DÄMONEN-TÖTER Horror-Roman von Steve Salomo
AUS DER CHRONIK DER PRIESTERSCHAFT: Am 6. Juno im Jahre des HERRN 2036 kam...
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DÄMONEN-TÖTER Horror-Roman von Steve Salomo
AUS DER CHRONIK DER PRIESTERSCHAFT: Am 6. Juno im Jahre des HERRN 2036 kam das Jüngste Gericht. Die Welt war gottlos geworden, in den großen Industrienationen gab es keinen Glauben mehr. Allein das Geld regierte. Es war der Zeitpunkt, auf den die Hölle seit Anbeginn der Welt gewartet hatte. Die Zeit, da es keinen Glauben mehr gab und die Menschen ihr Herz vor GOTT verschlossen. Die Hölle schlug zu - mit all ihrer Gewalt. Dämonenhorden überrannten die Städte der Ungläubigen und nahmen die Erde in Besitz. Der Satan regierte, und seine Schergen versklavten die Menschheit. Doch dann kam die Priesterschaft. Mutige und gottesfürchtige Männer. Mit ihren Waffen und dem Wort GOTTES drängten sie die Dämonenhorden zurück. Noch immer gibt es jedoch überall auf der Welt Dämonen-Nester. Die Priesterschaft schützt die Menschen gegen die Kreaturen der Finsternis, die noch auf der Erde verweilen. Und sie schickt ihre Reverends aus, Wanderer im Namen GOTTES, die sich den Mächten des Schreckens überall auf der Welt stellen. Einer dieser Männer war REVEREND PAIN... 2
Sandy Rendall wälzte sich unruhig in ihrem Bett hin und her. Sie stöhnte. Es war ein ängstliches, furchtsames Stöhnen. Sie sah sich durch einen Wald rennen. Es war hell, und doch war es nicht Tag. Es war eine eigenartige Dämmerung, die aber nicht zwischen Tag und Nacht lag. Ein Zustand, den es in der realen Welt nicht gab. Sie fühlte sich verfolgt, sie wusste, dass er hinter ihr her war. Sie lief keuchend, mit klopfendem Herzen. Sie hatte Angst. Furchtbare Angst. Aber sie wünschte sich auch, dass er sie einholen würde. Sie sehnte sich danach, in seinen starken Armen zu liegen. Sie wünschte sich, seine warmen, zärtlichen Lippen auf den ihren zu spüren, seine verlangenden Berührungen auf ihrem Körper. Plötzlich schreckte das sechzehnjährige Mädchen zusammen! Vor ihr tauchte er auf, aus einem dichten, schimmernden Nebel. Eine hoch gewachsene Gestalt, gekleidet in einen langen, nachtschwarzen Umhang. Er war alt. Viel älter sogar, als er eigentlich aussah. Und er sah sehr alt aus. Aber vielleicht war >alt< das falsche Wort, überlegte Sandy. Weise klang in ihren Gedanken richtiger. Weise und reif. Er war groß, mindestens ein Meter neunzig, schlank, mit feingliedrigen Händen. Sein Gesicht hatte adlige, markante Züge, das schlohweiße Haar war streng zurückgekämmt. Und darunter brannten Augen in einem höllischen, hypnotischen Feuer. Dieser Blick strahlte Gefahr aus, teuflische Gier, aber auf eine merkwürdige Weise weckte er in Sandy auch ein Verlangen, das ihr Blut kochen ließ und durch ihren Körper fuhr wie glühende Lava.
Ein Verlangen, das die Sechzehnjährige noch nie in ihrem jungen Leben erfahren hatte, jedenfalls noch nie so stark. Was war das für ein Gefühl, was für ein Verlangen? Keuchend atmete sie ein, und ihr Busen hob und senkte sich dabei. Da streckte der Mann die Hand nach ihr aus. Komm... Sandy zögerte, obwohl es sie Kraft kostete, diesem hypnotischen Befehl zu widerstehen, der sich in ihrem Gehirn einzubrennen schien. »Komm!« Der Befehl war jetzt drängender, duldete keinen Widerstand mehr. Sandy trat auf den Unheimlichen zu... ...und erwachte mit einem lauten Keuchen auf den Lippen. Sie lag in ihrem Bett, in ihrem Zimmer im Farmhaus ihres Vaters. Draußen herrschte stockdunkle Nacht, die plötzlich von einem grellen Blitz zerrissen wurde. Ein Gewitter tobte draußen, kein Regen fiel, aber der Sturm heulte und pfiff, und Sandy saß aufgerichtet in ihrem Bett, den Blick auf das große Fenster gerichtet. Und jetzt sah sie auch die hoch gewachsene Gestalt, die dort draußen stand und sie mit brennenden Augen anstarrte. Im zuckenden Licht der Blitze zeichneten sich die Konturen nur als Scherenschnitt vom Sturmhimmel ab, aber Sandy wusste sofort, um wen es sich handelte. Er war es, der alte Mann aus ihrem Traum. Der Mann, nach dessen Küssen sie sich sehnte, nach seiner Berührung. Und nach vielem mehr. 3
Flammenmeer, das diese in ihr entfachte, versinken. Sie sah sein kaltes Gesicht. Bleich war es und undurchschaubar. Es zeigte keine Regung, kein Gefühl, und trotzdem ließ sein Anblick, seine Ausstrahlung, Sandys Herz in wilder Erregung pochen. Sie schmiegte sich an seine Brust. Es war eine schmale, flache Brust, und doch war sie für Sandy unheimlich männlich. Er hielt sie auf seinen Armen, dann trug er sie davon, in den tobenden Sturm hinein...
Sie hatte trotzdem Angst vor ihm, eine unerklärliche Furcht hatte sie ergriffen, die sie lähmte. Selbst wenn sie hätte aufschreien wollen, sie hätte es nicht gekonnt. Aber sie wollte es nicht. Sie starrte in diese hypnotisch brennenden Augen, direkt in die Gefahr und wurde von dieser Gefahr angezogen wie eine Mücke von der Flamme einer Kerze. Komm! hörte sie wieder den Befehl des Unheimlichen, aber er sprach ihn diesmal nicht, sie hörte ihn in ihren Gedanken, und da stand sie auf und stieg aus dem Bett, bekleidet nur mit einem dünnen Nachthemd, das ihren grazilen Körper kaum vor den Blicken des Unheimlichen verbarg. Sie trat langsam, mit steifen, stockenden Bewegungen wie eine Marionette an das Fenster heran, über die knarrenden Holzbohlen, deren Kälte sie nicht spürte, obwohl sie barfuß war. Dann stand sie vor dem Fenster, sah jetzt deutlich dieses markante, strenge Gesicht der schwarzen Gestalt... Und da öffnete sie das Fenster. Der Wind stürmte herein, ließ ihre Haare und das dünne Nachthemd flattern, doch auch das registrierte sie nicht. Komm... Wieder war da der stille, lautlose Befehl des Unheimlichen, und er strecke seine Hände nach ihr aus, ergriff sie, und sie keuchte erneut auf unter seiner eiskalten Berührung, die trotzdem irgendetwas in ihr in Flammen zu setzen schien. Dann hob er sie an, auf seine Arme, als habe ihr schlanker, mädchenhafter Körper überhaupt kein Gewicht, hob sie durchs Fenster zu sich hinaus, und es schien ihr, als würde sie in seiner Berührung und dem
Seena wusste nicht, was sie aus dem Schlaf gerissen hatte. Es war wie eine unheimliche Aura gewesen, die ihren Geist berührt und sie aus den Träumen geholt hatte. Eine Aura, so böse und schwarz wie die Abgründe der Hölle selbst. Seena erschrak. Sie hatte nie mit jemandem darüber gesprochen, es war ihr selbst unheimlich, und sie war sich auch gar nicht sicher, ob sie diese Fähigkeiten wirklich hatte oder sie sich vielleicht nur einbildete. Aber manchmal war es ihr, als könne sie die Schwarzblütigen irgendwie fühlen, ihr Kommen, ihre Nähe. Jedes Mal, wenn sie das kleine Dorf heimsuchten, auf der Jagd nach neuen Opfern, hatte sie es irgendwie gespürt. Aber sie hatte das Grauen nie verhindern können, hatte nicht einschreiten können. Vielleicht war es wirklich nur Einbildung. Oder Zufall. Deshalb hatte sie geschwiegen. Sie befürchtete auch, dass man sie, wenn man ihr glauben sollte, für eine Hexe halten würde, und das würde dann ziemlich 4
unangenehme Konsequenzen für sie haben. Die abergläubischen Dörfler würden sie wahrscheinlich auf dem Scheiterhaufen verbrennen! Abergläubisch? echote es in ihren Gedanken wider. Was war schon abergläubisch? Jahrhunderte lang hatten Menschen, die sich für so aufgeklärt gehalten hatten, nicht mehr geglaubt an Hexen, Dämonen, Werwölfe und Vampire. Doch es gab sie. Es gab sie wirklich. Sie und die Hölle und die ewige Verdammnis. Man hatte nicht mehr daran geglaubt, und dann hatte die Hölle zugeschlagen, die menschliche Zivilisation fast vollständig ausgelöscht, und nun lungerten sie überall auf der Erde herum, in ihren Dämonen-nestern und Festungen und terrorisierten die Menschen, ob unschuldig oder nicht... Nein, auch das stimmte nicht, dachte Seena. Keiner war wirklich unschuldig. Niemand... Sie lauschte wieder in sich hinein, verdrängte dabei das Geräusch des tobenden Sturmes draußen und versuchte etwas wahrzunehmen. Und da war tatsächlich etwas. Eine Art Ausstrahlung, die Aura eines dunklen Wesens, da war sich Seena jetzt sicher. Es war, als streife sie ein Hauch der Hölle. Und dann durchzuckte sie ein Gedanke, ohne dass ihr klar wurde, woher dieser kam. Sandy! Sie wusste nicht, woher diese Erkenntnis kam, aber auf einmal war ihr klar, dass ihre Schwester in Gefahr war. »Sandy!« schrie sie auf, dann flog die junge, 22jährige Frau, nur bekleidet mit Slip und einen knappem Shirt, von ihrem Lager auf, rannte zur Tür, öffnete sie und trat auf den Flur des Farmhauses, der vor ihr in völliger Finsternis lag.
Hier war kein Fenster, und so konnten auch die grellen Blitze des Unwetters nicht für sekundenlange Helligkeit sorgen, wenn sie draußen die Nacht zerrissen. Seena wirbelte herum, wollte auf die Tür von Sandys Zimmer zueilen, doch dann stockte sie, tastete sich zur Eingangstür des Farmhauses und zog den mächtigen Balken fort, der die Tür verrammelte, damit die Mächte der Finsternis nicht eindringen konnten. Draußen sprang sie der eisige Sturm an, riss ihr rabenschwarzes Haar zurück, zerrte an ihrer spärlichen Kleidung, und eine Gänsehaut bildete sich auf ihrer zarten weißen Haut. Aber etwas anderes als die Kälte ließ ihr das Blut in den Adern gefrieren, es war die hochgewachsene Gestalt, die das Gelände der Farm gerade mit weiten Schritten verließ und zwischen die Bäume des Waldes tauchte, einen Körper auf den Armen, der in ein flatterndes weißes Nachthemd gehüllt war. »Sandy!« rief die junge Frau gegen das Fauchen des Sturms, und halb nackt, wie sie war, stürmte sie vorwärts, um ihre geliebte Schwester aus den Klauen des Unholds zu befreien. Sie war nicht bewaffnet, sie hatte keine Chance, doch daran verschwendete sie keinen Gedanken, zu sehr war sie von dem ergriffen, was sie gerade gesehen hatte. Hartfaserige Gräser schnitten in ihre schlanken Beine, Steine bohrten sich in ihre Fußsohlen, doch sie spürte den Schmerz kaum, lief nur einfach vorwärts. »Sandy!« Sie kam nicht weit. 5
wie der menschliche Torso so rasant alterte, das Fleisch mumifizierte, verfaulte und die Knochen freigab, bis endlich nur noch Staub zurückblieb, den der Wind verwehte. Seena würgte, fasste sich mit beiden Händen an den Hals. »Seena!« Es war der Ruf eines alten Mannes, der das Tosen des Sturmes nur mühsam übertönte. Sie drehte den Kopf und sah ihren Vater, wie er mit nacktem Oberkörper, nur mit Stiefeln und einer alten, von Hosenträgern gehaltenen Cordhose bekleidet, dastand. Er hielt ein Lasergewehr in den Händen, eine Waffe, die er sich selbst aus mehreren unbrauchbaren Waffen zusammengeschraubt hatte, und dessen Mündung noch rauchte. Er war wohl geweckt worden, als Seena nach ihrer Schwester gerufen hatte, und war hinausgestürmt. Er hatte den Vampir erschossen. Mit einem gezielten Laserschuss, denn Laser war gebündeltes Licht, und Licht vernichtete die Kreaturen der Nacht. Als Sonnenlicht war es für sie tödlich, deshalb fürchteten sie den Tag, und gebündelt als Laserstrahl tat es die gleiche verheerende Wirkung. Ihr Vater stapfte auf sie zu, sein unrasiertes, faltiges Gesicht drückte Erstaunen und Furcht aus, und seine Lippen zitterten. Er wollte eine Antwort haben, wollte wissen, was sie hier draußen tat, doch er war unfähig zu sprechen. »Sandy«, erklärte Seena. »Sie haben Sandy geholt. Graf Orlov war hier. Er hat sich Sandy geholt.« Ihr Vater erschrak, und fast befürchtete sie, ein Herzanfall würde ihn nun fällen. Doch er fing sich wieder. Sein Gesicht drückte unendlichen Schmerz aus. Seine
Sie wusste zunächst nicht woher, doch plötzlich tauchte direkt vor ihrem Gesicht eine dämonische Fratze auf. Glühende Augen starrten sie an, die Schnauze war die eines Tieres. Sie sah spitze Ohren, und lange Fangzähne glitzerten im Licht des Mondes, an dem die Sturmwolken vorbeijagten. Nur flüchtig registrierte sie, dass die hässliche, abstoßende Fratze vor ihr auf dem Kopf stand, weil die Kreatur an dem mächtigen Ast einer knorrigen Eiche hing, mit dem Kopf nach unten. Es war eine riesige Fledermaus, mit borstigem Fell auf dem gekrümmten Leib. Ihr schrilles Kreischen schnitt in Seenas Gehirn, dann griff die Kreatur an, und Seena hatte keine Möglichkeit mehr, ihr aufzuweichen. Die Fänge fuhren auf den Hals der jungen Frau zu, der ungeschützt war, denn sie hatte vor Schreck den Kopf gehoben. Schon sprenkelte der faulige Speichel der Bestie ihre Haut. Sie wollte zubeißen, sie zu einer Kreatur der Nacht machen oder ihr gar den Kopf abbeißen. Erstere war die schlimmere beider Alternativen. Seena kam nicht mal dazu, aufzuschreien. Aber dann löste sich die Dämonenfratze vor ihr einfach auf, verging in einer Explosion aus Flammen, Rauch und kochendem Fleisch und Blut. Der Kopf sprang förmlich auseinander, und Seena hob abwehrend die Arme, um von den hässlichen Fetzen nicht getroffen zu werden. Sie fiel zu Boden, in das harte Gras, das ihre Haut zerschnitt, und vor ihr landete der Rumpf der Kreatur, verwandelte sich in den Körper eines Menschen und zerfiel in Sekunden zu Staub. Es war ein unbeschreiblicher, entsetzlicher Anblick, 6
Augen wurden feucht, stammelte: »Graf Orlov...«
während
er
Sie konnte sich nicht länger um den alten Mann kümmern-, sie musste ihrer Schwester helfen, deshalb jagte sie an ihm vorbei zum Haus zurück, hastete durch den dunklen Flur auf ihr Zimmer zu, betrat es und schlüpfte in eine alte Armeehose mit großen Taschen und in ihre Stiefel. Eine Jacke anzuziehen, um sich gegen den beißenden Sturm zu schützen, daran dachte sie nicht, denn sie hatte es zu eilig. Gedanken wirbelten wild durch ihr Gehirn, sie drehte sich um und sah ihren Vater, der ihr ins Haus zurück gefolgt war und nun in der Tür zu ihrem Zimmer stand, noch immer die Waffe in der Hand. »Gib mir das Gewehr, Vater.« Er antwortete nicht, rührte sich auch nicht. Seine Lippen zitterten immer noch, und ein Speichelfaden hing daran. »Du sollst mir das Gewehr geben, verdammt!« schrie sie ihn an und trat auf ihn zu. »Nein«, sagte er jetzt leise und wich einen Schritt zurück. »Du verdammter alter Narr.« Sie riss ihm die Waffe einfach aus den Händen und überprüfte die Energiebatterie. »Was hast du vor, Seena?« fragte der Alte leise und verstört. »Ich muss Sandy aus den Klauen dieses Unholds befreien, verstehst du das nicht?« Sie klang zornig, wütend. »Graf Orlov...«, sagte er verhalten. »Er ist kein gewöhnlicher Untoter, kein gewöhnlicher Vampir. Er ist ein Vampir-Dämon, ein Wesen der Hölle. Er ist mächtig, er ist grausam.« Er packte sie plötzlich bei den Schultern und drehte sie zu sich herum. »Du kannst ihn nicht jagen, er wird dich töten. Du hast keine Chance.«
»Es geht um Sandy, alter Mann, begreifst du das nicht? Sie ist meine Schwester! Und sie ist deine Tochter.« »Aber das bist du auch«, murmelte er. »Ich habe an diese Bestien bereits deine Mutter verloren, in dieser Nacht deine Schwester. Aber dich - dich will ich nicht auch noch verlieren. Es würde mir das Herz zerreißen. Zwei Töchter in einer einzigen Nacht...« »Du Narr«, fauchte sie ihn an. »Du hast deine Frau verloren, ja. Meine Mutter! Als sie sie holten, hattest du auch nicht den Mut, etwas zu unternehmen. Du hast es einfach geschehen lassen. Und das willst du auch heute wieder tun? Du bist ein feiger alter Mann.« »Graf Orlov wird bereits zurück auf seiner Burg sein«, wandte er ein, während ihm Tränen in die Augen stiegen. »Du kannst ihn nicht mehr einholen, es ist vorbei.« Fast war es ihm, als wolle sie vor ihm ausspucken, doch dann wirbelte sie nur herum und strebte auf die Tür zu. »Halt!« rief er, und sie stoppte tatsächlich und wandte sich ihm noch einmal zu. Er zog ein Kruzifix aus seiner Hosentasche, ein kleines, silbernes Kreuz, und hielt es ihr hin. »Nimm es«, sagte er. »Es wird dich schützen. Es ist das Zeichen des HERRN, es besitzt Macht, denn das Böse kann es nicht ertragen.« Ihre Augen funkelten wild, dann stieß sie hervor: »Es wird mich nicht schützen. Dein Gott hat die Menschen nicht beschützt, als diese Bestien die Erde 7
nahen Berges stand, und deshalb ging auch der Pfad, die erdige Straße, bergauf. Sie wunderte sich, warum sich Graf Orlovnicht gleich zu einer riesigen Fledermaus verwandelt und sein Opfer auf breiten Schwingen durch die Luft getragen hatte, statt zu Fuß den langen Weg zu beschreiten. Aber wahrscheinlich hatte es der dunkle Graf nicht eilig, es war ihm egal, ob er verfolgt wurde, denn was hatten die Sterblichen einem Vampir-Dämon einer Kreatur der Hölle - schon entgegenzusetzen? Seena bezweifelte sogar, ob das Gewehr gegen ihn helfen würde, das gebündelte Laserlicht. Vielleicht hatte ihr Vater recht, vielleicht war es dumm und töricht, den Grafen jagen zu wollen, aber sie musste einfach etwas unternehmen. Sie konnte nicht zulassen, dass ihre Schwester das gleiche Schicksal erlitt wie dereinst ihre Mutter. Die hatte sich ebenfalls Graf Orlov geholt. Auch als Vampir-Dämon unterlag er dem Gesetz der Blutsauger, nicht in ein fremdes Gebäude eindringen zu können, in dem Menschen lebten, wenn man ihn nicht einließ. Aber er hatte Mutter unter einen Bann geschlagen, und sie hatte ihn ins Haus gebeten. Wahrscheinlich war es bei Sandy ähnlich gewesen. Dann hatte der Graf sie zur Frau genommen, denn damals war Seenas Mutter noch sehr jung und schön gewesen. Seena selbst war noch ein Kind gewesen, und Sandy gerade erst vier. Die Vampire liebten junge Frauen. Gut mussten sie aussehen und begehrenswert, stärker noch als bei sterblichen Männern war dieses Verlangen nach äußeren Gelüsten, denn im Gegensatz zu den Sterblichen kannten die Dämonischen kein Gefühl, keine wahre Liebe, und so zählte
überfielen. Nichts hat er unternommen, gar nichts. Er wird auch mich nicht schützen.« »Doch«, keuchte er. »Wenn du an ihn glaubst. Hörst du, du musst glauben! Du musst GOTT vertrauen. Er war es nicht, der das Böse in die Welt ließ, es waren die Menschen selbst.« Sie warf ihm einen abfälligen Blick zu, auch dem Kreuz in seiner Hand, dann wandte sie sich ab und ging. »Du musst glauben!« rief der alte Mann hinter ihr her. »Glauben, hörst du?« Doch sie war schon fort, und zurück blieb der Alte, ergriffen von der Angst, jetzt ganz allein zu sein. Alles hatte er verloren, diese Nacht würde ihm auch das Letzte nehmen. Ahnte Seena denn nicht, wie sehr er sie liebte? Er sank zu Boden, er weinte. Und er begann zu beten...
Der Angriff erfolgte schnell und unerwartet. Seena Rendall hatte sich auf das kleine Motorrad geschwungen, das zur Farm ihres Vaters gehörte, hatte das Lasergewehr so auf die Lenkstange gelegt, dass sie nach Möglichkeit auch beim Fahren einigermaßen damit schießen konnte, und war in die tiefe Nacht gebraust. Sie fuhr nicht quer durch den Wald, sie nahm die kleine, schmale Straße, die mehr ein Trampelpfad war, aber immerhin besser als gar nichts, und gab mehr Gas, als bei diesen Verhältnissen eigentlich gut war. Sie wusste ja, wohin Graf Orlov wollte - zu seiner Burg, die auf dem Gipfel eines 8
für sie nur das Äußere und die Lust und die Gier. Damals hatte Seenas Vater es einfach zugelassen, war verzweifelt gewesen und hatte geheult, hatte aber nichts unternommen in seiner Feigheit, und Seena hasste ihn dafür. Das tat sie noch immer, über all die Jahre hinweg. Seenas Mutter war zur Vampirin geworden, zur Buhle des schwarzen Grafen, seine Geliebte und seine Hure, und Seena, ein junges Mädchen damals noch, hatte stets geschluchzt und geweint, wenn die anderen Jugendlichen, aber auch die älteren, ihr das gesagt hatten, um sie zu quälen und sich an ihr zu rächen für die Untaten, die ihre Mutter als Vampir-Gräfin beging. Dann aber war ein Reverend ins Dorf gekommen, einer jener Priester, die stets auf Wanderschaft waren. Das Dorf Tompstone hatte keinen Priester, niemand verspürte den Ruf dazu und hatte den Mut, diese Aufgabe zu übernehmen und sein Leben zu riskieren, um sich den Teuflischen entgegenzustellen, und so hatte sich der Reverend der Sache angenommen. Er war ein undurchsichtiger, schweigsamer und harter Mann gewesen, nur dem Glauben verhaftet, und Seena fragte sich, ob alle Reverends so waren, denn sie hatte bisher nur diesen gesehen. Doch der Reverend hatte wenigstens tröstende Worte für sie gehabt, hatte für einen Moment ihre Qual gelindert und von der göttlichen Bestimmung gesprochen, und Seena hatte an Gott zu glauben begonnen, an seine unermessliche Gnade und an die Erlösung. Aber dann hatte der Reverend die Vampir-Gräfin, ihre Mutter, gefangen, ihr Gesicht war entstellt gewesen, verätzt vom Weihwasser, das er ihr entgegengespritzt hatte.
