Im Weltraum hört niemand Deine Schreie ...
Am anderen End e unseres Sonnensy st ems gesch ieht auf der Raumstation Au...
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Im Weltraum hört niemand Deine Schreie ...
Am anderen End e unseres Sonnensy st ems gesch ieht auf der Raumstation Auriga das scheinbar Unmögliche - Ellen Rip ley , die sich selbst im Kampf gegen das Al ien auf der Strafkolonie Fiorina 361 geopfert hatte, erwacht zu neuem Leben! Doch die neue Chance ist für Ripley alles ander e als ein G e schenk des Himmels. Schn ell merkt sie, daß mit ihr et was nicht stimmt - ihr Körper ist st ärker und zäher, als er es je zuvor gewesen ist . Und dann muß sie sich einer nervenzerreißenden Heraus forderung st ellen, d ie al les bisherige weit übertrifft - denn nicht nur Ripley ha t überlebt ... Der Roman zum neuen Alien Film mit Sigourney Weav er und Winona Ryder! Dieses Buch ist Sigourney W eaver gewidmet, a ls Dank dafür, daß sie eine bewundernswerte Action und Abenteuerheldin geschaffen hat. Schließlich war der erste >Held < auch eine Frau.
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Alan Dean Fo ster
ALIEN 4
DIE WIEDERGEBURT
Der Roman zum Film von A. C. Crispin nach dem Drehbuch von Joss Thedon
Deutsche Erstausgabe
WILHELM HEYNE VERLAG MÜNCHEN
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HEYNE ALLGEM EINE REIHE - Nr01/20011
Titel der Originalaus gabe ALIEN RES URRECTION
Ins Deutsche übersetzt von Thomas Hag und Bärbel Deninger 2. Auflage
Re daktion: We rne r Baue r Copyright © 1997 by Twentie th Century Fox Film Corpora tion A ll rights rese rve d. Copyright © 1997 der deutsc hen Ausgabe by Wilhe lm He yne Verla g GmbH & Co. KG, Münche n Printe d in Germany 1997 Umschla gillustra tion: Copyright © 1997 by Twentie th Century Fox, mit freundlic her Gene hmigung de r Twentie th Century Fox of Ge rma ny Innenillus tra tionen: Suza nne Tenner © Twentie th Century Fox U mschla gges ta ltung: A te lier Ingrid Schütz, Münche n Sa tz: P inkuin Sa tz und Da tentechnik, Be rlin Druck und Bindung: Ebner Ulm ISBN 3453138937 4
Prolog Ein AlienInsekt! Vincent Dist ephano zuckte unwillkürlich zusammen. Wie zum Teufel ist es hier nach achtern in die Kommandokap sel gelangt? Er bewegte sich keinen M illimet er, während er das grotesk aussehende Wesen anst arrte. Die Augen des AlienKäfers waren riesig, viel zu groß für den Rest des länglichen, ekelh aften Kopfes. Die schmale ellip tische Regenbogenhaut schien sich um die Linsen herumzuwickeln, ein Zeichen dafür, daß es aus einer anderen, nichtt errest rischen Welt kam. Es blinzelte, und seine dur chsichtigen Lider flattert en dabei so schnell, daß Vinnie gar nicht erkennen konnt e, ob sie sich von oben nach unten oder umgekehrt bewegten. Vielleicht sogar von links nach rechts. Wenn die Lider still standen, waren sie nicht einmal zu sehen. Das Wesen blinzelte erneut - schnell, zwei- dreimal - und wandte den Kop f. Hatte es ihn bemerkt? O nein! Die Kiefern des Wesens öffneten sich drohend. Dünne Fäd en aus klarem, dickflüssi gem Speichel bi ldet en sich hint er den dünnen Lipp en, t ropften an den gefährl ich spit zen Zähnen herab. Viele Zähne! Die Lipp en zogen sich nach hinten, als übe das Wesen ein stummes, hämisches Grinsen. Dann bewegt e es sich langsam vorwärt s. Vinnie zwang sich, unbewegli ch sitzen zu bleiben und beo bacht et e, wie das M aul des Dings sich langsam öffnete und schloß. Ein Strang klebri gen Sp eichels trop fte auf den Boden. Wenn es eines von diesen Dingern bis hierher geschaff t hat, dacht e er, dann gib t es bestimmt no ch mehr davon. Vielleicht eine ganze verdammte Brut. Woher kommen diese Biester überhaupt? Und wie gelang en sie an Bord? 5
Spielte das eine Rolle? Dieses hier war jedenfalls da, in diesem Augenbl ick, no ch dazu in seiner Nähe, und das rei cht e ihm. Der Käfer kroch vorwärts und verharrte dann wieder. Seine Bewe gungen waren schnell, insekt enhaft , und sein Schwanz zuckte wie ein n ervöser Sensor. Konnt e er ihn sehen? War er überhaupt in der Lage, ihn wahrzunehmen? Funkt ionierten diese ri esigen Augen nach den bekannten Gesetzen, oder hatt en sie sich so entwickelt , daß sie Nahrung und Beute nur als Lichtquelle wahrnahmen? Ori ent ierte sich das Din g überhaupt eher nach Geruch oder Bewegung als nach visuellen Reizen? Der groteske, längliche Kopf des Alien wirbelte herum, als habe das Wesen Schwieri gk eit en, sich zu orientieren. Vielleicht lenkten es die blinkenden Licht er und die akt ivierten farbigen Linien auf d en Computerbildschirmen ab. Hoffentlich so sehr, daß sie das Ding davon abhielten, Vinnie zu ent decken. Das hoffte er jedenfalls. Er mußte schlucken. In diesem Augenblick flackerte einer der Beobacht ungs monitore und wechselte die Bilder in rasant er Abfolge. Das Ding wandte ihnen den häßlichen Kopf zu. Plöt zlich tauchte der Planet Plut o, der schweigend unter dem Schiff ruhte, in Nahaufnahme auf. Die Aufnahme zeigte, wie einer seiner kleinen Geysire ausbrach und flüssiges Nit rogen in die Luft sp uckt e. Die Helligk eit der Frostringe Plut os stellte trotz der eingesp renkelt en tiefrot en Stellen einen immer wieder verblüffenden Kont rast zur völligen Schwärze des Alls dar. Das Wesen schauk elt e mit dem Kopf und schien die planetarischen Aktivit ät en zu beobachten. Der Geysirausbruch erreicht e seinen Höhepunkt, während die Kamera immer näher heranging. Lautlos spuckt e der Krat er seinen Inhalt aus. Das außerirdisch e Ding wandt e sich nun vollkommen von Vinni e ab und kr abbelt e auf den Bildschirm zu, beweglich wie eine Sp inne. Jetzt! Schnell! Jetzt si eht es dich nich t! Vinnie st reckt e vorsichtig die Hand aus und li eß sie blitz schnell auf das Wesen n iedersausen. Als aus gebi ldet er Soldat 6
