H. G. Francis
Band 11
Die Stunde der Mutanten Im August 1992 zeichnet sich das
mächtigen Gegner zu bekämpfen,
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H. G. Francis
Band 11
Die Stunde der Mutanten Im August 1992 zeichnet sich das
mächtigen Gegner zu bekämpfen,
endgültige Ende der Erde ab. Der
die
orathonische Energieschild im All
Energieblase und die Semibioten?
widersteht
Die
allen
Durchbruchs-
die
Erde
bedrohen
Energieblase
schließt
-
die
sich
versuchen. Gibt es keine Macht, die
immer schneller. Sobald sie die
die tödliche „Blase" sprengen kann?
äußersten
Die Orathonen sind die Herren über
Systems
die Energiewand. Sie konnten den
Untergang.
grünhäutigen
Die
herausholen.
Sigam Doch
Agelon
hinter
von
Planeten erreicht,
den
des beginnt
Orathonen
Terrader
ange-
ihm
pflanzten Semibioten wuchern wie
schloß sich die Lücke wieder. Jakto
ein Krebsgeschwür. Sie werden
Javan bildet Spezialeinheiten. Er
alles Leben auf der Erde erstickt
setzt gigantische Mittel ein. Alles mit
haben, noch bevor die Energieblase
dem Ziel, die kosmische Falle zu
das Terra-System zertrümmert hat.
zerschlagen. Sein Verhältnis zu Rex
Jetzt müssen die Laktonen der Erde
Corda hat sich geändert, seitdem
helfen,
der Präsident der Erde ihn aus der
untergehen wollen. Sie nehmen den
tödlichen
Umklammerung
der
Kampf gegen die Semibioten auf,
Semibioten
riß.
bleibt
während Rex Corda nunmehr nach
Corda ein Barbar für Jakto Javan.
Kräften sucht, mit denen er die
Was kann dieser Barbar tun, um die
Energiewand
Erde zu retten? Hat er überhaupt
Seine Suche führt ihn zu einem
eine
Sterbenden . . .
Dennoch
Möglichkeit,
die
beiden
wenn
sie
nicht
zerschlagen
selbst
kann.
Die wichtigsten Personen: Rex Corda . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Präsident der Vereinigten Staaten Sigam Agelon . . . . . . . Oberbefehlshaber der orathonischen Streitkräfte Bekoval und Percip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Laktonen
Die schwarzen Nadeln schossen wie gierige Pfeile auf ihn zu. Von allen Seiten. Rasend in seiner Todesangst, schnellte er immer wieder herum. Immer wieder fand er eine winzige Lücke, um seinen schlanken, geschmeidigen Leib in Sicherheit zu bringen. Die kleine Falte auf seiner massigen Stirn zuckte hektisch. Die schrillen Pfiffe eilten als erschütternder Hilferuf über das unmäßig wuchernde Gebilde. Wie ein häßliches Krebsgeschwür schob sich das stachelige Gebilde auf ihn zu. Er fühlte die fremdartige Ausstrahlung, drohend und dumpf. Seine Gedanken wirbelten durcheinander. Vergeblich suchte er nach einer Möglichkeit, sich zu retten. Es gab aber keine. Er versuchte erneut, einen Überblick zu bekommen, indem er sich hoch über die Wellen hinausschnellte. Wild sah er sich um, bevor er wieder in die Tiefe sank. Wohin er auch blickte, sah er die schwarzen Stacheln aus den Wellen wachsen. Meterhohe Berge unerhört scharfer Pfeile schlossen ihn ein. Matt verharrte er auf der Stelle. Seine Schreie verstummten. Er wollte es nicht glauben. Da — ein schriller Pfiff. Er schnitt durch das häßliche Gebilde des wuchernden Semibioten, der von den Fremden gepflanzt worden war. Der Delphin erzitterte vor Freude. Jähe Hoffnung wallte in ihm auf. Er warf sich herum und versuchte, etwas in der Richtung zu erkennen, aus der der Ruf gekommen war. In diesem Augenblick hob sich ihm das Nadelbett entgegen. Das Krebsgeschwür streckte seine nadelscharfen Arme nach ihm aus. Minuten später hob die wachsende Kolonie den ermordeten Delphin auf
gnadenlosen Armen über die Wellen hinaus. Hätte er noch sehen können, so hätte er nur Berge aus stacheligen Gebilden gesehen. Semibioten — die sich gierig durch den Ozean fraßen. * Leutnant Baker strich sich nervös über den linken Arm, als er den hochgewachsenen Mann aus der Schleuse des gigantischen Raumschiffes kommen sah. Mehrere auffällig breitschultrige Männer, die erst vor wenigen Augenblicken in eleganten Sonnengleitern gelandet waren, nahmen den Mann sofort zwischen sich und schirmten ihn aufmerksam ab. Leutnant Baker gab sich einen Ruck. Er setzte sich in Bewegung, eilte auf den metallgrauen Gleiter zu. Schlagartig erstarrten die Männer. Ihre Augen verengten sich mißtrauisch, und ihre Hände legten sich auf die Hüften. Der Leutnant in der roten Uniform der Mutantenpolizei blieb unsicher stehen. Er lächelte verzerrt. „Entschuldigen Sie bitte, Sir. Darf ich Sie einen Augenblick sprechen?" rief er über die Köpfe der bulligen Männer hinweg. Seine Blicke hingen an dem energischen, intelligenten Gesicht, in dem sich Kraft und Entschlossenheit spiegelten. „Kommen Sie!" Der Offizier warf einen scheuen Blick auf die fünf massigen Roboter, die neben der Schleuse standen. Ihr Anblick erschreckte ihn. Die zylindrischen Körper der Roboter hatten keinen Kopf. Ein Kranz von schimmernden Linsen zog sich um die Oberseite der Metallkörper. Leutnant Baker riß seine Blicke von den Kampfmaschinen. Als er in den Gleiter stieg, sah er nach oben. Die ge-
waltige Masse des Raumschiffes schien über ihm zusammenstürzen zu wollen. Es erschien ihm unvorstellbar, daß die Spitze dieses Raumschiffes wirklich bis in viertausend Meter Höhe emporragen sollte. Baker hob die Arme ein wenig, als die Sicherheitsbeamten ihn hastig nach Waffen abtasteten. „Er ist in Ordnung", rief der große Mann, der bereits in den Polstern des Gleiters saß. „Laßt ihn herein!" Bakers linke Schulter hing ein wenig tiefer als sonst. Das gab ihm ein linkisches, ungeschicktes Aussehen. Aber der Mann in dem Gleiter schien das nicht zu merken. Er lächelte aufmunternd. Leutnant Baker stieg in das Regierungsfahrzeug. „Was führt Sie zu mir?" Baker räusperte sich nervös. Er beugte sich ein wenig vor. „Mr. President", begann er. Doch der Mann ihm gegenüber unterbrach ihn sofort. „Ich bin nur für den Augenblick kommissarischer Führer unserer Nation", erklärte er. „Erst nach den Wahlen wird feststehen, ob ich Präsident der Vereinigten Staaten bin oder nicht. Vorläufig nennen Sie mich bitte nur Mr. Corda." Leutnant Baker richtete sich auf. In seinen Augen leuchtete Überraschung. „Nun — was führt Sie zu mir, Leutnant?" wiederholte Rex Corda. „Sir, ich glaube, ich kann Ihnen helfen, die Energieblase zu durchbrechen", platzte der Leutnant der Mutantenpolizei heraus. Dann biß er sich jedoch auf die Lippen. Er sah zu dem Raumschiff hinüber, das hinter dem startenden Gleiter im Dunst verschwand. „Aber — Sie kommen gerade aus dem Flaggschiff. Vielleicht wissen Sie schon die Lösung?" Es war still geworden im Gleiter. Die
Sicherheitsbeamten, die sich leise unterhalten hatten, verstummten. Überraschte Blicke trafen den Leutnant. „Das sagen Sie bitte noch einmal!" forderte ihn ein jung aussehender Mann auf, der dem Leutnant bisher überhaupt noch nicht aufgefallen war. Das dunkle, gepflegte Haar dieses Mannes reichte bis in den Nacken hinab. Die dunklen Augen lächelten freundlich. „Und machen Sie bitte keine Witze mit uns. Die Situation ist viel zu ernst, als daß wir uns Spaße erlauben könnten! Da Sie die Energieblase erwähnen, nehme ich an, daß Sie wirklich wissen, was mit uns geschieht?" Leutnant Baker atmete einige Male tief durch. Er hatte sich das Gespräch ganz anders vorgestellt. Er hatte auch eine andere Vorstellung von den Männern gehabt, mit denen er jetzt sprach. Seine anfängliche Unsicherheit verlor sich immer mehr. „Dann sind die Laktonen also immer noch nicht weiter?" fragte er. Rex Corda schüttelte den Kopf. „Ich war nicht bei den Laktonen, weil wir eine Lösung des Problems gefunden haben. Wir können die Energieblase nicht durchbrechen. Ich habe den Flottenkommandeur der Laktonen ins Schiff zurückgebracht. Er hatte ein Duell mit einem Orathonen!" Baker hielt überrascht den Atem an. „Und wie ging es aus? Hat der Laktone gewonnen?" „Er hat verloren",.sagte Rex Corda. * Jakto Javan preßte seine linke Hand mit schmerzverzerrtem Gesicht um den rechten Armstumpf. Der Schento gab sich einen Augenblick den Schmerzen hin, nachdem der Terraner Rex Corda ihn verlassen hatte. Die Schwäche dauerte nur wenige Sekunden, dann entspannte sich Jakto Javan wieder.
Seine kühler Augen richteten sich auf den Arzt, der sich jetzt über ihn beugte. Ein Betäubungsmittel zischte unter die Haut des Laktonen. Jakto Javan sprach kein Wort. Seine Blicke glitten von einem Laktonen zum anderen. Außer dem Arzt waren zwei Assistenzärzte, zwei Medo-Robots und vier persönliche Wachen in seinen Privaträumen. Nur die Robotlinsen hielten seinen Blicken stand. Die anderen Männer schlugen die Augen nieder. Jakto Javans Lippen zuckten unmerklich. Seine Niederlage in dem so wichtigen Duell gegen Sigam Agelon, den orathonischen Flottenkommandeur, wog schwerer, als er zunächst befürchtet hatte. Es war nicht nur eine persönliche Niederlage. Es war mehr. Es war unverantwortlich von ihm gewesen, sich Sigam Agelon im Duell zu stellen, nur um den Mord an seinem Sohn zu rächen. Jakto Javan hatte übersehen, daß auch sein Ansehen als Schento in Gefahr gekommen war. Für jeden einzelnen Laktonen im Bereich der Flotte war er, Schento Javan, zugleich Symbol für die Unbesiegbarkeit des göttlichen Schenna. „Beeilen Sie sich!" knurrte der Schento. Der Arzt zuckte zusammen. „Ich kann es mir nicht leisten, meine Zeit zu verschwenden", fuhr Javan mit bebender Stimme fort. „Zuviel Zeit ist schon vertan worden!" Er verstummte, als ihm bewußt wurde, daß er jetzt einen weiteren Fehler gemacht hatte. „Eine vollwertige Ersatzhand verlangt eine Pause von mindestens drei Terra-Tagen!" erklärte der Arzt besorgt. „Dann geben Sie mir solange einen Teilersatz!" forderte der Schento. „Aber schnell!" Der Arzt gab den Medorobotern einen Wink. Es dauerte nur wenige Se-
kunden, bis einer von ihnen eine fleischfarbene Plastikhand auswarf. Der Arzt ergriff sie und verband sie in einer kurzen Operation mit dem Armstumpf. Die Roboter halfen ihm geschickt dabei. Jakto Javan wartete unruhig ab. Er forderte seine Mitarbeiter und Berater an. Minuten nach der Beendigung der Operation erhob er sich vom Operationstisch. Er schwankte etwas, noch leicht benommen von dem Narkotikum. Mit einem knappen Befehl schickte er das Ärzteteam hinaus. Er ließ sich in einen Sessel fallen. Einer seiner Berater reichte ihm etwas zu trinken. Mit kleinen Schlucken trank der Schento. Er hatte sich jetzt wieder völlig in der Gewalt. „Ich habe meine Einstellung zu Corda etwas geändert", sagte er mit leiser Stimme. „Dieser Terraner ist ein interessantes Objekt. Fast bedaure ich es, daß er auf einer so niedrigen Kulturstufe steht. Das schließt eine geistig interessante Verbindung aus." Das Gesicht des Schento versteinerte sich. Er beugte sich leicht vor und versuchte, mit der Plastikhand das Glas zu greifen und zum Munde zu führen. Die künstliche Hand gehorchte den Nervenreflexen noch nicht so, wie er es sich wünschte. Die Hand zitterte. Javan stellte das Glas zurück. Wieder zuckte es in seinen Mundwinkeln. „Ich bedaure es wirklich, daß ich diesen Mann enttäuschen muß. Aber er wird nie ganz nach meinen Wünschen handeln." Der Schento sprang auf. Mit festen, energischen Schritten ging er im Raum auf und ab. Jeder der Anwesenden vergaß, was eben noch gewesen war. Er schien überhaupt keine Kunsthand mehr zu haben. „Wir benötigen einen Mann, der genau nach unseren Wünschen arbeitet. Corda wird immer nur das tun, was er für richtig hält. Also muß er verschwin-
den. Sorgen Sie dafür, daß Corda bei der kommenden Präsidentenwahl einen Gegenkandidaten erhält, der unseren Vorstellungen entspricht." Jakto Javan lächelte dünn. Seine Blicke gingen über seine Mitarbeiter. Er suchte ihre Augen. Er fand Sicherheit und Vertrauen. Es beruhigte ihn. Er wußte, daß sie den kleinen Schock überwunden hatten. Er entließ seine Berater mit einer Kopfbewegung. Als sich die Tür hinter ihnen geschlossen hatte, griff er wieder mit der rechten Hand nach dem Glas. Es fiel ihm nicht wesentlich leichter als zuvor. Er lächelte grimmig. Er dachte an Rex Corda, der ihn rechtzeitig aus dem Hexenkessel der wild wuchernden Semibioten gerettet hatte. Er würde Corda diesen Dienst nicht vergelten können. Die Interessen des Reiches gingen vor. „Schade, Corda, wirklich schade!" * Rex Corda musterte den Leutnant der Mutantenpolizei. Der dunkelhaarige Offizier machte einen sympathischen, vertrauenerweckenden Eindruck. „Wie können Sie uns helfen, Leutnant?" „Da ich der Mutantenpolizei angehöre, habe ich ständigen Kontakt mit den Menschen", begann Baker umständlich. „Wir genießen das Vertrauen des größten Teiles aller lebenden Mutanten, und wir bemühen uns, das Mißtrauen der anderen, die unsere wirkliche Aufgabe noch nicht kennen, zu überwinden." „Das ist mir bekannt", versetzte Rex Corda. „Bitte erklären Sie mir jetzt, wie Sie uns helfen können!" „Ich kenne einen Mutanten, der die Energiewand wahrscheinlich durchbrechen kann!" Rex Corda richtete sich erregt auf. Er bot Zigaretten an und zündete sich
selbst eine an. „Weiter!" „Ich spreche von Fred Matson. Er ist der Mutant, den ich meine. Wir von der Mutantenpolizei bezeichnen ihn als Strukturenergetiker oder als Hyperstrukturentzerrer. Er beherrscht Energie in ähnlicher Weise, wie es Tsati Mutara konnte!" Rex Corda erbleichte. Er preßte die Lippen aufeinander. „Was wissen Sie von Mutara?" „Nichts, Sir. Wir haben keinen Kontakt mehr mit ihm." „Ich verstehe nicht ganz, was Sie damit meinen." Leutnant Baker senkte den Kopf. Seine Hände preßten sich ineinander. „Es lebt ein Mutant in unseren Hospitälern, der für kurze Zeit engen Kontakt mit Tsati Mutara hatte. Mutara hat davon offensichtlich nichts gemerkt. Dann plötzlich brach der Kontakt ab!" „Bedeutet das, daß Tsati Mutara tot ist?" forschte Rex Corda. Leutnant Baker hob den Kopf. „Ja", sagte er leise. „Der Mutant behauptet zwar, er habe nach Abbruch des Kontaktes noch einen Ruf Mutaras gehört. Er sagte, der Ruf sei aus den Weiten des Alls gekommen — aber das ist natürlich völlig ausgeschlossen. Also ist Tsati Mutara tot." John Haick und Rex Corda sahen sich bedeutungsvoll an. Leutnant Baker konnte nicht wissen, daß Tsati Mutara in einen der Super-Transmitter gefallen war. Die Ungewißheit blieb. Tsati Mutara befand sich tatsächlich unmittelbar nach dem „Abbruch" des Kontaktes auf einem orathonischen Raumschiff, das weitab von der Erde im Raum stand. Rex Corda wischte mit der flachen Hand durch die Luft. „Ich muß diesen Mutanten sprechen, Leutnant. Wie heißt er? Was sagten Sie doch?"
„Matson, Sir. Fred Matson!" * „Sie bleiben bei mir", sagte Rex Corda, als der Gleiter des NORAD bei Colorado Springs landete. Leutnant Baker ging an der Seite des Mannes, der an der Spitze der Vereinigten Staaten stand, ins Regierungszentrum, in dem hektisches Leben herrschte. Die gesamte Anlage blieb auch jetzt nur Provisorium. Immer neue wissenschaftliche Techniker und Militärs strömten aus allen Teilen des Kontinents zu der neu entstehenden Metropole Nordamerikas am Cheyenne. Hier wuchs eine Stadt in atemberaubendem Tempo aus dem Erdboden. Die Menschheit bewies, daß ihre Kraft ungebrochen war. Leutnant Baker lernte in kürzester Zeit ein halbes Dutzend Generale kennen, deren Namen er sofort wieder vergaß. Er erfaßte nur zwei Dinge, die ihm als besonders wichtig erschienen — semibiotische Kolonien fraßen sich mit atemberaubender Geschwindigkeit durch den Atlantik, und ein Gegenkandidat von Rex Corda war plötzlich aufgetaucht. Kurz bevor Rex Corda das NORAD erreichte, war die Meldung des kalifornischen Gouverneurs Seagren eingetroffen. Rex Corda hatte eine kleine Auseinandersetzung mit General Emerson, dem militärischen Kommandanten des NORAD. Emerson tat die Meldung des Präsidentschaftskandidaten Seagren geringschätzig ab. Leutnant Baker wurde nachdenklich, als Corda den General in scharfer Form darauf hinwies, daß er jedem Amerikaner dankbar sei, der sich jetzt zur politischen Verantwortung dränge. Darauf schwieg der General. Sekunden später lernte Leutnant Baker den Wissenschaftler Will Rimson
kennen. Von ihm hatte Baker schon aus zahlreichen Presseberichten gehört. Der Leutnant war jetzt viel zu verwirrt und aufgeregt, um viel von dem Gespräch zu verstehen, das Corda mit dem Gelehrten führte. „Du mußt noch einige Male im Fernsehen sprechen, Rex", sagte der Wissenschaftler. Er streichelte seinen Schäferhund, der sich an seine Beine drängte. „Das läßt sich nicht umgehen. Es müssen so viele Amerikaner wie möglich wählen!" Corda antwortete nicht. Er nickte nur stumm. Er zog Baker zu sich heran. „Ich werde jetzt mit dem Leutnant zu den Mutanten fliegen", erklärte er. „Während meiner Abwesenheit versucht bitte, die Laktonen auf die Semibioten aufmerksam zu machen. Sie müssen vernichtet werden! Sie vermehren sich wirklich mit Geschwindigkeit." * Diesmal war nur ein einziger Sicherheitsbeamter bei ihnen, als sie in dem Sonnengleiter nach Santa Fe flogen. „Sir, bitte, was sind — Semibioten?" fragte Leutnant Baker zögernd. Ihr Ziel war bereits zu sehen. Es würde nicht mehr lange dauern, bis Rex Corda dem Mutanten Fred Matson gegenüberstand. „Der Ausdruck ist nicht ganz richtig, Baker", erklärte Corda. „Es handelt sich hier um Parasiten, die von den Orathonen während der Invasionstage im Atlantik ausgesetzt wurden. Offensichtlich finden diese Parasiten dort einen idealen Nährboden. Die Orathonen verwenden diese Parasiten, die wie Seeigel aussehen, um sie zusammen mit einem kleinen elektronischen Steuergerät in die Gehirne von Intelligenzen einzupflanzen, die sie nach ihrem Willen lenken wollen. Der Semibiot ist also
eigentlich die Befehlszentrale und wirkt zusammen mit dem elektronischen Steuergerät." Baker rieb sich das unnatürlich blasse Gesicht. „Ich habe nur wenig davon mitbekommen, wie die Orathonen wirklich waren", sagte er leise. „Ich habe mich die ganze Zeit um Fred Matson gekümmert. Und ihm haben die Gefiederten nichts getan!" Rex Corda runzelte die Stirn. Er legte seine Hand auf den Arm des Leutnants. „Wie ist das zu verstehen, Baker?" forschte er. „Weshalb haben die Gefiederten Matson nichts getan?" „Vielleicht haben sie Mitleid." Corda schwieg. Er fühlte, wie es ihm kalt über den Rücken lief. Es war unvorstellbar, daß so kalte und gefühllose Wesen wie die Orathonen mit irgend etwas oder mit irgend jemandem Mitleid haben sollten. Leutnant Baker wies den Sicherheitsbeamten, der am gabelförmigen Steuer saß, ein. Rex Corda staunte, als er die großzügig angelegte Villa sah. Der Garten war so sorgfältig gepflegt, das Haus strahlte von solcher Sauberkeit, daß Corda glaubte, in einer Oase tiefen Friedens zu sein. Die meisten Häuser der Umgebung wiesen die typischen Beschädigungen auf, die die Invasion mit sich gebracht hatte. Wie überall auf dem amerikanischen Kontinent hatten die landenden und startenden Raumschiffe schwerste Verwüstungen angerichtet. Die aufgewühlten Luftmassen hatten Dächer mit sich gerissen, Bäume entwurzelt und zahllose Fahrzeuge zerschmettert. „Matson hat alles getan, was er tun konnte, um sein Grundstück und sein Haus wieder in Ordnung zu bringen", sagte Leutnant Baker plötzlich, da er fühlte, daß Rex Corda nach einer Erklärung verlangte. „Matson ist reich. Er hat den größten Teil seines Vermögens
retten können. Er war einer der ersten, der Arbeitskräfte einstellte und bezahlte." Baker beugte sich wieder vor. „Landen Sie bitte auf dem kleinen roten Platz rechts neben dem Haus." Der Sonnengleiter senkte sich herab. Corda stieg aus und sah sich um. Aus der Luft hatte alles ganz anders ausgesehen. Hier waren die kaum beendeten Renovierungen deutlich zu erkennen. Baker führte ihn durch zierliche Rosensträucher zum Haus. Corda ging vorsichtig über den Rasen, um nichts zu zerstören. Er fuhr erschreckt zusammen, als eine sich überschlagende Stimme kreischend auf ihn einschrie. Er blieb stehen. Seine Blicke wanderten zu dem Altan über dem Eingang hinauf. Er zuckte unmerklich zusammen. Ein taumelnder Riese klammerte sich mit zuckenden Händen an das Geländer des Altans. Das grobe, breitflächige Gesicht färbte sich dunkel in beklemmender Atemnot. Rex Corda fühlte die sinnverwirrende Ausströmung des fremden Gehirns. Rex Corda wurde sich nicht klar darüber, was von diesem verkrüppelten Menschen kam. War es Zorn? War es Verzweiflung? Was war es? „Kommen Sie!" sagte Leutnant Baker. Corda folgte ihm ins Haus. Der Leutnant war blaß bis an die Lippen. Die beiden Männer durchquerten einen kleinen Vorraum, dessen kostbare Ausstattung von dem Reichtum Fred Matsons berichtete. Leise Musik kam aus unsichtbaren Lautsprechern. Sie durchschritten abermals eine andere Welt, eine Welt, in der die klaren klassischen Harmonien galten. Vor ihnen öffnete sich eine Tür. Ein schlanker grauhaariger Mann mit schmalen Schultern trat ihm kurzsichtig
blinzelnd entgegen. „Das ist Dr. Konsinsky", stellte der Leutnant vor. „Der Arzt von Mr. Matson." Konsinsky streckte Corda die Hand entgegen. „Hat Baker Ihnen gesagt, was . . .?" Corda schüttelte unwillig den Kopf. „Niemand hat mir etwas gesagt! Was ist hier eigentlich los? Langsam bezweifle ich, ob es richtig war, daß ich gekommen bin." Dr. Konsinsky drehte sich um, stieß die Tür auf und lud Rex Corda mit einer freundlichen Geste ein, näherzutreten. Corda fühlte sich jedoch nicht mehr wohl. Eine eigenartige, bedrückende Stimmung beherrschte dieses Haus. Er fühlte die eigenartigen emotioneilen Schwingungen, die sich nicht genau bestimmen ließen. Plötzlich umgab ihn das Gefühl größter Gefahr. Er bereute, daß er seinen Begleiter nicht mit ins Haus genommen hatte. Er ging an dem Arzt vorbei in den luxuriös eingerichteten Salon. Er konnte nicht begreifen, daß es Matson gelungen war, dies alles zu erhalten. Eine schmale Treppe führte zum ersten Stock hinauf. Fred Matson wankte ins Blickfeld. Auf den ersten Blick sah er betrunken aus. Das breite Gesicht schien vom Alkoholgenuß aufgedunsen. Matson trat auf die erste Stufe der Treppe und ließ die rechte Hand auf das Geländer herabkrachen. Im gleichen Augenblick bewegte sich die Stufe. Sie löste sich und glitt auf verborgenen Schienen die Treppe hinunter. Matson brauchte keinen Schritt zu tun. „Ich erwarte, daß Sie mir jetzt sofort erklären, was hier eigentlich vorgeht!" sagte Corda scharf. „Ich habe weder Lust noch Zeit..." . Ein peitschender Knall fetzte ihm die Worte von den Lippen. Der Senator fühlte eine Kugel hautnah an seinem Kopf vorbeizischen. Sie patschte dumpf
hinter ihm in die Täfelung. Die Pistole rauchte in der klobigen Hand Matsons. Dr. Konsinsky schrie. Baker warf sich nach vorn. Mit Riesenschritten schnellte er zu dem Mutanten hinüber, der ächzend auf Corda zielte. Der Senator ließ sich gedankenschnell fallen, doch er hatte das Gefühl, der Kugel nicht mehr ausweichen zu können. * Randy Seagren hatte das Aussehen eines verhungernden Künstlers. Sein hagerer Körper schien sich vor Kälte förmlich zusammenzuziehen. In seinem knochigen Kopf brannten große dunkle Augen voller Energie und Fanatismus. Eine überlange Nase wölbte sich über den dunklen Lippenbart. Wenn Seagren sprach, so gestikulierte er mit den Händen wie ein Südländer. Rex Cordas Gegenkandidat verzichtete auch jetzt nicht auf seine gestenreiche Sprache, da er dem laktonischen Boten gegenüberstand. Der Laktone verständigte sich mit Hilfe eines elektronischen Dolmetschers mit dem Gouverneur Kaliforniens. „Mir mißfällt dieses überflüssige Gerede", sagte der Gouverneur mit schneidender Schärfe zu dem Laktonen. „Als die Empfehlung kam, habe ich sofort meine Kandidatur angemeldet. Ohne zu fragen, ohne Kommentar. Ich tat, was Jakto Javan befahl. Jetzt will ich wissen, weshalb er mich zum Präsidenten Amerikas machen will." Der Laktone lächelte kühl. „Der Schento liebt es nicht, wenn man unnötige Fragen stellt!" Die großen Augen Seagrens leuchteten ärgerlich auf. „Na schön, dann ziehe ich die Kandidatur zurück!" „Wir werden einen anderen Kandidaten finden!"
Seagren lächelte maliziös. Er schüttelte den Kopf. „Niemanden, der eine Chance gegen Senator Corda hätte." Der Laktone stützte beide Hände auf den Schreibtisch des Gouverneurs und sah ihm scharf in die Augen. „Sie sind ein Werkzeug für uns", kam es kalt aus dem Elektronendolmetscher. „Ein Werkzeug fragt nicht." Seagren lehnte sich zurück. Er schlug die Arme vor der Brust zusammen und sah dem Boten starr in die Augen. Der Laktone stieß einen ärgerlichen Laut aus, der nicht übersetzt wurde. Dann gab er nach. „Corda richtet sich nach unseren Wünschen, aber nicht ausreichend. Corda vergißt, daß wir die Situation beherrschen. Als Präsident der Vereinigten Staaten ist er uns im Wege. Voraussichtlich wird der Präsident der Vereinigten Staaten auch zum Präsidenten einer Weltregierung gewählt werden. Das darf nicht passieren. Deshalb werden Sie kandidieren. Mit unserer Hilfe werden Sie zum Herrn der Erde!" Seagren sprang auf. In seinem bleichen Gesicht zuckte es. Die Augen verengten sich. Er beobachtete jede Regung im Gesicht des Laktonen. „Niemand beherrscht die Situation!" sagte er schneidend. „Das Energiefeld umspannt das Sonnensystem. Bisher ist es den Laktonen nicht gelungen, es zu brechen. Wir alle sind verloren, wenn nicht ein Wunder geschieht! Es wird nicht von den Laktonen kommen!" Der Gouverneur glaubte, winzige Strahlenpunkte in den Augen des Außerirdischen zu entdecken. Aber er war nicht sicher. Zeigte der Laktone Anzeichen von Unruhe? „Ihr Laktonen habt diese Schlacht so klar verloren wie noch nie eine Schlacht zuvor!" Seagren kam um seinen Schreibtisch herum. Er blieb dicht vor dem Laktonen
stehen, der jetzt keine Reaktion mehr zeigte. „Weshalb also legt das Flottenkommando so großen Wert darauf, mich in der Position des Präsidenten zu sehen?" „Wir werden die Energieblase durchbrechen", antwortete der Laktone jetzt sehr ruhig. „Es gibt keinen Beweis dafür." Der Laktone lächelte spöttisch. „Wenn Sie Ihr Programm verwirklichen wollen, Seagren, dann müssen Sie schon das tun, was wir wollen. Stellen Sie nicht so viele Fragen. Kandidieren Sie. Wir werden dafür sorgen, daß Sie gewinnen!" Randy Seagren fuhr sich mit der linken Hand durch das lockere schwarze Haar. Unter der Haut seiner Wangen zuckten die Muskeln. „Also schön", knurrte er. „Es ist alles klar. Ich werde Senator Corda ein Bein stellen. Er wird nicht Präsident werden!" Der Laktone lächelte zufrieden. * Leutnant Baker riß seinen Arm hoch. Die Handkante knallte gegen die Waffe in Matsons Hand. Die Kugel bohrte sich in die ächzende Täfelung. Rex Corda erhob sich mit eisiger Miene. Hinter ihm, im Eingangsportal, erschien der Sicherheitsbeamte. Er hielt seine schußbereite Waffe in der Faust. Corda gab ihm zu verstehen, daß alles in Ordnung war. Mit harten Schritten ging er auf Matson zu. Zwei Meter vor dem Mutanten blieb er stehen. Sein Entschluß, Matson mit aller Schärfe zurechtzuweisen, geriet ins Wanken, als er die irrlichternden Augen des Mutanten sah. Der Arzt Dr. Konsinsky legte Corda die Hand auf den Arm. „Entschuldigen Sie bitte, Sir. Er ist nicht verantwortlich für das, was er tut",
keuchte der Arzt. „Es tut mir leid, daß ich das nicht verhindern konnte!" Fred Matson entblößte die Zähne und lachte guttural. „Flüstern Sie nicht mit Fremden, lieber Doktor! Ich bin kein Narr!" „Dies ist Senator Corda, Mr. Matson. Senator Corda amtiert im Augenblick als Präsident. Darf ich Sie darauf aufmerksam machen?" rief der Arzt. Fred Matson klammerte sich an das Treppengeländer. Corda sah, daß seine Knie vor Schwäche zitterten. Ein Hustenanfall zwang ihn, sich sorgfältig abzustützen. Der Arzt und der Leutnant kamen ihm zu Hilfe. In diesem Augenblick versiegte der Anfall, nachdem Matson sich bereits verfärbte. Mit blutunterlaufenen Augen starrte er die beiden Männer an, die ihm helfen wollten. Er stieß sie schroff zurück. „Was wollen Sie von mir, Corda?" Rex Corda lächelte unbeeindruckt. „Ich will mit Ihnen reden, Mr. Matson. Aber ich merke, das ist nicht ganz leicht. Sie haben so Ihre Eigenarten." Matson stieß sich von der Treppe ab. Er wankte auf Corda zu. Dicht vor ihm blieb er stehen. Jetzt empfand der Senator, was der Mutant fühlte. Fred Matson war nicht betrunken, Fred Matson war krank, todkrank! Matson konnte sich kaum noch auf den Beinen halten. Er klammerte sich an den letzten Lebensfunken, der in ihm glühte. Eine andere Flamme loderte in ihm, eine Flamme, die das Leben aus ihm herausbrannte. Matson starrte Corda sekundenlang an. Seine Blicke suchten. Sie schnitten dem Senator ins Herz. Selten hatte er einen Menschen so leiden sehen. Wie ein Schlag aus heiterem Himmel kam der Anfall. Corda fühlte den Blitz, der nach dem Hirn Matsons schlug. Die Reaktion kam jedoch zu spät. Es war, als habe jemand dem Mutanten die Beine unter dem Leib weggeschlagen.
