Atlan ‐ Die Abenteuer der Sol Nr. 507 Die Mausefalle
Die SOL und der Koloß von Hans Kneifel
Der Kampf mit d...
96 downloads
444 Views
982KB Size
Report
This content was uploaded by our users and we assume good faith they have the permission to share this book. If you own the copyright to this book and it is wrongfully on our website, we offer a simple DMCA procedure to remove your content from our site. Start by pressing the button below!
Report copyright / DMCA form
Atlan ‐ Die Abenteuer der Sol Nr. 507 Die Mausefalle
Die SOL und der Koloß von Hans Kneifel
Der Kampf mit den Fremdem
Es geschah im Dezember des Jahres 3586, als Perry Rhodan mit seinen Gefährten die SOL verließ und zur BASIS übersiedelte, nachdem er den Solgeborenen das Generationenschiff offiziell übergeben hatte. Die neuen Herren der SOL sahen sich somit endlich in die Lage versetzt, ihre Wünsche zu realisieren. Sie trennten sich von der Menschheit, um ihre eigenen Wege zu gehen. Sie betrachteten den Weltraum als ihren eigentlichen Lebensbereich und das Schiff als ihre Heimat – und die meisten von ihnen scheuten davor zurück, das Schiff zu verlassen und einen Himmelskörper zu betreten. Seit der Zeit, da die SOL unter dem Kommando der Solgeborenen auf große Fahrt ging und mit unbekanntem Ziel in den Tiefen des Sternenmeeres verschwand, sind mehr als zweihundert Jahre vergangen, und niemand hat in der Zwischenzeit etwas vom Verbleib des Generationenschiffs gehört. Im Jahr 3791 ist es jedoch soweit – und ein Mann kommt wieder in Kontakt mit dem verschollenen Schiff. Dieser Mann ist Atlan. Die Kosmokraten entlassen ihn, damit er sich um die SOL kümmert. Die Verhältnisse an Bord des Schiffes sind chaotisch, wie Atlan zu seiner großen Bestürzung feststellen muß. Alles wird aber noch schlimmer, sobald der Fremde auftaucht. Gemeint ist die Konfrontation: DIE SOL UND DER KOLOSS …
Die Hauptpersonen des Romans: Atlan ‐ Der Arkonide im Kampf gegen Invasoren der SOL. Chart Deccon ‐ Der Schiffsführer der SOL ist ratlos. Homer Gerigk ‐ Ein verräterischer Magnide. Arlanda ‐ Eine Ex‐Pyrridin bietet Atlan ihre Gastfreundschaft an. Torgashuun ‐ Ein interstellarer »Missionar«.
1. Der High Sideryt warf sich unruhig hin und her. Schweißtropfen bedeckten seinen kahlen Schädel. Er wußte, daß die SOL in kurzer Zeit aufgegeben werden mußte. Das mächtige Schiff ächzte in allen Verbänden. Panische Aufregung hatte die Insassen erfaßt. Die Bildschirme der Interkome blinkten in raschem Wechsel und zeigten ununterbrochen neue Bilder des Schreckens. Der energetische Mahlstrom der »Mausefalle« hatte seine höchste Intensität erreicht. Ein Schauer kosmischer Trümmer und rätselhafter Gegenstände raste langsamer und schneller als die SOL auf die siebente Welt zu. Aus den Lautsprechern gellten Entsetzungsschreie. Die Ferraten kämpften vor den Toren eines Hangars um ein startbereites Beiboot. Vystiden und ihre Haematen schlugen die Ferraten zurück. Sirenen gellten durch die Korridore aller drei Schiffsteile. Das riesige Objekt, das sich der SOL näherte, war so nahe herangekommen, daß der Zusammenstoß unmittelbar bevorstand. Die Schutzschirme ließen sich nicht einschalten. Niemand saß an den Kontrollen der Triebwerke. Schüsse peitschten durch die Gänge. Der Koloß, der sich der SOL näherte, erschien nacheinander in verschiedenen Ansichten und Vergrößerungen. An das Schott, das zu Chart Deccons Kabine führte, hämmerten schwere Schläge. Sie mußten stählerne Werkzeuge haben oder die
Kolben von Waffen. Totenbleich, mit rasendem Pulsschlag, wachte Chart Deccon auf. Er keuchte und schüttelte den Kopf. Dann fluchte er. Der Traum war ein Inferno gewesen. Jede Einzelheit der Illusion hatte ihn zutiefst getroffen. Er stand auf, schüttelte sich ein zweitesmal und riß den E‐kick‐Acku vom Tischchen. Schnell befestigte er die Elektroden an der schweißnassen Haut. Die Haftflächen rutschten mehrmals ab, bis sie endlich saßen. Bevor er die Augen wieder schloß, warf er einen langen Blick auf die Interkomschirme. Das »Ding« sah wie eine vieleckige geometrische Figur aus. Der Text, den die Magniden auf einen anderen Schirm gespiegelt hatten, besagte folgendes: Das Gebilde mit einem größten Durchmesser von zweitausendachthundert Metern bestand aus dreizehn fünfeckigen Außenflächen. Aber die Form war nicht exakt mathematisch, sondern in sich verschoben. Die Flächen und deren Kanten waren von einem Wust zahlloser Auswüchse bedeckt. Es gab schlanke Türme und stumpfe Kuppeln, merkwürdig geformte Antennen und unzählige scharf konturierte Luken. Sämtliche Außenflächen, auch die der Kanzeln und Tentakeln, waren marmorartig gesprenkelt und von vielen Narben, Rissen und Einschlägen gezeichnet. Die Spuren von Hitze und Brand waren nicht zu übersehen. Während E‐kick in Deccons Körper überströmte, versuchte er, noch mehr Einzelheiten zu erkennen. Er spürte die Übertragung nicht, aber seine Stimmung hob sich ein wenig. »Ein Weltraumfort oder ein riesiges Schiff«, murmelte er. »Oder eine Raumstation, die sich irgendwo losgerissen hat.« Der Text flackerte auf und verschwand. An seine Stelle trat die grafische Projektion der beiden Kurslinien. Leuchtpunkte markierten die Stellung und die Geschwindigkeit des Fremden und der SOL. Die Geschwindigkeit des Objektes war im Augenblick größer als die des Schiffes. Die Linien besagten, daß der Fremde sehr nahe an der SOL vorbeirasen würde. In rund einem
Tag würde die größte Annäherung stattfinden. Der High Sideryt schloß die Augen und fiel in eine Art Starre. Wie die Wirkung eines starken Alkohols breitete sich das E‐kick in seinem Innern aus … als er wieder aufstand und seinen Blick über die düstere Einrichtung seiner einsamen Klause schweifen ließ, erfüllten ihn neue Spannkraft und das Bewußtsein, daß die SOL noch lange nicht in unmittelbarer Gefahr war. Ein weiterer Bildschirm zeigte das Innere der eigentlichen Zentrale. Chart berührte eine Taste. Sofort wandte sich ihm ein Techniker zu. »Wer trägt heute die Verantwortung in der Zentrale?« fragte der High Sideryt. »Arjana Joester«, lautete die Antwort. »Ich muß sie sprechen.« Das Bild wechselte. Arjana hob den Kopf von den Kontrollen und sah Deccon an. »Neuigkeiten von dem geheimnisvollen Etwas, das uns verfolgt?« Unter dem weißen, wallenden Kleid zeichnete sich die bemerkenswerte Figur Arjanas ab. Die junge Frau, nicht älter als einundvierzig Jahre, war schlank und trug rotbraunes Haar. In ihren blauen Augen erkannte der Sideryt das Funkeln ihres eiskalten Willens. Aber das Gesicht, dessen hohe Backenknochen asiatischen Einfluß erkennen ließen, verbarg jede tiefer gehende Regung. Leidenschaftslos erwiderte sie: »Wir haben einige Kursberechnungen machen können. Sie sind natürlich nur bedingt zu gebrauchen.« Deccon verstand ihren Einwand, denn ständig änderten sich die Geschwindigkeiten fast aller Objekte, die in den Strudel der Mausefalle hineingezogen wurden. »Wie stellt sich die Situation jetzt dar?« »Wir haben sicherlich gravitationale Effekte zu erwarten. Möglicherweise gibt es einen Zusammenstoß.« »Ich denke daran«, sagte der High Sideryt, »den fremden Körper
als Bremse oder Raumanker zu benutzen. Berechnet diese Wahrscheinlichkeit.« »Du denkst tatsächlich an eine solche Möglichkeit?« Arjanas hübsches Gesicht verzog sich zu einem skeptischen Lächeln. Sie schien an dieser Idee von Chart Deccon wenig Gefallen zu finden. Sie gehörte zu jener Gruppe der Magniden, die der Tradition stark verhaftet war. Schließlich hob sie die Schultern und antwortete: »Wir werden es auf alle Fälle einmal durchrechnen. Viel Chancen gebe ich diesem Plan nicht, Sideryt.« »Ich denke deshalb an einen solchen Versuch«, grollte er voller Schärfe, »weil eine kleine Chance besser ist als gar keine. Darüber hinaus sollen einige Gruppen von Buhrlos in den Raum hinausgehen. Dazu etliche Ferraten und Ahlnaten. Sie sollen innerhalb der Blase, in der die SOL frei operieren kann, möglichst viel Beobachtungen machen und Informationen sammeln.« »Die Anordnung wird ausgeführt«, bestätigte Arjana. »Das ist die nächste schwere Krise, möglicherweise der Untergang des Schiffes. Was willst du dagegen tun?« »Inzwischen haben wir eine Unmenge von Krisen überstanden. Auch diesen rätselhaften Zwischenfall werden wir überleben. Die SOL ist zu gewaltig, als daß sie zerstört werden könnte.« Wenn nicht die Zerstörung von innen heraus eingeleitet wurde, dachte Chart Deccon. Aber auch sein rotes Gesicht verbarg die Gedanken, die durch seinen Kopf wirbelten. »Bedenke, daß dieser fremde Gigant – wir nennen ihn manchmal nicht ganz zutreffend ›den Quader‹ – einen größeren Durchmesser besitzt als eine SOL‐Zelle!« »Ich habe es auf den Schirmen gesehen!« grollte er. Seine fleischige Hand legte sich, als schöpfe er neue Kraft daraus, auf das Kästchen, das er an einer goldenen Kette an der Brust trug. »Vergeßt nicht, die Buhrlos und die anderen hinauszuschicken!« »Keine Sorge. Wir vergessen nichts«, erwiderte Arjana Joester.
Der High Sideryt blickte auf den Schirm der Außenbeobachtung. Wie fast immer sah er einige Buhrlos. Aber seine Augen fingen auch einige der rätselhaften Objekte ein, von denen die SOL umgeben war. Für einen langen Moment hatte er den Eindruck, das Schiff schwämme in einem riesigen, glasklaren Meer, in dem gleich der SOL andere Fremdkörper umherdrifteten. Der Bruder ohne Wertigkeit schloß: »Ich will so bald wie möglich von den neuen Entwicklungen unterrichtet werden. Ist Homer Gerigk gesehen worden?« »Nein. Die Suche wird energisch betrieben.« »Nicht energisch genug, wie mir scheint«, knurrte Deccon. »Was habt ihr über den Fremden herausbekommen?« »Über Atlan?« »Gibt es einen anderen?« grollte der High Sideryt wütend. Er erinnerte sich an den Attentatsversuch des Magniden und versuchte, sich zu beherrschen. Das Chaos im Innern des Schiffes, noch verstärkt durch die rätselhafte Ankunft des Arkoniden, entsprach dem Chaos im kosmischen Umfeld der SOL. »Atlan ignoriert nach wie vor jede Aufforderung, sich zu stellen«, antwortete Arjana kalt. »Aber früher oder später werden wir ihn gefaßt haben.« »Es ist zu hoffen. Du weißt, was davon abhängt.« »Wir wissen es.« Der High Sideryt schaltete die Verbindung ab. Schweigend stapfte er vor seinen Robotern hin und her und blieb auf einem Podest stehen. Er war sicher, daß in kurzer Zeit nicht nur alle seine Fähigkeiten auf die Probe gestellt werden würden, sondern daß es darüber hinaus einer Anspannung aller Kräfte in sämtlichen drei Teilen der SOL bedurfte, um der Krise Herr zu werden. Tief in Gedanken stieg der High Sideryt über die Stufen des Podests und ließ sich in den schweren Sessel fallen. Seine Finger krampften sich um das schwarze Holz der Armlehnen. Er war sich seiner Einsamkeit ebenso bewußt wie der unendlich großen
Schwierigkeiten, die vor ihm lagen. 2. Denke daran! Du und dein Begleiter werden von der SOLAG gejagt! sagte nachdrücklich der Logiksektor. Immer wieder sagte sich Atlan, daß das Innere der SOL der labyrinthische Ausdruck der chaotischen Zustände an Bord war. Zum wievielten Mal? Er erinnerte sich an zahllose Gänge und den groben Raster des inneren Aufbaues. Aber immer wieder ließ ihn seine Erinnerung im Stich. Einbauten und Umbauten, Durchbrüche und Rampen tauchten auf, die seinen Weg unberechenbar machten. »Bist du sicher, daß wir auf diesem Weg bald die Anschlußstelle von SENECA finden?« wandte er sich an seinen Führer. »Ziemlich sicher«, sagte Gerigk mürrisch. »Aber es ist schwierig, einen direkten Weg zu finden. Sie suchen uns. Es wird Jagd auf uns gemacht, Atlan!« Atlan nickte und erklärte lakonisch: »Ich habʹs gemerkt.« Ohne hundertprozentig sicher sein zu können, vermutete er, daß er Gerigk nicht trauen konnte. Auf keinen Fall war der Magnide gut und richtig informiert. Trotzdem war er, mit allen Einschränkungen, Atlans augenblicklich einzige Bezugsperson. Atlan, Homer Gerigk und das Dutzend Roboter befanden sich in einem engen Korridor, mit stählernen Wänden. Lochprofile und dicke Kabel, die in verschiedenen Farben entlang der Wände und der Decken verliefen, ließen erkennen, welchem Zweck diese enge Röhre einmal gedient hatte – oder heute noch diente. Überall lag dichter Staub. Rätselhafterweise hingen in den Ecken staubbedeckte Spinnweben. Spinnen in der SOL? fragte sich Atlan, dann sagte er sich, daß es diese Tiere auch in den Gebieten der SOL‐Farmer gab. Die Spuren der beiden Männer zeichneten sich deutlich ab. Mehrere
der einfachen Leuchtkörper waren noch intakt. Die Schatten der Eindringlinge und der Roboter tanzten über Wände, Decke und den Boden. Der Arkonide forschte in den riesigen Speichern seiner Erinnerung und versuchte sich zu besinnen, wo zu »seiner Zeit« sich die nächste Hauptanschlußstelle SENECAs befunden hatte. Er fand keinen Weg; dieses dreidimensionale Labyrinth überforderte ihn. Hier, im Mittelteil des Hantelschiffs, befand sich die kugelförmig geschützte Biopositronik mit der autarken Energieversorgung. Das war sicher, denn im Lauf der langen Zeit würde es niemandem gelungen sein, SENECA zu versetzen. Seit seinen ersten Kontakten mit der vielschichtigen Gemeinschaft an Bord hatte Atlan im Stillen versucht, eine Entwicklungsreihe oder einige davon zu erkennen. Sie sollte von den damaligen Solanern bis hierher führen. Es ist keine Gemeinschaft, Arkonide, verbesserte das Extrahirn. Es sind mehr als ein halbes Dutzend verschiedene Gruppen, die fast alle gegeneinander kämpfen. Ein Chaos, das auch du nicht wirst ändern können. Atlan dachte grimmig: Aber ich werde es mit allen Kräften versuchen. Er stapfte weiter hinter Homer her. Vor und hinter ihnen schwebten die Maschinen. In diesem Bereich des Schiffes mußten sie sich mit äußerster Vorsicht bewegen. Atlan wußte, daß die Mittelzelle eineinhalbtausend Meter maß. SENECAs kugelförmige Hülle hatte einen Durchmesser von rund fünfhundert Metern. Also würden sie in gerader Linie schätzungsweise weniger als fünfhundert Meter zurücklegen. Aber diesen geraden Weg gab es nicht, beziehungsweise war er zu riskant. Sie näherten sich der Peripherie des kugelförmigen Hohlraumes im Zickzack und auf dreidimensionalen Umwegen. Selbst Gerigk kannte den Weg nicht sehr genau. Atlan fragte prüfend:
»Du weißt auch nicht, Homer, wie wir an die Hauptanschlußstelle kommen?« »Ich kenne diese Stelle«, gab Gerigk verärgert zurück. »Aber ich riskiere nicht, daß sie uns dicht vor dem Ziel fassen.« »Sind wir denn dicht davor?« Gerigk gab keine Antwort und schlich den Robotern nach. Die Scheinwerfer der Maschinen durchschnitten das fahle Halbdunkel. In den Lichtkegeln tanzten dicke Wolken von Staubteilchen. Hin und wieder hörten die Männer aus abzweigenden Röhren und Schächten verschiedene Geräusche und menschliche Stimmen. Da Gerigk und er aus der SOL‐1 gekommen waren, konnten sie von der Hauptzentrale auf keinen Fall weit entfernt sein. Es sei denn, Gerigk hatte ihn an ihr und an SENECA vorbei in Richtung auf die SOL‐2 geführt. Das Stimmengewirr wurde lauter. Wieder wandte sich Atlan an den Magniden. Die geradeausführende Röhre hörte auf und ging in ein großes Schott über. Es schien für Montage‐ oder Reparaturzwecke geplant worden zu sein. Aber die dicke Staubkruste ließ erkennen, daß es seit sehr langer Zeit nicht mehr geöffnet worden war. Der Klang der aufgeregten Stimmen kam aus einigen Öffnungen, durch die kleinere, dick isolierte Röhren und armdicke Kabel in farbiger Isolierung führten. »Oder befinden wir uns etwa in der Nähe der Schläfer?« wollte Atlan wissen. »Du hast mir noch immer nicht erzählt, was es mit ihnen auf sich hat.« »Eines nach dem anderen«, wich Gerigk aus, »und das Nächstliegende zuerst. Wir müssen diesen Fluchtgang verlassen.« Seit knapp einem Tag versteckten sie sich. Sie legten größere Strecken zurück, unterbrochen von kurzen Pausen der Rast. Je mehr Atlan über die Magniden erfuhr, desto sicherer wurde er, daß sie zwar die wahren Herrscher waren. Aber aus Gerigks Fistelstimme sprach dieselbe Unsicherheit, die auch den anderen eigen sein müßte. Sie wußten vieles, aber längst nicht alles, und ihr
Geschichtsbewußtsein über die zurückliegenden Jahrhunderte war ebenso lückenhaft wie ihre Kenntnis von der Topologie des mächtigen Schiffes. Sie wandten zahllose technische Einrichtungen an und bedienten sich ihrer, aber vermutlich waren sie nicht einmal zu einer komplizierten Reparatur fähig. »Wir verlassen ihn durch dieses Schott?« fragte Atlan nicht ohne hörbare Ironie. »Du wirst die Hebel nicht bewegen können.« Es gab keinen anderen Ausgang. Das diamantene Atomsymbol an Gerigks schmutzigem und staubigem Gewand funkelte auf, als sich ein schwerer Roboter an ihm vorbeischob und seine Befehle entgegennahm. Die Maschine öffnete ohne die geringsten Schwierigkeiten und fast lautlos das schwere Montageschott. Der Arkonide mußte trotz seiner wenig beneidenswerten Lage grinsen; die gute alte terranische Raumschiffs‐Bautechnik war verantwortlich dafür, daß sich das Schiff noch nicht in einen Schauer von Ynkelonium‐ Terkonit‐Verbundstahl aufgelöst hatte. Ein dumpf riechender Luftstrom trieb den Staub zur Seite. Das Stimmengewirr schwoll an, als der Robot und der Magnide das Schott eine Handbreit weit öffneten. Atlan drängte sich näher und spähte durch den Spalt. Als die Scheinwerfer des Robots ausgeschaltet wurden, sahen Gerigk und Atlan in einen Aufenthaltsraum hinein, der voller Buhrlos war. »… befohlen, den Gegenstand auszuforschen. Wir Buhrlos sollen …« »Sie nennen es ›den Quader‹, und er soll größer sein als die SZ‐ 1…« »… auch Ahlnaten sollen ʹrausgehen …« Die Buhrlos waren aufgeregt. Gerigk wandte sich halb um und fragte leise: »Riskieren wir es?« Er deutete in den Raum jenseits des Schotts. Atlan hob die Schultern und erwiderte abschätzend:
»Was kann einem Magniden mit seiner Robotleibwache schon geschehen?« »Wir können verraten werden!« »Nicht, wenn wir es richtig anstellen«, sagte Atlan. Die Wortfetzen, die er gehört hatte, alarmierten ihn. Er glaubte herausgehört zu haben, daß sich ein riesenhafter Gegenstand dem Schiff näherte und man bestrebt war, Informationen über den Quader einzuholen. Das Schott öffnete sich geräuschlos, aber erst dann, als abermals der Robot zupackte. Einer der Menschen mit der rötlich schimmernden Glashaut blickte über die Schulter eines anderen, der den Gejagten den Rücken zuwandte. Seine Augen, von runden Wülsten umgeben, weiteten sich. Dann stieß er aufgeregt hervor: »Der Fremde! Atlan! Und Homer Gerigk, der Magnide.« Drohend schob sich Gerigk hinter Atlan in den Raum und sagte mit seiner hellen pfeifenden Stimme: »Ein Magnide mit seiner Robotleibwache. Verhaltet euch ruhig.« Sofort war die Gruppe umringt. Die Maschinen bauten sich schützend um Gerigk auf. Atlan trat zur Seite und erkannte aus dem Verhalten der Frauen und Männer, daß sie sich längst untereinander verständigt hatten. »Wir wissen, wer du bist, und was du willst«, sagte einer der Buhrlos und näherte sich ihm ohne Unterwürfigkeit. »Es hat sich schnell herumgesprochen!« bekräftigte Atlan. »An welcher Stelle der SOL‐1 befinden wir uns?« »Nicht weit von der Hülle entfernt. Du bist sicher. Wir haben genügend Leute, um rechtzeitig gewarnt zu werden«, und nach einem giftigen Blick in die Richtung Gerigks fuhr er fort: »Gewarnt vor Magniden, die selbst auf der Flucht sind.« »In der Tat«, bekannte Atlan und sah wachsam um sich. Die Bewohner dieses Raumes hatten einen tiefgestaffelten Halbkreis um die Männer und die Maschinen gebildet. Einige Buhrlos zerrten das Schott wieder zu und schoben die schweren Hebel in die
