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IN JEDES HAUS GEHORT DIESES WERK das ist das überzeugende Urteil von Presse und Rundhink über die große spannend geichnebeno Weltgeschichte „Bild der Johr hundcrte" des Mundiner Historikers Otto Zierer Von ungeheurer Dramatik sind die Bande dies«« neuartigen, erregenden Geschicht» werkei erfüllt Hier sind nidit wie in Lehrbüchern alter Art, die historischen Ereignisse mit trockener Sachlichkeit aneinandergereiht die Vergangenheit wird vor dem Auge des Lesers in kullurgeschichl liehen Bildern zu neuem Leben erweckt Menschen wie Du und ich schreiten über die wechselnde Buhne der Geschichte und lassen den Ablauf der Jahrhunderte das Schauspiel vom Schicksal der Menschheit ergriffen miterleben Zierers „Bild der Jahrhunderte" ist ein Werk für die Mensdien unserer Zeit, für die Erwachsenen wie für die Jugend DER KAUF L E I C H T GEMACHT.
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„Schoter, deren Eltern dos Bild der Jahrhunderte zu Hause haben, sind die besten Geschichtskenner in meinen Klanen" schreibt ein bekannter Erzieher Der Verlag hat die Beschaffung der Bücherreihe leicht gemocht Um (eder Familie den Kauf dieses prachtig aus gestatteten Standardwerkes zu ermöglichen, werden gunstige Zahlungserleichterungen eingeräumt Das „Bild der Jahrhunderte" kann auf Wunsch bei sofortiger Lieferuno ohne Anzahlung gegen folgende Monatsraten erworben werden DM10,90 tu r die Rolle inen Ausgabe, DM 1375 für die Lux Luxus Ausgabe Das Werk besteht aus zwanzig Doppelbänden, dem Band 41/44 und dem Historischen Lexikon, es umfaßt rund 8000 Seiten 189 ausgewählte Kunstdruck tafeln 500 Lexikonbilder und 124 historische Karten ergänzen den Text Jeder Band enthalt Anmerkungen, ausführliche Begriffserklarungen und Zeittafeln
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V E R L A G S E B A S T I A N IUX MURNAU • MÖNCHEN
INNSBRUCK
ÖLTEN (SCHWEIZ)
KLEINE
B I B L I O T H E K
DES
W I S S E N S
LPX-LESKBOGEN NATUR-
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KULTUR KUNDLICH E
HEFTE
HERMANN BÜLLOW
Die
wundersame
Lebensgeschichte eines
Fisches Digitally signed by Mannfred Mann DN: cn=Mannfred Mann, o=Giswog, c=DE Date: 2005.03.11 17:57:01 +01'00'
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VERLAG U Liß N A ü • M ü "^
SEBASTIAN l '
LUX
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I
n den Marsdien an der Unterelbe war der Frühling eingezogen. Am blauen Himmel schwammen weiße Haufenwolken; die Wiesen waren schon saftig grün, und viele Blumen hatten ihre Blüten entfaltet. An den Grabenrändern und an anderen feuchten Stellen konnte man die weißen Flocken des Wollgrases sehen. In der Luft taumelten die Kibitze, und ihr lustiges „Kiwitt, Kiwitt" war weithin zu hören. Dazwischen sausten Bekassinen, die „Himmelsziegen", umher, und das Meckern der rauhen Stimmen klang bald von hier, bald von dort herüber. Aber auch die Kleintierwelt war lebendig: Fliegen, Käfer und allerlei andere flinke Insekten schwirrten am Boden her oder saßen an den Pflanzen und auf den Blüten. An buntem Leben fehlte es also nicht hier draußen in den fruchtbaren Marschen, die wohlgeschützt hinter den grünbewachsenen Deichen lagen. Wenn man hinaufstieg auf den breiten Kamm dieser lang hingestreckten Schutzdämme, sah man weithin über die Elbe, sah die schwarz geteerten Fischdampfer des nahen Stadthafens stromabwärts zur Nordsee ziehen, sah die kleinen grauen Kähne der Elbfischcr vor Anker liegen und die Männer von früh bis zur Nacht bei ihrer harten Arbeit. Sie hatten den Sterthamen ausgesetzt, das tiefe trichterförmige Netz, mit dem sie Stinte einfingen. Die Stinte, Vettern der Lachse, waren die willkommenen Köder" fische für die Grundangeln. Bis zu 15 000 Grundangeln legte so ein Boot am Tage aus, um die Aale zu erwischen; da mußten die Sterthamen schon reichlich eintragen, wenn immer genügend Köder an Deck sein sollte. Es war kein leichtes Brot, um das die Fischer arbeiteten, und oft im Jahr lohnte alle Mühe nicht. Von der Krone des Deiches konnte man heute aber noch etwas anderes sehen, etwas sehr Merkwürdiges, das nicht nur den Landfremden neugierig machte. Gestern abend hatten die Männer auf der „Katje", dem weitest seewärts gelegenen Kahn, als erste das seltsame Schauspiel erblickt. Von Bord zu Bord hatte man sich die Neuigkeit zugerufen, und auch in den Fischerhäuschen an Land war man auf den Ruf aufmerksam geworden. „Sie kommen! Die Aale kommen!" Die Buben und Mädel waren hinaus ans Wasser gestürzt, die Alten hatten die Müdigkeit des Feierabends abgeschüttelt und waren geschwind auf die Dämme gestiegen. Es war selbstverständlich, daß man sich diesen Augenblick nicht entgehen ließ. In jedem Frühjahr gab man sich mit gleich ehrfürchtigem Erstaunen diesem Bilde hin, das sich im ewigen Gleichlauf alle
Jahre wiederholte. So standen sie am Abend auf dem Deich und spähten hinaus. Die Jugend war einige schüchterne Schritte ins Wasser gewatet, um dem wundersamen Wanderzug ganz nahe zu sein.
Der Sterthamen Ist ausgelegt I n der Eibmündung liegt die „Katje". Sie hat den Sterthamen ausgelegt, das trichterförmige Netz, mit dem zu Tausenden die Stinte eingefangen werden. Diese Stinte dienen als Köder beim Aalfang (vgl. das Bild auf der Seite 29).
