DIE ZUSAMMENKUNFT CIVITAS TERREA #5
MIKE HARD / ACHIM HILTROP / MARC H. ROMAIN
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AE-Firmenzentrale, Atlanta 08. Jun...
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DIE ZUSAMMENKUNFT CIVITAS TERREA #5
MIKE HARD / ACHIM HILTROP / MARC H. ROMAIN
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AE-Firmenzentrale, Atlanta 08. Juni 2001 Die Tür des Aufzugs vor Aheema McGerwyn öffnete sich beinahe lautlos und mit einem mißmutigen Gesichtsausdruck trat sie auf den Korridor. Auf dem Weg zu den separaten Büroräumen am Ende der Büroboxen kreuzten nur wenige Mitarbeiter ihren Weg, die ihr jedoch bis auf einen kurzen Gruß keine Beachtung schenkten. Jeder wußte, wer die junge Frau war, bereits seit einigen Monaten waren Vincent Alexander, der Vorsitzende der AE und Aheema McGerwyn, die Chefin von AMGA, verlobt. Inzwischen wohnte sie in Vincents Apartment und war dementsprechend häufig in der Zentrale anzutreffen. Bis vor wenigen Tagen hatte nie jemand Aheema gereizt erlebt und tatsächlich nahm diese Veränderung auch jetzt kaum jemand zur Kenntnis. Eine gewisse Nervosität war zur Zeit bei jedem zu bemerken, der in den Pachtgebieten der EUMON etwas zu sagen hatte. Wie schon so häufig gab es Kompetenzstreitigkeiten über die hoheitlichen Belange und was Gouverneure der Pachtgebiete anging, betraf zwangsläufig auch die dort angesiedelten Unternehmen, welche nicht unerheblich zu den monströsen Abgaben beitrugen, welche die europäischen Königshäuser erhoben und erst jüngst erneut erhöht hatten. Nicht zum ersten Mal wurden Stimmen laut, die sich für eine Loslösung aussprachen, aber dieses Mal gab es einen entscheidenden Unterschied: Die Stimmen fanden Wiederhall. Doch das alles war nicht der Grund für Aheemas Gereiztheit. Sie blieb nur kurz vor einer Tür stehen und verzichtete darauf vor dem Eintreten anzuklopfen. Horaz fuhr herum und seinem ersten Gesichtsausdruck war anzusehen, daß er die Absicht gehabt hatte, den ungebetenen Besucher höflich, aber bestimmt hinaus zu komplementieren. Dies änderte sich erst, als er Aheema erkannte. „Hallo Horaz“, sagte sie.
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„Hallo“, entgegnete Horaz und nickte grüßend. „Was kann ich für dich tun?“ „Wo ist er?“, fragte sie nur. Horaz runzelte fragend die Stirn. „Wer?“ „Vincent, wer sonst?“, meinte sie und versuchte, so neutral wie möglich zu klingen. Sie wollte auf keinen Fall den Eindruck der hysterischen Verlobten machen. Bisher hatte es zwischen ihr und Vincent auch wenige Probleme gegeben und anfänglich hatte es Aheema auch nicht gestört, daß er manchmal Verabredungen abgesagt oder einfach nicht eingehalten hatte. Schließlich ging es ihr oft nicht anders; sie stand selbst an der Spitze eines Konzerns und wußte, wie viel Zeit und Kraft das kostete. Doch was Vincent anging, geschah es immer häufiger und der Gipfel war es gewesen, als er sich für ein Meeting mit einem wichtigen Kunden einmal mehr rar gemacht hatte. Durch Zufall war Aheema einen Tag später ebenfalls mit dem von Vincent benannten Kunden zusammengetroffen und dieser hatte die junge Frau gebeten, doch ein Treffen mit Vincent zu arrangieren. „Müßtest du das nicht eher wissen?“, fragte Horaz zurück. „Du bist mit ihm liiert, nicht ich. Und wie du siehst, habe ich hier eine Menge Arbeit.“ Horaz vollbrachte wie üblich den Balanceakt zwischen Verständnis und Vorwurf. Er wußte, wieviel er sich herausnehmen konnte und überschritt seine Grenzen nie. „Ich bin auch nur noch hier, um ein wichtiges Projekt abzuschließen. Normalerweise würdest du mich um diese Zeit hier nicht mehr antreffen“, ergänzte er. Ein Blick auf die Uhr bestätigte Aheema das es bereits wirklich sehr spät war. „Du hast recht. Leider ist er zu unserem Treffen nicht erschienen“, erklärte sie, obwohl ihre Hoffnungen längst schwanden, Vincent hätte zumindest Horaz erzählt, wo er sich aufhielt oder zumindest, was er vorhatte. Wenn nicht um der Freundschaft, dann doch um der Sicherheit willen. „Er hat wahrscheinlich nur vergessen, mir Bescheid zu
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sagen“, gestand sie daher ein. „Ich hinterlasse ihm am besten eine Nachricht.“ „Tu das. Ich werde auch bald Schluß machen. Für heute war es genug“, stimmte Horaz ihr zu. Aheema verabschiedete sich und verließ den kleinen Raum, eines der vielen Büros, die Horaz schwerpunktmäßig mit Beschlag belegte. Er weiß wahrscheinlich wirklich nichts und wenn doch, würde er mir nichts sagen, dachte Aheema bei sich und stieg in den Aufzug. Aber den Versuch war es wert gewesen. Ein Knopfdruck und einige Minuten später war sie in dem Apartment, das in der zweitobersten Etage des Gebäudes, hoch über den Köpfen der Mitarbeiter zu finden war. Aheemas Vermutung, als die Türen sich öffneten und Licht im Wohnraum brannte, wurde schnell zur Gewißheit. Inmitten des Raumes, scheinbar gerade erst angekommen, stand Vincent Alexander. Ein Lächeln lag um seine Mundwinkel, das jedoch schnell erlosch, als er den ungemütlichen Zug in Aheemas Gesicht bemerkte. „Wir sollten uns dringend unterhalten“, begrüßte sie ihn. Vincent und Aheema saßen auf verschiedenen Seiten der Couch, die den flachen Tisch an zwei Seiten umgab. Das Apartment war weniger luxuriös als gemütlich eingerichtet und vermittelte ein Gefühl der Geborgenheit, nachdem Aheema der rationalen Junggesellenbude dezent, aber bestimmt ihre Note aufgedrückt hatte. Es war die gleiche Mischung, mit der sie ihn nun über seine Verfehlungen aufklärte. „Wir konnten bisher über alles reden, Vince ...“, schloß sie. „Das ist alles nicht so einfach“, meinte er und stützte sich auf seine Knie. Er gab sich wie ein geprügelter Hund, der trotz dieser Erfahrung zu seinem Herrn zurückkehrte und sie wußte, daß er einen solchen Konflikt nicht vorspielen konnte. Sie rückte zu ihm
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auf. „Ich liebe dich und vertraue dir. Aber ich habe das Recht auf eine Erklärung, findest Du nicht auch?“ „Ich hüte ungern Geheimnisse vor dir“, erklärte er. „Es hat auch nicht direkt etwas mit uns zu tun. Es geht um Dinge ... Ich möchte dich dort nicht hineinziehen. Du würdest es mir vielleicht irgendwann zum Vorwurf machen.“ Außerdem hätte ich dabei Angst um dich, fügte er in Gedanken hinzu. „Ich mache dir jetzt Vorwürfe, Vince“, stellte sie mit jener Art von bestechender Logik fest, die ihr eigen war. Vincent wußte, daß man dagegen nicht ankam. Er bemerkte, daß ihre Stirn auf seiner Schulter ruhte und legte den Arm um sie. „Du darfst zu niemandem darüber sprechen. Nicht in einer Andeutung und auch nicht im Scherz.“ Aheema lächelte. „Du tust, als wäre es eine furchtbare Offenbarung.“ „Das kommt darauf an“, begann er mit leiser Stimme zu sprechen. „Ich muß etwas weiter ausholen ...“ Er wartete einen Augenblick auf eine Zustimmung von Aheema, als diese ausblieb, fuhr er fort. „Wie du weißt, kam es zu einer friedlichen Kontaktaufnahme, als die erste Forschergruppe 1902 die Neue Welt betrat. Es dauerte nur wenige Jahre, bis von den EUMON legitimierte Vertreter der Wirtschaft große Teile des ungenutzten Stammeslandes im Austausch gegen neue Technologien pachteten. Das Verhältnis zwischen der EUMON und uns hat sich jedoch inzwischen sehr gespannt und die Stimmen werden lauter, die Unabhängigkeit fordern. Stimmen, die eine Trennung von der EUMON bevorzugen würden.“ Als Vincent nun länger erwartungsvoll schwieg blickte Aheema auf. „Solche Forderungen gab es schon immer und sie sind bis heute nicht von Belang gewesen, weil den Sprechern nicht genug Bedeutung beigemessen werden konnte“, erwiderte sie. „Das hat sich bereits seit fast zwei Jahren, wenn auch vorerst hinter der Öffentlichkeit, sehr geändert. Inzwischen gibt es
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Stimmen, die man nicht ignorieren kann.“ Er ließ einige Augenblicke verstreichen. „Ich zähle dazu.“ Bis auf ein leichtes Hochziehen der Augenbrauen war Aheema kaum etwas anzusehen. „Du gehörst zu ...“ „... den Liberatoren“, beendete Vincent den Satz. „Ja.“ Sie löste sich von ihm und ließ sich zurückfallen. Sie wußte, die Bezeichnung Liberatoren hatte sich die Gruppe, zu der Vincent sich bekannt hatte, selbst gegeben: Ein Zusammenschluß aus wirtschaftlichen, aber auch politischen Größen der Pachtgebiete, den es offiziell nicht gab und den es auch nicht geben durfte. „Warum?“, wollte Aheema wissen. Vincent atmete geräuschvoll aus. „Die EUMON steht weltpolitisch nur scheinbar sicher“, eröffnete er, „darüber muß man sich keine Illusionen machen. Die Adelshäuser kränkeln an ihren Intrigen und inneren Unruhen und wenn die Krankheit ausbricht, werden wir ebenfalls die Leidtragenden sein. Das muß sich ändern.“ Aheema nickte. „Wer hat diesen Gedanken nicht das eine oder andere Mal verfolgt. Wer sie umsetzen will, begibt sich in Gefahr.“ „Das ist mir klar, deshalb wollte ich dich auch aus der Angelegenheit so lange wie nur irgend möglich heraushalten.“ „Also schön“, erwiderte Aheema, „das lasse ich als Entschuldigung gelten ...“ Sie beugte sich zu Vincent und verhielt in der Bewegung. „... wenn du mich zu eurer nächsten Versammlung mitnimmst.“ Vincent war klar, daß Aheema von diesem Gedanken nicht abweichen würde. „Bis du dir sicher?“, fragte er trotzdem. „Einmal drin, gibt es kein Zurück.“ „Ihr könnt mich gebrauchen“, gab sie zurück. Dagegen wußte Vincent keinen Einwand vorzubringen. „Na schön“, sagte er. „Das nächste Treffen ist bereits übermorgen. Ich kündige dich den Anderen an. Du kannst aber nicht nur als Beobachterin teilnehmen, sondern wirst Stellung beziehen müssen.“
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Sie nickte und Vincent stellte fest, daß ihn die Selbstverständlichkeit erschreckte, mit der Aheema auf diese Sache ansprang. Wohl war ihm bei dem Gedanken keinesfalls, denn wann immer es um Politik ging, waren Menschen darin verwickelt, die bereit waren, Intrigen zu spinnen und alles taten, um an mehr Macht zu gelangen. Niemand konnte wissen was geschah, wenn diese Morgenluft witterten; vom Widerstand der EUMON ganz zu schweigen. Wir bewegen uns auf dünnem Eis, dachte er und registrierte, wie Aheema sich an seinen Arm kuschelte. Er spürte ihren Atem an seiner Wange und zärtlich berührten ihre Lippen die seinigen. Nur Augenblicke später waren alle Probleme für eine Weile aus ihrer beider Gedanken ausgeschlossen.