Ausgangsstellung zurück. »Du brauchst unsere Hilfe«, sagte ein anderer. »Der High Sideryt will dich unbedingt sprechen. Niemand kann sich vorstellen, daß er dich ungeschoren läßt. Du kannst ihm seine Macht wegnehmen.« Auf seine hilflose, gläubige Art hat der Buhrlo recht, sagte der Logiksektor. Atlan sah dem Mann lange in die Augen und erwiderte dann knapp: »Ich will keinen Kampf. An Bord herrscht bereits das vollkommene Chaos. Was habt ihr von dem großen Ding, dem Quader, geredet?« Sie sagten es ihm. Auch Gerigk hörte schweigend zu. Die Buhrlos kannten nun den Kurs, der den Quader nahe an die SOL heranbringen würde. Inzwischen hatten die Befehle des High Sideryt im Schiff die Runde gemacht. Ferraten, Ahlnaten und Buhrlos sollten in den Weltraum gehen und Informationen einholen. Es hieß, der Herrscher des Schiffes wolle sich an diesem Riesen festklammern und versuchen, den Kurs des Schiffes zu ändern und es aus dem Sog von Mausefalle zu befreien. Atlan sagte sich, daß dieser Plan eine, wenn auch geringe, Aussicht auf Erfolg haben konnte. Allerdings wußte er nicht, über welche technischen Möglichkeiten die Magniden in der Zentrale noch verfügten. »Könnt ihr mir einen gut funktionierenden Raumanzug verschaffen?« fragte Atlan. »Wir kennen dich. Wir vertrauen dir!« sagten einige Buhrlos laut. Atlan lächelte schmerzlich. Gerade sie, eine der Paria‐Gruppen des Schiffes, würden jeden als Retter ansehen, der sie gut behandelte. Nun, ihm vertrauten sie vielleicht ein wenig mehr, denn auch sie hatten erfahren, daß er zusammen mit Perry Rhodan vor rund acht Generationen das Schiff geführt hatte. »Danke. Was hofft ihr, daß ich tun kann?« fragte er skeptisch zurück. »Ich bin machtlos und werde gejagt.« »Wir können jeden, der gejagt wird, bei uns verstecken. Selbst
einen Magniden!« erklärte ein anderer Sprecher. »Los! Geht zu den anderen und verschafft ihm einen Raumanzug. Sagt, ihr braucht ihn für einen Ferraten.« Eine junge Frau und zwei Männer bahnten sich einen Weg durch die Menge und verschwanden im Halbdunkel am anderen Ende des Raumes. »Du wirst eines Tages dafür sorgen, daß wir nicht die versklavten Handlanger für die SOLAG bleiben und uns frei entfalten können!« schrie jemand aus der hintersten Reihe. »Wir wollen nicht mehr länger nur die verachteten E‐kick‐ Beschaffer sein!« »Was willst du mit dem Raumanzug, Atlan?« fragte Gerigk mit schmalem Mund. Er war sichtlich verärgert, und das nicht nur deshalb, weil ihm hier Feindschaft, Atlan hingegen Wohlwollen entgegengebracht wurde. »Ich will sehen, ob mit Hilfe des sogenannten Quaders das Schiff vor dem Absturz gerettet werden kann. Oder vor der Kollision mit der Mausefalle Sieben.« »Und du kannst ihm nicht helfen, weil man dich dabei erwischen würde, Gerigk …?« rief ein aufgebrachter Buhrlo. »Recht hat er«, gab Atlan zu. »Willst du mitkommen, Homer Gerigk?« »Warum nicht?« entgegnete der Magnide mit schiefgelegtem Kopf. »Warum eigentlich nicht, wenn die Buhrlos für meine Sicherheit garantieren!« »Wir garantieren für nichts. Die Magniden müssen wohl sein, ein notwendiges Übel«, erregte sich ein anderer Sprecher. »Aber verlange nicht, daß wir sie lieben!« »Lieben!« schrie ein anderer, offenbar durch Atlans Anwesenheit mutiger geworden. »Wir würden dich am liebsten totschlagen – wenn du nicht deine Maschinen um dich herum hättest!« Atlan verstand mittlerweile von der hierarchischen Schichtung im
Schiff soviel, daß er wußte: bei Buhrlos waren Magniden verhaßt. Gleichgültig, in welcher Eigenschaft einer der wenigen aus der herrschenden Kaste sich hier befand, und gleichgültig auch, in welcher Gruppe von Buhrlos er steckte. »Niemand wird erschlagen!« versuchte Atlan zu beschwichtigen. »Erzählt lieber, was ihr über die letzten Stunden wißt. Genauer, was die Schiffsführung tun will, um die Gefahr auszuschalten.« Die wenigen Informationen deckten sich nahezu mit seiner Sicht des Problems. Vermutlich wußten die Magniden und der High Sideryt auch nicht mehr, sonst würde ihre Reaktion anders aussehen. Schließlich verschränkte einer der überschlanken Menschen seine Arme im Nacken und führte vor der Brust mit Fingern und der Faust einige andere Gesten aus. Dazu sagte er: »Mehr wissen wir auch nicht. Jedenfalls gehen viele von uns hinaus. Wir haben uns bereits für den Einsatz gemeldet.« »Und ihr nehmt mich mit?« wollte Atlan wissen. »Wir begleiten dich, Atlan.« Gerigk hob die Arme und schrie in überraschender Plötzlichkeit: »Ich werde dafür sorgen, daß ihr für euer Verhalten bestraft werdet. Unterschätzt mich nicht! Ich bin noch lange Herr vieler meiner Möglichkeiten. Ihr werdet alle dafür bezahlen. Auch du, Atlan.« Die Roboter handelten auf einen unhörbaren Befehl. Sie bauten starke Schutzfelder auf, die sie selbst und ihren Herrn einhüllten. Die Maschinen bahnten sich einen Weg durch die aufgeregte Menge der Buhrlos. In Gerigks Gesicht stand deutlich geschrieben, daß er vor Wut kochte. Seine Fistelstimme hatte sich mehrmals überschlagen. Trotzdem konnte er Atlan und seinen Freunden schaden. Der Arkonide lehnte sich gegen eine Art Regal und sah zu, wie der Magnide einem Ausgang entgegeneilte. Er wütet, weil er dich nicht mehr für seine Zwecke gebrauchen kann! sagte analysierend der Extrasinn. Einige Buhrlos verloren die Beherrschung und warfen Werkzeuge,
herumliegende Essensbehälter und eine Vielfalt anderer Gegenstände dem Magniden und seinen Leibgardisten nach. Die Geschosse prallten von den Schirmen ab und polterten und klirrten zu Boden. Atlan rief durchdringend: »Hört auf. Es ist sinnlos! Ihr erreicht damit nichts!« Dröhnend schloß sich ein ausgeleiertes Schott. Der Magnide verschwand und rannte in ein anderes Versteck. Für den Augenblick war Atlan in Sicherheit, aber er war auch einer Informationsquelle beraubt, die mit Sicherheit besser war als die Buhrlos. Würde der Haß aus der Enttäuschung entstanden, so weit gehen, daß Gerigk versuchen würde, Atlan zu beseitigen? Der Arkonide hatte ab jetzt mit dieser Möglichkeit zu rechnen. Er wandte sich an die Schar von etwa dreißig Buhrlos, die jetzt unruhig durcheinanderliefen und sich leise unterhielten. Die Stimmung in diesem Raum entsprach den ersten, verschwindend geringen Impulsen, die einer Revolution vorangingen. Atlan unterschätzte die Buhrlos keinesfalls, und schon gar nicht ihr Kommunikationssystem innerhalb des Schiffes. Insgesamt gab es sechstausendachthundert Buhrlos und Halbbuhrlos an Bord; eine Menge, die zwar als Verbündete unschätzbaren Wert besaß, aber als Träger einer Revolution fast unbrauchbar waren. Atlan hatte nicht einmal daran gedacht, eine Revolution von der Basis her in Gang bringen zu wollen. Sein Weg würde anders aussehen. Wieder entstand Aufregung. Die Buhrlos kamen wieder zurück und trugen einen Raumanzug. An der Schulter des Anzugs, der Atlans Größe entsprach und einigermaßen gepflegt und intakt aussah, erkannte der Arkonide das Zeichen der Eisenrhodanid‐ Molekülstruktur in Gelb. »Danke«, sagte er. »Ich muß mich darauf verlassen, daß ihr mich in bestimmter Hinsicht schützt. Auf alle Fälle brauche ich gute Führer. Viel zu viel wurde im Schiff verändert. Ich finde meinen
Weg nicht mehr allein.« Das leise Gelächter entspannte die aufgeregte Situation. Ein älterer Buhrlo berührte Atlan freundschaftlich an der Schulter und sagte unter dem Beifall der Versammelten: »Keine Sorge. Wir nehmen dich mit hinaus in den Raum. Vielleicht gewinnst auch du mehr innere Kraft durch das E‐kick. Du mußt dich nur wie ein Ferrate verhalten, Atlan.« Sie halfen dem Arkoniden in den Raumanzug. Atlan testete die verschiedenen Funktionen und sah beruhigt, daß – bis auf winzige Einzelheiten ohne große lebenserhaltende Bedeutung – die Aggregate funktionierten. Er schloß den Anzug, aber noch nicht den Helmteil. »Gehen wir jetzt sofort?« fragte er. »Ja. Die Befehle wurden schon vor einiger Zeit gegeben.« Nicht alle Buhrlos verließen den Raum. Eine Gruppe von mehr als einem Dutzend der Weltraumgeborenen nahm Atlan in ihre Mitte und zogen ihn mit sich. Ein anderes Schott öffnete sich, und Atlan sah sich einem breiten, guterhaltenen Korridor gegenüber. Guterhalten bedeutete in seinem Fall, daß der Korridor nahezu so aussah, als habe er zwei Jahrhunderte ohne Veränderungen und Schäden überstanden. Zwar fehlten Beschriftungen, die Atlan sagen konnten, wo er sich nun tatsächlich befand, aber die Beleuchtungskörper funktionierten ebenso wie mehrere Interkome, deren Schirme er sah. Einige zwanzig Meter weiter gab es auch ein funktionierendes Transportband. Die Buhrlos drängten ihn dorthin. Sie wollten vermutlich möglichst schnell wieder in einen Bereich kommen, an dem ihr neuer Freund nicht auffiel. »Wir sind bald in einer Schleusennebenkammer«, sagte der haarlose Mann rechts neben dem Arkoniden. »Dort kannst du dich aufs Aussteigen vorbereiten.« »In Ordnung«, erwiderte Atlan mechanisch und blickte sich um. Als sie fast am Ende des Bandes waren, kamen zwei Gestalten mit
feierlichen Schritten und langsamen Gesten aus einem Raum hervor. Sie trugen lange, faltig‐fallende Gewänder von hellem Blau. Auf der linken Brustseite erkannte Atlan das bronzefarbene Atomsymbol. Ahlnaten! Achtung! signalisierte der Extrasinn. Einer der beiden hielt mit weit ausholender Geste die Buhrlos auf. Er legte seine Hand auf den Griff des Paralysators und fragte mit leiser, aber eindringlicher Stimme: »Was wollt ihr mit dem Rostjäger, Gläserne?« Eine unechte, übertriebene Feierlichkeit ging von den Gestalten aus. Ihre Gesichter trugen einen scheinbar verinnerlichten Ausdruck. Falsche Weisheit umgab sie wie der muffige Geruch alter Kleidung. »Nach draußen. Wir gehorchen dem Befehl, mehr Informationen über den riesigen Feind der SOL zu bringen, Ahlnate!« antwortete ein Buhrlo. Die anderen gingen weiter, nachdem sie das Band verlassen hatten. Atlan senkte den Kopf und gab sich den Anschein, über seinen Auftrag nachzudenken. »Werdet ihr auch E‐kick sammeln?« erkundigte sich sein Nachbar mit ebenso leierlicher Stimme. »Jetzt nicht. Wir erhalten unsere Ausrüstung dort vorn«, lautete die Antwort. »Wir sind in Eile.« »In diesem Fall werden wir euch nicht aufhalten. Tut für das Schiff, was eure Arbeit ist«, schloß der Ahlnate und machte eine wedelnde Handbewegung. Atlan atmete auf. Beide Ahlnaten waren mit Paralysatoren und Vibratormessern bewaffnet, die in dem breiten Gürtel steckten. Er selbst besaß nur einen Thermostrahler, den er zu verstecken versuchte, und seinen IV‐Schirm. Die Buhrlos zogen ihn weiter mit sich. Es ging rechts um die Ecke und auf einen Korridor hinaus, an dessen Ende unverkennbar die Schotten eines Beiboot‐Hangars zu sehen waren. Einige Ferraten standen an der schweren Metalltür. Sie winkten den Buhrlos, und einer rief: »Hierher! Holt euch die Triebwerke! Wir starten gleich!«
»Nur keine unsinnige Eile, Rostjäger!« knurrte ein Buhrlo zurück. In den Regalen der Schleusenvorkammer herrschte eine für Atlan ungewohnte Ordnung und Sauberkeit. Die Energieversorgung arbeitete ohne Aussetzer, und die Vorratsfächer waren voller Werkzeuge, Tornistertriebwerke, Raumanzüge und all dem, was Atlan hier zu sehen erwartet hatte. Im großen Hangar, jenseits der Sicherheitsscheiben, stand eine Korvette. Das Raumfahrzeug sah ungewöhnlich aus. Es war mit einfachen Methoden halbwegs umgebaut worden. Während sich die Buhrlos mit Gürteln, Triebwerken und Sicherheitsseilen ausrüsteten, betrachtete Atlan die Korvette. Mit Griffen, die unendlich lange Übung verrieten, befestigte der Arkonide das Triebwerk und die Steuerung an seinem Rücken. Die Laderäume der Korvette waren ohne Schleusenportale. Im Licht der Tiefstrahler sah Atlan lange Stangen und Haltegriffe. Die Ferraten, die das kleine Schiff bestiegen, trugen wie er Raumanzüge. Einige Buhrlos, vollständig ausgerüstet, verließen die Vorkammer und gingen hinüber zum Schiff. Sie wirkten halb aufgeregt, halb neugierig. Atlan begriff dieses seltsame Arrangement. Die Buhrlos brauchten keinen Schutzanzug, das wußte er. Die Ferraten, vermutlich befehligt von einer Schwester oder einem Bruder höherer Wertigkeit, steuerten das Schiff. Die beiden Gruppen ergänzten sich bestens. Die Informationen würden zur einen Hälfte von den Geräten des Raumschiffs stammen, zur anderen von den Buhrlos, die sie auf andere Weise einholten. »Hat es einen bestimmten Grund … Atlan, daß du wartest?« fragte ein Buhrlo und stieß ihn an. »Nein«, sagte der Arkonide. »Ich sehe mich nur um. Ich versuche zu lernen – von euch.« »Komm. Sie warten nicht auf uns.« Atlan ließ sich von den Solanern mit der gläsernen Haut mitziehen. Schleusen öffneten und schlossen sich. Er glaubte sich für einen Augenblick in die Zeit zurückversetzt, zu der er und Perry
aufgebrochen waren, zu einer Mission, die kein Beispiel hatte. Dann gab er sich einen entschlossenen Ruck und bestieg das Schiff. Die Buhrlos versammelten sich um ihn im offenen Laderaum. Einige von ihnen schienen den Moment nicht erwarten zu können, an dem sie wieder im All waren, ausgesetzt dem schwachen Licht einer weit entfernten Sonne und der rätselhaften kosmischen Strahlung, von der sie sich die Wirkung von E‐kick versprachen. Die inneren Schleusen schlossen sich. Lichtsignale und akustische Warnungen – wie in alten Zeiten – bereiteten die Menschen im Schleusenhangar auf den Start vor. Der Druckausgleich wurde ausgeführt, das Portal schob sich auf, und die Korvette hob langsam ab und startete in den Weltraum hinaus. Atlan hielt sich inmitten der Buhrlos an zwei Griffen fest und blickte durch die Sichtplatte des Helmes hinaus. Das Weltall. Die Sonne des Planetensystems von »Mausefalle« leuchtete schwach, aber immerhin stark genug, um alles, das die Sonnenstrahlen reflektieren konnte, deutlich zu zeigen. Die Korvette schwebte langsam von der SOL fort. Atlan starrte schweigend hinaus. Er sah rund um die SOL die Gegenstände, die auf den rätselhaften Planeten zu trieben. Kleine und große Felsbrocken in allen Farben und mit jeder denkbaren Oberflächenstruktur, die sich langsam über alle Achsen drehten. Jeder davon hatte eine andere Geschwindigkeit. Es sah aus wie der letzte Ausläufer eines Hagelschlags in Zeitlupe. Dann sah Atlan den Quader. Nachdenklich betrachtete der Arkonide diesen Fremdkörper. Er war schätzungsweise noch so weit entfernt, daß zwischen der SOL und ihm ein problemloses Manövrieren möglich sein würde. Atlan sah die verschiedenen fünfeckigen Außenflächen und das wirre Durcheinander von Kanzeln, Nadeln, Vorsprüngen und Antennen, oder was immer dort aus dem »Quader« hervorragte. Das Objekt war riesengroß.
Atlan schätzte, daß sein Durchmesser um rund ein Drittel größer war als das einer der beiden SOL‐Zellen. Marmorfarben gesprenkelt und in langsamer Eigenrotation kam der Quader näher. Seine Formen wirkten verschoben, ohne mathematisch exakten Mittelpunkt. Atlan begann zu ahnen, daß dieses Objekt ihn vorübergehend mehr beschäftigen würde als die zahlreichen Probleme der SOL. 3. Großschale war auf der Reise, ihre Botschaft (die dringende Botschaft Ergomans) zu einem Planeten der Abtrünnigen zu bringen, eingefangen worden. Die Missionare Ergomans wußten, daß sie sich in einer planetaren Falle befanden. Sie wußten nichts davon, welche Aufregung sie in der kosmischen Nachbarschaft hervorriefen. Noch nicht. Man muß gemeinsam handeln, rief eine der organischen Komponenten. Die Besatzung von Großschale muß unbedingt gerettet werden, fügte eine andere hinzu. Es wird schwierig werden – und gefährlich! war der Kommentar einer dritten. Aber keinesfalls unmöglich. Fragt Missionar Torgashuun und richtet euch nach seinen Anweisungen. Von ihm wurde auch die letzte Krise ohne Aufwand gemeistert, schaltete sich eine andere Komponente ein. Die kybernetischen Zwangspartner hatten nicht so lange gebraucht, die eingehenden Informationen richtig zu verarbeiten. Innerhalb des riesigen Objekts, das sich dem anderen Großobjekt näherte, herrschte ein ununterbrochenes Summen. Fast alle Räume waren in einem düsteren Grau gehalten. Die Farbe entsprach dem Wissen und dem Geschmack der kybernetischen Komponenten, die
mit den organischen Teilen eine Einheit bildeten. Unzählige Hinweise, Linien, Punkte und Markierungsstreifen in sämtlichen Farben des Spektrums zeichneten sich an den Wänden und Ecken ab. Sie waren notwendig für die Orientierung der kybernetischen Komponenten. Die Räume waren ausnahmslos zu groß dimensioniert. Sie strahlten eine düstere Kühle aus. Sie schienen für riesenhafte Wesen gebaut worden zu sein. Überraschend wäre für einen fremden Beobachter gewesen, daß es innerhalb des gesamten Schiffes keine einzige Sitzgelegenheit gab. Auch etwas, das man als Liegen bezeichnen konnte, fehlte völlig. Die kybernetischen Komponenten wisperten: Wir nähern uns dem Fremden in beträchtlicher Geschwindigkeit. In zwei Zeiteinheiten werden wir dicht nebeneinander fliegen. Bei weiterhin wechselnden Verhältnissen besteht die Gefahr einer Kollision. Beraten wir weiter! Die achtundzwanzig Schalen wissen, daß es um die Sicherheit von Großschale geht. Kybernetische und organische Komponenten werden zusammenarbeiten. Der Fremde muß aus dem Kurs gedrängt werden. Vielleicht muß er zerstört werden. Beide Komponenten sind einverstanden! Alle Missionare werden ihr Äußerstes tun, um die Lage zu klären. Einverstanden! Ergoman wurde von den Missionaren als geistige Zentrale eines interstellaren Reiches empfunden. Eine der vielen Kolonialwelten hatte sich von der Zentrale losgesagt. Daraufhin war Großschale gestartet worden, um die Häretiker wieder den Normen der Zentrale anzupassen. Die Abtrünnigen sollten nicht vernichtet, sondern bekehrt werden. Diese Mission war jetzt in akuter Gefahr. Die Kybemetics und die Organics müssen sich zusammenschließen! Genau dies wird geschehen! Und zwar sofort! Das Objekt, das uns vorausfliegt, ist langsamer als wir. Also haben wir es in kurzer Zeit eingeholt!