verfügte er über gute Reflexe. Ein schmat zendes Geräusch. Hab' ich dich, Mistkerl! Er hob die Hand und begutacht et e die zerdrückt en Überreste des Alien- Insekts, die an seinen Fingersp itzen klebten. Was zum Teufel war das wohl? Er schüttelte angewidert den Kopf. General Perez würde einen Schlaganf all kri egen, wenn er hörte, daß sich an Bord seines makellosen Schiffes, der Auriga, ein außerirdisch er Käfer tumm elt e, noch d azu in der Kom mando kapsel. War das hi er der einzi ge od er gab es noch mehr? Zwei genü gt en, um Tausende zu erzeugen. Sch eiße, bei man chen dieser Alien- Spezies reichte schon eins. Während er d en zerquetschten Käfer untersucht e, t rank der junge Soldat den Rest seines M ilchshakes aus und schluckte ein paar kleine Klump en nicht auf gelösten Pulvers mit hinunter. Mann, Perez würde auch einen Schlaganfall kriegen, wenn er wüßte, daß du während deines Dienstes was trinkst. Vinnie grinste. Ja, General Perez war ein Hundertp rozent iger, aber Vinnie hat te das Frühst ück verp aßt , und ohne irgendwas im Bauch würde er es nicht bis zum M itt agessen schaffen. Dienst in der Kommandokapsel war so ziemlich die l an gweili gste Tät igkeit, die es auf dem Schiff gab. Schlimmer war nur noch, mit knurrendem M agen in der Kap sel zu sitzen. Er zerdrückt e den Plastikbecher und steckte ihn in seine Ta sche. Dann nahm er den dazugehörigen breiten Strohhalm und stocherte damit in der Käfermasse herum. Der längliche Kop f war noch sichtbar, ebenso di e winzigen, aber bösart ig wirkenden Zähne. Puh, was für ein häßlicher Hundesohn. Wie bist du nur an Bord gekrabbelt? Du mußt aus einer dieser inoffiziellem Lieferungen des Generals stammen, aus irgendei ner obskuren Kolonie am Rande der Grenze. Nicht daß i ch's wissen wollte! Wenn man als einfacher Soldat auf einem Top-Secret Schiff 7
stationiert war, das um das Gravitationszentrum von Plut o und Charon - also mit anderen Worten in der beschissenen M itte von Nichts - kurvte, dann lernte man schnell, nicht s zu fragen und nichts zu erzählen. Das einzige, was Vinnie in d iesem endlos scheinenden D ienst jahr an Bord der Auriga gel ernt hat te, war die Tatsache, daß auch ein Top-Secret Job so ziemlich das Ödest e war, womit man einen Soldat en strafen konnt e. Hier passiert e nichts, niemals! Dafür sorgte schon General Perez, mit seinen unzähligen Inspektionen, mit seinem >Alles muß sauber wie geleckt sein< Tick. Jedes kl einste M aschinent eil, jeder Computerchip, jeder Knopf auf der Auriga war neuester Standard, glänzend poliert und perfekt inst and gehalt en. Auf diese Weise konnte einen nicht einmal ein t echnisch er Defekt von seiner Langewei le erlösen. Nun, in drei M onaten hatt e Vinnie es geschafft. Und wer ein erfol grei ches Dienstjahr auf einem Top-Secret Schiff vorweisen konnte, der hatte danach die freie Auswahl, was den Dienst anbet raf. Aber mein nächster wird garantiert ein bißchen unterhalt samer als dieser hier. Vielleicht auf dem Außenposten von Rig el. Da ist was los, da geht die Post ab. Nicht wie auf dieser Beerdigung h ier. Er inspizierte das Insekt erneut und schob die Einzelteile mit dem Strohhalm auseinander. Das zumindest hatt e etwas Lächer liches - den Krieg gegen die Insekt en konnt e d ie saubere Auriga nicht gewinnen. Vinnie war nicht daran gewöhnt, krabbelndes Leben im All zu sehen. Natürlich war das M ilitär seit jeher dafür berüchtigt, auf jedem seiner Wege ir gend ein Gewürm mit zu schlepp en, angefangen von den Ratten und Fliegen in der Ladung und den Nahrungsvorrät en an Bord der alten Holzschif fe. Im zwanzigsten Jahrhundert war mit Kisten voll er Fracht, Nahrung und Waffen die braune Baumschlange auf die Inseln 8
des Südp azifiks gelangt und hatte für die Ausrott ung ganzer Vogel arten gesorgt. In den ersten Tagen der Kolonisat ion des Alls waren mit angeb lich sterilisierter, vakuumv ersiegelter und gefrier getrockneter Nahrung ganze Armeen der gemeinen Küchenschabe in die erste M ars-Kolonie abgesetzt worden und hatten dort eine fast alles vernichtende Seuche aus gelöst. Aber heutzutage sor gt en die Verhältnisse in den Frachträumen dafür, daß keiner der kleinen Bastarde mehr überlebte, und eigentlich gab es das Problem nicht mehr. Nur noch auf der Auriga. Angefangen von d en M oskit os, die bei irgendeinem Laborexperiment entkommen waren und bis heute an den selt samsten Ort en auftaucht en, über die Spinnen, die nach einer d er inoff iziell en Lieferungen überall herumli efen, bis hin zu dem ein oder anderen seltsamen Insekt , wie dem, das er gerade zerquet scht hatte. Das riesige Schiff schien ein einziges Sammellager für Insekten zu sein! Es schien, als hätt en es sich die n ieder en Leb ensformen der Galaxis zur Aufgabe gemacht, Gener al Perez zu zei gen, daß er M utt er Natur nicht beherrschen konnt e, egal welchen Ran g er h at te, egal wie wichtig seine geheimen Operationen hier an den Grenzen des Solarsystems auch waren. Vinnie strich die Überreste des Käfers, aus denen immer noch Blut und Speichel trop fte, in den Strohhalm und üb erlegt e, ob er den >Fund< melden sollte. Eigentlich ver lan gt e es d er Gener al so. Es trieb den Alt en fast in den Wahnsinn, daß un gebetene Gäst e sein makel loses Schiff aufsucht en. Er wollt e, daß jeder einzelne Käfer gefangen wurde, mö gl ichst lebendig, dam it er >klassifiziert< werden konnte, um seine Herkunft zu klären. Vinnie dachte an den Pap ierkram und an die Fragen. Und all dieser Aufwand wegen eines blöden Käfers. Er betrachtete das Ende des St rohhalms. Von wegen! Er st eckte den Strohhalm in den M und, zielt e auf das glasklar e Sichtfenster der Kommandokap sel und blies kr äftig h inein. Die 9
Insektenmasse klatscht e gegen die Sch eibe und b lieb dort haften, wie eine M ücke, die an der Windschutzscheibe eines Landfahrzeugs klebt . Vinn ie l achte. Und das, mein Junge, war der Höhepunkt dieser unend lich en Schicht! Er ließ seinen Bl ick über die Komm andokonsole und di e Bildschirm e gleit en. Alles ruhig. Sehr ruhig. St erbenslangwei lig. Selbst der Gey sir sp uckt e nicht mehr. Der Soldat seufzte, kratzte sich den fast kahl geschorenen Kopf und bemüht e sich, nicht die Sekunden auf der Uhr zu zählen, bis seine Schicht vorüber war. Vielleicht t auchte ja noch mal ein Käfer auf und verschafft e ihm etwas Abwechslung. Er fr eute sich schon darauf.
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l.
