Nr. 371
Die Robotfürsten Wolterhaven -Tollhaus der Roboter von H. G. Francis
Pthor, der Kontinent des Schreckens, hat...
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Nr. 371
Die Robotfürsten Wolterhaven -Tollhaus der Roboter von H. G. Francis
Pthor, der Kontinent des Schreckens, hat sich auf Loors, dem Planeten der Bran geln, lange genug aufgehalten, um es Atlan zu ermöglichen, Spercos, des Tyrannen der Galaxis Wolcion, Gewaltherrschaft ein jähes Ende zu setzen und den unterdrück ten Völkern die verlorene Freiheit wiederzugeben. Inzwischen ist Pthor zu neuem Flug durch den Kosmos gestartet. Eingeleitet wurde der Start durch den »Ruf des Wächters«, der fast alle Lebewesen auf Pthor in tiefen Schlaf versinken ließ, und durch das Erscheinen des »schwarzen Kontrolleurs«. Um zu verhindern, daß Pthor wieder der Kontrolle der mysteriösen Beherrscher der Schwarzen Galaxis anheimfällt, macht sich Atlan, der dank dem Goldenen Vlies nicht in Tiefschlaf verfallen ist, auf den Weg zur »Seele« von Pthor. Doch es gelingt Atlan nicht, auf die Steuerung Einfluß zu nehmen. Statt dessen wird der Arkonide auf die »Dimensionsschleppe«, den Ableger Pthors, verschlagen, der eine kleine Welt für sich bildet. Während Atlan sich aus der Dimensionsschleppe den Weg zurück nach Pthor er kämpft, blenden wir um zur FESTUNG, wo Kennon-Grizzard und Razamon als erste aus dem »Dornröschenschlaf« erwachen. Um die neue Lage zu klären, unternehmen die beiden Männer einen Erkundungs flug nach Wolterhaven – mitten unter DIE ROBOTFÜRSTEN …
Die Robotfürsten
3
Die Hautpersonen des Romans:
Kennon-Grizzard - Der Terraner bekommt es mit verrückten Robotern zu tun.
Razamon - Kennons Begleiter.
Herr Maicol - Ein Roboter übertreibt seine Dankbarkeit.
Trailer - Großbürger von Wolterhaven.
Gentleman-Kelly-zwei - Ein unwürdiger Ersatz.
1. Er öffnete vorsichtig ein Auge und spähte unter seinem linken Arm hindurch, den er schützend über seinen Kopf gelegt hatte. Die geisterhafte Stille in seiner Umgebung gefiel ihm nicht. In seiner unmittelbaren Nähe lagen zwei Gestalten auf dem Rücken. Sie wandten ihm ihre Gesichter zu. Verblüfft stellte er fest, daß es nicht die Gesichter von Arkoniden waren. Diese We sen waren bleich, hatten dunkle Augen und langes, rotes Haar. Die Haut wirkte transpa rent, und er glaubte, das Knochengerüst dar unter erkennen zu können. Verwirrt schloß er das Auge wieder. Er versuchte, sich zu konzentrieren. Hatte er nicht eben noch mit Orbanaschol III. debat tiert? Hatte er nicht mit ihm über Atlan ge sprochen und ihm angekündigt, daß dieser auf Arkon erscheinen werde? Sinclair Marout Kennon spürte, daß sich ein Teil seines Bewußtseins in einer Sack gasse gefangen hatte. Irgendwie war ihm klar, daß er nicht mehr im altarkonidischen Imperium war, doch er konnte sich nicht er klären, wo er sich jetzt aufhielt. Er öffnete beide Augen und blickte auf seine rechte Hand, die dicht vor seinem Kopf auf dem Boden lag. Es war eine wohl geformte, kräftige Männerhand, die in nichts an seine eigene Hand erinnerte. Ruckartig richtete er sich auf und setzte sich auf den Boden. Ein heftiges Schwindel gefühl war die Folge, so daß er fast wieder umgefallen wäre. Mit eiserner Energie kämpfte er das Schwächegefühl nieder. Sei ne Blicke klärten sich. Er stellte fest, daß er sich in einem Raum
befand, der etwa fünfzig Meter lang und zwanzig Meter breit war. Die Decke wölbte sich in mehr als zehn Metern Höhe über ihm. Sie war mit farbenprächtigen Bildern verziert. Er sah, daß sich außer ihm noch et wa zwanzig Männer und Frauen in der Halle befanden. Sie lagen auf dem Fußboden und schienen tot zu sein. So sehr Kennon sich auch bemühte, er fand nicht heraus, was vorher gewesen war. Lediglich der Name Grizzard spukte ihm im Kopf herum. Da er sich noch schwach fühlte, kroch er auf allen vieren zu dem Mann hin, der ihm am nächsten war. Er ertastete seinen Puls. Fraglos lebte der Mann noch, wenngleich sein Herz äußerst langsam schlug. Das linke Lid Kennon-Axtons zuckte. Er erhob sich und drehte sich mehrmals um sich selbst. Dann eilte er mit schleifenden Füßen zu einigen anderen Männern hin, un tersuchte sie und stellte fest, daß sie auch lebten. Schließlich blieb er an der einzigen Tür des Raumes stehen. Er schüttelte den Kopf. Nach wie vor konnte er sich nicht erklä ren, was geschehen war. Er glaubte, ein fer nes Pfeifen zu hören. Er bohrte sich die Fin ger in die Ohren, weil er meinte, seine Ge hörgänge seien verstopft, doch das Pfeifen blieb. Später sollte es von selbst verstum men, ohne daß es ihm bewußt werden wür de. Sein Rücken schmerzte, und unwillkür lich richtete er sich auf. Überrascht stellte er fest, daß es ihm nicht schwerfiel, das zu tun. Er rieb sich das linke Auge, und das Lid beruhigte sich. Dann zuckte er zusammen und blickte an sich herab. Mit aller Deutlich keit wurde er sich dessen bewußt, daß er nicht mehr in seinem verkrüppelten Kennon
4 Körper lebte, sondern in einem anderen, der völlig gesund war. Daher brauchte er die Fü ße nicht über den Boden zu schleifen und mit dem linken Lid zu zucken. Er brauchte sich auch nicht krumm zu halten. Kennon atmete tief durch. Dies war der Körper Grizzards. Er wunderte sich, daß er noch Sekunden zuvor daran gezweifelt hatte, daß es so war. Doch noch immer war ihm nicht klar, wie er in die Situation geraten war, in der er sich befand. Kennon-Grizzard öffnete die Tür. Sie führte auf einen breiten Gang hinaus. Auch hier lagen bewußtlose Männer und Frauen auf dem Boden. Kennon-Grizzard eilte den Gang entlang, wobei er über einige der Liegenden hinweg sprang. Am Ende des Ganges befand sich ei ne breite Tür, die sich selbsttätig vor ihm öffnete. Er kam in einen Kuppelsaal, in dem allerlei Maschinen standen. In mehreren Sesseln lagen bewußtlose Männer, die an den Maschinen gearbeitet und mit ihrer Hil fe irgend etwas gelenkt hatten. Während Kennon noch darüber nachdach te, wozu die Maschinen tatsächlich dienten, fiel ihm der Begriff FESTUNG ein. Er stutz te und blieb stehen. Dann erinnerte er sich daran, daß er sich in der FESTUNG befun den hatte; es gelang ihm jedoch nicht, sich noch mehr bewußt zu machen. Wieso stand er schon wieder auf den Beinen, während die anderen noch ohnmächtig waren? Was unterschied ihn von den anderen? War es die Tatsache, daß sein. Ich in einem anderen Körper existierte? Kennon drehte sich um, als er meinte, ein Geräusch hinter sich zu hören, doch hinter ihm war niemand. Er sehnte sich plötzlich nach dem Roboter Gentleman Kelly, der mit seiner speziellen Ausrüstung stets verhindert hatte, daß ihn ir gend jemand überraschte. Obwohl Kennon jetzt über einen kräftigen und leistungsfähi gen Körper verfügte, sah er in einem ähnlich gut ausgestatteten Roboter eine unschätzbare Hilfe, die ihm in seiner gegenwärtigen Si-
H. G. Francis tuation notwendiger denn je erschien. Gab es nicht irgendwo in der Nähe der FESTUNG eine Stadt, in der viele Roboter existierten? Kennon-Grizzard hörte ein eigenartiges Rumpeln, das aus einem der Nebenräume kam. Kennon-Grizzard eilte auf eine der Türen zu, legte seine Hand auf die Kontaktplatte daneben und wartete, bis das Schott zur Sei te glitt. Er blickte in einen Raum, der etwa zehn Meter lang und vier Meter breit war, und der sich in einem für Kennon nicht er kennbaren Winkel fortsetzte. An den Wän den standen mehrere Sitzgelegenheiten, vor denen sich Kommunikationsgeräte der ver schiedensten Art erhoben. Der Terraner wollte wissen, was hinter der Abbiegung war. Er eilte weiter, als er ein erneutes Rumpeln vernahm. Als er den seit lich abzweigenden Raum einsehen konnte, blieb er wie vom Schlag getroffen stehen. Vor ihm befand sich ein robotisches Ge schöpf, das aussah wie eine Raupe. Seitlich aus seinem Kopf ragten kräftige Greifzan gen hervor. Mit diesen packte der Roboter gerade einen Sessel und preßte ihn in ein Mahlwerk, das sich an der Unterseite des Kopfes befand. Innerhalb von wenigen Se kunden verschwand das Möbelstück im me tallischen Schlund der Maschine. Doch das war es nicht, was Kennon ent setzte. Auf dem Boden lagen mehrere Dellos. Seltsamerweise erinnerte er sich jetzt daran, daß sie so genannt wurden. Sie waren nur noch etwa einen Meter von dem Monstrum entfernt, dessen Schlund blutverschmiert war. So konnte Kennon-Grizzard nicht mehr daran zweifeln, daß dieser Roboter zumin dest einen der Dellos bereits zermalmt hatte, als sei dieser ein Möbelstück, das aus dem Weg geräumt werden mußte. Die Vorstellung, zusehen zu müssen, wie der nächste der Bewußtlosen auf gleiche Weise verschlungen wurde, war ihm uner träglich. Er warf sich auf das Möbelstück, das ihm am nächsten stand. Es war ein Me
Die Robotfürsten talltisch. Er hob es hoch über den Kopf und schleuderte es vor die Maschine. Surrend hielten die Greifarme inne, die bereits einen der Dellos packen wollten. Die Klauen öffneten und schlossen sich, als könnten sie sich nicht zwischen Tisch und Dello entscheiden. Kennon fühlte, wie ihn namenloser Haß gegen den Roboter überfiel. Vor seinen Au gen begann es zu flimmern. »Nimm den Tisch«, brüllte er. »Nimm ihn endlich.« Es schien, als habe der Roboter ihn ver standen. Der Tisch verschwand in seinem Mahlwerk. Dann streckten sich die Greifer wieder dem Dello aus. Kennon sah rot. Er stürzte sich auf die Maschine, wich den gefährlichen Greifern aus und kletterte auf den Rücken der Raupe. Vergeblich versuch te der Roboter, ihn zu packen. Der Terraner erkannte, daß er die Maschi ne zwar vorübergehend von den Dellos ab gelenkt, daß er damit jedoch noch keinen endgültigen Erfolg erzielt hatte. Schon senk ten sich die Greifer wieder nach unten. Kennon-Grizzard blickte sich suchend um, entdeckte jedoch keine schwache Stelle am Roboter, an der er hätte ansetzen kön nen. Er sprang wieder vom Roboter herunter und setzte geschickt an den Greifarmen vor bei, die sich nach ihm ausstreckten. Er faßte den Dello, der am meisten gefährdet war, am Fuß und zog ihn vom Automaten weg. Doch dann erkannte er, daß er damit nur einen Aufschub erreichte. Zornig schleuderte er einen Stuhl zur Sei te. Der Roboterhaß nahm immer mehr zu. Er fühlte, daß er nahe daran war, die Kontrolle über sich zu verlieren. Der Roboter schoß plötzlich nach vorn. Die Klauen schlossen sich um die Hüften ei nes der Androiden. Kennon-Grizzard wurde übel. Er schrie und versuchte, den Dello zu retten. Vergeblich. Er fuhr herum, nachdem er erkannt hatte, daß er keine Möglichkeit hatte, den Aufräu mautomaten aufzuhalten.
5 Als er durch die Tür eilte, stolperte er über einen Androiden, der auf dem Boden lag. Dann bemerkte er weitere Dellos. Einer von ihnen hielt eine Farbspritzpistole in den Armen. Kennon nahm die Pistole an sich und kehrte in den Nebenraum zurück, wo der Roboter sich bereits dem nächsten Andro iden näherte. Inzwischen hatte der Terraner längst erkannt, daß er es mit künstlichen ge schaffenen Humanoiden zu tun hatte. Doch das änderte nichts daran, daß er um jeden Preis verhindern wollte, daß sie von einem Roboter vernichtet wurden. »Komm her«, rief er der Maschine zu. Der ganze Haß, den er gegen sie empfand, lag in diesen Worten. Der Roboter reagierte wie gewünscht. Rumpelnd bewegte er sich auf seinen zahllo sen Rädern auf ihn zu. Kennon-Grizzard hob die Pistole und sprühte die optischen Wahrnehmungsorgane des Roboters mit Farbe ein. Der Automat blieb augenblicklich stehen. Er fuhr feine Pinsel aus und versuchte damit, die Linsen zu reinigen, doch die Farbe trocknete zu schnell. Kennon fühlte sich tief befriedigt. Lachend schleuderte er die entleerte Pistole gegen den Roboter. Dann drehte er sich um und ging davon. Als er etwa zehn Schritte weit gekommen war, setzte sich der Roboter in Bewegung. Rumpelnd folgte er ihm. Kennon blickte über die Schulter zurück. Er sah, daß der Automat Sensoren ausgefahren hatte. Er ver mutete, daß der Roboter sich mit Hilfe von Infrarotortern orientierte. Der Roboter holte schnell auf. KennonGrizzard begann zu rennen. Doch schon bald erkannte er, daß er dem Automaten auf diese Weise nicht entkommen konnte. Er versuchte es mit einigen Tricks, indem er mal eine Tür verriegelte, mal durch mehrere Räume im Kreis herum lief. Doch das half ihm alles nichts. Der Automat rückte ihm unerbittlich näher und zerstörte dabei alle Hindernisse, die er ihm in den Weg legte. Schließlich aber entdeckte Kennon einen
6 Antigravschacht. Der Terraner legte die Schaltung frei und nahm die Sicherung her aus, so daß sich das nach unten gepolte An tigravfeld abbaute. Dann sprang er über die Öffnung im Boden hinweg. Sie hatte einen Durchmesser von knapp drei Metern. Sekunden darauf raste der Roboter auch schon heran. Kennon blieb ruhig stehen. Er verfolgte, wie die Raupe sich über die Öff nung im Boden schob und nach vorn kippte. Plötzlich wirbelten die Greifer durch die Luft. Sie zerfetzten die Verkleidung der Röhre, konnten den Sturz aber nicht aufhal ten. Der Roboter rutschte in die Öffnung hinein und verschwand in der Tiefe. Kennon trat an den Schacht heran. Er konnte den Roboter nicht mehr sehen, aber er hörte, wie er aufprallte. Er schätzte, daß der Schacht etwa hundert Meter tief war. Gelassen schaltete er den Antigravprojek tor wieder ein. Er hatte einen schalen Geschmack auf der Zunge. Das Gefühl des Triumphes, das ihn vorher erfüllt hatte, wich einer tiefen Enttäu schung. Was bedeutete es schon, daß er einen Roboter besiegt hatte – noch dazu einen, der lediglich Reinigungs- und Aufräu mungsarbeiten zu erledigen hatte? Er wurde sich dessen bewußt, daß er sich von seinem Haß gegen Roboter hatte hinrei ßen lassen. Vergeblich fragte er sich, warum es ihm nicht gelang, Robotern gegenüber ungezwungen zu sein. War es, weil er jahr hundertelang in einem Robotkörper gelebt hatte? Oder lagen die Wurzeln seines Hasses gegen Roboter noch tiefer? Kennon wurde bewußt, daß er sich plötz lich an vieles erinnerte, was vorher völlig versiegt war. Er wußte wieder, wer er war, und was in ferner Vergangenheit geschehen war. Doch noch fehlte die Erinnerung an die Ereignisse der letzten Tage und Stunden. Gleichmütig zuckte er mit den Schultern. Auch das würde ihm bald wieder gegen wärtig sein, meinte er. Er stieg in den Antigravschacht und ließ sich nach unten tragen, bis er den zertrüm merten Roboter sah. Dann verließ er den
H. G. Francis Schacht und ging an zahllosen Bewußtlosen vorbei durch die verschiedenen Räume der FESTUNG. Immer wieder hoffte er, auf je manden zu stoßen, der ebenso wie er aus der Ohnmacht erwacht war, er wurde jedoch enttäuscht. Es schien niemanden zu geben. Schließlich entschloß er sich, die FE STUNG zu verlassen und sich draußen um zusehen. Er nutzte jede Gelegenheit, nach unten zu kommen und sich gleichzeitig nach außen hin zu bewegen, bis er schließlich einen Luftzug verspürte. Er folgte ihm und fand kurz darauf ein offenes Schott, durch das helles Tageslicht fiel. Zögernd trat er hinaus, da er nicht wußte, was ihn erwartete. Unwillkürlich strich er sich dabei über die Hüften. Er trug keine Waffe. Ein leichter Wind wehte ihm entgegen. Er bewegte die Blätter der Bäume und Büsche. Ihr Rascheln war das einzige Geräusch, das er vernahm. Zwischen den Beeten einer par kähnlichen Anlage sah es ebenso aus wie in der FESTUNG. Auch hier lagen zahllose Dellos am Boden. Er untersuchte einige und fand, daß sie sich alle in der gleichen Situation befanden. Ihr Pulsschlag war äußerst langsam und schwach. Ihre Bewußtlosigkeit war so tief, daß noch Stunden vergehen konnten, bis sie daraus erwachten. Schließlich blieb Kennon-Grizzard unter einem Baum stehen. Sein Entschluß stand fest. Er wollte einen Roboter haben, der über ihn wachte. Ein Roboter würde ihn vor kör perlichen Auseinandersetzungen mit seinen Gegnern bewahren. Diese scheute er nicht, hielt sie aber für unnötig. Ihm waren geistige Auseinandersetzungen von jeher wichtiger gewesen. Er löste sich aus dem Schatten des Bau mes, um sich nach einem Fluggerät umzuse hen. In diesem Moment hörte er einen Schrei. Er fuhr herum. Seine Augen weiteten sich. Aus einem offenen Schott der FESTUNG taumelte ein schwarzhaariger Mann hervor.
Die Robotfürsten
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Er hinkte stark und streckte die Arme aus, als ob er nicht sehen könnte. »Razamon«, schrie Kennon-Grizzard. Der Atlanter blieb stehen, und Kennon eilte auf ihn zu.
2. Als die Impulse ausblieben, faßte sie einen Entschluß. Die Einheit kam zu dem Ergebnis, daß sie nicht mehr länger warten durften und gezwungen war, sich nun auszu graben. Sie schob die Fühler durch den Sand nach oben und stellte fest, daß sie sich tiefer im Boden befand, als sie eigentlich sollte. Erst als die Fühler eine Schicht von fast zwei Metern durchstoßen hatten, sprachen die lichtempfindlichen Zellen an und schick ten einen belebenden Impuls. Die Einheit schaltete eine der Kameras ein und empfing nun Bilder von oben. Sie drehte den Teleskopstab mit der Kamera an der Spitze und stellte fest, daß sie sich in ei nem wüstenartigen Gebiet befand, das je doch eine nur geringe Ausdehnung hatte. In nicht allzu großer Entfernung erhob sich auf zahlreichen Säulen ein stadtartiges Gebilde, das sich in dem erwarteten Zustand befand. Nachdem die Einheit sich genügend ab gesichert hatte, begann sie damit, sich durch den Sand nach oben zu graben. Wenige Mi nuten später hatte sie es geschafft. Sie rich tete sich auf ihren sechs Beinen auf und schüttelte den Sand ab. Mit Hilfe eines be weglichen Gebläses entfernte sie auch die letzten Partikel, bis sie völlig sauber war. Erst dann setzte sie sich in Bewegung.