Dann hatte er sie auf den Dorfplatz gezerrt und sie gepfählt, während alle Dorfbewohner gejohlt und gejubelt hatten und auch Seena mit ihrer kleinen Schwester hatte zugucken müssen. Ihre Mutter war nicht zu Staub verfallen, das taten nur wirklich alte Vampire, die über Jahrhunderte gelebt hatten und die der Alterungsprozess dann schlagartig einholte. Ihre Mutter hatte wieder ausgesehen wie früher, auch ihr Gesicht war nicht mehr entstellt gewesen, und es hatte ausgesehen, als ob sie schliefe. Dann aber hatte der Reverend ihre sterbliche Hülle auf einen Scheiterhaufen gelegt und sie verbrannt. Das verzehrende Feuer hatte ihren schönen Körper endgültig zerstört. Es hatte nach verbranntem Fleisch gerochen, und die kleine Sandy hatte geschrien und getobt, und Seena hatte den Reverend gehasst, da konnte er noch so viel von Erlösung sprechen und ihr Trost schenken wollen. Sie hatte sich auch wieder abgekehrt vom Glauben. Was sie gesehen hatte - sah so die Erlösung aus? Auch ihr Vater hatte einfach nur zugesehen, und jetzt erzählte er wieder vom Glauben und von Gott? Sie hasste ihn noch mehr dafür! Graf Orlov hatte sich an dem Reverend grausam gerächt. Er hatte ihn zu einem Untoten gemacht, zu einer Kreatur des Teufels, die nicht sterben konnte, aber er hatte ihn beerdigt, lebendig begraben, das hatte er in einer Nacht im ganzen Dorf höhnisch herumgebrüllt. Der Reverend würde bis in alle Ewigkeiten in seinem Sarg liegen, nach Blut dürsten, sich aber nicht befreien können und dieses 9
Schlamm weg, kam vom Weg ab und prallte mit dem Vorderrad gegen einen umgestürzten Baum. Seena schrie auf, wurde von der Fliehkraft aus dem Sattel gerissen und flog wie eine weggeworfene Puppe durch die Luft. Alles um sie herum wurde schwarz, und als sie wieder zu sich kam, lag sie im dichten Unterholz. Sie wusste nicht, wie lange sie bewusstlos gewesen war. Sie wusste auch nicht, ob und wie schwer sie verletzt war, aber sie sah die Maschine neben sich liegen, und sie war völlig zerstört. Und dann sah sie die Kreaturen, die Vampire, die auf sie zujagten, um ihr die spitzen, messerscharfen Fänge in den schlanken Hals zu schlagen. Sie spürte, dass sie noch etwas in der Hand hatte, metallisch und kalt war es. Das Lasergewehr, sie hatte es nicht losgelassen, als sie durch die Luft geschleudert worden und im Unterholz aufgeschlagen war. Wie eine Ertrinkende hatte sie sich daran festgeklammert, denn es war das einzige, was sie noch schützen konnte vor dem Tod - oder vor Schlimmerem. Sie riss es hoch, sie schoss, und ein Vampir wurde mit aufgesprengtem Brustkorb zur Seite geschleudert, aber da war der vorderste bereits heran, seine Augen schienen Feuer zu versprühen, und sein fauliger Odem raubte Seena den Atem. Trotzdem, sie feuerte nochmals, aber der Kopf der heranrasenden Bestie war bereits sehr nahe, und als er von dem Laserblitz getroffen wurde und explodierte, spritzte kochendes Blut und Fleisch in Seenas Gesicht. Es war Dämonenblut, es schien ihre Haut in Feuer zu setzen, und sie schrie gellend auf, ließ das Gewehr fallen und drückte die Hände aufs Gesicht. Ein böser Fehler.
schreckliche Schicksal erleiden, bis die Welt selbst unterging. Eine grausame, entsetzliche Rache. Seena fragte sich, ob die Geschichte von damals mit der Entführung von Sandy zusammenhing. Suchte der Blutgraf nun eine neue Frau? Sollte es die Tochter sein, wollte er die Blutlinie weiter fortsetzen oder die an den Rendalls begangene Untat noch verstärken, weil ihr Schmerz noch nicht reichte und sich der Vampir-Dämon daran weiden wollte? All diese Gedanken gingen ihr während der wilden, gefährlichen Fahrt durch die Nacht und den Sturm durch den Kopf, ungeordnet und wirr, und inzwischen hatte es angefangen zu regnen, was die Straße in eine Schlammpiste verwandelte, die mörderisch war. Dann erfolgte er Angriff. Sie schossen aus der Nacht heraus auf sie zu, vier, fünf, nein - sechs Kreaturen. Riesige Fledermäuse mit mächtigen Schwingen. Ihre Augen glühten wie Kohlen im Feuer der Hölle. Kreischend stürzten sie sich auf das Mädchen auf dem Motorrad. Seena reagierte, und es verwunderte sie selbst, wie schnell sie das tat. Sie hob das Lasergewehr mit nur einer Hand und schoss. Sie schoss mehrmals, mindestens fünf oder sechs Laserblitze durchstießen die pechschwarze Nacht, und zweimal traf sie. Kreischend stürzten die beiden Kreaturen vom Himmel, und noch während sie fielen, wurden ihre Körper von Flammen eingehüllt, glühten, zuckten - und explodierten in der Luft, zerplatzten wie Gasballons, und die Fetzen ihrer Körper wirbelten umher. Doch Seena hatte nicht mehr auf ihre rasante Fahrt achten können, während sie schoss. Die Maschine rutschte im 10
Ein mörderischer Fehler. Denn eine der verbleibenden Kreaturen war jetzt heran. Seena konnte sie zwischen den Fingern ihrer einen Hand hindurch erblicken, die glühenden Augen, die Fangzähne. Aus, schoss es ihr durch den Kopf. Aus und vorbei!
Die Lederhose, die er trug, war die eines Motorrad-Junkies, abgewetzt und dreckig. Ein schwarzes Hemd, staubig, mit einem weißen Kragen, davor hing ein silbernes Kruzifix... Dieser Mann musste ein Priester sein. Oder vielmehr ein Reverend! Sein Gesicht war hart und unrasiert, voll tiefem Ernst, seine Augen lagen weit in den Höhlen, und selbst aus der Entfernung hatte sein Blick etwas Stechendes, Bedrohendes, als könne er tief in die Seele seines Gegenübers blicken und alle Sünden dort ablesen wie in einem aufgeschlagenen Buch. Seine Haare waren blond und militärisch kurz geschnitten. Um seine Schulter hatte er eine Art Waffengurt geschlungen, angespitzte Eichenpflöcke waren darin aneinander gereiht. Ein Reverend! Wie er da im strömenden Regen stand, die Waffe in den Händen, beleuchtet von den zuckenden, grellen Blitzen, der lange Ledermantel flatternd im tosenden Sturm, wirkte er wie die Rache Gottes! Er hatte den Vampir erschossen, war jetzt von seiner Harley gestiegen, doch die verbleibenden zwei Vampire griffen ihn sofort von zwei Seiten an. Sie nahmen ihn in die Zange, und sie waren ungeheuer schnell. Er konnte sich nur zu einer Seite hin verteidigen. Er überlegte nicht lange, richtete die Mündung des Lasergewehrs auf den Vampir vor ihm und schickte die Kreatur auf dem direkten Weg zur Hölle. Doch da war der letzte der Vampire heran, direkt im Rucken des Reverends. Doch dieser reagierte mit traumhafter
Dann sah Seena, wie ein gleißender Laserstrahl die Kreatur traf und zur Seite wischte. Kreischend landete sie im Unterholz, zappelte, kämpfte verzweifelt gegen die Flammen an, die ihren Körper verzehrten, schaffte es aber nicht und verbrannte bei lebendigem Leibe. Das Schreien und Kreischen war schier unerträglich. Seena drehte den Kopf, ließ die Hände von ihrem immer noch schmerzenden Gesicht sinken - und sah ihn! Er war von hoch gewachsener, breitschultriger Statur und saß auf einem schweren Motorrad, einer Harley Davidson, wie sie noch bis Anfang dieses Jahrhunderts gebaut worden war - bevor die Dämonen kamen. Sie hatte die Maschine nicht heranfahren hören. Das war wohl geschehen, während sie sekundenlang ohnmächtig gewesen war, doch jetzt war der Motor der Harley erstorben, und ihr Fahrer stieg aus dem Sitz, eine beeindruckende Gestalt in schwarzem Leder, auf dem der strömende Regen im zuckendem Licht der Blitze glänzte. Er war ganz in Schwarz gekleidet, er trug einen langen, schwarzen Ledermantel, der bis hinab zu den schweren MotocrossStiefeln fiel, in denen sogar noch Waffen steckten. 11
geschnallt war, und rammte sie der Kreatur in den Leib. Sie schrie und kreischte, aber der Reverend griff hinter seinen Rücken, holte einen Hammer hervor, einen schweren Holzhammer, und damit trieb er den Pflock weiter in die Brust des Vampirs, bis er das Herz durchbohrt hatte. Überall war Blut, schwarzes Blut. Dann war die Kreatur tot. Endgültig tot, denn gestorben war sie schon, als der Vampir-Dämon oder ein anderer Vampir ihn zum Untoten gemacht hatte. Jetzt aber war auch dieses untote Leben aus ihm gewichen. Der Reverend sank erschöpft neben der toten Kreatur zu Boden, die sich jetzt in einen Menschen zurückverwandelte. Seena schrie auf. »Hampton!« Sie kannte den Mann, der zum Vampir geworden war. Vor Jahren, als sie noch ein Teenager gewesen war, hatte er ihr den Hof gemacht. Es war eine erste, unschuldige Liebe gewesen. Dann hatte sie nie wieder von ihm gehört, sie hatte ihn völlig vergessen und wäre nie darauf gekommen, dass er ein Opfer der Höllenschergen geworden war. Nun aber stiegen die Erinnerungen wieder in ihr hoch, und eine eiskalte Klaue schien ihr Herz zusammenzudrücken.
Schnelligkeit, duckte sich, so daß er den Klauen der Höllenkreatur entging und sie ihn nur streiften. Trotzdem stieß ihn die Wucht des Aufpralls zu Boden, und dabei verlor er das Gewehr, das ins Unterholz geschleudert wurde. Kein Ton drang über die Lippen des Reverends, auch kein Fluch, wie Seena es erwartet hätte. Aber natürlich blieb er aus, denn dieser Mann war ein Streiter Gottes er fluchte nie. Der Vampir stoppte seinen Flug abrupt und stürzte sich wieder auf den Reverend. Kreischend stieß er auf den Mann am Boden hernieder, und es sah so aus, als wenn dieser keine Chance mehr hätte. Doch der Reverend wirbelte im allerletzten Augenblick herum. Er hatte etwas in der Hand, eine Art Phiole, und Wasser spritzte daraus hervor, Weihwasser. Der Vampir hielt sofort inne, er kreischte, und Rauch und beißender Qualm stieg aus seinem Gesicht, in dem es nun brodelte und ätzte. Für Sekunden war der Vampir hilflos, dann wollte er sich in die Luft schwingen, doch das ließ der Reverend nicht zu. Er stürzte sich auf die Bestie, klammerte sich in ihrem borstigen, widerlichen Fell fest und zwang sie mit seinem Gewicht wieder nach unten. Etwas blitzte in der Hand des Reverends auf. Es war ein Silberdolch, den er aus der Scheide seines rechten Stiefels gezogen hatte, und damit stach er jetzt zu, immer und immer wieder. Er achtete nicht darauf, dass das schwarze Blut der Bestie sein Gesicht sprenkelte, er stach unaufhörlich zu, bis die Kreatur hilflos um sich schlagend zu Boden sank. Der Reverend kam über ihr zu liegen, zog einen der Eichenpflöcke aus seinem Waffengurt, der quer über seine Brust
Der Reverend erhob sich, straffte sich, sammelte seine Warfen ein und stand dann vor dem Gepfählten. Er schrieb ein Kreuzzeichen mit zwei Fingern in die Luft, und Seena erschrak fast, als sie sah, wie er 12
das tat. Er murmelte sogar ein kurzes Gebet, dann wandte er sich ihr zu. »Du kanntest ihn, meine Tochter?« Tochter! Wie sie es hasste, dass dieser wildfremde Mann sie so ansprach. So hatte sie auch der Reverend angesprochen, der ihre Mutter auf dem Gewissen hatte, aber damals war sie noch ein Kind gewesen. Dieser Mann aber mochte Mitte Dreißig sein, und für Seena war dieser Altersunterschied nicht allzu groß, auch ältere Männer waren schon hinter ihr her gewesen und zogen sie mit ihren gierigen Blicken regelmäßig aus, wenn sie mit ihrer Schwester und ihrem Vater ins Dorf ging... Jetzt erst, da ihr dieser Gedanke kam, fiel ihr auf, dass sie nicht gerade sittsam gekleidet war, und das gegenüber diesem wildfremden Mann. Sie trug immer noch das Shirt, das sie nachts zum Schlafen trug, und das war ihr eigentlich viel zu eng. Der Stoff spannte sich über ihren festen, mädchenhaften Brüsten. Der Regen hatte das Shirt durchsichtig werden lassen, und es ließ auch ihren flachen Bauch mit dem Nabel frei. Der Regen glänzte dort auf der Haut. Sie schämte sich, wollte es nicht zeigen, aber trotzdem verschränkte sie unwillkürlich die Arme vor ihren Brüsten. Es war ihr jetzt auch kalt, sie fröstelte. Sie sah den Reverend an, diese düstere, hoch gewachsene Gestalt, versuchte etwas in seinem Blick zu erkennen. Doch seine Augen ruhten nicht auf ihren weiblichen Rundungen, wie sie befürchtet hatte und es bei Männern leider als selbstverständlich ansah. Er schien es gar nicht zu registrieren, sondern sah ihr direkt ins Gesicht. Die Reverends unterwarfen sich wie alle Priester dem strengen Zölibat, das behaupteten sie jedenfalls von sich selbst.
Doch es kamen immer wieder Gerüchte auf, die dem widersprachen. Vielleicht auch, weil niemand es sich so recht vorstellen konnte. Anfang des Jahrhunderts hatte man das Zölibat bei Priestern generell aufgehoben, doch dann, nachdem die Dämonen die Welt überfallen hatten, unterwarfen sich die Priester diesem wieder. Je strenger die Sitten waren, so glaubten sie, desto fester wären sie in ihrem Glauben... Dieser Mann schien jegliches körperliches Empfinden von sich abgelegt zu haben. Er erschien ihr selbst wie ein Dämon, der einem unheimlichen Zwang unterlag, denn sein Blick war stechend wie der einer Höllenkreatur. Wie sie diesen Blick hasste, der so tief in die Seele ging. Der Reverend, der ihre Mutter getötet hatte, hatte denselben Blick gehabt. Nein, dieser hier war noch strenger, noch unheimlicher. »Du hast ihn gekannt?« wiederholte der Reverend jetzt mit rauer Stimme. »Ja...«, stotterte sie fröstelnd und erhob sich jetzt. Offensichtlich hatte sie sich nichts gebrochen, doch ihr Körper schmerzte. Sie spürte, dass sie sich am Rücken über dem Schulterblatt schwer verletzt haben musste. Als sie sich erhob, streckte ihr der Reverend hilfreich die Hand hin, aber sie nahm sie nicht an und fügte hinzu: »Er war ein Junge aus Tompstone.« »Tompstone?« »Ein nahe gelegenes Dorf. Ich wusste nicht, dass er ein Vampir war.« Sie sah den Toten an. »Er war ein ehrlicher, hilfreicher Bursche, hat stets hart gearbeitet. Sie haben ihn umgebracht.« 13
»Ich heiße Pain«, sagte er. »Reverend Pain.« Pain, dachte sie. Schmerz. Ein toller Name. Schmerzen, die wollte er den Sündern wahrscheinlich bereiten, indem er ihre Seele dem Fegefeuer überantwortete, wenn er sie verdammte. Das würde zu diesem finsteren Mann jedenfalls passen. Sogleich dachte sie wieder an den Mann, der ihre Mutter gequält und ermordet hatte, diesen anderen Reverend. Er war jetzt zur Hölle gefahren. Sein Schicksal war vielleicht noch schlimmer als das Fegefeuer, von dem die Priesterschaft immer sprach. »Du wirst mir sagen, was hier geschehen ist, Tochter«, sagte der Reverend jetzt wieder, und es klang wie ein Befehl. Vom Regen, Sturm und zuckenden Blitzen umtobt stand er vor ihr, eineschwarze Gestalt aus einer anderen Welt. Aus einer Welt, die noch finsterer und grausamer sein musste als diese hier. »Du wirst mir sagen, warum die Schergen der Finsternis hier sind. Dann kann ich ihnen entgegentreten, sie auslöschen. Ich werde die Sünde von diesem Ort verbannen und damit das Böse vertreiben.« Sie erschrak. Sie dachte an ihre Mutter - und an Sandy. Graf Orlov - wenn er Sandy bereits zur Vampirin gemacht hatte, zu seiner Braut, was war dann? Dieser Reverend würde sie ebenfalls jagen, er würde sie ebenfalls quälen und sie ermorden, da war sie sich sicher. Der Blick dieses Mannes war eiskalt, er wirkte unberechenbar. »Gehen Sie zum Teufel!« rief sie jetzt, doch Angst hatte sie ergriffen »Die Sache geht Sie nichts an « In seinen Augen blitzte es Es war, als spiegelte sich dort der Zorn seines Gottes wieder
»Ich habe ihn erlöst. Seine Seele ruht jetzt bei GOTT.« Es klang nicht pathetisch, er sagte es sachlich und kühl. »Bei Gott...«, schnaubte sie spöttisch. »Und Sie glauben daran. O Mann...« »Natürlich glaube ich daran«, erwiderte er, aber es lag kein Vorwurf in seiner Stimme. »Du bist verwirrt, meine Tochter. Deshalb sind deine Worte jetzt böse. Du hast gesehen, was das Böse tut, also sprich nicht so. Es ist Sünde, so zu sprechen.« »Sünde?« rief sie. »Mann, danke für Ihre Hilfe, aber Ihre guten Ratschläge können Sie sich sparen. Sie sind ein Reverend, nicht wahr?« »Ja, das bin ich. Ein Mann des HERRN...« »Gut, Mann des Herrn«, spottete sie. »Ich danke Ihnen, dass Sie diese Kreaturen erledigt haben, wirklich, aber jetzt lassen Sie mich in Ruhe, ich habe zu tun.« »Was hast du zu tun, meine Tochter?« wollte er wissen. »Ein Mädchen in deinem Alter, bewaffnet mit einem Lasergewehr hier in der Nacht? Das ist nicht richtig. Du solltest daheim sein, bei Vater und Mutter, und dich nicht der Gefahr aussetzen. Denn das Böse lauert hier, du hast es gesehen. Hätten sie dich ergriffen, wärst auch du zu einer Dienerin der Hölle geworden, und das Fegefeuer ist heiß und grässlich, glaube mir. Nein, ein Mädchen wie du sollte nicht in so einer Nacht draußen sein, denn Kreaturen des Bösen lauern hier, und also ist auch die Sünde an diesem Ort, denn nur, wo die Sünde ist, kann auch das Böse sein. Die Sünde ist die Saat, und das Böse die Ernte...« Als er da wieder von der Sünde sprach, schlang sie die Arme noch fester um ihre Brüste, aber sie herrschte ihn an: »Ich bin kein kleines Mädchen, Reverend! Wie wie heißen Sie überhaupt?« 14
»Sehr wohl geht mich diese Sache etwas an1« Plötzlich ergriff er ihr Handgelenk Sem Blick bohrte sich regelrecht in sie Sem Griff war hart und tat ihr weh »Und zum Gottseibeiuns werde nicht ich gehen, aber vielleicht ein paar Seelen, wenn ich sie nicht retten kann Also wirst du reden, und du wirst deine Zunge zügeln, denn was du sagst, erfreut weder mich noch den HERRN, den Allmachtigen « Und auf diesem Weg gab es nur Buße und harte Strafe oder Verdammnis und Tod Nein, sie durfte ihm nichts von Sandy sagen, das wurde ihr immer klarer Dieser fanatische Blick in seinen Augen, seine strenge Stimme - er wurde Sandy töten »Niemand hat Sie gerufen, Reverend! Also ziehen Sie ab « Sie riss sich los »Ich komme auch ohne Sie klar « Er wies auf ihr Motorrad »Deine Maschine ist nur noch Schrott Ich lasse nicht zu, dass du in einer Nacht wie dieser, in der das Böse regiert, zu Fuß gehst, wo immer du hinwillst Du kommst mit mir « »Das werde ich nicht, Reverend « »Du hast keine Wahl Und ich bin für dich verantwortlich « »Wie kommen Sie darauf? Sie bilden sich ganz schon was ein1« »GOTT hat mir diese Verantwortung gegeben Ich bin berufen1 Und jetzt komm und sag mir, wo dem Zuhause ist « Eigentlich hatte er recht Sie konnte es nicht allein mit Graf Orlov, dem VampirDämon, aufnehmen. Schon diese Vampire, die ihr hier auflauerten, hatten sie fast erledigt Und der Vampir-Dämon selbst war noch viel stärker und mächtiger, stärker sogar als eine ganze Heerschar dieser KreaturenUnd zu Fuß nach Hause zu gehen, da hatte der Reverend recht, war auch zu gefährlich.
Von Kindheitstagen an hatte man es ihr eingebläut, dass man die Nacht, die Finsternis meiden musste Im Dunkeln lauerten die Schrecken der Hölle, und sie holten einen dann, wohin, davon wagte niemand zu sprechen
Sie war verzweifelt Sie hatte Angst Angst um sich und um ihre geliebte Schwester, der sie so lange die Mutter ersetzt hatte Doch schützen können hatte sie sie letztendlich nicht Aber wenn sie sich diesem unheimlichen Mann anvertraute, wenn sie sich von ihm nach Hause bringen ließ, dann wurde ihr Vater ihm von Sandy erzählen Das hatte er schon einmal getan, bei ihrer Mutter, auch sie hatte er damals verraten. Ihr Vater war ein gläubiger Mann, es gab zwar keinen Priester im Dorf, und so konnte er nicht regelmäßig zur Kirche gehen, doch er hatte es sicher getan, er war immer ein recht frommer und gottesfurchtiger Mann gewesen Dieser Reverend wurde ihn um den Finger wickeln mit seinem Gequatsche von Sünde und Erlösung, und dann wurde er Sandy toten »Lassen Sie mich in Ruhe, hören Sie?« schrie sie ihn an, und die Verzweiflung nahm in ihr Uberhand, denn die Situation war aussichtslos Tranen stiegen ihr jetztindie Augen, liefen ihr durchs Gesicht und vermischen sich mit dem Regen »Lassen Sie mich in Ruhe, ist das klar?« 15
Olga Blair war eine sehr alte Frau. Sie war auch Witwe, und die meisten Jahre ihres langen Lebens hatte sie in Verbitterung und Trauer zugebracht. Sie war die Dorfschullehrerin von Tompstone, und nur das erfreute ihr trauriges Leben ein bisschen, auch wenn ihr die Arbeit mit ihren über sechzig Jahren mittlerweile sehr schwer fiel. Sie hatte ein kleines Haus mit nur wenigen Zimmern, fast eine Hütte, am Dorfrand, das sie nur noch verließ, um zur Schule oder zum Markt zu gehen. Sie war anerkannt, die Bewohner des Dorfes schätzten sie, doch sie hatte seit Jahrzehnten jeglichen Kontakt zu Freunden und Bekannten abgebrochen. Damals, seit jener verhängnisvollen Nacht. Da war sie noch eine junge Frau gewesen, strahlend schön, und sie war mit Jim Blair verheiratet gewesen, einem attraktiven, starken Mann, der sie liebte und vergötterte. Dann aber kamen die Vampire. Sie konnten nicht ins Haus gelangen, nicht, wenn sie nicht eingeladen wurden, aber des Nachts hatten sie das Haus regelmäßig belagert. Sie hassten die Dorfschullehrerin, die in ihrem Glauben unverrückbar war. Es gab in Tompstone keinen Priester, nie hatte jemand den Mut aufgebracht, dieses Amt zu bekleiden. Olga vielleicht, doch Frauen war dieses Amt verwehrt. Generell, seit es die Priesterschaft wieder gab. Doch trotzdem sprach Olga Blair das Wort GOTTES, sie gab den Glauben an ihre Schüler und Schülerinnen weiter, stärkte sie in ihrem Glauben und machte aus ihnen gottesfürchtige Menschen. Sie ersetzte damit den Priester, der diesem Ort so schmerzlich fehlte, und die Vampirhorde, allen voran Graf Orlov, hasste sie dafür.
Sie wandte sich ab, aber bei der ruckartigen Bewegung spürte sie wieder die Verletzung in ihrem Rucken, und das schlimmer als zuvor Ein stechender, fast unerträglicher Schmerz tobte durch ihren schlanken Korper Sie konnte sich kaum noch auf den Füßen halten. Dann wankte sie und ging in die Knie, weil ihr die Beine einfach wegknickten. Sie war so erschöpft, der Schmerz und die Verzweiflung überschwemmten sie wie eine Woge, und jetzt brach sich das Entsetzen freie Bahn. Sie weinte, sie heulte, und sie schämte sich nicht einmal dafür. Plötzlich spürte sie etwas auf ihrer Schulter. Der Reverend hatte seinen Mantel ausgezogen und legte ihr das schwere Leder um. Dann spürte sie seine Hand, die er ihr sanft auf den Kopf legte. »Tochter, du kannst mir vertrauen«, sagte er nun mit ruhiger Stimme. »Ich bin ein Mann des HERRN, und der HERR ist der göttliche Zorn und die Rache, aber er bringt auch Gnade und Liebe. Du musst mir vertrauen, und du brauchst keine Furcht zu haben, wenn dein Herz rein ist. Und sollte dem nicht so sein, so bin nicht ich es, der dich verurteilen wird, denn nur GOTT, dem HERRN, steht das zu.« Sie weinte immer noch, dann aber schluchzte sie mit tränenerstickter Stimme: »Helfen Sie mir, Reverend Pain. Bitte, helfen Sie mir...« Da ging er neben ihr in die Knie und legte seine Arme um sie, um sie an sich zu drücken, und Seena legte ihren Kopf an seine Brust und weinte unaufhörlich... Sie konnte diesem Mann nicht trauen, und das tat sie auch nicht. Aber trotzdem brauchte sie ihn jetzt.
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Sie hassten sie so sehr, dass sie ihr nur Schmerzen bereiten wollten, dass sie sie terrorisierten, indem sie ihr Haus belagerten. Und dann, in dieser verhängnisvollen stürmischen Nacht, hatten sie sich grausam an der damals noch jungen und schönen Olga gerächt. Einem der Vampire war es gelungen, sie in ihren Bann zu schlagen, und dann hatten sie das Schreckliche, Unglaubliche getan. Ihr Mann, Jim, hatte tief und fest geschlafen, als sie den unheimlichen Ruf vernommen hatte. Sie war bei vollem Bewusstsein gewesen, hatte sich gefürchtet, ihr Herz hatte sich zusammengekrampft, und trotzdem hatte sie dem Ruf nicht widerstehen können, so sehr sie sich auch dagegen gewehrt hatte. Sie hatte sich von ihrem Lager erhoben, war zur Tür geschritten... Und sie hatte den Vampiren Einlass gewährt. Graf Orlov war bei ihnen gewesen. Mit seinem teuflischen, bösartigen Grinsen hatte er sie verhöhnt. Doch sie hatten sie nicht getötet. Nein, es war viel schlimmer. Wie in Trance hatte sie zusehen müssen, wie sie Jim ergriffen, ihn bissen, ihm das Blut aus dem Körper saugten, und sie hatte zusehen müssen, hatte sich nicht regen können, hatte keinen Laut von sich geben können, obwohl in ihrem Innersten alles verzweifelt aufgeschrien hatte. Aber sie hatte zusehen müssen, wie sie aus ihrem geliebten Mann einen Untoten machten. Dann hatten sie sie mit Jim allein gelassen, und Graf Orlov hatte noch zu ihr gesagt: »Du siehst, wohin dich deine Gottesfurcht geführt hat. Deine Schuld ist es, was mit deinem geliebten Mann geschehen ist.