Dr. M ason Wren durcheilte mit energisch en Schritten den Flur, der zu seinem Haup tlabor führte. General Perez hatt e ihn mitt en beim Frühstück zu einer unerwart et en Besp rechung gebeten, und die 23 M inuten, die er dadurch verloren hatt e, wirkten sich nun äußerst unangen ehm auf den Zeitplan des Wissenschaftlers aus. Zum Glück konnte Wr en sich auf seinen M it arbeit erst ab verlassen. Sie kamen p ünktlich, starteten die morgendlichen Program me, überp rüft en die Ergebnisse der Nacht schicht und konnten ihn über den gegenwärtigen Stand des Experiments unterricht en. Gewohnheit smäßig checkte er den an seinem Revers ange brachten Pager. Kein e Nachricht en. Vat er - oder besser gesagt die künstliche männliche Stimme des Supercomputers, der die Lebenserhaltungs, die wissenschaftlichen und alle and eren wichtigen Systeme auf der Auriga steuerte - würde ihm Be scheid sagen, wenn es ir gendwelche Neui gkeit en gab. Und keine Nachrichten waren immer gute Nachrichten. Als Perez ihn zu sich bestellt hat te, hatt e er Ärger erwartet, irgendwelch e neuen Probleme. Aber der Alte wollte ihn ledig lich auf ein paar Arbeit sdetails aufmerksam machen, damit er sicher sein konnt e, daß sein Chefwissenschaftler auf dem laufenden war. Zwei Wochen war en ver gan gen, ohne daß er mitt en in der Nacht ins Laborat orium geruf en worden war, und Wren hatt e den p lötzlichen Fort schrit t mit Genugtuung r egist riert . Vielleicht hatt en sie endlich den Durchbruch geschafft. Der schlanke Wissenschaftler mit dem leicht schütt eren Haar näherte sich den Labortüren mit sein em üblichen schnellen Schritt . Die beiden bewaffneten So ldat en, die dort Wache standen, registrierte er k aum. Sie waren fast unsichtbar für ihn, ein Teil der Einrichtung wie die M öbel oder di e Niet en an den Druckluft türen. Zwar wußt e er, daß die Soldaten alle vier 11
Stunden ausgetauscht wurden, doch kamen sie ihm alle identisch vor, mit ihrem st arren Blick, dem ausdruckslosen Gesicht, der olivfarbenen Panzerung und den schweren Waff en, die si e st et s entsichert bei sich trugen. Schwarz, weiß, braun, M änner, Frauen, für Wren sahen sie alle gleich aus. Si e waren eben Soldaten, weit er nichts. Er und sein Team waren Ärzte, also Wissenschaft ler. Vom einfachsten M echaniker bis hin zu ihm dient e sein Team einem höheren Ziel: der Erweiterung des Wissens, dem Fort schrit t der M enschheit, der Verbesserung der Lebensbedin gun gen. Die Soldaten erfüllt en nur den ein en Zweck, Wren und seinem Team zu helfen, ihre Ziele zu errei chen. Sie alle - Soldaten und Wissenschaftler - gehörten zum M ilitär, aber für Wren war k lar, wer von beiden wert voller war. Die Türen öffneten sich laut los und gaben ihm den Weg ins Hauptlabor frei. Als er an den beiden Wacht post en vorbeiging, stellte er amüsiert fest , daß sie nicht nur gleich aussahen, sondern auch ihren Kaugummi im gleichen Takt kauten. Wie Roboter. Nein, nicht wie Robot er. Damals, als es sie noch gab, hatten Roboter relativ individuelle Ei genschaft en gehabt. Hinter ihm schlossen sich die Türen so lautlos, wie sie si ch geöffnet hatten, und damit hatte er die Sold at en schon wieder vergessen. Wie zu erwarten, war sein Team bereit s vollzählig versammelt , emsig bei der Arbeit, im Dienst e der Wissenschaft. Und dieses Labor war dafür der perfekt e Ort. Hier gab es nur das Best e von allem, die best en App arat e, die best en Programme und die besten M itarbeiter. Die Resultate würden das beweisen. Wren kam an den erst en Arbeit sp latz und beobacht et e di e Bildschirm e. Er verfolgte die r asch wechselnden Datenmuster und registriert e zufrieden den Fortschritt, den sie anzeigten. Als er Dr. Carlyn Williams einen Blick zuwarf, lächelte si e ihm kurz zu. »Wir sind gut im Geschäft, Dr. Wren«, meldete sie strahlend. Er lächelte zurück. 12
»Ein schöner Start in den Tag, Carly n.« Er ging zum nächst en Platz und begrüßt e die Dokt oren M at t Kinloch, Yoshi Watanab e, Brian Clauss, Dan Sprague und die Doktorandin Trish Font aine. Kinloch hielt den Daumen hoch, und Wren wußte, daß er damit den erfol greichen Abschluß einer Testreihe meint e, die si e gest ern abend begonn en hatten. Der Projekt leit er erwiderte die Geste und ging weiter. Dabei fi el ihm auf, wie identisch er und sein Team gekleidet waren. Hellbraune oder olivfarbene Overalls, darüber die übli chen Laborkit tel. Er fragte sich, ob General Perez seine Leute genauso schlecht auseinanderhalten konnte wie er die Soldaten. Nachdem er einmal ganz herum gegangen war und sich d avon überzeugt hat te, daß alles gen au so war, wie er es haben wollt e fast zu schön, um wahr zu sein - wandt e er sich endlich dem Brutkasten zu. Dr. Jonat han Gediman, sein junger, dunkelhaariger, ehr geizi ger Assistent, wart et e bereit s auf ihn. Er sah so angesp annt aus, daß Wren befür cht et e, er würde gleich von einem Bein auf das andere hüpfen. Aber er konnt e es seinem Schützlin g nicht verübeln. Nach all dem, was er heute morgen b ereit s gesehen hatte, entwickelten sich die Dinge wirk lich aufs vort reffli chste. Doch nachdem sie schon so viel e Rückschläge hatten hinneh men müssen, sah Wren keinen Grund, sich zufrieden zurückzu lehnen. Es konnt e noch immer genu g schief gehen. »Sie haben auf mich gewartet«, sagt e Wr en zu seinem Assis tenten. »Ich weiß das zu schätzen.« Gediman nickte. »Ich hatte noch genug zu tun. M öchten Sie die Klein e jetzt sehen?« Wren unt erdrückte ein Stirnrunzeln. Es gef iel ihm nicht, daß Gediman dazu nei gt e, die Spezies zu personalisieren; es kam ihm nicht besonders professionell vor. Aber Gediman war ein derart guter Wissenschaftler und darüber hinaus so fleißig und loyal, daß Wren versuchte, über sol che Sp leens hinwegzusehen. »Sicher«, sagt e er. »Sehen wir uns die Spezies einmal an.« 13
Gediman drückte ein paar Knöp fe, und dann beobachteten sie, wie die Daten über den k lein en Bildschirm auf dem Brut kasten liefen. Der hohe M et allzy linder paßt e seine Temperatur an; kalte Dämpfe waberten an der Außenseit e. Langsam b egann sich die metallene Außenhülle zu drehen und zu heben, so lange, bis sie die Decke berührte. Dort blieb sie stehen. Das M etallgeh äuse öffnete sich aut omat isch und gab den Blick auf eine kleinere cry ogenische Röhr e frei, die etwa einen M et er lang und einen M et er breit war. Wren las die Dat en. Dauer und Verlauf der Inkubation, die Bestandteile des chemischen Wachstumsmediums, elektrische Stimulation der Zellen und ander e Informat ionen liefen in einem ständig auf den neuesten St and gebracht en Strom über den Schirm. »Da ist sie«, murmelt e Gediman mit sanfter St imme. Wren sah ihn auf merksam an. Gedimans Au gen war en weit aufgerissen, wie die eines Vaters, der zum erst enmal sein neuge borenes Kind sieht. Das wiederu m gef iel Wren. In vielerlei Hinsicht handelte es sich auch um Gedimans Kind. Gedi man, Wren, Kinloch, Clauss, Williamson - alle M itarbeiter in diesem Labor waren die Eltern dieser Sp ezies, und Wren ermutigte sie sogar, Beschüt zergefühl e zu entwickeln. Diese Art von besit zer greifendem St olz bracht e sie dazu, noch h ärter zu arbeiten, noch kreativer zu denken, mit einer Hingabe, die kein noch so hohes Gehalt hät te bewirken können. Wren mußte lächeln. »Sehen Sie sich ihr Gesicht an!« sagt e Gediman voll vät erli chem Stolz. Wren beobachtete die Spezies, die auf si e zuschwebt e. Sie wurde von einer gelatineartigen Flüssigkeit umgeben, in der sie ernährt wurde und her anwuchs. Zunächst schien die Spezies nicht mehr zu sein als eine v erschwommene M asse. In der klassischen Fötushaltung - und schon das allein kam einem wissenschaftlichen Wunder gleich - trieb sie näh er an das Glas heran und erlaubte Wren einen Blick auf das, was Gediman 14
