den Inhalt des Anspruchs. V. Anspruch T gegen S auf Bestreitung der Ehelichkeit (§§ 138, 156 ff ABGB iVm § 21 S 2 IPRG) S ist österr Staatsbürgerin, T italienischer Staatsangehöriger. Damit liegt ein Sachverhalt mit Auslandsberührung vor (§ 1 Abs 1 IPRG). Eine kollisionsrechtliche Prüfung ist von Amts wegen durchzuführen (§ 2 IPRG). S kommt am 10.9.2001 zur Welt, die Ehe von T und A wird am 7.10.2001 geschieden. Es ist daher zu prüfen, ob A als ehelich anzusehen ist. In Ermangelung staatsvertraglich vereinheitlichten Kollisions- oder Sachrechts ist die Frage nach der ehelichen Abstammung nach § 21 IPRG zu beurteilen. Diese Bestimmung regelt nicht nur die Voraussetzungen der Ehelichkeit wie Rechtsvermutungen und die Dauer der Empfängniszeit, sondern auch deren Anfechtung (Posch 11/10). § 21 IPRG knüpft primär an das Personalstatut der Ehegatten im Zeitpunkt der Geburt an. Im gegenständlichen Fall ist T im Geburtszeitpunkt italienischer Staatsangehöriger, A hingegen österr Staatsbürgerin. Es gibt daher kein gemeinsames Personalstatut der Eltern, sodass nunmehr gem § 21 S 2 IPRG das Personalstatut des Kindes im Zeitpunkt der Geburt maßgeblich ist4. S ist laut Sachverhalt im Geburtszeitpunkt österr Staatsbürgerin. Ihr Personalstatut ist das österr Recht (§ 9 Abs 1 IPRG). Auf Ts Ehelichkeitsbestreitungsklage ist folglich nach § 21 S 2 IPRG österr Sachrecht anzuwenden. Dies betrifft sowohl die Ehelichkeitsvermutung (§ 138) als auch die Anfechtungsfristen und die Anfechtungsberechtigung (§ 156, 157).
4 § 21 IPRG wurde durch Artikel X des Kindschaftsrechts-Änderungsgesetz 2001, BGBl I 2000/135, geändert und steht seit 1.7.2001 in Kraft. Zuvor hatte § 21 S 2 IPRG das für die Ehelichkeit günstigere Recht berufen.
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Siebenter Teil: Fälle zum Internationalen Privatrecht
VI. Anspruch S gegen X auf Feststellung der Vaterschaft nach § 164c Z 1 ABGB iVm § 25 Abs 1 IPRG X ist schwedischer Staatsbürger, S österr Staatsangehörige. Damit liegt ein Sachverhalt mit Auslandsberührung vor (§ 1 IPRG). Eine kollisionsrechtliche Prüfung ist von Amts wegen durchzuführen (§ 2 IPRG). In Ermangelung einschlägigen staatsvertraglich vereinheitlichten Kollisions- oder Sachrechts ist die Frage nach den Voraussetzungen und Wirkungen der Vaterschaft zu einem unehelichen Kind nach § 25 IPRG zu beurteilen. Diese Bestimmung regelt neben der Anerkennung und Feststellung der Vaterschaft auch deren Bestreitung (Posch 11/13). Da sich X laut Sachverhalt weigert, ein Vaterschaftsanerkenntnis abzugeben, ist eine (gerichtliche) Feststellung der Vaterschaft erforderlich. Gem § 25 Abs 1 S 1 IPRG ist für die sachlichen Voraussetzungen der Feststellung der Vaterschaft das Personalstatut des Kindes im Zeitpunkt der Geburt maßgeblich. S ist im Geburtszeitpunkt österr Staatsangehörige, ihr Personalstatut somit nach § 9 Abs 1 IPRG das österr Recht. Gem § 25 Abs 1 S 1 IPRG richtet sich die Feststellung der Vaterschaft nach österr Sachrecht (§§ 163 ff). VII. Anspruch S gegen X auf Zahlung von Unterhalt nach § 140 ABGB iVm Art 1 S 1 Haager Übk über das auf Unterhaltsverpflichtungen gegenüber Kindern anzuwendende Recht Bei Unterhaltsansprüchen von Kindern ist zunächst zu prüfen, ob das Haager Unterhaltsstatut-Übk anzuwenden ist. Dieses Übk ist gem Art 6 keine loi uniforme, sondern nur dann anzuwenden, wenn Art 1 Übk das Recht eines Vertragsstaates als maßgebend bestimmt. Art 1 S 1 Übk knüpft am gewöhnlichen Aufenthaltsort des Kindes an. S hat laut Sachverhalt ihren gewöhnlichen Aufenthalt in Österreich. Österreich ist – anders als Schweden – seit dem 1.1.1962 Vertragsstaat des Übk. Zudem ist die am 10.9.2001 geborene S „Kind“ im Sinne des Art 1 S 4 Übk, da sie weder verheiratet ist, noch das 21. Lebensjahr bereits vollendet hat. Nach Art 1 S 1 iVm Art 6 Übk ist folglich auf den Unterhaltsanspruch von S österr Sachrecht (§ 140) anzuwenden. Da gem Art 1 S 1 Übk („von wem“) auch die Vorfrage der Vaterschaft des Kindes (Posch 11/13) in den Anwendungsbereich des Übk fällt, ist sie ebenso wie die Hauptfrage – der Unterhaltsanspruch – nach dem Recht jenes Staates, in dem das Kind seinen gewöhnlichen Aufenthaltsort hat, zu beurteilen. Da S, wie erwähnt, ihren gewöhnlichen Aufenthalt in Österreich hat, ist auf die Vaterschaftsvorfrage österr Sachrecht anzuwenden5.
5 Nach Schwimann, IPR 3 165 soll, wenn Unterhalt und Vaterschaftsfeststellung hauptfragemäßig begehrt werden, die Vaterschaftsfeststellung nicht – wie in Anspruch VI erfolgt – nach § 25 Abs 1 IPRG angeknüpft werden, sondern nach dem Unterhaltsstatuts-Übk. Wie hier auch Verschraegen in Rummel3 § 25 IPRG Rz 14.
Fall 112: „Der englische Journalist“ (W. Posch)
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VIII. Anspruch A oder S gegen X auf persönlichen Verkehr nach § 148 Abs 1 ABGB iVm § 25 Abs 2 IPRG S ist laut Sachverhalt das uneheliche Kind von A und X. Der persönliche Verkehr zählt wie Pflege und Erziehung zu den Wirkungen der Unehelichkeit. Diese sind – mangels vereinheitlichter Kollisions- oder Sachnormen – nach § 25 Abs 2 IPRG zu beurteilen, der auf das Personalstatut des Kindes im Beurteilungszeitraum abstellt (Posch 11/13). S wurde am 10.9.2001 geboren, seitdem ist sie österr Staatsangehörige und ihr Personalstatut gem § 9 Abs 1 IPRG das österr Recht. Nach § 25 Abs 2 IPRG ist auf ihren Anspruch auf persönlichen Verkehr mit X österr Sachrecht (§ 148 Abs 1 ABGB) anzuwenden. IX. Anspruch A gegen X auf Ersatz von € 1000 Entbindungskosten nach § 168 ABGB iVm § 25 Abs 3 IPRG Sofern T mit seiner Ehelichkeitsbestreitungsklage obsiegt, ist S die uneheliche Tochter von A und X. Nach § 25 Abs 3 IPRG, der mangels eines einschlägigen staatsvertraglich festgelegten Einheitsrechts anzuwenden ist, sind die Ansprüche der Kindesmutter eines unehelichen Kindes, die mit Schwangerschaft und Entbindung zusammenhängen, nach dem Personalstatut der Mutter zu beurteilen. A ist italienisch-österr Doppelstaatsbürgerin. Aufgrund der Vorrangregel des § 9 Abs 1 S 2 IPRG ist aber nur die österr Staatsangehörigkeit maßgebend. Personalstatut von A ist somit das österr Recht. Nach § 25 Abs 3 IPRG ist daher auf ihren Anspruch auf Ersatz der Entbindungskosten österr Sachrecht (§ 168) anzuwenden.