Aber nur ganz wenige Menschen unter den Schauenden wußten den seltsamen Vorgang recht zu deuten. Man nahm die stetige Wiederkehr des Schauspiels hin, wie man die all]ahrliche Ruckkehr des Frühlings hinnahm, als ein unwandelbares Gesetz der Natur. Heute früh nun waren Deich und Ufer menschenleer. Die Stintfischer gingen wieder ihrer Arbeit nach, die Alten saßen knotend und zwirnend auf der Sonnenseite ihrer Hauschen vor den ausgespannten Netzen und stopften die Risse in dem hänfenen Knupfwerk. Aus dem offenen Fenster der Dorfschule klang munteres Singen, ein Zeichen, daß auch die Jugend nun in den Pflichtenkreis des Tages eingespannt war. Wir aber wollen nun hinuntersteigen zum Strom und schauen und forschen, was die Dorfleute gestern so in Unruhe gebracht
hatte, daß sie ihr Tagewerk vergaßen und erst am späten Abend, als Strom und Himmel ins Dunkel der Nacht untergetaucht waren, in ihre Stuben zurückkehrten. *
Die Aale waren gekommen. Obwohl der Südwestwind das Wasser der Elbe aufgewühlt hatte und die Sonne unzählige blitzende Silbertupfen darüberstreute, sah man deutlich die graue Schlange dieses Fischzuges dicht unter dem Ufer. Seit gestern abend zog das dunkle Band vorüber. Soweit man nach beiden Seiten sehen konnte, folgte die etwa 30 Zentimeter dicke Schnur jeder Biegung und Ausbuchtung des Ufers. Diese Schnur aber bestand aus vielen Millionen kleiner Fischchen, alle aus einer Richtung, vom Meer, herkommend, alle nach derselben Richtung ziehend, alle einander gleich an Gestalt, Farbe und Eilfertigkeit. Ohne Unterlaß, durch nichts gestört, hielten sie sich dicht beisammen. Man sah nicht die einzelnen Fäserchen dieses Bandes, sondern nur das Band selber sah man. Aber gehen wir näher heran und sehen'uns das feine Gewebe an! Dort, wo die schlangenartige Kolonne dicht ans Ufer herankommt, tauchen wir einen Eimer ins Wasser und bringen ihn gefüllt an Land. Ein Gewimmel der kleinen Fischchen haben wir mitbekommen. Unruhig schießen sie durcheinander. Sie sind aus dem Gleichmaß ihrer triebhaften Wanderung gebracht. Aber wir haben nun Muße, die Tierchen genau zu betrachten: Die kleinen „Streichhölzer" sind sechs bis acht Zentimeter lang, nur etwas dicker als ein Zündholz, dabei völlig glasklar und durchsichtig. Nur die Augen heben sich als dunkle Punkte deutlich ab. Es sind Jungaale, und weil sie so klar wie Glas sind, werden sie Glasaale genannt. Unter diesem Namen kennen sie die Fischer, die mit diesen winzigen Fisehchen aber nicht viel anfangen können; unter dem gleichen Namen stehen sie auch in den Fischbüchern und Bildbänden der Zoologie. Bevor wir den Fischzug, der immer noch nicht abreißt und auch noch lange kein Ende finden wird, weiter beobachten, seine so rätselhafte Herkunft aufliellen und seinen Weg stromauf verfolgen, wollen wir über diesen merkwürdigen Fisch erst einmal die notwendige naturkundliche Auskunft einholen. Das wird uns nachher das Verständnis für den einzigartigen Lebensablauf dieses Wasserbewohners sehr erleichtern. Wir haben also hier die Jungform des Flußaals vor uns, der unter dem lateinischen Namen „anguilla
vulgaris" (gewöhnlicher Aal) den ,aalartigeri fischen zugeordnet wird. Anguilla heißt eigentlich das „Schlänglein", und wirklich sieht dieses langgestreckte Wesen, wenn es einmal größer ist, einer Schlange viel ähnlicher als einem Fisch. Es verdiente dann viel eher den Namen Anguis, d. h. Schlange. Doch ist der Körper des 'erwachsenen Tieres nicht mnd wie bei einer Schlange, sondern seitlich stark zusammengedrückt. Abei auch zum Fisch scheint manches zu fehlen. Wir finden zum Beispiel keine Bauchflossen, wie sie bei anderen Fischen immer paarweise vorhanden sind. Auch die Rückenflosse ist ganz anders gebildet. Sie läuft als ein weitstrahliger Saum über den Korper bis zum spitzen Hinterende und geht auf der Bauchseite in die gleichfalls langgestreckte Afterflosse über. Eine richtige Schwanzflosse, wie sie andere Fische besitzen, sucht man beim Aal vergebens. Auch das Skelett des Aals ist anders angelegt als das der meisten Fische. Besonders auffällig ist die gloße Zahl der Wirbel, die ihn zu den geschmeidigen Bewegungen befähigt, mit denen er die Hausfrau und den Angler so gern überrascht. Die Schuppen sind winzig klein und liegen tief eingebettet in der Haut, manchmal fehlen sie sogar. Die Familie der Aale ist sehr groß. Etwa dreihundert Arten, so lesen wir in den Büchern, gehören zu ihr. Jede hat ihre eigenen Lebensgewohnheiten. Manche bevorzugen die Meere der warmen und gemäßigten Zonen. Dann gibt es unter den Aalen auch Arten, die sich nur in der dämmerigen Nacht der Tiefsee wohlfühlen. Ihnen hat die Natur all das mitgegeben, was sie in diesen Abgründen des Meeres zum Leben und zur Erhaltung brauchen. Nur wenige aus der großen, artenreichen Familie lieben das Süßwasser — zu ihnen zählt unser Flußaal, dessen jüngsten Vertretern wir heute in Gestalt der Glasaale begegnet sind. Andere Aale mögen großer und kräftiger sein oder sehr fremdartige und merkwürdige Körperbildungen aufweisen — das märchenhafteste Leben unter allen führt doch der Flußaal; und wenn ihn die Zoologen „gewöhnlich" (vulgaris) genannt haben, so trifft das keineswegs auf seinen Lebenslauf zu; denn der ist un' gewöhnlich genug. Kein anderer Fisch hat bei Laien und Wissenschaftlern soviel Beachtung gefunden wie er, keiner soviel Rätsel aufgegeben wie dieser Fisch unserer heimatlichen Flusse und Teiche. Das Geheimnis seiner Herkunft, das Ungewisse seiner Jugendgeschichte, sein Wandern, Hungern und Lieben, haben in allen Jahrhunderten die Menschen beschäftigt; und da man bis vor kurzer Zeit dem Aal nie lecht auf die Schliche kam, hat man ihm
