Glenn E. Markoe
DIE PHÖNIZIER Aus dem Englischen von Tanja Ohlsen
Frontispiz: Mumiensarkophag Eschmunazars II., Köni...
672 downloads
1598 Views
7MB Size
Report
This content was uploaded by our users and we assume good faith they have the permission to share this book. If you own the copyright to this book and it is wrongfully on our website, we offer a simple DMCA procedure to remove your content from our site. Start by pressing the button below!
Report copyright / DMCA form
Glenn E. Markoe
DIE PHÖNIZIER Aus dem Englischen von Tanja Ohlsen
Frontispiz: Mumiensarkophag Eschmunazars II., König von Sidon, Libanon, mit Inschrift. Magharet Ablun, Sidon, erste Hälfte 5. Jahrhundert v. Chr. Für meine Schwester Merrill und meine Söhne Carey und Noah Bibliografische Information Der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet unter http://dnb.ddb.de abrufbar. Umschlaggestaltung: Atelier Reichert, Stuttgart, unter Verwendung von Abbildungen von David Lees/Corbis (Nekropole von Mozia, Sizilien) und von Gianni Dagli Orti/Corbis (Phönizische Büste aus Sardinien, 5. Jahrhundert v. Chr.) Originalausgabe Peoples of the Past – Phoenicians © 2000 The Trustees of The British Museum Published by The British Museum Press A division of The British Museum Company Ltd 46 Bloomsbury Street, London WC1B 3QQ. All rights reserved Übersetzung: Tanja Ohlsen, Leybuchtpolder © für die deutschsprachige Ausgabe: Konrad Theiss Verlag GmbH, Stuttgart 2003 Alle Rechte vorbehalten Lektorat: Andrea Welk, Weißenfels Satz und Gestaltung: juhu media, Susanne Dölz, Bad Vilbel Druck und Bindung: Himmer Druck und Verlag, Augsburg ISBN 3–8062–1816–1
INHALT Karten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6 Einleitung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
11
Geschichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21 Die Stadt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 139 Wirtschaft: Handel und Industrie . . . . . . . . . . . 193 Sprache und Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . 227 Religion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 241 Materielle Kultur. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 303 Außenhandelsbeziehungen . . . . . . . . . . . . . . . 359 Epilog . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 405 Anhang: Überblick über die Städte in der phönizischen Heimat. . . . . . . . . . . . . 417 Bibliografische Angaben . . . . . . . . . . . . . . . . 451 Anmerkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 459 Glossar. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 481 Register . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 483 Zeittafel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 491 Danksagung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 493 Bildnachweis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 494
Einleitung
Die Phönizier: Heutzutage ruft dieser Name unterschiedliche Bilder hervor – er ist Spiegel einer ambivalenten Vergangenheit. In der Antike wurden sie gleichermaßen verehrt und verachtet und sie stellen eines der großen Rätsel der alten Welt dar. Sie wurden gepriesen als gelehrte Schreiber, die das moderne Alphabet überlieferten, als kühne Seefahrer und unerschrockene Entdecker, die die Grenzen der antiken Welt neu zogen, als geschickte Ingenieure, die monumentale Häfen und Städte errichteten, und als begabte Handwerker, deren vortreffliche Werke den Neid von Königen hervorriefen. Im 8. Jahrhundert lobte der griechische Dichter Homer das überlegene Handwerk der Sidonier, deren silbernes Mischgefäß, das Achill als Preis bei den Leichenspielen des Patroklos aussetzte, an Schönheit und Qualität seinesgleichen suchte. Doch für dieselben Fähigkeiten, für die man die Phönizier bewunderte, wurden sie auch verachtet und verspottet. Man bezeichnete sie als Betrüger und Hausierer, denen man nicht trauen konnte, als unersättliche Wucherer und skrupellose Profiteure, die Hilflose entführten und mit Menschen handelten, als ausschweifendes und moralisch verdorbenes Volk, das seine Töchter prostituierte und seine Kinder zu Ehren seiner Götter schlachtete. Das abschätzige Bild der Phönizier als Intriganten und Ränkeschmiede hat sich in der modernen englischen Umgangssprache er
halten. »Jezebel«, heute die Bezeichnung für eine schamlose Frau, war eine Prinzessin aus Tyros. Wer aber waren die Phönizier? Abgesehen von ihren semitischen Wurzeln ist ihre ethnische Identität ein Rätsel. Selbst ihr antiker Name ist nicht greifbar. Die moderne Bezeichnung »Phönizier« ist eigentlich eine griechische Erfindung, die sich aus dem Wort phoinix ableitet, dessen eigentliche Bedeutung in der Wissenschaft umstritten ist. Unter anderem bezeichnet es die Farbe Purpurrot oder Blutrot, ein Hinweis auf die rötliche Farbe ihrer Haut oder auch auf die Produktion des wertvollen Purpurfarbstoffes. Wie sich die Phönizier selber nannten, kann man nur vermuten: Die antike Bezeichnung »Kanaaniter« stellt die wahrscheinlichste Möglichkeit dar. Auch ihre Herkunft bleibt ein Geheimnis. Die antiken Überlieferungen verbinden sie mit den Gebieten am »Roten Meer« (der alte Name für den Persischen Golf), heute weisen Wissenschaft ler diese Verbindung als einen Versuch, einen Zusammenhang mit der Farbe Rot herzustellen, zurück. Das Problem der ethnischen Identität wirft eine noch schwierigere Frage auf: Hatten die Phönizier überhaupt eine nationale Identität? Tyros, Sidon, Byblos und Arwad waren unabhängige, erbittert rivalisierende Städte, die außer im Falle einer gemeinsamen Bedrohung selten zusammenarbeiteten. Das Alte Testament spricht von Tyrern, Sidoniern, Bybliern und den Bewohnern Arwads, es gibt keinen einzigen Hinweis auf ein phönizisches Bündnis oder einen Staat. Wir können heute nicht beurteilen, welche Gemeinsamkeiten sie verband, wenn es überhaupt
welche gab. Auch geographisch lassen sich die Phönizier nicht leichter zuordnen. Den antiken Autoren nach siedelten sie an der gesamten levantinischen Küste zwischen dem Suez und dem Golf von Alexandretta. Tatsächlich war das Kernland jedoch bedeutend kleiner, es bestand aus einem schmalen Küstenstreifen zwischen dem Libanongebirge und dem Mittelmeer zwischen Nordpalästina und dem Süden von Syrien, einem Gebiet also, das etwas größer war als der heutige Libanon. Diese Ambivalenz lässt vermuten, dass die Bezeichnung »Phönizier« in der Antike generell auf alle seefahrenden semitischen Händler angewandt wurde. Doch liegt gerade in diesem Dualismus die historische Realität. Anders als ihre syrischen oder palästinischen Nachbarn bildeten die Phönizier eher ein Handelsbündnis als einen Staat, der sich durch Territorialgrenzen definierte. Ihr Herrschaftsbereich war weniger ein geographisches Gebiet als eine Reihe weit verstreuter Handelsgemeinschaften. Ihre Umgebung wurde nicht durch das Territorium, sondern durch den Seehandel bestimmt. In vielerlei Hinsicht kann man die Phönizier als verlorene Zivilisation bezeichnen. Ihre Geschichte und Mythologie, mit viel Fleiß auf Papyrusrollen aufgezeichnet, sind verloren, sie wurden Opfer menschlicher Intervention und einer kompromisslosen Umgebung. Kein einziges phönizisches Manuskript ist im Original oder in einer Übersetzung erhalten. Die großen Bibliotheken von Tyros und Karthago sind längst verschwunden, Opfer der Angriffe von Mazedonen und Römern. Genauso erging es den Berichten aus Ge
schichte und Wirtschaft, die in Palästen und Tempelarchiven verwahrt wurden. Ein reichhaltiger Fund von Papyrussiegeln aus Ton, der kürzlich bei Karthago entdeckt wurde, legt ein schemenhaftes Zeugnis einer dieser Sammlungen ab, die in dem 146 v. Chr. von den Römern gelegtem Feuer verloren ging. Es ist ein Zeichen höchster Ironie, dass von dem Volk, das dem Westen das Alphabet überlieferte, ein so kümmerliches schrift liches Erbe hinterlassen wurde. Im Hinblick auf die Geschichte der Phönizier muss man sich demnach auf die vereinzelten Zeugnisse anderer verlassen, unterstützt von einer wachsenden Zahl archäologischer Funde. Die wichtigsten Quellen, die Bibel, die Annalen der Assyrer sowie griechische und lateinische Autoren, beleuchten die militärischen und wirtschaftlichen Angelegenheiten der Phönizier (da sie sich auf Ereignisse der klassischen Antike und des Nahen Ostens beziehen), erzählen jedoch wenig von ihrer politischen, sozialen und wirtschaft lichen Entwicklung. Bezüglich der Religion bieten phönizische Gedenkinschriften – formelhafte Weihinschriften auf Grabsteinen – wenig mehr als lediglich die Namen der Weihenden und der Götter, für die sie errichtet wurden. Das Alte Testament liefert zwar Informationen, jedoch in nur geringer Zahl und auch einseitig. Aus den vereinzelten Inschriften kann man teilweise die verschiedenen Herrscherdynastien rekonstruieren, die Tyros, Sidon, Arwad und Byblos regierten. Kann man jedoch keine Daten und Ereignisse mit ihnen in Verbindung bringen, so sind sie kaum mehr als bloße Auflistungen von Königsnamen.
Die folgende Darstellung konzentriert sich auf die Kontinuität der Überlieferung, die die phönizische Geschichte über mehr als 1200 Jahren charakterisiert, vom Beginn der Spätbronzezeit (ca. 1550 v. Chr.), als die phönizischen Städte (mit Ausnahme von Byblos) als städtische Einheiten hervortraten, bis zum Beginn der hellenistischen Periode um das Jahr 300 v. Chr. In dieser Hinsicht weicht das vorliegende Buch von früheren Untersuchungen ab, die die phönizische Kultur als Phänomen der frühen Eisenzeit betrachten, das sich zu Beginn des 1. Jahrtausends v. Chr. herausbildete, zur Zeit Salomons und König Hirams. Nach diesen Studien traten die Phönizier im 11. Jahrhundert als eine durch ihre Sprache und kulturelle Tradition bestimme Einheit auf. Zwar erlangte Tyros unter Hiram im 10. Jahrhundert eine neue und wichtige politische Rolle, doch soll dies keineswegs das »Anfangskapitel« der Geschichte dieser Stadt sein. – Wie ägyptische und nahöstliche Dokumente zeigen, blühten Tyros und seine Nachbarstädte in der vorausgehenden Spätbronzezeit wirtschaft lich auf. Unser Wissen aus dieser Zeit ist begrenzt und beschränkt sich im Wesentlichen auf Hinweise in antiken Briefen aus Syrien (Ugarit) und Ägypten (Amarna), doch ist belegt, dass an der phönizischen Küste aktive, ja florierende Handelshäuser bestanden. In vielerlei Hinsicht ähnelten sie ihren eisenzeitlichen Nachfahren, denn sie wurden von den gleichen Institutionen gelenkt und waren den gleichen wirtschaftlichen Bedenken unterworfen. Die archäologischen und epigraphischen Funde aus der späten Bronze- und darauf folgenden frühen Eisen
zeit legen in Bezug auf Religion, Wirtschaft, Sprache und Kultur immer deutlicher eine gewisse Kontinuität nahe. Vergleicht man die frühe Eisenzeit mit der Zeit davor, gibt es tatsächlich wenig wirklich Neues. Die frühe byblische Phönizieralphabetschrift entstammt einer älteren Entwicklung im Reich der Kanaaniter, auch bestimmte Techniken der Töpferei und des Hausbaus hatten Vorläufer und selbst die berühmte Purpurindustrie der Phönizier geht auf die späte Bronzezeit zurück. Allem archäologischen Zeugnis nach zu urteilen, vollzog sich der Übergang von der späten Bronzezeit zur frühen Eisenzeit an der phönizischen Küste nicht in einem abrupten oder gar radikalen Wandel der Zusammensetzung der Bevölkerung oder der politischen Organisation. Aus bislang nicht vollständig bekannten Gründen scheinen die großen Unruhen, die von den einfallenden »Seevölkern« in anderen Teilen der Levante im frühen 12. Jahrhundert v. Chr. verursacht wurden, auf die Städte an der phönizischen Küste nur geringen Einfluss gehabt zu haben. Allem Anschein nach waren die phönizischen Städte der Eisenzeit – von Tyros bis Arwad – die direkten Nachkommen ihrer kanaanitischen Vorläufer. Eines verbindet die ansonsten unterschiedliche Geschichte der phönizischen Städte – der Seehandel. Für das Volk auf dem schmalen Küstenstreifen mit begrenzten Möglichkeiten zur Landwirtschaft bot sich das Meer als Handelsweg geradezu an. Schon früh wurde das Potenzial für wirtschaft liches Wachstum erkannt, nicht nur als Mittel zum Austausch, sondern als Weg zur Prospektierung in anderen Ländern. In dieser Hinsicht kann man die Ge
schichte der phönizischen Städte gut mit jener der norditalienischen Stadtstaaten Venedig, Genua und Pisa in der frühen Renaissance vergleichen. Wie bei den Phöniziern stand ihre Geschichte im Zeichen starker wirtschaftlicher Rivalität. Das wirtschaftliche Schicksal von Venedig und Genua war wie das von Tyros und Sidon unzertrennbar mit der Realpolitik ihrer Zeit verbunden. Wie Genua im 13. Jahrhundert war auch Tyros Sitz eines Handelsimperiums, welches das gesamte Mittelmeer umfasste. Letztendlich wird man sich an die Phönizier als Seefahrer erinnern. In einer Zeit lange vor der Erfindung des Kompasses beherrschten die phönizischen Segler die Wasserstraßen, stellten sich trügerischen Winden und Riffen, um bis dahin unbekannte Gebiete zu erforschen. Die Archäologie bestätigt, dass ihr Herrschaftsbereich das Mittelmeer umfasste. Wie weit darüber hinaus sie kamen, ist jedoch reine Spekulation. Dem griechischen Historiker Herodot zufolge segelten phönizische Segler auf Geheiß des Pharao Necho (610–595 v. Chr.) um Afrika herum, ein schwieriges Unterfangen, für das sie drei Jahre brauchten. Erst 2000 Jahre später, im Jahre 1498, sollte das Horn von Afrika von den Portugiesen unter Vasco da Gama ein weiteres Mal umrundet werden. Mit ihren Schiffen aus »Tarschisch« segelten die Phönizier über das Rote Meer in das goldbedeckte Ophir, ein fernes biblisches Land, dessen historische Existenz heute durch eine Inschrift auf einer Keramikscherbe aus Israel belegt ist. Seine Lage ist noch umstritten, Indien steht zur Debatte, Südarabien oder Ostafrika erscheinen aufgrund ihrer geographischen Lage allerdings wahrscheinlicher.
Phönizische und karthagische Seehändler wagten sich weit über die Straße von Gibraltar, die antiken »Säulen des Herkules« an den Küsten von Spanien und Marokko, hinaus. Auf der Jagd nach Zinn überquerte der Seefahrer Himilko aus Karthago angeblich den Ärmelkanal und landete an der Südküste Britanniens, vielleicht kam er sogar noch weiter. Doch es bleibt die irritierende Frage: Wie weit wagten sich die Phönizier auf das offene Wasser des Atlantiks? Kamen sie tatsächlich bis zu den fernen Azoren wie der angebliche (und unbestätigte) Fund von karthagischen Münzen nach einem spanischen Bericht aus dem 18. Jahrhundert vermuten lässt? Und wenn dies der Fall war, könnten sie dann, getrieben von den Atlantikwinden und dem Kanarenstrom, auch weiter gekommen sein, bis zum amerikanischen Kontinent? Die Antwort darauf wird man wahrscheinlich nie finden. Beweise in Form einer Inschrift wie der berühmte phönizische Text, der angeblich im brasilianischen Paraiba gefunden wurde, bleiben höchst unwahrscheinlich. Letzterer erzählt von der Landung von Seeleuten aus Sidon nach einem Sturm und ist längst als geschickte Fälschung entlarvt worden.1 Wurde eine solche schicksalsträchtige Expedition tatsächlich unternommen, würde man den Beweis dafür wahrscheinlich eher in Form einiger phönizischer Keramikscherben finden. Die vorliegende Untersuchung umfasst zwei verschiedene Geschichten: die der Phönizier im östlichen Mittelmeer (der »phönizische« Kreis) und die der Karthager im Westen (der »punische« Kreis). Indem die beiden Geschichten durchgehend separat behandelt werden, wur
de versucht, beiden gerecht zu werden. Aus Platzgründen wurde jedoch das Hauptaugenmerk auf die Phönizier im Osten gelegt, auf jenes Thema also, das bis vor kurzem zugunsten des punischen Westens stark vernachlässigt wurde. In den beiden letzten Jahrzehnten wurden in Bezug auf Archäologie und Geschichte im phönizischen Mutterland große Fortschritte gemacht, was eine Neubewertung der Phönizier in ihrer Heimat zur Folge hatte. In diesem Buch sollen die neuen Funde berücksichtigt werden. Ein Wort noch zur Interpretation der biblischen Quellen. Die augenblicklich stattfindende Diskussion um die Wahrheit der biblischen Texte um Hiram und Salomon ist dem Autor bekannt, die vorliegende Publikation basiert jedoch auf der bislang geltenden Annahme, dass die Erzählung im Wesentlichen historisch korrekt ist. Wie alle Untersuchungen zu den Phöniziern sollte dieses Buch als »Zwischenbericht« betrachtet werden. Zweifellos werden künftige Funde wie die, die derzeit in Karthago und Tyros gemacht werden, die hier gezogenen Schlüsse untermauern oder ihnen auch widersprechen. Ich hoffe, dass dieses Buch zu weiteren Diskussionen und Debatten anregt und zu einem besseren Verständnis des Rätsels um die Phönizier beitragen wird.
GESCHICHTE Die späte Bronzezeit Wie im gesamten Nahen Osten markierte das Ende der mittleren Bronzezeit auch in der Levante einen historischen Wendepunkt. Irgendwann in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts v. Chr. gaben die Hyksos, eine Gruppe Kanaanitisch sprechender Völker aus Syrien/Palästina, ihre Macht in Ägypten auf. Ihr Verschwinden leitete dort eine lange und erfolgreiche Zeit einheimischer Herrscher ein, das so genannte Neue Reich. Gemeinsam mit den Ägyptern und den Hethitern spielten die Hurritisch sprechenden Völker im Königreich von Mitanni in Syrien in der geschichtlichen Entwicklung der spätbronzezeitlichen Levante eine herausragende Rolle. Die von den Archäologen an verschiedenen Orten dieses Gebietes entdeckten Brand- und Zerstörungsschichten dokumentieren den Verlauf der ägyptischen Militärinterventionen in Syrien/Palästina nach der Vertreibung der Hyksos. Unter Thutmosis III. (1479–1425 v. Chr.), dessen Kriege den Grundstein für das westasiatische Imperium der Ägypter legten, nahmen diese militärischen Vorstöße an Stärke noch zu. Die Bedeutung der phönizischen Küste in den Annalen von Thutmosis ist bezeichnend. Während seines fünften Feldzuges stieß die ägyptische Armee in die Küstenebene nördlich von Akkar (Arqa) und auf die Städte in der
Flussebene des Eleutheros vor. Die Akkar-Ebene war der einzige Durchgang zwischen dem Libanongebirge im Süden und den Jabal el-Ansariyeh-Bergen im Norden und diente als Hauptverbindung zwischen der Mittelmeerküste und dem syrischen Inland. Frühe Geschichtsbücher bezeugen die strategische Bedeutung dieses Flusskorridors (heute Homs-Senke genannt), der einen direkten und leichten Zugang zum Orontes und damit zum mittleren Euphrat gewährte. Größere phönizische Städte in dieser Gegend wie Byblos und Arwad waren für Thutmosis’ Versuch, die Herrschaft in der zu dieser Zeit von den Mitanni regierten Region Amurru zu erlangen, von entscheidender Bedeutung. Thutmosis’ Bemühungen gipfelten in der Einnahme der Küstenstadt Ullasa an der Mündung des Eleutheros. Von dort aus richtete der ägyptische Herrscher seine Unternehmungen nach Norden auf die Häfen an der phönizischen Küste bis nach Amrit aus. Es wird zwar nicht ausdrücklich beim Namen genannt, doch es ist wahrscheinlich, dass der Inselhafen von Arwad (dem heutigen Ruad) zu Thutmosis’ Inspektionsroute gehörte. Mit seinen beiden geschützten Häfen war Arwad der sicherste und verlässlichste Anlaufpunkt an der gesamten syrischen Küste nördlich von Byblos. Bereits zu Thutmosis’ Zeiten war es aufgrund seiner idealen Lage für den Küsten- und den Binnenhandel eine blühende Hafenstadt. Ähnlich wie Byblos im Süden war Arwad auf den Zugang zum Eleutheros-Tal angewiesen, das eine direkte Verbindungslinie mit dem Inland darstellte. Durch diesen Binnenkorridor über Tripolis wurde Byblos, das kei
nen direkten Zugang zum Hinterland hatte, im frühen 2. Jahrtausend zu einer wichtigen Schnittstelle des Handels zwischen Mesopotamien und Ägypten. Tatsächlich stand Byblos im Mittelpunkt zweier phönizischer Handelsgebiete. Das erste erstreckte sich nördlich von Tripolis und war hauptsächlich auf Syrien und Mesopotamien ausgerichtet, während das zweite südlich von Beirut lag und sich zur Küstenebene Palästinas und nach Ägypten hin orientierte. Wie sich zeigen wird, spielte die unterschiedliche Ausrichtung der beiden Gebiete bei der Entwicklung der phönizischen Küstenstädte in der späten Bronzezeit eine große Rolle.
Byblos – ein Ausnahmefall Mit der möglichen Ausnahme von Arwad, dessen archäologische Vergangenheit ein Rätsel bleibt, ist Byblos die einzige phönizische Küstenstadt mit nachweislich durchgehender Besiedlung von der frühen Bronzezeit bis ins 1. Jahrtausend v. Chr. Die geschichtlichen und archäologischen Spuren beweisen, dass die Stadt im frühen 2. Jahrtausend v. Chr. (im 19. und 18. Jahrhundert), als sie zusammen mit Ugarit als wichtigster Warenumschlagplatz am östlichen Mittelmeer mit direkten Handelsverbindungen nach Ägypten, der Ägäis und Mesopotamien diente, den Höhepunkt ihres wirtschaft lichen Wohlstands erreicht hatte (siehe Tafel 1 oben). Byblos florierte auch in der späten mittleren Bronzezeit, als es vermutlich enge Handelsverbindungen mit den kanaa
Tontafel mit Keilschrift, Teil eines Briefes von Abimilki, dem König von Tyros, an den ägyptischen Hof. Tell el-Amarna, Ägypten.
nitischen Hyksos im Nildelta gab.1 Die Quellentexte zeigen deutlich, dass Ägyptens permanentes Interesse an Byblos hauptsächlich durch seinen Bedarf an Holz aus der Levante bestimmt war. Da es in Ägypten nur wenig Baumbestände mit großem Durchmesser gab, wurde versucht, diesen Bedarf im Ausland zu decken. Die Geschichtsbücher belegen, dass die Waldreserven in der Nähe von Byblos, im Tal von Nahr Ibrahim und an den nahen Hängen des Libanongebirges ihr Hauptziel waren (siehe Tafel 1 unten).2 Es überrascht nicht, dass Thutmosis bei seinen Feldzügen in der Levante dafür sorgte, dass die phönizischen Häfen ausreichend mit Holz versorgt wurden und für die jährliche Verschiff ung von Zedernholz nach Ägypten vorbereitet waren. Sein Bericht über den Bau von Schiffen aus Zedernholz in Byblos und
ihren Transport über Land an den Euphrat verdeutlicht die Dimension und die Komplexität solcher staatlich kontrollierter Operationen.
