Die Sheriffs
von Laramie
Western von U. H. Wilken Leer und trostlos liegt die sonnendurchglühte Straße von Laramie v...
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Die Sheriffs
von Laramie
Western von U. H. Wilken Leer und trostlos liegt die sonnendurchglühte Straße von Laramie vor Logan Randolph. Er vernimmt nur seine eigenen Schritte, das Mahlen der Stiefel im heißen Sand, und das leise Klirren der kleinen Sporenrädchen. Das grelle Sonnenlicht blendet ihn. Er zieht den Stetson mit der flachen Krone tiefer in die Stirn und spürt den Druck des Schweißbandes. Langsam überquert er die breite, staubige Fahrbahn, die von vielen Pferdehufen zerstampft und von schweren Wagenrädern zerfurcht ist. Sein Blick fällt auf den Saloon. Dort steht ein einzelnes Pferd und schlägt mit dem langen Schweif nach den lästigen Fliegen. Es stampft und scharrt mit den Vorderhufen. Logan Randolph erreicht den hölzernen, ausgetretenen Gehsteig und schreitet im Schatten der Vordächer weiter. Als er vor der Schwingtür des Saloons steht, atmet er tief ein. Im Saloon ist alles still. Und auch auf der Straße regt sich kein Leben. Noch einmal dreht er sich um und sieht mit verengten Augen über die verlassene Fahrbahn nach jenem Hügel hin, der gleich hinter der Stadt in den blaßblauen Himmel ragt. Der Friedhof von Laramie... Dort hat er lange Zeit vor dem Grab seiner in der letzten
Woche verstorbenen Mutter gestanden und in stiller Trauer an sie gedacht. Seine Mutter liebte und haßte dieses Laramie in Wyoming. Sie liebte die kleine Kirche, die Läden, die Einwohner. Sie liebte das weite Land. Aber sie haßte den ständigen Krieg und Kampf in diesem Land, die Schießereien, die Einsamkeit, die Not. Und sie haßte den Beruf ihres Mannes, aber sie konnte ihn nicht davon abbringen. Logan Randolph seufzt leise auf. Er dreht sich langsam um und sieht die Pendeltür des Saloons vor sich. Schon viele Kugeln haben diese Tür durchbohrt und in Schwingungen versetzt. Und diese Tür wird wohl auch weiterhin noch von mancher Kugel durchschlagen werden. Denn in diesem weiten Land ist Krieg. Drei große Parteien stehen sich gegenüber: Die Rinderbarone, die Schafzüchter und die Heimstättensiedler. Keine Partei will auch nur einen Schritt zurückgehen. Die Unvernunft, der Stolz, die Herrschsucht und der sture Trotz prallen aufeinander. Mittelpunkt der Auseinandersetzungen westlich der Laramie Mountains ist die Stadt Laramie. Aber auch weiter im Norden und Osten, jenseits der Laramie Mountains, bei Cheyenne, Fort Laramie und Casper toben harte Kämpfe. So sieht es aus in Wyoming, und man schreibt das Jahr 1874. Im Spätherbst dieses Jahres beginnt unsere Geschichte. Sie beginnt damit, daß ein junger Mann von dreiundzwanzig Jahren namens Logan Randolph die Schwingtür des Saloons von Laramie aufdrückt und den Saloon betritt. Im Gastraum herrscht zwielichtiges Halbdunkel. Gegenüber der Tür schimmert die messingbeschlagene, fünfzig Fuß lange Theke. Dahinter stehen viele Flaschen auf Regalen. Vor der Theke stehen Tische und Hocker. Logan sieht die Umrisse seines eigenen Körpers im Spiegel
hinter der Theke. Noch immer schlägt die Schwingtür hinter ihm, knarrt und quietscht leise. Ein Mann steht an der Theke. Ihm gehört sicherlich das Pferd draußen an der Haltestange. Er kehrt Logan den Rücken zu. Es ist ein leicht gebogener, nicht breiter Rücken, der ganze Körper dieses Mannes ist schmal und schlank. Er trägt zwei Halfter tief an den Oberschenkeln, mit Lederschnüren am Schenkel befestigt, um ein Schlappen der Halfter zu verhindern. Ein Mann also, der viel Wert darauf legt, seine Eisen immer schnell und sicher ziehen zu können. Er rührt sich nicht, als Logan vor der langsam auspendelnden Schwingtür stehenbleibt. Aber Logan spürt die Gefährlichkeit dieses Mannes. Er ist der einzige Gast, und der Salooner steht hinter der Theke und spült unruhig die Gläser. Nun richtet sich der Mann ein wenig auf und mischt sich Sodawasser in seinen Whisky. Aber er dreht sich nicht um und scheint keine Notiz von Logan Randolph zu nehmen. Logan setzt sich in Bewegung, geht durch den Gastraum zur Theke und sieht den Keeper an. »Gib mir einen Whisky«, sagt er. »Mit?« fragt der Salooner und wendet sich zu ihm. In seinem blassen Gesicht zuckt es. »Ja - mit Sodawasser.« Die Flasche in der Hand des Salooners zittert. Er schiebt das Glas mit Whisky über die Theke, dann die Sodawasserflasche. Logan gibt dem Whisky etwas Soda zu. Er nimmt einen Schluck, stellt das Glas ab und sieht dem Fremden ins Gesicht schnell und forschend. Und er sieht nur das Profil. Es ist hart, kantig und scharfgeschnitten. Der Salooner verschwindet in der Küche und kommt nicht wieder heraus. Logan Randolph verspürt den kalten Schauer, der über seinen Rücken kriecht. Eine dumpfe Ahnung befällt ihn, und er schluckt würgend, schiebt das noch halbvolle Glas hart gegen
die Sodaflasche, so daß es richtig klirrt und wendet sich zur Tür. Der Fremde rührt sich gar nicht. Logan sieht nicht das kalte Lächeln auf seinem Gesicht, dieses seelenlos kalte, grausame Lächeln. Er geht durch die Schwingtür und steht auf dem Gehsteig. Auf der Straße ist es noch immer leer. Nur das Pferd des Fremden ist da. Logan betrachtet den Hengst und sieht das eigenartige Brandzeichen am Schenkel. »WH.« Sinnend murmelt er diese beiden Buchstaben vor sich hin, aber es fällt ihm nicht ein, was sie bedeuten. Logan Randolph geht die zwei ausgetretenen Stufen zur Fahrbahn hinunter und überquert die heiße, einsame Straße. Sein langer Schatten wandert vor ihm her, zieht über den staubigen Boden. Er lenkt seine Schritte zum Sheriff-Office. Ein alter grauhaariger und knochiger Mann sitzt dort hinter seinem Schreibtisch. Ein Mann, dessen verkniffenes Gesicht die Spuren eines rauhen Lebens unauswischbar geprägt worden ist. Es ist ein verbittertes Antlitz. Die Lippen sind schmal und schimmern etwas bläulich. Die große Nase ist scharf gekrümmt, der Nasenrücken schmal. Und die grauen Augen sind scharf und scheinen durch alles hindurchzusehen. Der erste Blick des Mannes ruht nun auf dem hereinkommenden Logan Randolph, und sein Mund zieht sich jetzt kaum merklich in die Breite. Sheriff Harvey Logan Randolph. In der Stadt nennt man ihn ›Old Logan‹. Und Logan Randolph ist sein Sohn. »Warst du bei Mutter, Junge?« »Yeah, Dad.« Sheriff Randolph nickt. »Ich hatte keine Zeit dazu, mein Junge«, murmelt er bitter. »Ich wollte nachkommen, aber dann kam etwas dazwischen,
etwas, womit ich schon lange gerechnet habe.« Er verstummt und sieht das Aufflackern in den braunen Augen seines Sohnes. »Dad«, flüstert Logan, »wer ist dieser Fremde?« Harvey Logan Randolph senkt seinen Blick, starrt auf seine Waffe, die auf der Tischplatte liegt. Er atmet schwer und blickt nicht auf, als er fragt: »Hast du nicht dieses Brandzeichen gesehen, Junge? Die ganze Stadt hat es gesehen, und deshalb ist es so still auf der Straße!« »Was heißt dieses W.H., Dad?« Sein Vater legt die Hand auf den Colt und zieht ihn über den Tisch zu sich heran. »W.H. heißt Wayne Hollister! Yeah, und dieser Revolverschwinger ist in der Stadt, im Saloon!« murmelt er hart. »Irgendeiner von diesen größenwahnsinnigen Rinderbaronen muß ihn gerufen haben! Vielleicht waren es aber auch die Schafzüchter. Du warst auf dem Friedhof, Junge, als Wayne Hollister in die Stadt kam. Ich kenne diese Sorte von Revolverschwingern höllisch genau, und besonders gut kenne ich diesen Wayne Hollister. Vor zehn Minuten war ich im Saloon. Ich habe diesem Burschen gesagt, daß er in einer Stunde die Stadt zu verlassen hat!« Logan ist blaß geworden. Er starrt seinen Vater wortlos an. Der Alte schlägt mit den Handknöcheln auf die Tischplatte und erhebt sich. »Ja, Logan! Ich bin nun schon seit vielen Jahren in dieser Stadt, und ich habe immer für die Sicherheit der Leute gekämpft. Ich dulde hier keine hartgesottenen Schießer, kein schießwütiges Gesindel! Die Stadt ist der einzige annähernd ruhige Ort im ganzen Land zwischen den Laramie und den Sweetwater Mountains. So soll es auch bleiben, Junge, solange ich hier den Stern trage! Daran wird dieser verdammte Wayne Hollister nichts ändern können!« »Er wird dich erschießen, Dad«, sagt Logan mit flackernder
Stimme. »Soll ich mich etwa verkriechen, he? Soll ich jetzt alles zerstören lassen, was ich in all den Jahren hier geschaffen habe? Nein, Logan - niemals!« Er wirft einen bitteren Blick hinaus auf die Straße. »Du wirst tot sein, ehe die Sonne untergegangen ist!« keucht Logan. »Laß mich an deiner Seite stehen,Vater!« Old Logan schüttelt den Kopf. »Wayne Hollister ist allein, und ich werde auch allein sein!« »Vater...« »Hör auf, Logan«, sagt der Alte rauh. »Halte dich da heraus! Hollister ist nicht schneller als ich.« »Dad, warte doch ab! Hollister wird die Stadt schon irgendwann verlassen.« Eine dumpfe Verzweiflung liegt in seinen Worten - und die Angst um seinen Vater. »Verlassen? Wayne Hollister wird die Stadt von allein verlassen?« Ein bitterer Hohn färbt den Klang von Old Logans Stimme. »Und ich soll hier im Office wie eine Memme warten und Däumchen drehen? Seit wann denkst du so über deinen Vater, mein Junge?« Würgend sagt der junge Logan: »Deine Hände zittern, Vater! Seitdem Mutter tot ist, ist es mit deiner Ruhe vorbei! Du bist ein anderer Mensch geworden, Dad - sei ehrlich zu dir selbst! Erkenne das doch! Und du weißt, daß Hollister dir überlegen ist, du weißt es höllisch genau! Und doch willst du hinausgehen und ihm gegenübertreten. Das ist Wahnsinn, richtiger Wahnsinn! Wirf den Stern weg, Vater! Gib ihn diesen so mutigen Leuten von Laramie oder gib ihn mir, Dad!« »Du Narr! Glaubst du, schneller als Wayne Hollister zu sein? Du bist verdammt schnell, ich weiß es, aber nicht schnell genug! Und außerdem ließe ich das niemals zu, Logan. Niemand bekommt den Stern. Ich trage ihn, nur ich allein! Wenn für mich der Weg zu Ende ist, dann soll ihn ein anderer
tragen. Erst dann, Junge.« »Du wirst also kämpfen, Dad?« »Ja, Logan.« »Aber du hast keine Chance.« Old Logan erhebt sich hinter seinem Tisch. Er sieht seinen Sohn ernst und bitter an. »Nun hör mich an, mein Junge!« murmelt er. »In diesem Land ist Krieg. Hier, im Osten, Westen und Norden, in Colorado und sogar in Texas drunten. Überall wehren sich die Rancher gegen die Schafzüchter und Heimstättensiedler. Die Trail-Mannschaften kommen aus dem Süden herauf und kämpfen sich unerbittlich den Weg nach Norden frei. Sie kommen mit ihren Treibherden durch das Land der Farmer, das schon umzäunt ist. Und überall kommt es dann zu erbitterten Kämpfen - du weißt es ja. Aber das Gesetz ist auf seiten der Schafzüchter und Heimstättensiedler, das mußt du wissen. Die Selbstherrlichkeit der Rinderbarone ist vorbei; das weite, offene Land gehört jedem, der nach Recht und Gesetz darauf lebt. Im Osten, hinter den Laramie Mountains, haben sich die Rancher zu einem gewaltigen Viehzüchterverband zusammengeschlossen und den Kampf gegen Siedler und Schafzüchter gemeinsam begonnen. Und diese Zeit wird nun auch für unser Land kommen, mein Junge. Dann wirst du ein klares Auge haben müssen, um den ganzen Gang der Dinge übersehen zu können. Die Rinderbarone sind die mächtigsten im Land. Und sie leiten aus ihrer Macht ihr eigenes Recht ab. Und das ist ungesetzlich. Irgendwann werden diese starken Rinderkönige besiegt sein. Aber noch ist es längst nicht soweit, und du wirst, wenn du in diesem Land bleibst, bitteren Zeiten entgegengehen. Nun, das mußte ich dir sagen, mein Junge, damit du alles besser verstehst und begreifst.« Er schweigt und sieht seinen Sohn ernst an. »Warum, Dad, erzählst du mir das alles?« »Weil du es wissen mußt, mein Junge, um die Zeit verstehen
zu können. Da drüben im Saloon steht so ein Mann, der gegen das Gesetz ist. Er ist in dieses Land gerufen worden, er kam nicht von allein, aus eigenem Antrieb. Sicherlich will irgendein Rancher diesen Hollister auf seine Lohnliste setzen. Er will diesen Schießer auf die Leute hetzen, die ihm unbequem sind also die Siedler. Das muß ich verhindern, Junge - heute noch. Ich kann mich nicht vor meiner Pflicht drücken und plötzlich den Stern ablegen, nur weil dieser Hartgesottene in Laramie ist!« Old Logan lächelt dünn. In seinen Augen ist ein seltsamer Ausdruck - jener Ausdruck weltlicher Entrücktheit, die den Menschen dann immer überkommt, wenn sein Ende naht und er sich nicht davor fürchtet. »Mach dir keine Sorgen um mich, Junge. Du hältst dich heraus. Alles andere ist meine Sache. Wayne Hollister wartet auf mich. Ich habe nicht mehr viel Zeit...« Wie festgenagelt steht Logan im Office. Er starrt auf die Hände seines Vaters, diese nervigen, sehnigen Hände. Und er sieht auf den schweren, bläulich schimmernden Colt, mit dem sein Vater hinausgehen wird. »Ich verstehe dich nicht, Dad! Nein, ich kann dich nicht verstehen. Was du machst, ist Selbstmord - nichts anderes. Aber du nennst es deine Pflicht.« Er schüttelt den Kopf, wendet sich ab und geht aus dem Office. Auf dem Gehsteig bleibt er stehen, sieht über die breite Fahrbahn und zum Saloon. Dort ist es noch immer still. Er dreht den Kopf und erkennt einige Häuser weiter, halb in der Deckung einer Hauswand, mehrere Männer, die sich nicht näher heranwagen. Ja, sie alle lassen seinen Vater immer dann allein, wenn es schlimm und rauh wird. Aber er spürt in diesen Sekunden auch einen großen Stolz auf seinen harten, mutigen Vater. Im Westen steht die Sonnenkugel. Die Schatten der Häuser fallen auf die Fahrbahn. Und sein Vater wird genau in die
Sonne sehen, wenn er aus dem Office kommt. Wayne Hollister aber wird im Schatten stehen, die Sonne hinter sich haben und verdammt gut zielen können. Er wird nicht geblendet sein. Steif und verkrampft steht er vor dem Office, in dem nun die Schritte seines Vaters zu hören sind. Noch einmal starrt er zum Saloon hinüber, dann dreht er sich steif herum und geht ins Office zurück. *** Sheriff Harvey L. Randolph blickt nicht auf, als sein Sohn ins Office kommt. Die sehnigen Hände halten den schweren Waffengurt, den er sich langsam und irgendwie bedächtig umschnallt. Die Rechte ruht dann sekundenlang auf dem Eisen, legt sich um blanken Kolben. Schließlich schnürt er die dünnen Lederbänder um den Oberschenkel und richtet sich auf. »Geh nun nach Hause, Junge!« murmelt er rauh. »Laß mich jetzt allein, Logan. Und halte dich heraus, hörst du?« Sein Sohn nickt und schüttelt zugleich auch den Kopf. Er weiß in diesen entscheidenden Sekunden nicht, was er tun soll. »Nein!« flüstert der Junge. »Nein - ich bleibe, Dad! Nimm mich als Deputy mit auf die Straße. Du darfst nicht allein gehen. Warum bist du nur so stur, Vater? In jeder anderen Stadt hat der Sheriff seinen Deputy, und sie kämpfen gemeinsam - das ist ihr Recht. Warum willst du dir nicht dieses Recht nehmen, Vater? Willst du wirklich schon morgen neben Mutter liegen?« In Old Logans Gesicht zuckt es. Er preßt die Lippen zusammen und kommt auf seinen Sohn zu. Dicht vor ihm verharrt er. »Ich habe dir noch niemals irgend etwas befohlen, Logan«, murmelt Harvey L. Randolph, »aber nun muß ich es tun! Geh nach Hause! Jetzt, sofort! Laß mich endlich allein!«
»Nein«, keucht Logan, »nein, Vater, das kannst du von mir nicht verlangen. Ich kann nicht tatenlos zusehen, wenn Hollister meinen Vater erschießt! Das kann ich nicht - und ich will es nicht! Geh auf die Straße, Dad, aber laß mich im Office! Laß mich hier mit einer Winchester!« Old Logans Schultern straffen sich. In seinen Augen flackert es frostig. »Mein Junge!« ächzt er. »Es tut mir verdammt leid, aber später wirst du es vielleicht verstehen...« Und dann zieht er sehr schnell den Colt und schlägt das Eisen seinem Sohn über den Kopf. Und das geschieht so schnell, daß der junge Logan völlig überrascht wird. Er bäumt sich richtig gegen die schwere Ohnmacht auf, er kämpft dagegen an, sieht seinen Vater wie durch eine graue Nebelwand, verschwommen und verzerrt - und bricht dann zusammen. Sein Vater fängt ihn auf, läßt den Sohn behutsam zu Boden gleiten, und starrt einen tiefen Atemzug auf ihn hinab. »Mein Junge«, sagt er nur, und seine Stimme ist in diesem Augenblick sehr weich und sanft. Dann wendet er sich schwerfällig ab und geht hinaus. Er verharrt auf dem Gehsteig und sieht in die Sonne, die schon tief über den fernen Bergen steht. In Laramie ist es noch immer still. Old Logan verengt die Augen und sieht auf die Schwingtür des Saloons. Er atmet tief ein und setzt sich in Bewegung, geht die zwei Stufen hinab und auf die Fahrbahn. Er bleibt erst stehen, als der Schatten des Saloons sein Gesicht trifft. Und er sagt kein Wort; er ruft nicht, er bleibt stumm und wartend auf der Fahrbahn stehen - einsam und allein. Der Stern an seiner Weste schimmert. Sein Blick ruht auf der Saloonfront. Und dann sieht Old Logan ein Gesicht über der brusthohen Pendeltür. Er sieht auch die Stiefel Wayne Hollisters. Doch nur das Gesicht interessiert ihn. Ein
scharfgeschnittenes Falkengesicht, in dem die starrblickenden Augen an Gletschereis erinnern. Wayne Hollister ist ein gefährlicher Schießer - vielleicht einer der gefährlichsten, die jemals in dieses Land gekommen sind. Nun drückt er die Pendeltür langsam auf und kommt auf den Brettersteig. Dort verharrt er - etwas breitbeinig, leicht nach vorn gebeugt, mit den klauenförmig gebogenen Händen über den Eisen. Ein leichtes Grinsen liegt um Hollisters dünnlippigen Mund. Er fühlt sich sehr überlegen. Harvey L. Randolph steht beinahe reglos auf der Fahrbahn und wartet. Er wartet auf das Aufflammen im starren Blick dieses Revolverschwingers. Das wird für ihn das Zeichen sein. Plötzlich sagt Wayne Hollister: »Schick mir 'ne Ansichtskarte aus der Hölle, Alter!« Sein Stimme kommt leise, kalt und tödlich sanft über die Straße. Der Laramie-Sheriff antwortet nicht. Dann geschieht es auch schon. *** Stöhnend richtet Logan Randolph sich auf. In seinem Kopf dröhnt und hämmert es heftig. Er flucht nicht, er ist seinem Vater nicht böse. Nur die Angst um ihn ist in ihm, und er richtet sich, noch taumelnd und unsicher, auf. Das Office ist leer. Sonnenlicht fällt durch die offene Tür in den Raum. Draußen peitschen beinahe gleichzeitig zwei Schüsse auf, zerreißen die lastende Stille in der Stadt. Dann wird es wieder still in Laramie - furchtbar still. Mit einem Aufschrei stürzt Logan zur Tür. Er kommt auf den Gehsteig, fällt beinahe auf die Straße, und erstarrt plötzlich. »Dad«, flüstert er tonlos.
Vor dem Saloon liegt Wayne Hollister - still und reglos. Er liegt mit dem Gesicht auf der Straße, und seine Beine liegen auf den Stufen, die zum Gehsteig hinaufführen. Wayne Hollister ist tot. Und fünfzehn Schritte von ihm entfernt liegt Harvey L. Randolph rücklings auf der Fahrbahn. Er hat im Sturz den Stetson verloren und sein graues Haar schimmert schwach im Schatten des Saloons. Er bewegt sich schwach. Aus den Häusern kommen die Menschen. Aus dem Etablissement, aus der Bar, aus der Kirche. Sie sehen die beiden Männer auf der Straße liegen. Und sie sehen den Sohn des Sheriffs über die Fahrbahn laufen. Logan kniet bei seinem Vater nieder. Die rechte Hand des alten Mannes fährt langsam durch den Sand, und Logan nimmt sie. Er schluckt mühsam und flüstert: »Dad - Dad!« Das Gesicht des Sheriffs hat eine aschgraue Farbe angenommen. Er will lächeln, aber er kann es nicht mehr. Sein Atem geht langsam und unregelmäßig. »Mein Junge«, sagt er mit verwehender Stimme, »mein guter Junge...« Die Menschen stehen in einem weiten Kreis herum und sehen stumm auf diese erschütternde Szene. Logan sieht, wie sich das Hemd unter der Weste seines Vaters immer mehr rötet, wie der Fleck größer und größer wird. Eine gähnende Leere ist in ihm, und er weiß nicht, was er tun und sagen soll. Er begreift, daß sein Vater hier auf dieser Straße sterben wird, das niemand ihm helfen kann. »Mein Junge«, haucht Old Logan mühsam, »mein Sohn bleib der Stadt - treu - und - und nimm den Stern, und kämpfe, hörst du, mein Junge? - Bleib Laramie treu. Geh einen - guten und - sauberen Weg, Logan! - Oh, es ist gleich aus für mich - und ich bin nicht - traurig darüber, mein Junge. Es ist
gleich vorbei. - Sei nicht traurig, mein Junge...« Logan spürt plötzlich, wie die Hand seines Vaters in der seinen erschlafft, wie sie weich und ohne Kraft ist, ohne Leben. Sheriff Harvey L. Randolph ist gefallen. Laramie hat dadurch seinen Sheriff verloren. Er ist für diese Stadt gestorben. Der junge Logan hockt neben ihm und blickt mit leeren Augen zu Boden. Die Luft ist warm und mild. Mückenschwärme tanzen über der Straße. Sie tanzen über dem blonden Haar des jungen Mannes, der sein Haupt entblößt hat und mit weicher, behutsamer Bewegung die Augen seines Vaters schließt. »Kann ich dir helfen, Logan...?« Er hört die Stimme, blickt auf und sieht den alten Richter vor sich stehen. Und er schüttelt auf einmal heftig den Kopf und erwidert: »Nein, Richter - nein!« Richter Roak Beard hört die tiefe Abneigung in der spröden Stimme des jungen Mannes und versteht dessen stillen Zorn. »Wenn du mich brauchst, Logan - komm zu mir!« Er wendet sich ab und geht davon. Er geht, aber viele andere bleiben auf der Straße. Die ersten Petroleumlampen hängen an den Pfosten der Vordächer und beleuchten schwach die Straße. Logan zittert leicht. Er setzt sich den Stetson auf und hebt seinen Vater hoch. Langsam geht er mit seiner Last über die Straße zum Office. Die Menschen sehen in sein graues, ausdrucksloses Gesicht, als er an ihnen vorbeigeht, und sie sehen ihm nach, als er vorbei ist. Und sie schämen sich wohl ein wenig. Er bringt seinen Vater ins Office, legt ihn auf das schlichte Lager und geht wieder hinaus. Er holt den Colt und Stetson seines Vaters und sieht niemand in die Augen. Müde, mit hängenden Schultern und schleppendem Gang, bewegt er sich zurück zum Office. Die Nacht fällt über Laramie.
In dieser Nacht wird Logan Randolph ein anderer Mensch. Er macht eine starke Wandlung durch. Er wird zu einem Mann. Das gelbe Licht der Lampe fällt auf sein Gesicht, und dieses Gesicht ist ziemlich verkniffen, hart und kantig geworden. In dieser Stadt haben seine Eltern gelebt. Hier sind sie gestorben. Hier sind sie glücklich, aber auch unglücklich gewesen. Und hier hat sein Vater für den Frieden gekämpft. Für Ordnung, Frieden und Ruhe in Laramie hat er sein Leben gelassen. Ein ereignisreiches, buntbewegtes und hartes Leben ist ausgelöscht worden. Harvey L. Randolph hinterläßt seinem Sohn ein hartes Erbe. Einen schlichten Blechstern. Den Stern des Sheriffs von Laramie. Und Logan Randolph wird diesen Stern nehmen und in die Fußstapfen seines Vaters treten. Er wird den gleichen Weg gehen - unbeugsam, tapfer und in gerader Haltung. Diese Nacht macht Logan Randolph zu einem in sich gefestigten Mann. Als der Morgen kommt und wieder die Dämmerung über das bisherige Land fällt, erhebt er sich und geht hinaus. Die Luft ist kalt. In wenigen Tagen oder Wochen wird in Wyoming Schnee fallen. Die Luft läßt den nahen Winter ahnen. Und er geht auf die Straße hinaus - einsam und allein. Er lenkt seine Schritte durch die Stadt in eine kleine Seitengasse. Ein verwaschenes Schild über dem Eingang zum Hof zeigt jedem Fremden in Laramie, daß hier der Sargtischler wohnt. In diese Einfahrt geht Logan hinein. Er schlägt mit der flachen Hand gegen die Tür des Hauses, zu einer Zeit, in der noch niemand in der Stadt an das Aufstehen denkt. So dauert es auch sehr lange, bis die Tür geöffnet wird. »Was wollen...« Der dürre, kleine Mann spricht nicht weiter, als er den Mann an der Tür erkennt. Er verstummt jäh, schluckt und nickt.