Fall 112: „Der englische Journalist“ Sachverhalt Die afghanische Staatsbürgerin L, die in ihrem Heimatland politisch verfolgt wurde, lebt seit 1996 als Flüchtling im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention in Wien. Da sie dauerhaft in Österreich bleiben möchte, zieht sie zusammen mit anderen Flüchtlingen in eine Wohnung. Im Sommer 1998 heiratet L ihren iranischen Wohnungskollegen S. Diese Ehe hält allerdings nur kurz. L lernt J, einen englischen Journalisten, der über afghanische Flüchtlinge recherchiert und hierzu von seinem Wohnort London hin und wieder nach Wien kommt, kennen und lieben. Am 12.9.2000 lässt sich S von L scheiden. Drei Monate danach kommt Y, die gemeinsame Tochter von L und J auf die Welt. Am 25.7.2001 heiraten L und J. Kurz nach der Hochzeit übersiedeln die drei von Wien nach London, wo J seine Vaterschaft anerkennt. Im August 2001 beantragen L und S die Feststellung, dass Y durch die nachfolgende Ehe legitimiert wurde. Das englische Recht sieht im Legitimacy Act 1976 als Voraussetzungen für eine derartige Legitimation vor, dass der Kindesvater sein „domicile“ in England hat.
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Siebenter Teil: Fälle zum Internationalen Privatrecht
Welches Recht ist anwendbar, wenn der Anspruch auf Feststellung der Legitimation durch nachfolgende Ehe vor einem österr Gericht geltend gemacht wird? Lösung I. Antrag auf Feststellung der Legitimation durch nachfolgende Eheschließung (Art 1 Übk über die Legitimation durch nachfolgende Ehe) Da L afghanische Staatsangehörige und J Brite ist, ist ein Sachverhalt mit Auslandsberührung gegeben (§ 1 IPRG) und eine kollisionsrechtliche Prüfung von Amts wegen vorzunehmen (§ 2 IPRG). Y ist vor der Eheschließung ihrer Eltern auf die Welt gekommen. Die Voraussetzungen und die Wirkungen der Legitimation Ys durch die nachfolgende Ehe sind im Übk über die Legitimation durch nachfolgende Ehe1 geregelt, das als kollisionsrechtlicher Staatsvertrag gem § 53 IPRG den Regelungen des IPRG vorgeht2. Das Legitimations-Übk gilt gem ausdrücklicher Anordnung seines Art 5 auch gegenüber Nichtvertragsstaaten. Damit ist es als loi uniforme (Posch 11/11) auch auf den gegenständlichen Fall anzuwenden, obwohl das Vereinigte Königreich es nicht ratifiziert hat. Nach Art 1 Übk richten sich Voraussetzungen und Wirkungen der Legitimation eines unehelichen Kindes durch nachfolgende Ehe nach dem Heimatrecht des Vaters oder der Mutter im Zeitpunkt der Eheschließung3. Mit „Heimatrecht“ ist gem Art 10 Übk das Recht jenes Staates zu verstehen, dem eine Person angehört, oder, falls es sich um einen Flüchtling oder Staatenlosen handelt, das Recht, das nach seinem Personalstatut bestimmt wird. Da der Engländer J britischer Staatsangehöriger ist, ist sein Heimatrecht das englische.4 L hingegen ist afghanische Staatsbürgerin und Flücht1 Übk der Commission Internationale de l’Etat Civil (CIEC) über die Legitimation durch nachfolgende Ehe, BGBl 1976/102. 2 Dies ist insoweit bedeutsam, als es im IPRG für Sachverhalte, die vor dem 1.7.2001 verwirklicht worden waren, mit § 22 IPRG eine eigene Kollisionsnorm für die Legitimation durch nachträgliche Eheschließung gab. Diese Bestimmung wurde durch Artikel X des Kindschaftsrechts-Änderungsgesetz 2001, BGBl I 2000/135, aufgrund seiner – durch das Übk über die Legitimation durch nachfolgende Ehe bedingte – praktische Bedeutungslosigkeit ersatzlos gestrichen. Auf nach dem 1.7.2001 verwirklichte Sachverhalte sind daher ausnahmslos die Bestimmungen des Legitimations-Übk anzuwenden. 3 Im Legitimations-Übk ist nicht ausdrücklich geregelt, nach welchem Recht die Vorfrage, ob eine wirksame Eheschließung vorliegt, zu beurteilen ist (vgl OGH 1.9.1983 IPRE 2/146). Schwimann, Grundriß des Internationalen Privatrechts (1982) 221, tritt für eine Anknüpfung an das IPR des Legitimationsstatutes ein, womit in diesem Fall englisches Kollisionsrecht zur Anwendung kommen würde. Aus dem Sachverhalt ergeben sich allerdings keine Anhaltspunkte, dass an einer wirksamen Eheschließung zu zweifeln wäre. 4 Das Privatrecht des Vereinigten Königreichs ist nicht einheitlich, es besteht aus mehreren Teilrechtsordnungen (Posch 7/5). Da J in London sein domicile hat, ist das englische Recht maßgebend.
Fall 113: „Kunsthandel“ (W. Posch)
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ling im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention5. Das Legitimations-Übk regelt nicht, nach welchen Kriterien in diesem Fall das Personalstatut zu ermitteln ist, sodass für diese Frage auf das IPRG zurückzugreifen ist. § 9 Abs 3 IPRG bestimmt das Recht jenes Staates, in dem ein Flüchtling seinen Wohnsitzes oder, falls ein solcher nicht begründet wird, seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat, als sein Personalstatut. Aus dem Sachverhalt geht hervor, dass L dauerhaft Aufenthalt in Österreich nehmen wollte. Damit verfügt L im entscheidungsrelevanten Zeitpunkt – jenem ihrer Eheschließung – über einen Wohnsitz in Österreich (vgl Posch 9/6).Ihr Personalstatut ist daher gem § 9 Abs 3 IPRG das österr Recht. Zu prüfen ist allerdings, ob sich dieses Personalstatut durch die Übersiedelung der L nach London gewandelt haben könnte. Grundsätzlich hat eine nachträgliche Änderung der für eine Anknüpfung maßgeblichen Voraussetzungen – wie der Wechsel des Wohnsitzes – keinen Einfluss auf bereits vollendete Tatbestände (§ 7 IPRG, vgl Posch 8/6). Die Legitimation der Y erfolgt mit der Eheschließung von L und J, also am 25.7.2001. Damit ist mit diesem Zeitpunkt der Tatbestand des Art 1 Übk erfüllt. Aus § 7 IPRG ergibt sich daher, dass der später erfolgte Wohnsitzwechsel für die Legitimation Ys unbeachtlich ist. Nach Art 1 Übk ist somit entweder das englische (J) oder das österreichische Recht (L) anzuwenden. Diese Verweisung ist ein Sachnormverweisung (Posch 11/11). Ob das englische Kollisionsrecht die Verweisung annimmt, ist daher nicht zu prüfen. Welches Sachrecht im Endeffekt anzuwenden ist, ergibt sich aus einem Günstigkeitsvergleich (Posch 11/11). Beide Sachrechte, das englische wie das österreichische, anerkennen grundsätzlich eine Legitimation durch nachfolgende Eheschließung. Nach österr Sachrecht ist für die Legitimation durch nachfolgende Ehe eine Vaterschaftsfeststellung entweder durch Urteil oder Anerkenntnis erforderlich (§ 161 Abs 1). Das Kind wird mit dem Zeitpunkt der Eheschließung seiner Eltern ehelich. Anders das englische Sachrecht: Es verlangt nur, dass der Kindesvater sein „domicile“ (vgl Posch 9/6) in England hat, was bei J der Fall ist. Damit erscheint das englische Sachrecht als das günstigere. Auf den Antrag auf Feststellung der Legitimation durch nachfolgende Eheschließung ist daher nach Art 1 iVm Art 5 Legitimations-Übk englisches Recht anzuwenden.