Die südphönizischen Küstenstädte Gegen Mitte des 14. Jahrhunderts v. Chr. gehörte das Gebiet von Syrien/Palästina, wie die Amarna-Korrespondenz zwischen dem ägyptischen Hof und den phönizischen Küstenstädten belegen, zu einem lockeren Verbund dreier Territorien unter ägyptischer Verwaltung. Die südphönizische Küste von Akko nach Beirut zählte zu Kanaan, einem Gebiet, das die gesamte Küste Palästinas bis zur ägyptischen’ Grenze am Sinai einschloss. Der zweite Bereich, Apu, umfasste das Binnenland des heutigen Nordisrael und des Libanon von Galiläa bis zur libanesischen Bekaa-Ebene. Die nordphönizische Küstenebene von Byblos bis Arwad bildete den dritten Teil, Amurru, mit einem Zentrum in der Akkar-Ebene zwischen der Küste und dem Fluss Orontes. Diesen nördlichen Küstenstreifen bezeichneten die Ägypter offenbar als Djahi, im Unterschied zum südphönizischen Küstenstreifen, den man als nördliche Erweiterung von Kanaan betrachtete. In den Briefen aus Amarna werden die südphönizischen Städte Tyros, Sidon und Beirut als voll entwickelte und relativ wohlhabende politische Einheiten mit etablierten Dynastien, politischen Versammlungen und Handelsflotten beschrieben. In Bezug auf ihre Verwaltung (und im großen Maße auch auf das Militär) hingen sie
zwar stark von Ägypten ab, doch in ihren interregionalen Aktivitäten zeigt sich eine bemerkenswerte Autonomie, geprägt von starker wirtschaftlicher Rivalität (besonders zwischen Tyros und Sidon). Für jede Stadt spielten der Zugang zum Hinterland und dessen Kontrolle eine entscheidende und oft umkämpfte Rolle. Außerhalb des eigentlichen Phönizien war der Einfluss der benachbarten Handelsplätze wie Ugarit, Hazor und Kadesch deutlich spürbar und spiegelt ein komplexes und lebendiges intraregionales Netzwerk wirtschaftlichen Austausches wider. Die Beziehung zwischen Byblos und der politischen Hierarchie Ägyptens wird sowohl an seiner beherrschenden regionalen Lage als auch im Umfang der Korrespondenz in den Amarna-Archiven deutlich (siehe Abb.). Tatsächlich ist sie mit ihren über 70 Briefen die größte im Amarna-Korpus. Tyros und Sidon ragen in dieser Korrespondenz ähnlich hervor (wenn sie auch nicht ganz so stark vertreten sind). In einem Brief von Rib-Adda, dem König von Byblos, an den Pharao Echnaton, in dem er den ägyptischen Herrscher vor dem ungeheuren Reichtum des »fürstlichen Hauses von Tyros« warnt, den er mit dem von Ugarit, dem reichsten der Handelsplätze am östlichen Mittelmeer, vergleicht, wird der wirtschaftliche Erfolg von Tyros deutlich. (Dass Rib-Adda poetische »Hyperbeln« verwendet, um seinen südlich benachbarten Rivalen anzuprangern, macht den Vergleich nicht weniger bezeichnend.) Aus Respekt vor der politischen und wirtschaftlichen Stellung von Tyros initiiert der byblische Herrscher ein politisches Bündnis mit dem König von Tyros, indem er ihm seine eigene Schwester zur Frau anbietet.3
Erstaunlicherweise wird in den Berichten von Thutmosis III. oder seinen direkten Nachfolgern keine der phönizischen Küstenstädte südlich von Byblos ausdrücklich erwähnt. Tyros, Sidon und Beirut treten erst in der Amarna-Korrespondenz aus der Mitte des 14. Jahrhunderts auf. Was lässt sich daraus über den Status der südphönizischen Städte in der ersten Hälfte der späten Bronzezeit (16. bis 15. Jahrhundert) schließen? In dieser Hinsicht ist der Bericht von einer früheren Besetzung in der frühen mittleren Bronzezeit von entscheidender Bedeutung. Eine in den 70er-Jahren in Tyros durchgeführte archäologische Untersuchung zeigte, dass die Insel nach einer anfänglichen Besiedlung im 3. Jahrtausend v. Chr. während der mittleren Bronzezeit aufgegeben und erst gegen Mitte des 16. Jahrhunderts v. Chr. wieder bewohnt wurde. Alle Daten aus den umliegenden Gräberfeldern weisen in die späte Bronze- und die darauf folgende Eisenzeit. In der Stadt Sarepta im Norden gibt es sichere Beweise für eine erste Besiedelung zur gleichen Zeit, etwa in der Mitte des 16. Jahrhunderts v. Chr. Ausgrabungen in Sidon und der unmittelbaren Umgebung ergaben ebenfalls keine Spuren einer Besiedelung während der mittleren Bronzezeit. Das Gleiche gilt für den angrenzenden Küstenort Dakerman, der der Stadt die längste Zeit als Hauptnekropole diente. Das spätbronzezeitliche Gräberfeld liegt hier über einer prähistorischen, chalkolithischen Siedlung. In der unmittelbaren Umgebung von Sidon gibt es eine Menge spätbronzezeitlicher Gräber. Zwar liegen auch in dieser Gegend frühere Grä
ber aus der mittleren Bronzezeit vor, die meisten Bestattungen aus dieser Zeit befinden sich jedoch weiter im Inland. In der benachbarten Küstenstadt Khaldé, südlich von Beirut, wurde bei Ausgrabungen ein spätbronzezeitlicher Gebäudekomplex gefunden, der direkt über einer Siedlung aus dem späten Chalkolithikum lag. Auch hier zeigt sich ein Hiatus in der Besiedlung während der mittleren Bronzezeit an der südphönizischen Küste.4 Die Grabungsstratigraphie von Tyros zeigt, dass die Stadt in der Mitte des 14. Jahrhunderts eine Phase neuen Wohlstands erreichte, der sich in verstärkter Bautätigkeit und industrieller Aktivität niederschlug. Zu gleicher Zeit erfreute sich auch Sarepta einer Phase intensiven industriellen und städtebaulichen Wachstums. Welche Faktoren trugen zu dieser bemerkenswerten Expansion der südphönizischen Städte bei?
Phönizierstädte und der spätbronzezeitliche Kupferhandel Die ägyptische Geschichtsschreibung belegt deutlich die wirtschaft liche Bedeutung des Zinn- und Kupferhandels im östlichen Mittelmeerraum während der späten Bronzezeit. Seit der Regierung von Thutmosis III. wurde das »asiatische Kupfer« in größeren Mengen nach Ägypten importiert.5 Hauptlieferant ist erwartungsgemäß Zypern, dessen Name, »Kypros«, im antiken Griechisch »Kupfer« bedeutet. Neben Zypern treten in den Berichten von Thutmosis allerdings auch die phönizi
schen Küstenstädte als wichtige Lieferanten auf. Im 14. Jahrhundert ist die Beteiligung der Phönizier am Kupferhandel gleichermaßen belegt. In den Amarna-Briefen erscheint Kupfer allerdings nur auf den Zolllisten der phönizischen Städte. Geologische Untersuchungen wiesen Kupfererzlager in der Gegend um Byblos nach,6 das im frühen 2. Jahrtausend v. Chr. selbst aktives Zentrum der Bronzeverarbeitung war. Örtliche Kupfervorkommen sind auch in der südlichen Bekaa-Ebene belegt, wo es eine regionale Tradition von Bronzeguss-Statuetten gab. In dieser Zeit war Byblos eine wichtige Station für den lukrativen Importhandel mit Zinn (und Lapislazuli) aus Afghanistan in den Westen. Zweifellos hielt dieser Handel während der ganzen späten Bronzezeit an und es ist sehr wahrscheinlich, dass die phönizischen Küstenstädte wirtschaft lich davon profitierten. Die ägyptische Herrschaft über die Akkar- und die Bekaa-Ebene im 14. Jahrhundert bot ihnen für diesen Handel einen gesicherten Korridor. Die Menge der in den phönizischen Küstenstädten wie Akko, Tyros und Sarepta ausgegrabenen zypriotischen und mykenischen Keramik lässt auf eine aktive Beteiligung der Phönizier am spätbronzezeitlichen Zinn- und Kupferhandel schließen. Das kürzlich gefundene Schiffswrack von Ulu Burun vor der südtürkischen Küste aus dem späten 14. oder frühen 13. Jahrhundert ist ein Beleg dafür.7 Zu der bunt gemischten Ladung mit einer großen Menge an Zinn- und Kupferbarren gehörten auch viele kanaanitische Amphoren eines Typs von der Nordküste Palästinas und der Südküste Phöniziens (die Gegend zwi
schen Haifa und Byblos). Das Schiff von Ulu Burun hatte außerdem einen großen Pithos mit Zinnstücken und mehr als 20 zypriotischen Gefäßen sowie vier Keramiklampen aus dem phönizischen Kernland an Bord. Amphoren und Lampen (Letztere sind an der syrisch-palästinischen Küste häufig zu finden, jedoch selten auf Zypern) sowie die übrige Fracht – Steine und Elfenbeinschnitzereien, Metallarbeiten und Schreibtafeln aus Buchsbaum – lassen vermuten, dass die Ladung von der phönizischen oder syrischen Küste stammte. Man kann das Aufkommen der südphönizischen Städte im 14. Jahrhundert zumindest z. T. im Kontext einer größeren politischen Neuausrichtung sehen, die sich in der Levante vollzog: der Bildung einer Entente zwischen Ägypten und dem Mitanni-Reich. Der Frieden zwischen den beiden rivalisierenden Mächten wurde etwa 1415 v. Chr. durch die Heirat von Thutmosis IV. und einer Tochter des Mitannikönigs Artatama I. offiziell besiegelt. Mit der Kontrolle sowohl über die Handelswege im Inland entlang des strategisch wichtigen unteren Orontes-Tales als auch über die gesamte Küste bis Ugarit war Ägypten nunmehr in der Lage, den Handel der Levante mit dem östlichen Mittelmeerraum zu beherrschen. Die phönizischen Küstenstädte galten in den Augen der Ägypter als »bevorzugte Städte« und profitierten bei diesen Geschäften von ihrem Unternehmertum. Die ägyptische Geschichtsschreibung und Grabmalereien aus dieser Zeit dokumentieren die Vielfalt der Handelsgüter aus der Levante, die durch diplomatische Kanäle oder auf Handelswegen nach Ägypten kamen. Es über
rascht nicht, dass vornehmlich kostbare Waren gehandelt wurden, worunter Metall und Edelsteine den Hauptteil ausmachten. Der Markt für Importe wurde durch die blühende Wirtschaft Ägyptens, die in der späten 18. Dynastie seit Amenophis (Amenhotep) III. (1391–1353 v. Chr.) stark anwuchs, sehr gefördert. Amenophis’ ehrgeiziges innenpolitisches Programm zur Erweiterung der Städte und des Tempelbaus belegt den ungeheuren Reichtum – sowohl an Handelsgütern als auch an menschlichen Ressourcen – der Ägypten im frühen 14. Jahrhundert zur Verfügung stand. Durch den Wohlstand im Frieden, landwirtschaftlichen Überschuss und einen kontinuierlichen Zustrom an Gold aus Nubien und der Wüste im Osten gestärkt, wuchs die ägyptische Staats- und Tempelwirtschaft in nie gekanntem Ausmaß und ließ riesige Reserven entstehen, die der Wirtschaft Stabilität verliehen und die finanzielle Grundlage für einen ausgedehnten Auslandshandel bildeten. Abgesehen von der Anhäufung materieller Reichtümer trugen auch andere Faktoren zu einem wirtschaftlichen Klima bei, das Ägypten zum internationalen Handel befähigte. Einer davon war die Einführung einer Verwaltungshauptstadt am unteren Nildelta in Memphis, einem für den Mittelmeerhandel günstig gelegenen Ort. Ein weiterer Faktor war die deutlich wachsende Zahl und Größe der Tempelanlagen, die wiederum zu einem höheren Bedarf an Gütern und Dienstleistungen führten. Eines der von den Ägyptern am meisten benötigten Handelsgüter – Bauholz – hatte auf die phönizische Wirtschaft eindeutig einen vorrangigen Einfluss.
Ein einschlägiger Fall: der spätbronzezeitliche Zedernhandel Wachstum und Vielfalt der ägyptischen Wirtschaft während der 18. Dynastie schufen für die phönizischen Städte einen lukrativen Markt. Nirgendwo zeigt sich dies deutlicher als im Import von Holz nach Ägypten, der seit der Zeit von Thutmosis III. schnell anstieg. Einst besaß Byblos nahezu ein Monopol darauf, doch nun schien es, als profitierten die meisten Küstenstädte der Phönizier von diesem Handel. Mit Ausnahme von Tyros hatten fast alle direkten Zugang zu großen Reserven an handelsgängigem Holz. Am Libanongebirge zwischen Sidon und Tripolis und darüber hinaus an den Hängen des Jebel el-Ansariyeh gab es ausgedehnte Zedern-, Tannen-, Pinien-, Eichen- und Wacholderwälder, außerdem waren auch die Westhänge des Antilibanon und des Hermon im Süden bewaldet8 (siehe Tafel 1 unten). Wegen seiner Haltbarkeit und seines Duftes war Zedernholz unter den verschiedenen Harthölzern, die im Libanon in der Antike geschlagen wurden, das kostbarste. Der ägyptische Markt für Zedernholz war unersättlich. Zusätzlich zu einer expandierenden Schiffsbauindustrie, die nicht nur seetüchtige Schiffe, sondern auch verschiedene Typen von Flussschiffen herstellte, musste man die unterschiedlichen Bedürfnisse der ägyptischen Tempelanlagen befriedigen. Die ägyptische Grabindustrie stellte einen weiteren lukrativen Markt dar: Zedernholz wurde für die Särge der Priesterkaste und der Elite bevorzugt, Zedernharz wurde als
Duftstoff und zur Einbalsamierung verwendet. Dabei lag der finanzielle Gewinn für die Phönizier nicht nur im Handel mit dem Holz selber, sondern auch in der Beschäftigung, die er phönizischen Handwerkern, Händlern und Seefahrern sowohl im Mutterland als auch im Ausland bot.
Die Phönizier: die Zeit nach Amarna und den Ramessiden In der späten 18. Dynastie kam es zu einer Machtverschiebung von Ägypten zum Reich der Hethiter. Der Verlust der nordsyrischen Küste von Ugarit bis Byblos war für Ägypten wirtschaft lich gesehen ein schwerer Schlag. Wie die ägyptische Verwaltung an der südphönizischen Küste in dieser Zeit strukturiert war, ist nicht klar, es gibt jedoch Hinweise darauf, dass die Region sich nun größerer Unabhängigkeit erfreute als zuvor. Diese politische Autonomie endete jedoch bereits mit der Gründung der ersten Ramessidendynastie. Im ersten Jahr der Herrschaft von Sethos I. (1306–1290 v. Chr.) sicherten sich die Ägypter rasch wieder die Kontrolle über die südphönizische Küste von Akko bis nördlich von Tyros – eine eindeutige Demonstration der wirtschaft lichen Interessen Ägyptens in dieser Gegend. Trotz wiederholter Versuche von Sethos I. und seinem Nachfolger Ramses II. blieben die strategisch wichtige Nordküste sowie die Akkar-Ebene in der Hand der Hethiter. Die Aufteilung der politischen Macht in Phönizien wurde 1269 v. Chr.
von den Ägyptern in einem Vertrag festgelegt. Ein von Ramses II. aufgestellter Grenzstein lässt vermuten, dass entweder Nahr-el Kelb oder der Fluss Dog zwischen Beirut und Byblos die Grenze bildete. Wie unter Amenophis III. war die lange und relativ friedliche Regierungszeit von Ramses II. (1290–1224 v. Chr.) eine Zeit des Wohlstands für Ägypten und das Gebiet der Phönizier. In noch größerem Ausmaß als zuvor begünstigte die wiedererstarkte tempelorientierte Wirtschaft Ägyptens die Entwicklung des staatlich geförderten Mittelmeerhandels. Archäologische wie historische Belege zeigen, dass Ägypten bei diesem Austausch zumindest z. T. selbst die Initiative ergriff. In der großen Abydos-Inschrift rühmt sich Ramses, dass er den Grabtempel seines Vaters mit einem Seeschiff (mit Kaufleuten) für den Handel mit dem Ausland ausgestattet habe. Zeitgenössische Texte zeigen, dass private Nachlässe ebenfalls Kaufleute für den Küstenhandel umschlossen. Im Grab eines dieser Kaufleute in Memphis, Pabes, findet sich eine Schilderung der Handelsgeschäfte an den Docks der Stadt, zu der auch das Ausladen eines Kupferbarrens gehört.9 Die Bautätigkeit von Ramses II. in Memphis und PiRamses (heute Qantier) im Ostdelta zeigt das Interesse der Ägypter am Handel mit der Levante. Pi-Ramses liegt über der früheren Hauptstadt der Hyksos, Avaris, am Pelusium-Arm des Nils und hat somit direkten Zugang zur levantinischen Küste. Zahlreiche Funde kanaanitischer Handelsamphoren in beiden Städten zeugen von engen Handelskontakten mit Ugarit und dem Reich
der Phönizier. Archäologische Funde und Schriften dokumentieren die aktive Präsenz levantinischer Kaufleute in Ägypten, vor allem in Memphis mit seinen großen Hafenvierteln und Werftanlagen. Altäre für Baal und Astarte aus der Ramessidenzeit zeigen, dass es dort zur Zeit Ramses’ eine phönizische Enklave gegeben haben muss (wie sie Herodot später im 5. Jahrhundert v. Chr. in Memphis beobachtete).
Die Phönizier und Zypern im 13. Jahrhundert In den phönizischen Küstenstädten lässt sich in den Schichten aus dem 13. Jahrhundert v. Chr. ein deutlicher Trend ausmachen: Keramikimporte aus Zypern nehmen gegenüber dem vorangegangenen Jahrhundert deutlich ab. Dieser Rückgang wurde bisher auf eine Verminderung der bilateralen Handelsbeziehungen zwischen Phöniziern und Zyprioten zurückgeführt. Die archäologischen Funde aus Zypern ergeben jedoch ein komplizierteres und möglicherweise ganz anderes Bild. Dort zeigt sich nämlich in neueren Ausgrabungen für das 13. Jahrhundert eine Phase intensiver städtischer und industrieller Entwicklung im direkten Zusammenhang mit der Produktion und dem Export von Kupfer. Im Hafen von Enkomi an der Ostküste Zyperns erreicht die Kupferschmelzindustrie zu dieser Zeit ihren Höhepunkt. Die Entstehung neuer Orte im Süden mit Verbindungen zur Kupferproduktion weist auf industrielle Diversifikation und Ausweitung des Handels hin.
Die Kupferbarren, die zypriotischen Werkstätten zugeschrieben werden, stammen sämtliche aus dem späten 14. oder 13. Jahrhundert. Eine große Ladung Barren aus einem Schiff, das in der späten Bronzezeit vor Kap Gelidonya an der türkischen Südküste sank, ist hier besonders bedeutsam. Die Laboranalyse ergab, dass sie wie die aus dem Wrack von Ulu Burun aus Zypern stammen. Die Ladung des Schiffes lässt stark vermuten, dass das Schiff selber, das etwa 1200 v. Chr. erbaut wurde, vom Festland der Levante oder aus Zypern stammte.10 Im 13. Jahrhundert kam Zypern im Handel mit Sizilien und Sardinien im zentralen Mittelmeerraum eine größere Rolle zu. Seine Beteiligung am Handel in der Ägäis zu dieser Zeit erklärt ein auffälliges Phänomen bei den archäologischen Funden in der Levante, nämlich das deutliche und weit verbreitete Vorkommen importierter mykenischer Keramik sowohl an der Küste als auch im Landesinneren. Das Auftreten solcher Exporte wird allgemein der wachsenden Handelsinitiative von Mykene im östlichen Mittelmeerraum zugeschrieben, archäologische und historische Belege für eine Präsenz der Mykener gibt es abgesehen von der Keramik allerdings kaum. Wie lassen sich die griechischen Importwaren in der Levante sonst erklären? Die Antwort ist, dass sie ein Nebenprodukt des Handels mit Zypern sind. In Sarepta finden sich in den Siedlungsschichten aus dem 13. Jahrhundert große Mengen bemalter mykenischer Keramik, aber praktisch keine zypriotische Ware. Dennoch zeigen andere Exportgüter aus Zypern (besonders Bronze und Fayence), dass zu dieser Zeit durchaus Handelsbeziehungen zu Ägyp
ten und der Levante bestanden. Hier, wo im gleichen Fundkontext aus dem 13. Jahrhundert mykenische Keramik auftrat, fanden sich auch zypriotische bzw. kanaanitische Waren. Die auff ällige Existenz bemalter mykenischer (IIIB) Keramik in Sarepta und anderen Küstenstädten der Levante im 13. Jahrhundert kann daher als eine direkte Folge des bilateralen Handels zwischen Zypern und dem phönizischen Festland betrachtet werden. Es ist gut vorstellbar, dass ein zypriotisches Schiff wie das von Gelidonya mit einer Ladung Kupfer und Zinn für den Markt in der Ägäis bei einem Halt an einer Zwischenstation wie Rhodos mykenische Waren aufnahm. Im Heimathafen angekommen, konnte die Ladung das Festland der Levante entweder über Zypern oder durch einen phönizischen Zwischenhändler erreicht haben. Sicherlich waren solche Unternehmer für die mykenische Keramik verantwortlich, die im Inland in der Bekaa-Ebene oder in Galiläa, z. B. in Kamid el-Loz oder in Tel Dan, gefunden wurden.
Phönizien, Ugarit und der Handel mit Mesopotamien Die großen wirtschaftlichen Ressourcen von Ugarit (es umfasste ein Gebiet von 3500 m2 mit etwa 200 Dörfern) und sein Zugang zum zinn- und silberreichen Süden Anatoliens machten es sowohl zu einem attraktiven Markt als auch zu einem Handelsrivalen für die phönizi
schen Städte. Besonders enge Handelskontakte hatte Ugarit zu den nordphönizischen Häfen von Arwad und Byblos, mit denen es regelmäßig Handel trieb. Diese Städte lieferten Ugarit nicht nur fertige Waren, sondern auch weitere Einrichtungen für die industrielle Produktion.11 Ugarit war allerdings von den Hethitern abhängig und orientierte sich wirtschaftlich nach Norden – nach Anatolien. Besonders eng waren die Handelsverbindungen mit Karkemisch und dem kilikischen Hafen Ura, dem wichtigsten Umschlagplatz der Hethiter am Mittelmeer. Auch zu Zypern unterhielt man enge Verbindungen. Während des ganzen 13. Jahrhunderts waren die Täler des Eleutheros und Orontes unter hethitischer Herrschaft. Deren Vormachtstellung bot zweifellos sichere Wege durch die Akkar-Ebene für den Handel mit Mesopotamien. Dieser Handel war sicherlich auch für die nordphönizischen Städte wie Simyra, Byblos und Arwad von Vorteil. Mitte des Jahrhunderts profitierten die Phönizier von einem Machtwechsel beim Überlandhandel mit Mesopotamien. Ein zeitgenössisches Dokument zeigt, dass die Hethiter zusammen mit den Kaufleuten von Amurru eine Handelsblockade über Assyrien verhängten. Vom Zugang durch die Akkar-Ebene abgeschnitten, suchten die Assyrer (die mittlerweile Babylonien beherrschten) eine alternative Handelsroute nach Süden, die vom Euphrat über Damaskus und Tadmor (Palmyra) durch die BekaaEbene zur libanesischen Küste verlief. Diese Verschiebung nach Süden versetzte die südphönizischen Küstenstädte in eine für den Handel strategisch wichtige Lage. Der Fund eines assyrischen Rollsiegels aus dem späten
13. Jahrhundert dokumentiert das Bestehen von Handelsbeziehungen zwischen dieser Stadt und dem nördlichen Mesopotamien.12
Die Phönizier in der späten Bronzezeit: ein Überblick Wie die archäologischen Funde und historischen Berichte zeigen, waren die phönizischen Küstenstädte in der späten Bronzezeit relativ reiche Gemeinden. Allen Anzeichen nach betrieben sie eine vielfältige Wirtschaft, wobei der Außenhandel mit Holz und Metall eine vorherrschende Rolle spielte. Die wirtschaft liche Bedeutung der verschiedenen Industriezweige ist klar. Die Briefe aus Ugarit zeigen, dass sowohl Tyros als auch Byblos im Textil- und Kleiderhandel aktiv waren. Spätbronzezeitliche Produktionsstätten für Purpurfarbstoff aus der Purpurschnecke wurden in Akko und Sarepta gefunden und deuten auf den Export von gefärbter Wolle und Leinenkleidern hin. Die Tyrer stellten auch Fayence, eine Glaspaste aus gemahlenem Sand, her. In den Amarna-Briefen wird außerdem erwähnt, dass Tyros, wo ein großer Komplex für Fayenceproduktion ausgegraben wurde, eine umfangreiche Schiffsladung Rohglas nach Ägypten schickte. Wie später in der Eisenzeit muss der phönizische Markt für Luxusgüter zu diesem Zeitpunkt bereits aktiv und lukrativ gewesen sein. Das Fundinventar aus dem Palastkomplex von Kamid el-Loz in der Bekaa-Ebene bietet ei
nen Überblick über die Fülle von Kostbarkeiten (darunter Elfenbeinschnitzereien und granulierter Goldschmuck), die sie erwerben konnten. Kamid el-Loz lag an zwei Handelsrouten zum Euphrat, die von Ägypten nach Norden und von Phönizien nach Osten führten. Politisch und wirtschaft lich gesehen bestand das spätbronzezeitliche Phönizien aus zwei unterschiedlichen Regionen: der nördlichen Küstenebene von Akkar und der phönizischen Südküste. Die Inselhäfen von Arwad im Norden und Tyros im Süden vertreten die unterschiedliche wirtschaftliche Ausrichtung der beiden Gebiete. Für Arwad war Syrien der Hauptmarkt, während Tyros seinen Blick nach Ägypten und Palästina richtete. Beide Städte verband die Handelsbeziehung zu Zypern. Im 13. Jahrhundert fielen Arwad und Tyros unter hethitische bzw. ägyptische Herrschaft. Byblos lag in geographischer, wirtschaftlicher und politischer Hinsicht in der Mitte davon und trieb sowohl nach Norden als auch nach Süden hin Handel. Trotz des wachsenden Konkurrenzdrucks seiner levantinischen Nachbarn scheint die Stadt ihre frühere Dominanz als wichtigstes phönizisches Handelsdepot in der späten Bronzezeit behauptet zu haben. Abgesehen von den lang andauernden gegenseitigen Handelsbeziehungen mit Ägypten war Byblos in anderer Hinsicht eine Ausnahme unter den phönizischen Städten: Es beherrschte einen beträchtlichen Küstenstreifen zwischen Batrun und dem Nahr el-Kelb. Sidon ist merkwürdigerweise diejenige der spätbronzezeitlichen Küstenstädte der Phönizier, von der man am
wenigsten weiß. Im Gegensatz zu Tyros und Byblos steht in den historischen Berichten wenig über seine Handelsbeziehungen mit Ägypten oder Ugarit. Allerdings hatte es wie Beirut durch die Bekaa-Ebene direkten Zugang zum Inlandshandel mit Mesopotamien, ein Faktor, der zu seinem wirtschaft lichen Aufschwung in der späten Bronzezeit beigetragen haben mag.13
Die Eisenzeit
Spätes 13. bis frühes 12. Jahrhundert: eine Übergangszeit Das letzte Viertel des 13. und die ersten Jahre des 12. Jahrhunderts gelten als eine Zeit außergewöhnlicher Veränderungen im gesamten östlichen Mittelmeerraum. Zum Teil ausgelöst durch die Einfälle von Fremden, die man gemeinhin als »Seevölker« bezeichnet, fiel der Untergang der Reiche der Mykener und der Hethiter sowie der Niedergang der Macht der Assyrer und Ägypter in diese Epoche. Gleichzeitig traten immer mehr seminomadische Völker auf, wie die frühen Israeliten in Palästina und die Aramäer in Syrien. Wie die moderne Forschung zeigt, waren die großen Veränderungen der politischen und wirtschaftlichen Verhältnisse im Nahen Osten im frühen 12. Jahrhundert das Resultat verschiedener komplexer interner und externer
Faktoren. Die Geologie zeigt deutliche Veränderungen von Umwelt und Klima mit einem kontinuierlichen Anstieg der Temperatur und des Meeresspiegels. Auf sozioökonomischer Ebene brachte der Zusammenbruch des spätbronzezeitlichen städtischen »Palastsystems« deutliche Veränderungen in der Lebensweise, dem Handel und der Kommunikation in der Region mit sich. Sowohl in Palästina als auch in Syrien zeigt sich in der langsamen Verschiebung der Siedlungsmuster von der Küstenebene in die äußeren Steppen und das Hügelland die Entstehung und die zunehmende soziale Dominanz eines ländlichen Lebens. Die vornehmlich städtische Siedlungsstruktur der spätbronzezeitlichen Stadtstaaten wurde nun durch dörfliche Siedlungen abgelöst. Wie wirkten sich nun diese Veränderungen in der unmittelbaren Nachbarschaft auf Phönizien aus? Im Norden erlitten die Städte Alalach und Ugarit in den ersten Jahren des 12. Jahrhunderts ein katastrophales Ende. Die massiven Zerstörungsschichten in Ugarit und die darauf folgende Aufgabe der Stadt belegen dies eindrücklich. Die Korrespondenz zwischen Hammurabi, dem letzten König von Ugarit, und dem König von Alaschiya (Zypern) aus dem frühen 12. Jahrhundert erwähnt feindliche Schiffe an der nordsyrischen Küste. Man kann diesen Hinweis plausibel mit der Ankunft der Seevölker in Verbindung bringen. Archäologische Forschungen in Zypern zeugen ebenfalls von der Ankunft von Neuankömmlingen in der Ägäis. Aller Wahrscheinlichkeit nach diente die Insel als Stützpunkt für Überfälle auf das levantinische Festland vom Meer aus.