Fragend sieht Logan ihn an. »Yeah, Logan«, sagt er leise, »yeah - du kannst ihn sofort haben. Ich habe ihn noch gestern abend fertiggemacht. Aber warum wartest du nicht? Du weißt, daß unsere Stadt deinen Vater auf dem letzten Weg begleiten will.« »Frag nicht soviel, Hutchkins«, erwidert Logan ihm rauh. »Hol den Wagen und spann das Pferd davor!« Hutchkins nickt, wendet sich ab, geht ins Haus und kommt wenig später wieder hervor, nun angezogen. Er geht an dem stumm dastehenden Logan Randolph vorbei zum Stall, spannt das alte Pferd vor den leichten Wagen und lenkt es auf den Hof. »Du mußt mit anfassen, Logan«, sagt er. Sie gehen in die Tischlerei, heben den Sarg an und bringen ihn auf den Wagen. Hutchkins setzt sich auf den kleinen Kutschbock, nimmt die Zügelenden und fährt sofort los. Logan Randolph geht nebenher zum Sheriff-Office. Sie bringen den Sarg ins Office, dann geht Hutchkins für eine Weile nach draußen. Er läßt Logan allein. Und er sieht die Straße verlassen und öde vor sich liegen. Lange Zeit bleibt es im Office still. Schließlich kommt Logan heraus. Sie sehen sich an. Er nickt. Und sie gehen wieder hinein, legen den alten Mann in sein letztes Bett, heben den Sarg an und schaffen ihn auf den Wagen. Dann rollt das Gefährt über die Fahrbahn, durch eine schlafende Stadt. Als Hutchkins mit dem leeren Wagen in die Stadt zurückfährt, steht auf dem Friedhof ein einsamer Mann vor einem offenen Grab. Die Blumen auf dem Nebengrab sind schon verwelkt... Im Osten wird es hell. Die Sonne geht auf. Ihre Strahlen schießen über den Horizont, fressen sich in den grauen Nebel der Morgendämmerung. In Laramie beginnt ein neuer Tag. Schon wenig später eilen
die ersten Leute über die Straße. Die Arbeit wird aufgenommen. Der Puls der Stadt beginnt wieder zu schlagen. Als sich die grauen Dunstschleier des Morgens verflüchtigt haben, sehen die Leute einen einsamen Mann vom Hügel kommen. Nun wissen sie, daß der große, alte Harvey Logan Randolph seine ewige Ruhe auf dem Hügel gefunden hat. Sie sehen seinem Sohn entgegen, wie er langsam und mit etwas steifen Bewegungen die Straße heraufkommt. Sie grüßen ihn. Er sieht und hört es nicht. Er schreitet über die Fahrbahn zum Office, geht hinein und schließt die Tür hinter sich. Sie können ihn am Schreibtisch sitzen sehen, wenn sie am Office vorbeigehen und einen schnellen Blick durchs offene Fenster hineinwerfen. Viele Stunden hockt er im Office. Einmal bringt ihm eine Frau eine Kanne mit heißem starkem Kaffee. In der Mittagszeit wird er auf der Straße gesehen, als er zum Haus des Richters Roak Beard geht. Erst eine Stunde später kommt er zurück. Er geht nicht wieder ins Office, sondern lenkt seine Schritte nach seinem leeren Elternhaus. Und sie sehen ihn erst wieder, als er auf einem Pferd die Stadt verläßt. Er reitet allein und einsam aus der Stadt. Logan spürt den kalten Reitwind im Gesicht. Er blickt nach den Bergen hin. Wyoming - das ist ein wildes, großes Land mit bewaldeten Hängen, Schluchten und ungeschützten Ebenen, mit sanften Tälern, Weiden und rauschenden Wildwassern. Und nun ist in diesem weiten Land Krieg - Krieg zwischen den Ranchern, Schafzüchtern und Siedlern. Aber auch in Laramie wird man es spüren, was in der unendlichen Weite des Landes geschieht. Und in dieser Stadt wird Logan Randolph den Stern tragen! Er wird einsam und tapfer für diese Stadt kämpfen. Daran denkt er, als er an diesem Mittag über das Land reitet. Er denkt
an seine große Aufgabe, an seinen Weg. Erst gegen Abend kommt er nach Laramie zurück. Vor dem Office gleitet er aus dem Sattel und sieht Richter Beard ernst und fragend an, der auf dem Gehsteig steht. »Ich sah dich in die Stadt kommen und habe hier auf dich gewartet, Logan«, sagt Roak Beard langsam. »Ja - am Nachmittag habe ich die Bürger zusammengerufen. Du bist gewählt worden, Logan! Du bist Laramies Sheriff!« Er hält unter dem Arm eine Bibel, und Logan versteht. Er folgt dem Richter ins Office. Wenig später kommen der Besitzer des Generalstores und der Pfarrer in die Amtsstube. Dann legt Logan Randolph seinen Eid ab. Von nun an ist er der Sheriff dieser Stadt mit allen Vollmachten, Pflichten und Einschränkungen, die ihm das Gesetz auferlegt. Sheriff Logan Randolph hat das Erbe seines Vaters angetreten. Als er mit den drei Männern aus dem Office kommt, funkelt der Stern an seiner Jacke. Sie gehen über die Straße zum Saloon. Viele Blicke folgen ihnen. Sie gehen in den Saloon hinein, in dem schon andere Gäste warten. Sie alle klatschen, als Logan Randolph durch den Raum schreitet. »Wie wirst du es nun tun, Logan?« spricht Roak Beard, als sie den ersten Whisky getrunken haben. Logan sieht ihn ernst an. »Es ist der gleiche Weg, den mein Vater gegangen ist, Richter«, murmelt er spröde. »Ich werde es nicht anders tun. Und Laramie soll ruhig bleiben, dafür will ich sorgen und notfalls auch kämpfen.« »Weißt du, was in den Bergen geschieht, Logan?« »Ich kann es mir denken.« »Yeah - und vielleicht wird Laramie noch ein Schauplatz erbitterter Kämpfe. Nicht jeder Kampf wird draußen in den Bergen ausgetragen werden, Logan. Heute, kurz nach der
Wahl, kam die Kutsche durch. Es heißt, daß eine große Schafherde von Cheyenne aus unterwegs in unser County ist. Sie soll schon die Laramie Mountains hinter sich gelassen haben. Vielleicht hat irgendeiner dieser großspurigen Rinderbarone im Westen davon gehört und ließ sich diesen Wayne Hollister schicken, oder er rief ihn selbst. Die Rinderbarone werden mit ihren Reitern ihr Land richtig abriegeln und kein Schaf hindurchlassen. Dann kommt es vor der Stadt zu einem Kampf.« »John Pritchard ist der Stärkste unter den mächtigen Rinderbaronen, nicht wahr?« murmelt Logan rauh. »Yeah - Pritchard hat alles in der Hand. Er wird wohl auch bald alle Rancher in einem Viehzüchterverband zusammenfassen und gegen die Schafzüchter und Siedler vorgehen«, antwortet Richter Beard. »Und es gibt kein Mittel, mit dem man ihn daran hindern könnte.« »Sicherlich werden sich die Schafzüchter auch zusammenschließen und dadurch stark werden wollen«, meint der Generalstore-Halter. »Ja - so sieht das dann aus, und Laramie ist der Mittelpunkt!« nickt Logan. »Ich habe heute bei der Versammlung die Aufstellung einer Bürgerwehr angeregt«, sagt Roak Beard, »und ich bin sicher, daß uns das auch gelingen wird.« Logan lächelt bitter und freudlos. »Mit einer Bürgerwehr ist es nicht getan«, sagt er hart. »Die Männer müssen auch bereit sein, zu kämpfen!« *** Logan Randolph trägt erst für Tage den Stern, als der Kummer schon beginnt. Es ist ein früher Morgen, und die Sonnenstrahlen wärmen schon nicht mehr richtig. An diesem kühlen Morgen sieht Logan ein Reiterrudel vor
der Stadt. Es kommt langsam näher. Voran reitet ein großer, breitschultriger Mann mit einem harten Gesicht. Howard Gibson ist zweifellos der Zweitmächtigste unter den Rinderbaronen, und ihm sagt man nach, daß er sich bisher nur an sein eigenes Gesetz gehalten hat. Dieser Howard Gibson kommt nun mit einem Teil seiner Mannschaft in die Stadt geritten. Logan bleibt vor dem Office stehen und sieht dem Rudel entgegen. Noch wirbeln die Hufe der Pferde den Staub der Fahrbahn auf, aber schon sehr bald wird es für viele Monate keinen Staub mehr in Laramie geben. Dann liegt die weiße Schneedecke auf dem Land. Howard Gibson hockt lässig und mit dem Stolz eines Mächtigen im Sattel. Seine Hände liegen auf dem Sattelhorn. Er trägt eine gefütterte Lederjacke, die bis auf seine kräftigen Oberschenkel fällt. Der schwarze Stetson sitzt tief in seiner Stirn. Ja, der Rancher kommt aus der Wildnis dieses Landes. Er sieht nach vielen Monaten wieder eine Stadt. In diesen Monaten ist er mit seinen Männern über sein weites Weideland geritten und war tage- und wochenlang ununterbrochen im Sattel. Es muß schon ein besonderer Grund vorliegen, daß Howard Gibson nach Laramie kommt. Vor dem Office hält er an. Seine Reiter halten hinter ihm, versperren die Straße. Rechts und links des Saloons läßt sich kein Einwohner sehen. Und erst recht nicht in der Nähe des Sheriff-Office. Ihre Blicke fressen sich ineinander fest. Auf der Straße wird es still. Dunkle, kalte Augen sehen Logan an - erinnern an den Blick Wayne Hollisters. Howard Gibson verzieht den dünnen, breiten Mund und sagt halb freundlich, halb drohend:
»Ah - der junge Logan ist nun Sheriff!« »Wußten Sie es noch nicht, Howard Gibson?« Logan lächelt dünn. Gibson beugt seinen breiten Oberkörper im Sattel vor. »Vor zwei Tagen wußte ich es schon, Junge!« sagt er und grinst kalt. »Und ich weiß dazu auch noch eine Menge mehr, und deshalb bin ich in die Stadt gekommen. Sicherlich hast du schon von dieser Schafherde gehört, die auf dem Trail in unser County ist, yeah!« Logan nickt. »Sicher«, sagt er nur. Howard Gibson starrt einige Atemzüge lang stumm auf den jungen Sheriff, dann sagt er auf einmal langsam: »Hör mich an, Logan Randolph! Diese Schafherde wird schon in den nächstenTagen unser Land erreichen. Sie wird vor der Stadt stehen und über mein Weideland nach den Bergen im Westen wollen. Aber ich will diese verdammten Schafhirten mit ihren stinkenden Viechern nicht auf meinem Land sehen! Die Tiere vergiften meine Weide. Und diese Hirten stinken drei Meilen gegen den Wind. Das alles will ich nicht erleben, hörst du, Sheriff?« »Was wollen Sie von mir, Gibson?« murmelt Logan rauh. »Okay, okay«, nickt der Rinderbaron. »Du wirst diesem Schafherdenboß sagen, daß er in die Hölle fahren wird, wenn er seine Herde auf mein Land treiben sollte. Sag ihm, daß Howard Gibson nur darauf wartet, daß er das erste Schaf auf meine Weide treibt! Du sollst ihn zur Vernunft bringen, ihn warnen. Wenn sie deinen Rat nicht befolgen und die Herde nicht zurücktreiben, gehen sie mit ihrer Herde in diesem County unter! Sag ihm das!« Hart und drohend kommen die Worte des Großranchers. »Ich soll also als Vermittler einen Krieg vermeiden, Gibson?« fragt Logan sanft. »Glauben Sie, daß es Erfolg haben wird?« Über Howard Gibsons Gesicht zieht ein flüchtiges,
boshaftes Lächeln. »Nein«, sagt er. Logan nickt bitter. »So ist das also.« »Ja«, knurrt Gibson rauh, »so ist es! Ich habe dich als Sheriff verständigt und so den Vertreter des Gesetzes als Vermittler eingeschaltet. Sollte es zu einem Kampf kommen, so stehe ich nicht auf der falschen Seite. Auf meiner Weide schreibe ich mein eigenes Gesetz, hier in der Stadt verkörperst du das andere Gesetz. Es ist deine verdammte Pflicht, den Herdenboß zu warnen! Wenn er nicht darauf eingeht, so werden die Waffen sprechen. Das ist es, Sheriff!« Nach diesen Worten zieht er sein Pferd herum und reitet langsam an. Die Mannschaft schließt sich ihm an. Sie reiten aus der Stadt und auf das offene Land hinaus. Logan steht immer noch vor seinem Office. Über die Fahrbahn kommt Richter Roak Beard. Er sieht den bitteren Ausdruck in den Augen des jungen Sheriffs. »Du wirst diese Schafzüchter nicht davon abhalten können, ihre Herde über Howard Gibsons Land zu treiben, Logan«, sagt er dunkel. »Und das weiß dieser Rinderbaron genau, nicht wahr?« »Ja«, sagt Logan bitter. »Der Krieg steht schon vor Laramie! Auf dem Weideland kann ich nichts gegen Howard Gibson oder diesen Schafherdenboß unternehmen. Und beide Parteien glauben sich stark genug, den Kampf aufnehmen zu können. Deshalb kommt es zu einem Krieg...« »Du bist für die Stadt zuständig, Logan«, sagt der Richter. »Was da draußen auf der Weide geschieht, fällt nicht in deinen Amtsbereich. Sieh nur zu, daß es in der Stadt ruhig bleibt.« »Glauben Sie, daß Gibson diesen Wayne Hollister ins Land gerufen hatte, Richter?« Der zuckt die Achseln und sieht ihn seltsam an. »Wir wissen es nicht - aber wir erfahren es schon irgendwann. Ich vermute, daß es John Pritchard war. Dieser
mächtige Rinderbaron wird vielleicht noch vor dem ersten Schnee seine Reiter durch das Land jagen und alle anderen Rancher zusammenziehen!« Logan nickt stumm. Er dreht sich langsam um und geht ins Office, während der Richter wieder über die Fahrbahn zurückgeht. Im Office ist es halbdunkel. Logan setzt sich hinter dem Tisch auf den Drehstuhl, legt die Arme auf die Tischplatte und starrt nachdenklich in den Raum hinein. Irgendwann hebt Logan den Blick und sieht zur offenstehenden Tür. Er kann nur einen sehr begrenzten Blick auf die Straße werfen. Und er hört das Stampfen und Schnauben zweier Pferde, die wohl einen Frachtwagen ziehen. Er erhebt sich und geht vor die Tür. Ein schwerer Prärieschoner kommt in die Stadt. Schaumflocken haben sich an den Nüstern der Wagenpferde gebildet. Und der Planwagen ächzt und schaukelt. Auf dem Kutschbock sitzen ein älterer Mann, eine Frau und ein junges Mädchen. Der Alte hält die Zügel und lenkt den Wagen in die Stadt. Als er in Höhe des Sheriff-Office ist, sieht er den schlanken jungen Mann davor und zieht die Zügel straff. Er übergibt sie seiner Frau, klettert vom Wagen und kommt über die Straße. Er bleibt auf der Fahrbahn vor dem Gehsteig stehen und sieht zu Logan Randolph auf. Seine Augen sind gut, und sein Gesicht ist offen, ehrlich und von Wind und Wetter gezeichnet. »Tag, Sheriff«, sagt er mit dunkler Stimme. Er setzt den rechten Fuß auf die untere der beiden Stufen, die zum Gehsteig hinaufführen. Logan sieht den Mann freundlich an und grüßt zurück. »Wir haben einen weiten Weg hinter uns, Sheriff«, sagt der Mann. »Kommen von Cheyenne herauf. Glauben Sie, daß Sie dort noch freies Land bekämen? Ho, dort ist alles ziemlich vergeben - das gute Land jedenfalls! Ja, wir wollen weiter nach
Westen. In Cheyenne sagte man mir, daß hier noch was zu machen ist. Wie ist es damit, Sheriff?« Logan verzieht den Mund bitter. »Hier gibt es noch Land genug, freies Regierungsland, Mister«, murmelt er. »Aber es sieht so aus, als wenn es bald in diesem County mächtig heiß wird. Die Rancher sind nicht nur die Feinde der Schafzüchter, sondern auch der Heimstättensiedler. Vielleicht ist es besser für Sie und Ihre Familie, wenn Sie weiter nach Westen ziehen zum North Platte River oder in das Quellgebiet des Little Snake River.« Der Mann schüttelt den Kopf. »Ich suche gutes Land, Sheriff - nur das allein ist wichtig für uns! Ich bin mit meiner Familie schon einige Monate unterwegs. Einmal muß der Weg ja auch zu Ende sein. Well, wenn es in diesem County gutes Land gibt, dann bleiben wir hier. Und wir können uns wehren, Sheriff!« »Sie müssen es wissen, Mister«, murmelt Logan. »Sicher, ich weiß es. Sagen Sie mir nur, wo ich dieses gute Land finde, Sheriff.« »Fahren Sie nach Westen - bis zum Fluß. Dort finden Sie es. Dort sind auch schon andere Siedler. Und wenn Sie es gefunden haben, lassen Sie die fünfundsechzig Hektar hier in Laramie beim Makler eintragen. Dann müssen Sie auch noch die Bank hier verständigen. Die überwacht mit dem Makler zusammen die Vergabe des freien Regierunslandes. Yeah, gehen Sie zum Fluß. Dort haben Sie auch im Hochsommer genug Wasser. In anderen Ecken sieht es für die Siedler schlimm aus; dort haben die Rancher alle Tränken, Wasserlöcher, Bäche und Flußufer besetzt und schießen auf jeden, der sich dem Wasser nähert. Aber vielleicht wird es auch hier eines Tages so. Sie müssen wissen, was Sie tun, Mister.« Der Siedler blickt ihn aufmerksam und forschend an. »Danke«, sagt er rauh. »Vielleicht sehen wir uns schon in den nächsten Tagen, Sheriff. So long.«
Er geht zum Wagen zurück, klettert hinauf, nimmt die Zügel und treibt die Wagenpferde mit der Peitsche wieder an. Der Prärieschoner rollt vorbei, und Logan sieht auf der heruntergeklappten, waagerecht stehenden Rückwand des Prärieschoners einen vielleicht fünfzehn Jahre alten Burschen sitzen, der die Beine baumeln läßt und mit dem lebhaften Interesse seiner Jugend das Straßenleben beobachtet. Langsam rollt der schwere, voll beladene Wagen durch die Stadt nach Westen. Logan Randolph blickt diesem Wagen nach, bis er hinter den letzten Häusern verschwunden ist. Er denkt an die harte Zukunft dieses Mannes, und er denkt auch an das Mädchen, das er auf dem Wagen gesehen hat. Nur einmal hat er ihren Blick aufgefangen, als der Siedler zum Wagen zurückgegangen ist. Vielleicht wird er eines Tages zum Fluß reiten, um das Mädchen wiedersehen zu können. Vielleicht... Er will gerade ins Office gehen, als mehrere Schüsse am Stadtrand aufpeitschen. Schreie und Pfiffe ertönen. Pferde wiehern schrill. Hufe trommeln. Dann kommt auch schon eine wilde Mannschaft in die Stadt geritten, und Logan Randolph weiß sofort, daß es nur die große Treibherdenmannschaft des mächtigen John Pritchard sein kann, jene Crew, die wochenlang auf dem Trail gewesen ist und Pritchards große Rinderherde noch dem Verladebahnhof von Cheyenne getrieben hat. Dort, in Cheyenne, liegt der Schienenstrang der Union Pacific, der Eisenbahngesellschaft, die die einzige Bahnlinie besitzt, die derzeit den Westen mit dem Osten verbindet, wo die riesigen Fleischfabriken stehen. Die Treibherdenmannschaft kommt nun zurück. Und sie wird in Laramie ihr Vergnügen suchen wollen, bevor sie nach der großen Ranch weiterreitet. Logan kann es diesen rauhen Männern nicht verbieten. Laramie ist eine freie, offene Stadt, in die jeder kommen kann.