gemeint hat te. Es war das Gesicht eines kleinen M enschen, eines hübschen M ädchens, und mit einem Schlag spürte Wren die gleiche Erregung, die Gediman er griff en hat te. Die Gesicht szüge hat ten sich bereit s so weit entwickelt , daß man ein individuelles Wesen erkennen konnte. Feines Haar schwebte in Form winziger Locken um den vollkommen geformt en Kop f herum und gab der Spezies etwas Geisterhaftes, als schwimme dort eine Art M eerjungfrau vor ihnen. Wren blinzelte und schütt elt e die Fantasien ab. Sein geschultes Auge untersucht e die verschi edenen Röhren, Kabel und Senso ren, die an der Sp ezies angebracht waren. Alles war an seinem Platz und erledigt e seinen Job, fütterte, überwachte und ließ die Spezies weit aus schneller wachsen und sich entwickeln, als die Natur es jemals beabsichtigt hatte. Aber Wren hat te sowieso nur wenig Geduld mit der Nat ur, wegen ihr er Lan gsamkeit, ihrer Fehler und vor allem wegen der unvorhersehbaren Überraschun gen, die sie immer wieder bereithielt. Sein e Aufgabe war es, der Natur vorauszueil en und sie nach seinen Bedürfnissen zu formen. Es sah so aus, als habe er es bald gesch afft. Er läch elt e, und seine Finger st richen fast zärtlich über die Außenwand des Brut kastens. »Sie ist wunderschön, nicht wahr?« fragte Gediman leise. Wren öffnete den M und, sagte aber ni cht s und nickte nur. Sie entwickelt sich auf jeden Fall besser, als wir zu hoffen wagen durften. Als die Sp ezies wieder d avontrieb, glaubte er zu sehen, wie die sich entwickelnd en Augen unt er d en Lidern rollten. Er fragte sich, ob es bereit s hell und dunkel unterscheid en konnt e. Und er fragt e sich, was es spürte, sofern es überhaupt et was spürte. Plötzlich wurde es hell, und sie schreckte au f. Im Hellen konnte man gesehen werden. Es war schwerer, sich im Hellen zu verstecken. 15
Ihr Körper krümmte sich zusammen. Die warme Nässe um sie herum bedeutete Sicherheit, aber vor dem hellen Licht hatte sie Angst. Chaotisch e Traumbilder flackerten durch ihr ungeform tes Bewußtsein. Die kalte Annehml ichkeit des Hyperschlafs. Der verzweifelte Drang, ihre Kinder zu beschützen. Die Stärke und der Zusammenhalt ihrer eigenen Art. Die Kraft ihres eigenen Zorns. Die Wärme und die Sicherheit des dampfenden Brutkastens. Die Bild er waren gleichzeitig ohne Bedeu tung und doch au ch bedeutungsvoll. Sie spürte sie au f einer Ebene, die wei t über das Bewußtsein hinausging, weit über alles Erlernbare. Sie waren ein Teil von ihr, ein Teil dessen, was sie gewesen war. Und sie waren ein Teil von dem, was sie nun wurde. Sie trieb in der weichen, beruhigenden Wärme dahin und versuchte, sich vor dem Licht zu verstecken. Und dann die Geräusche, murmelnde, ferne Geräusche, die nich t aus ihr kamen und andere, die aus ihr kamen. Die Klänge wogt en heran und ebbten ab, und auch sie bedeuteten nichts und gleichzei tig alles. Sie hörte die Geräusche von innen, darunter eine Stimme, di e stärker war als alles andere. Die Stimme, der sie stets zuhörte und an die sich so gern erinnert hä tte. Sie hörte ihr Flüstern: Meine Mami hat immer gesagt, daß es keine Ungeheuer gibt keine echten. Aber es gibt sie. Wenn sie nur wüßte, was das bedeutete. Eines Tages vielleicht ... Einen kurzen Augenblick nur gestattete sich Wren et was Wunschdenken, et was Hoffnung. Bald würden die ersten Bericht e erscheinen. Dann die Bücher, die Vorträge. Später kamen dann die Auszeichnungen. Dies war nur der Anfan g! Der Föt us trieb in dem m it Gel gefüllten Brutkasten, und Wren 16
mußte zugeben, daß Gedi man recht hat te. Er war wunderschön. Eine vollkomm ene Sp ezies. Sie dr ehte sich, und das gekrümmt e Rück gr at berührte sanft das Glas. Da sah er es, etwas, das vorher nicht dagewesen war. »Ist Ihnen das eigentlich auf gefal len?« fr agt e er Gediman so beiläuf ig, wie es ihm mö gl ich war. »Was ...?« stott ert e Gediman und st arrte auf den Rücken der Spezies. »Dort .« Wren deutete auf die Knospen auf beiden Seiten des Rückgr at s. »Diese vier St ellen dort. Genau dort , wo die Dorsal hörner sein sollt en.« Nun entdeckt e Gediman sie auch. Er runzelt e die St irn. »Glauben Sie et wa, daß sie beginnt, Abnormit ät en zu entwi ckeln?« Wren schüt telte den Kop f. »Wir beobachten sie. Es könnte der Beginn eines embryonalen Versagens sein.« »O nein ...«, seufzte Gediman. »Sehen wir nicht gl eich schwarz. Wenn wir Glück haben, handelt es sich ledi gli ch um ein rudimentäres Wachst um. Dann könnten wir sie sp äter entfernen.« Gediman sah ent täuscht aus. Sein Enthusiasmus war verflogen. Wren klopft e ihm auf die Schult er. »Dennoch ist es immer noch jeder anderen Spezies, die wir bis jetzt gezüchtet haben, weit überlegen. Ich bin vol ler Hoffnung, und das sollten Sie auch sein.« Sein Assistent raffte sich zu einem Lächeln auf. »Ja, wir sind weit gekommen, und es geht ihr so gut . Ich hoff e, Sie haben recht , Dr. Wren.« Das hoffe ich auch, dachte Wren und betrachtete die Sp ezies. Er hoffte nur, daß M utt er Nat ur sich nicht wieder einen kleinen Scherz auf seine Kosten erlaubt hat te. Einen M onat später standen Wren und Gediman erneut vor einem Brut kasten. Dieser war jedoch erheblich größer, üb er zwei M eter hoch und 17