mancherlei Unmögliches angedichtet. Zahlreiche Fabeln, deren Haltlosigkeit wir heute erkannt haben, waren über den Aal im Umlauf; wir lesen sie noch in älteren wissenschaftlichen Büchern. Wir gestehen, daß der Aal seine Geheimnisse auch jetzt noch nicht restlos preisgegeben hat, und mancherlei in seinem Dasein ist noch unerforscht, aber insgesamt kennen wir doch heute den Kreislauf / seines Lebens. Was hat man alles um die Herkunft unserer Flußaale gefabelt. Man nahm lange Zeit an, daß der Aal gar nicht von Aalen abstamme, sondern daß er \ on anderen Fischen gezeugt werde. Viele hielten die im Süßwasser vorkommende Aalquappe oder Aalmte für die Mutter unseres Flußaals; lange Zeit glaubten selbst ernsthafte Tierforscher, daß der Aal der Sprößling eines in der Nordsee lebenden Schleimfisches sei, der deshalb heute noch den Namen Aalmutter trägt. Ganz wunderlich waren die Ansichten des Altertums und des Mittelalters über die Herkunft des Aals. Der große griechische Philosoph Aristoteles vertrat die Meinung, der Aal entstehe aus Regenwürmern, Schlamm und feuchter Erde, andere dachten- Tau und Honig brächten ihn hervor. Eine Zeitlang hielt man den Aal für einen Zwitter, der weiblich und männlich zu gleicher Zeit sei, und auf der einen Seite Rogen und auf der anderen Seite Milch in sich trage. Alles das stimmt nicht. Der Aal ist wie alle anderen Fische gebaut. Der Vorgang der Fortpflanzung ist aber unseren Augen noch immer entzogen, weil er sich in Regionen des Meeres vollzieht, in die wir noch nicht hinabgestiegen sind. Nun werden wir die kleinen durchsichtigen und in ihrem Lebensablauf vielfach doch noch so undurchsichtigen Wandergesellen mit noch neugierigerem Interesse anschauen. Wenden wir uns deshalb wieder von den Büchern ab und dem Millionenzug der Glasaale zu, die wir bei ihrer Einwanderung in den Eibstrom beobachtet haben! Ähnliche Züge, wie wir sie hier nahe der Nordseeküste antrafen, erscheinen in jedem Frühjahr in gleich ungeheuren Mengen in fast allen Flußmündungen an der atlantischen Küste. In England und Frankreich erwartet man die Ankunft der Wanderer jedes Jahr in den Monaten Januar bis März. In den Flüssen, die in die Nordsee münden, treffen sie später, in der Zeit von April bis Juni, ein. Ohne Aufenthalt schwenken sie vom Meer in die Flußläufe und folgen ihnen in unaufhaltsamem Vorwärtsdrängen. Nur ein kleiner Teil hat den Zug flußeinwärts nicht mitgemadit,
sondern blieb im Brackwasser, dem süß-salzigen Mischwasser dei Flußmündung, zurück. Das Schicksal der größeien Masse aber ist Wandern, Wandern — irgendeinem unerkannten und doch erfühlten Ziele zu. Es ist ein Wandern „zu Berg", ein Aufstieg gegen die Strömung der Flüsse. Die Franzosen haben diese Wanderung der Glasaale „montee" (Aufstieg) genannt, ein Ausdruck, den auch die deutsche Aalforschung und Fischerei übernommen hat. So spannungsvoll auch der Anblick ist, in dem ein Aalzug gesichtet wird, so froh sind die Anwohner doch zuletzt, wenn oft nach Tagen die letzten Nachzügler des gewaltigen Heerhaufens vorüber sind: während dieser Tage der großen Wanderung kann niemand Wasser aus den Flüssen holen, ohne daß er eine Menge dieser kleinen Fische mitschöpft So ist es gut, daß der fanatische Drarfg die kleinen Tiere bald flußauf geführt hat. Für sie gilt keines der modernen Stromhindernisse. Keine Stromschnelle, kein Wehr hält sie auf. Oft finden an solchen Flußsperren und Dämmen Hunderttausende von ihnen den Tod. Für die riesenhafte Masse des Wanderzuges ist das ein Nichts; er wird sich nicht merklich verringern. In die Lücken drängen sich die Nachfolgenden und schließen dichtauf. Selbst der über hundert Meter breite und zwanzig Meter hohe Wasserfall des Rheines bei Schaffhausen an der Grenze der Schweiz (Rheinfall bei Schaffhausen), den die viel kräftigeren Lachse nicht zu übersteigen vermögen, macht der Montee der Aale kein Ende. Sie übersteigen ihn, um dann quer durch den Bodense0 in die Schweizer Nebenflüsse des Rheines emporzuklettern. Bis in die Bergbäche der Hochalpen, in die Wildgewässer in 3000 m Höhe, hat man den Zug der Aale verfolgen können. Da sie im herangewachsenen Zustand in jedem Gewässer willkommen sind, haben die klugen Menschen den Aalen an manchen Stellen den Aufstieg und Durchgang durch Holzrinnen mit Moosbelag erleichtert, und selbst in neuzeitlichen Schleusen werden von den Baumeistern solche bequemen, meist im Zickzack verlaufenden Aalübergänge eingebaut. Das geschah zum Beispiel'bei den mächtigen Trollhättaf allen in Schweden, die von den Aalen früher nicht bezwungen werden konnten. Heute klettern sie bequem über die Schiffahrtsschleusen hinweg, wandern in den großen Wener-See und in die Bäche des Landesinnern — und dort in die Reusen und an die Grundangeln der schwedischen Bauern und Fischer. Der englische Naturforscher Davy, der dem Leben der Aale emsig nachgespürt hat, hat einmal beobachtet, wie ein Aalzug ver-
suchte, die Felsen und Stiudel der Ballyshanon-Wasserfalle in Irland zu überwinden. Das Wasser des Flusses, so schreibt er, »war in der Nähe der Fälle von Millionen jungen Aale getrübt, die ^ immer von neuem versuchten, die feuchten Uferfelsen der Fälle i.zu erklimmen und dabei zu vielen Tausenden unikamen. Die Körper der Umgekommenen dienten den Nachruckenden als Stufen, und unentwegt wurde der Aufstieg fortgesetzt. So erklommen die Tiere senkrechte Felsen, indem sie sich durch das feuchte Moos schlängelten oder sich an die klebrigen Leiber derer festklammerten, die hierbei den Tod gefunden hatten. Es war ein anscheinend aussichtsloser Kampf, den diese kleinen Tiere gegen das sturzende Wasser führten, und doch blieben sie am Ende die Sieger und überwanden die Fälle. Bei ihrem Bestreben, auch dem kleinsten Rinnsal entgegenzuziehen, kamen sie manchmal auf die merkwürdigsten Abwege — erzählt Davy weiter. Am Ufer der Wasserfälle stand eine alte, vierstöckige Hausruine, von deren Höhe der „Forscher den Vorgang beobachten wollte. Zu seiner großen Überraschung fand er in der Dachrinne bereits Glasaale herumschwimmen. Er überlegte lange, wie die Fische wohl bis in dieses Rinnsal gekommen sein könnten. Da entdeckte er, daß von der Dachrinne ständig ein Wasserfaden den Giebel entlang zum Boden und dann zum Flusse rieselte. Wo sich dieses winzige Wassergeriesel hinzog, hatte sich Moos angesiedelt, und in