Fall 113: „Kunsthandel“ Sachverhalt Der israelische Kunsthändler T plant, im Jahr 2003 in seiner Galerie in Tel Aviv eine Retrospektive mit Werken des bekannten zeitgenössischen österr Malers A zu veranstalten. Dazu erwirbt er bereits im Jänner 1999 5 Genfer Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge vom 28.7.1951 BGBl 1955/55.
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Siebenter Teil: Fälle zum Internationalen Privatrecht
von A persönlich 150 Lithographien. Mit der Lieferung der Lithographien gibt es allerdings Probleme, da A kurz nach Vertragsabschluss dauerhaft nach Neuseeland übersiedelt. Die Lieferung kommt erst Ende April 1999 in Israel an, wo sie von einem Mitarbeiter Ts sofort untersucht wird, welcher feststellt, dass 10 Lithographien fehlen. Er rügt dies fristgerecht bei A, dieser reagiert allerdings nicht. Auch T verfolgt die Causa nicht weiter. Erst unmittelbar vor der Ausstellungseröffnung im Oktober 2003 erinnert sich T wieder an die 10 fehlenden Lithographien, auf deren Nachlieferung er bestehen will. Um einen umfassenden Überblick über das Schaffen von A geben zu können, erwirbt T zudem im November 2001 von der L-AG, einer auf Kunsthandel spezialisierten österr Gesellschaft, das Ölbild „Bild XXI“. Die L-AG hat neben der Zentrale in Wien Geschäftslokale in Paris und New York. Sie versendet das Ölbild sofort nach Israel und erhält kurz darauf den Kaufpreis von € 20.000. Wenig später stellt sich heraus, dass das Bild nur eine gelungene Kopie ist, was auch die L-AG nicht gewusst hat. T möchte den diesbezüglichen Kaufvertrag mit der L-AG unverzüglich rückgängig machen. Welches Recht kommt zur Anwendung, wenn sämtliche Ansprüche vor österr Gerichten verhandelt werden? Lösung I. Anspruch T gegen A auf Erfüllung nach Art 46 Abs 1 CISG iVm § 36 IPRG aF Bei dem Erwerb der 150 Lithographien handelt es sich um einen internationalen Warenkaufvertrag. Daher ist zunächst zu prüfen, ob das UN-KR anzuwenden ist. Nach Art 1 Abs 1 CISG ist dieses auf Kaufverträge über Waren anzuwenden, wenn die Vertragsparteien entweder ihre Niederlassung in Staaten haben, die das UN-KR ratifiziert haben (Art 1 Abs 1 lit a CISG) oder wenn die Regeln des Kollisionsrechts des Gerichtsstaates zur Anwendung des UN-KR führen (Art 1 Abs 1 lit b CISG). Österreich ist seit 1.1.1989 Vertragsstaat, Israel hat das UN-KR erst am 22.1.2002 ratifiziert, so dass es gem seinem Art 99 für Israel am 1.2.2003 in Kraft getreten ist. Zum Zeitpunkt der Vertragsschlusses zwischen T und A war Israel noch nicht Vertragsstaat, so dass das österr Erstgericht nach Art 1 Abs 1 lit b CISG zur Bestimmung des in der Sache anzuwendenden Rechts auf sein Kollisionsrecht (lex fori) zurückgreifen muss („Vorschaltlösung“). Da das Rechtsgeschäft von A und T nach dem 1.12.1998 geschlossen wurde, ist anstelle des § 36 aF IPRG schon das EVÜ, anzuwenden. Dieses stellt bei Fehlen einer Rechtswahl bei der Anknüpfung von entgeltlichen Geschäften darauf ab, zu welchem Recht die „engsten Verbindungen“ bestehen. Gem Art 4 Abs 2 EVÜ wird vermutet, dass der Vertrag die engsten Verbindungen mit dem Staat aufweist, in dem die Partei die die charakteristische Leistung zu erbringen hat, im Zeitpunkt des Vertragsschlusses ihren gewöhnlichen Aufenthalt oder ihre Hauptverwaltung hat (Posch 15/11). Im gegenständlichen Fall erbringt A die charakteristische Leistung:
Fall 113: „Kunsthandel“ (W. Posch)
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Er liefert die Lithographien, während T nur Geld leistet. Im maßgeblichen Zeitpunkt – jenem des Vertragsabschlusses – hat A seinen gewöhnlichen Aufenthalt in Österreich, nicht in Neuseeland. Daher ist nach Art 4 Abs 2 EVÜ auf den Kaufvertrag österr Recht anzuwenden. Da Österreich Vertragsstaat des UN-KR ist, ist dieses als lex specialis der österr Rechtsordnung für internationale Warenkaufverträge zur Anwendung berufen (Art 1 Abs 1 lit b das CISG). Nach der Feststellung der grundsätzlichen Anwendbarkeit des UN-KR ist zu prüfen, ob Ausnahmen von seinem Anwendungsbereich vorliegen. Da T die Lithographien zu geschäftlichen Zwecken und nicht zum persönlichen Gebrauch erwirbt (vgl Art 2 lit a CISG) und auch kein anderer, die Anwendung des UN-KR ausschließender Tatbestand des Art 2 CISG vorliegt, unterliegt der Kaufvertrag über 150 Lithographien den Bestimmungen des UN-KR. Dieses regelt nun zwar die Untersuchungs- und Rügepflichten des Käufers (Art 38, 39 CISG) sowie seine Rechtsbehelfe bei Vertragsverletzung durch den Verkäufer (Art 45-52 CISG). Im gegenständlichen Fall hat T laut Sachverhalt im April 1997 die Lithographien untersucht und den Quantitätsmangel (10 Lithographien fehlten) fristgerecht angezeigt. Damit hat T zunächst seine Rechtsbehelfe gewahrt (Art 39 CISG). Allerdings hat er nach der Mängelanzeige bis Oktober 2003 keine weiteren rechtlichen Schritte gegen A unternommen. Damit stellt sich die Frage der Verjährung der Rechtsbehelfe von T. Die Verjährung ist im CISG nicht geregelt. Nach hM ist für Verjährungsfragen auf das nationale Recht zurückzugreifen.1 In Ermangelung von zwischenstaatlich vereinheitlichtem Sachrecht – das UNCITRAL-Übk über die Verjährung beim internationalen Warenkauf ist von Österreich bisher weder gezeichnet noch ratifiziert worden (Posch 14/7) – ist auf die kollisionsrechtlichen Normen der lex fori zu rekurrieren. Da der Vertrag nach dem 1.12.1998 geschlossen wurde, ist das EVÜ maßgebend, das in seinem Art 10 d) klarstellt, dass das gem Art 3-6 EVÜ auf einen Vertrag anzuwendende Recht auch die Verjährung erfasst. Das Schuldstatut umfasst somit auch die Frage der Verjährung. Das Schuldstatut ergibt sich aus Art 4 Abs 2 EVÜ, der auf das Recht jenes Staates, in dem der Vertragspartner, der die charakteristische Leistung erbringt, seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat, verweist. Da A die Lithographien liefert, T jedoch eine Geldzahlung tätigt, erbringt Ersterer die charakteristische Leistung. Im Beurteilungsszeitpunkt – das ist jener des Vertragsabschlusses – hat A seinen gewöhnlichen Aufenthalt in Österreich. Damit ist auf die Frage der Verjährung österr Sachrecht (§§ 1478 ff) anzuwenden. II. Anspruch T gegen L-AG auf Aufhebung des Kaufvertrages über das „Bild XXI“ wegen Geschäftsirrtums nach § 871 ABGB iVm Art 1 Abs 1 lit b und Art 4 lit a CISG iVm Art 4 Abs 2 S 2 EVÜ Auch beim Erwerb des Ölbildes „Bild XXI“ handelt es sich um einen internationalen Warenkaufvertrag. Das österr Erstgericht hat daher zunächst zu 1 Posch in Schwimann3 Art 4 UN-KR Rz 11.