* Razamon ließ sich auf den Boden sinken. Er machte einen erschöpften Eindruck. Griz zard-Kennon blieb vor ihm stehen. »Was war los?« fragte er. »Ich bin mir nicht ganz klar darüber«, er widerte der Pthorer. »Ich erinnere mich an ein Pfeifen. Danach bin ich wohl bewußtlos
geworden.« »Jedenfalls bist du jetzt erwacht«, stellte Kennon fest. »Früher oder später werden auch die anderen wach werden. Was dann?« »Früher oder später«, antwortete Raza mon, »aber wir wissen nicht, wann. Es kann in einer Stunde sein oder auch in einer Wo che.« »Ich habe keine Lust, darauf zu warten«, erklärte Kennon. Er sprach Interkosmo, da er die pthorische Sprache noch nicht be herrschte. »Ich will einen Roboter haben.« Razamon blickte überrascht auf. »Wozu?« fragte er. »Ich habe meine Gründe. Mit Robotern habe ich gute Erfahrungen gemacht, obwohl ich sie im Grunde genommen hasse. Ich werde nicht darauf verzichten, mir einen Ro boter zu verschaffen.« »Von mir aus«, sagte Razamon gleichmü tig. Er erhob sich. »Ich habe vor, mich auf Pthor umzusehen. Dabei ist es egal, wo ich beginne. Wir werden also nach Wolterhaven fliegen. Mich interessiert, ob die Roboter ebenfalls von der Schockwelle gelähmt wor den sind.« »Weißt du, wo Wolterhaven ist?« fragte Kennon-Grizzard. Razamon nickte. »Irgendwo werden wir einen Zugor fin den«, sagte er. »Komm. Wir sehen uns ein wenig um.« Sie brauchten nicht lange zu suchen. Hin ter einigen Büschen verborgen stand eine Maschine. Sie war flugbereit, so daß sie nur einzusteigen brauchten. Razamon setzte sich hinter die Steuerelemente und startete. Er beschleunigte und entfernte sich mit hoher Geschwindigkeit von der FESTUNG. Erinnerungen an den schweren Kampf ka men in ihm auf, der durchzustehen gewesen war, als er mit seinen Freunden das erste Mal in die FESTUNG eingedrungen war. Er hatte das Bedürfnis, darüber zu reden, und er fand in Kennon-Grizzard einen inter essierten Zuhörer. Er folgte der ehemaligen Straße der Mächtigen bis Donkmoon, über flog die Ebene Kalmlech, bis er im Süden
8 erneut auf die Reste der zusammengebro chenen Straße der Mächtigen stieß, so daß Zbohr und Zbahn östlich von ihm liegen blieb. Nirgendwo zeigte sich Leben. Hinter Orxeya begann der Blutdschungel. Razamon verringerte das Tempo. In einer Höhe von etwa fünfzig Metern flog er am südöstlichen Rand des Blutdschungels ent lang. Hin und wieder machte Kennon-Grizzard ihn auf einige Tiere aufmerksam, die be wußtlos unter den Bäumen lagen. »Wenn die Raubtiere zuerst zu sich kom men, finden sie reichlich Beute«, sagte er. »Seien wir froh, daß wir zu denen gehören, die schon aufgewacht sind. Ich wäre froh, wenn ich wüßte, wo Atlan ist«, sagte er we nig später. Einige Kilometer vor Wolterhaven endete die Straße der Mächtigen plötzlich. Kennons Aufmerksamkeit richtete sich auf die Stadt der Robotbürger, die auf einem gerüstähnli chen Gebilde ruhte. Kennon schätzte, daß die Stadt eine Ausdehnung von mehr als zehn Kilometern hatte. Die Unterseiten der Gebäude befanden sich wenigstens hundert Meter über dem Boden. Was unter der Stadt war, konnte er nicht erkennen. »Hoffentlich gibt es keine Schwierigkei ten«, sagte Razamon. »Die Robotbürger las sen nicht so ohne weiteres jemanden in ihre Stadt hinein. Im Grunde genommen dulden sie nur Händler aus Orxeya, die ihnen ir gendwelche Waren bringen.« Der Zugor trieb mit mäßiger Geschwin digkeit auf Wolterhaven zu, in der sich kein Leben zeigte. Ein kühler Wind wehte den beiden Männern entgegen. Er trieb tieflie gende Wolkenbänke vor sich her, die ver hüllten, was hinter der Stadt lag. Kennon wußte mittlerweile, daß sich hinter Wolter haven die Küste Pthors befand. Er hätte sie gern gesehen, und er nahm sich vor, bis zum jenseitigen Rand der Stadt vorzudringen, so bald das möglich war. »Wir landen am Rand der Stadt«, sagte Razamon. »Dann werden wir sehen, was
H. G. Francis passiert. Dummerweise habe ich nicht daran gedacht, irgend etwas mitzunehmen, was für die Robotbürger von Wert sein könnte.« Er führte den Zugor bis an die ersten Häu ser heran. Es waren kuppelförmige Bauten. Zwischen ihnen befand sich soviel freier Raum, daß er die Maschine darauf absetzen konnte. Schweigend zeigte Kennon-Grizzard auf einen bizarr geformten Roboter, der vor einem der Häuser auf dem Boden lag. »Was ist das für eine Waffe, die nicht nur Tiere und Menschen, sondern auch Roboter lähmt?« fragte der Pthorer beunruhigt. Die beiden Männer stiegen aus und gin gen zu dem Roboter hinüber. Kennon kniete sich nieder und berührte einige der Senso ren, ohne eine Wirkung zu erzielen. Dann überprüfte er die Programmschaltung. »Energie ist ausreichend da«, stellte er fest. »Das Ding ist nicht tot.« Er erhob sich und stieß den Roboter mit dem Fuß an. »Er ist noch kein Schrott«, verbesserte er sich. Razamon blieb zögernd stehen, während Kennon weiterging. »Vielleicht ist es besser, wenn wir Wol terhaven erst einmal mit dem Zugor über fliegen«, sagte er. »Das Risiko möchte ich lieber nicht ein gehen«, entgegnete der, Terraner. »Die Ro botbürger scheinen nicht gerade besucher freundlich zu sein. Jedenfalls hast du so et was gesagt. Sie könnten auf den fatalen Ge danken kommen, uns vom Himmel zu schie ßen.« »Du hast recht«, erwiderte Razamon. »Gehen wir lieber zu Fuß.« Die beiden Män ner gingen nebeneinander über einige Trep pen bis zu einer Gasse, die in das Stadtinne re führte. Als sie etwa hundert Meter weit gekom men waren, drehte Kennon-Grizzard sich um und blickte zurück. »Warte mal«, rief er. »Da ist ein Robo ter.« Er sah eine riesige Maschine, die sich schwerfällig ihrem Zugor näherte. Sie hatte entfernt humanoide Formen und bewegte
Die Robotfürsten sich auf zwei Beinen vorwärts. Aus ihrem Oberkörper ragten fünf Arme hervor, die mit verschiedenen Werkzeugen versehen waren. Der Roboter war der einzige in ihrer Umge bung, der sich bewegte. Kennon steckte die Finger in den Mund und pfiff schrill, doch der Roboter reagierte nicht. »Gehen wir zurück?« fragte er. »Auf jeden Fall«, erwiderte Razamon. »Mit seiner Hilfe können wir die Robotbür ger erreichen.« Der Roboter kletterte in den Zugor und beugte sich tief nach vorn. »Was treibt er da?« rief Kennon. »Keine Ahnung«, antwortete Razamon. Plötzlich schoß eine Stichflamme aus dem Zugor. Der Roboter wirbelte durch die Luft, und dann erschütterte eine Explosion die Plattform. »In Deckung«, schrie Razamon. Er warf sich hinter einen kastenförmigen Bau. Kennon-Grizzard sprang zu ihm und kauerte sich hin, während eine Druckwelle über sie hinwegraste. Trümmerstücke des Zugors wirbelten über ihre Köpfe hinweg. Als es ruhiger wurde, blickte KennonGrizzard um die Ecke des Hauses. Dort, wo der Zugor gestanden hatte, gähnte nun ein Loch im Boden, das einen Durchmesser von etwa fünfzig Metern hatte. Einige Bruch stücke lagen herum oder steckten in den Wänden der Häuser. »Ich kann mir nicht vorstellen, daß die Robotbürger ihre eigenen Diener vernich ten«, bemerkte Razamon. Er schritt langsam auf das Loch zu. An seinem Rand blieb er stehen und blickte nach unten. Einige Reste des Zugors lagen auf dem morastigen Bo den. Er sah, daß sie darin versanken. »Ich hatte aber den Eindruck, daß der Ro boter gezielt vorgegangen ist«, sagte der Terraner. »Er wußte genau, wo er was tun mußte, um das Ding in die Luft zu jagen.« »Dann muß ihm irgend jemand dazu den Befehl gegeben haben. Das steht fest. Einer der Robotbürger ist also bei vollem Bewußt sein.«
9 »Handelt keiner dieser Roboter aus eige nem Antrieb?« »Keiner. Diese beweglichen Roboter sind nichts weiter als die äußeren Organe von stationären Computern, die sich Robotbür ger nennen. Soweit ich weiß, sind die Robo ter nur mit wenig leistungsfähigen Kunsthir nen versehen, die gerade dazu ausreichen, die Bewegungsabläufe zu steuern und die eingefangenen Eindrücke zu verarbeiten. Natürlich kann sich so ein Roboter auch oh ne ständige Befehle von seinem Robotbür ger bewegen, aber er kann nicht einen Zugor in die Luft sprengen, wenn er nicht vorher genaue Anweisungen dazu erhalten hat.« »Also will uns ein gewisser Robotbürger daran hindern, Wolterhaven notfalls flucht artig zu verlassen«, stellte Kennon fest. »Wir sitzen also in der Falle.« »Scheint so«, antwortete Razamon mür risch. Kennon hörte ein gedämpftes Surren. Er drehte sich um und sah einen kastenförmi gen Roboter. Aus der Unterseite der Maschi ne ragte ein säulenartiges Bein hervor, das mit einem Kettenantrieb versehen war. Sur rend und summend näherte sich der Auto mat. Dabei fuhr er aus seiner Oberseite eine Kamera aus. »Auf dich haben wir gewartet, ehrenhafter Diener eines hochgeschätzten Robotbür gers«, erklärte Razamon in pthorischer Spra che. »Wir freuen uns, daß du gewillt bist, uns anzuhören.« Der Roboter fuhr schweigend auf sie zu. Unwillkürlich traten die beiden Männer zur Seite. »Halt«, rief Razamon, als die Maschine ihre Geschwindigkeit nicht verringerte. »Du darfst nicht weiterfahren. Hier ist Schluß.« Das Objektiv der Kamera richtete sich auf den Atlanter, der die Arme ausstreckte, um seine Warnung zu unterstreichen. Auch Kennon versuchte, den Roboter aufzuhalten, doch er hatte nicht mehr Erfolg als Raza mon. Der Automat glitt surrend an ihm vor bei und stürzte über die Kante in das Loch, das der explodierende Zugor in die Plattform
10 gerissen hatte. Er verschwand in der Tiefe. Verblüfft blickten Razamon und Kennon sich an. »Wie soll man sich so etwas erklären?« fragte der Atlanter. Kennon-Grizzard beugte sich über die Kante und blickte nach unten. Er sah gerade noch, wie der Roboter im Schlamm versank. Hinter ihnen ertönte ein schrilles Krei schen. Als sie sich umdrehten, sahen sie, daß ein Roboter in ihrer Nähe vorbeizog. Er drückte einen Bohrer gegen die Bodenplat ten und ließ die kreisende Spitze darüber hinweg tanzen. Er verschwand wenig später hinter einem Haus. Die Geräusche zeigten jedoch an, daß er weitereilte und seine sinn lose Tätigkeit dabei fortsetzte. Doch auf ihn achteten Razamon und Kennon schon gar nicht mehr. Sie beobachteten zwei humanoi de Roboter, die eine der Bodenplatten ent fernen wollten. Einer von ihnen setzte dabei eine Metallfräse ein, während der andere sich bemühte, eine Schraube zu lösen, die sich offenbar festgefressen hatte. Der Robo ter mit der Metallfräse arbeitete um ihn her um. »Jetzt«, sagte Razamon, als der eine Au tomat sich um den anderen herumgefräst hatte. Die Platte stürzte mit dem Roboter in die Tiefe. Die beiden Männer hörten, wie sie aufschlug. »Ein Robotbürger ist wach?« fragte Ken non-Grizzard zweifelnd. »Ich habe das Ge fühl, die Roboter handeln aus eigenem An trieb. Sie verrichten irgendwelche Tätigkei ten, aber ohne Sinn und Verstand.« Razamon hob ratlos die Arme. »Ich weiß überhaupt nicht mehr, was ich noch denken soll«, sagte er. »Am besten ge hen wir weiter in Richtung Zentrum. Dies hier ist mir nicht ganz geheuer.« »Vorsicht«, schrie der Terraner. Er riß Razamon zur Seite und duckte sich gleich zeitig. Ein Roboter raste dicht über ihre Köpfe hinweg. Er flog haarscharf an einem aufragenden Pfeiler vorbei und prallte gegen eine Maschine, von der aus Stahlseile in die
H. G. Francis Tiefe führten. Der Roboter zerbarst und fiel auf den Boden. »Vielleicht war es keine besonders gute Idee, hierher zu kommen«, bemerkte Ken non voller Unbehagen. »Nun sind wir aber hier, und wir müssen sehen, wie wir mit die sen verrückt gewordenen Robots fertig wer den.« Razamon lief weiter bis zu einer Rampe, die zu einer höheren Plattform hinaufführte und von dort zu einer Stahlleiter, die diese mit der nächsten verband. Er kletterte daran hoch. Kennon, der ihm gefolgt war, blieb betroffen stehen. Er sah, daß die Abstände zwischen den Leitersprossen etwa sechzig Zentimeter betrugen. »Das geht nicht«, rief er stöhnend. »Das schaffe ich nicht.« Razamon verharrte etwa zwanzig Meter über dem Terraner. Verblüfft blickte er zu ihm hinunter. »Was soll das heißen?« fragte er. Sinclair Marout Kennon-Grizzard wollte antworten, doch dann wurde er sich seines neuen, leistungsfähigen Körpers voll be wußt. Das Blut schoß ihm in die Wangen. Wortlos stieg er auf die Leiter und kletter te an ihr hoch. Es genügte nicht, einen neuen Körper zu haben, der gesund war und keinen Vergleich mit anderen zu scheuen brauchte. In einem neuen Körper zu leben, war vor allem ein psychisches Problem. Er wußte, daß er in seinem verkrüppelten Körper niemals in der Lage gewesen wäre, dieses Hindernis zu überwinden. Er hätte keine Sprossen steigen können, die einen so großen Abstand voneinander hatten. Was aber konnte er sich mit dem Griz zard-Körper wirklich erlauben? Wie weit durfte er gehen? Wie durfte er ihn belasten? Und bestand die Gefahr, daß ihn die Kräfte irgendwann plötzlich verließen? Er blickte nach oben. Razamon hatte das Ende der Leiter erreicht. Er schwang sich über eine Brüstung hinweg und verschwand. Der Atlanter schien über unerschöpfliche Leistungsreserven zu verfügen.
Die Robotfürsten Kennon verharrte etwa zehn Meter unter der Brüstung. Sein Atem ging schnell und keuchend. Eine gewisse Schwäche machte sich in seinen Armen bemerkbar. Unwillkür lich blickte er nach unten. Für einige Sekunden schwindelte ihn, und er preßte sich fest gegen die Leiter. Er blickte auf die braunen Hände, die sich um die Sprosse vor ihm klammerten, und er machte sich bewußt, daß diese kräftigen Männerhände nun seine Hände waren. Er konnte sich auf sie verlassen. Es wohnte ge nügend Kraft in ihnen. Obwohl er sich das immer wieder sagte, kam Sehnsucht nach seinem Robotkörper in ihm auf. Doch sie verflog rasch. Dafür ver stärkte sich der Wunsch nach einem Robo ter, der solche Anstrengungen wie diese überflüssig machte. Er erinnerte sich daran, wie er auf dem Rücken Gentleman Kellys solche Hindernisse überwunden hatte, ohne darüber nachzudenken. Er hatte den Geist für die wirklich wichtigen Dinge frei gehabt. Doch was half es ihm, daß er in dieser Si tuation über solche Probleme nachdachte? Er war von Robotern umgeben, die außer Kontrolle geraten waren. In jeder Sekunde konnte eine dieser Maschinen auftauchen und ihn in eine lebensgefährliche Situation bringen. Er mußte die Leiter so schnell wie möglich verlassen. Es war sträflich leichtsin nig von ihm, so lange auf ihr zu verharren. Er hangelte sich überhastet in die Höhe, rutschte auf einer der Sprossen ab und hing für einige Sekunden hilflos an der Leiter, wobei er sich nur mit einer Hand hielt. Dieser Zwischenfall machte ihn wieder vorsichtiger. Danach kletterte er ruhig nach oben, ohne das geringste Risiko einzugehen. Er schwang sich über die Brüstung und klopfte sich den Staub aus den Hosen. Razamon stand vor ihm und musterte ihn. »Was war los?« fragte der Pthorer. »Nichts weiter«, antwortete KennonGrizzard. »Ich habe nur ein wenig nachge dacht.« »Worüber?« »Zum Beispiel darüber, daß ich mich so
11 gut wie gar nicht in pthorischer Sprache ver ständigen kann«, schwindelte er. »Du soll test mir mehr beibringen, da es immerhin sein könnte, daß wir vorübergehend getrennt werden. In einem solchen Fall muß ich den nächsten Verkehrspolizisten oder das Touri stikbüro …« Kennon-Grizzard brach ab und grinste hilflos. »Ich bin noch nicht ganz klar mit mir selbst«, gestand er. »Da kommt es schon mal vor, daß ich nachdenke. Und manchmal geschieht so etwas zu den unpassendsten Gelegenheiten.« Razamon nickte. Mit einer Handbewe gung gab er dem Terraner zu verstehen, daß er diese Erklärung akzeptierte. »Wir sind in ein Tollhaus geraten«, be merkte der Atlanter. »Sieh dir das an.« Er trat zur Seite und gab den Blick in einen Gang frei, der zwischen zwei Kuppeln hindurchführte. Kennon sah eine Gruppe von Robotern, die sich in einer Art Innenhof bewegte. Die Maschinen liefen hin und her, ohne daß eine sinnvolle Beschäftigung er kennbar gewesen wäre. Einige knieten auf dem Boden und demontierten sich gegensei tig, bis sie dabei funktionsentscheidende Teile erwischten, so daß sie sich ausschalte ten. Danach verharrten sie plötzlich in der Bewegung. Etwas weiter davon entfernt, kletterten zwei Roboter an der Fassade eines Hauses herum, das mit Gitterwerk verziert war. Sie krochen aufeinander zu, bis sie zusammen prallten. Dann stürzten sie etwa drei Meter tief auf den Boden herab, erhoben sich und kletterten erneut in die Höhe, bis sie aber mals zusammenprallten. Danach wiederholte sich alles von vorn. »Es werden immer mehr«, sagte Raza mon. »Sie kommen aus den Häusern hervor und tun irgend etwas, aber alles ist sinnlos.«
3. Die Einheit hatte einige Mühe, den mora stigen Boden zu überqueren. Immer wieder
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H. G. Francis
sackten die spitzen Enden ihrer sechs Beine ein. Dadurch ließ sich die Einheit jedoch nicht aufhalten. Geschickt suchten sie den Weg der geringsten Gefahr, bis sie endlich einen der Pfeiler erreicht hatte, auf dem Wolterhaven ruhte. Sie kletterte daran empor, ohne aufgehal ten zu werden. Das wäre in einer Situation, wie sie vor dem VONTHARA-Alarm ge herrscht hatte, nahezu unmöglich gewesen. Der VONTHARA-Alarm hatte alles geän dert. Als die Einheit die erste der Plattformen erreichte, fuhr sie erneut eine Antenne aus, die mit verschiedenen Sensoren versehen war. Nur Sekunden vergingen, bis sie ausge macht hatte, was sie suchte. Die Entdeckung löste jedoch keinerlei Gefühle aus. Dazu wä re die Einheit auch gar nicht fähig gewesen. Sie aktivierte jedoch Schaltkreise, die bis zu diesem Zeitpunkt stillgelegen hatten. Die Einheit setzte ihren Weg fort.
* Sinclair Marout Kennon lachte unwillkür lich auf, als er sah, wie ein spinnenförmiger Roboter sich bemühte, so etwas wie einen Handstand auf einem seiner mit einem Ther mostrahler versehenen Werkzeugarme zu machen versuchte. Die Maschine kippte zu nächst immer wieder um, schaltete dann den Strahler ein und verflüssigte das Bodenma terial. Offensichtlich beabsichtigte sie, den Strahler in die Glut zu tauchen, abzuwarten, bis das Material wieder fest wurde und sich so Halt zu verschaffen. Sie sackte jedoch in die Glutpfütze ein und hatte Mühe, ihren Arm zu retten. Danach hüpfte sie wie ein Kind, das sich verbrannt hatte, auf einem ih rer Beine aufs andere. »Hast du das gesehen, Razamon?« fragte er und drehte sich um. Er war allein. Razamon war verschwun den. Bestürzt eilte Kennon-Grizzard einige Schritte weiter. Er befand sich in einer Fa brikationsanlage mit pflanzenähnlichen Ge-
bilden, die bis in eine Höhe von etwa fünf Metern hinaufreichten und mit schwarz schimmernden Blättern versehen waren. Die Sicht reichte nur wenige Meter weit. »Razamon«, schrie er. »Wo bist du?« Der Atlanter antwortete nicht. Panik kam in Kennon-Grizzard auf. Er fühlte sich in dieser Welt ohne einen Begleiter verloren. Noch kannte er die Machtverhältnisse, wie sie wirklich waren, und die Zustände nicht genau. Daher war er noch nicht in der Lage, einen Plan für seine nähere Zukunft zu ent wickeln. Er stürmte durch das Gewirr der pflanzen ähnlichen Gebilde, ohne darauf zu achten, daß er einige davon zerstörte. Sie zerspran gen wie sprödes Glas. Dann endlich erreich te er eine Leiter. An ihr kletterte er etwa zehn Meter hoch, bis er die gesamte Fabri kationsanlage übersehen konnte. Razamon war nicht da. Er rief den Namen des Atlanters immer wieder, bis er endlich akzeptierte, daß er ihn verloren hatte. Er konnte sich nicht erklären, wo Raza mon geblieben war, da er ihm – wie er mein te – nur für wenige Sekunden den Rücken zugedreht und ihn dabei zwangsläufig aus den Augen gelassen hatte. Resignierend setzte er sich auf eine Lei tersprosse. Erst jetzt fiel ihm auf, daß sich auch keiner der Roboter in der Nähe befand. Es schien, als sei alles Leben in Wolterha ven erloschen. Nur das Geräusch, das der Wind zwischen den Häusern erzeugte, war zu hören. Kennon stieg langsam höher, bis er über einige Kuppeln hinwegsehen konnte. Er be obachtete einige Roboter, die über eines der Dächer krochen. Er war also doch nicht ganz allein. Kennon kletterte weiter, bis er ein Gitter werk erreichte, das sich über dem Dach ei nes kastenförmigen Hauses erhob. Von hier aus hatte er einen guten Überblick über wei te Teile der Stadt. Er sah, daß sich überall Roboter bewegten, doch nirgendwo war et was, was ihm so interessant erschien, daß er
Die Robotfürsten meinte, es unbedingt näher ansehen zu müs sen. Da er nicht daran glaubte, daß sich Raza mon in den wenigen Sekunden allzu weit von ihm entfernt hatte, glaubte er, daß er ihn nur noch irgendwo in den Bauten in der Nä he finden konnte. Er kletterte durch das Gittergewirr bis zu einer Stahltür, die er mühelos zur Seite schieben konnte. Dahinter lag ein schmuck loser Raum, der von einem stabförmigen Leuchtelement an der Decke erhellt wurde. An den Wänden befanden sich einige Werk zeugmaschinen, und auf dem Boden lagen Stahlteile, die teilweise bearbeitet worden waren. Kennon-Grizzard wollte die Tür hinter sich schließen, doch irgend etwas in ihm hinderte ihn daran. Er blickte über die Dä cher von Wolterhaven hinweg. Ein grauer Dunstschleier lag über der Stadt. Er war von einer Minute zur anderen aufgezogen und beschränkte die Sicht auf wenige hundert Meter. Der Terraner hatte für Sekunden den Ein druck, es mit einem lebenden Wesen zu tun zu haben, das seine Fühler über der Stadt ausstreckte, als wolle es alle Häuser zu gleich erfassen. Er fuhr sich mit den Händen über die Au gen. Danach sah alles ganz normal aus, und er begriff nicht mehr, welche Gedanken ihn eben noch befallen hatten. Er schloß die Tür und lehnte sich mit dem Rücken dagegen. Er wurde sich dessen bewußt, daß er schon seit erheblicher Zeit den Eindruck hatte, beob achtet zu werden. Irgend jemand schien in seiner Nähe zu sein und ihn zu belauern. Er horchte in sich hinein. War es die Persönlichkeit Grizzards, die sich meldete? Stellte Grizzard Ansprüche auf seinen Körper und versuchte er, ihn zu verdrängen? Kennon stieß ein Stück Stahl mit dem Fuß zur Seite und beobachtete, wie es über den Boden bis zu einem nach unten führenden Schacht rollte, über die Kante kippte und in der Tiefe verschwand. Er wartete darauf,
13 daß es irgendwo aufschlagen würde, doch nichts geschah. Das Metallstück schien sich in Nichts aufgelöst zu haben. Neugierig geworden, trat Kennon näher an den Schacht heran und blickte hinein. Er konnte etwa drei Meter weit sehen, dann verschwand alles weitere im Dunkel. Kennon legte sich auf den Boden, weil er hoffte, besser sehen zu können, wenn er den Kopf in den Schacht schob. Er wurde ent täuscht. Daher stand er wieder auf und löste das Leuchtelement aus der Decke. Wie er hofft, brannte es weiter und verlor nur wenig an Intensität. Kennon nahm das Element, legte sich auf den Boden und hielt den Arm mit der Leuchte in den Schacht. Auch jetzt reichte die Sicht kaum weiter als drei Meter. Stufen waren in die Seitenwand des Schachtes eingelassen, so daß er gefahrlos in die Tiefe klettern konnte. Irgend etwas warnte ihn jedoch, allzu un bedacht vorzugehen. Er stieg in den Schacht und ließ sich langsam herab. Dabei blickte er ständig nach unten und hielt das Leucht element in der ausgestreckten Hand. Als er etwa vier Meter tief vorgedrungen war, stieß er auf eine schwarze Wand, die den Boden des Schachtes bildete. Die Schwärze schien jedoch nicht undurchdring lich zu sein, zumindest schob sich das Licht durch die oberste Schicht, als ob diese aus einem glasähnlichen Material bestünde. Als Kennon-Grizzard das Leuchtelement jedoch weiter absenkte, glitt es in die Schwärze hinein, ohne auf Widerstand zu stoßen. Ein eigentümliches Prickeln überlief seine Hand, und unwillkürlich zog er das Element wieder zurück. Ihm fiel auf, daß es heller leuchtete als zuvor, so als habe es sich zwischenzeitlich mit Energie aufgeladen. Verwundert wiederholte er den Versuch, und wiederum leuchtete das Element heller. Gleichzeitig spürte er das Prickeln in seiner Hand. Für den Bruchteil einer Sekunde paß te Kennon nicht auf. Seine Finger öffneten sich, und das Element fiel in das Dunkel. Es verschwand darin, als sei es gleichzeitig er
14 loschen. So sehr er sich auch bemühte, er konnte nicht sehen, wohin es fiel. Im Schacht wurde es so dunkel, daß er kaum noch etwas sehen konnte. Der Licht kreis über ihm schien unendlich weit von ihm entfernt zu sein. Eine innere Stimme warnte ihn davor, noch länger hier zu bleiben. Sie riet ihm, so schnell wie möglich nach oben zu steigen und den Schacht zu verlassen. Doch er blieb. Das Phänomen des schwarzen Etwas unter ihm zog ihn förmlich in seinen Bann. Er klammerte sich mit beiden Händen an eine Stufe und ließ sich danach mit den Fü ßen voran nach unten sinken. Als er das be kannte Prickeln in den Füßen spürte, wußte er, daß diese sich in dem kritischen Bereich befanden. Kennon-Grizzard konnte der Versuchung nicht widerstehen. Er krallte sich an die nächsttiefere Stufe und ließ sich weiter ab sinken. Das Prickeln schob sich an seinen Beinen hoch, als ob es durch die Tentakel eines fremdartigen Wesens verursacht wür de. Unwillkürlich schrie der Terraner auf. Entsetzen überfiel ihn, als das Prickeln sei nen Nacken und seinen Kopf erreichte, wäh rend gleichzeitig jegliches Gefühl in seinen Beinen erstarb. Er merkte, daß es sich weiter über seine Oberarme schob. Und plötzlich begriff er. Sobald es seine Hände erreichte, würden diese gefühllos werden. Die Kraft würde ihn verlassen. Er würde sich nicht mehr halten können und in die Tiefe stürzen. In panischer Angst versuchte er, sich nach oben zu ziehen. Rasende Schmerzen durch zuckten seine Arme, und seine Hände öffne ten sich schlagartig. Er verlor den Halt, rutschte an der Schachtwand herunter, und ein Feuerball schien vor seinen Augen zu explodieren. Kennon warf sich gegen die Schacht wand. Er hoffte, doch noch eine der Stufen packen zu können. Vergeblich. Er stürzte in das schwarze Etwas und ver-