Sieh, was du aus ihm gemacht hast, Weib. Es ist deine Schuld, und mit dieser Schuld musst du leben bis in alle Ewigkeit.« Nein, sie hatten sie nicht zur Vampirin gemacht, denn dann hätte sie den Schmerz nicht ertragen müssen. Vampire kannten keine Skrupel, keine Trauer, keinen seelischen Schmerz, der für Olga schlimmer war als die grausigste Folter. Auch Jesus, der HERR, hatte Schmerzen ertragen, und so erlitt sie körperlichen Schmerz gern, wenn sie damit ihren Glauben verteidigte, denn so hatte es der HERR doch gelehrt. Aber diesen Schmerz konnte sie einfach nicht ertragen. Sie hatten Jim bei ihr zurückgelassen, sie hatten ihm auch so viel Blut entzogen, dass er in den ersten Stunden seines Vampirdaseins viel zu schwach war, um sich selbst zu retten. Es hätte genügt, weniger Blut zu saugen, ihm den Vampirkeim in die Adern zu pflanzen, um ihn zu einem der ihrigen zu machen, doch das war nicht ihre Absicht gewesen. Er hatte auf dem Bett gelegen, das Laken blutbesudelt, hatte sich nicht rühren können, aber gekeucht, hässlich und böse, und Olga hatte auch die langen Eckzähne in seinem Mund gesehen, die ihm gewachsen waren, und er hatte sie trotz seiner Schwäche mit funkelnden Augen angestarrt, und Blutgier war darin zu lesen gewesen. Wenn er wieder zu Kräften gekornmen wäre, hätte er sie gebissen, denn keine Liebe, keine Gnade war mehr in ihm. 17
In dieser Nacht herrschte ein Unwetter, als hatten sich die Pforten der Hölle geöffnet Grelle Blitze zerrissen das Dunkel der Nacht, der Donner grollte, als wolle er die Hauser des Dorfes unter sich zermalmen Es war eine Nacht wie damals, als Graf Orlov gekommen war Es war ihre Schuld, dass Jim gestorben war Ihre Schuld Ihre Schuld
Olga Blair hatte nichts tun können, sie war erstarrt in ihrem Schrecken, hatte einfach nur dagesessen, stundenlang, und auf ihren Mann gesehen, der sie so blutlüstern anstarrte. Und dann war die Sonne aufgegangen, hatte sich über den Horizont erhoben als blutroter Feuerball, und Jim hatte angefangen zu schreien, dann schrill zu kreischen. Sie hatte gesehen, wie seine Haut angefangen hatte, Blasen zu werfen, dann war Qualm aufgestiegen, es hatte nach verbranntem Fleisch gerochen, er hatte sich hilflos hin und hergewälzt, dann fing sein Körper Feuer, er verbrannte bei lebendigem Leib, und auch das Bett brannte, schließlich das ganze Haus Olga hatte sich zunächst nicht bewegt, wollte auch sich den Flammen überantworten Welchen Sinn hatte das Leben schon ohne Jim, ein Leben, in dem es nur noch Leere und Trauer und Grauen gab? Dann aber hatte der Uberlebenstneb in ihr gesiegt Nein, Orlov sollte nicht triumphieren, sein Sieg sollte nicht absolut sein Aber sie schämte sich trotzdem dafür Dass sie davongelaufen war, sich nicht zusammen mit Jim der Gnade GOTTES überlassen hatte, das war es, das sie am schlimmsten peinigte Peinigte bis in alle Ewigkeit, so wie Orlov es gesagt hatte Sie litt noch immer, sie hatte sich zurückgezogen vom Leben, sie gab an ihre Schülern und Schülerinnen immer noch das Wort GOTTES weiter, aber ihr Leben war einsam geworden, eine Aneinanderreihung aus Tagen des Schmerzes und der Trauer Jetzt wohnte sie in diesem Haus, und ihr Leben war Schmerz
Olga lag wach in ihrem Bett Sie konnte nicht schlafen. Irgendwann, das wusste sie, würden die Vampire auch sie holen, denn sie hatte nicht aufgehört, das Wort GOTTES zu verbreiten Wenn sie sie töten würden, wäre Olga ihnen sogar dankbar dafür, denn dann hatte der ewig wahrende Schmerz ein Ende, doch das wurden sie nicht tun Sie würden sie zu einer der ihren machen, eine alte Frau, gefangen in der Unsterblichkeit ohne Hoffnung auf Erlösung Wahrscheinlich wurde sie in einer Gruft hausen und sich nicht einmal bei Nacht hinaustrauen, denn auch als Vampirin würde ihr Korper alt und schwächlich sein. Sie wurde die Ewigkeit verbringen zusammen mit Ratten und Würmern und den Gebeinen von Toten Vielleicht hatte sie dieses Schicksal ja verdient Weil letztendlich Graf Orlov recht damit hatte, dass sie Schuld war an Jims grauenvollem Tod Und dann horte sie plötzlich das Klopfen an ihrer Haustür, erst leise, dann lauter und drängender Ihr Herz krampfte sich zusammen. Sie kommen, dachte sie Jetzt werden sie dich holen Sie war erstarrt Sie konnte sich nicht rühren 18
Das Klopfen wurde noch lauter, und jetzt horte sie eine raue Stimme »Aufmachen1« rief jemand »Wir brauchen Ihre Hilfe1« Ihre Hilfe? Würden Vampire je ihre Hilfe verlangen?
Und so erhob sich die alte Olga und schlich durch die Dunkelheit ihres kleinen Hauses auf die Tür zu Wieder klopfte es, und wieder überkam sie die Angst und presste ihr Herz wie eine Klaue aus Eis zusammen Und wenn es doch nur ein Trick war? »Wer - wer ist da?« stammelte sie ängstlich »Öffnen Sie, gute Frau1 Wir brauen Ihre Hilfe « Sie zitterte, doch dann bewegte sich ihre Hand vorsichtig auf den Balken zu, der die Tür verrammelte Sie schob ihn beiseite, es ächzte, dann trat sie zurück Und im nächsten Moment wurde die Tür aufgestoßen Draußen donnerte es, ein Blitz grellte auf
Aber es war bestimmt nur ein Trick. Ein Trick, damit sie diese Kreaturen der Hölle wieder ms Haus bat Wenn sie erst mal vor der Tür stand, wurden sie sie in ihren Bann schlagen »Machen Sie auf Wir brauchen Ihre Hilfe « rief wieder die Mannerstimme Aber was war, wenn draußen wirklich jemand Hilfe brauchte? Sie durfte einem Bruder diese Hilfe doch nicht verweigern, nicht in so einer Nacht, die vom Bösen beseelt zu sein schien Aber die Angst hielt sie in ihren Klauen Außerdem, wer wurde sich in so einer Nacht nach draußen wagen? Alle Bewohner des Dorfes hatten Türen und Fenster verrammelt, wie sie es jede Nacht taten Niemand wagte sich in die Finsternis der Nacht, es wäre zwangsläufig sein Verderben »Im Namen des HERRN Jesu Christi1« rief da die Stimme »Machen Sie auf « Und ]etzt erschrak sie Im Namen des HERRN! Jesu Christi! Würde eine der Kreaturen es je wagen, den Namen des HERRN in so einem Tonfall auszusprechen, ohne Spott und Hohn in der Stimme? Würde dann nicht der Mund der Höllenkreatur bei diesen Worten in Flammen auflodern, ihr die Zunge verfaulen? Oder waren diese Kreaturen tatsächlich so mächtig?
Und da stand eine Gestalt, der Hölle selbst entwachsen, so schien es Groß, schwarz, mit einem flatternden Umhang, der zunächst wie lednge Flügel wirkte Die Gestalt hatte ein junges Madchen auf den Armen, die dann lag wie tot. Sie war kaum bekleidet, zumindest das Shirt, das sie trug und das vom Regen durchsichtig war und an vielen Stellen mit schwarzer Erde verdreckt, als hatte man sie dem Grab entrissen, schmiegte sich eng an die Rundungen ihrer Weiblichkeit Die alte Olga trat erschrocken zurück, dann bekreuzigte sie sich
Nein, niemand und nichts war mächtiger als das Wort GOTTES! 19
Madchen auf dem Sofa weg und drehte sich langsam um Olga erschrak Der Mann, der vor ihr stand, wirkte so unheimlich, so gefahrlich, als hatte er eine Aura, die Strenge und Gefahr ausstrahlte Erst auf dem zweiten Blick erkannte sie den weißen Kragen des schwarzen, staubigen Hemdes und das silberne Kreuz, das vor seiner Brust hing Dieser Mann war ein Priester! Nein, ein Reverend! Und Olga erschrak abermals Sie war eine gottesfurchtige Frau, war es immer gewesen, doch sie hatte auch Angst vor den Mannern des HERRN, denn sie erkannten ihre Sünden, da war sie sich sicher Sie musste Buße tun, auch das wusste sie, denn sonst überantworteten diese Manner ihre Seele dem Feuer der Hölle in ihrem gerechten Zorn Keine Sünde, keine noch so unbedeutende Missetat blieb diesen Mannern verborgen Unwillkürlich sank sieindie Knie und bekreuzigte sich »So ist es gut, meine Schwester«, sagte der Reverend »Zeige deinen Glauben, damit du GOTTES Wohlgefallen erlangst « Er trat auf sie zu, und Olga zuckte zusammen, als er ihr die Hand auf ihr graues Haupt legte Er verharrte so einen Moment, dann aber sagte er »Dieses Mädchen ist verletzt, es braucht Hilfe « Olga wollte wissen, was geschehen war, aber sie wagte nicht zu fragen Seena hatte dem Reverend nicht erzahlt, was mit Sandy, ihrer Schwester, geschehen war, auch nichts von ihrem Vater, denn sie fürchtete nach wie vor, dass er an ihrer Schwester zum Verräter werden könne, und dann würde der
Wüurde der Dämon sie jetzt wieder in seinen Bann schlagen, damit sie ihn hereinbat? Doch das tat er nicht Er überschritt die Schwelle ihres Hauses auch so Und dann erschrak die alte Olga noch mehr, denn sie erkannte im zuckenden Licht der Blitze, wen der Fremde da in den Armen trug Es war Seena Rendall, die Farmerstochter, die damals in ihre Schule gegangen war. Groß war sie geworden, aber sie wirkte immer noch wie ein kleines Mädchen Olga hatte immer ein herzliches Verhältnis zu dem Madchen gehabt, vor allem nach dem, was ihrer Mutter widerfahren war Die Dorfbewohner, vor allem die jungen, hatten Seena damit immer gequält, und die alte Olga war die einzige gewesen, bei der sie Trost finden konnte Dieses Geschehen verband die Lehrerin mit ihrer Schülerin, beide waren sie Opfer, beide fühlten sie sich auch schuldig Die dunkle Gestalt, die auf Olga immer noch wirkte wie ein Sendbote der Hölle, trat in den Raum, der gleichzeitig als Wohnzimmer diente Es kümmerte den Mann nicht, dass Regenwasser von seinem langen schwarzen Mantel auf den Teppich tropfte, auch nicht, dass seine schweren Stiefel mit Schlamm beschmutzt waren und eine Spur hinterließen Die dunkle Gestalt trat zum alten Sofa, das bereits abgewetzt und mehrmals geflickt war, so alt war es, und dann legte die Gestalt das wie tot erscheinende Madchen darauf nieder Und da stöhnte Seena auf Sie war nicht tot, und die alte Olga schickte ein stummes Gebet des Dankes zum Himmel Noch wandte ihr der Unheimliche den Rucken zu, doch nun trat er von dem 20
Reverend ihre Schwester toten, und er würde das auch noch Erlösung nennen Aber sie hatte keine Wahl gehabt, als mit ihm mitzugehen Zu Fuß allein in einer Nacht wie dieser, das war Selbstmord, viel mehr als das sogar Die Machte der Finsternis gingen in dieser Nacht um, sie hatten sich ihr gezeigt, und wahrscheinlich würden sie auch sie jagen, denn meist reichte ihnen ein Opfer nicht Sandy war für den Grafen bestimmt, doch auch seine Schergen wollten Opfer, sie brauchten das Blut, um ihre teuflische Gier zu stillen So hatte sich Seena wohl oder übel diesem unheimlichen Mann überantwortet, ihm aber nur den Weg ins Dorf gezeigt, denn hier, am Dorfrand, stand das Haus der alten Dorfschullehrerm Olga Blair, und der traute Seena Sie war bei ihr zur Schule gegangen als Mädchen, und etwas war da, das sie mit der alten Mrs Blair verband Vielleicht war es der Verlust, die Trauer und der Schmerz, der sie zusammenschweißte Sie hatte den Reverend den Weg gezeigt zum Haus, bevor sie dann ohnmächtig geworden war Der Schmerz in ihrem Rücken war schlimm, höllisch, und der harte Sitz auf der Harley des Reverends, die Fahrt über die unebenen Wege, hatten an der Wunde gezerrt und gerissen, der Schmerz war schier unerträglich geworden Doch sie hatte bis zum Schluss Stärke bewiesen Sie wusste nicht, ob der Reverend sie dafür bewunderte, doch sie glaubte es nicht Für die Reverends waren Schmerzen etwas Alltägliches, etwas, das man hinnehmen musste, so wie auch ihr Messias, in dessen Fußstapfen sie zu wandeln vorgaben, den Schmerz hingenommen hatte, zum Heil der Menschheit.
Jetzt war Seena wieder erwacht und sah die alte Olga und den Reverend Sie kniete vor dem Mann, und Seena dachte daran, dass es eigentlich erniedrigend war, wie die alte Olga es tat Auf jeden Fall wollte Seena das denken, aber leise musste sie sich eingestehen, dass diese Szene etwas Ergreifendes hatte, und die Berührung des Reverends war Olga, das sah man ihr an, ein Trost, wie sie ihn in all den Jahrzehnten seit dem Tode ihres Mannes nicht mehr erlebt hatte Dann nahm er ihre Hände und zog sie sanft wieder auf die Fuße »Kümmern wir uns um das Mädchen«, sagte er nur »Sie - sie war meine Schülerin«, begann Olga »Sie heißt Seena Rendall Was ist mir ihr geschehen?« »Sie wurde von Vampiren überfallen«, antwortete er »Mehr weiß ich nicht, sie wollte nicht mit mir reden « Seena wollte sich erheben, aber da war wieder der Schmerz, und sie keuchte laut auf Mrs Blair, die alte Olga, lief zu ihr hin, fasste sie bei den Schultern und drückte sie zurück aufs Bett »Du musst ruhig liegen bleiben, Seena « Dann holte sie schnell Verbandstoff und setzte Wasser auf Wahrend sie das Wasser auf ihrem Ofen kochte, stand der Reverend vor dem Sofa, auf dem Seena lag Er betrachtete sie, aber weder er noch sie sagten ein Wort Aber es war Seena, als wurde dieser unheimliche Mann in ihre Seele horchen Sie fühlte sich nackt unter diesen Augen, aber es war keine körperliche Nacktheit, und das berührte sie 21
Jugendlichkeit geschenkt hatte, und auf all die Sünden, die sie in ihrem Leben noch begehen würde Das Fleisch war Sündig, und war die Frau nicht das Fleisch schlechthin? Ihr Vater hatte das immer behauptet und seine Töchter daher zu strenger Zucht ermahnt, doch sie glaubte es nicht. Wenn es einen Gott gab und dieser Gott Liebe war, warum war dann die Liebe schlecht und sündig? Als das Wasser heiß war, half die alte Mrs. Blair Seena dabei, sich aufzurichten. Als sie vom Motorrad und ins Unterholz geschleudert worden war, hatte sich ein knorriger Ast in ihre Schulter gebohrt und war abgebrochen. Es steckten noch Holzsplitter in der immer noch blutenden Wunde. Sie musste gesäubert und verarztet werden. Der Reverend ging noch einmal hinaus in den Regen und zu seiner Harley. Als er zurückkehrte, hatte er seine Satteltaschen geschultert. Schwarz waren sie, und silberne Kreuze waren darauf angebracht. In einer der Taschen hatte er Medikamente, auch Kräuter und Verbandstoff. »Zieh das Shirt aus, meine Tochter«, bat er sie mit tonloser Stimme. Seena erschrak. »Was? Wie bitte?« »Ich kann die Wunde nicht verarzten und verbinden, wenn du angezogen bist, meine Tochter.« Sie schaute ihn aus großen Augen an. »Sie glauben doch wohl nicht...« »Bitte, Seena«, bat die alte Mrs. Olga Blair. »Er ist ein Reverend.« Seena starrte sie an. Er ist aber trotzdem auch ein Mann, wollte sie sagen, doch sie wusste, dass ihr das sowohl den Zorn der alten Mrs. Blair wie auch dieses unheimlichen Mannes eingebracht hätte. Also drehte sie Pain den Rücken zu und streifte ihr Shirt ab. Er betastete die
Der Blick des Reverends war streng, er wusste, dass sie ihm etwas verheimlichte, und sie spurte, dass es ihm nicht gefiel Er war es gewohnt, dass sich ihm die Menschen öffneten, ihm beichteten und Sühne und Reue zeigten Sie jedoch tat es nicht, sie versuchte sogar, seinem strengen Blick standzuhalten, aber sie schaffte es nicht Er wusste, dass sie etwas vor ihm verbarg Vor einem Mann GOTTES, und in seinen Augen musste das auf eine große Sünde und Schuld hinweisen Wer wusste, was er jetzt schon von ihr dachte? Aber konnte ihr das nicht egal sein! Seit dem Tod ihrer Mutter hatte sie sich vom Glauben abgewandt Und trotzdem war da etwas an diesem Mann, das sie in seinen Bann schlug Wie er sie ansah, ohne sie als Frau zu begreifen, nur als Tochter, wie er sie immer nannte Es waren nicht die gierigen, geilen Blicke, denen sie sich sonst von Männern ausgesetzt sah Dabei zeigte sie ihm mehr als jedem anderen Mann zuvor, doch er schien es zu übersehen Und das war etwas, das sie berührte Sie ertappte sich bei dem Gedanken, dass sie tatsächlich wünschte, dieser Mann - und nur dieser - wurde jetzt ihre weibliche Schönheit erkennen, irgendeine Regung zeigen, seine Blicke über ihren Körper gleiten lassen, etwas in seiner Miene zeigen, das Gefallen verriet Ein merkwürdiges Kribbeln war bei diesen Gedanken unter ihrer Haut Aber dieser Gedanke war lachhaft, er erschreckte sie sogar Und der Reverend zeigte keine Rührung, sein Blick war streng, als starre er auf all ihre Sünden hinab, die sie in ihrem jungen Leben begangen hatte, auf jeden unschuldigen Kuss, den sie als Teenager je einem Jungen in verspielter 22
Wunde, und wieder zogen Schauer über ihre Haut, drangen darunter bis tief in ihren Körper. Er verarztete sie, ohne dass sie Schmerzen spürte, denn er ging sanft und gefühlvoll vor, was sie ihm eigentlich nicht zugetraut hatte. Er säuberte die Wunde und strich mit seinen Fingern eine angenehm kühlende Salbe darüber, doch als er dann die Wunde verband, musste er auch vor sie treten, und diesmal legte sie die Hände auf ihre Brüste. Aber wieder war da nichts im Blick des Reverends, das auf irgendeine Regung schließen ließ. Dann war sie verarztet, und sie zog sich wieder an. Die alte Mrs. Blair brachte sie in einen kleinen Raum. Es war ihr Schlafzimmer, und Seena musste sich ins Bett legen. Seena wollte widersprechen, denn wenn sie hier lag, wo sollte Olga Blair dann schlafen? Sie war immerhin eine alte und gebrechliche Frau. Das Leben war hart zu ihr gewesen, und sie besaß nicht mehr viel Kraft. Aber sie widersprach nicht, denn sie war auf einmal so erschöpft und so müde, dass sie sich wieder einer Ohnmacht nahe fühlte. So ließ sie sich auf das Lager sinken, und schon bald hatte sie die Augen geschlossen. Sie fühlte noch, wie Olga ihr übers Haar strich. »Alles wird gut, Seena, das verspreche ich dir«, sagte sie leise. »Reverend Pain wird uns helfen, er wird alles richten, das spüre ich genau.« Die alte Frau wollte sich abwenden, doch da ergriff Seena noch einmal ihre Hand und flüsterte mit zitternder, leiser Stimme: »Mrs. Blair, sie dürfen ihm nicht trauen. Bitte, erzählen Sie ihm nichts, gar nichts...« »Aber, mein Kind...«
»Nein, bitte, erzählen Sie ihm nichts...« »Er ist ein Reverend.« »Bitte, erzählen Sie ihm nichts. Er wird Sandy sonst...« Sie brach ab, ihre Hand fiel aufs Bett. Die Erschöpfung hatte sie übermannt, und sie war in tiefen Schlaf gesunken, der fast schon einer Ohnmacht glich. Aber die alte Olga sah die Tränen, die ihr über die Wangen liefen, als sie dalag. Etwas Schreckliches musste geschehen sein...
Als die alte Olga Blair zurück in ihr kleines Wohnzimmer trat, hatte Reverend Pain ein großes Kruzifix auf den Tisch gestellt und zwei Kerzen seitlich daneben, die er angezündet hatte. Er kniete davor, und er betete inbrünstig und still. Die alte Olga wusste nicht, was sie tun sollte, also verharrte sie, sagte nichts, um den Reverend bei seinem Gebet nicht zu stören. Dann, als er fertig damit war, bekreuzigte er sich und erhob sich. »Möchten auch Sie beten?« fragte er die alte Olga. »Mit mir zusammen?« »Ich habe heute mein Gebet schon getan«, sagte sie verhalten. Noch immer war ihr dieser Mann unheimlich, aber etwas an ihm erweckte auch Vertrauen und Zuversicht in ihr. Er trat auf sie zu und starrte sie an mit diesem Blick, der bis tief in die Seele drang. »Etwas bedrückt dich«, erkannte er. »Ich sehe tiefen Schmerz und Trauer. 23
verspreche ich dir, meine Tochter. Der Zorn GOTTES wird über sie kommen, doch an dir findet GOTT Wohlgefallen, denn du bist stark in deinem Glauben und sanft in deinem Herzen. Erhebe dich nun. Alle Sünden sind dir vergeben.« Da atmete die alte Olga auf, und sie tat es zum ersten Mal seit Jahrzehnten wirklich. Eine große Zuversicht hatte sie ergriffen, und nun wusste sie, dass sie frei war, dass der unselige Fluch des Grafen Orlov mit diesen wenigen Worten des Reverends von ihr genommen war. Und sie wusste auch, dass sie sich, wenn ihre Zeit in wenigen Jahren kommen würde, niederlegen konnte, um in Ruhe zu sterben. Denn sie hatte ihren Frieden mit GOTT gemacht, und der HERR würde sie zu sich nehmen, wenn ER sie rief. Auch jetzt weinte sie noch, doch es waren Tränen der Befreiung, Tränen des Glücks, und sie küsste dem Reverend vor Freude und Dankbarkeit die Hände. »Und nun sage mir«, bat Pain sie, »was mit diesem Mädchen ist, mit Seena. Sie ist in Schwierigkeiten, in arger Bedrängnis, das fühle ich. Es ist nicht nur ihre Seele, die wegen ihrer Ablehnung vor GOTT in Gefahr ist, es ist auch ihr Leben, und wenn ich dies nicht rette,.fällt sie der Hölle anheim, denn noch ist sie nicht bereit, Buße zu tun.« Die alte Olga starrte den Reverend aus großen Augen an. Sag ihm nichts, hatte Seena gebeten. Und irgendwas hatte sie noch über Sandy sagen wollen. Was war mit Sandy, diesem armen, kleinen Mädchen? Was würde der Reverend, dieser Mann GOTTES, ihr antun wollen? War Sandy etwa so wie ihre Mutter...? Die alte Olga erschrak merklich bei diesem Gedanken. Sie zuckte zusammen,
Willst du nicht darüber reden, meine Tochter, und dein Herz erleichtern?« Tränen stiegen ihr auf einmal in die Augen, ihr seelischer Schmerz keimte auf, härter und unbarmherziger als zuvor, und sie sank vor ihm in die Knie und schaute zu Boden, weil sie sich ihrer Tränen, aber vor allem ihrer Schuld schämte. »Ich - ich kann nicht darüber reden«, stammelte sie. »Doch, du kannst«, sagte er sanft, und ebenso sanft legte er ihr eine Hand auf die Schulter. »Vertraue dich mir an. Der HERR ist die Gnade, er lindert jeden Schmerz. Willst du nicht beichten, damit deine Seele erleichtert ist?« Und da weinte sie bitterlich und schluchzte ein leises Ja. Der Reverend ging vor ihr in die Knie, er segnete sie, und da sprudelte es aus der alten Olga hervor, es brach sich Bahn, all ihre Trauer und ihr Schmerz, als wäre ein Damm gebrochen, der diese Gefühle über all die Jahrzehnte hinweg zurückgehalten hatte. Und so war es ja auch gewesen. Der Reverend hörte ihr zu, nur ab und zu stellte er eine Frage, holte noch mehr aus ihr hervor. Aber es war kein Aushorchen, er brachte alles an die Oberfläche, was so lange verborgen gewesen war, und die alte Olga fühlte sich erleichtert. Dann segnete er sie wieder, und im Namen des HERRN vergab er ihr. »Wie soll ich büßen?« fragte sie schließlich. »Welche Buße wollt Ihr mir auferlegen, Vater?« »Buße?« sagte er sanft. »Du hast gebüßt, mehr als nötig war. Ja, das Fleisch ist schwach, und die Versuchung ist immer groß. Doch wer kann ihr wirklich immer widerstehen? Nicht du hast Unrecht getan, es waren die Schergen der Finsternis, nicht du. Und sie sind es, die büßen werden, das 24
und der Reverend spürte dies natürlich, denn noch immer ruhte seine starke Hand auf ihrer Schulter. »Sprich«, drängte er. »Du vertraust GOTT, dann vertraue auch mir. Ich bin hier, um zu helfen, nicht um zu richten.« Die alte Olga wand sich. Sie war sich nicht sicher, was sie erzählen sollte, doch sie traute dem Reverend, da hatte er recht. Er hatte so viel Schmerz von ihr genommen, er hatte auch Seena das Leben gerettet. Er war ein Mann GOTTES, sie musste ihm vertrauen. Aber warum hatte Seena sie gebeten, nichts zu erzählen? Was wusste sie auch schon? Gar nichts wusste sie, und so konnte sie auch nichts verraten. Oder meinte Seena die Sache mit ihrer Mutter? Hatte sie Angst, der Reverend würde sie deshalb verurteilen? Sie konnte doch schließlich nichts dafür... Also erzählte die alte Olga. Sie erzählte, wie Seena damals in ihre Schule gegangen war, was für ein aufgewecktes, fröhliches Mädchen sie gewesen war. Sie erzählte auch von ihrer Mutter, über dieses schlimme Ereignis, das Seena in tiefste Trauer und Depressionen gestürzt hatte, und von dem anderen Reverend, der so ein schreckliches Schicksal erlitten hatte. Sie erzählte von Seenas Vater, diesem ehrlichen, hart arbeitenden Mann, der sich sein Brot im Schweiße seines Angesichts verdiente, Tag für Tag, und den das Schicksal trotzdem so hart gestraft hatte, der aber nie wankelmütig in seinem Glauben geworden war. Aber sie erzählte nichts von Sandy, Seenas kleiner Schwester, davor fürchtete sie sich. Denn so, wie sie dem Reverend vertraute, vertraute Seena auch ihr, und sie wollte ihr Vertrauen nicht enttäuschen.