Er kann nicht gegen diese lärmende Mannschaft einschreiten, denn in ihrer Handlungsweise liegt nichts Bedrohliches für die Bürgerschaft. Es ist eine verwegene Crew - verstaubt, schweißnaß, mit gefütterten Lederjacken, bunten Halstüchern, und klirrenden Sporen. Mager und bärtig sind die Gesichter dieser rauhen Reiter. Und sie kommen die Straße herauf, halten vor dem Saloon, schwingen sich lachend und lärmend von den Pferden und stürmen hinein. Logan lächelt dünn und sieht nach den fernen Bergen hin, deren Gipfel schon in den grauen Dunst des kommenden Winters ragen. Dort oben ist die Luft bereits eiskalt und, scharf. Und weiter im Westen liegt schon Schnee auf den Gipfeln der Rocky Mountains. Die Natur stirbt. Er atmet tief ein und geht wieder ins Office. Er zieht sich eine warme Jacke über und sucht dann das kleine Restaurant in der Stadt auf. Dort bestellt er sich ein gutes Mittagessen, raucht und denkt an viele Dinge, die ihn immer wieder bewegen und nicht zur Ruhe kommen lassen. Im Speisezimmer sitzen noch zwei Siedler an einem Tisch, die wohl in der Stadt Lebensmittel kaufen wollen, und mehrere Leute aus der Stadt. Draußen auf der Straße ertönt wieder einmal Hufschlag. Diesmal kommt die Kutsche in die Stadt, mit rasselndem Geschirr, Peitschengeknalle und keuchenden Pferden. Sie rollt zur Posthalterei. Ein Mann betritt das Restaurant, sieht sich an der Tür um und eilt auf Logan zu. Sein Gesicht ist gerötet, sein Atem geht schnell. »Sheriff«, sagt er schnaufend, »im Saloon tobt Pritchards Rudel! Jim Copperfield hat sich einen der Siedler vorgenommen. Ich glaub', er schlägt ihn nieder!« »Verflucht!« flüstert Logan bitter, richtet sich auf und folgt
dem Mann. Auf dem Gehsteig hält sich der Mann hinter ihm. Logan nähert sich dem Saloon und hört schon das wilde Gejohle der Reiter. Plötzlich fliegt die Pendeltür des Saloons auf, und ein Mann stürzt heraus. Wenig später erscheint der große Treibherdenboß Jim Copperfield. Mit angewinkelten Armen steht er breitbeinig vor dem sich gerade aufrichtenden Siedler. Und dann schlägt er wieder zu, und der Siedler fällt vom Gehsteig auf die Straße. Schon ist Copperfield bei ihm, packt den Mann, zerrt ihn hoch und wirft ihn in den Trog neben der Haltestange, vor der die Sattelpferde erregt tänzeln und schnauben. Der Herdenboß lacht laut, wendet sich ab und geht wieder in den Saloon. Und der Siedler kommt gerade in dem Augenblick aus dem Trog hervor, als Logan Randolph den Saloon erreicht hat. »Sperren Sie diesen Hundesohn ein, Sheriff!« keucht der Siedler in ohnmächtiger Wut. »Er fing an! Wir unterhielten uns mit einigen aus der Stadt über die Aufstellung der Bürgerwehr - und das paßte diesem verdammten Hundesohn nicht! Ja, sperren Sie ihn ein, Sheriff!« Logan antwortet nicht. Er geht auf die wild schlagende Pendeltür zu und stößt sie auf. Jim Copperfield steht vor einem Tisch, an dem zwei Siedler und drei Einwohner von Laramie wie erstarrt sitzen, beugt sich vor und sagt grollend und zugleich drohend und triumphierend: »Wer von euch elenden Wühlmäusen ist noch für die Bürgerwehr, he?« Niemand von den Männern am Tisch, die inmitten dieses wilden Rudels so gut wie verloren sind, niemand von ihnen hat den Mut, diesem harten Trailboß die Stirn zu bieten. Jim Copperfield will schon den Tisch packen und umreißen, als er eine scharfe Stimme hinter seinem Rücken hört: »Ich, Copperfield!«
Es geht wie ein Ruck durch seinen Körper. Er hebt die mächtigen Schultern und dreht sich langsam um. Er sieht vor der Tür einen schlanken, drahtigen Mann stehen. Der Stern schimmert schwach im Halbdunkel. »Seit wann trägt dieser Junge den Stern?« schnauft Jim Copperfield, und seine Frage ist wohl an die Anwesenden gerichtet. Logan antwortet selbst. »Seitdem irgendeiner von euren verflucht großmäuligen Rinderbaronen einen Schießer wie Wayne Hollister in dieses Land gerufen hat! Old Logan gab ihm die verdiente Kugel und schaffte es dann selbst nicht mehr. Seitdem trage ich den Stern, Jim Copperfield!« »Ah - so sieht es also aus?« knurrt der Trailboß. »Aber du scheinst vergessen zu haben, wem dieses Land eigentlich gehört! Nicht den verdammten Siedlern mit ihrem Dreck von Heimstättengesetz - und auch nicht diesen stinkenden Schafhirten! Dieses Land gehört einzig und allein uns - und unseren Herden! Diese Dreckskerle ziehen überall Zäune, und unsere Rinder verletzen sich daran. Sie wühlen das Land auf, zerreißen die Grasnarbe und bebauen es mit diesem kläglichen Weizen. Und die Schafe fressen das Gras weg und verpesten das ganze Land mit ihrem Gestank! Was soll der Quatsch mit der Bürgerwehr, he? Willst du mit diesem Affenverein irgend etwas Bestimmtes erreichen, Logan Randolph?« Der bleibt ruhig und beherrscht. »Sicher, Copperfield! Die Bürgerwehr soll in dieser Stadt für Ruhe und Ordnung sorgen und großmäuliges Gesindel aus der Stadt jagen. Ja, hör nur gut zu, großer Trailboß. Eure Zeit der Selbstherrlichkeit ist bald vorbei. Nach diesem Winter wird euer Hochmut gebrochen sein! Irgendwann werden die Starken besiegt sein, und dann ist dieses Land endlich ruhig. Den Siedlern und Schafzüchtern gehört das freie Regierungsland genausogut wie euch; jeder hat das Recht, hier zu leben. Diese Rinderbarone haben sich das
Land angeeignet, das ihnen nicht gehört. Und sie können dieses weite Land auch gar nicht mit ihren Rinderherden ausnutzen. Aber ihre Gier kennt ja keine Grenzen. Und nun wollen hier auch andere Männer leben, die nicht Rinder züchten! Und das ist ihr Recht. Für dieses Recht stehe ich zu jeder Zeit ein, Jim Copperfield!« Logan steht diesem wilden Rudel einsam und allein gegenüber. Er ist so allein, wie es ein Mann ohne echte Freunde nur sein kann in diesem weiten Land. »Was glaubst du, wie wenig mich das interessiert, he?« höhnt Jim Copperfield. »Du bist einige Jahre jünger als ich, Randolph, und vielleicht findest du es richtig, diesen Blechstern zu tragen. Aber du bist wirklich zu jung für dieses Land! Du hast dir da was vorgenommen, was dir das Genick brechen wird. In diesem Land herrschen die Rancher - niemand sonst. Ja, stell' diese Bürgerwehr nur auf - aber wir lassen uns doch nicht von diesen Affen einschüchtern, großer Sheriff! Wir kommen in die Stadt, wann es uns paßt, und wir gehen, wenn wir hier genug haben! Und auch ein Logan Randolph wird bestimmt nichts daran ändern können - gar nichts!« Einen kurzen Moment fühlt Logan die Wut in sich hochsteigen, aber dann beherrscht er sich doch noch. Er sieht zum Salooner hin und fragt mit ruhiger, scharfer Stimme: »Wieviel hat Jim Copperfield getrunken?« »Eine Flasche«, antwortet der Salooner. »Ja - eine ganze Flasche!« brüllt Copperfield wütend. »Und ich trinke jetzt noch eine.« Er will sich in Bewegung setzen, stößt schon den ersten seiner Männer hart beiseite, als er aus den Augenwinkeln heraus die schnelle Bewegung des Sheriffs sieht. Er erstarrt jäh, als er die runde, kalte Mündung des Colts auf sich gerichtet sieht. Und dann hört er auch schon die frostige Stimme an der Tür. »Nimm die Hände hoch, Copperfield! Wirklich, ich hab'
genug von dir! Du hast einen Siedler verprügelt und andere bedroht. Das genügt mir. Halt! Schnall erst den Waffengurt ab!« »Einen Dreck werde ich!« faucht Jim Copperfield und nimmt wieder Front zu Logan Randolph ein. In seinem Gesicht zuckt es heftig. Er will nicht klein beigeben; das wäre zuviel für ihn. »Ich habe hier niemanden bedroht! Meine Männer können das jederzeit durch einen Eid beweisen! Und dieser Siedler da draußen hatte mich persönlich beleidigt.« »Bemühe dich nicht, Jim Copperfield«, sagt Logan mit einem kalten Lächeln. »Ich kenne dich - jeder in der Stadt kennt dich. Es interessiert mich nicht, inwieweit deine Leute einen Meineid ablegen würden. Leg schon den Gurt ab und heb die Hände! Ich habe genug von dir, Copperfield.« Die dunklen Augen des Trailbosses sprühen vor Wut. »Du machst ein verflucht gefährliches Spiel, Sheriff!« flüstert er heiser. »Ich will hier keine Schießerei beginnen! Okay, ich nehme den Gurt ab, ich hebe auch die Hände. Aber komm nur nicht auf unser Land, Logan Randolph! Dann schießen wir es aus!« Der schwere Waffengurt poltert auf die Fichtendielen. Der Trailboß hebt die Hände bis in Schulterhöhe. »Geh' raus!« sagt Logan hart. »Geh auf die Straße.« Das Rudel verläßt den Saloon, als Logan mit dem Trailboß über die Straße geht. Copperfield hat die Hände heruntergenommen und Logan geht drei Schritte hinter ihm. Er bringt ihn in eine der drei kahlen Zellen des kleinen Gefängnisses, das direkt hinter dem Office liegt und mit diesem durch einen Gang verbunden ist. Er schlägt die Gittertür hinter ihm zu, legt das schwere Schloß davor und sieht Jim Copperfield bitter an. »Das hätte nicht geschehen brauchen!« sagt er spröde. »Aber du wirst nun wissen, daß sich in der Stadt nichts geändert hat. Ich trage wie mein Vater den Stern, Jim
Copperfield!« »Eines Tages bringe ich dich um!« flüstert der Rancher. »Und du wirst schon sehen, wie es deinen Siedlern und stinkigen Schafzüchtern bald ergehen wird.« »Habe ich dir noch nie gesagt, daß du zuviel sprichst, Jim Copperfield?« lächelt Logan ernst. Dann wendet er sich ab und läßt den Trailboß allein. Als er auf die Straße kommt, verläßt das Rudel gerade die Stadt. Roak Beard, Bruce Lemmerson, der Storehalter, und Reverend Mill kommen auf ihn zu. Ihre Mienen sind ernst. »Das kann bitter werden, Logan!« murmelt der Richter. »Wir haben gesehen, wie du mit Jim Copperfield umgesprungen bist. Und glaubst du, daß John Pritchard sich das alles bieten läßt? Der wird schon morgen in der Stadt sein und seinen Trailboß holen!« »Soll ich ihn etwa höflich bitten, die Siedler nicht mehr zu verprügeln, auch nicht mehr zu belästigen, he?« sagt Logan scharf und bitter. »O nein, Richter, Copperfield wird in dieser Nacht im Jail hocken und darüber nachdenken können.« »Der Stadt ist nicht damit geholfen, wenn wieder ein Sheriff auf der Straße niedergeschossen wird!« sagt Lemmerson dumpf. »Halte dich ans Gesetz, Logan! Dein Vater...« »Vater hätte nicht anders gehandelt, Mr. Lemmerson! Und ihr alle habt mich gewählt. Nun steht auch zu mir und seht zu, daß eine Bürgerwehr aufgestellt wird. Nur damit könnt ihr mir helfen, nicht durch schöne Worte. Guten Tag, Gents!« Damit macht er kehrt und geht sporenklirrend ins Office zurück. *** John Pritchard ist nicht nur der mächtigste, sondern auch der gescheiteste und gerissenste Rancher in einem Umkreis von über fünfzig Meilen. Zu seiner Klugheit gesellt sich eiskalte
Berechnung. Im Gegensatz zu Howard Gibson, der ständig bei seinen Männern und im Sattel ist, herrscht Pritchard von seiner gewaltigen Ranch aus und läßt sich nur selten bei den Herden sehen. Dieser Rancher weiß, wie die Zukunft aussehen wird. Noch ist das Land offen, aber in wenigen Jahren schon wird nur der sein Reich behalten und behaupten können, der die allmächtigen Kapitalgesellschaften hinter seinem Rücken hat die Banken, Eisenbahngesellschaften und Fleischfabriken. Und er weiß auch, wie er die eindringenden Siedler und Schafzüchter von seinem Land halten kann - durch Stacheldraht. Er hat einen weiten Blick, dieser Großrancher. Und doch übersieht er dabei die kleinen Dinge im Leben, die oft so entscheidend sein können. Sein Blick ist immer auf die noch weiten, großen Ziele gerichtet. Und er ist es auch gewesen, der die Bildung eines Viehzüchterverbandes angeregt hat. Er weiß, daß sie als Rancher zusammenhalten und eine gewaltige Macht bilden müssen, um Siedler und Schafzüchter im großen Stil vertreiben zu können. Zunächst will er es mit Gewalt versuchen. Seine grauen Augen sehen Logan Randolph an diesem Vormittag an. Erst vor wenigen Minuten ist John Pritchard in die Stadt gekommen - nur in Begleitung seiner zwei Leibwächter. Nun halten sie vor dem Office. Logan steht vor seinem Office und macht ein ausdrucksloses Gesicht. Die Straße von Laramie ist an diesem ungewöhnlich kalten Vormittag beinahe leer. Die Leute halten sich in ihren Häusern auf - oder in den Saloons. Logan sieht in die grauen Augen des Mannes, der die Macht im Land verkörpert. Kleine Augen sind es. Die kalte Luft läßt sie ein wenig tränen. Sie schillern etwas und sind von einer
durchdringenden Schärfe. »Wo ist er?« fragt John Pritchard plötzlich; seine Stimme klingt sehr sanft - beinahe schon väterlich. Er beugt sich bei seinen Worten etwas im Sattel vor und legt die schlanken Hände aufs Sattelhorn. Die Revolvermänner hocken still und wie erstarrt im Sattel. »Im Jail«, murmelt Logan. »Er hatte zuviel getrunken - und außerdem einen Trail hinter sich«, spricht John Pritchard ruhig, wie entschuldigend. »Eine Flasche Whisky«, sagt Logan. »Ja - aber ist das alles so schlimm gewesen, Sheriff?« fragt der Rinderbaron, und ein dünnes Lächeln umspielt sekundenlang seinen Mund. Er besitzt für sein Alter von fünfzig Jahren noch prächtige Zähne. »Das muß ich entscheiden - nicht Sie, Mister«, entgegnet Logan und wirft einen schnellen Blick auf die Revolvermänner. Pritchard senkt ein wenig das Kinn. »Ihr jungen Leute«, sagt er sanft, »macht das alles immer gleich sehr dramatisch. Was erreichst du damit, Sheriff? Nichts. Du machst dir meinen Trailboß nur zum Feind. Was hast du also davon?« Logan lächelt bitter. »Immerhin haben Sie sich nach langer Zeit nach Laramie begeben, Mr. Pritchard!« sagt er. »Ist das nichts?« »Du meinst, wegen Jim Copperfield, Sheriff?« Pritchard lächelt milde. »Nein, junger Sheriff, deshalb doch nicht... Aber du solltest mir dankbar sein, Sheriff, daß ich von meinem Weg abgebogen und in die Stadt gekommen bin. Ich will vermeiden, daß mein Trailboß etwas Verrücktes anstellt, Sheriff. Denn du hast ihn ja willkürlich ins Jail gesteckt, nicht wahr?« Logans Augen funkeln ironisch. »Ich weiß Ihre Hilfe zu schätzen, Mister«, sagt er sanft. »Und Sie sollen Ihren großenTrailboß haben.«
Er wendet sich ab und geht ins Office. John Pritchard bleibt ruhig im Sattel sitzen, nur seine Augen flammen einen Atemzug lang böse auf. Logan sieht es nicht. Pritchard würde es auch niemals, offen zeigen, wie groß der Haß in ihm ist. Und er haßt alle Leute, die die Grenzen seines weiten Landes in irgendeiner Art und Weise bedrohen. Aber äußerlich bleibt er immer ruhig, gelassen, und sehr friedfertig. Als Logan ins kleine Gefängnis kommt, erhebt Jim Copperfield sich von der harten Pritsche, stellt sich an die Gittertür und sieht Logan entgegen. Er spricht kein Wort. Aber seine glühenden Augen sagen genug. Logan schließt die Gittertür auf, öffnet sie und läßt den Trailboß dann heraus. Schweigend geht Jim Copperfield vor ihm her ins Office. Logan gibt ihm den Waffengurt wieder zurück. »Bevor du hinausgehst, Jim Copperfield, muß ich dir noch etwas sagen«, murmelt Logan rauh. »Du hast hier in der Stadt den wilden Mann gespielt, und ich habe dich dafür eingesperrt. Das nächste Mal wirst du wohl zum Eisen greifen wollen - aber tu' es nicht, Trailboß! Du bist nicht schneller als ich. Und nun geh zu deinem großen Boß!« Heiser und drohend ist die Stimme Copperfields. »In der Nacht habe ich viel Zeit gehabt, darüber nachzudenken! Und ich weiß nun, daß du mir nicht entgehen wirst, Logan Randolph!« »Du bist ein Narr, wenn du es tust, Copperfield!« sagt Logan warnend. DerTrailboß lacht leise und bösartig; dann geht er hinaus. Aber seine Großschnäuzigkeit ist sofort verflogen, als er in die grauen Augen John Pritchards sieht. Vielleicht ahnt er, daß es in Pritchard nur so kocht vor Wut. »Wo ist dein Pferd, Jim?« fragt der Rinderbaron, und falsche Freundlichkeit färbt den Klang seiner Stimme. »Auf dem Hof hinter dem Office«, entgegnet Logan, auf
den Gehsteig tretend. »Hol es!« befiehlt Pritchard seinem Trailboß, und der geht auch sofort auf den Hof. Pritchard sieht Logan Randolph an. Er schüttelt auf einmal wie mißbilligend den Kopf. »Junger Logan Randolph! Dein Vater war ein prächtiger, rauher Sheriff, aber du hast von ihm nicht diese geduldige Ruhe geerbt. Du handelst zu unüberlegt, Sheriff! Es täte mir leid, wenn wir deshalb einmal aneinandergeraten würden. Sei also vernünftig, Junge, ja? Du weißt doch, daß ich diese Stadt in Ruhe lasse, nicht wahr? Aber wenn hier ein junger Sheriff glaubt, John Pritchard ärgern zu können, dann sieht es plötzlich verdammt schlecht in dieser Stadt aus!« Logan sieht ihn kalt an. »Sie haben in dieser Stadt nichts zu sagen, Mister! Und ich werde dafür sorgen, daß es auch so bleibt, Mr. Pritchard. Lassen Sie Laramie in Ruhe! Und glauben Sie nicht, daß Sie mich mit Ihren Worten einschüchtern können!« »Ja, wirklich - du bist ein wilder, junger Hengst!« sagt Pritchard sanft. »Weißt du, daß wir früher in diesem Land viele Wildpferde hatten? Ich habe sie damals gejagt und einbrechen lassen. Vielleicht wirst auch du eines Tages meine zähmende Hand spüren müssen. Aber sei lieber vernünftig, Junge. Am Ende würde es dir eine Kugel einbringen.« Er dreht den Kopf und sieht zur Hofeinfahrt, aus der nun Jim Copperfield geritten kommt. Dann zieht er sein Pferd herum und reitet die Straße hinauf. Copperfield und die Revolvermänner folgen ihm. Logan hakt die Daumen hinter den Waffengurt und schluckt hart. Er steht einsam und allein auf dem ausgetretenen Brettersteg, und im nur wenig wärmenden Sonnenlicht wirft der Stern glitzernde Reflexe. Logan hat noch nichts gegessen; sein Magen knurrt hungrig. Er geht über die Straße zum Restaurant und setzt sich an den
Tisch am Fenster. Der Keeper sieht ihn freundlich an. »Hoffentlich können Sie heute Ihr Essen in Ruhe verdauen, Sheriff«, sagt er. »Es ist ja keine wilde Mannschaft in der Stadt. Was meinen Sie - wird es bald Schnee geben?« Logan blickt lächelnd zu ihm auf. »Yeah, in den nächsten Tagen schon. Aber es wird auch so verdammt heiß in diesem County bleiben.« Der Keeper nickt. »Mit der Bürgerwehr klappt es nicht so richtig«, sagt er. »Erst waren es fünf, nun sind's nur noch drei, die in die Bürgerwehr wollen. Hab' es gerade eben von Dave Widmark gehört; er hat seine freiwillige Meldung nicht zurückgezogen.« »Dave Widmark? Ist das nicht der einarmige Storegehilfe?« »Ja - der ist es, Sheriff.« Logan blickt aus dem Fenster auf die Straße. »Bringen Sie mir wieder ein gutes Steak«, murmelt er dabei. Während der Keeper in die Küche geht, denkt Logan noch an diesen einarmigen Burschen im Store. Und er nimmt sich vor, ihn einmal aufzusuchen. Bald duftet das Steak vor ihm, und er ißt langsam und mit Genuß. Nach dem Essen holt er sein Rauchzeug hervor, dreht sich eine Zigarette und beginnt zu rauchen. Der Keeper kommt, und er bezahlt. Aber er bleibt noch eine Weile sitzen, raucht und denkt an John Pritchard. Nur Pritchard und Howard Gibson sind bis jetzt in der Stadt gewesen - die beiden Mächtigen im County. Und mit diesen beiden Rinderbaronen wird es wohl noch eine Menge Kummer und Verdruß geben. Die anderen werden sich mehr zurückhalten; sie wohnen auch zu weit ab. Dann denkt er auch an die heranziehende Schafherde, und unwillkürlich flucht er leise. Schließlich erhebt er sich, geht hinaus und sucht den Barbier auf. Im Barbier-Salon läßt sich Richter Roak Beard gerade den Bart schneiden.
Logan setzt sich auf einen der Stühle und läßt sich die Bartstoppeln aus dem Gesicht schaben. »Glauben Sie, daß die Aufstellung einer Bürgerwehr überhaupt noch zustande kommt, Richter?« fragt er etwas dumpf. »Zwei sind zurückgetreten, wie ich hörte.« »Ja, das stimmt, Logan«, sagt Roak Beard. »Zwei wollen nicht mehr mitmachen. Die Sache von gestern, Logan...« »Nur deshalb, Richter? War die gestrige Sache nicht ein prächtiger Vorwand für diese beiden Männer, ihre Meldung zurückzuziehen? Sie sind feige, durch und durch. Das ist es, Richter, nur das allein!« »Das ist ihre Sache allein, Logan«, meint Beard ruhig. »Es tut mir leid wegen gestern, Richter...« »Schon gut, Logan. Willst du dich nicht bald nach einem Deputy umsehen? Vielleicht will einer den Deputy-Stern tragen?« Logan lachte bitter. »Sie machen Witze, Richter! In Laramie soll ich einen Deputy finden?« »Versuche es!« »Glauben Sie wirklich, daß ich in Laramie einen guten Mann finden kann, Richter? Einen Mann, der John Pritchard und Howard Gibson nicht fürchtet.« »Ich helfe dir dabei, Junge.« Logan kann nicht antworten, denn der Barbier hat das scharfe Rasiermesser an seinem Hals. Roak Beard steht nun auf und greift nach seinem Hut. Er kommt zu Logan und sagt: »Denke nicht, daß die ganze Stadt nur aus Feiglingen besteht, Logan! Du stehst jetzt noch verdammt einsam und allein da, aber es werden sich schon einige gute Männer finden lassen. Ich werde eine Versammlung anberaumen lassen. Die Stadt muß begreifen, daß man den Frieden nur bewahren kann, wenn man jederzeit bereit ist, dafür auch zu kämpfen.« Dann geht er hinaus. Bald ist auch Logan fertig. Als er auf die Straße kommt,
sieht er zwei Heimstättensiedler auf schweren Ackerpferden die Straße heraufkommen. In den Augen dieser Männer ist wilder Zorn. Dicht vor ihm zügeln sie die Pferde. Und einer von ihnen, ein knochiger, bärtiger Mann, sagt mit grollender Stimme: »In der letzten Nacht haben sie unseren Winterweizen niedergestampft und das Feld verwüstet. Sie haben den Pflug zerschlagen und wollten unsere Häuser in Brand setzen. Wir konnten sie noch davon abhalten. Aber sie werden wiederkommen.« Logan schluckt schwer. »Habt ihr sie erkannt?« Der Siedler schüttelt den Kopf. »Nein«, sagt er zornig. »Der Himmel war wolkenverhangen, und außerdem ziehen die Nebel vom Fluß her in unserTal.« »Sind noch andere Siedler angegriffen worden?« »Nein - wir liegen ja etwas abseits, und diese verdammten Halunken griffen uns deshalb ja auch an!« schnappt der Siedler, und tiefe Bitterkeit liegt in seiner Stimme. »Wer schützt uns vor diesen Bösewichtern, Sheriff? Sie?« Logan blickt den aufgebrachten Siedler sehr ernst an. »Ich kann es nur, wenn ihr mit euren Familien in die Stadt kommt«, sagt er. »Da draußen am Fluß müßt ihr euch allein helfen. Schließt euch zusammen, stellt ein richtiges Wachkommando auf, das zu jeder Zeit bereit sein kann! Ihr seid in dieses Land gekommen, nun kämpft um eure Zukunft, Mister!« Die Siedler verstehen ihn. »Wir wollen mit unseren Frauen und Kindern für eine gute Zukunft arbeiten, wir wollen in Frieden leben und niemanden belästigen. Und wie kommt man uns, he? Aber Sie haben recht, Sheriff - wir müssen uns wohl selber helfen! Und wir verübeln Ihnen das auch nicht, Mister. Sie stehen wohl selbst ziemlich allein in dieser Stadt!« »Schon möglich, Siedler.«
»Ah - genauso ist es doch! Wie verheißungsvoll hat man dieses Land nun geschildert. Im Osten werben riesige Plakate für dieses Land, und es heißt dort, daß man hier sein eigener König sein kann auf eigenem Grund und Boden. Statt dessen schuften wir, und unsere Frauen sind wie Sklavinnen, sie rackern sich ab und kommen nicht zur Ruhe. Und wenn wir etwas geschafft haben, dann kommen diese Halunken über unsere Felder und verwüsten alles! Ja, wir müssen kämpfen. Das ist schon richtig, Sheriff!« Er nickt grüßend, treibt sein schweres Wagenpferd an und reitet dann schräg über die Fahrbahn zum Store. Sein Begleiter folgt ihm. Nachdenklich sieht Logan den Siedlern nach und begibt sich dann zum Office zurück. Er verschließt die Tür von innen, geht durch die Hintertür auf den Hof und sattelt sein Pferd. Dann sitzt er auf und reitet aus der Stadt. Das Land liegt vor ihm - weit und ein wenig wellig. In der Ferne wuchten die Mountains in den bleiernen Himmel. Er reitet wohl zwei Stunden, taucht in den Hügelfalten unter und kommt an kieferbestandenen Hängen vorbei. In erhabener Ruhe liegen Täler, Berge und Hügel vor dem Reiter. Schließlich erreicht er einen Hohlweg zwischen zwei Hügeln und sieht vor sich den Fluß. Als er noch etwa zehn Minuten geritten ist, erblickt er die erste Blockhütte eines Heimstättensiedlers. Er reitet darauf zu, und der Siedler kommt aus seinem Haus. Er sieht den Reiter wachsam und mißtrauisch an und erkennt dann den Stern auf der Lederjacke. Aber er wird dadurch nicht freundlicher. »Was wollen Sie hier, Sheriff?« knurrt er. Logan tippt an die Krempe seines Stetsons. »Ist gestern oder heute morgen ein neuer Siedler mit seiner Familie hier vorbeigekommen, Mister?« »Ja, sicher«, sagt der Siedler. »Reiten Sie nur am Fluß weiter!«
Irgendwann sieht er mehrere Blockhütten weit verstreut im Land. Und wenig später erkennt er einen schweren Planwagen, der unter den kahlen Ästen eines Baumes steht. Neben dem Wagen flackert ein Lagerfeuer, und zwischen Wagen und Baumstamm ist eine Windschutzplane aufgespannt. Am Feuer steht eine Frau. Der Siedler verharrt vor dem Wagen und blickt dem Reiter entgegen. Er hat die warme Jacke aufgeknöpft und wird wohl gerade eben noch schwer gearbeitet haben. Logan gleitet aus dem Sattel, und der ältere Siedler sagt freundlich: »Freut mich, daß Sie uns einmal besuchen, Sheriff! Haben Sie etwas Besonderes auf dem Herzen?« Das hat Logan schon, wenn er es in diesem Moment auch selbst noch nicht weiß. Aber irgend etwas ist in ihm, das ihn zu dieser Familie reiten ließ. »Nein«, antwortete er deshalb, »ich komme nur so, Mister.« Er sieht zum Feuer und das Lächeln der Frau. »Tag, Ma'am«, grüßt er zu ihr hinüber. Dann blickt er den Siedler wieder an. »Sie haben sich eine schlechte Zeit ausgesucht, Mister, bald kommt der Winter.« »Ja, aber ich hoffe, daß bis dahin die Hütte steht.« Er betrachtet Logan Randolph forschend. »Haben Sie schon von dem Überfall gehört, Sheriff? Drüben, im Tal?« »Dad, wir haben bald kein Mehl mehr, und...« Der Sohn des Siedlers blickt aus dem Planwagen. Er verstummt, als er Logan Randolph erblickt. »Mein Sohn Tracy«, sagt der Siedler. »Tag, Tracy.« »Tag, Sheriff«, grinst der Sohn des Siedlers und verschwindet wieder hinter der Plane. »Van Johnson ist mein Name«, sagt der Siedler mit seiner dunklen, rissigen Stimme. »Meine Tochter ist mit dem Jungen im Wagen - Deborah heißt sie, aber Sie können auch Debbie zu ihr sagen.«
Logan stellt sich nun auch vor, und die Siedlerfrau kommt heran. Er verbeugt sich etwas steif, sie reichen sich die Hände. »Möchten Sie heißen Kaffee, Mr. Randolph?« fragt die Frau. »Ja, sicher - gib ihm einen großen Becher, Frau«, sagt ihr Mann, bevor Logan antworten kann. »Und sag Debbie, daß wir einen Gast haben. Sie möchte mal 'rauskommen.« Sie geht zum Wagen, zieht die Plane etwas beiseite und ruft ihrer Tochter einige Worte zu. Dann geht sie zum Feuer, gießt aus dem Kessel heißen Kaffee in den Becher und kommt damit zurück. »Er ist sehr stark«, lächelt die Frau. »Hoffentlich schmeckt er Ihnen, Mr. Randolph.« »Immer, Ma'am! Vielen Dank.« Logan trinkt vorsichtig. Dabei sieht er über den Becherrand hinweg zum Planwagen, aus dem das Mädchen klettert. Sie ist sehr schlank und gutgewachsen, trägt derbe Schaftschuhe, eine verwaschene Levishose, eine Lederjacke und einen Stetson über dem schwarzen Haar. Sie kommt nun heran, irgendwie burschenhaft frisch und ungeniert - ein echtes Siedler-Girl. Sie reichten sich die Hände, und vielleicht ist der heiße Kaffee schuld daran, daß die Röte jetzt in sein Gesicht steigt. »Tag, Madam«, sagt er etwas unbeholfen. »Sagen Sie nicht Madam zu mir, das macht alt, finde ich.« Sie sieht ihn mit ihren tiefen blauen Augen an. »Sie können ruhig Debbie zu mir sagen.« »Okay, Debbie«, sagt er zögernd. Sie sieht ihn einen Atemzug lang sehr seltsam an, streicht dann wie in plötzlicher Verlegenheit mit den Händen über die Levishose. »Vielleicht sehen wir uns ja bald in der Stadt«, meint sie. Dann geht sie auch schon zurück zum Wagen, klettert hinein und verschwindet hinter der Plane. Logan sieht zu den ausgespannten Wagenpferden hin, die grasen, und trinkt dann wieder etwas von dem heißen Kaffee.