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prüfen, ob das UN-KR als vereinheitlichtes Sachrecht anzuwenden ist. Da Israel im November 2001 noch nicht Vertragsstaat des UN-KR war, kommt wiederum die Vorschaltlösung des Art 1 Abs 1 lit b CISG zur Anwendung. Lex fori ist das österr Recht, damit ist österr Kollisionsrecht zur Feststellung des anzuwendenden Rechts heranzuziehen. Der Kaufvertrag zwischen der L-AG und T fällt als ein nach dem 1.12. 1998 geschlossenes vertragliches Schuldverhältnis in den sachlichen und zeitlichen Anwendungsbereich des EVÜ, sodass bei fehlender Rechtswahl die objektive Anknüpfung auf das Recht des Staates, zu dem der Vertrag die engste Beziehung aufweist (Art 4 Abs 1 EVÜ) weist. Art 4 Abs 2 EVÜ stellt die Vermutung auf, dass die engste Beziehung zu jenem Staat besteht, in dem der Vertragspartner, der die charakteristische Leistung erbringt, seinen gewöhnlichen Aufenthalt oder seine Hauptverwaltung hat. Die charakteristische Leistung wurde von der L-AG mit der Lieferung des Ölbildes erbracht. Da es sich bei diesem Vertragspartner um eine juristische Person handelt, welche den Kaufvertrag mit T in Ausübung ihrer gewerblichen Tätigkeit (Kunsthandel) schließt, ist nach Art 4 Abs 2 S 2 EVÜ das Recht jenes Staates maßgebend, in dem sie ihre Hauptverwaltung hat. Laut Sachverhalt hat die L-AG ihre „Zentrale“ und damit den Sitz ihrer Hauptverwaltung in Österreich, weshalb Art 4 Abs 2 S 2 EVÜ auf das österr Recht verweist. Da Österreich Vertragsstaat des UN-KR ist, ist dieses als lex specialis für internationale Warenkaufverträge in der Sache anzuwenden (Art 1 Abs 1 lit b CISG). Als nächstes ist zu prüfen, ob der Kaufvertrag unter eine der Ausnahmen vom Anwendungsbereich des CISG zu subsumieren ist (vgl Art 2 und 4 CISG). T erwirbt das Ölgemälde für berufliche Zwecke, nämlich für eine Retrospektive in seiner Galerie, und nicht zu privatem Gebrauch. Damit ist die Ausnahme des Art 2 lit a CISG nicht einschlägig. Allerdings regelt das UN-KR Fragen der Gültigkeit von Verträgen nicht (Art 4 CISG). Mit Gültigkeit ist nach hM grundsätzlich die materielle Gültigkeit des Vertragsabschlusses, der „innere Konsens“, gemeint2. Konkret zählen zur materiellen Gültigkeit kraft autonomer Interpretation des Übk (Art 7 CISG) Willensmängel wie der Geschäftsirrtum. Im Fall eines solchen Irrtums – L glaubt laut Sachverhalt ein Original zu kaufen, in Wirklichkeit ist es jedoch nur eine Kopie – ist daher wegen Art 4 lit a CISG wieder auf das österr Kollisionsrecht (lex fori) zurückzugreifen. Dieses bestimmt, wie oben angeführt, in Ermangelung einer Rechtswahl das in der Sache anzuwendende Recht nach der charakteristischen Leistung (Art 4 Abs 2 EVÜ). Hier erbringt die L-AG die charakteristische Leistung, da sie das „Bild XXI“ liefert. Nach Art 4 Abs 2 S 2 EVÜ ist das Recht jenes Staates zur Entscheidung in der Sache berufen, in dem die L-AG ihre Hauptverwaltung hat. Dem Sachverhalt zufolge ist dies Österreich. Damit kommt auf die Frage, ob T den Kaufvertrag über das „Bild XXI“ wegen Irrtums3 über den Leistungsgegenstand aufheben kann österr Sachrecht (§ 871) zur Anwendung. 2 Posch in Schwimann3 Art 4 UN-KR Rz 6. 3 Eine Aufhebung wegen List kommt nicht in Frage, da laut Sachverhalt auch die L-AG nicht gewusst hat, dass es sich bei „Bild XXI“ um eine Kopie handelt.
Fall 114: „Auswärtsniederlage“ (W. Posch)
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Fall 114: „Auswärtsniederlage“ Sachverhalt Der 13-jährige Wiener J ist Fan eines österr Fußballklubs. Im September 2000 fährt J mit erwachsenen Freunden zu einem Auswärtsspiel seines Klubs nach Passau. Dort erwirbt er vor Spielbeginn in dem von der F-AG betriebenen Fanshop des gegnerischen Vereins als Andenken an das Spiel ein T-Shirt mit Vereinslogo um € 110. Dem Verkäufer fällt auf, dass J ein relativ junger Österreicher ist, hält ihn aber fälschlicherweise für über 14 Jahre alt und damit nach der ihm als Passauer bekannten österr Rechtslage für fähig, den Vertrag rechtsgültig zu schließen. Nach der knappen Niederlage seines Vereins ist J, der bereits einiges an Alkohol konsumiert hat, so erzürnt über die seiner Meinung unfaire Spielweise der gegnerischen Mannschaft, dass er M, einen deutschen Fan, attackiert. M erleidet hierbei einen Nasenbeinbruch. J kehrt schließlich, nachdem er einige Tage in deutschem Polizeigewahrsam verbracht hat, nach Österreich zurück. Als er hier das neu gekaufte T-Shirt aus der Verpackung nimmt, fällt ihm ein großer Riß auf der Rückseite auf, der auf einen Materialfehler zurückzuführen ist. Welches Recht ist anwendbar, wenn sämtliche Ansprüche vor österr Gerichten geltend gemacht werden? Lösung 1. Anspruch M gegen J auf Schadenersatz wegen Körperverletzung (§ 48 Abs 1 IPRG) J ist österr, M deutscher Staatsbürger; zudem hat die schädigende Handlung in Deutschland statt gefunden. Damit liegt ein Sachverhalt mit Auslandsberührung nach § 1 Abs 1 IPRG vor und das österr Erstgericht hat hinsichtlich der privatrechtlichen Ansprüche von M von Amts wegen eine kollisionsrechtliche Prüfung durchzuführen (§ 2 IPRG). Schmerzengeldansprüche wegen Körperverletzung sind außervertragliche Ansprüche. Als solche sind sie gem § 48 Abs 1 IPRG nach dem Recht jenes Staates zu beurteilen, in dem das den Schaden verursachende Verhalten gesetzt wird (lex loci delicti commissi)1. Der Ort der Schadenszufügung ist im gegenständlichen Fall Deutschland. Damit ist für die Beurteilung des Schmerzengeldan1 § 48 IPRG wird mit Wirkung vom 11.1.2009 durch die Kollisionsnormen der Verordnung (EG) Nr 864/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11.7.2007 über das auf außervertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht („Rom II“), ABlEG L 199/40 vom 31.7.2007, ersetzt werden. Nach Art 14 dieser Verordnung können die Parteien grundsätzlich das anwendbare Recht wählen. Ansonsten bestimmt Art 4, dass „das Recht des Staates anzuwenden (ist), in dem der Schaden eintritt, unabhängig davon, in welchem Staat das schadensbegründende Ereignis oder indirekte Schadensfolgen eingetreten sind“. Gemäß Art 24 der Verordnung werden Rück- und Weiterverweisungen generell ausgeschlossen, so dass alle Verweisungen der „Verordnung Rom II“ Sachnormverweisungen sein werden.