Upper Downtown, Atlanta Am selben Abend Mit einem letzten Aufglühen erlosch die Zigarette und Oberst Edgar Loneguard lehnte sich in seinem Stuhl zurück. Er saß zusammen mit Leutnant Nadine Touvel im BLACKFISH und die Bar war aufgrund der frühen Stunde nur wenig besucht. Es war noch nicht allzu lange her, seit Edgar während einer Mission in der Arktis in den Anlagen einer unbekannten Frühkultur auf Liza Sagyard getroffen war. Die junge Archäologin war als Teilnehmerin einer früheren Expedition in die so gut wie unbekannten Regionen des ewigen Eises durch irgend etwas verändert worden und hatte viele Monate in den Anlagen überlebt, bis er sie zurück nach Europa gebracht hatte. Dort war sie geflohen, bevor sich die Abteilung 13 und die Wissenschaftler ihrer Annehmen konnten. Seitdem versuchte er, mehr über die ominöse RejissaStiftung herauszufinden, welche die erste Expedition durchgeführt hatte und durch die folglich alle folgenden Ereignisse erst
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ins Rollen gekommen waren. Er wußte noch nicht, ob Nadine sich dabei als Hilfe oder Störung erweisen würde. Im ungünstigsten Fall hatte McCartney sie ihm als Aufpasser zur Seite gestellt. Das BLACKFISH war in der Liste, die sie beide sich hatten einprägen müssen, als Treffpunkt ausgewiesen, an dem man mit den Kollegen Kontakt aufnehmen konnte, wenn Bedarf dafür bestand. Die gemütlich eingerichtete Bar, deren Wände schwarz getäfelt und mit Spiegeln ausgestattet waren, lag in einem der abseitigen Bezirke Atlantas und präsentierte sich als typische Tränke des Mittelstandes. Das Lokal war so unauffällig, daß es beinahe langweilte. „Ich hoffe sehr, daß Liza Sagyard nicht den Fehler begangen hat und wieder zur Stiftung zurückgekehrt ist“, brummte er und fischte sich eine weitere Zigarette aus einem Päckchen. Ein mißbilligender Blick Nadines zeigte ihm einmal mehr, wieviel sie von seiner Angewohnheit hielt, auch wenn sie sich eines Kommentars dazu enthielt. „Diese Möglichkeit müssen wir trotzdem in Betracht ziehen und nach Möglichkeit wenig Zeit verlieren“, erwiderte sie statt dessen. Wenn wir nicht schon zu spät kommen, dachte Loneguard. Liza wäre für die Stiftung in mehrfacher Hinsicht eine Trumpfkarte und er wußte, daß die Stiftung Trumpfkarten ausspielte, auch wenn Gefahr bestand, sie zu verlieren. Er kam nicht dazu seinen dunklen Ahnungen gegenüber Nadine Ausdruck zu verleihen. Eine wohlbekannte Stimme erschallte plötzlich von rechts und ließ sowohl ihn als auch Nadine herumfahren. „Edgar, altes Haus!“, rief ein blonder Mann mittleren Alters, der plötzlich an den Tisch trat. „John? John Trevors? Was machst du denn hier?“, gab Edgar im gleichen Tonfall der Überraschung zurück, stand auf und wechselte eine kameradschaftliche Umarmung mit dem Ankömmling.
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„Dasselbe könnte ich dich fragen. Beruflich?“, fragte Trevors. Edgar nickte. „Darf ich dir vorstellen, Nadine Touvel.“ Trevors begrüßte sie und nahm sich einen Stuhl. „John und ich kennen uns seit dem College“, erklärte Edgar. Nadine verstand. Trevors mußte ebenfalls zur Abteilung 13 zählen, auch wenn sie sich nicht erinnern konnte, ihn je gesehen zu haben. Die grauen Augen des Mannes blitzen kurz auf und ein Lächeln ließ die Falten in Trevors Gesicht eine Spur tiefer werden. „Und natürlich war ich immer etwas besser als er. Das verzeiht er mir bis heute nicht“, erklärte er. „Das wünscht du dir auch bloß, John“, schoß Edgar zurück. Trevors schmunzelte kurz. „Wenn ich meinen Quellen glauben darf“, meinte er mit gesenkter Stimme, „seid ihr also an der Rejissa dran, oder?“ „Woher hast du das denn?“, hakte Edgar im neutralen Tonfall nach, während es in ihm arbeitete. Zwar war es Trevors, doch wenn er an die Informationen kam, konnten es auch Andere. Und nach den Prinzipien der Abteilung sollten die einzelnen Agenten nach Möglichkeit nicht wissen, an welchem Auftrag ihre Kollegen arbeiteten. „Ich sagte ja, ich habe meine Quellen“, gab Trevors zurück. „Und, seid ihr schon weitergekommen?“ „Unsere Nachforschungen stehen noch am Anfang“, gab Loneguard zurück. Er wollte auf keinen Fall zuviel verraten, auch wenn er John Trevors recht gut kannte. Seit er zum Geheimdienst gewechselt war, hatte er etliche Male erfahren, wie die Konsequenzen aussehen konnten, wenn man eine gute Bekanntschaft mit Freundschaft verwechselte. „Und, woran arbeitet ihr gerade? Wo ist überhaupt dein Partner?“, versuchte Loneguard, den Spieß umzudrehen. „Der wird gleich kommen“, erklärte Trevors, „Wir sind da in eine wichtige Sache eingebunden. Und wie ich weiß, haben sie auch einige andere Teams darauf angesetzt.“
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„Um was geht es?“, hakte sich Nadine in das Gespräch ein. „Die Abteilung ist darauf aufmerksam geworden, daß zumindest eine kleine Gruppe die Unabhängigkeit des Stammesland von der EUMON mit mehr als nur Worten und Petitionen anstrebt. Wir sollen ein paar dieser Leute auf den Zahn fühlen“, erklärte Trevors bereitwillig. Es war keine Information, an die seine Kollegen nicht ohnehin gelangt wären. Interessant, dachte Nadine Touvel, während wir mit der Expedition und den Untersuchungen mit der Rejissa beschäftigt waren, hat sich offenbar einiges getan. – „Macht man sich Sorgen?“, wollte sie wissen. „Bisher scheint es sich nur um ein paar Wirrköpfe zu handeln. Trotzdem behalten wir die Entwicklung kritisch im Auge. Die Pachtgebiete sind zu wichtig.“ „Darfst du Namen nennen?“, wollte Edgar wissen. Trevors schüttelte den Kopf. „Keinesfalls. Versteh mich bitte, es sind zwar nur wenige, aber durchaus bekannte Namen. Solange nur ein Verdacht besteht, stehen die Informationen nur den unmittelbar damit Beschäftigten zur Verfügung, um einen Skandal zu vermeiden, wenn es sich als Luftblase entpuppen sollte. Aber in der aktuellen Situation wird McCartney euch sicher ohnehin dazu abziehen. Die Rejissa wird warten müssen.“ Das könnte sie vielleicht, überlegte Edgar, aber wer weiß, was inzwischen mit Liza wird. In der kurzen Zeit der Rückfahrt von der Arktis nach London, hatte sich eine Vertrautheit zwischen ihm und Liza entwickelt, das Schicksal der jungen Frau hatte gleichermaßen sein Mitgefühl als auch sein professionelles Interesse geweckt. Die Rejissa hatte sie über die wahren Hintergründe der Reise nicht informiert und sie war somit durch deren Verschulden ihres gewohnten Lebens beraubt worden. Wenn er und Nadine dieses Sache nun aus der Hand gaben, konnte es passieren, daß sich später ein anderes Team darum kümmerte. Das wollte er auf jeden Fall vermeiden.
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„Ich denke, Leutnant Touvel und ich bleiben an der Sache mit der Rejissa dran“, meinte er, „bis McCartney selbst einen anderslautenden Befehl gibt. Wir sind da etwas Wichtigem auf der Spur und das hat bis auf Widerruf für uns Vorrang.“ Trevors nickte. „Ich habe nichts anderes erwartet. Du warst schon immer sehr hartnäckig, was deine Jobs anging.“ Er erhob sich und blickte zu dem Mann, der durch den Eingang trat, kurz grüßend in ihre Richtung nickte und sich dann im Restaurant umsah, als suchte er nach einem Platz. – „Ich muß dann los, Edgar, die Geschäfte rufen. Wir bleiben in Kontakt, ja?“ Edgar verstand und half Trevors, die Farce eines Zusammentreffens alter Bekannter durch einen bedauernden Abschied mit Hoffnung auf baldiges Wiedersehen zu vervollständigen. „Interessant“, faßte Nadine ihren Eindruck zusammen, nachdem das andere Team die Bar verlassen hatte. „Wir sollten neben der Sache mit der Rejissa auch diese Entwicklung im Auge behalten.“ „Da stimme ich Ihnen zu“, nickte Edgar. „Wer weiß, wie sich diese ganze Sache entwickelt. Trotzdem geht die Stiftung vor.“ Ihr war bereits vorher aufgefallen, wie verbissen ihr Partner an die Sache heran ging und sie spürte, wie sehr es ihn nach wie vor ärgerte, daß Liza Sagyard überhaupt aus seiner Obhut entfliehen konnte. Dahinter steckten sicherlich auch nicht allein persönliche Motive, Liza hätte wertvolle Informationen über die Anlage in der Arktis liefern können. „Natürlich“, entgegnete sie.
Ein Außenbezirk von Atlanta Vincent wandte seine Aufmerksamkeit für eine Sekunde von der Straße ab und warf einen Blick auf die neben ihm sitzende
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Aheema. Äußerlich war diese völlig ruhig und gab sich, als befänden sie sich auf einer Spazierfahrt. Man sah der jungen Frau nicht an, daß sie in wenigen Minuten mit den Liberatoren zusammentreffen würde. Mir kann sie trotzdem nichts vormachen, dachte Vincent und lächelte innerlich. Er kannte sie immerhin nun schon eine Weile. Die Art wie sie ihre Finger bewegte, wie ihre Augenlieder hin und wieder zuckten machte deutlich das die junge Frau durchaus aufgeregt war. Beruhigend legte er den rechten Arm um Aheema, während er mit der Linken den Wagen durch die kaum befahrenen Straßen der Randgebiete Atlantas steuerte. Sie lächelte ihn an. „Ich bin wirklich sehr gespannt.“ „Das kannst du auch, aber mach dir bitte keine falschen Vorstellungen. Bisher haben wir auch noch keine Tier- oder Menschenopfer gebracht.“ Aheema lachte auf. „Du bist unmöglich“, meinte sie, während sie über das Gehörte nachdachte. Ab einer gewissen Größenordnung ließ sich so eine Sache nicht mehr geheim halten und Vincent hatte ihr mittlerweile auch erklärt, daß selbst Horaz nur Grundlegendes, jedoch kaum Details der Sache kannte. Daran, daß Vincent nun ein wenig langsamer fuhr, erkannte sie, daß sie am Ziel ihrer Fahrt sein würden. Sie blickte aus dem Fenster, sah im Streulicht der Scheinwerfer nur Büsche und vereinzelte Bäume. Wenig später hielt Vincent an und sie stiegen aus. Vincent blickte auf die Uhr. Die Versammlung würde in wenigen Minuten beginnen. Aheema hakte sich bei ihm unter und sie folgten dem Sandweg so schnell, wie es die Sicht zuließ. Vincent wirkte sehr sicher auf Aheema, offenbar hatte er diesen Weg schon häufiger in der Dunkelheit zurückgelegt. Ein wenig Licht kam aus unbekannter Quelle und schimmerte über einer ausgedehnten Gesträuchinsel. Nachdem sie diese umrundet hatten standen sie vor einem schmiedeeisernen Zaun, hinter dem sich das weitläufige Areal einer Villa erstreckte.