einen M et er breit. Das kindliche Wesen, d as in dem alten Brutkasten wie ein Korken herumgeschwommen war, war gewachsen und gedi ehen. Jet zt füllt e es seine neue Kam mer fast gänzli ch aus. Die Atmosp häre im Labor war von höchster Erwartung ge prägt. Wren fi el auf, wie oft seine M it arbeit er an d en Brut kasten trat en und ihre eigene Leist ung b estaunten. So viel aus so wenig. Alte Blutproben. Ein paar Gewebeteile aus dem Knochenmark, der Milz, der Rückenmarksflüssigkeit. Verstreute, beschäd igte DNA. Und aus all dem - das hier. Das Wesen drehte sich. Sein schulterlanges braunes Haar schwebte um das Gesicht herum und verdeckte einen Teil der attrakt iven, erkennbar menschlichen Züge. Die Hand war zu einer Faust geballt. Jetzt öffnete sie sich. Die Augen hint er den geschlossenen Lidern bewegten sich. Träumte es? Was für Träume mochten das sein? Und vor allem, wessen Träume? Wren warf einen Blick auf di e Inkubatordaten. Der erst e Bildschirm zeigte das EKG des Wesens. Der Herzschlag war gleich mäßi g und rhyt hmisch, der Sinus -A Rythmus vollkommen normal. Gut, sehr gut. Er schaute auf den zweiten Schirm. Während der erste die Daten für die erwachsene weiblich e Spezies zeigt e - das Wort >WIRT< leuchtete in großen Buchstaben auf - erschienen auf dem zweit en die Daten für einen sogenannt en >GASTKinlo chVehrenbergVor dem Öffnen der Tür müssen die Wachen informiert werden.< Darunter stand der gleiche Satz in sechs anderen Sprach en, auch in Arabisch und Japanisch. Sie wußte, daß es sich um diese Sprachen handelt e, weil sie d ie Sätze lesen konnte. S ie fragte sich nicht, warum sie diese Sprachen verstand, genausowenig wie sie sich fragte, warum sie atmen, denken oder töten konnte. Sie konnte es ein fach. Kinloch hi elt eine weitere Zeichnung hoch. »BOOT.« Sie fragte sich, ob seine Kno chen woh l ebenso zerbrechlich waren wie die des Mannes hinter der Glasscheibe, der Mann, der mit den Roboterarmen an ihr gearbeitet hatte. Dieser Gedanke amüsierte sie immerhin etwas, während er immer wieder das Wort buchstabierte. Als er es zum fiinften Mal tat, reichte es ihr. »Boot«, murmelte sie entnervt . Das Gesicht des Mannes leuchtete derart begeistert auf, daß sie es sofort bedauerte. Er zeigte ihr noch ein Bild. Dieses Mal sagte sie das Wort sofort, nur um d er ewig g lei chen Prozedur zu entgehen. »Hund.« Die Zeichnungen waren alle mit bestimmten Assoziationen in ihrem Kopf verbunden, aber keine löste irgendwelche best imm ten Erinnerungen aus. Die Dinge hatten eben Namen, einfache Namen, die sie kannte. Die Übung war sinnlos. Sie blickte auf den Stapel von Zeichnungen, die neben Kinloch lagen und hätte fast aufg estöhnt. 41
Der Stapel war noch sehr hoch. * General M art in Allah andro Car los Perez stand mit verschränk ten Armen im Labor und starrte auf die M onitore, auf denen die Testergebnisse dieser Frau angezeigt wurden. Er war sich nicht ganz sicher, ob er der Sache zustimmen sollte. Schließlich hatte es niemals zum ursp rünglichen Plan gehört, den Wirt am Leben zu erhalten, nachdem der Gast ent nommen worden war. Nachdem die beiden Sold at en Distep hano und Calabrese und die beiden Wissenschaftler nach dem Angriff auf Wren ihren Bericht abgegeben hatt en, hatte der General die beiden Ärzte sofort zu sich beordert, um ihnen ordent lich den Kopf zu waschen. Aber auch wenn die beiden genau wie er zum M ilitär gehörten, so waren sie do ch kein e So ldat en. Trotz ihrer militärischen Ausbildun g blieben sie immer Ärzte. Obwohl die Wissenschaft die gleiche gewissenhaft e Disziplin verlangte wie der M ilitärdienst , so handelte es sich bei den Ärzten historisch gesehen jedoch st et s um die am weni gst en konventionell denkenden Soldat en. St ändi g mißachteten sie Befehle und sorgten im Dienst für Probleme. Perez kannte den Grund: M ediziner fühlten sich in erster Lini e dem Wissen verpflichtet, der wahre So ldat hingegen seinem Kommandant en und seiner Einheit sowie den Zwillings göt tern Diszip lin und Ordnung. Wissenschaft und militärische Notwendigkeiten waren oft unvereinbar e Herren, und dieser Wirt - diese Frau - war der lebende Beweis dafür. Sie h at te aus nächst er Nähe eine voll e Ladung abb ekomm en und war lediglich kurz bet äubt . Was zum Teufel ist sie? Und was zum Teufel wollen diese beiden mit ihr anstellen? Eines wußte Perez genau. Daß sie auf seinem Schiff bli eb, gef iel ihm ganz und gar nicht. Es gef iel ihm kein bißchen. 42
Die beiden Wissenschaftler waren bemüht, ihn zu besänft igen, nachdem sie hat ten zugeben müssen, daß sie das Leb en des Wirts erhalt en hatten, ohne ihn offiziell von ihrer Absicht zu unterricht en, geschweige denn ihn um seine Erlaubnis zu bitt en. Sie schwirrt en um ihn herum wie zwei nervöse M ott en. Dabei fiel ihm ein, daß man heut e in den Lagerräu men der M esse Getreidemotten gefunden hatte. Er runzelt e die Stirn. Wie d iese zähen kleinen Bastarde den M anipulationsprozeß überst anden hatten, war ihm ein Rätsel. »So et was hat es noch nicht gegeben«, sagt e Wren, während die Frau gelangweilt die Bilder auf den Kart en identifizierte. »Genau!« p lapp erte Wrens Schoßhündchen Gedim an ihm nach. »Sie verh ält sich den Kriterien eines Erwachsenen entsp rechend.« Die beiden Wissenschaft ler t auschten Blicke aus, als stünden sie in t elepathischem Kont akt . »Und ihr Gedächt nis?« fragt e Perez skeptisch. Erneut sahen sie sich an. »Es gibt Lücken«, räumte Wren schließlich zögernd ein. »Und es herrscht eine gewisse ko gnit ive Dissonanz.« Perez fragt e sich, ob Wren das wirklich wußt e, oder ob er nur riet. Vielleicht machte sie ihm ja et was vor. M it ihren unp rovo zierten Attacken hatte sie die Wissenschaftler schon zweimal überrascht - wenn man den Angriff eines Raubtiers überh aup t unprovoziert nennen konnte. Zu was war sie noch fähig? Perez war für jeden M enschen auf seinem Schiff verant wort lich, selbst für diese beiden verdammt en Narren. Konnte er verantwort en, daß dieses ... dieses ... Was zum Teufel ist sie denn eigent lich? Konnte er es wagen, sie am Leben zu lassen und möglicherweise jeden in Gefahr zu bringen, nur weil d iese beiden großen Kinder ein bißchen Onkel Dokt or mit ihr sp ielen konnten? Perez' offensichtlicher M angel an Begeisterung machte Wren 43
nervös. Er wischte einen Fleck vom Bi ldschirm, auf dem Kinloch gerade das Bild einer rotbraunen Katze hochhielt. Sie betrachtete es und wandte dann stirnrunzelnd den Blick ab, als denke sie über etwas nach. Das ist interessant, dacht e Perez. Waru m ger ade bei diesem Bild? »Das t urnt sie ab!« rief Gedim an. Wren st arrte ihn mißbilligend an. Perez wußte, daß er für diese Art von unprofessioneller subjek tiver Sp rache keinerlei Ver ständnis hatte. Amüsiert beobachtete er, wie ihre Allianz bröckelte. Keine Disziplin. Keine Loyalität. Kein Ziel. Nur Neugier. Aber zuviel Neugier kann tödlich enden. »Es hat konnektive Schwierigkeiten. Es handelt sich primär um einen schwach aus gep rägt en emot ionalen Autismus. Gewisse Reaktionen ...« Perez schaltete ab. Wren erinnerte ihn manchmal an ein en Polit iker. Seine Worte mocht en kompliziert er klingen, waren aber genau so leer. Er richt et e seinen Blick auf die Frau. Was immer sie auch noch sein mo cht e, eine Frau war sie. Zumindest äußerlich. Wrens Versuche, das zu leugnen, gefielen ihm nicht. Ob sie nun beschlossen, sie zu t erminieren oder ni cht , sie mit einem Haufen med izinischer Fachwört er zu belegen, würde ihre Individualit ät und ihren Überlebenswillen nicht auslöschen. Der Wissenschaft ler, der bei Ripley saß, legte das Kat zenbild schließlich beiseit e und versuchte es mit einem neuen. Es handelte sich um eine einfache Zeichnung, di e ein blondes M ädchen darstellte. Der Körper der gefesselt en Frau verst eifte sich plötzlich. Der gelan gweilt e Ausdruck auf ihrem Gesicht verschwand, sie sah mit einemmal aus gesprochen auf merksam aus. M it sicht licher Verblüffun g starrt e sie auf das Bild. Dann entspannte sich ihre Stirn, und ihre Augen bekamen einen weichen Glanz. Einen Augenbl ick lang sah es aus, als würde sie weinen. In di esem 44