Vielleicht kann Großschale durch eine Art Bremsversuch vor dem Absturz gerettet werden. Wir sollten noch nicht über »Rettung« diskutieren. So dramatisch stellt sich die Situation noch nicht dar. Noch nicht! An verschiedenen Stellen des labyrinthischen Innern von Großschale befanden sich die Missionare. Sie bestanden aus einer mengenmäßig geringen Anzahl kybernetischer Strukturen, die allerdings meisterhaft in den Organismus der schweren und kräftigen Lebewesen integriert waren. Die organischen Anteile der Großschalen‐Besatzung machten sich bereit. Aber ohne die Steuerung durch die Kybernetics konnten sie nicht agieren. Der Bordrechner begann mit erhöhter Kapazität zu arbeiten. Der Anführer der Missionare stand auf. Es war eine umständliche Prozedur, aber sie entsprach den Umständen, unter denen die Missionare während der Flüge in Großschale lebten. Eine amorphe Masse aus grauem, schwarzgestreiften Material, das wie feuchtes, glänzendes Leder aussah, verließ den Tank. Sie bildete Pseudofüße aus, erzeugte Muskelstränge und richtete sich schließlich zu einer Gestalt auf, die annähernd humanoide Formen hatte … mit einigen Unterschieden. Sie bewegte sich auf zwei gelenklosen Beinen, hatte einen kugelförmigen Körper mit vier langen Tentakelarmen und einen Kopf, der wie eine Halbkugel ohne Hals auf dem Körper saß. Mit wenigen Schritten war der Missionar an einer der vielen Verteilerstellen der Bordkommunikation und des Versorgungsnetzes. Das beruhigende Geräusch des Antriebs und der unzähligen Nebenaggregate nahm der ruhelose Insasse des Schiffes nur am Rand seines Bewußtseins wahr. Aber es beruhigte ihn. Das Netz aller Schaltungen und Leitungen, das in seiner Gesamtheit den Bordrechner ausmachte, verlief entlang der Decken und Wände der ineinandergreifenden Korridore, Hallen und Stollen, die das Innere von Großschale durchzogen wie die Gänge von mathematischen
Maden, die eine Frucht ausgehöhlt hatten. Großschale in ihrer Gesamtheit war der Bordrechner und umgekehrt – ein riesengroßer, unzählig oft verzweigter Organismus mit seinen Nervenbahnen und Rezeptorzellen. Ein mechanischer Anschluß verband sich mit dem Wesen. Informationen und Rechenergebnisse strömten wie ein Sturzbach in Kaskaden in die kybernetische Komponente ein. Ein zweiter Anschluß öffnete sich und versorgte den organischen Teil des Missionars mit unschädlichen Drogen, die seine Reflexe schärften, nachdem sie die Masse des Körpers blitzschnell geweckt hatten. Dann strömte eine Menge an aufbauender Nahrung in den Körper, die ihn für mehrere Zeiteinheiten versorgte. Als der Missionar – sein Name war Torgashuun II – gesättigt und mit den aktuellen Informationen ausgestattet war, löste er die beiden Verbindungen und fühlte sich, als sei ihm ein neues Leben geschenkt worden: kraftvoll, entschlossen und handlungsaktiv. Schnell verständigte er sich mit den anderen siebenundzwanzig Wesenheiten. Missionar Torgashuun I sagte: »Brechen wir auf und sehen uns an den Sichtgeräten an, was uns erwartet. In die Zentrale, Mitbrüder!« Die Zentrale von Großschale lag im absoluten Mittelpunkt des Schiffes. Von achtundzwanzig verschiedenen Punkten aus machten sich die Missionare auf den Weg. Sie kamen an Räumen vorbei, in denen Ausrüstungen für jeden denkbaren Zweck gelagert waren. Die Spezimen (teilweise halb intelligent, zum anderen Teil eindeutig als tierisch einzustufen) in den abgelegenen Nebenräumen beachteten sie nicht. Für diesen Einsatz waren sie unwichtig; ihr Vorhandensein würde erst auf dem Zielplaneten wieder wichtig werden. An einer Stelle wählten sie achtundzwanzig gewisse Aggregate aus, mit denen sie sich gegenüber den Wirkungen des Weltraumvakuums schützen konnten. Andere dienten der medizinischen Versorgung. Eine dritte Sorte von
Ausrüstungsgegenständen galt der Bewaffnung. Sie war so konstruiert, daß sie jede bekannte Technologie entscheidend treffen und zerstören konnte, ohne auf mehr als zufällige Gegenwehr zu stoßen. Allerdings bestand bei dieser rechnerermittelten Definition stets die Gefahr, daß eine andere Rasse, ein anderes Sternenvolk die Technik des missionarischen Zentrums Ergomans übertreffen konnte. Eine Frage, von Torgashuun XXI gestellt, hallte eindringlich durch die Gänge und Stollen. Das große Objekt vor uns – ist es künstlichen Ursprungs? Diesmal antwortete der Bordrechner. »Es ist künstlich. Wir nähern uns mit dem Vektor …« Es folgte eine Angabe, die niemand außer den Missionaren verstand. »Ist es tot, oder befinden sich lebende Wesen darin?« »Es ist mit durcheinanderquirlendem Leben erfüllt. Aber die einzelnen Wesenheiten haben eine unbedeutende, in der geistigen Potenz zu vernachlässigende Größe.« »Das macht unser Vorgehen ein wenig leichter.« Torgashuun I bis Torgashuun XXVIII trafen sich nach kurzer Zeit in der Zentrale von Großschale. Jeder von ihnen hatte seine Schale ohne Schäden oder Zwischenfälle verlassen können. Die Missionare barsten förmlich vor Kraft und Entschlußfreudigkeit. Wieder einmal waren die organischen Komponenten froh, einen kybernetischen Zwangspartner zu haben. Lagen sonst die beiden Teile eines Missionars in gewissem intellektuellem Kampf, so ergänzten sie sich jetzt und bildeten einen Körper, der nahezu unbesiegbar war. In der Zentrale bildeten die achtundzwanzig einen vollkommenen Kreis um das zentrale Informationsgerät. »Es wurde festgestellt, daß auch Großschale einen eingeschränkten Aktionsradius hat.« »Wie?« Der Bordrechner produzierte eine Datenflut von hellen Linien auf dunkle Schirme und ließ die Felder des Mitteilungspanoramas
blinken. Jedes Signal hatte in Verbindung mit Tausenden anderen eine bestimmte Bedeutung. Diese Information konnten nur die kybernetischen Komponenten auffassen und verarbeiten. Sie gaben sie unverzüglich in aufbereiteter Form an die Missionare weiter. »Der Sog der siebenten Welt, von der sonnenfernsten Bahn aus gerechnet, verhindert ein Ausweichen nach der Seite. Die Strecke ist limitiert auf …« Wieder erfolgte eine Angabe, die nur von den Kybernetics verstanden wurde. »Mehr Informationen!« Was der Bordrechner ermittelte, gab er an die kybernetischen Komponenten weiter, die ihrerseits die organischen Teile versorgte. Die Informationen waren deswegen nicht schlechter geworden, sondern wurden lediglich verändert. Schließlich sagte Torgashuun I: »Wenn wir das fremde Schiff einer Inspektion unterziehen, dann muß der Bordrechner die volle Entscheidungsgewalt über Großschale bekommen. Seid ihr einverstanden?« Nach kurzer Überlegung entschlossen sich die Achtundzwanzig: »Einverstanden!« Torgashuun I fügte hinzu: »Darüber hinaus müssen unsere Kybernetics dem Bordrechner eine Programmierung erteilen, die ihn befähigt, ein Ankermanöver und einen Bremsversuch am fremden Schiff vorzunehmen. Das ist, technisch gesehen, kein großes Problem.« »Das ist logisch. Programmiert ihn!« sagten die organischen Teile. Auf dem Informationsbord schoben sich Pulte heraus. Zwei Torgashuuns ließen sich vor den Tasten nieder und wurden von den Kybernetics übernommen. Die kybernetischen Komponenten steuerten die Finger der Missionare. Das Programm wurde eingegeben. Dadurch sicherten die Missionare dem Schiff die Entscheidungsautarkie und sich selbst möglicherweise den Erfolg. »Alles bereit?« Die Insassen von achtundzwanzig Schalen mußten die Mission retten, also war es ihre Aufgabe, Großschale die Bewegungsfreiheit
wiederzugeben. Da der Fremde, der zur Rettung dienen sollte, unbekannt war, mußte eine schnelle Inspektion durchgeführt werden. Die Missionare Ergomans verständigten sich miteinander, dann brachen sie in den Weltraum auf. Vier große Antigravgeräte schwebten summend in die Zentrale herein. Jeweils sieben Missionare in voller Ausrüstung schwangen sich auf die Sitze. Jetzt hätte ein Beobachter sehen können, warum die Korridore und Hallen so groß dimensioniert waren. Sie entsprachen der Größe jener Wesen, die sich als Schalen verstanden. In einer Schleuse hielten die Transporter an. Die Schalen machten ihre Ausrüstung raumfest, checkten ihre Waffen durch und warteten auf die Schaltung des vernetzten Bordrechners. Das Tor zog sich auf, und nacheinander verließen die achtundzwanzig Missionare Großschale. Sie orientierten sich schnell, fuhren die Antriebsaggregate hoch und nahmen das Ziel auf. Weit vor ihnen, aber durch die vergrößerten Optiken klar zu erkennen, schwebte der Fremde. Das Raumschiff hatte eine höchst ungewöhnliche Form. Es wirkte wie zwei Kugeln, die von einem dicken, annähernd zylindrischen Mittelstück verbunden waren. Breite Wülste zogen sich um die Kugeln und um den Mittelzylinder. Die Masse des Schiffes, sagten sich die Schalen, war zweifellos größer als die von Großschale. Das Ankermanöver des Bordrechners würde durchzuführen sein. An einer so großen Masse würde das eigene Schiff leicht verankert werden können. Die Missionare wußten, daß sie sich im Beobachtungsbereich ihrer eigenen Bordgeräte befanden. Sie mußten damit rechnen, daß auch das andere Schiff über derartige Einrichtungen verfügte. Aber sie rechneten auch damit, daß man sie für Teile der treibenden kosmischen Fragmente halten würde. Schweigend trieben sie mit ausgeschalteten Antrieben dahin. Unmerklich wuchs vor ihnen die Konstruktion des Fremden. Ein winziger Punkt löste sich aus einer der Kugeln und kam auf
Kollisionskurs näher. War das Ziel jener fremden »Schale« das eigene Schiff? 4. Gerigk vertraute darauf, daß sich nicht jede Nachricht gleich schnell herumsprach. Er versuchte sich zu beherrschen und das Beste aus seiner Niederlage zu machen. Was er brauchte, war ein Ahlnate, der ihm half. Er hob die Hand und sagte zu einem seiner Robots: »Suche einen Ahlnaten. Möglichst einen alten, der nicht mehr ganz richtig im Kopf ist. Bringe ihn hierher.« Der Roboter drehte sich herum und verließ das Versteck des Magniden. Die Robotwachen vor dem Schott ließen ihn passieren. Gerigk war es gelungen, in eine Kabine einzudringen. Sie gehörte, wie er an der Einrichtung erkennen konnte, einem Pyrriden. Der Inhaber war bisher nicht wieder aufgetaucht. Gerigk hoffte, daß er einige Tage lang vor ihm Ruhe haben würde. Seine Flucht hatte ihn wieder zurück in jenen Teil der SZ‐1 geführt, der in der Nähe des Mittelteils lag. »Verdammt!« stieß Homer Gerigk aus. Er befand sich in einer wenig beneidenswerten Lage. Nach dem fehlgeschlagenen Versuch, die Macht an sich zu reißen, war er ein Gehetzter. Sicherlich würde nicht jeder der rund neunzigtausend Insassen der SOL ihn verraten, aber viele warteten nur darauf, durch eine besondere Auszeichnung einen Rang aufwärts zu rücken. Eine Möglichkeit, seine Lage zu verbessern, war die Möglichkeit, Atlan an den High Sideryt auszuliefern. Vielleicht ließ sich durch eine solche Aktion Deccon umstimmen. Denn Atlan, das hatte Gerigk erkannt, bedrohte durch seine bloße Existenz die Macht des High Sideryt.
»Die Gläsernen haben ihn ins All hinausgebracht«, murmelte Gerigk im Selbstgespräch. »Ich muß verhindern, daß er wieder das Schiff betritt.« Er fuhr mit den Fingerspitzen durch sein schwarzes, gekräuseltes Haar. Sein Verstand arbeitete rastlos und spielte alle im Moment denkbaren Möglichkeiten durch, weder Macht noch Einfluß oder gar sein Leben zu verlieren. Sein Ziel war, Chart Deccon zu ersetzen. Dieses Ziel lag augenblicklich in utopisch weiter Ferne. Aber er dachte nicht daran, aufzugeben. Was konnte er tun? Alles lief darauf hinaus, daß er die momentane Verwirrung ausnutzte. Binnen kurzer Zeit war Atlan ein ernstzunehmender Machtfaktor geworden. Jeder, der sich an die Vergangenheit der SOL erinnerte, entsann sich auch an Atlan. Dieser Mann konnte die Symbolfigur werden, und er war bereits auf dem besten Weg dazu. Er mußte unschädlich gemacht werden. Abermals gab es zwei Möglichkeiten: Atlan mußte getötet werden, möglichst außerhalb der SOL. Und wenn dies nicht gelang, mußte er an Chart Deccon verraten werden. Einige Minuten lang schloß Homer Gerigk die Augen und dachte an die angefangenen Versuche, eine Serie neuer Hologramme zu schaffen. Dieser Akt künstlerischer Freizeitbeschäftigung war für ihn bereits Vergangenheit; es wäre selbstmörderisch gewesen, in die eigene Kabine zurückzukehren. Mitten in seine verzweifelten Überlegungen hinein ertönte das Signal. Er schrak auf und packte die Waffe. Aber einer seiner Roboter sagte: »Es ist die Maschine. Sie bringt einen Ahlnaten. Soll das Schott geöffnet werden?« Gerigk atmete keuchend aus und wischte sich mit dem Ärmel den Schweiß aus dem Gesicht. »Öffnet«, sagte er. »Laßt sie herein.« Trotzdem zog er die Waffe und richtete die Projektormündung auf
die zerschrammte, von bunten Fragmenten irgendwelcher Klebefolien bedeckten Innenfläche des Schottes. Die Metalltür schwang knarrend auf. Der Robot ließ einen Ahlnaten herein. Leicht irritiert bemerkte der Magnide, daß es sich um eine etwa hundertjährige Frau mit grauem Haar handelte. Gerigk beschloß, so zu tun, als sei er nach wie vor ein vollwertiges Mitglied der herrschenden Kaste. »Du weißt, wer ich bin?« fragte er mit scharfer Fistelstimme. Das Mitglied der SOLAG senkte den Kopf, vollführte mit den Unterarmen bedeutungsvolle Gesten und erwiderte: »Magnide Homer Gerigk. Ich bin erstaunt, dich an einem Ort zu sehen, der keineswegs deiner Würde entspricht.« »Ein taktisches Manöver«, antwortete Gerigk leichthin und deutete auf einen reichlich mitgenommen Sessel. »Du darfst Platz nehmen.« »Danke«, erwiderte die Frau mit leiser, fast liturgischer Stimme. »Ich bin, wie du sicherlich weißt, Drana Mac‐Sachnet.« »Ich glaube, ich erinnere mich an dich«, sagte Homer. »Du weißt, daß eine Gestalt aus der Vergangenheit wieder an Bord ist. Atlan?« »Ich habe es gehört. In dieser schweren Zeit kursieren viele Gerüchte im Schiff.« Homer Gerigk konnte das feierliche Getue der Ahlnaten auf den Tod nicht leiden. Aber er beherrschte sich und antwortete: »Mit Atlan ist eine neue Gefahr ins Schiff gekommen.« Die Ahlnatin ordnete sorgfältig die Falten ihres hellblauen Gewandes und hob die Schultern. Ein wachsamer Ausdruck trat in ihr Gesicht. »Ich verstehe nicht, was du meinst, Magnide Gerigk.« Sie ließ nicht erkennen, ob sie ihrerseits wußte, daß sein Versuch, die absolute Macht zu erringen, fehlgeschlagen war. Höflich legte Drana den Kopf schief. »Ich habe gehört, daß die Buhrlos Atlan ausgerüstet und in den Weltraum hinausgebracht haben. Der High Sideryt – weiß er es
schon?« »Das entzieht sich meiner Kenntnis. Ich selbst wußte es nicht. Du hast es mir gesagt. Was will Atlan im Raum?« »Es kann sich nur darum handeln, mit dem riesigen Schiff etwas anzufangen, das uns einzuholen scheint.« »In der Tat«, antwortete Drana, und trotz des geringen Wissens über die wirklichen Eigenschaften der SOL schien sie zu erkennen, daß Atlans Gegenwart und seine Kenntnisse über das Schiff für den High Sideryt gefährlich werden konnten. »Man sollte den High Sideryt warnen.« »Das ist ein kluger Ratschlag, den du mir gibst«, sagte Gerigk kurz. »Wie ist die Meinung der Lehrer der SOLAG über den Zustand innerhalb der SOL?« »Wir bemühen uns, Sorge für diejenigen zu tragen, die sich von uns unterrichten lassen. Es ist wohl so, daß eine Krise, kaum unter Kontrolle, in die nächste übergeht.« »Atlans Gegenwart steht für die nächste große Krise!« betonte der Magnide. »Du sagst es.« »Dann sollten die Lehrer und Unterweiser der SOLAG sich zusammenschließen und den High Sideryt davon verständigen, daß Atlan zusammen mit den Buhrlos auch ins Schiff zurückkommen wird.« »Ich werde eine Gruppe Ahlnaten zusammenrufen!« versprach Drana. »Ihr solltet nicht lange zögern!« betonte der Magnide. »Sofort breche ich auf.« Homer Gerigk wies zum Schott. »Ich will, aus taktischen Gründen, euch die Anerkennung des High Sideryt zukommen lassen«, fistelte er. »Warnt Chart Deccon. Ich bin sicher, er wird es euch gebührend danken.« »Das ist nicht mehr als recht und billig«, sagte Drana und stand auf. Sie vollführte eine feierliche Geste in Richtung auf den
Magniden und verließ die unaufgeräumte Kabine. * Der riesige Mann, dessen Kahlkopf im Licht der Tiefstrahler glänzte, stand vor dem eingeschalteten Bildschirm und schwieg. Ein Gefühl tobte in ihm, das er nicht aufschlüsseln konnte. Die Muskeln an seinen Schultern zuckten vor mühsam unterdrückter Erregung. Die Schuppen seiner rüstungsartigen Kleidung klirrten leise, als er sich bewegte. Die Magniden in der Zentrale spürten seine Erregung. »Es ist also nicht gelungen, Atlan zu stellen!« grollte die Stimme des High Sideryt aus den Lautsprechern der Zentrale. »Er wurde in jedem Teil des Schiffes gesucht. Er muß sich ungewöhnlich gut versteckt haben«, antwortete Nurmer. »Uns trifft keine Schuld. Wir haben getan, was wir konnten. Aber wenn die Buhrlos ihn versteckt hielten, dann reichen die Mittel der SOLAG nicht aus!« »Ich weiß, daß keiner allmächtig ist«, dröhnte Chart Deccon. Seine Klause schien ihm plötzlich zu eng zu werden. Er unterdrückte das Verlangen, einen Sessel hochzureißen und in die Interkomanlage zu schmettern. »Aber ihr habt alle Macht, jeden zur Suche zu verpflichten.« Nurmer schüttelte seinen Kopf. Sein silberner Kinnbart, der fadenlang bis zur Brust reichte, machte die Bewegung mit. »Wir haben uns bemüht, aber anderes scheint uns wichtiger zu sein«, kam es aus der Zentrale. »Was?« »Atlan ist mit einer Gruppe von Buhrlos und Ferraten aus dem Schiff gebracht worden. Eine Korvette ist gestartet und nähert sich dem fremden Schiff, dem Quader. Du selbst hast den Befehl gegeben.« »Wie nahe ist das fremde Schiff?«
»Weniger als dreitausend Kilometer. Und es kommt immer näher. Seine Geschwindigkeit ist größer als unsere.« »Und wir werden noch immer auf die siebente Mausefalle Welt gezerrt«, stellte Chart Deccon angewidert fest. »Atlan beobachtete also zusammen mit SOLAG‐Leuten das näherkommende Schiff? Eine verblüffende Eigenschaft hat dieser Mann. Er scheint kommen und gehen zu können wie ein Gespenst.« »Daran ist etwas Wahres. Jedenfalls handelt er im Moment in unserem Sinn.« Der High Sideryt überlegte schweigend. Der Kontrolle durch SOLAG‐Mitglieder würde sich Atlan schnell wieder entziehen können, wenn er einmal im Schiff war. Sicherlich war er nicht in der Lage sich außerhalb des Schiffes so souverän zu verhalten wie ein Buhrlo. Innerhalb des Schiffes war es etwas anderes. Als Chart Deccon sprechen wollte, bebte der Boden unter seinen Füßen. Leichtes Klirren und metallenes Knirschen ertönten. »Was ist das?« Einen Moment lang spielte der High Sideryt mit der Versuchung, SENECA direkt zu befragen. Zuerst aber wandte er sich an die Magniden in der Zentrale. »Das Schiff bebt!« »Fremde Kräfte zerren an der SOL!« Auf den Monitoren tauchten Zeichen, Schriftreihen und Meßergebnisse auf. Voller Bestürzung mußte Chart Deccon erkennen, daß das fremde Schiff durch seine Masse auf die SOL einzuwirken begann. Ein Zugstrahl oder ein ähnliches Feld von erstaunlicher Potenz tastete ebenfalls, vom Fremden ausgeschickt, nach dem Schiff. Wieder wurde die SOL leicht erschüttert. »Atlan soll, wenn die Ferraten und die Buhrlos ins Schiff zurückkommen«, dröhnte Charts Stimme, »abgefangen und verhaftet werden. Ich will ihn hier in der Zentrale sehen. Unter Bewachung!« »Wir werden deinen Befehl sofort weiterleiten!« versicherte
Nurmer. »Was sollen wir gegen den Fremden unternehmen?« »Ruft das Schiff und holt Informationen ein!« »Sofort. Übrigens – die Nachricht, daß sich Atlan unter den Buhrlos befindet, haben wir von einer Gruppe Ahlnaten bekommen.« »Ich werde es nicht vergessen«, versicherte der High Sideryt und nickte kurz. »Ist Homer Gerigk gesehen worden?« »Auch er hält sich an unbekannter Stelle versteckt.« »Der Erfolg der SOLAG ist überwältigend«, schrie der High Sideryt in plötzlich hochschießender Wut. »Beim geringsten Zeichen, daß der Fremde uns angreift oder etwas tut, was uns schadet, schlagen wir zurück. Bereitet alles vor. Macht die Besatzung alarmbereit! Und bringt mir Atlan so schnell wie möglich!« In der Zentrale brach fieberhafte Geschäftigkeit aus. Chart Deccon wandte sich ab und stapfte die Stufen des Podests hinauf. Er ließ sich schwer in den massiven schwarzen Sessel fallen, behielt aber die Interkomschirme und die Monitoren im Auge. Die Erschütterungen waren das erste, gefährliche Zeichen. Zusätzlich zu Mausefalle war eine zweite Bedrohung aufgetaucht. Deccon brüllte: »Bereitet alles vor, die SOL am Fremden zu verankern und dann auf Gegenkurs zu gehen!« »Verstanden!« ertönte es aus der Zentrale. Einzelne Gruppen hasteten in die Feuerleitzentralen und versuchten herauszufinden, welche Geschütze noch funktionierten. Die Schaltstellen der Traktorstrahl‐Projektoren wurden bemannt. Subrechner aus dem SENECA‐Verbund versuchten, die Beeinflussung des fremden Schiffes genau auszurechnen. Einzelne Teile des Schiffes erwachten vorübergehend zu neuem Leben. Unaufhörlich prasselten Befehle aus der Zentrale auf die Angehörigen der SOLAG herein. Sie versuchten, einen riesigen technischen Organismus zu beherrschen, aber die Fragen wurden
immer zahlreicher. Es schien, daß nur wenige Techniker wußten, wie ihre Geräte richtig zu behandeln waren. Trotz aller Einschränkungen dieser Art sahen die Magniden in der Zentrale, daß sich die SOL mehr und mehr rüstete. Die »Bereit«‐Meldungen wurden zahlreicher. Die nächste Erschütterung, die durch die SOL lief, war stärker als alle vorhergegangen. Arjana Joester rief durchdringend: »Der Quader greift an. Ein Traktorstrahl hat uns getroffen – irgendwo an der Außenhülle!« Chart Deccon sprang aus dem Sessel und war mit einigen Sätzen am Interkom. »Die kinetischen Massen der Schiffe wirken aufeinander ein. Wie hoch ist die Entfernung?« »Weniger als zweitausend Kilometer!« Die Gefahr war da. Es lag an ihm, die SOL auch aus dieser Krise hinauszuführen. * Atlan blickte aus der offenen Schleuse hinaus und sah fasziniert zu, wie einer der Buhrlos nach dem anderen Anlauf nahm und mit einem leicht und elegant wirkenden Sprung die Hangarkammer verließ. Sie handhabten die eigenen Impulse ihrer Körper, zusammen mit den Antriebseinheiten, absolut souverän. Sie glitten wie ein Schwarm glitzernder Fische nach allen Seiten auseinander und verständigten sich schnell mit Hilfe ihrer Gesten. Atlan hangelte sich vorsichtig von Haltegriff zu Haltegriff und blieb am Rand des Hangars wieder stehen. Denke an das fremde Objekt! warnte ihn der Logiksektor. Nachdem der Arkonide den ersten Blick auf den Quader geworfen hatte, wußte er definitiv, daß es zwischen den zwei riesigen Körpern
zu Gravitationsspannungen kommen mußte. Je näher sie sich kamen, desto gewaltiger wurden die Kräfte gegenseitiger Massenanziehung. Und – sie würden unregelmäßig sein. Sollte der High Sideryt versuchen, die SOL mit Zugstrahlen am Fremden zu verankern, würden beide Schiffszellen in Mitleidenschaft gezogen werden. Er hob den Kopf und starrte den Quader an, als könne er ihn vor weiterer Annäherung zurückhalten. Seit dem Start der Korvette hatte sich die Distanz beider Körper noch mehr verringert. Wenn der Quader etwas kleiner war als eine Solzelle, so mußte Atlan eine Entfernung von rund eineinhalb tausend Kilometern schätzen, eher weniger. Dann kniff er die Augen zusammen und blickte noch genauer hin. Es war schwierig, etwas Genaueres zu erkennen, denn die Kulisse der zahllosen Nadeln, Antennen, Vorsprünge und Linien auf der kantigen Oberfläche verzerrte das Bild. Der Arkonide sah trotzdem im schwachen, aber ungefilterten Licht der weit entfernten Sonne eine lang auseinandergezogene Kette von großen Dingen, Wesen oder Gegenständen, die direkt auf die SOL und somit auf die ohne Antrieb schwebende Korvette zuschwebten. An vielen Stellen dieser Fremdlinge funkelte das Licht auf Metall. Augenblicklich war Atlan beunruhigt. Er versuchte, die einzelnen Gestalten, die viel schneller näherkamen als der Quader, genauer zu erkennen. Sie waren ungewöhnlich groß und wirkten irgendwie bedrohlich. Aber Atlan sah noch etwas anderes. Während sich die Korvette mit einem leichten Ruck zur Seite bewegte, veränderten die Mitglieder einer Gruppe von rund zehn Buhrlos in auffälliger Weise ihre Lage im All. Ihre Körper knickten ein, und die Solaner wurden wie von einem leichten Windstoß zur Seite gezogen. Atlan wäre es nicht aufgefallen, wenn nicht diese Bewegung synchron erfolgt wäre. Masseneinwirkung! sagte der Logiksektor.