diesem Moos schlängelten sich nun die Jungaale bis zum Dach empor. „ Auch die Bewohner der küstennahen Städte wissen von der Steigkraft der Jungaale zu berichten. In ihrem Trieb, jedem Wasser nachzugehen, wählen die Tiere hier manches Mal auch den Weg durch die Wasserleitungen, wenn deren Wasser durch die Filter-1 schichten des Kiesbodens hindurch den Flüssen selbst entnommen wird. So speiste die Stadt Hamburg ihr Trinkwassernetz bis zum Jahre 1892 aus der Elbe. Damals befanden sich in den Häusern Wasserkästen, und es war etwas Alltägliches, daß in diesen Kästen Aale herumschwammen oder daß beim Öffnen des Wasserhahns mit dem kühlenden Naß ein kleiner Aal in das Wassergefäß sprudelte. So gern die Hausfrau auch den Aal auf dem Mittagstisch sieht- hier war er ihr doch sehr unwillkommen. Nun ist es aber Zeit, daß wir nach unserem Ausflug bis in die Berge und bis in die Küche der Hamburger Hausfrauen wieder zu iünseren Glasaa^en in der Flußmündung zurückkehren. Die
Geschichte des Aals ist so voller Leben und er selber ein so quicklebendiger Kerl, daß man sich nicht wundem darf, wenn er schon einmal mit einem davongeht. Der Zug der Glasaale ist inzwischen langst aus unserem Gesichtskreis entschwunden. Die graue Schlange der „Momee" windet sich aber immer noch im geschlossen nen Zug der Millionen die Ufer des Flusses entlang. Wenn wir ihr' jedoch später an einer entfernteren Stelle stromauf wieder begegneten, würden wir überrascht feststellen, daß mit den Tieren eine Veränderung vor sich gegangen ist. Die Glasaale haben auf ihrer Wanderung Farbe bekommen wie ein bleiches Großstadtkind in x3er gesunden Luft eines Ferienaufenthaltes. Das hat mit den Vorderkörpem begonnen, zuerst als ein feiner Schatten, der die Glasklarheit des drehrunden Leibes trübte, dann als ein hell- und dunkelgrüner, an der Bauchseite gelblicher Ton, der nun auch das hintere Ende des sich schlangelnd vorwärtsbewegenden Aalleibes überzieht. Zuletzt schimmert nur noch die Körpermitte durch. Dann verfärbt auch sie sich, und der „Anstrich", die Farbgebung (Pigmentierung) des Aals ist damit zu Ende. Und als ob die Tiere nur auf dieses neue Gewand gewartet hätten, geht nun in ihrer ganzen Lebensführung eine vollständige Umstellung vor sich. Doch halt! Wir haben bisher noch gar nicht davon gesprochen, wovon sich die Glasaale unterwegs ernährten. „Von nichts", lautet die Antwort: Der Glasaal ist ein vollendeter Hungerkünstler. Er nimmt überhaupt keine Nahrung zu sich Nie sind Reste einer Mahlzeit in seinem Darm gefunden worden, und tatsächlich hat er bis zu seiner Verfärbung auch nicht die mindeste Zehrung aufgenommen Glasaale fressen nicht. Erst fetzt, da der Aal Farbe bekommen hat, kommt seltsamerweise auch der Appetit; nun beginnt er mit einem Mal die Nahrungssuche. Das ist auch der Zeitpunkt, in dem sich von dem bisher geschlossenen Wanderzug die ersten Kolonnen loslösen, um in irgendeinem seitlich einmundenden Flußlauf weiter stromauf zu schwimmen. Später werden sich aber auch diese Gemeinschaften in Einzelwanderer auflösen, die nun nicht mehr dicht unter der Oberfläche des Wassers einherziehen, sondern in die Tiefe gehen. Die i'ungen Aale nehmen allmählich dip Lebensweise der alten an, aber die Wanderung stromaufwärts wird immer noch fortgesetzt. Wir verstehen nun auch, waruni die durchsichtigen Glasaale nur in den Flußmündungen an der atlantischen und der Nordseeküste vorkommen, nicht aber in den Flüssen, die in die Ostsee münden, in der Trave. Oder. Weichsel. Hier findet man nur die verfärbten fungaale, die auch nie in solchen Massen bei/. -
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einander sind, wie wir es' bei den Glasaalen beobachtet haben. Die Erklärung ist uns nicht mehr schwer; Diese Jungaale in den weiter entlegenen Flüssen haben ja vom Atlantik her einen viel längeren Weg hinter sich, sind also in der Entwicklung auch viel mehr fortgeschritten, sind aller und darum auch schon über ihre „Glaszeit" seit einiger Zeit hinweg. Der dunkle Jungaal, der die Lebensweise der Erwachsenen angenommen hat und der nun Steigaal genannt wird, liebt das Sonnenlicht nicht mehr und wandert hauptsächlich nachts. Wie lange dieses Wanderleben dauert, hat man noch nicht ermitteln können; jedenfalls dauert es länger als ein Jahr. Die wandernden Aale gelangen schließlich über alle Hindernisse hinweg bis in die kleinsten Bäche und sogar in Teiche, die anscheinend keine Verbindung zu irgendeinem fließenden Wasser haben. Auch dafür gibt es eine Erklärung: Die Aale sind durch das feuchte Erdreich den Spuren des Wassers gefolgt und haben es dabei vortrefflich verstanden, sich nicht nur .ein-, sondern auch durchzuwühlen. Aale können zu Wiesenwanderern werden, wenn sie ein entferntes Wasser ahnen, zu dem aber kein direkter Wasserweg hinführt. So ist es nicht selten, daß man Aale in hurtiger Schlangenbewegung außerhalb des Wassers antrifft. Eine Fabel ist es jedoch, wenn erzählt wird, der Aal suche sich bei solchen ' Landpartien im trockenen Gelände seine Nahrung. Lange Zeit \ hielt sich das Märchen von den erbsen- und wickenfressenden Aalen. Dieses Märchen ist genau so zählebig gewesen wie der Aal selber, und die Leute, die das glauben, sind auch heute noch nicht ganz ausgestorben. Der Aal ist zwar ein freßgieriger Räuber, daß er auch ein „Vegetarier" sei, ist zwar ein alter Volksglaube, aber das hat bis heute noch niemand beweisen können. Der Aal ist auch nicht der einzige Fisch, der sein feuchtes Element verläßt und über Land einem erhofften Ziel zustreben kann. Eine Nahrungsaufnahme auf dem trockenen Lande hat man aber nur bei einem einzigen Fisch beobachten können, und zwar beim Schlammspringer, der im Indischen Ozean und an der Küste Afrikas und Australiens lebt. Manchmal mag auch eine Ringelnatter, deren Bewegung der des Aals sehr ähnlich sieht, und die ihm auch in der Größe gleicht, für einen über Land wandernden Aal gehalten werden, zumal sie gern ins Wasser flüchtet, wenn man sie aufstöbert und verfolgt.