Fred Matson brach lautlos zusammen. Er knallte auf den harten Boden und wälzte sich lautlos um sich selbst. Seine Arme und Beine zuckten wild. Dr. Konsinsky beugte sich sofort über ihn. Eine Hochdruckspritze preßte sich gegen das Handgelenk des Mutanten. Es zischte leise. Tief seufzend streckte und entspannte sich der Mutant. Aus leeren Augen starrte er auf den Senator. Er sah ihn nicht. Rex Corda wußte es. Leutnant Baker sah den Senator mit einem traurigen Lächeln auf den Lippen an. „Er ist nicht schlecht, Sir", sagte er. * Es dauerte zwei Stunden, bis Fred Matson wieder soweit hergestellt war, daß er mit Senator Corda sprechen konnte. Rex Corda saß in einem niedrigen Sessel neben der Liege, auf der Matson ruhte. Der Blick klärte sich. Die Gesichtszüge entspannten sich allmählich ebenfalls. Corda lächelte. Er beugte sich vor, um das Gespräch zu eröffnen. Matson fuhr hoch, stemmte sich auf die Ellbogen. Corda fühlte die Emotionswelle, die in dem Mutanten aufrollte. „War es notwendig, Doktor Konsinsky, meine Beschwerden vor den Augen des Senators zur Schau zu stellen?" Tiefe Röte schoß Matson ins Gesicht. Die Zähne bissen zornig auf die Lippen. „Merken Sie sich ein für allemal, daß ich kein medizinisches Schaustück bin." Er ließ sich in die Kissen zurückfallen und atmete schwer. Corda warf dem Arzt einen beruhigenden Blick zu. „Was wollen Sie von mir, Corda?" knurrte Matson mürrisch. „Kennen Sie die Situation der Erde
wirklich?" Die Augen ruckten herum. Sie blinzelten Corda kalt an. „Natürlich kenne ich die Situation!" „Erklären Sie! Ich möchte wissen, ob Sie sie wirklich kennen!" „Ich bin kein Schuljunge!" schnappte Matson. „Na schön, dann werde ich sie erläutern", schmunzelte Rex Corda unbeeindruckt. „Das Sonnensystem ist von einer außerirdischen Macht besetzt!" „Ich weiß!" fauchte Matson ärgerlich. „Ein Parasit wuchert im Atlantik. Er vermehrt sich mit rasender Geschwindigkeit. Er muß vernichtet werden. Die Erde hat keine Möglichkeit, ihn zu beseitigen." „Ach!" Matsons Kopf ruckte herum. Seine Augen funkelten interessiert. „Weiter — davon wußte ich nichts!" „Wir könnten einige Bomben nach dem Parasiten werfen, aber damit würden wir ihm nur helfen, sich zu verbreiten. Wenn nichts geschieht, dann wird diese semibiotische Kolonie, wie wir sie nennen, in den nächsten zwanzig Tagen die ganze Erde überwuchert haben. Alles Leben wird vernichtet werden." Fred Matson hustete krampfhaft. Er hieb die schwere Faust wütend auf die bebende Brust, bis sich der Anfall löste. Keuchend rang er nach Luft. „Und warum setzen Sie Ihre laktonischen Freunde nicht auf die Kolonie an?" fragte Matson gehässig. Dr. Konsinsky und Leutnant Baker traten unwillkürlich einen Schritt näher, als erwarteten sie eine heftige Reaktion des Senators. Rex Corda reagierte anders als erwartet. Er lächelte. „Weil die Laktonen nicht meine Freunde sind, Mr. Matson!" „Ach!" stieß Matson aus. In diesem Laut lagen aller Zorn und alle Verachtung, zu denen er fähig war. Rex Corda
lächelte noch immer. Er wußte, daß die Gefühle nicht ihm galten. Matson meinte im Grunde genommen nur sich selbst, weil er sich wegen seiner Krankheit und seiner Hilflosigkeit haßte. „Die Laktonen haben kein Interesse daran, die Erde zu retten. Die Laktonen wollen zunächst einmal nur ihre eigene Haut retten!" „Der Schirm!" rief der Mutant. Wieder richtete er sich auf. „Sie meinen den Schirm! Es gibt ihn also wirklich?" „Es gibt ihn! Das gesamte Sonnensystem wird von einem Energieschirm umgeben. Der Energieschirm ist undurchdringlich. Alle Versuche der Laktonen, ihn zu beseitigen, sind gescheitert. Wir haben nur noch eine Hoffnung — Sie!" Matson ließ sich wieder zurückfallen. Er lächelte selbstgefällig. „Mich interessiert der Schirm nicht." „Er muß Sie aber interessieren, Matson. Die Energieglocke zieht sich beständig zusammen. Es wird nicht mehr lange dauern, bis das gesamte Sonnensystem in sich zusammenstürzt. Nur Sie können das Ende verhindern!" „Was hätte ich davon?" „Sie leben!" „Was habe ich schon vom Leben? Ich bin ein Krüppel. Ich bin krank. Ich habe nicht mehr lange zu leben. Was hätte ich davon, wenn ich eine Welt rettete, die nichts dazu getan hat, mir zu helfen?" „Sie hätten nichts davon, Matson! Überhaupt nichts!" antwortete Corda kalt. Fred Matson warf sich herum. Mit einem wilden Satz schnellte er von der Liege herunter. Taumelnd stand er vor Corda. In seinen Gesichtszügen schäumte ohnmächtiger Zorn. „Sie bezweifeln, daß ich der Erde helfen könnte?" Rex Corda erhob sich langsam. Er zündete sich eine Zigarette an und ging
gelassen zur Tür. „Kommen Sie", sagte er zu dem Sicherheitsbeamten. „Diesen Weg hätten wir uns sparen können. Mr. Matson ist nichts als ein harmloser Blender!" Eine Faust packte ihn an der Schulter und wirbelte ihn herum. Die vor Wut glühenden Augen taumelten auf ihn zu. „Ich werde es Ihnen beweisen, Senator Corda!" stöhnte Matson. „Ich werde es Ihnen beweisen!" „Dann kommen Sie, Matson. Wir haben Zeit genug verschwendet!" Er gab dem Arzt einen Wink, ihnen zu folgen. Leutnant Baker trat einen kleinen Schritt vor. Er hob die rechte Hand ein wenig, um seine Bitte anzudeuten. „Leutnant Baker?" fragte Corda. „Was gibt es?" „Sir", druckste der Leutnant verlegen. „Sir, fliegen Sie mit Mr. Matson ins All hinaus? Zum Schirm?" „Allerdings", nickte Corda. Fragend sah er den jungen Mann an. „Könnten Sie mich mitnehmen? Ich — ich .. ." Corda lachte. „Kommen Sie, Baker!" * Der Gouverneur von Kalifornien, Randy Seagren, sprach am Abend des gleichen Tages auf einer ersten Großveranstaltung in San Franzisko, mit der er den Wahlkampf eröffnete und sich als Präsidentschaftskandidat vorstellte. Seagren machte kein Hehl daraus, daß er nicht daran dachte, im Bereich des NORAD am Wiederaufbau der Nation mitzuwirken. Er behauptete mit kühler Gelassenheit, im NORAD seien die Verräter der Nation damit beschäftigt, die Schätze der Erde an die Außerirdischen zu verschenken. Seagren nutzte sehr geschickt aus, daß die Bevölkerung bisher über den
Energieschirm und über die Semibioten nicht informiert worden war. Er tat die spärlichen Nachrichten, die es hierüber gegeben hatte, als Zweckgerüchte ab, mit denen die Verantwortlichen vom Ausverkauf der Erde ablenken wollten. Er nannte den Namen Rex Corda nie. Er sprach nur immer von „dem Verantwortlichen". Seagren war ein Demagoge, der es verstand, die Massen nach seinen Wünschen anzuheizen. Je länger er sprach, desto größer wurde die Liste der Vorwürfe, die er gegen Senator Corda erhob, desto drängender sein Ruf nach Antwort von Corda. Gegen Ende der Veranstaltung verlangten die Massen in Sprechchören eine Rechtfertigung von Senator Corda. Sie wollten ihn sehen. Seagren peitschte die Massen auf. Keiner seiner Zuhörer wußte, daß er ständig mit den Laktonen in Verbindung stand. Keiner wußte, wie gut er darüber informiert war, wo sich Rex Corda aufhielt. Deshalb konnte Seagren es sich leisten, auf offener Bühne eine Videoverbindung zum NORAD herzustellen. Der Gouverneur forderte mit kühler Stimme, Rex Corda zu sprechen. Atemlos lauschten die Massen. NORAD teilte mit, daß Rex Corda vor wenigen Augenblicken die Erde mit dem Flaggschiff der laktonischen Flotte verlassen hatte. Der Rest der Nachricht ging in einem wütenden Aufschrei der Massen unter. * Fred Matson klammerte sich an den weichen Sessel.. Aus weiten Augen sah er auf den Holografen, der die ganze Wand ausfüllte. Er lieferte ein farbgetreues, plastisches Bild von der Erde, die unter dem startenden Raumschiff zurückfiel. Die Gravitationsautomaten fingen
jeden Beschleunigungseffekt und jede Erschütterung ab. Nur an den Veränderungen des Bildes konnten die Terraner feststellen, daß das raketenförmige Raumschiff wirklich flog. Der nordamerikanische Kontinent wurde in seinen Umrissen erkennbar. Rex Corda erhob sich hastig und ging zum Holografen hinüber. Er zeigte auf einen großen grauen Fleck am Rande der Karibischen See. „Sehen Sie sich das an, Mr. Matson!" sagte er erregt. „Das ist die semibiotische Kolonie!" Matson schüttelte fassungslos den Kopf. „Das muß ein riesiges Gebilde sein!" stammelte er. „Es hat die Bahamas bereits überwachsen!" Einzelheiten waren nicht zu erkennen. Die Beschleunigung des Raumschiffes war zu stark. Die Erde raste in das tiefe Schwarz hinein. Die Tür glitt auf. Ein hochgewachsener Laktone kam herein. Die Kerbe auf seiner Oberlippe schimmerte in tiefem Rot. Der Laktone lächelte amüsiert. „Kann ich Sie einen Augenblick sprechen, Mr. Corda?" fragte er in akzentfreiem Englisch. Corda erhob sich und verließ zusammen mit dem Laktonen den Raum. „Was gibt es, Percip?" fragte er. Der laktonische Agent sah sich in dem Gang um, auf den sie hinausgetreten waren. Überall schimmerten die Holografen, die den unterschiedlichsten Verbindungen dienten. Tiefrotes weiches Material bedeckte den Boden und schluckte alle Geräusche. Percip, der Mann, der an der Seite der Terraner gegen die Orathonen gekämpft hatte, biß sich auf die Lippen. Sinnend sah er den Senator an. In seinen Mundwinkeln kauerte ein kleines Lächeln. „Sie sollten wachsam sein, Mr. Corda", sagte der Laktone leise. „Javan ist
ein eiskalter Politiker. Er achtet Sie, aber er nimmt keine Rücksicht auf Sie, wenn es um die Interessen des Imperiums geht!" „Danke, Percip", lächelte Corda. „Sie wollen mir damit also sagen, daß die Laktonen dabei sind, mich zu hintergehen?" Percip lächelte undurchsichtig. Er hob die Schultern ein wenig, um anzudeuten, daß er nicht allzuviel sagen konnte. „Sie müssen damit rechnen, daß Javan einiges von seinen Versprechungen vergessen hat, wenn es Ihnen tatsächlich gelingen sollte, den Schirm zu sprengen", flüsterte Percip. „Deshalb nutzen Sie die Situation. Fordern Sie einige Raumschiffe von ihm, damit Sie den Raum durchkämmen können. Erklären Sie alle Trümmer und alle alten Wracks innerhalb des Sonnensystems zum Eigentum der Erde. Das ist Ihr Recht. Es sind unzählige Raumschiffe dabei, die nur geringe Schäden haben! Greifen Sie zu, Mr. Corda. Eine größere Chance bietet sich der Erde nie!" Ein laktonischer Offizier trat in größerer Entfernung von ihnen auf den Gang hinaus und kam mit schnellen Schritten auf sie zu. Corda nickte Percip dankbar zu, drehte sich um und kehrte in den Raum zurück, in dem die anderen auf ihn warteten. Rex Corda war nachdenklich geworden. * „Es ist soweit!" Der Laktone, der Wachoffizier des Bezirkes, in dem sich die vier Terraner aufhielten, trat zur Seite, so daß sie die beiden Roboter sehen konnten. Die blitzenden Maschinen trugen schwere Raumanzüge auf den Armen. Rex Corda erhob sich. Er zündete die Zigarette an, die er mit den Lippen hielt, und ging langsam zu den Robotern. Er
konzentrierte sich ganz auf den Laktonen. Er versuchte, seine Sondersinne, die ihn unter günstigen Bedingungen befähigten, die Gefühle anderer zu erkennen, auf den Laktonen abzustimmen. Nur ein geringer Teil der Empfindungen drang zu ihm durch. Corda war sich nicht ganz darüber klar, wie die Laktonen die Situation sahen. Als nach der Schlacht mit den Orathonen der Energieschirm wuchs, drohte eine Panik auszubrechen. Angesichts der totalen Niederlage drohten die Laktonen zusammenzubrechen. Wie sah es jetzt aus? Die Laktonen hatten ihr ganzes Können aufgeboten, um den Schirm zu brechen. Es war ihnen nicht gelungen. Die Laktonen hatten ihr Ende vor Augen. Rex Corda blieb stehen und wartete, bis die massigen Roboter bei ihm waren. Dabei lauschte er mit allen Sinnen auf die Empfindungen des Laktonen. Das Ergebnis war gleich null. Entweder versagten die Sondersinne — oder der Laktone war kalt wie ein Fisch. „Mr. Matson, wir beide gehen allein. Dr. Konsinsky, Sie können Mr. Matson ohnehin nicht helfen, wenn wir im Raum sind!" „Und ich, Mr. Corda?" fragte Leutnant Baker. „Tut mir leid", lehnte der Senator ab. Er ließ sich von dem Roboter und dem Laktonen in den Anzug helfen. Er wunderte sich, daß er nicht erregter war. Dieser erste Ausflug ins All hatte ihn nur mäßig beeindruckt. Die laktonische Technik verhinderte sogar das Gefühl des Fliegens. Das gewaltige Raumschiff blieb so ruhig, daß die Terraner das Gefühl hatten, es habe sich überhaupt nicht von der Erde erhoben. Matson ging vor Corda den Gang entlang. Sie hatten nicht weit zu gehen, dann führten die Roboter sie durch ein breites Schott auf ein Erg-Band, das ihnen alle Mühe abnahm. Es umfaßte
sie, stabilisierte ihren Stand und trug sie mit hoher Geschwindigkeit zur Außenwand des Raumschiffes. Die Raumanzüge waren bequemer, als Corda erwartet hatte. Das Material war weich und belastete nicht sehr stark. In dem Helm flüsterten unzählige Stimmen. Nur der vordere Teil des Helms war transparent. In den Seitenteilen verbargen sich offensichtlich unzählige Zusatzgeräte. Corda hörte den mühsamen Atem des Mutanten, der jedoch einen erstaunlich sicheren Eindruck machte. Matson wandte ihm die Seite zu. Corda konnte sein Profil sehen, das jetzt klar und nüchtern aussah. „Verdammt, Corda! Sollten diese Burschen nicht Ärzte haben, die mithelfen könnten?" knurrte die Stimme Matsons an seinem Ohr. „Ich werde Javan fragen, Matson! Ich verspreche es Ihnen!" Das Erg-Band spie sie in einen kleinen Raum, in dem zwei Laktonen auf sie warteten. Rex Corda erkannte das lächelnde Gesicht Percips und das kalte, abweisende Gesicht Jakto Javans hinter den Transparentscheiben der Raumanzüge. Jakto Javans Züge hellten sich ein wenig auf, als sie erschienen. Die beiden Laktonen drehten sich wortlos um und gingen durch ein großes Schott. Die beiden Terraner folgten ihnen. Im Durchgang blieb Corda überrascht stehen. Vor ihm öffnete sich eine gigantische Halle, in der die silbernen Leiber von kleinen Raumschiffen lagerten. Die Raumschiffe reichten nicht einmal von Wand zu Wand, obwohl Corda sie auf über zweihundert Meter Länge schätzte. Unter der Decke hingen an unsichtbaren Fäden Dutzende von kleineren Raumgleitern. Scharen von Robotern bewegten sich zwischen den Raumschiffen, kommandiert von Laktonen, die offensichtlich mit Inspektionsarbeiten beschäftigt waren. Jetzt löste sich einer der Gleiter von
der Decke und schwebte lautlos heran. Fred Matson hustete unterdrückt. Corda hörte ihn leise fluchen. Jakto Javan lächelte kühl. Er wußte, daß dieser Hangar Eindruck auf die Terraner machen mußte. Corda nestelte an seinem Raumhelm und schlug ihn zurück. Er rieb sich mit dem Handrücken über die Lippen. Jakto Javan und Percip stiegen in den Raumgleiter. Jetzt sah Corda, daß das Fahrzeug offen war. Es war einfach nur eine Scheibe mit Sitzgelegenheiten darauf. An der Vorderseite erhob sich eine einfache Schalttafel. Percip ließ sich dahinter nieder. Matson wollte sich auf einen der Sitze schwingen. Corda hielt ihn zurück. Jetzt öffnete Jakto Javan, der Schento und Flottenkommandant, seinen Helm. „Weshalb halten Sie uns auf?" fragte er. Er sprach laktonisch. Ein elektronischer Dolmetscher übersetzte seine Worte jedoch so schnell, daß die Übersetzung kaum auffiel. „Es gibt noch etwas zu erklären", sagte Corda ruhig. Jakto Javan lächelte nicht mehr. „Eine Erpressung, Mr. Corda?" Der Senator ging nicht darauf ein. „Ich wollte nur klären, daß die Trümmer der Schlacht Eigentum der Erde sind! Sämtliche Wracks und sämtliches Material, das sich im solaren Raum befindet, gehört der Erde! Ich erwarte, daß Sie der Erde einige Raumschiffe zur Verfügung stellen, damit wir die Wracks bergen können!" Jakto Javan warf Percip einen kurzen Blick zu. Corda fühlte den heißen Zorn, der in dem Laktonen aufwallte, aber sofort wieder erlosch. „Es ist in Ordnung", nickte Javan. „Es ist Ihr gutes Recht, diese Forderung zu stellen. Die Raumschiffe stehen Ihnen zur Verfügung." „Wir werden jetzt prüfen, ob Mr.
Matson in der Lage ist, den Schirm zu brechen", fuhr Corda fort. „Unabhängig davon, ob er es kann oder nicht, erwarte ich, daß Sie die semibiotischen Kolonien auf der Erde beseitigen. Vorher wird Mr. Matson den Schirm nicht antasten!" Diesmal dauerte es etwas länger, bis Jakto Javan antwortete. * Der gellende Schrei schnitt Corda kalt ins Herz. Fred Matson schoß, wie von der Sehne geschnellt, aus dem Raumgleiter empor. Er wirbelte durch das schwarze Nichts davon auf die grün flimmernde Energiewand zu, die drohend im All stand. Jakto Javan stieß einen ärgerlichen Laut aus. Er bellte einen kurzen Befehl. Percip beschleunigte den Gleiter und raste mit ihm hinter dem Mutanten her, der sich mit einem gewaltigen Sprung aus der Schwerkraftzone des offenen Raumfahrzeuges gelöst hatte. „Matson!" rief Corda. „Matson — antworten Sie doch!" Sie konnten den Mutanten kaum noch erkennen, da nur wenig Licht an seinem Schutzanzug reflektierte. Ein schrilles Lachen quoll aus den Helmlautsprechern. Langsam vergrößerte sich die Gestalt. Percip lenkte den Raumgleiter geschickt an den Mutanten heran. Sekunden später schwebte das Raumfahrzeug direkt unter Matson. Corda konnte das verzerrte Gesicht über sich sehen. Fred Matson lachte lautlos. Seine massigen Arme wirbelten haltsuchend, aber Matson lachte. „Komm mir nicht so nahe, Laktone!" brüllte er, als Percip das Fahrzeug näher an ihn heranschieben wollte. „Bleib, wo du bist."
Eine Welle von Glück überschwemmte die Sondersinne von Corda, die sich mit verblüffender Aktivität einschalteten. Die Nähe der grünen Energiewand schien einen fördernden Einfluß auf die mutierten Partien seines Hirns zu haben. Deutlich konnte er die Sphäre des Glücks erfassen, in der Fred Matson sich bewegte. „Es ist herrlich, ohne Gewicht zu sein!" schrie der Mutant. „Meine Beine schmerzen nicht mehr! Nichts schmerzt mehr!" Jakto Javan zeigte kein Gefühl. Corda konnte nicht erfassen, ob der Rausch des Mutanten den Laktonen berührte. Der Schento blieb gleichmütig. „Steigen Sie ein, Matson. Verschwenden wir nicht unsere Zeit! Wenn es um Schwerelosigkeit geht, dann werde ich Sie von unseren Ärzten und Technikern versorgen lassen, dazu müssen Sie nicht wie ein Narr im All herumtoben!" Das Lachen verstummte. Matson streckte mühsam einen Arm aus. Corda, der sich innerhalb der Schwerezone des Raumgleiters befand, erhob sich und ergriff die Hand. Percip regulierte den Antigravitationsautomaten. Corda fühlte sein Gewicht schwinden, während Matson sanft herabschwebte. Er zog sich und den Mutanten auf den Sitz herab. Fred Matson hustete. Die Scheibe seines Raumhelms beschlug schnell. Rex Corda hörte das gräßliche Husten in seinem Helm. Er wünschte, er könnte die Lautsprecher abschalten. Jetzt wußte er, daß auch ein Antigravitationsautomat Matson kaum noch helfen konnte. Minuten später verharrte der Raumgleiter an der Energiewand. Sie sah aus wie grünes, flimmerndes Licht, das über ihnen aus der Unendlichkeit kam und unter ihnen in der Unendlichkeit versank. Dabei strahlte der Schirm aus
sich heraus so schwach, daß er das Dunkel des Raumes in einigen Kilometern Entfernung schon nicht mehr überwand. Die Rundung zeichnete sich nicht ab. Rex Corda konnte nicht erkennen, daß die riesige Wand gekrümmt war. In wenigen Kilometern Entfernung glitt ein riesiger Hantelraumer vorbei. Deutlich konnte Corda die zahlreichen Abstrahlprojektoren der Energiegeschütze erkennen. Eine eiförmige Energiestation schwebte unbeweglich in größerer Entfernung. Ein eigentümliches Leuchten ging von dieser Station aus. Es war nicht zu erkennen, wie dick das Energiefeld war. Es konnte ebensogut einen Meter dick sein wie einen Zentimeter. Fred Matson war still. Er hustete nicht mehr. Corda hörte nur noch seinen röchelnden Atem. Die Sichtscheibe hatte sich geklärt. Corda legte ihm die Hand auf den Arm. Jetzt fühlte er, daß der Arm zitterte. „Was sagten Sie, Mr. Matson?" Matson stöhnte. Plötzlich sackte er zusammen und preßte die Sichtscheibe des Raumhelms auf seine Knie. Rex Corda hörte ihn leise sprechen. Es dauerte einige Minuten, dann richtete sich der Mutant wieder auf. Er sah nicht zur Energiewand hin, seine Blicke richteten sich auf den raketenförrnigen Giganten, der das Flaggschiff der eingekesselten laktonischen Flotte war. „Sagen Sie doch etwas, Matson!" Matson schüttelte den Kopf. „Ich will weg hier! Sofort! Kehren Sie um!" Seine Stimme wurde immer lauter und schriller. Sie begann sich zu überschlagen. „Kehren Sie um, sagte ich! Bringen Sie mich zum Schiff zurück!" Er rieb seine Pranken gegen die mächtigen Schultern des laktonischen Agenten Percip. Der Laktone schaltete eilig. Der Raumgleiter schwang herum.
Matson krümmte sich zusammen. * Die klobigen Arbeitsroboter des Hangars halfen den Männern aus den Raumanzügen. Rex Corda beobachtete den Mutanten. War Matson wirklich ein Strukturenergetiker? Hatte er wirklich die Macht, das Sonnensystem zu retten? Matson stand auf zitternden Beinen. Sein Atem ging rasselnd und schwer. Dunkle Ringe standen unter seinen Augen. „Es war ein herrliches Gefühl, Mr. Corda", keuchte er und nickte mehrmals bekräftigend. Sein Arzt kam mit besorgter Miene näher. Matson winkte unwillig ab. Hustend behauptete er, es ginge ihm ungewöhnlich gut. „Was geschieht, Mr. Corda, wenn ich den Schirm öffne?" „Das werden Sie gleich erfahren! Wir werden jetzt alles besprechen!" warf Jakto Javan energisch ein. Er führte Rex Corda, den Mutanten und Percip zu einer breiten Tür, die sich auf einen Wink Javans in die Seitenwände zurückzog. Ein kleiner schlichter Raum öffnete sich. Javan trat als erster ein. Als auch die anderen bei ihm waren, verringerte sich ihr Gewicht ein wenig. Corda fühlte die Andeutung einer Beschleunigung. Sekunden später befanden sie sich in dem Bereich, in dem Corda die Räume Jakto Javans wußte. Fred Matson starrte geistesabwesend vor sich hin. Er hatte nicht erfaßt, daß sie in dem Gravo-Lift fast die ganze Länge des viertausend Meter langen Schiffes durchrast hatten. Der Schento führte sie in einen Raum, der zu seinen Arbeitsräumen gehörte. Rex Corda kannte diese Räume schon, weil er den Schento schon mehrmals hier getroffen hatte. Matson blieb geistesabwesend. Er zeigte keine Reaktion, als sie den beeindruckenden Raum betraten, an
dessen Wänden einige Erzeugnisse der galaktischen Kultur auf unsichtbaren Schwerefeldern schwebten. Als Fred Matson aus seiner Benommenheit erwachte, richtete er sich auf. warf einen gleichgültigen Blick auf die galaktischen Schätze und wandte sich mit äußerster Nüchternheit an den Schento. „Ich kann den Schirm brechen! Ich kann auch mehrere Männer hindurchschleusen, wenn Sie das beabsichtigen!" behauptete er mit kalter, unbeteiligter Stimme. „Genau das beabsichtigen wir", sagte Jakto Javan. Der riesige Mann ließ sich in einen breiten Sessel sinken. „Es gibt nur eine Möglichkeit, die uns bleibt. Wenn Sie den Schirm öffnen, dann müssen möglichst viele Männer mit viel Kampfmaterial hindurch. Sie müssen versuchen die nächste Energiestation zu erreichen, um sie zu zerstören!" Matson knurrte unwillig. „Von den Energiestationen wird also der Schirm getragen?" „Wir haben vor einigen Stunden herausgefunden, daß die Orathonen die Energie aus dem Sonnensystem Alpha Centauri bekommen. Wie sie das machen, ist uns völlig rätselhaft. Die Energie wird am Rande dieses Sonnensystems aufgefangen und an die Energiestationen weitergeleitet, die das gesamte System umspannen. Wenn wir eine Station zerstören, muß sich ein kleiner Spalt öffnen, durch den wir weiteres Material hinausbringen können!" Fred Matson stieß einen wütenden, mürrischen Laut aus. Mit einer heftigen Geste unterbrach er den Schento. „Daraus wird nichts! Machen Sie sich keine Hoffnungen! Ich öffne den Schirm nicht!" Jakto Javan sprang auf. Überrascht starrte er den Mutanten an. „Sie können es nicht?"