Atlan packte die Steuerung seines Tornistertriebwerks und stieß sich vom Rand des Hangars ab. Mit einem einzigen schwerelosen Satz schwebte er vom Schiff weg, schaltete den Antrieb ein und jagte auf eine Stelle zu, an der vier Buhrlos überrascht um sich schlugen und sich aufgeregt Zeichen gaben. Als er in ihre Nähe kam und vorsichtig abbremste, spürte er, wie die Randzone eines Bremsstrahls ihn erfaßte, mehrmals herumwirbelte und auf das eigene Schiff zutrieb. Die Kraft, die auf ihn einwirkte, war groß und versetzte ihn einen Moment lang in Panik. Dann stabilisierte er seinen Körper, streckte ihn und gab volle Kraft auf das Triebwerk. Der Bremsstrahl und die zwei Flammen goldfarbener Energie aus dem Tornister rissen ihn vorwärts und, als er genügend eigene Geschwindigkeit erreicht hatte, aus dem Bereich der fremden Energie heraus. Zwischen ihm und der einzigen Lichtquelle, der Sonne, befand sich der mächtige Körper einer SOL‐Zelle. Hinter der Korvette erschien jetzt die erste Gestalt aus dem Quader. Auch die Korvette wurde von einem Ankerstrahl oder einem Bremsstrahl gepackt und zur Seite geschoben. Sekunden später eröffnete ein Solaner aus der Korvette das Feuer. Ein Energiestrahl zuckte gleißend und gefährlich hinüber zum fremden Schiff. Es traf die Spitze einer Antenne und löste sie in einen Schauer von Funken auf. Atlan sah, daß eine Gruppe Buhrlos wild gestikulierend diesen Zwischenfall kommentierte. Zwei der riesigen Gestalten, halb wie metallene Kraken aussehend, halb wie Roboter, richteten lange, stabförmige Waffen auf die Korvette. Aus den Mündungen der Projektoren zuckten ebenso starke Entladungen hinüber zur Korvette. Das kleine Raumschiff erwiderte aus zwei Geschützen das Feuer und hüllte die Gestalten in Kugeln aus mehrfarbigem Feuer. Gleichzeitig fühlte Atlan in der Nähe des für ihn gigantisch großen Triebwerkswulsts die starken Kräfte, die an der SOL zerrten. »Verdammt!« sagte Atlan. »Sie werden die SOL zugrunde
richten!« Die Giganten aus dem Quader verteilten sich blitzschnell und nahmen die Korvette unter starken, gezielten Beschuß. Das kleine Schiff zog sich zurück und wehrte sich. Atlan schaffte es, die Anzahl der Fremden zu bestimmen. Es waren mindestens achtundzwanzig, denn von so vielen Punkten aus schlug das Gewitter in die Hülle des Schiffes ein. Bevor sich der Schirm wie eine zweite Kugel um die Korvette schloß, vereinigte sich das Feuer aus mehreren Bordgeschützen auf einen Fremden. Die Männer in der Feuerleitzentrale, mußte sich Atlan sagen, hatten viel zu lange gebraucht, um zu zielen und richtig zu reagieren. Der Fremde löste sich in einer orangeroten Feuerkugel auf. Die Korvette nahm Fahrt auf und zog sich in die Richtung auf den offenen Hangar zurück. Atlan beobachtete die Buhrlos und sah, daß auch sie versuchten, aus dem Raum an Bord der SOL zurückzukehren. Aber immer wieder gerieten sie in den Bereich der Felder der Massenanziehung und der Projektorstrahlen aus dem Quader. Der Quader war bedrohlich nahe gekommen. Die Gerade seiner Flugbahn zielte an der SOL vorbei. Atlan fürchtete, daß die Zentrale der SOL versuchen würde, aus der drohenden Katastrophe herauszukommen und die Triebwerke zündete. Wenn es zutraf, was er über die Fehlfunktion vieler Steueraggregate erfahren hatte, würde dies das Schiff unter Umständen zerreißen. Atlan steuerte mit seinem Gerät zurück zur Bordwand der SOL und hakte ein kurzes Sicherungsseil in einen Griff ein. Zwischen den Fremden und der Korvette tobte ein Kampf. Einige kleine Schleusen in der Bordwand der SOL waren geöffnet worden. Von dort feuerten die Mitglieder der SOLAG mit transportablen Projektorgeschützen auf die Angreifer vom Quader. Der riesige Schlagschatten der SOL verschluckte jetzt die Korvette. Trotzdem zuckten ununterbrochen die Kampfstrahlen hin und her. Ein zweiter
Fremder löste sich auf. »Noch sechsundzwanzig!« murmelte Atlan. In seinem Rücken spürte er, wie sich die SOL bewegte. Es waren langwellige Schwingungen, die das Schiff schwanken ließ. Die Geräusche mußten sich innen grauenhaft anhören. Atlan sagte sich, daß es sicherer wäre, wenn er auch ins Innere der SOL zurückkehren würde. Hin und wieder zielte ein Fremder auf die SOL selbst. Atlan vermutete, daß er auf die Geschütze in den Hangars feuerte, die er direkt nicht sehen konnte, weil sie sich hinter dem Horizont der Schiffshülle verbargen. Aber auch diese Gruppen waren erfolgreich. Zumindest wehrten sie sich verbissen, wenn sie auch längst nicht die Effizienz erreichten, die an Bord einmal an der Tagesordnung gewesen war. Ein Fremder löste sich aus seiner Gruppe und raste in einem weit ausholenden Bogen heran. Atlan sah ihn zuerst nur, weil an den metallbewehrten Tentakeln verschiedenfarbige Lampen strahlten. Ununterbrochen zuckten Glutstrahlen aus der stabförmigen Waffe. Der Fremde verfolgte eine Gruppe von rund einem Dutzend Buhrlos, die mit laufenden Triebwerken flüchteten. Sie waren wirklich mehr als geschickt, denn mit einem Minimum an Aufwand veränderten sie unentwegt die Lage ihrer Körper und ihre Flugbahnen. Die meisten Schüsse gingen haarscharf an ihrem Ziel vorbei und verloren sich im Nichts. Atlan zog seine Waffe erst gar nicht, denn mit einem kleinen Thermostrahler konnte er hier nichts ausrichten. Auch die Buhrlos wehrten sich nicht; sie waren so gut wie unbewaffnet. Die Korvette, fast schon im Landeanflug dicht vor dem Hangar, schoß wild um sich. Ein dritter Feuerball blähte sich zwischen beiden Schiffen auf. Jetzt war der Fremde keine fünfhundert Kilometer mehr von der SOL entfernt, in Bezug auf Mausefalle noch immer »hinter« dem Hantelschiff. Atlan spürte, wie die Vibrationen stärker wurden. Mehrere Fremde wichen von ihrem bisherigen Kurs ab und schossen auf die SOL zu. Sie bremsten ihren Flug ab und richteten
die Waffen auf die Außenhülle der SOL. Der High Sideryt wagt es nicht, Schutzschirme zu projizieren, sagte der Logiksektor. Atemlos und ohnmächtig mußte Atlan mitansehen, wie die gleißenden, funkensprühenden Kampfstrahlen in die Ynkelonium‐Terkonit‐ Hülle große, runde Löcher schnitten. Er klammerte sich an dem Griff fest und fragte sich, ob er hinter den flüchtenden Buhrlos herfliegen und sich in Sicherheit bringen sollte. Jetzt spürte er die Schwingungen direkt. Dröhnende Schläge gingen durch das Schiff. Irgendwo sprangen Notschotte auf. Ein Strom von Kampfrobots ergoß sich in den Raum. Diese Robots waren richtig programmiert. Sie erfaßten die Ziele sofort und eröffneten blitzschnell und mit höchster Kapazität das Feuer auf die Angreifer. Die Korvette verschwand im Hangar. Aber noch während des Landevorgangs feuerten ihre Projektoren ebenso wild wie die Besatzungen in den offenen Schleusen. Ein weiterer Angreifer starb. Unweit von Atlan – ihn beachtete weder ein Buhrlo noch einer der krakenartigen Fremden – löste sich ein annähernd rundes Stück Stahl aus der Hülle und segelte mit weißglühenden Rändern, Rauchspuren hinter sich herziehend, in den Raum davon. Der Fremde schoß in das Loch hinein und schnellte sich dann hinterher. Aufmerksam beobachtete Atlan die nähere Umgebung. Er selbst befand sich auf der Schattenseite der SOL und somit in relativer Sicherheit. Er war nichts anderes als ein winziges Ortungsecho, zu klein und unwichtig, als daß man es unter Beschuß nehmen mußte. Er hakte sich los, drehte sein Rückentriebwerk auf Viertelleistung und schwebte in einem flachen Bogen auf die Öffnung zu, die der Fremde geschaffen hatte. Er erreichte den Rand, hielt sich fest und spähte ins Innere. Der Fremde befand sich im Bereich künstlicher Schwerkraft. Er lief auf mehreren kurzen Beinen einen Korridor entlang. Die Lampen,
die Vakuumalarm signalisierten, blinkten aufgeregt. Als Atlan sich ins Schiff hineinschwang, den Tornister mit wenigen Griffen abschnallte und fallen ließ, registrierte er, daß kein Luftstoß ihm entgegenkam. Also war dieses Stück Korridor bereits vorher im luftleeren Bereich gewesen. Oder sämtliche Öffnungen zwischen diesem Stück der Hülle und dem Schiffsinnern waren zufällig verschlossen. Kaum hatte der Fremde zwei Drittel des Korridors hinter sich gelassen, schoben sich aus den Bereitschaftskammern rechts und links vor und hinter ihm aktivierte Kampfroboter. Sie waren in schillernde Schutzschirme gehüllt und definierten den Fremden augenblicklich als Eindringling, der zu bekämpfen war. Rund um ihn schlugen die Kampfstrahlen ein. Atlan spürte die Vibrationen der Kugelzelle und dazwischen die Einschläge, die sich als Dröhnen durch den Raumanzug fortsetzten und Echos im Helm hervorriefen. Noch bevor der Fremde wirklich entscheidend getroffen worden war, erstarrte er. Seine Waffe kippte langsam nach vorn. Dann gab es innerhalb des Gewirrs von schwarzer Haut und chromartigem Metall, zwischen den blinkenden Leuchtfeldern und den halbkugeligen Vorsprüngen im Körper des Eindringlings eine Anzahl von Rauchwolken, die mit großer Wucht ausgestoßen wurden. Mitten im vernichtenden Feuer der Maschinen fing der Körper wieder an, sich zu bewegen. Aber als der Fremde mit bloßen Gliedmaßen den nächststehenden Robot angreifen wollte, verging er im Feuer der Maschinen. Als der Körper nur noch eine schmorende, rauchende Masse war, zogen sich die Robots zurück. Wenn sie Atlan gesehen hatten, dann schienen sie ihn als menschlich und der SOL zugehörig klassifiziert zu haben. Atlan rannte durch den Korridor, hob die schwere Waffe auf und versuchte sich zu orientieren.
* Er kannte den Punkt des Schiffes nicht, an dem er sich befand. Aber er wußte genau, wie die unmittelbar an die Hülle anschließenden Bezirke konstruiert waren. Es gab hier eine Menge von Sicherheitsschleusen, um zu verhindern, daß explosive Dekompression eintrat und die Besatzung starb, ehe Gegenmaßnahmen getroffen werden konnten. Er suchte nach Beschriftungen, ging hin und her und wurde immer wieder gegen eine Wand geworfen. Die Schwingungen wurden härter. Die Zeit drängte. Er fand eine Notschleuse. Sie war so klein, daß er die Waffe in dem würfelförmigen Raum schräg in gegenüberliegende Ecken schieben mußte. Die Mechanik funktionierte schon beim zweiten Knopfdruck. Die massive Tür zum Vakuum schloß sich, die innere öffnete sich knirschend. Atlan blickte sich um, ehe er die fremde Waffe aus der Schleuse zerrte. Er war in einem großen, niedrigen Raum, von dem eine Vielzahl von Schottüren abzweigte. Eine der Türen wurde aufgestoßen, und Buhrlos und Ferraten drängten herein. »Ich muß es riskieren«, sagte sich der Arkonide, öffnete den Helm und rief ihnen entgegen: »Ich bin Atlan. Ihr müßt versuchen, das Schiff zu verteidigen und abzudichten. Holt mehr Ferraten und Material. Dort draußen herrscht Vakuum. Ein Fremder hat ein Loch in die Hülle gebrannt und ist eingedrungen.« »Wo ist er?« »Die Roboter haben ihn vernichtet. Ferraten! Ihr müßt euch Anzüge beschaffen.« Nach kurzer Beratung rannten die Buhrlos auseinander. Sie hatten Atlan den Weg weiter ins zentrale Schiffsinnere gezeigt. Er hob die Waffe auf und untersuchte sie, während er weiterrannte.
Jetzt spürte er die Erschütterungen und Vibrationen nicht nur – er konnte sie auch hören. Es waren gräßliche Geräusche. Langgezogenes Knarren und scharfes Knacken, ein wildes metallisches Ächzen und ein schrilles Pfeifen, das direkt aus den stählernen Wänden zu kommen schien – Rhodans altes Schiff gab Laute von sich wie ein riesengroßer, sterbender Organismus. Und rund vierundzwanzig Fremde schickten sich an, das Schiff, zu erobern, dessen Insassen schlecht organisiert waren. * Homer Gerigk war bisher über alle Vorgänge an Bord recht gut informiert gewesen. Seit seiner Flucht aus dem Mitteilteil der SOL hatte sich daran nicht sehr viel geändert. Er hatte seine Möglichkeiten auch noch jetzt. Er wußte, daß Chart Deccon Atlan als Gefahr einstufte, daß Magniden und Vystiden mit ihren Haematenkriegern die SOL durchstreiften, Bilder von Atlan in den Händen. Er wußte sogar von dem vergeblichen Versuch des High Sideryt, SENECA zu einer Hilfeleistung zu bewegen. Daß Atlan verhaftet werden sollte, sobald er das Schiff wieder betrat, war ihm klar. Er hatte andere Pläne, was diese Gestalt aus der Vergangenheit der SOL betraf. Natürlich zeigte ein Spezialschirm, in einen Roboter eingebaut, die Bilder aus den Optiken der Außenbeobachtung. Fremde mit lanzenartigen Waffen stürmten das Schiff und verwickelten die Kommandos in den Schleusen in wilde Kämpfe. Gerigk schwankte in seinem Sitz in den unkontrollierten Bewegungen der SOL. Er zwang sich dazu, die Geräusche nicht wahrzunehmen, die aus allen Teilen des Schiffes kamen. Er versuchte, den Alarm und das offene Chaos außerhalb der schmutzigen Kabine zu ignorieren. Aber als er die Furcht im Gesicht des schlanken, sehnigen Mannes mit dem auffallend
braungebrannten Gesicht sah, begann er innerlich auch zu zittern. »Dein Name?« fuhr er ihn an. Er strahlte noch immer die Macht der Magniden aus, auch wenn es ihm nicht danach zumute war. »Vraj Debna, Magnide!« »Ich will gar nicht die Frage erörtern, ob du einer aus den Mordkommandos der Vystiden bist.« »Was willst du von mir, Bruder der ersten Wertigkeit?« fragte der ehemalige Ferrate. »Ich will dir eine Chance geben.« »Wie darf ich das verstehen?« fragte Vraj. »Du weißt, daß Altan, der Fremde, gesucht wird.« Vraj Debna senkte bejahend den Kopf. »Ich wurde von High Sideryt geschickt, um einen verschwiegenen, qualifizierten Mann zu finden. Er soll Atlan töten, schnell und lautlos. Der Fremde will das Schiff ins Chaos stürzen und die Macht an sich reißen. In Wirklichkeit ist Chart Deccon viel daran gelegen, daß kein Aufsehen erregt wird. Du traust dir diesen Einsatz zu?« »Ich denke, daß meine Vibromesser dir schon einige gute Dienste geleistet haben.« »Deswegen habe ich dich auch mit diesem Auftrag betraut. Versuche zu erfahren, an welcher Stelle Atlan das Schiff betritt, und dann erledige ihn schnell. Melde dich nach vollstreckten! Urteil beim High Sideryt. Er wird dich belohnen, und nicht zu gering.« »Das ist anzunehmen. Soll ich sofort aufbrechen?« Der Magnide nickte, dann fügte er hinzu: »Sage niemandem, daß du für den High Sideryt tötest oder gar, daß du den Auftrag von mir hast. Deccon vertraut mir, und alles muß unter uns bleiben. Verstanden?« »Ja, Bruder der ersten Wertigkeit!« Mit einer schroffen Handbewegung entließ Homer Gerigk den potentiellen Mörder. Er schätzte Debnas Talent, Atlan schnell und sicher zu beseitigen, hoch ein. Der High Sideryt hatte gedroht, jeden umzubringen, der Atlan beim Versuch, ihn festzunehmen, töten
würde. Der Zeuge Vraj Debna würde also nicht lange genug leben, um von dem Magniden zu berichten, der ihm diesen Auftrag gegeben hatte. Und jetzt galt es, einen sicheren Platz zu finden, sagte sich Homer Gerigk. Das Vibrieren aller Flächen wurde stärker, nahm für kurze Zeit wieder ab, kam wieder und versetzte zusammen mit den Alarmsummern, den Sirenen und den Kommandos, die aus den Interkomen dröhnten, jeden Insassen des Schiffes in Panik. Gerigk sagte zu sich selbst: »Ich denke, ein guter Platz zum Überleben ist in einem großen Beiboot. Niemand vermag es zu steuern, also wird mich auch niemand finden.« Er nützte das heillose Durcheinander aus, um sich zurückzuziehen. Wenn seine Stunde wieder kam, würde er es rechtzeitig erfahren. Solange er lebte und seine Roboter hatte, konnte er sich in das Kommunikationsnetz zwischen dem High Sideryt und den Magniden einschalten. Mehr brauchte er nicht – vorläufig. Noch war E‐kick in seinem Tank. * Zahllose Gedankensplitter wirbelten durch Atlans Gehirn, als er sich mit der fremden Waffe in den Händen einen Weg ins Innere der SOL‐Zelle‐1 bahnte. Er hörte aus den Interkomen, daß sich der Quader unverändert näherte. Inzwischen richteten sich zwei Traktorstrahlen von höchster Kapazität auf den Fremden. Ununterbrochen gingen die Vibrationen weiter. Ein Hilferuf kam aus den Lautsprechern. »… rechts neben der Verbotenen Zone …«, verstand Atlan. Er folgte einer Menge von Ferraten und Vystiden, die schwere Waffen mit sich schleppten. Es ging über einige Rampen im Zickzack
abwärts. Von dort ertönte der Lärm eines schweren Kampfes. Atlan sagte sich, daß die Schutzschirme der SOL vermutlich nicht mehr eingeschaltet werden durften. Es würden gewaltige Energiemengen vergeudet werden, und gegen die eingedrungenen Fremden schützten sie nun nicht mehr. Er ließ eine Gruppe von drei schweren Kampfmaschinen an sich vorbeischweben und folgte ihnen. Die SOL schlingerte und dröhnte, die gesamte Konstruktion federte und bog sich innerhalb der Toleranzen. Für jeden Raumfahrer waren diese Vorgänge das beste Mittel, ihn in panische Furcht zu versetzen. Seit knapp acht Wochen trieb die SOL bereits auf den Planeten zu, der seine Oberfläche unter undurchdringbaren Wolken verbarg. Atlan hoffte, daß der High Sideryt nicht noch einmal versuchte, das Schiff ohne die exakte Aussteuerung sämtlicher Triebwerke durch SENECA zu bewegen. Vermutlich würde dieses Wagnis die SOL in ihre drei Teile zerreißen. Daß er gejagt wurde, war ihm im Augenblick gleichgültig. Er schaltete seinen IV‐Schirm ein und rannte auf die Quelle der lautesten Geräusche zu und sah, daß die Maschinen einen Fremden gestellt hatten. Hinter dem Eindringling, der sich wie rasend wehrte, sperrte ein HÜ‐Schirm einen schmalen Korridor ab. Aus der offenen Schottür einer Maschinenhalle nahmen Kommandos der SOLAG den Fremden unter Beschuß. Einige verkohlte Körper lagen hinter dem metallgepanzerten Kraken auf dem Boden. Atlan richtete seine Waffe auf den Fremden und drückte, nachdem er an den Robotern vorbei gezielt hatte, auf den Auslöser. Der Schuß röhrte aus dem Projektor und schmetterte dem Fremden die Waffe aus den Greifern. Das Magazin des langen Stabes explodierte in einem grellen Blitz und einer krachenden Detonation, die sogar die schweren Roboter einige Meter zurückschleuderte. Wieder sah Atlan, wie eine seltsame Verpuffung stattfand. Der Körper des Fremden griff waffenlos die Roboter an, aber die