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Tagsüber ein fauler Nichtstuer Tief in den weichen Schlamm eingewühlt, mit dem spitzen Kopf hervorschauend, genießt der Aal in unseren Gewassern in beschaulicher Ruhe die Tage Nachts aber wird er zum gefräßigen Rauber
Im Grundschlamm der Teiche, Fluhse und Bache beginnt nun nach Abschluß der langen Wanderzeit eine meist behäbige Zeit des Wachsens und Schlemmens Seine Gefräßigkeit hat dem Aal in diesem Zeitraum seines Lebens den Namen Freßaal" eingetragen Bis zu zehn, ]a bis zu zwölf Jahren lebt er als ausgesprochener Grundfisch im Sußwasser Tief in den weichen Schlamm eingewühlt, nur mit dem spitzen Kopf hervorschauend, genießt er m beschaulicher Ruhe die Tage Oft schlupft er auch unter dichtes Wurzelwerk oder sitzt im Pflanzendickicht oder in Uferhohlungen, immer bestrebt, im Dunkeln, im Verborgenen zu bleiben Er schnappt in solchen Ruhestunden nur zu, wenn die Beute ihm in mundgerechte Nahe kommt Seine eigentliche Stunde beginnt aber erst nach Einbruch der Dunkelheit Der Aal ist ein echtes Nachttier Wenn die Sonne hinter dem Horizont und das Licht des Tages verschwunden ist, wird er lebendig Mit schlangelnden geschmeidigen Bewegungen durchstreift er das Wasser seines Wohnbereiches Jetzt wartet er nicht mehr ab, bis die Beute ihm ins Maul kommt Wie ein gespenstiger Schatten windet er sich durch das Kraut des Ufers und sucht seine Beute in U
'ihrem Schlupfwinkel auf. Te dunkler und wärmer die Nacht, desto regsamer ist der Aal, und wenn es sar gewitterschwül ist, dann ist seine Lebhaftigkeit nicht zu überbieten. Der faule Nichtstuer .vom Tage ist dann nicht wiederzuerkennen. Nun ist er in dauernder Bewegung. Mit einer Angriffslust, die keinem anderen Raubfisch nachsteht, schießt die gewandte Fischschlange auf ihre Opfer 7U. Die schlüpfrige und schleimige Haut macht es dem Aal möglich, die engsten Spalten zu durchwinden, wenn er dahinter lockende Nahrung weiß. Auf seiner Speisekarte stehen vor allem die Kruster, und unter ihnen als begehrtester Leckerbissen die Flohkrebse, während er die kleinen Wasserflöhe achtlos beiseite läßt. Mit Genuß «frißt er auch Insektenlarven, besonders die im Schlamm häufigen Larven der Zuckmücken. Ebensowenig werden Würmer, Schnecken, Muscheln und kleine Fische verschmäht, in der Hauptsache die jungen Weißfische, und an den Unterlaufen der größeren Flüsse auch die Stinte. Sind die Aale dann größer, so werden sie immer anspruchsvoller. Dann kann es vorkommen, daß sie in ihrer Gier ganze Forellen durch ihr kleines Maul herunterschlucken. Man hat im Aalmagen Forellen von 15 Zentimeter Länge gefunden. Daß es ihm möglich ist, dieser flinken Fische habhaft zu werden, ist ein Beweis für die Gewandtheit und Schnelligkeit, die unser Aal im Dunkel der Nacht entwickelt. Nun sind auch Frösche und deren Larven, die Kaulquappen, als Beute beliebt, und manchmal muß selbst eine Maus, eine Wasserratte oder gar ein funges Entlein// dran glauben Geschickt versteht er es, einen Flußkrebs aus seinem Versteck hervorzuholen. Er kann in kurzer Zeit den ganzen Krebsbestand eines Gewässers gefährden. Der schmackhafteste Leckerbissen bleibt für ihn aber immer der Fischlaich Den Aal findet man daher stets in der Nähe der Laichstellen der karpfenartigen Fische. Fängt man ihn dort in Reusen, so ist sein Darm meist bis zum Platzen gefüllt mit Karpfeneiern. Diese Vorliebe für Fischlaich läßt den Aal oft auch an tote oder absterbende Fisch herangehen und sich an ihren Eiern gütlich tun. Diese Tatsache ist den Fischern der Küstengebiete und der Flußmündungen gut bekannt. Nicht selten wird dadurch die Ausbeute eines reichen Fischfanges erheblich geschmälert, besonders dann, wenn stürmisches Wetter das Einholen der Netze auf Tage unmöglich macht und die Aale Zeit haben, über die wehrlosen Fische im Netz herzufallen. Dann kann es vorkommen, daß der Fischer zuletzt nur noch Haut und Gerippe der Fische in den Netzen vorfindet und um die Mühe und Hoffnung schwerer Arbeit betrogen ist. Besonders Lachse und Störe, aber auch 12
Maifische sind es, die der Aal auf diese Weise angreift und ausbeutet. Das sind die Manieren eines richtigen Raubfisches, der jedes Lebewesen, das er zu überwältigen imstande ist, als seine Beute ansieht. So kommen Herbst und Winter heran. Aber eines Tages im Frühwinter wird es merklich ruhig um unseren Aal. Auf einmal läßt er träge die leckerste Beute achtlos vorüberschwimmen. Was mag in dem sonst so lebens- und genußgierigen Räuber vorgegangen sein? Ein undeutbares Gesetz hat ihn zur Mäßigung und zur Ruhe gezwungen. Und nun dauert es nicht mehr lange, da werden wir beobachten, wie der Aal ein ruhiges Plätzchen seines Wohngewässers erkundet und dort langsam im weichen Grunde verschwindet. Der Winterschlaf hat begonnen. Genau wie der Karpfen und andeie Fische diese Zeit des Ruhezustandes brauchen, so gehört der Winterschlaf auch zu den Lebensnotwendigkeiten aller Aale. In diesem schlafartigen Zustand ist fast kein Leben mehr in ihm. Viele Monate lang. Erst wenn die Sonne ab und zu Kraft bekommt, wenn der Frühling naht, dann wird auch unser Aal wieder munter. Die zunehmende Wärme hat ihn geweckt. Zuweilen erwacht er auch wohl in den Wintermonaten, dann rührt sich in ihm mächtig der Hunger, dann bequemt er sich aus seinem Winterversteck, um auf Nahrungssuche zu gehen, und auf solchen gelegentlichen winterlichen Raubzügen gerät er auch schon einmal zur Verwunderung und Freude eines Petri-Jüngers an die zum Fang ausgelegte Angel. Insgesamt aber ist der Aal ein gar vorsichtiger Geselle. Ja, er versteht es sogar, manchen Gefahren vorzubeugen. Bei der Trockenlegung von Teichen hat man das oftmals beobachten können. In den Teichen, in denen mit Bestimmtheit Aale vorhanden gewesen , waien, wurde, als das letzte Wasser abgelassen war, auch nicht ein einziges Exemplar entdeckt. Die Tiere hatten sich rechtzeitig in den Erdboden eingegraben. Die Teiche lagen dann den Winter über trocken, der Boden fror fest zusammen, und doch fand sich, als der Frühling kam und das Wasser wieder in den Teichgrund hineingeleitet wurde, gleich auch ein Schwärm von Aalen "ein, die im "Schlamm überwintert hatten. Der Aal ist in der Lage, längere Zeit unterirdisch zu leben, sich dort zu ernähren und zu wachsen. ' In den W^atten, den seichten Kustenstreifen der Nordsee, fängt man die Aale oft durch Ausgraben und Ausheben des Wattenschlammes. Sie leben in Tiefen von dreißig Zentimeter bis fünf Meter unter dem Schlick, dem Kdstenschlamm, und zwar dort, wo sich eine Grundwasserschicht hinzieht. Trübt man das <Slrundwasser, so wird