An der Nordgrenze Phöniziens erlitt der spätbronzezeitliche Hafen von Tell Sukas Zerstörungen, die sich jedoch nicht vernichtend auf die Stadt auswirkten. Hinweise auf eine Wiederverwendung der spätbronzezeitlichen Bauten zeigen eine kontinuierliche Besiedlung des Ortes. Im nördlich gelegenen Ras Ibn Hani lassen die Funde einen ähnlichen Schluss zu. Auch im Süden zeigen die verschiedenen Städte an der israelischen Küste von Tell Dor aus nordwärts eine kontinuierliche Besiedlung, auch wenn eine merkliche Veränderung in der Kunst zu beobachten ist, die man mit den Siedlungen der Seevölker verbindet. An den meisten dieser Orte (Abu Hawam, Akko und Achziv) ist die früheisenzeitliche Besiedlung jedoch arm an architektonischen Spuren und wird durch Bauten mit industriellem Charakter (Schmelz- und Töpferöfen, steinerne Silos etc.) bestimmt. Auch wenn sie nicht vollständig sind, unterstützen die archäologischen Funde auf dem phönizischen Festland keinesfalls das Auftreten massiver Umwälzungen oder Zerstörungen in den größeren Küstenstädten. Bei Untersuchungen in Tyros zeigte sich, dass es dort von der Spätbronzezeit II bis ins 9. Jahrhundert v. Chr. kontinuierliche Bautätigkeit gab.14 Stratigraphische Belege für eine Zerstörung oder Aufgabe der Stadt ergaben sich nicht. Ganz im Gegenteil, die Fayencewerkstätten der Stadt, die durchgehend bis in die Eisenzeit genutzt wurden, zeugen von einer kontinuierlichen Besiedlung der Stadt. Auch im Norden, in Sarepta, zeugt die Stratigraphie von einer ununterbrochenen Besiedlung und kulturellen Kontinuität von der späten Bronze- bis zur frühen Eisen
zeit. Dieser Übergang wird durch Keramikreihen und die Kontinuität von baulicher und industrieller Nutzung belegt.15 In beiden Orten finden sich in den Schichten aus dem 12. Jahrhundert wie bei ihren direkten Nachbarn nur spärliche architektonische Reste, die auf Einrichtungen eindeutig industrieller Art hinweisen (wie Vorratslager und Brennöfen). Belegt durch eine deutliche Abnahme oder das völlige Fehlen von Importkeramik zeigt sich bei beiden Städten eine Zeit kultureller Verarmung. Im Norden ergaben Ausgrabungen bei Tell Kazel (dem antiken Simyra) im Eleutheros-Tal eine kontinuierliche, wenn auch geringe eisenzeitliche Besiedlung. Auch hier lässt sich archäologisch keine größere Unterbrechung oder gar ein direkter Bruch belegen.16 Für die Küstenstädte Sidon, Byblos und Tyros fehlen diesbezüglich leider die archäologischen Nachweise für eine kontinuierliche Besiedlung. Das Alter ihrer Namen spricht allerdings stark dafür, denn alle phönizischen Städte – von Akko bis Arwad – behalten ihre spätbronzezeitlichen Namen bei. Die kulturelle Kontinuität in Phönizien seit der späten Bronzezeit wird am deutlichsten in den Kulturgütern aus der zweiten Hälfte des 12. und dem frühen 11. Jahrhundert v. Chr. an der phönizischen Küste greifbar. Das kontinuierliche Element ist in der Tat so stark, dass man den eisenzeitlichen Horizont in Phönizien oft nur schwer vom bronzezeitlichen unterscheiden kann. Viele Keramiktypen aus dem 13. Jahrhundert wie der Pithos mit einem aufgelegten Wellenband bleiben auch im nachfolgenden 12. Jahrhundert unverändert bestehen.
Darüber hinaus sind im Gegensatz zur südlichen und mittleren Küste Palästinas (von Philistia bis Tell Dor) aus keiner Phönizierstadt Berichte oder schriftliche Überlieferungen erhalten, die den Zustrom oder Siedlungen der Seevölker betreffen. Der einzige direkte Hinweis auf mögliche Feindseligkeiten ist in den Texten einiger später klassischer Autoren zu finden. Der römische Geschichtsschreiber Justin aus dem 2. Jahrhundert, n. Chr. berichtet, dass die Inselstadt von Tyros ein Jahr nach dem Fall von Troja (1183 v. Chr. nach der Datierung von Eratosthenes) von Flüchtlingen aus Sidon im Anschluss an ihre Niederlage durch einen namenlosen König von Askalon »gegründet« worden sei. Dieser Hinweis wurde manchmal als Beweis für eine Seeschlacht zwischen der Sidonierflotte und den Philistern angesehen,17 doch lässt sich die Textstelle durchaus auch anders auslegen. Von Angriffen auf Tyros ist nichts bekannt, auch wenn man folgern könnte, dass die Stadt zur Zeit der »Neugründung« zeitweilig aufgegeben worden war oder zumindest die Population beträchtlich zurückgegangen war. (Der Bericht bezieht sich tatsächlich auf die »Gründung« von Tyros, was in deutlichem Widerspruch zur Geschichte steht.) Hätte es jedoch eine solche Auseinandersetzung gegeben, so ist es verwunderlich, dass es keine frühere und ausführlichere Schilderung des Ereignisses gibt. Geht man von den vorliegenden Fakten aus, so scheinen die heftigen Veränderungen (wenn es sie gab) an der phönizischen Küste keinen bleibenden Eindruck hinterlassen zu haben. Die archäologischen Funde zeugen eher von einer kontinuierlichen Besiedlung des Festlandes,
wenn auch auf einem niedrigeren wirtschaft lichen Niveau. Doch wie erklärt man sich dann die wirtschaftlichen Verluste, die die Phönizier in dieser Zeit hatten? Nach Meinung des Autors ist vor allem ein Faktor dafür verantwortlich: der Wegfall des Außenhandels.
Der Untergang Ägyptens im 12. Jahrhundert Eine Kombination finanzieller und umweltbedingter Faktoren führte zu einem deutlichen Rückgang des wirtschaft lichen Wohlstands auf einem der Hauptmärkte Phöniziens: Ägypten. Eine Dürreperiode im Nordosten Afrikas führte im 12. Jahrhundert zu einer Reihe schlechter Ernten im Niltal. Die Wirtschaft Ägyptens brach, beschleunigt durch Inflation und Arbeiteraufstände, zusammen. Nach der Regierung von Ramses III. (1194–1163 v. Chr.) litt das Land unter einer Reihe von schwachen und unfähigen Herrschern, die wenig zur Lösung der internen Probleme beitrugen. Ramses’ Tod kündigte das Ende des ägyptischen Imperiums in Westasien an. Der daraus folgende Verlust von Einnahmen aus Kriegsbeute und jährlichen Steuern entkräftete Ägyptens bereits geschwächte Wirtschaft weiter. Die Siedlungen der Philister und anderer Seevölker (Schardana, Tjekker) an der Küste Palästinas hatte auf Ägyptens Handel mit Südanatolien und der Levante sicherlich einen tiefgreifenden, wenn nicht katastrophalen Effekt und beraubte das Land seines Zugangs zu den dortigen Mineralvorkommen. Der Papyrus Harris von
Ramses III., in dem der Bau von lediglich zwei Handelsschiffen für das Mittelmeer verzeichnet wird, mag bereits ein Zeichen für den Rückgang des Handels sein. In der Regierungszeit seines Nachfolgers Ramses IV (1153–1147 v. Chr.) scheint der Seehandel mit der phönizischen Küste völlig zum Erliegen gekommen zu sein.
Die Phönizier und der Binnenhandel Der phönizische Handel mit dem kontinentalen Nahen Osten im 12. Jahrhundert muss ähnlich wie der in Ägypten einen starken Rückgang verzeichnet haben, da die bestehenden Märkte wegbrachen und die Handelsrouten aufgegeben wurden. In Mesopotamien war dies mit Sicherheit der Fall. Schlechte Ernten, politische Unruhen und militärische Übergriffe der Elamiter an der Südgrenze brachten Assyrien und Babylonien in die bis dahin schwächste Position ihrer langen Geschichte. In Babylonien wurde der Goldstandard (der bereits im späten 13. Jahrhundert außer Funktion gesetzt worden war) in der Mitte des 12. Jahrhunderts zeitweilig durch einen Kupferstandard ersetzt – ein bezeichnender Schritt, der eindeutig durch den drastischen Rückgang des Handels mit dem fernen Ägypten ausgelöst wurde. In Syrien führten der Untergang der assyrischen Mächte und der Zusammenbruch der Herrschaft der Hethiter zu ernsthaften Störungen im Karawanenhandel über den Euphrat hinweg, der nun den Angriffen nomadischer Aramäer schutzlos ausgeliefert war. Der drastische Rück
gang des Überlandhandels zeigt sich deutlich im Verfall von Handelszentren im Inland wie Kamid el-Loz in der Bekaa-Ebene, das als Zwischenstation für den Handel mit Ägypten in der späten Bronzezeit florierte. Für die phönizischen Häfen von Tyros und Sidon muss der Untergang von Lais und Hazor, beide in der späten Bronzezeit blühende Handelsstädte, besonders schmerzlich gewesen sein, da diese in ihrem geographischen Einzugsbereich lagen. Sowohl Lais als auch Hazor waren am Mittelmeerhandel beteiligt, der zweifellos über die phönizischen Hafenstädte lief, die wahrscheinlich sogar ihre Hauptumschlagplätze darstellten. Das plötzliche Verschwinden eines anderen großen Handelspartners im Norden, Ugarit, könnte die Weichen für die weitere Entwicklung des phönizischen Handels gestellt haben. Ugarit war von allen Küstenhäfen der Levante sicher der wichtigste Partner für den Binnen- und Seehandel in der späten Bronzezeit. Sein Verschwinden verschob auf der internationalen Bühne das Gleichgewicht der Handelsmächte im östlichen Mittelmeerraum und schuf neue Handelsmöglichkeiten, für die die phönizischen Städte ausgezeichnet positioniert waren. Da die Binnenmärkte schwer angeschlagen waren, konzentrierten sich die Phönizier zunehmend auf den Handel mit Zypern, das gerade die Blüte seiner wirtschaftlichen Renaissance erlebte.
Papyrusfragment des Wenamun-Berichtes. El-Hibeh, Ägypten.
Das Wiedererstarken der Phönizier im 12. Jahrhundert Die ersten Jahre der eisenzeitlichen Wiedergeburt Phöniziens – um die Mitte des 12. Jahrhunderts v. Chr. – bleiben archäologisch und historisch ein Rätsel. Die früheste Textquelle ist eine Inschrift des Assyrerkönigs Tiglatpileser I. (1114–1076 v. Chr.), der in seinem fünften Regierungsjahr eine Expedition an die Mittelmeerküste unternahm, um Zedernholz für die Renovierung des Anu-Adad-Tempels von Assur zu erwerben. Dabei erhielt der assyrische Monarch Tribut von Byblos, Sidon
und Arwad, wobei Letzteres der Endpunkt von Tiglatpilesers Expedition und wahrscheinlich der Ort war, an dem er den Tribut der Phönizier entgegennahm. Im Onomastikon (Wortliste) des ägyptischen Schreibers Amenenope, einem Werk von ca. 1100 v. Chr., wird Byblos als einzige Stadt in einer Liste von syrisch-palästinischen Toponyma aufgeführt.18 Dieselbe Stadt spielt auch in einem bemerkenswerten ägyptischen Dokument des frühen 11. Jahrhunderts eine größere Rolle, das ein Licht auf die wirtschaftliche und politische Lage in dieser Zeit an der phönizischen Küste wirft19 (siehe Abb. S. 27). Gegen Ende der 20. Dynastie im fünften Regierungsjahr von Ramses XI. geschrieben, berichtet es von der Reise des Wenamun, eines hohen Würdenträgers des AmunRe-Tempels von Theben, der vom Hohepriester Herihor nach Byblos geschickt wurde, um Zedernholz für den Bau einer heiligen Barke für Amun zu beschaffen. Wenamun schifft sich in der Hauptstadt Tanis auf einem Handelsschiff mit einem levantinischen Kapitän, Mengebet, ein. Zunächst erreicht er die Hafenstadt Dor, die, wie berichtet wird, von einem Kontingent der Seevölker, den Tjekker, beherrscht wird. Von einem Mitglied der eigenen Besatzung seiner Gold- und Silberschätze für den Kauf des Zedernholzes beraubt, fährt er weiter nach Tyros (hier ist der Text unglücklicherweise unterbrochen) und von dort aus nach Byblos. Mittellos und ohne Empfehlungsschreiben wird er dort etwas zögernd vom byblischen Fürsten Zakarbaal aufgenommen, der verlangt, dass die Bezahlung aus Ägypten geschickt wird, bevor der Auftrag für das Holz erfüllt werden kann. Wenamun willigt ein. Nach
Erhalt einer Teilzahlung befiehlt Zakarbaal, das Holz zu schlagen und der ägyptischen Gesandtschaft zu übergeben. Als er sich jedoch zur Abfahrt bereit macht, wird Wenamun von einer Abordnung der Tjekker abgefangen, die geschickt wurden, ihn festzunehmen. Zakarbaal ergreift für ihn Partei und der Ägypter kann fliehen, wird durch einen Sturm jedoch nach Zypern verschlagen, wo ihn eine nicht genannte zypriotische Königin am Hafen empfängt. Hier bricht der Bericht ab. Der Bericht über Wenamun sagt viel über den Seehandel und die Politik in der Levante im frühen 11. Jahrhundert v. Chr. aus. Die gleichgültige Behandlung, die er von Zakarbaal erfährt, spiegelt die veränderten politischen Umstände der Zeit wider, denn das Königshaus von Byblos ist Ägypten nicht länger untertan. Im Gegenteil, Zakarbaals an Dreistigkeit grenzendes Selbstbewusstsein zeugt vom Bewusstsein wirtschaft licher Unabhängigkeit. Wenamun lebte in einer Zeit, in der der internationale Handel über Unternehmen von staatlich geförderten Transportgesellschaften abgewickelt wurde. Der Bericht erzählt von zwei solchen Handelslinien, eine wird vom König Smendes in Tanis kontrolliert, die andere vom Sidonierkönig oder dem königlichen Agenten Werket-El (Warkat-IIi). Im Gegensatz zur Zeit der Ramessiden ist der Seehandel eindeutig in levantinischer Hand. Wenamun reist auf einem Privatschiff mit phönizischer, nicht ägyptischer, Besatzung nach Byblos. Die Bedingungen für den Kauf des Holzes werden vom Königshaus in Byblos gestellt, das das Schlagen und Verladen der Zedern
stämme überwacht. Der Handel mit Zedernholz wird nicht mehr als »Wohlwollen« oder Geschenkaustausch zwischen zwei Staatsmännern getätigt, sondern ist eine rein geschäft liche, profitorientierte Transaktion. Wie in Wenamuns Fall konnte die Nichteinhaltung der Bedingungen durch den Käufer zu Verzögerungen oder zur Aufhebung des Vertrags führen. Der Bericht von Wenamun unterstreicht die wirtschaftliche Resistenz des Zedernhandels und beschreibt ein Bild des Reichtums und der Ressourcen, die dem Königshaus von Byblos zur Verfügung standen. Für diese große Zedernholzlieferung, an der 300 Männer und Ochsen beteiligt waren, erhielt Zakarbaal Gold- und Silbergefäße sowie zahlreiche Leinenkleider, Seile, Ochsenhäute und 500 Rollen fertigen Papyrus. Man erfährt auch, dass an einem früheren Handel sechs schwer beladene Schiffe mit ägyptischen Waren beteiligt waren. Der Bericht macht überdies klar, dass derartige Tauschgeschäfte seit geraumer Zeit betrieben wurden, dokumentierte Transaktionen reichen zurück bis in die Zeit von Wenamuns Großvater und bestätigen, dass der Hafen von Byblos bereits im späten 12. Jahrhundert genutzt wurde. Innerhalb relativ kurzer Zeit nach den Einfällen der Seevölker im ersten Viertel des 12. Jahrhunderts hatten sich die wichtigsten Häfen der Phönizier (Tyros möglicherweise ausgenommen) im Handel bereits wieder etabliert. Welche Faktoren führten zu dieser bemerkenswerten Erholung? Im Wesentlichen gesehen bietet der Bericht über Wenamun einen genauen Hinweis auf die Hauptbeteiligten am Seehandel an der ostmediterranen Küste im frühen
11. Jahrhundert: Die Ägypter und die von den Phöniziern und verschiedenen Gruppen von Seevölkern beherrschten Hafenstädte der Levanteküste. (Der Bericht nennt ausdrücklich die Tjekker von Dor, Wenamuns erster verzeichneter Zwischenstation.) Es ist zu vermuten, dass die verschiedenen Hafenstädte durch den Handel verbunden waren. Es ist vielleicht kein Zufall, dass der Bericht mit einer unplanmäßigen Landung von Wenamuns Schiff an der Ostküste Zyperns endet. Als Kupferhändler und Handelsunternehmer spielten die Zyprioten wie die Phönizier eine wesentliche Rolle im Seehandel. Die Anwesenheit eines zypriotischen Einwohners, der Ägyptisch spricht, zeigt die engen kulturellen Verbindungen zwischen der Insel und dem Niltal. Wenamuns Bericht führt die Namen mehrerer anderer Herrscher an, die die Südküste Palästinas kontrollierten. Er nennt zwar keine Details, doch muss er in seinem frühen Reisebericht eine Reihe von Zwischenstopps an der palästinischen Küste genannt haben, auf jeden Fall führte ihn seine Reise durch diese Gegend. Das Onomastikon von Amenenope von ca. 1100 v. Chr. nennt ausdrücklich die Namen von fünf Städten an der palästinischen Küste, darunter Askalon, Aschdod und Gaza, die zu dieser Zeit alle bewohnt waren. Zusätzlich zu den Philistern nennt das Onomastikon die Namen zweier weiterer Seevölker: die Schardana und die Tjekker. Archäologische Untersuchungen bestätigen die engen kulturellen Beziehungen zwischen Palästina, Phönizien und Zypern in der frühen Eisenzeit. Gemeinsamkeiten in ihren Kulturgütern lassen vermuten, dass es zwischen
den Regionen intensive Kontakte gab.20 Alle drei entstanden in ähnlicher Weise im Verlauf des 12. Jahrhunderts, woraus man schließen kann, dass sich ihre Entwicklungswege kreuzten. Was folgt daraus?
Zypern, Palästina und Phönizien in der frühen Eisenzeit Archäologische Forschungen bieten eine reiche Dokumentation für die rasche wirtschaft liche Erholung der ostzypriotischen Küstenhäfen Enkomi und Kition im 12. Jahrhundert v. Chr. nach den Einfällen der Seevölker. Ausgrabungen zeigten, dass beide Orte sehr reich wurden, was sich in den ehrgeizigen Bauprogrammen niederschlägt, die sie verfolgten. Beide Städte zeichneten sich durch intensive metallurgische Aktivitäten rund um die Kupferschmelzen aus. Im 12. Jahrhundert erreichten diese Bemühungen, die bereits im vorausgegangenen 13. Jahrhundert mit großem Ehrgeiz betrieben wurden, ihren Höhepunkt. Aller Wahrscheinlichkeit nach wurde das Kupfer aus den umliegenden Minen zu dieser Zeit von den Häfen von Kition und Teke nach Ägypten und an die syrisch-palästinische Küste gebracht.21 Beweise für die engen kulturellen und kommerziellen Verbindungen zwischen Zypern und der Levante finden sich möglicherweise in den orientalischen Einflüssen, die sich bei den Kultgaben der Tempel und der Architektur in Enkomi und Kition sowie in der überwältigenden Do
minanz syrisch-palästinischer Ware unter den Keramikimporten in Zypern während des 12. Jahrhunderts niederschlugen.22 Das Wiedererstarken des Zypernstaates ging daher wahrscheinlich mit der Erneuerung des Handels mit der Levante einher. Wie Zypern durchliefen auch die wichtigsten Zentren an der Küste Palästinas von Askalon bis Akko nach dem Einfall der Seevölker in der zweiten Hälfte des 12. Jahrhunderts eine rasche Entwicklung. Gegen Ende des Jahrhunderts waren die größeren Städte Palästinas (Askalon, Aschdod, Ekron und Tell Qasile) befestigt worden. Ihr wirtschaft licher Ausbau gründete sich zum großen Teil auf den aufkommenden Binnen- und Seehandel. Palästinas starke Bindung an Zypern und die phönizische Küste ist seit langem bekannt. Diese kulturelle Beziehung brachte ein überregionales Netzwerk hervor, das in der zweiten Hälfte des 11. Jahrhunderts in einer Zeit intensiven Handels zwischen Philistern und Phöniziern gipfelte, wie die Keramikfunde von Tell Qasile eindeutig zeigen.23 In dieser Hinsicht hatten die Phönizier die Lücke gefüllt, die Ugarit hinterlassen hatte, welches den Seehandel mit den größeren Häfen Palästinas in der späten Bronzezeit beherrscht hatte.