Bewegungen waren unkoordiniert. Die schweren Waffen, die von rechts und links abgefeuert wurden, vernichteten den Rest des Körpers. Brüder der zweiten Wertigkeit mit ihren silberschimmernden Metallfolienanzügen, die Waffen erhoben, kamen hinter Atlan aus verschiedenen Richtungen heran. Sie sahen gerade noch das Ende des Kampfes. Die Haematen in ihren blauschwarzen Kampfkombinationen brauchten nicht einzugreifen. Ein Anführer schrie: »Hinunter in die nächste Ebene. Dort … in den Antigravschacht!« Ein Lautsprecher quäkte: »Ferraten mit Reinigungsmaterial, Löschzeug und Reparaturwerkzeug auf die Ebene Nummer Sieben … ich wiederhole …« Noch immer wurde das Schiff erschüttert. Von fern hörte Atlan das Summen riesiger Maschinen. Vermutlich wurden mehr Energien auf die Projektoren der Traktorstrahlen gefahren. Atlan lachte verzweifelt auf. Der Fremde griff nach der SOL, um sich abzubremsen und in eine neue Flugbahn einzuschwenken. Die SOL‐Zentrale versuchte genau dasselbe Manöver. Unkontrollierbare Kräfte wirkten wechselseitig auf die Schiffe ein. Vielleicht schafften sie es, sich um einen gemeinsamen Mittelpunkt zu drehen, aber es würde den Sturz beider Objekte auf Mausefalle VII nicht verhindern können. »Wir brauchen Hilfe. Hier Ende Antigravschacht Neun!« »Bringt die Geschütze mit!« Von den etwa zwei Dutzend Fremden, die ins Schiff eingedrungen waren, kämpften noch immer einige. Atlan glaubte, sicher sein zu können, daß sie nur in die SZ‐1 eingedrungen waren. Hinter ihm schwoll der Kampflärm auf, während sich die Verteidiger aus diesem Teil des Schiffes zurückzogen und die Reparatur der Verwüstungen den Ferraten zurückließen. Tatsächlich wurden selbst jetzt die Befehle befolgt. Tore und
Schotte öffneten sich. Aus einer Vielzahl verschiedener Ecken und Winkel kamen die Brüder der sechsten Wertigkeit in ihren schlichten blauen Uniformen. Auf Antigravplattformen führten sie Material und Werkzeug mit sich. Obwohl sie nicht verstanden hatten, was hier geschehen war, arbeiteten sie schnell und gar nicht ungeschickt. Aber es waren Arbeiten für Rostjäger, keine qualifizierten Reparaturen, von denen das Schicksal des Schiffes abhing. Atlan schaltete den IV‐Schirm ab, vergewisserte sich, daß der Thermostrahler noch im Hosenbund steckte und fragte sich, was er nun tun sollte. Er beschloß, das Durcheinander auszunutzen und zu versuchen, sich von Pol zu Pol der SZ‐1 dem Mittelteil zu nähern. Dort war die Zentrale, dort herrschte der High Sideryt, und nur an dieser Stelle würde er, Atlan, eingreifen können. 5. Es gab nichts und niemandem, von dem er Hilfe erwarten konnte. Chart Deccon starrte schweigend auf die Bildschirme der Außenbeobachtung. Der Koloß des Quaders kam näher, unaufhaltsam und lautlos. Der Weltraum zwischen dem Raumschiff und dem Quader war so gut wie leer. Nicht ein einziger Buhrlo befand sich draußen, es würde einen schweren Engpaß in der Versorgung mit E‐kick geben. Aber dieses Problem belastete den High Sideryt nicht. Er war, wenigstens in diesem Augenblick, absolut ratlos. Die Rüstung an seinem Körper klirrte. Chart Deccon ging wie ein gereiztes Raubtier in seiner Zentrale hin und her. Er hatte stets eine Aufgabe gesucht, ein neues Ziel für die SOL. Jetzt konnte er nur versuchen, das Schiff aus dem würgenden Griff von Mausefalle VII zu befreien. »Was soll ich tun«, stieß er murmelnd hervor, »wenn nicht einmal
SENECA mir hilft?« Die Operationsblasen beider großen Objekte hatten sich längst überschnitten. Die letzte Messung hatte ergeben, daß der Quader nur noch fünfhundert Kilometer weit entfernt war und sich ständig näherte. Immerhin: er würde nicht direkt mit der SOL zusammenstoßen. Auch kamen keine neuen Streitkräfte mehr aus dem Schiff. Nur achtundzwanzig kämpfende Objekte waren geortet worden. »Wie viele befinden sich noch in der SOL?« rief Chart Deccon. »Es sind vierundzwanzig eingedrungen!« gab Arjana Joester zurück. »Wir wissen sicher, daß acht von ihnen vernichtet wurden. Die Kämpfe sind in vollem Gang. Wir schlagen uns hervorragend.« Die aufeinander einwirkenden Massen der Schiffe ließen die SOL erbeben. Vor wenigen Minuten hatte Arjana erklärt, daß sich die Fallgeschwindigkeit der SOL auf den rätselhaften Planeten vorübergehend verringert hatte. Die eingesetzten Traktorstrahlen hatten nicht sehr viel bewirkt, aber die SOL konnte sich an dem Fremden festklammem. »Noch sechzehn Fremde!« stöhnte Chart Deccon. »Beruhige dich«, sagte Arjana hart. »Wir haben die volle Kontrolle. Die Roboter können sie niederkämpfen.« Die düstere Einrichtung von Deccons Zentrale entsprach haargenau seiner Stimmung. Er sah immer mehr ein, daß es unmöglich war, die SOL zu beherrschen. Wenigstens jetzt, solange sich nicht durch einen unglaublichen Zufall oder ein Wunder die Lage um hundertachtzig Grad änderte. »Ist Atlan verhaftet worden?« grollte Deccon. Eine müßige Frage. Wenn es den ausgeschickten Kommandos gelungen wäre, ihn nach der Rückkehr aus dem Weltraum zu fassen, wüßte es der High Sideryt als einer der ersten. Arjana schüttelte den Kopf. »Nein. Er war nicht in der Korvette.« »Dann muß er noch außerhalb des Schiffes sein!«
»Die Ortung hat zugegeben, daß sie ihn aus den Augen verloren hat. Er verbirgt sich. Wahrscheinlich ist er durch eines der Löcher hereingekommen, die von den Angreifern in die Hülle gebrannt wurden.« Gallatan Herts rief von seinem Pult: »Wieder wird es leichter für uns! Zwei Eindringlinge wurden vernichtet. Wenn sie sich in die Enge getrieben sehen, verüben sie eine Art von Selbstmord!« Sie wissen wenigstens, dachte Chart Deccon, wann sie verloren haben. Nur ich kann noch nicht aufgeben. Eine Frage Arjanas riß ihn aus seinen trüben Überlegungen. »Du erwartest dir etwas von Atlan?« »Er ist für mich ein Negativsymbol«, gab der High Sideryt zu. »Aber er stammt aus einer Zeit, in der im Schiff andere Verhältnisse herrschten. Denkt an das, was ich euch über einzelne Stellen des Logbuchs erzählt habe. Vielleicht gelingt es ihm, mir einen Rat zu geben.« Arjana machte eine wegwerfende Bewegung, schwieg aber und bewegte ihre gepflegten Finger über die Tasten des Kontrollpultes. »Einen Reparaturtrupp nach SZ‐Eins, Ebene zweiunddreißig …«, rief sie und gab den genauen Punkt an, an dem ein Teil des Schiffsinnern durch das Gefecht mit einem Quader‐Eindringling Schaden erlitten hatte. Wieder schüttelte sich das Schiff wie im Fieber. Hinter den Bildschirmen klirrten und rasselten lockere Verbindungen. Aus den Fugen zwischen Wänden, Boden und Decke kamen knirschende Geräusche. Der Boden zitterte unter den Sohlen der Stiefel. Einige Geschirrteile rutschten polternd über den Rand der Tischplatte und fielen klirrend zu Boden. Warnlichter flammten auf und flackerten. Auf einem Bildschirm war zu sehen, wie die Waffe eines Eindringlings ein wahres Energiegewitter ausstreute. Der Fremde wollte sich den Weg ins Zentrum der SZ‐1 erkämpfen, aber von allen Seiten drangen Solaner auf ihn ein. Mit
schweren Waffen feuerten sie auf den Organismus, dessen Arme mit farbigen Leuchtfeldern ausgestattet waren. »Schickt noch mehr Vystiden aus!« rief Chart Deccon. »Atlan muß gefunden werden!« Immer wieder wechselten unter seinen Schaltungen die Bilder auf den Schirmen. Er versuchte, systematisch in jeden Korridor und jeden Raum hineinzusehen, in dem die Aufnahmeoptiken noch funktionierten. Vielleicht entdeckte er auf diese Weise einen Fremden, der sich so auffällig verhielt, daß es deutlich zu sehen war. Chart wußte selbst nicht, was Atlan für ihn bedeutete: positiv oder negativ, Feind oder Freund – aber in jedem Fall besaß der Mann aus der Vergangenheit Informationen über die SOL, die ihm, Deccon, noch immer fehlten. Ein weiterer Fehler war ihm unterlaufen: Daran, die Schutzschirme einzuschalten und mit wenigen Schüssen aus den Transformkanonen die Gefahr aus dem Quader zu beseitigen, ehe die Kämpfer mit ihren stabförmigen Waffen die SOL erreicht hatten, daran hatte er zu spät gedacht. Jetzt war es natürlich viel zu spät. Er durfte keine Schwäche zeigen. Der Diktator der SOL hatte die selbstgesetzte Pflicht, immer und in jeder Lage überlegen zu wirken. In einer fast unmenschlichen Anstrengung bezwang Chart Deccon die in ihm tobenden Gedanken über seine eigene Schwäche und sagte mit neuerwachter Entschlossenheit in seiner grollenden Stimme: »Meine Befehle gelten weiterhin. Nichts hat sich geändert. Weiterhin sollen alle Vystidenkommandos nach Atlan suchen. Die Reparaturen im Schiff sind mit äußerster Schnelligkeit weiterzutreiben. Wie stark haben wir unsere Fahrt abbremsen können?« Aus der Zentrale kamen die letzten Berechnungen. »Dann schaltet den Strahl ab«, befahl er. »Unser Sturz ist auf diese Art nicht aufzuhalten.«
»Die Zugkräfte von Mausefalle‐Sieben sind stärker«, betonte Arjana. »Außerdem gehen die Vorräte an E‐kick in den Ackus langsam zur Neige.« Wie ein Blitz durchzuckte es den High Sideryt. Auch sein Tank reichte nicht mehr allzu lange. »Noch muß gewartet werden. Die Buhrlos sind zu kostbar, um sie nutzlos zu opfern. Dort draußen«, er zeigte auf die Bilder der Raumbeobachtung, »herrschen mörderische Schwerkraftschwankungen.« »Verstanden!« Ein Blitz, der auf einem Bildschirm aufflammte und für mehrere Sekunden die Optiken überlastete und blind machte, zeigte an, daß es den Kampfmaschinen geglückt war, abermals einen Fremden zu vernichten. Als die Traktorstrahlenprojektoren desaktiviert wurden, ging abermals ein schwerer Ruck durch die SOL. Deccons breite Hände klammerten sich an die Kanten des Pultes. Sein massiger Körper wurde hin und her geschleudert. Dann herrschte wieder Ruhe; die Schwingungen hatten alle drei Schiffsteile durchlaufen und bauten sich ab. Sekundenlang tauchte in Deccon die Vision eines dahinrasenden, leicht manövrierbaren Schiffes auf, dessen Besatzung in der Lage war, allen kosmischen Kräften zu trotzen und alle ihre Gedanken auf ein sinnvolles, erstrebenswertes Ziel ausgerichtet hatten. Er hob seine muskelbepackten Schultern. »Und falls nicht bald«, rief er wütend, »dieser Atlan gefunden wird, verlasse ich meine Zentrale und suche ihn selbst – und wehe demjenigen, der sich als Versager erwiesen hat.« Nurmer vergrub die Hand in seinem Bart und riskierte ein meckerndes Gelächter. »Ich verhafte Atlan eigenhändig, wenn er hier in der Zentrale auftaucht«, rief er. »Darauf kannst du dich verlassen.«
* Der Mann, den sie suchten, lief in diesem Moment hinter einer Schwebeplattform her, auf der ein Strahlengeschütz montiert war. Rund um den Projektor saßen ein Vystide in seiner hautengen Silberuniform und sieben Haematen. Ein Hilferuf hatte sie erreicht. Sie rasten durch die breiten, leergefegten Korridore, um eine Ebene weiter »oben« in den Kampf gegen einen Eindringling einzugreifen. Im Licht der Deckenbeleuchtung funkelten die goldenen SOL‐ Silhouetten ihrer Rangabzeichen auf. Atlans Extrasinn faßte die Überlegungen der letzten Stunden zusammen und meinte: Wenn du das Innere der SOL als Dschungel begreifst, mit all den Gesetzmäßigkeiten des Überlebenskampfes, dann hast du weniger Schwierigkeiten, dieses Chaos zu verstehen. Der Gleiter bot, nachdem er abgebremst worden war, um eine scharfe Kurve und verschwand aus Atlans Blickfeld. Sobald sich die Aufregung gelegt hatte, würde wieder verstärkt nach ihm gesucht werden, sagte sich Atlan. Trotzdem folgte er dem Kommando. Er wußte jetzt, wo er sich befand – erstaunlicherweise stimmte die Wirklichkeit in diesem oberen Teil des Schiffes mit seiner Erinnerung überein. An seinem photographisch exakten Gedächtnis hatte er nicht zweifeln müssen. »Die Kosmokraten scheinen einen makabren Sinn für Humor zu haben«, murmelte er. »Es überfordert meine Kräfte bei weitem, hier auch nur eine Spur Ordnung zu schaffen.« Er bewegte sich auf der Höhe des Erholungsgebietes, das eine künstliche Landschaft enthielt, kleine Seen und Wälder … enthalten hatte, rief er sich zur Ordnung. Vermutlich herrschten heute dort ganz andere Verhältnisse. In jeder Richtung, zur Schiffshülle hin, erstreckten sich die Hangars der Korvetten und Kreuzer und die vielen Zwischendecks. Er hielt sich mit der rechten Hand an einem Rohrbündel fest und wirbelte in den rechtwinklig abbiegenden
Korridor hinein. Das Gellen der Sirenen, die aufgeregten Schreie, ein akustisches Chaos röhrender und peitschender Schüsse und das zischende Fauchen, das der Fremde von sich gab, schlugen ihm entgegen. Der Korridor war voller Blitze der Strahlschüsse und voller Rauch, der das obere Drittel ausfüllte und den Korridor ins Halbdunkel tauchte. Atlan blieb stehen und hob die Waffe, die er erbeutet hatte. Im Augenblick wenigstens zitterte und ächzte die SOL nicht. Ruhig zielte der Arkonide und jagte seine Schüsse an dem Gleiter der Vystiden vorbei in den aufleuchtenden Schutzschirm des fremden Wesens hinein. Zum erstenmal hörte Atlan, daß einer der Eindringliche Laute von sich gab. Er klang, als ob die Sicherheitsventile eines nahezu berstenden Dampfkessels fauchten, pfiffen und gurgelten. Als der Projektor des Kampfkommandos losröhrte, als von der anderen Seite ein Kampfroboter seine Arme hochriß und auf den Fremden feuerte, war dessen Schirm überlastet. Mit einem Krachen, das alle Kämpfer vorübergehend taub machte, brach der Schirm zusammen. Fast im selben Moment verging der Fremde, noch ehe er sich selbst zerstören konnte. Atlan senkte seinen seltsamen Strahler und zog sich um die Korridorecke zurück. Er blickte sich um. Über einigen Richtungspfeilen, von denen die Beschriftung und die Nummern entfernt waren, arbeitete – ein ungewohnter Anblick! – ein Bordchronometer. »Elfter April einundneunzig«, murmelte Atlan. Darunter schaltete sich eben ein Interkom ein. Die Linsen über dem Bildschirm richteten sich direkt auf Atlan. Als das Bild sich stabilisierte, sah der Arkonide Kopf und Brustabschnitt eines Mannes mit kaltem, abweisendem Gesicht. Das wenige, was von der Uniform zu sehen war, ließ gewaltige Schultern und einen breiten Brustkasten erkennen. Hellgraue Augen, unter eckigen Brauen verborgen, stachen aus einem rotgesichtigen, haarlosen Schädel.
Atlan wußte nicht im entferntesten, um wen es sich handelte, aber aus dem aufgedunsenen Gesicht strahlten Herrschsucht und Drohung aus. Atlan wirbelte in einer blitzschnellen Reaktion in den anderen Korridor zurück, entdeckte den Eingang zu einem kleinen Antigravschacht und sprang hinein. Langsam schwebte er nach unten und schüttelte verwirrt den Kopf. Es war jemand, der dir gefährlich werden kann, gab der Logiksektor die gesammelten Überlegungen wieder. »Das war es wohl«, murmelte Atlan. Er schwang sich aus dem Ausstieg, blieb in der Öffnung stehen und spähte nach rechts und links. Unmittelbar vor dem Antigravschacht herrschten Sauberkeit und Ordnung. Auch die Beleuchtung funktionierte. Niemand beobachtet ihn. Aber aus anderen Teilen des Korridorsystems kamen die gewohnten Geräusche, wenn auch durch die Entfernung gedämpft, an Atlans Ohren. Rechts endete der Korridor im Halbdunkel. Aus offenen Schottrahmen wuchsen dunkelgrüne Pflanzen mit phosphorn leuchtenden Früchten in den Korridor hinein. Zwischen dieser Stelle und Atlans Standort gab es jeweils ein Dutzend Türen. Vor zwei Jahrhunderten wäre Atlan sicher gewesen, daß sie in gut ausgestattete Mannschaftskabinen für das Hangarpersonal führten. Jetzt konnte dahinter alles nur Denkbare lauern – oder die Gefahren einer verbotenen Zone. Hier jedenfalls versteckten sich im Augenblick alle Lebewesen. Atlan wandte sich in die andere Richtung und sagte sich, daß er mit dieser fremdartig aussehenden Waffe zwangsläufig auffallen würde. Und er durfte nicht in die Hände der SOLAG‐Leute fallen, ehe er seinen Plan in die Tat umgesetzt hatte. Ratlosigkeit überfiel ihn, dann straffte er sich und redete sich ein, in dem herrschenden Chaos mit großer Wahrscheinlichkeit doch noch ein gutes Stück der Zentrale und SENECA näherzukommen. »Also hinunter!« redete er sich selbst zu.
Dort »unten« befand sich der Übergang zwischen der SZ‐1 und dem Mittelteil der SOL. Er trabte langsam den anderen Korridor entlang und rief sich das Schema der Decks und der Verbindungen vor seine inneren Augen. Nach fünf Minuten etwa blieb er nahe dem Lastenantigravlift stehen, der zu den Lagerräumen für Nahrungsmittel und Ausrüstungsgegenständen führte. Oder dorthin, wo sie sich einst befunden hatten. Entschlossen schwang sich der Arkonide in die schwach beleuchtete Röhre, die neben dem ungleich größeren Schacht abwärts führte, dem Zentrum der SZ‐1 entgegen. Er wußte nicht, was ihn erwartete, aber er rechnete auf jeden Fall mit dem Schlimmsten. Während er sank, konnte er hören, daß die Warnsummer und die Sirenen schwiegen. Waren die Eindringlinge etwa besiegt worden? * Missionar Torgashuun I starb in achtundzwanzig kleinen Abschnitten. Seine Kameraden und er waren eine Gruppe, die lautlos, über weite Entfernungen und durch fast jede Materie hindurch miteinander in Verbindung stand. Als im Raum draußen die ersten Missionare starben, war es jedesmal wie eine winzige Explosion in seinem organisch‐kybernetischen Denk‐ und Gefühlszentrum. Als ob ein Teil seines Körpers abgetrennt werden würde, so traf ihn der Verlust der anderen. Zuerst einer, dann der nächste, schließlich zwei fast zur gleichen Zeit. Er sah ein, daß er in kurzer Zeit allein kämpfen würde, aber er weigerte sich als echter Missionar, die Konsequenzen zu ziehen. Wieder starb ein Kamerad.