»Meine Tochter ist wie ein Junge«, murmelt der Siedler sanft lächelnd. »Und vielleicht will sie auch wie ein Junge sein. Aber das ist schon richtig in diesem Land, finden Sie nicht, Sheriff?« Logan verschluckt sich beinahe. »Ja, Mr. Johnson, ja natürlich. Trägt sie nie ein Kleid?« »Sie hat nur eins - und das will sie immer schonen. Ja, wir sind keine reichen Siedler, Sheriff. Arm wie Kirchenmäuse sind wir. Hauptsache aber, daß wir gesund sind.« Er sagt es ruhig und mit der Gelassenheit eines Mannes, der nicht allzu viel vom Leben verlangt. »Aber wir sind ganz von unserem Gespräch abgekommen, Sheriff. Glauben Sie, daß auch wir, ich meine, meine Familie und ich, eines Tages von diesen Nachtreitern überfallen werden könnten?« »Die Rancher sehen in jedem Siedler ihren Feind, Mr. Johnson. Deshalb müssen Sie immer damit rechnen!« »Und man kann nichts dagegen unternehmen - ich meine, mit rechtlichen Mitteln?« »Nein, nur mit einem guten Gewehr!« »Meinen Sie das im Ernst, Sheriff?« »Wie denn sonst, Mr. Johnson?« Logan lächelt freudlos. »In diesem Land ist das Recht auf der Seite der Starken.« Als Logan den Becher leergetrunken hat, verabschiedet er sich von den Siedlern, sitzt auf und reitet zurück. Er denkt, ich wünsche ihm Glück, ich wünsche allen diesen Siedlern Glück auf diesem Boden. Sie alle sind voller Hoffnungen in dieses Land gekommen und geben einfach nicht auf. Das sind prächtige Menschen, diese Siedler! Mit einem vom Reitwind geröteten Gesicht, etwas tränenden Augen, klamm und durchfroren, kommt er in die Stadt zurück. Er reitet sofort auf den Hof, bringt sein Pferd in den Stall, sattelt es ab, pflegt es und gibt ihm Futter. Danach geht er in den Saloon und bestellt sich einen Whisky. Er trinkt noch
einen, holt sein Rauchzeug hervor, dreht sich an der langen Theke eine Zigarette und raucht dann. Im Saloon sind mehrere Gäste. Rauchschwaden hängen schleierartig unter der Decke und ziehen nur langsam zur Tür. Manchmal fängt Logan den Blick eines Gastes auf. Man betrachtet ihn forschend - und ein wenig Bewunderung und Mitleid ist in den Blicken der Leute. Sie müssen diesen einsamen Mann an der Theke öfters betrachten, weil er nicht mehr so wie früher ist. Und weil er den Sheriffstern trägt. Er hat nur noch wenig Tabak und geht deshalb erst einmal zum Store. Hinter dem Tresen steht Dave Widmark und bedient eine Kundin. Er besitzt nur noch einen Arm, und doch arbeitet er unwahrscheinlich flink und sicher. Die Kundin verläßt bald zufrieden den Store, und Logan kauft sich Tabak. Dave Widmark wiegt den Tabak ab, packt ihn ein und legt ihn vor Logan auf den Tresen. »Wie ist es, Dave?« murmelt Logan, »du willst mir helfen?« Dave Widmark ist etwas jünger als er. Ein schmalgesichtiger junger Mann mit klaren blauen Augen. »Ja«, sagt er, »ich will in die Bürgerwehr, Logan! Und glaube nur nicht, daß ich mit dem einen Arm etwa nicht schießen kann.« »Warum willst du dir selbst mächtig viel Verdruß machen, Dave? Warum hältst du dich nicht wie die anderen zurück, Junge?« »Das ist es ja gerade, Logan!« sagt Dave Widmark zornig. »Die anderen sind feige, aber ich will es nicht sein.« Logan nickt, nimmt den Tabak und fragt rauh: »Dave, willst du Deputy werden?« »Dein Deputy...?« »Yeah, Dave! Ich kann mir gar keinen besseren Hilfssheriff denken. Nur - du mußt es dir genau überlegen, bevor du mir eine Antwort gibst, ich meine, bevor du einen rauhen Weg
gehen willst, Junge.« In den blauen Augen des Storegehilfen blitzt es auf. »Das hab' ich mir schon überlegt, Logan. Du wirst nicht mehr allein sein. Mr. Lemmerson ist einverstanden.« Logan atmet tief ein. Er reicht Dave Widmark die Hand. »Wissen deine Eltern von deinem Entschluß, Dave?« »Ja, und sie sagten, daß sie stolz auf mich sind.« *** Ein scharfer, kalter Windstoß fährt über die Hügel, pflückt die harten goldgelben Blätter von den zwischen den Gräbern stehenden Sträuchern und wirbelt sie durch die Luft des frühen Morgens. Logan Randolph setzt den Stetson auf, zieht den ledernen Kinnriemen an und geht langsam vom Hügel. Im Osten färbt sich der Himmel im Schein der aufgehenden Sonne. Als Logan in die Straße einbiegt, sieht er vor dem Office eine schlanke Gestalt. Dave Widmark. Der einarmige junge Mann muß wohl schon einige Zeit auf ihn gewartet haben, denn sein Gesicht ist gerötet. In der klammen Hand hält er ein Winchestergewehr. Auch trägt er einen Waffengurt; aus der Halfter ragt ein Colt. »Du hast es dir also genau überlegt, Dave?« murmelt Logan fragend und sieht ihn aufmerksam an. »Ja, Logan, sonst stände ich nicht hier.« Logan schließt die Officetür auf, und sie gehen hinein. Im kleinen Ofen brennt Feuer. Dave legt die Winchester auf den Schreibtisch. »Heute ist Versammlung, wie ich gestern abend noch hörte, Logan«, sagt er dabei. »Richter Beard sucht wohl Freiwillige für die Bürgerwehr, wie?« »Ja, aber es werden sich wohl nicht mehr melden, denke ich.
Alle denken an ihre Familie, an die Frau und Kinder. Dabei wäre das alles gar nicht so gefährlich, wenn alle zusammenhalten würden. Aber ich habe es schon vor ein paar Tagen gewußt, daß ich allein meinen Kampf führen muß.« »Du bist nicht mehr allein, Logan!« »Ich bin sehr froh, daß du hier bist, Dave! Du wirst mir den Rücken freihalten. Außerdem kannst du mich immer vertreten, wenn ich nicht in der Stadt bin. Aber laß dich auf keinen Kampf ein, wenn ich einmal nicht hiersein sollte, Dave. Vergiß nicht, daß wir schlimme Gegner haben.« »John Pitchard?« »Ja - und Howard Gibson! Und eines Tages haben wir vielleicht auch noch die Siedler und Schafzüchter gegen uns!« »Die Schafherde wird wohl bald vor der Stadt sein, nicht wahr?« »Yeah - morgen oder übermorgen schon! Und Howard Gibson wartet nur darauf!« »Gehen wir auch zur Versammlung, Logan?« fragt Dave. »Sicher - ich werde dich vorstellen und mit den Leuten einige Worte sprechen«, murmelt Logan. »Um zehn Uhr beginnt es - im Saloon«, sagt Dave langsam. »Sag mal«, fragt er auf einmal, »habt ihr im Store nette Kleider, Dave?« Dave sieht ihn erstaunt an. »Was willst du denn damit? Wir haben seit Jahr und Tag keine Maskerade mehr gehabt.« »Quatsch«, grinst Logan, »natürlich brauche ich die Kleider nicht für mich. Außerdem brauche ich auch nur eins. Also, habt ihr welche im Store?« »Ja, sicher, für alle Größen, in vielen Formen und Schnitten. Verstehst du denn etwas davon?« »Nein. Aber du könntest mir ja schließlich bei der Auswahl helfen, Dave. Du hast doch bestimmt 'ne Ahnung davon.« »Ja - leidlich. Wußte noch gar nicht, daß du ein Girl hast,
Logan!« »Sie weiß es selbst noch nicht«, lächelt Logan. »Aber sie wird es wissen, wenn ich ihr das Kleid schenke!« »Wer ist es denn, Logan?« »Das wirst du noch sehen, Junge.« *** Pünktlich um zehn Uhr sind sie im Saloon. Rauchschwaden ziehen zur Tür. Alle Tische sind besetzt. Die Theke wird belagert. Sie finden noch eine Lücke und quetschen sich hinein. Richter Roak Beard ist noch nicht erschienen. Im Saloon herrscht ein lautes Stimmengewirr. Fragen schwirren durcheinander, manchmal ertönt ein Fluch oder ein lautes Gelächter. Man bespricht vergangene Ereignisse, man tauscht Vermutungen aus, spricht von der Zukunft, von den Ranchern, Siedlern und Schafzüchtern. Und man spricht natürlich auch vom Winter, über Heizöl, Lebensmittel und all die kleinen und doch so wichtigen Dinge im Leben. Als der Richter erscheint, wird es sofort still. Und Roak Beard geht zur Theke, wo ihm sofort Platz gemacht wird. Immerhin ist Beard neben dem Pfarrer, Makler, Storehalter, Posthalter und Sheriff die wichtigste Persönlichkeit in Laramie. Er und Old Logan haben diese Stadt durch Klugheit, Härte und Entschlußkraft gezähmt. Alle sehen ihn an. Er lehnt sich mit dem Rücken an die Theke und sagt ein paar einleitende Sätze. Dann kommt er auf den Kern der Sache zu sprechen. »Jeder von euch weiß, daß wir eine rauhe Zeit vor uns haben. Und jeder von uns will, daß die Ordnung in der Stadt aufrechterhalten wird.« Er deutet kurz auf Logan Randolph. »Der Sheriff wird das aber einesTages nicht allein schaffen können. In unsere Stadt kommen Rancher, Cowboys, Siedler und Schafzüchter mit ihren Hirten. Nun könnt ihr euch wohl
vorstellen, zu welchen Streitigkeiten und Kämpfen es kommen kann. Irgendwie müssen wir versuchen, dies zu verhindern. Dazu brauchen wir nun einmal eine Bürgerwehr, Männer. Aber nur drei Männer haben sich gemeldet. Alle anderen, und das sind ihr, haben sich hinter diesen drei Männern richtig versteckt, und immer wieder muß ich hören, daß ihr es nicht wegen eurer Familie könntet. Aber gerade deshalb müßtet ihr der Bürgerwehr beitreten. Wie ist es denn in Cheyenne, he? Dort steht die Bürgerwehr, und in Cheyenne verhalten sich die Cowboy-Crews auch verdammt ruhig. Und wie ist es bei uns? Wenn heute John Pritchard seine ganze Mannschaft in die Stadt schicken würde, dann hätten wir alle nichts mehr zu lachen. Aber mit einer Bürgerwehr ist das anders. Ja, wir müssen uns nach außenhin schützen. Und wer das nicht einsieht, ist nicht ein richtiger Bürger unserer Stadt! Jetzt können wir noch alles das klären, aber bald wird es zu spät dazu sein. Heute morgen erhielt ich die Nachricht, daß John Pritchard alle Rancher auf seine Hauptranch kommen ließ. Pritchard hat einen Viehzüchterverband gebildet - so nennt er es jedenfalls. Aber dieser Verband ist nichts anderes als eine organisierte Kampfgruppe. Die Rancher werden nun, da ihre Trailarbeit beendet ist, den Kampf gegen die Siedler und Schafzüchter beginnen. Und wir müsen uns dagegen schützen können, wir müssen dafür sorgen, daß nicht in unserer Stadt diese Kämpfe stattfinden.« »Wozu haben wir denn den Sheriff?« ruft einer aus der Menge. Da schiebt sich Logan Randolph vor. Er sieht den Mann scharf an und sagt dann mit kalter Stimme: »Ihr alle habt mich gewählt. Mein Vater hat diese Stadt gezähmt, und ich habe sein Erbe angetreten. Ich trage nun seinen Stern. Aber was soll ich gegen zwanzig Männer unternehmen, die eine Stadt auf den Kopf stellen wollen?
Allein nicht viel! Aber ihr müßt das alles selbst wissen. Wenn eure Frauen und Kinder vor den Kugeln hitzköpfiger, betrunkener Cowboys sicher sein sollen, dann meldet euch zur Bürgerwehr! Was anderes könnt ihr gar nicht tun. Ihr wißt, wie die Dinge stehen. Macht mich niemals dafür veranwortlich, wenn hier heiße Kämpfe stattfinden. Es ist meine Pflicht, hier für Ruhe und Ordnung zu sorgen, aber meine Pflicht endet dort, wo die Unvernunft der Bürger beginnt. Hier an meiner Seite steht Dave Widmark. Er ist ab heute mein Deputy. Nehmt euch an ihm ein Beispiel! Drei junge Männer haben sich gemeldet. Ist das etwa genug? Nein! Ihr seid nicht zu alt dazu, um ein Gewehr in die Hand nehmen zu können. Nein! Ihr scheint mir verdammt feige und egoistisch zu sein!« Richter Beard hebt die Hand. »Eure Reaktion beweist, daß Logan Randolph genau den Nagel auf den Kopf getroffen hat!« sagt er ruhig. Logan lächelt bitter, als er rauh sagt: »Ich werde pflichtgemäß für die Bürger dieser Stadt kämpfen, und Dave Widmark wird an meiner Seite stehen. Aber wir werden uns hüten, für diese Bürger unser Leben zu riskieren. Denn so weit geht die Pflicht als Sheriff nun doch nicht. Komm, Dave!« Er bahnt sich mit Dave Widmark einen Weg durch den Saloon und geht auf die Straße hinaus. Er hört noch das heftige Gemurmel im Saloon, dann schlägt die Pendeltür zu. »Diese Feiglinge!« sagt Dave zornig. »Warte ab, wie's kommt, Dave«, murmelt Logan. »Beard und Mill werden den Leuten hart zusetzen. Vielleicht kommt eine Bürgerwehr doch noch zustande.« »Meinst du das ehrlich mit der Pflicht, Logan?« fragt Dave. »Ich meine, daß es doch unsere Pflicht ist, unser Leben zu riskieren.« »Sicher, Dave! Das ist unsere Pflicht! Aber wie sollte ich diese lahmen Bürger sonst reizen? Sie sind empört - und das
wollte ich erreichen!« Schweigend gehen sie zum Office zurück. Nach einer Weile kommt Richter Beard ins Office. »Geschafft!« sagt er. »Wir haben sie durchgeknetet. Nun haben sich noch fünf Männer gemeldet. Damit besteht die Bürgerwehr aus sieben Mann - und das reicht, Logan. Meine Güte, hat das einen Kampf gekostet. Dein Vater ist auch dabei, Dave.« »Oh...«, macht Dave nur, aber seine Augen glänzen stolz. In diesem Augenblick stürmt ein Mann ins Office. »Sheriff«, schnauft er. »Der Schafherdenboß ist gerade in die Stadt gekommen. Von der Herde ist noch nichts zu sehen. Er hat zwei seiner Leute bei sich.« »Jetzt beginnt es!« stößt Logan rauh hervor, erhebt sich, legt den Waffengurt um und geht zur Tür. Dave Widmark folgt ihm. *** Burl Longday gleitet vor dem Saloon vom Pferd. Er strafft die Schultern und reckt sich ein wenig. Sekundenlang ruht sein forschender Blick auf den Bürgern, die nach der Versammlung aus dem Saloon gekommen sind und nun rechts und links von der Pendeltür verharren. Er atmet scharf aus, und sein Atem ist wie Dampf in der kühlen Luft. Der große, breitschultrige Mann ist schon von weitem als Schafherdenboß erkennbar. Er trägt eine derbe Lederjacke, die aus Schafsfell gefertigt wurde. Auf seinem Haupt sitzt eine dicke Fellmütze. Er trägt einen Colt in der Halfter, und aus dem Scabbard ragt eine Winchester. Er wartet so lange, bis seine beiden Begleiter von ihren etwas struppigen Pferden abgesessen sind. Dann schlingt er die Zügelenden um die Haltestange, gibt seinen Leuten einen Wink und geht mit ihnen die Stufen zum Gehsteig hinauf.
Schweigend verschwinden sie nacheinander im Saloon. Logan Randolph erreicht den Saloon, als die Schwingtür ausgependelt ist. Er stößt die Tür auf und geht mit Dave Widmark hinein. Die Schafhirten stehen mit ihrem Treiberboß an der Theke. Die Luft ist zum Schneiden dick; es riecht nach Tabak, Whisky, Männerschweiß - und es riecht auch nach Schafen. Diesen etwas süßlichen und doch ätzenden Geruch von Schafen hassen die Rancher und Cowboys. Dieser im Rinderland so seltene Geruch hat schon vor einigen Jahren erbarmungslose Kämpfe in Texas entfesselt. Auch Logan riecht diesen von den Schafhirten ausgehenden Geruch, und auch er hält unwillkürlich sekundenlang den Atem an. »Whisky!« sagt der Boß zum Salooner. Er legt die Unterarme auf die Theke, setzt den linken Fuß auf die Fußstange der Theke und sieht im großen Spiegel Logan Randolph und seinen Deputy, die sich nun ebenfalls an die Theke stellen. Der Boß dreht sich etwas zu ihnen um. »Burl Longday ist mein Name, Sheriff! Sie wollen mir sicherlich sagen, daß ich einen großen Bogen um dieses County machen soll.« Logan sieht den Mann an. Er schaut in kluge blaue Augen, die scharf und wachsam sind. Sie leuchten stahlblau in diesem harten, verkniffenen Gesicht, das die Sonne gegerbt hat, das Wind und Wetter zu einem rauhen Antlitz geformt haben. Und die Schafhirten sehen gar nicht anders aus; auch sie tragen die Zeichen eines einsamen, harten Lebens im unendlichen Land. Aber sie alle riechen nach Schafen. Logan nickt nun. »Ich bin Logan Randolph«, antwortet er sanft, »und es ist meine Pflicht, Sie zu warnen, Mister. Sie werden eine Hölle erleben, wenn Sie mit ihrer Herde weiter nach Westen ziehen.
In diesem Land leben mächtige Rinderbarone, die nur darauf warten, daß Sie mit der Herde auf ihr Land kommen. Sie wollen nach Westen, aber treiben Sie die Herde nach Süden, Richtung Colorado - und machen Sie einen großen Bogen, bis Sie an den North Platte River stoßen. Dann folgen Sie dem Fluß und kommen dorthin, wohin Sie wollen!« Burl Longday lächelt einen Atemzug lang. »Sie sprechen recht vernünftig, Sheriff - und es hört sich auch gut an. Aber Sie werden wissen, daß in wenigen Tagen Schnee fallen wird. Ich habe also nicht mehr viel Zeit. Meine Herde wird morgen vor der Stadt stehen. Ich will hier nur alles regeln, bevor sie hier ist. Und nun hören Sie mir einmal zu, Sheriff: Im Westen, hinter dem Fluß, leben die Sippen der Schafzüchter. Diese Herde gehört ihnen; sie haben sie vor einigen Monaten bestellt. Und ich werde diese Herde auch nach Westen bringen, auf dem schnellsten Wege, bevor der Winter richtig kommt. Die Schafe müssen in dieTäler, dort sind sie geschützt. Und ich lasse mich nicht aufhalten, Sheriff! Mit zwölf Männern treibe ich meine tausendzweihundert Schafe über das Land dieser Rinderbarone, über das Land, das ihnen nicht gehört. Und ich werde mit meinen Männern kämpfen, Sheriff! Wir haben auch vor den Laramie Mountains mit Cowboy-Crews kämpfen müssen und uns den Weg freigeschossen! Es wird hier nicht anders sein, Mister. Wir lassen uns von diesen verdammten Ranchern nicht aufhalten. Das ist meine Antwort, Sheriff!« »Sie werden mindestens zweihundert Schafe verlieren, wenn Sie durch das Rinderland ziehen, Mister«, warnt Logan ruhig. »Treiben Sie nach Süden!« Burl Longday lacht hart auf. »Ein Verlust von dreihundert Schafen ist einkalkuliert. Und es geht hierbei auch um unser gutes Recht. Wir haben das Recht, unsere Herde über freies Regierungsland zu treiben.« Logan begreift, daß dieser große Mann nicht von seinem
einmal eingeschlagenen Weg abweichen, daß er keinen Bogen um das County machen wird. Burl Longday gehört zu der Sorte Männer, die mit dem Kopf durch die Wand gehen und lieber sterben als aufgeben wollen. Ja, er wird seine große Herde direkt nach Westen treiben, über Howard Gibsons Weideland. Und er hat wirklich ein Recht dazu. Aber in diesem weiten Land herrschen nun einmal die Rinderkönige, und deshalb wird es zu einem Kampf kommen. Logan nickt und murmelt. »Sicher, Sie haben das Recht dazu - aber wenn Sie einen Bogen schlagen, verlieren Sie nicht einen Mann - und vielleicht acht Tage Zeit. Wenn Sie Ihre Herde über Rinderland treiben, verlieren Sie mehrere Männer und drei, vier Tage Zeit. Nachgeben dürfte klüger sein, Mister!« Longday sieht ihn bitter an. »Ihre Aufgabe endet dort, wo die Stadt aufhört, Sheriff«, sagt er rauh. »Warum versuchen Sie, mich von meiner Route abzubringen? Sie werden von diesem Kampf ja nicht betroffen, denke ich.« »Okay, ich weiß, wie Sie es meinen, Mister. Ich habe Sie gewarnt. Sie werden Ihre Herde also über Rinderland treiben über das Land des Ranchers Howard Gibson. Dieser Mann war vor einiger Zeit schon in der Stadt - bei mir. Howard Gibson wartet nur darauf, daß Sie die Schafe auf sein Land treiben! Er ist also bereit zum Kampf!« Burl Longday nickt zu Logans Worten. »Auch wir, Sheriff!« sagt er nun. »Auch wir sind bereit! Ah - geben Sie sich keine Mühe, Sheriff! Wirklich, ich danke Ihnen, daß Sie mich gewarnt haben. Aber ich treibe weiter. Soll dieser Howard Gibson nur kommen!« »Gibson hat mehr Männer als Sie, Longday!« sagt Logan mit leiser Schärfe. »Sie sind ihm unterlegen!« »Das«, knurrt der Boß, »muß erst bewiesen sein! Wir Schafzüchter werden in diesem Rinderland als Bösewichte und
Halunken bezeichnet. Die eigentlichen Halunken sind die Rancher in ihrem Größenwahn. Ich habe es satt, diesen verfluchten Ranchern auszuweichen. Nein, ich treibe direkt hindurch. Und morgen ist meine Herde hier! Das ist unabänderlich, Sheriff!« Longday nimmt sein Whiskyglas, und die drei Schafleute trinken. Auch Logan und Dave trinken. Dann sagt Logan sanft: »Well - Sie müssen wirklich wissen, was Sie tun wollen! Aber wenn es hart werden sollte, dann beginnen Sie nicht in dieser Stadt Ihren Kampf! Sie müssen vor der Stadt mit den Cowboys kämpfen, sonst haben Sie zwei Gegner.« »Sie, nicht wahr?« »Yeah, Mister.« »Wie wollen Sie das verhindern?« fragt Longday ein wenig spöttisch. »In dieser Stadt gibt es eine Bürgerwehr, Mister! Denn unsere Stadt soll ruhig bleiben, hier wird nicht geschossen.« Logan sagt es hart, stellt sein Glas auf die Theke und bezahlt. Er nickt dem Boß zu, wendet sich ab und geht mit dem Deputy aus dem Saloon. Vor dem Office bleiben sie stehen. Logan sieht einen Reiter in die Stadt kommen - einen Mann, der ein Wagenpferd reitet. Es ist van Johnson, der Heimstättensiedler. Vor dem erhöhten Gehsteig zügelt er sein schweres Pferd. Um seinen Mund liegt ein bitterer Ausdruck. Mit grollender Stimme sagt er: »Es ist eine Schweinerei, Sheriff! Als Sie fortgeritten waren, sah ich mir die Gegend an. Sie wissen ja, dort, wo die Bäume stehen. Ich wollte mir schon die geeigneten Bäume heraussuchen, aber ich kam noch nicht einmal heran. Cowboys versperrten mir den Weg. Wäre ich nur einen Schritt weitergeritten, hätten sie mir sofort eine Kugel gegeben. Yeah, so war es, Sheriff! Woher soll ich nun Holz für eine Hütte bekommen, he? Wie soll ich das alles vor dem ersten Schnee
schaffen?« Logan hat das schon erwartet. Die Rancher lassen nun schon das Holz auf freiem Regierungsland verteidigen. Sie wollen den neu ins Land gekommenen Siedlern damit die Möglichkeit, ihre Hütten noch vor Beginn des Winters fertigzustellen, nehmen und sie so zum Verlassen des Landes zwingen. Die Rancher, als mächtigste Gruppe im Land, haben den Krieg also auch gegen die Siedler begonnen. Logan atmet tief ein und stößt die Luft scharf aus. Er sieht den Siedler ernst an. »Allein können Sie nichts unternehmen, Mr. Johnson. Warum schließen sich die Siedler nicht zusammen? Gegen die Macht der Rancher kann nur eine geschlossene, starke Gruppe von Siedlern etwas ausrichten.« »Ich bin in die Stadt gekommen, um das Land eintragen zu lassen, so wie Sie es mir gesagt haben, Sheriff«, erklärt Johnson erbittert. »Aber wohin soll meine Familie in den Wintermonaten? Sollen wir etwa im Wagen hausen?« »Haben Sie versucht, von anderen Siedlern Holz zu bekommen? Vielleicht kann man sich untereinander helfen.« »Ich hab's versucht, aber die Leute haben selbst kaum Brennholz für die Wintermonate!« knurrt van Johnson. Er legt die schweren Hände aufs Sattelhorn und schüttelt heftig den Kopf. »Nein, Sheriff - so komme ich nicht weiter voran!« »Was wollen Sie nun tun, Mr. Johnson?« »Natürlich bleibe ich dort, Sheriff! Nur meine Familie möchte ich in Sicherheit wissen. Und in der Stadt ist es am sichersten.« Logan sieht den Siedler nachdenklich an. Er mag diesen rauhen alten Mann gern. »Gut, Mr. Johnson«, murmelt er, »bringen Sie Ihre Familie in die Stadt! Vor gut einer Woche fiel mein Vater hier auf der Straße. Auch er trug den Stern und kämpfte gegen die Mächtigen. Und vor gut zwei Wochen verstarb meine Mutter.
Unser Haus ist nun leer, und ich bin schon seit einigen Tagen nicht mehr in unserem Haus gewesen. Sie können Ihre Familie in das Haus bringen, Mr. Johnson!« Die Augen des Siedlers leuchten auf. »Das wollen Sie für mich tun, Sheriff?« »Ja.« Johnson schluckt schwer. Er nickt, sieht die beiden jungen Männer noch einmal an und zieht dann sein Pferd herum, treibt es an und reitet zum Haus des Maklers. Sie sehen ihm noch kurz nach; dann gehen Sie ins Office. Logan hockt sich in der Nähe des Ofens auf einen Stuhl und starrt gedankenverloren auf die Fichtendielen, während Dave auf den Hof geht, um Feuerholz zu schlagen. Logan hört die Axtschläge. John Pritchard und Howard Gibson sind die Mächtigsten im County, denkt er. Sie haben sicherlich viele ihrer Reiter von den Herden abgezogen und bereitgestellt. Pritchard hat einen Viehzüchterverband gegründet, aber dieser Verband ist nichts anderes als eine mächtige Kampfgruppe, mit der die Rancher in diesem Winter zuschlagen wollen. Wenn Sam Brickford, der weiter im Nordwesten seine Ranch hat, seine Reiter also gegen die Schafzüchter in denTälern im Westen hetzt, dann steckt dahinter der ganze Viehzüchterverband, dann sind also alle daran beteiligt. Ich kann demnach jeden der Rancher beschuldigen und ihn zur Rechenschaft ziehen. Na, ich weiß nicht, ob ich das in der Tat auch wirklich kann. Und nun ist dieser Burl Longday ins County gekommen. Er wird also nicht allein Howard Gibson gegenüberstehen, sondern allen Ranchern mit ihren Mannschaften. Er schafft es nicht, gegen diese Mächtigen anzukämpfen. Selbst, wenn es ihm gelänge, Gibsons Rudel in die Flucht zu jagen, wäre er immer noch nicht sicher. Denn dann kämen die anderen Mannschaften. Yeah, die Mächtigen sind durch den Zusammenschluß noch mächtiger geworden!
Er reibt sich mit der rechten Hand übers Gesicht und seufzt leise. Eine schwere Zeit kommt auf ihn zu. Die Stadt wird wie ein kühler Fleck in der Hölle sein, auf den sich alle Bedrängten retten wollen. Deshalb wird Laramie schlimme, bittere Stunden erleben. Er denkt, wenn es keinen John Pritchard und keinen Howard Gibson gäbe, wäre das alles gar nicht weiter so schlimm. Diese beiden Rancher sind allein die Mächtigen, und wenn Frieden eines Tages im Land sein soll, dann muß die Macht dieser Rancher gebrochen werden, dann müssen diese Mächtigen besiegt werden. Und er denkt auch an van Johnson, an die anderen Siedler, die in diesem Land Wurzeln geschlagen haben oder es noch vor Einbruch des Winters tun wollen. Johnson ist nicht der einzige, der in den letzten Tagen ins Land gekommen ist. Viele Siedler kommen voller Hoffnungen aus dem Osten ins Bergland von Wyoming, um hier eine neue Heimat zu finden. Sie finden ein weites, offenes Land - und sie finden die Mächtigen in diesem Land. Am Nachmittag kommen die Männer der Bürgerwehr ins Office. Logan hat sie in dieser Zeit bestellt. Sie stellen sich nebeneinander im Raum auf und sehen den jungen Sheriff abwartend an. Logan steht hinter seinem Schreibtisch, und Dave hockt am Ofen. Sieben Männer stehen vor Logan Randolph - Bürger von Laramie, die bereit sind, an der Seite des Sheriffs zu kämpfen. Sie sind bereit dazu, aber ob sie es wirklich tun, weiß niemand, noch nicht einmal sie selbst wissen es. Daves Vater, der Sattler Jack Widmark, lächelt dünn und sagt: »Logan, du hast uns sprechen wollen. Well, wir haben unsere Arbeit liegenlassen und sind gekommen.« Logan nickt.