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Siebenter Teil: Fälle zum Internationalen Privatrecht
spruchs des M deutsches Recht maßgebend. Das österr Erstgericht hat nach § 4 Abs 1 IPRG das deutsche Recht von Amts wegen zu ermitteln und es wie in seinem ursprünglichen Geltungsbereich (§ 3 IPRG) anzuwenden. Hierbei ist, da das österr IPRG für seinen Anwendungsbereich gem § 5 Abs 1 IPRG grundsätzlich von einer Gesamtverweisung ausgeht (Posch 7/3), zunächst zu prüfen, ob das deutsche Kollisionsrecht die Verweisung des § 48 Abs 1 IPRG annimmt. Für Ansprüche aus „unerlaubten Handlungen“ sieht Art 40 Abs 1 EGBGB nunmehr vor2, dass primär das Recht des Staates anzuwenden ist, in dem die schädigende Handlung gesetzt wird. Hier wird M in Passau von J attackiert, damit ist Ort der Schadenszufügung in Deutschland. Das deutsche Kollisionsrecht nimmt somit die Verweisung des § 48 Abs 1 iVm § 5 Abs 1 IPRG an. Das auf den Schmerzengeldanspruch anzuwendende Sachrecht ist daher das deutsche. Ebenfalls einer kollisionsrechtlichen Beurteilung zu unterziehen ist, da J laut Sachverhalt erst 13 Jahre alt ist, die Frage der Delikts- (bzw Verschuldens)fähigkeit. Die Deliktsfähigkeit ist nach hM anders als die Handlungsfähigkeit (s Anspruch II) nicht separat zu beurteilen, sondern als ein Teil des Deliktsstatuts (Posch 10/2). Damit ist auch auf diese kollisionsrechtliche Teilfrage nach § 48 Abs 1 iVm § 5 Abs 1 IPRG deutsches Sachrecht anzuwenden. II. Anspruch J gegen F-AG auf Austausch / Verbesserung (Art 4 Abs 2 EVÜ) Als erstes ist zu prüfen, ob auf das von J abgeschlossene Rechtsgeschäft allenfalls vereinheitlichtes Sachrecht anwendbar ist. Einschlägig für internationale Warenkaufverträge ist an sich das UN-KR, welches sowohl Deutschland als auch Österreich vor dem Jahr 2000 ratifiziert hatten (vgl Art 1 Abs 1 lit a UNKR). Allerdings erwirbt J das T-Shirt für den persönlichen Gebrauch. Nach Art 2 lit a CISG ist die Anwendung des Übk auf derartige (Verbraucher-)Verträge ausgeschlossen. Bei dem von J geschlossenen Rechtsgeschäft handelt es sich um ein vertragliches Schuldverhältnis, das nach dem 1.12.1998 geschlossen wurde, weshalb in zeitlicher wie sachlicher Hinsicht das EVÜ als anzuwendendes Kollisionsrecht heranzuziehen ist. Anders als das UN-KR beinhaltet das EVÜ nicht Einheitssachrecht, sondern Einheitskollisionsrecht. Da es im Sachverhalt keine Anhaltspunkte für eine Rechtswahl gibt, ist nach Art 4 Abs 1 EVÜ das Recht jenes Staates anzuwenden, zu dem der Vertrag die engste Beziehung aufweist. Die Vermutung des Art 4 Abs 2 EVÜ streitet diesbezüglich für das deutsche Recht, da die charakteristische Leistung – das T-Shirt – von der F-AG und damit dem deutschen Vertragsteil erbracht wird. Somit ist nach Art 4 Abs 2 EVÜ deutsches Sachrecht zur Entscheidung berufen. Daran ändert die Tatsache, dass J ein Verbraucher im Sinne des Art 5 Abs 1 EVÜ ist nichts. Dieses Regelung sieht bei bestimmten, in ihrem Abs 2 aufgezählten Absatztätigkeiten vor, dass abwei2 In Kraft getreten ist das deutsche Gesetz zum IPR für außervertragliche Schuldverhältnisse, dass die Art 38-42 EBGB neu regelte, am 1.6.1999.
Fall 115: „Ladies’-Dinner“ (W. Posch)
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chend von Art 4 EVÜ das Recht des Staates anzuwenden ist, in dem der Verbraucher seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat (Art 5 Abs 3 EVÜ). Allerdings hat sich die F-AG laut Sachverhalt keiner dieser Absatztätigkeiten bedient. Damit ist Art 5 EVÜ nicht auf den Kauf des T-Shirt durch J anzuwenden. Nach Art 4 Abs 2 EVÜ ist deshalb deutsches Sachrecht maßgeblich. Da das EVÜ im Gegensatz zum IPRG die Sachnormverweisung als Regelform vorsieht (Art 15 EVÜ), erübrigt sich die Prüfung der Frage, ob das deutsche Kollisionsrecht die Verweisung des Art 4 Abs 2 EVÜ annimmt. III. Anspruch J gegen F-AG auf Aufhebung des Vertrages nach §§ 21, 151, 865 ABGB iVm §§ 9 (1), 12 IPRG J ist erst 13 Jahre alt. Damit stellt sich als kollisionsrechtliche Teilfrage jene nach seiner Geschäftsfähigkeit. Das EVÜ regelt gem Art 1 Abs 2 lit a die Geschäftsfähigkeit von natürlichen Personen nicht. Es enthält aber in Art 11 eine Ausnahmeregelung. Diese betrifft nach hA 3 nur Irrtümer über die Rechtslage, nicht jedoch Irrtümer über tatsächliche Umstände. Da dem Verkäufer auffiel, dass J Wiener ist und ihm wegen der Grenznähe von Passau die österreichischen Bestimmungen über die Geschäftsfähigkeit, insb § 151 ABGB, bekannt waren, liegt kein Irrtum über die Rechtslage vor, sondern bloß eine über den tatsächlichen Umstand des Alters des J. Die kollisionsrechtliche Beurteilung der Frage nach der Geschäftsfähigkeit des J richtet sich daher nach § 12 IPRG, der bzgl der „Handlungsfähigkeit“ auf das Personalstatut abstellt. Nach hM ist der Begriff „Handlungsfähigkeit“ restriktiv zu interpretieren, so dass sie lediglich die Geschäftsfähigkeit regelt (Posch 10/2). Gem § 9 Abs 1 IPRG wird das Personalstatut natürlicher Personen durch ihre Staatsangehörigkeit bestimmt. Damit ist nach § 9 Abs 1 iVm § 12 IRPG österr Sachrecht (§§ 21, 151, 865) zur Beurteilung der Geschäftsfähigkeit von J heranzuziehen.
Fall 115: „Ladies’-Dinner“ Sachverhalt K, die Gattin eines österr Spitzenbeamten, gibt in ihrem Wochenendhaus mehrmals jährlich sog „Ladies’-Dinner“, zu denen sie die Gattinnen von in Österreich tätigen ausländischen Botschaftern einlädt. Für eines dieser Abendessen lässt sie im August 2003 die regelmäßig als Sitzgelegenheit verwendeten Jugendstilsessel von R, einem slowakischen Restaurateur, erneuern. Auf die Idee der Restaurierung ist K gekommen, als sie einen an sie persönlich adressierten Prospekt in ihrem Briefkasten gefunden hat, in dem R seine Dienste „schneller und billiger als die Konkurrenz“ anbietet. R holt, nachdem er Ks Restaurierungsauftrag per Fax in seinem 3 Vgl nur Czernich/Heiss, EVÜ (1999) Art 11 Rz 10.