Das 11. Jahrhundert: phönizische Handelsexpansion In der zweiten Hälfte des 11. Jahrhunderts begann für die Phönizier – wie die archäologischen Spuren belegen
– eine Zeit aktiven Handels und wirtschaft licher Expansion, die den Grundstock für die weitere Entwicklung im 1. Jahrtausend v. Chr. legen sollte. Diese Zeit sah die Einführung vieler typischer Merkmale der phönizischen Kultur, darunter die bichromatische (zweifarbige) Keramik (siehe S. 164–166). Die Verbreitung dieser bichromatischen Keramikgefäße zeugt von der Entstehung eines ausgedehnten phönizischen Handels in der Levante zu dieser Zeit. Man findet sie entlang der gesamten phönizischen Küste von Tell Sukas im Norden bis zur Karmel-Halbinsel im Süden sowie weit über die Grenzen Phöniziens hinaus – bis nach Syrien (die Amuq-Ebene und die Homs-Region), Nordpalästina (Galiläa, Megiddo und Beth Schemesch), Philistia (Tell Qasile, Tell Masos), die nördliche Negev (Tell Esar) und das Nildelta (Tell er-Retabeh).24 In der gleichen Zeit setzte die städtische Expansion im eigentlichen Phönizien ein. In Tyros ist die Erneuerung der Stadt im Wiederaufbau zerstörter Mauern und dem ausgedehnten Niveauausgleich mit Keramik greifbar, die sich über einen Großteil der Ausgrabungsfläche erstreckte. Die Bauprogramme in Tyros und Sarepta beinhalteten größere Veränderungen im Stadtkonzept, die Anlage von Terrassen und Straßen sowie die Einführung von Quadermauern. In Sarepta wurden die Mauern in der »Pfeiler- undSchutt«-Technik gebaut, die bald zum Markenzeichen der phönizischen Bauweise wurde (siehe Abb. S. 83). Eine deutliche städtebauliche Expansion phönizischer Städte lässt sich auch in Galiläa ausmachen, in Tell Keisan und Tell Dan, wo erhebliche Städte- und Wohnungsbau
maßnahmen belegt sind. Wie die Ausgrabungen zeigten, vollzog sich in Tell Dan im 11. Jahrhundert eine größere städtebauliche Veränderung. Die zweite Phase dieser Rekonstruktion, die sich in die zweite Hälfte des Jahrhunderts datieren lässt, wurde von der Einführung der phönizischen bichromatischen Keramik begleitet.25 Die archäologischen Funde aus der Mitte des 11. Jahrhunderts dokumentieren also ein Muster aktiver wirtschaft licher Expansion südlich der Gegend von Sidon bis nach Galiläa und ins nördliche Palästina. Derartige Hinweise führten zu der Vermutung, dass diese Expansion durch militärische Einsätze erreicht oder begleitet wurde. Der drastischste Beweis dafür findet sich möglicherweise in der Küstenstadt Dor, in der eine massive Zerstörungsschicht aus der Mitte des 11. Jahrhunderts direkt unter den frühesten phönizischen Siedlungsschichten liegt. Dieses Stratum, in dem frühe phönizische bichromatische Keramik auftrat, enthielt auch mehrere größere Lehmziegelbauten öffentlichen Charakters. Importierte weiße Ware aus Zypern bestätigt den erneuerten Handel mit dieser Insel.26 Ein ähnliches Muster weist Tell Dan (das bronzezeitliche Lais) auf. Um die Mitte des 11. Jahrhunderts wurde die Stadtgemeinschaft gewaltsam zerstört, die nachfolgende Siedlung, die kurze Zeit später errichtet wurde, zeichnet sich durch die Einführung phönizischer bichromatischer Ware aus, was wiederum auf die Präsenz der Phönizier deutet.27 Die Verbindung beider Städte mit den Phöniziern ist in den zeitgenössischen geschichtlichen Aufzeichnungen
hinreichend belegt. Der Wenamun-Bericht, der aus der Zeit kurz vor den Zerstörungen stammt, beschreibt die von den Tjekker kontrollierte Stadt Dor, die mit den phönizischen Städten im Seehandel konkurrierte. Die Nebenhandlung der Geschichte – der Diebstahl des Silbers durch die Tjekker von Wenamuns Schiff in Dor, seine Konfiszierung des Silbers eines Händlers der Tjekker auf dem Weg von Tyros nach Byblos, die nachfolgende Ankunft eines Kontingents von Tjekker-Schiffen in Byblos und Zakarbaals verstohlener Versuch, sich bei den Tjekker für Wenamun einzusetzen – zeigt die unsichere, etwas instabile Beziehung der beiden Handelspartner. Die engen Handelsbeziehungen des biblischen Dan mit der phönizischen Küste werden im Buch Richter erwähnt, das genau in dieser Zeit spielt. Hier erfährt man, dass der Stamm von Ascher, zu dem Dan gehörte, die Einwohner von Akko, Sidon oder Achziv nicht vertrieb, »sondern mit ihnen lebte«.28 Anderswo wird die Sicherheit von Dan und seinen Einwohnern mit der von Sidon verglichen. Die geographische Nähe der galiläischen Städte zu Tyros und Sidon – etwa 40 km – wird im späteren Zensus von Israel durch David unterstrichen: Darin werden Sidon und Tyros direkt nach Dan aufgeführt.29 Die Funde lassen vermuten, dass der deutliche wirtschaft liche Aufstieg und das Wachstum der phönizischen Städte im 11. Jahrhundert eine Ausweitung der Handelsbeziehungen nach Süden auslöste – nach Galiläa und an die nordisraelische Küste. Ist der Kontext der Zerstörungshorizonte von Dan und Dor und anderen
Orten korrekt, muss dieser wirtschaftliche Vorstoß von einem militärischen begleitet gewesen sein.30 Auf jeden Fall schlägt sich die Verbreitung des phönizischen Handels südlich der Karmel-Halbinsel in die Küstenebene von Sharon deutlich in den archäologischen Befunden nieder. Was die Auslöser solcher Aktionen angeht, so kann man die Verantwortlichen dafür sicherlich im südlichen Phönizien suchen, besonders die Städte Tyros und Sidon sind hier zu nennen. Ohne schrift liche Belege kann man allerdings nur schwer dem einen oder anderen Zentrum die Hauptrolle zuweisen. Im Kontext der Mitte des 11. Jahrhunderts ist man jedoch versucht, Sidon als den Hauptverursacher solch landorientierter Expansion anzusehen, obwohl es durchaus vorstellbar ist, dass beide Städte daran beteiligt waren. In jedem Fall scheint die herausragende Rolle Sidons unter den phönizischen Küstenstädten im späten 12. und 11. Jahrhundert v. Chr. aus den historischen Berichten eindeutig hervorzugehen. In den biblischen Berichten aus dieser Zeit (Josua, Richter, Samuel) ist es Sidon, nicht Tyros, das als mächtige, gebietsorientierte Stadt beschrieben wird.31 Im Buch Genesis ist Sidon der erstgeborene Sohn Kanaans in der Reihe der Nationen.32 Der Begriff »Sidonier« wird in all diesen Texten (und allgemein im Alten Testament) als Oberbegriff für Kanaaniter oder Phönizier verwendet. In den wenigen überlieferten Texten neben der Bibel, besonders dem Wenamun-Bericht und der Inschrift von Tiglatpileser I., scheint Sidons Vorherrschaft zu dieser Zeit bestätigt zu werden. Im Wenamun-Bericht
wird der Hafen der Stadt mit seinen 50 Handelsschiffen besonders hervorgehoben, während Sidon im früheren assyrischen Bericht in einer Liste von drei Städten, die dem Assyrerkönig Tribut zahlten, als zweite Stadt hinter Byblos genannt wird. Für Sidons Vormachtstellung im 12. und 11. Jahrhundert v. Chr. könnten mehrere Faktoren verantwortlich gewesen sein. Im deutlichen Gegensatz zu Tyros besaß Sidon ausgedehnte Ländereien. Zusätzlich zu seinem eigenen landwirtschaft lich reichen Küstengebiet hatte die Stadt durch die Jezzine Zugang zur fruchtbaren südlichen Bekaa-Ebene, einem wichtigen Zugangspunkt an der strategisch bedeutenden Überlandhandelsroute, die von Syrien zum oberen Jordantal verlief. Tyros als Inselhafen hatte dagegen keinen direkten zuverlässigen Zugang zu den Ressourcen des Festlands. In der spätbronzezeitlichen Korrespondenz schlägt sich diese Situation deutlich nieder: Tyros wird von einem sidonischen Heer behindert, das auf dem Festland stationiert ist (siehe Abb. S. 16). Die Truppen der Sidonier vermochten die Stadt zu blockieren und ihre Bewohner vom Holz- und Trinkwassernachschub vom Festland abzuschneiden. Abu-Milki, der König von Tyros, schrieb an den ägyptischen Pharao Echnaton und bat um Verstärkung durch die Ägypter, um die Stadt vor den Angriffen der Sidonier zu schützen. Da seine Bitten offenbar ungehört blieben, evakuierten Abu-Milki und seine Untertanen die Stadt schließlich per Schiff.33 Die früheren Briefe von Amarna belegen deutlich, dass die wirtschaft liche Abhängigkeit vom Festland Tyros’
größte Schwäche in dieser Zeit war. Von seinen Verbindungen zur nahen Küstenstadt Ushu abgeschnitten, war die Stadt in der späten Bronzezeit trotz ihres persönlichen Reichtums anfällig gegenüber Angriffen von außen. In der frühen Eisenzeit wurde diese Situation durch die geschwächte Wirtschaftslage sicherlich noch verschärft. Aus den Amarna-Briefen geht hervor, dass die militärische Stärke von Tyros verglichen mit der von Sidon und Arwad, die jeweils über Flotten, Streitwagen und Infanterie verfügten, nur gering war.34 Aufgrund der besseren Lage auf dem Festland konnte Sidon auf ein größeres und leichter erreichbares Hinterland zurückgreifen, die Ausmaße der Gräber in den Vorstädten und der Bestattungsplätze in der späten Bronzezeit weisen auf die beachtliche Größe der Bevölkerung in seiner Umgebung. Die Amarna-Briefe zeigen noch einen weiteren, wesentlichen Unterschied zwischen dem spätbronzezeitlichen Tyros und Sidon, der für die Geschicke der Städte in den nachfolgenden Jahrhunderten sicherlich prägend war. Als südlichste Hafenstadt an der phönizischen Küste erfreute sich Tyros enger wirtschaft licher und politischer Beziehungen zu Ägypten, seinem Haupthandelspartner. Die Handelsbeziehungen von Sidon hingegen erstreckten sich wohl eher nach Norden. Die Entscheidung, sich im späten 14. Jahrhundert auf die Seite des Königs Amurru gegen Ägypten zu stellen, spiegelt wahrscheinlich die wirtschaft liche Realität seiner nordöstlich ausgerichteten Handelswege wider. Angesichts eines geschwächten Ägyptens war die Entscheidung der Stadt, sich auf die Seite der syrischen Koalition zu stellen, vom wirtschaft
lichen Standpunkt aus gesehen die richtige Strategie. Sidons wirtschaft licher Aufstieg in der frühen Eisenzeit und der gleichzeitige Niedergang von Tyros hingen sicher mit ihrer geographischen Lage zusammen. Der Untergang Ägyptens als Markt und Handelspartner für Tyros musste für die Küstenwirtschaft der Stadt besonders katastrophal gewesen sein. Unter der politisch zersplitterten tanitischen Dynastie (21. Dynastie) wurde Ägyptens militärische und wirtschaft liche Situation immer schlechter. Sein westasiatisches Imperium war längst verschwunden, und es ist unwahrscheinlich, dass in größerem Ausmaß Außenhandel betrieben wurde. Gegen Ende des Jahrhunderts waren selbst die Tempelbezirke in der heiligen Hauptstadt Theben verlassen und zerstört.
Das 10. Jahrhundert: die Geburt des tyrischen Seehandelsimperiums Gegen Ende des 11. Jahrhunderts v. Chr. wendete sich das Blatt im Machtspiel zwischen Tyros und Sidon wieder zugunsten von Tyros. Phönizische Keramikfunde auf Zypern künden von erneutem Handel mit dem Ausland.35 Auch zypriotische Ware erscheint wieder in größeren Mengen auf dem phönizischen Festland, sowohl in Tyros als auch in Sarepta, und belegt so den aktiven bilateralen Handel zwischen den beiden Handelszentren.36 Das Vorkommen früher phönizischer Keramik auf Zypern, z. B. in Amathus, Episkopi und Paphos an der Süd- und Westküste der Insel in der zweiten Hälfte des
11. Jahrhunderts, weist auf ein weitaus größeres Geflecht phönizischer Handelsbeziehungen im Mittelmeerraum als zuvor hin. Frühe griechische Keramik aus der protogeometrischen Periode in Amathus und Tyros sowie die Entdeckung früher levantinischer Importe in Lefkandi auf Euböa zeugen für das 10. Jahrhundert v. Chr. von einem regen Austausch zwischen der Insel Euböa und dem phönizischen Festland über die Zwischenstation Zypern.37 Weitere Belege für den frühen phönizischen Handel in der Ägäis fanden die Archäologen in Kommos an der Südküste Kretas in Form von größeren Mengen phönizischer Keramik, die z. T. bereits aus der Mitte des 10. Jahrhunderts stammte. Die Entdeckung einer Bronzeschale aus dem 10. Jahrhundert mit der phönizischen Namensinschrift des Besitzers aus einem um 900 v. Chr. datierten Grab bei Knossos zeigt, dass zu dieser Zeit möglicherweise dauerhaft Phönizier auf der Insel siedelten. Die Funde aus jener Periode in Knossos und seiner Umgebung weisen jedenfalls stark darauf hin, dass die Insel ein wichtiger Ort für den internationalen Handel war. Aufgrund Kretas günstiger Lage als Handelsstützpunkt für die Ägäis lässt sich zwangsläufig folgern, dass sich der phönizische Handel im 10. Jahrhundert weiter ins westliche Mittelmeer erstreckt haben muss. Sardinien, das im 8. Jahrhundert schließlich von den Phöniziern kolonisiert wurde, bietet sich als Ziel geradezu an. Den spärlichen epigraphischen und archäologischen Spuren nach zu urteilen, wurde die erzreiche Insel bereits in der späten Bronzezeit Ziel des Zypernhandels, schon im 10., mit Sicherheit aber
im 9. Jahrhundert von phönizischen Händlern angelaufen. Es gibt wenig Zweifel, dass die Initiative seitens der Phönizier für diesen frühen Handel im Mittelmeerraum von Tyros ausging, dem Ausgangspunkt fast aller späteren Überseegründungen der Phönizier. Tyros’ Aufstieg im 10. Jahrhundert unter Hiram I. und seinen Nachfolgern und der damit einhergehende Untergang des benachbarten Sidon kann man zum großen Teil der Seehandelstätigkeit im Ausland zuschreiben, wie selbst die Bibel bestätigt. Das Ausmaß und die Chronologie der frühen Handelsunternehmungen Tyros’ im Mittelmeer waren Gegenstand vieler wissenschaftlicher Diskussionen. Zwar gehen die größten kolonialen Aktivitäten kaum vor das 8. Jahrhundert zurück, doch können Tyros’ Bemühungen um den Fernhandel durchaus mehrere Jahrhunderte vorher begonnen haben, wie die Beweise für eine Handelspräsenz der Phönizier in der Ägais deutlich machen. Dieser als »vorkolonial« bezeichnete Handel konnte auch ohne die Hilfe permanenter Siedlungen effektiv durchgeführt werden, benötigt wurde lediglich eine temporäre Operationsbasis, die man etwa auf einer benachbarten Insel oder in einem Lager an der Küste finden konnte. Tatsächlich besteht die Meinung, dass die späteren Kolonisationsbestrebungen der Phönizier im 8. und 7. Jahrhundert v. Chr. Teil eines konzertierten Unterfangens waren, angesichts der aufstrebenden und rivalisierenden Kolonialisierung durch Griechenland alte Handelsbeziehungen zu schützen.38 In Bezug auf Tyros selbst weisen die historischen Berichte eindeutig auf die wachsenden Seehandelsinteres
sen der Stadt im frühen 10. Jahrhundert unter Hiram I. (971–939 v. Chr.) hin. Zu den Handelsunternehmungen des Tyrerkönigs gehörten u. a. mehrere Expeditionen zur See nach Ophir auf Schiffen aus »Tarschisch« zusammen mit König Salomo (961–922 v. Chr.). Solch gemeinsame Handelsunternehmungen oder hubur hatten, wie bereits im früheren Teil des Wenamun-Berichts erwähnt, Vorläufer in Byblos. Die biblische Geschichte39 berichtet, dass die regelmäßig von Ezion-Geber am Golf von Akaba nahe dem heutigen Elat ausgehenden Fahrten von Tyros initiiert wurden, das Offiziere und Besatzungen für solche Unternehmungen stellte. Die meisten Wissenschaftler sind sich heute einig, dass Ophir, das Ziel dieses Handels an der nordostafrikanischen Küste, entweder im Sudan oder weiter südlich in Eritrea oder Somalia liegen müsste. Das Hauptziel dieser Reisen – Gold – unterstützt diese Vermutungen, denn diese Region, das antike Punt, stellte schon seit der 18. Dynastie die wichtigste Goldquelle für die Ägypter dar. Die Bedeutung von »Tarschisch« ist weniger eindeutig. In alttestamentarischen Berichten von den Ophir-Reisen bezieht sich der Begriff auf ein phönizisches LangstreckenHandelsschiff. Die geographische Lage von Tarschisch ist in der Wissenschaft sehr kontrovers diskutiert worden, wobei die Mehrheit es mit dem historischen Tartessos in der erzreichen Gegend am Unterlauf des Guadalquivir in Südspanien gleichsetzt.40 Geht man von dieser Annahme aus, so sind die gemeinsamen tyrisch-israelitischen Expeditionen ein Beweis für den frühen phönizischen Fernhandel mit Metall im westlichen Mittelmeer
raum. Der Außenhandel mit diesen Rohstoffen, besonders Silber, Kupfer und später auch Eisen, förderte die tyrische Wirtschaft, da sie nicht nur gut exportierbare Güter auf dem offenen Markt darstellten (wie das einheimische Hartholz Phöniziens), sondern auch den reichen Nachschub an Rohmetall für den Bedarf der eigenen Industrie gewährleisteten. Der biblische Text besagt, dass Salomo das Wissen für die Bronzeherstellung, das er für die Fertigstellung des Tempels in Jerusalem brauchte, von den Tyrern erworben hatte.41
Tyros und das vereinigte Königreich Israel Der Bau des Salomo-Tempels war ein Nebenprodukt des Handelsabkommens zwischen Tyros und dem neu entstehenden Königreich Israel und Juda, dem von König David (1000–961 v. Chr.) gegründeten vereinigten Königreich. Der Bibel zufolge wurden die Beziehungen bereits während Davids Regierungszeit von den beiden Herrschern geknüpft. Wie das Alte Testament berichtet, schickten die Tyrer – vielleicht unter Hirams Vater Abibaal – eine Delegation mit Geschenken (darunter Zedernholz) zum siegreichen israelitischen König, als Zeichen des Friedens und der Freundschaft. An der historischen Wahrheit des Berichtes gibt es kaum Zweifel. Das vereinigte israelitische Königreich unter David umfasste die wichtigsten Städte und Gebiete in der Küstenebene von Akko und Galiläa, d. h. das gesamte Hinterland des südlichen Phönizien bis an die Grenzen von Tyros und
Sidon. Mit der »Annektierung« dieser Gebiete hatte Israel die Kontrolle über die Handelsverbindungen von Tyros ins Inland übernommen. Daher lag es sicher im wirtschaftlichen Interesse von Tyros, Beziehungen zu seinem einflussreichen Nachbarn im Süden aufzunehmen. Hiram entsandte seine Botschafter kurz nach seiner eigenen Inthronisierung im Jahre 961 v. Chr., um Salomo zu grüßen und diese Beziehungen zu festigen.42 Auf Salomos Geheiß trafen die beiden Könige ein Handelsabkommen für den Bau des Tempels der Israeliten für Jahwe und den Königspalast in Jerusalem (siehe S. 130– 131). Im Austausch für das benötigte Bauholz und das technische Know-how (Zimmerleute, Maurer, Bronzegießer) erklärte sich Salomo bereit, Hiram und seinem königlichen Haushalt jährlich beträchtliche Mengen an Weizen (20 000 kor, was etwa 4,2 Millionen Liter entspricht), Olivenöl (20 000 bat, etwa 420 000 Liter) sowie eine zusätzliche Zahlung in Silber zu liefern.43 Der ursprüngliche, in Salomos viertem Regierungsjahr ausgehandelte Vertrag lief über zwei Jahrzehnte, sieben Jahre für den Bau des Tempels, dreizehn für den Palast. Nach Ablauf dieser Zeit wurde ein weiteres Abkommen getroffen, bei dem Israel auch Land verkaufte. Gegen beträchtliche Summen in Gold (120 Talente nach dem Buch der Könige), trat Salomo 20 Städte in Galiläa und der Akko-Ebene an Tyros ab.44 Die in der Bibel »Cabul« genannte Gegend war in der Antike ein wichtiger Produktionsort für Weizen und Olivenöl, eine Tatsache, die durch Ausgrabungen an Orten wie Tell Keisan und Horvat Rosh Zayit bestätigt wurde. Die Transaktion war si
cher durch wirtschaftliche Interessen motiviert: Mit dem Erwerb des reichen Ackerlandes wurden die Tyrer unabhängig von landwirtschaft lichen Importen. Sowohl historische, epigraphische als auch archäologische Hinweise belegen, dass die Stadt auf diese Weise die Kontrolle über das Gebiet erlangte und auch behielt.45
Tyros und der Binnenhandel Die Allianz zwischen Tyros und Israel im 10. Jahrhundert öffnete der Stadt neue Wege für den Handel mit dem Festland des Nahen Ostens. Die israelitische Kontrolle über die entstehenden Staaten der Aramäer im südlichen Syrien, insbesondere das Königreich von Maacha südlich des Berges Hermon, sicherte den Tyrern eine Landverbindung mit dem östlichen Galiläa und den oberen Bereichen des Jordan. Dadurch gewann Tyros Anschluss an das lukrative Handelsnetz jenseits des Flusses. Der im Norden am Fuße des Hermon und an der Kreuzung zweier wichtiger Handelsrouten von Norden nach Süden und von Osten nach Westen günstig gelegenen Nachbarstadt Dan kam dabei eine Schlüsselrolle zu. Die im Überfluss vorhandene phönizische Importkeramik belegt tyrische Handelskontakte mit dem unter israelitischer Herrschaft stehenden Dan und der größeren Siedlung Hazor im Süden. Die engen Beziehungen zwischen Dan und Tyros zeigen sich auch in den Hinweisen der Bibel auf Eheschließungen (Hiram, ein Bronzegießer aus Tyros, war der Sohn einer Frau
aus Dan) und auf Arbeiter aus Dan in den phönizischen Häfen.46 Die Kontrolle Israels über das südliche Judäa und die Eroberung Philistias und des südlichen Transjordanlandes (Moab und Edom) öffnete den Phöniziern wiederum neue Wege für den Handel, besonders mit dem Süden Arabiens, einer lukrativen Quelle für Gewürze und kostbare Erze. Die Ausgrabungen in Tell Masos im Berscheeba-Tal bestätigen,47 dass bereits im 11. Jahrhundert phönizische Händler in der südlichen Negev Fuß gefasst und einen Handelskorridor zum südlichen Arabah-Tal und nach Arabien geöffnet hatten. Darüber hinaus zeigt der biblische Bericht über die Ophir-Expeditionen, dass die Tyrer für den Handel Zugangsrechte zum Golf von Akaba, der Nordstation für den von den Midianiten kontrollierten südarabischen Küstenhandel, erhalten hatten. Der Sieg der Israeliten über die Philister verlieh den Phöniziern erneut mehr wirtschaft liche Macht. Im 11. Jahrhundert hatten sich die Philister zu einer starken Handelsmacht von fünf Städten (Gaza, Aschdod, Askalon, Gat und Ekron) entwickelt. Durch sie kontrollierten sie die Binnenhandelsrouten im südlichen Kanaan und auch die Küstengewässer der südlichen Levante. Ihre Unterwerfung durch Israel beseitigte ein gewaltiges Hindernis für den phönizischen Seehandel mit Ägypten. Israel selbst und seine Hauptstadt Jerusalem stellten für den phönizischen Handel und die Industrie im 10. Jahrhundert einen lukrativen Markt dar. Phönizische Waren und Handelsgüter kamen nun über die zwei wichtigsten
Häfen ins vereinigte Königreich: Dor im Norden und Joppa, den Hafen von Jerusalem, im Süden. Die genaue Lage des letztgenannten Hafens, wo die Zedernlieferungen aus Tyros an Salomon entladen wurden, ist noch nicht geklärt. Möglicherweise ist diese identisch mit einem Innenhafen, einem so genannten kothon, östlich von Joppa am antiken Lauf des Flusses Ayalon, bei dessen Bau phönizische Techniker geholfen haben könnten.48 Der wichtigste Warenumschlagplatz für den phönizischen Handel, der den archäologischen Funden nach hauptsächlich auf das nördliche israelitische Königreich ausgerichtet war, war allerdings die Hafenstadt Dor. Dor war stark von der phönizischen Kultur beeinflusst und könnte bereits vor dieser Zeit unter der Herrschaft der Phönizier gestanden haben. In der Forschung gab es immer wieder heftige Debatten über die Art der politischen und wirtschaftlichen Beziehungen, die Tyros mit Israel im vereinigten Königreich unterhielt. Zwar gab es Argumente für eine politische Dominanz seitens von Israel, die vorliegenden Hinweise deuten jedoch darauf hin, dass die Verbindung auf Gegenseitigkeit beruhte und zwischen zwei Mächten auf gleicher Ebene geschlossen wurde. Die Verträge scheinen beiden Seiten Vorteile gebracht zu haben: Während Tyros Schutz für den Handel und die benötigte landwirtschaft liche Unterstützung erhielt, profitierte Israel von der wirtschaftlichen Erfahrung und dem technischen Know-how der Tyrer. Wie man gesehen hat, war Tyros für Israel als unabhängiger Handelspartner, besonders beim Seehandel, von großem Nutzen.