»Morgen trifft die Schafherde vor der Stadt ein«, sagt er ruhig. »Und Howard Gibson wartet nur darauf. Vielleicht kommt es schon eine halbe Meile hinter der Stadt zum Kampf. Da draußen haben wir nichts zu tun, Gents. Aber sobald irgendeine der Parteien in die Stadt kommt, müssen wir handeln. Wir können niemandem die Stadt verbieten, aber wir müssen verhindern, daß in der Stadt gekämpft wird.« »Das bedeutet also, daß wir notfalls gegen beide Parteien kämpfen müssen, nicht wahr?« fragt Jack Widmark. »Yeah«, nickt Logan. »Well, es geht dann wohl auch nicht anders«, sagt der Sattler, ein mittelgroßer, breitschultriger Mann mit hellblauen Augen und sehnigen Händen. »Wir müssen kämpfen, um in der Stadt den großen Kampf zu verhindern. Das hört sich dumm an, aber es stimmt genau.« »Seid morgen bereit«, murmelt Logan. »Verteilt euch auf die ganze Stadt, haltet euch zunächst zurück, aber wenn es rauh wird, dann kommt. Dann zeigt, daß Laramie bereit ist, seine Ordnung zu verteidigen.« Als die Bürgerwehr das Office verlassen hat, läßt Logan Randolph sich auf den Stuhl fallen. Er sieht zu Dave hinüber. In diesem Augenblick hören sie den Hufschlag mehrerer Pferde. Das Rudel reitet am Office vorbei und hält vor dem Saloon. Stimmen werden laut. »Verdammt!« flucht Logan. »Das kann nur Howard Gibson sein. Und dieser Herdenboß ist noch im Saloon, schätze ich.« Er springt auf, läuft zum Gewehrschrank und holt seine Winchester hervor. Mit der anderen Hand schnappt er nach dem Gewehr seines Deputys und wirft es ihm zu. Dave fängt es geschickt auf. Sie verlassen das Office. Vor der Haltestange des Saloons stehen zehn Pferde. Gerade verschwindet der letzte Reiter durch die Pendeltür im Saloon.
Sie gehen über die Fahrbahn. Logan verharrt sekundenlang vor der Schwingtür. Er hört die rauhen Stimmen im Saloon. Dave nickt, nimmt die Winchester hoch und sagt: »Ich bin bereit, Logan!« Logan atmet scharf ein und stößt die Tür auf. Schlechte, verbrauchte Luft schlägt ihm entgegen - warme, nach Rauch und Alkohol riechende Luft, die sich mit dem scharfen Geruch der Schaftreiber und der Cowboys vermischt hat. Auf den ersten Blick sieht Logan den großen, breitschultrigen Rancher Howard Gibson. Er lehnt an der Theke und hebt gerade ein Glas. Seine Cowboys lümmeln sich ebenfalls an der Theke und haben die drei Schaftreiber richtig eingekeilt. »Auf euer Wohl, ihr stinkigen Hirten!« sagt Gibson höhnisch und herausfordernd. Er will das Glas an die Lippen setzen, als er das heftige Schlagen der Pendeltür hört. Logan Randolph steht ruhig da, leicht nach vorn gebeugt, die Winchester in der Hand. Burl Longday dreht sich etwas weiter herum, so daß er mit dem Rücken an der Theke lehnt. »Ohoo!« sagt Gibson sanft. »Der Sheriff will sich nicht entgehen lassen, wenn wir diese verdammten Schafhirten verprügeln! So ist es doch, Logan Randolph?« »Lassen Sie ihn nur, Sheriff!« sagt Burl Longday ruhig. »Er macht sich mit Worten Mut, das ist alles. Er und seine Cowpuncher bekommen von uns schon die richtige Antwort!« Logan Randolph strafft sich. Er weiß Dave draußen an der Tür. Und auch die Bürgerwehr ist in der Nähe. »Tragt den Krieg draußen auf dem freien Land aus, nicht in der Stadt! Ihr seid verfluchte Hitzköpfe, stur und verbissen! Geht aus der Stadt! Los, macht schon, verdammt!« »Was ist das?« sagt Howard Gibson fauchend. »Du willst uns die Stadt verbieten, Logan Randolph? Mir und meinen Männern? Hab' ich da richtig gehört, he?«
Er neigt sich bei seinen Worten vor und starrt Logan kalt an. Burl Longday sagt kein Wort; er betrachtet Logan nur sehr wachsam und aufmerksam. »Sicher«, murmelt Logan bitter. »Sie haben das schon richtig verstanden, Gibson! Und denken Sie nur nicht, daß ich das etwa nicht durchsetzen könnte!« »Laß es!« faucht der Rinderbaron, als einer seiner Leute zum Eisen tastet. Er sieht Logan wieder durchdringend an, und in seinen Augen funkelt kalte Wut. »Seit wann läßt sich Howard Gibson aus der Stadt weisen, he?« »Sie gehören doch diesem Viehzüchterverband an, Gibson?« fragt Logan sanft und verlagert sein Körpergewicht auf den anderen Fuß. »Was soll die Frage?« schnappt Gibson. »Oh, eine ganze Menge, großer Mister! Mehrere Cowboys versperren neuerdings den Siedlern den Zugang zum Holz, so daß die Leute ihre Häuser nicht vor Winterbeginn fertig haben können. Wenn diese Schikane nichts nützt, greift man die Siedler bei Nacht und Nebel an und gibt ihnen das, was sie nach Ansicht der Rancher längst verdient haben! Well, ihr alle seid in diesem Verband, und ihr alle seid dafür auch verantwortlich. Nun wissen Sie, Howard Gibson, wie ich über die ganze Sache denke.« »Was soll das schon für eine Schikane sein?« fragt Gibson, auf einmal dünn lächelnd. »Das ist unser gutes Recht, Randolph! Es ist unser Land. Wir haben es in Besitz genommen. Also, was wollen die Siedler hier? Sie alle wollen uns Land nehmen! Nichts anderes. Sie wollen das ernten, was andere gesät haben. Ach, was rede ich noch: es wird sich schon zeigen, wer in diesem Land der Mächtige ist!« Da sagt Burl Longday scharf: »Was mischen Sie sich in unsere Angelegenheiten ein, Sheriff? Dieser großspurige Viehmensch bekommt von mir 'nen Hieb auf die Nase.. Und dann jagen wir diese Rinderknechte aus der Stadt. Halten Sie
sich nur heraus, Sheriff! Wir machen das schon.« »Damit die anderen Mannschaften in die Stadt kommen und hier alles auf den Kopf stellen, nicht wahr?« sagt Logan peitschend. »Ihr wollt hier wilde Schießereien veranstalten? Aber ich bin hier Sheriff, und ich sorge schon dafür, daß es nicht soweit kommt. Also - trinkt euren Whisky und verschwindet dann wieder aus Laramie!« Kaum hat er das letzte Wort ausgesprochen, als einer von Howard Gibsons Männern nach dem Colt greift. Logan sieht es aus den Augenwinkeln heraus. Seine rechte Faust mit der Winchester zuckt hoch, und dann schlägt er dem Mann auch schon den Kolben auf den Kopf. Aufbrüllend fliegt der hinterlistige Mann auf die Fichtendielen. »Ruhe!« faucht Howard Gibson, als seine Leute nervös werden. »Ruhe! Keiner greift nach dem Eisen, hört ihr?« In diesem Moment stürzt sich Burl Longday auf den großen Rancher. Und dann ist auch schon die Hölle los. Die Parteien stürzen aufeinander, schreien und schlagen wild. Durch die Tür stürzt der einarmige Dave Widmark herein, die Winchester schußbereit. Und dann peitschen auch schon zwei Schüsse durch den Saloon. Kurz darauf kommen die Männer der Bürgerwehr herein. Taumelnd steht Howard Gibson vor der Theke, und Burl Longday wischt sich mit dem behaarten Handrücken das Blut von den aufgeplatzten Lippen. Einer der Schafhirten liegt bewußtlos am Boden, zwei Cowboys richten sich gerade auf. Und auch der Salooner kommt vorsichtig hinter der Theke hervor. »'raus aus der Stadt!« ruft Logan knallhart. »'raus mit euch Narren!« »Okay«, sagt Gibson ächzend. »Ich verlasse die Stadt, Randolph! Aber ab heute sieht es anders zwischen uns beiden aus!«
Howard Gibson zieht sich in den Sattel, sieht Logan noch einmal voller Haß an und reitet mit seinem kleinen Rudel aus der Stadt. Burl Longday klettert nun ebenfalls auf sein Pferd. Er setzt sich im Sattel zurecht, nimmt den Zügel und wartet, bis seine beiden Leute im Sattel hocken. Der zweite Schaftreiber ist wieder zu sich gekommen. »Kommt!« sagt Longday. Sie reiten los. Drei Männer, die zu ihrer großen Herde zurückreiten werden. Die Haß, Wut und krampfhaften Stolz in ihrem Herzen haben. Und vor der Stadt reitet Howard Gibson. Howard Gibson wird dafür sorgen, daß es in diesem Land schlimm wird. Nicht John Pritchard wird den entscheidenden Anstoß dazu geben. Und was Gibson in diesen Minuten selbst noch nicht weiß: Er wird noch heute mit John Pritchards Sohn zusammentreffen, rein zufällig. Und aus dieser Begegnung wird das Feuer des Hasses und Krieges in diesem Land endgültig und mit furchtbarer Kraft aufflammen. Noch weiß das niemand. Logan Randolph sieht nachdenklich die Straße hinauf. Sein Gesicht ist vom Ernst des Geschehens gezeichnet. Aber dieser heftige Zusammenstoß mußte kommen; er war unvermeidbar, ihm konnte nicht mehr ausgewichen werden. Die Männer der Bürgerwehr stehen vor dem Saloon. Sie sehen zum Stadtausgang. Dort verschwinden gerade die Schafzüchter. Daves Vater dreht sich langsam um. Er sieht Logan an. Er erkennt den scharfen, verkniffenen Ausdruck im Gesicht des jungen Sheriffs. »Das ist ja alles wirklich Wahnsinn!« murmelt Logan auf einmal. »Irgendwann sterben in diesem Land viele Männer für nichts und wieder nichts. Für ihren falschen Stolz vielleicht. Und für diese verfluchtet Idee, daß ihnen allein das Land gehört. Wahnsinn!«
»Logan?« »Yeah?« Er sieht den Sattler fragend an. »Ich hab Durst auf 'nen Whisky«, sagt Daves Vater lächelnd. Sie gehen in den Saloon zurück und auch die anderen kommen herein. Dazu noch einige andere Einwohner und Richter Beard. »Ihr habt es diesen Burschen richtig gegeben!« sagt Roak Beard. »Aber das ist erst der Anfang, Männer! Dennoch habt ihr bewiesen, daß Lararnie steht. Daß wir unsere Stadt rein und sauber halten wollen und auch werden.« Sie haben noch eine Menge zu besprechen. Das tun sie bei mehreren Whiskys. Es ist draußen schon etwas grau, als Logan mit seinem Deputy aus dem Saloon kommt. Die Dämmerung bricht von Osten heran, und die Konturen der Häuser sind schon ein wenig ineinander verschmolzen. Die Luft ist kalt und neblig. Logan verharrt einen Atemzug lang vor dem Saloon und hält die Winchester still in der Hand. Dann setzt er sich in Bewegung. »Wohin gehst du denn, Logan?« fragt David, weil sie nicht direkt zum Office hinübergehen. Logan bleibt sekundenlang vor den zwei flachen Stufen stehen, mit denen der Gehsteig vor jedem Haus ausläuft. Er lächelt. »Zum Store!« »Du willst ein Kleid kaufen, nicht wahr?« grinst Dave breit. »Ja«, nickt Logan, und sie gehen weiter. »Das Mädel kommt morgen in die Stadt, mit ihrem Bruder und ihrer Mutter. Soll eine Überraschung für sie sein.« »Ah - verstehe! Das Girl des Siedlers! Mr. van Johnsons Tochter, ja?« »Ja, Dave, aber nicht deshalb habe ich ihm angeboten, ins leere Haus meiner Eltern zu ziehen.« »Das glaube ich, Logan. Wie sieht das Mädel aus?«
»Das weiß ich gar nicht mehr so genau, Dave«, lächelt Logan. »Weißt du, das ist so seltsam dabei. Wenn du ein Girl siehst, was du gleich vom ersten Augenblick an gern hast, dann siehst du gar nicht so genau hin. Sie ist sehr schlank, ja - und sie hat dunkles Haar und so tiefblaue Augen, daß einem dabei verrückt werden kann, finde ich. Dabei sieht sie im ersten Moment wie ein Junge aus. Ach, frag nicht soviel, Dave. Du siehst sie ja morgen selbst!« Sie gehen in den Generalstore, in dem schon Licht brennt. Es vergeht beinahe eine Stunde, bis sie wieder aus dem Geschäft kommen. Logan trägt ein längliches Paket unter dem linken Arm. Sie suchen das Office auf. Zehn Meilen von Laramie entfernt, in einer großen Senke, steht eine Herde von tausendzweihundert Schafen. Hirten umreiten die Herde, wachsam und mit geladenen Waffen. Und auf der anderen Seite von Laramie, nach Westen hin, zieht Howard Gibson alle seine Reiter zusammen. Auf der Hauptranch John Pritchards sinnt ein junger Mann darüber nach, wie er seinen Mut unter Beweis stellen und Sheriff Logan Randolph beseitigen kann. Er will allen Leuten im County beweisen, daß er härter, tapferer und mit seinem Colt auch mächtiger ist als Howard Gibson, der vom Sheriff aus der Stadt gewiesen wurde. Morgen schon wird dieser junge Mann nach Laramie reiten. *** Logan Randolph steht ruhig und abwartend vor dem Office. Ein eiskalter Wind kommt an diesem Morgen in die Stadt, stößt den feinen Staub von der Fahrbahn auf, faßt dahinter und schleudert ihn gegen die Häuserfronten. Der junge Mann mit dem schimmernden Blechstern an der wärmenden Lederjacke hat ein Halstuch vor Mund und Nase
gezogen und die Augen verengt; so schützt er sich gegen den aufgewirbelten Staub. Dave Widmark ist im Office. Über die Fahrbahn kommen zwei Reiter. Sie beugen sich im Sattel vor, lehnen sich richtig gegen den Wind und sehen kaum auf. Sie tragen weite Lederjacken aus Schafsfellen. Nun lenken sie ihre Pferde zum Office. Logan sieht in das harte, verkniffene Gesicht Burl Longdays, der mit einem Treiber in die Stadt gekommen ist. »Meine Männer kommen gleich in die Stadt, Sheriff. Wir ergänzen unseren Vorrat an Lebensmitteln und Munition. Ich denke, daß wir das tun können, nicht wahr?« Seine Stimme klingt unpersönlich kalt. »Sicher, Mr. Longday«, sagt Logan sanft. Aus dem Office kommt Dave Widmark. »Das wollte ich nur hören, Sheriff«, spricht Longday, dann nickt er knapp und zieht sein Pferd herum. Sie reiten über die Fahrbahn zurück zum Generalstore. »Was wollen diese Schafhirten in Laramie, Logan?« fragt Dave. »Lebensmittel und Munition«, murmelt Logan. Dave stößt plötzlich einen leisen Fluch aus. »Sieh dir das an, Logan!« sagt er dann und deutet mit der Winchester zum Stadtrand und auf die Ebene hinaus. Dort bewegen sich tausendzweihundert Schafe über das Land - eine einzige graue Masse, blökend und meckernd. Staub hängt über der gleichmäßig dahintrottenden Herde, die von kläffenden Hunden zusammengehalten wird. Reiter flankieren die Herde. Am Stadtrand tauchen nun vier Schafhirten zu Pferde auf; sie kommen in die Stadt geritten. »Die Schweinerei nimmt ihren Anfang«, sagt Dave unruhig. »Howard Gibson hat diese Herde sicherlich längst schon gesehen. Er wird mit seiner Mannschaft irgendwo hinter den Hügeln bereitliegen.«
Logan nickt. Er schweigt und blickt zu den vier Schafhirten hinüber, die nun auch vor dem Generalstore halten, von den Gäulen rutschen und mit steifen Bewegungen im Laden verschwinden. Dann sieht Logan den Richter über die Straße kommen. Sie reichen sich die Hände. »Die Bürgerwehr ist bereit, Logan!« sagt Beard, ernst lächelnd. »Yeah«, murmelt Logan, »das muß auch so sein, Richter! Allerdings wird es heute wohl nicht zu einem Kampf in der Stadt kommen. Longday treibt die Herde in kurzer Zeit weiter. In der Mittagszeit stößt er wohl mit Howard Gibson zusammen.« Ein Prärieschoner rollt heran. Der Sheriff dreht sich wieder um und fängt den fragenden Blick des Richters auf. »Van Johnson, ein neuer Siedler, der seine Heimstätte in der Nähe des Flusses errichten will«, sagt er erklärend. »Er wird seine Familie in das Haus meiner Eltern bringen. Ich hab's ihm angeboten, und es ist gut, daß er es angenommen hat. Wenn man kein festes Haus da draußen am Fluß hat, ist man schon halb verloren...« Sie erheben sich, zahlen und verlassen das Restaurant. Richter Beard verabschiedet sich kurz und geht sofort weiter. Logan sagt zu seinem Deputy: »Dave, geh ins Office, bis ich zurückkomme! Ich bringe die Siedlerfamilie in unser Haus. Es wird wohl einige Zeit dauern.« Er rückt sein Halstuch zurecht, verläßt dann den Gehsteig und geht dem Wagen entgegen. Van Johnson und seine Frau sitzen auf dem Kutschbock, und hinter ihnen sehen das Mädel und der Junge aus dem Wagen. Logan grüßt zum Wagen hinauf. Dann reichen sich die Männer die Hände. »Ich habe eine Schafherde vor der Stadt gesehen«, sagt van
Johnson. »Wenn das nicht großen Ärger gibt, will ich meinen Hut fressen.« »Sie brauchen sich nicht den Magen zu verderben, Mr. Johnson«, antwortet Logan lächelnd. »Es gibt Ärger!« Er blickt flüchtig zum Wagen hinauf und sieht Johnson wieder an. »Kommen Sie, Mr. Johnson! Ich zeige Ihnen das Haus!« Der Siedler nickt, steigt wieder auf, nimmt die Zügel und treibt die Wagenpferde an. Logan geht vor dem Wagen her. Das Haus hat einen kleinen Vorgarten, in dem nun keine Blumen mehr blühen. Die schmale Pforte leuchtet in grüner Farbe. Hinter dem Haus ist ein kleiner Hof, und auf diesen Hof lenkt van Johnson den schweren Wagen. »Das ist das Haus«, sagt Logan, als die Familie neben dem Wagen steht und sich umsieht. »Oh, es ist ein schönes Haus«, sagt die Frau bewundernd. Vielleicht hat sie sich in ihren Träumen immer nach so einem Haus gesehnt. »Kommen Sie«, murmelt Logan und geht voraus ins Haus. Van Johnson und seine Familie schweigen und sehen die sauberen Räume, und sie alle begreifen erst jetzt, daß so ein Haus wohl tausendmal besser und schöner ist als eine Blockhütte. »Sie können hier wohnen, Ma'am«, sagt Logan leise zu der Frau, »solange Sie wollen.« »Es ist ein wunderschönes Haus«, sagt die Frau schwärmerisch. »Aber wir möchten wirklich nur solange in diesem Haus wohnen, bis unsere Hütte steht. Wir sind Ihnen sehr dankbar, Mr. Randolph.« Er schluckt. »Ja«, murmelt er nur, etwas heiser und spröde. Er blickt Deborah Johnson flüchtig und auch etwas scheu an, nickt dann und geht zur Tür. »Ich helfe Ihnen beim Abladen.« Van Johnson folgt ihm. Sie laden die kleinen Möbel vom Wagen, die Töpfe,
Pfannen, Decken, die Hocker, den Tisch - alles das, was eine Familie wirklich braucht, um ein bescheidenes Leben führen zu können. Und sie tragen alles ins Haus. Das Mädel und der Junge helfen kräftig dabei, und die Siedlerfrau rückt alles richtig zurecht. »Wollen Sie nicht bis zum Frühjahr warten?« fragt Logan den Siedler, als sie auf dem Hof stehen. »Sie machen es sich wirklich sehr schwer da draußen.« Johnson schüttelt den Kopf, und seine Kinnmuskeln treten scharf hervor. »Nein, Sheriff«, sagt er entschlossen. »Ich weiche nicht von der Stelle! Ich nehme mir ein Pferd mit, meine Waffen, etwas Proviant, eine Säge, das Beil - und beginne meine Arbeit. Yeah, wir Siedler schließen uns nun zusammen. Und wenn wieder diese Weidelümmel uns den Weg versperren, gibt es einen Kampf! Nein, Sheriff - ich muß dort wirklich hart arbeiten, schon jetzt - sonst schaffe ich es nicht! Deshalb kann ich auch nicht bis zum Frühjahr warten.« Logan geht langsam vom Hof auf die Straße. Er denkt an das längliche Paket, das im Office liegt, und lächelt auf einmal. Ja, er wird Deborah Johnson noch heute dieses Paket bringen und... Er denkt nicht weiter darüber nach. Denn er hat nun die Straße erreicht und sieht die beiden Sattelpferde vor dem Office. Die Reiter sind nicht zu sehen. »Verdammt - was ist das?« murmelt er und beschleunigt auch schon seine Schritte. Einige Leute stehen auf dem Gehsteig, und als er an dieser Gruppe vorbeikommt, ruft einer halblaut: »Es ist Pritchards Sohn und dieser Copperfield.« Er vernimmmt die warnende Stimme und erreicht auch schon das Office. Er verharrt unwillkürlich davor, atmet tief ein und hört zugleich die klatschenden Schläge, das Stöhnen und das Stampfen von Stiefeln. Dann steht er im Office.
John Pritchards Sohn wirbelt herum. Der Trailboß Jim Copperfield hört das warnende Zischen des Ranchersohnes und läßt sofort von Dave Widmark ab, der neben dem Schreibtisch liegt. Pritchards Sohn ist etwa einundzwanzig Jahre alt, sehr schlank, geschmeidig und von jugendlicher Elastizität. Jim Copperfield steht breitbeinnig hinter ihm, halb verdeckt. Er atmet schnell und keuchend. Logan spürt den Zorn in sich hochsteigen. Er blickt schnell zu Dave hin, und er sieht den Schmerz im Gesicht seines Deputys. Er konnte sich mit seinem einen Arm nicht gut wehren. Sie haben ihren Haß an diesem Jungen ausgetobt, sie haben ihn sehr schlimm zugerichtet und ihm böse Hiebe gegeben. Und Dave ist kein Feigling; er hat sich mutig gewehrt, er hat gekämpft. Aber dieser Trailboß ist zu kräftig, hart und skrupellos. Mit leiser Stimme sagt Logan: »Copperfield, du hast meinen Deputy zusammengeschlagen...« Es klingt beinahe wie eine sanfte Frage. Der Trailboß antwortet nicht; er starrt ihn nur mit tückisch glänzenden Augen an. »Copperfield«, flüstert Logan, »du willst dich wegen der Festnahme rächen, ja? Und weil du mich nicht sofort angetroffen hast, bist du über diesen Jungen hergefallen?« »Ja!« faucht der Trailboß der Pritchard-Ranch. »Ja, Randolph, so ist es! Aber das ist noch nicht alles, großer Sheriff!« Logan lächelt dünn. Nun sieht er Ryan Pritchard an. »Pritchard«, sagt er langsam und leise. »Was willst du in Laramie?« In den Augen Ryan Pritchards flammt es wild auf. Er hat sich wieder gefaßt. »Du kleiner großmäuliger Sheriff!« schimpft er laut. »Du
glaubst wohl, daß du auch mich aus der Stadt jagen kannst, so wie du es mit Howard Gibson machen konntest, was? Aber du irrst dich, Logan Randolph! Ich lasse mich nicht aus der Stadt jagen. Und für dich ist es jetzt gleich aus, Randolph! Du hast in der Stadt lange genug den großen Herrn spielen können. Du folgst jetzt deinem Alten, Sheriff.« »Was bist du nur für ein Narr, Ryan Pritchard«, sagt Logan bedächtig. »Du willst so wie dein Vater sein und wirst doch niemals seine Größe erreichen, weil du nicht deine schmutzigen Absichten verbergen kannst. Das kann dein Vater doch sehr gut, nicht? Er hat es sogar geschafft, meinen Vater aus dem Weg zu räumen - durch diesen Wayne Hollister! Ja, es ist doch so gewesen, nicht wahr?« »Ja, Randolph«, würgt Ryan Pritchard voller Wut hervor, »mein Vater hatte Wayne Hollister gerufen! Aber Hollister sollte deinen Alten gar nicht töten; er sollte gegen die verdammten Siedler reiten. Doch was macht das schon! Wir vertreiben die Siedler und stinkigen Schafhirten sowieso aus dem Land. Aber das erlebst du gar nicht mehr, Logan Randolph! Ich möchte nämlich wissen, wie schnell du bist! Sicherlich bist du nicht so schnell wie dein Alter - und auch nicht schneller als ich. Deshalb bin ich in die Stadt gekommen, großer Sheriff.« »Du willst es also ausschießen?« fragt Logan sanft. »Du willst auch mich aus dem Weg räumen, he?« »Ja, Randolph!« stößt der Ranchersohn voller Haß hervor. Aber nicht allein Haß ist in seiner Stimme; auch die wilde, schlimme Lust zum Töten. Dieser junge Mann ist von einer krankhaften Sucht erfüllt. Die nüchterne, klare Überlegung ist bei ihm wie ausgelöscht. Er will töten, und damit beweisen, daß er besser und mächtiger ist als Gibson. Er weiß nun, daß John Pritchard diesen Revolvermann Wayne Hollister ins County kommen ließ. Eines Tages wird er John Pritchard gegenüberstehen.
Nun steht der Sohn dieses vom Machthunger getriebenen Ranchers vor ihm - keine fünf Schritte entfernt. Daneben lauert der Trailboß Jim Coppferfield, etwas breitbeinig und nach vorn gebeugt. Sie werden beide ziehen. »Überleg dir das noch, Junge!« flüstert Logan plötzlich, und er weiß selbst nicht, warum er Ryan Pritchard noch zur Vernunft bringen will. »Sei kein Narr! Ich muß zurückschießen!« »Nein! Ich überleg mir nichts mehr!« Seine Stimme ist schrill und überschlägt sich zum Schluß, und die Menschen, die sich draußen vor dem Office angesammelt haben, erschauern. Die Männer der Bürgerwehr, die sich gerade in diesem Moment dem Office von beiden Seiten nähern, erstarren. Eine nervenzerrüttende Stille tritt darauf ein. Eine Stille, die Gefahr und Tod verheißt. Und dann geschieht es auch schon. Im Office brüllen die Waffen auf. Dumpf, seltsam hohl und auch verzerrt. Es währt nur eine Sekunde - dann ist es schon aus. Logan steht noch immer an der Tür. Die Menschen auf der Straße sehen seinen Stetson, seinen Rücken, seine Stiefel. Im Office gibt es zwei dumpfe Geräusche. Es hört sich an, als wenn Männer schwer und leblos auf Fichtenbretter fallen. Wieder preitscht ein Schuß auf, und die Kugel zerschlägt das Holz des Türrahmens. Bläulicher Rauch kommt aus dem Office. Logan Randolph schiebt die Eisen in die Halfter zurück und preßt dann die rechte Hand auf den linken Oberarm. Er geht weiter in den Raum hinein. Zwei Männer liegen vor ihm: Ryan Pritchard und Jim Copperfield. Beide sind wohl tot. Aber dann beugt Logan sich über den jungen Ranchersohn, kniet nieder und sieht dem Jungen ernst und bitter ins bleichgewordene Gesicht.