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Pressburger Büro erhalten hat, die Sessel bei K ab. Für die Restaurierung verwendet R nicht, wie es lege artis erforderlich wäre, einen Spezialleim, sondern ein Billigprodukt. Als K im September 2003 wieder zu einem Dinner – diesmal auf den neu restaurierten Sesseln – einlädt, bricht in dem Moment als sich die australische Botschaftergattin B darauf stützt, aufgrund des schlechten Leims eine Armlehne ab. Hierbei wird nicht nur Bs Cocktailkleid im Wert von € 700 zerrissen, sondern auch S, eine slowakische Freundin von K, die einige Urlaubstage in Österreich verbringt, am Fuß verletzt. Welches Recht ist anwendbar, wenn sämtliche Ansprüche vor österr Gerichten geltend gemacht werden? Lösung I. Anspruch K gegen R auf Verbesserung nach §§ 1167, 932 ABGB iVm Art 5 Abs 3 EVÜ Da R slowakischer Staatsbürger ist, liegt ein Sachverhalt mit Auslandsberührung vor (§ 1 Abs 1 IPRG) und das angerufene Gericht hat von Amts wegen eine kollisionsrechtliche Prüfung vorzunehmen (§ 2 IPRG). Zunächst ist zu prüfen, ob auf den zwischen K und R geschlossenen Vertrag staatsvertragliche Kollisions- oder Sachnormen anzuwenden sind. In Frage kommt hierbei primär das UN-KR, welches sowohl die Slowakei als auch Österreich schon vor 2003 ratifiziert hatten (vgl Art 1 Abs 1 lit a CISG). Art 3 Abs 2 CISG schließt allerdings seine Anwendung auf Verträge, in denen der die Ware liefernde Teil überwiegend Arbeiten oder Dienstleistungen erbringt, aus. R hat sich laut Sachverhalt nicht bloß überwiegend, sondern gänzlich zur Ausführung einer Dienstleistung – das Restaurieren der Sessel – verpflichtet. Damit wird der Vertrag zwischen R und K vom sachlichen Anwendungsbereich des UN-KR nicht erfasst. Zudem dienen die renovierten Jugendstilsessel dem privaten Gebrauch der K (Art 2 lit a CISG), weshalb sie auch aus diesem Grund aus dem sachlichen Anwendungsbereich des UN-KR herausfallen. Bei dem vorliegenden Rechtsgeschäft handelt es sich um ein nach dem 1.12.1998 geschlossenes vertragliches Schuldverhältnis. Damit hat die kollisionsrechtliche Prüfung auf der Grundlage des EVÜ zu erfolgen (vgl Art 1 Abs 1 EVÜ). Das gilt aufgrund des loi-uniforme-Charakters des EVÜ (Posch 15/8) auch in jenen Fällen, in denen die berührte fremde Rechtsordnung – wie im gegenständlichen Fall die slowakische – die eines Staates ist, der das EVÜ zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses nicht unterzeichnet hatte (erga-omnes-Wirkung, vgl Art 2 EVÜ). In Ermangelung einer ausdrücklichen oder schlüssigen Rechtswahl – für eine solche gibt es im Sachverhalt keine Anhaltspunkte – ist das in der Sache anzuwendende Recht nach der objektiven Anknüpfung der Art 4 ff EVÜ zu beurteilen1. 1 Bei Vorliegen einer ausdrücklichen oder schlüssigen Rechtswahl zugunsten des slowakischen Rechts ist, da die Slowakei zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses
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Hierbei ist wesentlich, dass K die restaurierten Sessel für ihren Privathaushalt im Allgemeinen und die von ihr in privatem Kreis veranstalteten Dinner im Besonderen einsetzt. Damit gibt sie deren Restaurierung nicht zu beruflichen oder gewerblichen Zwecken, sondern für einen bloß privaten Gebrauch in Auftrag, was K zu einer Verbraucherin im Sinne des Art 5 Abs 1 EVÜ macht. Diese Bestimmung umfasst, wenn sie von der „Erbringung von Dienstleistungen“ spricht, auch Werkverträge. Nach Art 5 Abs 3 EVÜ ist für Verbraucherverträge das Recht jenes Staates, in dem sich der Verbraucher gewöhnlich aufhält, maßgeblich. Hierfür müssen gem Art 5 Abs 2 EVÜ zwei Voraussetzungen erfüllt sein: Erstens muss der Unternehmer im Verbraucherstaat eine auf den konkreten Konsumenten zielende Werbetätigkeit entfalten und zweitens muss der Verbraucher in demselben Staat die zum Vertragsabschluss erforderlichen Rechtshandlungen vornehmen. Im gegenständlichen Fall hat R in Österreich, wo sich K gewöhnlich aufhält, jedenfalls eine individuelle, weil an bestimmte Personen persönlich adressierte Werbetätigkeit iSd Art 5 Abs 2 EVÜ entfaltet. Auch die zweite Voraussetzung ist erfüllt: K gibt ihre Willenserklärung in Österreich ab und schickt diese von hier per Fax in die Slowakei. Damit ist nach Art 5 Abs 3 EVÜ österr Sachrecht als Recht des Verbraucherstaates berufen. II. Anspruch B gegen R auf Zahlung von € 700 Schadenersatz nach §§ 1295 ff ABGB iVm § 48 Abs 1 S 1 IPRG B ist australische Staatsbürgerin, R slowakischer Staatsbürger. Daher liegt nach § 1 Abs 1 IPRG ein Sachverhalt mit Auslandsberührung vor. Eine kollisionsrechtliche Prüfung ist von Amts wegen vorzunehmen (§ 2 IPRG). Da zwischen B und R kein Vertragsverhältnis vorliegt, sind zunächst die deliktischen Schadenersatzansprüche der B zu prüfen. Nach dem in § 48 Abs 1 IPRG normierten Deliktsstatut ist auf außervertragliche Schadenersatzansprüche das Recht jenes Staates anzuwenden, in dem das den Schaden verursachende Verhalten gesetzt wird (lex loci delicti commissi). Bei Fehlen einer Rechtswahl knüpft somit das IPRG außervertragliche Schadenersatzansprüche an den Handlungsort an2. Im gegenständlichen Fall hat sich die die Schädigungshandlung in Österreich ereignet. Daher ist für die Beurteilung der Schadenersatzansprüche der B nach § 48 Abs 1 S 1 IPRG österr Sachrecht maßgeblich.
noch kein EU- bzw EWR-Staat war, § 13a KSchG zu beachten. Dieser erklärt eine Rechtswahl in jenem Ausmaß für unbeachtlich, in dem das gewählte Recht bei der Beurteilung von Vertragsklauseln für den Verbraucher nachteiliger wäre als das gesetzliche Vertragsstatut. 2 Sobald die Verordnung (EG) Nr 864/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11.7.2007 über das auf außervertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht („Rom II“), ABlEG L 199/40 vom 31.7.2007, am 11.1.2009 in Geltung getreten sein wird, wird künftig objektiv an die lex loci delicti commissi am Ort des Schadenseintritts angeknüpft werden.
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III. Anspruch S gegen R auf Zahlung von Schmerzengeld (§ 48 Abs 1 S 2 IPRG) Da sowohl S als auch R slowakische Staatsangehörige sind, liegt gem § 1 Abs 1 IPRG ein Sachverhalt mit Auslandsberührung vor. Das angerufene Gericht hat damit von Amts wegen eine kollisionsrechtliche Prüfung durchzuführen (§ 2 IPRG). Ebenso wie B und R stehen auch S und R in keiner vertraglichen Beziehung zueinander. Damit ist der Schmerzengeldanspruch von S nach dem Deliktsstatut (§ 48 Abs 1 S 1 IPRG) zu beurteilen. Dieses verweist auf das Recht des Staates, in dem das den Schaden verursachende Verhalten gesetzt worden ist. Die Schädigung erfolgte im gegenständlichen Fall in Österreich. Diese Anknüpfung wird allerdings nach § 48 Abs 1 S 2 IPRG im Einzelfall durchbrochen, wenn für die Beteiligten eine stärkere Beziehung zum Recht ein und desselben anderen Staates besteht. Hier sind beide Beteiligten slowakische Staatsangehörige, sie haben also nach § 9 Abs 1 IPRG ein gemeinsames Personalstatut. Dies bedeutet jedoch nicht automatisch, dass eine stärkere Beziehung zum slowakischen Recht besteht (Posch 15/28). Über das gemeinsame Personalstatut hinaus haben allerdings sowohl S als auch R ihren ständigen Aufenthalt bzw ihre Niederlassung in der Slowakei. Damit erscheint im konkreten Fall eine stärkere Beziehung zum slowakischen Recht im Sinne des § 48 Abs 1 S 2 IPRG gegeben3. Da das IPRG grundsätzlich auf dem Boden der Gesamtverweisung steht, ist nach § 5 Abs 1 IPRG zu prüfen, ob das slowakische Kollisionsrecht die Verweisung annimmt. Sollte dieses auf das österr Recht zurückverweisen, wären gem § 5 Abs 2 IPRG die österr Sachnormen (§§ 1295, 1325) auf den Sachverhalt anzuwenden4.