Die Phönizierstädte und die Aramäer Aufgrund des Fehlens historischer Dokumente kann man über den Status von Sidon, Byblos und Arwad zu dieser Zeit nur spekulieren. Es ist jedoch anzunehmen, dass es ihnen aufgrund der veränderten politischen Lage im syrischen Umland wirtschaft lich schlechter ging. Die antiken Quellen besagen eindeutig, dass das gesamte Gebiet im 10. Jahrhundert unter die Herrschaft der Aramäer fiel, einem Völkergemisch aus westsemitischen Nomadenstämmen, die nun große Teile Syriens und der Mitte Mesopotamiens beherrschten. Die massive Ostwanderung dieser Stämme beeinträchtigte das benachbarte Assyrien und Babylonien stark, da sie die interne Kommunikation behinderte und die traditionellen Handelsrouten vom mittleren Euphrat nach Westen zum Mittelmeer blockierte. Durch administrative Schwierigkeiten und Kornknappheit geschwächt, gingen die wirtschaftlichen Aktivitäten in beiden mesopotamischen Staaten so stark zurück, dass es manchmal zu kritischen Situationen kam. Derartige Schwierigkeiten führten zur Unterbrechung und vielleicht sogar zum Abbruch des Handels mit dem Westen. Der Rückgang des Westhandels hatte für die nordphönizischen Küstenstädte Arwad und Byblos, die traditionell als Umschlagplatz für den Handel zwischen dem Mittelmeer und dem Land jenseits des Euphrat dienten, negative wirtschaft liche Folgen. Auch der Handel mit Syrien und Südanatolien könnte durch die verstärkte Präsenz der Aramäer in der Amuq-Ebene und Sam’al (Zin
Statue des Pharao Osorkon I. von Ägypten aus Byblos, spätes 10. Jahrhundert v. Chr. Die Statue, ein Geschenk des ägyptischen Pharaos an den Hof von Byblos, trägt eine Inschrift für den Empfänger, König Elibaal.
çirli) gestört worden sein, denn hier befanden sich die Korridore für den Handel der Phönizier. Die Wirtschaft von Byblos wurde durch den Verlust des Handels mit Ägypten weiter beeinträchtigt, dessen Außenhandel in den letzten Jahren der politisch unruhigen 21. Dynastie schwer angeschlagen war.
Das Wiedererwachen Ägyptens und Assyriens In den letzten Jahrzehnten des 10. Jahrhunderts v. Chr. veränderten sich die wirtschaft lichen Verhältnisse in Ägypten und Assyrien dramatisch. Beide »Supermächte« versuchten, sich militärisch und politisch neu zu orientieren. Im nördlichen Mesopotamien unternahmen die Assyrer unter Assurdan II. (934–912 v. Chr.) nach über einem Jahrhundert mehrere Angriffskriege, mit denen sie das an die Aramäer verlorene Gebiet zurückzuerobern versuchten. Adad-nirari II. (911–891 v. Chr.) profitierte von den Erfolgen seines Vorgängers und stieß tief ins aramäische Gebiet am oberen Euphrat vor, womit er den Grundstein für die Vorstöße von Assurnassirpal II. und Salamanasser III. im 9. Jahrhundert legte. In Ägypten begann mit der Thronbesteigung von Scheschonk I. (945–924 v. Chr.) die 22. (libysche) Dynastie. Unter seiner starken Führung wurden Unter- und Oberägypten rasch wieder vereint und der seit langer Zeit brachliegende Handel mit Nubien erneut aufgenommen. Zum ersten Mal seit den frühen Jahren der 21. Dynastie zeigte Ägypten Anzeichen für die Wiederbelebung sei
ner imperialen Ziele in der südlichen Levante. Von seinem Hauptquartier in Tanis aus startete der Pharao einen Angriff auf Juda und Israel, plünderte Jerusalem und drang bis ins Jezreel-Tal in Nordisrael ein. Angesichts der Bedrohung durch Assyrien und das militärisch wiedererstarkte Königreich am Nil versuchten die Phönizier offenbar, sich mit den Ägyptern zu verbünden. Zeugnisse für die Wiederaufnahme der diplomatischen Beziehungen zwischen Byblos und dem Niltal finden sich in einer Reihe von ägyptischen Königsstatuen, auf denen ältere Weihinschriften durch Inschriften des byblischen Königshauses an Baalat Gūbla ersetzt wurden (siehe Abb. oben). Wenn man davon ausgeht, dass die ägyptischen Alabastergefäße mit Königsinschriften Geschenke an Sidon und Tyros waren, so gingen von diesen beiden Städten wahrscheinlich ähnliche Bestrebungen aus.
Die wirtschaftliche Expansion in Tyros unter Ittobaal I. Im 9. Jahrhundert dehnte sich das Handelsimperium von Tyros unter Ittobaal I. (887–856 v. Chr.) und seinen Nachfolgern weiter aus. In dieser Zeit trug man den wachsenden kaufmännischen Bedürfnissen der Stadt mit dem Bau eines künstlichen Hafens im Süden, dem so genannten »ägyptischen Hafen«, Rechnung. Er kündet von der Wiederaufnahme des Handels mit dem Niltal. Das phönizische Handelsnetzwerk schloss nun
scheinbar auch das südanatolische Reich ein. Besonders am Golf von Alexandretta und der kilikischen Küste verstärkten sich ihre Aktivitäten. Die dortigen Häfen (Tarsus und Myriandros) dienten als Ausgangspunkte für den Handel mit den Gebieten jenseits des Taurusgebirges. Archäologische Funde im Inland Nordsyriens, in den neohethitischen Städten Karkemisch und Zinçirli, zeigen eindeutig, dass die Phönizier in der Taurusregion und am beginnenden Handel mit Syrien im Euphrattal beteiligt waren.49 Durch eine Heirat wurden die Beziehungen von Tyros zu Israel erneuert und gestärkt.50 Ittobaal wollte durch die Ehe seiner Tochter Isebel mit König Ahab (874–853 v. Chr.) die Handelsabkommen mit dem blühenden israelitischen Königreich und seiner neuen Hauptstadt Samaria sichern. Wie die alttestamentarischen Quellen zeigen, hatte Isebel später großen politischen und kulturellen Einfluss auf den israelitischen Hof, sowohl als Ahabs Königin als auch als Mutter von Ahaziah, Ahabs Nachfolger.51 Es ist wahrscheinlich, wenn auch nicht bewiesen, dass die Tyrer unter Ittobaal eine Allianz mit Aram-Damaskus suchten, das nun der mächtigste der aramäischen Stadtstaaten in Zentralsyrien war. Die politische und wirtschaft liche Stärke von Damaskus zeigt sich darin, dass beide Königreiche Palästinas, Israel und danach auch Juda, eine Allianz mit ihm anstrebten. So bot Juda seine verbliebenen Gold- und Silberreserven an, um den Aramäerkönig Ben-Hadad I. auf seine Seite zu bringen. Ben-Hadads späterer Überfall auf Dan und andere nor
disraelitische Städte im oberen Galiläa, dem direkten Hinterland von Tyros, führte offenbar zu einer vorsichtigen Annäherung an den aramäischen Nachbarn. Wie erwähnt, lagen die von Ben-Hadad angegriffenen israelitischen Städte an einer wichtigen Verbindungslinie zwischen Tyros und Damaskus durch das Bekaa-Tal.52 Während der Herrschaft Ittobaals fiel Sidon offenbar in den politischen Wirkungskreis von Tyros. Als erster tyrischer Herrscher nennt er sich selbst »König der Sidonier«, eine Bezeichnung, die bis zum Ende des 8. Jahrhunderts v. Chr. beibehalten wurde. Dann verschwindet der Name Sidons aus den assyrischen Inschriften von Tiglatpileser III. bis Sanherib. Es ist nicht klar, wie weit die Herrschaft von Tyros über Sidon in dieser Zeit ging, die historischen Fakten zeugen jedoch von einer Form von Staatenbund unter dem tyrischen Königshaus.53 Tyros’ Wirtschaftsmacht und der Scharfsinn seiner Kaufleute unter Ittobaal findet Ausdruck in den beginnenden Bemühungen der Stadt, Kolonien zu bilden. Nach Menander von Ephesus gründete der Tyrerkönig zwei Kolonien, die erste (Auza) in Libyen, die zweite (Batrun) an der phönizischen Küste nördlich von Byblos.54 Durch die Gründung von Batroun hoffte die Stadt im profitablen Handel mit den Gebieten jenseits des Euphrat durch die Akkar-Ebene Fuß zu fassen. Mit der Gründung in Libyen (die genaue Lage ist nicht bekannt) wollte man sicherlich eine Küstenstation für den Fernhandel mit dem westlichen Mittelmeer schaffen. Zwei weitere tyrische Kolonien, Karthago und Utica, wurden weiter westlich an der tunesischen Küste gegründet (siehe S. 77 und 184). Näher
Relief mit der Darstellung eines Phöniziers als Tributüberbringer, der ein Paar Affen mit sich führt. Palast des Assurnassirpal II. in Nimrud, Irak, 865 v. Chr.
König Ittobaal überwacht die Verschiffung des Tributs von Tyros an die Assyrer. Auf dem übrigen Teil des Frieses wird die Prozession phönizischer Tributzahler vor den assyrischen Monarchen geführt. Detail der Bronzetüren, die König Salamanasser III. im 9. Jahrhundert v. Chr. in Balawat (Khorsabad), Irak, anfertigen ließ.
an der Heimat, in Kition auf Zypern, gründeten die Tyrer vielleicht noch unter Ittobaal selbst eine weitere Kolonie, motiviert durch das Interesse am lukrativen Kupferhandel mit der Insel.
Das 9. Jahrhundert: Phönizien und die Assyrer Rohkupfer und Kupfergefäße machten einen Großteil der phönizischen Geschenke für König Assurnassirpal II. (883–839 v. Chr.) bei seinem Besuch am Mittelmeer um 870 v. Chr. aus. Es war der erste Besuch eines Assyrerkönigs nach fast 200 Jahren. Offiziell wurden die Waren zwar als »Tribut« aufgeführt, doch wurden sie von den Phöniziern sicher freiwillig verschenkt, um ihre Handelskonzessionen zu sichern. Dass Assurnassirpals Er
kundungsmission an die Mittelmeerküste kommerzielle Gründe hatte, ergibt sich aus seiner Reiseroute, die u. a. durch die strategisch wichtige neohethitische Handelsstadt Karkemisch am oberen Euphrat führte. Die Geschenke der Phönizier, wertvolles Metall (Gold, Silber, Kupfer, Zinn), feine Leinenkleider und kostbare Rohstoffe (Buchsbaumholz, Ebenholz und Elfenbein) sollten den Monarchen beeindrucken. Dies war auch die Intention des exotischen Geschenks von Affen, die später auf den Mauern des Königspalastes von Assurnassirpal als Besitz eines phönizischen Händlers dargestellt wurden (siehe Abb. S. 39). Dass die Phönizier ihre Ziele mit ihrer Diplomatie erreichten, zeigt sich schon darin, dass sowohl Tyrer als auch Sidonier unter den Würdenträgern aufgezählt werden, die zur Einweihung von Assurnassirpals Palast in der neuen Hauptstadt Kalhu (Nimrod) 879 v. Chr. eingeladen wurden.55 Die oben erwähnte Expedition war Assurnassirpals einziges Vordringen über den Euphrat auf syrisches Territorium. Die politischen Umstände im Westen veränderten sich unter seinem Sohn und Nachfolger Salamanasser III. (858–824 v. Chr.) drastisch. Dieser begann noch im ersten Jahr seiner Regierung einen Angriffskrieg gegen Nordsyrien und Südanatolien, der am Mittelmeer endete, wo er den Tribut der (ungenannten) »Könige der Meeresküste« empfing, zu denen wahrscheinlich alle phönizischen Dynastien gehörten. Die bronzenen Tore, die Salamanassers Palast in Dur-sharrukin (Khorsabad) zieren, zeigen, wie der Tribut der Tyrer vom Schiff aufs Festland gebracht wird. Von dort wird er von einer langen
Reihe von Trägern, angeführt von zwei unterwürfigen tyrischen Würdenträgern, vor den assyrischen König und sein Gefolge gebracht (siehe Abb. oben). Der alte Tyrerkönig Ittobaal sieht in Begleitung seiner Königin von der Küste seiner Inselstadt schweigend zu. Das Hauptmotiv für Salamanassers ersten und die nachfolgenden Feldzüge war die Unterwerfung der aramäischen und neohethitischen Königreiche im Westen. Von den 34 bekannten Feldzügen wurden 19 jenseits des Euphrat in Syrien geführt. In seinem fünften Regierungsjahr stieß er, nachdem er den Übergang über den Euphrat gesichert hatte, nach Süden in Richtung Syrien und Palästina vor. Bei Karkar stellte sich seinem Vorstoß eine vereinte Streitmacht unter der Führung der mächtigen aramäischen Staaten Damaskus und Hamath entgegen. In dieser Koalition, an der auch Israel, Ammon und Ägypten beteiligt waren, gab es auch kleinere Kontingente aus den syrischen und nordphönizischen Küstenstädten wie Arwad und Arqa. Obwohl sich Salamanasser offiziell zum Sieger erklärte, ging die Schlacht von Qarqar offensichtlich unentschieden aus, und innerhalb der nächsten 15 Jahre sollte der Assyrerkönig Damaskus noch fünfmal erfolglos angreifen (zunächst mit und später ohne die Unterstützung von Hamath). Unter Ben-Hadad I. und seinem Nachfolger Hazael war das mächtige Königreich Aram-Damaskus für den assyrischen Staat wohl ein ebenbürtiger Gegner. Die Ausrichtung Arwads und der nördlichen Küstenstädte mit der aramäischen Konföderation ist leicht zu verstehen. Das auffällige Fehlen von Tyros, Sidon und Byblos
ist jedoch erklärungsbedürftig. Ihre »neutrale« Haltung ist vielleicht auf ein früheres Abkommen zurückzuführen, das mit Assyrien unter Assurnassirpal II. getroffen wurde. Aufgrund ihrer Bedeutung für den Handel hatten sie wahrscheinlich bereits einen besonders geschützten und tributpflichtigen Status im Reich der Assyrer inne.
Ein assyrisches Intermezzo: der Aufstieg von Aram-Damaskus Das Ende des 9. und die erste Hälfte des 8. Jahrhunderts v. Chr. stellte für die Phönizier eine Zeit größerer politischer Freiheit dar, in der sie ihre Handelspolitik wahrscheinlich ohne Einmischung von außen durchführen konnten. Die Assyrer waren hauptsächlich mit der wachsenden militärischen Präsenz von Urartu im Süden Anatoliens beschäftigt. Sie richteten ihre Aufmerksamkeit nach Norden und ließen Syrien und Palästina unbehelligt. Ägypten, das mittlerweile unter der politischen Anarchie und den Aufständen in der gespaltenen 22. Dynastie litt, fehlte die Energie für eine aktive Außenpolitik. Das bereits in eine unabhängige thebanische Priesterschaft im Süden und die in Konkurrenzkämpfe mit verschiedenen libyschen Fürstentümern verstrickte heimische Dynastie im Norden gespaltene Land fiel im Jahre 818 v. Chr. einer Zersplitterung der Dynastien zum Opfer, infolgedessen die Herrschaft im Delta nun unter zwei verschiedenen Königshäusern in Leontopolis und Tanis geteilt wurde.
In diesem politischen Vakuum wuchs der regionale Einfluss des mächtigen Aram-Damaskus weiter und erreichte unter Hazael im letzten Viertel des 9. Jahrhunderts seinen Höhepunkt. Damals pflegten die Phönizier wahrscheinlich enge Handelskontakte zu Damaskus, dessen Besitztümer jenseits des Jordan ihnen die Kontrolle über den profitablen südarabischen Handel mit Weihrauch durch das Hedschasgebirge gaben. Wie Hesekiel berichtet,56 lieferte Damaskus den Tyrern nicht nur Wein, sondern auch Wolle für ihren eintragsreichen Handel mit gefärbten Kleidern. Im frühen 8. Jahrhundert v. Chr. verlagerten sich die Prioritäten von Tyros im Binnenhandel wohl zum Königreich Israel hin, das auf Kosten des durch die assyrische Intervention unter Adad-nirari III. (819–783 v. Chr.) geschwächten Damaskus florierte. Unter Jeroboam II. (782– 753 v. Chr.) erreichte Israel seine größte räumliche Ausdehnung seit den Tagen des vereinigten Königreiches und erhielt sogar einen Teil seiner an Damaskus verlorenen Ländereien jenseits des Jordan zurück. Es scheint, dass die phönizischen Kaufleute und Handwerker nunmehr in den Hauptstädten von Aram-Damaskus und Israel besonders aktiv waren. Aus dieser Zeit gibt es auch die frühesten architektonischen Belege für phönizische Kolonien jenseits des Meeres, in Zypern, Nordafrika, Sardinien und Südspanien (siehe Kapitel »Außenhandelsbeziehungen«, S. 173 –192). Diese Kolonialbestrebungen lassen auf eine aggressive Ausweitung der Handelsbeziehungen von Tyros im gesamten Mittelmeerraum schließen.
Die Rückkehr der Assyrer Diese Zeit relativer politischer Unabhängigkeit fand für die Phönizier mit der Thronbesteigung Tiglatpilesers III. (744–727 v. Chr.) binnen kurzer Zeit ein jähes Ende. Der neue assyrische König unternahm schnell mehrere aggressive Feldzüge zur vollständigen Unterwerfung der unabhängigen Staaten der Levante und ihrer Provinzen. Nach der Eroberung des küstennahen nordsyrischen Königstums Unqi um 738 v. Chr. unterwarf sich die gesamte Levante der assyrischen Herrschaft. Unqi selbst und die Städte an der phönizischen Küste nördlich von Byblos wurden annektiert und zu einer neuen assyrischen Provinz zusammengeschlossen, deren Zentrum die Phönizierstadt Simyra bildete. Tyros und Byblos wurden ebenso wie das Königreich Israel, Damaskus und Hamath tributpflichtig. Während der darauf folgenden Jahre schloss sich Tyros, in Abwesenheit von Tiglatpileser, der sich auf Feldzügen im Norden und Osten befand, einer antiassyrischen Koalition von Damaskus, Israel und Askalon in Philistia an, mit dem Ziel, eine vereinigte Westfront gegen die assyrischen Angriffe zu bilden. Die Reaktion der Assyrer kam unverzüglich. Beim Vorstoß nach Philistia überrannte Tiglatpileser die phönizische Küste, nahm Arwad ein, dessen König Mattan-Baal sich sofort ergab, und fiel bald darauf in die Stadt Mahalab auf lyrischem Gebiet ein. Der König von Tyros, Hiram II., ergab sich umgehend und bot Tributzahlungen an, wodurch er Tiglatpilesers Gnade gewann und die Stadt vor dem An
griff der Assyrer und der Annektierung ihres Territoriums entging. Der darauf folgende Sieg des Assyrerkönigs über die syrisch-palästinische Konföderation veränderte die politische Landschaft der Levante nachhaltig. Das Königreich Aram-Damaskus war besiegt und zu einer Provinz Assyriens degradiert worden. Israel behielt zwar für den Augenblick seine Unabhängigkeit, hatte durch die Annektierung der Gebiete im Norden und jenseits des Jordan jedoch viel von seiner Größe eingebüßt. Innerhalb von zehn Jahren wurde auch Israel zu einer Provinz, seine Hauptstadt Samaria wurde erobert und zerstört. Da Israel damit als politische Macht ausschied, richteten die Phönizier ihren Handel nach Juda und Philistia im Süden aus. Tiglatpilesers Milde gegenüber Tyros im Jahre 734 v. Chr., d. h. seine Entscheidung, die Stadt intakt und unabhängig zu lassen, beruhte nicht auf assyrischem Altruismus, sondern auf der Anerkennung der wirtschaft lichen Bedeutung der Stadt für das Imperium. Die Handelsaktivitäten der Tyrer waren nun nicht mehr unabhängig. Wie zwei zeitgenössische assyrische Dokumente zeigen, stand die Stadt jetzt unter der Herrschaft eines assyrischen Statthalters, der die innere Sicherheit und die Besteuerung des lukrativen Holz
Assyrisches Relief mit der Darstellung der Flucht von Luli, König von Tyros, nach Zypern. Das hohe Gebäude über den Stadtmauern könnte der berühmte Melkart-Tempel sein, dessen Eingang von zwei Säulen aus Gold und Smaragden flankiert war. Palast des Sanherib in Ninive, Irak, frühes 7. Jahrhundert v. Chr.
handels überwachte. Den großen wirtschaft lichen Wohlstand von Tyros kann man aus der Höhe der Tributforderungen ableiten, die Hirams Nachfolger, König Mattan II., gegen Ende der Regierungszeit Tiglatpilesers leistete. Mattans Zahlung von 150 Goldtalenten war die höchste Goldsumme, die je von einem tributpflichtigen Staat an Assyrien entrichtet wurde. Assyriens aktive kommerzielle Interessen am Überseehandel von Tyros werden durch die Maßnahmen von Sargon II. (721–705 v. Chr.) noch unterstrichen, der die Unterwerfung und Tributzahlungen der sieben unabhängigen Könige von Iatnana auf Zypern sicherstellte. Die Kontrolle über den phönizischen Kupferhandel in Kition war sicherlich das Hauptmotiv für Sargons beispielloses Unternehmen jenseits des Meeres. Tatsächlich dürfte die allgemeine Beteiligung der Phönizier am Metallhandel im Mittelmeerraum kaum der Aufmerksamkeit der Assyrer entgangen sein.57 Bis zur Herrschaft Sargons II. ließ man die phönizischen Städte und ihre Territorien gewähren, vorausgesetzt, sie behielten ihre unterwürfige Haltung dem assyrischen Staat gegenüber bei. Dazu gehörte die Zahlung von Steuern und Tributen (tamartu), die sporadisch eingezogen wurden. Mit Sargons Nachfolger Sanherib 704–681 v. Chr.) änderte sich diese Politik. Er verlangte von den Phönizierstädten und anderen Abhängigen im Imperium als Zeichen ihrer Lehnstreue jährliche Tributzahlungen. Aus verschiedenen, noch ungeklärten Gründen (darunter vielleicht fehlende Tributzahlungen) zogen sich die Tyrer unter König Luli (griechisch Eloulaios) den Zorn
Sanheribs zu, der im Jahre 701 v. Chr. mit einer Invasion reagierte und Luli veranlasste, nach Zypern zu fliehen (siehe Abb. oben). Sanherib übergab anschließend den Thron von Sidon und alle tyrischen Ländereien auf dem Festland (einschließlich Ushu) an einen proassyrisch eingestellten Sidonier namens Tubalu (Ittobaal). Ein Angriff auf Tyros ist nicht erwähnt. Ohne seine Gebiete auf dem Festland scheint die Stadt für die Assyrer keine direkte Bedrohung mehr dargestellt zu haben. Sanheribs Aktionen waren kalkuliert: Indem er die Stadt von ihren Ländereien auf dem Festland abschnitt, nahm er ihr ein wesentliches Machtinstrument. Tyros war zwar immer noch autonom, sein wirtschaft licher Nachschub hing nun aber vollständig von seinen Besitztümern jenseits des Meeres ab. Der finanzielle Verlust muss zumindest für kurze Zeit für die Stadt erheblich gewesen sein. Sidon erhielt jedoch mit dem Erbe des tyrischen Landimperiums (einem Küstenstreifen von 160 km Länge, der sich nach Süden bis zur Karmel-Halbinsel erstreckte) und der ausdrücklichen Unterstützung Assyriens einen ungeheuren wirtschaft lichen Vorteil gegenüber seinem Rivalen im Süden.58 Doch dieser territoriale Vorteil gegenüber Tyros war nicht von langer Dauer. Durch den Gebietszuwachs gestärkt und gestützt auf eine Allianz mit dem kilikischen König Sanduari, ergriff Sidon nach der Ermordung Sanheribs die Gelegenheit, sich gegen die assyrische Herrschaft aufzulehnen. Wiederum kam Assyriens Antwort schnell und sicher: 677 v. Chr., drei Jahre nach seiner Thronbesteigung, marschierte Asarhaddon (680–669
v. Chr.), Sanheribs jüngster Sohn und Nachfolger, in Sidon ein, eroberte die Stadt und annektierte die umliegenden Gebiete. Die Stadt und ihre Mauern wurden zerstört, der königliche Palast geplündert und die Beute nach Assyrien verschleppt. Im darauf folgenden Jahr wurde Abdimilkutti, der königliche Missetäter, auf See gefangen genommen und geköpft. Die Familie des Königs und sein Hofstaat sowie die Bevölkerung der Stadt wurden verschleppt und an ihrer Stelle Fremde angesiedelt. Die Stadt wurde von den Assyrern wieder aufgebaut und Kar Asarhaddon (»Hafen von Asarhaddon«) genannt. Aus unbekannten Gründen fiel der südliche Teil des sidonischen Königreiches (einschließlich der Stadt Sarepta) an Tyros, das mittlerweile seine Besitztümer an der Küste der Akko-Ebene zurückerhalten hatte. Asarhaddons Geschenk erfolgte wahrscheinlich in Anerkennung der vorausgegangenen Loyalität der Stadt. Unter Lulis Nachfolger Baal I. hatte Tyros seine jährlichen Tributzahlungen stets zuverlässig geleistet. Tyros scheint jedoch nur nach außen hin eine loyale Haltung eingenommen zu haben. Tatsächlich arbeitete es aktiv an der Wiederherstellung seiner politischen und wirtschaft lichen Machtbasis, um sich von der assyrischen Herrschaft zu befreien. Die Inselstadt stand nunmehr offenbar an der Spitze einer Liga unabhängiger Fürstentümer in der Levante, die in den assyrischen Annalen als die »22 Könige von Hatti (d. h. Syrien), der Küste und den Inseln« bezeichnet werden. Tyros’ führende Stellung in dieser Konföderation, zu der auch das Königreich Juda und je zehn weitere Städte aus »Großsy
König Asarhaddons Siegesstele zu Ehren seiner Eroberung und Vernichtung von Tyros und Ägypten. Vor ihm stehen die gefesselten und flehenden Figuren von Baal I, dem tyrischen König, und Ushanahuru, dem nubischen Kronprinzen. Frühes 7. Jahrhundert v. Chr.
rien« und Zypern zählten, verliehen der Stadt beträchtliche regionale Schlagkraft.