»Du Narr«, flüstert Logan. »Warum mußtest du das tun, Junge?« »Mein Vater...«, haucht der Ranchersohn, »mein Vater wird...« »Was wird dein Vater, Junge?« fragt Logan bitter. »Er - wird - dich - töten«, flüstert der Sterbende. »Er macht meinen - Fehler - wieder gut. Ja, das - das macht er bestimmt, Logan Randolph! Du wirst...« Er bäumt sich auf, und mit einem verhaltenen Seufzer stirbt er. Langsam richtet Logan sich auf. Im Office wird es dunkel; in der Tür stehen die Männer der Bürgerwehr. Logan sieht Dave an. »Ist es sehr schlimm?« Dave Widmark schüttelt langsam den Kopf. Er kommt langsam hoch, und steht dann, noch etwas taumelnd, vor dem Schreibtisch, hält sich daran fest. In seinem Körper tobt noch immer der Schmerz. »Es geht schon, Logan!« ächzt er mühsam und lächelt verzerrt. »Tut mir leid, Logan. Aber ich...« »Red nicht so einen Unsinn, Dave«, sagt Logan weich. Er legt die Hand wieder auf seine Armverletzung. »Ich will nie wieder etwas davon hören.« Jack Widmark kommt herein und stützt seinen Sohn. »Bringen Sie Dave nach Hause«, murmelt Logan dumpf. »Komm, mein Junge«, sagt Widmark ruhig und gefaßt, »du brauchst jetzt Ruhe!« Er hakt seinen Sohn ein und hilft ihm. Sie gehen langsam aus dem Office. Draußen steht Daves Mutter. Logan läßt das Kinn auf die Brust fallen. Er spürt den Schmerz im Arm. Die Wunde ist harmlos; sie blutet nur ein wenig und wird morgen schon geschlossen sein. Er sieht die Männer im Office an. »Bringt sie ins Leichenhaus, bitte«, sagt er rauh. »Dort kann John Pritchard seinen Sohn abholen - und seinen Trailboß.«
»Sie sind verwundet, Logan«, konstatiert der Doc und stellt seine dickbauchige Tasche auf den Schreibtisch. Logan setzt sich auf einen Hocker und läßt sich dann verbinden. Ein paar Männer tragen die leblosen Körper hinaus. Richter Roak Beard sieht Logan stumm und fragend an. »Es ging nicht anders«, murmelt der Sheriff bitter und schluckt hart. »Sie waren richtig versessen darauf, mich in die Hölle zu schicken. Und Jim Copperfield hatte vorher seine Wut an Dave Widmark ausgelassen.« »Ich denke an John Pritchard, Logan«, spricht Beard düster. »Er hat soviel Macht, daß wir selbst mit der Bürgerwehr verdammt wenig gegen ihn ausrichten können, wenn er in die Stadt kommt.« Logan antwortet nicht darauf. Er weiß, daß es so ist, wie Beard es sagt. Er erhebt sich, als er verbunden ist. Der Doc nimmt seine Tasche und verläßt das Office. Auch der Richter geht hinaus. Logans Blick fällt auf das längliche Paket. Er nimmt es unter den rechten Arm und geht zur Tür. Auf dem Gehsteig trifft er van Johnson und dessen Tochter Deborah. *** »Junge, das hätte anders ausgehen können!« sagt der Siedler, als Logan vor ihm steht. »Und nun wird dieser John Pritchard wohl Himmel und Hölle in Bewegung setzen, um dich aus dem Weg zu räumen.« »Ja.« Logan sieht das schlanke Mädchen an. »Ich hab' hier ein Paket für Sie, Miß Debbie«, sagt er. »Oh...«, macht die Siedlerstochter; es kommt wie ein Hauch über ihre Lippen, und sie sieht auf das Paket unter seinem Arm. »Wollen wir hier Wurzeln schlagen?« brummt van Johnson lächelnd. Sie gehen über die Straße und der Staub weht vor
ihnen her. Als sie das Haus betreten, riecht Logan den Duft eines Bratens. Im Wohnzimmer übergibt er dann Deborah das Paket. Sie errötet, nimmt das Paket und geht hastig ins Nebenzimmer. Die Siedlersfrau kommt mit einer Kanne Kaffee herein. »Mr. Randolph, setzen Sie sich doch bitte«, sagt sie. »Es ist schließlich Ihr Haus.« »Danke«, murmelt er und setzt sich. Er sieht auf die Tür, hinter der Deborah Johnson verschwunden ist, und hört den Siedler in väterlichem Ton sagen: »Was wirst du nun tun, mein Junge? Du hast Pritchards Sohn eine Kugel gegeben, und das wird der Alte nicht verdauen können.« Tracy Johnson, der Sohn des Siedlers, kommt herein und setzt sich auf die Couch. Er sieht Logan bewundernd an, und sehr oft ruht sein Blick auf den schweren Colts. Logan lächelt dünn. »Natürlich bleibe ich in Laramie, Mr. Johnson. Ich werde auch weiterhin den Stern tragen. Wenn John Pritchard mit seiner Mannschaft in die Stadt kommt, stehe ich vor dem Office und höre mir an, was er zu sagen hat.« »Die Bürgerwehr ist nicht stark genug«, sagt Johnson langsam. »Ich bin noch nicht lange im County, aber ich kann mir gut denken, daß ihr alle nicht Pritchards Rudel aufhalten könnt.« »Aber wir können ihm große Verluste zufügen - und er weiß das!« erwidert Logan hart. »Wenn er mit der Mannschaft und seinen Revolvermännern in die Stadt kommt, dann riskiert er eine Menge. John Pritchard ist ein Mann, der den Tod nicht fürchtet. Schlimm für uns wird es dann, wenn er mit den anderen Mannschaften geschlossen nach Laramie kommt. Doch die Schafherde beschäftigt die Rancher sicherlich genug. Yeah, John Pritchard wird wohl erst in einigenTagen in die
Stadt kommen - eher nicht.« »So sieht es also aus«, spricht van Johnson nachdenklich. »Ich hab's mir verdammt gut überlegt, Junge; ich bleibe in der Stadt und warte an deiner Seite auf John Pritchard!« Logan erkennt die feste Entschlossenheit des Siedlers, ihm in diesen rauhen Tagen beizustehen. Er will gerade etwas dazu sagen, als Deborah Johnson ins Wohnzimmer kommt. Ihr schönes Gesicht strahlt, ihre Augen glänzen vor Freude. Sie trägt das geschenkte Kleid - ein schlichtes und doch sehr hübsches Kleid. Sie ist so glücklich darüber, daß sie Logan glattweg küßt. »Wenn das keine Liebeserklärung ist, dann will ich auf der Stelle tot umfallen!« ruft ihr Bruder. »Was verstehst du schon davon, Tracy!« knurrt der Siedler und grinst. »Mußt du nicht noch die Pferde füttern, he?« Tracy quetscht irgend etwas hervor, das sich nach »Wohl zu jung dazu?« anhört und geht aus dem Zimmer. »Ich weiß gar nicht, von wem er diese Neugierde geerbt hat«, sagt der Siedler gemütlich. »Muß wohl von Ann...« »Ja, natürlich von mir«, nickt die Frau, die gerade hereinkommt. »Ihr Männer habt ja nur gute Eigenschaften.« »Übertreibe bitte nicht, Frau!« Der Siedler grinst. »Debbie freut sich riesig darüber«, sagt die Frau zu Logan. »Sie haben ihr eine große Freude bereitet, Mr. Randolph. Und zum erstenmal hat meine Tochter die Sprache verloren!« Logan erhebt sich. »Ich muß jetzt wieder zurück ins Office.« Er greift etwas überstürzt nach seinem Stetson und geht zur Tür. Der Siedler geleitet ihn nach draußen. Sie reichen sich die Hände. »Es ist dein Haus, Junge«, sagt van Johnson. »Du kannst immer zu uns kommen. Und komm ruhig recht oft, ja?« Logan nickt. Er ist auf einmal sehr ernst. »Mr. Johnson, ich muß Ihnen sagen, daß ich mir 'ne Menge dabei gedacht habe, als ich das Kleid kaufte. Ja, ich habe
Debbie sehr gern, Mr. Johnson, und ich glaube, daß ich sie sogar liebe. Vielleicht haben Sie...« »Etwas dagegen?« ergänzt der Siedler und schüttelt den Kopf. »Nein, Junge! Ich freue mich wirklich darüber!« Da glänzen Logans Augen. Dann wendet er sich ab und geht auf den schmalen Weg des Vorgartens auf die Straße. Van Johnson sieht ihm lange nach. »Wenn alle jungen Burschen so anständig, gut, sauber und tapfer wären wie du, Logan Randolph«, sagt er leise vor sich hin, »dann wäre es auf dieser Welt schon bedeutend besser...« Er dreht sich in der Tür um und geht ins Haus. Logan Randolph aber schreitet durch die Stadt, und viele Blicke ruhen auf ihm. Er hat das Kinn gesenkt, und der Stetson verdeckt Stirn, Augen und Nase. Er sieht vor sich die abgetretenen Bretter des Gehsteiges und seine staubigen Stiefel. Und er hört seine Schritte und das Klirren der Sporen. Dann steht er am Stadtrand. Er hört das Blöken vieler Schafe, das Hundegekläff und die Stimmen der Treiber. Und er sieht Burl Longday an der Spitze der Herde, die sich nun nach Westen bewegt. »Du Narr!« flüstert er vor sich hin. »Du rennst mit offenen Augen in den Tod!« Die Herde trottet gleichmäßig dahin, über die harte Grasnarbe, blökt, meckert und wirbelt dabei den Staub auf. Im Westen wuchten die Berge dunkel und drohend empor, ragen mit ihren vom eiskalten Wind umwehten Gipfeln in den bleigrauen Himmel hinein. Dort irgendwo lauert Howard Gibson mit seiner Mannschaft. Burl Longday hat keine Chance. Er wird die große Herde niemals in die geschützten Täler im Westen bringen können. Er ist genauso stur und hartnäckig wie die Rinderbarone in diesem Bergland, so uneinsichtig und von einem falschen Stolz durchdrungen.
Er glaubt sich kräftig und stark genug, um es mit den Mächtigen dieses Landes aufnehmen zu können. Immer schwächer und leiser werden die Stimmen der Treiber. Das Kläffen der Hunde, die um die Herde laufen, dringt verzerrt herüber. Das Blöken der Schafe ist schon gar nicht mehr zu hören. Logan sieht der Herde nach, ernst und bitter. Diese Herde wird irgendwo im weiten Land verenden. Ihre Fährte wird sich irgendwo auflösen, und vielleicht wird nur manchmal der klägliche Schrei eines Schafes die Stille der Bergwelt unterbrechen. Und wenn der Schnee auf dem weiten Land liegt, kommen die Wölfe und fallen über die verirrten Schafe her. Denn dort in den einsamen Bergen ist noch die Wildnis, das erbarmungslose Gesetz der Natur. Diese Herde ist verloren. Und die Schafhirten haben keine Chance. Noch sind sie fest davon überzeugt, daß sie es schaffen. Aber schon morgen sieht die Welt für sie anders aus. »Ihr Narren«, murmelt Logan Randolph wieder. Mehr sagt er nicht. Und die Herde wird immer kleiner und taucht schließlich hinter den Bodenwellen unter. Logan dreht sich um und geht in die Stadt zurück. Vor dem Haus des Sattlers bleibt er stehen. Aus der Schmiede kommt der helle Klang eines Schmiedehammers, der ein glühendes Hufeisen formt. Der Wagen eines Siedlers rollt in die Stadt. Vor den Geschäften stehen Frauen. Und im Saloon besprechen Männer den kurzen, harten Kampf im Office. Sie sprechen auch über die Folgen dieses Duells. Logan Randolph flucht leise. Dann geht er ins Haus des Sattlers. Und wenig später steht er am Fußende des Bettes, in dem Dave Widmark liegt. Sein Gesicht ist bläulich angeschwollen, Kratzwunden bedecken die Wangen, eine
Augenbraue ist aufgeplatzt, das Auge ist halb geschlossen. Neben dem Bett sitzt Mrs. Widmark; sie pflegt ihren Sohn. Auf der anderen Bettseite steht Daves Vater. »Wie sieht es aus, Dave?« murmelt Logan fragend. »Sieh mich doch an, Logan«, sagt Dave leise und undeutlich; die geschwollenen Lippen behindern ihn beim Sprechen. »Copperfield hat mich rücksichtslos zusammengeschlagen.« »Der schlägt niemanden mehr«, antwortet Logan rauh. »Yeah«, flüstert Dave, »und du hast nun einen schlimmen Feind, Logan.« »Pritchard? Er ist schon immer mein Feind gewesen, Dave! Er und Howard Gibson leben nach eigenem Gesetz. Sie hassen mich, weil ich das andere, das richtige Gesetz in Laramie verkörpere. Sie haben auch schon meinen Vater gehaßt. Und Pritchard hat ihn auf dem Gewissen. Er ließ Wayne Hollister kommen.« »Ich hab's gehört, Logan - ich hab's genau gehört!« seufzt Dave. »Aber das ändert nichts an der Lage. Oh, ich muß verdammt schnell wieder auf die Beine kommen, Logan! Du mußt deinen Deputy im Rücken haben, so ist es doch, nicht wahr? Du bist verloren, wenn du nicht den Rücken frei hast.« »Der Junge muß noch einige Tage liegen, Logan«, sagt Jack Widmark. »Aber du kannst dich auf die Bürgerwehr verlassen.« »Ich weiß, Mr. Widmark.« »Oh, ich bin bald wieder in Ordnung!« sagt Dave unruhig. »Du bleibst liegen, mein Junge«, knurrt der Sattler. »Vielleicht sind innere Organe beschädigt. Nein, du bleibst im Bett.« »Yeah, Dave - das ist besser so«, murmelt Logan. »Aber wenn John Pritchard kommt und...« »Er wird erst in einigenTagen in die Stadt kommen. Die Rancher haben mit den Schafhirten genug zu tun. Wenn das
vorbei ist, dann kommt Pritchard nach Laramie - eher bestimmt nicht.« »Du vermutest das, aber du weißt es nicht genau.« »Ah - ich weiß aber, was in Pritchard vorgeht, Dave! Er wird mich warten lassen, um mich schön zu zermürben. Und wenn's soweit ist, dann kommt er...« »Die Herde ist unterwegs, ja?« Logan nickt. Dann spricht er noch einige aufmunternde Worte und verläßt schließlich das Haus des Sattlers. Er sucht das Office auf, hockt sich auf das Ruhelager und denkt nach. Später geht er hinüber zum Saloon, trinkt zwei Whisky, raucht und spricht längere Zeit mit zwei Männern der Bürgerwehr. Am Abend, kurz vor Einbruch der Dunkelheit, schreitet er langsam durch die Stadt zum Friedhof. Auf dem Hügel bleibt er lange Zeit vor den Gräbern stehen. Die Nacht kommt. Er wendet sich ab. Setzt den Stetson auf und zieht den Kinnriemen stramm. Und sieht auf die in der Dunkelheit schimmernden Lichter der Stadt. Er sieht die dunklen Umrisse der Häuser, die tiefen Schatten dazwischen und die Straße, die nur schwach erleuchtet ist. Dort unten schlägt ein Hund kurz an. Und er geht langsam vom Hügel und in die Stadt. Logan erreicht das Office, geht hinein, zündet die Petroleumlampe an und legt den Waffengurt ab. Er verschließt die Tür von innen, zieht die Stiefel aus, die Jacke, die Hose und hängt erst dann den Stetson an den Haken. Er löscht die Lampe und legt sich auf das harte Lager. *** Die Eiskristalle funkeln und blitzen in der Sonne, die kaum Wärme ausstrahlt. Der Wind, der mit dem neuen Tag gekommen ist, verkrustet die Schneedecke. An den Vordächern
hängen winzig kleine Eiszapfen. Die Sonne scheint, aber sie ist eiskalt. Logan Randolph lenkt seine Schritte zum Saloon. Er hat bereits gefrühstückt und will nun einen Whisky trinken. Unter seinen Schritten knirscht der Schnee. Wagenspuren laufen durch den auf der Fahrbahn liegenden Schnee. Kinder spielen am Stadtrand. Männer fegen Schnee. Die Frauen gehen ihren täglichen Pflichten nach. Im Saloon glüht der große runde Ofen. Mehrere Tische sind besetzt. An der Theke hantiert der Salooner. Vor der Pendeltür hängt nun eine breite, dicke Decke, die die Kälte abhalten und die Wärme nicht hinauslassen soll. Logan geht an die Theke und bestellt sich einen Whisky. Wenig später ruft ein Mann von draußen herein: »Kommt mal 'raus! Das müßt ihr gesehen haben.« Stiefel scharren, fast alle Gäste laufen hinaus. Draußen wird es still. Logan geht nun auch vor den Saloon. Ein Wagen kommt die Straße herauf, von nur einem Pferd gezogen. Die Wagenplane ist zerfetzt. Wild schlägt die Wagendeichsel neben dem schweißnaßen, dampfenden Pferd. Auf dem Kutschbock hockt ein Mann, ein Siedler. Ein blutiger Verband liegt um seinen Kopf; er kann keinen Stetson tragen. Grau und schwer gezeichnet ist das Antlitz dieses Mannes. Unter den Augen liegen tiefe Schatten. Logan läuft auf die Straße, faßt in die Zügel des Pferdes. »Mann, was ist passiert?« fragt er. Die Gäste aus dem Saloon kommen heran, bilden einen Halbkreis um Pferd und Wagen. »Hör mich an, Sheriff«, sagt der Verletzte, und seine Stimme ist leise, schwer und dumpf. »In dieser Nacht sind wir überfallen worden. Wir alle. Von vielen Reitern - von Cowboys. Ich habe welche erkennen können. Einen schoß ich vom Pferd. Dieser Halunke gehörte zur Pritchard-Mannschaft. Aber auch viele andere Crews waren dabei, von anderen
Ranchern. Sie griffen uns an, als es dunkel war. Überall hörte ich Schüsse und Schreie - am ganzen Fluß! Hölle - sie haben einige Häuser in Brand gesetzt, unsere Pferde zum größten Teil niedergeschossen, unsere Geräte vernichtet, alles auseinandergerissen, zerfetzt, zerstört. Es ist aus mit uns. Ich verlasse mit meiner Familie das Land. Ich will hier nicht mehr leben, in diesem verfluchten Land! Die Frau meines Nachbarn haben sie getroffen - sie war sofort tot.« Die Leute stehen stumm und entsetzt um den Wagen herum, und im Wagen schluchzt eine Frau. »Oh«, keucht der Siedler, »sie haben es uns diesmal so hart gegeben, daß wir glaubten, die Hölle wäre über uns gekommen. Und es war auch eine Hölle, ja - eine richtige Hölle! Ich verlasse das Land. Und mit mir noch andere. Wir haben genug von diesem verdammten Krieg!« Er stöhnt auf, und er fährt sich mit zitternder Hand über die Augen. »Glaubt mir, Leute«, ächzt er, »wir sind keine Feiglinge. Aber wir können nicht unsere Familien in den Tod schicken. Deshalb gehen wir fort. Denn die Halunken kommen bestimmt noch einmal. Ich verzichte auf den eigenen Boden, denn in diesem verdammten Boden könnte eines Tages meine Familie liegen! Und was hab' ich dann davon, he? Nichts, gar nichts.« Er packt die Zügel fester und treibt das kraftlose Pferd wieder an. *** Logan ist wieder in seinem Office. Die Leute stehen größtenteils noch immer auf der Straße und in der Kälte. Die Gemüter sind erhitzt, man verflucht die Rancher. Richter Roak Beard kommt herein. Er schließt hinter sich die Tür, sieht Logan ernst an und sagt leise:
»Logan - soeben sind vier Pritchard-Reiter in die Stadt gekommen. Geh lieber zur Kirche! Dort braut sich was zusammen. Einige von der Bürgerwehr habe ich schon hingeschickt.« »Verdammt!« stößt Logan grimmig hervor, legt den Waffengurt um und geht mit dem Richter hinaus. »Sei vorsichtig, Logan!« warnt Beard. »Die Leute sind verrückt vor Wut. Vielleicht wollen sie die vier Reiter lynchen. Der Haß in Laramie hat seinen Höhepunkt erreicht.« Es sieht auch wirklich so aus. Vor der Kirche hat sich eine ziemlich große Menschenmenge eingefunden. Heisere Kehlen schreien und drohen. Fäuste heben sich aus der Menge empor. Vier Sattelpferde und zwei Pferde mit Tragegestellen auf dem Rücken stehen vor dem Leichenhaus neben der Kirche. Logan sieht Jack Widmark und geht zu ihm. »Was sollen wir gegen diese verrückten Leute nur machen, Logan?« fragt der Sattler gepreßt. »Sie wollen die vier Männer, die Pritchards Sohn und den Trailboß holen wollen, lynchen! Alle denken an die Siedler, und nun ist die Vernunft zum Teufel. Ich habe Slogan, Hackett und Cabot ins Leichenhaus geschickt. Die anderen haben sich etwas verteilt.« »Verdammt«, flucht Logan, »das fehlt uns noch. Kommen Sie, Mr. Widmark.« Sie gehen schnell um die Menge herum und gehen ins Leichenhaus. Es ist ziemlich düster im Haus. Pfarrer Mill und die drei Männer der Bürgerwehr stehen in der Nähe der Tür. Die vier Reiter aus John Pritchards Mannschaft stehen vor den in Decken gewickelten Toten. Langsam kommt Luke Cleland heran. Man sieht ihm an, daß er Vormann einer rauhen Mannschaft ist. Groß, breit und stark steht er vor Logan Randolph und überragt ihn um einen Kopf. Er ist John Pritchards erster Mann; der zweite war Jim Copperfield. »Was soll das alles?« sagt er scharf. »Ich will Mr. Pritchards
Sohn zur Ranch bringen. Die Leute keifen da draußen wie verrückt. Sieht so aus, als wenn man etwas gegen uns hat, wie?« »Sie wissen, warum das so ist, Luke Cleland. Ihr kommt schon heil aus der Stadt. Dafür sorge ich. Und sagen sie dem mächtigen Pritchard, daß er der Stadt fernbleiben soll.« »Er wird kommen«, erklärt Cleland mit einem drohenden Unterton. »Aber erst müssen wir die Schafhirten in die Hölle geschickt haben.« »Sie sind kein guter Mann, Luke Cleland«, murmelt Logan bitter. »Ihr alle seid verkommen. Ihr seid auch keine richtigen Cowboys mehr; ihr seid Revolverschwinger. Und nun bringt sie hinaus, verdammt.« Er läßt den Vormann stehen, verläßt das Leichenhaus und verharrt vor den aufgebrachten Bürgern. Sie sehen ihn an und sind plötzlich still. Sie warten darauf, was er ihnen zu sagen hat. Und er sagt es ihnen. Jeder kann die feste Entschlossenheit in seiner Stimme hören. »Cleland und seine Reiter werden mit den Toten die Stadt verlassen! Seid fair, Leute! Niemand soll sagen können, daß in unserer Stadt die Lynchjustiz herrscht. Wir sind ordentliche Bürger - und keine lynchlustigen Teufel! Und wer es noch immer nicht begriffen haben sollte, wie ich das meine, der soll es versuchen. Aber es wird auch nur ein Versuch bleiben. Und nun geht auseinander, Leute. Geht an eure Arbeit!« Nach seinen Worten entsteht Stille. Dann verdrücken sich schon einige Bürger. Schließlich geht der größte Teil. Zurück bleibt eine kleine Gruppe fanatischer Leute, deren Haß größer ist als Vernunft und Einsicht. Luke Cleland kommt ins Freie. Er geht zu seinem Pferd, sieht zu dieser kleinen Gruppe hinüber und sagt zu Logan: »Wenn diese Kläffer uns daran hindern wollen, die Toten auf die Ranch zu überführen, werde ich auf sie schießen!«
»Dann werden Sie in der nächsten Sekunde ein toter Mann sein, Luke Cleland«, entgegnet Logan ruhig. Der Vormann stößt einen schlimmen Fluch aus, dreht sich dann um und blickt zum Leichenhaus, aus dem seine Männer mit den Toten kommen. Sie tragen die leblosen Körper zu den Pferden und befestigen sie auf den Tragegestellen. Cleland treibt sein Pferd zu Logan Randolph. »Wir verlassen nun die Stadt. Aber irgendwann kommen wir wieder. Du hast Ryan Pritchard getötet, Randolph. Du wirst wissen, wie es nun in John Pritchard aussieht. Yeah, er kommt sicherlich in den nächsten Tagen nach Laramie. Und dann wirst du kaum noch Zeit zum Beten haben, Sheriff Randolph!« Der Vormann reißt sein Pferd herum und reitet an. Seine Leute folgen ihm. Die Gruppe versperrt ihnen den Weg. Sie steht wie eine Mauer vor Cleland und seinen Männern. »Ihr verdammten Idioten wollt es wohl so haben, he?« sagt Cleland fauchend, und seine Augen starren lauernd und wachsam auf die Bürger. Hinter ihm verharren seine Leute; ihre Hände liegen wie zufällig auf den Oberschenkeln. »Seid vernünftig, Freunde«, sagt Reverend Mill, der aus dem Leichenhaus gekommen ist. »Ihr habt Frauen und Kinder. Laßt sie hindurch!« »Hören Sie, Reverend«, ruft einer aus der Gruppe, und in seiner Stimme flackert Haß, »diese Halunken werden vielleicht schon morgen die anderen Siedler in den Tälern angreifen und dann sogar Kinder töten! Wir können ihnen jetzt eine so harte Lektion erteilen, daß sie gar nicht mehr imstande sind, gegen die Siedler zu reiten.« »Ihr dürft es nicht tun, Freunde«, entgegnet Mill. »Sie werden es auch nicht können«, sagt Logan und hat auch schon seine Eisen in den Händen. »Aus dem Weg, Leute! Dieses Rudel wird die Stadt verlassen. Reiten Sie los, Luke
Cleland! Los, vorwärts!« Der Vormann treibt sofort sein starkes Pferd an und jagt auf die Gruppe los. Die Leute springen beiseite, fluchen wild und brüllen voller Wut. Schon ist das kleine Reiterrudel hindurch und prescht die Straße hinauf. Logan schiebt die Colts zurück und läßt die zornigen Bürger einfach stehen. Er geht über den Platz zum Gehsteig und schreitet dann auf dem Brettersteg weiter. Er begegnet vielen Bürgern, und sie alle grüßen ihn. Er geht ins Office, macht die Tür hinter sich zu, nimmt den Stetson ab und setzt sich hinter den Schreibtisch. Nach einer Weile legt er Feuerholz nach, und als er gerade zum Tisch zurückgeht, hört er Schritte vor der Tür. Dann geht die Tür auf, und Deborah Johnson kommt herein. Sie trägt nun wieder die Levishose und die warme, dicke Lederjacke. Und sie lächelt. Es ist ein bezauberndes, stilles, sanftes Lächeln. »Tag, Miß Debbie«, sagt er leise. »Tag, Mr. Randolph.« Ihre schlanken Hände fahren über die verwaschene Hose. »Ich möchte Ihnen danken; es ist ein schönes Kleid, und ich freue mich sehr darüber.« »Ich hatte mir gedacht, daß es Ihnen Freude machen wird. Und das wollte ich, Miß Debbie...« Sie nähert sich ihm und bleibt dicht vor ihm stehen. Sie muß zu ihm aufsehen. Er riecht den Duft ihrer Haare und spürt die Wärme ihres Atems. Sie sehen sich an, stumm und lange, und sie sagen sich doch sehr viel dabei, weil der Ausdruck ihrer Augen spricht. Dann wendet sie sich plötzlich ab, und mit veränderter Stimme sagt sie leise: »Warum muß in diesem Land Krieg sein? Warum muß das alles geschehen? Können die Menschen nicht in Frieden miteinander leben? Das Land ist doch so groß und weit. Alle haben Platz.«