Fall 116: „Spanische Diskothek“ Sachverhalt E möchte seinen Lebensabend mit seiner neuen Lebensabschnittspartnerin L im spanischen Marbella verbringen. Sein Innsbrucker Geschäftsfreund N besitzt dort ein Ferienhaus, in dem E bereits mehrmals Gast war, zum letzten Mal zu Neujahr 2005. Da N das Haus kaum benutzt, entschließt er sich im Frühjahr 2005, es zu verkaufen. Als E davon während eines gemeinsamen Geschäftsessens mit N erfährt, kauft er das Haus spontan um € 200.000. Der Kaufvertrag wird von den beiden noch am selben Tag in Innsbruck in deutscher Sprache verfasst und unterzeichnet. Hierbei sichert N ausdrücklich zu, dass das Haus sich in einer ruhigen Wohngegend am Strand von Marbella befindet. Eine Woche später 3 Eine vergleichbare Auflockerung des Deliktsstatuts ist auch in Art 4 Abs 2, 3 der europäischen „Verordnung Rom II“ vorgesehen. 4 Ab 11.1.2009 wird gemäß dem dann geltenden Art 24 der „Verordnung Rom II“ eine Rückverweisung nicht mehr in Frage kommen.
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überweist E dem N den gesamten Kaufpreis. N seinerseits beauftragt eine befreundete spanische Anwältin, unverzüglich vor Ort die Durchführung des Kaufes vorzunehmen. Als E zwei Monate nach Vertragsabschluss mit L nach Marbella übersiedelt, stellt sich zu seinem Verdruss heraus, dass wenige Tage zuvor am Nachbargrundstück eine Diskothek, die nicht nur sehr laut Musik spielt, sondern auch mit einer Laserlichtorgel junge Nachtschwärmer anlockt, in Betrieb gegangen ist. N hat davon gewusst, jedoch dem E nichts erzählt. Nach einer Woche Lärm und Laserlicht fährt L nach Österreich zurück. Unmittelbar nach ihrer Ankunft erleidet sie aufgrund der in Marbella erlittenen Lärmbelästigung einen Nervenzusammenbruch. E muss inzwischen erfahren, dass durch eine undichte Leitung der Trockennebelanlage der Diskothek Chemikalien auf seinen Garten gelangten und Teile einer Hibiskushecke zerstörten. Der Schaden beträgt € 500. Die Diskothek wird von der U-AG, einer europaweiten Diskothekenkette mit Sitz in Paris betrieben. Diese Kette besitzt auch in Wien eine Diskothek. E möchte das Ferienhaus behalten („jetzt erst recht!“). Allerdings wäre in Anbetracht der Umstände nur ein Preis von € 100.000 für das Ferienhaus angemessen gewesen. Welches Recht ist anwendbar, wenn sämtliche Ansprüche von E und L vor einem österr Gericht geltend gemacht werden? Lösung I. Anspruch E gegen N auf € 100.000 Preisminderung oder vertraglichen Schadenersatz nach §§ 932, 933a ABGB iVm Art 4 Abs 5 EVÜ E und N sind österr Staatsbürger, das Ferienhaus befindet sich allerdings in Spanien. Damit liegt ein Sachverhalt mit Auslandsberührung vor (§ 1 Abs 1 IPRG), der von Amts wegen einer kollisionsrechtlichen Prüfung zu unterziehen ist (§ 2 IPRG). Dies inkludiert auch die Frage, ob eine wirksame Rechtswahl getroffen wurde. Zunächst ist zu prüfen, ob allenfalls vereinheitlichtes Sachrecht zur Anwendung kommt. Das UN-KR ist jedoch nicht anzuwenden, da mit „Ware“ im Sinne seines Art 1 Abs 1 nur bewegliche körperliche Sachen, nicht aber unbewegliche – wie ein Ferienhaus – gemeint sind. Zudem dient das Haus dem E nur zum privaten Gebrauch (Art 2 CISG). Auf kollisionsrechtlicher Ebene ist, da sich der Sachverhalt nach dem 1.12.1998 ereignet hat und der Grundstückskaufvertrag zwischen E und N ein vertragliches Schuldverhältnis darstellt, das EVÜ zeitlich wie sachlich anwendbar (Art 1 EVÜ). Dies gilt nach Art 10 Abs 1 lit c EVÜ sowohl für Gewährleistungs- als auch für vertragliche Schadenersatzansprüche. Als staatsvertraglich vereinheitlichtes Kollisionsrecht geht dieses Übk gem § 53 Abs 2 IPRG den einschlägigen Regelungen des IPRG vor. Nach Art 3 EVÜ kann eine Rechtswahl ausdrücklich oder schlüssig erfolgen (Posch 15/10). Dem Sachverhalt ist nicht zu entnehmen, dass E und N eine ausdrückliche Rechtswahl getroffen haben. Zu prüfen ist allerdings, ob der Abschlussort (Innsbruck) und die Vertragssprache (Deutsch) auf eine schlüssige Rechtswahl hinweisen. Eine Rechtswahl ist nach Art 3 S 2
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EVÜ schlüssig, wenn sie sich mit hinreichender Sicherheit aus den Bestimmungen des Vertrages oder aus den Umständen des Falls ergibt. Eine bloße Geltungsannahme, wie sie § 35 aF IPRG kannte, kennt das EVÜ jedoch nicht. Nach der Judikatur zu § 35 aF IPRG wurde aber dem Abschlussort und der Vertragssprache nur Indizwirkung im Rahmen der Geltungsannahme zugesprochen (Posch 15/10). Es ist daher für das EVÜ sehr fraglich, ob sich aus der Wahl eines österr Abschlussortes und der deutschen Sprache als Vertragssprache, wie nach EVÜ gefordert, „mit hinreichender Sicherheit“ eine schlüssige Rechtswahl zugunsten des österr Rechts ableiten lässt. Da an das Erfordernis der hinreichenden Sicherheit ein strenger Maßstab gelegt werden muss, ist das Vorliegen einer Rechtswahl zu verneinen1. In Ermangelung einer Rechtswahl ist das anzuwendende Recht durch objektive Anknüpfung nach Art 4 EVÜ zu ermitteln. Gem Art 4 Abs 1 EVÜ unterliegt der Vertrag dem Recht jenes Staates, mit dem er die engsten Verbindungen aufweist. Bei Verträgen über dingliche Rechte an einem Grundstück oder über die Nutzung eines Grundstücks wird nach Art 4 Abs 3 EVÜ vermutet, dass die engsten Verbindungen zu jenem Staat bestehen, in dem das Grundstück belegen ist (lex rei sitae). E erwirbt Eigentum an einem spanischen Ferienhaus. Damit streitet die Vermutung des Art 4 Abs 3 EVÜ für das spanische Recht. Allerdings sieht Art 4 Abs 5 S 2 eine Ausweichklausel vor. Dieser zufolge ist, wenn sich aus der Gesamtheit der Umstände ergibt, dass der Vertrag engere Verbindungen mit einem anderen Staat aufweist, das Recht dieses Staates maßgeblich. Im gegenständlichen Fall spricht viel dafür, dass der Vertrag eine engere Verbindung mit Österreich aufweist. Hierbei fallen – neben der Vertragssprache und dem Abschlussort – vor allem der gewöhnliche Aufenthalt der Vertragspartner in Österreich sowie die gemeinsame österr Staatsbürgerschaft ins Gewicht. Damit ist nach Art 4 Abs 5 EVÜ aufgrund der engeren Verbindungen des Vertrages zu Österreich österr Sachrecht anzuwenden. Kommt man zu diesem Ergebnis, ist zu bedenken, dass es sich bei dem vorliegenden Kaufvertrag um Liegenschaftserwerb in einem Tourismusgebiet handelt. Das Grundverkehrsrecht ist oftmals stark sozial- und wirtschaftspolitisch aufgeladen und von öffentlichen Interessen geprägt (Posch 8/4). Es könnten daher im spanischen Grundverkehrsrecht Eingriffsnormen bestehen. Diese fremden Eingriffsnormen könnten nach Art 7 Abs 1 EVÜ für das österreichische Gericht beachtlich sein. Erste Voraussetzung hierfür ist eine enge Verbindung zum spanischen Recht, welche durch den Belegenheitsort des Grundstückes gegeben sein dürfte. Darüber hinaus ist es aber erforderlich, dass im Einzelfall erhoben wird, ob den fremden Eingriffsnormen Wirkung zu verleihen ist (Posch 15/19). II. Anspruch E gegen U-AG auf Unterlassung der Immissionen (§ 31 Abs 2 IPRG) Die U-AG ist ein Unternehmen mit Sitz in Frankreich, die emittierende Liegenschaft befindet sich in Spanien. Damit liegt ein Sachverhalt mit Aus1 Vgl Schwimann, Internationales Privatrecht3 107.