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Sie folgten dem Zaun einige Meter nach links, bis dieser von einem kleinen Tor unterbrochen wurde, offenbar ein Nebeneingang. Erst nachdem Vincent den Klingelknopf gedrückt hatte öffnete es sich mit dem kaum wahrnehmbare Surren eines elektronischen Schlosses. Um das Gebäude zu erreichen benötigten sie weitere Minuten. Große Sträucher und Bäume wuchsen links und rechts des Weges. Durch die Lücken konnte man einen großen Garten erkennen, der sehr gepflegt wirkte. Als sie die Eingangstür erreicht hatten, wurde diese bereits von einem älteren Herrn in schwarzer Livree geöffnet. „Einen guten Abend, die Herrschaften. Mr. Alexander, Mr. Truman erwartet Sie und Ihre Verlobte bereits. Es freut mich, Sie hier willkommen heißen zu dürften, Miss McGerwyn“, empfing sie der Butler. Aheema und Vincent erwiderten die Begrüßung und ließen sich in einen großen Salon führen. „Sprechen wir von dem Truman?“, wollte Aheema wissen. „Verschiedene größere Firmen im Bereich der Informationstechnologie, Prozessoren und andere Hardware?“ „Genau der“, bestätigte Vincent. „Es hätte mich sehr gewundert, wenn dir der Name nichts gesagt hätte.“ „Ich wußte nicht, daß er in der Neuen Welt lebt“, räumte Aheema ein und warf einen genaueren Blick auf die wertvollen Gemälde die den Raum zierten und den altmodischen Touch unterstützten. „Soweit ich weiß, hielt er sich stets sehr bedeckt.“ „Fast jede größere Firma benutzt Hardware von Truman Technologies, auch verschiedene staatliche Einrichtungen greifen darauf zurück. Daniel selbst ist eher der Typ, der sich zurückhält“, erklärte Vincent. „Das wird sich vermutlich bald ändern.“ Nachdem beide einige Zeit gewartet hatten betrat ein älterer Herr den Raum. Wache, blaue Augen leuchteten Aheema entgegen und sie schätzte Mr. Truman auf Anfang sechzig. Sein
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Haar war bereits vollständig ergraut, trotzdem strahlte er eine erfrischende Tatkraft aus und jede Bewegung sprach seinem Alter Hohn. „Hallo Vincent, schön das du da bist. Und Sie müssen Miss McGerwyn sein, Vincent hat ihr kommen ja bereits angekündigt. Es freut mich, Sie kennenzulernen“, begrüßte sie Daniel Truman. „Die Freude ist ganz meinerseits“, gab Aheema zurück. „Ich würde ihnen gerne etwas anbieten, doch wir müssen uns ein wenig sputen“, sprach Truman weiter, „die Versammlung beginnt in wenigen Minuten. Wir wollen schließlich nicht zu spät kommen.“ Er verließ mit Vincent und Aheema den Salon und führte sie durch mehrere Gänge in einen kleinen Raum im hinteren Teil der Villa. Dieser besaß nur ein kleines, vergittertes Fenster und war ansonsten nicht einzusehen. Sorgfältig schloß Vincent die Tür hinter ihnen, während Truman eine kleine Klappe öffnete und in die dahinter verborgenen Tastatur einen Zahlencode eintippte. Mit einem leisen Schnappen verriegelte sich die Eingangstür, während sich auf der gegenüberliegenden Seite des Raumes ein Stück des hölzernen Wandverkleidung zur Seite schob, während sich dahinter eine Fahrstuhltür öffnete. Mit einer einladenden Geste deutete Daniel Truman auf den Durchlaß. „Wenn ich bitten darf, Miss McGerwyn, nach Ihnen“, ließ er Aheema den Vortritt. Sie bedankte sich mit einem Nicken und betrat den Aufzug, gefolgt von Mr. Truman und Vincent. Die Aufzugstür schloß sich und der Fahrstuhl setzte sich in Bewegung. Irritiert stellte Aheema fest, daß sie sich nicht etwa gerade, sondern schräg nach unten bewegten, wenn sie ihrem Gefühl trauen durfte. Truman hatte ihren Blick bemerkt. „Unser kleiner Konferenzraum befindet sich nicht weit entfernt von uns. Als ich diese Villa kaufte, entdeckten die Restaurateure einen natürlichen Bunker, direkt unter dem Anwesen. Ich ließ den einzigen Zugang durch einen Aufzugsschacht mit dem Erdgeschoß der
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Villa verbinden. Wir befinden uns dann nur wenige Meter unter meinem Grundstück.“ In diesem Moment hielt der Aufzug, die Tür öffnete sich und sie verließen den Aufzug. Aheema konnte ihre Überraschung nicht ganz verbergen, als sie den Konferenzraum mit ihren Blicken maß. Der Raum mochte etwa 200 Quadratmeter groß sein, die Grundfläche war quadratisch und in ihrer Mitte befand sich ein runder Tisch. Die Wände mit Monitoren in verschiedenen Größen versehen. Aheema erkannte auf einem der größeren eine Weltkarte, auf der verschiedenen Gebiete markiert waren. An jedem Platz des Tisches waren in der Tischplatte ebenfalls kleine Monitore eingelassen, kleine Tastaturen waren daneben angebracht. Aheema fühlte sich unweigerlich an eine militärische Anlage erinnert. Daniel Truman ging zielstrebig auf einen der Plätze zu und ließ sich darauf nieder. Es waren fünf Personen anwesend, während der Tisch jedoch zwölf Plätze enthielt. Vincent begrüßte die Wartenden mit einem Nicken und ließ sich auf dem freien Platz neben Truman nieder. Er bedeutete Aheema, an seiner Seite Platz zu nehmen. Langsam folgte sie seiner Aufforderung und blickte sich erneut um. „Beeindruckend nicht wahr?“, fragte er sie. „Ich habe ähnlich reagiert, als Daniel mich einweihte und ich zum ersten Mal hier unten war.“ Er wies auf die Paneele in den Tischplatten. „Bei manchen Vorträgen werden auf den Displays spezifische Daten geliefert oder du kannst diese abrufen“, erklärte Vincent seiner Verlobten. Soviel zum Thema kleiner Kreis, dachte Aheema bei sich, das hier macht doch den Eindruck als wäre es eine Spur größer als ich es mir vorgestellt habe. – „Wieso sind noch Plätze frei?“, wollte sie wissen. „Manchmal schafft der Eine oder Andere es nicht, sich freizumachen und wird dann später über die Besprechung infor-
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miert. Heute dürften wir wohl nicht mehr werden“, erwiderte Vincent. Sein Vermutung bestätigte sich kurze Zeit später, als Truman die Versammlung eröffnete. Er vergaß nicht zu erwähnen, daß Aheema sich erst einen Überblick verschaffen wollte, bevor sie ihre endgültige Unterstützung gab. Wäre Vincent nicht gewesen, hätte sie keinen Zutritt zu diesem Kreis erhalten, bevor sie nicht eindeutig Stellung bezog. Nach der kurzen Einführung stellte Vincent Aheema die anderen Teilnehmer vor. Meist war dies nicht nötig, da Aheema die Leute durchaus bekannt waren, aber sie unterbrach ihn nicht. Außer ihr befand sich mit Vanessa Howard nur eine Frau im Raum und sie wäre die Letzte gewesen, die Aheema hier erwartet hätte. Die Dame war ihr nicht unbekannt, vor einigen Jahren war ihr Konzern in die Schlagzeilen geraten, als einige entlassene Mitarbeiter in der Öffentlichkeit behauptet hatten, Howard Industries wäre in den internationalen Waffenhandel verstrickt. Die Ex-Mitarbeiter hatten ihre Behauptung später wieder dementiert, nachdem der Vorwurf einer billigen Racheaktion laut geworden war und jegliche Beweise fehlten. „Wie ihr alle wißt“, ergriff Truman wieder das Wort, „waren die letzten Wochen sehr anstrengend, jedoch auch sehr erfolgreich. Ich kann euch mitteilen, daß die Ausbildung der Einheiten sehr gute Fortschritte macht und sich ihrem Ende nähert. Hierzu möchte ich dann Vanessa um Einzelheiten bitten. Wie mir Vincent mitteilte hatte er mehrere Gespräche mit einem Vertreter des Lakota Delaware Stammesverbands, hierzu wird er uns Verschiedenes zu berichten haben. Auch ich war nicht untätig und habe die Stimmung potentieller Neuzugänge ausgelotet. Vanessa, du hast das Wort“, erklärte Daniel Truman und ließ sich wieder in seinen Sitz sinken. Vanessa Howard erhob sich. Sie war früher eine Schönheit gewesen, aber auch noch heute, im Alter von 48 Jahren wurde ihr immer wieder bestätigt, daß sie Ausstrahlung besaß. Und
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das lag nicht allein daran, daß sie ihre Ansprüche durch genau abgestimmte Designerkleidung unterstrich. „Der Aufbau unserer Kerntruppen erfolgt im großen und ganzen nach Plan“, begann sie und strich sich durch das pechschwarze Haar. Nur wenige wußten, daß sie diese gelegentlich nachfärbte. „Bisher mußte ihr Aufenthaltsort noch nicht gewechselt werden. Die stillgelegte Fertigungsanlage liegt, wie alle anderen Camps in den Pachtgebieten, weit außerhalb des bewohnten Gebietes. Wir konnten einige sehr fähige Leute gewinnen und ihre Ausbildung ist bald abgeschlossen. Auf ihren Monitoren dürften in diesem Moment entsprechende Zahlen eingehen.“ Aheema warf einen Blick auf den Monitor und konnte ihre Überraschung nur mit Mühe verbergen. Diese bezog sich nicht allein auf die benötigten Geldmittel, sondern insbesondere die Personenstärke der Truppen. „Ich denke, es wir in wenigen Tagen möglich sein, das Lager zu besichtigen. Dabei werden wir dann eine kleine Demonstration ihres Ausbildungsstands zu sehen bekommen. Ich denke das dürfte die letzten Zweifler überzeugen“, erklärte Vanessa Howard und ihr Blick taxierte dabei einen leicht übergewichtigen, schwarzhaarigen Mann. Unwillkürlich widmete auch Aheema dem Mann mehr Aufmerksamkeit. Angelo Nifoni scheint nicht erbaut zu sein, stellte sie fest. Für den Medienmogul gehörte ein gesundes Mißtrauen zum Beruf und sie hielt es durchaus für sinnvoll, daß Howards Vorgehen kritisch beobachtet wurde. Vanessa Howard war am Ende ihres Berichts angelangt und als die Anwesenden ihre Blicke auf einen Punkt neben Aheema richteten, bemerkte sie, daß Vincent sich erhoben hatte. „Wie ihr alle wißt“, begann er, „habe ich verschiedene Gespräche mit dem LDS geführt. Grundsätzlich ist man dort neutral eingestellt. Die EUMON hat sie mit Know-how versorgt, aber dies geschah in erster Linie durch uns, was weder die Häuptlinge noch die Ältestenräte vergessen haben. Nicht zu-
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letzt ist es vielen Stammensführern auch gleichgültig, wer die Pachtverträge erfüllt, solange es nur geschieht. Einige rechnen sicher auch damit, daß wir uns als ihr Satellitenstaat zeigen werden ... Ich denke, dort können wir unseren Freunden zumindest ideell entgegen kommen, wenn alles klappt. Es wird zwar noch einige Überzeugungsarbeit zu leisten sein, bevor wir aus dieser Richtung endgültige Zustimmung erhoffen können, die Zusicherung von Neutralität jedoch ist für uns im Augenblick das Wichtigste. Ich werde in diesem Bereich weitere Gespräche führen.“ Er setzte sich wieder und Truman trat vor. „Nun, ich denke, damit sind wir alle wieder auf dem gleichen Stand. Da ich weiß, wie beschäftig jeder von euch ist, sollten wir es heute dabei belassen. Ich danke allen für ihr Erscheinen“, beendete er die Zusammenkunft. Nach und nach verließen die Liberatoren einzeln das Konferenzzimmer, Truman blieb mit Vincent und Aheema allein zurück. Er wandte sich an Aheema. „Und, wie ist Ihr erster Eindruck?“ „Ich möchte alles erst einmal wirken lassen. Meine Entscheidung werde ich in den nächsten Tagen treffen“, entgegnete Aheema. „Ich würde es auf jeden Fall begrüßen, Sie in unserem Kreis willkommen heißen zu dürfen“, erklärte Truman und verabschiedete sich von Vincent und Aheema. Gemeinsam verließen nun auch sie beide den Saal und fuhren mit dem Aufzug wieder in die Villa, die sie kurz darauf hinter sich ließen. „Und, was denkst du?“, wollte Vincent wissen und küßte seine Verlobte auf die Nasenspitze. „Ich bin sicher, daß die Unabhängigkeit von der EUMON nicht zu unterschätzende Vorteile hat und auf lange Sicht die einzige Möglichkeit sein wird, um nicht zur Ressourcenquelle für die Häuser zu werden“, erklärte Aheema, „aber ich bin mir
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nicht sicher, auf was das Ganze hinauslaufen wird. Wofür benötigt ihr Milizen?“ Vincent hatte mit dieser Frage gerechnet. „Auch ich war am Anfang sehr skeptisch“, gestand er, „du kennst meine Einstellung dazu. Bei Vanessa Howard schrillten bei mir alle Alarmglocken, aber Daniel hat mich überzeugt. Zwar glaubt keiner von uns wirklich daran, doch wir müssen auch mit einer bewaffneten Auseinandersetzung rechnen. Dafür wollen wir gerüstet sein“, erklärte er. „Inwiefern?“, wollte Aheema wissen. „Wir wissen nicht, wie die EUMON reagieren wird. Die Pachtgebiete sind eine wichtige Stütze ihrer Macht. Begeistert werden sie sicher nicht sein und sollten sie militärisch aktiv werden, haben wir ihnen etwas entgegenzusetzen. Das Vertrauen der Bewohner der Pachtgebiete hängt nicht zuletzt davon ab, wie gut wir sie gegen etwaige militärische Druckmittel schützen“, erklärte Vincent. „Wir sprechen hier von der Möglichkeit eines bewaffneten Konflikts“, stellte Aheema fest. „Mir ist das Risiko bewußt, deswegen wollte ich dich auch nicht in die Sache mit einbeziehen. Auch deine Vorwürfe habe ich vorausgeahnt“, erwiderte Vincent. „Ich habe doch nur Angst um dich. Die Situation könnte außer Kontrolle geraten“, erklärte Aheema. Vincent schüttelte entschieden den Kopf. „Das brauchst du nicht. Ich bin nicht der Einzige, der die Augen offenhält. Truman ist sich der Risiken bewußt, außerdem ist da noch ...“ „Nifoni?“ „Du hast es bemerkt?“ „Vanessa Howard musterte ihn nicht eben freundlich.“ „Dazu hat sie allen Grund. Sie kontrolliert den Aufbau der Milizen, aber ein Großteil der Liberatoren ist sich einig, daß die Medien unsere wichtigste Waffe sein werden, damit ist Angelo Nifoni zur zentralen Figur geworden. Ich weiß nicht, wie gut du ihn kennst, aber unter dem Geschäftsmann steckt
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immer noch der Reporter, als der er vor Jahrzehnten seine Karriere begann.“ Er grinste. „Unsere Aufstiegsgeschichte ähnelt sich und das verbindet uns.“ „Ich denke, die Liberatoren haben ab jetzt ein weiteres Paar Augen, das die Sache beobachtet“, meinte sie.