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es nicht lange dauern, bis die Tiefenbewohner ihre unterirdischen Behausungen verlassen und aus dem Schlick hervorkommen. Man kann dann feststellen, daß nicht nur junge, sondern auch ausgewachsene Aale diese Lebensweise annehmen können. Den merkwürdigsten Fundplatz von Aalen hat wohl der Naturforscher Bemke ausfindig gemacht. Bei Mühldorf, oberhalb Rittel, errichtete man vor hundert Jahren in der Brahe ein hohes Wehr, um den Fluß für die Bewässerung eines großen Wiesengebietes anzustauen. Unterhalb des Wehres legte man eine Rampe aus Bohlen an, die etwa einhundert Schritt lang war. Sie sollte verhüten, daß beim Hochziehen der Schleuse das hervorschießende Wasser die Ufer und den Boden wegspülte. Die Rampe bestand aus zwei Bohlenlagen, von denen die untere fünf Zentimeter, die obere acht Zentimeter stark war. Durch die Höhe des Wehres, die dreizehn Meter betrug, war den aufsteigenden Jungaalen der Zugang zum Oberlauf der Biahe und den dahinterliegenden Seen vollkommen versperrt worden. Wenn sie viele steile Hindernisse überwinden konnten, hier kamen selbst die gewandtesten Kletterer unter den Aalen nicht mehr hinüber. So ging der Aalfang oberhalb des Stauwehres mehr und mehr zurück, bis daß er zuletzt ganz aufhörte. Im Jahre 1847 war der Bau des Wehres und der vorgelegten Rampe beendet. Fünf Jahre gingen vorüber, als mit einemmal an der Rampe seltsame Veränderungen vor sich gingen. Von geheimnisvollen Kräften bewegt, hob sich an verschiedenen Stellen der obere Bohlenbelag in die Höhe. Da man die Sache niaht wieder in Ordnung bringen konnte, mußte man sich entschließen, die Bohlen aufzureißen und durch neue zu ersetzen. Da machten die Zimmerleute eine merkwürdige Entdeckung. Der Hohlraum zwischen den beiden Balkenlagen war dicht angefüllt mit aber tausend fingerdicken Aalen, die zum größten Teil mehr oder weniger plattgedrückt waren. Die Tiere hatten eine viel bleichere Farbe als andere Aale, da sie die ganze Zeit vollständig vom Licht abgeschlossen gelebt hatten. Die Aale waren wahrscheinlich bei ihrem Versuch, das Wehr zu bezwingen, als Glas- oder Steigaale zwischen die Bohlen gekommen, hatten hier Nahrung, aber keinen Ausweg gefunden und waren herangewachsen. Als sie größer geworden waren, reichte der enge Raum nicht mehr; ihrem vereinten Drängen und ihrem Wachstum hatte dann der Bodenbelag weichen müssen. Eigentlich wächst aber der Aal nicht so schnell, wie es sein Heißhunger und das Ausmaß seines Fressens erwarten lassen. Er wird nur langsam größer und kräftiger. Man hat schon früh Gewichts14
proben vorgenommen, um seine Wachstumsgeschwindigkeit zu ermitteln. Beim Abfischen von Teichen, in die man vor Jahren Jungaale eingesetzt hatte, legte man die gefangenen Aale auf die Waage und maß gleichzeitig ihre Länge. Aber so erhielt man immer nui ungenaue Angaben, da das wirkliche Alter solcher Aale nie ganz sicher festgestellt werden konnte. In neuerer Zeit hat man ein anderes Mittel für die Altersbestimmung gefunden und kam zu ganz zuverlässigen Ergebnissen. Der Aal gibt nämlich über sein Alter selber Auskunft. Das haben die beiden Forscher Ehrenbaum und Masukawa vor vielen Jahren entdeckt. Wir wissen alle, daß man das Alter der Bäume an den Jahresringen abzählen kann; diese Jahresringe erkennen wir ganz deutlich, wenn ein Baum quer durchgeschnitten ist. Beim Aal sind die Schuppen und die Gehörsteine der Kalender seinei Lebensjahre. Die Schuppen setzen nämlich genau wie die Bäume Jahresringe an. Die brauchen wir nur unter dem Mikroskop abzuzählen, um einen Anhaltspunkt für das Alter des betreffenden Aals zu bekommen. Es ist jedoch zunächst noch ungenau; denn der Aal trägt in seiner Jugendzeit als Glasaal noch kein Schuppenkleid, das kommt erst im vierten Jahr seines Aufenthaltes im Süßwasser zur Entfaltung. Da aber das Alter des Glasaals sich an seinen Gehorsteinen erkennen läßt, die ebenfalls Jahresringe bilden, ergeben beide, die Ringe der Gehörsteine und die späteren Ringe auf den Schuppen, genaue Auskunft auf unsere Frage, wie alt ein Aal ist. Wenn wir das erst einmal festgestellt haben, ist es auch nicht mehr so schwierig, Gewicht und .Wachstum der Aale festzulegen. Es stellt sich heraus, daß die Aalweibchen viel schneller wachsen als die Aalmänner. In acht Süßwasserjahren war ein Aal rund vierzig Zentimeter lang geworden, das Aalweibchen jedoch siebzig Zentimeter. Die jährliche LängenZunahme beträgt im Durchschnitt etwa acht Zentimeter. Fruhei glaubte man, das Wachstum gehe viel langsamer vor sich. In einem Lehrbuch von 1837 liest man, daß der Aal 9 Jahre brauche, um 25 Zentimeter lang zu werden, und hundert Jahre, um eine Länge von vier Metern zu erreichen. Wir wissen es heute genauer; wir wissen auch, daß noch nie ein Flußaal vier Meter lang geworden ist. Eine Schwierigkeit ergibt sich bei der Bestimmung des Wachstums größerer Aale: man kennt nämlich verschiedene Formen von Aalen. Die Fischer nennen sie Schmalköpfe und Breitköpfe. Wie diese Verschiedenheit zu erklären ist, das steht noch nicht fest. Die Fischereiforschung glaubt, die verschiedenen Formen bildeten sich durch die Ernährung. Bei den Breitköpfen sind nämlich die Kau3.5