Während er sich kurz der Trauer hingab, fühlte er, wie die Masse von Großschale näher und näher kam. Er wußte, daß sich Großschale an dem Raumschiff verankerte und sich abzustoßen versuchte, mit aller Kraft des mächtigen Antriebs, der jetzt zum Abbremsen eingesetzt wurde. Das Schiff wenigstens würde handlungsfähig bleiben. Vor Torgashuun I erstreckte sich der glatte Boden einer großen Halle. In einem beispiellosen Siegeslauf war er bis hierher gekommen und hatte auf diesem Weg nicht nur die Hülle dieser Schale aufgebrochen, sondern auch zahlreiche zweibeinige Wesen und ihre metallischkybernetischen Haustiere bekehren können. Torgashuun ließ seine Lichtquellen aufstrahlen, richtete seine Gelenke hierhin und dorthin und konstruierte sofort mit Hilfe seiner vielen Sehzellen ein komplettes Bild der Umgebung. Die Decke des Raumes entsprach fast dem gewohnten Maß in Großschale. Aber dann registrierte der Missionar, daß nicht nur auf einzelnen Kanzeln, sondern auch hinter den massiven Blöcken von Kraftquellen und unbelebten Stapeln von unterschiedlicher Materie zweibeinige Wesen mit Hochenergiewaffen auftauchten. In der Mitte der Halle blieb Torgashuun stehen. Das Schutzfeld um seinen Körper flimmerte und lud sich neu auf. Wieder starb irgendwo in der Nähe ein Missionar. Es waren nur noch fünf übriggeblieben, zählte die organische Komponente traurig auf. Vier Torgashuuns und er, der Anführer. Er schwang seinen Bekehrungsstrahl herum und eröffnete das Feuer auf jene Wesen, die im hellen Rechteck eines sich öffnenden Wand auftauchten. Sofort schlug ihm von dort Abwehrfeuer entgegen. Das Schutzfeld schluckte die entfesselten Energien mühelos. Strahlen und röhrende Blitze kamen auch von den Kanzeln in höhergelegenen Teilen der Wände. Der Raum hallte von den Geräuschen wider. Torgashuun hatte kurz nach Betreten dieser Schale das energetische Zentrum definiert und spannte seine organischen Muskeln. Die Kybernetics gaben ihm die zutreffende
Richtung an. Dann schnellte sich der massige Körper wieder nach vorn und rannte auf ein Rohr mit einem Durchmesser zu, der Torgashuun entsprach. Hinter ihm ertönten summende Geräusche, die sich mit dem Entlastungsdruck und dessen Lauten seines eigenen Körpers mischten. Dann, genau zum selben Moment, als wieder das Zeichen für das Ende eines weiteren Missionars einen starken Impuls auslöste, wurde das Schirmfeld zum ersten Mal überlastet. Noch leitete es die Fremdenergie ab. Züngelnde Überschlagsblitze brannten Reihen kleiner Krater in den Metallboden der Halle. Zwei Impulse: zwei Kameraden wurden getötet. Noch lebten drei Missionare! Durch ein Inferno von Blitzen, Strahlen, Einschlägen und Flammen, Feuer und Rauch rannte Torgashuun I weiter, auf sein Ziel zu. Auf einer bisher leeren kleinen Empore in der äußersten Ecke des Saales bewegte sich etwas. Er richtete kurz seine Waffe dorthin und feuerte. Die kybernetische Komponente seines Körpers machte es fast unmöglich, daß er nicht traf, worauf er gezielt hatte. Ein großes Geländer oder eine Brüstung wurde in einem Hagel von glühenden Brocken zerfetzt. Noch während des Auflösungsvorganges dieser Barriere zuckte von der Empore ein gefährlicher Glutstrahl von jener Energie herunter und schlug in den Schirm ein, die ihm als einzige wirklich gefährlich werden konnte. Energien aus einer Großschale‐Waffe! Während sein Schirm flackerte und sich Torgashuun auf ernsthafte Schwierigkeiten vorbereitete, starb ein weiterer Kamerad. Die Trauer ließ den Anführer in seinem rasenden Lauf innehalten. Aus mindestens sieben unterschiedlichen Richtungen hämmerte jetzt die Energie in seinen Schirm. Eine Weile lang würde er noch halten, denn vor Torgashuuns Füßen brannte die überschlagende Energie durch den massiven Stahl des Bodens. Aber es war ein Fehler gewesen, aus Rücksicht einem sterbenden Kameraden
gegenüber stehenzubleiben. Die Zweibeiner und ihre Maschinen konnten besser zielen und dadurch ihre Energie länger und kraftvoller auf ihn richten. Der vorletzte Torgashuun – es war Torgashuun II – starb. Als jener Fremde, der eine Großschale‐Waffe handhabte, abermals schoß, brach der Schutzschirm von Torgashuun I zusammen. Der Missionar resignierte. Er versenkte sich in das Problem der eigenen Desintegrierung. Aber noch ehe sich seine organische Komponente selbst verbrennen konnte, ließ der nicht mehr existente Schirm die Energieflut hindurch, und der letzte Torgashuun aus dem Schiff verschmorte. Er nahm in den Tod die Gewißheit mit, daß die Zweibeiner keine Ahnung hatten, ob noch weitere Kämpfer‐Missionare sich in Großschale verbargen und den Tod ihrer Brüder rächen würden … * Als Atlan mit einem Hechtsprung durch die schmale Pforte schoß, deren metallene Ränder weißglühend waren, brannten und dicken schwarzen Rauch absonderten, schlug der untere Teil der fremden Waffe gegen eine Kante. Der Stab wurde aus den Fingern des Arkoniden gerissen, polterte gegen die Wand und schlug krachend zu Boden. Atlan kam auf die Füße, wischte sich Ruß und Flugasche aus dem Gesicht und atmete tief ein und aus. »Das war knapp«, flüsterte er und bückte sich. »Als Kämpfer für den High Sideryt – eine unerwartete Rolle.« Da er seit Betreten der SOL bereits höchst unterschiedliche Rollen hatte spielen müssen, trug er diese neue Bestimmung mit Fassung. Hinter dir! zischte der Logiksektor. Er fuhr herum. Ein Vystidenanführer und sechs Haematen kamen durch den Korridor auf ihn zu. Ihre Gesichter glühten förmlich im Bewußtsein, soeben einen Sieg errungen zu haben. Kochende Luft
stieg von den Projektoren ihrer schweren Waffen auf. Der Anführer riß den Arm hoch, deutete auf Atlan und fragte mit schneidender Stimme: »Halt. Was willst du mit dem … Ding?« Atlan versuchte, aus seiner Überraschung blitzschnell halbwegs demütige Bereitschaft werden zu lassen. Er gab seinem Gesicht und seiner Haltung einen unsicheren Ausdruck und erwiderte: »Ich bin Esen Boga, Bruder der sechsten Wertigkeit. Das ist eine Waffe, sagte man mir!« Augenblicklich war er von den Soldaten umringt. Der Vystide baute sich vor ihm auf und schnarrte: »Eine Waffe? Erkläre.« »Man hat mich hierhergeschickt, weil ich Material holen sollte. Dort im Korridor haben wir die Kampfspuren zu beseitigen.« »Schon gut! Schneller. Das ist eine Waffe. Woher hast du sie?« Ein Haemate stieß Atlan hart mit der Schulter an. Der Arkonide entspannte seinen Körper und schlug schwer gegen die Wand des Korridors. Er ließ die Waffe los. Das Ende des langen Stabes sackte auf den Boden, der Stab kippte um. Ein Haemate fing ihn auf und verbrannte sich die Hände an der heißen Mündung. Er schrie auf und fluchte laut. Schützend hob Atlan die Unterarme vor sein Gesicht. »Woher hast du die Waffe?« schrie der Vystide. Er kümmerte sich nicht um den Mann, der auf einem Bein sprang und auf seine Handflächen blies. Leider, dachte Atlan wütend, war es nicht derselbe, der ihn angerempelt hatte. »Ein Ahlnate – er hat mir befohlen, sie euch, den Brüdern der zweiten Wertigkeit zu bringen.« »Uns?« Atlan hob die Schultern und sagte mit halb offenem Mund: »Ich wäre solange in diese Richtung gegangen, bis ich einen von euch getroffen hätte. Nun habt ihr sie. Kann ich zurück an meine Arbeit?«
Der Vystide streckte die Finger aus, packte die Waffe am richtigen Ende und hätte beinahe den Auslöser berührt. Abwartend und ehrfurchtsvoll stand Atlan an der Wand und sah begriffsstutzig zu, wie der Anführer mit der Waffe hantierte. »Hau ab, Rostjäger«, sagte er halblaut. »Dort unten habt ihr auch ganz hübsch ʹwas zu tun, Los, verschwinde.« Atlan senkte den Kopf und ging in die Richtung weiter, die er hatte einschlagen wollen. Hinter ihm diskutierten die Haematen über die seltsame Waffe. Sie hatten ganz richtig erkannt, daß sie von einem Fremdling stammte. Immerhin glaubten sie die Geschichte, die ihnen Atlan erzählt hatte. Es war aber sicher, daß auch sie das holografische Bild kannten, das der High Sideryt verbreitet hatte. »Etwas Ruß als Tarnung«, sagte sich Atlan zufrieden, »verändert jede Persönlichkeit.« Zu spät fiel ihm ein, daß die Haematen den Thermostrahler übersehen hatten, der in seinem Hosenbund steckte. Siedendheiß überfiel ihn die Erkenntnis, daß ihm diese Unachtsamkeit ernsthafte Schwierigkeiten hätte bereiten können. Er fand, nachdem er an einer Gruppe narbenbedeckter Halbbuhrlos vorbeigekommen und einen von ihnen gefragt hatte, den nächsten funktionierenden Antigravschacht und sank ein Deck tiefer. Als er aus der gerundeten Öffnung stieg und seine Füße auf den Boden setzte, ächzte um ihn herum das Metall der Verbände wieder auf. Die Erschütterung war nicht heftig, aber sie dauerte dreißig Sekunden oder länger. Atlan war sicher, daß der Koloß des fremden Schiffes abermals näher gekommen und diese Vibrationen ausgelöst hatte. Es würde nur noch schlimmer werden. *
Niemand an Bord wußte, wie sie zu dem Namen poor people gekommen waren. Die Mitglieder ahnten nicht einmal, was diese Bezeichnung bedeutete. Sie waren froh, noch am Leben zu sein und sich verstecken zu können. Yoff, der einarmige, hinkende Halbbuhrlo, zuckte bei jedem Schuß und jedem Geräusch zusammen. Er wußte nicht, was vor sich ging, aber er hatte erbärmliche Angst. »Es sind Troiliten, die gegeneinander kämpfen«, stotterte er. »Sie machen alles kaputt.« »Es ist ʹwas anderes«, murmelte Oto. Der mißgestaltete Ferrate duckte sich unter dem Dröhnen irgendwelcher Rammen oder Strahlschüsse, die das Metall in der unmittelbaren Nähe ihrer Höhle trafen. »Egal«, meinte Yoff. »Sie werden uns finden!« »Niemand wird uns finden!« »Yum‐yum weg?« jammerte der Mateyvo, der bald sterben würde. Seine Stielaugen waren zu kleinen Spiralen zusammengerollt. »Sie werden dir dein Yum‐yum wegnehmen, wenn sie uns finden!« Der Paria ohne Namen hob den Kopf. Die Geräusche wurden vorübergehend leiser. Direkt über dem Versteck klangen harte, metallische Geräusche auf. Unentwegt schienen sich die Verbundplatten und die senkrechten Versteifungen zu biegen und zu federn. Staub und hartgewordene Isoliermasse rieselte aus den Dichtfugen. Aus dem Tropfen des Wasserrohrs wurde ein feines Zischen. Das Wasser trat jetzt in einer pfeifenden winzigen Fontäne aus, schlug sich am Metall nieder und tropfte auf das wilde Durcheinander von leeren Verpackungen, Abfällen, Pflanzenresten und zerschlissenen Decken. »Das war ein Kampf!« sagte der Halbbuhrlo. »Ich habe die Sirenen gehört.« »Immer ist hau‐hau!« klagte der Mateyvo. Sie nannten ihn Schüssel. Sein Körper, der entfernt einem großen Napf glich, gab
einen stechenden Geruch von sich. Er rollte seine Augen aus und richtete eines auf Yoff, das andere auf die Lichtquelle. »Nicht immer«, tröstete ihn der Paria. Torso saß nur da und sagte nichts. Aber seine offenen Lippen zitterten. Auch er fürchtete sich. Yoff kroch von seinem Lager herunter, duckte sich durch den kreisförmigen Ausschnitt einer Spantplatte und sagte voller Entschlossenheit: »Ich sehe nach.« Die poor people waren die Ärmsten an Bord. Ihr Leben verlief seit Jahren unter Minimalbedingungen. Die Magniden und Ahlnaten würden sie als die »Ratten der SOL« bezeichnet haben, wenn sie von ihrer Existenz gewußt hätten. In einem Hohlraum zwischen zwei Hauptdecks hatte ein früherer Angehöriger der Gruppe diesen Hohlraum entdeckt. Es gab – bis vor einer Stunde – ein Wasserrohr, das quer durch das Versteck führte. In der Sekunde waren zwei Tropfen aus einer undichten Stelle gefallen und aufgefangen worden. Von 172.800 Tropfen pro Tag konnten die poor people bequem existieren. Bis vor kurzem. Jetzt hatten sie Wasser im Überfluß. Ein früheres Mitglied hatte ein Kabel angezapft, eine Leuchte und eine einfache Entladungskugel mit Schraubgewinde gestohlen oder gefunden. Im Zentrum des Verstecks leuchtete die Helligkeit von sechzig Watt. Das Licht reichte aus, um alle Einzelheiten der schmutzstarrenden Behausung erkennen zu lassen. Der Halbbuhrlo, dessen Narben heute stärker schmerzten als je zuvor, kroch durch ein elf Meter langes Rohr von siebzig Zentimetern Durchmesser. Dann befand er sich in ihrer »Luftschleuse«; einem kastenförmigen Element, das aus Pappe, Plastik und metallenen Klammern bestand. Im Licht eines Tiefstrahlers hätte jeder, der lesen konnte, folgende Worte erkannt: SOL‐Grundaussattung I. NICHT STÜRZEN. HIER OBEN. Inhalt: 6000 Stück Notrationen, raumfest. Verfallsdatum: Mai 3600. Vor Hitze über 350 K und Nässe schützen. Lichtempfindlich. Der Kasten
verschloß auf der einen Seite das Rohr und war mit einer klebrigen Masse an der Wand befestigt. Natürlich war er seit einer Ewigkeit leer. Durch ein Gitter, das zertreten und rostzerfressen war, leuchtete von der rund fünfundzwanzig Meter weit entfernten Decke einer Lagerhalle der Tiefstrahler bis hier her. Yoff öffnete das Vorderteil des Kastens und spähte nach oben. Das Gitter war noch da. Er sah die Füße von Ferraten hin und her laufen. Eine harte Stimme gab unverständliche Kommandos. Vorsichtig richtete er sich auf und starrte schweigend schräg durch das Gitter. Ein sehr schweres Wesen war darauf getreten, oder eines der Lastenfahrzeuge hatte das einst massive Gitter in der Mitte zerstört. Yoff sah die riesigen Stapel der Pakete in verschiedenen Farben, mit Streifen und unverständlichen Buchstaben darauf. Jeder Stapel war unvollständig, buchstäblich vor jedem standen ein Vystide oder ein schwer bewaffneter Haemate. Ferraten, unterstützt von Buhrlos, machten sich daran, irgendwelche großen Zerstörungen zu beseitigen. Als sich Yoff wieder bückte, sah er … »Das darf nicht sein!« stieß er hervor. Eine wilde Hoffnung erfüllte ihn. Er kroch im halb mannshohen Raum zwischen den Decks weiter und streifte den Staub von dicken Kabelsträngen, von Verteilerkästen und anderen, seltsamen technischen Formen. Eine starke Wärme strömte von den Rändern eines unregelmäßigen Loches aus, das von einem Strahlgeschütz geschnitten worden war. Die Metallplatte hing nur noch an einer fingerlangen Verbindung und hatte sich nach unten gesenkt. Yoff blickte fassungslos seinen Fund an. Das Loch, fast einen Meter im Durchmesser, befand sich direkt unter einem Stapel. Etwas hatte nach dem Schuß die kistenförmige Verpackung nachsacken lassen. Ein Paket, so groß, daß er es gerade noch tragen konnte, war senkrecht heruntergefallen. Dann erfaßte Yoff die volle Tragweite dessen, was er wirklich gefunden hatte.
Einen Zugang zu der versiegelten Lagerhalle. Sie mußte zu einer der wenigen Verteiler‐Stationen der SZ‐1 gehören. Die poor people konnten hier ein‐ und ausgehen, wie es ihnen paßte. Yoff packte das rot eingeschlagene Paket und schleppte es zurück zur Gruppe. Der Mateyvo richtete beide Augen auf den auffallenden Fund und fragte wimmernd: »Yam‐yam?« »Werden wir gleich sehen«, antwortete der Halbbuhrlo. »Gib mir das Messer, Oto.« Mit den beiden Fingern der linken Hand, die ihm noch verblieben waren, zog Oto ein sichelförmiges Stück Metall aus dem Schutt. Sie hatten es in tagelanger Arbeit geschnitten und geschliffen. Yoff ritzte vorsichtig die plastikartige Verpackung auf. Keiner von ihnen konnte lesen, schon gar nicht der Torso, der sich auf seinen Beinstumpen summend hin und her bewegte wie ein Pendel. Während das Schiff wieder und wieder zitterte, während über den Köpfen der Gruppe schwere Schritte zu hören waren und hämmernde, schleifende und bohrende Arbeitsgeräusche ertönten, öffnete Yoff in zeremonieller Langsamkeit das Paket. Es war unerwartet schwer gewesen. Er entfernte eine zweite Plastikschicht und eine federnde Matte, dann sahen sie rechteckige, etwa handgroße Platten. Sie waren in verschweißte Vakuumfolie verpackt. Breite Bänder zogen sich über die raumsichere Verpackung. Schriften und Bilder, die Dinge darstellten, von denen keiner etwas wußte, waren in leuchtenden Farben dargestellt. Wieder schnitt das Messer die Verpackung auf. Es gab rote, braune, weiß gestreifte und gelbe Platten. »Yam‐yam? Gut?« Der Mateyvo konnte seine Erregung nicht mehr bändigen. Auf seinen Laufborsten kroch er näher, den napfförmigen Körper nach vorn gereckt. Der Torso riß die Augen auf und zog die Luft scharf durch die großen Nasenlöcher. Der Paria schmatzte wortlos vor sich hin. Yoff brach eine Ecke der Tafel ab. Er sah, daß
das Innere der Platte in Streifen geschichtet war. In einigen Schichten steckten harte, dunkle Brocken. »Es kann tatsächlich Essen sein«, meinte Yoff und probierte die Ecke. Sie hatte sich teilweise aufgelöst und auf seinen Fingern schmutzige Flecken hinterlassen. Dann explodierte auf Yoffs Zunge förmlich ein nie gekannter Geschmack. Süß, schwer, fett, hart und weich zugleich, streng riechend und völlig unbekannt. Vielleicht giftig, sagte er sich, aber gut. Torso hörte auf, sich zu wiegen. Er war eine Mißgeburt, von unbekannten Eltern ausgesetzt, von einem Mitleidigen aufgezogen, und vor langer Zeit schien jener Solaner gestorben zu sein. Der Paria hatte Torso aufgelesen und eines Tages mitgebracht. Yoff schnitt ein schmales Stück von der Platte ab und schob sie zwischen Torsos trockene Lippen. Sekunden später sahen sie alle zum erstenmal Torso lächeln. Schnell zählte Buhrlo nach. In diesem Paket befanden sich zehnmal zehn plus zweimal zehn plus acht Platten. Er warf den Rest der Platte in die Öffnung von Schüssel. Der Napf schloß sich sofort. Der Körper geriet in Zuckungen, als er die Nahrung auflöste. »Yam‐yam gut. Dankedanke.« Yoff sagte: »Wir haben genug davon. Irgendwann werden sie das Loch schließen. Wir können diese Platten tauschen – gegen alles, was wir brauchen.« »Tauschen!« sagte Oto. Er lutschte und kaute an der Hälfte der zweiten Tafel. Der Halbbuhrlo nickte und gab die andere Hälfte dem Paria, der seine Finger gierig ausstreckte. Zwischen ihm und Yoff lief das schmale Rinnsal des Wassers vorbei. Als jeder von ihnen kaute und aß, sagte Yoff undeutlich: »Wir müssen hier verschwinden.« Torso lächelte ihn an.
»Warum?« fragte Schüssel brummend. »Das Wasser«, sagte Yoff. »Es zischt und läuft. Irgendwann läuft es nach unten. Dann wird man kommen und uns finden.« »Vielleicht. Die Rostjäger«, pflichtete ihm Oto bei. »Das Loch dort vorn?« Der Buhrlo war so etwas wie der Anführer dieser Ausgestoßenen. Zwar konnte er nur langsam zählen und nicht lesen, aber er war gesund und auf seine Weise schlau und geschickt. Mehrmals hatte er die Gruppe vor dem Verhungern gerettet, stets in der Gefahr, bei seinen nächtlichen Streifengängen ertappt zu werden und sie alle zu verraten. Sie würden augenblicklich die Opfer der Jäger werden, der Vystiden und ihrer Soldaten. »Auch das Loch wird man entdecken. Dann weiß man, daß wir die Platten haben. Aber der Lagerraum ist voll.« »Yam‐yam mehr«, bettelte Schüssel. »Warum nicht? Es gibt genug«, sagte Oto, öffnete eine Platte mit gelbem Band und ließ sie in die Körperöffnung des Planetariers fallen. Pyrriden hatten den Extra irgendwann von einem Planeten mitgebracht, weil sie ihn für eine Pflanze oder ein Tier gehalten hatten. Er hatte mit seinem Instinkt den Weg hierher selbst gefunden und war zuletzt in einer SOL‐Farm herumgekrochen. Auch Torso bekam noch ein Stück der seltsamen Nahrung. Sie schlangen mehrere Platten herunter. Im Inhalt der verschiedenfarbigen Packungen gab es Unterschiede. Seit einer so langen Zeit, daß sie sich nicht mehr erinnern konnten, waren sie alle einmal wieder satt geworden. Die Schüssel mit Wasser wurde herumgereicht. Sie saßen im Kreis um die geöffnete Kiste. Yoff deutete auf den Paria. »Du suchst, ganz weit weg, einen neuen Platz. Er muß einen Ausgang ins Schiff haben.« »Klar. Findeich.« »Oto und ich holen, was wir finden können. Wir klettern, wenn sie weg sind«, er deutete nach oben, zur Quelle der Geräusche, »in den
Stapel.« »Wir beide«, bestätigte Oto. Eine starke Unruhe, gemischt mit Hoffnung auf ein besseres Leben, ergriff sie. Sie waren wie blinde Maulwürfe, als sie durch das nasse Zeug robbten und durch die Schleuse aus Karton und Plastik kletterten. Der Kampf war vorbei, und durch das Gitter sahen sie die Ferraten schuften. Als sie gerade weiterkriechen wollten, kam ein Ahlnate heran, richtete den Handscheinwerfer auf das zerstörte Gitter und schaltete ihn ein. Die Helligkeit endete eine Handspanne vor Yoffs Fuß. Er erstarrte und drückte Oto fest an einen Spant. »Dieses Gitter hier – es ist zu ersetzen und gut zu befestigen«, rief der Ahlnate. »Und zwar schnell.« Der Lagerraum mußte so bald wie möglich versiegelt und vor unbefugtem Eindringen gesichert werden. Schon wurden an vielen Stellen die Spuren des fremden Eindringlings und des Abwehrfeuers beseitigt. Nur wenige Vorräte hatten Feuer gefangen und befanden sich jetzt unter einer dicken Schicht Löschschaum. »Hier!« Yoff zeigte nach oben. Über dem Loch und dem schräg hängenden Stück des Bodens war im Stapel ein Hohlraum. Hier war das Paket gewesen. Oto begriff, was Yoff meinte. Sie konnten, wenn die Halle endlich leer war, von innen in den Stapel eindringen, ihn aushöhlen und eine Öffnung schaffen, durch die sie ständig ein‐ und aussteigen konnten, schwer beladen mit dem, was sie hier fanden. Der Paria kroch an ihnen vorbei, ein Stück Tau aus Pflanzenfasern in einer Hand. Die Fasern glommen und brannten mit kleinen Flammen. In diesem schwachen Licht fand er seinen Weg, vielleicht in ein neues, besseres Versteck. »Weg hier. Sie riechen den Rauch!« zischte Yoff. Der Paria kroch schneller. Yoff und Oto sahen sich an und nickten. Für alle Zeiten waren sie reich und würden alles haben, was man ihnen bisher verweigert hatte.