Rejissa Stiftung, Atlanta Am nächsten Tag Mit langsamen Schritten bewegte der junge Mann sich weiter in den Raum. Er hielt kurz vor jener imaginären Linie, die niemand ohne Erlaubnis überschreiten würde, dahinter, in tiefem Schatten verborgen, saß derjenige, der ihn zu sich bestellt hatte. Der Mann fühlte sich nicht wohl, die Aufgabe blieb ihm jedoch nicht erspart. „Sie haben eine Information für mich?“, ertönte die wohlmodulierte Stimme hinter der Wand aus Dunkelheit. „Vor wenigen Minuten kam ein Päckchen auf dem normalen Postweg herein, welches eine CD-ROM beinhaltete“, erklärte der Mann. „Der Datenträger ist an Sie adressiert, Mr. Toshing.“ „Interessant. Wer ist der Absender?“ „Der Absender ist unbekannt“, gab der Mann zurück, „unsere Leute konnten bisher nichts herausfinden.“ „Legen Sie bitte die CD in das Laufwerk“, verlangte Mr. Toshing. „Sie dürfen dann gehen.“ Eine kleine Deckenlampe flammte auf und entriß der Dunkelheit einen kleinen Konsolentisch, in dessen CD-Schacht der Mann die CD-ROM einlegte, um gleich darauf den Raum zu verlassen. Glücklicherweise ist es bald nicht mehr nötig, jemand anders als Robert Sander hierher zu bitten, sinnierte Ra`Tosh, nachdem sich die Tür ins Schloß gefallen war. Sein Stellvertreter würde in wenigen Tagen wieder an die Arbeit gehen.
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Mit einem leisen Surren nahm das Laufwerk seine Arbeit auf und einige Sekunden später erschien ein Bild auf dem Bildschirm. Ra`Tosh betrachtete die Szene interessiert, deren Hauptdarsteller Vincent Alexander und Aheema McGerwyn waren. Zwar gab es keine Audiospur, doch liefen unter der hochauflösenden Aufnahme Untertitel mit. Ra`Tosh beachtete die Zeilen nicht, er las die Worte der Beiden direkt von ihren Lippen ab. Um so interessierter verfolgte er das Geschehen in dem Apartment, bis die Aufnahme wenige Minuten später endete. Er begibt sich auf dünnes Eis, grübelte Ra`Tosh. Er starrte den inzwischen schwarzen Bildschirm weiterhin an, während sich seine Gedanken verselbstständigten. Es war der EUMON sicher nicht verborgen geblieben, das hier etwas Ungewöhnliches geschah und die Häuser sollten mittlerweile tätig geworden sein. Es war zu hoffen, daß die Liberatoren das bedacht und sich gut schützten. Besonders Ermittlungen gegen Vincent Alexander konnten eventuell Dinge zutage fördern, die besser im Dunklen blieben, wenn es nach Ra`Tosh ging. Er veränderte seine Haltung etwas und ließ seinen Schwanz träge durch das seichte Wasser gleiten. Wenn er die Herkunft der Aufnahme richtig deutete, trug das Angebot zur Kooperation mit den Leuten aus Rom erste Früchte.
Military Harbour Area, London Am selben Tag Commander Jeff Steinman verließ mit das Büro des Admirals mit gemischten Gefühlen und stapfte zu dem Wagen, der ihn zum Landeplatz bringen würde. Dort wartete ein Hubschrauber darauf, ihn auf die GLASGOW zu fliegen. Der Flugzeugträger lag nach wie vor zwei Meilen von Küste entfernt in den Fluten
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des Atlantik. Aufgrund der neuen Befehle würde er noch heute Abend auslaufen. Der Admiral hatte ihn am späten Nachmittag empfangen und seinen neuen Auftrag mitgeteilt. In eindringlichen Worten hatte er Commander Steinmann klar gemacht, wie wichtig es war, daß er umgehend auslief und Stellung vor der südlichen Ostküste der Neuen Welt bezog. Die beunruhigenden Details seines Auftrags hatten durch den Hinweis, daß bereits morgen eine Entwarnung ergehen konnte, nur eine geringe Abschwächung erfahren. So oder so wußte Steinman, was er zu tun hatte. Eine Viertelstunde später passierte er bereits die Deckwache der GLASGOW und lenkte seine Schritte zum Kommandostand. Er winkte ab, als der Brückenoffizier zur Meldung ansetzte und bedeutete ihm, die Sprechanlage des Schiffes in Betrieb zu nehmen. Kleine Schweißperlen bedeckten seine Stirn, als er der Besatzung eine reduzierte Fassung der an ihn ergangenen Einsatzbefehle mitteilte. Während sich der Koloß aus Stahl in Bewegung setzte, warf der Commander einen kurzen Blick in den sternenklaren Himmel und ließ seine Gedanken in die Zukunft wandern. Hoffen wir, daß die Idioten in den Pachtgebieten keinen Mist bauen und wir nicht eingreifen müssen, dachte er, während die GLASGOW Kurs auf die offene See nahm.
Vatikan Stadt, Rom Am nächsten Tag Mit nach wie vor glänzenden Augen starrte Gregor XXVII. auf den mittlerweile schwarzen Bildschirm, erst ein Klopfen riß ihn aus seinen Gedanken. Ein herrisches „Herein!“ erlaubte Hauptmann Urs Schlatter, die Räume des Papstes zu betreten. Dieser deutete auf einen
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Stuhl und ließ Urs Schlatter Platz nehmen. Wortlos drückte er einen Knopf und ließ so die Szene, die sich vor wenigen Tagen in der Zentrale der AE zugetragen hatte, lebendig werden. Hauptmann Schlatter verfolgte sie mit Interesse. „Was halten Sie davon, Hauptmann?“, wollte Gregor wissen. „Interessant. Zweifellos spielt uns die Einstellung Alexanders hier in die Hände, oder?“, erwiderte der Hauptmann. „Mein lieber Schlatter, da stimme ich vollauf mit Ihnen überein“, lächelte der Papst nun. „Wie ist Eure Heiligkeit an das Band gelangt, wenn die Frage gestattet ist?“, hakte Schlatter vorsichtig nach. „Unser Mann in der AE hat es mir zukommen lassen. Ich habe ihm Anweisung gegeben, es auch der Stiftung zukommen zu lassen, die kürzlich an uns herantrat. Unkommentiert, versteht sich.“ „Ich fürchte, ich bin in diesem Punkt nicht informiert, Eure Exzellenz.“ „Die Rejissa, Sitz in Atlanta“, erklärte der Heilige Vater. „Ein mehrdeutige Stiftung, deren Hintermänner sich sehr bedeckt halten.“ „Das gefällt mir nicht“, gestand Schlatter. „Wer weiß wer sich hinter dieser Stiftung verbirgt. Zweifellos jemand der ein Interesse daran hat, selbst in diesem Fall aktiv werden, oder?“ „Zumindest für den Moment sind alle Konfliktpunkte mit der Stiftung beigelegt, mein Entgegenkommen mit der Aufnahme spielt dort mit hinein. Natürlich muß man ein Auge auf die Angelegenheit haben.“ Der Papst lächelte erneut unergründlich. „Aber das, mein lieber Schlatter, soll nicht ihre Sorge sein. Noch nicht, jedenfalls.“ Er lehnte seinen gebrechlich wirkenden Körper zurück und es war ihm anzusehen, daß er für einen Moment Schwierigkeiten mit dem Atmen hatte. Ebenso schnell, wie er gekommen war, endete der Anfall auch wieder.
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„Derzeit vertraue ich ganz auf Ihre Fähigkeit, Großinquisitor Lopez unter die Arme zu greifen“, fuhr er fort. „Ich habe ihm versprochen, daß er sich wieder seinen Forschungen widmen kann“, erklärte der Papst, die vorhergegangene Schwäche gekonnt überspielend, „und dieses Versprechen möchte ich halten. In solch gefährlichen Zeiten soll er natürlich nicht ohne weltlichen Schutz sein, deshalb möchte ich, daß sie ein Auge auf den Kardinal haben. Natürlich sollen Sie mich auch über seine Fortschritte auf dem Laufenden halten. Wir verstehen uns?“ „Ich werde ich Eure Eminenz über jedes Detail unverzüglich in Kenntnis setzen“, erklärte der Hauptmann sofort. „Sehr gut.“ Eine Handbewegung des Papstes bedeutete ihm, daß die Audienz beendet war. Schlatter verließ den Raum und verhielt kurz, nachdem er die Tür hinter sich geschlossen hatte. Die Prioritäten liegen leider bereits etwas anders, dachte er, bevor er mit schneller werdenden Schritten zum Ausgang strebte. Der Inhalt des Gespräches würde den Kardinal interessieren.
AE Firmenzentrale, Atlanta Am Nachmittag „Ich freue mich, daß Sie noch einmal über die Angelegenheit nachgedacht haben“, meinte Vincent, ohne aus seiner Erleichterung einen Hehl zu machen. Ihm gegenüber saß einer der Führer des Lakota-DelawareStammesverband und nach fast zweistündigem Gespräch war endlich ein Ergebnis abzusehen. Bisher war gerade Häuptling Ahingonkam Hraupa einer der größten Gegner der Liberatoren gewesen, nun würde er zumindest noch einmal über die Sache nachdenken.
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Der dunkelhäutige Mann, dessen modischer Zweiteiler einen starken Gegensatz zu dem Federschmuck an der linken Seite seines Kopfes bildete, erhob sich und reichte Vincent die Hand. „Ihre Argumente waren sehr überzeugend, Mr. Alexander“, meinte Hraupa in beinahe akzentfreiem Europarl. „Aber machen Sie bitte nicht den Fehler, mein Zugeständnis als Zusage mißzudeuten.“ „Auf keinen Fall, Häuptling“, versicherte Vincent, „ich bin Ihnen sehr dankbar, daß Sie sich für dieses weitere Gespräch bereitgefunden haben.“ Sie wechselten einen Händedruck. „Der Adler und der Wolf bekämpfen sich nicht“, schloß Vincent mit einem Ausspruch in ebenfalls fast akzentfreiem Lakota. „Doch beide kennen die Stärke des Bären“, entgegnete Vincents Gast abschließend. „Die EUMON ist es, die mir Sorgen macht. Bitte bleiben Sie sitzen, Mr. Alexander, ich kenne den Weg nach draußen und möchte nicht, daß mein Erscheinen hier als persönliches Gespräch gedeutet wird.“ Vincent lehnte sich im Stuhl zurück und atmete tief durch, kaum das der Stammesführer das Arbeitszimmer verlassen hatte. Doch viel Zeit zum Entspannen blieb nicht. Ein Piepsen ließ ihn herumfahren und den Hörer seines Telefons abnehmen. Auf einem kleinen Display war die Nummer das Anrufers zu erkennen, ebenso, daß der Anruf verschlüsselt war. „Hallo Daniel“, meinte er. „Gibt es Neuigkeiten?“ Einen kurzen Moment blieb es still, dann erst begann Daniel Truman zu sprechen. „Ich wünschte, es wären gute Nachrichten. Komm bitte umgehend zur Villa, Vincent. Es sind Ereignisse eingetreten, die unser aller Anwesenheit erfordern.“ „Ich bin auf dem Weg“, erwiderte Vincent umgehend. Ihm war klar, daß es wirklich besorgniserregend sein mußte, wenn der sachliche Daniel Truman in dieser Weise sprach. Er ließ seine weiteren Termine absagen und machte sich umgehend auf den Weg.