muskeln und Zähne viel stärker ausgebildet; sie sind gut ausgestattete Raubfische, die sich vor allem von Fischen ernähren. Der Schmalkopf-, oder wie er auch genannt wird, der Spitzkopfaal, lebt dagegen mehr von Ufer- und Bodentieren, also Kiemtieren, wfc Würmern, Schnecken, Krustentieren und Insektenlarven. Andere Forscher meinen, die Verschiedenheit der Aale hänge nicht mit der Ernährung zusammen, es handle sich vielmehr bei den Schmal- und Breitköpfen um zwei verschiedene Rassen. Der italienische Forscher Bellini ist der Ansicht, schon bei den Glasaalen gebe es drei verschiedene Größenklassen, von denen sich die einen zu Männchen, die anderen zu schmalköpfigen und breitköpfigen Tieren entwickeln. Doch ist das alles noch nicht restlos erforscht, wie ja so vieles im Leben unserer Aale. Aber wir erzählten vom Freßaal, wie er den Winterschlaf hinter sich gebracht und zu neuem Leben aufgewacht war. Ein neues Lebensjahr beginnt, aber auch weiterhin spielt sich sein Dasein ganz in dem Umkreis seines Wohnbereiches ab. Er ist seßhaft, viele Jahre lang. Die Farbe seines Körpers ist nun durchgebildet. Die Färbung seines Rückens, die vom Olivgrün bis ins Blauschwarze spielt, hebt sich nach den Seiten hin auf und geht an der Bauchseite in ein gelbliches Weiß über. So hat man ihm auch an manchen Orten den Namen „Gelbaal" gegeben. Die enge und kleine Kiemspalte, mit der er atmet, steht dicht vor den gar kleinen, abgerundeten Brustflossen. Die Bauchflossen fehlen, Rücken- und After-' flösse sind sehr lang und fließen am Schwanz zusammen. Das Maul ist ziemlich eng, die Kieferränder und ein Teil des Gaumens, das Pflugscharbein, sind mit feinen spitzen Zähnen besetzt. Die kleinen Schuppen gehen bis tief in die Haut und sind mit dem unbewaffneten Auge im einzelnen gar nicht wahrnehmbar. Ohne sich gegenseitig zu berühren, liegen sie in zickzackförmigen Reihen. Die Breitköpfe haben übrigens nicht nur einen breiten, sondern auch einen höheren und längeren Kopf. Der Unterkiefer zeigt breite, wulstige Lippen. Die kleinen Augen liegen tief in der Haut und die Nasenlöcher haben einen röhrenartigen Fortsatz. Selbst bei den erwachsenen weiblichen Tieren sind die Eier sehr klein, ein zehntel bis ein fünfzehntel Millimeter im Durchmesser. Ihre Zahl ist nicht genau festzustellen und wird auf Millionen geschätzt. Die Milch, die männlichen Organe, sind noch unscheinbarer, sie wurden lange übersehen und erst im Jahre 1874 zum ersten Male vqn dem Forscher 16
Syrski beschrieben. Sie werden nach ihm „Syrskische Organe" genannt. Nicht nur an Größe, sondern auch an Gewicht sind Männ'chen und Weibchen sehr verschieden. Die Männchen die im Durchschnitt nur etwa 45 Zentimeter lang sind, erreichen etwa ein Gewicht von einem Viertelkilogramm. Die Weibchen werden, da sie ja schneller wachsen, sehr viel länger und schwerer. Sie können die stattliche Länge. von anderthalb Meter erreichen und sechs Kilogramm schwer werden, in der Regel sind sie aber kürzer als ein Meter und wiegen etwa zwei Kilogramm. Die Breitköpfigen übertreff es an Größe und Gewicht stets die Schmalköpßgen. Die in älteren Werken und Zeitschriften angeführten Funde von sehr großen Flußaalen halten einer Nachprüfung meist nicht stand. So wird zum Beispiel auch der im Winter 1831 bei Bremen gefangene Aal, der fast zwei Meter Länge und ein Gewicht von zwanzig Kilo gehabt haben soll, kein Flußaal, sondern ein Meeral, ein „Conger", gewesen sein. Diese Aalart kann nämlich an Länge mehr als drei -Meter und an Gewicht fünfzig Kilo erreichen. Das Leben des „Freßaals" geht Jahr um Jahr den gleichen Gang — es ist ein immerwährendes Wohlleben, in dem die Tage nur dazu dienen, die nötige Ruhe für die lebhaften Jagdzüge der Nächte zu sichern. Als ob er wüßte, welche Fasten- und Hungerkuren ihm noch bevorstehen, frißt er in sich hinein, was der Bauch faßt, bis dann eines Tages, im sechsten bis zehnten Jahr nach seiner Ankunft /im Teich- oder Fluß gi und seines Standquartiers, wieder eine auf' fallende Veränderung mit ihm vorgeht. Der Aal ist zur Reife gekommen, in der es ihm möglich wird, für Nachwuchs zu sorgen. Die inneren Organe dazu haben sich ausgebildet. Sie füllen nun den Körper so sehr aus, daß Magen und Darm verdrängt werden und ganz zusammenschrumpfen. Nun auf einmal kann unser Aal keine Nahrung mehr zu sich nehmen. Ein ganz neuer Lebensabschnitt hat begonnen, der letzte in seiner Entwicklung. Aus dem Räuber ist ein harmloser Schwimmfisch geworden, den niemand mehr fürchtet. Den Namen „Freßaal" würde er jetzt zu Unrecht tragen. Die Menschen haben ihm in diesem Zustand auch einen viel liebenswürdigeren Titel gegeben. Sie nennen ihn nun „Blankaal" oder auch „Silberaal". Denn mit der inneren Umwandlung seines ganzen Wesens ist auch eine äußere einhergegangen. Die Farbe des .Rückens wurde noch dunkler, der Bauch schimmert nun silberweiß, und ein schöner blanker Metallglanz überzieht nun den ganzen •Xörper. Selbst der Kopf hat seine stumpfe Form verloren; er ist spitzer geworden, die Augen wurden größer, die Haut dicker und r
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fester. Drei bis vier Monate ungefähr hat diese umfassende Verwandlung gedauert. Eines Tages kommt dann eine seltsame ünluhe über den Aal, irgendein Ungewisses lockt und treibt ihn. Und dieses Drängen und Ziehen wird immer stärker. Es ist, als ob all die Veränderungen der letzten Monate nur diesen Zeitpunkt vorbereitet hätten. Zuerst werden die Männchen davon erfaßt, nachdem sie sechs bis acht Jahre im Süßwasser gelebt haben. Später, erst im achten bis zehnten Jahr oder noch später, drängt es die Weibchen. Noch viel später sollen die Breitköpfe daran kommen. Die Rückwanderung der Aale beginnt. * Der so verwandelte Blankaal verläßt seine Wohnstätte. Würde man ihn hindern, hier wegzuziehen, dann könnte es sein, daß er für immer da bliebe — dreißig, vieizig, fünfzig Jahre. Aber seinem Dasein fehlte die letzte Erfüllung. Wieder geht es dem Meere zu, von dem der Aal vor vielen Jahren heraufgekommen. Viel leichter ist nun der Weg. Vor allem liebt er die dunklen, warmen, gewitterschwülen Nächte zum Wandern. Kam er bei seiner Herfahrt in großer Begleitung, so macht er die Reise diesmal allein. Rasch und rascher geht es zu Tal, die Wehre und Wasserfälle sind jetzt keine Hindernisse mehr, in jähem Sprung geht es über sie hinweg; aber nun sind andere Gefahren im Weg. Die aufgestellten Netzfallen und die Aalsperren der Fischer fordern manches Opfer. Denn diese Wanderungen und ihr ungefährer