Sie dachten nicht daran, daß der Laderaum durch eine Infrarotkamera kontrolliert wurde. Allerdings: es war nicht sicher, ob sie auch funktionierte. 6. Atlan widerstand der Versuchung, sich hinzusetzen oder wenigstens an die Wand des Korridors zu lehnen. Er hatte vor kurzer Zeit die Jacke eines Ferraten gefunden und übergestreift. Auf diese Weise versteckte er seinen Thermostrahler leichter. Nachlassende Wachsamkeit bedeutet gesteigerte Gefährdung, flüsterte das Extrahirn. Dreißig Schritt vor ihm befand sich ein Interkomanschluß. Ein Ahlnate stand neben dem ausgeschalteten Gerät, bewachte es und verhinderte einen Mißbrauch. Die Hand des Ahlnaten – als Atlan näherkam, sah er, daß es eine Schwester der dritten Wertigkeit war – lag am Kolben eines kleinen, schwarzen Strahlers. Atlan ging ruhig weiter und bemühte sich, wie ein gleichgültiger Ferrate zu wirken. Der Ruß in seinem Haar und die Asche in Gesicht und Händen wiesen ihn als einen Rostjäger aus, der mit einem klaren Arbeitsauftrag unterwegs war. Wenn er keinen Zusammenstoß provozierte, konnte er ein weites Stück seines Weges zurücklegen. Der Kampf mit den fremden Eindringlingen war vorbei. Die Wesen, die aus dem Quader gekommen waren, hatten nicht einmal den Versuch einer Verständigung unternommen. Sie näherten sich, griffen schweigend an, bahnten sich einen Weg durch das Schiff und starben ebenso schweigend. Vielleicht war von ihnen bereits der Versuch der SOL‐Führung, das Hantelschiff abzubremsen, als Einleitung der Feindlichkeiten definiert worden. Die SOL selbst wurde immer heftiger erschüttert. Allerdings gab es seit etwa drei Stunden zwischen den einzelnen
Phasen der Vibrationen Pausen, in denen das Schiff geradezu beängstigen still war. Diese Unterbrechungen hatten unterschiedliche Dauer. Die längste Stille seit der Annäherung des Quaders schien etwa eine Stunde gedauert zu haben. Atlan wußte, daß die Schiffe im Augenblick kurz davor waren, nebeneinander auf Mausefalle VII zuzudriften. Für eine kurze Zeitspanne würden die Fallgeschwindigkeiten der SOL und des Quaders scheinbar gleich groß sein. Wann dieser Moment eintrat, konnte Atlan nicht wissen. Er ging an der grimmig dreinblickenden Ahlnatin vorbei. Sie hatte ein hageres, zerfurchtes Gesicht mit einem Pferdegebiß. In diesem Hauptkorridor herrschte reger Verkehr. Atlan wählte die Masse, um darin anonym bleiben zu können. Ein Magnide mit seiner Roboterschutzmacht kreuzte Atlans Weg. Was er an dieser Stelle des Schiffes suchte, blieb rätselhaft. Ein Rudel Ferraten, schwer bepackt mit Werkzeugen und Ersatzteilen, die auf Schwebeplattformen aufgetürmt waren, kam ihm entgegen, von zwei aufgeregt schnatternden Ahlnaten begleitet. Sie hielten große Folien mit grob ausgeführten Zeichnungen in den Händen und deuteten immer wieder auf diese oder jene Linie des Schemas. Rücksichtlos schwebte ein Gleiter voll grimmig dreinblickender Haematen durch den langen Korridor. Neben dem Piloten des offenen, einfachen Gefährts saß, hochmütig und mit funkelnden Augen, ein Vystiden‐Offizier. Atlan drückte sich an die Wand und ließ das Gespann an sich vorbei. »Wenn die hierarchische Schichtung wenigstens funktionieren würde«, sagte er sich. »Aber in der kurzen Zeit mußte ich erkennen, daß hier an Bord buchstäblich jeder seine eigene Suppe kocht.« Fast hunderttausend Individuen, die bestrebt waren, ihre eigenen Interessen über alles andere zu stellen. Nur in Augenblicken höchster Gefahr handelten sie einigermaßen gemeinsam. Wieder entdeckte Atlan, auf einem erhöhten Rampenteil, eine Gruppe von rund fünfzehn Angehörigen der Kriegerkaste. Zwei
Vystiden sprachen mit anderen Solanern und hielten die Bildträger für holografische Darstellungen in den Händen. Augenblicklich alarmierte ihn der Logiksektor: Sie suchen dich, Arkonide! Ohne seine Geschwindigkeit zu verringern, änderte Atlan die Richtung. Er bog nach links ab und verließ den breiten, gut beleuchteten Korridor. Mehrmals hatte sich im Verlauf der letzten Stunden seine Erinnerung mit der Wirklichkeit gedeckt. Die Übereinstimmung war äußerlich, denn jenseits der Hauptkorridore herrschte, wie erwartet, das Chaos in allen seinen Erscheinungsformen. Zweihundert Jahre hatten genügt, um aus einem zweckmäßig und großzügig eingerichteten Raumschiff eine Mischung aus Ruinen und Dschungel, willkürlichen Neubauten und zerfallenden technischen Einrichtungen zu machen. Was ihn verblüffte, war der Umstand, daß auf allen seinen bisher zurückgelegten Teilstrecken die künstliche Anziehungskraft weiterhin bestand. Die Generatoren schienen tatsächlich wartungsfrei zu arbeiten. Das Hauptübel am gegenwärtigen Zustand war der Ausfall von SENECA. Ein Teilausfall war ebenso schlimm, ja verheerend, wie es ein Totalausfall gewesen wäre. Die Sachzwänge, die von einer perfekt funktionierenden Zentralbiopositronik aufgebaut wurden, hätten die Entwicklung nicht bis zu diesem abstrusen Punkt gelangen lassen. Atlan sah sich um, entdeckte weder Solaner noch irgendwelche Linsen und beschleunigte seine Schritte. Der abzweigende, weniger große und weniger gepflegte Korridor endete blind an einem Schott. Atlan wandte sich nach rechts. Er plante, das Suchkommando in der klassischen Dreimal‐Neunzig‐Grad‐Weise zu umgehen. Ein schmaler Gang nahm ihn auf. An beiden Seiten befanden sich die leichten, aber – damals! – luftdicht abzuschließenden Eingänge zu Einzelkabinen. Atlan wollte gar nicht wissen, wer oder was sich hinter den zerschrammten, von Brandspuren übersäten, mit einer breiten, aber geschmacklosen
Auswahl von Klebefolien, Ziffern, sogenannten Kunstwerken und anderem Zubehör übersäten Schottüren verbarg. Er eilte weiter. Etwa fünfzig Meter führte der Gang geradeaus. Die Spuren des Verfalls wurden stärker, je weiter Atlan in das Scheinlabyrinth von abzweigenden Gangenden eindrang. Ganz weit vorn, am Ende des geradeausführenden Ganges, leuchtete ein starkes rotes Licht. Eine Rampe führte, rot beleuchtet und in gefährlich wirkendes Glühen getaucht, aufwärts. Ein kleiner Platz, an dem mehrere Korridore abzweigten und die beiden Öffnungen von Antigravlifts zu sehen waren, schloß sich an. Atlan lief geradeaus und ließ den von Unrat übersäten Platz hinter sich. Er geriet in das Gewimmel einer Versammlung von Buhrlos, die ihn nicht erkannten. Als er sie passiert hatte, bemerkte er rechts von sich das Funkeln einer silbernen Uniform. Ein Vystide! Er hatte sich verdächtig gemacht, weil er auffallende Schnelligkeit an den Tag gelegt hatte. Der Vystide feuerte aus einem Lähmstrahler, ohne ihn anzurufen. Atlan hörte das dröhnende Sirren des Spurstrahls und fing zu rennen an. Jetzt lief er im Zickzack, soweit ihm dies in dem Bereich der Kabinengänge glückte. Eine Treppe – hinauf. Ein kurzes Stück Korridor mit schmutzigen Handgriffen rechts und links – hindurch! Eine spiralige Rampe, blau beleuchtet – abwärts. Wieder schüttelte sich die SOL. Knirschen, Ächzen und Poltern aus allen Teilen des Schiffes schlugen über Atlan zusammen. Er hörte hinter sich Schreie und schnelle, harte Schritte. Vor ihm öffnete sich wieder ein Verteiler. Er drückte kurz auf den »Abwärts«‐Pfeil und sprang in vollem Lauf in die Antigravröhre. Langsam glitt er nach unten, während seine Hand nach dem Gürtel tastete und den Strahler herauszog. Niemand verfolgte ihn – bis jetzt. Er sank bis auf den Boden des Schachtes. Dort schwang er sich vorsichtig aus der Liftöffnung. Er stand mitten in einem stickig
riechenden Dschungel aus Pflanzen, die sich an dünnen Stahlsäulen aufwärts rankten. Der weiße Nebel, der aus dem federnden, von Pflanzenabfällen bedeckten Boden aufstieg, reichte bis an seine Knie. In den Zweigen zirpten und summten Insekten in großer Anzahl. Atlan schüttelte, vollständig verblüfft und verwirrt, den Kopf. Aus dem Schacht dröhnte eine metallisch klingende Stimme: »Das war der Gesuchte! Er muß hier sein! Sucht in allen Richtungen.« Der Arkonide erinnerte sich, daß er im Abwärts gleiten sieben Öffnungen an sich hatte vorbeiziehen sehen. Noch hatte er eine kleine Gnadenfrist. Er kämpfte sich durch das verwilderte Vielerlei der Pflanzen. Sie füllten die kleine Halle mit der Kantenlänge von etwa vierzig Meter vollständig aus. Nach fünfzehn Schritten bemerkte Atlan vor sich einen schmalen Pfad, der nicht häufig begangen worden war. Er hastete vorwärts, entsicherte den Strahler und duckte sich, als ein Körper schräg abwärts dicht über seinem Kopf wie ein Meteorit durch die Zweige fetzte. Unter seinen Füßen öffnete sich eine Platte oder ein Loch. Es gab ein stählern klingendes, hartes Geräusch. Atlan fiel, die Arme hochgerissen und einen leisen Schrei ausstoßend, zehn Meter tief. Ihn fing ein Feld ab, das den Aufprall verhinderte. Zu spät merkte er, daß es kein Bremsfeld war, sondern daß er sich in einer Zone der Schwerelosigkeit befand. Er wirbelte herum, drehte sich hilflos, zog die Arme an und versuchte, seinen Körper zu stabilisieren. Nur am Rand seines aufgeregten Bewußtseins registrierte er den Ablauf der eben gehörten Geräusche – in umgekehrter Reihenfolge. Die Falltür schloß sich also wieder. War er vom Regen unter Umgehung der Traufe direkt in die Überschwemmung geraten?
* Die grauen Augen, tief verborgen in den Höhlen aus aufgeschwemmtem, rotgeädertem Fleisch, richteten sich auf den Schirm der Außenbeobachtung. Chart Deccons Wut hatte einen Höhepunkt erreicht. Seine Stimme klang wie der Lärm eines sich nähernden Gewitters. »Der Kampf ging vorbei. Ich habe selbst gesehen, daß ein Fremder mit der Waffe eines Eindringlings in den Kampf eingegriffen hat. Es muß Atlan gewesen sein! Ihr seid allesamt halbblind, schwerhörig und geistig träge in ungewöhnlichem Ausmaß!« »High Sideryt! Wir haben nur noch die Möglichkeit, selbst durch die SZ‐Eins zu streifen!« »Wo ist Atlan?« schrie er. »Atlan ist die zweitrangig wichtige Frage«, gab Brooklyn zurück. Sie wirkte kalt, entschlossen und ganz auf ihre Aufgabe konzentriert. Von Verbindlichkeit oder Charme war nichts zu spüren. »Die beiden Schiffe beeinflussen sich gegenseitig. Wir können nicht mehr ausweichen. Der Quader reagiert nicht. Er bedroht die Existenz der SOL.« »Ihr habt es nicht einmal geschafft, zu erkennen und zu orten, was auf dem siebenten Planeten dieses verfluchten Sonnensystems vor sich geht!« tobte Chart Deccon. »Und wo bleibt mein voller Tank mit E‐kick?« »Der Tank ist unterwegs. Ein Teil unseres letzten Vorrats. Alle Ortungsgeräte richten sich seit Wochen auf diese Welt. Du weißt es genau – sei nicht ungerecht. Wir wissen so gut wie nichts über den Planeten. Eben nur, daß er dort ist und ein Planet ist.« »Das Schiff bricht auseinander!« Brooklyn gab kühl, aber mit einer zitternden Stimme, die einen Teil ihrer eigenen Furcht erkennen ließ, zurück: »Wir warten nur auf eine Anordnung oder einen Vorschlag des
High Sideryt, der uns sagt, wie wir diesen Umstand ändern sollen.« In ohnmächtiger Wut und im Bewußtsein, daß niemand an Bord auch nur den Ansatz einer Lösung kannte, ballte Deccon seine Fäuste. Schließlich verstieg er sich zu der Aufforderung: »Bringt mir Atlan! Die SOL ist machtlos gegen diesen Quader. Ich habe keine Lösung für unsere Probleme … außer kollektivem Selbstmord.« Kühl wie eine Statue gab Brooklyn zurück: »An diesem Ausweg ist uns allen zur Zeit nichts gelegen.« Ihre Augen unter dem grauen Haar musterten ihn zurückhaltend und auffordernd, als ob sie ihn heute zum ersten Mal sähe. Chart Deccon, der High Sideryt, Diktator der SOL, schwieg. * Atlan schwebte in einer großen Kabine. Der Raum hatte allerdings vor langer Zeit einem anderen Zweck gedient gehabt. Jetzt befanden sich Möbel darin, und die Wände waren mit einer Art Teppich beklebt. Als sich die Gestalt der Frau in sein Blickfeld schob, merkte er, wie unter ihm der Boden näherkam. Er sank ab, die Anziehungskraft nahm zu. Atlan versuchte, trotz der schlecht kontrollierenden Bewegungen den Strahler auf die Frau zu richten. »Wer bist du?« fragte er. »Warum hast du …?« Sie lächelte knapp und ließ zwei Reihen schneeweißer Zähne sehen. Für Atlan war sie an dieser Stelle ein überraschender Anblick. Jung, gepflegt, selbstsicher und hübsch. Auch ihre Stimme klang sympathisch. »Ich weiß, daß du in Schwierigkeiten bis. Deshalb verstecke ich dich. Du mußt jener Fremde aus der Vergangenheit der SOL sein, von dem die Buhrlos sprechen.« Atlans Sohlen berührten den weichen Boden. Er senkte den Strahler, dann zuckte er die Schultern und steckte ihn in den
Hosenbund. »Du hast recht«, gab er zu. »Danke für die Rettung. Sie ist etwas überraschend abgelaufen. Wer bist du?« Jetzt stand er sicher. Die Frau hatte sich in der anderen Hälfte des Raumes aufgehalten gehabt. Dort herrschten also normale Schwereverhältnisse. »Ich heiße Arlanda.« »Das ist ein schöner Name«, sagte Atlan steif. »Aber er besagt für mich nicht viel. Was bist du?« Wieder lächelte sie und deutete auf einen Sessel. Das Mobiliar dieses Raumes schien aus verschiedenen Kabinen zusammengeholt worden zu sein. Zögernd setzte sich Atlan. Hier herrschte völlige Ruhe, und er riskierte es, sich zu entspannen. Die Frau setzte sich ihm gegenüber und erklärte: »Man könnte mich als Anti‐Pyrridin bezeichnen. Ich war bei den Brüdern und Schwestern der vierten Wertigkeit. Mich widerten ihre rohen Späße an, und überdies ist die SOL schon seit Urzeiten an keinem Planeten vorbeigeflogen, auf dessen Oberfläche Kommandos landen konnten. Ich zog mich zurück.« Atlan zuckte die Schultern. »Du hast sämtliche Privilegien verloren«, stellte er fest. »Nein. Ich habe Möglichkeiten, zurückgezogen und dennoch angenehm zu leben. Niemand sucht mich. Ich werde nicht belästigt. Ich habe alles, was ich brauche.« »Auch Informationen?« »Nicht alle. Aber es reicht aus, um zu überleben.« »Seltsam«, murmelte Atlan und sah sich um. In einem Regal standen Lesespulen. Ein passiver Interkomanschluß war vorhanden, aber die Bildscheibe war grau. Von hier aus konnte man niemanden rufen, sondern war darauf angewiesen, zu sehen und zu hören, was an anderen Stellen gesprochen wurde. Viele Teile der Einrichtungen wirkten auf durchaus positive und geschmackvolle Weise, als wären sie in Handarbeit hergestellt. Decken, die Bezüge der Konturliegen
aus Räumen, die einst anderen Zwecken gedient hatten, die Bilder an den Wänden waren pseudoholografische Aufnahmen einer Reihe fremder Planeten. Der Raum war angenehm warm, es roch nicht nach Abfällen oder Schmutz, und Arlanda trug die Uniform der Pyrriden ohne die metallgrauen Atomsymbole auf den Oberarmen. Ihr weißblondes Haar war nicht länger als zwei Fingerbreiten. Mit großen und dunklen Augen sah sie Atlan mit unverhüllter Neugierde an. Ihre Hände waren kräftig, aber mit sauberen Fingernägeln. Atlan kam diese ganze Szene wie ein Traum vor. »Was ist seltsam?« fragte Arlanda. Sie stand auf, ging zu einem Kühlschrank und holte eine Weichpackung hervor. Sie verteilte den Inhalt in zwei Becher, die den Aufdruck SZ‐1 Feuerleitzentrale trugen. »Danke«, sagte Atlan und roch Fruchtsaft mit starkem Alkoholanteil. »Ich sehe, du bist wohlversorgt. Seltsam ist vieles. Ich habe nicht gewußt, daß es Möglichkeiten gibt, auf die Weise in der SOL zu leben, wie du es mir zeigst.« »Diese Möglichkeit gibt es nur an sehr wenigen Stellen, für nur wenige Individuen«, sagte Arlanda. »Wenn Chart Deccon es schaffen sollte, der Besatzung eine attraktive Aufgabe zu geben und sie mitzureißen, werden die Möglichkeiten eingeschränkt. Dann stelle ich mich der Allgemeinheit wieder zur Verfügung.« »Ich bezweifle, daß er es schafft. Ohne SENECA schafft es niemand.« »Nicht einmal du – wenn es stimmt, daß du der legendäre Atlan bist, der arkonidische Kristallprinz?« »Ich sehe im Augenblick nicht so aus, als wäre ich der Retter der SOL. Ich fühle mich auch keineswegs so. Mich foltert die Sorge um das Schiff. Darüber hinaus habe ich einen festen Auftrag erhalten, von Wesen, die ein wenig jenseits unseres Verständnisses stehen. Überdies bin ich der Gehetzte der SOL.« Er lachte freudlos, und Arlanda deutete auf die breite Liege. »Hier kannst du eine Weile ausruhen. Ich habe heißes Wasser
ebenso wie genügend Nahrung.« »Woher die Nahrung?« »Früchte ziehe ich oben«, sagte sie und deutete auf die Falltür. »Hin und wieder tausche ich mit Ferraten und Buhrlos. Ich bin als Arzt recht geschickt, und überdies habe ich einen Rest von Vorräten.« Sie wies auf eine der drei Metalltüren des Raumes. Dahinter schien sich eine Krankenstation zu verbergen. Auf Atlans Frage nickte sie und fügte hinzu: »Aber niemandem ist es gelungen, den rostenden Medorobot zu reparieren. Er stand schon da, als ich diesen Raum fand und auszubauen beschloß.« »Ich verstehe«, sagte Atlan und gähnte. »Wenn ich dich recht verstanden habe, bietest du mir vorübergehend deine Gastfreundschaft an. Ich werde sie gern annehmen. Hast du keine Angst, daß man uns findet?« Wortlos schüttelte sie den Kopf. Dann lachte sie. »Es wäre interessant, zu sehen, wie du unter dem Schmutz aussiehst. Und ich bin sicher, deine Erzählungen aus der Vorzeit der SOL sind spannend und unterhaltsam.« Atlan lachte grimmig und erwiderte: »Du überforderst mich, Arlanda. Mir schwirrt der Kopf, wenn ich an den Zustand des Schiffes denke. Trotzdem: eine kurze Rast klärt vielleicht einen Teil des Wirrwarrs in meinen Gedanken. Ein heißes Bad, beispielsweise.« »Es gibt nur eine Dusche«, schränkte sie ein. »Bediene dich. Hungrig?« Er nickte, stand auf und leerte den Becher. Mit dem Geschick einer Frau verwandelte sie den Raum binnen kurzer Zeit. Leise Musik erklang plötzlich. Auf einem Tisch erschienen die Teile einer Mahlzeit. Der Geruch von Alkohol durchzogen den Raum. Atlan sah an unzähligen Stellen, daß Arlanda den Räumen ihren
unverkennbaren Stempel aufgedrückt hatte. Mochte der Henker wissen, woher sie Farbe und wohlriechende Seife hatte, woher die weichen Tücher und all die vielen Kleinigkeiten. Er gab sich den entspannenden Wonnen einer Dusche hin, wusch sich mit heißem und eiskaltem Wasser, ließ sich massieren, trocknen, einsprühen – und fühlte sich aufgemuntert und todmüde gleichzeitig. Dann wickelte er sich in ein weißes Handtuch, knapp drei Quadratmeter groß, und kam kopfschüttelnd zurück in den Wohnraum. »Ich bin mehr als verblüfft«, sagte er in ehrlichem Staunen. »Entweder bist du eine erstaunliche Frau, oder es ist eine der angenehmsten Fallen, die ich mir erträumen konnte.« »Ersteres trifft zu«, sagte Arlanda. »Du siehst wirklich so aus wie die Bilder … bis auf das Haar.« »Ein Teil der Tarnung«, sagte Atlan und folgte ihrer einladenden Geste. Sie setzten sich an den Tisch, aßen und tranken ruhig und unterhielten sich. Atlan gab nicht viel mehr von dem preis, was innerhalb des Schiffes über seine Person bekannt war; natürlich ahnte er, daß Chart Deccon und die Magniden logischerweise mehr wußten. Aber die Fragen die Arlanda stellte, verrieten, daß sie sich aus vielen unterschiedlichen Quellen intensiv mit der Geschichte der SOL beschäftigt hatte. Atlan jedenfalls, ebenso wie Perry Rhodan, waren ihr durchaus Begriffe. Seit Atlan in diesem Raum saß, hatten nur drei kurze Vibrationen das Schiff erschüttert. Jetzt, als er den Teller zurückschob und nach dem Glas greifen wollte, bebten wieder Boden und Wände. »Diese Erschütterungen«, sagte Arlanda. »Wann werden sie aufhören? Ich weiß, daß sie von einem Körper kommen, den sie Quader nennen.« Atlan schilderte ihr seine Sorgen. Dann sagte er abschließend: »Ich weiß auch nicht, wie dem Schiff zu helfen ist. Wenn der Quader die SOL überholt hat, was in einigen Tagen der Fall sein wird, hören diese Erschütterungen auf. Aber bis dahin können
Schäden auftreten, die niemand an Bord je reparieren kann.« »Meinst du?« fragte sie unsicher, »daß die SOL auseinanderbricht?« »In drei Teile!« sagte Atlan. »Die Verbindungen zwischen den Zellen und dem Mittelteil werden auf die Dauer die Belastungen nicht aushalten.« »Wie?« Ihre Miene drückte völliges Unverständnis aus. Atlan fragte: »Ihr landet doch mit Beibooten auf Planeten. Wer fliegt sie?« »Wir. Ahlnaten sagen uns, was zu geschehen hat.« »Dann wissen die Pyrriden nicht, daß die SOL in Wirklichkeit aus drei Teilen besteht, die einzeln manövrierbar sind?« »Nein. Wir haben keine technische Ausbildung. Aber viele von uns sind gute Steuerleute für die Beiboote.« Schweigend nickte Atlan und erklärte ihr in groben Umrissen, daß früher einmal drei Teile des Schiffes unabhängig voneinander im Weltraum operiert hatten. Als sie hörte, daß es möglich war, sogar mit der SOL‐Zelle auf einem Planeten zu landen, schien ihre Phantasie überfordert zu sein. Atlan leerte das Glas und deutete auf das Lager. »Ich werde einige Stunden, wenn du es mir erlaubst, schlafen. Vielleicht fällt mir im Traum etwas ein. Das Schiff und die Solaner müssen gerettet werden. Darf ich?« »Natürlich. Und wenn es wieder Vibrationen gibt? Starke Erschütterungen?« Dann wird mein Extrasinn mich wecken, wollte der Arkonide sagen, aber er entschied sich, zu schweigen. Er machte eine abwägende Geste und murmelte: »Ich werde von selbst wach.« Er warf sich auf die Liege und verschränkte die Arme im Nacken. Tief in Gedanken versunken betrachtete er die Nietenreihen der Decke und die vielfarbigen Kabelstränge. Wenn es nicht gelang, das Schiff mit seinen stark eingeschränkten technischen Möglichkeiten