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„Das sind die neuesten Bilder“, erklärte Daniel den versammelten Liberatoren ohne Umschweife. „Ein Satellit hat sie vor wenigen Minuten übertragen. Es sieht so aus als hätte die EUMON eine Eingreiftruppe auf den Weg geschickt.“ Zusammen mit Aheema und allen anderen starrte Vincent auf die Bilder, die vor ihm an die Wand projiziert wurden. Auf ihnen war ein großes Schiff zu sehen, das eine weiße Spur durch das makellose Blau des Ozeans zog. Jetzt versteht er wohl, was ich vor einigen Tagen meinte, dachte Aheema. Die Sache spitzt sich zu. Vanessa Howard war die Erste, die das Wort ergriff. „Wir wußten alle vorher, daß es darauf hinauslaufen konnte. Die EUMON kann es sich nicht leisten, tatenlos zuzusehen, es war völlig logisch, daß sie jemanden schicken würden.“ „Zumindest, um uns einzuschüchtern“, ergänzte Angelo Nifoni. „Sie zeigen uns die Zähne.“ „Der Träger wird etwa drei Wochen brauchen, um hier einzutreffen“, meinte Vincent. „Bis dahin müssen die Bürger der Pachtgebiete Farbe bekennen.“ Nifoni nickte. „Ich kümmere mich darum.“
Nationalmuseeum, Reggio Calabria, Italien Am nächsten Tag Kardinal Eugenio Maria Lopez stand nachdenklich vor dem überlebensgroßen Bronzestatuen im Untergeschoß des Nationalmuseum von Reggio Calabria und betrachtete die beiden Standbilder mit einer Mischung aus Bewunderung und Abscheu. Bewunderung, weil es den alten Griechen schon über 400 Jahre vor Christi Geburt möglich gewesen war, derart perfekte Arbeiten zu schaffen. Bewunderung auch, weil er die Arbeit der italienischen Restaurateure bewunderte, welche die beiden
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Bronzestatuen nach rund zweitausend Jahren aus dem Ionischen Meer geborgen und von einer dicken Sedimentschicht befreit hatte. Abscheu jedoch, weil die Kirche, deren Großinquisitor er war, ein sehr gespaltenes Verhältnis zu der plastischen Abbildung nackter Körper hatte. Es wäre doch lediglich Kunst, hatte Papst Gregor eingewendet, als Lopez ihn vorhin auf seinem Handy angerufen hatte. Der Kardinal sah das anders und versuchte, nicht zu genau hinzusehen. Sogar die Schamhaare hatten diese Heiden bis ins Detail modelliert! Lopez nahm sich vor, vor dem Zubettgehen einige Vaterunser zu beten, um seine Gedanken wieder von dem Bild, das sich ihm bot, zu reinigen. „Äh ... Eure Eminenz?“ Lopez zuckte unmerklich zusammen und bemühte sich, seine Überraschung nicht zu zeigen. Er wandte sich um und musterte den kleinen, dunkelhaarigen Mann, der sich ihm mit leisen Schritten näherte, von oben bis unten. „Wir schließen gleich, Eure Eminenz, und ich möchte Sie bitten ...“ „Ich bin hier verabredet“, entgegnete Lopez kühl, „mit Ihrem Chef.“ „Ach so ...“ Der Museumswärter kratzte sich ratlos am Hinterkopf und war sichtlich erleichtert, als im nächsten Moment der Direktor des Museums in der Tür zu der Ausstellungshalle betrat und die peinliche Situation aufhob. Lopez hielt ihm huldvoll die rechte Hand mit seinem Siegelring hin. „Ah, Eugenio! Lange nicht gesehen! Ich hoffe, Du mußtest nicht zu lange warten!“ Giovanni Matteo, der kahlköpfige Leiter des Instituts, griff nach der ausgestreckten Hand des Kardinals, zog ihn an seine breite Brust und küßte ihn auf beide Wangen. Soviel zu Takt und Etikette, dachte Lopez pikiert, während Matteo seinen Angestellten, welcher der Begrüßung mit aufgerissenen Augen zugesehen hatte, dankend aus dem Zimmer entließ.
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„Eugenio, Eugenio“, sagte Matteo und schüttelte versonnen den Kopf, „als wir uns das letzte Mal gesehen haben. Wie lange ist das jetzt her? Zwanzig Jahre? Dreißig?“ „Es war während der Ölkrise in den Siebzigern“, erinnerte ihn Lopez. „Die Nordafrikanische Allianz hatten halb Italien besetzt, um von den Bekennenden Häusern der EUMON die Rücknahme des Embargos zu erzwingen und ich war für den Papst unterwegs zum Kalifen, um über die Rückgabe Süditaliens zu verhandeln.“ „Richtig, richtig“, Matteo nickte eifrig, „hat dich Einiges gekostet, aber gleichzeitig den Dank einiger einflußreicher Familien eingebracht. Ich war damals schwer beeindruckt, wie du mit den Besatzern umgesprungen bist.“ „Du warst mir ein guter Freund auf dieser Mission damals“, sagte Lopez gütig, „ohne deine Hilfe wäre ich vielleicht nicht so erfolgreich gewesen.“ Matteo schien vor Stolz einige Zentimeter zu wachsen. Idiot, dachte Lopez verächtlich und verzichtete darauf, den anderen darüber aufzuklären, daß das formelle Herantreten der Mutter Kirche den christlichen Königshäusern lediglich einen bequemen Ausweg geliefert hatte, das Embargo zu beenden. Tatsächlich hatte die EUMON bereits auf dem letzten Loch gepfiffen, was die eigenen Ölreserven anging. „Also, als ich neulich diesen Artikel von dir über deine Forschungsarbeiten gelesen habe – historische Quellen für altertümliche Mythologien, nicht wahr – da dachte ich mir, daß dich das hier interessieren könnte“, sagte Matteo. „Das hier?“ Lopez wies mit der Hand auf die Bronzestatuen. „Griechische Statuen von nackten Männern?“ „Nein, nein, wo denkst du hin“, winkte Matteo ab, während er in den ausgebeulten Taschen seines Jacketts herumfummelte und schließlich triumphierend zwei zerknitterte Polaroidfotos herausfischte. „Das da meinte ich!“ Lopez nahm die beiden Bilder in die Hand und hielt sie nebeneinander. Das linke zeigte eine Aufnahme von einem Fel-
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sen, wie er ihn oben in der Eingangshalle des Museums gesehen hatte. Dort war ein ebensolcher Felsen, bedeckt mit groben Wandmalereien, in der paläolithischen Abteilung zwischen liebevoll gestalteten Dioramen über den Alltag in einem Steinzeitdorf ausgestellt. Der Felsen oben zeigte jedoch ein prähistorisches Rind, während dieser hier ... Lopez kniff die Augen zusammen. Das zweite Bild zeigte ein antikes Mosaik – griechisch oder römisch, genau konnte er es auf den ersten Blick nicht beurteilen – dessen Motiv eine frappierende Ähnlichkeit mit der Höhlenzeichnung des ersten Fotos aufwies. Es war eine Gestalt, die mit einer Echse mehr Ähnlichkeit hatte als mit einem Menschen. „Na, was sagst du?“, fragte Matteo neugierig. „Interessant“, räumte Lopez ein, „wenn es echt ist.“ „Wenn es echt ist?“ echote Matteo ungläubig. „Wenn es echt ist? Natürlich ist es echt, Eugenio, natürlich! Meinst Du ernsthaft, ich lasse dich den ganzen Weg von Rom bis hierher kommen, um dir dann hier einen verspäteten Aprilscherz aufzutischen? Natürlich ist es echt!“ Lopez wartete geduldig, bis sich der in seiner Berufsehre gekränkte Archäologe wieder beruhigt hatte. „Ich gebe zu, die Ähnlichkeit ist erstaunlich“, sagte er dann, „aber was willst du mir damit sagen?“ „Tja ...“, Matteo hob hilflos die Arme, „ich dachte, du würdest mir das beantworten können. Als Archäologe sehe ich zwei separate Fundstücke: Das eine ist dreizehntausend Jahre alt, das andere gerade mal zweieinhalbtausend. Und beide Künstler haben einen Drachen gemalt. Was mich stutzig macht ist ...“ „... daß die Kreatur auf den Bildern die gleiche zu sein scheint“, führte Lopez den Satz zu Ende, „so daß man fast meinen könnte, der Künstler, der das Mosaik gemacht hat, hätte die Höhlenmalerei aus der Steinzeit als Vorlage benutzt.“
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Matteo nickte. „Zudem die Fundstellen der beiden Artefakte etliche hundert Kilometer auseinander liegen. Unwahrscheinlich, daß der griechische Künstler Zugang zu den paläolithischen Kultstätten hatte. Es paßt auch nicht in das archaische Kunstverständnis.“ „Hm.“ Lopez betrachtete die Bilder erneut. Je länger er die Fotos studierte, desto intensiver wurde das Gefühl des déjàvus, welches ihn beschlich. „Was ist deine Theorie?“ „Ich weiß nicht“, Matteo hob abwehrend die Hände, „ich wollte es dir nur mal zeigen, weil ich dachte, es könnte dich im Rahmen deiner Forschungen interessieren.“ „Raus mit der Sprache, Giovanni“, hakte Lopez nach, „du als Wissenschaftler hast keine Theorie zu diesem Phänomen?“ „Na ja ... Du wirst mich bestimmt für verrückt halten, aber ... Nun, der Höhlenmensch, der das erste Bild gemalt hat, kann eigentlich keinen lebenden Dinosaurier als Vorlage für seinen Drachen gehabt haben, es sei denn alle Paläontologen der Welt irren in der Annahme, daß die Dinosaurier längst ausgestorben waren, als die Menschen auf der Erde erschienen. Also vermute ich, daß der Höhlenmensch irgendwo ein paar riesige Knochen gefunden hat, die zu keinem der ihm bekannten Tiere paßten. Dinosaurierknochen eben. Der Fund hat ihn inspiriert, ein Bild von einem Ungeheuer zu malen, und er hat sich halt vorgestellt, wie das Tier ausgesehen haben könnte, das ... äh ...“ Matteos Gedankengang endete in einer Sackgasse. „Aber dann hätte bei dem griechischen Künstler, der nichts von dem Steinzeitbild gewußt haben kann, ja exakt das gleiche passieren müssen!“ Lopez verzog keine Miene. „Komisch, was?“ Matteo runzelte die Stirn. „Ist dir bei deinen Forschungen so etwas schon mal passiert? Daß an verschiedenen Stellen der Welt in verschiedenen Zeitaltern der gleiche Mythos existiert?“ Lopez lachte freudlos auf. Wie sollte er Matteo auch klar machen, daß es bei den alten Sumerern einen heidnischen Kult gegeben hatte, dessen Lehren eine verdächtige Ähnlichkeit mit
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denen der Kirche aufwiesen? Sogar einen Heiland hatten die Sumerer gekannt, einen Sohn Gottes, auferstanden von den Toten ... Unmöglich! Lediglich der Papst und Lopez wußten von dem Geheimnis, und so wie es aussah, würde Papst Gregor das Geheimnis in Bälde mit ins Grab nehmen. „Viele der Sagen, die man sich seit Menschengedenken über Drachen erzählt, haben mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit einen Ursprung wie den, den du eben beschrieben hast. Dinosaurierknochen, die ein abergläubischer Bauer beim Pflügen gefunden und zu einem Ungeheuer zusammengepuzzelt hat“, sagte Lopez beruhigend. „Aber das erklärt nicht, warum einige Drachen überall in der Welt von allen Kulturen auch äußerlich völlig gleich beschrieben werden“, fügte er mit harter Stimme hinzu. „Und hast du dich schon mal gefragt, warum sowohl in Asien als auch in Afrika und Europa die Drachen stets als Hüter von unermeßlichen Schätzen dargestellt werden?“, fragte er dann mit einem dünnen Lächeln. Matteo fröstelte, als er zu ahnen begann, welchen Dingen der Kardinal auf der Spur sein mußte. Stumm schüttelte den Kopf. Eugenio nickte scheinbar verständnisvoll. „Kann ich jetzt bitte die Originale sehen?“
Lascaux, Frankreich Zur selben Zeit „Vorsicht jetzt mit dem Kopf“, sagte Jean-Louis Dominique Pierrebouchon und zeigte auf die niedrige Decke. Urs Schlatter folgte seinem französischen Führer bedächtig durch die Höhlen von Lascaux. Folgsam zog er den Kopf ein, als sie den weltberühmten Raum der Stiere verließen. Den echten, wohlgemerkt, denn nachdem die Ausdünstungen der Besucherströme die delikaten, Jahrtausende alten Wandmalereien an
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den Höhlenwänden hatten schimmeln und verblassen lassen, bekamen normale Touristen bereits seit Jahrzehnten nur noch eine liebevoll gemachte Nachbildung des Originals zu sehen, welche man in einer eigens dafür angelegten Betonhöhle errichtet hatte. Schlatter jedoch war kein normaler Tourist. Er diente als Hauptmann in der päpstlichen Schweizer Garde und war Kardinal Eugenio Maria Lopez als Adjutant zugeteilt worden. Und da der Kardinal gerade einer anderen Sache in Italien nachging, war Schlatter für ihn mit Pierrebouchon in die dunkle Höhle hinabgestiegen. In dem niedrigen Durchgang gab es, im Gegensatz zum Raum der Stiere, so gut wie war keine Bilder. Während die hinter ihnen liegende Halle von einem gut fünf Meter langen Fresko aus roten und schwarzen Auerochsen, Hirschen und Pferden beherrscht wurde, sah Schlatter hier nur ab und zu grobe, eingeritzte Figuren an den Wänden. „Dort geradeaus ist das sogenannte Schiff“, erklärte Pierrebouchon, „das heißt so, weil es so eine bauchige Kammer ist. Wie bei einem ... Wie sagt man ... Sous-marin?“ „Unterseeboot, oder?“ sagte Schlatter. „Oui. Dahinter schließt das Kabinett der Katzentiere an.“ „Der was?“ „Der Katzentiere. Weil dort ein paar Löwen zu sehen sind. Aber wir gehen weiter hier entlang, zu dem Schacht.“ „Dem Schacht?“ fragte Schlatter. Im nächsten Moment hatte er das Gefühl, daß ihm jemand den Boden unter den Füßen weggezogen hatte. Nach einer Schrecksekunde stellte er beruhigt fest, daß der Boden der Höhle hier lediglich weitaus abschüssiger war, als es zunächst den Anschein gehabt hatte. Es ging einige Meter steil abwärts, doch der durchtrainierte Gardist hatte schnell sein Gleichgewicht wiedergefunden.