„Ich kann!" keifte der Mutant zornig. Er wollte ebenfalls aufstehen, aber die Beine rutschten ihm unter dem Leib weg. Er fiel schwer in den Sessel zurück. Die hilfreichen Arme Percips schlug er mit einem Zorneslaut zur Seite. „Ich kann den Schirm öffnen, aber ich muß die Energie, die ich dem Schirm absauge, in mich selbst aufnehmen! Verstehen Sie? Sie wissen allmählich, wie hoch das Energiepotential dieser Wand ist. Sie wissen es genau! Wenn ich den Schirm öffne, dann werde ich zu einer Superbombe! Verstehen Sie? Ich gehe zum Teufel dabei!" Atemlose Stille lastete in dem Raum. Javan, Percip und Corda sahen den Mutanten stumm an. Matson kratzte sich mit hektischen Bewegungen den Hals. Seine geröteten Augen ruckten fieberhaft hin und her. Seine Lippen stammelten unhörbare Worte. „Ich hätte keine Möglichkeit, mich wieder von der Energie zu befreien!" Nachdenklich starrte er auf seine Knie. „Es muß jedoch einen kritischen Punkt geben", murmelte er. „Zu irgendeinem Zeitpunkt muß etwas eintreten, irgend etwas. Entweder explodiere ich — oder ich werde zu einem anderen Wesen. Ich werde eine andere Lebensform annehmen! Ja — das wird es sein." Aus hektisch glänzenden Augen sah er die drei Männer an. Seine Stirn verzog sich wie im Krampf. Corda fühlte, daß sich ein erneuter Anfall näherte. Die Anstrengungen waren zu groß gewesen. Er sah zu dem Schento hinüber. Der Adlige lächelte dünn. In seinen klaren Augen stand deutlich zu lesen, daß er Matson nicht glaubte. Ein Funke von Verachtung deutete sich in den scharfen Zügen von Jakto Javan ab. Er rieb sich seine künstliche Hand. Percip schüttelte unmerklich seinen
Kopf. Auch er glaubte Fred Matson nicht. Rex Corda glaubte ihm. Aber er wußte nicht, wie er sich entscheiden sollte. Das Risiko war ungemein groß. Wenn Matson tatsächlich zu einer hochenergetischen Bombe wurde, die zur Explosion kommen konnte, dann würde Matson unter Umständen die Aktion vernichten, die er durch sein Opfer erst möglich gemacht hatte. Corda glaubte nicht an die andere Lebensform. Er wagte auch nicht, daran zu denken, weil er sich davor fürchtete. Niemand konnte wissen, was unter dieser änderen Lebensform zu verstehen war. Das Experiment würde in absoluter Ungewißheit enden. Im Chaos? Und danach? Wenn es wirklich gelang, den Schirm zu durchstoßen? Welche Chancen hatte die Einsatzgruppe? Sie würde sofort von den Orathonen abgeschossen werden, wenn sie sich auf eine der Energiestationen zubewegte. „Na schön", sagte Jakto Javan enttäuscht. „Im Augenblick läuft noch ein Versuch mit dem Schirm. Wir können ihn verfolgen!" Er schaltete den mannshohen Holografen hinter seinem Arbeitstisch an. Das Bild stand sofort. „Wir machen das Experiment mit einem Energieverdunster — eine sonst außerordentlich gefürchtete Waffe", erklärte der Schento. Sein elektronischer Dolmetscher übersetzte blitzschnell. „Dieses Gerät schleudert große Mengen eines energieabsaugenden Plastikgespinstes ab. Normalerweise erstreckt sich das Gesamtnetz über Hunderte von Kilometern. Mit diesem Spezialgerät bringen wir jetzt die gleiche Menge Plastiknetz auf kleinstem Raum unter, um dem Energieschirm konzentriert Energie abzusaugen!" Rex Corda konnte auf dem Bildschirm das rechte kleine Gerät sehen,
das an der Außenhaut des Flaggschiffes klebte. In rasender Folge schoß etwas Weißes daraus hervor, das wie Nebelschleier aussah. Er sah es auf den grünen Schirm prallen und sich wie träges Öl ausbreiten. „In kleinen Abständen sind Kondensatoren eingebaut", fuhr der Schento fort. „Sie sollen die abgesaugten Energien abfordern und ableiten!" Matson krümmte sich lautlos in seinem Sessel. Corda sah erschreckt, wie mühsam der Mann nach Atem rang. Er stand auf, um ihm zu helfen, doch der Mutant stieß ihn schroff zurück. Das von Atemnot dunkle Gesicht hellte sich jetzt wieder langsam auf. Cordas Blick ging zu dem Holografen zurück. Jakto Javan schwang sich herum. Er warf keinen Blick mehr zum Bildschirm. Corda wußte sofort, warum. Dort, wo die Plastikgespinste auf den Sperrschirm prallten, stand ein lodernder Kreis aus verglutenden Energiekondensatoren. Die Netze selbst lösten sich blitzschnell auf. Der grüne Schirm aber veränderte sich überhaupt nicht. Fred Matson kicherte boshaft. Percip schaltete den Holografen aus. Er sah zu dem Senator hinüber. „Ich benötige einige Zeit, um mir darüber klarzuwerden, wie es weitergehen soll", versetzte Rex Corda langsam. „Bis dahin müssen die Semibioten verschwunden sein!" Im energischen Gesicht Jakto Javans zuckte kein Muskel. „Veranlassen Sie das Nötige, Percip", befahl er kühl. * Das Flaggschiff der laktonischen Flotte kehrte nicht zur Erde zurück. Jakto Javan, der Schento, berief eine Konferenz ein, an der die wichtigsten laktonischen Militärs und Wissenschaft-
ler teilnahmen. Währenddessen kehrten die vier Terraner und Percip in einem kleineren Kreuzer in den Bereich der Erde zurück. In der Nähe des Mondes verringerte der Pilot des Kreuzers die Geschwindigkeit des Raumschiffes stark. Der Laktone Bekoval, ein hoher Offizier, ließ sich von einem Trakon-Schlachtschiff, das auf dem Mond stand, übersetzen. Percip ließ Rex Corda auf die Kommandobrücke rufen, als Bekoval den Kreuzer betreten hatte. Er ließ den Senator durch zwei Roboter abholen, die ihn zur Brücke begleiteten. Fatlo Bekoval stand mit gespreizten Beinen neben dem Piloten. Die muskulösen Arme verschränkte er vor der Brust. Er wippte belustigt auf den Fußballen, als Corda auf die Kommandobrücke kam. Neben dem Laktonen stand ein Mann, der auf den ersten Blick wie ein Knabe aussah. Er hatte kurzes, blaues Haar. Die Augenbrauen zogen sich bei ihm nicht nur bis zu den Schläfen, sondern wölbten sich von dort bis an das Kinn herab. Dieser „Rahmen" gab dem Gesicht etwas Komisches. Die lange Nase und die spöttisch funkelnden Augen unterstrichen den ersten Eindruck. Der Zwerg reichte Bekoval kaum bis über den Gürtel. Ga-Venga, der Kynother, glich das, was ihm an Größe fehlte, durch ausgefallene Kleidung aus. Er trug einen enganliegenden, glänzenden Anzug aus tiefschwarzem Stoff, der einen flammendroten Brustkeil hatte. Der Mann von Kynoth fungierte als persönlicher Dolmetscher Bekovals. Wie Corda mittlerweile wußte, genossen nur sehr wenige Laktonen das Recht, einen Kynother als Dolmetscher zu verwenden. Das ließ darauf schließen, daß Bekoval ein höheres Amt bekleidete als zunächst vermutet. Was
Bekoval bei den Laktonen wirklich darstellte, das wußte Rex Corda noch immer nicht. „Sie haben es also mal wieder geschafft", versetzte Fatlo Bekoval mit dumpf rollender Stimme. Seine Muskeln zuckten unter der engen Kleidung. „Ich bin zu Ihnen abkommandiert worden, um Ihnen bei der ... hm ... Ernte zu helfen!" „Danke", sagte Corda mit unbeteiligtem Gesicht. Er wollte nicht zu erkennen geben, wie froh er darüber war, daß Javan ihm Bekoval zur Seite gestellt hatte. Ein Blick zum Holografen bewies ihm, daß das Raumschiff sich in die Atmosphäre der Erde stürzte. Rex Corda konnte den Bereich der Bahamas gut übersehen. „Was ist denn das?" fragte er überrascht. Er eilte zum Pilotenstand, um dem Holografenschirm näher zu sein. Unwillkürlich folgten ihm die anderen. Der Bildschirm zeigte einen großen grauschwarzen Kreis zwischen den zahlreichen Inseln, der von einem dünnen, weißschäumenden Gürtel umgeben war. Corda sah Percip fragend an. „Was bedeutet das, Percip?" Der Laktone schüttelte verständnislos den Kopf. „Ich weiß es nicht! Das habe ich noch nie gesehen!" Er wandte sich an den Piloten und gab ihm den Befehl, sich dem Gebiet langsam zu nähern. „Es ist nicht größer geworden", behauptete Matson, der verkrüppelte Mutant. Er hatte sich auf die Komniandobrücke schleppen können. „Im Gegenteil — ich möchte behaupten, daß es kleiner geworden ist!" Der Pilot regulierte das dreidimensionale Bild des Holografensystems. Rasend schnell schoß die Semibiotkolonie heran. Jetzt war der weiße Gischtstreifen deutlicher zu erkennen, aber noch konnte niemand ausmachen,
wodurch er verursacht wurde. Der Pilot verringerte die Fahrt des Kreuzers weiter. Langsam senkte sich das Raumschiff über den Bahamas herab. Gleichzeitig sprach der Pilot mit mehreren Kommandanten anderer Raumschiffe, die sich an der Nordostküste Nordamerikas aufhielten. Corda sah einige raketenförmige Raumschiffe über Florida aufsteigen. Plötzlich erkannte Corda, was das Wasser aufschäumen ließ. „Sehen Sie sich das an, Percip! Delphine! Zehntausende! So etwas habe ich überhaupt noch nicht gesehen!" rief er erregt. Jetzt erkannten es auch die anderen. Corda hatte sich nicht geirrt. Das von Semibioten überwucherte und erstickte Gebiet umfaßte annähernd zwanzigtausend Quadratkilometer. Eine unübersehbare Menge von Delphinen umspannte das Gebiet. Immer wieder kamen die eleganten Meeresbewohner aus dem Wasser, das hoch aufspritzte, wenn sie in die Wellen zurückfielen. „Ich benötige einen Gleiter, Percip!" sagte Corda. Der Laktone verlor kein Wort. Er verließ die Kommandobrücke sofort, und Corda folgte ihm eilig. Percip öffnete eine Liftkabine, drängte den Senator auf die Erg-Platte und schoß mit ihm zum Heck des Kreuzers. Hier standen die geeigneten Gleiter, die in der Form den amerikanischen Sonnengleitern ähnlich waren. Nur erfolgte der Antrieb dieser Gleiter nicht durch Propellerschrauben, sondern durch gravitationsmechanische Laktonaggregate. Das langgestreckte Fahrzeug bot sechs Personen ausreichend Platz. Eine volltransparente Kuppel überspannte den Sitzraum. Percip erteilte laute Kommandos an die Bedienungsroboter. Minuten später schwangen die breiten Innenschotten geräuschlos auf. Das Rauschen der
Wellen drang schwer in den Hangar. Der Kreuzer schwebte jetzt in nur fünfhundert Metern Höhe über dem Atlantik. Percip ließ den Gleiter scharf absacken. Immer deutlicher wurde der Ring aus springenden Delphinleibern. Rex Corda strich sich massierend über den Nacken. Er hatte Kopfschmerzen. Bohrend zog es sich vom Nacken bis in den Hinterkopf hinauf. Er wunderte sich zunächst nicht über den Schmerz. Doch Percip hatte den Gleiter immer tiefer herabsinken lassen, und da wuchsen die Schmerzen. Das Blut hämmerte schmerzhaft in den Schläfen. Percip sah den Senator immer wieder fragend an. Verständnislos beobachtete er die springenden Delphine, die sich dicht am Rande der Nadelkolonie entlangbewegten. „Was geht hier vor, Mr. Corda? Warum tun diese Fische das?" Rex Corda rieb sich die Schläfen. Er schüttelte langsam den Kopf. „Das sind keine Fische, Percip, falls Sie damit intelligenzlose Tiere meinen. Delphine haben eine fast so hohe Intelligenz wie die Menschen!" Percip hüstelte spöttisch. Corda winkte unwillig ab. Die Kopfschmerzen quälten ihn. Er hatte jetzt keine Lust, auf Spaße einzugehen. „Nun, gar so niedrig ist der Intelligenzquotient der Menschen nicht, Percip. Wissen Sie eigentlich, ob die Laktonen Tests in dieser Richtung angestellt haben?" Percip winkte ab. „Das ist nicht nötig. Wir klassifizieren nach Zivilisationsstufe." „Sehr schmeichelhaft", knurrte Corda. Wieder preßte er die Handballen gegen die Schläfen — und dann fiel es ihm wie Schuppen von den Augen. Plötzlich wußte er, warum er Kopfschmerzen hatte. „Gehen Sie noch tiefer. Gehen Sie
bis ganz dicht an das Wasser heran. Ich muß die Semibioten aus der Nähe sehen!" rief er. Der Laktone mit der roten Kerbe auf der Oberlippe zuckte die Achseln — und senkte den Gleiter herab. Er verstand nicht, was Corda beabsichtigte. Für ihn war das ganze Geschehen überhaupt undurchsichtig. Rex Corda stieß die Tür auf und beugte sich tief aus dem Gleiter. Nur einen halben Meter unter ihnen stießen die nadelscharfen Ausläufer der orathonischen Semibioten durch die Wellen. Jetzt konnte Corda in aller Deutlichkeit erkennen, daß die Nadeln in der Nähe der springenden Delphine sehr schnell grau wurden und zerbröckelten, während sie einige Meter entfernt teilweise noch wuchsen. Percip achtete nicht auf Corda. Er sah zu den Delphinen hinüber, die jetzt höher sprangen, als der Gleiter über dem Wasser schwebte. „Folgen Sie bitte der Kante der Kolonie, Percip!" Der Laktone beschleunigte. Er hob den Gleiter etwas an, überflog den Streifen aus springenden Delphinen und senkte den Schweber jenseits wieder tiefer herab. Corda drehte den Kopf zu der Kolonie hin. Aber er sah nichts. Er hielt die Augen geschlossen und versuchte, seine Sondersinne zu aktivieren. Es gelang ihm noch immer nicht ganz, diese mutierten Hirnpartien willkürlich zu beeinflussen. Aber jetzt schaltete sich jener geheimnisvolle Gehirnteil langsam ein. Er überwand die bohrenden Schmerzen, und die Emotionswelle brandete über Corda herein. Das war fast noch schlimmer als die Schmerzen. Die Delphine tobten in glühendem Haß gegen den Parasiten, der sich durch den Atlantik fressen wollte. Vorsichtig zog sich Corda zurück. Es gelang ihm, seine Sinne soweit abzu-
kapseln, daß die Kopfschmerzen nicht zu stark wurden und die Haßgefühle der Delphine ihn nicht überwältigten. „Sind sie wirklich intelligent?" fragte Percip. Corda nickte. „Ja, sie sind es. Sie verfügen über eine passive Intelligenz. Ihr Körperbau verhindert, daß sie eine sichtbare Kultur errichten. Noch aber weiß niemand, ob es in den Tiefen der Meere nicht doch beachtliche Spuren der Tätigkeit der Delphine gibt." Percip schnippte mehrmals mit den Fingern. „Ein beachtlicher Planet, diese Erde!" Corda wollte etwas antworten, doch in diesem Augenblick brach es in seine Sinne ein. Für einen Moment war er wie gelähmt. Er fühlte die überragende Persönlichkeit, die sich ihm näherte. Hastig richtete er sich auf. Er sah sich nach allen Seiten um, konnte aber nicht das entdecken, was er suchte. Unaufhörlich schnellten sich die Delphine aus den Wellen. Sie schienen unermüdlich zu sein. Ihre Sprünge sahen so mühelos aus, als wären sie schwerelos. Ruhelos rutschte Corda auf seinem Sitz herum. Seine Blicke wanderten nach allen Seiten. Er fühlte deutlich, daß sich ihm etwas mit großer Geschwindigkeit näherte, aber er konnte nicht erkennen, aus welcher Richtung diese Persönlichkeit kam. Unwillkürlich richtete er sich auf. Er glaubte, eine Stimme zu hören. Doch urplötzlich schwächte sich das Fremde in seinem Innern ab. „Umkehren! Schnell!" rief er. Percip zögerte einige Sekunden. Immer schwächer wurde der Kontakt. „Schnell! Percip, zurück!" brüllte der Senator. Jetzt schaltete der Agent. Er riß den Gleiter herum und jagte dicht über den Wellen dahin. Corda fühlte, wie der Kontakt immer inniger wurde.
„Langsamer jetzt!" Seine Blicke glitten über die springenden Delphine, über die grau-schwarzen Nadeln der Semibioten. Und dann schrie er unwillkürlich auf. Inmitten der Kolonie sprang ein Delphin. Er befand sich in einem kleinen Becken, das noch nicht von den Semibioten überwuchert war. Der Delphin war fast weiß. Und er war ungewöhnlich groß. Die Zeichnung auf seiner massigen Stirn wich jedoch nicht von der gewöhnlicher Delphine ab. „Wabash!" rief Corda. „Wie bitte?" fragte Percip verwirrt. Corda antwortete ihm nicht. Er gab ihm mit hastigen Winken zu verstehen, wohin er den Gleiter führen sollte. Percip begriff schnell, nachdem er den weißen Delphin gesehen hatte. Sekunden später schwebten sie direkt über dem kleinen Becken. Scharfe Stacheln drohten von allen Seiten auf den weißen Leib des Delphins. Rex Corda fühlte den klaren Verstand Wabashs. Er kannte diesen Delphin. Er hatte ihn aus einem Becken in Los Angeles befreit, da niemand mehr in der Lage war, sich um einen Delphin zu kümmern. Wenig später hatte Wabash ihm bewiesen, daß er dankbar war. Er hatte Rex Corda aus einer nahezu hoffnungslosen Situation gerettet. „Verstehen Sie jetzt, weshalb die Delphine die Kolonie bekämpfen, Percip?" „Sie meinen, um diesen Delphin zu befreien?" Der Laktone zeigte auf Wabash, der jetzt senkrecht im Wasser schwamm und den breiten Kopf über die Wellen hinaushob. Die großen, intelligenten Augen beobachteten die beiden Männer in dem laktonischen Fahrzeug. Percip senkte den Gleiter bis auf die Wellen hinab. Corda sah dem Delphin
durch das offene Fenster unmittelbar in die Augen. Und plötzlich sprach der Delphin zu ihm. Der Kontakt war überraschend und bestürzend. Die Stimme in seinem Innern sprach so klar und deutlich, als wäre sie wirklich in ihm. Wabash war ein vollkommener Telepath. Sein Hirn unterhielt sich direkt mit dem Cordas. „Es müssen wichtige Dinge passieren, daß ihr euch nicht um das Geschehen in unserer Welt sorgt", sagte die telepathische Stimme in ihm. Der weiße Delphin sah ihn an. Die hochgezogenen Mundwinkel gaben Wabash ein sorgloses Aussehen. Es schien so, als grinse der Delphin fortwährend. „Nördlich von hier, in den großen Feldern, gibt es eine andere Kolonie. Sie soll noch größer sein als diese hier. Diese übersteigt bereits unsere Kräfte. Wenn ihr nicht bald etwas unternehmt, dann wird unsere und eure Welt versinken!" Corda sah zu dem Ring der springenden Delphine hinüber. Jetzt fiel ihm auf, daß die Zahl der Delphine an diesem Abschnitt besonders groß war. Die Semibiotkolonie zerfiel hier besonders schnell. Wabash würde frei sein. „Nördlich von hier?" rief der Senator. Er vermutete, daß Wabash das Sargasso-Meer meinte. „Ich habe die Zusage der Außerirdischen, daß sie uns helfen. Zieht euch zurück, damit die Waffen der Fremden euch nicht treffen!" So etwas wie geringschätziges Gelächter kroch durch sein Gehirn. „Wer sind die Fremden? Kommen sie von den Sternen?" Corda bestätigte die Frage überrascht. Er hatte nicht damit gerechnet, daß der Delphin den Begriff „Stern" richtig übermitteln würde. Bei dem telepathischen Kontakt gab es jedoch keine sprachlichen Irrtümer. Wabash war genau informiert über das, was er wissen mußte.
„Schick sie dorthin, woher sie gekommen sind! Wir brauchen sie nicht auf unserer Welt," versetzte Wabash. „Haben Sie uns diesen Würger geschickt?" „Mit Würger meinst du diese Kolonie?" „Sie saugt das Leben ab." „Sie wird verschwinden!" „Beseitigt das Fremde, das aus dem Nichts kommt. Es ist unerträglich. Es stört das Gleichgewicht." Verwirrt sah Corda den Laktonen an, doch dieser war noch verwirrter als der Senator. Percip empfing nichts von der telepathischen Sendung des Delphins. Er hörte nur die laut gesprochenen Worte Rex Cordas — und damit konnte er nicht viel anfangen. „Ich verstehe nicht", sagte Corda. „Das Fremde kommt von allen Seiten. Es kommt aus dem Nichts. Es preßt alles zusammen. Es muß verschwinden, sonst wird das Gleichgewicht brechen." Der weiße Kopf verschwand im Wasser. Corda sah, daß der Delphin dicht an den wuchernden Semibioten entlangschwamm. Wabash zog einen Kreis, schoß auf den Gleiter zu, schnellte sich urplötzlich hoch aus dem Wasser, flog an dem Gleiter vorbei — und tauchte jenseits des schmalen Ringes, der ihn noch vom offenen Wasser getrennt hatte, ein. Corda sah ihn noch einmal springen, dann jedoch verschwand Wabash im Gewimmel der anderen Delphine. Der schäumende Ring sank in sich zusammen. Zahlreiche Tiere strebten jetzt von der Kolonie fort. Immer weniger Delphine sprangen über die Wellen. „Sie wollten nur den weißen Delphin befreien", sagte Percip. Der Agent war wie benommen. Er griff nach dem Holografen und schaltete ihn ein. Der laktonische Kommandant des Kreuzers, der sie zur Erde gebracht
hatte, meldete sich. „Zerstören Sie die Kolonie! Aber seien Sie vorsichtig! Beginnen Sie im Zentrum, nicht an der Peripherie!" Er schaltete ab. „Sie haben sich auf telepathischem Wege mit dem Weißen unterhalten, Sir?" Rex Corda lehnte sich zurück. Er zündete sich eine Zigarette an. Nachdenklich sah er den verschwindenden Delphinen nach. Westlich von ihnen stieß der Kreuzer herab. Gleißende Glutbahnen zuckten aus dem schweren Leib in die Kolonie herab. Corda zuckte zusammen. Ihm war, als habe er einen gräßlichen Schrei gehört. Aber er war sicher, daß er sich getäuscht hatte. Niemand war in der Nähe, der hätte schreien, können. Oder ging doch mehr von diesen teuflischen Semibioten aus, als man bisher vermutete? Reichte ihr Einfluß bis ins Parapsychische hinein? * Auf der Kommandobrücke des Kreuzers empfing Fatlo Bekoval den Senator, der nach dem Absturz eines orathonischen Raumgiganten über Washington als ranghöchster Politiker der Vereinigten Staaten die politische Verantwortung übernommen hatte. „Ihr Freund Will Rimson versucht seit Stunden, Kontakt mit Ihnen zu bekommen", sagte der Laktone. Er ließ sich in einen der breiten Sessel im Kommandostand fallen und beobachtete den Mann, der an der laktonischen Verzweiflungsaktion teilgenommen hatte, mit der die Position der Orathonen auf der Erde empfindlich geschwächt wurde. Fatlo Bekoval wußte inzwischen, daß andere Politiker auf der ganzen Erde den Laktonen mit minutiöser Genauigkeit vorzurechnen
versuchten, welche Dienste sie dem außerirdischen Volk geleistet hatte, um seinen Kampf gegen Orathon zu stärken. Rex Corda wußte nichts von den beschämenden Aktionen des politischen Mobs. Senator Corda ließ sich vor einem Holografen nieder. Will Rimsons Gesicht erschien seltsam scheibenförmig, als der Holograf es zweidimensional zurückwarf. „Es wird Zeit, daß du dich meldest, Rex", begann der Wissenschaftler. „Es wird höchste Zeit, daß du dich um die Präsidentschaftswahl kümmerst. Dein Gegenkandidat Randy Seagren macht dir die Hölle heiß!" „Ja — und?" fragte Corda gelassen. „Was erwartest du von mir?" „Du mußt zum NORAD kommen und über die Fernsehsender sprechen. Seagren nutzt deine Abwesenheit von der Erde in gemeinster Weise aus." „Das läßt sich nicht ändern. Wir haben keine Zeit zu verlieren!" „Rex, du verlierst nicht viel Zeit, wenn du Seagren entgegentrittst." „Wann ist es soweit? Wann wird gewählt?" „In zehn Tagen." „Dann habe ich noch viel Zeit! Erkläre den Leuten, was ich tue." Will Rimson biß sich ärgerlich auf die Lippen. „Verdammt, Rex, was tust du denn? Niemand von uns weiß Bescheid, was geschieht!" Rex Corda lächelte entschuldigend. „Das gesamte Sonnensystem wimmelt von Trümmern und Wracks aller möglichen Raumschiffstypen. Wie ich erfuhr, haben wir nach, dem geltenden galaktischen Recht einen Entschädigungsanspruch, den wir zum Teil dadurch befriedigen können, daß wir das Schlachtfeld absammeln. Dabei geht es um Stunden. Je mehr Zeit wir
verstreichen lassen, desto weniger werden wir finden. Die meisten Trümmer stürzen auf die Planeten und in die Sonne. Ich kann es mir nicht leisten, jetzt Zeit zu verschwenden. Ich werde mit einigen Raumschiffen starten und versuchen, etwas für die Erde zu finden, das uns entscheidend weiterbringt. Ich muß ja wohl nicht über den Sinn einer solchen Aktion sprechen — oder?" „Nein — natürlich nicht", sagte Will Rimson nach einer kleinen, nachdenklichen Pause. „Also gut, ich übernehme es, hier für Ordnung zu sorgen." Fatlo Bekoval, der hinter dem Sessel stand, beugte sich über Cordas Schulter und schaltete das Gerät aus. „Alles klar?" fragte er. „Alles klar", nickte Corda. „Setzen Sie Fred Matson, Baker und Doktor Konsinsky ab. Sie bleiben auf der Erde. Fordern Sie zwanzig Offiziere vom NORAD an. Sie werden uns begleiten!" „Das hätten wir eben machen können, als Sie mit Rimson sprachen!" „Eben", lächelte Corda. „Ich habe nicht abgeschaltet, Bekoval." Der massige Laktone knurrte unwillig. Rex Corda fiel auf, daß der Offizier sich etwas verändert hatte. Ein fast freundschaftliches Verhältnis hatte sie nach den gemeinsamen Einsätzen verbunden. Jetzt erhob sich eine dünne Wand zwischen ihnen. Was war vorgefallen? Was hatte Bekoval verändert? Es sollte noch sehr lange dauern, bis Rex Corda den Grund für das veränderte Verhalten des Laktonen erfuhr. * Sechs Raumkreuzer schossen über die Mondbahn hinaus in den Raum. Mit diesen laktonischen Raumschiffen startete Rex Corda die Aktion „Schlacht-
feld". Percip, der laktonische Agent, blieb ständig in Cordas Nähe. Zu ihm hatte der Senator bedenkenloses Vertrauen. Percip war nicht auf Lakton, dem Zentrumsplaneten des riesigen Reiches, geboren. Percip stammte aus Lithalon. Die rote Kerbe seiner Oberlippe wies auf Mutation hin. Die Abstammung von Lithalon mochte der Grund dafür sein, daß Percip oft nicht so loyal zu Lakton stand, wie es eigentlich hätte sein sollen. Percip erläuterte Corda den Plan. „Der gesamte solare Raum ist erfaßt. Jedes größere Trümmerstück ist registriert. Die Positionen sind in unseren Computern enthalten!" „Lakton kommt der Erde großzügig entgegen", versetzte Corda ironisch. „Woher die plötzliche Freundschaft?" Percip beugte sich zu dem Senator herab. Er wollte etwas sagen, aber in diesem Augenblick stampfte Bekoval auf die Kommandobrücke. Mißtrauisch verengten sich seine Augen. Ga-Venga, der Kynother, der ihm wie ein Schatten folgte, grinste abgründig. „Lakton ist zu diesen Maßnahmen verpflichtet", behauptete Percip. Bekoval ging zu dem Piloten und ließ sich neben ihm in den Kommandositz des Kommandanten fallen. „Das erste Wrack, das wir ansteuern, stürzt langsam auf den vierten Planeten zu", erklärte Bekoval. „Wir müssen uns beeilen." Percip räusperte sich. Der Kynother sah auf seine sorgfältig polierten Stiefelspitzen. Rex Corda war hellwach. Er fühlte, daß etwas nicht in Ordnung war. Mißtrauisch versuchte er, die Gefühlssphäre der Männer zu erfassen, aber sie hatten sich alle beispielhaft in der Gewalt. Voller Unbehagen ließ Corda sich in einen bereitstehenden Sessel sinken. Percip und Ga-Venga wichen seinen
Blicken aus. Es überraschte Corda nicht, daß GaVenga sich in seinen melancholischen Singsang rettete, den er jedesmal anstimmte, wenn er aus irgendeinem Grunde keine Antwort geben wollte. * Das Wrack war ein Hantelraumer, dessen Kugeln vierhundert Meter Durchmesser hatten. Beide Kugeln hatten schwere Treffer davongetragen. In den Seiten des Hantelraumers klafften riesige Löcher. Auch das dicke Verbindungsstück zwischen den beiden Kugeln war halb zerstört. Das orathonische Wrack taumelte langsam um seine Längsachse. „Raumanzüge anlegen!" befahl Bekoval. „Wir werden uns diesen Burschen ansehen!" Ga-Venga, der Kynother, übersetzte so schnell und so geschickt, daß es den anwesenden Terranern gar nicht bewußt wurde, daß Bekoval in laktonischer Sprache gesprochen hatte. Die Offiziere, die ausnahmslos von den US-Air-Forces kamen, griffen nach den bereitliegenden Raumanzügen. „Nein!" sagte Corda. Bekoval, der mit dem Piloten sprach, stockte mitten im Satz. Langsam drehte er sich um. Ungläubig sah er den Senator an. Ga-Venga beschäftigte sich eingehend mit seinem SpezialRaumanzug. Percip sah scharf zu dem Senator hinüber. „Ich habe nichts verstanden, Sir", sagte Bekoval lautstark. „Ich sagte nein! Und falls das immer noch nicht klar ist: Die Erde verzichtet auf dieses Raumschiff!" antwortete Corda mit schneidender Stimme. Fatlo Bekoval sprang auf. „Falls Sie nicht verstanden haben sollten, Bekoval, dann lassen Sie sich
meine Worte von Ga-Venga übersetzen. Ich lehne jede Diskussion ab!" Rex Corda ging mit energischen Schritten zu Percip. „Zeigen Sie mir die Position der anderen interessanten Objekte!" Percip zögerte. „Sprechen Sie plötzlich kein Englisch mehr, Percip?" peitschte die Stimme Cordas. „Welches Objekt fliegen wir nach diesem an?" „Aber, Sir, Sie sollten .. ." Der Senator schnitt ihm mit einer energischen Geste das Wort ab. Er stand dicht vor dem Laktonen und starrte ihm kalt in die Augen. Obwohl Corda schon ungewöhnlich groß war, mußte er nach oben sehen. Percip war über zwei Meter groß. Der Agent wandte sich ab. Seine Finger huschten über die Steuertasten des Computers. Mehrere kleine Plastikkarten flitzten aus dem Auswurfschlitz. Bekoval stand plötzlich neben ihnen. Seine breite Hand fiel schwer auf die Karte herab. „Hier befehle ich!" „Das ist ein Irrtum, Bekoval", sagte Corda leise. „Diese Aktion richtet sich allein nach meinen Empfehlungen! Das wäre schade, wenn Sie mir widersprächen!" Ga-Venga kicherte. Der Kynother kannte Bekoval gut genug. Er wußte, daß Corda ihn mit einfachen Worten geschlagen hatte. Bekoval hatte diesen ruhigen Worten nichts entgegenzusetzen. Eine scharfe Erwiderung wäre dagegen ganz nach seinem Geschmack gewesen. Bekoval reagierte ganz anders, als Corda erwartet hatte. Er schnellte herum, seine flache Hand zischte wie ein stählernes Schwert durch die Luft. GaVenga schrie erstickt auf. Er ließ sich gedankenschnell fallen. Doch nicht schnell genug. Die Fingerspitzen trafen ihn an der Schläfe. Der Schlag war im-
merhin noch stark genug, den zwergenhaften Kynother zu Boden zu schmettern. Benommen blieb Ga-Venga liegen. Er lächelte. Seine Lippen formten ein lautloses Lied. Rex Corda bückte sich, packte seinen Arm und zog ihn langsam hoch. Kalt musterte er Bekoval. „Ich werde noch dahinterkommen, welches Spiel Sie plötzlich treiben, Laktone!" Rex Corda ließ sich von einem Offizier eine Zigarette und Feuer reichen. Bekoval wich langsam zurück. Er verabscheute Zigaretten, seitdem er sich einmal an ihnen versucht hatte. „Ich bestimme, welche Objekte in welcher Reihenfolge ausgesucht werden. Percip, helfen Sie mir!" Rex Cordas Stimme ließ keinen Zweifel darüber, daß er seinen Willen durchsetzen wollte. Fatlo Bekoval ballte die Fäuste, trat zwei Schritte zurück und donnerte seine Faust dann plötzlich mit verheerender Wucht auf das Instrumentenpult herab. Kleine Plastiksplitter platzten knirschend ab. Bekoval stieß einige rauhe Laute aus. „Soll ich diese Flüche auch übersetzen, Mr. Corda?“ erkundigte sich GaVenga freundlich. Bekoval richtete sich auf. Er rieb sich die Stirn. „Ich verstehe nicht, was mit mir los ist, Sir", keuchte er schwerfällig. „Es tut mir leid. Ich werde das Oberkommando von Ihren Absichten verständigen!" Rex Corda schüttelte lächelnd den Kopf. „Auch das werden Sie nicht, Bekoval." Er stellte sich vor den Teil des langen Steuerleitpultes, von dem aus die bisherigen Raumgespräche geführt worden waren. Percip gab dem Piloten die neue Po-
sition an. Corda verbesserte nicht. Er vertraute dem Mann von Lithalon, GaVenga grinste versteckt. * Eine Stunde später brachten sie einen Diskusraumer auf. Es war ein AVAUT-T-Typ, dessen größter Durchmesser 53 Meter betrug. Der Diskus hatte einen schweren Strahltreffer erhalten. Percip stellte fest, daß das Antriebsaggregat nur geringe Schäden davongetragen hatte, während das Steuerleitsystem völlig in der Glut aufgegangen war. Trotz des schweren Treffers blieb der Diskus von außerordentlich hohem Wert für die Erde. Überraschenderweise fanden sie keinen Orathonen und keinen Roboter im Diskus. Es gab jedoch keine Diskussion darüber. Die laktonischen Spezialisten nahmen sich des Raumschiffes an und gaben ihm eine Beschleunigung. Dabei änderten sie seinen Kurs so, daß der Diskus sich irgendwann im Schwerefeld der Erde fangen mußte. Er würde in einer Kreisbahn um die Erde gleiten. Sie versahen das Wrack mit einem Funkzeichen, das eine versehentliche Vernichtung ausschließen sollte. * Zwei Stunden später legten sie bei dem orathonischen Arca-Kreuzer an. Percip gab diesem Hantelraumer, dessen Kugeln zwei Kilometer durchmaßen, diese Typenbezeichnung. Eine der beiden Kugeln fehlte zur Hälfte. Die andere hatte einen Durchschuß erhalten. Der Tunnel, der quer durch die Kugel führte, hatte einen Durchmesser von fast vierzig Metern. Der Hantelraumer trieb mit 22,5 Meter pro Sekunde auf die Sonne zu. „Wir benötigen Hilfsmannschaften
und Raumschiffe, damit wir Schiffe wie diese ausschlachten können", sagte Rex Corda zu Percip. „Kolosse wie diese können wir niemals zur Erde bringen!" Percips Augen blitzten belustigt auf. „Lakton gewährt Ihnen großzügige Hilfe, Senator", sagte er leise. „Aber Lakton rüstet niemanden so aus, daß er Schaden anrichten kann!" Plötzlich begriff Corda. Er machte sich Vorwürfe, daß er nicht schon lange erfaßt hatte, nach welcher Taktik Lakton vorging. Natürlich würde die laktonische Flotte ihm keine vollwertigen Kampfraumer in die Hand spielen. Sie würden ihm noch nicht einmal Waffen übergeben, mit denen er ein Laktonschiff vernichten konnte. Lakton würde ihm nur einige Spielereien geben, mit denen die Wissenschaftler der Erde genügend lange ausgelastet waren. Er hatte keine Kontrolle darüber, ob die Laktonen der Erde halfen oder nicht. Er konnte nicht kontrollieren, ob die Flugbahn des aufgebrachten Diskus' tatsächlich in eine Kreisbahn um die Erde einmünden Würde. „Percip", versetzte Corda mit kühlem Lächeln. „Damit wir uns verstehen: Fred Matson wird nicht eher zum Einsatz kommen, bis ich sehe, daß Lakton uns nicht betrügt. Wenn der Diskus versehentlich in der Erdatmosphäre verglühen sollte, weil sich dummerweise ein winziger Fehler eingeschlichen hat, dann könnte es sein, daß Matson plötzlich gar nicht mehr so hilfsbereit ist, wie wir ihn gern hätten." Percip zeigte keine Reaktion. Mit ruhiger Hand griff er nach den nächsten Informationskarten. „Wollen wir uns das Schiff nicht ansehen?" fragte er. Corda nickte. Er gab einem der wartenden Roboter einen Wink. Sie brachten seinen Raumanzug.