Der Reverend hatte ihr schweigend zugehört, dann nickte er langsam und sagte: »Großes Unheil ist Seena und ihrer Familie widerfahren. Ich werde versuchen, ihnen Trost zu spenden und zu helfen, wo es geht. Denn wenn Seenas Vater wirklich so ein gottesfürchtiger Mann ist, wie du sagst, dann hat er meinen Trost und meine Hilfe verdient.« Er erhob sich. »Morgen werde ich zu seiner Farm fahren und ihm sagen, dass sein Kind in Sicherheit ist, hier bei dir. Dann werde ich morgen eine Messe hier halten. Ich werde auch die Überreste der Vampiropfer, die ich in dieser Nacht erlöste, hierher bringen. Sie sollen ein christliches Begräbnis erfahren. Ich möchte, dass morgen alle zur Messe erscheinen. Ich werde sie im Schulhaus abhalten, und ich werde die Sünde aus diesem Ort verbannen, denn nur wo die Sünde ist, kann das Böse auf Dauer existieren.« Er sah sie an, und sie nickte, sie dachte so wie er. »Geh nun zu Bett, brave Frau«, sagte er. »Die Nacht war aufregend für dich. Ich werde hier bleiben und wachen, denn ich spüre, dass das Böse noch immer durch diese unheilvolle Nacht schleicht. Aber mach dir keine Sorgen, es wird nicht mehr wagen, den Fuß über die Schwelle deines Hauses zu setzen. Nicht in dieser Nacht, wo ich hier bin. Denn das Böse ist feige, es meidet den Kampf und greift nur aus dem Hinterhalt an.« Und die alte Olga tat, wie ihr geheißen, und zog sich zurück. Sie legte sich nieder auf das Sofa, wo sie Seena verarztet hatten, und zum ersten Mal seit einer kleinen 25
Schluchzen nicht hören konnte. Heiße Tränen rannen aus ihren Augen. Ja, sie würde kommen. Und sie würde sich den Vampiren stellen. Ohne Reverend Pain. Allein... Jedoch nicht heute Nacht. Aber sie würde es tun! Die Rufe der Untoten waren grausig, und sie fröstelte. Doch dann unterdrückte sie die Angst. So unheimlich Reverend Pain ihr auch war, er wachte draußen, das wusste sie. Er würde sie beschützen. In dieser stürmischen, schaurigen Nacht...
Ewigkeit konnte sie ohne Trauer und Schmerz schlafen. Sie träumte von ihrem Mann, und sie lächelte im Schlaf...
Seena erwachte aus einem traumlosen Schlaf und erschrak! Wieder hatte sie dieses Gefühl geweckt, wieder spürte sie die Schwarzblütigen, die Vampire. Es war nicht so stark wie zuvor im Hause ihres Vaters. Graf Orlov war nicht unter ihnen. Aber sie schlichen ums Haus der alten Lehrerin, belagerten es, aber sie konnten nicht eindringen. Das wollten sie auch nicht, sie wollten Seena quälen. Seena hörte ihre Rufe, die lautlos in ihrem Kopf widerhallten... Komm zu uns, Seena. Weißt du, was der Graf mit deiner Schwester tun wird? Sie wird zu seiner Braut. Es wird schrecklich für sie sein. Der Bann ist von ihr gefallen, jetzt spürt sie die Angst, die Verzweiflung... Komm zu uns, Seena. Nur du kannst deine Schwester retten. Für den Reverend ist sie eine Sünderin, auch jetzt, wo sie noch nicht zu uns gehört. Aber sie hat sich der Lust hingegeben, sie ist dem Grafen willig gefolgt. Ihr Fleisch war schwach. Der Reverend wird ihr niemals vergeben... Komm zu uns, Seena, denn nur du kannst deine Schwester retten... Wäre Seena nicht so schwach und verletzt gewesen, sie wäre sofort aufgesprungen und hätte sich den Unholden entgegengestellt, aber so sank sie weinend in die Kissen und verbarg ihr Gesicht darin, damit man draußen ihr
Graf Orlov triumphierte. Er hatte die jüngste der RendaliTöchter in seiner Gewalt. Seine Rache war perfekt. Sie war die Tochter seiner ehemaligen Braut. Der von Luzifer verfluchte Reverend hatte sie ihm genommen, aber er hatte sich grausam gerächt. Aber er wollte sich auch an allen anderen rächen, an den Dorfbewohnern, die ihn an jenen Reverend verraten hatten, schon damit, indem sie zu ihm gehalten hatten. Und an dem alten Rendali ganz besonders. Ihm die Tochter zu rauben, das würde ihm letztendlich das Herz brechen. Halt, verbesserte sich Graf Orlov, nicht seine Tochter, sondern seine beiden Töchter! Ein teuflischer Plan hatte in seinem kranken Gehirn Gestalt angenommen, ein grausamer Plan, ein Plan der Rache! Seena Rendall! Sie war genau in dem Alter, wie es ihm gefiel. Auf sie kam es ihm an. 26
Deshalb auch hatte er sich zunächst zu Fuß vom Farmhaus aus entfernt. Sie sollte ihn sehen, deshalb auch hatte er sie mit seinem telepathischen Ruf aus dem Schlaf geweckt. Er wusste, dass sie übersinnliche Fähigkeiten besaß, dass er sie nicht so einfach in seinen Bann schlagen konnte wie Sandy oder ihre Mutter. Er musste es geschickter anstellen, deshalb hatte er sie aus dem Haus gelockt, und seine Schergen hatten sie dort erwartet. Aber sein Plan war gescheitert, seine Schergen waren vernichtet worden, das hatte er spüren können. Ein Fremder hatte eingegriffen - ein Reverend! Ein neuer Reverend! Graf Orlov ballte die Fäuste vor Wut und Zorn, als er auf den Zinnen der Burg stand und in den Sturm hinaussah, über das von zuckenden Blitzen erhellte Land. Sein Land! Sein Land mit all den Sterblichen, die unter seiner Knute litten! Ein Reverend! Graf Orlov zischte und schrie vor Wut! Doch dann hatte er sich wieder unter Kontrolle... Sollte dieser Reverend doch kommen. Er würde ihn vernichten, ein weiterer glorreicher Sieg über die Männer Gottes, dem Erzfeind der Hölle. Luzifer würde ihn dafür belohnen, wenn er ihn zurück in die Hölle abberief, würde seine Macht dadurch noch steigern, man würde ihm einen eigenen Bereich der Hölle dafür anvertrauen, er würde einen eigenen Seelenhort erhalten, sich am Leid und der Pein dieser elenden Menschen weiden, die bis in alle Ewigkeit im Höllenfeuer schmoren mussten. Und auch Seena Rendall würde ihm folgen. Seine Schergen hatten sie gerufen, ihr zugeflüstert, und Graf Orlov wusste, dass sie ihm nicht entkommen würde.
Sie würde Pein und Schmerz fühlen, sie war verflucht, und kein Reverend mit all seinen Worten von Gnade und Erlösung würde sie retten können. Er lachte hinaus in den Sturm, hässlich, heiser, dann wandte er sich ab und ging in das Innere seiner Burg, strebte auf den Thronsaal zu, und seine Diener warfen sich in den Staub, als er den großen Saal betrat. Er ließ sich auf seinem Thron nieder und betrachtete das junge Mädchen Sandy, das dort stocksteif stand. Nicht viel an hatte sie, nur das Nachthemd, das ihre weiblichen Reize kaum verbarg. Graf Orlov musterte sie in seiner Gier nach körperlichen Gelüsten, aber auch nach Blut. Er starrte sie an, und seine unverhohlenen Blicke glitten über jede sanfte Rundung ihres Körpers. Dann hatte er genug davon, wollte sich anderweitig erfreuen und entließ Sandy aus seinem Bann. Schlagartig wurde ihr klar, wo sie war, wer und was er war, der dort vor ihr thronte und sie aus gierigen, flammenden Augen anstarrte. Und sie schrie. Sie schrie gellend, in blankem Entsetzen und verzweifelter Angst. Schrie und bedeckte ihren Körper mit Händen und Armen. Schrie, während er schallend lachte. Schrie, während sein höhnisches Lachen in ihren Ohren gellte. Er weidete sich an ihrer Angst. Als Dämon konnte er diese Angst körperlich spüren, sie war wie süßer Honig für seine Bösartigkeit. Aber noch schmackhafter als ihre Angst war ihre nackte Verzweiflung, 27
es gab auch kein Fenster. Steinsäulen und Statuen zeigten hässliche Kreaturen, Monsterfratzen aus Stein hingen an den Wänden, ein Wandteppich zeigte eine grässliche obszöne Szene. Seine knochigen Finger fassten sie am Kinn, drehten ihren Kopf wieder so, dass sie ihn direkt ansehen musste. Er zeigte ihr wieder sein teuflisches Lächeln, seine spitzen Zähne und hauchte ihr seinen fauligen Atem entgegen, der sie keuchen ließ. »Schon bald«, sagte er, »wirst du eine der unsrigen sein. Du wirst an unserer Seite stehen, und du wirst lernen, die Nacht zu lieben, du wirst dich vom warmen Blut der Sterblichen ernähren, du wirst dich an ihrem Leid und an ihrem Schmerz erfreuen.« Er lachte wieder schrill und hässlich. »Doch bevor es so weit ist, sollst du selbst lernen, was Angst und Schrecken ist. Du sollst kennen lernen, was sie ist und wie sie ist, die ewige Verdammnis. So wie deine Mutter damals.« Er fauchte sie an. Der Geruch, der seinem Mund dabei entstieg, raubte ihr fast den Atem. Es war der Odem der Hölle. Graf Orlov wandte sich ab und ging zurück zu seinem Thron. »Schafft sie weg«, zischte er nur, und er meinte damit die beiden Vampire an Sandys Seite. Sie zerrten sie aus dem Thronsaal, durch düstere kalte und feuchte Korridore und Gänge, dann ging es eine steile Stufe hinab. Es gab Bereiche, in denen absolute Dunkelheit herrschte, doch die Vampire konnten in dieser Finsternis sehen, Sandy nicht. Sie schrie und bettelte die beiden Vampire an, sie doch loszulassen. Sie sprach sie sogar mit ihren Namen an, denn sie kannte die beiden ja, sie hatte sie im Dorf gesehen, hatte sogar mit ihnen schon
als sie vor ihm zurückwich und von stahlharten Klauen ergriffen wurde. Zwei Vampire waren hinter sie getreten, bleiche Männer, und hatten sie ergriffen. Noch gellender wurde ihr Schrei, als sie sie erkannte. Es waren Jungen aus ihrem Dorf, die er zu Vampiren gemacht hatte und die ihr nun ihre spitzen Fangzähne präsentierten. Auch sie erfreuten sich an ihrer Angst, und ihre Augen glühten dabei. »Ja, schreie nur!« rief Graf Orlov. »Schrei nur! Schrei, so laut du kannst! Schrei, es wird dir nichts nützen.« Er lachte wieder. Irgendwann dann hatte Sandy keinen Atem mehr zum Schreien. Erschöpft hing sie im stahlharten Griff der beiden Kreaturen und ergab sich ihrem Schicksal. »Was...«, stammelte sie unter Tränen, »... was habt ihr mit mir vor?« Noch lauter lachte Graf Orlov, dann verfiel er in ein bösartiges Kichern, und endlich erhob er sich und trat auf sie zu. Seine knorrigen Finger strichen über ihre Brüste, und er grinste breit, dass seine Vampirfänge im flackernden Licht der Kerzen und Fackeln an den Wänden schimmerten. »Du bist mein Opfer, meine Gefangene, mein süßer Traum der Rache«, sagte er. »Was glaubst du wohl, was mit dir geschehen wird?« Sie wollte zurückweichen. Seine Berührung ekelte sie an, und sie fühlte sich noch nackter. Aber die beiden Männer hinter ihr entließen sie nicht aus ihrem brutalen Griff, und sie konnte sich nicht bewegen. Sie wandte sich ab von seinem teuflisch-aristokratischen Anblick. Dabei sah sie ihre Umgebung. Ein finsterer Saal, kalte, feuchte Mauern. Rußende Fackeln steckten in Halterungen an den Wänden. Trotzdem war es dunkel hier, fast finster, 28
gesprochen, als Mädchen mit ihnen gespielt. Doch die beiden ließen sich nicht beirren. Als einer der beiden ihr dann doch noch seinen Blick zuwandte, erschrak Sandy bis ins Mark und schrie gellend auf. In den Augen dieser Kreatur lag blanke Gier, Gier nach ihrem Blut, das erkannte sie sofort, ohne zu wissen, warum. Seine Augen glühten im Feuer der Hölle. Die beiden Vampire mussten sich unheimlich unter Kontrolle halten und gegen ihre Gier ankämpfen, um sich nicht sofort auf Sandy zu stürzen und das süße Blut aus ihrem Körper zu saugen. Denn sie war die Beute ihres Herren und Gebieters, des Grafen Orlov. Wenn sie das nicht akzeptierten und ihrer Blutgier freien Lauf ließen, würde die Strafe sicher entsetzlich sein. Sandy begriff, dass die beiden Kreaturen litten, dass der Blutdurst sie quälte, doch die Furcht vor ihrem Herrn musste ungeheuerlich sein. Dann ging es weiter nach unten, bis in einen Raum, in dem wieder Fackeln ihr düsteres, flackerndes Licht verbreiteten. Abermals schrie Sandy auf. Dies hier war eine Gruft, das erkannte sie sofort. Steinerne Sarkophage standen umher, Grabtafeln hingen an den Wänden. Einige der Sarkophage waren aufgebrochen, ihre steinernen Deckel am Boden zerschlagen, und darin erkannte Sandy die schaurigen Überreste von Menschen, vor Jahren gestorben, ihre Körper verfallen. Totenschädel grinsten sie an, tote Augenhöhlen schienen sie zu mustern, und für einen Moment glaubte sie, die verdammten Seelen dieser Toten lachen zu hören. Die Vampire zerrten sie zu einem offenen Sarkophag, und Sandy wusste sofort, was sie mit ihr vorhatten.
Sie versuchte sich zu wehren, sich loszureißen, aber es gelang ihr nicht. Der Griff der beiden Untoten war unerbittlich. Sie schrie, doch sie drückten sie in den Sarkophag, in die Spinnweben, die dort gespannt worden waren. Sie hörte das Quieken einer Ratte, und ein brauner kleiner Schatten sprang aus der Grabstätte. Es roch nach Moder und Tod, und Sandy war für Momente wie gelähmt. Dann hoben die beiden Untoten die schwere Steinplatte an, als bestünde sie nur aus Pappe. Die Untoten mussten über ungeheure Kräfte verfügen. Sandy schrie und tobte, als sie den Sarkophagdeckel über die Grabstätte legten, in der sie lag. Das Letzte, was sie sah, waren ihre glühenden roten Augen, dann herrschte Dunkelheit. Und Stille, die nur unterbrochen wurde von ihren Schreien. Ihr war, als könne sie sich nicht bewegen, als bekäme sie keine Luft mehr. Sie tobte, schrie, hämmerte mit den Fäusten gegen den Sargdeckel, kratzte daran, versuchte mit ihren Fingern in die Fugen zu greifen, bis ihre Fingernägel alle abgebrochen waren und ihre Hände bluteten. Dann hatte sie keine Kraft zum Schreien mehr, sie lag in der stickigen Dunkelheit, und das einzige, was sie wahrnahm, war ihr nicht enden wollendes Schluchzen.
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Reverends aussetzen. Außerdem fürchtete sie diesen Mann noch immer. Pain griff in eine Tasche seines Mantels, holte ein kleines, silbernes Kruzifix hervor und legte es neben Seena aufs Kopfkissen. »Sie soll es bei sich tragen«, sagte er der alten Olga. »Es ist sicherer. Es wird sie schützen. Sie soll hier auf mich warten, bis ich zurückkomme. Ich möchte zuerst mit ihrem Vater sprechen. Und sie soll zur Messe erscheinen, ein wenig Aufbauung wird ihrem Glauben und ihrer Seele gut tun.« »Sie war immer ein frommes Kind«, sagte die alte Dorfschullehrerin, »bis das mit ihrer Mutter geschah.« »Die Wege des HERRN erscheinen uns Sterblichen manchmal wirr«, sagte der Reverend, »aber alles hat seinen Sinn, auch das Leid und der Kummer. Wir alle müssen auf GOTT vertrauen, sonst sind wir verloren.« Dann wandte er sich ab und ging. Seena schlug die Augen erst auf, als sie hörte, wie die Tür zur Kammer geschlossen wurde. Sie starrte auf das Kruzifix, das neben ihr auf dem Kopfkissen lag. Für einen Moment war sie davon ergriffen. Die kleine Figur darauf zeigte den HEILAND. Auch er hatte gelitten, hatte dieses Leid aber freiwillig auf sich genommen um der ganzen Menschheit willen. War dieses Opfer umsonst gewesen? Bei all dem Schmerz mochte man es fast glauben... Oder musste nicht auch sie lernen, den Schmerz zu tragen, um irgendwann, in einem späteren Leben vielleicht, Frieden und Glück zu finden? Man brauche nicht auf ein späteres Leben warten, so hatte der Reverend damals gesagt, die Gläubigen fänden ihr
Die alte Olga Blair war es gewohnt, früh aufzustehen. Sie verließ das Bett, sobald der Hahn krähte. Aber Reverend Pain war bereits auf den Beinen - vielmehr auf den Knien, denn er beendete gerade sein Morgengebet. Sie trat auf ihn zu. »Danke«, sagte sie nur, denn sie fühlte sich seit der Nacht wesentlich besser, erleichtert seit so vielen Jahrzehnten. Er wusste, was sie meinte, und er nickte nur. »Wollen - wollen Sie frühstücken?« fragte sie ihn. »Nein danke, meine Tochter«, sagte er, und sie wusste, dass er dies nicht aus falscher Höflichkeit tat. »Ich brauche nichts.« Sie war verwundert. Er hatte auch in der Nacht nichts mehr zu sich genommen, aber er sah nicht hager aus, er war ein kräftiger Mann mit einem durchtrainierten Körper. »Ich muss mich um Mr. Rendall kümmern«, erklärte er ihr, als er ihren verwunderten Blick sah. »Er wird sich Sorgen um seine Tochter machen. Ich werde gleich aufbrechen. Aber zuerst möchte ich noch nach Seena sehen.« Gemeinsam gingen sie in die kleine Schlafkammer der alten Olga. Seena lag noch im Bett. Sie hatte die Decke im Schlaf zurückgeschlagen und ans Fußende getrampelt und lag unbedeckt da in ihrem Slip und dem allzu engen Shirt. Pain spürte keine Regung beim Anblick dieses schönen Mädchens, er nahm die Decke und legte sie wieder über ihren wohl geformten Körper. Seena schlief jedoch nicht, sie war erwacht, als Pain und die alte Olga die Kammer betraten, doch sie zeigte es ihnen nicht, dass sie erwacht war, sie wollte sich nicht wieder den bohrenden Fragen des 30
Liebe Grusel-Freunde! Willkommen beim neuesten GRUSEL-SCHOCKER1 Im vorliegenden Heft bringen wir wieder eine deutsche Erstveröffentlichung, einen absolut neuen Roman von Sleve Salomo - ein etwas ungewöhnlicher GRUSELSCHOCKER, wie wir zugeben müssen, denn er spielt in einer finsteren Zukunft, und der Held ist ein waschechter Mann Gottes. Reverend Pain, der in einer untergegangenen Welt gegen Vampire und anderes Gekreuch antreten muss, um den Willen des Herrn zu erfüllen Wir sind gespannt, wie Ihnen und Euch dieser Roman gefallt, denn weitere finstere, schaurige, actiongeladene Mega-Horror-Krach-Bumm-Abenteuer mit Reverend Pain sind bei uns in der Mache. Also Wir warten auf Leserbriefe! Und wir warten schon seit einiger Zeit, denn anscheinend hat sich noch nicht herumgesprochen, dass der GRUSEL-SCHOCKER jetzt eine eigene Leserbriefseite hat, deshalb leben wir zunächst noch aus dem zahlreichen Angebot im Internet, wo sich so einige Fans tummeln und ihre Meinung zum GS zum Besten geben. Häufig wird der GRUSEL-SCHOCKER mit der vor einigen Jahren eingestellten BASTEI-Reihe >Dämonenland< verglichen, was uns in die Situation bringt, diesem hohen Anspruch gerecht werden zu müssen, denn wir wissen, dass DL bei den Hardcore-Grusel-Fans sehr, sehr beliebt war. So etwa bei einem jungen Gentleman namens Christoph, der im Internet jubelt: »DL lebt! Echt prima DL kommt zurück! Schade nur, dass die äußere Gestaltung der GS-Hefte, sofern man das nach Ansicht des ersten Titelbildes beurteilen kann, nicht an die etwas moderne Optik des DL heranreicht Aber möglicherweise wurde ja mit Absicht dieses Retro-Design gewählt Ich wünsche den Machern jedenfalls viel Erfolg und eine glückliche Hand bei der Auswahl der Romane. Die wünschen wir uns allerdings auch, lieber Christoph, und da die Verkaufszahlen stimmen (Hip-hiphurra!), scheint es auch so zu sein, dass die von uns ausgewählten Romane bei der Mehrzahl der Leser ankommen. Aber „Retro-Design; Keine moderne Optik“ Nun wir finden, dass dieses schwärzeste Schwarz, dieses blutigste Rot, dieses schimmligste Grün und dieses (jetzt fallt mir nicht Stubenreines mehr ein) Gelb auch scheußlich gut zum Thema Horror passen. Zu GRUSEL-SCHOCKER Band 3 meldete sich kurz nach Erscheinen Larry im Internet zu Wort und schrieb »Der >Killer aus dem Eis< war der bisher stärkste Roman der Reihe, wenn das so weitergeht mein lieber Mann. Einer meiner Lieblingsschauplätze (bin bekennender >Die Abenteurer-Lunatic), ein wahrlich bitterböser Yeti, tolle Figuren und ein Ende zu dem ich mich letzt nicht (positiv) äußere, weil ich niemand die Spannung nehmen möchte« Hauptsache, Euch hat der Roman gefallen Weitere Leserkommentare drucken wir im nächsten Heft ab. Schreibt uns, damit wir Eure Leserbriefe auf dieser Seite veröffentlichen können! So, nach so viel mega-mäßigen Horror-Action mit Reverend Pain gibt's nächste Woche das Mega-Crossover des Jahrzehnts - Tony Ballard und Geisterjager John Sinclair kämpfen Seite an Seite gegen den Dämon Janus! Wahrlich, ein Roman, den man gelesen haben muss - behaupten im tiefen Glauben Euer Doktor Schocker und Ihre BASTEI-Grusel-Redaktion
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Doch es ging um ihre Schwester. Sie musste es einfach tun. Sie war Sandy stets wie eine Mutter gewesen, Sandy hatte auf ihre Stärke vertraut. Sie war bereit, sich zu opfern. Als sie hörte, wie Reverend Pain draußen die schwere Maschine startete, stand sie auf...