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landsberührung vor (§ 1 Abs 1 IPRG). Eine kollisionsrechtliche Prüfung ist von Amts wegen vorzunehmen (§ 2 IPRG). Zunächst ist zu prüfen, ob E aus sachenrechtlicher Sicht überhaupt Eigentümer des Ferienhauses geworden ist (vgl Posch 13/4). Bei Fehlen von staatsvertraglich vereinheitlichtem Kollisions- oder Sachrecht ist § 31 Abs 1 IPRG anzuwenden. Dieser sieht für den Erwerb von dinglichen Rechten an körperlichen Sachen die Anknüpfung an das Recht jenes Staates vor, in dem sich die Sache im Zeitpunkt der Vollendung des Erwerbes befindet. Für den dinglichen Erwerb von Eigentum an einer unbeweglichen Liegenschaft wie einem Ferienhaus ist daher das Recht des Belegenheitsortes maßgebend. Der Eigentumserwerb ist daher gem § 31 Abs 1 IPRG nach spanischem Recht zu beurteilen. Dies gilt auch für die Form des dinglichen Verfügungsgeschäftes (Posch 13/4). Die Verweisung des § 31 Abs 1 IPRG ist – anders als im Fall des schuldrechtlichen Verpflichtungsgeschäfts – eine Gesamtverweisung. Nach § 5 Abs 1 IPRG muss daher geprüft werden, ob das spanische Kollisionsrecht diese Verweisung annimmt. Im Falle einer Rückverweisung wäre gem § 5 Abs 2 IPRG österr Sachrecht (§ 431) anzuwenden. Aus dem Sachverhalt ergibt sich, dass E nachbarrechtliche Abwehransprüche gegen die optischen und akustischen Immissionen, die von der Diskothek ausgehen, geltend machen will. Diese Abwehransprüche zählen zum Inhalt des Eigentumsrechts (Posch 13/2). Auf sie ist daher nach § 31 Abs 2 IPRG ebenfalls das Recht jenes Staates anzuwenden, in dem die Sache sich befindet (lex rei sitae). Das Ferienhaus ist in Spanien belegen, damit sind auch die nachbarrechtliche Ansprüche des E nach spanischem Recht zu beurteilen. Auch die Verweisung gem § 31 Abs 2 IPRG ist eine Gesamtverweisung. Spricht das spanische Kollisionsrecht eine Rück- oder Weiterverweisung aus, ist diese beachtlich. Im Fall einer Rückverweisung auf das österreichische Recht, wären die einschlägigen österr Sachnormen (§§ 364 Abs 2, § 364a) anzuwenden. III. Anspruch E gegen U-AG auf € 500 Schadenersatz (§ 48 Abs 1 IPRG) Neben den sachenrechtlichen Unterlassungsansprüchen kann E auch deliktische Schadenersatzansprüche gegen die U-AG geltend machen, sofern ein Schaden vorliegt. Dies ist hier der Fall, da ein Teil einer auf dem Grundstück des E befindlichen Hibiskushecke durch aus der Diskothek der U-AG ausgetretene Chemikalien zerstört wurde. Da zwischen E und der U-AG kein Vertragsverhältnis besteht, ist das anzuwendende Recht nach dem Deliktsstatut des § 48 Abs 1 IPRG zu bestimmen. Maßgebend ist demnach das Recht am Lageort der Störungsquelle (lex loci delicti commissi). Laut Sachverhalt wurde der Schaden durch die undichte Chemikalienleitung, die sich auf dem Grundstück der Diskothek befindet, verursacht. Damit wurde das schadenskausale Verhalten in Spanien gesetzt. Gem § 48 Abs 1 IPRG ist daher spanisches Recht auf den Schadenersatzanspruch des T anzuwenden. Die Ausweichklausel des § 48 Abs 1 S 2 kommt nicht zur Anwendung, da keine stärkere Beziehung zum Recht ein und desselben anderen Staates
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gegeben ist. E ist österr Staatsbürger, die U-AG hat hingegen ihren Sitz in Frankreich. Dieser ist – mangels gegenteiliger Anhaltspunkte im Sachverhalt – der tatsächliche Sitz ihrer Hauptverwaltung. Damit ist ihr Personalstatut das französische Recht (§ 10 IPRG). Dass sie auch eine Diskothek in Wien betreibt, ist unbeachtlich. Die Deliktsfähigkeit der U-AG ist nach dem Deliktsstatut (§ 48 Abs 1 IPRG) und nicht nach dem Personalstatut zu beurteilen (Posch 15/29). Damit ist auch auf diese Frage spanisches Recht anzuwenden. Die Verweisung des § 48 Abs 1 IPRG auf spanisches Recht ist eine Gesamtverweisung, weshalb gem § 5 Abs 2 IPRG eine allfällige, vom spanischen Kollisionsrecht angeordnete Rück- oder Weiterverweisung zu befolgen wäre (Posch 15/29)2. IV. Anspruch L gegen U-AG auf Schadenersatz wegen Köperverletzung (§ 48 Abs 1 IPRG) L ist österr Staatsangehörige, die U-AG hat ihren Sitz in Frankreich, die Körperverletzung erfolgte in Spanien. Damit liegt ein Sachverhalt mit Auslandsberührung vor (§ 1 Abs 1 IPRG) und eine kollisionsrechtliche Prüfung ist von Amts wegen vorzunehmen (§ 2 IPRG). In Ermangelung von staatsvertraglich vereinheitlichtem Kollisions- oder Sachrecht ist der Schadenersatzanspruch der L nach dem Deliktsstatut zu beurteilen (§ 48 Abs 1 IPRG). Das schadenskausale Verhalten, das sich in der gesundheitsschädlichen Lärmbelästigung manifestierte, hat in Spanien statt gefunden. Der schädigende Erfolg – der Nervenzusammenbruch der L – ist hingegen in Österreich eingetreten. Nach dem Wortlaut des § 48 Abs 1 IPRG ist allerdings nur der Handlungsort, allenfalls auch der Unterlassungsort, nicht jedoch der Ort, an dem der Schadenserfolg eintritt, ausschlaggebend (Posch 15/28).3 Damit ist auf Ls Schadenersatzanspruch spanisches Recht anzuwenden. (Zu den Fragen der Ausweichklausel, der Deliktsfähigkeit und der Gesamtverweisung, sa Anspruch III).
2 Mit der Geltung der Verordnung (EG) Nr 864/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11.7.2007 über das auf außervertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht („Rom II“), ABlEG L 199/40 vom 31.7.2007, wird die Möglichkeit der Rück- und Weiterverweisung beim Deliktsstatut entfallen. 3 Das wird sich mit der Geltung der „Verordnung Rom II“ ändern: Es wird dann grundsätzlich am Recht des Ortes des Schadenseintritts angeknüpft werden. Ein nach der Rückkehr nach Österreich als Folge von Lärmbelästigung in Spanien erlittener Nervenzusammenbruch wird aber wohl als ein „indirekter Schaden“ iSd Art 4 Abs 1 der Verordnung zu qualifizieren sein.