H. G. Francis lor das Bewußtsein.
* Razamon ließ seine Finger über die schwarzen, blattartigen Gebilde gleiten, um zu prüfen, aus welchem Material sie bestan den. Da fiel sein Blick auf einen spinnenför migen Roboter, der sich ihm rasch näherte. Er fühlte sich nicht bedroht. Deshalb blieb er ruhig stehen. Er wunderte sich nur darüber, daß der Roboter so klein war. Die Maschine hatte einen ovalen Körper, der etwa zehn Zentimeter lang war. Er bewegte sich auf Beinen voran, die die doppelte Länge besa ßen. Aus seiner Oberseite ragten Instrumen te auf teleskopartigen Gestellen hervor. Der Roboter fuhr eines der Instrumente aus. Es war an der Spitze mit einer Art Lam pe versehen, die Razamon ins Gesicht leuch tete. Der Atlanter wollte sich zu Kennon umwenden und auf den Roboter aufmerk sam machen, als ihn eine seltsame Schwä che befiel. Seine Zunge gehorchte ihm nicht mehr, und er war nicht in der Lage, den Kopf zu drehen. Das Licht schien tief in sei ne Augen einzudringen und irgendwo in sei nem Gehirn etwas auszulösen. Der Roboter zog sich zurück. Rasend schnell glitten die winzigen Beine über den Boden. Das Licht lockte Razamon hinterher. Lautlos schob sich eine Tür zur Seite. Der Roboter hastete in die Öffnung, und der Pthorer folgte ihm. Razamon zuckte zusam men, als sich die Tür hinter ihm schloß. Für einen Moment schien es so, als könne er sich aus dem Lichtbann lösen, doch dann überfiel ihn die Lähmung mehr und mehr. Schließlich konnte er nicht einmal mehr einen Finger aus eigenem Antrieb heraus be wegen. In dem Raum, in dem er sich befand, herrschte ein dämmeriges Licht, so daß er nur wenige Meter weit sehen konnte. Er be merkte allerlei Gerümpel, das herumstand. Staub wirbelte unter den Beinen des Robo ters auf, als dieser über einen schräg in die
Die Robotfürsten Tiefe führenden Steg lief. Der Automat fuhr den Teleskopstab mit der Lampe noch wei ter aus, so daß der Lichtstrahl ständig auf das Gesicht Razamons fiel. Dieser schob die Füße über den Boden und tastete sich zö gernd voran. Ein humanoider Roboter, der kaum fünf zehn Zentimeter groß war, hüpfte quer über den Steg. Er sprang von einem Bein auf das andere, drehte sich um sich selbst und wieg te sich in den Hüften, als ob er nach einer nur ihm zugänglichen Musik tanze. Als der Atlanter die Schräge etwa zehn Meter weit hinuntergegangen war, öffnete sich ein Schott, und helles Licht flutete ihm entgegen. Er blickte in ein reichhaltig ausge stattetes medizinisches Laboratorium. Der spinnenförmige Roboter schwebte zu einem der Tische empor und winkte ihm mit einer Krallenhand, die aus der Oberseite sei nes Ovalkörpers herausfuhr. Razamon gehorchte. Er betrat das Labor. Hinter ihm glitt die Tür zu, und er wußte, daß Kennon nun so gut wie keine Chance mehr hatte, ihn zu finden. Seltsamerweise beunruhigte ihn das nur wenig. Er trat an einen der Tische heran. Der Spinnenroboter wich vor ihm zurück, wäh rend er ihm unverwandt ins Gesicht leuchte te. Wie von unsichtbarer Hand gelenkt, stieg Razamon auf den Tisch und streckte sich dann darauf aus. Der Spinnenroboter kroch in eines der La borgeräte hinein. Nur noch der Stab mit der Lampe ragte schließlich daraus hervor. Das Licht gab den Atlanter nicht frei. Razamon entblößte seine Brust. Dann ließ er die Arme sinken und wartete ab. Von einem der Laborgeräte aus glitt sur rend ein Metallarm auf ihn zu. In einer me tallenen Hand blitzte eine Spritze. Razamon sah sie kommen. Er wollte ihr ausweichen, doch ihm fehlte die Kraft dazu. Er fühlte, wie sich die Nadel durch seine Haut bohrte, dann rückte alles noch weiter von ihm weg, und er glaubte, sich selbst durch fremde Au gen zu sehen. Eine zweite Sonde glitt auf ihn zu. Seine
15 Spitze grub sich in sein Fleisch und fräste ein Stückchen aus seiner Brust hervor. Dann zog er sich mit ihrer Beute zurück, und ein weiterer Arm erschien mit einem Wattetup fer. Vor den Augen des Atlanters drehte sich der Raum. Er spürte, daß er mehr und mehr die Gewalt über sich verlor. Der Boden schi en unter ihm zu weichen. Dann wurde es dunkel vor seinen Augen, und er hatte das Gefühl, sanft in eine endlos erscheinende Tiefe zu sinken.
* Sinclair Marout Kennon kam schlagartig zu sich, als er gegen ein Hindernis stieß. Er fühlte, daß er aufschlug, aber er tat sich nicht weh. Völlig verwirrt öffnete er die Au gen, doch er konnte nichts sehen, weil alles um ihn herum dunkel war. Dennoch wußte er, daß er sich in einem engen Raum befand. Von unbändiger Angst erfüllt, sprang er auf. Er eilte vorwärts, bis seine Hände gegen eine Wand stießen. Er schlug mit seiner Rechten gegen die Wand. Diese zersplitterte, als bestünde sie aus brüchigem Glas. Kennon-Grizzard sah, wie die Bruchstücke davonwirbelten. Sie strahlten wie verzerrt dargestellte Sonnen im Licht, das auf sie fiel. Kennon wunderte sich darüber, daß er nichts hörte. Er verfolgte die Scherben mit seinen Blicken, bis sie auf den Boden stürz ten. Ihm schien, als bewegten sie sich zeitlu penhaft langsam. Als sie den Boden berühr ten, zerplatzten sie in zahllose Bruchstücke, und gleichzeitig kehrte sein Gehör zurück. Kennon-Grizzard kletterte durch die ent standene Öffnung in der Wand, wobei er oh ne die geringste Mühe einige Splitter hin wegwischte, die ihm noch im Wege waren. Sie waren etwa zwei Zentimeter dick und lösten sich laut krachend von der Wand ab. Kennon stutzte. Er drehte sich um und sah sich die Öff nung an, die er geschaffen hatte. Seine Au gen weiteten sich.
16 Eine derartige Kraft hatte er nur in seinem Robotkörper entwickelt. Oft genug hatte er Mühe gehabt, seine Bewegungen auf seine Umgebung abzustimmen, um nicht durch brutale Kraft aufzufallen. Viel Zeit war ver gangen, bis er es endlich gelernt hatte, ein rohes Ei zwischen den Fingern zu halten, ohne es zu zerquetschen. Befand er sich nun in einer ähnlichen Si tuation? Verfügte er plötzlich wieder über Titanenkräfte, und mußte er lernen, in einem neuen Körper zu leben? Er blickte an sich herunter und stellte fest, daß er noch immer Grizzard war. Zumindest äußerlich hatte sich nichts verändert. Der Terraner bückte sich und nahm einen handtellergroßen Splitter auf. Er ließ ihn aus etwa anderthalb Metern Höhe auf den Boden fallen. Das Bruchstück überstand diesen Sturz schadlos und bewies damit eine be achtliche Härte. Kennon nahm es erneut auf und drehte es neugierig zwischen den Fin gern. Es hatte zahllose messerscharfe Kan ten, an denen er sich normalerweise leicht verletzen konnte. Jetzt aber strichen seine Fingerkuppen darüber hinweg, ohne daß er es fühlte. Seine Hände schlossen sich um das Bruchstück und preßten sich zusammen. Das Material zerbröckelte unter seinen Fingern und riesel te zu Boden. Kennon-Grizzard stöhnte entsetzt auf. Er wollte keine gigantischen Kräfte ha ben. Er wollte sich nicht neu unter den Men schen zurechtfinden müssen, sondern so sein wie sie. Er drehte sich um und kehrte zu der Stelle zurück, an der er durch die Wand gebrochen war. Er blickte durch die Öffnung ins Dun kel, konnte jedoch nichts erkennen. Dann er innerte er sich wieder daran, daß er in einen Schacht geklettert war, an dessen Grund ei ne ähnliche Dunkelheit geherrscht hatte. Die unerklärliche Schwärze mußte etwas mit seinem Zustand zu tun haben. Er war ins Dunkel gefallen und hatte dabei das Be wußtsein verloren. Er erwog, in den dunklen Raum zurück-
H. G. Francis zukehren, doch hielt ihn eine seltsame Scheu davon ab. Zunächst wollte er mehr über sich und seine neuen Fähigkeiten wissen. Daher drehte er sich um und durchquerte den Raum, in dem er sich befand. Allerlei Ge genstände aus den verschiedensten Teilen von Pthor lagerten dort. Felle lagen auf dem Boden, ungeöffnete Pakete türmten sich an den Wänden bis hin zur Decke. Er riß eines von ihnen auf. Kieselsteine polterten ihm entgegen. Achtlos stieß er sie zur Seite. Zwischen den Stapeln entdeckte er eine Tür. Er versuchte, sie zu öffnen, indem er den Riegel zur Seite schob. Doch er ging ein wenig zu heftig dabei vor. Der Riegel brach aus der Tür, und diese kippte aus der Füh rung und fiel krachend zu Boden. Kennon blickte ins Freie. Er sah einen tonnenförmigen Roboter vor sich, der einen Stahlträger über eine Plattform schleppte. Der Kopf des Automaten drehte sich zu ihm hin. Die Linsen leuchteten auf, als das Licht auf sie fiel. Der Roboter ließ den Stahlträger sinken, hüpfte einen halben Meter hoch und streckte die beiden Arme. »Ich weiß die besondere Ehre zu schät zen, daß du dich mir als erstem zeigst, Groß meister«, rief der Automat. »Erlaube mir, den anderen zu verkünden, daß du es bist, der die Macht übernommen hat.« »Was redest du da?« fragte Kennon über rascht. »Heureka, Großmeister! Neue Zeiten bre chen an, und mir ist es vergönnt, dir meine Verehrung zu beweisen.« Kennon-Grizzard blickte den Roboter ver blüfft an. Die Maschine redete weiter, doch der Terraner verstand praktisch überhaupt nichts, da er nur wenige pthorische Sprach brocken beherrschte. Er hob die rechte Hand, um den Wortschwall zu beenden. Der Roboter verstummte, während Kennons Fin gerspitzen für den Bruchteil einer Sekunde aufleuchteten, und ein winziger Blitz aus ih nen hervorzuckte. Diese Erscheinung war je doch so kurz und so unauffällig, daß er glaubte, sich getäuscht zu haben. »Razamon«, brüllte er. »Wo bist du?«
Die Robotfürsten Der Atlanter antwortete nicht. Ein kugelförmiger Roboter rollte auf ei nem Kettenwerk heran. Er war zwei Meter groß. Ihm folgte ein zweibeiniger, tonnen förmiger Automat, der mit einer Blinkleuch te auf dem Kopf versehen war. Mit dieser sendete er eine Reihe von Leichtimpulsen aus, deren Sinngehalt Kennon ebensowenig erfaßte wie die Worte, die der Kugelrobot von sich gab. Von allen Seiten näherten sich nun Robo ter. Die meisten ähnelten aufrecht gehenden Tonnen, die an ihrer Oberweite mit zahlrei chen Tentakeln versehen waren. Die Ma schinen kletterten über die Dächer, stiegen über Leitern und krochen über die Kuppeln hinweg. Der Terraner blieb stehen, wo er war. Er wußte nicht, wohin er sich wenden sollte, und er fühlte sich auch nicht durch die Ro boter bedroht. Er verstand jedoch nicht, wel che Bedeutung die Vorgänge hatten. Immer mehr Roboter versammelten sich um ihn herum. Hin und wieder hob er die Hände. Jetzt sah er deutlich, daß die Fingerspitzen leuch teten, und daß kleine Blitze von ihnen aus gingen. Auch das konnte er sich nicht erklä ren. Er wartete ab, da er sich sagte, daß ir gendwann einer der Roboter etwas tun wür de, was das Geschehen verständlich machte. Doch er irrte sich. Die Zahl der Roboter wuchs immer noch an. Er zählte schließlich mehr als zweihundert Automaten, die sich auf engstem Raum zusammendrängten und ihn mit schimmernden Linsen beobachteten. Alle wandten sich ihm zu, so daß er im Mit telpunkt der versammelten Maschinen stand, von denen die meisten ständig sprachen. Der Lärm wurde ständig größer, bis Ken non-Grizzard sich die Hände an die Ohren legte. »Ruhe«, brüllte er in Interkosmo. Überrascht stellte er fest, daß die Roboter tatsächlich verstummten, obwohl sie ihn ei gentlich gar nicht hätten verstehen können. Er atmete einige Male tief durch, wobei er
17 sich mit einer Hand an einem Geländer ab stützte. Als er sich dessen bewußt wurde, zuckte seine Hand zurück. Er blickte auf die Stahlstange am oberen Rand des Geländers und erwartete, sie verbogen vorzufinden. Sie sah jedoch ganz normal aus. Unwillkürlich griff er erneut danach und versuchte, sie zu verbiegen. Es gelang ihm nicht. Er hatte die unglaubliche Kraft wieder verloren, über die er noch kurz zuvor verfügt hatte. Er stieß einige Roboter in seiner Nähe zur Seite und eilte einige Stufen einer Treppe hoch. Jetzt konnte er sehen, daß ihn tatsäch lich noch viel mehr Roboter umgaben, als er angenommen hatte. Es waren Tausende! Und allen hatte er Energie übermittelt. Er wandte sich nach Westen. Dann ver harrte er mitten in der Bewegung. Alle Roboter wandten sich ebenfalls nach Westen. Alle unterbrachen ihre Bewegung und verharrten, als sie sich ebensoweit ge dreht hatten wie er. Kennon stieß einen Schrei aus und hob den rechten Arm. Die Roboter blieben zwar stumm, vollführten jedoch die gleiche Geste. Jetzt wirbelte der Terraner einmal um sei ne Längsachse und riß beide Arme in die Höhe. Die Roboter taten es ihm nach. Alle ohne Ausnahme.
4. Razamon vernahm ein Kreischen, das ihn an seine Tage auf der Erde erinnerte, wo er als Ausgestoßener gelebt hatte. Er wähnte sich auf einem alten Bauernhof und glaubte, einige Männer zu sehen, die Baumstämme mit einer Kreissäge zerschnitten. Er schlug die Augen auf. Wenige Zentimeter von sei ner Nasenspitze entfernt drehte sich eine Fräse. Unwillkürlich wich er davor zurück, doch sie folgte ihm. Razamon blickte flüchtig zur Seite. Was er sah, ließ ihn erstarren. Neben ihm befand sich ein Behälter, in dem sich eine zähflüssi ge Masse bewegte. Er hatte früher schon ei
18 nige Male so etwas gesehen und wußte so fort Bescheid. In dem Behälter wurde eine biologisch lebende Masse gezüchtet. Keinen Moment zweifelte er daran, daß sein Fleisch, das ein Roboter ihm entnommen hatte, als Basis gedient hatte. Zornig schrie er auf und warf sich mit al ler Macht gegen seine Fesseln. Die Läh mung war gewichen, und es gelang ihm, die Bänder zu zerreißen, die seine Arme um spannten. Dabei ruckte sein Oberkörper em por. Im letzten Moment verhinderte der At lanter, daß er mit dem ungeschützten Ge sicht gegen die sich rasend schnell drehende Fräse kam. Er schlug sie mit der Faust zur Seite und richtete sich danach auf. Er war allein in einem medizinischen La bor, in dem es sonst nur noch stationäre Ro boter gab. Die aber brauchte er jetzt nicht zu fürchten. Sie würden ihn nicht aufhalten. Voller Unbehagen musterte er die brodelnde Biomasse, die sich durch Zellteilung deut lich sichtbar vermehrte. Es mißfiel ihm, daß Zellmaterial aus sei nem Körper die Grundmasse gebildet hatte, aber jetzt konnte er es nicht mehr ändern. Er packte die Stahlbänder, die seine Fesseln umspannten, und zerriß sie. Dann stieg er vom Tisch herunter. Neugierig betrachtete er die verschiede nen Einrichtungen des Labors. Er stellte fest, daß einige Automaten arbeiteten, andere nicht, obwohl nicht zu übersehen war, daß sie zum Arbeitsplan gehörten. Verwundert schüttelte er den Kopf. Unter den gegebenen Umständen konnte das Experiment mit der künstlich herange züchteten Biomasse nicht gelingen. Was auch immer der Leiter des Experiments da mit beabsichtigte, er konnte sein Ziel nicht erreichen. Razamon erschauerte. Wenn es so war, dann mußte er damit rechnen, daß man ihm bald weiteres Zellma terial entnehmen würde, und wenn das Ex periment auch dann nicht erfolgreich war, wiederum etwas. Er konnte sich ausrechnen, wie lange er überleben würde.
H. G. Francis Er beschloß, das Laboratorium so schnell wie möglich zu verlassen. Er eilte zu einer Tür und versuchte, sie zu öffnen. Es gelang ihm nicht, da ihre Steuerung nur auf die Funkimpulse der Roboter ansprach. Raza mon warf sich dagegen und brach die Tür aus ihrer Halterung. Er kam auf einen Gang hinaus, der schräg in die Höhe führte. Er eil te ihn entlang bis zu einer Tür, die sich von selbst vor ihm öffnete, als er eine Licht schranke passierte. Danach trat er ins Freie hinaus. Vor einer Mauer aus Robotern, die ihm alle den Rücken zuwandten, blieb er stehen. Die Automaten waren fast alle wenigstens einen halben Meter größer als er, so daß er nicht über sie hinweg sehen konnte. Er stieß einen Roboter an, erzielte jedoch keine Wir kung. Da sprang er der Maschine in den Rücken und zog sich an ihr hoch, bis er freie Sicht auf das hatte, was hinter der Mauer aus Robotern war. Im gleichen Moment rissen alle Automaten den rechten Arm hoch. Raz amon stürzte zu Boden. Er blieb benommen sitzen. Er glaubte, sich getäuscht zu haben, denn er konnte sich nicht vorstellen, daß er wirklich KennonGrizzard gesehen hatte, der den Robotern Befehle erteilte. Er raffte sich auf und kletterte erneut an einem Roboter hoch. Der Automat ignorierte ihn. Er schien die Belastung gar nicht zu be merken. So konnte Razamon sich auf die Schultern des Roboters setzen und aus siche rer Position heraus beobachten. Fassungslos stellte er fest, daß Kennon die versammelten Roboter mit einigen Ge sten dirigierte. »Kennon«, schrie er. Der Terraner blickte auf und entdeckte ihn. Er winkte ihm zu. »Komm her zu mir«, rief er. Razamon ließ sich von den Schultern des Roboters gleiten. Verblüfft bemerkte er, daß sich eine Gasse bildete. Dabei standen die Automaten so dicht gedrängt, daß er meinte, keiner von ihnen könnte auch nur einen Zen timeter weit zur Seite ausweichen. Unsicher
Die Robotfürsten betrat er die Gasse und ging zu Kennon hin. »Keine Sorge«, bemerkte dieser lächelnd. »Ich habe die Robotbürger von Wolterhaven in Griff.« »Moment mal«, entgegnete Razamon. »Dies hier sind nicht die Robotbürger. Diese Roboter sind nicht mehr als die bewegli chen, ausführenden Organe der eigentlichen Robotbürger. Diese sind stationäre Compu ter. Du wirst sie sicherlich noch sehen.« Kennon-Grizzard ließ die Arme sinken. Mit plötzlichem Unbehagen blickte er in die Runde. Von allen Seiten her starrten ihn die kalten Linsen der Automaten an. »Wieso gehorchen mir diese Roboter?« fragte er. »Vermutlich, weil die Robotbürger noch immer paralysiert sind«, antwortete der At lanter. »Wir müssen jedoch damit rechnen, daß sie bald wieder aktiv werden. Sie kön nen recht eigenartig sein.« Kennon fluchte leise vor sich hin. »Da habe ich wohl einen Riesenfehler ge macht«, sagte er, »aber ich habe es eigent lich gar nicht gewollt. Die Roboter sind von selbst gekommen, und dann hat sich alles so entwickelt.« »Auf jeden Fall sitzen wir mitten drin«, stellte Razamon fest. »Ich werde versuchen, die Roboter zu vertreiben«, sagte der Terraner und gab Raz amon mit einem Handzeichen zu verstehen, daß er schweigen sollte. Dann hob er beide Arme über den Kopf und konzentrierte sich auf die Roboter. Er zeigte erst nach Westen, dann nach Osten. Das Heer der Automaten teilte sich. Die Maschinen gehorchten. Die eine Hälfte bewegte sich nach Westen, die andere nach Osten. Die Roboter entfernten sich allerdings nur etwa zwanzig Meter weit. Dann blieben sie stehen, so daß sich eine vierzig Meter breite Schneise bildete. »Und jetzt verschwinden wir«, schlug Kennon vor. »Ich bin zwar hierher gekom men, um mir einen Roboter zu holen, aber eben nur einen. Nicht Tausende.« »Obwohl du dich zum mächtigsten Mann von Pthor aufschwingen könntest.«
19 Kennon zuckte mit den Schultern. »Das habe ich nicht vor«, entgegnete er. »Außerdem liegt es mir nicht, mit solchen Heerscharen aufzutreten. Ich bin mehr für die leise Methode. Ich habe die Erfahrung gemacht, daß diese in den meisten Fällen viel effektiver ist.« »Na schön«, sagte Razamon. »Wir ge hen.« Die beiden Männer schritten durch die Gasse, die sich zwischen den Robotern ge bildet hatte. Als sie etwa zwanzig Meter weit gegangen waren, blickte sich KennonGrizzard um. Er sah, daß sich die Gasse hin ter ihnen schloß. Die Roboter schwenkten ein und marschierten in dichtgedrängter Ordnung hinter ihnen her. Kennon-Grizzard blieb stehen. Die Roboter blieben ebenfalls stehen. »Und was jetzt?« fragte Razamon. »Wir können schließlich nicht mit der ganzen Horde quer durch Pthor wandern. Oder glaubst du, daß die Söhne Odins stillhalten, wenn wir mit einer solchen Streitmacht an rücken?« Der Terraner hob die Arme. Er gab den Robotern den telepathischen Befehl, sich umzudrehen und in die entgegengesetzte Richtung zu ziehen. Er unterstrich diesen Befehl mit deutlichen Handzeichen. Aufatmend beobachtete er, wie die Auto maten reagierten. Sie drehten sich um und bewegten sich in der angegebenen Richtung. »Siehst du«, sagte Kennon. »Sie gehor chen. Weiß der Teufel, warum das so ist. Tatsache ist, daß sie mir gehorchen.« »Beeile dich«, drängte Razamon. Er schob Kennon vor sich her. Während sie sich dem Stadtrand näherten, blickte er im mer wieder über die Schulter zurück. Nach etwa hundert Metern blieb er stehen. »Was ist los?« fragte Kennon, ohne sich umzudrehen. »Sie kommen«, erwiderte Razamon. »Wir werden die Horde nicht los.« Der Terraner fuhr herum. Mehrere tau send Roboter bildeten einen weiten Halb kreis um sie. Der Abstand zwischen ihnen
20 und den Maschinen betrug etwa zweihundert Meter. »Herr, die Not ist groß«, sagte Razamon sarkastisch. »Die ich rief, die Geister, werd' ich nun nicht los.« »Das kennst du?« fragte Kennon. »Ich habe einige Jahrtausende auf der Er de verbracht«, erwiderte der dunkelhaarige Atlanter, »und ich habe eine Reihe von klu gen Männern und Frauen dabei kennenge lernt.« »Wie geht es weiter in dem Gedicht vom Zauberlehrling?« »Der Meister erscheint und schickt die Besen in die Ecke.« Razamon lächelte ner vös. »Ich glaube kaum, daß hier so etwas ge schehen wird.« Er blickte Kennon forschend an. »Du solltest mir genau erzählen, was pas siert ist«, sagte er. »Wieso bist du plötzlich in der Lage, die Roboter zu dirigieren?« Kennon schilderte ihm mit knappen Wor ten, was er erlebt hatte. »Ich habe mich in diesem schwarzen Feld wahrscheinlich mit Energie aufgeladen«, schloß er seinen Bericht. »Diese Energie ist dann nahezu vollständig auf die Roboter übergeflossen. Glücklicherweise, denn ich weiß nicht, was ich sonst hätte tun sollen. Immerhin scheint noch soviel Energie vor handen zu sein, daß es ausreicht, die Robo ter mit telepathischen Befehlen zu lenken.« »Aber wiederum auch nicht so, daß du sie einfach wegschicken kannst«, ergänzte Raz amon. »Eine gewisse Affinität scheint vor handen zu sein, so daß sie immer wieder hinter dir her rennen.« Weit von ihnen entfernt tauchten mehrere fliegende Roboter zwischen hochaufragen den Türmen auf. »Das wäre eine Idee«, sagte Kennon. »Wir könnten uns von fliegenden Robotern tragen lassen. Vielleicht kommen wir so weit, daß meine Energien nicht mehr ausrei chen, die bodengebundenen Roboter zu len ken und zu beeinflussen.« Razamon verzog die Lippen. Er war skep tisch und glaubte nicht an diese Möglichkeit.