M oment zeigt e sie zum erstenmal etwas zutiefst M enschliches. Selbst Kinloch schien berührt und saß schweigend da, drängte sie nicht, das Wort zu buchst abieren, das er hören wollt e. Eine Zeit lan g schwiegen alle. Die Zeichnung des Mädchens tauchte vor ihren Augen auf. Sofort bäumte sich ihr Körper in den Fesseln auf. Ihr Kind! Ihr Junges! Nein, nicht ihres ... Doch, meins, mein Junges! Das Bild bedeutete gleichzeitig alles und nichts. In ihrem Kopf schwirrten chaotische, konfuse Szenen und Erinnerungen umher, die sie nicht en twirren konnte. Die dampfende Wärme des Horts. Die Stärke und die Sicher heit ihrer eigenen Art. Die Einsamkeit des einzeln en. Und die unstillbare Sehnsucht ... Kleine, starke Arme, die si ch um ihren Hals klammerten, kleine, starke Beine, die sich um ihre Hüfte schlangen. Es herrschte Chaos, und dieses Chaos war sie. Die Soldaten starben schreiend. Feu er. Ich wußte, daß du kommen würdest. Eine Wel le des Schmerzes über einen unwied erbringlich en Verlust schwappte über sie. Ihre Augen füll ten sich mit Flüssig keit, bis sie nichts mehr sehen konnte, leerten sich und füllten sich erneut. Es bedeutete nichts - und alles. Mami! Mami! Sie suchte nach einer Verbindung zu ihrer eigenen Art, sie suchte die Stärke und d ie S icherheit des Horts, doch sie fand sie nicht. Sta tt dessen nich ts als Schmerz, das entsetzliche Gefühl von Verlust. Sie war hohl, leer. Wie nie zuvor. Sie sah den Arzt an, der das Bild hielt, und hätte ihm gerne di e Frage gestellt, die si e den anderen schon gestellt hatte. Die Frage, von der sie wußte, daß sie sie n icht b eantworten wollt en. Warum? Eines Tages würde sie die Antwort bekommen. Wenn nicht hier und jetzt, dann bald. 45
Während die Echos der Stimme ihres Jungen durch ihren Kopf hallten, beschloß sie, die Antwort zu finden. Sie würde sie von ihnen bekommen. Trotz ihrer Gewehre, trotz ihrer Fesseln. Sie würde sie sich n ehmen. Mit Gewalt. Perez sah, wie die Frau auf dem Videoschirm mit den Tränen zu kämpfen schien. Er wunderte sich. Sie erinnert sich an das Kind, das kleine Mädchen, das si e gerettet hat. Wi e ist das möglich? »Aber es kann sich offenb ar erinnern«, murmelt e er Wren zu und übernahm unwillkürli ch die Wort wahl des Wissenschaftlers. Er sah dem Arzt ins Gesicht. »Warum?« Wren schien selbst überrascht . Er konnte es nicht verbergen. Er wandte sein en Bl ick vom Bildschirm ab und versucht e sich an einer Erk lärung. »Nun, ich würde sagen ... kollekt ives Gedächtnis. Über Generationen hinweg von den Aliens auf gen et ischer Eb ene weitergereicht. Fast wie eine ho chentwickelte Form des Instinkts. Vielleicht handelt es sich um einen Überleb ensmechanismus, der sie vereint und die Sp ezies erhalten soll, egal welche unterschiedlichen M erkmale sie von ihr en jeweil igen Wirten mitbekommen haben.« Er rang sich ein Lächeln ab. »Ein unerwart et er Vorteil des genetischen Drifts.« Für wie blöd häl t er mich eigent lich? Perez sah dem Arzt so lange in die Augen, bis dieser den Bli ck ab wandt e. Der General schnaubt e ver ächtlich. »Ein Vort ei l ...?« Noch einmal sah er zu der Frau hinüber, sah den gequälten Ausdruck auf ihrem Gesi cht . Ich habe genug gesehen. Er drehte sich auf dem Absat z um und verließ d en Raum. Die beiden Ärzte folgt en ihm so gleich. Sie l iefen hint er ihm den Flur hinab und versuchten ihn umzustimmen, auf ihre Seite 46
zu ziehen. »Sie denken doch n icht etwa an Terminierung?« fragte Gedi man än gstlich. »Und ob ich an Terminierun g denke!« platzt e Perez heraus. Es machte ihm dieb ischen Sp aß, Gedimans entsetztes Gesicht zu sehen. Wren versucht e sich einzuschalten, versuchte seinen St at us als leitender Wissenschaftler in di e Waagschale zu werfen. »Wir halten das ni cht für ein Problem. Der Wirt ... es ...« Perez blieb stehen und sah Wr en mit ten ins Gesicht. Er trat dicht an ihn heran, so daß sich die beid en M änner Fuß an Fuß gegenüberstanden. »Ellen Ripley ist bei dem Ver such gestorben, diese Sp ezies zu vernichten, und nach allem, was wir wissen, ist es ihr gelun gen.« Er st ieß mit dem Fin ger gegen Wrens Brust. »Ich bin nicht scharf darauf zu erleb en, wie sie ihr e alten Hobbys wieder aufnimmt .« Besonders dann nicht, wenn sie über den unerwarteten Vorteil des >genetischen Drifts< verfügt! Gediman h ielt es für nötig, sich in dieses M ännergesp räch einzumischen. Grinsend glu ckste er: »Wüßte nicht , auf welche Seite sie sich schlägt, wenn es zum Kampf kommen sollte.« Perez wirbelte herum. »Und dieser Gedanke scheint Si e zu beruhigen?« fuhr er Gediman an. Der Wissenschaftler t rat zwei Schritt e zurück und grinste nicht mehr. Perez gin g weiter. Die beiden anderen folgten ihm dicht auf den Fersen, murmelnd und vertrauliche Blicke austauschend wie zwei Schuljun gen, die einen Blick in die M ädchendusche erhäschen wollen. Perez är gerte sich. Es gab so viele andere Dinge, die wichti ger war en. Hatten sie ihre Ziele denn völli g ver gessen? Den Grund für di eses Projekt? Schütze mich vor den Wissenschaftlern! dachte er. Sie schaff en es nicht, diese Station frei von Insekten zu halten, aber es macht ihnen Spaß, Zeit und Geld an das einzige Wesen zu verschwen den, das dieses ganze Projekt gefährden könnte. 47
Schließlich blieb er vor einer Si cherheit st ür st ehen. Er gab einen Code ein und wartete, während der Computer ihn verarbeitete. Der Atemanalysator schob sich heran. Perez haucht e in den Schlauch. Der Co mputer analysierte nicht nur die verschiedenen M oleküle seines At ems und ident ifizierte ihn danach, die Retinalanalyse zeigte auch an, ob jemand Alkohol oder Drogen zu sich genommen hatt e. Dann wurde der Eint ritt verweigert, selbst wenn alle and eren Daten stimmten. Verär gert hörte er, wie die Ärzte hinter ihm tuschelt en. Trotz seiner schlechten Laune schienen sie ziemlich opt imistisch, als wüßten sie, daß er schl ießl ich doch nachgeben würde, unt er welchen Vorbehalten auch immer. Er wartete, bis die Türen sich geöffnet hatten, und erlaubte den beiden Ärzten dann den Eint ritt in die innere Beobachtungsst at ion. In der kleinen Zelle war es dunkel und unnatürlich ruhig. Sofort schwiegen auch die M änner, als verlange dieser Ort nach Stille. Zwei bewaffnete Posten standen schußbereit zu beiden Seiten ein es großen Beobachtungsfensters. Der General schien die beiden Soldaten nicht einmal zu regist rieren, gab ihnen auch nicht den Bef ehl zum Rühren. Solange sie auf dieser Station Wach e hielten, gab es diesen Befehl nicht. Nicht hier. Perez t rat an das Sicht fenst er heran. Er blickte in ein e weit ere Kammer, die noch dunkler war, und wart et e, bis sich seine Augen an das Dämmer licht gewöhnt hat ten. »Eines will ich klarst ellen«, sagte er schließlich leise zu den Ärzten. »Sie sieht mich einmal komisch an, und ich schicke sie schlafen. So wie ich es sehe, ist Nummer acht ein Neb enp rodukt aus Fleisch und Blut.« Es ärgerte ihn schon, ihnen auch nur soviel einzugestehen, weil er wußte, daß sie es als p ersönlichen Sieg betrachten würden. Aber nur, weil sie n icht verst anden, wie er dacht e. Es spielte keine Rolle, wie lan ge Ripley an Bord seines Schiffes lebte, wenn si e einmal die von ihm gezogene Linie überschrit t, würden ihr keine Gnadengesuche ihres Fanclubs mehr helfen. Er würde al les t un, um dieses Projekt zu 48