»Es ist nun einmal so«, spricht er mit belegter Stimme. »Die Rancher wollen die alleinigen Herren dieses Landes sein und bleiben. Deshalb kämpfen sie. Und sie schrecken auch nicht vor schlimmen Taten zurück. Sie kennen nichts anderes als ihr eigenes Gesetz. Wenn es in diesem Land keinen Howard Gibson und keinen John Pritchard mehr gibt, dann wird es sich vielleicht ändern. Ich trage den Stern, damit in Laramie Ordnung und Ruhe herrscht. Mein Vater kämpfte dafür, und ich werde den gleichen Weg gehen.« *** Burl Longday reitet vorn. Er führt Treiber und Herde immer tiefer in die Berge. Schnee fällt, und es ist Nacht. Bleich und tot liegt das verschneite Land unter dem kalten Licht der Mondsichel. In der Ferne, irgendwo auf den Hügeln, heulen Wölfe. Der Wind treibt die Schneeflocken vor sich her. Die Herde ist im Schneetreiben kaum erkennbar, und die Schafe blöken ängstlich. Die Hunde jagen um die Herde herum. Sie sind dunkle Flecken im weißen Schnee. Sie hecheln, keuchen und bellen. Die Treiber flankieren die Herde, die sich lang auseinandergezogen hat. Durch den Schnee läuft eine breite Spur. Sie treiben die Herde über eine kleine Hochebene. Hier ist der Boden vom Wind ziemlich blankgefegt. Nur im Windschatten bilden sich Schneewehen. Der Treiberboß hebt das Kinn an, sieht zum Himmel empor. Graue Wolken ziehen dort entlang, und wenn sie sich sekundenlang vor den Mond schieben, leuchten sie silbern und wie Eis. Die Wolkenschatten laufen über das Land, schnell und lautlos. Burl Longday bewundert nicht dieses Schauspiel am Himmel; er sieht die dunklen Wolkenmassen im Norden. In kurzer Zeit wird es so dunkel sein, daß es gefährlich werden
könnte, die Herde weiterzutreiben. Sie müssen einen geschützten Platz für die Herde finden. Er dreht sich im Sattel um und ruft einen Treiber zu sich. »Übernimm du die Führung, Randie!« Dann, ohne weitere Erklärungen abzugeben, treibt er schon sein Pferd an und reitet im schnellen Trab über die Ebene. Der Wind kommt von der Seite und behindert ihn nicht sehr. Er läßt die Ebene hinter sich und kommt an eine tiefe Schlucht, die gleich hinter der Ebene ist. Er zieht die Zügel straff, und das Pferd schnaubt erregt. Drohend gähnt das Maul der Schlucht. Die Tiefe scheint bodenlos zu sein. Er zieht sein Pferd rechts herum und reitet langsam an der Schlucht entlang. Die Hufe klirren über schneefreie, nackte Felsen. Hinter der Schlucht öffnet sich eine breite Hügelfalte. Longday reitet sofort hinein. Der Wind ist weg. Schnee fällt auf seine Fellmütze. Der Hufschlag ist kaum zu hören, ist weich und dumpf. Er folgt der Hügelfalte. Die Herde ist weit hinter ihm. Er ist allein. Seine scharfen Augen suchen das vor ihm liegende Gelände ab. Die Hügelfalte öffnet sich - ein Tal liegt vor ihm, ein kleines, windgeschütztes Tal, das gut für die Herde ist. Er will gerade wenden, als er ferne dumpfe Detonationen hört. Das Geräusch wird vom fallenden Schnee halb verschluckt. »O Hölle!« schreit er wild, reißt das Pferd heftig herum und gibt ihm die Sporen. Er jagt in der Hügelfalte entlang, kommt auf die Ebene und sieht die Mündungsfeuer überall. Dunkle Schatten bewegen sich über die Ebene. Die Herde kommt herein. Von mehreren Reitern getrieben, im ersten Augenblick denkt Burl Longday, daß es seine eigenen Leute sind, die die Herde in Sicherheit bringen wollen und dabei nicht wissen, daß gleich hinter der Ebene eine tiefe Schlucht ist. Er brüllt auch
schon warnend, aber dann erkennt er, daß es fremde Reiter sind, Cowboys. Da reißt er die Winchester aus dem Gewehrschuh, legt an und schießt auch schon. Er trifft. Der Sattel eines Pferdes ist leer, und das Tier jagt weiter. Dann reitet er wie wild von der Seite her auf die Herde zu. Er schießt wieder, trifft aber nicht. Kugeln kommen heran, hinter der Herde blitzt es grell auf. Die Cowboys schießen auf ihn. Er muß zurückweichen. Er brüllt und schreit sich heiser. Eine knappe halbe Meile von ihm entfernt kämpfen seine Leute mit den Cowboys. Sie können die Herde nicht retten. Howard Gibson hat mit dem größten Teil seiner Mannschaft die Schafreiter angegriffen, hat sie umzingelt und hält sie fest, während seine anderen Reiter die Schafe in die Schlucht treiben. Burl Longday kann gar nicht anders; er muß einfach zur Schlucht sehen, in die nun seine Herde hineingetrieben wird. Die ersten Schafe weichen noch aus, aber die Masse drückt nach. Schon stürzen die vorderen Schafe in die Schlucht, überschlagen sich und prallen irgendwo tief unten auf. »Ihr Hunde!« brüllt Burl Longday heiser. »Ihr verdammten Hunde!« Er schießt wie verrückt auf die Reiter. Das Gegenfeuer trifft sein Pferd. Es steigt hoch, fällt zurück und jagt los. Der Schmerz macht es wild. So kommt es, daß Burl Longday sich den kämpfenden Parteien sehr schnell nähert. Dann biegt das Tier plötzlich ab, und er wirft sich mit einem Aufschrei vom Pferd, schlägt hart auf, rollt über den Boden in eine Schneewehe hinein. Taumelnd richtet er sich auf und sucht die Winchester, die er beim Absprung verloren hat. Er findet sie. Im selben Augenblick hört er trommelnden Hufschlag herankommen. Als er mit schmerzverzerrtem Gesicht und flackernden Augen
aufblickt, erwischt es ihn. Die Kugel geht durch seine Fellmütze, reißt die Kopfhaut auf und fällt ihn. Stöhnend sackt er zusammen, liegt mit dem Gesicht im kalten Schnee. Seine Hand hat das Gewehr umkrallt. Aber der kalte Schnee läßt ihn nicht bewußtlos werden. Er hört den Reiter halten, hört die Schüsse auf der Ebene. In seinem Schädel hämmert, sticht und schmerzt es. Der Reiter starrt auf ihn hinab und stößt dann ein heiseres Lachen aus, voll wilder Genugtuung. Burl Longday erkennt diese heisere Stimme. Er wird ganz steif und starr. Unter seinem Gesicht schmilzt der Schnee. Die Kälte dringt in seinen Körper. »Du Narr, verdammter!« schnappt der Mann auf dem Pferd. »Das hast du nun davon. Ihr verdammten Schafhirten!« Er wirft den Kopf herum und starrt mit zusammengekniffenen Augen über die Ebene. Seine Männer sind in der Überzahl und treiben nun die Schafhirten vor sich her. Das Echo der Schüsse brüllt in den verschneiten Bergen. Wieder lacht der Reiter. Laut, heiser und grausam kalt. Dann reitet er langsam um den im Schnee liegenden Mann herum. »Du armer Narr«, sagt der Mann noch einmal. Er beugt sich etwas aus dem Sattel und starrt hinab. Er sieht das Blut im Schnee. Mit der linken Hand zieht er sein Pferd zurück. Schließlich reitet er langsam an. Burl Longday hört, wie er sich entfernt. Er wälzt sich herum, reißt die Winchester hoch, sieht den breiten Rücken des Reiters und brüllt: »Das sollst du haben, Howard Gibson!« Der Rancher läßt sich sofort aus dem Sattel fallen. Longdays Kugel geht vorbei. Mit einem erstickten Aufschrei reißt Gibson sein Gewehr hoch und schießt. Der Schafzüchter bekommt die Kugel in die Schulter. Das
Geschoß wirft ihn richtig zurück. Aber dann ist er schneller als Howard Gibson. Seine Winchester brüllt auf, und der Rinderbaron fällt zurück in den Schnee. Taumelnd kommt Longday hoch, steht unsicher auf den Beinen, die Winchester schußbereit in den Händen. Mit schleppenden Schritten nähert er sich dem Rinderbaron. Schwankend steht er vor dem Mann, der ihm eine ganze Herde genommen hat, der diese Herde ganz rücksichtslos in eine Schlucht treiben ließ. Howard Gibson wird kein Unheil mehr anrichten können. Er ist tot. Er liegt auf dem Rücken, und seine starren Augen scheinen in den grauen Himmel zu sehen. Kein Wort kommmt über Burl Longdays Lippen, kein Fluch, kein schändliches Wort. Schweigend sieht er auf seinen Gegner hinab. Eine gähnende Leere ist in ihm. Sein ganzer Körper ist wie ausgehöhlt. Langsam geht er an Howard Gibson vorbei zu dessen Pferd. Das Tier weicht ihm nicht aus. Er schiebt das Gewehr in den Scabbard, umfaßt das Sattelhorn und zieht sich mühsam in den Sattel. Er spürt das Blut warm am Körper hinunterlaufen, und der Krampf schüttelt ihn auf einmal. Der Krampf und die Kälte. Auf der Ebene ist es still geworden. Kein Schuß fällt. Die Berge schweigen. Der Schnee kommt vom Himmel. Über die Ebene kommen mehrere Reiter. Sie suchen nach ihrem Rancher. »Mein Gott!« krächzt Burl Longday, und ein kalter Schauer kriecht über seinen Rücken, als er an seine Leute denkt. Sie starben für die Herde. Und die Herde starb mit ihnen. Langsam reitet der Herdenboß an. Er lenkt das Tier über die Ebene nach Osten. Die Cowboys sehen ihn nicht, denn die Wolken haben sich vor die Mondsichel geschoben. Er reitet nach Laramie zurück, denn dort ist ein Arzt.
Die Cowboys finden ihren Rancher. Mit seinem Tod ist auch seine Macht vorbei. Es gibt in diesem Land jetzt nur noch einen Mächtigen, John Pritchard. Vielleicht geht auch er bald diesen Weg ohne Wiederkehr. *** Sheriff Logan Randolph reibt sich fröstelnd die Hände. Er lenkt seine Schritte über den Gehsteig zum Stadtrand. Dort stehen an diesem frühen Morgen mehrere schwere Wagen. Pferde sind vorgespannt. Die Wagen stehen hintereinander, zum Abmarsch bereit. Frauen und Kinder hocken auf den Wagen unter den Planen. Die Männer stehen noch in einer Gruppe beisammen. Ihr Atem hängt wie eine Dampfwolke über ihren Köpfen. Es ist windstill. Der Schnee ist hartgefroren. Die Siedler hören seine Schritte im Schnee. Sie sehen ihn herankommen. Vor ihnen bleibt er stehen. Er blickt zu den Wagen hinauf, sieht die verhärmten Gesichter der Frauen. Die Kinder sind blaß. »Warum bleibt ihr nicht bei uns?« murmelt Logan fragend und sieht die Männer an. »In der Stadt ist noch Platz für euch. Zwei Familien wollen sich für immer in Laramie ansiedeln. Ihr könnt in der Stadt den Frühling abwarten.« Einer der Siedler schüttelt den Kopf. »Kein Bedarf, Sheriff! Wir ziehen alle noch heute fort. Im Frühjahr ist es nicht besser in diesem Land. Sie wissen es selbst; erzählen Sie uns also nichts!« »Der Weg ist jetzt sehr schlecht«, sagt Logan. »Ihr kommt nicht durch die Laramie Mountains.« »Das wissen wir. Deshalb gehen wir weiter im Süden über die Grenze nach Colorado bis nach der Frontrange. Das sind gut fünfzig Meilen. Mit Umwegen siebzig. Die schaffen wir schon. Wir versuchen es.«
Er sagt es zuversichtlich, nickt Logan zu und klettert auf den ersten Wagen. »Los, jetzt!« ruft er laut. Die anderen Siedler gehen mit schweren Schritten zu ihren Wagen, sitzen auf und nehmen die Zügel. Dann rollt der erste Wagen an, und die anderen folgen. Der Siedlertreck verläßt Laramie und bewegt sich nach Süden, einer ungewissen Zukunft entgegen. Logan geht in die Stadt zurück. Er besucht Dave Widmark. Der Junge sieht schon bedeutend besser aus. Die Schwellungen sind zurückgetreten. Nur die Platzwunden sind zu sehen. »Gestern war dein Girl bei mir, Logan«, sagt er und strahlt. »Ja, sie hat mich besucht. Sie ist ein nettes Mädel. Ach, wenn ich nur erst aus dem Bett könnte! Das macht mich ganz krank.« Logan lächelt. »Du wirst es schon schaffen, Dave. Und du wirst an meiner Seite stehen, wenn John Pritchard in die Stadt kommt.« »Hoffentlich«, brummt Dave. Jack Widmark kommt ins Zimmer. Er bleibt an der Tür stehen. »Du wirst gebraucht, Logan«, sagt er spröde. »Burl Longday ist soeben in die Stadt gekommen - halbtot. Er liegt im Hause des Doc.« »Damned«, flucht Logan, »das bedeutet nichts Gutes. Dave, wir sehen uns später!« Er verläßt das Zimmer, eilt auf die Straße und zum Haus des Arztes. Davor steht eine kleine Menschenmenge. Logan sieht das große starke Pferd Howard Gibsons vor dem Haus stehen. Er drängt sich durch die Leute und steht Sekunden später im Behandlungszimmer. Durch das Fenster fällt das Tageslicht auf ein Lager, und auf diesem Lager ruht Longday. Sein Gesicht ist schweißnaß und verzerrt. Die Augenlider flattern, die Augen blicken glasig. Er ist halb bewußtlos. Sein Oberkörper ist frei, und Logan sieht das häßliche Loch in der Schulter. Blut läuft in
dünnen Fäden hinunter. Der Arzt legt das Geschoß in eine Schale, wäscht sich schnell die Hände und blickt dabei die beiden Männer, Richter Beard und Logan Randolph, an. Er sagt kein Wort zu ihnen, greift nach einem weichen, sauberen Lappen, durchtränkt ihn mit Whisky und säubert dann die Wundränder. Schweigend verbindet der Arzt den großen Mann. »Ihr könnt ihm jetzt noch keine Fragen stellen«, sagt er und richtet sich auf. »Er hat viel Blut verloren.« »Kommen Sie mit in den Saloon, Richter?« fragt Logan leise. Roak Beard nickt, und sie verlassen das Haus. *** »Cleland!« Der Vormann hört den scharfen Ruf vom Ranchhaus her, dreht sich um und stapft durch den Schnee zum Herrenhaus. Dort steht John Pritchard auf der großen Terrasse. Schmal, feingliedrig, schmächtig wirkend - und doch der mächtigste Rinderbaron in diesem Land. In seinem schmalen, nun blassen und etwas eingefallenen Gesicht glänzen die grauen Augen gletscherkalt. Dünn und verkniffen ist der Mund, der Hals etwas verkrampft. Seine schlanken Hände sind durch warme weiche Lederhandschuhe vor der Kälte geschützt. Luke Cleland bleibt vor seinem Rancher stehen. Neben Pritchard wirkt er wie ein Riese, so groß und breitschultrig ist er. »Ja, Boß?« John Pritchard sieht durch ihn hindurch. Seit dem Tode seines Sohnes sind seine Augen von einer Leere, die Cleland immer wieder einen kalten Schauer über den Rücken jagt. Es sind seelenlose, kalte, ausdruckslose Augen. Pritchard scheint
ein Mann ohne Gefühlsregungen zu sein. Als er von dem Tode seines Sohnes hörte, brach er nicht zusammen. Er schrie und tobte auch nicht, er brüllte sich nicht heiser. Er stand nur da, ließ den Kopf etwas nach vorn fallen und sagte kein Wort. Dennoch ist er ein anderer Mensch geworden. Seine Augen verraten es. »Cleland«, sagt er leise, indem er sich etwas vorbeugt, »sorge dafür, daß morgen alle Männer auf der Ranch sind! Wir reiten morgen nach Laramie!« Er richtet sich wieder auf, strafft die Schultern und wirft einen langen Blick auf die beiden kleinen Erhebungen unter den kalten Bäumen. Dort, hinter dem großen Hof, liegen sein Sohn und Jim Copperfield. Und dorthin sieht John Pritchard. »Ja, Boß.« Luke Cleland nickt; seine Stimme klingt etwas heiser und gepreßt. »Gut. Du kannst gehen«, murmelt der Rinderbaron. Der Vormann verläßt die Terrasse, geht auf den Hof hinunter und zum Bunkhaus. Pritchard will sich abwenden, als er einen Reiter durch das Tal kommen sieht. Er verharrt auf der Terrasse, und der Wind, der seit kurzem aufgekommen ist, treibt die kleinen Eiskristalle in das Gesicht des Ranchers. Bewegungslos steht er im kalten Wind und sieht dem Reiter entgegen. Der Cowboy zügelt sein dampfendes Pferd vor der Terrasse. Keuchend ruft er: »Mr. Pritchard - es ist aus mit uns! Wir haben die verdammten Schafhirten in der letzten Nacht angegriffen und überrumpelt. Es gab einen rauhen Kampf. Die Schafherde haben wir in die Schlucht hinter der Ebene gejagt. Wir haben auch alle Schafhirten in die Hölle geschickt. Nur diesen Trailboß fanden wir nicht; vielleicht liegt er unter dem Schnee. Mr. Gibson ist tot! Irgendeiner dieser Schäfer hat ihn erschossen.« Pritchard antwortet nicht sofort. Der Wind bewegt die
Krempe seines Stetsons. Seine Augen sind schmal geworden. Nur einmal schluckt er schwer. Sonst rührt er sich nicht. Gibsons Cowboy sieht ratlos zu ihm auf und wartet auf die Antwort. Endlich spricht der Rinderkönig. Und auch diesmal ist seine Stimme nicht heftig, sondern ruhig und sanft. »Morgen reite ich mit meiner Crew in die Stadt. Wenn das erledigt ist, überlege ich mir, was mit der Ranch geschehen soll. Reite zurück. Bleibt alle auf der Ranch. Wartet auf meine Entscheidung.« »Ja, Mr. Pritchard.« Der Cowboy reitet vom Hof und ins Tal zurück. Die Hufe des Pferdes wirbeln Schneestaub auf. John Pritchard dreht sich um und geht zurück ins Herrenhaus. Zwei hagere, geschmeidige Männer sitzen im Rauchzimmer des großen Hauses und sehen auf, als er hereinkommt. Er setzt sich in den tiefen Ledersessel, holt eine Zigarre aus der Kiste, beißt das Mundstück ab und läßt sich von Cloyd Flemming Feuer geben. Cloyd Flemming und Larry Springer stehen schon lange auf Pritchards Lohnliste. Sie haben die Dreckarbeit zu übernehmen. Unter Dreckarbeit versteht Pritchard die Beseitigung unliebsamer Leute. Außerdem haben die zweibeinigen Wölfe ihn zu beschützen, denn er besitzt viele Feinde im Land - Menschen, die er irgendwann betrogen und von Land und Weide gejagt hat. »Es geht also morgen los, nicht wahr?« lächelt Larry Springer. »Ja«, murmelt Pritchard. »Ich möchte feststellen, ob ich euch nicht zuviel bezahle.« »Wir sollen uns also diesen hirnverbrannten Sheriff vornehmen?« fragt Cloyd Flemming. Der Rancher nickt und zieht an der Zigarre. »Er bekommt eine Kugel«, sagt er. »Und alle, die dann auf
der Straße sind, ebenfalls.« *** Logan steht am Fußende des Bettes. Seine Hände haben sich um die Zierkugeln des Bettgestelles gelegt, und die Knöchel werden weiß, so sehr verkrampfen sich die Hände. Hinter ihm steht Richter Beard, und an der Bettseite der Arzt. Sie alle hören die schwache Stimme Burl Longdays, und niemand weiß, woher er die Kraft zum Sprechen nimmt. Aber er spricht - langsam, leise und mit großen Pausen. Manchmal flüstert er heiser, und einmal bäumt er sich etwas auf, als er berichtet, wie er auf Howard Gibson geschossen hat. Sie hören den Bericht über einen unmenschlichen Kampf, über ein Drama in den Bergen. Und Longday weiß, daß er als einziger dieser Hölle entkommen ist. »Alle sind tot«, flüstert er schleppend. »Alle liegen nun im Schnee begraben. Aber wenn es Frühling wird, seht ihr sie alle. Überall auf der Ebene. Ihr seht dann auch die Schafe in der Schlucht - genau tausendzweihundert Schafe! Eine Hölle war es - eine richtige Hölle.« Er schließt die Augen, und als er sie wieder öffnet, sieht er Logan Randolph an. »Du hast mich gewarnt, Sheriff. Ich habe meine Leute in den Tod geschickt, weil ich nicht auf dich gehört habe. Ich hätte auch sterben sollen.« Er atmet schwer und rasselnd, und sie hören die leise Stimme des Doc sagen, daß er jetzt Ruhe braucht. »Mein Gott«, sagt Roak Beard mit rissiger Stimme, als sie draußen vor dem Haus stehen, »das muß furchtbar gewesen sein. Sie haben sich gegenseitig erschossen - für nichts und wieder nichts. Nicht ein bißchen Vernunft war dabei; sie alle waren stur und vollkommen verrückt.« »Ich habe es doch geahnt, daß es ein solches Ende nimmt«,
murmelt Logan bitter. »Nun ist es geschehen; wir können nichts mehr daran ändern. Und wir müssen dafür sorgen, daß sich so etwas nicht noch einnmal ereignet. Richter, ich lege den Stern ab, wenn ich den Kampf mit John Pritchard überlebt habe.« »Du hast ein Recht dazu, Logan«, antwortet Roak Beard dumpf. Logan sieht über die Straße. Er nickt wie geistesabwesend. Er atmet scharf ein, reicht Beard die Hand und geht davon. Der Tag neigt sich seinem Ende zu. Das graue Licht der Dämmerung breitet sich aus. Es friert wieder. Er sieht nach dem Hügel hin, auf dem seine Eltern ruhen. Er fühlt sich an diesem Tag irgendwie matt und leergebrannt. Dann denkt er an den jungen Tracy Johnson, der ihn vor zwei Stunden im Office aufgesucht hat. Die Johnsons möchten gern, daß er zum Abendessen zu ihnen kommt. Er sagt zu dem Jungen, daß er sehr gern käme. Aber nun verspürt er gar keinen Hunger. Dennoch geht er zu seinem Elternhaus. Er klopft an die Tür, und Tracy öffnet ihm. Er geht hinein, nimmt Stetson und Waffengurt ab und zieht auch die schwere Jacke aus. Dann steht er im Wohnzimmer, und man begrüßt ihn. Es ist noch gar nicht so lange her, daß er mit seinen Eltern an diesem Tisch saß, daß man gemeinsam das Essen einnahm. Und doch ist es wiederum sehr lange her. Gemütlichkeit, eine gewisse Geborgenheit, Ruhe und Geselligkeit, das alles ist auf einmal wieder in diesem Haus, das viele Tage lang leer und trostlos gewesen ist. Er sitzt neben Deborah auf dem Sofa, und davor steht der Tisch mit den dampfenden Schüsseln und dem duftenden Braten. An den Schmalseiten sitzen van Johnson und sein Junge, Logan gegenüber der Siedlerfrau. Der alte Johnson spricht ein kurzes Tischgebet, dann beginnen sie zu essen. Als das Mahl beendet ist, räumen Deborah und ihre Mutter
ab; Johnson und Logan setzen sich an den kleinen Rauchtisch, den Old Logan einmal selbst gezimmert hat. Der Siedler bietet ihm Tabak an, und sie rauchen. »Im Frühling und Sommer ist dieses Land sicherlich sehr schön«, sagt van Johnson plötzlich, und seine Stimme hat einen träumerischen Klang. »Ja«, antwortet Logan, »dann grünt und blüht es überall. Aber auch der Hochsommer kann hart sein. Er verbrennt das Gras und macht den Boden trocken und sandig. Aber am Fluß ist es ein Paradies. »Viele Siedler sind wieder davongezogen. Ich bleibe hier. Denn es wird auch für dieses Land eine gute Zeit kommen. Was wirst du tun, mein Junge, wenn das alles vorbei ist?« »Mein Vater hatte sich vor Jahren schon ein Teil im Norden des Landes hinter dem Weideland der Rancher gekauft. Er wollte eines Tages hier Schluß machen und in dieses Tal ziehen. Aber er schob es immer wieder auf, denn er liebte diese Stadt. Er hielt ihr die Treue. Bis es dann zu spät war. Ja, in das Tal werde ich gehen. Es ist ein geschütztes, gutes Tal mit einer prächtigen Weide. Dort werde ich eine Pferdezucht beginnen, wie es sich mein Vater vorgenommen hatte.« Sie schweigen einige Atemzüge lang, und jeder denkt an den morgigen Tag und an das, was er vielleicht bringen wird. Der Schnee klopft dumpf ans Fenster, schwerer, nasser Schee. Schleierartig hängt der Tabakrauch im Zimmer und wallt um die brennende Petroleumlampe. »Ich sprach heute mit Jack Widmark, dem Sattler«, sagt van Johnson auf einmal. »Wir sind morgen bereit, Logan. Die Bürgerwehr wird längs der Straße in Stellung gehen. Allein vier Mann werden im Saloon sein. Pritchard soll mit seinem Rudel nur kommen.« Logan nickt stumm. »Einige andere Männer, die nicht zur Bürgerwehr gehören, werden Pechfackeln in das Rudel werfen«, sagt Johnson. »Das
macht die Pferde verrückt. In der Zwischenzeit versperren andere Männer die Stadtausgänge mit Stacheldraht, den Bruce Lemmerson zur Verfügung gestellt hat. Dadurch haben wir sie in der Zange. Ich wette, daß wir es schon schaffen werden!« »Wir müssen es einfach schaffen!« murmelt Logan. Bald verläßt er die Familie. Im Vorraum zieht er die Jacke über. Er legt den schweren Waffengurt um; die Halfter ragen unter der Jacke hervor. Als er nach dem Stetson greifen will, fällt Deborah ihm in die Arme, schmiegt sich an ihn. »Logan«, flüstert sie, »sei vorsichtig! Mein Gott, ich habe schreckliche Angst um dich, Logan!« Er spürt, daß sie am ganzen Körper bebt. Er nimmt sie fest in seine Arme und preßt sie an sich. Dann löst er sich von ihr, hebt mit der Hand sanft ihr Kinn an, so daß sie ihm in die Augen sehen muß, und sagt weich: »Wie kann ich unvorsichtig sein, wenn ich weiß, daß du auf mich wartest, Debbie? Ich denke an dich, wenn ich hinausgehe. Ich weiß dann, wofür ich kämpfe, Debbie!« »Sei vorsichtig, Logan!« flüstert sie noch einmal mit bebender Stimme. »Ich könnte es nicht ertragen, wenn du...« »Du darfst daran nicht denken, Debbie«, murmelt er spröde. »Du mußt an unsere gemeinsame Zukunft denken, daran glauben.« Er nimmt den Stetson und geht zur Tür. Er sieht sie stumm an, dann geht er schnell hinaus, drückt die Tür hinter sich zu und geht durch den Vorgarten auf die Straße. *** Als Logan dieTür öffnet, faucht ein kalter Windstoß ins Office. Er geht hinaus, schließt die Tür, schlägt den Kragen der dicken Jacke hoch und stapft über die Straße zum Restaurant. Die Straße ist leer. Ein heftiges Schneetreiben leitet den neuen Tag ein.