* Rex Corda glitt hinter Percip zu dem Wrack hinüber. Neben ihm schwebten zwei terranische Offiziere. Bekoval war im Kreuzer geblieben. Sieben Roboter bildeten die Hilfstruppe, die notfalls den Weg durch die Trümmer bahnen sollten, wenn es nicht gelang, tief genug in das Wrack vorzudringen. Die Männer in den roten Raumanzügen strebten auf das mächtige Verbindungsstück zwischen den beiden Kugeln zu. Percip hangelte sich an die halboffene Zentrumsschleuse heran. Seine Helmlampe riß die zerschmolzenen Ränder aus dem Dunkel. Der Spalt in der Wand erwies sich als groß genug. Die Männer konnten sich gefahrlos hindurchschieben. Corda schaltete seine Helmlampe an. Hinter dem laktonischen Agenten glitt er in die Schleuse. Er schluckte hart, als er die beiden toten Orathonen sah, die mitten in der Schleuse schwebten. Bei beiden war der Raumhelm zersplittert. Percip ließ sich auf den Boden sinken. Corda hörte das leise Klicken der Spezialsohlen durch seinen Lautsprecher. Percip schaltete den Antigravitationsautomaten seines Raumanzuges auf 0,5 Terra-g, um geringes Gewicht zu haben. Das war genug, um sich ausreichend zu bewegen, ohne unnötige Last zu schaffen. Corda trieb an den Laktonen heran. Percip ergriff seinen Gürtel und zog den Senator zu sich heran. Er schaltete an Cordas Gürtel. Sofort stellte sich ein leichtes Schweregefühl ein. Corda hörte die leisen Befehle, die Percip erteilte. Die Roboter halfen den Offizieren. Das Innenschott der Schleuse stand weit offen. Sie konnten ohne Schwierigkeiten ins Schiffsinnere eindringen, und Corda verstärkte das Licht seines Scheinwerfers. Er ließ es über die Ma-
schinen und Raumgleiter im Hangar gleiten. Der Anblick war nicht angenehm, Überall schwebten tote Orathonen. Sie alle hatten es nicht mehr geschafft, die zahlreichen Rettungsfahrzeuge zu erreichen. Corda erkannte Whims, Staras, Trops und Ätzer. In zwei noch offenen Raumgleitern saßen vier Orathonen. Straffe Gurte zwangen sie an die Polstersitze. Auch für sie war es zu spät gewesen. „Der Griff war nicht schlecht, Sir", sagte Percip trocken. „Hier gibt es genügend Material für die Erde." Er gab Corda einen Wink, ihm zu folgen, während die Roboter damit begannen, einige Raumgleiter und Disken durch die Schleusen hinauszuschaffen. Percip stieß ein rundes Schott auf, das nur leicht angelehnt gewesen war. Er drehte sich nach Corda um, um sich davon zu überzeugen, daß dieser ihm folgte. So sah er nicht, daß hinter ihm ein kleines Licht für Sekundenbruchteile aufblitzte. Aber Rex Corda hatte es bemerkt. Ein Schrei würgte sich ihm auf die Lippen, doch er unterdrückte ihn im letzten Augenblick, um sich dem Ver-. borgenen nicht zu verraten. * Der Gouverneur von Kalifornien, Randy Seagren, peitschte die Massen auf. Er kannte keine Hemmungen und keine Rücksicht. Er scheute vor keinem Mittel zurück, um seine Popularität zu steigern und Rex Corda zu diffamieren. Die Laktonen, die ihn heimlich unterstützten, spielten einige geschickte Meldungen in die Televisionssendungen ein, die den Feldzug Seagrens unterstützten. Im NORAD reagierte man mit Empörung auf das Verhalten des Gouverneurs. Will Rimson weigerte sich lange, mit diesem Politiker zu sprechen. Diese
integre Persönlichkeit brachte einfach kein Verständnis für die Schachzüge Seagrens auf. Die Offiziere im NORAD hatten große Mühe, den Wissenschaftler umzustimmen. Will Rimson veranlaßte, daß der Nachrichtendienst den Gouverneur überwachte. Aber wider Erwarten war ihm kein Kontakt mit den Laktonen nachzuweisen. Es sah alles so aus, als wäre Seagren wirklich von dem überzeugt, was er sagte. Will Rimson stimmte einer Diskussion mit Seagren zu. Allein die Ankündigung dieser Aussprache ließ die Chancen des Gouverneurs erheblich sinken. Der Wissenschaftler Rimson war bekannt und beliebt. Es gelang Seagren nicht, die Glaubhaftigkeit Rimsons zu erschüttern. Daraufhin zog er sich in der letzten Minute mit einem Berg von Schmähungen von der Diskussion zurück. Und wieder gelang es ihm, seine Behauptungen so anzubringen, daß sie auf die Masse glaubhaft wirkten. Er schob die Schuld für den Ausfall der Diskussion Rex Corda zu. Rex Cordas Chancen sanken weiter. * Corda sprang zu Percip hinüber und drängte ihn zur Seite. Seine Hand schlug nach seinem Helm. Das Licht erlosch. „Corda! Was haben Sie .. .!" rief der Laktone. Rex Corda unterbrach ihn mit einem scharfen Zischen. Er drückte seinen Raumhelm dicht gegen den Percips, nachdem er sein Sprechfunkgerät abgeschaltet hatte. „Es ist noch jemand im Schiff", rief er, in der Hoffnung, daß die Schwingungen sich durch den Helmkontakt übertragen würden. Percip verstand die Worte zwar nicht, aber er schwieg.
Er zog sich mit Corda zurück, um die anderen zu verständigen. In diesem Augenblick segelten zwei dunkle Gestalten blitzschnell durch das Dunkel heran. Sie prallten hart gegen die beiden Männer und rissen sie von den Füßen. Rex Corda fühlte eine grausam zupackende Hand an seinem Raumhelm. Die Hand zerrte an dem Verschluß. Er warf sich herum, versuchte den unsichtbaren Feind loszuwerden. Die Arme des anderen umspannten ihn wie ein Schraubstock. Die Knie stießen nach seinem Leib, doch Corda konnte ausweichen. Irgendwie schaltete sich sein Funksprechgerät wieder ein. „... Helm zu öffnen!" gellte die Stimme Percips aus den Lautsprechern. „Es sind Orathonen. Wahrscheinlich ist ihr Sauerstoffvorrat erschöpft." Ein wilder Fluch folgte, dann ein erleichtertes Aufatmen. Corda drehte sich zur Seite. Seine Hände krallten sich verzweifelt in die Arme des unsichtbaren Gegners. Er versuchte, sie von seinem Helm wegzuziehen. Und es gelang. Corda atmete auf. Er stieß nach dem Gegner — und traf ihn nicht. Darauf hatte der Orathone nur gewartet. Aus dem Dunkel raste eine Faust heran. Sie knallte mit gräßlicher Wucht gegen den Raumhelm Rex Cordas. Corda hörte das harte Material knirschen. Eiskalt überlief es ihn. Für einen entsetzlich langen Augenblick glaubte er, die Splitter des Helms im Gesicht zu spüren. Grelles Licht flammte auf. Das verzerrte Gesicht eines Orathonen tauchte aus dem Dunkel. Die untersetzte, bullige Gestalt sprang ihn mit einem tigerhaften Satz an. Corda stieß mit der Hand gegen den Regulator des Antigravitationsautoma-
ten. Schlagartig hieben fünf g auf ihn ein. Sie schmetterten ihn zu Boden — und der Orathone wirbelte über ihn hinweg, vom eigenen Schwung in die geschulten Fäuste Percips gerissen. Rex Corda hörte, wie der Laktone mit den Zähnen knirschte. Kurz darauf kam ein knirschendes, häßliches Geräusch. Sekundenbruchteile später senkte sich lähmende Stille über den Gang. Cordas Hand arbeitete sich mühsam an den Regulator heran, schob ihn in die alte Stellung zurück. Der Senator atmete auf. Ein erleichtertes Lächeln wollte sich in seine Züge stehlen — bis er den Orathonen sah, den der laktonische Agent überwältigt hatte. Schaudernd wandte Corda sich ab. * Percip dachte nicht daran, die Untersuchung jetzt abzubrechen. Er beorderte zwei Kampfroboter aus dem Kreuzer herbei, wartete, bis die beiden Metallkolosse bei ihnen waren, und schickte sie dann voraus. Die starken Scheinwerfer schleuderten die Schwärze in die tiefsten Spalten und Risse zurück, die die laktonischen Waffen in den Riesenleib des Raumschiffes gerissen hatten. Als sie die Kugel des Hantelraumers erreichten, die den Energiedurchschuß erhalten hatte, liefen sie in eine Sackgasse. Unüberwindliche Trümmer stellten sich ihnen entgegen. „Viel ist nicht mehr übriggeblieben, Sir", bemerkte Percip trocken. „Hier ist nicht viel zu holen für die Erde." „Und wenn wir nur einen Diskus finden, dann haben wir einen großartigen Fund gemacht!" sagte Corda. „Wir gehen weiter." „Na schön." Percip gab den beiden Robotern den Auftrag, einen Durchbruch zu schaffen.
Er und Corda zogen sich etwas zurück. Die Kampfroboter feuerten mit starken Energieprojektoren auf die Trümmer. Aufglutend spritzte das zerfetzte Metall zur Seite. Sekunden später war der Durchgang frei. Es kühlte blitzschnell ab. Die beiden Kampfmaschinen stiegen über die Trümmer. Sie rannten direkt in den Explosionsblitz der kleinen Bombe hinein. Percip sprang schon gegen Corda, als der erste Schimmer der Bombe sichtbar wurde. Er schleuderte ihn zur Seite. Im Explosionslicht erkannte Corda meterdicke Trümmerstücke, die mit verheerender Wucht durch den Gang rasten, in dem sie eben noch gestanden hatten. Doch mitten in der erlöschenden Glut stand einer der beiden Roboter — unverletzt und kampfbereit. Seine Strahlwaffen schleuderten vernichtendes Feuer in die Verstecke und Schlupfwinkel der Gegner. Doch mit keinem Laut verrieten sie, ob sie Erfolg hatten oder nicht. Die klare, unbeteiligte Stimme Percips rüttelte auf. Der Laktone gab seine Meldung an den Kreuzer durch. Er forderte eine Gruppe Kampfroboter zur Säuberung des Schiffes. Als er schwieg, klang die metallene Stimme des Roboters in den Helmen der beiden Männer auf. „Widerstand gebrochen. Der Weg ist frei!" Percip schaltete seine Helmlampe an und leuchtete Corda an. Auch Corda ließ seine Lampe wieder aufflammen. „Ich begreife nur eines nicht", sagte Rex Corda kopfschüttelnd. „Hinten im Verbindungstrakt lagern zahlreiche Raumschiffe, mit denen die Gefiederten sich leicht hätten retten können. Warum haben sie es nicht getan? Warum blieben sie hier?" „Sie konnten nicht durchbrechen,
Sir", mischte sich ein Roboter ein. „Durch den schweren Treffer, den die Kugeleinheit erhielt, entstanden so schwere Schäden, daß diese Gruppe völlig eingeschlossen wurde. Die Barrieren wurden eben erst überwunden." Percip stieß einen leisen Pfiff aus. „Deshalb also. Da sind wir im ungünstigsten Augenblick erschienen!" Er sprang auf und ging langsam den Gang entlang. Corda folgte ihm. Der Roboter wartete auf sie. Kaum sichtbar glänzte sein Schutzschirm, mit dem er sich absicherte. „Warum tragen wir nicht auch diese Schutzschirme, Percip?" erkundigte sich Corda. „Ließe sich unsere Sicherheit nicht erheblich steigern, wenn wir uns ebenfalls durch energetische Schirme schützten?" Percip lachte leise. „Die Frage mußte kommen, Senator", versetzte er belustigt. „Natürlich können wir uns mit Schutzschirmen umgeben, aber dann können wir selbst nur sehr schwer aktiv in einen Kampf eingreifen. Ein Schutzschirm wehrt alle Energien ab. Es ist jedoch gleich, ob sie von außen auf ihn einwirken oder von innen. Das bedeutet, ebensowenig wie ein Orathone Sie mit einem Strahlgewehr erschießen kann, können Sie zurückschießen, weil der Energieschirm alle Energien abfängt. Bei Robotern ist es möglich, den Schirmfeldgenerator so mit dem Waffensystem abzustimmen, daß Schußsektoren im Schutzschirm geöffnet werden, wenn der Roboter feuern will." Der Laktone lachte leise. „Ziemlich kompliziert, nicht?" „Durchaus nicht", gab Corda zurück. „Warum aber läßt sich die Schußwaffe nicht auch auf den Generator eines Raumanzuges abstimmen?" „Weil dann die Gefahr besteht, daß der Gegner in die Abstimmung eingreift
und per Funkbefehl Ihren Schutzschirm öffnet." Corda biß sich auf die Lippen. „Das hätte ich mir allerdings auch selbst sagen können", lächelte er. Sie traten durch eine bizarre Öffnung in eine weitläufige Halle, in der zahlreiche Fahrzeuge lagen. Die meterdikken Panzerplastwände wiesen blasige Aufwürfe auf, die darauf hinwiesen, daß die Featherheads hier einen Ausbruchversuch gemacht hatten. Corda erkannte nur zwei Orathonen, die reglos mitten in der Halle schwebten. Beide zeigten kein Leben mehr. „Schade", meinte Percip. „Die meisten Stücke sind zerstört." Er ging auf einen flachen Diskus zu, der in der Mitte durchgebrochen war. Das Raumfahrzeug erhob sich, bis in sechs Meter Höhe. Als Percip und Corda bis auf zwei Meter an den Diskus herangekommen waren, fühlten sie plötzlich ein schmerzhaftes Zittern im Boden. Gleichzeitig flog der Diskus auseinander. Winzige, perlenhafte Bruchstücke hagelten auf den Raumanzug Cordas. Er warf sich zu Boden. Der Roboter feuerte schräg in die Höhe. Corda erkannte aus den Augenwinkeln einen Orathonen, der sich mit einem kühnen Satz hinter einem zerfetzten Raumgleiter in Sicherheit brachte. In der Armbeuge trug er ein kurzläufiges, plumpes Gerät, das wie ein Gewehr mit übergroßer Geschoßkammer aussah. Mitten im Sprung riß der Gefiederte das Gerät herum. Corda sah blasse Flammenzungen in der Mündung, und dann war der Orathone verschwunden. Der Lakton-Roboter löste sich in Staub auf. Percip fluchte ausgiebig. „Das ist doch nicht möglich!" keuchte er endlich. „Was ist los, Percip?" „Dieser verdammte Kerl benutzte
ausgerechnet eine laktonische Spezialwaffe", knurrte der Laktone wütend. „Passen Sie auf, Corda. Ein Treffer wäre tödlich. Der Kerl hat das unverschämte Glück gehabt, den Roboter ausgerechnet in dem Augenblick zu treffen, in dem dieser seinen Schutzschirm zum Feuern öffnete. Es ist nicht zu fassen!" Er schnellte sich hoch. Seine Strahlwaffe blitzte auf. Der sonnenhelle Blitz zuckte quer durch die Halle, in der es nicht völlig dunkel war. Die Strahlschüsse Percips ließen die Halle taghell aufleuchten. Corda benutzte die Chance. Er schaltete den Antigravitationsautomaten ab und federte sich mit aller Kraft ab. Er segelte quer über den Diskus hinweg, befand sich für kaum eine Sekunde im Schußfeld des Orathonen und glitt dann hinter einem hohen Panzerplastgestell in Sicherheit. Er sah, daß hinter ihm zwei graue Kreise in der Hallenwand entstanden. Es waren Kreise, die einen Durchmesser von etwas mehr als einem Meter hatten. Aus ihnen schoß eine dichte Wolke zerpulverten Panzerplastes hervor. „Wie macht der Kerl das?" staunte Corda. „Zerpulvert er das Metall wirklich?" Percip knurrte undeutlich. Corda sah den Laktonen, der ebenso wie er selbst längst den Helmscheinwerfer ausgeschaltet hatte, wie einen Schatten über den Boden gleiten. Im gleichen Augenblick tauchte der Orathone aus dem Dunkel. Er hatte es geschafft, Percip in den Rücken zu kommen. Jetzt sprang er vor. Im düsteren Halbdunkel sah Corda, wie der Featherhead seine Waffe hochriß. Instinktiv schoß der Senator. Die Strahlwaffe zuckte hektisch in seiner Hand. Zwei Meter hinter Percip entstand eine Glutwolke. Der Lithalonier
sprang mit einem unterdrückten Schrei auf. Seine Waffe zuckte hoch, doch er brauchte nicht mehr zu schießen. Der Gefiederte existierte nicht mehr. Rex Corda sah die gefährliche Waffe des Gegners zur Decke hinaufschweben. Er schaltete an seinem Antigravitationsautomaten und stieß sich ab. Er wunderte sich, daß es ihm gelang, die Richtung genau zu treffen. Eine Minute später schlangen sich seine Finger um die Waffe. „Passen Sie auf!" schrie Percip. Corda, vom Antigravitationsautomaten langsam nach unten gezogen, warf sich im Fall herum. Das Raumschiff lag zwanzig Meter von ihnen entfernt auf einer kleinen Erhöhung. Es war in drei Teile zerbrochen. Aus einem der Spalte war der Grünhäutige hervorgekommen. Er zielte mit einem Strahlgewehr auf Corda. Corda riß die Beutewaffe hoch. Es war ein ungeheures Glück, daß er den Abzug berührte. Die Waffe zuckte kurz. Der Glutstrahl des Orathonen schoß lautlos über Corda hinweg. Der Orathone aber brach zusammen. Er schlug seinen linken Arm grotesk zur Seite. Diese Bewegung riß ihn vom Diskus in die Höhe und ließ ihn schwerelos gegen die Hallendecke taumeln. Diesmal wartete Corda. Er schaltete seinen Helmscheinwerfer an und leuchtete die dämmrige Halle aus. Jetzt erkannte er auch, daß das spärliche Licht aus den Wänden selbst kam. „Mir scheint, daß alles sauber ist", versetzte Percip. Rex Corda antwortete nicht. Er sah die laktonischen Roboter, die in rasender Geschwindigkeit in den Hangar stürzten und sich ringsum an den Wänden aufstellten. Corda fühlte sich sicher. Er stieß sich wieder ab und schwebte zu dem Orathonen hinauf. Er faßte ihn am Gürtel und zog ihn sanft hinab.
Ein Finger fehlte an der linken Hand des Featherhead. Die Atemluft war explosionsartig aus dem Raumanzug gewichen. Corda ließ den Toten neben dem Diskus auf den Boden gleiten, neben dem Percip stand. „Er starb durch das Taumel-Gewehr", sagte Percip. Corda sah ihn ungläubig an. „Das ist doch nicht möglich, Percip. Ich traf ihn nur am Zeigefinger. Das kann ihn nicht getötet haben!" Percip sah sich flüchtig nach den Robotern um, die die Halle systematisch absuchten. Er zuckte überrascht zusammen, als sie aus einem bodengebundenen Fahrzeug doch noch zwei Orathonen herausholten. Er gab den Robotern einen kurzen Befehl. Die Kampfmaschinen führten die Gefangenen ab. „Percip! Diese Verletzung kann den Gefiederten nicht getötet haben!" wiederholte Corda erregt. Percip lächelte beruhigend. „Doch! Es war das Taumel-Gewehr. Darf ich mal, bitte?" Er nahm Corda das Gewehr ab und öffnete die Geschoßkammer. Er brachte kleine Geschosse zum Vorschein, die wie gegeneinander versetzte Kegelstümpfe aussahen. „Das Taumel-Gewehr ist so konstruiert, daß diese Geschosse einen gewissen Taumel-Effekt erhalten. Beim Aufschlag verursachen sie einen sehr starken Vibrationsschock. Die übermittelte Vibration ist so stark, daß damit ganze Mauern umgeschossen werden können. Der Schock ist tatsächlich so groß, daß organische Gewebe völlig zerrüttet werden. Wenn Sie es mir nicht glauben, dann lassen Sie den Orathonen von Ihren Medizinern untersuchen. Das muß Sie überzeugen." Rex Corda fiel jetzt ein, daß die amerikanischen Erfinder bereits vor dem dritten Weltkrieg, der die irdischen Zi-
vilisationen wieder um Jahrzehnte zurückgeschleudert hatte, an einem ähnlichen Gewehr gearbeitet hatten. Ihm fiel auch der Name ein, unter dem das Projekt gelaufen war: Reeling-Gun! Er als Vorsitzender des Verteidigungsrates war selbstverständlich über alle Entwicklungen ausreichend informiert gewesen. Er wog das Gewehr in den Händen. „Auch das gehört der Erde, Percip!" sagte er. Der Laktone lächelte verständnisvoll. Corda schien es sogar so, als leuchte es kurz in den Augen des Agenten auf. Wollte Percip ihm etwas sagen? Er hatte das Gefühl. Doch Percip mußte schweigen, wenn der Raumkreuzer nicht mithören sollte. Das Funksprechsystem kannte keinen heimlichen Informationsaustausch ! * Rex Corda und der laktonische Agent Percip durchstreiften das gesamte Raumschiff. Es dauerte zwölf Stunden, bis Rex Corda einigermaßen sicher war, daß er nichts verschenkte, als er den Raumer freigab. Die Laktonen machten kurzen Prozeß. Die Roboter hatten alles Material, das die Erde beanspruchte, ausgeräumt und in die zum Teil völlig intakten Kleinraumschiffe verladen. Jetzt montierten Arbeitsroboter Schubsätze an den Hantelraumer, um ihn zu beschleunigen. Als Corda und Percip als letzte das Orathonenschiff verließen, erteilte Bekoval den entscheidenden Befehl. Der Hantelraumer beschleunigte langsam. Corda wußte, daß die Geschwindigkeit jedoch bald erheblich steigen würde. Der Raumer würde in einigen Tagen schon in die Sonne stürzen. Die Laktonen räumten auf. Die Trümmer mußten verschwinden.