einem Erfolg zu machen, und er würde nicht zulassen, daß eine Frau das alles zunicht e machte. Perez sah, wie sich et was in der inneren Kam mer bewegt e und zog seine Augen zu Schlit zen zusammen. Er lächelt e verh alt en. »Diese Dame hi er bringt's.« O Ripley, wenn du jetzt dein kleines Mädchen sehen könntest. Die Schatten bewegten sich und k amen näher an die Scheib e heran. »Wie l an ge dauert es noch, bis sie sich vermehrt?« fragt e Perez die Wissenschaftler. »Nur ein paar Tage noch«, sagt e Wren gen au so leise wie der General. » Vielleicht weniger.« Er senkt e die St imme noch mehr. »Wir brauchen bald d ie Ladung ...« »Sie ist unterwegs«, sagt e d er General barsch, entset zt darüber, daß Wren dieses Thema vor d en wachhabenden Soldaten erwähnt hatte. Wußt e der M ann nicht einmal, was >geheim< hieß? Hatt e er denn überhaupt keinen Verst and? Er blinzelt und versuchte, in der dunk len Kammer etwas auszumachen, den wahren Lohn ihrer Arbeit. Da! Da war sie! Ja, das ist mein Mädchen! Und dann bewegte sie sich in d as Li cht , so daß man sie gerad e eben erkennen konnte, ein Schatten aus einem Alptraum: Regina horribilis - die Alien-Königin. * Immer wieder prüfte sie den Raum, der sie gefangenhielt, aber hier gab es nichts, das nachgab, keine Mög lichkeit zu entkom men. Die Wände waren unnatürlich glatt. Ein e Wand war transparent und erlaubte ihr hinauszusehen, doch ihr Bl ick fiel nur auf einen Raum, der dem ihren ähnelte. Auf d er anderen Seite der transparenten Wand standen zwei Menschen mit ihren schmerzbringenden Apparaturen. Sie gaben nie ein Geräusch von sich, sahen sie nie an, sondern standen bloß da. 49
In regelmäßigen Abständen wurden sie von zwei anderen abgelöst, die ihnen so ähnlich sahen, daß sie keinen Unterschied erkennen konnte. Ihren Geruch konnte si e durch die transparen te Wand nicht wahrnehmen, auch wenn durch den Schacht des Luftversorgungssystems andere Gerüche zu ihr hereindrangen. Jetzt standen drei andere Menschen vor der transparenten Wand. Zwei davon erkannte sie. Sie waren bei ihrer bizarren Geburt dabeigewesen. Sie ha tte das Gefühl, daß sie für d iese Geburt verantwortlich waren - und auch dafür, daß sie jetzt hier festsaß. Erneut prüfte sie ihre Umgebung, doch die Menschen, die si e beobachteten, bemerkten es nicht, wußten nicht, was sie tat, auch wenn sie nur ein paar Schritte von ihr entfernt standen. Auch die beiden Wachen bemerkten n ie etwas. Sie waren dumpf, diese Menschen. Dumpf, verweichlicht und langsam. Aber sie waren in der Lage, Vorrichtungen zu bauen, mit denen sie ihre Nachteile kompensieren konnten. Wie die Vorrichtung, die sie jetzt umschloß. Sie tat ni cht weh, war ab er stärker, als sie wirkte. Nachdem si e einmal darin saß, konnte sie nicht w ieder aufstehen. Sie konnte nicht einmal ihre Arme befreien. Wenn sie darin eingesperrt war, konnten diese Menschen sie überall hinbringen und mit ihr machen, was sie wollten. Und sie konnte nur dasitzen und warten. Aber sie konnte gu t warten. Besser, davon war sie überzeugt, als diese Menschen. Einer der Menschen sprach mit den anderen. Mehr schienen sie nicht zu machen, sie standen nur herum, sahen sie an und redeten. Sie verstand si e nicht, aber das war auch nicht nötig. Sie wußt e, daß die Koloni e ihnen schon früher entgegengetreten war. Es hatte Siege gegeben, und Nied erlagen. Bald würde es wieder einen Sieg geben. Sie konnte wart en. Das konnte sie sogar sehr gut, auch wenn sie sich augenblick lich zu Tode langweilt e. Auf der Uniform eines der Beobachter stand >PerezWren< und >GedimanVor dem Öffnen der Tür müssen die Wachen informiert werden.< Darunter stand der gleiche Satz in sechs anderen Sprachen, darunter in Arabisch und Japanisch. Sie wußte, daß es sich um diese Sprachen handelte, weil sie die Sätze lesen konnte. Sie fragte sich nicht, warum sie diese Sprachen verstand, genausowenig wie sie sich fragte, warum sie atmen, denken oder töten konnte. Sie konnte es einfach. Die Menschen sprachen weiter mit einander. Sie fragt e sich, ob ihre Knochen so zerbrechlich waren wi e di e des Mannes, der sie von ihrem Wirt befreit hatte. Sie fragte sich, ob ihr Blut wohl so warm war wie das ihres Wirtes, genauso süß schmeckte und genauso spritzte, wenn die Knochen auseinandergerissen wurden. Diese Gedanken vertrieben ihr etwas die Langeweile. Bald war es an der Zeit, sich zu vermehren. Dann würde dieses winzige Gefängnis zu klein sein, um ihre großartige Legeröhre zu beherbergen, zu klein für ihre zahlreiche Brut. Zu klein, zu kalt, zu feindli ch. Sie sehnte sich nach der dampfenden Wärme des Horts. Nach der Stärke und der Sicherheit ihrer eigenen Art. Die Einsamkeit ihres besonderen W esens lastete au f ihr. Und diese unstillbare Sehnsucht, sich zu vermehren. Bald würde es genügend Krieger g eben, die sie beschützt en und den perfekten Hort für sie bauten. Und di ese M enschen, diese bedauernswerten weichen Mensch en, würden ihren Jungen als Nahrung d ienen, als W irte der neuen Brut. Es würde so kommen. Aber da waren diese Erinnerungen. An unerwartetes, plötzliches Chaos. Krieger, die schreiend starben. Und Feuer. Und ein Mensch, der standhaft blieb und ihr eigen es Junges im Arm hiel t. Sie hat te Tod und Zerstörung über den Hort gebracht. Sie blinzel te verwirrt. In ihrem Kopf wirbelten Fragment e von 51
Erinnerungen und Instinkten herum, die sie nicht einordnen konnte. Der alles durchdringende Schmerz des Verlustes, eines unwiederbringli chen, betäubenden Verlust es strömte durch ihren Körper. Er bedeutete nichts und alles. Sie suchte nach der Verbindung zu ihrer eigenen Art, sucht e nach der Kraft und der Sicherheit des Horts, aber sie fand sie nicht. Statt dessen empfand sie ni chts als diesen Schmerz über einen furchtbaren Verlust. Sie war hohl. Leer. Aber das würde nicht immer so bleiben. Ihr Körper wußte es. Es würde einen neuen Hort geben. Es gab immer einen neuen Hort. Sie würde ihn selbst bauen. Sie und ihre Kinder. Trotz ihrer Gewehre, trotz ihrer Fesseln würden diese M enschen ihnen zum Opfer fallen. Sie würden sie ernähren und ihre Jungen gebären. Si e würde diesen Ort mit Gewa lt einnehmen. Wie sie es immer getan hatte und immer tun würde. Unsere strukturelle Perfektion wird nur noch von unserer Feindsel igkeit übertroffen. Selbst die Menschen bewundern unsere Reinh eit. Wir sind Überlebende, die sich weder durch Bewußtsein, Gewissen oder moralische Il lusionen b ehindern lassen. Wir sind perfekte Organismen ...