Glück und den Frieden bereits auf Erden, in ihrem Glauben an GOTT... Doch dieser Reverend hatte ihre Mutter umgebracht! Plötzlich erschrak sie. Pain - hatte er nicht eben gesagt, er würde ihren Vater aufsuchen? Dann wurde er alles erfahren, ihr Vater würde ihm von Sandy und Graf Orlov erzählen, und - dann wurde er zu Orlovs Burg fahren und sein Werk der Vernichtung beginnen. Seena musste handeln, jetzt sofort, bevor es zu spät war. Sie musste Reverend Pain zuvorkommen, wenn sie ihre Schwester noch retten wollte. Vielleicht hatte Orlov sie noch gar nicht zum Vampir gemacht. Er wollte sie ja als Frau, als Braut, vielleicht benötigte die Zeremonie dafür eine ganz bestimmte Nacht... Vielleicht war es noch nicht zu spät. Aber wie sollte sie gegen die Vampire bestehen, gegen eine ganze Heerschar dieser Untoten? Und Graf Orlov, er war nicht mal ein richtiger Vampir, er war ein Dämon mit magischen Fähigkeiten. Vielleicht war es möglich, ihm einen Handel vorzuschlagen. Sie gegen ihre Schwester. Sie sah zu dem Kruzifix, und da war sie bereit, ebenfalls ein Opfer auf sich zu nehmen, das Leid zu ertragen, an Orlovs Seite zu wandeln, wenn nur ihre Schwester frei kam. Sie wusste von der körperlichen Gier der Höllischen. Und sie wusste auch, dass sie eine reifere Frau war als Sandy, viel attraktiver. Aber auch sie war noch Jungfrau, das würde dem Grafen gefallen. Wenn er die Wahl hätte, würde er nicht sie wählen? Ein Schauer lief ihr über den Körper, als sie daran dachte, was der Dämon ihr antun würde...
Die Rendall-Farm lag fast fünf Kilometer entfernt von Tompstone, und Reverend Pain musste wieder den Wald durchqueren, der sowohl die Farm des alten Rendali vom Dorf als auch von der Burg des unseligen Grafen Orlov trennte. Schon in der Nacht war der Wald unheimlich gewesen, auch jetzt, am frühen Morgen, wirkte er bedrohlich. Kreaturen der Finsternis schienen durch das Unterholz zu schleichen, aus denen der Nebel kroch, der in der morgendlichen Sonne blutrot leuchtete. Tiefe Schatten fielen auf den schmalen Weg, der voller Schlamm und dunklen Pfützen war. Wasser tropfte noch von den Bäumen, auch setzte nun ein leichter Nieselregen ein. Dieser Wald schien ein Hort böser Geister und verwunschener Seelen zu sein. Doch Reverend Pain fürchtete weder Gespenster noch die Verdammnis. Er war ein Mann GOTTES, und das gab ihm Stärke. Er hatte gelernt, der Sünde zu widerstehen, war gegen sie gefeit. Also konnten ihm auch die Mächte der Finsternis nichts anhaben, zumindest nicht seiner Seele, und alles andere war sowieso vergänglich. 32
Dann hatte er den Wald durchquert Vor ihm tauchte die Farm auf, dahinter weite, graue Felder. Noch war nicht gesät. Reverend Pain wusste das. Er war nicht nur ein Hirte, er war vor allem auch ein Mann, der die Saat streute, und seine Saat war das Wort GOTTES. Er fuhr die Maschine bis dicht vor das Haus. Es war ein kleines, einstöckiges Gebäude, aus Holz gebaut, mit einem Speicher. Auch hier lag Nebel, schien direkt aus der frischen Erde zu kriechen und kündete damit von ihrer Fruchtbarkeit, wie GOTT sie einst den Menschen überließ - bevor das Böse den Menschen ergriff und ihn diese Erde vergiften und verpesten ließ. Der Reverend stieg von seiner Harley. Seine schweren Motorradstiefel knirschten auf dem erdigen Boden. Da wurde die Tür des Farmhauses aufgerissen. Ein alter Mann stand dort in Hosen und Unterhemd, ein uraltes Steinschlossgewehr in den Händen, dessen Mündung er auf Reverend Pain richtete. Einen Vampir oder gar einen Dämon könnte er damit nicht mal verletzen, doch war das diesem verwirrten und verzweifelten Mann überhaupt noch klar in seiner deutlich spürbaren Furcht? Sein zitternder Finger lag am Abzug...
Noch immer kann ich ihre Aura spüren, doch fürchte dich nicht, ich komme, um dir Frieden zu bringen.« Da erkannte der alte Rendall, dass er es tatsächlich mit einem Manne GOTTES zu tun hatte. Er ließ das Gewehr sinken, und als der Reverend vor ihm stand, da ging er in die Knie. »Verzeiht mir, Vater«, stotterte er, und Tränen liefen ihm übers Gesicht. »Ich habe gesündigt. Schwer gesündigt - sonst hätte GOTT nicht zugelassen, dass mir so viel Unheil widerfahren ist.« Doch der Reverend beugte sich zu ihm hinab, ergriff seine Schultern, und dann sprach er: »Du wirst mir beichten, mein Sohn, und ich werde dir für deine Sünden die gerechte Buße auferlegen, dann wird GOTT dir verzeihen. Denn wisse, GOTT ist die Gnade, und GOTT ist gerecht. Hier aber ist Unrecht geschehen, und dies ist nicht nach GOTTES Willen.« »Ja, Unrecht ist geschehen«, weinte der Alte ergriffen. »Meine Töchter haben sie sich geholt, Sandy zuerst, und dann auch Seena...« »Sandy?« Der Reverend musterte ihn mit seinem stechenden Blick. Er zeigte sein Erstaunen nicht, doch der alte Rendall merkte, dass eine Erkenntnis in dem Reverend aufblitzte, und für einen Moment zeichnete sich tiefe Sorge in seinem Gesicht ab. Dann aber sagte er: »Um deine Tochter Seena brauchst du dir keine Sorgen zu machen, mein Sohn. Sie ist in Sicherheit. Die Fänge des Bösen haben ihr kein Leid antun können.« Er zog den alten Farmer wieder auf die Füße und führte ihn ins Haus. »Doch erzähle mir von deiner
Doch Reverend Pain rühmte sich eines untrügbaren Auges, und er lobte GOTT, denn er war sich sicher, dass ER es ihm geschenkt hatte. Und so erkannte er die Gerechten, wie er es stets tat. Ruhigen Schrittes ging er auf den Bewaffneten zu, hob die Hände und sprach: »Ich komme im Namen des HERRN. Großes Unrecht ist dir widerfahren. Das Grauen schlich hier um, die Sendboten der Finsternis. 33
bleiben, dann ist dies auch richtig so. Du begibst dich in Gefahr.« Doch Seena hörte nicht auf sie und ließ die weinende alte Frau hinter sich zurück. Es tat ihr selbst Leid, wie sie mit der alten Mrs. Blair umgehen musste, die stets zu ihr gehalten hatte. In der vergangenen Nacht hatte Seena dem Reverend den Weg zu ihrem Haus gewiesen, weil sie sonst keinen anderen Menschen kannte, dem sie vertraute. Jetzt aber musste sie handeln. Der Gedanke, ihre Schwester vor einem grausigen Schicksal retten zu müssen, beherrschte sie völlig. Sie musste zu Graf Orlovs Burg. Vielleicht hatte sie sogar eine Chance, denn es war Tag, und am Tage waren die Vampire schwach, so hieß es. Aber sie konnte nicht zu Fuß zu Graf Orlovs Burg gelangen, der Weg war zu weit. Außerdem musste sie, wenn ihre Mission wider alle Umstände glücklich verlief, schnell von diesem Ort des Grauens entkommen, sie brauchte also ein Motorrad, doch das ihres Vaters lag zerstört im Wald. Sie kannte einen jungen Burschen, Henry Bricks, der ihr stets schöne Augen gemacht hatte. Sie mochte ihn nicht, denn er war eingebildet, spielte nur mit den jungen Mädchen. Er redete sich nur ein, in sie verliebt zu sein, weil sie die einzige war, die er mit Sicherheit nicht haben konnte.
Tochter Sandy. Und erzähle mir alles von ihr. Lasse nichts aus, denn ich will dir helfen, du musst mir vertrauen.« »Ich - ich habe immer an GOTT, den HERRN, geglaubt«, stammelte der Alte, als sie in die Kühle des Farmhauses schritten. »Ihr müsst mir helfen, Reverend. Meine Töchter werden vom Grafen Orlov gefangen gehalten, und nur ein Mann wie Ihr kann sie retten. Ihr müsst.« Nackte Verzweiflung hatte ihn gepackt. Er hatte die ganze Nacht über kein Auge zugetan, hatte auf den harten Dielen gekniet und gebetet, GOTT angefleht, er möge sich gnädig erweisen. Er war bereit, alles zu opfern, wenn nur ja seinen Töchtern nicht Böses widerfahre. Reverend Pain spürte den Schmerz dieses Mannes, und er war von Mitleid ergriffen. Dann aber wusste er, dass er es richten würde, dass er es richten könne, was auch geschehe. Und wenn es für Sandy Rendall auch zu spät war, dann würde er alles tun, um ihrer armen Seele Frieden zu geben und das Böse, allen voran Graf Orlov, auszumerzen!
Die alte Olga hatte versucht, Seena aufzuhalten, doch es war ihr nicht möglich. Gebettelt und gefleht hatte sie, sie möge im Hause bleiben und auf die Rückkehr des Reverend warten, doch Seena hatte kein Ohr für sie. »Genügt es nicht, dass dein Vater deine Mutter bereits verloren hat?« klagte sie. »Ich weiß nicht, wo du hinwillst, und ich weiß auch nicht, was geschehen ist, aber wenn der Reverend meinte, du sollst hier
Doch er hatte, was sie jetzt brauchte, eine schnelle Maschine, und so ging sie zu seinem Haus und bat ihn darum. Er grinste sie schräg an und fragte: »Wofür brauchst du das gute Stück, ich überlasse die Maschine eigentlich ungern jemandem, nicht mal meinen besten Freunden.« 34
»Ich dachte, du wolltest, dass wir uns näher kommen?« erwiderte sie schroff, denn sie hatte keine Zeit. »Gibst du mir die Maschine für ein paar Stunden, stehe ich in deiner Schuld.« »Und?« Er wischte seine ölverschmierten Hände an einem Taschentuch ab, denn er war der Mechaniker des Ortes, aber zugleich auch der Schmied, was in diesen Zeiten ein und dasselbe war. »Was habe ich davon, wenn du in meiner Schuld stehst?« »Du hättest einen Wunsch bei mir frei«, sagte sie hastig. »Was du willst.« »Was ich will?« Wieder war da dieses breite Grinsen. »Eine Nacht mit dir, versprichst du mir die?« Es war eine Herausforderung. Sie wusste nicht, ob er es wirklich ernst meinte, ob er wirklich erwartete, sie würde darauf eingehen, doch wenn sie es tat, würde er sein Recht verlangen. Ein Recht? Nein, den Preis seiner Erpressung! Aber sie hatte keine Zeit zum Feilschen. Jeden Moment konnte Reverend Pain mit seiner Maschine zurückkehren, und dieser Mann würde sie aufhalten. Eigentlich hätte sie von Henry erwartet, dass er sie zumindest nach dem Grund ihres Wunsches fragen würde. Sah er nicht, wie verzweifelt sie war? Aber der Grund dafür interessierte ihn wenig, ihm galt es, ihre Verzweiflung auszunutzen. Nicht einmal nach dem Lasergewehr ihres Vaters, das Reverend Pain in der vergangenen Nacht aus dem Unterholz geborgen hatte und das sie wieder geschultert hielt, fragte er. »Ja«, keuchte sie schließlich. »Ja, eine Nacht, die kriegst du von mir.« Sie war Jungfrau, und sie wusste, was es für sie bedeutete, wenn sie dieses Versprechen einlösen müsste.
Und Henry Bricks würde sich holen, was sie ihm versprochen hatte. Er ergriff sie, und seine Hände umklammerten schmerzhaft ihre Arme. »Denk daran, dass ich mich nicht an der Nase herumführen lasse. Ich hole mir, was mir zusteht.« Dann presste er seine rauen Lippen auf die ihren und versuchte ihren Mund mit seiner Zunge zu öffnen. Sie fühlte seine Rechte auf ihrer Brust, und schließlich ließ sie auch das über sich ergehen. Es dauerte ja nicht lange. Nur Sekunden. Für sie waren es Ewigkeiten des Ekels und der Abscheu. Als sie sich ruckartig von ihm löste, grinste er sie frech und hämisch an. Auch unter den Menschen gibt es Vampire, dachte Seena. Sie sind genauso wilde Bestien, Reverend Pain. Und deine Sprüche von Sünde und Vergebung beeindrucken sie nicht, genauso wenig, wie sie vor deinem Kruzifix in die Knie gehen. Dann schwang sie sich auf die Maschine, die vor dem Haus gestanden hatte, startete den Motor und brauste hinaus aus dem Dorf, ließ es hinter sich zurück und näherte sich der Festung des Grauens...
Düster ragte das Gemäuer vor ihr im Nebel auf. Eine Festung aus braunem Stahl und dunklen Felsen, erbaut von den Dienern der Hölle und den bedau35
hier noch stärker, hervorgerufen durch schwarze Magie. Sie blieb stehen, richtete das Lasergewehr in die Dunkelheit und schrie: »Sandy! Sandy, wo bist du? Ich bin es, deine Schwester Seena.« Keine Antwort. Bis auf das unheimliche Echo ihrer Stimme, die sich an düsteren Mauern brach. Sie stieg von der Maschine, schaute sich um, ging dann vorsichtig umher. Doch sie traf auf niemanden, nur auf einen Brunnen, der eine Frau darstellte in obszöner Stellung und aus dem schwarzes Wasser sprudelte, das nach Gift und Tod roch. Dann stand sie vor einer Eichentür. Sie sicherte noch einmal nach allen Seiten, dann drückte sie die Tür auf, die unverschlossen war. Sie quietschte überlaut in ihren verrosteten Angeln. Dahinter erwartete sie Dunkelheit. Sie ärgerte sich, keine Taschenlampe mitgenommen zu haben, denn daran hatte sie nicht gedacht. Nur langsam gewöhnten sich ihre Augen an das schummrige Licht. Sie sah Wandteppiche, deren abgebildete Szenen ihr die Schamesröte ins Gesicht trieben. Sie schritt weiter, das Lasergewehr vor sich haltend, dann sah sie Schatten vor sich in der Dunkelheit und hörte ein raunendes Wispern. Sie schoss. Mehrere Laserblitze jagten in die Dunkelheit, blendeten sie selbst, und sie kniff die Augen zu. Sie hörte das Einschlagen des Lasers, das Zerspringen von Gestein, doch als sie die Augen wieder öffnete, war da nichts als die alles umfassende Finsternis. Und ein höhnisches Kichern erklang. Dann war da wieder das Wispern und Raunen, und vorsichtig folgte Seena den
ernswerten Menschen, die sie versklavten und die sich an diesem Bauwerk zu Tode geschuftet hatten unter den knallenden Peitschen ihrer fürchterlichen Aufseher. Seena sah viele Erker, einige Fensterchen, die wie Schießscharten wirkten. Glühende Augen, so war es ihr, leuchteten darin in der Schwärze und starrten sie an, als sie kurz angehalten hatte. Dann setzte sie ihren Weg fort, doch das Unbehagen hatte sie jetzt ergriffen. War sie vorhin noch entschlossen gewesen und hatte die Angst zurückgedrängt, so bemächtigte sich ihrer jetzt wieder schleichende Furcht und steigerte sich zu einer unbeschreiblichen Panik, je näher sie dem düsteren Gemäuer kam, das das Licht der Sonne zu schlucken schien und immer größer vor ihr emporragte. Sie musste langsam fahren, immer langsamer, so sehr begann sie zu zittern, sonst hätte sie die Kontrolle über die Maschine verloren. Ihr Shirt war von Angstschweiß durchnässt, und ihre Hände drohten vom Lenkrad zu rutschen, so feucht wurden sie. Sie fuhr vorbei an einem Friedhof, der außerhalb der Burg lag. Gräber waren hier, auch knorrige, abgestorbene Bäume, aber kein Grün wuchs hier. Stattdessen stieg weiterhin Nebel aus der schwarzen, unfruchtbaren Erde, obwohl der Morgen längst vorbei war. Grabsteine standen hier umher, mit Dämonenfratzen verziert, und Kreuze standen auf dem Kopf, zum Hohne GOTTES. Die Angst hielt Seena in eisigen Klauen. Trotzdem fuhr sie auf das Burgtor zu, das geöffnet war, als würde sie erwartet. Es schien ihr, als führe sie in den Rachen der Hölle. Innen im Hof herrschte eine unnatürliche Dunkelheit. Der Nebel wallte 36
Geräuschen, denn sie befürchtete, sich sonst in diesem düsteren Burglabyrinth zu verlaufen. Sie konnte nur hoffen, dass die wispernden Stimmen sie zu Graf Orlov oder Sandy führen mochten, dass sie sie nicht in die Irre führten, damit sie in diesen unheimlichen Gängen umherirrte, bis sie den Verstand verlor oder gar vor Durst und Hunger umkam, weil sie den Weg nicht mehr zurückfand. Doch dann wurde ihr klar, dass die flüsternden Stimmen genau das von ihr wollten. Sie wusste nicht, woher diese Erkenntnis kam, sie wusste es einfach. Es waren keine Vampire, auch keine sonstwie sterblichen Kreaturen, die dort in dem Gemäuer flüsterten. Es waren die Seelen der Menschen, die als Sklaven des Vampir-Dämons dereinst diese Burg erbauen mussten. Sie waren wahnsinnig geworden in ihrer Pein, ihre Seelen fanden keine Ruhe, und nur ein Mann GOTTES hätte ihnen Frieden geben können. Seena ergriff unbändige Angst. Sie begann zu laufen. Nur weg hier! hämmerte es hinter ihrer schweißnassen Stirn, während sie durch die kalte, stickige Finsternis lief, immer wieder einen Laserblitz abfeuerte und doch nichts sehen konnte. Nur weg! Nur weg aus dieser Todesfalle, in die ich mich in meiner Torheit begeben habe! Es war nackte Angst, die sie umklammert hielt, Todesangst. Ihr Überlebenswille trieb sie vorwärts, und sie achtete nicht mal darauf wohin, während ihr das höhnische Flüstern und Wispern folgte und immer lauter in ihren Ohren schallte. Sie wusste nicht, dass auch sie etwas folgte. Es waren ihre außergewöhnlichen Fähigkeiten, die das Böse aufspüren konnten.
Das Böse war Graf Orlov, und so folgte sie seiner Spur, rannte seiner Aura entgegen, denn unterbewusst war sie sich sicher, dass ihre Schwester Sandy bei ihm war. Wieder glaubte sie, etwas zu sehen, genau vor sich, und sie zog den Abzug der Waffe. Der Laserblitz flammte auf. Vor ihr explodierte etwas, sprang auseinander. Brennende Trümmer wirbelten durch die Luft. Es war eine Tür gewesen, eine mächtige Pforte, und sie hatte sie gesprengt. Dahinter sah sie Fackelschein, und sie lief darauf zu. Dann wurden ihre Schritte langsamer, schließlich schlich sie nur noch, bis sie den Raum hinter der Pforte erreicht hatte. Die brennenden Trümmer der Tür lagen auch hier umher. Es war der Thronsaal des Grafen Orlov. Und Graf Orlov erwartete sie. Seena erstarrte in der Bewegung. Das Böse, das diese Kreatur dort ausstrahlte, überschwemmte sie wie eine nachtschwarze Flut. Sie konnte sich kaum regen, kaum atmen, als sie die finstere Gestalt sah, die dort auf dem Thron saß, die klauenartigen Hände auf den Lehnen, die sie umklammerten. Seine Augen glühten, es war, als brenne in ihnen ein verzehrendes Feuer, das von den Seelen Unschuldiger genährt wurde. Er grinste breit, und spitze Fangzähne blitzten rot im Schein der Fackeln. »Sandy! schrie sie endlich. »Wo ist sie? Wo ist Sandy?« Doch sie wusste, von diesem Ungeheuer hatte sie keine Kooperation zu erwarten, da konnte sie ihm drohen, wie sie 37
großen Blutfleck, der sich dort zwischen ihren Schultern ausbreitete. Sie zischten in ihrer Gier. Schon näherten sich ihr knochige Finger, die im Blutdurst zitterten. Da zischte der Graf vor ihr herrisch auf, sprang empor und verscheuchte mit einer Geste seine Diener, die entsetzt zurückwichen. Sie fürchteten nichts so sehr wie den Zorn ihres Herren. Seena blieb am Boden liegen, hob nur ihr Gesicht. Eine blutige Schramme war darauf zu sehen, und darunter war es geschwollen. Sie hatte Tränen in den Augen, aber jetzt hatte die Angst keine Macht mehr über sie. Sie sah durch ihr herunterhängendes Haar das furchtbare Antlitz des Dämons, aber sie fürchtete sich nicht mehr. Sie hatte sich in ihr Schicksal ergeben. Er schritt auf sie zu. Seine kniehohen, blankpolierten Stiefel knirschten dicht vor ihrem Gesicht. Er wollte, dass sie zu ihm emporblicken musste, und er lachte leise und hämisch vor sich hin. »So, da bist du also«, höhnte er. »Ich habe nicht lange auf dich warten müssen.« »Wo - ist Sandy«, stotterte sie. »Lass sie frei, du Ungeheuer.« Er lachte schallend. »Du willst mir Bedingungen stellen?« »Sie ist noch so jung«, keuchte Seena. Tränen liefen ihre Wangen hinab, doch sie musste sprechen, durfte die Angst nicht wieder in sich aufsteigen lassen. »Was willst du schon mit ihr anfangen? Sie ist doch viel zu jung.« »Ja, aber sie ist trotzdem schön«, sagte der Dämon, und Seena fröstelte dabei, wie er es sagte. »So schön und unschuldig. Eine Unschuld, die es zu verderben gilt. Zu vernichten. Ich werde es formen, dieses
wollte. Er würde eher untergehen, als eine Beute entkommen zu lassen, die er in seinen gierigen Klauen hatte. Deshalb riss sie das Lasergewehr hoch, um dieses Scheusal auszulöschen. Doch sie kam nicht zum Schuss. Mehrere Kreaturen waren auf einmal da, einige erkannte sie sogar. Männer und Frauen aus dem Dorf, die einst spurlos verschwunden waren. Ihre Körper waren bleich, ungewöhnlich ausgezehrt, doch sehnige Muskeln spannten sich unter ihrer totenbleichen Haut, und die ließen sie schnell reagieren, so übernatürlich schnell, dass sie keine Chance hatte. Seena spürte, wie sie ergriffen wurde. Gleichzeitig entriss man ihr das Gewehr. Dabei jedoch löste sich ein Schuss. Genau vor ihr, so musste sie sehen, wurde der linke Teil eines Kopfes einfach weggesprengt. Die Ränder der großen Wunde brannten, und Seena konnte direkt hineinsehen in den geöffneten Schädel, während die tödlich getroffene Vampirin noch vor ihr stand, nach vorne kippte, so dass der Blick in ihrem Schädel für Seena noch deutlicher wurde... Seena schrie auf, war einer Ohnmacht nahe, und die anderen Vampire nutzten dies, um ihr die Waffe endlich ganz zu entreißen. Sie wand sich in ihren Klauen, aber sie schleppten sie vor den Thron und warfen sie davor auf die harten Steinplatten. Seena wollte sich erheben, aber eine Stiefelspitze traf sie in den Rücken, genau auf die Wunde, die Reverend Pain ihr verbunden hatte und die nun wieder aufriss und blutete, und sie prallte mit dem Gesicht auf den Steinboden. Ein Raunen war zu hören. Voller Gier starrten die Vampire sie an. Sie spürte ihre stechenden, ungläubigen Blicke regelrecht in ihrem Rücken, denn sie sahen den 38
schöne Kind. Hässlich wird deine kleine Schwester danach in ihrem Innersten sein, und mit ihrer Schönheit wird sie mich erfreuen, während ich sie leiden lasse.« Er beugte sich zu Seena hinab, und seine Augen leuchteten noch intensiver. »Und genauso, meine kleine Seena, wird es auch dir ergehen.« »Ihr - Ihr könnt mich freiwillig haben«, keuchte sie, und sie zuckte zusammen unter diesem unverhohlen gierigen Blick. »Ich - ich tue alles, war Ihr von mir verlangt. Aber lasst Sandy gehen. Ihr könnt mich statt ihrer haben.« Wieder lachte der Dämon. »Das, mein schönes Kind, hatte ich ohnehin vor! Ja, Seena, um dich ging es. Du bist der wahre Grund, warum deine Schwester leiden muss. Denn du bist deiner Mutter am ähnlichsten, fast wie aus dem Gesicht geschnitten, aber ähnlich auch in ihrer Wildheit und in ihrem Trotz.« Er lachte, und sein Lachen schmerzte in ihren Ohren. »Ich musste dich hierher locken, denn dich konnte ich nicht unter meinen Bann zwingen. Das aber war eine Herausforderung für mich. Die Herausforderung, dich zu brechen. Und das werde ich tun. Langsam, und es wird mir Freude bereiten. Dann - wirst du die Stelle deiner Mutter annehmen, an meiner Seite. Wir beide werden die Nacht genießen, in wilden Orgien und im Rausch des Blutes. Dein Vater, er soll es als Erster erfahren, er soll dich sehen, so wie ich dich geformt habe.« Er schritt vor ihr auf und ab, triumphierend, sie mit jeder Silbe seiner Worte erniedrigend. »Deine Schwester, die kleine Sandy, sie wird durch die Nacht jagen nach warmem Blut. Willst du sie sehen, Seena? Willst du sehen, was ich aus ihr gemacht habe?«
Er lachte, dass die Wände dieses schwarzen Saales, in dem das Böse zu Hause war, widerhallten, und Seena konnte die Tränen jetzt nicht mehr zurückhalten. Sie weinte, sie schrie, sie war verzweifelt. Oh, Reverend Pain, dachte sie. Hätte ich nur auf dich gehört. Wenn du meine Schwester getötet hättest, bestimmt wäre es besser als das Schicksal, das uns beiden nun blüht. »Hör auf zu schreien, Weib!« keifte der Dämon. »Freust du dich nicht, dass ich dir diese großartige Zukunft biete?« Seine Worte troffen vor Spott und Hohn, und er griff nach ihr, hob sie hoch, weit empor in die Luft, nur mit einer Hand, um ihr ihre Hilflosigkeit in aller Deutlichkeit zu zeigen. Ihr Shirt riss dabei auf. Und plötzlich schrie der Dämon, ließ sie fallen, und sie prallte wieder hart auf den steinernen Boden. Orlovs Klaue, mit der er sie ergriffen hatte, qualmte. Rauchkreisel stiegen daraus empor, und für einen Moment zeigte sein Gesicht tatsächlich etwas wie Schmerz. Seena blickte an sich hinab und sah zwischen den Fetzen ihres zerrissen Shirts das Kruzifix auf den nackten Brüsten. Das Kruzifix, das Pain ihr gegeben hatte. Die Vampire zischten auf, laut, grässlich, aber auch voller Panik und Angst. Sie wichen von Seena zurück, und das Mädchen verstand. Das Kruzifix, das Zeichen GOTTES. Reverend Pain hatte es ihr gegeben. Sie wusste nicht warum, aber sie hatte es an sich genommen, hatte es sich umgehängt mit dem kleinen Silberkettchen, an dem es befestigt war. 39
den vorgestreckten Klauenhänden, die sich nach ihr ausstreckten. Dann wurde alles schwarz um sie...