H. G. Francis Abwartend blieben die beiden Männer stehen. Sie blickten den fliegenden Robotern entgegen. Kennon zählte sieben Automaten. Sie waren scheibenförmig und hatten zwei Arme, die an den Seiten herausragten. »Vorsicht«, schrie Razamon, als die Ma schinen sich bis auf etwa hundert Meter ge nähert hatten. »Sie haben Energiestrahler.« Er wollte fliehen, aber Kennon-Grizzard hielt ihn mit eiserner Hand fest. »Das hat keinen Sinn«, sagte er. »Ich muß sehen, daß ich so mit ihnen fertig werde.« Plötzlich begannen die fliegenden Schei ben zu schießen. Sonnenhelle Energiestrah len zuckten in die Masse der um KennonGrizzard versammelten Roboter hinab und lösten reihenweise Explosionen aus. Trüm merstücke von zerfetzten Robotkörpern wir belten durch die Luft, und eine Druckwel lenfront schleuderte Kennon und Razamon zu Boden. Die beiden Männer versuchten, sich hinter einem Turm in Sicherheit zu bringen. Ein Bruchstück traf Razamon an der Schulter und warf ihn erneut zu Boden. Kennon griff nach ihm und half ihm hoch. »Weg hier«, brüllte er. »Der Boden bricht auf. Wenn wir nicht aufpassen, landen wir im Sumpf.« Er wies auf eine Kuppel, die sich in ihrer Nähe befand. Tatsächlich brach sie ausein ander und spaltete sich in zwei Hälften. Deutlich hörte Razamon, daß allerlei Gegen stände aus der Kuppel in die Tiefe stürzten. »Du mußt etwas tun«, schrie der Atlanter. »Es hilft uns überhaupt nichts, wenn wir fliehen.« »Ich kann doch nichts tun«, erwiderte Kennon-Grizzard. Sie hatten die Deckung erreicht und lehnten sich hinter dem Turm an kühles Metall. »Versuche es doch wenigstens«, sagte Razamon. »Versuche, diese schießenden Roboter aufzuhalten und unter deine Kon trolle zu bringen. Vielleicht kannst du es.« »Ich habe es bereits versucht«, erklärte Kennon-Grizzard. »Sie schossen dennoch.« Heftige Detonationen zeigten ihnen, daß
Die Robotfürsten die Roboter ihr zerstörerisches Werk fort setzten. Glühende Bruchstücke von Gebäuden und Robotern flogen über sie hinweg, und der Boden zitterte und bebte so heftig unter ihren Füßen, daß sie fürchteten, er werde unter ihnen nachgeben. Sinclair Marout Kennon konzentrierte sich. Dabei hatte er mit einer plötzlich auftre tenden Welle des Hasses und der Ablehnung Robotern gegenüber zu kämpfen. Seine Ge fühle ließen in ihm den Wunsch aufkom men, die Dinge treiben zu lassen und auf diese Weise zu erreichen, daß sich die Robo ter selbst vernichteten. Für Sekunden stieg die Vision einer explodierenden Stadt Wol terhaven vor seinem geistigen Auge auf. Er spürte, daß er es in der Hand hatte, die ganze Stadt zu zerstören und im Morast versinken zu lassen. Das Gefühl der Macht gegenüber den Robotern ließ ihn vor Freude erschau ern. Endlich, so meinte er, hatte er die Mög lichkeit einer geradezu uferlosen Rache ge gen die Roboter, die hier existierten. Raza mon stieß ihn an. »Warum tust du nichts?« brüllte der At lanter, der Mühe hatte, den Explosionslärm zu übertönen. Kennon-Grizzard lehnte sich zurück und schloß die Augen. Er schüttelte die Versu chung ab, Wolterhaven und mit der Stadt al le Roboter zu vernichten. Mit ganzer Kraft konzentrierte er sich auf die schießenden Roboter und befahl ihnen, das Feuer einzu stellen. Der Lärm verebbte. »Sie schießen nicht mehr«, sagte Raza mon und blickte um den Turm herum. »Sie landen.« Er drehte sich zu Kennon-Grizzard herum und lächelte ihm anerkennend zu. Doch Kennon reagierte nicht. Er stand an der glei chen Stelle und hielt noch immer die Augen geschlossen. Razamon ahnte nicht, was sich in diesen Sekunden tatsächlich ereignete. Kennon fühlte eine Flut von Impulsen, die sich auf ihn konzentrierten. Er wähnte sich
21 mitten in einem elektronischen Kommunika tionszentrum. Überraschenderweise verstand er, was die Impulse beinhalteten. Es war, als habe er einen Empfänger im Gehirn, der die Impulse in eine verständliche Sprache um setzte. Er wußte jedoch, daß dieser Eindruck täuschte, und daß er die Anfragen aus ande ren Gründen verstand. Die Ursache dafür konnte nur darin liegen, daß er einen so inni gen Kontakt mit dem schwarzen Energiefeld gehabt hatte. Alle Roboter in seiner Nähe fragten ihn, was sie tun sollten. Tausende von Anfragen prasselten auf ihn herab. Fast eine Minute lang blieb er aufrecht stehen. Er hörte, daß auch Razamon ihn etwas fragte. Mit immer lauter werdender Stimme drang der Atlanter auf ihn ein. Kennon-Grizzard hielt der Belastung nicht stand. Er brach zusammen, verlor je doch nicht das Bewußtsein. Mit weit geöff neten Augen lag er auf dem Boden. Er versuchte, alle auf ihn eindringenden Fragen zu beantworten. Sein Gehirn war dazu fähig. Dazu war je doch notwendig, daß er das bewußte Denken völlig einstellte. Das tat er, jedoch wiederum nicht bewußt, sondern aus einer instinktiven Abwehr heraus, mit der er sein Leben retten wollte. Damit stürzte er sich jedoch selbst in eine Falle, aus der er keinen Ausweg mehr finden konnte. Die fortdauernde Überbela stung seines Gehirns mußte früher oder spä ter zu einem Kollaps führen. Razamon stand fassungslos neben Ken non. Er konnte sich zunächst nicht erklären, was geschah. Er ließ sich auf die Knie sin ken und legte Kennon die Hand an die Wan ge. Er blickte ihm in die Augen und stellte fest, daß die Pupillen weit geöffnet waren und nicht auf einen Lichtwechsel reagierten. Der Pulsschlag, den er am Hals ertastete, war jedoch normal. Hilfesuchend blickte er sich um. Er be merkte einige Roboter, die damit beschäftigt waren, aufzuräumen. Sie hoben Trümmer stücke auf und schleppten sie fort. Andere
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begannen damit, Risse in den Häusern und in der Plattform zu schweißen oder zu kle ben. Razamon erhob sich und trat einige Schritte zur Seite, bis er die Stelle sehen konnte, an der die meisten Roboter explo diert waren. Auch dort arbeiteten nun die an deren daran, die Trümmer wegzuräumen und Ordnung zu schaffen. Fliegende Automaten schleppten Bauma terial heran, mit denen die entstandenen Lücken geschlossen werden sollten. Überall herrschte Ordnung. Das Chaos war über wunden. Die Roboter erhielten Befehle und handelten danach. Plötzlich fiel es Razamon wie Schuppen von den Augen. Er fuhr herum und blickte Kennon an. Er begriff, daß dieser es war, der die Roboter lenkte und ständig auf ihre An fragen reagierte. Es konnte nicht anders sein. Gleichzeitig erkannte der Atlanter, daß Kennon-Grizzard dieses informatorische Wechselspiel nicht überleben konnte. Das menschliche Gehirn war nicht dazu geeig net, auf Dauer so viele Informationen gleichzeitig auszutauschen. Das konnte nur ein Computer. Razamon lehnte sich stöhnend mit dem Rücken gegen den Turm, als er die Tatsa chen endgültig erfaßte. Kennon war zum Robotbürger geworden.
* Robotbürger Trailer erwachte. Er benötigte die außerordentlich lange Zeit von etwa 0,043 Sekunden, um sich über die Situation in seinem Herrschaftsbereich zu informieren. Robotbürger Trailer erkannte, daß es nicht besonders gut um ihn und sein Fürstentum stand. In der Zeit der Dunkelheit, in der jeg licher Denkprozeß unterbrochen gewesen war, war etwas geschehen, was sich seiner Kontrolle entzog. Ihm mißfiel, daß er nicht auf diese Ent wicklung hatte einwirken können. Augenblicklich schickte er Informations-
impulse aus, die von seinen beweglichen Außenstationen sofort beantwortet wurden. Eine Welle der Dankbarkeit schien ihm ent gegenzuschlagen, weil er nun angezeigt hat te, daß er sich für die Ordnung verantwort lich fühlte. In seinem Fürstentum sah es chaotisch aus. Die Roboter hatten völlig sinnlose Arbei ten verrichtet, die zum Teil sogar zu erhebli chen Zerstörungen geführt hatten. Vor allem waren Leibeigene aus benachbarten Graf schaften eingedrungen, und das konnte er sich auf keinen Fall bieten lassen. »Ich, Fürst Trailer, befehle euch, alle aus dem Fürstentum zu entfernen, die nicht mei nem hochgestellten Geschlecht entstam men«, rief er. Sein Ruf drückte sich durch eine Impulskette aus, die für menschliche Ohren unhörbar war. Es waren Funkimpul se, die auf der Frequenz seiner Außenstatio nen lagen. Robotbürger Trailer war sich dessen nicht bewußt, daß er mit einem erheblichen Scha den aus seinem Lähmschlaf erwacht war. Er fand überhaupt nichts Ungewöhnliches da bei, daß er sich selbst als »Fürst« bezeichnet hatte. Er wußte noch nicht einmal, daß er sich vorher als Robotbürger verstanden hat te. Vielmehr war er davon überzeugt, daß er von eh und je ein »Fürst« mit vielen »Leibeigenen« gewesen war. Ein gewisses Unbehagen über seinen Na men war allerdings vorhanden. Sollte er sich »Fürst Trailer« nennen? Drückte das nicht viel zu wenig von seiner Macht und Erha benheit aus? Er beschloß, sich »Fürst Trailer der tau send Glückseligkeiten und der unendlichen Güte« zu nennen. Das war wesentlich klang voller und beschrieb seine Position wie sei nen Charakter so vorzüglich, daß Trailer vor Begeisterung über seinen eigenen Einfall vorübergehend in Verzückung versank und darüber versäumte, sich um seine Außensta tionen zu kümmern. Die Folge war, daß sich augenblicklich wieder chaotische Zustände einstellten.
Die Robotfürsten Die Außenstationen protestierten jedoch bald mit einer Flut von Funkimpulsen, die ihn aus seiner Verzückung rissen und ihn in eine Welt zurückholten, die der Realität na he war. So wie der Fürst der tausend Glück seligkeiten sie wahrnahm, entsprach sie nicht völlig der Realität, aber das spielte kei ne entscheidende Rolle, da er glücklicher weise nicht auf den Gedanken kam, sich mi litärisch auszuweiten. Ihm kam es vorläufig nur darauf an, sich den anderen Robotbürgern mitzuteilen. »Bürger Maicol«, rief er. »Seid Ihr end lich aufgewacht, oder vermute ich recht, daß Ihr weiterhin der Untätigkeit huldigt, um nicht zu sagen, der Faulheit?« »Herr Trailer«, antwortete Maicol belu stigt. »Ich habe zwar geschlafen, das gebe ich zu, doch daran war ich nicht schuld. Ir gend etwas ist passiert, worauf ich keinen Einfluß hatte. Glücklicherweise ist mir die Pause gut bekommen.« »Seht Euch vor, Bürger Maicol. Ihr solltet wissen, daß ich eine derart ungebührliche Rede einfach nicht dulden kann. Benehmt Euch, wie es sich gehört, dann bin ich gern bereit, mich herabzulassen und auch weiter hin Konversation mit Euch zu betreiben.« Herr Maicol war hörbar belustigt. Fürst Trailer stellte es mit sichtlicher Verwunde rung und mit erheblichem Unbehagen fest. »Bei Ihnen zwitschert es wohl in der Po sitronik?« fragte Robotbürger Maicol an. »Ich habe da so ein paar Töne gehört, die mir unbekannt vorkommen.« »Unter diesen Umständen breche ich das Gespräch ab«, erwiderte Trailer. »Ich … nein. WIR, Fürst der tausend Glückseligkei ten und der unendlichen Güte, können so et was nicht dulden.« »Bei Ihnen piept's wohl, Bürger?« Trailer schaltete die Verbindung empört ab und machte sich seine eigenen Gedanken über das »gemeine Volk«. Es erfüllte ihn nicht nur mit Unbehagen, sondern ärgerte ihn auch, daß er in seiner unmittelbaren Nä he derart niedrige Elemente dulden mußte. Er war sich jedoch darüber klar, daß er einen
23 Robotbürger nicht einfach entfernen lassen konnte. Ein Robotbürger war ein festverwur zeltes Gebilde, das nur an seinem ange stammten Platz existieren konnte. Trailer er schrak bei dem Gedanken, einer der Robot bürger könnte ihn von seinem Platz entfer nen wollen. Das wäre zweifellos das Ende sowohl seiner Glückseligkeit als auch seiner Güte gewesen. Gab es eigentlich noch mehr Fürsten in seiner Nähe? Er konnte es sich nicht vorstellen. Sein Memo-Sektor informierte ihn dar über, daß er mitten unter Robotbürgern leb te. »Das ist kein leichtes Leben«, stellte Trai ler für sich selbst fest. Natürlich war es viel angenehmer, von ähnlich hochgestellten Persönlichkeiten umgeben zu sein, wie er es selbst war. Er mußte sich wohl damit abfin den, daß man nicht alles haben konnte im Leben. Vorsichtig streckte er seine Fühler aus, denn er war sich dessen nicht ganz sicher, ob nicht doch noch einige »Hochwohlgeborene« in Wolterhaven exi stieren. Er fühlte sich verpflichtet, Kontakt mit ihnen aufzunehmen. Zugleich meinte er, dabei so vorsichtig vorgehen zu müssen, daß sie nicht merkten, wie unsicher er war. »Bairka – wie geht es denn so?« fragte er behutsam an. »Ich bestehe darauf, daß Sie mich Baron Bairka, Erleuchter der dreißig unübertroffe nen Bezirke des Glücks, nennen«, antworte te der Angesprochene. Trailer verschlug es zunächst einmal die Sprache. Fast eine Sekunde lang wußte er nicht, was er sagen sollte. Verhielt sich Bairka nicht höchst lächer lich? Trailer glaubte, genau zu wissen, daß Bairka ein Bürgerlicher war, der keinerlei Anspruch auf einen Titel hatte. Er hielt es allerdings für möglich, daß in der Zeit, in der sein Bewußtsein ausgeschaltet gewesen war, irgend etwas geschehen war, was ande re Voraussetzungen geschaffen hatte. Trailer fragte sich, ob ein ihm unbekann
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tes Ereignis Bairka zu einem Titel gehobe nen Niveaus verholfen hatte. »Schon gut«, entgegnete Trailer. »Ich wollte Sie nicht beleidigen. Ich war etwas unachtsam. Gestatten Sie, daß ich mich spä ter noch einmal melde.« Trailer war darauf aufmerksam geworden, daß sich jemand in Wolterhaven eingeschal tet hatte, der vorher nicht dagewesen war. Zumindest herrschte in seinem Bezirk Ord nung. Das konnte man von den meisten an deren nicht sagen, die Trailer untersuchte. Da die überwiegende Zahl der Robotbürger sich noch in einem Zustand absoluter Passi vität befand, wurden die betreffenden Machtbereiche vom Chaos bestimmt.
5. Die beiden Roboter schritten tänzelnd aufeinander zu. Sie hatten entfernt humanoi de Formen, wobei der eine von ihnen seiner äußeren Erscheinung nach als »weiblich« anzusehen war. Razamon wußte, daß es auch in Wolterhaven keine Unterscheidung in männliche und weibliche Roboter gab, dennoch war für ihn klar, daß dieser Roboter eine feminine Rolle spielte. Das ging aus seinen Bewegungsabläufen und seinem Ver halten hervor. Die beiden Roboter verneigten sich vor einander. Dann streckten sie die Arme aus und berührten sich behutsam mit den Spit zen der daran befestigten Werkzeuge. Es waren Schraubenschlüssel, Zangen und Spi ralbohrer. Für einen kurzen Moment glaubte Razamon, Funken zwischen den Werkzeu gen erkennen zu können, doch dann merkte, er, daß er sich getäuscht hatte. Ein Licht strahl hatte die Roboterhände zufällig ge troffen und diesen Eindruck entstehen las sen. Der Atlanter blickte Kennon an, der in entspannter Haltung auf dem Boden lag, so als sei alles Leben aus ihm gewichen. Er er riet, was die Begegnung der beiden Roboter mit Kennon zu tun hatte. Sie war ein Aus druck seiner unterbewußten Wünsche.