Schneewehen ziehen sich von den Häusern her über die Fahrbahn. Knietief sackt der Mann im Schnee ein. Überall klebt der flockige Schnee - an den Fronten der Häuser, an den Pfosten der Vordächer, an der Haltestange vor dem Saloon. Die Luft ist kalt, und der Himmel ist grau. Das weite Land ist weiß. Der Mann bahnt sich einen Weg durch die Schneewehen, erreicht den Gehsteig, schlägt die dicken Schneeklumpen von den Stiefeln, klopft Hose und Jacke ab und geht dann weiter. Die Fenster des Restaurants sind von innen beschlagen. Er geht hinein. Wohltuende Wärme empfängt ihn. Der Keeper ist allein im Gästeraum. Er füttert gerade den Ofen mit schweren Holzkloben. »Sauwetter, was?« sagt er lächelnd. »Möchte jetzt nicht draußen auf der Weide sein.« Logan nickt. Er klopft den Stetson ab und setzt sich dann an einenTisch. »Frühstück?« fragt der Keeper, die Hände an der weißen Schürze abwischend. »Und starken Kaffee?« »Ja.« »Wird etwas dauern; der Herd ist noch nicht heiß.« »Ich hab Zeit«, murmelt Logan. Er zieht die Colts aus den Halftern, überprüft die Trommeln und schiebt sie zurück. Still und reglos sitzt er auf dem Stuhl. Der Ofen glüht und knackt. Die Wanduhr tickt laut. Draußen treibt der Schnee durch die Straße. Nach einiger Zeit bringt der Keeper das Frühstück an den Tisch. Logan beginnt zu essen. Er ißt und trinkt dazu etwas vom schwarzen Kaffee. Danach raucht er. Stillschweigend zahlt er, setzt den Stetson auf und geht hinaus ins Unwetter. Er wandert über den Gehsteig zum Stadtrand. Dort verharrt er einen kurzen Augenblick und sieht über das weite Land hinweg. Die gleißende Helle des Schnees blendet ihn ein wenig. Er wendet sich ab und geht zurück.
Im Saloon wird er von den Männern der Bürgerwehr bereits erwartet. »Es ist alles vorbereitet, Logan«, berichtet Jack Widmark ruhig. Logan verzieht den Mund zu einem flüchtigen Lächeln. »John Pritchard wird mit seiner Mannschaft sofort zum Office reiten«, sagt er mit leidenschaftsloser Stimme. »Dann werde ich im Office sein. Ihr beginnt nicht eher zu schießen, bis ich das Zeichen dazu gebe. Und das ist, wenn ich zum Colt greife.« »Wir haben eine gute Chance«, meint der Sattler. »Pritchards Männer können nicht gut schießen; wenn sie in die Stadt kommen, sind ihre Hände klamm vor Kälte. Sie haben einen langen Ritt durch das verschneite Land zu machen. Sie werden ausgepumpt sein, müde, erschöpft. Das ist unsere Chance.« »Die Leute sollen die brennenden Fackeln vor die Pferde werfen«, murmelt Logan. »Sagt ihnen das noch!« Er geht an die Theke und trinkt einen Whisky. Er legt den linken Unterarm auf den Messingbeschlag und sieht die Männer der Reihe nach an. Ja, er kann sich auf sie verlassen. Sie stehen alle ihren Mann. Er ist nicht allein.Vielleicht errät Jack Widmark seine Gedanken, denn er sagt ganz plötzlich: »Wir haben dich zu unserem Sheriff gewählt, Logan, aber das heißt für uns noch lange nicht, daß wir dich im Stich lassen können, wenn's einnmal bitter wird. Du wirst sehen, daß Laramie zu Logan Randolph steht und mit ihm für eine gute Zeit kämpft.« »Ich weiß es, Mr. Widmark«, nickt Logan bedächtig. »Zuerst habe ich nicht daran glauben wollen. Nun sehe ich es. Es ist für mich ein gutes Gefühl, das zu wissen...« »Dave ist wie verrückt, daß er nicht zu dir kommen darf, Logan«, lächelt Widmark. »Aber der Junge darf noch nicht hinaus.«
»Ja, es hat ihn ziemlich erwischt«, erwidert Logan. »Und ich will auch nicht, daß er das Haus verläßt.« Er geht zur Tür und sagt von dort zu den Männern: »Geht nun auf eure Plätze! Pritchard kann jeden Moment in die Stadt kommen. Er wird schon lange unterwegs sein.« Dann verläßt er den Saloon. Sie hören seine festen Schritte auf dem Gehsteig. Die innere Unruhe treibt ihn durch die Stadt. Er ist jetzt wie ein rastloser, wachsamer und jagender Wolf. Er steht gerade vor dem Generalstore, als vier Reiter in die Stadt kommen. An ihrer Kleidung haftet der Schnee. Die Pferde stampfen durch die Schneewehen. Der Wind faßt hinter den aufgeworfenen Schnee und treibt ihn vor sich her. Nun sehen sie ihn, lenken die Pferde zum Store und halten davor. Logan sieht in hartlinige, vom kalten Wind grau gewordene Gesichter: Er erkennt an der Kleidung dieser Männer, daß es rauhe, stolze Schafzüchter sind. »Wir kommmen aus den Tälern im Westen, Sheriff«, sagt der Mann, der am ältesten aussieht. »Wir sind schon seit vielen Tagen im Sattel. He, sag mir, Sheriff, ist hier eine große Schafherde vorbeigezogen?« »Ja, aber wenn ihr diese Schafherde sucht, dann ist euer Ritt umsonst gewesen«, antwortet Logan bitter. »Sicherlich wolltet ihr der Herde entgegenreiten. Aber es gibt keine Herde mehr, Männer!« In dem Gesicht des Alten zuckt es. Er beugt sich vor, und seine Hände umklammern das Sattelhorn. »Was heißt das, Sheriff?« ruft er kehlig. »Soll das heißen, daß ein so erfahrenerTrailboß wie Burl Longday seine Herde verloren hat, he?« »Ja, Longday und seine Treiber sind in den Bergen überfallen worden. Howard Gibson, der zweitmächtigste Rinderbaron im County, griff mit seiner ganzen Mannschaft an, trieb die Herde in eine Schlucht und ließ keinen Hirten am Leben! Nur Burl Longday konnte dieser Hölle entkommen -
mit einer Kugel im Leib und halbtot. So kam er gestern hier an. Er liegt nun beim Doc. Und es gibt keinen Howard Gibson mehr; Longday erschoß ihn.« »Verdammt, das kann doch nicht wahr sein!« brüllt der Schafzüchter fassungslos. »Wir warten schon seit vielen Wochen auf die Herde. Und diese Herde soll es nicht mehr geben!« »So ist es, Mister, und bis auf Burl Longday gibt es auch keinen Treiber mehr, der am Leben ist.« »Mein Gott!« stöhnt der Mann und sackt richtig im Sattel zusammen. Er flüstert irgend etwas vor sich hin; seine Worte gehen im treibenden Schnee unter, werden verschluckt. Seine Begleiter sehen entsetzt auf Logan Randolph. Der Alte dreht den Kopf und blickt unwillkürlich hinauf auf das weiße Land. Ein Schauer schüttelt ihn. Er reißt sich zusammen, und mit keuchender Stimme fragt er: »Warum ist es in dieser Stadt so still, Sheriff? Dieses Land ist schon ein Todesland. Aber warum ist es hier wie in einer toten Stadt? Wo sind die Kinder? Wo die Männer und Frauen?« »In den Häusern. Die Stadt wartet auf John Pritchard. Dieser Mächtige ist mit seiner Mannschaft unterwegs nach Laramie. Ich mußte seinen Sohn erschießen. Deshalb, Mister - deshalb ist es in der Stadt still!« Aus dem Saloon kommen die Männer der Bürgerwehr. Die Schafzüchter sehen die Waffen in den Händen der Männer, die sich nun in alle Richtungen hin verteilen. »Ich habe von John Pritchard gehört«, sagt der Schafzüchter. »Er hat doch diesen verdammten Viehzüchterverband gegründet, nicht wahr? Er hetzt doch alle anderen Rancher auf uns.« Logan nickt stumm. Der Alte blickt seine Begleiter frostig an. Er schluckt mühsam, streicht dann mit der Hand über den vereisten Bart
und sagt dann mit dumpfer Stimme zu Logan: »Okay, Sheriff. Wir und die Rancher sind Todfeinde. Gibson vernichtete die Herde und ermordete die Treiber. Und Pritchard ist auf dem Weg in die Stadt. Wir können Gibson nicht mehr zur Rechenschaft ziehen. Aber Pritchard kommt nach Laramie! Dem können wir es zurückzahlen, Sheriff! Wo können wir die Pferde unterstellen?« Kalte Wut und tiefer Haß ist in der Stimme dieses alten Mannes. »Auf dem Hof hinter dem Saloon ist ein Stall; dort sind noch mehrere Boxen frei«, antwortet Logan. Der Alte nickt, zieht sein Pferd herum und treibt es über die Straße. Sie reiten zum Saloon und biegen in den Hof ein. Logan sieht auf die tiefe Spur ihrer Pferde. In diesen Männern lodert der Haß. Sie werden sich der Bürgerwehr anschließen und Pritchard einen unerbittlichen Kampf liefern. Wenn das alles vorbei ist, werden sie wohl so lange in Laramie bleiben, bis Burl Longday wieder gesund ist. Logan rückt die schweren Halfter nach vorn, und geht zum Saloon zurück. Die Schafzüchter kommen gerade vom Hof. Jeder hat eine Winchester in der Hand. Der Alte bleibt vor Logan stehen. Grollend sagt er: »Man muß Feuer mit Feuer bekämpfen! Wir sind dabei, Sheriff!« Dann geht er mit festen Schritten, gefolgt von seinen Leuten, in den Saloon. Wild schlägt die Pendeltür. Sie verschwinden hinter der Windfangdecke. »Ja«, flüstert Randolph etwas heiser. »Ja - genauso muß es leider sein!« Er stiefelt über die Straße zum Office. Als er die Tür hinter sich schließt, spürt er sofort, daß jemand im Office ist. »Sag nur nicht, daß ich verschwinden soll«, kommt schon eine wohlvertraute Stimme aus dem Halbdunkel. Dann scharren Stiefel auf dem Bretterboden, und Dave schiebt sich in den schwachen Lichtschein des glühenden Ofens.
»Du bist närrisch, Dave?« sagt Logan rauh. »Du sollst doch im Bett bleiben, Junge! Du kannst dich kaum bewegen, und da willst du schon...« »Ja, ich will, Logan. Ich bin dein Deputy. Und außerdem hab' ich das alles schon überwunden, verstehst du?« Logan reißt ein Schwefelholz an und hebt den Zylinder der Lampe hoch. Er zündet den Docht an, und das Licht breitet sich im Raum aus. »Wirklich, du bist ein Narr, Dave«, murmelt er. »Du glaubst, daß es ohne dich einfach nicht geht, was?« »Du kennst mich, Logan, und ich kenne dich. Deshalb bin ich hier. Und ich gehe nicht weg von dir, Logan.« Er sagt es fest und auch etwas stur. Logan erkennt in seiner Stimme die Entschlossenheit, nicht von diesem Platz zu weichen. »Well«, murmelt er, »dann bleib, Dave! Aber du gehst nicht hinaus, wenn Pritchard hier ist. Du wirst im Office bleiben und von hier aus alles gut beobachten können.« Dave nickt. Er holt Atem, um etwas zu sagen, als draußen eine laute Stimme brüllt: »Geht in Deckung, Leute! Sie kommen. Los, verschwindet von der Straße, verdammt! Beeilt euch!« Es ist Widmarks Stimme. »Hier, nimm mein Gewehr, Dave!« sagt Logan gepreßt. Er drückt die Winchester seinem jungen Deputy in die Hand und gleitet zur Tür. Er zieht sie auf und läßt die kalte Luft herein. Ihre Augen sollen sich daran gewöhnen, sonst tränen sie leicht. »Mach die Lampe aus, Dave!« »Verdammt, jetzt beginnt es«, flüstert Dave und dreht den Docht tiefer, so daß das Licht erlischt. Logan geht hinaus. Die Straße ist leer. Die Schneeflocken tanzen über der Fahrbahn. In der Stadt ist es gefahrverheißend still. Er sieht zum Saloon hin. Dort ist ein Gesicht am Fenster.
Van Johnson. Dann sieht Logan zum Ortseingang. Er erkennt die Umrisse vieler Reiter im Schneetreiben. Sie kommen schnell heran. Schon brüllen die Waffen dumpf los. John Pritchard ist in Laramie! Der Sheriff dieser Stadt springt nun zurück ins Office, läßt aber die Tür auf. Er wirft sich mit dem Rücken an die Wand neben der Tür und horcht. Er starrt hinaus auf die Straße und denkt daran, daß sein Vater diesen Weg gegangen ist - aus dem Office, auf den Gehsteig und auf die Straße. Vor dem Saloon ist er dann gefallen. Das Rudel kommt näher. Es schießt wild umher. Pferde wiehern schrill. Zaumzeug rasselt und klirrt. »Dave, stell dich hier an die Wand!« sagt Logan Randolph ruhig. »Von hier aus kannst du auf die Straße sehen.« Dave kommt auch sofort heran. Sein Gesicht ist grau. Unter den Augen liegen Schatten. Er preßt die Lippen zusammen und lehnt sich an die Wand. Vor dem Office hält das Reiterrudel. Es wird still. In diese Stille hinein ertönt das dumpfe Geräusch von Hufschlägen. Drei Pferde nähern sich dem Office. Gegenüber dem Office, auf der anderen Straßenseite, mit dem Rücken zum Saloon, verharren Pritchards Reiter und warten. Sie sehen John Pritchard und seine Revolvermänner ganz langsam herankommen. Ja, der mächtige Rinderbaron John Pritchard läßt sich Zeit, viel Zeit sogar! Er weiß, daß viele Leute aus ihren Häusern sehen, versteckt und verborgen hinter Gardinen und Türen. Er will all diesen Leuten mit erschreckender Deutlichkeit zeigen, wie er ruhig und gelassen durch Laramie reitet, flankiert von seinen Revolvermännern. Er denkt auch, daß er sich diese Zeit nehmen kann, weil die Leute vor Angst, Furcht und Entsetzen wie gelähmt sind. Er hat eine leere, offene Straße vor sich, verschneit und trostlos. Vor dem Saloon wartet die Reiterkette.
Das alles sieht wie eine schlimme Theaterszene aus - mit den Reitern als Komparsen. Aber es ist die Wirklichkeit, wie sie nicht schlimmer sein kann. John Pritchard führt nun sein Pferd in einem sanften Bogen über die Straße vor das Sheriff-Office. Er zügelt sein Pferd in der Mitte der Fahrbahn. Die grauen Augen in seinem fleckigen Gesicht sind nur zu einem schmalen Spalt geöffnet. Neben ihm halten die Revolvermänner. Sie sitzen ab und bewegen sich betont lässig. Larry Springer bleibt neben seinem Pferd stehen, die linke Hand auf den Sattel gelegt, die rechte mit dem Daumen hinter den Waffengurt gehakt. Cloyd Flemming geht einige Schritt voran, und in diesen wenigen Sekunden ist ein Sattel schon von einer dünnen Schneeschicht überzogen. Zehn Schritte vom Office entfernt, verharrt Fleming, beugt seinen Oberkörper vor und macht dann die Hände griffbereit. Das alles sieht Logan Randolph durch die offenstehende Tür. Schwer und langsam geht sein Atem. Er steht nun vor seinem großen Kampf, und er wird einsam hinausgehen und tapfer kämpfen. Er wird so kämpfen, wie es sein Vater getan hat. »Logan Randolph.« Die heisere Stimme des Ranchers zerreißt die Stille. Sie ist scharf, durchdringend kalt und drohend. »Logan, ich brauche nur abzudrücken«, flüstert Dave. »Ich kann ihn mit einem einzigen Schuß aus dem Sattel holen.« »Achte auf Springer, Dave«, murmelt Logan frostig. »Er wird ziehen, wenn Flemming nach dem Eisen greift. Paß auf ihn gut auf, Dave!« »Du kannst dich auf mich verlassen, Logan.« »Ich weiß.« Drei Schritte sind es bis auf den Gehsteig. Starr sieht er auf Cloyd Flemming, als er diese Schritte geht. Zwischen ihm und dem Rudel wirbelt der Schnee, tanzt und fällt vom bleigrauen,
tiefhängenden Himmel. Er verharrt wachsam auf dem Gehsteig und hört die Stimme des Ranchers. »Randolph - ich gebe dir eine gute Chance. Ein faires Duell. Cloyd Flemming ist dein Gegner. Wenn du nicht schnell genug bist, dann wird er dir das geben, was du verdient hast. Du hast meinen Sohn Ryan getötet; deshalb bin ich gekommen. Nun sieh zu, daß du für Larry Springer am Leben bleibst, Randolph.« Logan zieht die Mundwinkel ein wenig nach unten. Er blickt auf Cloyd Flemming. Er wartet auf das Aufflammen in den Augen des Revolvermannes. Aber Cloyd Flemming geht nur und sagt zischend: »Er schafft es sicherlich nicht, Boß. Er ist nicht schnell genug.« »Pritchard«, ruft Logan halblaut, »Sie wollen den Leuten zeigen, wie das ist, wenn der mächtigste Rancher seinen Sohn rächt. Sie sitzen mächtig stolz im Sattel und glauben, daß Ihnen das Land allein gehört. Und nun, nachdem Siedler und Schafzüchter vernichtet oder davongezogen sind, wollen Sie Laramie Ihren Stempel aufdrücken. Dabei verkriechen Sie sich hinter Ihren Leuten, Pritchard. Ja, ich habe Ihren Sohn getötet, ich mußte es tun. Es wäre ein faires Duell gewesen, wenn Jim Copperfield nicht auch gezogen hätte. Und nun sieht es wieder so aus. Glauben Sie nur nicht, daß ich darauf hereinfalle, John Pritchard! Beim ersten Schuß wird sich diese Straße in eine Hölle verwandeln, großer Mann. Nun, ich warte, Cloyd Flemming!« Kalt ist sein Stimme, leidenschaftslos, rauh und spröde. John Pritchard neigt den Kopf etwas zur Seite und sieht lauernd über die Straße auf den einsamen Mann vor dem Office. Plötzlich lacht er schrill, höhnisch und gemein. »Du Narr!« ruft er und seine Stimme schwankt vor Haß. »Ich habe dich lange genug in Laramie ungeschoren gelassen. Nun ist es vorbei, Sheriff Logan Randolph. Dieses Land gehört
den Ranchern - nicht den Siedlern und Schäfern. Und solange ich in diesem County lebe, bleibt es auch so. Aber du mußt gehen, Randolph - in die Hölle!« Logan sieht ihn nicht an. Er behält den Revolvermann Cloyd Flemming im Auge. Und er lächelt freudlos und bitter. In diesem Moment krümmt Flemming sich. Zugleich zieht er. Dabei brüllt er heiser auf. Auch Larry Springer zieht die linke Hand blitzschnell vom Sattel, die rechte aus dem Waffengurt und bringt die Hände auf die Coltkolben. Randolph wirft sich zur Seite. Während des Fallens reißt er die Eisen heraus, und er schießt, bevor er die Bretter des Gehsteiges berührt. Sie schießen beinahe gleichzeitig. Flemmings Kugeln schlagen durch die Pappe des Office-Fensters. Er will auf den fallenden Mann schießen, aber dann stoßen ihn schon mehrere Kugeln zurück. Er macht eine spiralförmige Bewegung, dreht sich auf der Straße herum, und seine erstarrenden Finger reißen den Abzug der Colts noch einmal durch. Dann stürzt er schwer in den aufgewühlten Schnee. Als Logan auf den Gehsteig fällt, trifft ihn Larry Springers Kugel in die Schulter. Das Geschoß geht durch und platscht gegen die Officewand. Im Office brüllt ein Winchestergewehr dumpf auf. Logan wälzt sich herum, kommt hoch, steht mit dem Rücken an der Hauswand und sieht, wie Larry Springer neben dem Pferd zusammenbricht. Die Reiter auf der Straße greifen nun auch zu den Waffen. Die Pferde wiehern schrill. Dann zerklirren die Fensterscheiben des Saloons. Die ersten Männer fallen von den Pferden. Plötzlich fliegen brennende Pechfackeln durch die Luft, auf und zwischen die Pferde. Zugleich versperren Männer die Ortausgänge mit Stacheldraht. Ein Inferno. Logan Randolph spürt, wie ihm die Knie schwach werden.
Sie beginnen zu zittern. Eine Welle von Übelkeit steigt würgend in der Gurgel hoch. Ein kalter Schauer kriecht über seinen Rücken. Heiß brennt die Wunde. Vor seinen flackernden Augen tanzen die Schneeflocken, aber sie sind rot und grün und gelb. Das Donnern der Schüsse kommt wie aus weiter Ferne zu ihm. Er stemmt die Füße fest auf die Bretter, und plötzlich zerreißen die Nebelschleier vor seinen Augen. Er sieht John Pritchard, wie er langsam vom Pferd fällt, das wild unter ihm tänzelt, wie er schließlich still im Schnee liegenbleibt. Wie der Schnee auf ihn fällt, auf sein erstarrtes Gesicht. Auf seiner Hemdbrust färbt sich der Schnee blutrot. Logan schließt die Augen. Er ächzt dumpf, zittert und bebt am ganzen Körper. Ein ziehender Schmerz tobt in seiner Schulter. Immer wieder hört er die bellenden Waffen, das Peitschen der Schüsse, das Jaulen und Fauchen der Kugeln. Er hört die Pferde schrill wiehern, er hört die heiseren Schreie der Männer; und dann eine Stimme dicht neben sich: »Logan...« Er zwingt sich dazu, die Augen zu öffnen, und er sieht vor sich das aschgraue Gesicht seines Deputys. »Dave«, keucht er schwer. »Dave - kümmere dich - nicht um mich, hörst du? Kämpfe, Dave!« »Es ist doch aus, Logan!« ruft Dave schrill. »Hörst du es nicht, Logan, es ist vorbei.« »Es ist also aus«, keucht er und läßt die schweren Colts fallen. »Wer hat Pritchard...?« Er spricht nicht weiter, weil das Würgen im Hals immer schlimmer wird. »Flemming war's, Logan!« sagt Dave heiser. »Er schoß noch, als er schon fiel. Und er traf den Rancher.« »Du hast Larry Springer erschossen, ja?« »Ja, ich mußte es tun, sonst hätte er dich richtig getroffen! Logan, du mußt sofort...«
Er hört die Stimme nicht mehr. Ein dumpfes Dröhnen in seinen Ohren übertönt alles andere. Die Beine knicken ein, schwer und schlaff wird der Körper. Er rutscht mit dem Rücken an der Wand hinunter, langsam und mit einem lauten Stöhnen. Dave wirft die Winchester weg und versucht, den fallenden Mann aufzufangen. Aber er schafft es mit einem Arm nicht, und Logan fällt schwer auf die Seite. »Himmel«, keucht Dave erschrocken. Er kniet nieder und richtet Logan wieder auf. Halb besinnungslos hockt Logan dann auf dem Gehsteig, lehnt mit dem Rücken am Office und zittert. Ein Schrei bringt ihn wieder zu sich. Er reißt die Augen auf und sieht auf die Straße. Alles ist verschwommen und verzerrt. Aus dem Schneetreiben kommt eine schlanke Gestalt. Sie läuft über die Straße, fällt über irgend etwas, richtet sich wieder auf und kommt taumelnd heran. »Debbie...« flüstert er tonlos. Sie hockt sich bei ihm nieder, und Tränen blenden ihren Blick. Sie hört sein Stöhnen und das schnelle Atmen des jungen Deputys. Und sie vernimmt viele Stimmen, die schnell näherkommen. Ihr Blick hetzt über die verschneite Straße, über die gefallenen Männer, über drei tote Pferde. »So hilf mir doch!« ruft sie mit vor Angst flackernder Stimme und sieht Dave dabei an. »Ja«, keucht Dave, »ja...« Sie umfassen ihn und wollen ihn hochheben, als mehrere Männer plötzlich da sind. »Bringt ihn ins Office!« ruft Jack Widmark. »Wo ist der Doc?« »Er kommt schon«, brüllt einer, und dann kommt der Arzt auch schon über den Gehsteig gerannt. Sie heben Logan Randolph behutsam an und tragen ihn vorsichtig ins Office. Deborah Johnson weicht nicht mehr von
seiner Seite. Sie hilft auch dem Arzt. Draußen ertönt Stimmengewirr. Man trägt die Gefallenen von der Straße. Cloyd Flemming, Larry Springer und fünf Männer der Pritchard-Crew sind in diesem unsinnigen Kampf gefallen und John Pritchard selbst. Es gibt keinen Mächtigen mehr in diesem Land westlich der Laramie Mountains. Vielleicht wird Pritchards Vormann, Luke Cleland, die Riesenranch weiterführen. Er ist mit der halben Mannschaft auf der Ranch geblieben. Immer wieder wird es in diesem weiten Rinderland zu Kämpfen kommen. Doch eines Tages wird auch dieses Land zur Ruhe kommen. Dann werden Siedler, Schafzüchter und Rancher friedlich beisammen leben, dann hat die gute Zukunft begonnen. Laramie wird eine große Stadt sein, mit vielen Geschäften, schönen Straßen und vielen Bürgern, die gern in dieser Stadt leben. Und die alten Bürger werden dann berichten, wie es zu dieser Ruhe gekommen ist. Sie werden von den Kämpfen erzählen - und von einem jungen Mann, der die Mächtigen besiegte. Von Logan Randolph. Sicherlich wird man diese alten Bürger fragen, was aus Logan Randolph geworden ist. Sie werden dann hören, daß er mit seiner reizenden jungen Frau in ein gutes Tal im Norden gezogen ist und dort eine Pferdezucht begonnen hat. Aber noch ist diese Zeit nicht gekommen. Ein kalter Winter tobt viele Monate lang über dem weiten Bergland Wyoming. Luke Cleland übernimmt wirklich John Pritchards Ranch, aber er wird niemals so mächtig werden wie es Pritchard und Howard Gibson gewesen sind. Die Zeit der Mächtigen ist endgültig vorbei. Logan Randolph steht gemeinsam mit Debbie Johnson an der Schwelle eines schönen, arbeitsreichen und guten Lebens.
Zwei Wochen nach dem Kampf sieht man die beiden Seite an Seite durch die Stadt gehen. Laramie freut sich darüber. Die Stadt weiß ja genau, daß Logan Randolph ihr Frieden, Ruhe und auch Ordnung gebracht hat. Es gab zu jener Zeit viele Männer, die einsam und tapfer ihren guten Weg gingen und das Fundament schufen, auf dem heute die große Nation fest und sicher steht. Männer, die das weite Land liebten, die diesem wilden Land aber auch ihren unbeugsamen Willen aufzwangen. Männer wie Logan Randolph.
- ENDE -