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„Hier unten“, sagte Pierrebouchon und zeigte auf das Ende der Höhle, „hier ist das, was Ihren Kardinal interessieren dürfte.“ Schlatter ließ enttäuscht die Schultern hängen. Die Stelle, auf welche der Franzose zeigte, sah aus, als wäre dort eine Lawine niedergegangen. „Das ist doch ein Erdrutsch! Was soll denn daran besonderes sein?“ Pierrebouchon lächelte vielsagend. „Das Geheimnis ist natürlich hinter den Felsbrocken, mon colonel. Aber wir haben uns noch nicht über den Preis unterhalten.“ „Den Preis?“ Pierrebouchon rollte ungeduldig mit den Augen. „Meine Bezahlung. Was meinen Sie, was mein Chef mit mir macht, wenn herauskommt, daß ich einen Besucher ohne schriftliche Genehmigung vom Kultusministerium in die Höhlen von Lascaux geführt habe?“ „Ach so, ich verstehe“, sagte Schlatter gelassen, „wissen Sie, Papst Gregor ist ein alter, kranker Mann. Es gibt bereits Anzeichen dafür, daß man Kardinal Lopez in Insiderkreisen als einen heißen Nachfolgekandidaten handelt. Ich versichere Ihnen, es ist bestimmt nicht schlecht, auf seiner Seite zu sein. Ich meine, zu wissen das einem der Papst – oder der zukünftige Papst – noch einen Gefallen schuldet ... Das ist doch was, oder?“ „Mich interessiert weniger, was mir der zukünftige Papst schuldet“, sagte Pierrebouchon säuerlich, „sondern, wie er seine Schulden zu zahlen gedenkt.“ Schlatter atmete tief durch. Komisch, neulich in den Höhlen von Altamira hatte dieses Argument bei dem dortigen Führer Wunder gewirkt. Vielleicht war man in Spanien doch religiöser als in Frankreich. „Nun?“ bohrte Pierrebouchon nach. „Ich warte.“ Schlatter seufzte, zog einen kurzläufigen Revolver aus den Tiefen seiner Lederjacke hervor und richtete ihn auf die Stirn des Franzosen. „Ich finde auch alleine wieder raus. Und Sie
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bleiben hier, zusammen mit ihren kostbaren Wandkritzeleien. Wie finden Sie das?“ Pierrebouchon schluckte hart. „Sie machen einen großen Fehler.“ Schlatter machte eine ungeduldige Geste mit der Hand, die den Revolver hielt. „Wir reden später darüber. Die Kirche läßt sich nicht erpressen, oder?“ Pierrebouchon ging wortlos zum Ende der Höhle und griff nach einem Felsen, der aus dem Geröll hervorragte. Zu Schlatters Überraschung ließ sich der Felsen – zusammen mit dem restlichen Erdrutsch – mühelos an die Seite rücken. „Eine Attrappe“, murmelte er. „Na so was!“ „Pappmaché“, erklärte Pierrebouchon und deutete auf den dunklen Tunnel, der von dem vermeintlichen Erdrutsch verborgen gewesen war. „Bitteschön.“ Schlatter schüttelte den Kopf und wedelte lässig mit dem Colt. „Nach Ihnen, Pierrebouchon.“ Der Franzose zuckte gleichgültig mit den Achseln und ließ sich auf alle viere nieder. Kriechend verschwand er in der gähnenden Öffnung. Schlatter steckte seine Waffe weg und folgte ihm. Der Tunnel war kurz. Schon nach wenigen Metern weitete sich der Gang, und Schlatter erreichte eine kleine Felsenkammer, in der Pierrebouchon geduldig auf ihn wartete. „Wenn Sie mal hier gucken wollen ...“ Der Franzose richtete den Schein seiner Taschenlampe auf die Decke über Schlatter. Der Gardist verrenkte sich den Hals, um sehen zu können, was Pierrebouchon meinte ... Und unterdrückte nur mühsam einen überraschten Ausruf, als er sich direkt vor der sehr plastischen Darstellung eines furchteinflößenden Fabelwesens wiederfand, welches ihn geradezu anzuspringen schien. „Was halten Sie davon?“ fragte Pierrebouchon, „ganz anders als die Malereien draußen an den Wänden.“ „Inwiefern?“ erkundigte sich Schlatter, nachdem er sich von dem Schreck erholt hatte. „Vom Stil her ähnlich. Auch mit
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Farbstoffen aus der Natur gemacht. Einiges davon ist auch eingeritzt, oder?“ „Sie wissen, was ich meine“, sagte Pierrebouchon, „in den Höhlen draußen sind nur Tiere abgebildet, die Steinzeitmenschen 15.000 Jahre vor Christus auch kannten. – Rinder, Hirsche, Pferde, ein Bär ...“ „Genau wie in Altamira“, nickte Schlatter. „Da war ich neulich.“ „Sind ja auch genau so alt. Aber das hier?“ Der Franzose zeigte auf das gräßliche Monster an der Wand vor ihnen. „Ist das ein Tier oder ein Mensch? Man könnte es fast für einen Dinosaurier halten, oder einen Drachen ... Aber das gehörte sicher nicht zu den Tieren, die Höhlenmenschen kannten.“ „Vielleicht hat sich ein Vorfahre von diesem Filmregisseur ein Monster ausgedacht ... Wie heißt er doch gleich?“ „Was immer das sein soll“, murmelte Pierrebouchon, „wer immer es gemalt hat, hatte einen Mordsrespekt davor.“ Schlatter schwieg. Was Pierrebouchon nicht wußte: Dies war nicht die einzige Abbildung ihrer Art. In Altamira hatte man ihm Ähnliches gezeigt, ebenso in den Höhlen von Chauvet Pont d'Arc, wo zwischen Bildern von Rhinozerossen, Mammuts, Löwen und Bären, die vor über dreißigtausend Jahren Europa bevölkert hatten, auch ein solches Monster vertreten war, dessen Ursprung und Bedeutung sich die Experten nicht erklären konnten. Außer Lopez hatte keiner der Gelehrten eine Theorie zu dem Phänomen. „Und?“ fragte Pierrebouchon hoffnungsvoll, der offenbar die Frage seines Lohns noch nicht vergessen hatte, „meinen Sie, das wird Ihren Kardinal interessieren? Er studiert doch solche Funde, oder?“ Schlatter nickte. „Das wird er sicher.“ Das trockene Knirschen, mit denen Schlatters Handkante die Halswirbel Pierrebouchons von ihrem angestammten Platz vertrieb, hallte mit einem gespenstischen Echo in der leeren Höhle wider. Ein weiterer harter Schlag an die Schläfe hinderte den
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Franzosen daran, selbst den Versuch eines sinnlosen Atemzugs zu unternehmen. Schlatter holte tief Luft, als der Adrenalinschub genauso schnell wieder nachließ, wie er gekommen war. Er drehte den leblosen Körper um und nahm die Pistole an sich, die der Mann während seiner der letzten Worte gezogen hatte. Der Gardist hatte die Bewegung eher zufällig bemerkt und das machte ihn nachdenklich, während er die kleine Waffe musterte. Weder das Vorgehen noch diese Waffe paßten zu dem, was man von einem nebenberuflichen Kunsträuber und Antiquitätenschmuggler erwarten durfte. Er durchsuchte die Taschen des Toten und war von dem Ergebnis nicht überrascht. Das völlige Fehlen von Papieren war deutlicher, als es jeder Ausweis hätte sein können. So wie es aussah, wäre er nach seinen Äußerungen über die in Zukunft zu erwartende Besetzung des päpstlichen Stuhls ohnehin in die Verlegenheit gekommen, Pierrebouchon auszuschalten. Mit einiger Mühe zog er den Franzosen aus dem engen Schacht und sah sich in der Höhle um. Die abschüssige Stelle, an der sie vorhin vorbeigekommen waren, bot sich seiner Ansicht nach an, um einen glaubhaften Unfall zu inszenieren. Aber für die Details gab es Experten, von denen zum Glück einige zum loyalen Stab des Kardinals gehörten. Angesichts der glänzenden Zukunftsaussichten hatte Schlatter nicht gezögert, sich bereits kurz nach ihrem Einsatz in Ägypten ebenfalls dort einzureihen und der augenblickliche Vorteil lag darin, daß es nur eines Anrufs bedurfte. Binnen kürzester Zeit würde das Wandbild professionell entfernt und sichergestellt, alle Spuren verwischt und der bedauerliche Unglücksfall wirksam präsentiert sein.