Kennon-Grizzard sehnte sich nach Liebe. Razamon wußte, daß er so etwas niemals zugegeben hätte, und daß er diese Wünsche in seinem tiefsten Inneren verbarg. Dennoch war die Sehnsucht so ausgeprägt, daß sie sich in dem Verhalten von zwei Robotern spiegelte. Razamon kniete sich neben Kennon nie der und schlug ihm die flache Hand vorsich tig auf die Wange. Kennon reagierte nicht. Jetzt schlug der Atlanter kräftiger zu. Er wollte Kennon-Grizzard aus seiner Starre befreien, doch erreichte er überhaupt nichts. Razamon begriff, daß es darauf ankam, Kennon gegen die auf ihn eindringenden Funkimpulse der Roboter abzuschirmen. Wenn es gelang, ihn zu isolieren, dann muß te er sich erholen und wieder zu sich kom men. Der Atlanter sah sich um. Die Roboter hatten bereits die meisten Trümmerstücke weggeräumt, dennoch lagen noch genügend davon herum. Razamon mischte sich unter die Roboter und nahm einige besonders große Blechteile an sich. Damit kehrte er zu Kennon zurück und stellte sie um diesen herum auf. Er wollte eine Art Faradayschen Käfig bauen, weil er hoffte, Kennon auf die se Weise schützen zu können. Er eilte erneut davon, um weitere Trüm merstücke zu holen und kehrte mit mehreren großen Teilen wieder zurück. Bestürzt blieb er stehen. Inzwischen hatten die Roboter al les weggeräumt, was er um Kennon herum aufgeschichtet hatte, so daß seine Bemühun gen umsonst geblieben waren. Fluchend ließ er die Bleche auf den Bo den fallen. Er ging zu Kennon und hob ihn hoch. Er trug ihn dorthin, wo die meisten Trümmer lagen. Hier suchte er sich mehrere Teile zusammen und legte sie einfach über den Terraner, bis dieser völlig darunter ver schwand. Er erwartete, daß sich KennonGrizzard sofort regen würde, doch zunächst geschah überhaupt nichts. Nach etwa zwei Minuten fiel Razamon auf, daß die Roboter sich aus seiner Nähe zurückzogen. Dabei war deutlich zu erken
Die Robotfürsten nen, daß sie sich nicht mehr so zielstrebig bewegten wie zuvor. Fünf Minuten später begann Kennon sich zu regen. Er stieß die Bleche zur Seite und blickte Razamon fragend an. Seine Lippen zuckten, aber er brachte keinen Laut hervor. »Du warst abgetreten«, erklärte der Atlan ter. »Und du hast dir eingebildet, die Aufga ben der stationären Robotbürger überneh men zu können. Du wolltest sämtliche Ro boter in der näheren Umgebung mit deinem Willen lenken.« Kennon legte die Hände an den Kopf und stöhnte. »Ich habe das Gefühl, daß ein Dutzend Handwerker in meinem Schädel tätig sind«, sagte er. Dabei richtete er sich vorsichtig auf. Er war bleich, und seine Wangen waren eingefallen. Razamon befürchtete, daß er er neut zusammenbrechen würde, und er riet ihm, noch etwas liegenzubleiben, bis sich sein Kreislauf stabilisiert hatte. Kennon stieß die letzten Bleche weg, die ihn abschirmten. »Wozu die Bleche?« fragte er. »Was soll das?« Razamon erläuterte ihm ausführlich, was geschehen war, merkte Kennon jedoch an, daß dieser ihm nicht glaubte. »Dazu ist das menschliche Gehirn gar nicht fähig«, behauptete der ehemalige USO-Spezialist. »Es kann nur eine Informa tion zur Zeit aufnehmen und nur eine abge ben. Versucht es, mehrere Informationen gleichzeitig aufzunehmen, schaltet es sich selbst aus. Das solltest du eigentlich wis sen.« Razamon zuckte nur mit den Schultern. Er kannte die Fähigkeiten des menschlichen Gehirns genau. Bei Kennon aber war offen sichtlich durch die Berührung mit dem schwarzen Energiefeld eine Veränderung eingetreten, die ihn zumindest vorüberge hend zu ganz besonderen Leistungen befä higte. Ein tonnenförmiger Roboter schwebte heran. »Liebe Freunde«, rief er schon von wei
25 tem. »Ihr seid mir willkommen, habt ihr doch viel für die Erhaltung der Ordnung und des Friedens getan. Gruß von Fürst Trailer der tausend Glückseligkeiten und der unend lichen Güte. Er bittet euch, seine Gäste zu sein. Er möchte euch sein Fürstentum zei gen, das Odin selbst ihm verliehen hat. Er hebt euch, Freunde, und benutzt die Sänfte, die Fürst Trailer euch schickt.« Er fuhr einen tentakelartigen Arm aus und wies auf eine verrostete Antigravplattform, die ihm folgte. Kissen lagen darauf, die Kennon-Grizzard und Razamon als Sitzgele genheit dienen sollten. »Warum sollten wir das nicht anneh men?« fragte Kennon. »Eine bessere Gele genheit, uns umzusehen, werden wir kaum bekommen.« Razamon hatte keine Einwände. Daher stiegen sie auf die Plattform, als sie neben ihnen gelandet war. Die Scheibe stieg sofort wieder auf, flog jedoch nur mit mäßiger Ge schwindigkeit, so daß der Roboter ihr folgen konnte. Razamon und Kennon sahen sich um. »Überall ist Ordnung eingekehrt«, stellte der Atlanter fest. »Das bedeutet also, daß die Robotbürger alle erwacht sind.« »Robotbürger?« fragte Kennon. »Unser Freund da unten hat etwas von einem Für sten gesagt. Hast du das vergessen?« Razamon runzelte die Stirn. »Keineswegs«, erwiderte er. »Ich gebe zu, daß mich das stört. Ich bin nicht gerade ein Experte für Wolterhaven, aber ich war schon einmal hier und habe dabei erlebt, wie die Robotbürger sind. Sie sind etwas verdreht, aber ich kann mir nicht vorstellen, daß einer von ihnen auf den Gedanken kommt, sich mit einem solchen Titel zu versehen. Es sei denn, er ist verrückt geworden.« »Das wird es sein«, sagte der Terraner. Er zeigte nach Südosten. »Sieh dir das da drü ben an.« Razamon folgte seinem Hinweis. Er sah, daß sich in dem bezeichneten Bezirk zahlrei che Roboter bewegten, die sich mit Federn und bunten Kleidungsstücken geschmückt
26 hatten. Sie hüpften vielfach nur auf der Stel le herum, so als ob sie tanzten. Der Atlanter blickte voller Unruhe zu dem Roboter hinunter, der sie begleitete. Die Ma schine wurde von zwei anderen aufgehalten, mit denen sie nun zu diskutieren schien. Für Razamon sah es so aus, als ob die drei Ro boter sich schweigend gegenüberstünden. Er wußte jedoch, daß Sie funktechnisch mitein ander kommunizierten. »Was ist los?« brüllte er nach unten. »Warum geht es nicht weiter? Hat der Fürst der unbegrenzten Herrlichkeit hier nichts zu sagen?« Der Begleitroboter kippte leicht nach hin ten, so daß sich seine Linsen nach oben rich teten und er Razamon sehen konnte. »Du sprichst von Fürst Trailer der tausend Glückseligkeiten und der unendlichen Gü te?« fragte der Roboter. »Ja, von dem«, bestätigte Razamon. »Wollte er uns nicht sein Reich zeigen?« »Die Grafen und Barone, deren Einfluß gebiete wir überqueren müssen, erheben Einspruch«, erklärte der Roboter. »Das muß verhandelt werden.« Kennon-Grizzard legte sich stöhnend die Hände vor das Gesicht. »Da haben wir es«, sagte er. »Die Robot bürger sind komplett verrückt geworden.« Er blickte zu einer silbern schimmernden Kuppel hinüber, aus der eine Metallspirale etwa einhundert Meter hoch aufstieg. Meh rere Roboter waren damit beschäftigt, eine Mauer, die aus einem grünen Material be stand, um die Kuppel zu errichten. Teil stücke der Mauer standen bereits. Sie war et wa zwanzig Meter hoch und wurde so tief in ihrem Unterbau verankert, daß die Roboter die Plattform aufreißen mußten, auf der sie errichtet wurde. Obwohl Kennon noch etwa zweihundert Meter von dieser Baustelle entfernt war, konnte er sehen, daß die Roboter Einrichtun gen zerstörten, die sich unter dem Boden be fanden. Aus einem zerbrochenen Rohr schoß ein breiter Wasserstrahl hervor. Dieser über spülte ein beschädigtes Kabel und erzeugte
H. G. Francis dabei offensichtlich immer wieder Kurz schlüsse, die von einer Automatik sinnlos wieder ausgeglichen wurden. Doch das waren nicht die einzigen Schä den die die Roboter anrichteten. Kennon sah, daß sie Rohre, Kabel und Verstrebun gen herausrissen, ohne sich dabei um die Folgen zu kümmern. Er senkte den Kopf und schloß die Augen, um sich besser konzentrieren zu können. Dann horchte er. Er hoffte, die Impulse der Roboter und der Robotbürger abermals emp fangen zu können, aber jetzt blieb alles ru hig. Er bekam keinen Kontakt mehr. Razamon legte ihm die Hand auf den Arm. »Es war wohl ein Fehler, daß wir uns auf dieses Ding hier gesetzt haben«, bemerkte er leise. »Was schlägst du vor? Wie verschwin den wir?« Kennon berichtete ihm, daß es ihm nicht gelungen war, die Roboter zu beeinflussen. Er fügte hinzu: »Auch die Plattform ge horcht mir nicht. Es ist vorbei. Wir müssen es auf andere Weise versuchen.« Er blickte an Razamon vorbei zu einem würfelförmigen Haus hin, auf dessen Dach golden schimmernde Roboter erschienen. In exakter Marschordnung schritten sie die Kanten des Daches ab. Dabei bewegten sie sich in einer so sorgfältig aufeinander abge stimmten Weise, daß der optische Eindruck entstand, die ganze Kolonne sei ein in sich geschlossener Körper. Zwischen einigen Häusern blitzte es auf. Ein Energiestrahl fuhr fauchend unter der schwebenden Plattform hindurch. Er traf den Roboter, der sie führen sollte, am Kopf und zerstörte ihn. Kennon hörte die Explosion. Herumfahrend sah er die Trümmerstücke des Roboters davonfliegen. Er warf sich auf Razamon und riß ihn zur Seite, weil er fürchtete, daß der nächste Schuß sie treffen würde. Doch seine Vorsichtsmaßnahme war überflüssig. Durch Energiestrahlen waren sie nicht gefährdet. Doch völlig überra schend für sie stürzte die Plattform ab, die sich zu diesem Zeitpunkt etwa drei Meter
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über dem Boden befand. Sie schlug hart auf und zerbrach. Die beiden Männer rollten von ihr herunter und versuchten instinktiv, hinter einem Metallkasten in Deckung zu gehen. Die beiden Roboter, die die Plattform auf gehalten hatten, warfen sich auf sie, stießen ihnen die metallenen Knie in den Rücken und drückten sie zu Boden. Wiederum blitzte es auf. Zwei Energie strahlen strichen über Razamon und Kennon hinweg und zerstörten die Roboter. »Weg hier«, rief der Atlanter. Er zeigte auf ein Geländer und eine Stahlleiter, die von dort aus in die Tiefe führte. »Am besten versuchen wir es dort.« Kennon schüttelte den Kopf. Er hielt Raz amon fest. »Lieber nicht«, erwiderte er, »sonst kommt der Schütze noch auf den Gedanken, auch auf uns zu schießen.«
* Herr Maicol war ein Robotbürger, der nicht von den Folgeerscheinungen der Läh mung erfaßt wurde. Auch er war nach dem VONTHARA-Alarm in tiefe Bewußtlosig keit gesunken, doch er wachte geistig ge sund daraus auf. Zunächst hatte er viel damit zu tun, Ord nung in seinem Einflußbereich zu schaffen, so daß er sich nicht um das kümmern konn te, was im Bereich der anderen Robotbürger geschah. Dabei konnte er nicht übersehen, daß sich bei den anderen Robotbürgern Ent wicklungen abzeichneten, wie er sie nie zu vor beobachtet hatte. Herr Maicol hatte eini ge Mühe, überhaupt zu begreifen, was sich tat. Robotbürger Maicol nahm die Gespräche mit den benachbarten Robotbürgern auf und versuchte zu ermitteln, was geschehen war. Er erhielt eine Abfuhr. Man gab ihm entweder gar keine Ant wort, oder man gab ihm zu verstehen, daß man ihn als nicht standesgemäß ansah. Die anderen behandelten ihn als Bürger,
während sie sich selbst als geadelt bezeich neten. Herr Maicol benötigte mehr als eine Stun de, während der er überaus geschickt taktie rend die anderen Robotbürger gegeneinan der ausspielte, bis er herausgefunden hatte, was die anderen mit diesem Unterschied überhaupt meinten. Danach begriff er immer noch nicht, weshalb ein Adeliger ein höher gestelltes Wesen sein sollte. Keiner der an deren Robotbürger hatte mehr geleistet oder sich sonst durch irgend etwas mehr ausge zeichnet als er. Bei einigen war sogar das Gegenteil der Fall, aber sie hatten robotische Außenstationen mit geringfügig besserer Ausstattung als er – und das genügte für sie, sich besonders hochnäsig zu verhalten. Robotbürger Maicol erkannte die Gefah ren für Wolterhaven. Er benötigte nur ein paar Bruchteile von Sekunden, bis er errech net hatte, wie lange die Stadt noch existieren konnte, wenn sich die Situation nicht änder te. Das Ergebnis war eindeutig. Innerhalb weniger Tage mußte das Verhalten der ande ren Robotbürger zur totalen Vernichtung von Wolterhaven führen. Maicol schickte einige seiner Roboter in die benachbarten Bezirke aus. Er versuchte, mit ihrer Hilfe einige positronische Einrich tungen der anderen Robotbürger zu untersu chen, erlebte jedoch eine herbe Überra schung. Graf Thentra, mit dem er sich zunächst befaßte, ließ die Roboteinheiten noch aus seinem Bereich tragen. Baron Errythy war da schon etwas rabiater. Er ließ die Spione durch ein mit Schlagwaffen ausgerüstetes Kommando vertreiben. Herzog Eskarth da gegen zeigte von Anfang an, wozu er fähig war. Er ließ ohne Vorwarnung schießen und vernichtete mehr als die Hälfte der Roboter Maicols, der danach so gut wie machtlos war. Danach wußte Robotbürger Maicol, daß er allein es nicht mehr schaffen konnte, Wolterhaven zu retten. Die Stadt war dem Untergang geweiht, wenn er nicht doch noch einen Ausweg fand.
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Robotbürger Maicol ermittelte, daß es nur noch eine Möglichkeit gab, Wolterhaven zu retten. Die beiden Männer, die in die Stadt eingedrungen waren, mußten eingeschaltet werden. Er schickte einen seiner letzten Roboter aus und erteilte ihm den Auftrag, Kontakt mit den beiden Fremden aufzunehmen.
* Ein massiger Roboter näherte sich Ken non und Razamon, die abwartend unter den Trümmern der beiden Maschinen lagen, die von ihm zerstört worden waren. Der Roboter besaß zwar zwei Beine, bewegte sich aber auf Raupen vorwärts, die er unter den Füßen hatte. Unmittelbar neben Kennon-Grizzard blieb er stehen. »Ihr könnt aufstehen«, verkündete er. »Zur Zeit besteht keine Gefahr, und wenn wir uns beeilen, wird uns auch niemand be drohen.« Razamon erhob sich und übersetzte diese Worte gleichzeitig für Kennon. »Vom wem kommst du?« fragte er die Maschine. »Von Robotbürger Maicol, der als einzi ger noch normal ist in Wolterhaven«, erwi derte der Automat. »Beeilt euch. Soeben er halte ich die Nachricht, daß Robotbürger Trailer uns angreifen will. Hier entlang.« Mit weit ausgreifenden Schritten rannte er über das Dach, wobei die Raupenketten un ter seinen Füßen ihn weiter beschleunigten. Razamon und Kennon hatten Mühe, ihm zu folgen. Da sie fürchteten, ihn zu verlieren, liefen sie so schnell sie konnten, hinter ihm her. »Ich glaube ihm«, sagte Razamon zu Kennon. Sie erreichten einen Turm, der mit einem anderen durch Spiralen, Kabel, Rohre und Brücken verbunden war, ohne daß sie hätten erkennen können, welchen Sinn die ver schiedenen Einrichtungen hatten. Der Robo ter öffnete eine Tür und führte seine Beglei ter schräg in die Tiefe durch einen mäßig be-
leuchteten Gang bis in eine Halle. Diese war halbkugelförmig und hatte einen Durchmes ser von etwa fünfzig Metern. In ihrer Mitte ruhten in einen Metallgerüst zwei silbern schimmernde Kugeln, die mit allerlei An hängseln und Auswüchsen versehen waren. »Das ist der Robotbürger Maicol«, erläu terte Razamon, während sie sich den Kugeln näherten. »Er steht ganz unten in der Rang ordnung der Robotbürger. Soweit ich weiß, besteht der dominierende Großbürger aus 27 Kugeln.« »Du meinst Bürger Trailer, der sich jetzt Fürst nennt?« »Es ist anzunehmen, daß er der Großbür ger ist.« Sie blieben vor den beiden Kugeln stehen. Die Kugeln hatten einen Durchmes ser von einem Meter. Sie waren die statio nären Roboter, die sich als Robotbürger ver standen, während alle anderen Roboter nur ihre Diener waren. »Ich bin Bürger Maicol«, erklärte der Ro botbürger. »Ich weiß, daß ihr die Notlage der Stadt erkannt habt. Ihr wißt also, daß wir dringend Hilfe benötigen. Die Folgen des VONTHARA-Alarms sind verheerend.« »Was können wir tun?« fragte Razamon. »Ihr müßt zu dem Großbürger Trailer vor dringen und ihn mit neuen Schaltplänen ver sehen. Nur so kann er von der Wahnvorstel lung gerettet werden, daß er der Fürst von Wolterhaven ist.« »Wenn wir Trailer kuriert haben, sind die anderen noch lange nicht in Ordnung«, ent gegnete Razamon. »Glaubst du, daß wir in der Lage sind, der Reihe nach alle Robotbür ger von Wolterhaven von ihrer Großmanns sucht zu befreien?« »Wenn Trailer umprogrammiert worden ist, wird er sich um die anderen kümmern«, behauptete Maicol. »Das ist dann nicht mehr eure Aufgabe.« »Bevor wir uns noch länger darüber un terhalten, sollst du wissen, daß wir eine For derung haben«, sagte Razamon. »Wir wer den uns nur dann mit Trailer befassen, wenn mein Freund Kennon eine Hypno-Schulung in pthorischer Sprache erhält.«
Die Robotfürsten »Einverstanden«, entgegnete der Roboter. »Damit können wir sofort beginnen.« Einige Meter von ihm entfernt öffnete sich eine Luke im Boden. Ein Sessel, der mit verschiedenen Instrumenten versehen war, hob sich daraus hervor. Kennon ging zu dem Sessel und setzte sich hinein, als einer der Roboter ihm ein Zeichen gab. Die Instru mente legten sich ihm an den Kopf. Er lehn te sich zurück und schloß die Augen, und ein leises Surren erfüllte den Raum. Razamon wußte, daß es keinen Sinn hatte, jetzt noch Fragen zu stellen. Robotbürger Maicol hatte sich entschlossen, Kennon für die bevorstehende Aufgabe mit sprachlichen Kenntnissen auszurüsten. Er würde nicht antworten, bevor der Schulungsvorgang ab geschlossen war. Razamon ging zu Kennon hin und wartete unmittelbar neben ihm. Etwa zehn Minuten verstrichen, dann verklang das Surren. Die Instrumente lösten sich von Kennons Kopf. »Nun, wie geht's?« fragte Razamon in pthorischer Sprache. »Ausgezeichnet«, entgegnete Kennon. »Warum fragst du? Ist etwas nicht in Ord nung?« »Wie ich höre, ist alles in Ordnung.« Raz amon lächelte und wandte sich wieder Ro botbürger Maicol zu. »Damit sind gewisse Schwierigkeiten behoben. Wir können an fangen.« »So schnell geht das nicht«, widersprach Kennon. »Fürst Trailer weiß sich zu schüt zen. Und er ist stolz auf sein Fürstentum. So etwas läßt er sich nicht so leicht abnehmen. Wir müssen damit rechnen, daß er uns ab knallt, wenn er begreift, was wir vorhaben.« »Das ist allerdings richtig«, gab Robot bürger Maicol zu. »Die Gefahr ist nicht zu leugnen.« »Ich finde, dafür ist eine Hypnoschulung als Gegenleistung ein bißchen zu wenig.« »Das gebe ich zu.« Maicol schien nicht im geringsten darüber verstimmt zu sein, daß Kennon nun noch weitere Forderungen stellte. Sein Verhalten zeigte den beiden Männern an, daß sie sich auf ein Abenteuer
29 einlassen wollten, das ungemein schwierig und gefährlich war. Sie wußten aber auch, daß sie gar keine andere Wahl hatten, als das zu tun, was Maicol wollte. Sie konnten zwar mit einer gewissen Hilfe von seiner Seite rechnen, er würde ihnen jedoch nicht aus Wolterhaven heraushelfen, wenn sie nicht mit ihm zusammenarbeiteten. Ohne die tat kräftige Hilfe eines Robotbürgers aber konn ten sie nicht hoffen, die Stadt verlassen zu können. Sie saßen in der Falle. Jetzt konnten sie nur noch versuchen, so viele Vorteile wie möglich für sich herauszuschlagen. »Was verlangst du?« fragte der Robotbür ger. »Ich bin nach Wolterhaven gekommen, weil ich einen Roboter suche, der mich be gleitet«, erklärte Kennon-Grizzard und schilderte Gentleman-Kelly, um Maicol dar über zu informieren, welche Vorstellungen er hatte. »Ich werde dir deinen Wunsch erfüllen, sobald Trailer wieder normal ist«, antworte te Maicol. »Du kannst dich auf mich verlas sen. Du wirst einen Gentleman-Kelly haben, mit dem du zufrieden sein kannst.« »Dann können wir starten«, sagte Ken non-Grizzard. »Gib mir die Informationen, die wir benötigen, und Großfürst Trailer wird seinen Sturz zurück ins bürgerliche Le ben erfahren.«
* Die Einheit führte die Sonde abermals in den Tank ein, nachdem sie sich an einen Kontrollcomputer angeschlossen hatte und von ihm alle Ergebnisse der Analysen anfor dern konnte. Das erste Ergebnis kam bereits nach knapp einer Sekunde. Es war negativ. Das biologische Material im Tank lebte zwar, wies aber nicht die Entwicklung auf, die an gestrebt wurde. Damit war das Material wertlos. Die Einheit entschied sich dafür, es abzu lassen und neues Grundmaterial einzuset
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zen. Er öffnete den Abfluß und gab Verdün nungsmaterial in den Tank. Die Biomasse floß ab. Sie wurde Bestandteil des Morasts unter der Stadt.
6. »Natürlich könnten sich hier und da auch Schwierigkeiten ergeben«, wiederholte Sin clair Marout Kennon mit sarkastischem Un terton, »aber sie sind zu bewältigen.« Die beiden Männer standen am Rand des Bezirks, den Robotbürger Maicol beherrsch te. Kennons Hand klammerte sich um ein kleines Funksprechgerät, mit dem er jeder zeit Verbindung mit Maicol aufnehmen konnte. Razamon trug einige Schaltplatten unter seiner Kleidung. Damit sollten die durchge drehten Robotbürger zur Vernunft gebracht werden. Maicol hatte den beiden Männern nicht gesagt, wie sie es schaffen konnten, an die betreffenden Robotbürger – und vor al lem an Trailer – heranzukommen und sie zu manipulieren. Er hatte ihnen gezeigt, an wel cher Stelle bei ihm die Schaltplatten saßen, wie sie entfernt und durch andere ersetzt werden konnten. Er hatte behauptet, daß das selbstverständlich auch so bei den anderen Robotbürgern sei, ganz sicher war er sich seiner Sache jedoch nicht gewesen. »Je schneller wir es hinter uns bringen, desto besser«, sagte Kennon und ging wei ter. Er betrat einen Bezirk, der dem Robot bürger Breita unterstand. Schon nach weni gen Schritten kam ein kugelförmiger Robo ter hinter einer Säule hervor. Die Maschine war mit durchsichtigen Stoffen behängt. Ab wehrend hob sie zwei Stahlarme. »Hier geht es nicht weiter«, rief sie. »Dies ist das Reich Seiner Gütigen Heiligkeit, Graf Breita, Herrscher von Gnaden der Schwar zen Mächte.« »Wir erschauern vor Ehrfurcht«, erwider te Kennon-Grizzard, ohne eine Miene zu verziehen. »Wir wissen, daß wir in der Nähe des größten und bewunderungswürdigsten
Geistes sind, der jemals auf Pthor gewach sen ist. Wir haben nur einen Wunsch. Wir möchten Seine Erhabenheit Graf Breita ein mal in unserem Leben sehen.« »Es wäre die Erfüllung unseres Lebens«, fügte Razamon hinzu und verneigte sich. »Ihr habt es allein in der Hand, gottglei cher Diener, uns glücklich zu machen«, sag te Kennon. »Weist uns nicht ab, sondern helft uns, den Grafen zu sehen – oder sorgt wenigstens dafür, daß wir den geheiligten Boden betreten und das Reich durchqueren dürfen.« Der Roboter streckte einen seiner Arme nach Westen aus. »Dort ist der Hof des Barons Baetal. Er – der Baron – ist ein recht streitbarer Herr, der nicht so ohne weiteres zuläßt, daß jemand seinen Boden betritt. In den Reihen der Rit ter heißt es von ihm, daß er sich nicht scheut, einen jeden einzuschmelzen, der ihn beleidigt.« »Wir haben nicht vor, ihn zu beleidigen. Auch ihn möchten wir sehen, denn auch für ihn hegen wir eine gewisse Bewunderung, wenngleich nicht in dem Maß wie für den Grafen Breita.« »Was ja eigentlich selbstverständlich ist«, fügte Razamon eilfertig hinzu. »Das ist es in der Tat«, rief der Roboter. Krachend schlug er seine Metallhände zu sammen. »Wartet, wartet! Ich muß mit mei nem Herrn reden und ihm eure Wünsche vortragen. Ich bin sicher, daß er euch zu sich lassen wird, denn – mit Verlaub – er ist ein wenig eitel und liebt Komplimente. Wenn ihr also klug seid …« »Wir werden klug sein«, versprach Ken non, der sich darüber klar war, daß dieses Verlangen nach Komplimenten und Bewun derung tatsächlich nicht von dem kugelför migen Roboter, sondern von dem Grafen Breita durch seine Sprechorgane vorgetra gen wurde. »Das ist gut«, verkündete die Robotkugel. »Unter diesen Umständen glaube ich, etwas für euch tun zu können. Kommt. Folgt mir, aber seid demütig. Senkt die Köpfe, so wie
Die Robotfürsten es sich für niederes Leben gehört, wenn ein Geist wie Seine Erhabenheit in der Nähe ist.« Sinclair Marout Kennon blickte sehnsüch tig zu den bizarren Turmbauten hinüber, in denen sich Fürst Trailer verbarg. Der Weg bis dorthin war noch weit und durchaus nicht so einfach, wie Maicol behauptet hatte. Sie konnten nicht direkt zu Trailer gehen, sondern mußten wenigstens zwei andere Herrschaftsbereiche durchqueren. Kennon fühlte sich jetzt wesentlich siche rer als zuvor. Er war in seinem Element. Nichts liebte er mehr als solche Einsätze, bei denen es nicht auf Gewalt, sondern auf Ge schick und Bluff ankam. Es überraschte ihn, wie sich die Roboter von Wolterhaven verhielten. Die nüchterne, logische Überlegung fehlte völlig. Die Ro botbürger hatten überaus menschliche Züge. Gerade das aber machte sie gefährlich und unberechenbar. Ein falsches Wort konnte bereits verhängnisvolle Folgen haben. Der Roboter forderte Kennon und Raza mon auf, zu ihm unter eine Art Baldachin zu kommen. Als sie neben ihm standen, gab der Boden unter ihnen nach, und sie kamen sanft in die Tiefe. Sie kamen in einen quadrati schen Raum, der von ungeschickter Hand mit allen nur denkbaren Farben ausgemalt war. Der Raum sah aus, als hätten Kinder die Wände mit Farbtöpfen beworfen. Graf Breita aber schien sich in dieser Um gebung wohl zu fühlen. Die Robotkugeln ruhten auf einem Podest, das mit Samttü chern überzogen war. Die Diener hatten die Kugeln poliert und beleuchteten sie nun mit starken Handscheinwerfern. »Wundervoll«, rief Kennon-Grizzard mit versagender Stimme. Er sank auf die Knie. »Welch Schöngeist wohnt in dieser Halle! Welch ein Künstler hat dieses Werk ge schaffen?« »Du sprichst von mir?« fragte Breita mit tiefer Stimme. Der Robotbürger war sicht lich geschmeichelt. Kennon fuhr herum und wandte sich von den Bildern ab. Er tat, als habe er den Ro
31 botbürger erst jetzt entdeckt. »Du bist der Künstler?« entfuhr es ihm, und er rutschte auf Knien auf den Robotbür ger zu. »Erlaube mich, dich zu verehren.« »Schätzt du meine Kunst tatsächlich so hoch ein?« erkundigte sich Breita und gab damit zu erkennen, daß er durchaus nicht so selbstsicher war, wie er tat. »Bei meinem Volk gelte ich als Kunst kenner«, log Kennon. »Niemand versteht von der Schönheit soviel wie ich. Niemand würde es wagen, sein Urteil über ein Kunst werk abzugeben, wenn er mich nicht vorher konsultiert hätte. Glaube mir, Erhabener, dir ist ein Kunstwerk gelungen, das dir Bewun derer im ganzen Universum eintragen wird.« »Nicht so dick«, wisperte Razamon ihm zu. »Übertreibe nicht so maßlos. Der dümm ste Roboter muß ja merken, daß das alles nur kalter Kaffee ist.« »Erlaubst du, daß ich mich erhebe?« frag te Kennon-Grizzard den Robotbürger. Er tat, als habe er die Worte Razamons nicht ge hört. »Steh auf«, befahl Breita. »Darf ich näher kommen?« »Komm näher. Du möchtest mich aus der Nähe bewundern. Ist das richtig?« »Du hast meine geheimsten Gedanken er raten«, erwiderte Kennon demütig. Unmit telbar vor den beiden silbern schimmernden Kugeln, die den Robotbürger beinhalteten, blieb er stehen. Razamon war ihm wie selbstverständlich gefolgt. Er mußte in den nächsten Minuten um die Kugeln herumgehen und an die Rückseite gelangen. Dort befand sich der Einschub für die Schalttafeln, die er auswechseln mußte. Die Robotdiener traten jedoch ebenfalls nä her an die Kugeln heran und schirmten sie ab. Kennon überraschte nun nicht nur den Robotbürger Breita, sondern auch Razamon mit einem ausgewogenen Vortrag über ga laktische Kunst. Dabei lag das Schwerge wicht allerdings bei der altarkonidischen darstellenden Kunst. Kennon verstand es je doch geschickt, die Worte so zu setzen, daß
32 Breita sich dessen nicht bewußt wurde. Der Robotbürger bezog mehr und mehr auf sich, was Kennon vorbrachte. Es gelang dem Ter raner, den Robotbürger in einen Zustand der Schwärmerei zu versetzen, in dem Breita nur noch an sich und sein Talent dachte. Er wurde nicht mißtrauisch, als Kennon sich seinen Robotdienern zuwandte. »Verzeih mir, Edler«, rief der Terraner. »Es stört mein empfindsames Auge ein we nig, wie deine Diener sich erlaubt haben, sich um dich zu gruppieren. Ich meine, was die Harmonie der Darstellung betrifft, so sollte man bei jeder Bewegung wie im Zu stand der Ruhe stets darauf achten, daß man sich dem Schönheitsideal nähert. Gibt es et was Schöneres, als sich auch bei scheinbar Nebensächlichem den Gesetzen der Ästhetik zu beugen?« »Gewiß«, rief Breita. »Selbstverständlich. Verzeih mir, bitte, falls ich durch eine Un achtsamkeit dein Auge beleidigt haben soll te. Es liegt nicht an mir, sondern einzig und allein an den törichten Dienern, mit denen ich mich umgeben muß.« Er seufzte, als werde er von Schmerz überwältigt. Sinclair Marout Kennon-Grizzard begann nun damit, die Positionen der Robotdiener zu den beiden Kugeln zu verändern. Er ent fernte sie von dem Robotbürger, drehte eini ge von ihnen herum, ließ sich andere auf den Boden legen und befahl wiederum anderen so etwas wie einen Handstand zu machen. Razamon beorderte er hinter die beiden Kugeln. »Das ist wie auf der Erde auch«, erläuter te er in Interkosmo. »Wenn du den Leuten erst einmal eingeredet hast, daß das Kunst ist, was du da treibst, dann kannst du prak tisch alles machen, was du willst. Deine Zu schauer werden in Verzückung versinken und alles schön finden, was du da aufstellst. Sie dichten sogar noch viel mehr hinein, als überhaupt drin ist, und es kann dir passieren, daß du manches schließlich selbst ganz lu stig findest, was du ursprünglich aus reinem Blödsinn aufgebaut hast.«
H. G. Francis »Was redest du da?« rief Breita. »Ich ver stehe dich nicht. Was sind das für Worte? Welche Bedeutung haben sie?« »Störe mich nicht«, brüllte Kennon-Griz zard mit schriller, panikerfüllter Stimme. »Das Klangbild begleitet meine künstleri sche Arbeit. Vernichte nicht, was ich müh sam versuche aufzubauen.« »Verzeih mir«, erwiderte der Robotbürger leise und ängstlich. »Fahre fort. Sei mir nicht böse.« Razamon wartete auf ein Zeichen des Ter raners. Dann trat er zwei Schritte zur Seite und ließ sich auf die Knie sinken. Er schob eine Hand unter seine Bluse. Zwischen sei nen Fingern fühlte er die Platte mit dem vor bereiteten Programm für Breita. Der nächste Roboter war etwa drei Meter weit von ihm entfernt – abgesehen von dem Robotbürger. »Jetzt«, befahl Kennon. Razamon warf sich nach vorn. Er riß die Platte heraus, die in dem Schlitz der rechten Robotkugel steckte. Von allen Seiten griffen ihn die Robotdiener an, doch er schob die vorbereitete Schaltplatte bereits in den Spalt. Als die Robotdiener ihn packten und zur Seite schleuderten, wurde das neue Pro gramm wirksam. Plötzlich fuhren die Robot diener von Razamon zurück. Sie umkreisten die beiden Kugeln und entfernten einige kleine Geräte aus ihrer Nähe. Dann stellten sie sich schützend um den Robotbürger her um auf. Razamon und Kennon blickten sich an. Die nächsten Sekunden waren entscheidend. Jetzt mußte sich zeigen, ob Robotbürger Maicol tatsächlich der einzige Roboter in Wolterhaven war, der bei klarem Verstand geblieben war. In Kennon kam plötzlich der Verdacht auf, daß Maicol ebenso verrücktspielte wie die anderen Robotbürger, ohne daß sie es gemerkt hatten. War wirklich ausgeschlos sen, daß er sie getäuscht hatte, und daß sie nun für ihn einen anderen Robotbürger in seinem Sinn manipulierten und damit die ei gentliche Katastrophe für Wolterhaven erst
Die Robotfürsten
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einleiteten? »Ich danke euch«, erklärte Robotbürger Breita. »Ihr habt Wolterhaven einen wert vollen Dienst geleistet. Ich habe bereits Ver bindung mit Maicol aufgenommen. Er ist der einzige in dieser Stadt, mit dem man re den kann. Die anderen haben alle den Ver stand verloren. Meine Diener werden diesen Raum säubern und dafür sorgen, daß hier Ordnung einkehrt. Ich werde euch helfen, bis zu Trailer vorzudringen, denn bei ihm liegt wohl das größte Übel.« Kennon atmete auf. Robotbürger Maicol hatte sie nicht ge täuscht. Alles war in bester Ordnung.