aus der Zentrale heraus zu steuern, und zwar aus dem geradezu lächerlich geringen Bereich hinaus, dann mußte ein Kommando auf dem Mausefalle‐Planeten alles zerstören oder ausschalten, wovon die SOL – und zahllose andere Körper – mit unwiderstehlicher Kraft angezogen wurden. Mitten in seinen Überlegungen schlief er ein. Der Aktivator sandte wohltuende Wellen heilender Wärme durch seinen Körper. Atlan entkrampfte sich und merkte nicht, daß ihn Arlanda zudeckte und einige Beleuchtungskörper ausschaltete. * Als Paya den Haematen sah, hob sie nur zwei Finger der rechten Hand. Gefahr, signalisierte sie. »Was gibt es?« fragte Yake unruhig. »Woran denkst du?« Beide Buhrlos waren hierher gerufen worden. Wenn ein Ahlnate einen Buhrlo brauchte, dann sicher nicht, um etwas zu reparieren, sondern um ihn in den Weltraum hinauszuschicken. E‐kick lautete das Stichwort. Der Haemate blieb vor ihnen stehen und deutete in die Richtung der Schleuse. Ein Schott öffnete sich. Der Ahlnate, der ihnen den Befehl gegeben hatte, hierher zu kommen, kam aus der Kabine. »Da seid ihr«, sagte er zufrieden und rieb sich die Hände. »Die Magniden in der Zentrale brauchen E‐kick. Ihr sollt hinaus.« Paya schüttelte den Kopf und fragte: »Willst du uns umbringen?« Ruzyno, der Ahlnate, Bruder dritter Wertigkeit, starrte die Sprecherin wütend an und rief: »Umbringen? Einen Buhrlo im Weltraum? Bist du verrückt?« »Sie meint, daß sie nicht will!« drohte der Soldat und langte nach seiner Waffe. Die beiden Buhrlos mit ihren schlanken Körpern blickten von ihm zum Ahlnaten und wieder zurück. Drei andere
Männer mit gläsern schimmernder, rötlicher Haut kamen heran und vergrößerten die Gruppe. Sie hatten die letzten Worte gehört. Einer warf ein: »Normalerweise tun wir nichts lieber, als auszusteigen.« »Aber nicht jetzt. Es würde unser sicherer Tod sein.« »Die Magniden haben es befohlen. Ihr Vorrat an E‐kick geht zur Neige. Ihr sollt euch auftanken.« »Du hast keine Ahnung«, widersprach Paya. »Zwischen dem Quader und der SOL herrschen tödliche Schwerkraftturbulenzen.« »Mehr als fünf Stunden«, schränkte Yake ein. »Das ist zu lange. Wir können uns vielleicht an der Schleuse festbinden. Aber wenn wir wirklich aus dem Schatten der SOL hinaus und in die Sonnenstrahlung gehen, werden wir zerrissen und zermalmt.« »Unsinn!« Der Ahlnate und der Krieger warfen sich unsichere Blicke zu. Zwar würden die Buhrlos gehorchen, aber ein toter Buhrlo lieferte kein E‐kick. Mindestens fünf Stunden lang, besser noch länger, mußten sich die Gläsernen im All aufladen, dann erst konnte unmittelbar nach ihrer Rückkehr das E‐kick in die bereitgestellten leeren Ackus transformiert werden. Der Haemate zuckte die Schultern und versuchte, das Problem auf andere Weise zu lösen. Inzwischen waren sechs weitere Buhrlos eingetroffen. Schnell klärte Paya sie auf, was der Ahlnate von ihnen verlangt hatte. Die meisten Buhrlos aus dieser größer werdenden Versammlung waren im All gewesen, als der Quader und dessen Kämpfer nähergekommen waren. Sie redeten aufgeregt miteinander. Sie schienen entschlossen zu sein, das Schiff unter diesen Umständen nicht zu verlassen. Der Bruder der zweiten Wertigkeit hatte einen Vystiden herbeigerufen. Der Offizier in seiner engsitzenden Silberuniform stemmte die Fäuste in die Seiten und erklärte nach kurzer Überlegung: »Die Magniden haben es befohlen. Ihr sollt hinaus in den Raum gehen und E‐kick sammeln. Wir treiben euch hinaus, wenn ihr nicht
freiwillig geht!« Wieder war es Paya, die es riskierte, lautstark und nachdrücklich zu widersprechen. »Selbst wenn wir hinaus in den Raum gehen«, stieß sie hervor und hob die Arme, »dann werden wir mit einiger Sicherheit sterben. Wer soll dann das E‐kick holen? Was wollt ihr mit toten Buhrlos?« »Davon verstehe ich nichts«, sagte der Vystide scharf. »Ich kenne nur meine Befehle. Macht euch bereit.« »Wir wollen mit den Magniden sprechen!« beharrte ein anderer Buhrlo. »Die Magniden sprechen mit uns, nicht umgekehrt«, schnarrte der Ahlnate. »Wir haben zu gehorchen. Los, macht euch auf den Weg. Ich werde eure Antwort in der Zentrale vortragen.« »Ich kann mir nicht vorstellen«, sagte Paya, »daß den Magniden sehr viel an toten Buhrlos gelegen ist. Abgesehen davon, daß Tote kein E‐kick erbringen.« Der Ahlnate rannte zum nächsten Interkom. Er drückte einige Knöpfe und sprach aufgeregt ins Mikrophon. Was von der Zentrale der SOL entgegnet wurde, verstand keiner. Der Ahlnate kam zurück und rief: »Ich habe eure Argumente der Zentrale vorgetragen.« »Dann können wir ja wieder in unsere Betten gehen«, sagte ein Buhrlo aufgebracht. »Ich bin kein Feigling. Ich war schon unter ganz anderen Bedingungen draußen. Aber ich schwöre euch, daß wir zwischen den beiden Schiffen aufgerieben werden.« »Die Magniden befahlen, daß wir euch dazu bringen sollen E‐kick zu sammeln!« sagte der Vystide schroff. »Es wird nicht mehr diskutiert. Geht hinaus, und zwar sofort. Sonst setzen wir die Waffen ein.« »Du bist auch nur ein Befehlsempfänger!« schrie ein Buhrlo. »Wir gehorchen der Gewalt.« »Euch bleibt nichts anderes übrig.« »Wir warnen euch – die meisten von uns werden sterben. Ohne E‐
kick für die Bonzen!« »Soll ich etwa dem High Sideryt Vorschriften machen, welche Befehle er erteilt«, schrie in kochender Wut der Vystide. »Ich selbst brauche nichts von dem verdammten Zeug.« Langsam und unwillig gingen etwa fünfundzwanzig Buhrlos, von den drei SOLAG‐Leuten geschoben und getrieben, auf die Schleuse zu. Jede Seite hatte auf ihre Weise recht: die Buhrlos gehorchten der Gewalt, und nicht einmal der Vystide konnte sich gegen die klaren Befehle der Brüder der ersten Wertigkeit stellen. Das Schott der Schleusennebenkammer wurde geöffnet. Schweigend schnallten sich die Buhrlos die Tornister mit den Rückentriebwerken an. In einer langen Reihe standen hier die leeren Kanister und Ackus für das E‐kick, das nach fünf Stunden eingesammelt werden sollte. Dann gingen die Bewacher aus dem Raum. Der Druckausgleich wurde durchgeführt. Die Buhrlos gingen mit vorsichtigen Schritten auf den Rand des Hangars zu. Sie waren sicher, daß es dort draußen gefährlich war. Die Sol kreuzte die Bahn des achten Planeten, von außen gezählt. Der Weltraum schien – bis auf den Quader – leer zu sein. Die vielen treibenden Objekte waren zu klein und zu weit entfernt. Niemand konnte sie mit bloßem Auge sehen. Sie zeichneten sich nur auf den Ortungsschirmen der Zentrale ab. Die Buhrlos verständigten sich blitzschnell mit ihren Handzeichen. Paya war die Mutigste von allen und schwang sich aus dem Schiff. Die beiden goldfarbenen Feuerzungen des Triebwerks stachen aus den Düsen. In einer eleganten Kurve entfernte sich Paya vom Schiff und stieg hinauf in den Bereich zwischen Schlagschatten und dem Licht der Mausefalle‐System‐Sonne. Die anderen folgten, in langen Abständen und zögernd, aber entschlossen, ihren Auftrag so gut wie möglich zu erfüllen. Einige dreißig Sekunden später, als der Körper Payas im Sonnenlicht aufleuchtete, sahen die Buhrlos hinter der gekrümmten Schale der Zelle den Quader. Seine Geschwindigkeit war identisch mit
derjenigen der SOL. Der Fremde war weniger als dreihundert Kilometer entfernt. Die Unmengen von bizarren Gegenständen auf den eckigen Flächen seiner Hülle leuchteten, funkelten und blitzten im Sonnenlicht. Zwischen Quader und SOL schienen sich im Vakuum des Weltalls Teile von hauchdünnen Blasen zu spannen. Sie sahen aus wie losgerissene Reste von Energieschirmen und veränderten ununterbrochen ihre Lage zueinander. Schlieren und Schleier berührten einander, verschwanden und tauchten wieder auf, lösten sich auf und entstanden an anderen Stellen wieder neu. Sie leuchteten fahl im Licht des Zentralfeuers dieses tödlichen Sonnensystems. Paya signalisierte: Es ist voller Risiko! Hierher. Wir sind sicher – noch! Mehrere Buhrlos folgten ihr. Sie hielt sich dicht an der Bordwand der SOL. Hier draußen waren sie befreit von den Ängsten im zitternden und ächzenden Raumschiff. Absolute Stille umgab die Buhrlos. Sie badeten mit ihren Körpern förmlich im Licht der Sonne. Diesmal kurvten sie nicht im Überschwang ihrer Gefühle durch das Vakuum, sondern versuchten, gefährliche Stellen zwischen den Schiffen zu meiden. Quader hatte die SOL fast eingeholt. Beide Schiffe befanden sich in geringfügiger Eigenrotation. Vor den Sternen wanderten ihre Silhouetten langsam vorbei. Wieder tauchten Linien, Spiralen und schalenförmige Strukturen auf. Paya hatte sich am weitesten von der SOL entfernt. Sie trieb ohne gezündeten Antrieb dahin und driftete langsam von der SOL weg. Plötzlich erhielt ihr Körper einen kurzen Beschleunigungsimpuls, einen Ruck, der sie über die Körperachse wirbelte und in die Richtung auf Quader fortzog. Sie gab das Zeichen: Gefahr! Ein anderer Buhrlo folgte ihr unfreiwillig. Beide Körper drehten sich und überschlugen sich ununterbrochen. Sie wurden auf einen Punkt zu gezogen, der
zwischen SOL und Quader lag, aber nicht entlang einer Geraden zwischen den Massezentren beider Körper. Die anderen Buhrlos spürten die Todesangst der beiden Gefährten. Ein dritter wurde mitgerissen, gerade in dem Augenblick, an dem die anderen ihre Triebwerke zündeten und versuchten, in den beleuchteten Hangar zurückzukehren. Was nützte es den Buhrlos, wenn sie über die Linsen der Außenbeobachtung in der Zentrale gesehen wurden? Paya, dicht hinter ihr die beiden anderen Gläsernen, wurden ohne die geringste Chance mitgerissen. Ihre Triebwerke flammten immer dann mit voller Kraft auf, wenn sie sich dem Quader zuwandten. Aber der Rückstoß reichte nicht einmal aus, um die wirbelnde Bewegung ihrer Hilflosen Körper nennenswert abzubremsen. Sie wurden in den Weltraum hineingerissen. Die anderen Buhrlos, die die Signale ihrer Kameraden gesehen und richtig verstanden hatten, flüchteten mit wild feuernden Triebwerken zurück in die Schleuse. Schweigend und fassungslos vor Schrecken sahen sie zu, wie Paya und ihre Begleiter in den Tod rasten. Viele Kilometer von der Bordwand der SOL entfernt packten die aufeinandertreffenden Wellen der gegenseitigen Anziehungskräfte und der Strahlen und Felder, die aus dem Quader kamen, die Buhrlos. Zuerst wurden die Körper der Gläsernen wie unter einer Walze zusammengepreßt, dann zerrten wechselnde Kräfte an den Gliedmaßen und zerrissen die Buhrlos. Die Triebwerke der Tornister, ebenfalls in den Bereich von wechselnden Beeinflussungen geraten, flammten auf und arbeiteten mit voller Energie, bis sie schließlich detonierten. In Sekundenabständen erschienen auf den Ortungsgeräten der Zentrale stechende Feuerbälle, die sich langsam ausdehnten. Die Magniden begriffen, daß die drei Buhrlos gestorben waren, getötet von den entsetzlichen Kräften zwischen beiden Schiffen. Drei Buhrlos, drei Gläserne – die Zahl bedeutete nichts, dachten
die wahren Herrscher der SOLAG. Aber wer sollte unter diesen Umständen E‐kick holen? Als sich alle anderen Buhrlos in der Schleuse befanden und auf die Kammer zurannten, in der sie die Tornister ablegten, erschütterte eine neue Serie von Vibrationen und Schwingungen die SOL. 7. Atlan zog Arlanda an sich, küßte sie lange und riß sich dann los. »Danke«, sagte er einfach. Sie sah ihn unter langen Wimpern hervor an. »Wofür?« »Dafür, daß ich mich ausruhen durfte. Und für alles andere.« Seine Geste galt zuerst ihr und dann dem Raum mit seiner friedvollen Ruhe. Atlan allerdings war unruhig. Die Schwankungen, das unheilvolle Ächzen und die Vibrationen hatten ihn geweckt. Sein Entschluß stand jetzt fest. »Sehen wir uns jemals wieder?« fragte die ehemalige Pyrridin leise. »Wenn das alles vorbei ist, wenn ich dann noch lebe und das Schiff wieder unter einem Befehl arbeitet, und wenn du dann noch zu finden bist – ja!« antwortete der Arkonide. »Ich versuche, meinen Entschluß in die Tat umzusetzen.« »Ich werde um dich zittern«, sagte sie. »Viel Glück. Ich zeige dir, auf welchem Weg mein stilles Reich zu verlassen ist.« Wieder bebte der Boden unter ihren Sohlen. Das Schiff gab die Geräusche dieser Folterung von sich, es ächzte und knirschte, als wolle es sich in seine Einzelteile auflösen. »Schnell«, drängte Atlan. »Ich würde gern bei dir bleiben, wenigstens für eine Weile. Aber ich muß versuchen, diesen Zustand zu beenden.« Sie hatten sich in der kurzen Nacht über alles unterhalten, ohne
miteinander Versteck zu spielen, voller Offenheit von Seiten des Arkoniden. Arlanda wußte Bescheid über seine Pläne, die aus der Verzweiflung geboren waren. »Komm!« Sie führte ihn durch die Kranken‐Station, an dem bewegungslosen Medorobot vorbei, zu einer Montageplatte im Boden. Er löste die großen Flügelschrauben und kletterte hinter Arlanda her. Sie kamen wieder in dem kleinen Garten der Frau heraus, den Atlan für einen entarteten Dschungel gehalten hatte. Vor dem Antigravschacht zog er sie ein letztesmal an sich und sprang dann in das Transportfeld. »Nochmals: viel Glück!« rief sie ihm unterdrückt nach. Er schwebte nach oben. Es war Nacht, alle Beleuchtungskörper waren auf halbe Leistung oder weniger geschaltet. Die wenigen Korridore, durch die er lautlos huschte, waren fast leer. Nur die Schritte von Patrouillen waren ab und zu als Echo zu hören. Am Knick des tiefer gelegenen breiten Korridors sah Atlan eine Gestalt. Sie saß auf einem Klappstuhl, dessen Lehne an der Wand anschlug. Über dem Kopf des Wächters schimmerte der Bildschirm des großen Interkoms. Dein Ziel. Schnelligkeit ist Trumpf. flüsterte der Logiksektor. Atlan drückte sich tief in den Schatten und zog seine Waffe. Schweigend sicherte er nach allen Seiten. Bis zum Interkom waren es schätzungsweise knapp hundert Schritte! Er überlegte. Rund um ihn herum regte sich nichts und niemand. Trotzdem vermeinte er zu spüren, daß ihn Hunderte von Augenpaaren beobachteten. Er schätzte seine Chancen ab und sagte sich, daß er es hier ebenso gut wie an jeder anderen Stelle versuchen konnte – jeder funktionierende Interkomanschluß in allen Schiffsteilen wurde von Angehörigen der SOLAG bewacht. Warum eigentlich? Er lief los. Zwanzig lautlose Sprünge brachten ihn bis hinter einen flachen Vorsprung. Er drückte sich eng gegen die Wand und spähte
um die Ecke. Unter seinen Füßen und in seinem Rücken spürte er die Vibrationen, die das Schiff heimsuchten. Der Wächter rührte sich nicht. Vielleicht schlief der Mann sogar. Bei diesem gespenstischen Stöhnen des Metalls? Ausgeschlossen. Der Arkonide visierte sein nächstes Teilziel an und lief an der Wand entlang. Hinter einer kantigen Säule mit abgewetzten Ecken blieb er stehen. Noch rund fünfzig Schritt. Zwischen ihm und dem Interkom war nichts als schwach beleuchteter, freier Raum. Atlan entschloß sich, trat aus dem Schatten hinaus und ging schwankend und stolpernd weiter. Aber er vermied jedes auffällige Geräusch. Zehn Schritte legte er zurück, ohne daß der Wächter auf ihn aufmerksam wurde. Die Geräusche schützten ihn ein wenig. Als er noch zwanzig Schritt vom Interkom entfernt war, wurde der Wächter auf ihn aufmerksam. Er ließ den Stuhl nach vorn kippen, sprang auf die Beine und starrte dem Arkoniden argwöhnisch entgegen. Noch ein Dutzend Schritte. Atlan wurde etwas schneller, gleichzeitig torkelte er noch stärker hin und her. Die starken Schwingungen des Bodens schüttelten ihn. Die Geräusche machten seine Antwort unverständlich. Die Waffe des Wächters senkte sich. Noch vier Schritte. »Was hast du gesagt?« fragte der Ahlnate voller Mißtrauen. Er richtete einen Schockstrahler auf Atlan. Der Arkonide schwankte von ihm weg, auf ihn zu, und dann bewegte er sich plötzlich blitzschnell und außerordentlich zielbewußt. Er packte die Hand des Wächters und drückte sie zur Seite und nach unten. Gleichzeitig hob er seine Waffe und preßte sie gegen den Hals des Ahlnaten. »Keine Bewegung! Kein Schrei!« warnte er. »Oder du stirbst. Mich schickt Homer Gerigk. Schalte den Interkom in die Zentrale. Ich muß mit dem High Sideryt sprechen.« Mit einem komplizierten Griff drehte er das Handgelenk des
Gegners, der ihn starr vor Schrecken in die Augen blickte. Die Waffe polterte dumpf zu Boden. Atlan verstärkte den Druck der eigenen Waffe. »Schnell!« sagte er. »Es geht um das Leben aller Solaner!« Der Ahlnate riß, als er Atlan im schwachen Licht erkannte, weit die Augen auf und stotterte: »Du bist der Mann, den sie suchen. Atlan.« Atlan senkte die Waffe und schoß einen glühenden Strahlenbalken dicht vor die Zehen des Ahlnaten. Ein Teil der Uniform begann zu schwelen, mit einem Schmerzenslaut riß der Wächter den Fuß zurück. Dann streckte er den Arm aus. »Ich kenne nur … die Kennziffer der Zentrale.« »Schalte den Interkom ein!« sagte Atlan drohend. Der Ahlnate tastete eine einfache Zahlenkombination ein. Atlan durchforschte sein Gedächtnis und erkannte, daß sie sich seit seiner Zeit geändert hatte. Zusammen mit dem Verfall kollektiver Intelligenz war auch dies ein Zeichen für vergangene Zeit, für nutzlos verstrichene Jahrhunderte. Der Bildschirm wurde hell. Eine Darstellung baute sich auf. Die Zentrale wurde sichtbar und mit ihr eine Gruppe von mehreren Magniden. »Ausgezeichnet!« sagte Atlan, dann schob er sich in den Erfassungsbereich der Linsen. Er sprach laut und deutlich, aber noch immer lag der Projektor seiner Waffe an der Kehle des Ahlnaten. »Ich bin der gesuchte Atlan«, sagte er dicht vor dem Mikrophon, nachdem er den Regler auf volle Stärke geschoben hatte. Seine Stimme dröhnte aus den Lautsprechern der SOL‐Zentrale. »Ich will sofort den High Sideryt sprechen. Ich weiß, wie das Schiff zu retten ist.« Eine schlanke Frau blickte ihn direkt an. Sie schien zu überlegen. Atlan holte Atem und fuhr fort: »Schnell. Sonst sterben einige Magniden. Ich kenne genügend
Wege, euch alle in entsetzliche Schwierigkeiten zu stürzen.« Niemand antwortete, aber das Bild wechselte abermals. Ein Gesicht erschien. Atlan zuckte unmerklich zusammen. Es war jener Mann gewesen, der ihm schon einmal vom Bildschirm aus nachgestarrt hatte. »Du bist Chart Deccon?« fragte Atlan. »Spreche ich mit Atlan? Wir haben dich seit langem gesucht.« »Ich habe achttausend Freunde an Bord«, sagte Atlan schneidend. »Sie alle wissen, daß du und das Schiff in Schwierigkeiten seid. Sie sind so groß, daß niemand richtig reagieren kann. Probleme können nur von Männern gelöst werden, die das Schiff gut kennen. Ein solcher Mann bin ich. Ich muß mit dir sprechen.« Die Stimme des High Sideryt kam grollend und polternd. Er schien aus einem tiefen Schlaf gerissen worden zu sein. Er schüttelte sich, und die Platten seiner rüstungsartigen Uniform klirrten leise. »Du kannst helfen?« fragte er stockend. »Ich bin bereit, euch zu helfen. Dadurch helfe ich auch mir. Lasse mich abholen und in deine Zentrale bringen. Wie du am Zustand der SOL erkennen kannst, eilt es sehr – bald wird das Schiff auseinanderbrechen.« Wie zur Untermalung seiner Drohung durchlief eine Serie schwerer Vibrationen die SOL. Fassungslos starrte ihn Chart Deccon an. Noch immer hielt Atlan den Ahlnaten mit der Waffe in Schach. »Ich werde mit dir sprechen!« sagte Chart Deccon nach einigen Sekunden. »Warte am Interkom.« »Ich warte nur drei Minuten. Dann bin ich wieder im Untergrund verschwunden!« antwortete Atlan hart. »Du solltest dich beeilen, Diktator Deccon.« »Ich schicke eine Eskorte!« »Eine Eskorte, deren Mitglieder zurückhaltend genug sein sollten, um ein gräßliches Blutbad zu vermeiden«, bluffte der Arkonide. »Überall sind Leute mit Waffen, die nicht zur SOLAG gehören.« »Du brauchst keine Angst zu haben«, versicherte Deccon. »Ich
werde entsprechende Befehle geben.« Er hielt Wort, wenn auch auf seine Art. Dreißig Sekunden später stürmten aus allen Richtungen Vystiden und Haematen auf Atlan zu. Roboter und Ahlnaten folgten und blockierten die Korridore nach mehreren Richtungen. Ferraten rannten herbei und wußten nicht, was sie unternehmen sollten. Eine beispiellose Aufregung herrschte unter den Wachen. Sie bildeten einen dichten Kreis um Atlan und den einzelnen Bruder der dritten Wertigkeit, dem noch immer die Waffe am Hals saß. Dann befahl der High Sideryt laut und deutlich. »Dieser Mann ist Atlan. Vielleicht hilft er dem Schiff, aus der Fessel zu entkommen. Bringt ihn auf schnellstem Weg in meine persönliche Zentrale. Eskortiert ihn und macht so schnell wie möglich. Niemand soll ihn anrühren. Verstanden?« »Ich garantiere mit meinem Kopf, High Sideryt. In einer halben Stunde etwa sind wir bei dir.« Ein Vystide trat vor den Interkom und antwortete, während Atlan die Waffe senkte und sich umdrehte: Das Verstecken war zu Ende. Atlan hatte sich kopfüber in ein Abenteuer gestürzt, das tödlich ausgehen konnte. ENDE Atlan, der aufgrund der drohenden allgemeinen Gefahr das Versteckspiel aufgegeben hat, erfährt nun, da er dem High Sideryt begegnet, ein Kapitel aus der bislang unbekannten Historie der SOL. H. G. Winter schreibt diesen zweiten Bericht aus dem Logbuch der SOL. Der Report widmet sich dem Geschehen im Jahr 3608 und erscheint unter dem Titel: DIE SCHLÄFER