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AE-Firmenzentrale, Atlanta (EUMON) 22. Juni 2001 Horaz stürmte in das Büro, ohne anzuklopfen und knallte mit unternehmenden Gesichts einen Stapel Unterlagen auf Vincents Schreibtisch. Angesichts der seltenen Gelegenheit, seinen Sekretär aufgeregt erleben zu dürfen, störte sich Vincent nicht daran. „Deiner diebischen Freude entnehme ich, daß ich mir den Stapel nicht ansehen muß, um das Ergebnis der Volksumfrage zu erfahren, oder?“ Er lächelte und nahm rechtfertigend doch eines der Statistikblätter zur Hand. „Nein, die Ergebnisse sind genauso eindeutig wie die zur Loslösung letzte Woche. Die Nominierungen zur Bildung einer provisorischen Krisenregierung wurden bis auf wenige Ausnahmen bestätigt. Daniel Truman wird den Vorsitz führen, Angelo Nifoni steuert die innere Kommunikation. Du wolltest die diplomatische Vertretung übernehmen und hast dich recht eindeutig gegen Vanessa Howard durchgesetzt. Allerdings hat sie damit das Verteidigungsressort.“ „Ohne einen Entscheid der Provisorischen Regierung kann sie nicht über die aufgestellten Milizen verfügen, also kann ich damit leben. Mir wäre nur unwohl, wenn sie mit ihrer halsbrecherischen Art die volle Kontrolle hätte oder sogar mit den Vertretern der EUMON verhandeln müßte.“ Horaz nickte. „Du bist zwar noch nicht vor Publikum in Amt gesetzt, aber offiziell seit knapp einer Stunde bestätigt. Deine erste Amtshandlung wäre, die EUMON förmlich darüber in Kenntnis zu setzen, wie die Entscheidung der Pachtgebiete ausgefallen ist.“ Er grinste. „Du solltest eine gute Figur machen, die Bekanntgabe wird live in mehrere internationale Kabelnetze eingespeist.“ Er runzelte die Stirn. „Einen Wermutstropfen hat das Ganze schon jetzt: Mr. Truman möchte, daß die EUMON erfährt, daß wir die Entsendung des Flugzeugträgers
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GLASGOW als Verstoß gegen diplomatische Kodizes auffassen.“ Alexander grinste. „Wenn ich sie davon überzeugen kann, daß es die Weltöffentlichkeit genauso sehen wird, wäre schon viel erreicht.“
Vatikan Stadt, Rom Am nächsten Tag Kardinal Lopez winkte ab, als Schlatter zu der dem Inquisitor zustehenden Begrüßung ansetzte und bedeutete dem Hauptmann statt dessen, die Tür hinter sich zu schließen und Platz zu nehmen. „Die Objekte sind sicher verstaut, Eure Exzellenz“, begann Schlatter unverzüglich mit seinem Bericht. „Es gab einige Unruhe wegen des bedauerlichen Unfalls in den Höhlen, aber da auf der Schräge schon häufiger Leute zu Fall gekommen sind, hat niemand Verdacht geschöpft, oder?“ „Das mag sein“, entgegnete Lopez, „ich hätte es trotzdem begrüßt, wenn es nicht notwendig gewesen wäre, einen Agenten Seiner Heiligkeit auszuschalten. Die französischen Behörden mögen die Sache als Unfall hinnehmen, aber der Alte ist leider nicht halb so verkalkt, wie er krank ist.“ „Wenn Sie gestatten, Eure Exzellenz, ich bin überzeugt, daß sein Verdacht, so er besteht, nicht auf Sie fallen wird, oder?“ „Das möchte ich auch hoffen. So, und nun zu dem, was Sie zu mir führt, Schlatter. Sie sind doch nicht extra erschienen, um mir die Einlagerung von ein paar Steinplatten zu melden, oder?“ Schlatter überhörte den süffisanten Tonfall, mit dem der Kardinal seinen Satz geschlossen hatte. „Natürlich“, bestätigte er und blickte demonstrativ auf die Uhr. „Ich wollte Sie vielmehr auf die Sondersendung aufmerksam machen, die in präzi-
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se einer Minute auf allen Kanälen der Nifoni Media Group läuft.“ Trotz seiner zeitweiligen Entrückung vom weltlichen Geschehen waren dem Kardinal die Vorgänge in den Pachtgebieten nicht entgangen, die immerhin die komplette EUMON aufhorchen ließen. „Nifoni ist einer der Liberatoren, oder?“, fragte er sicherheitshalber und registrierte bei dieser Gelegenheit verärgert, daß die dummen Angewohnheiten Schlatters offenbar auf ihn abfärbten, je länger er den Hauptmann um sich hatte. „In der Tat, Exzellenz. Sie gestatten?“ – Ohne eine Antwort abzuwarten, angelte er die Fernbedienung vom Tisch und schaltete den Fernseher ein. Lopez übersah die Eigenmächtigkeit, widmete seine Aufmerksamkeit dem Geschehen auf der Mattscheibe und stellte befriedigt fest, daß der Schweizer mit der Präzision eines Uhrwerks aus seiner Heimat genau den Beginn der Sendung abgepaßt und dem Kardinal damit eine vermutlich wie immer unzüchtig gekleidete Ansagerin erspart hatte. Auf dem Bildschirm erschien das Gesicht eines Mannes, das Lopez nicht zufällig bekannt vorkam. Im Rahmen des immer noch laufenden Projektes Pecunia war es nach wie vor Ziel des Vatikan, den Mann unauffällig in bessere Jenseits zu überführen um anschließend sein Erbe der Obhut des Säckelmeisters in der Heiligen Stadt zu überantworten. Erfreulicherweise schien sich Vincent Alexander nun in eine Position begeben zu haben, die es dem heiligen Stuhl ersparen mochte, den schmutzigen Teil des Projektes selbst in die Hand nehmen zu müssen. „Liebe Mitbürger, geschätzte Zuschauer überall auf der Welt, verehrte Häupter der EUMON“, begann Vincent seine Ansprache, „mein Name ist Vincent Alexander und ich spreche zu Ihnen als gewählter und bestätigter Außenminister der neubegründeten Atlantischen Liga. Ich möchte mich bei Ihnen für das Interesse bedanken, das sie der Entwicklung in der Neuen Welt entgegenbringen.
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Wie Ihnen sicherlich allen bekannt ist, haben wir vor anderthalb Wochen formell unsere Unabhängigkeit von der EUMON erklärt. Die Gründe dafür dürften Ihnen bekannt sein, falls Sie an Details interessiert sind, möchte ich Ihnen empfehlen, die Dokumentation im Anschluß nicht zu versäumen. Ich richte mich an Sie, um Sie der Absicht zu versichern, unseren Platz im Gefüge der Staaten einzunehmen und unseren damit einhergehenden Pflichten nachzukommen.“ Er pausierte und blickte für einen Moment gewinnend lächelnd in die Kamera, um seine ersten Worte wirken zu lassen. Lopez ertappte sich dabei, von der Überzeugungskraft Vincent Alexanders wider Willen beeindruckt zu sein. Vermutlich war es dabei hilfreich, daß es dem neutralen Kirchenstaat relativ egal sein konnte, wer in den europäischen Siedlungsgebieten in der Neuen Welt das Sagen hatte. Es war keine Glaubensfrage. „Weiterhin möchte ich betonen“, fuhr Vincent fort, „daß wir durchaus gewillt und auch in der Lage sind, unsere Rechte wahrzunehmen. Unsere Politik soll eine offene sein, deshalb ergeht auch meine erste offizielle Bekanntgabe an die Adresse der Europäischen Königshäuser auf diesem Wege. – Meine Damen und Herren, Eure Exzellenzen, ich ersuche sie eindringlich, unsere Autonomie zu respektieren und auf unser Angebot einzugehen, auf diplomatischen Wege miteinander zu verkehren. Uns ist bekannt, daß der komplett bemannte und ausgerüstete Flugzeugträger GLASGOW außerhalb der Zwanzig-MeilenZone vor der Atlantikküste der Neuen Welt kreuzt. Wir sind geneigt, diesen Umstand als Vorsichtsmaßnahme Ihrerseits zu akzeptieren, müssen jedoch darauf bestehen, daß die von uns als Nation beanspruchten Seegrenzen nicht durch Militär der EUMON verletzt werden. Wir sind jedoch jederzeit gern bereit und erfreut, Delegationen willkommen zu heißen. Um das Risiko für Privatpersonen
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in der Übergangsphase gering zu halten, möchten wir bitten, vorerst unsere Küste nicht anzusteuern. Sollten Sie unaufschiebbare Angelegenheiten dazu zwingen, kontaktieren Sie uns bitte, damit wir Ihnen eine Ausnahmegenehmigung ausstellen können.“ Mit einem Seitenblick registrierte Lopez, wie Schlatter die Adresse und Telefonnummer notierte, die in diesem Moment eingeblendet wurde und er lächelte zufrieden. Es war die Gewissenhaftigkeit des Hauptmanns, die ihn für Lopez mittlerweile schwer entbehrlich gemacht hatte. „Ich hoffe, Sie von der Aufrichtigkeit unserer Absichten überzeugt zu haben“, schloß Vincent in diesem Moment. „Einen schönen Tag Ihnen allen, bitte bleiben Sie uns gewogen.“ „Bleiben Sie uns gewogen“, echote Lopez kopfschüttelnd. „Also man kann nicht sagen, daß es der jungen Atlantischen Liga an Selbstbewußtsein mangelt. Zumindest ihr Außenminister scheint überzeugt zu sein, die Weltöffentlichkeit bereit in der Tasche zu haben.“ „Zumindest wird er sich darauf verlassen können, daß seine Geschäftspartner weltweit jeden Grund haben, sein Anliegen bei ihren jeweiligen Regierungen zu vertreten“, meinte Schlatter. „Aber das ist nur meine bescheidene Meinung, Exzellenz.“ „Sie dürfte zutreffen, mein bester Schlatter. Ich sehe es bereits kommen, daß mich Seine Heiligkeit entsenden wird, um die Entwicklungen vor Ort im Auge zu behalten.“ Schlatter nickte zögerlich. „Auch Ihre Vermutung trifft zu, Exzellenz“, meinte er. „Seine Heiligkeit ließ mich vor wenigen Minuten wissen, daß ein Wagen bereitsteht, um Sie und mich zum Flughafen zu bringen. Dort steht eine unserer Maschinen bereit.“ Lopez machte sich nicht die Mühe, das Unvermeidliche zu beklagen. „Bekommen wir eine Eskorte?“, fragte er nur.
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„Seine Heiligkeit gab sich zuversichtlich, daß unverbrüchlicher Glaube uns Schutz und Schild sein würde, Exzellenz.“ „Davon bin ich überzeugt.“
Drei Meilen vor der Küste der Neuen Welt Am Vormittag des nächsten Tages „Sie verletzen nationalen Luftraum. Identifizieren Sie sich unverzüglich und nennen Sie den Grund ihres Anflugs.“ Adrian Baker ignorierte die Aufforderung, wie er auch die vorherigen Funksprüche nicht beachtet hatte. Die Befehle des Piloten sahen vor, eine Reaktion zu provozieren, denn an Bord der GLASGOW war man daran interessiert, ein Bild der tatsächlichen militärischen Möglichkeiten der Atlantischen Liga zu bekommen. Commander Steinman hatte den Befehl des Oberkommandos nahezu wortgetreu an den Piloten weitergegeben und sie lediglich durch die eindringliche Aufforderung ergänzt, die Provokation nicht zum Äußersten zu treiben. Was Bakers persönliche Haltung anging, war dieser Hinweis höchst überflüssig gewesen. Er hatte weder vor, einen Konflikt zu provozieren, noch wollte er sein Leben vor einer fremden Küste beenden. Während der Schub aus den Strahltriebwerken seine AV-8B Harrier über die Küstenlinie trug, stellte er fest, daß er ohnehin keine echte Meinung zu den Bestrebungen der neuen Welt hatte, und er gestand sich selbst ein, daß er die Politik im Hintergrund nur äußerst selten durchschaute. Ein Signalton richtete seine Aufmerksamkeit auf das Radardisplay. Zwei Objekte waren praktisch aus dem Nichts erschienen und näherten sich ihm mit hoher Geschwindigkeit. Er schaltete den Funk auf die Kontaktfrequenz des Trägers. „Hier Frecher Seehund, ich habe die Raubmöwen geweckt. Ende.
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„Wir haben die Möwen auf dem Schirm, Frecher Seehund. Machen Sie die Vögel nicht wütend, aber schauen Sie sich ihr Gefieder an und kehren Sie dann unverzüglich zurück. Ende.“ „Verstanden, ansehen und zurückkehren. Ich bin dran. Ende und Aus.“ Baker verringerte seine Geschwindigkeit etwas und steuerte einen indirekten Kurs auf die sich nähernden Maschinen. Es sollte weder nach einer Flucht noch nach einem Angriff aussehen. Eine Leuchte am Funkmodul signalisierte, daß ein Ruf über die offenen Frequenzen hereinkam und er schaltete zurück. „... Kurs. Ende.“ Es blieb kurz still. „Ich wiederhole: Der Freche Seehund sollte brav die Flossen stillhalten, sonst hacken die Möwen zu. Haben Sie uns verstanden? Halten Sie Ihren jetzigen Kurs. Ende.“ Baker zog eine Braue hoch. Die Atlantische Liga machte keine halben Sachen, zumindest nicht, was die Überwachung und Dechiffrierung des Funkverkehrs anging. „Verstanden, Möwe, der Seehund ist ganz artig. Ende.“ „Wir werden Sie in die Mitte nehmen, betrachten Sie sich als vorläufig festgenommen. Danke für Ihre Kooperation..“ „Danke für Ihre Kooperation“, äffte Baker die letzte Meldung nach, nachdem er sein Kehlkopfmikrofon ausgeschaltet hatte. „Das nächste Mal melde ich meinen Besuch über eure Hotline an, ihr Spinner.“ Er blickte aus der Kanzel und als die Maschinen sich seitlich von ihm setzen, versuchte er, so viele Details wie möglich zu erkennen. Es waren zweifellos Mehrzweckmaschinen, entweder brandneu oder zumindest perfekt in Schuß. Der genaue Typ war Baker nicht bekannt, aber sie präsentierten das typische Profil jener Mig, wie sie in Rußland entwickelt worden war und seit dem Anschluß an das mongolische Großreich dort Verwendung fand. Wenn ein neues Modell herauskam, war die vorherige Serie ein echter Exportschlager, wie er wußte, aber daß die Luftwaffe des Khan brandneue Typen auf den – zumindest beinahe – freien Markt brachte, deutet auf Geld hin.