* Der Herrschaftsbereich von Trailer, Fürst der tausend Glückseligkeiten und der unend lichen Güte, lag mit ihrem untersten Niveau fünfzig Meter über der Plattform, auf der Breita nun versuchte, Ordnung zu schaffen. Kennon-Grizzard und Razamon arbeiteten sich vorsichtig am Grenzbezirk des benach barten Robotbürgers entlang, wobei sie sich bemühten, von diesem nicht gesehen zu werden. Immer wieder versteckten sie sich hinter Maschinen, Aufbauten und zusam mengetragenen Gütern. Die beiden Männer waren sich darin ei nig, eine Begegnung mit anderen Robotbür gern zu vermeiden, weil sie dadurch die ent scheidende Auseinandersetzung mit Trailer nur hinauszögern würden. Als Kennon und Razamon über eine Lei ter nach oben stiegen, mußten sie zwangs läufig jede Deckung aufgeben. Als sie das Ende der Leiter erreicht hat ten, fuhr rasselnd ein kastenförmiger Robo ter auf sie zu. Aus ihm ragte ein Turm her vor, an dem auf Drehkränzen drei Energie strahlwaffen befestigt waren. Drohend rich teten sich die Waffen auf die beiden Män ner. Sinclair Marout Kennon-Grizzard strich sich seine Hosen glatt. Dann legte er eine Hand an die Stirn und nahm Haltung an.
»Ich danke Ihnen für die Aufmerksam keit, Fürst Trailer«, sagte er feierlich. »Ich wußte, daß Sie die Worte der anderen Lügen strafen würden. Fürst Trailer hat schon im mer gewußt, seine Gäste ehrenhaft zu emp fangen.« Die flimmernden Abstrahlfelder der Ener giestrahler erloschen. »Das ist ein wahres Wort«, erklärte der Roboter mit quäkender Stimme. »Was wollt ihr?« »Wir sind einem Komplott auf die Spur gekommen«, erwiderte Kennon. »Wir haben erfahren, daß es Kräfte gibt, die mit der un eingeschränkten Herrschaft von Fürst Trailer nicht einverstanden sind. Sie werden versu chen, die Macht des Fürsten zu brechen, ob wohl sie zusammen über weniger Körper verfügen, als er allein.« »Das weißt du?« »Der Fürst ist ihnen überlegen, aber ei nem heimtückischen Angriff kann selbst er unterliegen.« Kennon blickte Razamon flüchtig an. Sie wußten nicht, ob Trailer tatsächlich mit dem sogenannten Großbürger identisch war, der sich aus siebenundzwanzig Kugeln zusam mensetzte und damit die größte Einheit in Wolterhaven überhaupt bildete. Seit Raza mon in dieser Stadt gewesen war, hatte sich außerordentlich viel verändert. Die Roboter hatten praktisch ununterbrochen gearbeitet, Gebäude abgerissen und in neuer Form wie der errichtet, Straßen, Wege und Stege in ih rem Verlauf umgelegt, Anpflanzungen vor genommen oder beseitigt, Teile der Stadt höher gelegt oder abgesenkt. So war für Razamon nicht mehr zu erkennen, ob er vor her nicht schon einmal in diesem Abschnitt der Stadt gewesen war oder nicht. Daher konnten sie auch nur vermuten, wer sich hinter dem Namen Fürst Trailer verbarg. »Nenne mir die Rebellen, denen das mon archistische Staatsgebilde unter der Führung des weisen Fürsten Trailer nicht gefällt«, be fahl der Roboter. »Wir werden unsere Kano nen augenblicklich auf sie abfeuern und sie vernichten.«
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»Das habe ich befürchtet«, erwiderte Ken non. »Gerade das aber möchte ich vermei den. Es sollte genügen, diese Starrköpfe zur Vernunft und zu einer besseren Einsicht zu bringen. Wenn der Fürst Waffengewalt an wendet, schadet er sich im Grunde genom men selbst, denn weise wie er ist, wird er fraglos die Kapazität der Rebellen überneh men, sobald sie zu Recht und Ordnung zu rückgekehrt sind.« »Du kennst Seine Erhabenheit, den Für sten, recht gut«, stellte der Roboter fest. »Es entspricht tatsächlich seiner Art, so zu den ken und zu handeln.«
* Die Einheit beschloß, von der bisher ver folgten Taktik abzugehen und nicht mehr länger im verborgenen zu arbeiten, sondern die Ziele offen zu verfolgen. Dazu war es notwendig, Kontakt mit den selbständigen Großeinheiten aufzunehmen, deren Aufgabe es unter anderem war, Kurs berechnungen für Pthor durchzuführen und die Ergebnisse dann an den Steuermann in der FESTUNG weiterzuleiten. Die Einheit sendete einen Impuls, mit der sie ihre Existenz zum erstenmal anzeigte. »Ihre fürstliche Hoheit ist nicht bereit, mit Ihnen zu diskutieren«, antwortete der Nebensektor der wichtigsten Großeinheit. »Ziehen Sie sich zurück. Sie besitzen keine Legitimation für Wolterhaven.« Die Einheit war nicht in der Lage, mit Gefühlen darauf zu reagieren. Sie besaß kei ne entsprechenden Einrichtungen. Daher stellte sie fest, daß nicht nur der zentrale biologische Teil von Wolterhaven ausgefal len war, sondern daß die Stadt selbst keine Einheit mehr darstellte. Wolterhaven konnte ihrer ursprünglichen Bestimmung nicht mehr nachkommen. Die Einheit verlor keine weiteren Gedan ken darüber. Auch dazu war sie nicht fähig. Sie handelte entsprechend ihrer Pro grammierung. Danach hatte sie für Ersatz zu sorgen,
sobald der biologische Teil von Wolterhaven nach Eintritt des VONTHARA-Alarms nicht mehr funktionierte und damit seine Aufgabe in der FESTUNG nicht mehr wahrnehmen konnte. Die Einheit stellte fest, daß die Großein heiten von Wolterhaven nach dem VONTHARA-Alarm beschädigt worden und völlig außer Kontrolle geraten waren. Die Folge war gewesen, daß sie die bio logische Einheit nicht mehr überwacht und versorgt hatten. In weiterer Folge war die Einheit selbst aktiviert worden. Sie hatte versucht, die biologische Einheit zu retten oder aus wenigen Grundelementen eine neue zu schaffen. Das war nicht gelungen. Die Programmierung besagte für diesen Fall, daß eine neue vollständige Einheit zu beschaffen, zu entpersönlichen und im Sinn der Aufgabe umzuformen war. Die Einheit hatte längst registriert, daß sich zwei organische Objekte in Wolterha ven befanden, die sich dafür eigneten. Mit robotischer Exaktheit bereitete sie den An griff vor, der beide treffen sollte, damit spä ter das eine Objekt dem anderen nicht zur Hilfe kommen konnte.
* »Der Fürst ist bereit, euch zu empfangen, Bürger«, erklärte der Roboter und schwenk te seine Energiestrahlkanonen herum, so daß sie auf einen etwa fünfzig Meter hohen Turm zeigten, der sich auf der ihr zuge wandten Seite stufenförmig aufbaute. Razamons Hand glitt unter seine Bluse. Er spürte die Schalteinheit unter seinen Fin gern. Beruhigt folgte er der Maschine. Ihm war nicht klar, wie Kennon-Grizzard weiter vorgehen wollte. Sie mußten improvisieren und sich der Situation anpassen, die sie vor fanden. Keiner von ihnen konnte wissen, auf welche Verrücktheiten Trailer kommen wür de. Razamon sah, daß sich von allen Seiten Roboter näherten. Die meisten von ihnen sa hen aus wie aufrecht stehende Tonnen, die
Die Robotfürsten sich auf zwei mit Raupenketten versehenen Beinen vorwärts bewegten, und die sich am oberen Ende verjüngten. Fast alle waren mit Waffen versehen. Manche hatten Energie strahler, manche Messer und Schlagwerk zeuge, die nicht weniger gefährlich waren. »Bist du sicher, daß du keinen direkten Einfluß mehr auf sie hast?« fragte der Atlan ter, der nun wieder stark zu hinken begann, da sich der Zeitklumpen an seinem Bein wieder unangenehm bemerkbar machte. »Völlig sicher«, antwortete Kennon. »Ich wollte, ich wüßte, wo das schwarze Energie feld ist. Ich würde mich sofort wieder hin einstürzen und mit Energie aufladen. Ich könnte mich ohrfeigen, weil ich die Chance nicht genutzt habe, die ich hatte. Ich hätte al le Roboter lahmlegen können – auch den Fürsten.« Sie hatten den Turm erreicht. Er wirkte aus der Nähe noch bedeutend massiger und mächtiger als zuvor. »Jetzt vorsichtig«, wisperte Kennon dem Atlanter zu. »Kein unbedachtes Wort.« Ein Schott glitt auf, und die Roboter diri gierten sie in eine golden schimmernde Hal le, in deren Mittelpunkt Fürst Trailer resi dierte. Der vermeintliche Fürst bestand aus 27 Metallkugeln, die aneinander gereiht und miteinander verbunden worden waren. Ein ständig wechselndes Licht erfüllte den Raum. Es schien aus allen Richtungen zu kommen und war doch nicht genau be stimmbar. »Auf die Knie«, brüllte einer der Robot diener unmittelbar neben Kennon-Grizzard. Die beiden Männer gehorchten. Kennon begann sein Psycho-Spiel, das er schon so erfolgreich gegen Breita angewen det hatte, abermals. Wieder schmeichelte er dem Robotbürger, indem er uneingeschränkt auf das einging, wie dieser sich darstellte. Er tat, als sei wirklich alles so, wie Trailer es sich einbildete. Razamon merkte jedoch, daß dieses Mal etwas anders war als zuvor bei Breita. Ken non wirkte unruhig und nervös, so als sei er
35 nicht voll konzentriert. Und je länger er sprach, desto enger zog sich ein Kreis von Dienstrobotern um die siebenundzwanzig Kugeln Trailers zusammen. Die Tatsache, daß der Robotbürger seinen Eigenschutz verstärkte, war nicht zu übersehen. »Was ist los, verdammt noch mal?« fragte Razamon flüsternd, als sich eine Gelegen heit dazu ergab, weil Trailer besonders lange auf seine Antwort warten ließ. »Stimmt et was nicht?« »Ich fürchte, unser Freund Trailer fällt nicht auf den Trick herein«, erwiderte Ken non-Grizzard. »Wolterhaven ist bedroht«, erklärte er laut, als der Robotbürger sich auch weiterhin ausschwieg. »Schwerwiegende Veränderun gen in der FESTUNG werden ihre Auswir kungen auch auf diese Stadt haben. Es ist daher zu begrüßen, daß hier ein so starker und entschlossener Herrscher die Macht übernommen hat, wie Ihr es seid, Fürst Trai ler. Die kommenden Tage werden bereits zeigen, wie notwendig es ist, den Herren der FESTUNG klare Verhältnisse aufzuzeigen.« »Ich habe gehört, daß es Söhne Odins sind, die in der FESTUNG herrschen«, sagte Trailer mit dröhnender Stimme. »Das ist richtig«, bestätigte Kennon, »aber sie sind schwach. Den VONTHARAAlarm mit seinen Folgen haben sie nicht verhindern können. So großartig die Folgen hier in Wolterhaven sind, so verhängnisvoll sind sie in der FESTUNG. Ich weiß, daß du dich längst informiert hast.« Das war eine reine Spekulation Kennons, aber sie erwies sich als richtig. Der ehemali ge USO-Spezialist ging davon aus, daß eine Kommunikationsbrücke zwischen Wolterha ven und der FESTUNG bestand, die aller dings recht einseitig war, da der Informati onsfluß in erster Linie von der Stadt der Ro botbürger zur FESTUNG lief, während von dort nur wenig kam. Er ging davon aus, daß die FESTUNG zur Zeit völlig schwieg oder nur unzureichende Antworten auf die Anfra gen Trailers gab. »Es stimmt«, rief Trailer. »Die FE
36 STUNG schweigt.« »Das ist das Zeichen deiner Berufung«, erklärte der Terraner und trat einige Schritte auf den Roboter zu. Die Abstrahlfelder vor den Projektoren eines Kampfroboters flammten drohend auf. Kennon ließ sich je doch nicht beeindrucken. »Verstehst du denn nicht, Fürst?« fragte er. »Dies ist deine Stunde.« »Du willst mir also etwas empfehlen? Was ist es? Was soll ich tun?« Kennon-Grizzard zögerte. Er wußte, daß dies die Entscheidung war. Sie kam viel zu früh, da Razamon und er noch zu weit von den Kugeln des Robotbürgers entfernt waren und die Schaltungen noch nicht austauschen konnten. »Du mußt etwas tun, was deiner Größe entspricht«, erwiderte Kennon vorsichtig. »Die Stadt Wolterhaven ist dir untertan. Ge nügt dir das? Gibt sich Fürst Trailer wirklich damit zufrieden, Herr über so wenig zu sein?« »Sprich weiter«, forderte der Roboter ihn auf. Er schien ungeduldig zu werden. »Warum sollte Wolterhaven zu wenig für mich sein?« »Pthor wartet darauf, von dir regiert zu werden«, behauptete Kennon. »Die FE STUNG hat abgewirtschaftet. Die sich dort mächtig nennen, sind durch den VONTHA RA-Alarm ausgeschaltet worden. Eine neue Zeit bricht an. Sie erfordert eine neue und unverbrauchte Persönlichkeit wie dich. Sind nicht die Veränderungen der letzten Tage ein eindeutiger Beweis dafür, daß diese Ent wicklung zwangsläufig ist?« »Deine Worte gefallen mir«, entgegnete Trailer. »Sie sind einleuchtend und überzeu gend. Sie sind logisch, so wie es die Ent wicklung dieser Tage ist. Was aber soll ich tun? Wie könnte ich von hier aus die Macht über Pthor übernehmen?« »Wir haben Informationen mitgebracht«, eröffnete ihm Kennon. Er zeigte auf Raza mon. »Wenn du erlaubst, wird mein Beglei ter sie dir übergeben.« Razamon zuckte kaum merklich zusam-
H. G. Francis men. Kennon spielte um alles oder nichts. Sie hatten Trailer unterschätzt, weil ihnen der Sieg über Breita so leicht gefallen war. Trailer war argwöhnisch, vorsichtig und zu rückhaltend. Er ließ sich nicht ohne weiteres bluffen. Jetzt allerdings hatte Kennon Machtgelüste in ihm geweckt, indem er viel weiter gegangen war, als ursprünglich vor gesehen war. Pthor als Köder war ein so großer Brocken, daß Trailer nicht widerste hen konnte. »Ich will die Informationen haben«, er klärte er. »Danach werde ich entscheiden. Dein Begleiter soll sie meinem Diener ge ben.« »Das ist zu gefährlich«, widersprach Ken non. »Er wird sie dir selbst geben oder sie behalten.« Er gab Razamon ein Zeichen. Der Atlanter ging los. Er tat, als ob er die aufflammenden Projektionsfelder der Ener giestrahler nicht sah. Zwischen zwei Kampfrobotern hindurch trat er an Fürst Trailer heran. Der befürchtete Angriff der Roboter blieb aus. Razamon erreichte die Kugel, in die er die Schaltscheibe legen mußte. »Wenn sich zeigen sollte, daß du nicht die Wahrheit gesagt hast«, rief Trailer drohend, »dann werden dich meine Diener auf der Stelle töten.« »Das ist mir klar«, antwortete Kennon, der sich gelassen gab. »Wir haben nichts zu befürchten.« Razamon beugte sich ruhig vor und tauschte die Schaltscheiben aus. Im gleichen Moment heulte eine Sirene auf. Der Atlanter fuhr herum. Er blickte in Dutzende von schußbereiten Energiestrahlern. Doch das sah er gar nicht. Er beobachtete Kennon-Grizzard, der ver zweifelt die Arme nach oben warf und ir gendwo Halt suchte. Der Boden hatte sich unter ihm geöffnet, und zwei stählerne Hän de zerrten ihn in die Tiefe.
7.
Die Robotfürsten Sinclair Marout Kennon wußte, daß sie verloren hatten, als die Kampfroboter aktiv wurden. Starr vor Entsetzen blickte er Raza mon an. Er erwartete, ihn im Energiefeuer sterben zu sehen. Da öffnete sich unter ihm der Boden, und Stahlfäuste rissen ihn in die Tiefe. Kennon-Grizzard sah, daß die Kampfro boter nicht auf Razamon feuerten. Er atmete auf. Mit der Gefahr, in der er selbst schweb te, meinte er fertig werden zu können. Er blickte nach unten. Die beiden Stahlarme, die ihn gepackt hatten, ragten seitlich aus einer Schachtwand hervor. Sie rissen ihn in den fast senkrecht abfallenden Schacht hinein und ließen ihn los, als er den Halt verloren hatte und nicht mehr entkommen konnte. Er rutschte einige Meter an der Schacht wand entlang, prallte gegen eine Klappe und fiel in einen winzigen Raum, dessen Wände transparent waren. Diffuses Licht erhellte ihn. Kennon-Grizzard richtete sich auf und schüttelte die Benommenheit ab, die seine Sinne vorübergehend gelähmt hatte. Er war mit dem Hinterkopf aufgeschlagen. Sein Nacken schmerzte. Er sah sich um. Jetzt erkannte er, daß er sich in einem Tank befand, der am Boden verschiedene Öffnungen hatte. Einige Sonden ragten aus der Decke hervor. Die Umrisse der Klappe, durch die er gefallen war, konnte er kaum noch erkennen. Ein Schatten tauchte an der Wand rechts von ihm auf. Er erkannte einen spinnenför migen Roboter, dessen ovaler Körper etwa so groß war wie zwei Männerfäuste. Surrend fuhr eine der Sonden aus dem Boden aus. Ihre Spitze spaltete sich, und ein sich schnell drehender Messerkranz wurde sichtbar. Er näherte sich Kennon. Dieser dachte jedoch nicht daran, sich als Ver suchsobjekt benutzen zu lassen. Mit einem Fußtritt zerbrach er den Stiel der Sonde und schaltete diese damit aus. Der Spinnenrobo ter erstarrte, als habe ihn diese Reaktion völ
37 lig überrascht. Kennon wollte sich gegen die Transpar entwand werfen, als ihn ein Geräusch von oben aufmerksam machte. Er blickte hoch und sprang gleichzeitig zur Seite. Keine Se kunde zu früh, denn die Klappe öffnete sich, und Razamon stürzte herein. Er prallte hart auf und blieb betäubt auf dem Boden liegen. Kennon kniete neben ihm nieder und schlug ihm sanft die Hand ins Gesicht, bis der Atlanter die Augen aufschlug. »Es ist nichts weiter passiert«, sagte der Terraner rasch, »aber wir müssen auf der Hut sein, sonst wird es gefährlich für uns.« Er wies auf den spinnenförmigen Roboter, der scharrend mit den Enden seiner Beine über die Wand fuhr, als wolle er sie zer schneiden. Eine Röhre mit einem verdickten Ende fuhr aus dem Boden aus. Sie öffnete sich ei nige Zentimeter unter der Spitze, und zi schend schoß ein Gas heraus. Kennon warf sich nach vorn. Er riß ein Stück Stoff von seiner Jacke, befeuchtete es mit Spucke und wickelte es um das Rohr, doch das Gas durchdrang den Stoff. Ächzend fuhr er zu rück, als er merkte, wie sich seine Halsmus keln verkrampften. Verzweifelt blickte er sich um. Er wähnte sich verloren, da er nicht wußte, was er ge gen das eindringende Gas tun sollte. Razamon, der sich noch immer nicht völ lig von seinem Sturz erholt hatte, streckte sich stöhnend aus. Seine Füße stießen gegen das Gasrohr, und augenblicklich entstand ein rot schimmerndes Energiefeld um das Rohr herum. Es war etwa so groß wie der Kopf ei nes Mannes und breitete sich nicht weiter aus. Der stechende Geruch des Gases ver flog. »Moment mal«, sagte der Atlanter über rascht. »Siehst du das?« Kennon-Grizzard nickte. Er massierte sich seine Schläfen. Ihm war so übel von dem eingeatmeten Gas, daß er glaubte, sich übergeben zu müssen. Er bemerkte jedoch ebenso wie Razamon, daß das Gas keine Wirkung mehr erzielte.