Corda, Bekoval und Percip diskutierten währenddessen in der Zentrale des Laktonen-Kreuzers über das nächste Objekt, das angeflogen werden sollte. Der junge Senator packte die ihm gestellte Aufgabe überlegt und ruhig an. Der Erde bot sich die größte Chance ihrer Geschichte. Die durfte nicht vertan werden. Die Zeit war knapp. Ständig stürzten Trümmer über den Planeten ab. Jedes verlorene Trümmerstück vergrößerte den enormen Verlust, den die Erde während der Invasion hinnehmen mußte. Die Laktonen und die Orathonen hatten die Erde und die anderen Planeten des Sonnensystems so schwer verwüstet, daß es Jahrhunderte schwerster Arbeit kosten konnte, um diese Schäden auszugleichen. Rex Corda glaubte fest daran, daß es gelingen würde, die kosmische Falle zu sprengen, in der die Featherheads die Laktonen gefangen hatten. Er war davon überzeugt, daß der Mutant Fred Matson den Durchbruch schaffen würde. Deshalb konzentrierte er sich jetzt ganz auf seine Aufgabe. Corda griff entschlossen zu, weil er sich alle Mittel sichern wollte, die er zur Stabilisierung der Position der Erde verwenden konnte. Je länger er jedoch mit den beiden Laktonen diskutierte, desto mehr gewann er den Eindruck, daß sie die Aktion verzögern wollten. Dabei schien es so, als sei Percip insgeheim auf seiner Seite, während Bekoval von einem unerklärlichen Zwang, der ihn sichtlich belastete, zu immer schärferen Äußerungen getrieben wurde. Schließlich brach Corda das Gespräch schroff ab. „Wir werden jetzt das laktonische Wrack untersuchen, das sich der Venus nähert", erklärte er kühl. „Das Wrack hat Zeit", entgegnete Bekoval heftig. „Sehen Sie doch bitte ein, daß die einzelne Kugel des DoorrKlassen-Raumers in Jupiter-Nähe viel
interessanter ist!" „Die Diskussion ist beendet, Bekoval. Wollen Sie das bitte zur Kenntnis nehmen?" Ga-Venga schmunzelte breit, als er diese Worte Cordas übersetzte. „Sir, es kommt mir nur darauf an, daß Sie die interessantesten und wertvollsten Wracks sichern", versetzte Bekoval. Der Laktone war außerordentlich erregt. Der typisch herbe Geruch, der dieser Rasse eigen war, verstärkte sich. Corda konnte zudem die Erregung des Laktonen durch seine Sondersinne deutlich erfassen. „Wir haben nicht viel Zeit zu verlieren. Wir müssen den Energieschirm, der das System umspannt, bald brechen. Je früher wir ihn durchstoßen, desto besser ist es. Deshalb, nur deshalb möchte ich die besten Objekte für die Erde sichern." „Ich bedaure, Bekoval, ich habe nicht die Absicht, jetzt noch länger darüber zu diskutieren!" „Ich verstehe nicht, Sir, daß Sie meinen Empfehlungen nicht folgen. Bisher haben Sie mir stets vertrauen können!" schnaubte Bekoval. Corda lächelte unbeteiligt. „Percip, geben Sie dem Piloten den Befehl, das Laktonen-Schiff anzusteuern", sagte er zu dem Agenten. Dann fuhr er plötzlich hart zu Bekoval herum. „Oder ist es Lakton nicht recht, wenn die Erde sich auch aus Lakton-Beständen entschädigt, Bekoval?" Rex Corda ging zu einem bequemen Sessel und setzte sich. Gemächlich zündete er sich eine Zigarette an, während Percip dem Piloten den Auftrag erteilte, das laktonische Raumschiffwrack anzusteuern. „Ich sollte vielleicht noch etwas erklären, Bekoval, um die Fronten abzustecken", begann Corda. Seine Augen bannten den Laktonen auf seinen Platz. Sie ließen ihn nicht frei. Bekoval fühlte sich unbehaglich unter diesem
kalten, sezierenden Blick. „Im Augenblick habe ich allein die Macht, die tödliche Falle aufzustoßen. Ich allein kann mit Hilfe von Fred Matson den Energieschirm durchbrechen. Die laktonische Flotte ist eindeutig gefangen!" „Das ist jetzt wirklich nichts Neues mehr!" knurrte Bekoval bissig. Er redeje jetzt englisch, so daß Ga-Venga nicht zu übersetzen brauchte. „Natürlich nicht", nickte Corda. „Ich wollte damit nur klarstellen, daß ich das laktonische Oberkommando bis aufs Blut erpressen könnte. Ich könnte die modernsten und besten Ausrüstungsgegenstände für die Erde verlangen. Und das werde ich auch tun. Die Erde wird entschädigt werden. Ihr habt euren teuflischen Krieg auf unserem Rücken ausgetragen. Wenn die laktonische Flotte aus dieser Falle kommt, dann hat sie einige Verluste eingesteckt. Für Lakton sind sie insgesamt unerheblich. Wenn die Erde aber nicht entschädigt wird, dann versinkt sie aller Voraussicht nach im Chaos. Die Schäden sind so groß, daß wir sie allein nicht beheben können. Ein großer Teil der Menschheit hungert. Wenn Lakton nicht energischer hilft, wird eben dieser Teil der Menschheit verhungern. Jetzt nehme ich mir erst einmal, was sich mir bietet. Für die laktonische Flotte sind diese Wracks wahrscheinlich völlig wertlos. Für uns nicht." Rex Corda drückte seine Zigarette bedächtig auf dem Boden der Zentrale aus. Ein Arbeitsroboter glitt zu ihm hinüber und entfernte die Aschereste sofort. Corda lächelte amüsiert. „Wir waren schon einmal dabei, die Tore für ein neues Zeitalter aufzustoßen. Unsere ersten Raumschiffe drangen bis zum Mond und bis zum Mars vor. Die Menschheit stand am Beginn einer neuen Zeit. Die Tore fielen wieder zu, als die Städte im Hagel der
Atombomben vergingen. Seitdem versucht die Erde, sich aus der tödlichen Lähmung zu befreien, die mit den Bomben kam. Dann kam die Invasion. Sie vernichtete alles, was die Erde in den letzten zwanzig Jahren mühsam wieder aufgebaut hatte. Sie zerfetzte die Hoffnungen der Menschheit völlig. Doch jetzt bietet sich eine neue Chance. Glauben Sie wirklich, Bekoval, ich ließe sie mir entgehen? Glauben Sie wirklich, Ihr überraschender Widerstand könnte mich aufhalten? Was ist mit Ihnen los, Bekoval? Was veranlaßt Sie, mich zu behindern? Wollen Sie mich dahin treiben, daß ich das laktonische Oberkommando erpresse?" Corda sprang auf und ging langsam zu Bekoval hinüber. „Gewiß, ich könnte Jakto Javan, Eurem Schento, jetzt hundert moderne Schlachtschiffe abnehmen. Woher aber weiß ich, daß Lakton kein falsches Spiel treibt? Woher weiß ich, daß Javan mir die Schiffe nicht wieder abnimmt, sobald ich geholfen habe, die Energieglocke zu zerreißen? Deshalb reserviere ich mir zunächst einmal das, was für euch Abfall ist. Javan wird es mir kaum abnehmen wollen, selbst dann nicht, wenn er vorhat, mich zu betrügen. Aber er wird mir keine kampffähigen Schiffe überlassen. Er hat es nicht nötig — und deshalb wird er es nicht tun. Aber er wird mir andere Dinge überlassen müssen, moderne Geräte nichtmilitärischer Art, mit denen ich die Verwüstungen auf der Erde beseitigen kann." Rex Corda lächelte unmerklich, während seine kalten Augen den laktonischen Offizier immer noch scharf fixierten. „Alles klar, Bekoval?" Der Laktone knurrte undeutlich. GaVenga, der Kynother, der hinter ihm stand, schmunzelte — und schwieg. Wenn Bekoval etwas gesagt hatte, dann lohnte es sich nicht, es zu übersetzen.
Als Corda sich jetzt umdrehte und zu dem Holografen hinübersah, zeichnete sich das laktonische Wrack bereits auf dem Bildschirm ab. Ein breiter Schatten glitt über das Bild. Corda glaubte, eine andere Lakton-Einheit zu erkennen. Aber alles ging viel zu schnell. Er wandte sich ab in der Meinung, sich getäuscht zu haben. Dann jedoch fiel ihm auf, daß Bekoval ungewöhnlich nervös war. „Es tut mir leid, Corda", knirschte er. Seine Hände preßten sich gegen seine Schläfen. „Manchmal habe ich das Gefühl, als wäre etwas in mir, das mich zu Handlungen treibt, die ich gar nicht will!" Bekoval kam mit schweren Schritten zu Corda hinüber. Der außerordentlich muskulöse Laktone rollte mit den Schultern, als wolle er eine gewisse Benommenheit verscheuchen. „Ich werde alles tun, damit die Erde die Entschädigung erhält, die ihr zusteht", versprach er mit überraschender Wärme in der dunklen Stimme. „Sie können sich fest auf mich verlassen, Sir." Er wischte sich über den Mund und sah Corda zweifelnd an. „Sind Sie wirklich sicher, daß wir aus dieser Falle wieder herauskommen? Sind Sie davon überzeugt, daß Matson die Barriere brechen wird? Glauben Sie, daß er es tun wird? Was geschieht, wenn er sich weigert? Verdammt, die Situation beginnt, mir auf die Nerven zu gehen!" Rex Corda grinste. „Der unerschütterliche Laktone zeigt Nerven. Es scheint ernst zu sein, Bekoval", lachte er. „Machen Sie sich keine Sorgen. Wir sind über den Berg. Die Featherheads können uns nicht mehr zerquetschen!" Ga-Venga hüpfte auf der Stelle, blieb dann stehen und kreuzte die Arme über dem roten Brustkeil seiner Kombi-
nation. „Was passiert, Sir, wenn Ihr Fred Matson es vorziehen sollte, sich zu verstecken? Wenn er sich zurückzieht? Untertaucht?" „Mal den Teufel nicht an die Wand, Zwerg!" knurrte Bekoval. * Gouverneur Randy Seagren zog sich eine leichte Jacke über seine knochigen Schultern. Dunkle Ringe lagen unter seinen kalten Augen. Seagren zeigte erste Spuren der Erschöpfung. Die Falten in seinen Mundwinkeln hatten sich vertieft. Ein ständiges sardonisches Lächeln lag auf seinen schmalen Lippen. „Ich werde den Wahlkampf gewinnen. Ich bin ganz sicher!" Er zündete sich eine lange Zigarillo an, ohne sich darum zu kümmern, daß sein Gesprächspartner unwillig das Gesicht verzog. Seagren, der deutlich fühlte, daß er von Minute zu Minute weiter in die Abhängigkeit der Laktonen geriet, versuchte, sich durch solch billige Mätzchen zu behaupten. Er fühlte eine gewisse Befriedigung, als der laktonische Agent auf einen Protest verzichtete. „Senator Corda hat bis jetzt noch die meisten Stimmen auf seiner Seite. Unsere Untersuchungen haben ein deutliches Übergewicht für Corda ergeben", erwiderte der Laktone. „Wir müssen noch mehr tun, um Sie hochzuspielen." „Es soll mir recht sein", grinste Seagren. Er paffte sinnend vor sich hin. Dann plötzlich fiel die Zigarillo in den Ascher. Der schmächtige Gouverneur beugte sich scharf vor. Verächtlich kräuselte er seine Lippen unter dem dünnen Bart. „Ich habe einen Plan", begann Seagren. „Er wird Ihnen gefallen! Er wird Corda so lange beschäftigen, bis diese
Wahlen vorbei sind. Dann hat er ausgespielt. Wir müssen ihn davon abhalten, daß er sich um den Wahlkampf kümmert. Dann haben wir gewonnen!" „Ich bin einverstanden", lächelte der Laktone. „Welchen Plan haben Sie?" „Matson!" Die knochige Hand Seagrens klatschte triumphierend auf die schwere Platte seines Schreibtisches herab. „Fred Matson! Hören Sie ..." * „Darf ich Feuer haben?" Leutnant Baker lächelte freundlich, als er sich dem Sicherheitsbeamten näherte, der von der Regierung zum Schutz Fred Matsons abgestellt war. Der Beamte reichte ihm Feuer. Baker inhalierte tief. „Glauben Sie wirklich, daß jemand ein Interesse haben könnte, Matson zu töten oder zu entführen oder sonst ewas mit ihm anzustellen?" „Sie sind doch von der Mutantenpolizei. Sie wissen doch, wie das ist, wie manche Leute zu den Mutanten stehen!" „Na schon", nickte Baker. „Niemand aber weiß, was es mit Matson auf sich hat." Der Agent, ein blonder, breitschultriger Hüne mit so engen Augen, wie Seeleute sie haben, zuckte die Achseln. „Matson ist unsere einzige Hoffnung. Wenn ihm was passiert, ist es aus. Deshalb ist es besser, wenn meine Behörde noch zwanzig Mann mehr nach hier abstellt, als wenn sie auch nur einen Mann abzieht." Leutnant Baker nickte. Er zog sich seine rote Uniformjacke straffer, die ihn deutlich als Angehörigen der Mutantenpolizei kenntlich machte. „Auch Ihre Behörde sollte noch einige Leute abstellen, um Matson besser zu bewachen", sagte der Agent. Scharf überblickte er die Nachbarhäuser.
„Sorry", sagte Baker. „Sie verkennen uns. Wir sind nicht dazu da, um Mutanten zu bewachen. Wir sind eine Abteilung der Rot-Kreuz-Organisation. Wir sind eine halbärztliche Organisation, die die Aufgabe hat. Mutanten zu helfen, die nicht völlig gesund sind. Wir sollen die Eingliederung der Mutanten in unsere Gesellschaft ermöglichen. Wir sind nicht sehr glücklich über den Namen unserer Organisation, aber wir können ihn nicht mehr ändern. Nach dem Atomkrieg versteckten viele Eltern ihre Kinder, wenn sie irgendwelche Veränderungen aufwiesen. Irgendeine Sensationspresse hatte die Behauptung aufgestellt, es bestünde eine geheime Organisation, die Mutanten tötet. Die Organisation habe sich zum Ziel gesetzt, das Erbgut der Menschheit rein zu erhalten, wie es hieß. Das war eine glatte Lüge. Aber gerade sie macht uns das Leben so schwer, weil jeder Mutant sich vor uns fürchtete und vor uns floh. Die wenigsten kennen die wirklichen Aufgaben der Mutantenpolizei." „Regen Sie sich nicht so auf", grinste der Agent. „Ich weiß ja, daß die Mutantenpolizei keine Vereinigung von Mördern ist." Er tastete seine Taschen nach Zigaretten ab. Da er keine fand, reichte Baker ihm seine. In diesem Augenblick peitschten die Schüsse auf. Es knallte kurz und trocken. Aber keine Kugeln rasten über den freien Raum vor der Villa Fred Matsons. Hochenergetische Schockfelder überrollten die beiden Männer, die wie vom Blitz getroffen zusammenbrachen. Sie sahen die sechs Männer nicht mehr, die ins Haus stürmten. Der Arzt des Mutanten kam gerade aus dem Krankenzimmer Matsons, als die Männer die Treppe erreichten. Er wußte nicht, was geschehen war. Er begriff auch nichts mehr. Die Schockfelder erfaßten auch ihn und
schleuderten ihn die Treppe hinab. Die Männer ließen ihn liegen. Fred Matson taumelte durch die Tür. Sein aufgedunsenes Gesicht berichtete von durchgestandenen Qualen. Matson schrie wie von Sinnen, als er den Arzt am Fuße der Treppe liegen sah. Irgend jemand bellte einen Befehl. Wieder peitschten die laktonischen Schocker auf. Fred Matson richtete sich steil auf. Er riß die Atemluft tief in seine Lungen. Sein mächtiger Oberkörper blähte sich pneumatisch auf. Und wieder schrie Matson. Er brüllte wie ein getroffener Büffel. Seine Beine zuckten. Die Arme peitschten rasend um die Schultern. Sie schmetterten gegen die Holztäfelung, und die harten Hände rissen das Holz auf. Aber Matson brach nicht zusammen. Als der Schütze den Schocker senkte, sackte Matson auf die Knie. Sein breites, fleischiges Gesicht sank in sich zusammen, zeigte plötzlich scharfe, unvermutete Kanten. Matson lachte. Er zeigte seine kräftigen weißen Zähne. Er fletschte sie wie ein Tier. Wilder Triumph leuchtete in seinen braunen Augen. Er sprang wie von der Feder geschnellt auf und raste die Treppe hinunter. Alle Schwäche war vergessen. Fred Matson raste wie eine Dampfwalze auf die Handlanger der Laktonen zu. Er brach wie ein Büffel in ihre Mitte ein, und seine Arme, die wie Dreschflegel auf sie einschlugen, schmetterten die Männer zur Seite. Einer der Männer stand abseits. Er war der größte von allen. Er hielt ein flaches Gerät in der Hand, das einen Doppellauf hatte. Das Gerät belferte unaufhörlich. Die bebenden Finger des Mannes lösten sich nicht vom Auslöser des Schockers.
Der Große mit dem Schocker pumpte Matson voller Energie. Das Nervensystem des Mutanten hätte die Schockimpulse normalerweise nicht verarbeiten dürfen. Er hätte zusammenbrechen müssen. Fred Matson aber schien unter den Schockwellen aufzuleben. Er lachte brüllend auf, wenn er einen der Männer mit einem Faustschlag niederstrecken konnte, und kreischte wie ein närrisches Kind, wenn es ihm gelang, die Handlanger der Laktonen zurückzutreiben. Es dauerte genau fünf Minuten, bis der letzte der Männer bewußtlos am Boden lag, mit denen sich Matson geschlagen hatte. Mit einem genüßlichen Grinsen auf den fleischigen Lippen wandte sich der Koloß jetzt dem Schock-Schützen zu. Der Schocker senkte sich. Der Große starrte Matson aus weiten, entsetzten Augen an. Er konnte nicht begreifen, was hier geschah. „So, mein Freundchen", lachte der Mutant. Er rieb sich die breiten Fäuste. Er ließ die rechte Faust im Vorgefühl des kommenden Hiebes immer wieder in die linke offene Hand klatschen, als wäre das schon das Kinn des Mannes. „Und jetzt kommst du! Halt schön still!" Matson taumelte heran. Der Mann stand wie gelähmt vor ihm. Er schien nicht mehr fähig zu sein, sich zu retten. Matson holte zu einem Schlag aus, der dem Mann den Kopf von den Schultern hätte schlagen können. Doch er hatte zu lange gewartet. Einer der anderen Männer taumelte auf die Beine. Er griff nach einer hohen, schlanken Vase, die auf dem Boden stand, und näherte sich Matson von hinten. Als Matson zum letzten Schlag ausholte, schmetterte der Mann ihm die Vase mit entsetzlicher Gewalt über den Kopf. Matson brach zusammen.
* Das laktonische Wrack bestand aus zwei Teilen, die aus der Mitte des Raumschiffes herausgebrochen waren. Die schweren Treffer, die das Schiff hatte einstecken müssen, hatten unvorstellbare Verwüstungen angerichtet. Bekoval schickte fünf schwere Arbeitsroboter voraus, die erst eine Öffnung in den Raumer brechen mußten, damit Corda ihn betreten konnte. Corda beobachtete die Metallzylinder bei der Arbeit. Er hatte sich Roboter immer anders vorgestellt. Unwillkürlich hatte er angenommen, Roboter müßten zumindest einen Kopf haben wie Menschen auch. Die Laktonen verzichteten bei den meisten Modellen darauf. Sie brachten die komplizierte Steuerelektronik in dem klobigen Zylinder unter, der den Rumpf des Roboters bildete. Es dauerte eine volle Stunde, bis die Roboter eine ausreichend große Öffnung mit ihren Strahlern herausgebrannt hatten. Bekoval, Percip und Rex Corda glitten durch die Schwärze hinüber zu dem Wrack. Corda schwindelte einen Augenblick, als er über den Abgrund glitt, der ihn unerbittlich anzulocken schien. Es war das erste Mal, daß er sich frei im Raum bewegte, bisher hatte er, sich immer im Schutze eines tragenden Gleiters befunden. Er überwand die kleine Schwäche jedoch schnell. Er hangelte sich in das Wrack hinein und folgte den beiden Laktonen. Sie kämpften sich durch einen eingeknickten Gang zum Zentrum des rohrförmigen Bruchstücks vor. Überall lagen Hindernisse im Weg. Querträger, Holografenbruchstücke, aufgerissene Rohre und elektronische Bauteile aller Größenordnungen waren in den Gang gestürzt. Die drei Männer tasteten sich sehr behutsam voran, um sich nicht an den scharfkantigen Bruchstücken zu
verletzen. Obwohl Percip Corda immer wieder beteuerte, daß die Raumanzüge praktisch unzerreißbar waren, sah er sich deutlich vor. Nachdem sie sich zwanzig Meter tief in das Wrack vorgekämpft hatten, wurde es leichter. Hier war der Gang offen, und eine fast unzerstörbare Abzweigung führte zum Zentrum der Röhre. Percip kündigte Corda die Baueinheit eines elektronischen Steuergerätes an, das in diesem Bezirk untergebracht war. „Es sieht so aus, als wäre in diesem Bezirk nicht allzuviel zerstört", sagte der Agent in seinem klaren Englisch, das er sich in erstaunlich kurzer Zeit angeeignet hatte. „Wenn wir das Gerät bergen können, dann werden Ihre Wissenschaftler die Gravitationsmechanik bald in den Griff bekommen!" „Das wage ich zu bezweifeln", knurrte Bekoval. „Abwarten", kommentierte Corda trocken. „Wenn wir das Gerät bergen können, Sir, dann werden Sie bald Gravitationsfelder errichten können, mit deren Hilfe Sie jedes Raumfahrzeug bis zu einer bestimmten Größe mühelos ins All befördern können." Corda schob sich an einer kleinen Tür vorbei, die langsam hin und her pendelte. Er hielt die Tür fest und leuchtete in den mannshohen Raum, der ein ihm unbekanntes Gerät beherbergt hatte. Lose hingen die Verbindungskabel in den schmalen Raum. Corda stutzte. Das Gerät, das in diesem Kasten gewesen war, war nicht zerstört worden. Es war entfernt worden. Er beugte sich tiefer zu den Drähten herab. Es war erstarrte E-Leiter-Paste, die die Laktonen überall verwendeten. Die Laktonen legten keine Kabel, sie gossen sie aus einem äußerst leitfähigen Kunststoff. Corda faßte nach den Verbindungskabeln und leuchtete sie mit sei-
nen Helmscheinwerfern ab. Die Kabel waren gebrochen. Aber die Bruchkanten sahen sehr gleichmäßig aus, so, als ob sie mit einem Spezialgerät abgeknickt worden wären. Bekoval und Percip hatten nicht bemerkt, daß der Terraner zurückgeblieben war. Sie standen jetzt vor dem Schott, das zur Elektronik-Einrichtung führte. Corda schloß jetzt auf. Der Laktone öffnete das Schott, und sie schwangen sich in den Raum. Ihre Antigravitationsautomaten drückten sie sanft auf den Boden herab. " Corda kam zu ihnen. Langsam leuchtete er den Raum von einem End£ zum anderen aus. „Das überrascht mich nicht", sagte er ruhig. Bekoval drehte sich erregt um. „Das verstehe ich nicht!" rief er. „Nachdem dieser Bezirk fast völlig intakt war, dürfte dieses Bauelement nicht völlig zerstört sein. Hier ist eine Bombe explodiert. Sehen Sie sich das an. Die Elektronik ist teilweise eingeschmolzen, teilweise wurde sie regelrecht zerpulvert." „Eben", sagte Corda gelassen. „Diese Elektronik wurde nachträglich zerstört!" „Das ist doch Unsinn!" fauchte Bekoval. „Das ist doch unmöglich. Wer sollte ein Interesse daran haben, etwas in einem Wrack zu zerstören?" „Zum Beispiel das Flottenoberkommando", erwiderte Corda. „Jakto Javan billigt der Erde eine Entschädigung zu, sie soll nun aber auch nicht so hochwertig sein, daß die Erde zu schnell lernt. Bekoval, bestellen Sie dem Schento, daß sein Verhalten außerordentlich schmeichelhaft für die Erde ist!" Bekoval schluckte hörbar. „Sie sind übergeschnappt, Corda. Ich an Ihrer Stelle hätte ..." Corda winkte ab. „Nichts hätten Sie, Bekoval! Richten
Sie dem Schento aus, was ich Ihnen sagte. Sein Verhalten zeigt immerhin, daß er Respekt vor unserer Intelligenz hat." Bekoval lachte glucksend. „Das kann nicht Ihr Ernst sein, Corda. Dies hier ist ein Zufall. Wir sind viel zu sehr damit beschäftigt, die Energieglocke zu brechen, als daß wir es uns leisten könnten, auch nur einen Mann dazu abzustellen, Dinge zu zerstören, auf die wir keinen Wert mehr legen. Wenn wir ein Vernichtungskommando hätten, wie Sie vermuten, Sir, dann könnten wir diese Dinge auch bergen. Es wäre ebenso kostspielig. Nein, Corda, schlagen Sie sich Ihre Idee aus dem Kopf. Der Schento läßt nichts zerstören, nur damit es Ihnen nicht in die Hände fällt. Das hieße zuviel Respekt vor Ihnen zu haben." Corda antwortete nicht. Er glitt in den Gang zurück und machte sich auf den Rückweg. Als er den freien Raum erreichte und sich über den Abgrund schwang, um in die offene Schleuse des Kreuzers zu schweben, meldete er sich wieder. Verblüfft hörten die beiden Laktonen hinter ihm, was er ihnen zu sagen hatte. „Ich verzichte von jetzt an auf alle laktonischen Wrackteile, Bekoval. Wir werden nur noch orathonische Wracks anfliegen. Klar?" Corda wußte nicht, ob er recht hatte mit seinen Vermutungen. Er hatte genau auf die Emotionssphäre Bekovals geachtet, als er seinen Verdacht aussprach. Bekovals Reaktion wies darauf hin, daß er die Vermutung Cordas tatsächlich für überspitzt hielt. Der kleine Verband, in dem Rex Corda durch das Sonnensystem eilte, war auf zwei Raumschiffe zusammengeschmolzen. Die anderen beförderten wertvolle Beutegüter zur Erde oder wandten sich unabhängig von Corda anderen Wracks zu, um sie zu durch-
suchen. Corda flog mit zwei Raumkreuzern auf Merkur zu. Jenseits der Merkurbahn befand sich ein riesiger Hantelraumer, der langsam auf die Sonne zutrieb. Corda wollte ihn durchsuchen. Als der Kreuzer den Merkur passierte, lehnte sich der junge Senator vor, um den Planeten zu beobachten. Der Holograf lieferte ein überwältigend naturgetreues Bild des sonnennächsten Planeten. Die zerrissene Oberfläche hatte große Ähnlichkeit mit der des Mondes. Corda erkannte langgestreckte glänzende Bleiflüsse, die träge der geringen Drehung des Planeten folgten. Erst als sie den Planeten schon passiert hatten, entdeckte er jedoch den Hantelraumer. Er stand in einem flachen Tal, das von bizarren Klippen umspannt wurde. Die Sonne schleuderte ihr heißes Licht blutigrot über das Raumschiff. „Stop!" rief Corda. „Wir landen auf dem Merkur." Bekoval, der flüsternd mit Percip diskutierte, fuhr überrascht herum. Corda zeigte stumm auf den Hantelraumer. „Das sehen wir uns an!" sagte er entschlossen. Percip ging zum Computer hinüber und hämmerte einige Daten in die Tastatur. Etwas später stieß er einen verblüfften Laut aus. „Dieser Hantelraumer ist bisher noch nicht erfaßt worden", erklärte er. „Nicht erfaßt? Das ist doch nicht möglich", erregte sich Bekoval. Der massige Laktone stampfte verwirrt zu dem Computer hinüber und überprüfte nun Percips Angaben. Er fand alles richtig. „Landen!" befahl er hart. „Direkt neben dem Hantelraumer?" fragte der Pilot, der den rasenden Flug des Kreuzers blitzschnell stoppte. „Das würde ich nicht empfehlen",
bemerkte Percip ironisch. „Landen Sie in Sicherheitsdistanz." Jetzt ging alles routinemäßig. Unglaublich schnell handelten die Laktonen. Corda begriff, was es bedeutete, daß die Außerirdischen die Raumfahrt bereits seit Jahrtausenden beherrschten. Fasziniert beobachtete er die geschickten Landemanöver der beiden Raumkreuzer, die sich gegenseitig abschirmten. Die Offiziere in der Zentrale arbeiteten in höchster Konzentration. Niemand sprach etwas. Das Team war hervorragend eingespielt. Auf den Holografen waren die Offiziere auf dem anderen Kreuzer erkennbar. Percip trat neben Corda, der in der Nähe des Funkleitoffiziers stand. „Wir wollen hoffen, daß das Schiff ohne Besatzung ist", murmelte er. „Sonst können wir uns auf einiges gefaßt machen!" „Das Raumschiff scheint völlig unbeschädigt zu sein", versetzte Corda leise, um nicht zu stören. Er wandte seine Augen nicht von dem Holografen, auf dem er den Hantelraumer beobachten konnte. „Es ist ein Raumer der Dorr-Klasse", erklärte der Lithalonier. „Die Kugeln haben zweihundert Meter Durchmesser. Diese Raumer zeichnen sich durch größte Beweglichkeit aus. Die Funkausrüstung ist die beste aller Orathonenraumer. Meistens dienen die Dorr-Raumer als Kommandozentralen einer Flotteneinheit von zweihundert Schlachtschiffen. Es ist erstaunlich, daß wir dieses Schiff hier finden. Es hat offensichtlich keinen Treffer erhalten. Ich bin gespannt, wie wir es vorfinden werden." „Halten Sie es wirklich für möglich, daß die Besatzung noch immer an Bord des Schiffes ist?" „Es ist durchaus möglich", nickte der Agent. „Ich frage mich nur, warum das Schiff dann hier ist. Es gibt bessere Verstecke in diesem Sonnensystem."
„Warten wir es ab. Wir werden das Schiff gleich betreten." „Wir werden erst einmal alles aus der Ferne untersuchen. Auf jeden Fall können wir damit schon einmal feststellen, ob das Schiff lebt. Wenn wir keine Energieortung haben, dann werden wir hinübergehen!" Die beiden Laktonen-Schiffe setzten erschütterungsfrei auf dem Merkur auf. „Kommen Sie, Sir", lächelte Percip. „Wir werden eine Kleinigkeit essen." „Jetzt?" „Wir können nichts tun. Alles Weitere machen jetzt die Offiziere des Schiffes. Man wird uns in einer halben Stunde das Ergebnis mitteilen. Bis dahin sind wir hier überflüssig. Wir stören nur." Corda seufzte und ging mit dem Agenten. Als sie die Zentrale verließen, traten etwa zwanzig Wissenschaftler und Offiziere ein, die durch ihre verschiedenartigen Uniformen als Spezialisten der unterschiedlichen Fachgebiete gekennzeichnet waren. Rex Corda fühlte die kühl musternden Blicke auf sich gerichtet. Er warf einen letzten Blick auf den Holografen in der Zentrale — und zuckte zusammen. Er hatte deutlich eine Bewegung im Hantelraumer ausgemacht. Bevor er jedoch mehr sehen konnte, schoben sich die Wissenschaftler vor das Bild. * Ein schwarzer Sonnengleiter landete vor der Villa. Das Fahrzeug setzte glatt auf. Kaum hörbar surrten die Propellerschrauben in Bug und Heck, die von den Sonnenbatterien angetrieben wurden. Ein schlanker Mann mit einem dünnen Bart auf der Oberlippe sprang heraus und eilte ins Haus. Erschreckt blieb er in der Tür stehen, als er Matson sah.
„Ist er .. .tot?" Der Mann mit dem Schocker in der Hand schluckte krampfhaft. Er hob die Schultern. „Ich weiß es nicht!" keuchte er. „Dann sieh nach!" fauchte der Schlanke. Er eilte zu dem Mutanten hin und beugte sich über ihn. Er drückte ihm die Finger an die Halsschlagader. Er schien den blutverschmierten Hinterkopf nicht zu sehen. „Ihr habt Glück gehabt!" zischte er. „Er lebt." Er zog ein schmales Etui aus der Brusttasche, brachte eine Spritze zum Vorschein, zog sie auf und injizierte dem Strukturenergetiker eine farblose Flüssigkeit in die Armvene. „Schafft ihn in den Gleiter!" Mit keinem Blick würdigte er die anderen Männer, die sich erst jetzt langsam vom Boden aufrichteten. „Ich habe auf ihn gefeuert", stammelte der Mann mit dem Schocker. „Hier — damit habe ich die anderen alle geschockt. Auch ihn. Aber er fiel nicht um! Er fiel einfach nicht!" Der Schlanke beachtete ihn nicht. Er hielt ihm stumm die Hand hin. Verstört legte der andere den Schocker hinein. „Los doch, schafft Matson in den Gleiter!" Sie packten den Bewußtlosen und schleppten ihn hinaus, vorbei an Leutnant Baker und seinen Sicherheitsbeamten. Die beiden Geschockten lagen regungslos vor der Villa. Ihre Augen waren geschlossen. Sie erfaßten nichts von dem Geschehen. Auch Dr. Konsinsky lag noch in tiefer Bewußtlosigkeit. Es würde noch lange dauern, bis sie wieder zu sich kamen. Minuten später stieg der Gleiter auf. Der Schlanke zog ein kleines Gerät aus seiner Tasche und drückte einen kleinen Knopf an der Seite des Gerätes. Die Vorderseite flammte auf. Ein holografisches Bild entwickelte sich.