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Unter den Initiatoren der Atlantischen Liga befanden sich einige Wirtschaftsgrößen, für die es sicher kein unlösbares Problem gewesen war, diese Flugzeuge und sonstiges Militärgerät unbemerkt in die Neue Welt zu bringen. Ein weiterer Grund, die Lage nicht eskalieren zu lassen. So sehr er auch auf einen guten Ausgang hoffte, er würde jetzt nicht darum herumkommen, seine neuen Freunde zu verärgern. Er schaltet das Mikro wieder ein. „War nett mit euch, Jungs“, meinte er. „Aber der Seehund muß zu Papa.“ – Ohne eine Antwort abzuwarten, ließ er sein Maschine nach unten abtauchen und setzte sofort zu einem Wendemanöver an. Er hatte es noch nicht ganz abgeschlossen, als ihn ein durchdringendes Warnsignal darauf hinwies, daß er in die Zielerfassung einer der Maschinen geraten sein mußte. „Mist, verdammter!“, stieß er hervor und zwang seine Maschine zum Abtauchen. Der Warnton schrillte weiter durch die Enge des Cockpits, seine Maschine war nicht in der Lage, die weitaus schnelleren Gegner abzuschütteln. Er konnte nur hoffen, daß sie nicht soviel Interesse daran hatten, ihn zur Landung zu zwingen, daß sie ihn bei seinem offensichtlichen Rückzug abschossen. „Seehund, sind Sie noch da? Ende.“ „Nein, meine Maschine fliegt von alleine“, grunzte er. „Spaß beiseite und nichts für ungut, Kollegen, aber ich habe meine Befehle. Ende.“ „Das haben wir auch, Seehund. Tun Sie uns und vor allem sich selbst einen gefallen und steigen Sie aus Ihrer Mühle, bevor wir Sie abschießen. Ende und Aus.“ Der Warnton wechselte vom Pfeifen zu einem durchdringenden Schrillen und Baker schaute mißmutig auf das Radardisplay, auf dem ein weiterer Punkt aufgetaucht war und sich zügig seiner Position näherte. „Das wird dem Alten nicht gefallen“, murmelte er und schüttelte langsam den Kopf. Seine nächste Bewegung war ungleich schneller, als er den Schleudersitz auslöste und sich aus der Maschine sprengte,
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bevor diese von der Rakete erreicht und in einem orangegelben Feuerball und zahlreichen Trümmerstücken aufging. Vielleicht bekomme ich ja jetzt eine neue Maschine, dachte er und zog an der Reißleine. Über ihm spannte sich das weiße Dach seines Fallschirms, während er auf die blaue Fläche unter sich zuglitt. Und je nachdem, wer mich zuerst einsammelt, springt vielleicht sogar ein Urlaub dabei raus. Vincent gab sich keine Mühe, seinen Unmut zu verbergen, als er ohne Gruß in den Tagungsraum trat. „Wer hat den Abschuß veranlaßt?“, fragte er nur und ließ den Blick über die Gesichter der Übergangsregierung gleiten. Er war nicht überrascht, als Vanessa Howard vortrat. „Ich war das“, erklärte sie. „Sind Sie mit diesem Schritt nicht einverstanden, Mr. Alexander?“ „Ganz und gar nicht. Ich hatte vielmehr gehofft, daß in dieser Sache kein Schuß abgegeben wird. Und wenn, dann sollte der erste nicht unbedingt von unserer Seite kommen.“ „Ich hielt es für notwendig zu demonstrieren, daß wir auf Provokationen reagieren können. Sie wollten unsere Möglichkeiten ausloten und ich habe ihn einen Vorgeschmack gegeben, noch dazu einen, bei dem niemand zu Schaden gekommen ist. Wo liegt also das Problem?“ „Das Problem, meine Teuerste, liegt darin, daß die GLASGOW Fahrt aufgenommen hat und sich nun den von uns beanspruchten Gewässern nähert. Die Meldung kam eben von dem Schnellboot, daß den Piloten der abgeschossenen Maschine geborgen hat.“ Während seiner letzten Worte hatte er sich Vanessa Howard genähert, stand nun direkt vor ihr und hielt bewußt aufdringlich Blickkontakt, bis sie verärgert den Kopf abwandte. „Sie haben denen genau das gegeben, was sie wollten: Einen Grund, gegen uns vorzugehen.“ „Und wenn schon“, winkte sie ab. „Die EUMON hätte alles getan, um diese Konfrontation auszulösen. Besser jetzt, wo unsere Möglichkeiten den ihren überlegen sind.“
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Vincent wollte etwas entgegnen, aber Daniel Trumans Hand auf seiner Schulter hielt ihn zurück. „In diesem Punkt hat Mrs. Howard recht, Vince. Ich billige ihre Eigenmächtigkeit nicht, aber jetzt hat sie andere Dinge zu tun, als sich unsere Vorwürfe anzuhören.“ Er wandte sich an Vanessa. „Sorgen Sie dafür, daß unsere Streitkräfte sich bereithalten.“ Er hob eine Braue. „Und damit meine ich auch lediglich bereithalten. Noch ein Alleingang wie dieser, und sie dürfen mit einem Mißtrauensvotum rechnen. Verstehen wir uns?“ Sie nickte und verließ den Raum. Das Klacken ihrer Absätze auf dem holzgefliesten Boden war nur wenig lauter als üblich. „Sobald diese Krise überstanden ist, werden wir sie aus der Regierung entfernen müssen“, flüsterte Truman so leise, daß nur Vincent es hörte. „Was gedenkst du nun zu unternehmen?“, fügte er laut hinzu. „Ich werde mit dem Piloten sprechen, bevor wir ihn zu seinen Leuten zurückschicken.“ „Wäre es nicht besser, ihn als Garantie hierzubehalten?“ „Geiselnahme ist das Letzte, was unser Image verträgt, Daniel, aber auf der GLASGOW kann er uns nützlich sein.“ Er grinste. „Ich werde dafür sorgen, daß er seinem Kommandanten die richtigen Dinge erzählt.“ Truman nickte. „Und du wirst diese Geste unsererseits auch medienwirksam ausschlachten, nehme ich an?“ „Das hatte ich vor. Das Konzept dafür stammt übrigens von Angelo; er ist bereits im Studio, um sich mit unseren Relais in Übersee abzustimmen. In Europa haben gab es einige Versuche, die Sendezentralen zu schließen, aber Nifonis Teilhaber im Ausland haben Druck auf ihre Regierungen ausgeübt und diese wiederum auf die Verantwortlichen der EUMON. Was immer auch passiert, die Welt wird es sehen und hören, solange unsere hiesigen Sendeanlagen intakt bleiben.“ „Ich habe bereits angewiesen, daß sie rund um die Uhr streng bewacht werden. Wir müssen damit rechnen, daß es hier
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Agenten der EUMON gibt und diese irgendwann aktiv werden.“ „Ich werde versuchen, Adrian Baker ein paar Informationen unterzujubeln, die seine Leute eventuell von Sabotage absehen lassen.“ „Adrian Baker“, echote Truman nachdenklich. „Der Pilot, richtig? In Ordnung, Vince, nimm diese Sache in Angriff. Vielleicht läßt sich aus Howards übereilter Aktion sogar ein Vorteil schlagen.“ Seine Stimme wurde wieder etwas leiser. „Ach ja, es gibt da noch jemanden, der dringend mit dir reden wollte; ein gewisser Columbo oder so ähnlich ...“ Vincent überlegte einen Moment. „Vielleicht Cosano?“ „Ja, genau der. Er gehört zu den Offiziellen, die sich den Anweisungen aus Übersee widersetzt haben. Er hatte deswegen meine Sympathie, aber was er mit dir besprechen will, scheint eher persönlich zu sein, und ich wollte nicht für dich entscheiden.“ „Damals hat er Himmel und Hölle in Bewegung gesetzt, um mir eine Verbindung zu dem Angriff auf das alte Überführungsgefängnis nachzuweisen. Das hörte erst auf, als ihm der Fall entzogen wurde.“ „Sprich mit ihm. Das Letzte, was wir jetzt noch brauchen können, ist es ein ehemaliger Ermittler, der einem Mitglied unserer Regierung auf eigene Faust wegen angeblicher krummer Touren auf den Fersen ist. Andererseits können wir fähige und hartnäckige Leute sehr gut brauchen.“ Vincent grinste. „Verstehe.“ Cosano erhob sich, als derjenige den kleinen Aufenthaltsraum hinter dem Tagungssaal betrat, auf den er seit Stunden gewartet hatte. Er grüßte, verzichtete jedoch darauf, Vincent Alexander die Hand anzubieten. Diesen schien das nicht zu stören. „Da meine Zeit begrenzt ist, Mr. Cosano, lassen Sie uns gleich auf den Punkt kommen“, meinte er. „Mit Ihrer Entscheidung gegen die Anweisungen der
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EUMON haben sie sich auf die Seite der jetzigen Regierung gestellt, aber ich nehme an, Sie haben nach wie vor ein persönliches Problem mit mir?“ „Das kann man so sagen“, bestätigte Cosano. „Sie müssen wissen, ich habe jetzt viel Freizeit und halte es für eine gute Idee, meine Ermittlung dort fortzusetzen, wo ich sie damals durch das Wirken Ihrer Freunde in meiner Chefetage abbrechen mußte.“ „Vermutlich glauben Sie mir nicht, wenn ich Ihnen versichere, daß ich mit der Einstellung der Ermittlungen nichts zu tun hatte.“ „Ich würde Ihnen glauben, daß Sie es nicht extra veranlassen mußten. Ihre Position hat dafür vollauf genügt.“ „Wissen Sie was, daß könnte sogar der Fall sein. Und ich nehme an, es stört Sie auch nicht weiter, wenn die Arbeit in meiner jetzigen Position dadurch behindert wird, daß sie um mich herumwieseln?“ „Das wird sich schwerlich vermeiden lassen ...“ Er hielt inne und musterte einschätzend die beiden Leute, die sich einige Schritte hinter dem frischgebackenen Minister hielten. Nicht zu Unrecht nahm er an, daß in den schwarzen Jacketts Leute des handverlesenen Sicherheitsdienstes des AE-Konzerns steckten. „... es sei denn, sie haben vor, mich davon abzuhalten“, beendete er seinen Satz. „Das habe ich allerdings vor. Sie sagten doch, Sie hätten jetzt sehr viel Zeit? – Was halten Sie davon, diese sinnvoll damit zu verbringen, indem Sie für mein provisorisches Ministerium tätig zu werden?“ Cosano schüttelte leicht den Kopf. „Ist das der stilvolle Versuch einer Bestechung, Mr. Alexander?“ „Ich biete Ihnen einen Job, Mr. Cosano. Es wäre ihre Sache, mich weiterhin im Auge zu behalten, wenn Ihnen der Sinn danach steht. Ich lege Ihnen sozusagen meine jetzigen Aktivitäten offen und hoffe, daß Sie helfen können, diese effizienter zu gestalten.“
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„Und Sie könnten ebenfalls stets ein Auge auf mich haben.“ „Natürlich.“ Vincent lächelte. „Ich halte mich an den Gleichheitsgrundsatz unserer neuen Verfassung.“ Cosano lachte leise. „Sie sind mir ein Rätsel, Mr. Alexander, aber ich habe mir vorgenommen, es zu lösen. Wann fange ich an?“ Vincent lüftete den Ärmel seines Anzugs und warf einen nachdenklichen Blick auf seine Uhr. „Wie gut sind Sie darin, so auszusehen, als wüßten Sie mehr, als es tatsächlich der Fall ist?“ „Bei der Befragung von Verdächtigen griff man recht gerne auf mich zurück.“ „In Ordnung“, meinte Vincent und nickte. „Dann beginnt Ihre Probetätigkeit genau jetzt.“
ENDE
2. Auflage (07/2002) © 2002 Sonnensturm Media. Alle Rechte vorbehalten. Umschlaggestaltung: Sonnensturm Media www.webprojekt.org
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