38 »Der Zeitklumpen neutralisiert es«, sagte der Atlanter flüchtig grinsend. »Das hat sich unser Spinnenfreund nicht träumen lassen.« »Ich fürchte, das hilft uns nicht weiter, wenn wir noch lange warten«, entgegnete Kennon. »Wir müssen raus.« Er kroch bis an eine der vier Wände und schlug die Faust dagegen. »Das Material ist nur dünn«, stellte er da nach fest. »Wir müßten es eigentlich schaf fen.« Da er sonst keinen harten Gegenstand bei sich trug, abgesehen von dem Funkgerät Breitas, das er nicht benutzen wollte, zog er sich die Stiefel aus. Er schlug sie gegen die Wand und stellte befriedigt fest, daß sich Risse in dieser bildeten. »Überlaß das mir«, forderte Razamon und schob ihn zur Seite. Der Atlanter ballte die Rechte zur Faust, holte aus und schlug mit voller Kraft zu. Es krachte vernehmlich. Das transparente Material zersplitterte. Der At lanter trat noch einmal wuchtig gegen die Wand und schuf ein so großes Loch, daß er und Kennon hindurchkriechen konnten. Der spinnenförmige Roboter wich vor ihnen zu rück, bis er ein Schaltpult erreichte. Hier richtete er sich auf vieren seiner sechs Beine auf und richtete die beiden vorderen Beine gegen Kennon und Razamon. »Vorsicht«, schrie der Terraner und stieß Razamon zur Seite. Im gleichen Moment schoß die Spinne die beiden Beine ab. Sie rasten durch den Raum und verfehlten die beiden Männer nur um Millimeter. Sie bohrten sich hinter ihnen knirschend in die Kontrollwand eines Com puters. Razamon blickte zu ihnen hin. Er sah, daß bei beiden Beinen auf halber Länge feine Stachel ausgefahren waren, aus denen nun eine grünliche Flüssigkeit tropfte. »Gift«, sagte Kennon mit tonloser Stim me. »Wenn wir nicht aufgepaßt hätten, wäre es jetzt schon vorbei.« Razamon fluchte. Er duckte sich, schnell te sich zur Seite und rannte um eine Maschi ne herum. Kennon beobachtete den spinnen-
H. G. Francis förmigen Roboter, der sich dem anstürmen den Razamon zuwandte. Der Terraner lief auf den Roboter zu. Dieser drehte sich her um und hob eines seiner Beine. Er zielte auf Kennon. Bevor er jedoch schießen konnte, war Razamon heran. Der Atlanter schwang einen Metallhocker über dem Kopf. Er schmetterte ihn auf den Roboter hinab, der unter der Wucht des Hiebes zerbrach. Einige Blitze zuckten aus ihm hervor, dann blieb er ruhig liegen, und eine Rauchwolke zeigte an, daß er funktionsunfähig geworden war. »Heimtückisches Biest«, sagte Razamon und stieß die Reste des Roboters mit dem Fuß zur Seite. »Ich möchte wissen, was das nun wieder zu bedeuten hatte.« Sinclair Marout Kennon antwortete nicht. Er ging zu einem anderen Behälter hin, des sen Wände ebenfalls transparent waren, der jedoch nicht beleuchtet wurde. »Sieh dir das an«, sagte er. »Es liegt je mand drin.« Razamon kam zu ihm. Durch das dunkle Glas konnte er eine humanoide Gestalt se hen, ohne Einzelheiten erkennen zu können. »Der verfluchte Roboter hat versucht, aus meiner Körpersubstanz einen Dello oder et was Ähnliches zu schaffen«, erklärte der At lanter. »Das ist vermutlich das Ergebnis. Es sieht nicht gerade begeisternd aus.« Kennon ließ seine Finger über einige Schaltknöpfe auf einem Kontrollband unter dem Behälter gleiten. Einige Lichter leuch teten auf, lieferten ihm jedoch keine brauch baren Informationen. Einige mit Pfeilen ver sehene Instrumente blieben in Nullstellung. »Ich glaube, das Experiment ist geschei tert«, sagte er und zeigte auf die Gestalt in dem Behälter. »Das Ding da drinnen ist tot.« Razamon nahm kurzentschlossen einen Metallbehälter, der auf dem Boden stand, und schleuderte ihn gegen die transparente Wand. Diese zersplitterte und fiel in sich zu sammen. Ein stechender Geruch schlug den beiden Männern entgegen, so daß sie unwill kürlich zurückwichen. Jetzt konnten sie die Gestalt besser sehen, die in dem Behälter
Die Robotfürsten lag. Sie war humanoid, aber dennoch äußerst fremdartig. Der Tote hatte einen ovalen Kopf. Die Haut sah dunkel, fast schwarz aus. Über der Stirn wölbte sich eine matt schimmernde Platte, die aus einem hornähnlichen Material zu bestehen schien. Die Augen lagen tief in den Höhlen. »Ich habe mich geirrt«, sagte Razamon. »Der ist bestimmt nicht aus meinem Zellma terial entstanden. Einen Mann wie diesen habe ich noch nie gesehen. Er ist mir völlig fremd.« Sie traten näher an den Behälter heran. »Er ist seit etwa zwei oder drei Tagen tot«, stellte Kennon ruhig fest. »Länger auf keinen Fall.« »Bist du sicher?« fragte Razamon. »Völlig«, antwortete der ehemalige USOSpezialist. »In diesen Dingen kenne ich mich aus. Ich vermute, daß dieses Wesen im Tiefschlaf die Zeit überdauert hat.« Kennon-Grizzard untersuchte die Leiche flüchtig. Einige Versorgungsleitungen führ ten zu ihr hin. Sie waren teilweise unterbro chen. An einigen Stellen war Flüssigkeit aus dem Körper des Toten ausgetreten. »Wer auch immer dieser Fremde war«, sagte der Terraner, »er ist durch den VONTHARA-Alarm geweckt worden. Ich vermute, daß er zu dem Sicherheitssystem gehörte, das nach diesem Alarm in Funktion treten sollte. Er hat eine bestimmte Aufgabe gehabt, der er nicht nachkommen konnte, weil die Anlage im entscheidenden Moment versagt hat.« »Das ist eine ziemlich gewagte Annah me«, wandte Razamon ein. »Sie hat viel für sich«, erwiderte Kennon. »Und sie würde einiges von dem erklären, was ich über Wolterhaven gehört habe. Zum Beispiel das Interesse der Robotbürger für organische Waren. Sie haben sich organi sche Dinge von den Händlern aus Orxeya bringen lassen. Wozu? Nur, um sie aufzube wahren? Das kann wohl kaum stimmen. Or ganische Dinge halten sich nicht ewig. Sie verfallen. Ich halte es für wahrscheinlich,
39 daß die Robotbürger diese Dinge hauptsäch lich für diesen Fremden haben wollten, um ihn versorgen zu können.« »Ein Schläfer unter der Stadt Wolterha ven, der von den Robotbürgern bewacht wird«, sagte Razamon. »Es scheint so zu sein. Ich weiß nun nur nicht, ob ich seinen Tod bedauern oder mich darüber freuen soll.« »Und ich möchte wissen, ob ich wirklich aus freiem Entschluß hier bin, oder ob ich durch parapsychische Impulse dadurch ge zwungen worden bin, von der FESTUNG nach Wolterhaven zu fliegen, um vielleicht diesem Wesen hier zu helfen.« »Das werden wir vermutlich nie klären«, bemerkte Razamon. Er setzte sich auf ein Schaltpult. »Was machen wir jetzt? Ich habe keine Ahnung, ob es mir gelungen ist, Fürst Trailer zur Vernunft zu bringen. Was ist, wenn er sich nach wie vor für einen blaublü tigen Monarchen hält und uns vierteilen will?« Kennon-Grizzard schob die Hände in die Hosentaschen und zuckte mit den Schultern. »Ich weiß nicht«, entgegnete er, »aber darüber mache ich mir eigentlich keine großen Sorgen. Weißt du, jedesmal wenn ich in letzter Zeit in eine solche Situation ge kommen bin, dann habe ich stets verschwin den können. Ich bin in einem anderen Kör per wieder erwacht. Ich kann also gar nicht sagen, ob die anderen, in denen ich vorher war, überhaupt noch leben. Pech wäre es le diglich für mich, wenn ich in deinem Körper materialisieren würde, weil es mir dann gleich zweimal hintereinander an den Kra gen ginge.« Er blickte Razamon grinsend an. Der Atlanter lächelte düster. Er wußte, daß Kennon-Grizzard es nicht so gemeint hatte, wie er es gesagt hatte, aber diese so sarkastisch und gefühllos klingenden Worte hatten dennoch aufgezeigt, was Kennon glaubte. Der Terraner war überzeugt davon, daß Fürst Trailer mit aller Härte zuschlagen würde. Er hielt ihre Mission in Wolterhaven also für gescheitert.
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»Du meinst, wir sollen fliehen?« fragte Razamon. »Aber – wohin? Und wie?« »Wir müssen uns Waffen besorgen und dann nach unten gehen«, erklärte der Terra ner. »Wir müssen versuchen, irgendwie durch den Sumpf zu kommen.« Krachend öffnete sich eine Tür. Ein nahe zu drei Meter hoher Kampfroboter rollte herein. »Ich habe den Befehl, euch augenblick lich zum Robotbürger Trailer zu bringen«, hallte es dröhnend aus den Lautsprechern der Maschine. »Folgt mir.«
* »Da hätten wir wohl fast einen Fehler ge macht«, erklärte Robotbürger Trailer. »Erst jetzt sind wir in der Lage, die Informationen richtig zu werten, die wir von verschiedenen Robotdienern erhalten haben. Ich und andere Robotbürger sind inzwischen zu dem Ergeb nis gekommen, daß eure Handlungsweise nicht in allen Bereichen zu verurteilen ist.« »Ich hätte gern mit Herrn Moonkay ge sprochen«, erklärte Razamon. »Ist das mög lich?« »Herr Moonkay existiert nicht mehr in der früher bekannten Form«, erwiderte Trailer. »Er hat es vorgezogen, einen Kugeltausch vorzunehmen. Das sollte jedoch kein Grund für dich sein, auf das Gespräch zu verzich ten.« »Ich komme später darauf zurück«, sagte der Atlanter, der seine Vermutung bestätigt sah, daß die Persönlichkeitsverhältnisse in Wolterhaven keineswegs starr waren. Die Robotbürger tauschten offensichtlich hin und wieder Kugelelemente und damit Teile ihrer Persönlichkeit aus. Das mochte ganz besonders nach dem VONTHARA-Alarm der Fall gewesen sein. Die Nachwirkungen des Alarms hatten Robotbürger wie Herrn Trailer dazu veranlaßt, besondere Machtan sprüche zu stellen und sich selbst ganz in den Vordergrund zu spielen, während andere – wie etwa Herr Moonkay von sich aus dar auf verzichtet hatten, ihre bisherige Position
innerhalb der robotischen Gesellschaft von Wolterhaven aufrechtzuerhalten. Razamon und Kennon hatten nicht be merkt, daß die Robotdiener Kugelelemente transportiert hatten, aber es war geschehen. Daher war vieles völlig anders, als es vorher gewesen war. Razamon vermutete, daß die Robotbürger früher oder später wieder zu der Ordnung zurückkehren würden, die sie vorher gehabt hatten, falls Robotbürger wie Trailer von sich aus darauf verzichteten, ihre erreichte Machtposition zu behalten. Die beiden Männer befanden sich in der Halle, in der Großbürger Trailer residierte. Beide waren sich darüber klar, daß eine Ge fahr für sie nicht mehr bestand. Trailer hatte vielmehr zu erkennen gegeben, daß er in ge wisser Weise sogar dankbar dafür war, daß sie in sein Schalt- und Programmsystem ein gegriffen und ihn dadurch normalisiert hat ten. Daß er das nicht direkt zugab, verwun derte weder Razamon noch Kennon. Kennon-Grizzard trat vor und beschrieb, weshalb er nach Wolterhaven gekommen war. »Ich habe mit Herrn Maicol über deine Vorstellungen von einem neuen Gentleman-Kel ly gesprochen«, antwortete Robotbürger Trailer, kaum daß Kennon zu Ende gespro chen hatte. »Herr Maicol möchte es über nehmen, aus dem Kreise seiner Dienerschaft diesen Gentleman-Kelly zur Verfügung zu stellen.« »Das höre ich gerne«, sagte Kennon. »Dann laßt euch jetzt zu Herrn Maicol führen.« »Ich habe noch eine Frage«, entgegnete Kennon. »Wir haben die Reste eines organi schen Wesens gefunden, das versteckt in ei nem der unteren Räume im Tiefschlaf gele gen hat. Es ist offensichtlich erst vor kurzer Zeit gestorben. Ich würde gern wissen, wer es war.« »Es gibt darüber kaum Informationen«, erklärte der Großbürger. »Es ist ein Teil un serer Aufgabe, über ein organisches Wesen zu wachen, das in dieser Stadt existiert. Das ist richtig. Es ist weiterhin Teil unserer Auf
Die Robotfürsten gabe, dieses Wesen am Tage des Alarms zu wecken. Das ist geschehen. Weitere Details sind uns nicht bekannt.« »Aufgabe war es, diesem Wesen das Ver lassen der Stadt zu ermöglichen und es zur FESTUNG zu bringen. Ist das richtig?« fragte Razamon. »Das ist richtig«, bestätigte Trailer. »Da das Wesen jedoch beschlossen hat, in sei nem Schlafraum zu bleiben, haben wir kei nen Grund, es daraus hervorzuholen. Wenn nur noch Reste des Wesens vorhanden sind, können wir diesen Teil der Aufgabe als erle digt betrachten.« Sinclair Marout Kennon erschauerte, als er diese Worte hörte. Er wußte nicht, wer je nes Wesen gewesen war, das in dem Labor gestorben war, weil wesentliche Teile der Schlafmaschinerie versagt hatten. Er war je doch davon überzeugt, daß es zum Kreis je ner Mächte gehörte, die seit Jahrtausenden einen unheilvollen Einfluß auf Pthor gehabt hatten. Dennoch empfand er Mitleid mit ihm, und die Gefühlskälte, die aus den Wor ten Trailers sprach, erschreckte ihn. Sie ließ den Haß gegen Roboter wieder in ihm auf kommen. Es gelang ihm jedoch, sich nichts anmerken zu lassen. Er wußte, daß eine Auseinandersetzung mit Trailer sinnlos ge wesen und ihre Pläne nur gestört hätte. »Ein Diener wird euch zu Maicol brin gen«, erklärte der Großbürger. Hinter ihnen glitt ein Schott zur Seite. Sie drehten sich um und verließen den Raum. Ein zylinder förmiger Roboter glitt lautlos auf einem An tigravkissen vor ihnen her. Draußen war es warm und angenehm. Ein leichter Wind wehte aus westlicher Rich tung. Er brachte den Duft fremdartiger Blu men und Gräser mit. Kennon und Razamon folgten dem Robo ter, der wenig Rücksicht darauf nahm, daß sie die verschiedenen Hindernisse nicht so schnell überwinden konnten wie er. So ra sten sie über Leitern, Dächer und Brücken hinweg und hatten Mühe, ihn nicht aus den Augen zu verlieren. Schließlich protestierte Razamon.
41 »Warte auf uns«, brüllte er dem Roboter zu. »Warte, oder ich drehe dir das Genick um.« Der Roboter gehorchte. Überrascht blick ten der Atlanter und Kennon sich an. Damit hatten sie beide nicht gerechnet. »Ich komme mir jetzt ziemlich blöd vor«, sagte Razamon, während sie gemächlich weitergingen. »Wir rennen wie die Verrück ten durch die Gegend und riskieren Hals und Kragen, dabei hätte ein einziges Wort ge nügt, diesen Schrotthaufen zur Vernunft zu bringen.« Der Roboter wartete, bis sie bei ihm wa ren, dann glitt er mit wesentlich geringerer Geschwindigkeit als zuvor weiter, so daß sie ihm nun mühelos folgen konnten. Wenig später kamen sie in einen Bezirk von Wolterhaven, den sie wiedererkannten. Razamon wollte den Roboter bereits darauf hinweisen, daß er sie nun nicht mehr zu be gleiten brauchte, als ein seltsamer Roboter vor ihnen erschien, einen Arm hob und mit quietschender Stimme verkündete: »Willkommen bei Herrn Maicol. Bitte, ge ben Sie mir die Ehre, Sie die letzten Schritte bis zu ihm hin begleiten zu dürfen.« Der Roboter, der sie bisher geführt hatte, wandte sich schweigend ab und glitt lautlos davon. Verblüfft blickte Kennon-Grizzard auf den Roboter, den Robotbürger Maicol ihnen geschickt hatte. Zweifellos hatte Maicol ver sucht, Gentleman-Kelly nachzubilden. Der Roboter war etwa zwei Meter groß und aus zahlreichen Einzelteilen zusammen gesetzt worden, die deutliche Anzeichen des Verfalls trugen. Der rechte Oberschenkel war so stark verrostet, daß es Kennon wie ein Wunder erschien, daß er nicht brach. Der linke Fuß bestand im wesentlichen aus unter großer Hitze verformten Bruchstücken. Die notwendigen Gelenke funktionierten nicht mehr. Sie waren kaum mehr als unförmige Klumpen. Der Rumpf war oval und war mit vier Stahlbügeln versehen worden, die wohl als Halt für Hände und Füße vorgesehen waren.
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Herr Maicol hatte ein Klebemittel einge setzt, um die Bügel zu befestigen, dabei aber versäumt, Verunreinigungen zu entfernen. Daher hatten sich die verschiedenen Mate rialien nicht richtig miteinander verbunden. Kennon sah sofort, daß alle vier Bügel ab brechen würden, wenn er versuchte, auf den Rücken des Roboters zu steigen. Doch nicht nur dabei hatte Herr Maicol einen Fehler gemacht. Er hatte den Roboter mit zwei Armen versehen, die messerscharfe Greifklauen hatten. Beide Arme zeigten Spuren von Verbrennungen, und für Kennon war klar erkennbar, daß die Elektronik, mit denen die Klauen gesteuert wurden, zerstört war. Der Kopf des Roboters war aus einer un übersehbaren Zahl von Einzelstücken zu sammengesetzt worden, die nicht zueinander paßten. Kennon fürchtete, daß sie bei der er sten stärkeren Erschütterung auseinanderfal len würden. »Wer bist du?« fragte Kennon-Grizzard. Der Roboter hob den rechten Arm und schlug sich mit der Stahlklaue gegen den Schädel. »Mein Name ist Gentleman-Kelly-zwei«, erwiderte die Maschine, während eine Linse aus der Halterung kippte und auf den Boden fiel, wo sie in zahllose Bruchstücke zerplatz te.
8. »Ein großartiges Geschenk«, sagte Raza mon. Er verneigte sich spöttisch lächelnd vor dem Roboter. »Richte deinem Herrn un seren besonderen Dank aus.« »Ihr seid nicht mit mir zufrieden?« fragte Gentleman-Kelly-zwei. »Oh, doch, du bist wundervoll«, sagte Kennon eilig. Er fand seine Idee, sich stän dig von einem Roboter begleiten zu lassen, nun gar nicht mehr so gut. Wenn er selbst einen Roboter aus verschiedenen Schrottbe standteilen zusammengesetzt hätte, dann wäre das äußerliche Erscheinungsbild des Roboters nur Tarnung gewesen, so wie es
bei dem echten Gentleman-Kelly der Fall gewesen war. Gentleman-Kelly hatte ähn lich ausgesehen wie dieser Roboter. Man hatte den Eindruck gehabt, daß er kurz vor dem Zusammenbruch stand. Doch unter die ser Maske hatte sich eine Hochleistungsma schine verborgen, auf die er sich stets hatte verlassen können – falls Gentleman-Kelly nicht gerade beleidigt gewesen war. Kennon wußte aber, daß er sich auf Gentleman-Kel ly-zwei nicht verlassen konnte. Dieser Auto mat war so, wie er aussah. Schrottreif. Das Problem war, dieses Geschenk Mai cols wieder loszuwerden, ohne den Robot bürger zu beleidigen. »Ich habe den Auftrag, Ihnen mitzuteilen, daß Herr Maicol Ihnen überaus dankbar ist«, sagte Gentleman-Kelly-zwei. »Er weiß, daß Sie allein die Stadt Wolterhaven vor dem Untergang gerettet haben, und er ist bereit, in seiner Dankbarkeit alles für Sie zu tun, was immer Sie wünschen.« »Dann soll er dich verschwinden lassen«, erwiderte Razamon spontan. »Wie ist das gemeint?« fragte Gentleman-Kel ly-zwei mit quietschender Stimme. »Nur nicht falsch verstehen«, erklärte Kennon eilig. »Mein Freund Razamon woll te von dir nur wissen, ob du in der Lage bist, dich unsichtbar zu machen. Wenn du das kannst, dann könnte ich dich immerhin für Spezialaufgaben einsetzen, die ich allein nicht lösen kann.« »Ich bedaure«, antwortete der Roboter. »Das kann ich nicht.« »Schade, GK-2«, sagte der Terraner. »Vielleicht solltest du zu Herrn Maicol ge hen und dich mit einer entsprechenden Ein richtung versehen lassen.« Gentleman-Kelly-zwei schüttelte den Kopf. Er tat das so heftig, daß Kennon be fürchtete, der Kopf werde aus seiner Veran kerung brechen und herunterfallen. »Herr Maicol bedauert, Ihnen mitteilen zu müssen, daß es eine derartige Technik auf Pthor nicht gibt«, erläuterte der Roboter. »Herr Maicol hat von den anderen Robot bürgern erfahren, daß eine solche Technik
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denkbar ist. Es gibt verschiedene Gerüchte, kannt. Erst wenn sie Wolterhaven hinter sich aus denen hervorgeht, daß einige Zivilisatio gelassen hatten, waren sie wieder wirklich nen im Universum über eine Technik verfü frei. Solange sie in der Stadt waren, mußten gen, mit denen man sich unsichtbar machen sie Rücksicht auf die Robotbürger nehmen, kann. Pthor befindet sich zur Zeit jedoch da sie nichts in der Hand hatten, mit denen nicht in der Nähe einer Zivilisation, von der sie die Robotbürger ablenken konnten. »Ich wollte, wir hätten wenigstens ein wir eine solche Maschinerie erbeuten könn ten. Herr Maicol bedauert daher außeror paar Quorks dabei oder ein Fragment des Parraxynths. Damit könnten wir etwas an dentlich, Ihnen in diesem Fall nicht behilf lich sein zu können.« fangen. So aber sieht es schlecht aus.« »Das ist bedauerlich, aber nicht zu än »Ich könnte ihm eine Aufgabe stellen, die dern«, sagte Kennon. »Wir wollen Wolter er nicht bewältigt«, sagte Kennon nachdenk haven jetzt verlassen. Du wirst noch einige lich. »Vielleicht eine, bei der er sich selbst Zeit hier bleiben und beobachten, ob die zerstört.« Folgen der Lähmung tatsächlich überwun »Vorsicht«, warnte Razamon. »Vergiß den sind. Später wirst du mir das Ergebnis nicht, daß es nicht um diesen Schrotthaufen geht, sondern um Herrn Maicol. Er würde mitteilen. Bis dann.« Kennon wandte sich ab. Razamon folgte zerstört werden, worüber die anderen Robot ihm. Sie näherten sich dem Stadtrand. Sie bürger sicherlich nicht gerade froh sein wür waren noch keine fünfzig Meter weit ge den.« Die beiden Männer schlenderten weiter. kommen, als sie Schritte und ein rhythmi Sinclair Marout Kennon-Grizzard dachte sches Quietschen hinter sich hörten. Raza mon drehte sich um. Er sah, daß Gentleman-Kel nach. Er litt nach wie vor unter den Nach ly-zwei ihnen in einem Abstand von etwas wirkungen der Lähmung, die nach dem zwanzig Metern folgte. VONTHARA-Alarm eingetreten war. Er »Ist dir eigentlich klar, daß dir dieser GK merkte selbst, daß er noch nicht so schnell, 2 überhaupt nichts hilft?« fragte Razamon. klar und logisch denken konnte wie sonst. »Der Roboter ist von Herrn Maicol abhän Unter anderen Umständen hätte er einen der artigen Vorschlag gar nicht erst gemacht, gig. Ohne Maicol geht überhaupt nichts. Schaltest du Maicol aus, ist GK-2 überhaupt weil er sich des Fehlers bewußt gewesen wäre, der darin lag. nichts mehr wert. Er könnte noch nicht ein mal aus eigener Initiative eine Hand heben, Er blieb vor einem offenen Schott stehen weil er nur eine bewegliche Außenstation und blickte in eine Werkstatt, in der allerlei des Robotbürgers ist. Also, was willst du mit automatische Maschinen arbeiteten. Zwei ihm?« einfache Roboter versorgten sie mit Material »Das ist mir längst klar«, antwortete der und Schmiermitteln. Terraner niedergeschlagen. »Ich habe mich Er drehte sich um. gründlich geirrt, aber ich weiß jetzt nicht, »Paß auf, Atlanter«, sagte er in Interkos wie wir GK-2 abschütteln können, ohne mo. »Jetzt habe ich eine Idee, die uns helfen Maicol zu beleidigen. Mir würde es im wird. Der arme Herr Maicol wird einen Ro boter verlieren.« Grund genommen nichts ausmachen, einen Roboter zu beleidigen, aber wir wissen Er betrat die Werkstatt und nahm einen nicht, wie Maicol danach reagiert. Es könnte Eimer auf, in dem eine ölige Flüssigkeit sein, daß er ziemlich unangenehm wird, und schwappte. das wäre für uns schlecht, solange wir noch »Geh voran«, sagte er. »Dort über die in der Stadt sind.« Plattform und die anschließende Leiter. Ich Razamon nickte nur. komme nach.« Kennon-Grizzard hatte das Problem er Razamon begriff zwar nicht, tat aber, was
44 Kennon ihm geraten hatte. Er ging über eine freie Fläche, die nicht durch ein Geländer abgesichert war. Eine Leiter führte senkrecht in die Tiefe. Razamon kletterte sie hinunter. Kennon schleppte den Eimer bis zur Lei ter. Dort kippte er ihn um, so daß sich die ölige Flüssigkeit über das Dach ergoß. Dann streckte er schreiend die Arme in die Höhe und ließ sich in die Tiefe fallen. Geschickt fing er sich an einer Leitersprosse ab und stieg eilig weiter nach unten. Er sah, daß Gentleman-Kelly-zwei ihm im Laufschritt folgte, um ihm zu Hilfe zu kommen. Der Roboter erkannte zu spät, daß er auf dem verschmierten Dach keinen Halt mehr fand. Er rutschte mit unverminderter Ge schwindigkeit auf die Dachkante zu, wobei er mit den Armen ruderte, um das Gleichge wicht zu halten. Er schoß kopfüber über die Kante des Daches und stürzte an Kennon vorbei in die Tiefe. »Kelly – nein«, brüllte der Terraner, als der Automat ihn passierte. »Du wirst einen neuen Diener bekom men«, antwortete der Roboter mit quiet schender Stimme. Dann raste er an Kennon vorbei. Er streckte seine Arme hilfesuchend nach Razamon aus, der ihnen gerade noch ausweichen konnte. Dann prallte er kra chend auf das tiefer gelegene Dach und zer barst. Der Ovalkörper zerplatzte, explodierte jedoch nicht. Eine schmutzigbraune Flüssig keit rann aus ihm heraus. »Keine schlechte Idee«, sagte Razamon lobend. »Wenn wir uns jetzt beeilen, schaf fen wir es vielleicht, die Stadt ungeschoren zu verlassen.« Die beiden Männer stiegen über die Trümmer von Gentleman-Kelly-zwei hin weg. Sie rannten zwischen zwei Kuppeln hin durch. Kennon deutete nach vorn, wo etwa fünfzig Roboter daran arbeiteten, ein Loch zu schließen. »Da vorn können wir absteigen.« Kaum hatte er ausgesprochen, als ihnen ein tonnen förmiger Roboter in den Weg rollte. Er hob ihnen zwei Spiralarme entgegen.