Die Phönizer und das Ägypten der Kuschiten Zu Tyros’ Handelspartnern zählte auch Ägypten, das nun unter der Fremdherrschaft der Nubier (Kuschiten) stand. Ägypten und Tyros hatten bereits mehrere Jahre lang mit den Kuschiten unter Taharka (ca. 690–664 v. Chr.) regen Handel getrieben.59 Im Austausch für phönizische Importe wie Zedernholz und Bronze wickelte der Kuschitenkönig einen Teil des lukrativen nubischen Handels möglicherweise über die tyrische Stadt ab. Ägyptens Rückkehr auf die politische Bühne des Nahen Ostens hatte sich bereits einige Jahre zuvor vollzogen, unter Osorkon IV. (ca. 730–715 v. Chr.), dem letzten König der 22. tanitischen Dynastie. An ihn wandte sich Hosea von Israel 726/5 v. Chr. mit der Bitte um militärische Unterstützung für seine antiassyrische Koalition. In den letzten Jahrzehnten des 8. Jahrhunderts hatte Ägypten geschickt hinter den Kulissen agiert und die Staaten im südlichen Palästina insgeheim bei ihren rebellischen Aktionen unterstützt und ermutigt. Unter den Kuschiten nahm Ägypten jedoch eine aktivere und aggressivere militärische Haltung im westlichen Asien ein und verbündete sich unter seinem zweiten König Schabaka mit der judäisch-palästinischen Koalition gegen die Assyrer bei Eltekeh im Jahre 702/1 v. Chr. Angesichts der wachsenden Bedrohung durch die Assy
rer ging der Kuschite Taharka ein hohes politisches Risiko ein. In der Hoffnung seine Verteidigungslinie am Mittelmeer gegen den drohenden Angriff der Assyrer zu wappnen, unterzeichnete der nubische König eine Allianz mit Tyros und seiner westlichen Koalition gegen Asarhaddon.
Tyros und die späten assyrischen Könige: eine Stadt im Belagerungszustand 671 v. Chr. unternahm Asarhaddon seinen zweiten Invasionsversuch in Ägypten und nutzte die Gelegenheit, Tyros für seine Allianz mit Taharka zu bestrafen. Auf dem Weg nach Ägypten traf er Vorbereitungen zur Belagerung der Stadt, bevor er nach Süden weitereilte, um dort erfolgreich Memphis einzunehmen und Taharka zu veranlassen, nach Nubien zu fliehen. Als er zurückkehrte, ergab sich Baal I., der Herrscher von Tyros, klugerweise den Assyrern, stimmte hohen Tributzahlungen zu (einschließlich noch ausstehender Zahlungen) und verlor zeitweilig große Teile der Besitztümer auf dem Festland. Der assyrische König setzte seinem Sieg über Ägypten und Tyros mit einer Reihe von Siegesstelen ein Denkmal, auf denen Asarhaddon mit den gefesselten Figuren von Baal und Ushanahuru, dem gefangen genommenen Sohn Taharkas und nubischen Kronprinzen, abgebildet ist. Zu dieser Zeit schloss die Stadt wahrscheinlich einen Vasallenvertrag mit Assyrien zur Regelung des Seehandels.60 Einmal mehr war Tyros vom mächtigen Assyrien
erniedrigt worden. Die Inselstadt war somit zwar ernsthaft geschwächt, war aber wie Byblos und Arwad innerhalb des assyrischen Reiches weiterhin autonom. 668 v. Chr., im Jahr der Thronbesteigung Assurbanipals (668– 631 v. Chr.) zahlten die Könige aller drei phönizischen Städte dem neuen Assyrerkönig Tribut und boten ihm Marineunterstützung für seinen ersten Feldzug gegen Ägypten an. Wiederum scheint diese Geste seitens der Tyrer nur politischer Rauch gewesen zu sein, denn während Assyrien mit Ägypten beschäftigt war, erhob sich die Stadt gemeinsam mit Arwad und anderen Mitgliedern der syrischen Konföderation. 662 v. Chr. verhängte Assurbanipal nach der Eroberung und Plünderung Thebens eine Landblockade über Tyros, wodurch er Baal schließlich zur Aufgabe und Unterwerfung zwang. Die Stadt und ihr König wurden zwar verschont, Tyros jedoch seiner Besitztümer auf dem Festland beraubt. 640 v. Chr. war das kontinentale Imperium von Tyros endgültig zu einer Provinz Assyriens geworden und seine früheren Besitztümer Ushu und Akko nun unter staatlicher Kontrolle der Assyrer. Schon kurz danach begann die assyrische Herrschaft über die Levante zu zerfallen. Von zivilen Unruhen und einem zermürbenden Krieg mit Elam geschwächt, sollte Assyrien nie wieder an die phönizische Küste vordringen. Innerhalb von drei Jahrzehnten nach dem letzten Feldzug gegen das tyrische Festland im Jahre 644/3 v. Chr. brach das assyrische Imperium zusammen und wurde ein Opfer der Angriffe Babylons. Im letzten Viertel des 7. Jahrhunderts fiel die phöni
zische Küste wie Philistia im Süden offenbar unter die Herrschaft der Ägypter. Psammetich I. (664–610 v. Chr.), der Gründer der 26. saïtischen Dynastie, nutzte das politische Vakuum in der Levante und erneuerte die Verbindungen mit dem Norden. Die historischen Dokumente für die politische Präsenz der Ägypter in der Levante sind zwar spärlich, aber sehr aufschlussreich. Nach einem ägyptischen Dokument aus dem Jahre 613 v. Chr. wurde die phönizische Küste abhängig von Ägypten und wurde von einer dem Pharao direkt unterstellten Provinzregierung verwaltet. Was den Handel angeht, so rühmt sich Psammetich, dass seine Offiziere Produktion und Export des phönizischen Holzes selbst überwachten.61 Die Tyrer selbst hatten zu dieser Zeit eine Handelsniederlassung in Ägyptens Hauptstadt Memphis errichtet. Die Entscheidung Ägyptens, sich im letzten Jahrzehnt des 7. Jahrhunderts mit dem Erzfeind Assyrien gegen die Babylonier zu verbünden, wird wohl durch ihre Gebietsansprüche motiviert gewesen sein. Die Allianz zwischen den früheren politischen Rivalen stand jedoch unter keinem guten Stern und war nicht von langer Dauer. 605 v. Chr. schlugen die Babylonier unter ihrem Kronprinzen Nebukadnezar die vereinten Streitkräfte von Ägypten und Assyrien bei Karkemisch vernichtend. Damit war der Grundstock für die babylonische Hegemonie in der Levante gelegt.
Phönizien unter den Babyloniern In seinem ersten Jahr marschierte Nebukadnezar II. (604–562 v. Chr.) in Syrien ein, wo er seine Macht über die Könige von »Hatti« festigte, zu denen auch die Herrscher der phönizischen Küstenstädte gehörten, die pflichtschuldig ihren Tribut leisteten. Die babylonische Hegemonie über diese Region war jedoch keineswegs sicher. Von Ägypten ermuntert leisteten die verschiedenen Staaten der Levante, darunter das Königreich Juda und die Phönizierstädte, bald Widerstand. Wahrscheinlich als Reaktion auf eine bereits früher gegründete Koalition zwischen Juda, Tyros, Sidon und den Staaten Ammon, Moab und Edom jenseits des Jordan, schritt Nebukadnezar militärisch ein und belagerte und zerstörte Jerusalem 587 v. Chr. Im folgenden Jahr organisierte er einen Feldzug, um die phönizische Küste zu unterwerfen. Um 585 v. Chr. begann Nebukadnezar die berühmte 13-jährige Belagerung von Tyros, nachdem die Stadt vorangegangenen Feldzügen offensichtlich getrotzt hatte.62 Diese Langzeitoperation – die in Wirklichkeit eine Landblockade der Inselstadt darstellte – muss eher als Strategie des »In-Schach-Haltens« verstanden werden denn als dauerhafter Angriff. Diese Interpretation könnte auch erklären, warum das Ereignis in den babylonischen Chroniken nicht erwähnt wird. Die Historizität der Belagerung ist durch ein zeitgenössisches babylonisches Dokument belegt, das besagt, Nebukadnezar sei zumindest an einigen Aktivitäten der Operation selbst beteiligt gewesen. Es ist nicht klar, wie
die Belagerung ausging, doch scheinbar gab es keinen eindeutigen Sieg für die Babylonier. Wahrscheinlich kam es eher zu einem Kompromiss, bei dem Tyros im Gegenzug für die Anerkennung der babylonischen Herrschaft seine Autonomie behielt.63 Wie Josephus in seiner Liste der tyrischen Dynastien aufzählt, blieb die dynastische Linie in Tyros ungebrochen. Als Folge der Unterwerfung von Tyros wurde sein derzeitiger Herrscher, Ittobaal III., offenbar durch Baal II. ersetzt. Es ist gut möglich, dass Ittobaal, wie es zuvor schon mit dem aufständischen judäischen König Zedekia geschah, nach Ninive gebracht wurde. Nach der Regierung von Baal II. verzeichnet Josephus ein Interregnum von sieben Jahren, während derer die Stadt von jährlich neu gewählten Richtern oder Suffeten regiert wurde. Die Umstände dieser beispiellosen konstitutionellen Veränderung sind nicht klar. Doch die beiden tyrischen Könige (Mahar Baal und Hiram III.), die schließlich den Thron bestiegen und die dynastische Linie fortsetzten, wurden jeweils vom Königshof in Babylon abberufen, was darauf hinweist, dass auch sie Jahre zuvor von Nebukadnezar verschleppt worden waren. Wann Tyros seine Autonomie schließlich verlor, ist nicht bekannt, in Nebukadnezars 40. Regierungsjahr (564 v. Chr.) stand es jedoch unter dem Gesetz der babylonischen Provinz Kadesch. Unter den Babyloniern erlebten die phönizischen Städte ihren wirtschaftlichen Tiefpunkt. Die babylonische Annektierung des südlichen Palästina (Philistia, Samaria und Juda) und Transjordan (Amman und Moab) auf der ei
nen und Kilikien auf der anderen Seite beschnitt den Zugang der Phönizier zu den lukrativen Handelsnetzwerken in Südarabien und Südanatolien. Dass die Phönizer mit Babylonien Handel trieben, ergibt sich aus den vielen Berichten des Hofes, in denen phönizische Handwerker im Staatsdienst genannt werden, es ist jedoch nicht bekannt, wie selbstständig sie in diesem Bereich handeln konnten. Unter Nebukadnezar kontrollierte der babylonische Staat den begehrten Zedernhandel Phöniziens. In Nebukadnezars in den Fels gehauener Inschrift im Wadi Brisa im nördlichen Libanon rühmt sich der Monarch, einen Ziehweg und Straßen durch die Berge gebaut zu haben, um den Transport des Holzes zum Euphrat und von da aus nach Babylon zu erleichtern. Zeitgenössische Bau inschriften zeigen darüber hinaus, in welchem Ausmaß Zedernholz bei staatlich geförderten Bauprojekten, wie z. B. Nebukadnezars eigenem Palast, verwendet wurde.64 Über die phönizischen Städte und ihre Beziehungen zu Babylonien nach dem Tod Nebukadnezars im Jahre 562 v. Chr. ist nur wenig bekannt. Während der letzten Jahre des Imperiums, unter dem letzten König Nabonidus (556– 539 v. Chr.), waren die phönizischen Siedlungen auf dem Festland wahrscheinlich relativ unabhängig, da sich die Aufmerksamkeit der Babylonier wegen dringenderer Angelegenheiten in der Heimat vom Westen abwandte. Die Lockerung der administrativen Kontrolle begann wahrscheinlich bereits gegen Mitte des Jahrhunderts, als Nabonidus in Arabien (mit einem längeren Feldzug) und mit der drohenden Gefahr der Meder im Osten beschäf
tigt war. Babylons Entscheidung die dynastische Linie von Tyros 556 v. Chr. unter Nabonidus wieder einzusetzen, war daher möglicherweise eine politische Geste der Beschwichtigung, um sich in unsicheren Zeiten der weiteren Loyalität der Stadt zu versichern. Zwar fehlen historische Dokumente, doch werden wohl in dieser Zeit die im Exil lebenden Familien von Sidon, Arwad und Byblos wieder eingesetzt worden sein, denn am Ende des 5. Jahrhunderts waren sie nachweislich wieder in ihren Heimatstädten.65 Die Förderung der phönizischen Autonomie durch die Babylonier unter Nabonidus erklärt vielleicht, warum die Phönizier der Krone auch in den letzten Jahren des Imperiums trotz wachsender innerer Schwierigkeiten treu blieben.
Die Phönizier unter der Herrschaft der Perser Die Hegemonie der Babylonier nahm im Oktober 539 v. Chr. mit der Eroberung.von Sippar und Babylon durch die Perser unter Kyros dem Großen (559–530 v. Chr.) ein jähes Ende. Über den politischen Status der Phönizierstädte in den ersten Jahren des Imperiums ist nichts bekannt. Aller Wahrscheinlichkeit nach gehörten sie zu den »Königen des oberen Meeres [Mittelmeer], die in Königspalästen wohnen«, die sich Kyros in Babylon freiwillig unterwarfen und Tributzahlungen anboten.66 Über das exakte Datum ihrer Aufnahme in das Imperium ist man jedoch geteilter Meinung, es könnte in den ersten Jahren von Kyros oder in der Regierungs
zeit seines Nachfolgers Kambyses (530–522 v. Chr.) gewesen sein, bevor dieser seine Feldzüge nach Ägypten begann.67 Von Beginn an erfreuten sich die Phönizier offensichtlich einer vorteilhaften Stellung, zu der ihnen wohl ihre strategische maritime Bedeutung für Persien und dessen nach Westen gerichtete imperiale Ziele verhalfen. Unter den Achämeniden bildeten sie lange Zeit die wichtigste Basis für die maritimen Operationen Persiens im Mittelmeer. Diese strategische Rolle manifestiert sich in der ersten Phase der persischen Expansion nach Westen: der Invasion und Eroberung Ägyptens, die von Kyros’ Nachfolger Kambyses im Jahre 525 v. Chr in Angriff genommen wurde. Herodot berichtet, dass die phönizische Flotte aus Tyros eine entscheidende Rolle dabei spielte, indem sie den erfolgreichen Landangriff der Perser auf das Nildelta unterstützte und somit den Weg für die darauf folgende Eroberung von Ägyptens Hauptstadt Memphis ebnete. Wie Herodot schreibt, hatten die Tyrer Kambyses freiwillig ihre Dienste angeboten, ein geschickter Schachzug, der ihnen bald die unsterbliche Dankbarkeit und das Vertrauen der Perser einbrachte. Während des gesamten 6. und auch im 5. Jahrhundert behielten die Phönizier diese Taktik strikt bei, ihre Zusammenarbeit mit den Persern in der Seefahrt war wie die der Kilikier (die von Kyros gleichfalls für ihre unerschütterliche Loyalität belohnt wurden) beispielhaft. Eine solche aktive Kooperation zahlte sich aus. Reiche Funde lassen vermuten, dass die phönizischen Städte von Beginn an sehr großzügig behandelt wurden – eher wie
Verbündete denn als Vasallenstaaten. Das Ausmaß ihres politischen Einflusses und ihrer Autonomie kann man dem Bericht des Herodes über Kambyses’ geplanten Angriff auf Karthago im Anschluss an den erfolgreichen Ägyptenfeldzug entnehmen. Als sie gegen Karthago segeln sollten, weigerten sich die Tyrer und beriefen sich auf ihre Verpflichtungen gegenüber der Tochterstadt. Der persische Monarch versuchte nicht, seine Forderungen durchzusetzen, sondern beugte sich den Wünschen der Tyrer und begrub schließlich seine Invasionspläne. Alle vier phönizischen Metropolen im Mutterland – Tyros, Sidon, Byblos und Arwad – sowie Kition und die anderen zypriotischen Königsstädte durften ihre dynastische Autonomie behalten. Über Tributverpflichtungen gibt es keine Informationen. Vielleicht waren die Phönizier durch ihre aktive militärische Unterstützung – indem sie den Persern ihre Flotten zur Verfügung stellten – von hohen Geldzahlungen befreit. Ursprünglich waren die phönizischen Städte Teil des weitreichenden Verwaltungsbezirks Athura (»Assyrien«), der ganz Mesopotamien und Syrien/Palästina umfasste. In den frühen Jahrzehnten des 5. Jahrhunderts wurde diese schwer zu verwaltende Region im Zuge von Dareios I. (522–486 v. Chr.) administrativer Reorganisation des Imperiums aufgeteilt und eine eigene Provinz namens Abarnahara (»Jenseits des Flusses«) gebildet, zu der Zypern und das levantinische Festland westlich des Euphrats gehörten. Die Phönizier wussten ihre privilegierte Position innerhalb der Verwaltungshierarchie der Achämeniden si
cherlich zu nutzen. Die persische Herrschaft und das effiziente Kommunikationsnetzwerk boten ihnen Handelsmöglichkeiten im Inland, mit Mesopotamien und dem eigentlichen Persien. Noch wichtiger war, dass die politische Kontrolle der Perser es ihnen erlaubte, vom Seehandel mit Ägypten und dem Mittelmeerraum zu profitieren. Diese kommerziellen Ziele führten dazu, dass sie Persiens Kriege gegen Ägypten und das westliche Griechenland aktiv unterstützten. In den beiden vorausgegangenen Jahren waren die Phönizier zunehmend dem Wettbewerb griechischer Händler im Mittelmeerraum ausgesetzt gewesen und im späten 6. und frühen 5. Jahrhundert hatte diese Rivalität sie selbst auf ihren traditionellen eigenen phönizischen Märkten wie Ägypten, Rhodos und Zypern schwer getroffen. Die griechischen Händler waren im Norden bis ins Herz der Levante vorgestoßen und die Importe aus der Ägäis nahmen dort in den ersten Jahren des 5. Jahrhunderts stark zu. Es überrascht daher kaum, dass die Phönizier, wie Herodot es ausdrückt, zur See »die eifrigsten« aller Verbündeten der Perser beim Angriff auf die ionischen Griechen und die Stadt Milet in der Schlacht von Lade 494 v. Chr. waren. Milet bildete als reiche griechische Handelsstadt das ostgriechische Zentrum für den Küstenhandel in der Ägäis und wurde von den Persern genauso bevorzugt behandelt wie zuvor die Lyder. (Kyros selbst hatte zuvor während seines Feldzugs in dieser Gegend einen besonderen Vertrag mit den Miletern ausgehandelt.) Als Milet schließlich von den Persern zerstört wurde, wurde einer der größten Handelsrivalen der Phönizier vernichtet, womit sich ih
nen neue Handelswege in der Ägäis eröffneten. Aufgrund ähnlicher Hoffnungen und Erwartungen unterstützten die Phönizier Persien wahrscheinlich auch bei der Invasion des griechischen Festlandes unter Dareios I. und Xerxes (485–465 v. Chr.) im folgenden Jahrzehnt. Ähnliche kommerzielle Ziele lagen Tyros’ Marineunterstützung von Kambyses bei seinem Vormarsch auf Ägypten 525 v. Chr. zugrunde. Auch hier hatten die Griechen während der vorangegangenen 100 Jahre unter den saïtischen Königen der 26. Dynastie ernsthafte Fortschritte gemacht. Bereits unter Psammetich I. im 7. Jahrhundert hatten sie eine Militärbasis eingerichtet, die erste von mehreren am östlichen, pelusianischen Zweig des Nildeltas, einem wichtigen Ausgangspunkt für den phönizischen Handel. Im letzten Viertel des 6. Jahrhunderts bauten die ionischen Griechen, wie archäologische Untersuchungen zeigten, eine große Hafensiedlung in Naukratis am Nildelta, in der Nähe von Saïs, der Hauptstadt der 26. Dynastie. In den Jahrzehnten vor dem Angriff der Perser hatte die griechische Handelsstadt unter der Schutzherrschaft von Amasis, dem philhellenischen König Ägyptens, ihren kommerziellen Höhepunkt erreicht. Die Eroberung Ägyptens durch die Perser brachte drastische Veränderungen des ägyptischen Außenhandels mit sich, die wiederum Vorteile für die Levante schufen. Der Verlust des griechischen Einflusses zeigt sich etwa in Naukratis selbst, das in den Jahren nach der persischen Eroberung schnell verfiel.68 Die Tyrer befanden sich in einer günstigen Position, um vom persisch kontrollierten Handel mit Ägypten zu
profitieren und sie machten Boden gut, den sie in den früheren Jahren des 6. Jahrhunderts verloren hatten, als das Reich am Nil unter Necho II. mit einer neugebauten Flotte von Triremen wieder in den Außenhandel eingriff. Damals bediente sich Necho selbst auf einer Forschungsfahrt vom Roten Meer aus, bei der er Afrika umsegeln wollte, phönizischer Seeleute.69 Amasis’ eigene politische Unternehmungen im Mittelmeerraum vor der persischen Eroberung, zu der auch die Allianz mit Samos und vielleicht Zypern gehörte, musste in den Kreisen der phönizischen Händler Bedenken ausgelöst haben.70 Eine tyrische Handelsbasis in Memphis, die das »Lager der Tyrer« genannt und von Herodot selbst besucht wurde, weist auf die phönizischen Handelsbemühungen in Ägypten unter den Persern hin.71 Die ägyptische Verwaltungshauptstadt, in der sich auch die Docks für die Schiff fahrt befanden, war seit langem das Zentrum des phönizischen Handels im Nildelta. Im östlichen Hinterland von Memphis vervollständigte Dareios I. in den letzten Jahrzehnten des 6. Jahrhunderts den von Necho begonnenen Bau des Kanals, der den Nil mit dem Roten Meer am Ende des Golfs von Suez verband. Dass es diesen Kanal gab, von dem Herodot bereits in der Antike berichtete, ist durch die Entdeckung mehrerer roter Granitstelen belegt, die Dareios an seinem Verlauf zum Gedenken aufstellen ließ. Aufgrund ihres Rufes als maritime Ingenieure könnten am Bau des Kanals gut Phönizier beteiligt gewesen sein, so wie sie es zwei Jahrzehnte später bei einem persischen Kanal ähnlicher Breite über eine Halbinsel am Berg Athos
in Nordgriechenland waren.72 Auf jeden Fall profitierten sie als Zwischenhändler im ägyptischen Handel mit dem Roten Meer direkt von diesem Kanal. Es ist vielleicht nicht einmal zu weit hergeholt, zu vermuten, dass die Tyrer im Gegenzug für ihre Dienste von den Persern selber zur See Konzessionen für einen derartigen Transithandel erhielten. Auf jeden Fall ist durch phönizische Inschriften in Tell el-Kheleifeh am Ende des Golfs von Akaba belegt, dass die Phönizier zu dieser Zeit kommerziell am Handel zwischen den Ländern am Mittelmeer und dem Roten Meer beteiligt waren.