Vielleicht war da doch noch etwas von dem Glauben in ihr, zu dem sie ihr Vater immer hatte erziehen wollen. Vielleicht hatte sie aber auch Vertrauen zu Reverend Pain gefasst, ohne dass sie es sich hatte eingestehen wollen. Sie erhob sich, damit die Vampire das Zeichen GOTTES deutlich sehen konnten, und die Kreaturen der Nacht heulten auf und verbargen ihre Augen vor Angst. Dass sie nicht nur das Kreuz sehen konnten, sondern auch ihren wohl geformten, straffen Busen, das interessierte Seena jetzt nicht. Es war ihre Chance zu entkommen. Da aber hörte sie Graf Orlovs Schrei. Sie wirbelte erschrocken herum und sah, wie er mit hassverzerrtem Gesicht ein magisches Zeichen in die Luft schrieb. Sie spürte das Kruzifix auf ihrer Haut, wie es schmolz, ohne dass es heiß wurde. Es wurde flüssig, und das kalte Metall löste sich von der Silberkette und zerlief zwischen ihren Brüsten. Es war ein unangenehmes, hilfloses Gefühl. Das Silber tropfte zu Boden wie Quecksilber und löste sich dann auf, verdampfte einfach. Graf Orlov trat auf sie zu. Seine Fratze spiegelte Hass, Wut und unbändigen Zorn wider. Sie sah noch, wie er mit seiner knorrigen Hand ausholte, konnte aber nicht mehr reagieren. Dann traf sie der wuchtige Hieb mitten ins Gesicht. Sie wurde wie eine Puppe von den Füßen gerissen, fiel zu Boden, und Schmerzwogen zogen durch ihren Körper. Es dauerte einige Momente, bis die gnädige Ohnmacht sie umfing. Momente, in denen sie nicht mehr fühlte als Hilflosigkeit, Verzweiflung und Schmerz. Momente, in denen sie die grausigen Kreaturen sah mit ihren gierigen Blicken,
Reverend Pain war ein guter Zuhörer. Er unterbrach den alten Rendali nicht, als dieser ihm mit immer wieder erstickender Stimme die ganze Geschichte erzählte. Auch die von seiner Frau, die er so abgöttisch geliebt hatte und der ein so grausames Schicksal widerfahren war. Immer wieder versagte ihm die Stimme, brach er in heiseres Schluchzen aus, während ihm heiße Tränen über die Wangen liefen. Doch der Reverend ergriff auch dann nicht das Wort, er berührte den alten Rendall nur an der Schulter, sah ihn an, und diese Berührung, dieser Blick war dem alten Mann Trost genug und gab ihm die Kraft, weiterzusprechen. Reverend Pain erfuhr auch von dem anderen Reverend, an dem sich Graf Orlov so grausam gerächt hatte, aber es war ihm nicht anzusehen, ob er Wut und Zorn darüber empfand. Sein Gesicht blieb ungerührt. Er erfuhr die ganze Geschichte, erfuhr auch, was Seena vorhatte, dass sie bereit war, ihr Leben zu opfern, um ihre Schwester zu retten. Ihr Leben - oder vielleicht noch mehr? Reverend Pain wusste nun, dass Eile geboten war, dass er eingreifen musste, um den Kreislauf des Bösen zu zerschlagen. Er verstand nun auch Seenas ablehnende Haltung ihm gegenüber. Ihre Beweggründe waren ihm nun klar. Der alte Rendali wischte sich über sein stoppelbärtiges Gesicht, aber sofort flossen weitere Tränen nach, als er seine 40
Erzählung beendete und sagte: »Und nun nun wird mir dieser Teufel auch noch meine beiden Töchter nehmen. Meine beiden Töchter, die ich so sehr liebe. Sandy war immer so unbeholfen, so zart. Wie ihre Mutter. Und auch sie konnte ich nicht schützen. Und Seena - sie lehnt mich ab, sie hasst mich, weil ich unfähig war, ihre Mutter zu beschützen, weil ich zugelassen habe, dass der Reverend ihre Hülle, die nur noch vom Bösen beseelt war, vernichtete, um meiner geliebten Frau den ewigen Frieden zu schenken, der ihr doch zustand. Seena will das nicht verstehen, sie hasst mich dafür, dabei liebe ich sie doch so. Ich habe immer versucht, ihr das klar zu machen, doch sie wollte von meiner Liebe nichts wissen, hat sie mit Füßen getreten. Und doch ist sie meine Tochter, und ich liebe sie und bewundere sie auch für ihren Mut. Aber sie ist so hart geworden, so unerbittlich. Bitte, Reverend Pain, ich will meine Töchter wieder sehen, und sei es auch nur noch ein einziges Mal, um Seena zu erklären, wie sehr ich sie liebe, wie sehr es mir Leid tut, dass...« Er brach wieder ab, schluchzte laut und legte sein Gesicht in seine breiten, schwieligen Hände, die von harter, ehrlicher Arbeit gezeichnet waren. »Ich liebe sie doch so«, schluchzte er. »Seena, bitte, vergib mir. O GOTT, bitte vergib mir und habe Mitleid mit einem armen Sünder...« »GOTT vergibt dir«, sagte da der Reverend endlich. »Er ist die Liebe und die Gnade, und nichts geschieht, ohne dass es einen Sinn hat. Seine Prüfung war hart, doch du hast sie bestanden, du bist nicht wankelmütig in deinem Glauben geworden, und dafür wird dich GOTT belohnen, glaube mir, mein Sohn.« Reverend Pain straffte sich.
»Und du wirst auch deine beiden Töchter wieder sehen«, sagte er mit fester Stimme. »Denn GOTT hat mich geschickt, um seinen Willen zu tun. Ich bin GOTTES Strafgericht, ich werde über die Bösen kommen, und Vernichtung und Flammen werden über die kommen, die falsch denken und falsch handeln.« Er beugte sich vor, und wieder legte er dem alten Rendall die Hand auf die Schulter. »Ich verspreche dir, noch heute Abend hältst du deine beiden Töchter in den Armen.« Dann erhob er sich. Er wollte die Farm verlassen, sich auf die Harley schwingen und dem Kampf entgegenfahren, den er nicht fürchtete, denn er wusste, dass eine Macht auf seiner Seite stand, die ihn immer beschützen würde, selbst über den Tod hinaus. Denn das leibliche Leben bedeutete ihm nichts, seine Ziele und seine Bestimmung wurden von etwas Höherem geleitet. »Reverend!« Auch Rendall hatte sich erhoben und ging hinter ihm her. »Was was soll ich tun? Ich möchte mit euch gehen, möchte an eurer Seite stehen und mich für meine Töchter einsetzen, und sei es nicht für ihr Leben, so doch wenigstens für ihr Seelenheil.« Der Reverend drehte sich wieder zu ihm um und sah ihn mit aufrichtigem Blick an. »Dann bete für sie. Das gibt ihnen Kraft, und auch dir. Alles andere liegt nun in GOTTES Hand, und sein Werkzeug will ich sein. Sei guten Mutes, habe keine Angst mehr, alles wird wieder gut werden.« Damit wandte er sich ab, stieg auf seine Maschine und fuhr davon. 41
Und das schmerzte ihn. Das Gefühl des Versagens biss sich in sein Herz, und er musste sich sekundenlang sammeln, sich auf seinen Glauben konzentrieren, das Vertrauen, das ihn lenkte, wachrufen, bevor er wieder den Halt gewann, den er sein Leben lang besessen hatte. Mehrere Dörfler schritten auf ihn zu, vielleicht ein gutes Dutzend, angeführt von einem dickbäuchigen, hoch gewachsenen Mann, der sich als der Bürgermeister des Ortes vorstellte. Man merkte ihm an, dass er kein sehr gläubiger Christ war, doch die Nähe des Reverends berührte auch ihn. Etwas von dem Glauben Pains schien auf ihn überzuspringen. Er fürchtete diesen Mann auf der schweren Maschine und in dem schwarzen, langen Ledermantel, der ihm ein unheimliches Aussehen gab, aber zugleich spürte er auch dessen Stärke, dessen Willenskraft, die sich unbeugsam dem Bösen entgegenstellte. Reverend Pain stieg von seiner Maschine, während der Bürgermeister ihn ansprach: »Die Bürger dieses Dorfes freuen sich über Ihr Hiersein, Reverend. Sie haben sich im Schulhaus versammelt und erwarten Ihre Messe. Sie hoffen auf die Vergebung ihrer Sünden, bauen auf Ihren Segen, der ihnen wieder Zuversicht geben soll in diesen schlechten, Zeiten. Kommen Sie, Reverend. Man erwartet Sie und Ihren Trost.« Doch der Reverend schritt voran, gefolgt von dem Bürgermeister und seinen Begleitern, direkt auf das Haus der alten Lehrerin zu. »Die Messe wird verschoben, Bürgermeister«, sagte der Reverend mit tonloser Stimme. »Jetzt ist nicht die Stunde der Buße und der Vergebung. Jetzt ist die Stunde des Kampfes gekommen.«
Der alte Rendall blickte hinter ihm her, bis er zwischen den Bäumen des an die Farm grenzenden Waldes verschwunden war. Und zum Ersten Mal seit Jahrzehnten fühlte Rendall wieder Hoffnung. Eine Hoffnung, die stark war und in seinen steifen, alten Gliedern eine wohligen Warme aufsteigen ließ. Eine Wärme, die auch der kalte Nieselregen, der wieder aufgekommen war, nicht vertreiben konnte. Ja, er glaubte und würde sich GOTT anvertrauen. Und Reverend Pain...
Als Reverend Pain die knatternde, röhrende Harley in das kleine Dorf lenkte, spürte er sofort, dass etwas nicht stimmte. Es ging bereits auf Mittag zu, doch die Sonne hatte sich hinter grauen Wolken versteckt, als würde ihr Licht von diesem Ort fern gehalten, in dem das Grauen so lange schon regierte. Er spürte die Ausstrahlung des Bösen. Das Böse war nicht hier, nicht in diesem Dorf. Es waren die üblichen Schwingungen der kleinen und größeren Sünden der Sterblichen, die er hier wahrnahm. Sünden aber, die GOTT, der HERR bereit war zu vergeben, wenn man wirkliche Reue zeigte. Nein, Reverend Pain spürte das absolute Böse von irgendwo her, das aus weiter Entfernung wie ein Schatten über dieses Dorf fiel. Das Böse triumphierte, verhöhnte ihn und lachte ihn aus, sagte ihm, dass er nicht schnell genug gewesen war, dass alles vorbei war, dass er versagt hatte. 42
Der Bürgermeister und die anderen Männer sahen ihn verständnislos an. Doch der Reverend hatte nicht die Absicht, ihnen seinen Sinneswandel zu erklären. Der alte Rendall hatte ihm erzählt, wie diese Männer ihn geschnitten und seinen Töchtern zugesetzt hatten, nachdem Mrs. Rendall zur Blutgräfin geworden war. Mit ihren Vorurteilen, mit ihrem Hass, den sie auf die Rendalls gerichtet hatten, ohne darüber nachzudenken, ob die an dem Grauen schuldig waren, hatten sie - gewollt oder nicht - in Graf Orlovs Sinne gehandelt. Sie hatten Böses getan, und waren damit dem Willen ihres Feindes gefolgt. Es war Dummheit, Verbohrtheit -aber Dummheit schützt vor Strafe nicht, sagte ein altes Sprichwort, und Reverend Pain sah es genauso. Zu viele Menschen hatten immer wieder Böses getan und bewirkt, hatten sich hinter ihrer Unwissenheit und Dummheit versteckt, als wäre ihnen nicht von GOTT, dem HERRN, der Verstand geschenkt worden, damit sie unterscheiden könnten zwischen Falsch und Richtig, zwischen Gut und Böse. Und das würde Pain ihnen sagen, ihnen vorwerfen, wenn er heute Abend seine Messe nachholen würde. Er würde ein Gewitter des Wortes über sie niedergehen lassen, damit sie ihre Falschheit erkannten, diese Leute, die so gottesfürchtig taten und doch nur den Willen des Feindes erfüllten. Das Haus mit der angrenzenden Schmiede und Werkstatt von Henry Bricks lag auf dem Weg des Reverends zum Hause der Dorfschullehrerin, und er sah die alte Olga Blair, als sie mit Tränen in den Augen gerade die Schmiede verließ. Er blieb abrupt stehen. Die alte Olga sah ihn und rannte auf ihn zu.
Sie schluchzte, und die Verzweiflung stand ihr ins Gesicht geschrieben. Sie konnte kaum sprechen, bis ihr der Reverend die Hand auf die Schulter legte und ihr damit einen Halt gab, ein wenig von seiner Stärke, die sie jetzt brauchte. »Seena...«, schluchzte sie. »Sie ist verschwunden. Sie ist zur Burg des Grafen Orlov gefahren, um ihre Schwester zu retten.« Durch die kleine Ansammlung der Bürger ging ein Raunen, und der Bürgermeister zischte: »Fängt dieses Unheil nun schon wieder an. Diese Rendalls...« Der Reverend warf ihm einen strengen Blick zu, der das Eis des schärfsten Winters hätte schmelzen lassen können, und der Bürgermeister zuckte unter diesem Blick merklich zusammen. »Die junge Seena und ihre Familie sind gottesfürchtiger als ihr alle zusammen!« rief er erbost. »So viel Leid haben sie mit ihrem Mut und mit ihrer Zuversicht ertragen, während ihr euch verkrochen und die Mäuler zerrissen habt. Jetzt ist die junge Seena Rendali auf dem Weg zur Burg des Grafen Orlov, um sich zu opfern für ihre Schwester. Hat einer von euch so viel Mut? Hat einer von euch es jemals gewagt, sich dem Bösen zu stellen, statt mit den Finger auf seinen Nächsten zu zeigen?« Die Worte des Reverends waren scharf wie Peitschenhiebe, und genauso zuckten die Bürger auch unter jedem Satz zusammen. »Aber...«, wollte sich der Bürgermeister verteidigen. »Es ist Sünde, sich mit dem Bösen einzulassen...« 43
seid.« Er schnaubte verächtlich. »Aber ein richtiger Mann seid Ihr nicht.« Da schnellte die Linke des Reverends vor, packte den Jungen am Kragenaufschlag und riss ihn zu sich heran. Im nächsten Moment verpasste er dem Jungen mit der Rechten drei schallende Ohrfeigen, die mit strenger Härte auf seine Wangen schlugen, dass ihr Klatschen über die ganze Straße zu hören war. Sofort stiegen Tränen in die Augen des Geschlagenen, so groß war der Schmerz. Seine Wangen liefen rot an, auch vor Scham, so geschlagen zu werden. Doch nicht nur das, die heftige Reaktion des Reverends machte ihm jetzt offenbar, wie schändlich seine Worte waren und das, was er getan hatte. Denn wann schon erhob ein Reverend oder ein anderer Mann der Priesterschaft jemals die Hand gegen einen der ihm Anvertrauten? Der Reverend ließ ihn ruckartig los, und Bricks ging vor ihm in die Knie, weil er sich nicht mehr halten konnte. Aus tränenverschleierten Augen blickte er zu dem Reverend hoch. »Du bist ein Lump!« donnerte der Reverend, und unbändiger Zorn lag in seiner Stimme. »Deine Niedertracht ist unverzeihlich, keine Buße kann dich retten! Für Kreaturen wie dich schaufelt der Gottseibeiuns ein paar Kohlen mehr ins Fegefeuer! Die ewige Verdammnis wird dir zuteil, deine Seele ist verloren auf immer, so groß ist deine sündhafte Haltung, so groß sind deine Bösartigkeit und dein Egoismus! Der Himmel und das ewige Leben bleiben Kreaturen wie dir verwehrt, die ewige Verdammnis wird dir zuteil, das Fegefeuer und die ewigen Qualen der Hölle! Der Teufel erwartet deine Seele!«
»Sünde ist es«, donnerte der Reverend, »falsch Zeugnis über seinen Nächsten zu geben.« Er wandte sich um und sah im offenen Tor der Schmiede einen jungen Mann stehen, der ihn breit angrinste. Die alte Olga bemerkte seinen Blick und erklärte mit flüsternder Stimme: »Er hat Seena seine Maschine geliehen, damit sie zur Burg des Grafen gelangt. Er wusste nicht, warum sie sie haben wollte, und als ich ihm Vorhaltungen machte und es ihm erklärte, war er einzig und allein um sein Motorrad besorgt, und er schimpfte und fluchte und bedachte Seena mit Worten, die ich nicht in den Mund nehmen möchte, nicht gegenüber euch noch sonst irgendwann in meinem Leben.« Etwas in den Augen des Reverends blitzte auf, dann ging er mit weiten Schritten und mit wehendem Mantel auf den jungen Burschen zu, der noch immer grinste, dem aber merklich unwohler wurde, als der Reverend auf ihn zutrat wie ein einsamer Rächer, der Vergeltung forderte. »Was hast du getan?« donnerte der Reverend, als er dicht vor Henry Bricks stehen blieb. »Wusstest du nicht, dass es falsch war? Doch, du ahntest es«, erkannte er im nächsten Augenblick, »aber es war dir egal, du wolltest ihr nicht helfen, du warst nur auf deinen Vorteil bedacht, stimmt's? Was musste sie dir versprechen, um deine falsche Hilfe zu erhalten?« Dem jungen Bricks wurde mulmig zu Mute, trotzdem behielt er sein unverschämtes Grinsen bei, um keine Schwäche zu zeigen. »Was glaubt Ihr wohl, Reverend? Seena ist eine junge, attraktive Frau. Ihr könnt es nicht verstehen, Ihr habt davon ja keine Ahnung, weil Ihr ein Mann Gottes 44
Die Worte des Reverends waren eindringlich und voller Zorn, und der junge Bricks spürte sie wie Stachel, die ihm ins Fleisch getrieben wurden. Er wußte von dem Bösen, hatte die Kreaturen der Finsternis gesehen. Graf Orlov - der direkt aus der Hölle kam und sein Gefolge. Er wusste, dass es den Teufel gab, der seine Heerscharen der Verdammnis über die Erde geschickt hatte. Er wollte dem Satan nicht anheim fallen. Er wusste, dass es sie wirklich gab, die Hölle, in der die Seelen der Sünder brannten bis in alle Ewigkeit, während GOTT die Gerechten bei sich aufnahm und ihnen ewig währendes Glück schenkte. Er wusste es, und doch hatte es ihn nie gekümmert. Er war ständig auf seinen Vorteil bedacht gewesen, hatte für seinen Genuss gelebt, und jetzt bereute er es, denn die Zukunft, die der Reverend ihm unterbreitet hatte, war schrecklich und grausam. Deshalb jammerte er jetzt mit tränenerstickter Stimme, flehte um Vergebung, erst verhalten, dann drängender und lauter. Er schämte sich nicht mehr der Umstehenden, denen er immer als lässiger und selbstgefälliger Kerl gegenübergetreten war und über deren Gottesfurcht er sich lustig gemacht hatte. Nun ging es um sein Seelenheil, und er wollte nichts weiter als Vergebung, egal, wie hoch die Buße dafür ausfiel. Doch Reverend Pain blieb unerbittlich. »Ich werde dir nicht vergeben. Ich kann es nicht. Keine Entschuldigung gibt es für das, was du getan hast, für die Motivation, aus der heraus du es getan hast. Dir war klar, dass du einen Menschen brechen würdest, ihm unbeschreibliches Seelenleid antust, doch es war dir egal, weil dir deine Fleischeslust wichtiger war.
Nein, ich kann dir nicht vergeben, möge GOTT, der HERR es tun. Aber ich kann es nicht.« Er wandte sich ab, wollte gehen, doch Bricks klammerte sich an sein Bein. »Nein!« rief er. »Ich will Buße tun! Vergebt mir, Vater! Lasst nicht zu, dass meine Seele verdammt ist, vergebt mir und legt mir eine Strafe auf! Aber übergebt meine Seele nicht den Klauen der Hölle!« Doch Reverend Pain hörte nicht mehr. Er schritt weiter, schleifte den Jungen, der sich voller Verzweiflung an sein Bein klammerte, einige Meter mit sich, dann ließ der heulende Junge los, blieb im Staub liegen, und der Reverend schritt auf seine Maschine zu. »Was - was werden Sie jetzt tun?« fragte die alte Olga, und auch in ihren Augen lagen Tränen, nicht wegen Bricks, obwohl sein Schicksal sie bekümmerte. Die Sorge um Seena, dieses reine, ehrliche Mädchen, war größer und zerriss ihr fast das Herz. »Ich werde mich dem Bösen stellen«, sagte der Reverend, während er auf seine Maschine stieg und den Motor startete. »Ich werde das Böse vernichten und die Unschuldigen retten, so wie es meine Berufung und meine Aufgabe ist.« Dann gab er Gas, kurz nur, drehte das Hinterrad, auf dem feuchten Kopfsteinpflaster durch, dann schoss die schwere Maschine voran, und Reverend Pain lenkte sie zur Dorfausfahrt, der Burg des finsteren Graf Orlov entgegen. Wie angewurzelt standen die Bürger des. Dorf es da, der eine oder andere bekreuzigte sich sogar, aber keiner konnte 45
Dann war da etwas, das in ihr aufflammte und das Gefühl des Triumphes in ihm milderte. Er sah sie aus böse funkelnden Augen an, trat nach ihr und erwischte sie hart an der Schulter. »Was hast du?« fauchte er sie an. »Woran denkst du? Glaubst du noch immer, dass irgendjemand oder irgendetwas dich noch erretten oder vielleicht erlösen kann?« Sie schluchzte, sie weinte, aber dann kam ein Name über ihre Lippen, schwach, kaum verständlich, aber voller Hoffnung. »Reverend Pain...« Graf Orlov zuckte hoch, sein Gesicht war hassverzerrt. Dann aber hatte er sich wieder unter Kontrolle. In seinem Gesicht zeichnete sich wieder dieses hässliche, boshafte Grinsen ab, und seine Fangzähne spiegelten das zuckende Licht der Flammen wider. »Ja«, sagte er bedächtig. »Ein Reverend - ich habe seine Anwesenheit gespürt...« Seena erschrak bis ins Mark. Dieser Teufel wusste also schon von Reverend Pain! Er erwartete ihn, wusste, dass Pain nichts unversucht lassen würde, sie den Klauen der Finsternis zu entreißen! Dann hatte er bestimmt auch eine Falle für ihn aufgestellt... »So ist es«, sagte er grinsend, als hätte er ihre Gedanken erraten. »Reverend Pain wird kommen - doch was er hier antreffen wird, wird eine Hölle sein, wie er sie selbst in seinen schlimmsten Albträumen noch nicht gesehen hat.« Er wies mit seinem knochigen Finger auf eine Tür, die Seena noch nicht entdeckt hatte und die sich im nächsten Moment quietschend öffnete. Und was dann in den Saal trat, ließ das Blut in ihren Adern gefrieren.
fassen, was sie da gerade gesehen und gehört hatten. Einem Mann wie Reverend Pain waren sie alle noch nie begegnet...
Graf Orlov stand vor seiner Gefangenen. Seena lag am Boden, halb nackt, schluchzend und verzweifelt. Sie konnte sich nicht mehr wehren, nichts anderes tun, als sich ihrem Schicksal zu ergeben. Graf Orlov genoss ihre Verzweiflung, sie erfreute ihn, er weidete sich daran und schöpfte aus ihr Kraft. Es war draußen helllichter Tag, es war nicht seine Zeit. Eigentlich musste der Vampir-Dämon unten in seiner Gruft liegen, bis sich die Nacht, die Zeit der Finsternis und des Schreckens, wieder über das Land legte. Der Tag draußen, obwohl durch dicke Mauern und Stahl fern gehalten, schwächte ihn. Doch die Verzweiflung seines Opfers gab ihm Kraft, glich die Schwäche, die er am Tage spürte, wieder aus und nährte ihn. Er wäre trotzdem schon lange in seiner Gruft entschwunden, hätte sich in seinem Sarg verkrochen, wenn er diesen einmaligen Triumph nicht hätte voll auskosten wollen. Später vielleicht hätte sich sein Opfer ganz in sein Schicksal ergeben, wäre die Verzweiflung nicht mehr ganz so groß, sondern einer seelen- und kraftlosen Lethargie gewichen, und dann wäre dieses Gefühl nicht mehr so großartig. Er wollte sie weiter erniedrigen, sie quälen und mit der Aussicht einer grausamen Zukunft erschrecken. 46
Sie schrie gellend auf...