Zeitpunkt sind dem Menschen seit langem bekannt, und die ergiebigsten Fangarten sind auf diese Wanderungen aufgebaut. Die Spur der Aale ist Jetzt nur noch schwer zu verfolgen. Man weiß aber, mit welcher Geschwindigkeit sich diese Einzelwanderer talwärts bewegen. Man hat herausbekommen, daß bei kurzen Strecken fünfzig und mehr Kilometer am Tage zurückgelegt werden. Gewichtsproben ergäben jetzt interessante Ergebnisse. Denn das in so mühevoller Freßarbeit erworbene Gewicht des Aals sinkt in dieser Zeit des Wanderns wieder ab. Die Aale können ja wegen des zusammengeschrumpften Magens keinerlei Nahrung mehr zu sich nehmen. So wandern sie, einem angeborenen Gesetz gehorchend, dem Meere zu, dem gleichen Meere, aus dem es sie einst als Glas aale stromauf getrieben hatte. Das weitere Schicksal der Aale war bis zu Beginn unseres Jahrhunderts in tiefstes Dunkel gehüllt. Niemand wußte, was nach der Ankunft der Blankaale im Meere geschah. Man konnte wohl ahnen,
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daß diese Wanderungen in das Meer vielleicht dazu dienten, zu laichen. Wo sich aber die Laichplätze befanden und welche Schicksale der aus den Eiern geschlüpfte Aalnachwuchs bis zu seinem Eintreffen in den Flußmündungen hatte, darüber wußte niemand etwas Bestimmtes und Gesichertes zu sagen. Noch in manchen neueren Büchern ist zu lesen, der Aal laiche an den Küsten Frankreichs und Englands. Man weiß es heute besser. Im Jahre 1895 wurde erstmals der Schleier dieses Geheimnisses gelüftet, als die beiden italienischen Tierforscher Grassi und Calandruccio nachgewiesen hatten, daß die Jungaale sich aus den merkwürdigen Fischen entwickelten', die im Jahre 1856 von dem Forscher Kaup entdeckt und beschrieben worden waren. Kaup hatte diese weidenblattförmigen Wesen „Leptocephalus brevirostris" genannt, was soviel heißt wie „Kurzmäuliger Schmalkopf". Kaup wußte aber noch nicht, was es mit diesem „Leptocephalus" für eine Bewandtnis hatte. Grassi und Calandruccio also hatten entdeckt, daß aus diesen „Schmalköpfen" unser Glasaal hervorging, indem sich das blattähnliche breitgedrückte Fischchen immer mehr verkürzte und so rundlich wurde, wie es eben unser Jungaal war. Man war also schon ein gut Stück vorangekommen. Wo aber kamen nun die weidenblattförmigen „Schmalköpfe", der „Leptocephalus brevirostris" her? Die Tierchen, die der Forscher Kaup beschrieben hatte, waren in der Straße von Messina aus dem Wasser geschöpft worden. In dieser Meeresstraße herrschen sehr merkwürdige Strömungsverhältnisse. Das Wasser trägt hier alle auf dem Meeresgrund lebenden Tiere an die Oberfläche. Die Forscher nahmen deshalb an, daß die „Schmalköpfe" aus diesen Tiefen kämen und dort im Schlamm lebten. Nun konnte man weiter annehmen, daß die reifen Süßwasseraale nach ihrer Ankunft im Meer sogleich in solche Tiefen gingen, um dort zu laichen, und daß aus diesem Laich sich dann die „Leptocephalus" entwickelten. Ganz sicher glaubte man zu sein, als man in der Nähe der Straße von Messina auch noch erwachsene Aale beobachtete und dazu noch ein unbekanntes Fischet auffand, das man nun für das bisher unbekannte Aalei hielt. Das Rätsel des Aals und seiner Jugendgeschichte schien endlich gelöst. „ Gewiß war das alles ungemein interessant, aber die wirkliche Lösung des Aalrätsels war noch viel, viel merkwürdiger. Als nämlich im Jahre 1904 der dänische Forscher Johannes Schmidt, der mit dem Forschungsdampfer „Thor" untierwegs war, außerhalb des Mittelmeeres, und zwar weit im Atlantischen Ozean, „Schmalköpfe" 19
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(Leptocephalus) fing, da wußte man, daß es mit der Sache von^ Messina doch wohl nicht stimmen könne. Die nächsten Jahre brachten dann weitere Fänge von „Schmalköpfen" auf der ganzen Fläche des Atlantischen Ozeans zwischen England und der Straße von Gibraltar. Die hier gefundenen „Schmalköpfe" hatten aber alle schon eine Länge von ungefähr sechs Zentimeter und schwammen an der Wasseroberfläche. Sie konnten also nicht frisch aus dem Ei geschlupft sein, sondern mußten irgendwo weit herkommen. DieLaichplätze mußten, das schloß man daraus, noch weiter draußen' im Atlantik liegen. Also ging man weiter auf die Suche. Die Aussicht, die wunder-* same Lebensgeschichte des Aals endlich aufzuhellen, hielt manchen Schiffskapitän an, Ausschau zu halten. Und wirklich wurden schon bald von dem norwegischen Forschungsschiff „Michael Sars" südlich der Azoreninseln die gleichen Aallarven aus dem Meer gefischt' Diese Fangstelle lag aber viel weiter draußen im Weltmeer als alle bisherigen Fundorte. Dann kamen neue Fänge hinzu. Alle jetzb gefischten „Schmalköpfe" hatten aber nur eine Länge von dreieinhalb Zentimeter; sie waren also halb so groß wie die an die Küste gefangenen „Schmalkopfe". Sie waren also jünger und ihr Fangort mußte demnach den eigentlichen Laichplätzen näher liegen. Als man dann ungefähr den Meerespunkt errechnete, an dem, die Kinderstube des Aals sich finden müsse, kam man auf das Ge^ biet des Sargassomeeres, das der Küste Mexikos benachbart liegt und einen Teil des Atlantischen Ozeans bildet. Dieses Meergebiet ist wie kein anderer Teil des Ozeans bis in die größten Tiefen durchwärmt und übertrifft auch den übrigen Ozean durch seinen hohen Salz^gehalt. Das Sargassomeel hat seinen Namen von dem portugie^' sischen Wort für Tang oder Seegras (sargaco), und bedeutet also, soviel wie Tangmeer. Hier finden sich nämlich in der Meeresstro'mung immer reichliche Mengen Tang, die die Brandung an den Gestaden der mittelamerikanischen Küsten losgerissen hat. Es ist der gleiche Tang, der Columbus auf seiner ersten Fahrt über den Atlantischen Ozean davon überzeugte, daß Land in der Nähe sein' müsse. , Hier also, im weitentlegenen Sargassomeer, hatte man endlich die Wiege des Aals entdeckt. Das war das überraschende und fast unglaubliche Ergebnis vieljähriger, gründlicher, wissenschaftlicher .Forscherarbeit. Unser Aal unternahm also, nachdem er jahrelang in unseren Gewässern gelebt hatte, hierhin seine Hochzeitsreise» die ihn nahezu über zwei Drittel des Weges nach Amerika führte.' -