Hegemonie der Sidonier unter den Persern Trotz der Bemühungen von Tyros, seine Handelsbeziehungen in den ersten Jahrzehnten der persischen Herrschaft neu zu knüpfen, war es nichtsdestotrotz Sidon, das sich im frühen 5. Jahrhundert als herausragender phönizischer Staat erwies, eine Rolle, die es bis in die letzten Jahre der Perserzeit beibehielt. Die Zeichen für den politischen Aufstieg von Sidon sind klar und deutlich. Die Stadt war während der gesamten Achämenidenzeit das regionale Hauptquartier und Sitz der Statthalterresidenz, es gab eine persische Garnison und einen königlichen Park (paradeisos). Sidons hoher Status in der Achämeniden-Hierarchie äußert sich auch in der Tatsache, dass es als einzige unter den Phönizierstädten Münzen mit dem Bild des persischen Königs prägte, ein Privileg, das ihm vom Königshaus verliehen wurde. Darü
ber hinaus war es die einzige Stadt, die den Doppelstater herausgab, eine schwere Münze mit hohem Prestige und von großem Wert. Wirtschaft lich hatte Sidon unter den Phönizierstädten scheinbar die Führungsposition inne. Diodor beschreibt den Reichtum der Stadt und fügt an, dass »die bürgerlichen Bewohner große Reichtümer aus dem Seehandel angehäuft« hatten.73 Der Handel in der Ägäis war für Sidon lukrativ, im Gegensatz zu Tyros, dessen früherer Kolonialbesitz sich im mittleren und westlichen Mittelmeerraum konzentrierte. Die Stadt war das Produktionszentrum reliefverzierter anthropomorpher Marmorsarkophage, die im gesamten östlichen Mittelmeerraum vertrieben wurden (Abb. S. 156). Im frühen 4. Jahrhundert erreichte der Handel Sidons mit der Ägäis unter Straton I. (Abdaschtart), seinem gierigen philhellenischen König, dessen Name inschriftlich aus den Handelszentren Delos und Athen überliefert ist, seinen Höhepunkt. In Delos wurde sogar ein Erlass herausgegeben, durch den sidonische Händler in Athen keine Steuern zahlen mussten.74 Von den Münzen der phönizischen Städte waren die aus Sidon am weitesten verbreitet. Den numismatischen Belegen nach zu urteilen überstieg die Handelstätigkeit Sidons die von Tyros sowohl im phönizischen Kernland als auch in der Ebene von Sharon, die durch eine königliche Schenkung nun sidonisches Territorium war.75 Die archäologischen Funde unterstreichen den Reichtum der Stadt. Ihre Ausdehnung nach Süden und Osten, die großen Umbauten und Erweiterungen am Eschmun-Tempelbezirk und die verschwenderisch ausgestatteten Gräber
der sidonischen Könige zeugen von einem Zeitalter des Wohlstands (siehe Frontispiz). Es kann mehrere Gründe dafür geben, dass Sidon Tyros in der persischen Zeit überflügelt hat, ein Faktor tritt jedoch ganz deutlich hervor: Sidons Überlegenheit zur See. Seit der Regierung des Dareios war die sidonische Flotte die am meisten favorisierte unter den Marinekontingenten Persiens, ihre Triremen waren die schnellsten und die wirkungsvollsten Schlachtschiffe. Während der Invasion von Xerxes in Griechenland im Jahre 480 v. Chr. hatte der sidonische Befehlshaber Tetramnestos den höchsten Rang unter den phönizischen Marineoffizieren und den wichtigsten Platz im Kriegsrat des Königs inne.76 Es war mit Sicherheit Sidons Stärke zur See, die die Stadt zum militärischen Hauptquartier in der phönizischen Region werden ließ und seine Lage an zwei Hauptstraßen ins Landesinnere favorisierte es als Garnisonsposten.
Das phönizische Zypern unter den Persern Die Perserzeit bedeutete für die Phönizier auf Zypern eine Zeit der politischen und kulturellen Expansion unter der Ägide von Kition, das nunmehr von seiner Mutterstadt Tyros unabhängig wurde (siehe Abb. S. 97). Epigraphische und archäologische Funde aus der zypriotischen Klassik zeigen, wie stark die Phönizier auf der ganzen Insel präsent waren – sowohl an der Küste als auch in den inneren Regionen des kupferreichen Troodosgebirges (Golgoi, Tamassos, Idalion). Wie zu
vor diente Zypern auch in der Perserzeit als strategisch wichtige Zwischenstation für den levantinischen Küstenhandel mit dem westlichen Mittelmeerraum. Aus diesem Grund und wegen seiner Kupferreserven war die Insel für die Phönizier auf dem Festland wirtschaftlich sehr wichtig. Es lag in ihrem Interesse, dass sie unter persischer Herrschaft blieb. In Gemeinden auf der ganzen Insel lebten zwar Phönizier, die unabhängigen Königreiche von Zypern standen jedoch weitgehend unter der Herrschaft griechischer Dynastien, deren Sympathien im Westen der Ägäis lagen. Daher befand sich die Insel während der Achämenidenzeit im Zentrum eines politischen Tauziehens zwischen griechischen und persischen Interessen. Der Konflikt brach um die Wende zum 5. Jahrhundert aus, als sich die gesamte Insel – Amathus ausgenommen – der ionischen Revolte von 499/8 v. Chr. anschloss. Die Reaktion der Perser kam schnell: Mit der Hilfe der phönizischen Festlandflotte wurde in Salamis, dem Epizentrum des Aufstandes, eine Invasion vorbereitet, und die Streitkräfte der Konföderation wurden zu Lande geschlagen. Innerhalb eines Jahres kapitulierten die nun von den Persern belagerten Städte und die Insel stand wieder unter dem Zepter der Achämeniden. Die Weigerung Amathus’, sich dem Aufstand anzuschließen, spiegelt die politischen und wirtschaft lichen Prioritäten dieser Stadt wider. Als wichtigste Transitstation für den Handel mit der Levante und Ägypten hatte sie ein persönliches Interesse daran, im achämenidischen Handelsnetzwerk des östlichen Mittelmeerraums zu verbleiben.
Nach den Perserkriegen versuchte der Athener General Kimon bei drei Gelegenheiten erfolglos, im Namen der griechisch-delischen Konföderation die Insel zu erobern. An die erfolglose Belagerung von Kition im Jahre 450 v. Chr. schloss sich eine Zeit der Entspannung zwischen Griechenland und Persien unter Artaxerxes I. (464–424 v. Chr.) an, die im Kalliasfrieden 449 v. Chr. ihren Höhepunkt fand. Unter dessen Bedingungen wurde eine Nord-Süd-Grenze eingerichtet, die von Phaselis an der pamphylischen Küste Anatoliens entlang verlief und das Mittelmeer militärisch in einen griechischen und einen persischen Bereich aufteilte. Persische Schiffe durften somit nicht mehr in der Ägäis (und vor der Westküste von Asia Minor) patrouillieren, während die griechische Flotte nicht mehr im Gewässer um Zypern und an der östlichen Mittelmeerküste operieren durfte. Zypern blieb die nächsten vier Jahrzehnte unter persischer Herrschaft, bis 412 v. Chr. der Status quo durch einen weiteren Aufstand erschüttert wurde, der einmal mehr durch die Stadt Salamis ausgelöst wurde. In den Jahrzehnten nach dem Kalliasfrieden wuchs die politische und wirtschaft liche Machtgrundlage des phönizischen Kition beträchtlich und seine Kontrolle erstreckte sich sogar auf das benachbarte Salamis, das nun zeitweilig unter die Herrschaft der phönizischen Dynastie fiel. Die Stadt dehnte ihr Areal nach Norden und Westen aus, annektierte etwa 450 v. Chr. Idalion und erweiterte ihren Machtbereich zum benachbarten Golgoi hin. Ein Jahrhundert später, um 350 v. Chr., erwarb sie das Königreich Tamassos im Landesinneren von Zypern.
Bootshäuser in den Docks der Stadt (Vordergrund), Reste der archaischen Heiligtümer für Melkart und Astarte (Hintergrund). KitionBamboula, Zypern, 5.–4. Jahrhundert v. Chr.
Der Ausdehnung von Kition ins Inland lag ein einziges Motiv zugrunde: der Kupferabbau. Sowohl Idalion als auch Tamassos lagen wie viele andere zypriotische Siedlungen mit deutlichem phönizischem Einfluss (MenikoLitharkes, Golgoi und Amathus) in der Nähe der reichen Kupfervorkommen an den Hängen der Troodosgebirge, die seit der späten Bronzezeit ausgebeutet wurden.77 So lange die Insel unter persischer Herrschaft stand, lief ein Großteil des Kupferhandels sicherlich über das östliche Festland. Aller Wahrscheinlichkeit nach spielten die phönizischen Häfen und vor allem Tyros eine große Rolle bei der Durchführung dieser Handelsgeschäfte. Ausgrabungen in Kition brachten kürzlich einen Teil der Docks
der Stadt zum Vorschein, die am Ende des 5. oder zu Beginn des 4. Jahrhunderts angelegt wurden. Die neu entstandenen Hafeneinrichtungen und der angrenzende Tempelbezirk waren Teil eines umfassenden Stadterneuerungsprogramms im Bamboula-Bezirk und belegen den damaligen Reichtum der Stadt (siehe Abb.).78
Die politische Unabhängigkeit Phöniziens im Westen: der Aufstieg Karthagos unter den Magoniden Im späten 6. Jahrhundert hatte Sidon, wie bereits erwähnt, die regionale Vormachtstellung im phönizischen Kernland inne. Dass es Tyros überholte, lag zum großen Teil daran, dass die Inselstadt ihr Überseeimperium verlor. Ein wesentlicher Teil dieses Imperiums war Karthago. Was zu der Spaltung zwischen der Mutterstadt und der Kolonie führte, ist nicht bekannt, wahrscheinlich nahm sie bereits vor der Mitte des 6. Jahrhunderts v. Chr. ihren Anfang, als Tyros unter der neobabylonischen Herrschaft seinen Tiefpunkt erreichte. Die Stadt fiel 573/2 v. Chr. an Nebukadnezar und ihre darauf folgende Interimszeit politischer und wirtschaft licher Instabilität könnte die Trennung ausgelöst haben. In seinem geschwächten Zustand war Tyros wahrscheinlich nicht länger in der Lage, die Sicherheit und den Schutz seiner Kolonien in Übersee zu garantieren. Als Kambyses 525 v. Chr. in Ägypten einmarschierte, war Karthago bereits vollkommen unabhängig. Nach He
rodot befahl der persische König den Tyrern die Teilnahme an einem Angriff zur See auf die Tochterstadt, den sie sich aufgrund der Eide (orkioi), die sie an ihre kolonialen Nachkommen banden, zu befolgen weigerten. (Herodot verwendet in seinem Text das Wort »Kinder«.) Ein Angriff auf Karthago hätte einen ernsthaften Bruch der vertraglich vereinbarten Verpflichtungen Tyros’ gegenüber der früheren Kolonie dargestellt. Kambyses’ Entscheidung, die Invasionspläne aufzugeben, spiegeln die bereits beträchtliche militärische Stärke der nordafrikanischen Stadt und die Notwendigkeit der Teilnahme der phönizischen Flotte wider, ohne deren Unterstützung die übrigen Flotten den Karthagern unterlegen waren, wie Herodot berichtet. Karthagos Aufstieg als politische und militärische Macht wird gemeinhin in die Mitte des 6. Jahrhunderts datiert, als die Stadt unter der Schutzherrschaft von General Mago und seinen Nachfolgern (den so genannten Magoniden) eine aggressive Kampagne der Eroberung und kolonialen Expansion begann. Etwa zu dieser Zeit, oder kurz zuvor, intervenierte Karthago zum ersten Mal militärisch in Sardinien und Sizilien, um phönizische Stellungen zu schützen.79 Unwiderlegbare Beweise für militärische Aktivitäten der Karthager gibt es für die Ereignisse von 535 v. Chr., als die Seestreitkräfte der Stadt sich mit den Etruskern verbündeten und die griechischen Phoker in einer Schlacht vor der Küste von Korsika schlugen.80 Die engen politischen und wirtschaft lichen Beziehungen zwischen Karthago und Etrurien, das an der Spitze der tyrrhenischen Konföderation stand (welche die Toskana,
Latium und Kampanien umfasste), wurden durch den Fund dreier goldener Weihetafeln mit etruskischen und phönizischen Inschriften in Pyrgi, dem Handelshafen des etruskischen Caere, bestätigt. Etruskische Importe in Karthago belegen, dass zwischen diesen beiden Seemächten enge Handelsbeziehungen bestanden. Die archäologische Forschung dokumentiert das Maß der karthagischen Hegemonie im zentralen Mittelmeerraum zu dieser Zeit. Ausgrabungen ergaben, dass sich die kulturelle Präsenz und der Einwfluss der Stadt im sizilianischen Mozia, auf Sardinien und Ibiza, Karthagos ältester Kolonie, bemerkbar machten. Karthagos Eroberungen auf Sizilien und Sardinien untermauern die Bedeutung, die diese beiden Inseln bei der Bildung und Entwicklung des Seeimperiums von Karthago hatten. Beide Inseln lagen in der Nähe des karthagischen Festlandes, ähnlich wie Zypern vor der Levante, etwa 160 km vor der Küste. Somit waren sie für den kommerziellen Handel im Tyrrhenischen Meer günstig gelegen. Darüber hinaus war Sizilien, wie sich gezeigt hat, ein Stützpunkt für den Handel Karthagos mit der Ägäis. Der Besitz Siziliens war für den Schutz der karthagischen Handelshegemonie im westlichen Mittelmeerraum entscheidend. Beim Aufbau eines mediterranen Handelsimperiums stellten die griechischen Kolonialbestrebungen die größte Bedrohung für die Karthager dar. Wie die Geschichte zeigt, hatten einige koloniale Bemühungen der Griechen auf punischem Gebiet schnelle militärische Interventionen der Karthager zur Folge.81 Im 6. Jahrhundert
war die sizilianische Küste mit Ausnahme des Gebiets im Nordwesten, mit griechischen Handelsstädten übersät. Die größten und reichsten dieser Städte waren Syrakus und Akragas (Agrigent), beides wichtige Häfen für den Handel mit der Ägäis. Gegen die vereinigten Armeen dieser beiden griechischen Städte richtete sich die bis dahin ehrgeizigste Expedition unter dem Magonidengeneral Hamilkar, dem Enkel des Mago, im Jahr 480 v. Chr. Die Armee von 300 000 Mann, die im sizilianischen Hafen von Panormos (Palermo) landete, konnte sich mit Kontingenten aus dem ganzen westlichen Mittelmeerraum brüsten – Nordafrika, Spanien, Gallien, Ligurien und Sardinien – ein Zeichen von Karthagos wirtschaft licher Stärke und weitreichendem politischen Einfluss. Einen Vorwand für die Invasion lieferte die Wiedereinsetzung des Terillos auf den Thron von Himera, den der Tyrann von Akragas usurpiert hatte. Hamilkar war Terillos’ Schwiegersohn Anaxilas, dem Tyrann von Rhegion, freundschaftlich verbunden. Tatsächlich gab es einen tiefer gehenden Grund für Hamilkars Aktionen – ganz Sizilien sollte ins karthagische Reich aufgenommen werden. Hamilkars direkte Gegner, Syrakus und Akragas (denen die Stadt bereits etwa 40 Jahre zuvor bei einem Feldzug gegen die Angriffe der Spartaner gegenübergestanden hatte), waren die wichtigsten Handelsstädte im Ägäishandel mit Karthago. Karthago konnte mit dem Besitz dieser beiden strategisch wichtigen Häfen die vollständige Kontrolle über die lukrativen Geschäfte erlangen.
Karthagos Aktivitäten könnte noch ein weiter gehender, »globaler« Plan zugrunde gelegen haben. Den griechischen Historikern Ephoros und Diodor zufolge hatte der Perserkönig Xerxes im Zuge seiner Invasionspläne in Griechenland 480 v. Chr. einen Nichtangriffspakt mit den Karthagern geschlossen, der die Aktionen beider Mächte koordinierte:82 Während der persischen Invasion griffen die Karthager das griechische Sizilien und Süditalien an. Es liegt tatsächlich nahe, dass ein solcher Pakt durch die Vermittlung von Tyros geschlossen wurde. Die persischen Bemühungen um Expansion im Mittelmeerraum standen seit der Invasion von Kambyses in Ägypten fest. Für die Phönizier auf dem Festland stellten ein von den Karthagern kontrolliertes Sizilien und eine von den Persern beherrschte Ägäis eine Garantie für einen direkten und vollständig geschützten Handelsweg zum westlichen Mittelmeer dar. Für die Perser bedeutete eine karthagische Offensive in Sizilien, dass sich Syrakus und die anderen griechischen Städte der Insel von der Kriegsfront in Athen fernhielten. Aus historischen Gründen erscheint eine derartige persisch-karthagische Koalition der größten Land- und Seemacht der damaligen Welt wahrscheinlich. Beide Offensiven, ob gemeinsam oder unabhängig voneinander geplant, waren Fehlschläge. Wie die Perser bei Salamis, wurden die Karthager bei Himera schwer geschlagen und mussten Reparationszahlungen in Höhe von 20 000 Silbertalenten zahlen. Die Niederlage von Himera stellte in der Geschichte Karthagos unter den Magoniden, der »Quasi«-Dynastie von »Generalkönigen«, die die Stadt im 5. Jahrhundert beherrscht hatten,
Blick über das Medjerda-Tal (Chemton), Tunesien.
einen Wendepunkt dar. Die Stadt gab nun ihre aggressive Außenpolitik im Mittelmeerraum auf und wandte ihre Aufmerksamkeit dem Ausbau der territorialen Kontrolle in Afrika zu. In den nächsten 70 Jahren mischte sie sich nicht mehr in die griechischen Angelegenheiten in Sizilien ein und war mit dem Status quo zufrieden. Geschichtlich ist von den frühen Eroberungen der Karthager im Binnenland von Tunesien unter Hanno, Hamilkars Sohn und Nachfolger, wenig überliefert. Gegen Ende des 5. Jahrhunderts scheint die Stadt jedoch einen beträchtlichen Teil des tunesischen Hinterlandes kontrolliert zu haben, einschließlich der fruchtbaren Täler der unteren Medjerda und des Wadi Miliana sowie der Sahena-Küste Osttunesiens (Byzacenia) bis Sfax.83 Über die Handelstätigkeit der Stadt in dieser Zeit schweigen sich die historischen Berichte weitgehend aus.