Die Kreuze, die zum Hohne Gottes verkehrt herum in die schwarze, unfruchtbare Erde gestoßen waren. Auf Reverend Pains Lippen lag ein leises Gebet für die unseligen Kreaturen, die hier begraben sein mochten. Kurz hielt er an, griff in eine seiner Manteltaschen und zog eine Phiole hervor. Weihwasser war darin, das er, noch immer leise betend, in die Erde träufelte. Der schwarze, verpestete Boden schien zu brodeln, wo ihn das Weihwasser berührte. Dampf stieg auf, beißend und nach Schwefel stinkend. Schleimige Blasen blubberten, das Böse wehrte sich. Reverend Pain hoffte, dass er die Qualen der hier beerdigten Kreaturen damit etwas hatte mildern können. Er wusste um die Macht GOTTES. Vielleicht würde das Weihwasser und seine Gebete etwas Hoffnung stiften an diesem Ort des nackten Grauens und der Verzweiflung. Vielleicht sogar Hoffnung genug, dass sich die Kreaturen hier unter der Erde aus den Klauen des Bösen winden konnten. Aber das vermochte er nicht mit Sicherheit zu sagen. Er nahm das Lasergewehr von den Schultern, legte ein Magazin mit Explosivgeschossen ein und stellte das Gewehr darauf um. Jetzt konnte er mit den Geschossen schießen. Gegen die Untoten mochte Laserlicht wirksamer sein, aber zunächst musste er in die Mauern dieser finsteren Festung gelangen. Er legte das Lasergewehr so auf die Lenkstange der Harley, dass er im Fahren schießen konnte, dann gab er wieder Gas, beschleunigte mit aufröhrendem Motor, gewann immer mehr an Tempo und jagte
Vor Reverend Pain tauchte die Burg des Grafen Orlov aus dem Nebel auf. Es war ein unnatürlicher Nebel, er dürfte gar nicht mehr existieren, hätte sich längst aufgelöst haben müssen, obwohl Nieselregen herrschte und die Sonne die Dunstschleier, die grau den Himmel beherrschten, nicht zu durchdringen vermochte. Aber dieser Ort hier war düster. Die Sonne schien sich hier noch dichter im Dunst zu verbergen, kein einziger ihrer Strahlen schien das finstere, schwarze Gebäude zu erreichen. Es war ein unheimlicher, ein schauriger Anblick, kalt und grausig, der einen Menschen die Grabeskälte in die Adern fahren ließ. Doch Reverend Pain kannte dieses Gefühl. Es war das Gefühl, dem Tod gegenüber zustehen, in seinem schrecklichsten Gewände. Das Gefühl, das einen überkam, wenn man den Schergen der Finsternis gegenübertrat, dem absolut Düsteren und Bösen, das nach Fäulnis roch, nach Verdammnis und ewigem Leid. Reverend Pain unterdrückte dieses Gefühl, das er nur allzu gut kannte. Er musste jetzt auf sich vertrauen, auf seine Stärke, seinen Glauben. Und auf GOTT. Er lenkte seine Maschine weiter vorwärts, dem finster drohenden Gemäuer entgegen, durch den wallenden, unnatürlichen Nebel, der alles beherrschte. Zu seiner Linken sah er den Friedhof, sah die Grabsteine mit den Dämonenfratzen und den gotteslästerlichen Texten, die in das Gestein gemeißelt waren. 47
Reverend Pain wusste nicht, dass dieser Brunnen eine Machtquelle des Bösen war, dass er so angelegt worden war, dass er böse Energie in sich aufsog und multiplizierte, um sie wieder auszustrahlen und so die böse Macht dieser Festung und ihres Herrschers zu stärken. Als er jetzt zusammenbrach und schwarzes Gestein und schwarzes, fauliges Wasser zu allen Seiten hin wegspritzte, war ein grelles Gleißen und Funkeln zu sehen, als die Energie des Bösen unkontrolliert freigesetzt wurde und verpuffte. Reverend Pain hätte den Brunnen auch so zerstört. Eine Obszönität wie diese konnte er nicht einfach stehen lassen. Vernichtung war die einzige Antwort, die ihm auf eine derartige Abartigkeit einfiel. Er hatte eine große Flügeltür aus Eichenholz entdeckt, die in den Haupttrakt der Burg führte, und lenkte seine Maschine darauf zu. Diesmal schoss er kein weiteres Explosivgeschoss ab, stellte das Gewehr stattdessen mit einer Daumenberührung wieder auf Laser um - und durchbrach mit hochgerissenem Vorderrad die Flügeltür. Die Tür sprang auseinander, einer der Flügel wurde in den dahinterliegenden Raum geschleudert. Und ein ohrenzerfetzendes Kreischen und Schreien ertönte aus mehreren Kehlen. Durch die aufgebrochene Tür fiel der graue Schimmer von Sonnenlicht in den Raum. Die Vampire, die in dem Raum auf Reverend Pain lauerten, hatten nicht damit gerechnet, dass er derart zerstörerisch eindringen würde. Als ihre Körper vom Sonnenlicht getroffen wurde, standen ihre Leiber sofort in Flammen. Vier, nein fünf der untoten Kreaturen wirbelten als lebende Fackeln umher, rollten sich über den Boden und konnten die Flammen doch nicht löschen,
über den aufspritzenden Boden auf das geschlossene Burgtor zu. Es kam rasend schnell näher. Noch mehr Gas gab der Reverend. Nichts war zu sehen von den Vampiren. Obwohl es liier unnatürlich düster war, herrschte doch Tag, und der war tödlich für die Kreaturen der Finsternis. Jetzt war er bis auf wenige Meter an das geschlossene Tor mit den ebenholzschwarzen Flügeln heran, raste immer noch darauf zu. Und dann schoss er. Einen schmalen Feuerschweif hinter sich herziehend, jagte das Explosivgeschoss durch die Luft, durchschnitt den Nebel und traf das Tor. Das Holz zerbarst. Hunderte winziger Splitter wurden durch die Gegend gewirbelt, dann sprang das Tor auf. Einer der Torflügel krachte sogar zu Boden. Der Reverend hatte seine Geschwindigkeit nicht verringert und raste durch das aufgesprengte Tor in den Innenhof, in dem der Nebel noch dichter war. Auch hier war keiner der Untoten zu erblicken, wie der Reverend bemerkte, als er eine Runde durch den Burghof drehte. Es verwunderte ihn nicht. Er orientierte sich, suchte einen geeigneten Weg, um in das Innere des Gemäuers zu gelangen, und gab wieder Gas. Er jagte vorbei an einem Brunnen, der eine entstellte Gestalt darstellte in obszöner Haltung. Schwarzes, verpestetes Wasser sprudelte heraus. Wieder hob Reverend Pain sein Gewehr leicht an und schoss das zweite Explosivgeschoss ab. Es traf den Brunnen. Schwarzer Stein explodierte, sprang auseinander und prasselte gegen die Wände im Burginnenhof. Dann kippte der Brunnen um, brach in sich zusammen. 48
die von innen her aus ihren Körpern genährt wurden. Reverend Pain achtete nicht auf sie. Er stoppte die Maschine und gab blindlings ein paar Laserschüsse in den hinteren Bereich der Burg ab, wo er weitere Vampire in den nachtschwarzen Schatten vermutete. Er hatte recht damit und streckte auf Anhieb zwei von ihnen nieder. In den aufzuckenden Laserblitzen und im Feuer der nun brennend zu Boden gehenden Kreaturen sah er drei weitere Untote, die versuchten, seinem Zorn zu entkommen, doch sie hatten keine Chance. Auch ihre Leiber wurden von der gleißenden Energie konzentrierten Lichts durchschlagen und vergingen. Reverend Pain stieg von seiner Maschine, sicherte nach allen Seiten, aber in diesem Raum gab es keine Vampirbrut mehr. Er ging auf die nächstgelegene Tür zu. Er wusste, wie die Höllischen ihre Burgen bauten, wie die Räume eingeteilt waren. Sie schufen ein magisches Muster, um ihre bösen Energien zu sammeln und optimal einzusetzen. Diese Tür hier war richtig. Mit den schweren Motocross-Stiefeln trat er zu und sprengte die Tür damit aus den Angeln. Sofort gab er eine Lasersalve in den dahinterliegenden Raum ab. Wieder erledigte er zwei der Untoten, die dort auf ihn gelauert hatten. Er trat in den Flur, dann ließ ihn eine innere Stimme innehalten. Er holte sein Stufmfeuerzeug hervor, ließ die relativ hohe Flamme aufleuchten und erkannte in ihrem flackernden Schein die schmalen Ritzen vor sich am Boden. Eine Falle, eine Art Falltür, die ihn bestimmt metertief stürzen ließ, wenn er auf die Steinplatte vor ihm trat.
Vorsichtig und langsam schlich er an der Falle vorbei, drückte sich dabei an die kalte, feuchte Wand, die schwere Laserwaffe nur mit einer Hand haltend, in der anderen sein Feuerzeug. Er hörte ein leises, kaum wahrnehmbares Geräusch vor sich in der Dunkelheit, riss das Gewehr wieder hoch und schoss einhändig. Zweimal traf er, und einer der Vampire verging. Aber er hatte mindestens fünf gesehen. Sie blieben in der Dunkelheit, lauerten auf ihn. Reverend Pain öffnete eine Tasche an seinem Gürtel, die bisher von seinem langen Ledermantel verborgen gewesen war. Er zog die Blendgranate hervor, riss den Zünder heraus und warf sie dorthin, wo er die Vampire vermutete. Er selber drehte das Gesicht zur Seite, um seine Augen zu schützen, als die Blendgranate detonierte. Gleißende Helligkeit, das Geschrei der Vampire, dann sah er hin und entdeckte sie. Sie hatten die bleichen Klauen auf ihre Gesichter gepresst, sie waren das grelle Licht nicht gewohnt, es brannte ihnen fast die Augen aus den Kopf. Reverend Pain zögerte nicht. Er hob das Lasergewehr an und schoss erneut. Zwei der Untoten lösten sich sofort in Staub auf, die anderen verbrannten. Reverend Pain schritt weiter bis zu einer Gangbiegung und warf eine weitere Blendgranate um die Ecke. Das gleiche Spiel, diesmal erwischte er jedoch nur drei der Kreaturen. So kämpfte er sich weiter vor, trat auch einige Zimmertüren auf, an denen er vorbei 49
Und er konnte sich auch dagegen wehren, denn sein unerschütterlicher Glaube gab ihm die Kraft dazu. Und dann sprach er ein Gebet, laut und vernehmlich, dass es durch die dunklen Korridore und Flure schallte und sogar das wütende Prasseln des Feuers hinter ihm übertönte. Und wieder griff er zu der Phiole, die er bei sich trug, und sprenkelte das Weihwasser vor sich, immer lauter und intensiver betend. Dann war der Bann gebrochen, und das Wispern und Raunen erstarb. Statt dessen war da ein Gefühl, das den Reverend überschwemmte, ein starkes Gefühl, das ihn nun ganz einnahm. Das Gefühl von Dankbarkeit. Seine Gebete hatten gewirkt, sie hatten den Geistern dieser bedauernswerten Menschen den Weg gewiesen, ihnen die Erlösung vor Augen geführt, und nun wussten sie, was sie tun mussten. Das Gefühl der Dankbarkeit schwoll in Reverend Pain an, dann war es abrupt fort. So wie die Geister der Toten. Sie hatten diesen unseligen Ort verlassen, diesen Ort der Qual und des Schmerzes. Sie hatten den richtigen Weg erkannt und ihn beschritten. Ein Weg, der sie zum Licht brachte - in den ewigen Frieden...
kam, und feuerte in die Räume dahinter. Er tötete einige der Untoten, erlöste sie damit, setzte auch einige Räume in Brand, bis hinter ihm das Feuer tobte. So konnten die Untoten ihm schlecht folgen. Sie waren nicht immun gegen die reinigende Kraft des Feuers. Er kämpfte sich weiter vor. Dann hörte er das Wispern und Raunen... Es war ein lockendes Wispern, es war ein verführerisches Raunen. Es waren die Geister derer, die sich in der Sklaverei des Vampir-Dämons Orlov zu Tode geschuftet hatten, um dieses Gemäuer der Angst zu errichten. Die Geister von Menschen, die so viel Grauen und Schrecken gesehen hatten, dass ihre Seelen dadurch verwirrt wurden. Sie waren wahnsinnig geworden und fanden den Weg nicht in die Erleuchtung, obwohl sie die Erlösung verdient hatten nach all dem Leid, das sie hatten ertragen müssen. Jetzt versuchten sie andere ins Verderben zu ziehen, ohne zu wissen, warum. Ihr Wispern, ihr Raunen konnte Menschen in ihren Bann schlagen, sie in die Irre führen, in tödliche Fallen oder in die labyrinthischen Grüfte und Gänge unterhalb der Burg locken, wo sie umherirren mussten, bis Hunger und Durst sie dahinrafften. Dann würden sich die Geister ihrer Seelen bemächtigen, sie gefangen halten, bis auch sie dem Wahnsinn verfielen und zu den ihren wurden. Es war ein grausamer Kreislauf. Und Reverend Pain spürte, wie er langsam die Kontrolle über sich verlor, wie die Geister ihn in ihren Bann schlugen, wie sein Wille immer mehr schwand. Er musste sich dagegen wehren, sonst war er verloren.
Reverend Pain atmete kurz auf. Auch wenn seine Mission nun doch noch scheitern mochte, so hatte sie sich gelohnt. Dieser armen Seelen willen, die nach so langer Zeit der Verzweiflung endlich ihren Frieden gefunden hatten. Er schritt weiter. Wieder trat er rechts und links Türen ein, sah die huschenden Schatten dahinter, die rot glühenden Augen, hörte das hässliche Fauchen - und schoss. 50
Eine Kreatur nach der anderen erlöste er so, setzte aber auch so manches Zimmer in Brand. Überall hinter ihm tobte nun das Feuer. Er musste sich beeilen, wollte er nicht selbst den Flammen zum Opfer fallen. Das Feuer trieb ihn an. Vielleicht war er deshalb so unvorsichtig, als er die große Halle betrat. Bilder hingen hier an den Wänden, eine Ahnengalerie des Bösen, und Wandteppiche zeigten sexuelle Auswüchse jeglicher Art. Eine breite Wendeltreppe führte hinauf zu einer Galerie. Ein großes Fenster war in die Mauer eingelassen, wurde aber von einem dicken, staubigen grauen Vorhang bedeckt, damit kein Sonnenlicht einfallen konnte. Aber in einem Kamin brannte ein Feuer. Es war dämonisches Feuer, das erkannte Reverend Pain auf Anhieb, denn es brannte in grellblauen Flammen, die ihn blendeten, als er direkt zum Kamin sah, ansonsten aber verbreiteten sie kaum Licht. Es war, als erzeuge dieses Feuer vielmehr düstere Schatten, in denen sich finstere Ungeheuer und seelenlose Wesen der Nacht verbargen. Als Reverend Pain die Tür zur Halle eintrat, hatte er sofort wieder ein paar Laserschüsse abgefeuert. Eine Kommode platzte splitternd auseinander, ein großer Wandspiegel verwandelte sich in eine schwarze, hässliche stumpfe Fläche. Doch die Gefahr kam von oben, von der Galerie her. Kaum war Reverend Pain in den Raum gestürzt und hatte kurz die Augen zusammengekniffen, weil er in das blendende dämonische Feuer im Kamin geschaut hatte, da jagten drei Vampire, halb zu Fledermäusen verwandelt, von der Galerie her nach unten auf ihn zu.
Normalerweise kreischten und fauchten die Kreaturen beim Angriff, damit ihre Opfer vor Panik und Schrecken erstarrten und so für den ersten Moment völlig bewegungslos waren. Doch diese hier verhielten sich völlig lautlos, und so bemerkte der Reverend sie zu spät. Zwei konnte er trotzdem noch mit dem Lasergewehr treffen. Ihre hässlichen Körper explodierten in der Luft, und die Ekel erregenden Reste wirbelten herab in die Halle. Doch der Dritte war bereits zu nahe. Der Reverend stieß den glühend heißen Lauf seiner Waffe nach vorne, direkt in das aufgerissene Maul des Monsters. Zähne knackten und zerbrachen, Knochen splitterten, und schwarzes Blut besprenkelte das Gesicht des Reverends. Er zog den Abzug durch, und der Kopf verschwand von den Schultern des Ungeheuers. Zurück blieb ein Torso, der nach hinten gerissen wurde, einen Tisch unter sich zerbrach und sich dann in Staub auflöste. Doch Reverend Pain kam nicht dazu, Luft zu holen, denn im selben Moment wurde er von hinten von stahlharten Klauen gepackt. Sie kamen scheinbar von überall her, hatten sich in Nischen und Schatten verborgen. Jetzt waren sie um ihn herum, und zwei hatten Pain von hinten ergriffen. Er schoss noch zweimal, schickte zwei der Kreaturen zur Hölle, dann wurde ihm das Lasergewehr aus der Hand geschlagen, und es wirbelte herum und blieb außer Reichweite auf dem Boden liegen. Sie hielten ihn fest, und er sah ein halbes Dutzend dieser entsetzlichen 51
Doch der Geruch dieser Kreatur erfüllte den ganzen Saal. Es stank nach Moder, Fäulnis, nach Grab und Tod. Noch immer liefen Seena Tränen der Angst und Verzweiflung übers Gesicht. Sie wusste, dass sie verloren war. Graf Orlov hatte einzig und allein sie gewollt, und sie hatte genau das getan, was er von ihr erwartet hatte. Es war eigentlich ihre Schuld, dass ihre Schwester Sandy in der Gewalt dieses Monsters war. Nein, nicht nur eigentlich, sondern mit absoluter Sicherheit. Orlov hatte gar kein Interesse an Sandy, es ging ihm nur um sie. Und Sandy war der Köder gewesen. Ohne mich wäre Sandy in Sicherheit, hätten diese Ungeheuer sie niemals entführt, schoss es Seena durch den Kopf, während sie laut schluchzte und von einem Weinkrampf ergriffen wurde. Es ist meine Schuld. Wäre ich doch nie geboren worden. O GOTT, wäre ich doch nie geboren worden! Und Reverend Pain? Wie hatte sie diesen Mann verflucht und verdammt. Er war gekommen, um sie zu retten, und nun war sie es schuld, dass er so unvorbereitet in die Falle dieser Bestien rannte. Auch er würde so enden wie der andere Reverend, genauso grausam und qualvoll! Der andere Reverend, echote es in ihren Gedanken. Der andere Reverend... Der andere Reverend... Vorsichtig drehte sie den Kopf, blickte an den sie gierig anstarrenden drei Vampiren vorbei in den Schatten hinter einer Säule, von wo aus der Grab und Modergeruch drang. Sie hätte sich jetzt gern bekreuzigt, doch das wagte sie nicht. Sie wusste nicht, wie diese Monster dann reagieren würden.
Monster. Fauchend entblößten sie ihre Fänge, traten mit stockenden Bewegungen und vorgehaltenen Klauen auf ihn zu und starrten ihn aus gierigen, blutrot glühenden Augen an. Wieder versuchte der Reverend, sich aus dem eisenharten Griff seiner beiden Gegner zu befreien, die ihn von hinten hielten, aber es gelang ihm einfach nicht. Dann hatte ihn der erste der Untoten vor ihm erreicht. Er fauchte wütend, aus seinem hässlich entstellten Maul tropfte Speichel, und seine Zähne glitzerten im blauen Licht des dämonischen Feuers wie zwei spitze Eiszapfen, kalt und tödlich. Der Unhold war sich seiner Sache sicher. Der Reverend war hilflos, auch wenn er dies nicht zeigte und sich noch immer aus Leibeskräften zu befreien versuchte. Er war von Untoten umringt, und der Vampir vor ihm griff nach seinem Opfer, um ihm die spitzen Zähne in die Adern zu schlagen...
Seena lag noch immer auf dem steinigen Boden, halb nackt, entwürdigt, zitternd vor Furcht und vor Kälte, die von den Steinplatten in ihren schmalen Körper stiegen. Sie wagte es nicht, aufzustehen oder sich zu bewegen. Sie spürte die gierigen Blicke der drei Untoten hinter sich, die sich in ihren Rücken bohrten, in die Wunde auf ihrem Schulterblatt, die unablässig blutete. Und sie spürte das Böse, das irgendwo noch weiter hinter ihr stand, in den Schatten verborgen und wartend. 52
Wieder drehte sie leicht den Kopf und blinzelte aus tränenverschleierten Augen zu Graf Orlov hinüber. Der Dämon triumphierte... Denn er spürte mit seinen dämonischen Fähigkeiten genau, wie ihm alles aus den Händen glitt. Dort draußen wütete der Reverend wie ein Berserker, wie das Strafgericht GOTTES, das sich in ihm manifestiert zu haben schien. Graf Orlov spürte, wie magische Banne und Zauber gebrochen wurden, wie eine seiner Kreaturen nach der anderen im reinigenden Feuer verging, und jede Vernichtung seiner Vampir-Sklaven traf ihn selbst wie ein Schlag, wie ein spitzer Dorn. Ein Dorn, der Widerhaken hatte, sich tief in sein untotes Fleisch bohrte und ihm magische Höllenkraft entzog. Er hätte sich gewunden, nicht vor Schmerzen, denn die spürte er schon seit Jahrtausenden nicht mehr. Aber vor Hass, vor unbändiger Wut. Aber dann gewann er doch die Kontrolle über sich zurück. Was er jetzt brauchte, war Kraft, und die gewann er aus dem Leid seines Opfers, aus der Pein des jungen, halb nackten Mädchens vor sich. Er starrte sie an, zwang sie, in sein hassverzerrtes Gesicht zu sehen, in seine Dämonenfratze, und um sie weiter zu ängstigen, verwandelte er sein Antlitz, zeigte ein grausiges Aussehen, ein Gesicht, das halb das eines Menschen, halb das einer Fledermaus war. Seine Schnauze wuchs leicht hervor, hässliche spitze Ohren wuchsen ihm, und er blies ihr den fauligen Gestank seines Atems entgegen. »Reverend Pain wird nicht siegen«, schwor er ihr, während sie nach Atem rang und noch lauter schluchzte und weinte. »Und deine Schwester ist auf ewig verloren. Warte nur, bis du siehst, was ich
Das hatte er jedenfalls eben noch getan. Jetzt aber war sein Gesicht hassverzerrt, er starrte ins Leere, hatte die Klauen zu Fäusten geballt, und Seena erkannte, dass irgendetwas nicht so lief, wie der Unhold es geplant hatte. Wieder schien der Vampir-Dämon ihre Gedanken erraten zu haben, denn sein Kopf zuckte so ruckartig herum, dass Seena den Blick nicht rechtzeitig abwenden konnte, und so sah er, dass sie ihn beobachtet hatte. Er trat wieder auf sie zu, und sie zog automatisch den Kopf zwischen die Schultern, weil sie wieder mit Tritten oder Schlägen rechnete, doch er blieb dicht vor ihr stehen. »Der Reverend...!« fauchte der Dämon, und seine Stimme klang, als dringe sie direkt aus den Schlünden der Hölle. Er war zornig, und am liebsten hätte er diese sterbliche Kreatur, die da vor ihm auf den kalten Steinplatten lag, mit seinen Klauen ergriffen und in Fetzen gerissen, um seine Wut und seinen Hass zu mildern. Er schaffte es nur mit Mühe, sich unter Kontrolle zu halten. »Der Reverend - ja...«, zischte er immer wieder. Die Sterbliche ahnte, dass etwas schief ging, er durfte es ihr nicht zeigen, aber er spürte, wie ein leiser Funken Hoffnung in ihr aufzuglimmen begann. Er konnte seinen Hass und seinen Zorn kaum unterdrücken. 53
Schläge. Erschrocken wichen sie einen Schritt rückwärts, waren entsetzt. Eine der Kreaturen hinter ihm lockerte sogar für einen Sekundenbruchteil den Griff um seinem Handgelenk. Die Chance, auf die Reverend Pain gewartet hatte. Seine Hand ruckte nach unten, in eine seiner Taschen, und da hatte er eine weitere Phiole in der Hand. Es war seine letzte, aber es war auch seine letzte Möglichkeit jetzt. Natürlich trug er noch ein Kreuz um den Hals, aber die Untoten hüteten sich davor, es zu berühren. Sicherlich schmerzte sie auch der Anblick des Heiligen Zeichens, doch sie überwanden ihre Angst und den Schmerz, denn ihre Blutgier war stärker, und die Strafe ihres Herrn war schlimm und grausam, wenn sie versagten. Mit dem Daumen löste Reverend Pain den Pfropfen von der Phiole, spritzte das Weihwasser den Kreaturen vor sich ins Gesicht, dann mit einer ruckartigen Bewegung hinter sich, und aufkreischend ließen die Unholde los, wichen vor ihm zurück. Dampf wallte auf, der Gestank verbrannten Fleisches stach in die Schleimhäute des Reverends, aber jetzt war er frei. Es war sein letztes Weihwasser gewesen, doch wenn er dieser Hölle entkam, würde er in einem Kloster oder einer Kirche irgendwo schon neues erhalten. Oder er würde einfaches Wasser nehmen, denn jede Quelle war letztendlich von GOTT geschaffen, und dann würde er es weihen. Aber jetzt musste er handeln!
ihr angetan habe! Dann weißt du auch, was ich mit dir tun werde.« Sie wand sich unter ihm, sie versuchte nicht einmal mehr, ihre Blöße notdürftig vor seinem lüsternen Blick zu verbergen. Er würde sich auch das holen. Und noch viel mehr. Sie versuchte, sich nicht ganz der Verzweiflung hinzugeben, kämpfte dagegen an. »Reverend Pain...«, jammerte sie. »Er wird dich vernichten!« Da wies er mit seinem knochigen Finger in den Schatten hinter der Säule. Sie brauchte den Kopf nicht mehr wenden, um zu wissen, auf was er wies. »Glaubst du, dass er gegen ihn bestehen kann?« höhnte der Dämon, und seine Stimme klang so ungnädig und hart, dass sie wie Faustschläge auf Seena herabprallten. »Glaubst du das?« Seena wusste, was in den Schatten hinter ihr lauerte. Jetzt pfiff es hässlich. Nein, sie glaubte es nicht...