„Wir haben ihn. Wohin damit?" „Im Augenblick gibt es nur eine Möglichkeit: Zum Gouverneur!" „Seagren? Ist das nicht zu gefährlich?" Der Laktone reagierte nicht. „Sonst noch Fragen?" „Keine", antwortete der Schlanke. Es klang wie ein Fluch. Der Sonnengleiter beschleunigte sehr scharf. Minuten später hatte er eine Geschwindigkeit von mehr als tausend Kilometern in der Stunde erreicht. * „Das Schiff ist tot", sagte der Offizier. „Ich habe es mir fast gedacht", nickte Percip. Er dankte dem Offizier, der ihnen die Botschaft gebracht hatte. „Gehen wir, Sir." Eine halbe Stunde später schwebten Rex Corda, Percip, Bekoval, fünf laktonische Offiziere und zwanzig Kampfroboter auf den heißen Boden des Merkur herab. Sie trugen die Spezialraumanzüge der Laktonen, die für den planetarischen Einsatz eingerichtet waren. Die Antigravitationsautomaten erlaubten weite Sprünge über die scharfkantigen Felsen des Planeten. Dunkle Sichtblenden schützten gegen das gleißende Licht der riesenhaften Sonne, die drohend über ihren Köpfen schwebte. Percip riet Corda dringend davon ab, direkt in die Sonne zu sehen, damit die Augen nicht unnötig gefährdet wurden. Corda bemühte sich, kühl und gelassen zu bleiben, sich auf die ihm gestellte Aufgabe zu konzentrieren. Er fühlte keinen Triumph, obwohl er der erste Terraner war, der seinen Fuß auf diesen Planeten setzte. Nur eine außerirdische Technik machte diesen Schritt möglich. Die Laktonen überwachten ihn sorgfältig. Sie achteten auf jeden Schritt, den Corda tat, um zu verhindern, daß er
sich in Gefahr brachte. Corda hörte die Stimmen der Laktonen in seinem Helmlautsprecher. Er verstand aber nichts. Es interessierte ihn jetzt auch nicht sehr. Er saugte jede Kleinigkeit, die er auf diesem sonnennächsten Planeten entdeckte, in sich auf. Fasziniert beobachtete er die bizarren Felsformationen, die tiefen Schluchten, in denen Tausende von gleißenden Kristallen klebten, die schillernd aus Bleischmelzen hervorragten. Viel zu schnell erreichten sie die Spitzen der Klippen, von denen aus sie das Raumschiff sehen konnten. Der Hantelraumer stand mitten in der Senke. Er stützte sich auf die zahlreichen Landebeine mit den breiten Landetellern, die verhinderten, daß die Beine einsackten. Gelbe Doppelringe von panzerplastverschalten Triebwerken spannten sich um die glitzernden Kugeln. Auch jetzt konnte Corda keinerlei Schäden entdecken. Es sah so aus, als wäre der Hantelraumer völlig intakt. Zudem Bild paßte nur nicht, daß keine einzige Maschine im Innern des Raumschiffes arbeitete. Was war mit der Besatzung geschehen? „Wenn dies eine Falle sein sollte, sitzen wir mitten drin", knurrte Bekoval. Die Roboter verriegelten die Schleuse. Das Innenschott schwang auf und gab ihnen den Weg in den Raumer frei. * Fred Matson erwachte schlagartig. Eben noch lag er bewegungslos auf dem nackten Boden, jetzt fuhr er hoch. „Wo bin ich?" Die Männer zuckten zusammen. Der Laktone jedoch drehte sich nicht um. Er trug einen grauen Umhang, den er von einem Bediensteten des Gouverneurs erhalten hatte. Für Matson war er nicht
als Laktone zu erkennen. Einer der Männer ging auf den Mutanten zu. Er hielt eine Pistole in der Hand. „Machen Sie keine Schwierigkeiten, dann wird nichts geschehen", empfahl er. Matsons Gesicht färbte sich dunkel. Er hustete. „Was habt ihr mit mir gemacht, ihr Teufel?" Er preßte seine Pranke aufs Herz. „Wollt ihr mich umbringen?" „Vielleicht", sagte der andere gleichgültig. „Seid ihr verrückt?'“ keuchte Matson. „Wißt ihr nicht, wer ich bin? Wißt ihr nicht, was mit dem Sonnensystem los ist? Es wird zusammenbrechen, wenn ich es nicht verhindere." Der Bewaffnete lachte höhnisch. „Wenn die Laktonen den Zusammenbruch nicht verhindern können, dann kannst du es wohl erst recht nicht — oder?" Fred Matson ließ sich ächzend auf den Rücken zurücksinken. Er massierte sich seinen schmerzenden Hals. „Ihr Narren!" ächzte er. „Ihr verdammten Narren!" Plötzlich leuchtete der Keller hell auf. Matson wälzte sich auf die Seite und sah auf das Gerät, an dem der Laktone hantierte. Da der Außerirdische die Lippen ständig geschlossen hatte, erkannte Matson den Laktonen nicht in ihm. Der Laktone stand neben einem mannshohen Halbbogen aus Metall. Das Tor war handbreit. An seinen Seitenpfosten leuchteten mehrere Instrumentenanzeigen. Eine Reihe von Hebeln, Knöpfen und Stellscheiben wies auf einen äußerst komplizierten Aufbau des Gerätes hin. Im Innern des Torbogens flimmerte es rötlich-gelb. Der Laktone gab den Männern einen Wink. Sie wandten sich um und gingen zu
Matson. Der Bewaffnete stellte sich neben dem Kopf des Mutanten hin. Er richtete die Pistole auf die Stirn des Mutanten. „Ich erschieße Sie, Matson, wenn Sie sich wehren!" drohte er. „Stehen Sie auf!" Matson richtete sich langsam auf. Unsicher sah er sich um. Der Bewaffnete winkte mit der Pistole. Matson folgte dem Befehl mit unsicheren Schritten. Jemand trat hinter ihn und gab ihm einen Stoß. Matson schnaufte zornig, wehrte sich jedoch nicht. Sie trieben ihn bis vor den leuchtenden Bogen. „Was wollt ihr von mir?" rief Matson. Er wurde zunehmend nervöser. „Los, sagt es schon! Was habt ihr vor?" Der Laktone trat an Matson heran. Ein gleichgültiger Blick traf den Mutanten. „Hinein!" Der Laktone wies auf das flimmernde Feld. „Nein. Niemals!" keuchte Matson, der die Absicht des Laktonen völlig verkannte. Er glaubte für einen Moment, die Männer wollten ihn verbrennen, weil er den wahren Charakter des Feldes nicht erkannte. Ein Stoß traf ihn in den Rücken. Er warf die Arme hoch und versuchte, sich zu halten. Sein linker Arm geriet in das Feld. Matson sah, wie seine Hand transparent wurde und verschwand. Er fühlte jedoch keine Schmerzen. Er schrie gellend auf. Seine rechte Hand krallte sich an den breiten Rahmen des Tores. Die Pistole knallte auf seinen Handrücken herab. Matson verstummte. Er riß die Augen auf und rutschte in das flimmernde Energiefeld. Er verschwand restlos darin. Seine Umrisse wurden milchigtransparent, aber sie verschwanden nicht völlig. Dunkel und unheimlich
leuchteten die brennenden Augen des Mutanten aus der Glut. Der Laktone schrie entsetzt auf. Wie rasend fuhren seine Finger über die Instrumente. Doch Fred Matson verschwand nicht. Der Transmitter nahm ihn zwar auf — aber er beförderte ihn nicht weiter. * Der Orathone war tot. Corda bemühte sich, über ihn hinwegzusehen. Seine Augen suchten die Percips. Der Laktone schlug die Augen nieder. Er stieg über den Toten hinweg und bog in den sich öffnenden Gang nach links ein. Corda folgte ihm, nachdem er noch einen Blick auf den Featherhead geworfen hatte. Der Orathone trug keinen Raumanzug. Seine massige, untersetzte Gestalt wies keinerlei Verletzungen auf. Nur die Haut zeigte Veränderungen. Tiefrote Streifen zogen sich — von den Augen ausgehend — über das grünhäutige Gesicht. „Percip, was hat das zu bedeuten?" fragte Corda. Es knackte mehrmals leise in seinem Helmlautsprecher, aber der Laktone antwortete nicht. Corda lächelte bitter. Er blieb hinter Percip. Der Agent näherte sich einem geschlossenen Schott. Einige Handgriffe genügten ihm, es zu öffnen. Mit jeder Bewegung erbrachte Percip den Beweis, daß er sich auf den Raumschiffen seiner Todfeinde hervorragend auskannte. Hinter dem Schott öffnete sich eine Maschinenhalle. Der Scheinwerferstrahl aus Percips Helmlampe strich geisterhaft über die Maschinen, die wie lauernde schwarze Ungeheuer auf dem metallenen Boden hockten und ihnen mit leblosen Instrumenten abweisend entgegenglotzten. Percip leuchtete eine
Grille an, die neben einer Schalttafel zusammengebrochen war. Auch sie trug keinen Schutzanzug. Der Panzer löste sich an mehreren Stellen zu einem zähen Brei auf, der fadenscheinig abtropfte. Corda bemerkte, daß die Roboter aus den hinteren Bezirken der Maschinenhalle, die noch immer im Dunkeln lag, Whims heraustrugen. Corda ging zwischen den Maschinenblöcken umher, um sich umzusehen. Er wußte nicht, ob er den Laktonen helfen konnte, aber er wollte es versuchen. Er bog in das Dunkel zwischen zwei wuchtigen Maschinensätzen, als ein bleiches Gesicht aus der Schwärze kam. Corda starrte in das metallene Gesicht eines Bronze-Roboters, dessen Lippen ihn diabolisch grinsend verhöhnten. * John Haick sah betroffen auf, als er das Gesicht des Wissenschaftlers Will Rimson sah. „Was ist passiert?" fragte Haick. Der junge Atomwissenschaftler war der engste Freund Rex Cordas. An der Seite Rimsons arbeitete er an der Spitze einer kleinen Gruppe von Spezialisten, die mit aller Energie und Kraft gegen das noch immer drohende wirtschaftliche und politische Chaos in den Vereinigten Staaten kämpften. Ruhepausen kannte John Haick ebensowenig wie Rex Corda, Will Rimson und die anderen Persönlichkeiten. „Fred Matson ist verschwunden", sagte Will Rimson dumpf. Der alte Wissenschaftler ließ sich erschöpft in einen Sessel sinken. Er strich sich mit der flachen Hand durch die dünnen weißen Haare, die seinen fast kahlen Kopf umkränzten. „Er ist entführt worden, um es genauer zu sagen." John Haick schüttelte den Kopf. „Das ist doch nicht möglich. Wer
sollte ein Interesse daran haben, ausgerechnet diesen Mutanten verschwinden zu lassen?" Die Tür ging abermals auf. Ein Schäferhund schob sich herein. Er glitt zu Will Rimson hinüber, drückte ihm die Schnauze in die Hand und legte sich neben ihm auf den Boden. Die Wache schloß die Tür wieder. „Weshalb wird gewöhnlich ein Mensch entführt?" fragte Rimson. „Meistens doch wohl, um ein Druckmittel für eine Erpressung zu haben!" „Und wer könnte in diesem Fälle ein Interesse an einer Erpressung haben?" John Haick fuhr sich mit beiden Händen erregt durch das nackenlange Haar. Sein jungenhaftes Gesicht verkantete sich plötzlich. „Sie meinen wirklich, daß Gouverneur Seagren soweit sein könnte?" „Ich bin ziemlich fest davon überzeugt", nickte Rimson zornig. „Nur sind leider die Leute vom CIA nicht davon überzeugt. Sie sagen, es wäre viel zu heikel, wenn sie jetzt bei Seagren Untersuchungen anstellen würden. Die Presse könnte das als eine geplante Aktion von Rex hinstellen, mit der Seagren diskriminiert werden soll. Seagren könnte es so hinstellen, als benutze Rex den Geheimdienst, um ihn als Kandidaten auszuschalten." John Haick wies auf den Hund. „Und was ist mit Nukleon? Er sollte doch auf Grund seiner telepathischen Begabungen herausfinden können, ob Seagren etwas damit zu tun hat. Er müßte auch erfahren können, wo Matson ist." Nukleon hob den Kopf und sah den jungen Atomwissenschaftler an. Die intelligenten Augen gaben die klare Antwort. „Ich habe schon versucht, Rex zu verständigen", berichtete Rimson weiter. „Er befindet sich im Augenblick auf Merkur. Die Laktonen sagten mir,
er habe dort ein Wrack entdeckt, das fast unbeschädigt sei. Er befindet sich im Schiff und antwortet nicht." „Antwortet überhaupt nicht? Was soll das heißen?" rief John, * Matson taumelte in den kalten Raum hinaus. Er brach auf der Stelle zusammen, wälzte sich mühsam herum und starrte wie von Sinnen auf den Transmitter, der ihn ausgespien hatte. Der Raum war kreisrund. Durch drei runde Fenster konnte er den nächtlichen Himmel sehen. Zwei Neonröhren wiesen darauf hin, daß er sich in den von Terranern gebauten Räumen befand. Die Wände und der Boden bestanden aus Metall, das mit einer weichen, glasigen Schicht überzogen war. Fred Matson krümmte sich langsam zusammen, stemmte sich auf die Knie hoch, griff nach der Kante des langen Tisches, der unter dem Fenster stand, und zog sich hoch. Unwillkürlich lächelte er. Er war davon überzeugt, daß niemand ihn in diesem Gefängnis halten konnte. Er würde einen Weg finden, die Fenster zu zerschmettern und dann zu verschwinden. Sein Lächeln erstarrte zu einer grauen Maske, als er den ersten Blick nach draußen warf. Direkt vor seinen Augen erhoben sich die scharfen Schrunde eines kahlen Berges. Über den zackigen Spitzen ging in diesem Augenblick gerade die Erde auf. * Rex Corda ließ sich gedankenschnell fallen. Unwillkürlich stieß er einen Warnschrei aus. Doch der Bronzene bewegte sich gar nicht. Er verharrte in der gleichen Stel-
lung. „Was ist passiert?" meldete sich die Stimme Percips in seinem Helmlautsprecher. „Ich habe einen Roboter entdeckt." Corda stand langsam auf. Der Bronze-Roboter bewegte sich auch jetzt noch nicht. Er stand wie aus Stein geschlagen vor ihm. Das grelle Licht, das über seine Schultern flutete, zeigte Corda den Laktonen an. Er hörte Percips dunkles Lachen. Er drehte sich um. „Das war ein schöner Schreck, wie?" schmunzelte er. Das Licht aus Cordas Helmscheinwerfer spiegelte sich in dem transparenten Material von Percips Schutzhelm. Er konnte nur die Augen des Agenten sehen. „Was ist hier los, Percip? Reden Sie endlich!" Der Laktone trat dicht hinter den Roboter. Er riß die einfache Kombination auf, mit der der Bronzene bekleidet war, und öffnete eine kleine Klappe im Nacken. Er griff hinein und schaltete. Der Bronzene veränderte sich nicht. „Ich habe ihn inaktiviert", erklärte Percip. „Das war er doch schon", erwiderte Corda. „Nein — dieser Roboter gehört zum Schiff. Er wird durch das Schiff mit Energie versorgt. Da alle Anlagen des Schiffes stillgelegt sind, wird auch der Roboter nicht mehr versorgt. Wenn wir die Aggregate jedoch wieder einschalten, wird der Roboter sofort aktiv. Jetzt aber kann er keinen Schaden mehr anrichten." Percip wies lächelnd auf einen kleinen Spalt, der rings um den kahlen Metallschädel des so ungemein menschlich aussehenden Roboters führte. Corda wußte, daß sich in diesem Spalt gefährliche Strahlwaffen verbargen, die den Roboter zur unüberwindlichen Kampfmaschine machten.
Der Laktone gab dem Bronzenen einen verächtlichen Stoß vor die Brust. Der Roboter fiel um. Der Boden erzitterte, als er aufschlug. „Was ist mit diesem Schiff passiert, Percip? Wollen Sie mir nun endlich Auskunft geben?" Percip bat Corda durch eine Geste, ihm zu folgen. Er kehrte an die Schalttafel zurück und hantierte vorsichtig daran. Corda sah, daß die Roboter immer noch Orathonen und Whims hinausschleppten. „Vermutlich ist eine Krankheit an Bord dieses Schiffes ausgebrochen", versetzte Percip zögernd. „Wir wissen es wirklich nicht genau. Die Toten weisen keinerlei Verletzungen auf. Ihre Haut ist jedoch bei vielen verändert. Letzte Klarheit werden erst genauere Untersuchungen unserer Spezialisten ergeben. Bis dahin kann ich Ihnen tatsächlich nichts sagen." „Was geschieht jetzt?" „Ich versuche, die Anlagen des Schiffes zu aktivieren. Aber erst müssen wir die Besatzung nach draußen gebracht haben." „Ich kehre zum Kreuzer zurück." „Einen Augenblick noch, bitte." Corda sah den Laktonen fragend an. Percip lächelte verschmitzt. „Vergessen Sie nicht, daß wir das Schiff irgendwo beschädigen müssen." „Ich werde daran denken." Corda wandte sich ab und verließ das Schiff. Er wußte nicht, was er jetzt hätte tun können. Er konnte nur abwarten, bis das Schiff geräumt war. Plötzlich sah er etwas vor sich auf dem Boden blinken. Er bückte sich und griff vorsichtig in die schmale Spalte. Als seine Hand wieder hervorkam, hielt er eine metallisch blitzende, handlange Flasche in den Fingern. Die Flasche hatte einen spitz zulaufenden Verschluß. Corda sah zu dem Hantelraumer hinüber, der einige hundert Meter hinter
ihm lag. Hinter den schroff aufsteigenden Bergen wies die schlanke Nadel des Lakton-Raumers in den Himmel. Wie kam diese Flasche hierher — wenn es eine Flasche war? Als Corda auf die Fundstelle sah, fiel ihm ein fußgroßer Einbruch im Gestein auf. Das Loch war dicht neben dem Spalt. Vorsichtig senkte Corda seinen Fuß hinein. Er paßte genau in die Öffnung. War das der Beweis dafür, daß hier jemand gegangen war? Corda schob die Metallflasche in eine Tasche seines Raumanzuges und kehrte um. In diesem Augenblick erwachten seine Helmlautsprecher zu heiserem Leben. Die aufgeregte Stimme eines Laktonen peitschte an sein Ohr. Zahlreiche erregte Stimmen riefen dazwischen. „He — was ist geschehen?" brüllte Corda mit voller Stirnmengewalt. Er schaltete den Antigravitationsautomaten herab und setzte in weiten Sprüngen zum Hantelraumer hinüber. Percip erwartete ihn an der Schleuse. Das Gesicht des Agenten war bleich. „Was ist geschehen, Percip?" „Matson ist verschwunden, Sir!" antwortete Percip. „Sir, Sie müssen zur Erde. Wir müssen ihn wiederfinden. Es gibt sonst keine Rettung mehr!" Corda nickte. An der Seite Percips eilt er zu dem laktonischen Kreuzer zurück. An der Schleuse legte er den Raumanzug ab. Dabei vergaß er, daß noch etwas in der Tasche des Schutzanzuges war. Als es ihm später wieder einfiel und er nach der Metallflasche fragte, stieß er auf kopfschüttelnde Verwunderung. Niemand hatte die Flasche gefunden. In dem Raumanzug war sie nicht mehr. Corda ließ die Angelegenheit auf sich beruhen. Er konnte nicht ausschließen, daß er die Flasche verloren hatte. Sie war auch nicht übermäßig wichtig für
ihn. Sie bestätigte ihn nur in seinem Gefühl, daß sie den Hantelraumer nicht so ganz zufällig gefunden hatten, wie es zunächst ausgesehen hatte. * Die Vorbereitungen für die Präsidentschaftswahl liefen auf vollen Touren. Will Rimson und John Haick, die beiden zuverlässigen Freunde Rex Cordas, waren die zentralen Persönlichkeiten in dem Kampf, der unerwartet scharf wurde. Niemand hatte zu Anfang der Vorbereitungen damit gerechnet, daß Rex Corda, der vor der Invasion zu den populärsten Persönlichkeiten der westlichen Welt gehörte, ernsthafte Konkurrenz haben würde. Betroffen stand Will Rimson der intriganten Kampfesweise des Gegenkandidaten Randy Seagren gegenüber. John Haick hatte darüberhinaus die Aufgabe, über die UNO die Bildung einer globalen Regierungsgewalt vorzubereiten. Hier standen die Regierungen der Erde unter dem Druck der Laktonen, die es ablehnten, in jedem Land mit einer anderen Regierung zu verhandeln. Bisher hatten die Laktonen sehr deutlich erkennen lassen, daß sie nur Senator Corda als Sprecher der Erde anerkannten. Jetzt plötzlich äußerten sie sich zu diesem Problem überhaupt nicht mehr. Es gab keine Nation mehr, die einer globalen Regierung ernsthaften Widerstand entgegensetzte. Erstmals waren sich die Nationen der Erde einig. Die Vorbereitungen für die Bildung einer Erdregierung waren weit gediehen. Die wichtigsten Gesetze hatten die erforderlichen Stationen bereits durchlaufen. Die globale Regierung konnte gebildet werden. Nur eine einzige Voraussetzung war noch nicht erfüllt: Die Nation, die auch jetzt noch die mäch-
tigste der Erde war, die Vereinigten Staaten von Nord- und Mittelamerika, konnten noch keinen gewählten Präsidenten aufbieten, der in die engere Wahl eines Präsidenten der Erde kommen würde. Als Regierungsspitze war eine fünfköpfige Kommission vorgesehen, aus der der Präsident der Vereinigten Staaten kommen sollte. Die Tage bis zur Wahl liefen ab! * Als der Kreuzer startete, traf die Nachricht von Jakto Javan ein. Der Schento erwartete den Besuch des Senators auf dem Flaggschiff der laktonischen Flotte. Das Schiff wartete in der Höhe der Marsbahn auf den kleinen Kreuzer. Percip brachte Corda diese Nachricht in seine Kabine. „Bestellen Sie Javan, daß ich jetzt keine Zeit für ihn habe", sagte Senator Corda. „Es ist kein großer Zeitverlust für Sie, wenn Sie mit ihm sprechen", meinte Percip. Corda musterte den Agenten aus verengten Augen. Er war etwas erschöpft. Dennoch erfaßte Corda, daß Percip die Entwicklung mit großer Sorge betrachtete. „Sie würden es begrüßen, Percip, wenn ich zu dem Schento ginge?" Der Laktone setzte sich in einen Sessel. Percip war blaß. Auch er war etwas erschöpft. „Ich glaube, daß der Schento seine Gründe hat, wenn er Sie zu einem Gespräch bittet", versetzte Percip. „Er kennt die Situation besser als wir alle. Er weiß ganz genau, was passiert, wenn wir Matson nicht wiederfinden. Bei ihm sammeln sich Informationen, von denen wir überhaupt nichts ahnen. Sprechen Sie mit ihm!"
Percip stand auf und ging zur Tür. „Percip?" Der Laktone drehte sich um und sah Corda fragend an. „Percip, ich habe das Gefühl, daß Javan das Schlachtfeld bereits abgeerntet hat." „Wie meinen Sie das, Sir?" „Ich glaube, daß die Laktonen vieles entfernt haben, was eigentlich Eigentum der Erde wäre. Auf der anderen Seite haben sie einiges hinzugefügt, das uns in die Hände fallen soll. Wenn ich zum Beispiel an den Raumer auf Merkur denke. Percip — das Schiff wurde mir mit voller Absicht in die Hände gespielt." Percip lächelte matt. „Glauben Sie wirklich, Sir?" murmelte er. In seinen Augen blitzte es kurz auf. „Weshalb vermuten Sie das?" Corda winkte ab. „Lassen wir das, Percip. Melden Sie mich beim Schento an." Es dauerte zwei Stunden, bis die beiden Raumschiffe so dicht nebeneinander lagen, daß eine direkte Verbindung zwischen beiden geschaffen werden konnte. Die Laktonen spannten ein tunnelförmiges Energiefeld zwischen den beiden Schleusen. Sie füllten es mit atembarem Gas und gaben ihm eine geringe Gravitation, so daß Corda ohne Raumanzug zu dem Flaggschiff hinübergehen konnte. Percip und Bekoval begleiteten ihn. Jakto Javan erwartete Rex Corda in der Schleuse. Der hünenhafte Laktone trug eine schlichte blaue Uniform. Auf der linken Schulter blitzten einige Edelsteine. Bekoval stieß einige verblüffte Laute aus, als er sah, daß der Schento seinen Besucher in der Schleuse empfing. „Jetzt wird er gleich vor Stolz aus den Nähten platzen", raunte er Percip so laut zu, daß Corda es noch hören konnte.
„Sie sprechen ein bemerkenswert gutes Englisch, Bekoval", gab Corda trokken zurück. „Ich denke, ich muß Ihnen mehr Intelligenz zubilligen, als ich gedacht habe." Bekoval schnaubte wütend, doch er konnte nicht mehr antworten, da Corda den Schento erreichte. Er blieb zwei Meter vor Jakto Javan stehen. Da Corda den Schento nur schweigend ansah, begann dieser. „Ich habe Ihnen etwas zu zeigen, Corda!" Percip übersetzte die laktonischen Worte leise. „Ich habe wenig Zeit", entgegnete Corda knapp. Jakto Javan runzelte die Stirn. „Wer mit dem Schento spricht, hat Zeit", sagte er scharf. Corda drehte sich langsam um, nachdem Percip übersetzt hatte, und machte Anstalten, zum Kreuzer zurückzukehren. Er sah auf das milchige Etwas unter seinen Füßen, das ihn trug und von der eisigen Kälte des Weltraumes abschirmte. „Wohin wollen Sie?" fragte Bekoval betroffen. „Ich erklärte, daß ich keine Zeit habe", sagte Corda. „Ich werde die Zeit, die mir bleibt, nicht mit Formalitäten vergeuden!" Er drehte sich wieder um und sah Jakto Javan kühl an. „Sie wünschen mich zu sprechen. Was gibt es?" Javan hob seine rechte Hand. Er zeigte auf das Schleuseninnere. Corda bemerkte, daß der Schento die Finger der künstlichen Hand noch immer ungeschickt bewegte. „Wir haben einen Weg entdeckt, der durch den Energieschirm führt." Corda wurde aufmerksam. „Dann benötigen Sie Matson nicht mehr?" „Wir benötigen ihn dringender denn je!" betonte Jakto Javan. „Wir können auf gar keinen Fall auf ihn verzichten.
Kommen Sie, Corda, ich muß Ihnen etwas zeigen." „Hat sich etwas in unserer Situation geändert? Was passiert, wenn wir Matson nicht wiederfinden?" „Dann ist es aus!" sagte Javan erregt. „Das ist unsere letzte Chance. Wir haben nur herausgefunden, was wir machen können, um den Einsatz Matsons zu rechtfertigen." Er verließ die Schleuse. Rex Corda folgte ihm. Zu seinen Seiten gingen die beiden Laktonen Percip und Bekoval. Die Offiziere und Roboter, die im Hintergrund der Schleuse gestanden hatten, während Corda mit Javan sprach, schlössen sich ihnen in respektvoller Entfernung an. Javan führte den Senator wieder zum Gravo-Lift. Mit einer Kabine rasten sie zur Spitze des gigantischen Raumschiffes, dessen Heimat der Weltraum war. Der große Holograf in der Zentrale übermittelte ein Bild von der Energieglocke. Rex Corda sah das grüne, flimmernde Feld, das sich tief in das dunkle Nichts grub. Jenseits des Feldes trieb ein Hantelraumer. Die Abstrahlprojektoren der zahlreichen Strahlwaffen flimmerten feuerbereit. Das Aufnahmesystem schwenkte um. Der Energieschirm wanderte ab. Sieben laktonische Raumschiffe kamen ins Bild. Die Entfernung zu ihnen mußte außerordentlich groß sein, da die Kolosse in ganzer Länge zu sehen waren. Jakto Javan gab dem Funkleitkommando einen Wink. Die Offiziere beugten sich über die Geräte und schalteten. Befehle flüsterten in den Aufnahmesystemen. „Jetzt passen Sie auf!" Corda sah, daß eines der Raumschiffe auf dem Holografen langsam beschleunigte. Lange, glutende Plasmabahnen fegten aus dem Heck in die Schwärze hinaus. Sie trieben das Raumschiff mit steter Beschleunigung an den
Energieschirm heran. Je näher der Raumer dem Schirm kam, desto deutlicher wurde erkennbar, mit welch hoher Geschwindigkeit er arbeitete. Jetzt schossen auch die anderen Raumschiffe heran. Mit rapide steigender Geschwindigkeit jagten sie auf die grüne Barriere zu, die sich bisher als unüberwindlich erwiesen hatte. Alle Versuche der Laktonen waren gescheitert. Bis jetzt war nicht der geringste Erfolg zu verzeichnen. Im Gegenteil — jedes Experiment war deprimierender als das vorhergehende. Mit jedem weiteren Experiment mußten die Laktonen noch deutlicher erkennen, daß sie geschlagen waren, daß sie unaufhaltsam der völligen Vernichtung entgegentrieben. „Was soll das?" fragte Corda. „Das ist nicht das erste Mal, daß ich einen solchen Versuch verfolge!" „Abwarten", sagte Javan leise. Jetzt erreichte das erste Schlachtschiff den Schirm. Senator Corda beugte sich unwillkürlich vor, um die Vorgänge genauer beobachten zu können. Er war fest davon überzeugt, daß der Raumer in einer gewaltigen Explosion verwehen würde. Doch nichts dergleichen geschah. Das riesige Raumschiff schob sich durch den Energieschirm, als wäre gar kein Hindernis vorhanden. Corda wandte keinen Blick von dem verblüffenden Schauspiel. Jetzt rasten die anderen Schlachtraumer auf den Schirm zu. Die tödliche Schranke zerstob zu einem harmlosen Nichts. Die sieben Schlachtschiffe durchbohrten die Energieschranke wie harmlose Farbschleier. Doch jetzt erwachten die Energiegeschütze des Hantelraumers zu wütendem Leben. Corda sah die dichten Glutbahnen, die auf die Lakton-Schiffe zutobten. Er sah die Bahnen überall an den Kugeln
des orathonischen Schiffes entstehen. Ungeheure Energiemengen gluteten auf die Raumer zu — und jagten durch sie hindurch, als wären sie nicht vorhanden. Dann — von einer Sekunde zur anderen — klickte es leise bei den Offizieren an der großen Positronik, die laktonischen Schiffe verschwanden aus dem All, als wären sie nie gewesen. Die Energiestrahlen flammten harmlos ins Nichts. Corda sah den Schento verblüfft an. Jakto Javan lachte leise. Ein siegessicheres Lächeln faltete sich um seine Augen. „Das ist uns bis jetzt nicht gelungen, Corda. Bis jetzt konnten wir keine Projektionen durch den Schirm werfen!" „Projektionen? Weshalb schießen die Orathonen auf fiktive Bilder?" Rex Corda lächelte ungläubig. Er wollte nicht glauben, daß die Super-Technik der Orathonen auf Projektionen hereinfallen konnte. „Das ist eine äußerst komplizierte Sache, Sir", mischte sich Percip ein, nachdem der Schento ihm durch eine Geste zu verstehen gegeben hatte, daß er erklären sollte. „Es läuft, mit einfachen Worten gesagt, darauf hinaus, daß die Orathonen die Projektionen auch mit ihren Ortungsgeräten erfassen." „Sie orten Projektionen?" Corda schüttelte lächelnd den Kopf. „Lassen Sie die Erklärungen — ich bin nicht bereit, das zu akzeptieren." „Sie orten das Projektionsbild tatsächlich, Sir", betonte Percip. „Gerade deshalb feuern sie auf jedes Bild. Sie können die Projektionen nicht von den Raumschiffen unterscheiden. Wir erreichen diesen Effekt durch eine äußerst komplizierte Dimensionsverschiebung, die gekoppelt ist mit den besonderen Methoden der Holografie." Corda lächelte noch immer. Er ging dichter an den Holografen heran und betrachtete den Hantelraumer, der jen-
seits der Energieschranke vorbeizog. Er wußte, daß die Laktonen ihm niemals ausreichend erklären konnten, wie sie den verblüffenden Effekt erreichten. Er erkannte aber die Chance, die sich ihm plötzlich bot, sofort, als er das Geschehen wirklich akzeptierte. Er drehte sich um. Jakto Javan stand keine zwei Schritte hinter ihm. Der Schento sah ihn voller Spannung an. „Haben Sie erfaßt, worum es geht?" fragte er. Ungeduldig wartete er, bis Percip die Worte übersetzt hatte. Corda nickte ruhig. „Wenn Sie laufend Projektionsbilder durch den Schirm schicken, dann sind die Orathonen gezwungen, auf jedes Projektionsbild zu feuern. Sie haben keine andere Methode, um festzustellen, was wirkliche Raumschiffe sind. Bei jedem Schuß, den sie abfeuern, werden sie dann feststellen müssen, daß sie eine Projektion beschossen haben." „Mit gewissen Einschränkungen", warf Percip ein. „Es kann durchaus passieren, daß die Orathonen bei einigen Objekten nicht erfassen, ob ihnen ein Abschuß gelungen ist oder nicht." „Wenn wir also laufend Projektionen durch den Schirm schicken, und die Orathonen merken, daß sie immer nur auf dreidimensionale Bilder schießen, dann wird es vielleicht gelingen, ein Einsatzkommando durch den Schirm zu bringen", fuhr Corda unbeirrt fort. „Das Einsatzkommando hat dann auch eine reelle Chance, zu einer Energiestation vorzudringen. Voraussetzung ist allerdings, daß es die Orathonen allmählich leid werden, auf die Projektionen zu schießen. Vielleicht feuern sie bald nur noch vereinzelt." „Das ist eine Chance", bestätigte Jakto Javan. „Bereits jetzt fliegen unaufhörlich Projektionen durch den Schirm. Überall durchbrechen die fiktiven Bilder die Schranke. Die Orathonen feuern im Augenblick noch auf jedes Objekt.