4.
Gediman saß mit Rip ley an einem Tisch in der M esse, aller dings ein p aar Stühle von ihr ent fernt. Er wollte ihr Plat z zum Atmen lassen, au ch wenn es nur eine Gest e war, di e Privatsphä re erset zen sollte. In der Kombination aus M esse und Erholungs raum war alles still; sie waren die beiden einzigen Gäste, die jetzt dort aßen. Nat ürlich standen auch hier zwei Wacht post en bei der Tür, aber sie gehörten so untrennbar zum Invent ar der 52
Auriga, daß Gediman sie kaum noch wahrnahm; Rip ley wahr scheinlich auch n icht mehr. Sie war noch imm er gefesselt, aber in den letzten Tagen hatt e man die Bänder gelockert , um ihr etwas mehr Bewegung zu verschaffen. Seit sie das Bild von dem kleinen M ädchen gesehen hatte, war sie seltsam passiv und nachdenklich gewor den. Sie hatte sich keiner M aßnahme widerset zt und auch keine Tendenz zur Gewalttätigkeit mehr gezeigt. Wren gl aubt e, daß durch das Bild des Band es Erinnerungen aus gelöst worden waren, die einen Teil ihr er alt en Persönlichk eit zurückgebracht hatten. Sie ist immerhin Schiffsoffizier gewesen, hatt e Wren gesagt. Sie weiß, wie m an gehorcht, wie man Befeh len folgt. Gediman hatt e seine Zweifel. Die gelockerten Fesseln er laubt en es ihr zum erst enmal, ohn e fremde Hilf e zu essen. Gediman war zufrieden. Zwangsfütt erung war eine unangenehme Sach e, und er hatte befürchtet, daß sie d abei nicht genügend Nährstoffe zu sich nehmen würde. Aber jet zt, da sie die Gelegenheit hatte, selbst zu essen, schien es sie nicht sonderlich zu interessieren. Sie hatte nach ein paar Löffeln an gef an gen, d ie M ahlzeit auf dem Teller herumzuschieben. Es handelte sich um di e typische Schiffsnah rung, so oft verarbeitet, getrocknet und wieder verarb eit et , daß sie echt em Essen kaum noch ähnelt e. Dennoch hätte sie mehr Appetit haben sollen. Gediman befürcht et e, daß Ripley unter Depressionen litt , aber Wren hatte seine Sor gen abgetan. Gediman hat te sein Frühstück schon fast beendet , als ihm auffiel, wie genau sie ihr Besteck, vor allem das M esser betrach tete, das sie offenbar erheblich mehr interessiert e als ihr Essen. Er wischte sich den M und ab. »M esser«, sagte er freundlich. Er wollt e unbedingt eine Beziehun g zu ihr aufbauen, wollt e sich mit ihr aust auschen. Dann fand er vielleicht heraus, was in 53
ihrem Kop f vorgin g, dem einzigen Teil ihres Körpers, über den sie nicht genau Bescheid wußten. Woran erinnerte sie sich? Was wußte sie? Gediman wollt e es unbed ingt wissen. Ripley sah mit zusammengekniffen en Augen zu ihm herüber. Direkten Augenkont akt vermied sie stets. Leise wiederholte sie das Wort , wenn auch nicht ganz korrekt : »Pisser.« Gediman war froh, daß sie allein waren, die Sache hätt e sonst peinlich sein können. »M esser«, korrigiert e er nachsicht ig. Ihre M iene verändert e sich. Fast schien es, als habe er ein Lächeln gesehen, aber schon war es verschwunden. Dann überrascht e sie ihn mit einer Frage: »Wi e habt ihr ...?« Es schien ihr derart schwerzufallen, d ie Worte auszusprechen, daß er den Sat z für sie zu Ende führte: »... mich bekommen? Harte Arbeit. Blutproben, Gewebeproben. Wir haben sie von Fiorina 161. Sie l agen auf Eis, auf der Krankenst at ion.« Eine einfache Erk lärung für ein en sehr kompliziert en Job. Ein e solche Arbeit war noch nie geleistet worden. Die Proben waren in ausreichender M enge vorhand en, und es gab auch genügend Zellen, aber d ie DNS war ein einziges Chaos. Und dann hat ten sie zu ihrer Verblüffung festgest ellt , daß das Embry o-Alien, das Ripleys Körper schon infiziert hatte, als die Blut und Zellp roben entnommen worden waren, seine Invasion noch weiter fortge set zt hat te. Wie ein Virus hat te der Embryo die lebenden Zellen seines Wirt s befallen, jed e einzelne, und sie gezwungen, sich seinen Bedürfnissen nach Wachst um und Entwicklung anzup as sen. Ein wahrer M eilenstein der Evolution durch Anpassung. Auf diese Weise wurde gar antiert, daß jeder wie auch immer geartete Wirt all das bereit hielt, was der sich entwickelnde Embryo braucht e, selbst wenn der Körp er des Wirts eigentlich nicht geei gnet war. Nur weil Alien- DNS in das von Rip ley ein gedrungen war, war es ihnen möglich gewesen, si e zusammen mit dem Embry o zu inkubieren. Aber leicht war es nicht gewesen. Sie hatten die 54
DNS bis hinunter zur RNS aufschlüsseln müssen, hatt en sie rekonstruieren müssen, damit sie wieder funktioniert e ... es war harte Arbeit , unglaubl ich schwere und frustrierende Arbeit , und sie hatt e Jahre gedauert. Aber nun saß sie da, wie jedes andere menschl iche Wesen und aß wie ein menschl iches Wesen. Und ihr schreckliches Kind, das jetzt ... »Fiorina 161 ...«, sagt e Rip ley leise, als wende sie das Wort in ihrem M und und prüfe seinen Geschmack. »Fury ...?« »Läutet da eine Glocke?« fragte Gediman aufgeregt. Wenn sie doch nur mit ihm red en würde. »Woran erinnern Sie sich?« Sie beant wortete die Frage nicht, sondern bedachte ihn nur erneut mit diesem seitlichen Bl ick. »... Wächst ... >es