Reverend Pain kämpfte gegen den stahlharten Griff an, der ihn hielt. Er war kein Mann, der aufgab. Er konnte gar nicht aufgeben. Nicht, solange er wusste, dass noch immer ein GOTT existierte, dass es eine Erlösung gab, ein Ziel, für das es zu streiten lohnte. Er konnte nicht aufgeben. Und er gab nicht auf! Er sprach ein Gebet, erst kam es leise über seine Lippen, dann rasch lauter, und es war, als träfen die heiligen Worte des Reverends die untoten Kreaturen wie 54
Einige der Kreaturen waren in die Knie gegangen, kreischten und pfiffen, hatten die Klauen auf ihre verbrannten Gesichter gepresst, aus denen noch immer Dampf quoll, aus tiefen, eingebrannten Wunden. Reverend Pain schnellte vor. Schon fühlte er die Klauen anderer Vampire, die nach ihm griffen, sich in seinen Ledermantel zu krallen versuchten, und einer der Untoten stellte sich ihm in den Weg. Der Reverend zog mit einer schnellen Bewegung einen der angespitzten Eichenpflöcke aus dem Gürtel quer über seiner Brust und rammte ihn mit bloßen Händen dem Untoten in die Brust und durchs Herz. Das Geschöpf der Nacht schrie auf, und noch während es zurückgestoßen wurde, löste sich das Fleisch von seinen Knochen, und das Gerippe brach in sich zusammen. Reverend Pain hatte sein Ziel erreicht, befreite sich noch einmal aus dem Gewusel zugreifender untoter Hände und sprang. Er krallte sich in dem staubigen, grauen Vorhang fest, der vor dem großen Fenster hing... Und riss ihn hinab!
Der Raum war erfüllt von brennenden Leichen, dampfendem Fleisch und verkohlten Knochen, doch den Reverend kümmerte es nicht. Er empfand vielmehr Genugtuung, denn er wusste, dass Dutzende gefangener und gequälter Seelen nun erlöst waren. Er lief weiter, nahm eine Tür, die direkt unter der Treppe angelegt war, und erreichte wieder einen dunklen Korridor. Vor ihm tauchten noch drei der untoten Wesen auf, die er ohne zu zögern niederschoss. Er musste jetzt schnell handeln. Eile war geboten, die halbe Burg stand in Flammen, und zwei Menschen wollte er befreien, bevor alles hier zu Ende war...
Seena war so von Angst und Schrecken gepackt, dass sie nur noch wimmernd am Boden lag - vor den Füßen des Unholds, der sich Graf Orlov nannte. Dann hörte sie ein lautes Zischen und zuckte unwillkürlich zusammen. Aber es war nicht das Zischen weiterer Monster und dämonischer Kreaturen. Es war Laserfeuer! Sie drehte den Kopf und sah die drei Vampire, die mit aufgesprengtem Brustkorb durch die Gegend flogen und gegen eine der steinernen Wände prallten, bevor sie ihr unheiliges Leben aushauchten. Dann trat Reverend Pain in den Raum! Seenas Herz schlug höher, als sie ihn erblickte, wie er durch die zersprengte Tür
Sonnenlicht flutete grau in den Saal, doch es reichte aus. Selbst so schwach, wie es um die Burg herum war, waren seine Stahlen in dem aufgewirbelten Staub des Raumes deutlich zu erkennen. Wie göttliche Laserstrahlen, die aus den Wolken stachen. Und mit einem Mal standen die Untoten im Raum in lodernden Flammen oder sackten in Rauchwolken gehüllt zu Boden. Ein Dutzend lebender Fackeln kreiselte kreischend durch den Saal, doch der Reverend trat sie aus seinem Weg, bis er wieder sein Lasergewehr erreicht hatte, und schoss die restlichen nieder. 55
gewesen, Pain zu sehen, so dass sie das Entsetzliche, das sie gesehen hatte, für einen Moment verdrängt hatte. Für Pain konnte ihr Fehler jetzt mörderisch werden. Er wurde an der Kehle gepackt, der Griff war wie der einer Schraubzwinge, dann schleuderte der untote Reverend ihn quer durch den Raum. Pain prallte hart gegen eine Steinwand, rutschte benommen an ihr herab, und Graf Orlov, dieser Teuf el, lachte schallend. Der untote Reverend schritt langsam auf Pain zu - der Reverend, der Seenas Mutter getötet, erlöst oder was auch immer hatte, der zum Untoten geworden war und so viele Jahre tief unter der Erde begraben gewesen war, allein mit seiner Unsterblichkeit und seiner immer größer werdenden Gier nach Blut. Er schritt auf Pain zu, ein Wesen, bleich und tot und doch lebendig, ganz in Schwarz gekleidet, mit langem wehenden Mantel. Seine Augen glühten rot im Feuer ewiger Verdammnis, das Kreuz an seiner Brust war entweiht worden und hing nun verkehrt herum. Er war über und über mit schwarzem Schlamm und faulig stinkender Erde beschmiert, er stank nach Tod, nach Verderben, nach Moder. Sein Haar war in der Gruft gewachsen, wohl auch seine Fingernägel, aber die hatte er sich abgebrochen, sie waren blutverkrustet. Aber Haare und Fingernägel wuchsen eben auch bei Toten, noch über Jahre hinaus, wenn man sie schon längst beerdigt hatte. Ein biochemischer Prozess, das wusste Pain. Der Tote war zwar tot, aber sein Körper war noch immer beseelt mit einem Hauch des Odem GOTTES, und so wuchsen Haare und Fingernägel auch noch bei den Leichen, die tief unter der Erde lagen.
trat, das Lasergewehr mit rauchender Mündung in den Händen. Orlov wich ängstlich zurück bis zu seinem Thron, und Reverend Pain stellte sich schützend vor Seena. Sie klammerte sich an sein Bein. »Orlov!« donnerte Pains Stimme. »Jetzt wirst du büßen!« »Reverend«, sagte Orlov, und plötzlich verzog sich sein monsterhaftes Gesicht, das noch immer zur Hälfte das einer Fledermaus war, zu einem höhnischen Grinsen. »Reverend Pain.« An seiner Stimme konnte man hören, dass er keine Angst hatte. Pains Gesicht drückte gar nichts aus. Er hob nur das Lasergewehr. Und schoss. Die Energieblitze zerrissen die Dunkelheit des Raumes. Aber sie verpufften wirkungslos vor Orlov. Blitzschnell hatte er ein paar magische Zeichen in die Luft gemalt, hatte ein Schutzfeld aus schwarzmagischer Energie um sich errichtet. Pain schoss abermals, aber erneut erzielte er keine Wirkung. »Reverend Pain«, sagte Orlov wieder leise, fast amüsiert. »Jetzt wirst du sterben.« Er wies mit seiner Klauenhand hinter Pain, und als der begriff und sich ruckartig umdrehte, war es bereits zu spät. Eine Stiefelspitze traf seine Hand, und das Lasergewehr wurde ihm weggeschlagen und wirbelte außer Reichweite. Und vor Pain stand... ...der untote Reverend! Seena schrie auf. Sie hatte den anderen Reverend eben schon einmal gesehen, bevor er sich im Schatten hinter der Säule versteckt hatte. Sie war zu erleichtert 56
Wieso sollte es bei Untoten anders sein? Im langen, strähnigen Haar des untoten Reverends klebten schwarze Erdklumpen, alles an ihm sah aus wie bei einer Leiche, die gerade aus seinem feuchten Grab gestiegen war. Und so war es ja auch... Und nun streckte der untote Reverend seine bleichen Klauen nach Pain aus. Ein Bote des Bösen, ein Priester der Hölle!
Pain verstärkte seine Anstrengungen noch, Schweiß perlte ihm auf der Stirn, doch es schien nichts zu helfen. »Hör auf die Stimme GOTTES!« rief Pain da. »Irgend etwas in dir muss noch da sein, das dem HERRN Jesus Christus gehört! Horst du nicht? Höre auf die Stimme deines HERRN Jesus! Höre auf die Stimme GOTTES.« Doch der untote Reverend stoppte nicht, weiterhin bedrängte er Pain. »Hörst du nicht?« keuchte Pain und wehrte sich verzweifelt. »Hörst du nicht? Glaube an GOTT! Höre die Worte GOTTES, des Allmächtigen! Im Namen des HERRN.« Er spürte den kalten Atem der Hölle an seiner Kehle. Weiterhin versuchte er, dem untoten Reverend den Pflock ins Herz zu drücken, aber seine Kraft reichte nicht aus. Der Untote war übernatürlich stark, die Höllenmächte gaben ihm eine stählerne Kraft, die nicht zu brechen war. »Höre die Worte des HERRN!« keuchte Pain. »Glaube an GOTT! Glaube an GOTT! Er ist noch immer in dir.« Der untote Reverend war einfach zu stark. Pain konnte den immer näher rückenden Fangzähnen nicht ausweichen. »Glaube an GOTT!« Der untote Reverend war zu stark... »Gaube an GOTT!« Zu stark... »Glaube - an GOTT- den HERRN...« Viel zu stark... Pain begann zu beten, laut und mit fester Stimme. Zu stark... Und dann... ... war es vorbei!
Pain sprang auf. Er war nicht so betäubt, wie sein Gegner erwartet hatte. Seena hatte auch nicht mit so einer schnellen Reaktion gerechnet. Was Pain dort vor sich sah, musste ihm doch das Blut in den Adern gefrieren lassen! Ein Reverend, der zum Werkzeug der Hölle geworden war! Aber Pain ließ sich nicht irritieren, er spürte das fast unfassbar Böse, das von der Kreatur vor ihm ausging. Und er griff an. Er hatte einen weiteren Holzpflock aus dem Gürtel um seine Brust hervorgezogen und wollte ihn dem untoten Reverend in die Brust schlagen, doch der riss abrupt die Arme hoch, bekam die Handgelenke Pains zu fassen, und dicht über seinem schwarzen Hemd stoppte der angespitzte Eichenpflock. Pain versuchte vergeblich, ihn in die Brust seines Gegners zu versenken, doch er rührte sich keinen Zentimeter mehr, während alle Adern und Sehnen am Hals Paiiis vor Anstrengung anschwollen. Der untote Reverend besaß übermenschliche Kräfte, und damit schob er jetzt Pain weiter zurück, wieder gegen die kalte, steinerne Mauer, und dann näherte er sich Pams Hals, während er seine spitzen Fänge entblößte, bösartig fauchte und sie auf Pains Kehle zu senkte. 57
zu, berührte das Metall des Lasergewehrs und riss es ihr aus den Händen. Sie schrie auf und starrte auf ihre Hände, deren Flächen verbrannt waren. Wieder beschrieb Orlov magische Zeichen. Der nächste Blitz, den er schleuderte, würde Seenas Körper durchstoßen. Er hatte sie als seine Braut haben wollen, doch in seinem unermesslichen Zorn vergaß er dies, wollte sie nur noch töten. Sie hatte seine Rache zunichte gemacht, hatte den einen Reverend erlöst und den anderen gleichzeitig damit gerettet. Schon flirrte die Luft dicht vor seinen knöchernen Fingern. Reverend Pain sprang. Er erreichte Seena, riss sie zu Boden. Gerade im richtigen Moment. Eine elektrische Entladung, gleißend und grell, zuckte über sie hinweg und zersprengte die Steinsäule hinter ihnen. Steinsplitter wirbelten ihnen um die Ohren. Orlov lachte. Böse und voller Hass. Da hatte der Reverend sein Lasergewehr wieder an sich gerissen und richtete es auf den Vampir-Dämon. Doch noch immer lachte dieser. Und wieder schrieb er ein magisches Zeichen in die Luft. Pain wusste, dass er diesen Unhold mit dem Laser nicht vernichten konnte. Aber er wusste, wie diese Dämonenburg angelegt war. Er hoffte es zumindest. Und die Mündung seines Gewehr schwenkte herum. Per Daumendruck schaltete er es wieder auf Explosivgeschosse. Noch drei hatte er im Magazin. »Runter!« befahl er Seena und drückte ihren Kopf schützend an seine Brust. Und er schoss. Dreimal.
Der untote Reverend ließ von ihm ab! Pain konnte es kaum fassen, jedenfalls für den ersten Moment nicht. Doch er kannte die Macht des Wortes GOTTES, und hatte er nicht immer gewusst, dass GOTT ihn niemals im Stich lassen würde, wenn er nur an ihn glaubte? War es nicht immer so gewesen? Ja, GOTT schützte diejenigen, die sich zu ihm bekannten. Dann sah er Seena hinter dem untoten Reverend stehen, Pains Lasergewehr in den Händen. Zweimal hatte sie geschossen, zwei Laserblitze waren in den Körper des untoten Reverends geschlagen und hatten sein Herz in schwarze Asche verwandelt. Jetzt holte ihn sein Schicksal ein, die Jahre, die er unter der Erde gelegen hatte, ein umgedrehtes Kreuz auf dem Grabe. Er alterte, sein Gesicht verfaulte, vermoderte. Das Fleisch wurde zu einer breiigen, stinkenden Masse, die langsam vom Schädel tropfte, während die Augen in ihren Höhlen rasend schnell austrockneten. Reverend Pain stieß den schaurigen Kadaver von sich, und er prallte vor ihm auf den Steinboden und sprang auseinander. Eine schleimige Flüssigkeit spritzte aus dem Körper. Aber er war jetzt tot, richtig tot, und seine Seele würde jetzt zu GOTT, dem Erlöser, finden. Nach so langer, qualvoller Zeit. »Ruhe in Frieden, Bruder«, sprach Reverend Pain, als er über die schleimigstinkenden Überreste des Leichnams trat. Dann erblickte er Graf Orlov. Und er sah, wie dieser wieder magische Zeichen in die Luft schrieb. Reverend Pain wollte Seena warnen, aber es war zu spät. Eine elektrische Entladung zuckte aus den Händen des Höllendämons auf Seena 58
Und drei der Explosiv-Geschosse krachten in eine Wand. Ein dreifacher Donner drohte ihnen die Trommelfelle zu zerreißen, Steinsplitter wirbelten herum, eine Staubwolke wallte auf sie zu. Für Sekunden befanden sie sich am Rande eines mörderischen Orkans. Und dann sah Seena... ...dass Reverend Pain ein Loch in die Burgmauer gesprengt hatte! Und dass Sonnenlicht einfiel! Helles und grelles Sonnenlicht, als hätte sich der Dunstschleier mit der schwindenden magischen Kraft des Vampir-Dämons immer mehr aufgelöst.
Seena blickte zum Reverend hin, der neben ihr am Boden lag. Pain hatte die Wucht der Explosionen und die herumwirbelnden Gesteinstrümmer mit seinem Körper aufgefangen, hatte sich so auf sie gelegt, dass ihr nichts geschehen konnte. Die Explosion hatte ihn von ihr fortgeschleudert. Aber er lebte, wie sie bemerkte. Er blutete heftig an der Stirn und aus der Nase, aber er war nur bewusstlos. Sie wollte ihn wecken und sich um seine Verletzungen kümmern... Aber dann sah sie den Gürtel um seine Brust, in dem die angespitzten Eichenpflöcke steckten... Und sie erinnerte sich daran, dass es noch nicht vorbei war. Sie zog einen der angespitzten Pflöcke aus seinem Gürtel. Sekundenlang schwebte die Spitze über der Brust des Reverends. Dann erhob sich Seena. Sie blickte auf die zweite Tür, aus der der untote Reverend gekommen war. Er war beerdigt gewesen. Also musste es durch diese Tür zur Gruft der Untoten gehen. Sandy - dachte sie. Und sie umklammerte den Eichenpflock mit beiden Händen, als sie vorwärts ging... Die vielen Gänge, durch die sie schritt, lagen in tiefer Dunkelheit. Es roch nach Moder, Fäulnis, aber auch nach Rauch. Reverend Pain musste einen Teil der Dämonenfestung in Brand gesteckt haben, als er sich zu ihr durchgekämpft hatte. Quiekende Ratten huschten in panischer Angst an ihr vorbei.
Die Strahlen trafen Orlov voll. Er kreischte auf. Sein Gesicht warf Blasen. Das Fleisch wurde ihm in einem langsamen, schaurigen Prozess von den Knochen gebrannt. Schrecklich war das anzusehen, und schrecklich waren seine schrillen Schreie. Dann, mit einem lauten Fauchen, verwandelte sich Graf Orlovs Körper in eine lebende Fackel, die umherwirbelte, während er mit seinen ebenfalls schon brennenden Klauenhänden versuchte, das Feuer auf seinem Leib auszuschlagen. Sein Sterben dauerte lange, qualvolle Minuten. Dann brach er zusammen. Und sein Körper sprang auseinander, zerbröselte auf den steinernen Bodenplatten. Auch die Überreste seines Körpers verbrannten, und Seena sah sogar eine bereits abgetrennte Hand, die brennend noch immer über den Boden kroch, bis sie endgültig zu Asche verbrannt war. Dann herrschte Stille. Totenstille. 59
erlösen, zu bewahren vor einer Zukunft voller Grauen und Leid. So wie der Reverend damals ihre Mutter erlöst hatte... So wie ihr Vater es damals geschehen ließ... Weil er ihre Mutter geliebt hatte... Weil er lieber den Schmerz ertrug, ihren untoten Körper sterben zu sehen, als sie weiter leiden zu lassen... Jetzt erst begriff sie, wie viel Schmerz er hatte ertragen müssen, wie viel Stärke es ihm abgefordert hatte. Jetzt verstand sie ihn, jetzt wusste sie, wie sehr er gelitten hatte. Die vielen Jahre lang. Die vielen Jahre, in denen sie ihn ihren Hass und ihre Abscheu hatte spüren lassen. Sie sah in Sandys bleiches Antlitz. Sandys Augen waren von Tränen geschwollen, das sah man trotz der geschlossenen Lider. Ihre Fingernägel waren abgebrochen, die Finger bluteten. Heiße Tränen rannen Seena über das Gesicht. Sie schluchzte laut. Aber sie musste es tun. Und sie tat es! Sie hob den Stein in ihrer Hand - und schlug zu!
Noch immer halb nackt, tastete sie sich durch die Dunkelheit, bis sie die Gruft erreicht hatte.. Der Tod, der hier herrschte, schien sie unsichtbar anzugrinsen. Fackeln waren an den Wänden angebracht und brannten, tauchten das Gewölbe in ein unheimliches Licht, und aus Stein gehauene Dämonenfratzen starrten sie an. Sie fühlte etwas, ihre paranormalen Fähigkeiten waren wieder erwacht, und zielstrebig schritt sie auf einen Sarkophag zu. Sie musste den Pflock zu Boden legen und mit beiden Händen den schweren Steindeckel vom Sarkophag drücken. Es war eine schier unmenschliche Anstrengung, und es ging nur zentimeterweise. Bald schon stand ihr der Schweiß auf der Stirn, und ihre Arme schmerzten. Dann, mit lautem Getöse und Krachen, fiel der Sarkophagdeckel zu Boden und zersprang in mehrere Teile. Der donnernde Knall und sein Widerhall ließen Seenas Herzschlag fast aussetzen. So wie der Anblick, der sich ihr dann offenbarte. In dem steinernen Grab lag Sandy, jung und unschuldig und schön. Aber auch bleich und leblos aussehend. Zwischen bleichen Menschenknochen und ekligen Spinnweben, die wie ein dickes Laken unter ihr lagen. Sie war so jung gewesen, dachte Seena. Sie hat nie irgendjemandem ein Leid getan. Und das würde sie auch niemals tun.., Seena nahm den Pflock wieder in die Hand und setzte ihn auf Sandys Brust. Mit der anderen hatte sie ein kleineres Bruchstück des Sarkophagdeckels genommen. Mit dem Stein würde sie Sandy den Pflock durchs Herz treiben - um sie zu
Aber im letzten Moment wurde die Hand mit den Stein abgefangen! Starke Finger klammerten sich um ihr Handgelenk, drückten zu, und das Bruchstück des Sarkophagdeckels polterte zu Boden. Seenas Kopf ruckte herum. Und sie sah Reverend Pains glühende Augen. »Nicht«, sagte er nur. »Aber- aber...«, stotterte sie, und Tränen erstickten fast ihre Stimme. »Es es muss doch sein - ich kann sie nicht hier 60
liegen lassen! Sie ist doch meine Schwester - meine Schwester...« Sie konnte den Holzpflock nicht mehr halten, ihre Knie wurden weich, und sie drückte sich an die breite Brust des Reverends, verbarg ihr Gesicht daran und weinte hemmungslos. Er strich ihr über das schweißnasse Haar, und seine Berührung war tröstlich und angenehm. »Es ist nicht nötig«, sagte er endlich. Da löste sie sich von ihm und starrte ihn aus weit aufgerissenen Augen an. Er aber wandte sich Sandy zu und berührte mit den Fingern einer Hand ihre Stirn. »Es ist noch nicht geschehen. Sie ist immer noch ein Mensch.« Da schlug Sandy die Augen auf, schrie leise auf, weil das blutverschmierte Gesicht des Reverends sie erschreckte, doch dann sah sie das Kreuz auf seiner Brust und erkannte, dass er ein Mann GOTTES war... Dann sah sie auch Seena. Und sie erhob sich, und wenig später lagen sich die beiden jungen Frauen weinend vor Glück in den Armen.
Am nächsten Morgen endlich konnte Reverend Pain seine Messe halten, und er donnerte von einer Kanzel eine flammende Predigt auf die Dorfbewohner hinab, die alle gekommen waren. Er verdammte die Sünder und lobte die Gerechten und Reinen. Er sprach vom lodernden Fegefeuer, aber auch von der Gnade GOTTES. Ganz besonders aber lobte er den Mut der Familie Rendall, die mit offenem und gläubigem Herzen selbstlos dem Bösen die Stirn geboten hätte, und er klagte diejenigen an, die sich das Maul schändlich über sie zerrissen hatten, und drohte ihnen die ewige Verdammnis an. Entsprechend lang war auch die Schlange derer, die ihn anschließend aufsuchten, um zu beichten. Da gab es keinen, der nicht die eine oder andere Sünde begangen hatte, und war es auch nur ein einziger böser Gedanke gewesen. Und sie alle fürchteten nun, dem Fegefeuer anheim zu fallen. Reverend Pain vergab ihnen allen, auch wenn er so manches Mal rot im Gesicht wurde und zürnte. Selbst dem jungen Henry Bricks vergab er, als er abermals jammernd angekrochen kam. Nein, Reverend Pain hatte nicht vor, dem Gottseibeiuns eine einzige dieser Seelen zu überlassen. Als er sich dann verabschiedete, auf seiner Harley Davidson sitzend und von den Bürgern umringt, versprach er, im nächsten Kloster nach einem Priester zu suchen, der zu ihrem Dorf kommen möge, um Sünde und Verfall weiterhin fern zu halten.
»Wir müssen gehen«, sagte der Reverend nach diesem Augenblicken des Glücks. »Die Burg brennt. Wir müssen raus hier, bevor uns das Feuer alle Wege abschneidet.« Er nahm Sandy in seine Arme und hob sie aus dem Sarg, um sie zu tragen. Seena hatte er seinen schweren, staubigen Ledermantel gegeben, damit sie ihre unsittsame Blöße bedecken konnte. Sie schafften es, und als sie in der Abenddämmerung auf einem der Hügel am Waldrand standen, sahen sie, wie die Dämonenburg des Grafen Orlov von tosenden Flammen umhüllt in sich zusammenbrach. 61
So lange, wie sie sich an Reverend Pain erinnern würde, würde sie nicht mehr wankelmütig werden in ihrem Glauben. »Ich werde schon dafür sorgen«, versprach die alte Olga Blair, die neben ihr stand. Der Reverend nickte, dann startete er seine schwere Maschine. Gefolgt von dankbaren Blicken, lenkte er die Harley die schmale Straße des Dorfes hinab. Er fuhr hinaus in eine Welt voller Gefahren und Dämonen.
Seena drückte ihm noch einmal die Hand und sah ihn aus leuchtenden Augen an. »Danke«, sagte sie nur. Auch er sah sie an, auch er drückte ihre schmale, starke Hand, und dieser Blick, seine Berührung, ließen ihr Herz schneller schlagen, »Bleibe stark in deinem Glauben«, sagte er nur. »Ja, das werde ich«, sagte sie leise. Und sie meinte es ernst.
ENDE
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ACHTUNG; GRUSEL-FANS! DEN NÄCHSTEN GRUSEL-SCHOCKER AUF KEINEN FALL VERPASSEN: TONY BALLARD Er ist Privatdetektiv, der sich auf übersinnliche Fälle spezialisiert hat. Denn er hasst die Kreaturen der Hölle, hat ihnen den Kampf angesagt. Mit seinem magischen Ring jagt er die Höllenknechte überall.auf der Erde. JOHN SINCLAIR Er ist der hartnäckigste Gegner, den die Hölle jemals hatte. Als Oberinspektor bei Scotland Yard übernimmt er die Fälle, bei denen höllische Kräfte im Spiel sind. Ein Kämpfertyp, dessen Mut und Entschlossenheit keine Grenzen kennen. TONY BALLARD und JOHN SINCLAIR - zwei unerschrockene Kämpfer! Und jetzt kämpfen sie Seite an Seite. Gemeinsam lösen sie DAS GEHEIMNIS DES SPIEGELS und stellen sich Janus, dem doppelgesichtigen Dämon, dessen Anblick tötet! Ein Grusel-Ereignis, das Sie nicht verpassen sollten! Geschrieben von Horror-Spezialist A.F. Morland! Nächste Woche als GRUSELSCHOCKER Band 27 bei Ihrem Zeitschriftenhändler! Für nur 2,50 DM!
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