Ich bin aber fest davon überzeugt, daß sie es bald nicht mehr tun werden. Wenn es soweit ist, dann muß Matson zum Einsatz kommen!" „Ich werde ihn finden", sagte Corda. „Und ich werde mit ihm sprechen." * Als der Kreuzer sich auf die Erde herabsenkte, stand Senator Corda an dem Holografen auf der Kommandobrücke. Seine Blicke glitten über das Abbild des Atlantiks. Deutlich konnte er die Semibioten-Kolonie im SargassoMeer erkennen. Der grauschwarze Parasit war größer als der, der die Bahamas überfressen hatte. Aber auch hier zog sich ein dünner Gürtel aus dem gischtenden Wasser um die Kolonie. Die Dephine kämpften offensichtlich wieder gegen den Fremdling, der ihren Lebensbereich vernichten wollte. Der einsame Mann auf der Kommandobrücke des laktonischen Raumschiffes verlor kein Wort. Es war nicht nötig. Aber Rex Corda wußte genau, was er tun würde. Die Kolonie mußte verschwinden. Vorher würde sich der Schirm dem Einsatzkommando nicht öffnen. Fred Matson sollte kein Risiko eingehen, wenn nicht vorher feststand, daß die Erde überleben würde. Das Raumschiff setzte südlich des NORAD auf einem früheren Flugplatz auf. Will Rimson, der verständigt worden war, erwartete Rex Corda am Rande des Platzes mit einem Gleiter. Der alte Wissenschaftler kam dem Senator entgegen, als Corda vom Kreuzer zum Gleiter ging. Sie trafen sich auf halber Strecke. Nukleon, der telepathisch begabte Hund des Wissenschaftlers, trottete hinter Will Rimson her.
„Was wißt ihr von Matson?" fragte Corda, noch bevor sie sich begrüßt hatten. „Nichts"", sagte der Alte bitter. „Wir stehen vor einem Rätsel! Der Gouverneur Seagren weiß nichts!" * Matson lehnte an der kalten Metallwand und sah sich wieder und wieder in dem kleinen Raum um. Er hatte jetzt keine Zweifel mehr. Er befand sich auf dem Mond. Es gab keine andere Möglichkeit. Das bedeutete, daß er nicht die geringste Chance hatte, von hier zu entkommen. Die schmale Tür öffnete sich. Ein Laktone sah herein. „Kommen Sie", sagte er. Matson drückte seine Schultern lässig von der Wand ab und ging zur Tür. Im Augenblick fühlte er sich wenigstens körperlich wohl. Er hatte sich voll unter Kontrolle. Der Laktone ließ den Mutanten an sich vorbei m den Nebenraum gehen. Fred Matson sah zahlreiche einfache Instrumente, die ihm bekannt vorkamen. Hinter einem kleinen Metalltisch saß der Mann, der ihn mit der Pistole bedroht hatte. Er hatte ein schmales braunes Gesicht. Die Kerben in seinem maliziös grinsenden Gesicht wiesen darauf hin, daß er magenkrank war. Matson kümmerte sich nicht um den Verräter. Er ging zu einem schwarzen Kasten hinüber, der unter einer dicken Staubschicht neben dem runden Panzerplastfenster ruhte. Er beugte sich über das kleine Schild auf der Vorderseite des Gerätes. „West Aviation Ltd.", las er langsam. Plötzlich begriff er. Er richtete sich ruckartig auf. „Das ist die Station, die unsere Jungens 1971 auf dem Mond errichtet ha-
ben!" sagte er schrill. „Sie sind nie zurückgekommen. Wo sind sie?" Der Amerikaner stand auf und kam zu Matson. Er lächelte zynisch. „Sehen Sie doch aus dem Fenster, Matson!" Der Mutant klammerte sich an das Gerät. Mit verengten Augen starrte er hinaus. Die über dem Mond stehende Erde reflektierte helles Licht. Matson erkannte die Trümmer einer Rakete. Er wollte sich abwenden, als ihm etwas auffiel. Er preßte die heiße Stirn gegen das Glas. Es waren nicht nur Raumanzüge, die dort draußen lagen. Jetzt konnte Matson die weißen Gesichter der Toten hinter dem Panzerglas der Helme sehen. Er las auch die Aufschrift auf der Stirnseite der Helme. Er wußte genug. „Ich bin also wirklich in der Station!" keuchte er. Er fühlte, daß ihn schwindelte. „Hier wird mich niemand finden!" Der Amerikaner lachte. „Niemand!" sagte er befriedigt. „Es ist gut, daß Sie das erfaßt haben, Matson!" „Was habt ihr mit mir vor?" „Nichts weiter", winkte der Amerikaner lässig ab. „Sie sollen für uns genau das tun, was Sie vorher für Corda getan haben. Sie sollen den Energieschirm sprengen!" Matson lachte schrill. „In dem Augenblick, in dem ich mich sehen lasse, seid ihr erledigt", behauptete er belustigt. „Ihr habt keinerlei Nutzen davon, daß ihr mich hier einsperrt." „Doch, Matson. Sie werden erst dann etwas tun, wenn Corda erledigt ist. Er ist überflüssig. Er arbeitet gegen die Interessen der Welt. Ihm geht es nur um die eigenen Vorteile!" „Verrückt", grinste Matson. „Ich weiß genau, daß das Unsinn ist." „Also schön, Matson", bemerkte jetzt
der Laktone mit einem sardonischen Lächeln. „Wenn Sie es genau wissen wollen, dann sollen Sie es wissen. Es gibt nur eine Möglichkeit für Sie: Sie müssen den Schirm brechen. Sie müssen es für uns tun, nicht für Corda. Wir werden Corda beseitigen, so oder so. Er ist uns im Wege!" Fred Matson nickte. „Er macht Schwierigkeiten, wie? Er zwingt Javan zu handeln, wie er es will. Er verkauft uns nicht. Das ist es! Deshalb ist er unbequem für Javan. Deshalb wollt ihr Seagren zum Präsidenten machen, weil er euer Mann ist!" „Javan weiß nichts von unserer Aktion, Matson." „Das mag der Teufel glauben — ich nicht." Der Amerikaner verschränkte die Arme vor der Brust. Er baute sich mit einem selbstgefälligen Grinsen vor dem Mutanten auf. „Wir verschwenden unsere Zeit, Matson. Ihnen bleibt tatsächlich kein Ausweg. Corda wird verschwinden. Entweder wird er politisch ausgeschaltet, oder er fällt einer Kugel zum Opfer!" „Sie wollen ihn ermorden?" „Sie zwingen uns dazu, Matson." „Ihr Teufel!" schrie Matson auf. Er riß die Arme hoch, um sie dem Verräter um den Hals zu krallen. Doch dieser hieb ihm die Stiefelspitze wuchtig ans Schienbein. Ächzend sank Matson in sich zusammen. „Stehen Sie auf!" peitschte die Stimme des Laktonen auf. Matson gehorchte wie in Trance. Er haßte diese Männer. Jetzt wußte er plötzlich ganz genau, was er tun mußte, um frei zu sein. Er wußte, daß er — Matson — die Hoffnung der Erde war. Es gab tatsächlich nur einen Weg für ihn. Matson wußte es. Aber es war ein anderer Weg, als seine Peiniger dachten. Matson erkannte den Weg. Er war fest entschlossen, ihn zu gehen.
Er taumelte. Seine Augen waren leer und stumpf. Die Unterlippe fiel ihm blöde herab. In diesem Augenblick zweifelten der Laktone und der Amerikaner an Matsons Intelligenz. Matsons Sinne waren ganz nach innen gerichtet. Es war ihm egal, was um ihn herum geschah, wenn er das Wichtige nur in den Griff bekam. „Verdammt, es ist kalt hier", fluchte der Verräter. „Wie kommt das? Es war doch vorher alles in Ordnung." Der Laktone sah auf das Gesicht des Mutanten. Ihn fröstelte. * Will Rimson schüttelte den Kopf. „Es gibt keine Spuren", sagte er. „Rex, die fähigsten Leute der Bundeskriminalpolizei haben versucht, diese Spur aufzunehmen. Wir wissen jetzt nur, daß Matson von zwei Männern in einen Gleiter getragen wurde. Der Gleiter verschwand in westlicher Richtung. Die beiden Jungen, die die Entführer gesehen haben, waren zu weit von der Villa Matsons entfernt, so daß sie die beiden Männer nicht beschreiben können. Nach ihrer Aussage ist es nicht unmöglich, daß noch weitere Männer in dem Gleiter saßen." Rex Corda schüttelte den Kopf. Er konnte sich einfach nicht vorstellen, daß es überhaupt keine Spuren gab. „Ich werde mit Nukleon nach San Franzisko fliegen", beschloß Corda. „Wir haben keine Zeit mehr zu verlieren. Ich werde bis zu Seagren vordringen, wenn es nicht anders möglich ist!" Rimson stimmte zu. Er forderte zwei Sicherheitsbeamte an, die Corda begleiten sollten. Fünf Minuten später raste ein Spezialgleiter, der für besonders hohe Geschwindigkeiten gebaut war, nach Westen. Rex Corda erreichte die große Stadt
an der Küste, als die Sonne im Pazifik versank. Er wußte, wo der Gouverneur zu finden war. Erschüttert betrachtete er die Stadt, von der große Teile in Schutt und Asche versunken waren. Keine Entschädigung, die Corda von den Laktonen forderte, konnte hoch genug sein. Niemand konnte wirklich ersetzen, was hier zerstört worden war. Corda zwang sich, jetzt über die Verwüstungen hinwegzusehen. Er konzentrierte sich auf eine Aufgabe: Matson wiederzufinden. Der Gleiter landete einen Kilometer von der unzerstörten Residenz des Gouverneurs entfernt. Nukleon sprang als erster aus dem Gleiter, der in einer kleinen Seitenstraße stand. Niemand achtete auf die Männer. Die Männer, Frauen und Kinder in dieser Straße kämpften mit den Trümmern, die die Bürgersteige noch immer verschütteten. Straße für Straße arbeiteten sie sich an den Sitz des Gouverneurs heran. Nukleon blieb ständig bei Corda. Die telepathischen Sinne des Hundes sondierten die Umgebung. Die Intelligenz des Hundes war nicht so groß, daß er wirklich erfaßt hätte, worin der besondere Wert Matsons für Corda lag. Nukleon wußte nur, daß Matson für Corda wichtig war. Er wußte, daß Corda den Mutanten suchte. Also suchte der Hund nach dem Mann, der etwas von Matson wußte. Schon zweimal hatte Will Rimson mit Hilfe mehrerer Geheimagenten die Umgebung der Villa abgesucht, in der der Gouverneur residierte. Bisher war es Nukleon nicht gelungen, das zu finden, was sie suchten. Die beiden Sicherheitsbeamten gingen zu beiden Seiten des Senators. Ihren aufmerksamen Augen entging absolut nichts. Als sie bis auf zweihundert Meter an die Rückfront der Villa gekommen waren, blieb Nukleon stehen. Er win-
selte leise. Unruhig spielten seine Ohren. „Sir, sehen Sie!" rief einer der beiden Beamten leise. Corda sah es selbst. Aus einem Kellerfenster kräuselte sich eine dünne Rauchfahne. Das Kellerfenster flackerte rotorange, als ob Feuer dahinter brannte. Nukleon bellte laut. Vier Männer, die aus einer Seitenstraße kamen, blieben neugierig stehen. Sie sahen zu Corda und den beiden Beamten hinüber. Corda hatte sie noch nie gesehen. Er richtete seine Aufmerksamkeit auf die andere Seite, so daß er ihnen den Rücken zuwandte. Doch einer der Agenten sah sie. „Sir! Nicht umdrehen!" rief er leise. „Was ist los?" „Wir sollten verschwinden, Sir!" „Warum?" Der Beamte zeigte auf das Kellerfenster. Genau in diesem Augenblick gab es eine zischende Explosion. Eine meterlange Stichflamme knallte aus dem Fenster. Aus dem Innern der Villa kam ein gellender Schrei. Nukleon bellte jetzt laut und wütend. Er sah sich immer wieder zu Corda um. „Weg hier!" rief der Agent. „Sir, wenn man Sie jetzt hier sieht, sind Sie erledigt." Corda zögerte jetzt nicht mehr länger. Er befahl den Rückzug. Die vier Beobachter hatten ihn noch immer nicht erkannt. Die Agenten sorgten dafür, daß Corda nicht zurücksah. Minuten später erreichten sie den Gleiter. Corda selbst setzte sich an das Gabelsteuer. Er startete sofort und ließ den Gleiter in niedrigem Flug über die Gouverneursresidenz hinwegziehen. Die Rückfront des Hauses stand in Flammen. Rex Corda war davon überzeugt, daß er die Spur gefunden hatte, die ihn zu dem Mutanten Fred Matson führte.
* Der Magenkranke fluchte kreischend. Die Temperaturen fielen rapide. Die Luftfeuchtigkeit schlug sich weiß an den Panzerplastfenstern nieder. Eisstreifen zogen sich über die Metallwände. „Matson!" schrie der Verräter. Der Mutant hörte ihn nicht. Taumelnd stand er vor den beiden frierenden Männern. Der Schweiß rann ihm in Strömen über den Körper. Sein fleischiges Gesicht glühte. Der Laktone stakte steif vor Kälte zur Tür. Er faßte nach dem Griff, zog seine Hand jedoch sofort wieder zurück, da die Kälte seine Haut packte. „Bin ich denn wahnsinnig?" stöhnte der Amerikaner verzweifelt. Er stürzte sich auf eine kleine Instrumententafel und las die Instrumente ab, nachdem er die weiße Reifschicht weggewischt hatte. Er lachte schrill. „Das ist doch zum Verrückt werden!" kreischte er in panischer Angst. „Die Klimaanlage arbeitet auf Hochtouren. Sie bläst angeblich Riesenmengen kochendheißer Luft in diesen Raum!" Er stürzte sich auf Matson und packte ihn bei den Schultern. Er rüttelte wild an ihm. Doch der Mutant sah ihn nicht. Seine leeren Augen starrten an ihm vorbei. Die schlaffen Lippen stammelten lautlose Worte. Wie von Sinnen sah der Amerikaner auf den Schweiß, der das heiße Gesicht des Mutanten bedeckte. „Er kann sich dagegen schützen!" vermutete der Laktone, der sich durch heftige Bewegungen zu erwärmen versuchte. Er rannte von einer Ecke des Raumes in die andere. Er wickelte sich ein Stück seiner Hüftbluse um die Hand und versuchte so, die Tür zu öffnen. Aber sie war festgefroren. Seine Hand
tastete nach der Strahlwaffe, stieß jedoch ins Leere. Jetzt fiel dem Laktonen ein, daß er den Strahler im Nebenraum zurückgelassen hatte, weil er jedem möglichen Risiko aus dem Wege gehen wollte. Er wollte auf jeden Fall verhindern, daß Matson in den Besitz der Waffe kam. Die Temperaturen stürzten weiter. Das Wandthermometer zeigte 22 Grad Celsius an. Und Matson schwitzte, als ob er in tropischer Sonnenglut stände. „Matson!" brüllte der Terraner voller Verzweiflung. Er riß seine Pistole aus der Jacke und richtete sie mit vor Kälte zitternden Fingern auf den schwankenden Mutanten. Als er durchriß, schlug der Laktone seine Hand gegen den Arm des Schützen. Die Kugel klatschte wirkungslos gegen die Metallwand. Der Verräter schleuderte den viel kräftigeren Laktonen mit verzweifeltem Zorn zur Seite und warf sich auf Fred Matson. Seine Hand peitschte hoch. Die Handkante knallte mit grausamer Wucht gegen den Hals Matsons. Der Mutant brach wie vom Blitz gefällt zusammen. Doch er fiel nicht schnell genug. Ein zweiter Handkantenschlag traf. Damit begann eine tödliche Entwicklung. Keuchend starrte der Amerikaner auf den Zusammengebrochenen. Sekundenlang geschah überhaupt nichts. Der Verräter schien nur zu überlegen, ob er weiter auf den Mutanten einschlagen sollte oder nicht. Die glühendrote Gesichtsfarbe des Mutanten wich einem fahlen Weiß, das bis in die zuckenden Lippen hineinkroch. Matson regte sich nicht. Wie tot lag er vor dem Amerikaner auf dem Boden. Der Verräter wandte sich langsam ab
und ging zu den Instrumenten hinüber. „Die Temperatur steigt!" sagte er keuchend. „Es sind jetzt nur noch fünf Grad unter Null!" Er erstarrte vor Überraschung. Langsam ging er zu dem bewußtlosen Mutanten hin, der jetzt begann, sich langsam und qualvoll auf dem Boden zu wälzen. „Jetzt begreife ich, alter Bursche. Für einen Augenblick habe ich tatsächlich vergessen, daß du irgend etwas mit Energie zu tun hast." Er grinste teuflisch. Behutsam zündete er sich eine Zigarette an. Die Temperatur stieg tatsächlich sehr schnell. Das Wasser tropfte von den Wänden. Als der Amerikaner seinen ersten tiefen Zug aus der Zigarette nahm, gab es schon kein Eis mehr in dem Raum. „Jetzt möchte ich nur wissen, wo er die Energien gelassen hat, die er diesem Raum absaugte." Der Laktone, der noch immer unter dem Schock der für ihn ungewohnten Ereignisse stand, sah ihn verständnislos an. „Begreifen Sie denn nicht?" lachte der Terraner sorglos. „Wenn es hier so verdammt kalt wurde, dann muß es wohl an irgendeiner anderen Stelle verdammt heiß geworden sein." Er kicherte närrisch, trat Matson brutal in die Seite und riß die Tür zum Nebenraum auf. Sie ließ sich jetzt mühelos bewegen. Er blieb wie erstarrt auf der Schwelle stehen. Ein gräßlicher Schrei gellte über seine Lippen. * Die Tür öffnete sich. Bekoval schritt über knöcheltiefe Bodenbeläge in die Gemächer Jakto Javans. Hier war er nie gewesen. Er wußte nur, daß es diese Räume geben sollte. Jetzt sah er sie.
Er hatte gedacht, der Luxus müsse ihn erschlagen. Aber es gab keinen übermäßigen Luxus. Der Raum zeichnete sich durch nüchterne, klare Linienführung aus. Einige künstlerische Kostbarkeiten, die vor den Wänden schwebten, ließen Bekovals Atem allerdings stocken. Er bedauerte, daß er keine Gelegenheit haben würde, sich alles in Ruhe anzusehen. Hinter dem riesigen Arbeitstisch, auf dessen dunkler Platte kein Stäubchen und kein Arbeitsmaterial lag, lächelte das klare Gesicht Jakto Javans. Seine künstliche Hand aus Metallplast ruhte auf dem Tisch. Bekoval schluckte. Langsam ging er auf den Arbeitstisch zu. Er blieb kurz davor stehen und grüßte militärisch. Eine Geste drückte ihn in einen der grauen Sessel hinab. „Die Situation ist anders als in der Zentrale", versetzte Jakto Javan. „Ich bin der gleiche." Bekoval brachte ein Lächeln zustande. Es fiel nicht besonders überzeugend aus. Er wußte, daß in den nächsten Minuten viel entschieden werden konnte — oder nichts. „Sie haben mich gebeten, meine Erfahrungen zu verwerten, die ich im Umgang mit den Bewohnern des blauen Planeten machen konnte", begann Fatlo Bekoval. „Sprechen Sie!" „Ich muß etwas weiter ausholen." „Tun Sie das." Jakto Ja van lächelte noch immer. „Nehmen Sie sich die Zeit, die meine Sekretäre Ihnen nicht gönnen." Jetzt blätterte die unerträgliche Spannung von Bekoval ab. Er schmunzelte leicht. „Schento", begann er. „Ich stelle die Fragen, die ich stellen möchte, nur, weil ich davon überzeugt bin, daß es wichtig ist, daß ich die Antworten kenne. Ich
bin fest davon überzeugt, daß die Existenz der gesamten Flotte davon abhängen kann!" „Sie machen mich neugierig", versetzte der Schento mit leichtem Spott. „Schento, ich war fast immer in der Nähe von Senator Corda. Er ist ein beachtenswerter Mann, der uns große Schwierigkeiten machen könnte. Ich habe das Gefühl, daß er von dem Betrug weiß, den wir betreiben." Der Schento lächelte noch immer. „Ich glaube also, daß Corda weiß, daß wir ihm den Hantelraumer in die Hände gespielt haben. Er ließ durchblicken, daß es ihn nicht störe, wenn wir ihm einige vielleicht wichtige Dinge vorenthalten. Aber das deutet darauf hin, daß er informiert ist." „Und?" „Jetzt ist ein Unglück geschehen." Jakto Javan beugte sich plötzlich vor. Seine Züge spannten sich. „Welches?" fragte er scharf. Eine flammende Ader wuchs auf seiner Stirn. „Es würde mich interessieren, ob etwas wirklich Wichtiges geschehen ist, über das ich nicht informiert bin." Bekoval drückte sich unwillkürlich tiefer in den Sessel. Er fühlte sich plötzlich unbehaglich. „Rex Corda will Präsident seines Landes werden. Er hat einen Gegenkandidaten." „Ich weiß", sagte der Schento mit schneidender Stimme. „Dieser Gegenkandidat wird von uns unterstützt." „Auch das weiß ich." „Ich erlaube mir kein Urteil über diese Maßnahmen", sagte Fatlo Bekoval, jetzt ebenfalls mit schärferer Stimme, da er plötzlich fürchtete, nicht ausreden zu können. „Jetzt ist einer unserer Agenten im Hause dieses Gegenkandidaten ums Leben gekommen!" Jakto Javan ballte die künstliche
Hand zu einer Faust, die ein metallisches Aussehen hatte. „Woher wissen Sie das?" „Dieser Beamte war ein weitläufiger Verwandter von mir. Ich erfuhr es vom Nachrichtendienst, unmittelbar nach dem Unglück." Der Schento ließ die Faust mehrmals donnernd auf die Platte herabbrausen. „Dann ist der Gegenkandidat erledigt!" „Das steht noch nicht fest. Wenn es gelingt, ihn aus dem Haus zu bringen, ohne daß die Beobachter es merken, dann ist alles so, wie es war. Aber es ist etwas Schlimmeres passiert." „Und das wäre?" „Im Keller des Hauses befand sich ein Transmitter." Javans Augen verengten sich. „Allmählich wird Ihr Besuch wertvoller, Bekoval. Worauf wollen Sie hinaus?" Fatlo Bekoval preßte die Lippen zusammen. „Ich will nur darauf hinweisen, daß es zu gefährlich ist, dieses Spiel, das wir schon mit so vielen primitiven Völkern gespielt haben, weiterzuführen. Diese Terraner, wie sie sich nennen, haben etwas in der Hand, das uns gefährlich werden kann. Nicht umsonst konnten sie den Orathonen derartige Schäden zufügen. Wenn wir uns nicht vorsehen, dann gehen wir alle in der Falle zugrunde." Jakto Javan erhob sich mit eisiger Miene. „Vielen Dank für den Rat, Bekoval." Das bedeutete, daß Bekoval entlassen war. Doch der Offizier blieb noch vor seinem Sessel stehen. „Schento, ich vermute, daß der Nachrichtendienst den Mutanten Fred Matson entführt hat!" sagte er entschlossen. Jakto Javan stand wie vom Donner gerührt hinter seinem Arbeitstisch. „Sie wissen nicht, was Sie sagen, Be-
koval." „Ich weiß nur, daß mein Verwandter, der jetzt verunglückt ist, vor nicht sehr langer Zeit eine Andeutung gemacht hat." „Was für eine Andeutung?" „Er sagte, um die Erde wirklich in den Griff zu bekommen, werde seine Organisation wahrscheinlich eine Aktion starten, von der nicht einmal Sie, der Schento, erfahren würden. Dies sei eine Aktion, die erst dann offenbart würde, wenn sie planmäßig funktioniert habe!" Bekoval neigte den Kopf, drehte sich um und ging zur Tür. Der weiche Boden schien grundlos zu sein. „Ihre Vermutung ist ungeheuerlich, Bekoval!" Die leise drohende Stimme des Schento holte ihn ein. „Wenn sie nicht den Tatsachen entspricht, dann können ..." Fatlo Bekoval drehte sich um. In seinem breiten Gesicht zuckte kein Muskel. „Ich weiß, Schento!" sagte er. * Der Laktone stürzte sich auf die Tür. Er packte den Amerikaner an den Schultern und warf ihn zur Seite. Mit einem Zorneslaut auf den Lippen eilte er zu dem kleinen Personentransmitter. Doch er kam zu spät. Er konnte nichts mehr retten. Der Verräter lachte wie irre. Er sackte auf der Stelle zusammen und preßte die Hände an den Kopf. Aus hervorquellenden Augen stierte er auf die zusammengeschmolzenen Reste, die mitten im Raum standen. Der Laktone drehte sich wütend um. „Beherrschen Sie sich!" schrie er. Der Terraner lachte schrill. „Beherrschen!" kreischte er. „Beherrschen! Wissen Sie denn nicht, was das bedeutet? Wir sind verloren, wie die da draußen. Niemand außer uns beiden
wußte, wie der Transmitter im Haus des Gouverneurs programmiert war. Sie haben das selbst gesagt. Niemand weiß, wo wir sind!" Er warf sich herum und starrte wie ein mordlustiges Tier auf Matson, der sich in diesem Augenblick stöhnend vor Schmerzen aufrichtete. Die Augen des Mutanten glänzten fiebrig. „Der Retter unseres Sonnensystems!" keuchte der Verräter. „Da ist er! Der einzige Mann, der uns retten könnte!" „Halten Sie den Mund!" befahl der Laktone kalt. Er ging an dem Amerikaner vorbei. Dicht vor Matson blieb er stehen. „Sie werden uns retten, Matson!" Matsons Lippen zuckten. Sie kräuselten sich in grausamem Hohn. Der Mutant schüttelte müde den Kopf. „Ich werde niemanden mehr retten!" keuchte er heiser. „Mit mir ist es vorbei." Der Laktone packte ihn an den Rockaufschlägen und schüttelte ihn. Matson wehrte sich nicht. Er preßte seine bebenden Hände an den Leib. „Ich werde sterben", würgte er. „Er hätte mich nicht schlagen dürfen." Er drückte seine Hand heftig an die Hüfte, um die rasenden Schmerzen zu lindern, die von seiner Leber ausgingen. „Mir ist es gleich, was mit euch passiert. Es geht mich nichts mehr an." Der Verräter näherte sich ihm, die Lippen zornig zusammengepreßt. „Und die Erde?" fauchte er. „Und die Milliarden Menschen? Die Laktonen? Die Flotte? Alles soll zum Teufel gehen, nur weil du nicht willst? Nur weil du keine Lust hast, uns zu retten, willst du das gesamte System vernichten?" Matson lächelte mühsam. Er schüttelte den Kopf. „Ich schäme mich, der gleichen Rasse anzugehören wie du", sagte er krächzend. „Ich..."
Er griff sich ans Herz. Er taumelte. Sein Gesicht verfärbte sich. Die grauen Lippen stammelten wortlose Hilferufe. Langsam schraubte Fred Matson sich zusammen. Er fiel mit einem dumpfen Krach auf den Boden. „Nein!" keuchte der Verräter entsetzt. Er stürzte sich über Matson und rüttelte ihn. Der Laktone zog ihn kühl zur Seite. Er tastete nach dem Puls des Mutanten. „Er ist tot", würgte der Amerikaner. „Es ist alles vorbei. Das Kugelfeld wird uns zerquetschen!" * Sieben Stunden nach Ausbruch des Feuers in der Residenz des Gouverneurs begann Nukleon zu toben! Die Sicherheitsbeamten wurden sofort aufmerksam. In Sekundenschnelle war der gesamte Ring informiert, der sich dicht um die Villa spannte. Ein Kurier eilte zu einer verlassenen Ruine. Ein kurzes Funkgespräch informierte Senator Corda. Als Rex Corda sechs Minuten später eintraf, landete der unscheinbare Gleiter. Rex Corda gab den entscheidenden Befehl. Die Sicherheitsbeamten durchbrachen den Gürtel aus neugierigen Menschen, der die Villa noch immer umgab. Zwei Militärgleiter landeten neben dem Gleiter, der gerade den Vorhof der Villa erreicht hatte. Als die Türen aufsprangen, umzingelten die Sicherheitsbeamten den Gleiter. Rex Corda kam etwas langsamer hinterher. Nukleon ging an seiner Seite. Die Tür des eingekesselten Gleiters knallte auf. Der Laktone Bekoval kam heraus. „Was ist hier los?" bellte er wütend. „Sir, seit wann lassen Sie mich wie einen Verbrecher überwachen?"