H. G. Francis »Wartet, meine Freunde«, rief er. »Hier spricht ein Diener des Herrn Maicol.« »Verdammt«, sagte Razamon leise. »Herr Maicol hat mit großer Bestürzung verfolgt, daß Gentleman-Kelly-zwei un brauchbar für euch geworden ist«, erklärte der Roboter. »Er fühlt sich verpflichtet, den Schaden auszugleichen. Herr Maicol sieht in seiner tiefen Dankbarkeit in Ihnen den Ret ter von Wolterhaven. Daher bietet sich Herr Maicol nunmehr selbst als Diener und Be gleiter an. Er bittet, von nun an mit Gentle man Maicol bezeichnet zu werden.« »Das ist allerdings ein Angebot, das mich überwältigt«, erwiderte Kennon. »Also ist es abgemacht?« fragte der Ro boter. »Sie sind einverstanden?« »Du machst das größte Geschäft deines Lebens«, sagte Razamon belustigt. »Ich bin einverstanden«, erklärte KennonGrizzard. Der Roboter quietschte vor Vergnügen. »Gentleman Maicol läßt Ihnen mitteilen, daß er überaus glücklich ist«, rief er aus. »Ein großes Geschäft«, sagte Razamon leise, »aber doch wohl etwas unüberlegt. Oder?« »Zu spät.« Sinclair Marout Kennon erbleichte. Jetzt hätte er sich auf die Zunge beißen können, denn er sah ein, daß er voreilig zugestimmt hatte, ohne die Konsequenzen durchdacht zu haben. Von allen Seiten näherten sich Robo ter. Razamon zählte laut und mit steigender Belustigung. Er kam auf die Zahl 87. Die Roboter versammelten sich um die beiden Männer. Alle nur denkbaren Formen waren vertreten. »Gentleman Maicol«, rief Kennon-Griz zard. »Damit wir uns nicht mißverstehen. Es genügt vollkommen, wenn stets nur ein Die ner in meiner Nähe ist und mir hilft, wo es notwendig ist. Er kann auf Befehl sofort weitere Helfer herbeirufen.« »Eine solche Regelung wäre meiner un würdig«, erwiderte Maicol, der sichtlich ge kränkt war. »Es würde mich tief verletzen,
Die Robotfürsten wenn Sie mich zwängen, 86 meiner Diener lediglich in Bereitschaft zu halten, während nur einer Sie begleiten darf. Ich bin mir des sen jedoch sicher, daß ein Mann wie Sie mich niemals absichtlich beleidigen würde.« »Da hast du es«, murmelte Razamon. »Du wolltest deinen Roboter haben. Nun sieh zu, wie du damit fertig wirst.« Kennon-Grizzard war nahe daran, die Fassung zu verlieren. »Selbstverständlich habe ich nicht vor, Sie zu beleidigen, Gentleman Maicol«, er klärte er mühsam beherrscht. »Für die näch sten Stunden wäre eine so umfangreiche Be gleitung jedoch nicht nur eine Belastung, sondern sogar eine Gefahr. Überall auf Pthor läßt die Wirkung der geheimnisvollen Läh mung nach. Menschen und Tiere erwachen und werden aktiv. Viele werden zunächst nicht recht wissen, was sie tun sollen. Die neuen Herren der FESTUNG, die Söhne Odins, sind voller Argwohn. Sie haben zur Zeit die Macht über Pthor in der Hand, sind da bei jedoch recht schwach. Man kann sie nicht wirklich als Herrscher bezeichnen. Da zu fehlt ihnen noch zuviel.« »Warum sagen Sie so etwas?« erkundigte sich Maicol. »Ganz einfach«, erwiderte Kennon. »Es ist vorauszusehen, wie Odins Söhne reagie ren werden, wenn ich mit einer Streitmacht von 87 Robotern zur FESTUNG ziehe. Die neuen Herren werden augenblicklich mobil machen, soweit es ihnen möglich ist, und losschlagen. Sie werden versuchen, mich und meine Begleiter zu vernichten, weil sie Angst davor haben, daß ich ihnen die Macht streitig machen will.« »Aber Sie haben nicht die Absicht, ihnen die Macht mit Hilfe meiner Diener zu neh men.« »Natürlich nicht, aber die Söhne Odins werden es annehmen. Sie werden nicht lan ge fragen, sondern angreifen.« Einige Sekunden verstrichen, dann fuhr Maicol fort: »Ich habe das Problem rechne risch behandelt und bin zu dem Ergebnis ge kommen, daß sie sich geirrt haben. Die Söh
45 ne Odins werden uns nicht als Feinde be trachten, also werden sie uns auch nicht an greifen. Ich freue mich, Ihnen mitteilen zu können, daß ich meinen Entschluß nicht zu ändern brauche. Ich werde Sie durch meine 87 Einheiten begleiten. Ich danke Ihnen für Ihr Einverständnis.« Kennon schwieg bestürzt. Er wußte, daß es keinen Sinn hatte, noch länger mit dem hilfswilligen Robotbürger zu diskutieren. Das Gespräch wäre jetzt sogar gefährlich ge worden. Ratsuchend blickte er Razamon an. Der Atlanter wich seinem Blick aus, weil er auch keinen Ausweg wußte. Kennon verfluchte seinen Wunsch, sich einen Roboter wie Gentleman-Kelly zu be sorgen. Er sagte sich, daß er von Anfang an hätte wissen müssen, daß es einen unabhän gig denkenden und frei beweglichen Robo ter auf Pthor nicht geben konnte. »Sie müssen mir erlauben, die FESTUNG zunächst ohne Ihre Begleitung aufzusu chen«, sagte der Terraner schließlich. »Ich muß mit Odins Söhnen reden und ihnen klarmachen, daß ich nicht die Absicht habe, sie zu stürzen.« »Seien Sie nicht so bescheiden«, bat Ro botbürger Maicol. »Nehmen Sie mein Ge schenk an, ohne lange darüber nachzuden ken, ob es ein Opfer von mir ist oder nicht. Seien Sie ruhig eigennützig, wenn Sie mei nen, daß es das ist, wenn Sie mein Angebot annehmen.« »Aber ich bin nicht bescheiden«, wider sprach Kennon. »Doch, das sind Sie.« Der Terraner erkannte, daß Maicol sich durch nichts abschütteln lassen würde. Er hatte das Angebot des Robotbürgers ange nommen, ohne darüber nachzudenken. Jetzt mußte er damit fertig werden. »Ich benötige Ruhe«, erklärte er, um sich Zeit zum Nachdenken zu verschaffen. »Kann ich irgendwo wenigstens eine Stunde schlafen?« »Das ist kein Problem«, entgegnete Gent leman-Maicol. Die 87 Roboter setzten sich
46 in Bewegung und führten Kennon und Raza mon zu einer Kuppel. In dieser befand sich ein einfach eingerichteter Raum mit zwei Liegen. Aus verborgenen Lautsprechern tön te leise Musik. »Hier haben Sie Ruhe«, erklärte Maicol. »Wir werden in einer Stunde zurückkehren und Sie wecken.« Die Tür schloß sich. Razamon und Ken non waren allein. Seufzend ließ sich der Ter raner auf eine Liege sinken. »Willst du wirklich schlafen?« fragte der Atlanter. »Natürlich nicht. Ich will nur in Ruhe nachdenken.« »Es gibt im Grunde genommen nur eine Möglichkeit. Wir müssen uns einen Zugor besorgen und damit verschwinden.« »Das hilft nichts, Razamon. Einige Robo ter können fliegen. Ich habe es gesehen. Sie würden uns folgen und den anderen zeigen, wo wir geblieben sind. Nein, wenn wir das Problem lösen wollen, dann müssen wir bei Maicol direkt ansetzen.« »Du meinst, wir müssen ihn mit anderen Schaltplänen versehen?« »Ein anderer Ausweg bleibt jetzt wohl nicht mehr«, erwiderte Kennon-Grizzard. »Die Frage ist nur, woher wir die Schaltun gen bekommen.« »Ich denke, wir sollten uns an den Groß bürger wenden.« »Aber wie? Wir können doch nicht hin ausgehen und Maicol erklären, daß wir zu Trailer wollen. Maicol ist nicht dumm. Er rechnet die Möglichkeiten durch und hat nach einer Sekunde das Ergebnis.« »Dann meinst du also, daß wir in einer Falle sitzen, aus der wir nicht mehr heraus kommen? Etwas anders hatte ich mir unse ren Ausflug nach Wolterhaven schon vorge stellt.« Sinclair Marout Kennon blickte auf den Boden. Der Bezirk Maicols lag auf einer der untersten Plattformen, etwa einhundert Me ter über dem morastigen Boden. Der Bereich des Großbürgers Trailer befand sich etwa fünfzig bis sechzig Meter höher.
H. G. Francis »Moment mal«, sagte er. »Warum müssen wir denn unbedingt oben gehen? Vielleicht gibt es eine Möglichkeit, von unten an Trai ler heranzukommen?« Er erhob sich und untersuchte den Fußbo den des Raumes. Schon wenig später hatte er entdeckt, wie die Bodenplatten gelöst werden konnten. Sie waren mit einfachen Klemmen befestigt, die sich leicht heraus ziehen ließen. Razamon sah ihm zu, bis er eine Öffnung geschaffen hatte, durch die er hinabklettern konnte. »Da ist ein Gitter«, sagte Kennon und ließ sich hinab, bis nur noch sein Kopf aus der Öffnung ragte. Er bückte sich, sah sich um und richtete sich danach wieder auf. »Das Gitterwerk setzte sich unter den Bodenplat ten fort. Wir könnten also versuchen, von unten an Herrn Trailer heranzukommen.« Razamon hielt sich die Nase zu. »Das stinkt bestialisch«, sagte er. »Die Verwesungsgase werden uns betäuben.« »Dann gehe ich eben allein. Bis später.« »Davon war keine Rede«, protestierte der Atlanter und kletterte ebenfalls durch die Öffnung. »Ich bleibe bei dir.« Er ließ sich auf die Knie sinken und sah sich um. Er stellte fest, daß Kennon richtig beobachtet hatte. Ein Gewirr von Trägern und Verstrebungen stützte das Gebäude von Wolterhaven. Sie bildeten ein dichtes Gitter werk, über das sie hinwegklettern konnten. Die Abstände zwischen den einzelnen Ver strebungen betrugen meist nur einen oder zwei Meter. »Wir versuchen es«, entschied Razamon. »Wenn es nicht klappt, können wir immer noch umkehren.« Er übernahm die Führung. Rasch und ge schickt bewegte er sich vorwärts. Er sprang von Metallstrebe zu Metallstrebe. Kennon folgte ihm dichtauf, so daß er Razamon je derzeit zu Hilfe kommen konnte, falls er in Schwierigkeiten geriet. Sie konnten nur wenig sehen. Das Licht reichte jedoch aus, die Streben zu erkennen. Als sie etwa fünfzig Meter weit gekom men waren, rutschte Razamon plötzlich aus.
Die Robotfürsten Er glitt über eine Metallstrebe hinweg, warf sich jedoch gedankenschnell herum und klammerte sich an das Eisen. »Vorsicht«, brüllte er Kennon zu, doch dieser war zu dicht hinter ihm und sprang bereits. Auch er fand keinen Halt auf dem Eisen, war jedoch rechtzeitig gewarnt, daß er seine Haltung noch im Sprung ändern und sich mit den Armen abfangen konnte. Raza mon hangelte sich schon wieder nach oben. Er half dem Terraner, der fluchend seine Hand schüttelte. »Verdammt, tut das weh«, sagte Kennon und rieb sich das Handgelenk. »Ist etwas gebrochen?« »Zum Glück nicht.« Kennon kniete auf dem Metall, das von Vogelmist beschmiert war. Er blickte nach unten. Die Vögel, die zwischen den Metallstreben nisteten, wate ten durch den Sumpf und suchten ihn nach Beute ab. »Weiter. Wir haben keine Zeit.« Von jetzt an eilten sie weniger schnell voran. Zumal das Licht immer schlechter wurde. Dann erreichten sie die erste Stufe. Der Boden des von Breita beherrschten Bereichs lag deutlich höher, so daß sie nach oben klettern mußten. Jetzt kamen sie nur noch langsam voran. Die Zeit verstrich viel zu schnell, und die Stundenfrist verrann. Sie trieben sich gegenseitig an, doch wur de es bald so dunkel, daß sie sich nur noch Schritt für Schritt vorantasten konnten. »Was tut Maicol, wenn die Stunde um ist und er uns nicht mehr vorfindet?« fragte Razamon. »Er wird das Loch sofort ent decken. Und was macht er dann?« »Vermutlich schickt er uns einen fliegen den Roboter hinterher«, erwiderte Kennon. »Ich weiß jedoch nicht, ob das dann noch in freundlicher Absicht geschieht.« »Bestimmt nicht. Der Bursche ist emp findlich.« Wiederum ging es senkrecht nach oben. Sie näherten sich der Plattform des Großbür gers. Die Stundenfrist war abgelaufen. Razamon und Kennon waren am Ende ih
47 re Kräfte. Jetzt war es so dunkel, daß sie so gut wie nichts mehr sehen konnten. Sie be wegten sich tastend voran. Hin und wieder blitzte es tief unter ihnen auf. Der Morast befand sich mittlerweile fast zweihundert Meter unter ihnen, und eine geheimnisvolle Tierwelt bewegte sich dort. Sie erzeugte die Lichter. »Wir müssen die Platten lösen«, sagte der Atlanter. »Und zwar schnell.« Er stieß mit der Faust gegen eine der Plat ten über sich, konnte sie jedoch nicht bewe gen. Kennon, der auf einer kaum fußbreiten Metallstrebe stand, fuhr mit den Fingerspit zen an den Rändern einer Platte entlang, bis er auf eine Klammer stieß. Er rüttelte daran, bis sie herausfiel. Dann glitten seine Finger weiter zur nächsten. Als er auch sie entfernt hatte, ließ sich die Platte nach oben drücken. Helles Licht flutete herein. Aufatmend blickte Kennon nach oben. Über ihm stand ein humanoider Roboter und zielte mit zwei Energiestrahlern auf ihn. »Nicht doch«, sagte der Terraner. »Wir kommen in friedlicher Absicht, hatten je doch keine andere Möglichkeit, bis hierher vorzudringen. Ich gebe zu, daß es nicht ge rade höflich ist, durch die Hintertür zu kom men, aber es ging nicht anders.« Der Roboter trat zur Seite, und Kennon kroch durch die Öffnung auf sicheren Bo den. Razamon folgte ihm. Sie befanden sich in einem kugelförmigen Raum, in dessen Zentrum eine etwa dreißig Zentimeter hohe Statue aus einem rötlichen Material schweb te. »Was wollt ihr?« fragte der Roboter. Kennon ließ sich auf den Boden sinken. »Ich war so töricht, Robotbürger Maicol um einen Gefallen zu bitten«, erwiderte er. »Herr Maicol war auch dazu bereit – leider in einem Umfang, der es mir unmöglich macht, Wolterhaven zu verlassen. Herr Mai col möchte mich mit seinen sämtlichen Die nern begleiten. Das sind immerhin 87. Wenn ich damit vor der FESTUNG aufziehe, er öffnen die Söhne Odins das Feuer auf
48 mich.« »Das ist allerdings zu befürchten«, erklär te der Robotbürger mit den Sprachwerken seiner wehrhaften Außenstation. »Herr Maicol ist zu hilfsbereit, zu liebens würdig. Ich kann seine Hilfe nicht ausschla gen, ohne ihn zu beleidigen. Gerade das aber möchte ich nicht.« »Ich, Trailer, bin Großbürger von Wolter haven und damit auch für die anderen Bür ger verantwortlich«, entgegnete Trailer. »Das begreife ich ja«, sagte Kennon, »aber welchen Rat haben Sie für mich, Großbürger.« »Gar keinen. Ich werde euch einen Zugor zur Verfügung stellen, und ihr werdet Wol terhaven verlassen.« »Dann folgen uns die fliegenden Robot stationen von Herrn Maicol«, wandte Raza mon ein. »Das werden sie nicht tun«, versprach der Großbürger. »Ich habe inzwischen einge griffen und dafür gesorgt, daß Herr Maicol ein Erfolgserlebnis hat, das ihn mehr be schäftigt als alles andere.« »Ich verstehe nicht«, sagte Kennon. »Was für ein Erfolgserlebnis?« »Sieh selbst.« Die Statue im Mittelpunkt des Raumes verschwand. An ihrer Stelle erschien die Projektion eines kugelförmigen Roboters, der von anderen Robotern umgeben wurde. Die zweite Kugel, die dazugehörte, konnte Kennon nicht sehen, weil sie von den Robot dienern verdeckt wurde. »Wer ist das?« fragte Razamon. »Hört selbst.« Es knisterte und knackte in den verborge nen Lautsprechern. Dann hallte die Stimme von Herrn Maicol in den Raum. »… sage ich euch, meine Sklaven, daß ich, König und Kaiser von Pthors Gnaden, bald die Geschicke von Wolterhaven in mei ne Hand nehmen werde. Ich werde ein Im perium errichten, das Einfluß nehmen wird auf ganz Pthor und Wolterhaven zu einer Stadt erheben wird, von der das Universum spricht.«
H. G. Francis Großbürger Trailer schaltete erst den Ton aus, dann ließ er das Bild verschwinden. Die Statue kehrte dafür zurück. »Muß ich noch mehr verraten?« fragte er mit einer Stimme, die erkennen ließ, wie be lustigt er war. »Ich habe mir erlaubt, Herrn Maicol mit einer anderen Schalteinheit zu versorgen. Jetzt hält sich der Herr tatsäch lich für einen König und Kaiser. Man könnte sagen, er ist größenwahnsinnig geworden. Unter diesen Umständen kommt er natürlich nicht mehr auf den Gedanken, euch seine 87 Leibeigenen zur Verfügung zu stellen. Er braucht sie dringend, wenn er die Geschäfte seines Hofes bewältigen will. Denken Sie nur daran, welche Verpflichtungen er gegen über der Gesellschaft hat. Er muß alle Ro botbürger empfangen und ihnen erklären, wie die neuen Zeiten aussehen, die durch ihn angebrochen sind.« Kennon-Grizzard stöhnte. »Ich habe immer gedacht, daß ich etwas von Robotpsychologie verstehe«, sagte er. »Jetzt weiß ich überhaupt nichts mehr.« »Das macht nichts«, antwortete Trailer. »Verlassen Sie sich darauf, daß wir Herrn Maicol auf den Boden der Tatsachen zu rückholen. Er wird in nicht allzu ferner Zu kunft wieder ganz normal sein.« »Dann wird hoffentlich eine Zeit intensi ver Zusammenarbeit beginnen«, bemerkte Kennon. »Wir sind daran interessiert, daß die Robotbürger wieder Kursberechnungen für Pthor übernehmen.« Kennon verriet noch nicht, daß die Robo ter Flugrouten berechnen sollten, die im Sinne Atlans und seiner Freunde waren. Später einmal, wenn man die Steuerbezirke von Pthor voll kontrollieren konnte, würde man sich dieser Berechnung bedienen. »Wir werden den Auftrag erfüllen«, ver sprach Trailer. Kennon nickte befriedigt. Von Razamon wußte er, daß es Atlans Ziel war, ganz At lantis zu beherrschen und dann mit Hilfe dieses Instruments alles von den alten Her ren der FESTUNG begangene Unrecht wie dergutzumachen. Zu diesem Zweck wollte
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Atlan die Stationen, auf denen Pthor bisher Angst und Schrecken verbreitet hatte, anflie gen und dort die Ordnung wiederherstellen. Später, so wußte Kennon, wollte Atlan das übel an der Wurzel packen und in die Schwarze Galaxis vordringen, um danach zur Erde zurückzukehren. Dieses Ziel lag je doch angesichts der augenblicklichen Situa tion noch in weiter Ferne. Obwohl sich Kennon darüber klar war, gab er zusammen mit Razamon die entspre chenden Instruktionen an Robotbürger Trai ler. Danach bat er um einen Zugor. Trailer erwiderte: »Es ist mir eine Ehre, den Rettern von Wolterhaven zu helfen.«
Kennon zuckte zusammen. Eine Tür öff nete sich. Er blickte hinaus. Er fürchtete, Hunderte von hilfsbereiten Robotdienern zu sehen, doch er irrte sich. Draußen stand nur ein Zugor. »Gehen wir«, sagte Razamon leise. »Schnell. Bevor er es sich anders überlegt.« »Zur FESTUNG?« »Klar. Wenn wir Glück haben, finden wir Atlan dort.«
E N D E
ENDE