„Sie interessieren nicht, Bekoval. Ihr Begleiter ist interessanter für uns!" Rex Corda fühlte einen bitteren Geschmack auf der Zunge. Er war maßlos über das Erscheinen Bekovals enttäuscht. In seiner Erregung gelang es ihm nicht, Kontakt zur Emotionalsphäre des Laktonen zu bekommen. Bekoval beugte sich in den Gleiter. Mit ungewöhnlich lauter Stimme brüllte er seinem Begleiter etwas zu. Der Laktone stieg sehr langsam und zögernd aus. Nukleon trottete zu Bekoval hinüber. Er drückte sich an dessen Beine und sah zu ihm auf. Bekoval verzog die Lippen. Er ging auf Corda zu. „Sir, bitte, glauben Sie mir! Ich habe Sie nicht verraten. Ich werde es auch nie tun. Ich hoffe, Ihnen mit dieser Aktion helfen zu können. Aber wie ich sehe, ist alles mißglückt." Rex Corda sah den Hund an. Nukleon war Telepath. Er konnte den Geistesinhalt des Laktonen erfassen. Wenn irgend jemand prüfen konnte, ob Bekoval ein ehrlicher Freund Cordas war, dann war es der telepathiSch begabte Hund Nukleon. „Was mache ich mit ihm, Nukleon?" fragte Corda. Nukleon krauste die helle Stirn und ließ das linke Augen langsam zufallen. Corda lachte. „Okay, Bekoval, ich glaube Ihnen, wenn Sie einen solchen Fürsprecher haben. Sie haben mir jetzt den letzten Beweis dafür geliefert, daß es Laktonen waren, die Fred Matson entführten. Bisher konnte ich mich nur auf Vermutungen stützen. Jetzt weiß ich es." Bekoval sah dem Senator ernst in die Augen. „Es gab eine Gruppe innerhalb unseres Geheimdienstes, die versuchte, Gouverneur Seagren zum Präsidenten der Vereinigten Staaten zu machen. Der
Schento Jakto Javan hatte nichts gegen die Pläne des Geheimdienstes, obwohl er eigentlich Ihr Freund ist. Seagren wäre ein williges Werkzeug in seinen Händen gewesen — er wäre deshalb geeigneter für Javan gewesen. Sie würden nie das tun, was der Schento will, wenn es den Interessen der Erde zuwiderläuft. Deshalb unternahm Jakto Javan nichts, um die Entwicklung aufzuhalten. Er wußte jedoch nicht, daß die Agenten Matson entführten. Als ich ihm gegenüber meine Vermutung äußerte, schaltete er sich sofort ein. Einige hohe Offiziere unseres Geheimdienstes sind inzwischen degradiert worden." Senator Corda lächelte erleichtert. „Dann sagen Sie mir endlich, wo Fred ist, Bekoval." Fatlo Bekoval sah auf seine Zehenspitzen herab. Corda bemerkte, daß sich die plumpe Nase des Laktonen mit dichten Schweißtröpfchen überzog. „Der Laktone, der in diesem Haus starb, als das Feuer ausbrach, hat das Geheimnis leider mit in den Tod genommen. Es sind zwei Männer bei Fred Matson, aber es scheint so, als hätten sie keine Möglichkeit, uns zu verständigen. Matson befindet sich nicht auf einem laktonischen Raumschiff. Wir haben bereits alles abgesucht. Ich fürchte, daß wir Fred Matson nicht mehr rechtzeitig finden werden." Das Lächeln in den Mundwinkeln Cordas verschwand. Er horchte den Worten Bekovals nach. Er konnte die Nachricht nicht fassen. „Sagen Sie das noch einmal, Bekoval!" forderte er tonlos. „Sir, es gibt keine Möglichkeit mehr, die Erde zu retten. Es ist vorbei. Die Featherheads haben gewonnen!" * Bisher gelang es noch, die Bevölkerung der Erde unter Kontrolle zu halten.
Die breite Masse wußte nicht, was wirklich geschah und wie groß die Gefahr für die Erde geworden war. Senator Corda ließ nicht erkennen, daß er nur noch eine ganz geringe Hoffnung hatte. Er war entschlossen, den Wiederaufbau der wirtschaftlichen, kulturellen und staatlichen Organisationen so lange energisch voranzutreiben, bis mit absoluter Sicherheit feststand, daß es keine Rettung mehr gab. Deshalb bestand er darauf, daß die Präsidentschaftswahlen planmäßig veranstaltet wurden und korrekt abgewikkelt wurden. Im letzten Augenblick meldeten sich noch zwei Kandidaten, die mit Corda konkurrieren wollten. Es waren zwei junge Kongreßabgeordnete aus Utah. Sie hatten keine Chance. Bei nur geringer Wahlbeteiligung vollzog sich die schnellste und ruhigste Präsidentschaftswahl. Der sonst übliche Wirbel blieb aus. Am Ende der Wahl sah sich Rex Corda in seinem Amt bestätigt. Es änderte sich nicht viel. Die Mannschaft, mit der Corda arbeitete, blieb die gleiche. Sie erhielt jetzt lediglich einen offiziellen Status. Corda blieb keine Zeit, seine Arbeit zu unterbrechen. Pausenlos war er in seinem Regierungssitz, der provisorisch im NORAD errichtet worden war, tätig. Sechs Tage waren vergangen. Sechs Tage, in denen sich bei den Laktonen eine erstaunliche Gleichgültigkeit bemerkbar machte. Von seinen Beobachtern erfuhr Corda, daß der Kampf mit der semibiotischen Kolonie im Sargasso-Meer noch immer nicht beendet war. Die Laktonen feuerten lustlos mit ihren Strahlern in die wild wuchernde Kolonie. Unermüdlich kämpften die Delphine gegen die Semibioten an. Aber ihre geistige Ausstrahlung schwächte sich von Stunde zu Stunde ab. Die Delphine
waren erschöpft. Nur die Semibioten wucherten mit ungebrochener Kraft weiter. Corda protestierte energisch bei Jakto Javan. Der Schento hörte ihm gleichgültig zu. Er schien ohne großes Interesse zu sein. Er gab den Befehl, energischer gegen die Kolonie vorzugehen, doch Corda wurde das Gefühl nicht los, daß er absolut nichts erreicht hatte. Die Laktonen hatten aufgegeben. Sie brachten den Hantelraumer, den Corda auf Merkur gefunden hatte, zur Erde. Percip, der laktonische Agent, teilte Corda mit, daß er selbst einige kleine Beschädigungen angebracht habe, um die Bedingungen zu erfüllen. Der Hantelraumer wurde der Organisation der Laktonen übergeben, um von dieser repariert zu werden. Auch Percip hatte diesen seltsamen Glanz in den Augen, den Corda bei so vielen Laktonen beobachtete. Er versuchte, Percip darauf anzusprechen. „Was ist mit euch los, Percip?" forschte er. „Habt ihr wirklich schon aufgegeben? Warum sucht ihr nicht nach Fred Matson?" Percip lachte bitter auf. „Wir suchen wie die Wahnsinnigen nach ihm. Sie ahnen nicht, Mr. President, welch verzweifelte Stimmung bei uns herrscht. Die höchsten Offiziere sind kaum noch anzusprechen. Aber im Grunde wissen sie alle, daß es vorbei ist." „Ihr habt die Hoffnung aufgegeben, daß Matson gefunden werden könnte?" Percip nickte. „Es gibt keine Chance mehr, Sir. Wir haben alles getan, was wir tun konnten. Wir haben sogar versucht, den zerstörten Transmitter im Hause Seagrens zu reaktivieren. Aber es war alles umsonst. Matson ist verschollen!" „Werden noch Versuche unternommen, um den Schirm zu durchbrechen?"
Percip hob die Arme. „Natürlich, Sir. Aber auch da gibt es keine Hoffnung mehr. Wir sind einfach nicht in der Lage, einen so stabilen Schirm zu durchbrechen." Der Laktone lächelte schief. „Wir sind — um es mit Ihren Worten zu sagen — mit unserem Latein am Ende." Corda ließ sich hinter seinen Arbeitstisch sinken. „Lassen Sie mich überlegen, Percip. Vielleicht finde ich noch einen Weg. Bleiben Sie in meiner Nähe. Notfalls müssen Sie mir helfen — mit allem, was die laktonische Flotte aufbieten kann." „Haben Sie eine Vermutung?" „Vorläufig nicht, Percip. Ich versuche nur, mir vorzustellen, was ich täte, wenn ich die Fähigkeiten Matsons hätte!" Percip sah betreten zur Seite. „Was ist, Percip?" „Sir, um ehrlich zu sein, meine Kollegen vom Geheimdienst sind der Überzeugung, daß Matson gar nicht mehr lebt. Es sind ein Amerikaner und ein Laktone bei ihm. Nach der Zerstörung des Transmitters hätte sich unser Mann unbedingt melden müssen. Für uns ist es doch wesentlich wichtiger, den Energieschirm zu brechen, als einen Präsidentschaftskandidaten durchzubringen. Außerdem sind die Wahlen vorbei." Corda wurde bleich bis an die Lippen. Mit schmerzhafter Plötzlichkeit begriff er, weshalb die Laktonen so niedergeschlagen waren. * Der Laktone klammerte sich an Matson. „Er darf nicht tot sein!" keuchte er. Der Amerikaner riß den Laktonen brutal hoch und schleuderte ihn zur Seite. Er zerrte die Bluse Matsons zur Seite und
begann kraftvoll mit Wiederbelebungsversuchen. Dabei erklärte er dem Laktonen, wie dieser ihn unterstützen konnte. Der Laktone beugte sich über Matson und machte eine Mund-zu-MundBeatmung. Drei Minuten später begann das Herz des Mutanten wieder zu flattern. Der Amerikaner schrie leise auf. Wie besessen preßte er seine Hände über dem Jochbein des Mutanten herab, um das Herz zu massieren. Matson begann zu atmen. Doch noch immer kehrte das Blut nicht in seine Wangen zurück. Sobald die beiden Männer ihre Bemühungen unterbrachen, verstummten Herz und Atmung. Der Verräter schluchzte trocken. Die Qual wurde zu groß. Es ging ja nicht um das Leben Matsons. Es ging um das Leben der Menschheit. Sträubte Matson sich gegen das Leben, weil er fürchtete, er müsse es wenig später wieder opfern? Der Amerikaner begann zu fluchen. Er schlug mit der Faust nach dem Nacken des Laktonen, der seinen Atem in den Mund des Mutanten preßte. „Los doch!" heulte der Amerikaner. „Gib dir Mühe, verdammt. Das ist keine Spielerei!" Der Laktone sackte langsam zur Seite weg. Er rollte sich auf den Rücken und blieb mit offenem Mund liegen. Rasselnd hüpfte der Atem über die bleichen Lippen. Der Amerikaner sprang auf. Er wollte sich auf den Außerirdischen stürzen, doch plötzlich wurde ihm schwarz vor Augen. Er taumelte. Seine zitternden Hände griffen nach dem flachen Tisch. Er fühlte, daß ihm der kalte Schweiß ausbrach und seine Kleidung tränkte. Wie durch flirrende Schleier sah er den Laktonen, der reglos am Boden lag. Er fühlte, wie ihm die Beine ein-
knickten. Er wollte nicht zusammenbrechen. Er wollte sich halten. Doch sein Wille genügte nicht mehr. Er brach zusammen, rollte über den Boden und blieb neben dem Laktonen liegen. Seine Haut war nicht bleich, sie war weiß. Scharf zeichneten sich die Knochen unter der Haut ab. Fred Matson regte sich. Das Blut schoß in seine Wangen. Langsam richtete er sich auf. Er kroch auf allen vieren zu den beiden Bewußtlosen hin und fühlte ihren Puls. „Tut mir leid, Freunde, aber anders ging es nicht mehr. Ich mußte es euch absaugen, wenn ich überleben wollte." Er wußte, daß die beiden Männer noch lebten. Er erhob sich und lehnte sich gegen den Tisch. Ihn schwindelte. Immer deutlicher erkannte er, welche Fähigkeiten er wirklich hatte. Diese Macht, die sich ihm jetzt offenbart hatte, war ihm unheimlich. Er hatte nichts dazu getan. Seine mutierten Sinne hatten alles selbst getan. Sein Unterbewußtsein hatte alles gesteuert. Während er noch bewußtlos war, griffen seine Sinne nach dem Leben der beiden Männer. Sie saugten ihnen die Energien ab, die Fred Matson jetzt dringend brauchte, um sein Leben für einige Tage zu erhalten. Es dauerte einige Minuten, bis er einen Schwächeanfall überwand. Er stieg über die beiden Männer hinweg und verließ den Raum, um die Station genauer zu untersuchen. Das Ergebnis seiner Untersuchungen war deprimierend. Es gab keine Raumanzüge innerhalb der Station. Es gab kein funktionierendes Funkgerät. Es gab nichts, womit er seine Freunde hätte verständigen können. Nur noch geringe Nahrungsmittelvor-
räte waren vorhanden. Sie stammten noch aus der Zeit, als die Amerikaner diese Station auf dem Mond errichteten. Es schmeckte nicht besonders gut, es sättigte aber. Fred Matson humpelte zum Fenster und starrte nach draußen. Wenige Meter von der Station entfernt lagen die toten Raumfahrer in ihren Raumanzügen. Unerreichbar. Die Erde war erheblich weitergewandert. Fred Matson konnte große Abschnitte Westeuropas erkennen. Das gesamte Gebiet war frei von Bewölkung. Langsam trieb ein laktonisches Raumschiff zwischen Mond und Erde vorbei. Fred Matson stöhnte unterdrückt. Das Raumschiff flog weniger als zehn Kilometer über dem Mond. Unerhört nah — aber unerreichbar fern. Matson kehrte zu den beiden Männern zurück. Sie lagen immer noch auf dem Boden. Sie waren nicht mehr ohne Bewußtsein. Sie starrten ihn aus großen fiebrigen Augen an. Der Laktone lächelte schwach. „Wir haben Sie alle unterschätzt“ murmelte er. „Aber das hilft uns nichts1 mehr. Wir kommen nicht mehr weg. Matson kniete neben dem Laktonen nieder. „Hören Sie mir gut zu", sagte er entschlossen. „Ich weiß genau, daß ich nicht mehr lange zu leben habe. Es stand schon vorher nicht besonders gut um mich. Er da, er hätte mich nicht so schlagen dürfen. Ich fühle, daß es nur noch einige Tage dauert." Matson unterbrach seinen Redefluß, als er merkte, wie sehr es den Laktonen anstrengte, ihn anzuhören. Er wartete, bis sich die erschöpften Augen wieder klärten. „Ich weiß auch, daß ich es nicht überlebe, wenn ich mich an den Energieschirm mache. Verstehen Sie, ich muß die Energie, die ich absauge, erst einmal in mich aufnehmen. Danach erst
kann ich sie umformen und ableiten. Beim Schirm aber kommt einfach zuviel auf mich zu. Ich habe es schon abgetastet. Es wird mich umbringen — oder ich werde meine Lebensform völlig verändern. Vielleicht wird etwas ganz anderes aus mir. Ich weiß es nicht. Ich weiß nur, daß ich es tun werde." Er packte den schlaffen Arm des Laktonen. „Hören Sie, ich würde den Schirm brechen! Sofort! Ich habe nichts mehr zu verlieren!" Der Laktone schüttelte lächelnd den Kopf. „Es gibt keine Möglichkeit, hier herauszukommen", wisperte er in das Ohr Matsons, der sich tief über ihn beugte. „Wir haben nichts, womit wir unsere Freunde verständigen können." Fred Matson stand auf. Er taumelte. Wieder preßte er seine Hand gegen die Hüften. Stechender Schmerz grub sich in die tiefen Kerben seines fleischigen Gesichtes ein. Er ging zu den Panzerplastfenstern. Sein Blick glitt hinaus zu den Sternen. Es schien ihm, als schimmere das All grün. So grün wie der mörderische Energieschirm, der das Terra-Systern im Würgegriff hatte. * Percip begleitete Präsident Corda, als dieser das UNO-Gebäude betrat. Das formschöne Gebäude stand als eindringliches Mahnmal am Rande des gewaltigen Bombenkraters, den eine Wasserstoffbombe in das Antlitz des nordamerikanischen Kontinents gesetzt hatte. Der Bombenkrater reichte fast zweitausend Meter tief hinab. Am Grunde wuchsen häßliche mutierte Pflanzen. Ein dünner Wall blieb gegen den Atlantik bestehen. New York selbst exi-
stierte nicht mehr. Es war in der unvorstellbaren Glut der Wasserstoffbombe untergegangen, als der kurze Atomkrieg über die Erde tobte. Zwanzig Jahre nach dem Atomkrieg hatte Rex Corda als Vorsitzender des Verteidigungsausschusses der Vereinigten Staaten an einer vorbereitenden Konferenz teilgenommen, die eine globale Regierung ermöglichen sollte. Die Konferenz scheiterte an dem Machtstreben der Afrikaner. Der Diktator Evariste Kalunde strebte die Weltherrschaft an. Seine Träume vergingen, als die Laktonen auf der Erde landeten. Sie verwirklichten sich auch nicht, als wenig später die Orathonen erschienen und die Laktonen von der Erde vertrieben. Evariste Kalunde hatte auch jetzt keine Chance mehr. Unter dem Druck der Laktonen, die es ablehnten, mit mehreren Regierungen zu verhandeln, entstand die Weltregierung. Die Verträge lagen zur Unterzeichnung bereit. Präsident Corda war auf dem Wege, die Urkunden zu unterzeichnen. Ihm folgte nur eine kleine Gruppe wichtiger Mitarbeiter, darunter John Haick, Will Rimson, General Dingel und General Emerson. Als Corda den Sitzungssaal betrat, waren die Vertreter der anderen Nationen der Erde bereits versammelt. Corda empfand es als grausamen Hohn, daß die Erde sich in dieser Situation, in der das Ende unausweichlich bevorstand, einigte. Er begrüßte die Präsidenten der anderen Nationen. Ramon Juvencio, der Südamerikaner, lächelte dünn. Mit Südamerika waren die Vereinigten Staaten von Nord- und Mittelamerika traditionell eng verbunden. J.K.S. Diamidow, der hagere Russe mit dem schlohweißen Haar und den scharfen, intelligenten Augen, war ihm aus seiner politischen Tätigkeit inner-
halb der UNO ausreichend bekannt. Corda sagte dem Russen, wie sehr er sich freute, daß er jetzt den asiatischen Block vertrat. Der Europäer Sir Walter Battensmith teilte Corda mit, daß er beauftragt sei, für ihn zu stimmen, wenn es um die Wahl des Weltpräsidenten gehe. Evan Tarleton Loebtar, der Südafrikaner, riß einen Witz, als Corda ihm die Hand drückte. Der Scherz galt dem gestürzten Diktator Kalunde. Die Abschlußkonferenz dauerte zwei Stunden. Dann waren die Verträge unterzeichnet. Die fünf Staatsmänner wurden in die fünfköpfige Kommission gewählt, die an der Spitze der globalen Regierung stehen sollte. E. T. Loebtar schlug Corda als Vorsitzenden der Kommission vor. Die abschließende Wahl nahm nur wenige Minuten in Anspruch. In ihr wurde Präsident Corda zum Weltpräsidenten gewählt. Es war nicht mehr als eine Formsache. Die bisherigen Verhandlungen hatten längst die Richtung festgelegt, die die Entwicklung nehmen sollte. Es gab keine freudigen Gesichter. Es gab keinen unter den Staatsmännern, der die Situation des Terra-Systems nicht genau kannte. Dennoch entstand die Weltregierung keineswegs aus einer Stimmung der Resignation heraus. Ein Funke Hoffnung bestand noch. Wenn es auch niemand zugeben wollte. * Wieder durchsuchte Fred Matson die Station. Außer der Pistole des Amerikaners — Matson hatte sie ihm abgenommen — gab es keine Waffen. Matson blieb in der kleinen Kammer stehen, in der der Reaktor arbeitete, der die Station versorgte. Der Mutant verstand nicht viel von diesen Dingen. Aber er konnte doch erkennen, daß die
Plutonium-Stäbe des Reaktors der Erschöpfung nahe waren. Der Reaktor würde nicht mehr lange Energie abgeben. Fred Matson stutzte. Er betrachtete die Instrumente abermals, dann grinste er flüchtig. Er eilte zu dem Laktonen. Der Außerirdische hatte sich bis zur Wand geschoben, um aufrecht stehen zu können. Es ging ihm etwas besser. Er erholte sich zusehends, während der amerikanische Verräter noch immer sehr bleich war. Fred Matson kniete bei dem Laktonen nieder. „Wenn ich einen Weg fände, ein Lichtsignal zu erzeugen, Laktone, wie lange würde es dann wohl dauern, bis deine Freunde uns holten?" fragte er. Der Laktone runzelte die Stirn. „Es würde schnell gehen — wenn sie es bemerkten." Matson biß sich auf die Lippen und nickte sinnend. „Es müßte verdammt schnell gehen." „Was haben Sie vor?" Matson setzte sich auf den kalten Boden und rückte näher an den Laktonen heran. „Der Reaktor arbeitet nicht mehr lange. Aber er hat noch einige Reserven. Wenn ich dem Reaktor schlagartig alle Energien entziehe und sie draußen in den Boden schicke, dann müßte das einen ganz hübschen Blitz geben." Der Laktone lächelte. Sein Gesicht hellte sich auf. „Das wäre unsere Chance", flüsterte er aufgeregt. Fred Matson grinste jungenhaft. Er fühlte sich im Augenblick völlig gesund „Es wäre eine Chance, wenn uns die Burschen rechtzeitig abholten." „Weshalb betonen Sie das?" „Weil der Reaktor aufhört zu arbeiten. Das bißchen Energie, das noch drin ist, muß ich haben, sonst blitzt es nicht
hell genug auf. Danach ist Schluß. Die Heizung fällt aus, das Licht erlischt, die Luft wird nicht mehr erneuert." Matson grinste verzerrt. Seine Augen leuchteten fanatisch auf. „Wir befinden uns jetzt schon halb im Schatten. Das heißt, die Außentemperaturen fallen rapide. Die Kälte wird ziemlich schnell 'reinkommen. Ich schätze deshalb, daß wir ungefähr eine Stunde Zeit haben. Wenn deine Freunde nach zwei Stunden nicht hier sind, brauchen sie gar nicht mehr zu kommen. Es wäre zu spät!" Der Laktone lächelte mühsam. Er rutschte langsam an der Wand herunter. Erschreckt erkannte Matson, daß er die Strapazen nicht überstehen würde. Auch der Verräter würde sie nicht mehr überstehen. Falls die Hilfe nicht in letzter Minute kam. * Fred Matson kroch unter den Tisch unter dem runden Panzerplastfenster. Er drückte seine heiße Stirn gegen das Glas und starrte hinaus. Geduldig wartete er. Zwei Stunden vergingen. Der Laktone und der Amerikaner erholten sich weiter. Sie aßen etwas von der Notration, die die amerikanische Mondexpedition zurückgelassen hatte. Matson betrachtete die toten Raumfahrer, die im Mondstaub vor der Station lagen. Er fragte sich immer wieder, was die Männer veranlaßt haben konnte, die Station zu verlassen. Hatten sie keine Hoffnung mehr gehabt, nachdem das Nachrichtengerät restlos zerstört war? Matson zuckte zusammen. Ein hantelförmiger Schatten glitt über die schroffen Spitzen der Berge. Dahinter zeichnete sich die schlanke Form eines Laktonschiffes ab. Orathonen über dem Mond?
Er rieb sich die Augen. Die bleierne Müdigkeit wich. Dafür kamen die Schmerzen. Sie kamen überfallartig. Matson krümmte sich zusammen. Seine zuckenden Lippen konnten das schmerzhafte Stöhnen nicht zurückhalten. Als das Fenster sich vor seinen Augen zu verformen begann, wußte der Mutant, daß er keine Zeit mehr verlieren durfte. Er konzentrierte sich. Er fühlte, wie sich ein hartes, schmerzhaftes Etwas in seinem Kopf bildete. Sein Nacken verkrampfte sich. Er fühlte den Energiekomplex im Nebenraum. Er kauerte wie ein mörderisches Ungeheuer unter dem abschirmenden Block. Zwanzig Jahre hatte dieser Block seine Energien abgegeben, sehr langsam und dosiert. Jetzt packte Fred Matson wuchtig zu. Er griff in den Block und zerrte heraus, was er fand. Die unsichtbaren Wellen rasten durch seinen Körper, stauten sich in winzigen Augenblicken, in denen er vor Qual zu vergehen glaubte. Dann plötzlich glühte der Mondboden hundert Meter vor der Station gleißend auf. Eine mehrere Meter hohe Fontäne verflüssigten Gesteins spritzte in das Nichts. Ein ungeheurer Blitz, dessen Licht durch die geschlossenen Lider des Mutanten zuckte, zischte in das schwarze Nichts hinein, das den Erdtrabanten umgab. Als Matson die Augen öffnete, war alles dunkel. Vom Boden her kam das Stöhnen der beiden Männer. Die Kälte kroch heran. Fred Matson fühlte sie schon in der ersten Sekunde. Sie kam viel schneller, als er erwartet hatte. Sie kam aus dem Dunkel wie ein erbarmungsloses Monstrum, das ihn verschlingen wollte. Matson grub sein Gesicht in seine klobigen Hände.
„Mein Gott!" stammelte er. „Mein Gott!" Er wußte, daß das Ungeheuer ihn verschlingen würde. Wenn nicht jetzt, in wenigen Minuten, dann in einigen Tagen. Die Würfel waren gefallen. Es gab kein Entkommen mehr. Fred Matson wußte, daß er seinen Fuß über die unsichtbare Schwelle gesetzt hatte, die alles entscheiden mußte. Dunkelheit senkte sich um seinen Geist. Er fiel in ein endloses Nichts. Frei von Qual taumelte er zwischen den gleißenden Sternen, die auf dem dunklen Samt glitzerten wie Edelsteine. * Rex Corda wollte einem letzten Versuch, den Schirm zu brechen, beiwohnen. Der Schento Jakto Javan hatte ihm zu erkennen gegeben, daß er sich nicht der Resignation hingeben würde. Javan hatte erklärt, er würde bis zur letzten Sekunde um seine Freiheit kämpfen. Corda nutzte die Gelegenheit, den ersten Probeflug auf dem erbeuteten Hantelraumer mitzumachen. Percip stand an seiner Seite in der Kommandozentrale, als das Schiff die Mondbahn passierte. Corda beugte sich interessiert vor, als der tote Trabant über den Holografen glitt. „Haben Ihre Leute den Mond schon abgesucht, Percip?" fragte er. „Soweit ich informiert bin, gibt es dort noch eine Station, die eine amerikanische Weltraumexpedition vor zwanzig Jahren errichtete!" Percip verneinte. „Halten Sie es denn für möglich, daß unsere Leute Matson gerade dort verstecken? " „Ich bin sogar ..." Das Wort blieb ihm im Halse
stecken. Unter ihm zuckte ein weißer Blitz auf, in dessen Licht Corda die Station deutlich erkannte. Es bedurfte keiner Worte. Percip und Rex Corda verließen die Kommandobrücke in rasender Eile. Sie stürzten sich in den Gravo-Schacht. der sie zum Hangar brachte. Zwei Minuten später schossen sie mit einem kleinen Raumgleiter aus der Schleuse. Der Hantelraumer verharrte über dem Mond. Percip steuerte den Gleiter zur Station hinab. Fast gleichzeitig sprangen die Männer hinaus. Sie hüpften in grotesken Sprüngen zu der kleinen Schleuse der Station hinüber. Corda sah die toten Raumfahrer neben dem Wrack ihrer primitiven Rakete, aber er nahm sich jetzt keine Zeit für sie. Zusammen mit Percip schleuste er sich ein. Im Licht ihrer Helmscheinwerfer taumelte Fred Matson auf sie zu. Er war blaß. Seine Lippen fluchten. Corda stellte die Außenmikrofone an. Fred Matson muffelte etwas vor sich hin, was er nicht verstehen konnte. Er öffnete seinen Helm und atmete die eisige Luft der Station. „Klettern Sie schon 'raus, Sir", murmelte Matson mürrisch. „Mir ist verdammt kalt." Percip grinste. Er reichte dem Mutanten den Raumanzug, den er für ihn mitgebracht hatte. „Und kümmert euch um die beiden Helden da", sagte Matson. „Wenn die nicht bald aufstehen, wächst ihnen ein Eiszapfen an der Nase." Rex Corda lächelte. Er sah dem Mutanten ins Gesicht. Fred Matson lächelte nicht. Seine Augen sahen durch Corda hindurch. In ihnen zeichnete sich abgrundtiefe Qual ab.
ENDE Tod im Nichts! Das ist es, was Fred Matson an der Energiewand finden muß, wenn er den Kampf mit ihr aufnimmt. Wenn Matson stirbt, hat die Erde eine Chance! Die laktonischen Fiktiv-Werfer arbeiten auch noch durch die Energiesperre. Die Orathonen kämpfen mit Projektionen. Wie lange werden sie sich täuschen lassen? Werden sie wirklich nicht erkennen, ob sie Projektionen oder wirkliche Raumschiffe vor sich haben? Was passiert mit Fred Matson, dem „Energiefresser"?
Kim Corda 14 Jahre, Bruder Rex Cordas. Schwarzhaarig, unzählige Sommersprossen um die Augen. Ein Lausebengel. Steckt voller Streiche. Kennt keinen Respekt. Wurde von den Laktonen entführt. Velda Corda Rex Cordas Schwester, 19 Jahre alt, brünett, schlank, gute, mädchenhafte Figur. Sympathisch, schnippisch, selbstbewußt, intelligent und klug. Weiß sich durchzusetzen. Sie ist mutig, manchmal tollkühn. Wurde von den Laktonen entführt. Percip Laktone, 37 Jahre (also sehr jung!), 2,04 m, mächtiger Brustkorb, stolz, aber nicht arrogant, bemüht sich darum, Englisch zu lernen. Agent im Dienste Laktons, Spezialausbildung im Kampf gegen Ätzer erhalten. Die Kerbe auf der Oberlippe schimmert tiefrot. Das weist auf eine Mutation hin. Percip ist nicht auf Lakton geboren, sondern auf „Lithalon". Ruhig, ausgeglichen, überlegen, hat Verständnis für Terraner, wenn sie Schwierigkeiten mit der Technik der Orathonen oder Laktonen haben. Steht rangmäßig unter Bekoval. Will Rimson 66, Wissenschaftler, mittelgroß, Glatze mit weißem Haarkranz. Genial. Freund Cordas. Spötter, vergeßlicher Professor. Chang-Yueh Shaofeng 46, General, Chinese - breit, behäbig, macht einen gemütlichen Eindruck, wie ein selbstzufriedener Bäcker. Voller, aber kleiner Mund, wird nie laut, zeigt seinen Ärger nie, bleibt immer gelassen, lächelt höchstens verständig. Sein Äußeres täuscht. Er ist höchst gefährlich. Er könnte einen Feind mit der Miene eines Biedermannes töten. Ga-Venga Ca. 20 bis 25, Kynother, Dolmetscher, Sprachgenie, angenehme, dunkle Stimme. Klein, sieht aus wie ein Knabe, macht zierliche Schritte, blaues Haar. Die dunklen Augenbrauen ziehen sich in feinem Bogen bis zu den Kinnladen herab, Dünne Lippen. Spottet gern. Selbstsicher. Respektlos. Trägt gern schwarze Kleider mit rotem Brustkeil. Unproportional großer Kopf, volle Wangen, dadurch kindliches Aussehen. Kräftige Nase, die nicht ganz dazu paßt. Augen von keiner bestimmten Farbe. Stimmt ab und zu, wenn's kritisch wird, einen fremdartigen Singsang an.