Neuere Untersuchungen der Importe aus dem 5. Jahrhundert in Karthago und seiner Umgebung zeigten jedoch, dass die Niederlage der Punier bei Himera keinen völligen Abbruch der Handelsbeziehungen mit der Ägäis bedeutet haben muss.84 Dennoch musste der zeitweilige Verlust des Zugangs zu den griechisch-sizilischen Häfen von Akragas und Syrakus, die lange der wichtigste Ausgangspunkt für Waren aus der Ägäis für die Stadt gewesen waren, spürbar gewesen sein. Die archäologischen Funde verzeichnen einen deutlichen Rückgang bei importierten Handelsamphoren in Karthago um die Mitte des 5. Jahrhunderts v. Chr.85 Die Stadt schien nun jedenfalls ihre kommerziellen Aktivitäten auf den westlichen Mittelmeerraum zu konzentrieren. Die karthagischen Expeditionen unter Hanno und Himilko an der afrikanischen und nordatlantischen Küste (die beide ungefähr in diese Zeit fallen) belegen ein deutliches Interesse an der Öffnung neuer Handelswege über das Mittelmeer hinaus. Die archäologischen Funde aus Karthago zeigen eine Wiederaufnahme der Importe in den letzten Jahrzehnten des 5. Jahrhunderts, besonders aus Cádiz und dem fernen Westen. Der neue Reichtum der Stadt zeigt sich in ihrer Ausdehnung über die Region des Byrsa-Hügels hinaus, die im Bau eines reichen Wohnbezirks an der Küste und eines angrenzenden Befestigungssystems zum Meer hin bestand.86 Offenbar hatte Karthago um das Jahr 415 v. Chr. große Gold- und Silberreserven angelegt.87
Das phönizische Festland: spätes 5. und frühes 4. Jahrhundert v. Chr. Die letzten Jahre des 5. Jahrhunderts bedeuteten für das Reich der Achämeniden besonders an der westlichen Flanke des Imperiums eine Zeit der wachsenden inneren Unruhe und politischen Schwäche. In den Provinzen Lydien und Karien im westlichen Kleinasien kam es zu offenen Revolten. Beide Aufstände wurden z. T. von den Athenern unterstützt, die ihrerseits in einen langen Konflikt mit den Spartanern verwickelt waren, dem so genannten Peloponnesischen Krieg. In dem Bestreben, sich der Macht der Athener entgegenzustellen und die Tributzahlungen aus den wohlhabenden griechischen Städten in Kleinasien zu sichern, ging Dareios II. (423– 405/4 v. Chr.) im Jahre 412 v. Chr. ein Bündnis mit den Spartanern ein. Die Perser versprachen ihnen im Konflikt mit den Athenern Unterstützung durch die phönizische Flotte, die nach wie vor die größte und angesehenste Einheit der Seestreitmächte Persiens darstellte. Darüber hinaus erlitt Persien in den letzten Jahren des 5. Jahrhunderts einen weiteren Schlag im westlichen Imperium: den Verlust von Ägypten. Im Jahre 405 v. Chr. gab es unter Amyrtaios im Nildelta einen offenen Aufstand und innerhalb von fünf Jahren hatte die einheimische ägyptische Dynastie ihre Macht in Oberägypten gefestigt und der über 100 Jahre dauernden Herrschaft der Perser ein Ende gesetzt. Trotz wiederholter Versuche von Artaxerxes II. (405/4–359 v. Chr.) – buchstäblich bis zum Vorabend der Niederlage gegen die Mazedonen
– konnten die Perser bis in die letzten Jahre des untergehenden Imperiums keine Kontrolle mehr über diese wichtige Region erlangen. Diese Anzeichen der schwindenden persischen Herrschaft im Westen und die wachsende Unabhängigkeit Ägyptens, Kleinasiens und des griechischen Festlandes waren für die kommerziell orientierten phönizischen Städte im Kernland sicherlich ein Unsicherheitsfaktor. Während des ganzen 5. Jahrhunderts, als die Perser ihr Imperium im östlichen Mittelmeerraum sicher beherrschten, waren sie loyal geblieben. Als sich der Griff der Achämeniden in der Region lockerte, verschoben sich die wirtschaft lichen und politischen Prioritäten der Phönizier weg vom persischen Epizentrum zum westlichen Mittelmeerraum. Auch im benachbarten Zypern war die politische Lage im Umschwung. Seit der Absetzung des phönizischen Dynasten Abdemon im Jahre 411 v. Chr. hatte Evagoras, der griechische Tyrann von Salamis, den Grundstein für eine unabhängige griechisch-zypriotische Kontrolle der Insel gelegt. Evagoras’ Wunsch, Zypern den Persern zu entreißen, trat 389 v. Chr. klar hervor, als er ein Bündnis mit Athen und Ägypten einging. Die antipersische Koalition fand bald Unterstützung auf dem Festland: Den griechischen Quellen nach traten sowohl Tyros als auch die arabische Konföderation von Südpalästina der Allianz bei.88 Trotz der Andeutungen der antiken griechischen Autoren scheint es jedoch, als sei der Rest des phönizischen Kernlandes den Persern treu geblieben. Tyros’ eigenmächtige Entscheidung, sich den Aufständischen anzuschließen, mochte auf den seit langem
bestehenden Handelsbeziehungen mit Ägypten und Zypern beruhen. Vielleicht hatten die Tyrer ein Abkommen mit Evagoras getroffen, das den zukünftigen Status des phönizischen Kition regelte, sobald die Insel sicher unter der Kontrolle von Salamis war. Auf Drängen der phönizischen Städte Kition und Amathus, die sich Evagoras’ Vorschlägen 390 v. Chr. widersetzt hatten,89 reagierten die Perser 381 v. Chr. entschieden und schlugen die konföderierten Flotten von Zypern, Ägypten und Tyros in einer Seeschlacht bei Kition. Der einst so mächtige Evagoras durfte zwar auf dem Thron bleiben, wurde aber tributpflichtig und war gezwungen, seine Pläne zur Eroberung Zyperns aufzugeben. Das strategisch wichtige Zypern befand sich einmal mehr in der Hand der Perser. Die Bemühungen der Achämeniden, ihre Macht am Mittelmeer zu stärken, erwiesen sich jedoch als weitgehend erfolglos. 373 v. Chr. starteten die Perser, unterstützt durch eine große Flotte aus Phönizien, Zypern und Kilikien, eine groß angelegte Expedition, um Ägypten zurückzuerobern. Anders als bei Kambyses’ erfolgreichem Feldzug 150 Jahre zuvor wurde der Vormarsch der Perser gestoppt, da die Ägypter den Zugang zum Nildelta bei Pelusium blockierten. Infolge der Verzögerung und der einsetzenden Überschwemmung durch den Nil waren die Perser gezwungen, sich mit schweren Verlusten zurückzuziehen. Persiens Unvermögen, Ägypten erneut einzunehmen, wirkte wie ein Katalysator auf die Rebellionen, die mittlerweile in den westlichen Provinzen Kleinasiens gärten. Mitte der 360er-Jahre erhob sich, finanziell und militärisch von Ägypten und dem griechischen Westen
unterstützt, unter der Führung von Ariobarzanes, dem Satrapen von Daskyleion, fast ganz Anatolien offen gegen Artaxerxes II. und den persischen Thron. Die Rolle der phönizischen Städte in der großen so genannten Satrapen-Revolte von 363–361 v. Chr. ist schwer zu bewerten. Gestärkt durch die militärische Unterstützung Athens, Spartas und der westlichen Satrapen unternahm Ägypten unter Pharao Tachos (362–360 v. Chr.) im Jahre 360 v. Chr. einen erfolglosen Feldzug gegen phönizisches Territorium. Griechischen Quellen nach zu urteilen suchte der ägyptische Herrscher, nachdem er das Opfer eines Aufstandes in seiner Heimat geworden war, Zuflucht bei König Abdaschtart I. (Straton) in Sidon, bevor er zu den Persern überlief. Diese Begebenheit belegt die engen Verbindungen der Phönizierstadt mit dem aufständischen Ägypterkönig.90 Sidons eigene aufrührerische Tendenzen unter Abdaschtart manifestieren sich in den in der Stadt geprägten Münzen, auf denen nun anstelle des üblichen knienden persischen Königs das Porträt des gekrönten phönizischen Herrschers zu sehen ist. Eine einzelne silberne Tetradrachme aus dem achten Regierungsjahr Abdaschtarts zeigt den Versuch des philhellenischen Monarchen, den Athener Gewichtsstandard für den Tauschhandel zu übernehmen.91 Für seine Übergriffe zahlte Abdaschtart schließlich mit dem Leben – durch die Hände seiner Frau; Am Ende des Aufstands, 362/1 v. Chr., wurde Sidon von den persischen Streitkräften besetzt und als Anerkennung für seine Hilfe bei der Unterdrückung des Aufstandes unter die Herrschaft von Mazaois (Mazday), dem Satrapen von Kilikien und Sy
rien, gestellt. Für vier Jahre wurden die Münzrechte der Stadt ausgesetzt und seine Münzen wurden mit der aramäischen Prägung des Mazaois versehen. Die königliche sidonische Standardmünze wurde, allerdings mit einer kleinen Änderung, beibehalten: Das auf der Rückseite dargestellte Bild des sidonischen Königs, der den königlich persischen Streitwagen begleitet, trug nun ein Gewand im asiatischen, nicht mehr im ägyptischen Stil, was den Abbruch der Beziehungen zwischen Sidon und Ägypten signalisiert und die politische Herrschaft der Perser bestätigt. 357/6 v. Chr. erhielt die Stadt ihre Autonomie zurück und das Königtum wurde erneut eingesetzt. Der neue Herrscher, Tennes (Tabnit II.), wurde von der Achämenidenhierarchie selbst ausgewählt, wahrscheinlich aufgrund seiner pro-persischen Tendenzen. Die persische Krone verlieh der Stadt einmal mehr das Recht, den wertvollen silbernen Doppelschekel zu prägen, dessen weite Verbreitung von seiner Bedeutung im persischen Geldhandelssystem zeugt. Nichtsdestotrotz brach sechs Jahre später unter Tennes eine Revolte aus, die einen Aufstand einleitete, der nach und nach von den anderen Phönizierstädten unterstützt wurde. Sidons Entfremdung hatte mehrere Gründe, darunter nicht zuletzt die zunehmend aufdringliche, arrogante Politik der Perser, mittlerweile unter der festen, aber kriegerischen Hand von Artaxerxes III. Ochus (359/8– 338/7 v. Chr.). Mit der Absicht, die militärische Macht der Achämeniden wiederherzustellen und die Flanken zu sichern, begann Artaxerxes III. seine Herrschaft über das westliche Imperium zu stärken. Als Garnisonsstadt
und regionales persisches Hauptquartier war Sidon bei solchen Plänen, deren eigentliches Ziel die Wiedereroberung von Ägypten war, sehr wichtig. Es scheint, als seien die persisch-sidonischen Beziehungen 351 v. Chr. zu einem Ende gekommen. In Vorbereitung einer groß angelegten Invasion in Ägypten befanden sich viele Truppen in der Stadt. Das Ausmaß dieser Operation verlangte schwere Opfer von der Wirtschaft in Sidon, da sie Ressourcen benötigte, die normalerweise dem Handel zugute kamen und die kommerziellen Profite schmälerten. Wie Diodor berichtet, wurde die Lage durch das unverschämte Betragen der anwesenden persischen Beamten verschärft, die herrisch Steuern eintrieben und in der Stadt requirierten.»2 Die Niederlage, die die Perser im Winter 351/0 v. Chr. im Nildelta erlitten, war wahrscheinlich der zündende Funke für den von den Sidoniern geleiteten Aufstand, der gemeinsam mit Arwad und Tyros in Tripolis, dem politischen Hauptquartier der phönizischen Konföderation, geplant wurde. Nachdem ein Bündnis mit dem ägyptischen Pharao Nektanebos II. (359–341 v. Chr.) geschlossen wurde, begannen die Feindseligkeiten. Die königlichen Wildbestände der Perser bei Sidon wurden überfallen und die ungeliebten persischen Beamten in der Stadt verhaftet und hingerichtet. Gut versorgt und mit Unterstützung griechischer Söldner aus Ägypten konnten die Sidonier einen vorläufigen Vorstoß des persischen Satrapen, der daraufhin von Artaxerxes III. geschickt wurde, zurückschlagen. Durch diese Ereignisse ermutigt, er
klärten die zypriotischen Königreiche in der Zwischenzeit ihre Unabhängigkeit. Die Chronologie und der Fortschritt des Aufstandes sowie seine geographische Ausweitung bleiben unbekannt. Der Beginn im Jahre 351 v. Chr. nach der Niederlage der Perser in Ägypten scheint durch die Tatsache bestätigt, dass die sidonische Münzprägung unter Tennes in dieser Zeit endet. Im Abbruch der Münzprägung spiegeln sich die unsicheren politischen Umstände und die Verlagerung zu einer kriegsorientierten Wirtschaft wider.93 Es dauerte sicherlich Jahre, bis die Rebellion ihren Höhepunkt erreichte, da Artaxerxes III. seine Streitkräfte erneut sammelte und von Babylon aus Vorbereitungen zu einem letzten Vorstoß auf Ägypten traf. Durch diesen Zeitverlust bekamen die Sidonier, wie Diodor berichtet, genügend Zeit, ihre Kriegslager zu füllen, eine Flotte zusammenzustellen und ein dichtes Befestigungssystem mit einer dreifachen Verteidigungslinie zu errichten.94 Die damit verbundenen Vorgänge auf Zypern weisen ebenfalls auf eine längere Vorbereitungszeit hin. Als wichtigste Küstenbasis der Levante war Sidon Artaxerxes erstes Ziel. Die Stadt fiel scheinbar kampflos: Entmutigt durch die Größe der persischen Streitkräfte (die 300 000 Mann sowie eine Flotte von 800 Kriegs- und Lastschiffen umfasste), verriet Tennes Sidon und seine Bewohner und verabredete insgeheim gemeinsam mit dem Befehlshaber der ägyptisch-griechischen Söldner, die Stadt Artaxerxes im Gegenzug für seine eigene Vergebung und Freiheit auszuliefern. Tennes’ Verrat führte zu einer vernichtenden Tragödie, wie es sie in der phö
nizischen Geschichte noch nie gegeben hatte. 600 führende sidonische Bürger wurden in einen Hinterhalt gelockt und vor den Toren der Stadt umgebracht. Als Artaxerxes Truppen die Stadt und ihre Mauern erstürmten, folgten Tod und Zerstörung. Diodor zufolge starben viele Bürger Sidons lieber den Freitod in ihren Häusern, als sich den Persern zu ergeben. Insgesamt fanden mehr als 40 000 Menschen – Männer, Frauen, Kinder und Sklaven – den Tod. In seinem rücksichtslosen Bestreben war Artaxerxes entschlossen, an der aufständischen Stadt ein Exempel zu statuieren. Der persönliche Besitz der Sidonier, einschließlich der nicht unerheblichen Menge an geschmolzenem Gold und Silber, die in den Ruinen der niedergebrannten Stadt gefunden wurde, wurde geraubt und verkauft. Die überlebende Bevölkerung wurde deportiert und versklavt. Ein babylonischer Text aus dem Monat Tishri im 14. Jahr der Regierung von Artaxerxes Ochus (d. h. Oktober 345 v. Chr.), in dem die Ankunft der sidonischen Gefangenen in Babylon und Susa vermerkt wird, bestätigt die Ereignisse eindrücklich.95 Tennes’ feiges Verhalten angesichts des persischen Angriffs bleibt unerklärlich. Sicherlich erwartete er einen Vergeltungsschlag seitens Artaxerxes III., doch woher rührt sein betrügerisches Verhalten? Die Antwort liegt vielleicht darin, dass die Unterstützung von außen zusammenbrach. Wurde Nektanebos bezüglich des Versprechens militärischer Hilfe durch Ägypten wortbrüchig? In Diodors Bericht findet sich kein Hinweis auf Truppenaktivitäten von Tyros oder Arwad. Stand Sidon im Konflikt allein?
War die in Tripolis geschlossene Allianz der phönizischen Konföderationsstaaten wirklich ein Bündnis oder lediglich ein Papiertiger? Diese Fragen müssen vorerst ungeklärt bleiben. Sidons Untergang bezeichnete das Ende der großen Revolution. In Panik ergaben sich die übrigen Phönizierstädte schnell den Persern und 345/4 v. Chr. waren ganz Phönizien und Zypern wieder in persischer Hand. Trotz Artaxerxes’ Zusicherung wurde auch Tennes kurzerhand hingerichtet und die Stadt wieder an Mazaios, den Satrapen von Kilikien, übergeben, der die Stadt und ihre Münzprägung für die nächsten fünf Jahre kontrollierte. Das Ausmaß der Zerstörung durch Artaxerxes III. wird kontrovers diskutiert. Wurde Sidon wirklich so schwer zerstört wie Diodor berichtet? Augenzeugenberichte aus der Zeit von Alexanders Eroberung 333 v. Chr. sagen aus, dass Sidon wieder eine reiche und bedeutende Stadt war. Konnte es seinen Wohlstand so schnell wiedererwerben? Kurz gesagt lautet die Antwort: ja. Sidon war militärisch und wirtschaft lich ein zu wichtiger Faktor für die Perser, als dass man sich erlauben konnte, es in Ruinen liegen zu lassen. Aller Wahrscheinlichkeit nach diente die Stadt bei Artaxerxes erfolgreichem Feldzug gegen Ägypten 343 v. Chr. bereits wieder als Ausgangspunkt für die persische Flotte. Die Rückeroberung des Niltals im folgenden Jahr besiegelte die strategische Bedeutung der Stadt als persischer Flottenstützpunkt. Auch Sidons kommerzieller Wert für Persien darf nicht unterschätzt werden und sein Silber war wichtig für die persische Geldwirtschaft. Hortfunde zeigen, dass es noch
weithin im Umlauf war, selbst in den Jahren des Interregnums nach der Zerstörung Sidons.96 Die Geschwindigkeit, mit der Mazaois im ersten Jahr der persischen Besetzung wieder sidonische Münzen herausgab, belegt solche Prioritäten. Mit der Wiederherstellung der Monarchie unter Abdaschtart II. (Straton), dem unterwürfigen, pro-persischen König, muss der Wiederaufbau schnell vonstatten gegangen sein. Dennoch vergaßen die Sidonier das erlittene Trauma nicht so schnell. 333 v. Chr., als Alexander und seine Truppen nach der Aufgabe von Arwad und Byblos und dem Abfall der phönizischen und zypriotischen Flotte siegreich an der phönizischen Küste entlangzogen, empfing ihn die sidonische Bevölkerung mit offenen Armen, denn die Wunden, die ihnen Artaxerxes ein Jahrzehnt zuvor geschlagen hatte, brannten offenbar noch deutlich in ihrem Gedächtnis. Tyros hingegen erlitt ein anderes Schicksal. In hohem Maße unabhängig und im Vertrauen auf seine Uneinnehmbarkeit, stellten sich die Stadt und ihre Bevölkerung Alexanders Vormarsch entgegen. Die lange Belagerung und letztendliche Einnahme der Stadt sind von den antiken Historikern hinlänglich geschildert worden und der Damm, den Alexander errichten ließ, um die Stadt schließlich einzunehmen, besteht noch heute als Isthmus fort, der die ehemalige Insel mit dem Festland verbindet. Stark befestigt und mit den neuesten Belagerungsgeräten ausgerüstet, verteidigte sich Tyros bis zum Ende tapfer gegen eine überwältigende Übermacht, nicht nur durch den Angriff der Mazedonen, sondern auch durch die Blockade der vereinigten phönizischen
und zypriotischen Flotten, die mittlerweile unter Alexanders Kommando standen. Nach sieben Monaten wurden Mitte Juli des Jahres 332 v. Chr. die Mauern der Stadt erstürmt. Wie zuvor Artaxerxes Ochus bestrafte auch Alexander seine Eroberung hart, entschlossen, ein Exempel an der rebellischen Stadt zu statuieren. Von der überlebenden Bevölkerung von Tyros (viele hatten bereits zuvor in Karthago oder bei den Sidoniern Unterschlupf gesucht) wurden 6000 hingerichtet und weitere 30 000 in die Sklaverei verkauft. Als Vergeltung für den Tod von mazedonischen Gefangenen wurden 2000 junge Männer an der Küste aufgespießt und ihre gemarterten Körper sollten als grausige Erinnerung an mazedonische Macht und Rache dienen.97 Auch Tyros sollte sich wirtschaft lich bald wieder erholen und erlangte bereits unter den nachfolgenden griechischen Herren seine Autonomie zurück: Es sollte jedoch nie wieder den stolzen Platz einnehmen, den es unter den vorherigen östlichen Regimen innehatte. Nach und nach wurde es eine durch und durch hellenisierte Stadt, die ihre orientalischen Bräuche gegen griechische austauschte. Die Eroberung durch Alexander bedeutete den Anfang vom Ende für Tyros und Phönizien als Einheit im Nahen Osten.
Die Perserzeit an der Küste Phöniziens: territoriale Expansion und Stadtentwicklung Als Ganzes gesehen bedeutete die Achämenidenzeit für die phönizischen Städte eine fruchtbare Zeit wachsenden Wohlstandes und starker Stadtentwicklung. Sidons Reichtum und Wohlstand wurden in den antiken Quellen vermerkt und sind durch numismatische und archäologische Funde belegt. Zeugnis dafür ist der prachtvolle Ausbau des Eschmun-Tempelbezirks. Wie die Archäologie beweist, dehnten sich die Wohnbezirke in Sidon, Byblos und Beirut weit über die ursprünglichen Siedlungshügel hinaus aus. Ausgrabungen in Beirut deckten kürzlich diese Stadtentwicklung auf (siehe Abb. S. 83). Die in der Perserzeit neu entstandene Siedlung bildete die Grundlage für die spätere hellenistische und römische Stadt. Der Wohlstand von Tyros, Sidon und Arwad in der Perserzeit spiegelt sich weiterhin in der Bedeutung von Tripolis im Norden wieder, einer gemeinsamen Gründung, die allen drei Städten als politisches Hauptquartier diente.98 Erweiterte Hafenbauten in Akko, Tyros, Sidon und Kition belegen den blühenden Handel und die Wirtschaft dieser Seehandelsstädte. Mit der territorialen Ausdehnung der phönizischen Städte verbreitete sich auch deren Kultur und wirtschaftlicher Einfluss in der weiteren Umgebung der Levante selbst, nicht zuletzt aufgrund des Bevölkerungszuwachses, der eine Emigration aus den großen Stadtzentren in die Randgebiete zur Folge hatte. Ausgrabungen an zahlreichen Orten an der Küste Nordisraels und dem an
grenzenden westlichen Galiläa bestätigten kürzlich, was historisch bekannt ist, nämlich, dass die gesamte KarmelKüste von Tell Abu Hawam bis Jaffa unter der phönizischen Herrschaft (Sidon und Tyros) aufblühte. Zeitgenössische historische Texte zeigen, dass sich die phönizische Hegemonie sogar noch weiter nach Süden erstreckte: dem Periplus des Pseudo-Skylax aus dem 4. Jahrhundert zufolge fiel der blühende Hafen von Askalon in Philistia damals unter tyrische Herrschaft, was durch neuere archäologische Forschungen belegt werden konnte.99 Joppa und Askalon zeigen, dass das Territorium einer Phönizierstadt der Achämenidenzeit in seinen Grenzen relativ unbestimmt und unbeständig sein konnte.100 Geographische Studien ergaben, dass das Bevölkerungswachstum und die territoriale Expansion der Phönizier in der Perserzeit durch die starke wirtschaft liche Verwertung der Bodenschätze in den benachbarten Binnenlandregionen begleitet wurde, wie z. B. am Hom-Korridor, in Galiläa, der südlichen Sharonebene und der Ono-Region in Zentralpalästina.101 Der Erzabbau und der landwirtschaft liche Reichtum dieser Gebiete deckten nicht nur den heimischen, sondern auch den größeren regionalen und vielleicht sogar internationalen Bedarf. Die zentralphönizischen Staaten Tyros, Sidon und Byblos blühten zu dieser Zeit merklich auf. Es liegen auch archäologische Spuren vor, die auf ein ähnliches Wachstum in Arwad hindeuten, das von allen phönizischen Metropolen vielleicht am meisten vom Schutz der Achämeniden profitierte. Arwad kontrollierte damals ein großes Gebiet auf dem Festland mit vielen von ihm abhängigen
Städten, von denen die wichtigsten Marathus (Amrit), Antaradus (Tortose) und Simyra (Tell Kazel) waren. Das Hinterland der Inselstadt erstreckte sich weit in den strategisch wichtigen Hom-Korridor, durch den sie den regionalen Binnenhandel zum Orontes-Tal über das Bergheiligtum von Baetocece kontrollierte. Auch wenn direkte Dokumente über Arwad aus diesen Zeit weitgehend fehlen, kann man den Reichtum der Stadt z. T. am Wohlstand der von ihr abhängigen Siedlungen ermessen, wie z. B. Amrit mit seinen kostbaren Tempelund Grabmonumenten aus der Perserzeit. Zeitgleiche Horizonte in Tèli Kazel zeigen, dass die regionale Bedeutung der Stadt als Produktions- und Vertriebszentrum für landwirtschaft liche Produkte und Eisen, das in der Mehta-Region im Inland reichlich vorkam, groß war.102 Die numismatischen Belege lassen vermuten, dass sich Arwads Einfluss in der spätpersischen Zeit nordwärts bis zur Küste Syriens erstreckte und vielleicht bis Al Mina an der Mündung des Orontes reichte. Wenn Arwad wirklich für die Wiederbesiedlung von Tell Sukas durch die Phönizier im frühen 4. Jahrhundert verantwortlich war, so stellt diese Zeit wohl den Höhepunkt der Macht und des Wohlstands dieser Stadt dar.103 Auch das südphönizische Gebiet erlebte eine urbane Renaissance. Die Archäologie belegt, dass viele Städte an der Nordküste Israels (einschließlich Akko, Tell Abu Hawam, Schikmona, Tell Megadim und Dor) eine Phase urbaner Expansion erlebten, die sich durch die Anlage axialer »hippodamischer« Straßennetze auszeichnete.104 Das kleine ausgegrabene Wohnviertel von Sarepta könnte
ein Hinweis darauf sein und lässt vermuten, dass sich der perserzeitliche Ausbau der Stadt Sidon ähnlich entwickelt haben mag. Im punischen Westen zeigen neuere Ausgrabungen, dass solche axialen Stadtanlagen für die Wohnsiedlungen des 5. Jahrhunderts in Karthago und dem benachbarten Kerkouane charakteristisch sind.
Das 4. Jahrhundert v. Chr.: die Hellenisierung Phöniziens und des punischen Westens Bezeichnete das Zeitalter Alexanders den Beginn des Hellenismus im östlichen Mittelmeerraum, so hatte die Hellenisierung im Westen und im phönizischen Kernland bereits ein ganzes Jahrhundert zuvor begonnen. Den wichtigsten Anstoß dazu gab der vermehrte Handel mit Griechenland. Entlang der levantinischen Küste trat seit dem Ende des 5. Jahrhunderts v. Chr. im Norden (an Orten wie Tell Sukas, Ras el-Bassit und Al Mina) und im Süden (in Akko und Dor) attische Keramik in immer größeren Mengen auf. Beim Transfer der hellenistischen Kultur in das phönizische Kernland kam Zypern eine zentrale Rolle zu. Der hellenistische Einfluss verstärkte sich im frühen 4. Jahrhundert unter Evagoras I. (411–374 v. Chr.), dem pro-attischen König von Salamis. Wie die archäologischen Funde belegen, wurden die hellenistischen Einflüsse im zypriotischen Machtbereich der Phönizier immer stärker. Wie die historischen und epigraphischen Zeugnisse beweisen, bezeichnete
das 4. Jahrhundert außerdem eine Zeit starker phönizischer Handelsaktivitäten in der Ägäis. Die Hauptinitiative ging dabei von Sidon aus. Seinen Höhepunkt erreichte der hellenistische Einfluss wahrscheinlich unter Abdaschtart I. (376/70–360/58 v. Chr.), dem ehrgeizigen philhellenischen König von Sidon, der später den griechischen Namen Straton annahm. Die Gräzisierung von Personennamen, die Verwendung griechischer Münzen und Gewichtsstandards sowie die Übernahme griechischer Militärstrategien und Techniken sind Zeichen dieses Einflusses. In der Kunst findet sich der griechische Einfluss in den Grabskulpturen und religiösen Plastiken (wie der berühmte Marmoraltar des Eschmum-Tempelbezirks in Bustan el-Sheikh105), von denen viele importiert oder von ionisch-griechischen Handwerkern hergestellt wurden (siehe Abb. S. 63). Hellenistisch beeinflusst sind auch die weit verbreiteten Votivfiguren aus Terrakotta im griechischen Stil an Orten wie Amrit und Umm el-Amed. Auch in Karthago trat im 4. Jahrhundert ein starker hellenistischer Einfluss zutage, der hauptsächlich durch das benachbarte Sizilien und seine griechischen Kolonien übermittelt wurde. Die Wirkung des griechischen Sizilien auf Karthago stieg gegen Ende des 5. Jahrhunderts, als die punische Metropole die Kontrolle über den größten Teil der griechischen Bevölkerung der Insel erhielt, deutlich an. Die karthagische Militärintervention erfolgte auf Bitten der elymischen Stadt Segesta, das in einem dauerhaften Konflikt mit dem griechischen Selinunt und seinem mächtigen Verbündeten Syrakus lag. 409
v. Chr. belagerten und besetzten die Karthager mit einer großen Streitmacht unter dem Befehl Hannibals erst Selinunt und dann Himera, das von der Bevölkerung aufgegeben worden war. 3000 Einwohner wurden genau an der Stelle öffentlich gefoltert und hingerichtet, an der Hamilkar, der Großvater des Generals Hannibal, 480 v. Chr. zugrunde gegangen war. Aus Rache für die frühere Niederlage der Karthager wurde Himera bis auf die Grundmauern geschleift. Die Stadt wurde später nie wieder besiedelt. In den folgenden Jahren erzielten die Karthager weitere militärische Erfolge. Sie gewannen Territorium in Sizilien, wozu auch die Einnahme und Plünderung der reichen Stadt Akragas (Agrigent) gehörte. 406 v. Chr. kontrollierte Karthago den griechischen Teil der Insel mit Ausnahme von Syrakus. Diese glückliche Situation war jedoch nicht von langer Dauer. Kurz nach dem Rückzug der Karthager im Jahre 405 v. Chr. begann Syrakus unter dem Tyrann Dionysios I. als Vorbereitung zu einem Gegenangriff auf Mozia, Karthagos Festung auf Sizilien, die Verteidigungsanlagen der Stadt und seine Streitkräfte zu verstärken. 397 v. Chr. marschierte die Armee von Syrakus in der Stadt ein, indem sie über eine vom Festland aus erbaute Mole auf die Insel gelangte. Trotz des heftigen Widerstands seiner Bewohner wurde Mozia eingenommen. Die Karthager konterten mit einem Angriff auf Syrakus durch General Himilko. Der Ausbruch einer Seuche zwang die vor der stark befestigten Stadt lagernden punischen Streitkräfte schließlich, sich zurückzuziehen. Mozia wurde zwar bald von den Karthagern zurückerobert, jedoch nicht wieder aufgebaut. Die überlebenden
Bewohner wurden in der neuen karthagischen Gründung Lilybaeum auf dem gegenüberliegenden Festland angesiedelt. Die Sizilienfeldzüge der Karthager von 410–405 v. Chr. waren der Beginn einer Reihe von Begegnungen, die die punische Metropole das ganze 4. Jahrhundert lang in Kämpfe mit Syrakus um die Vorherrschaft in Sizilien verwickeln sollte. Schließlich wurden 374 v. Chr. beim Abschluss eines Friedensvertrages territoriale Grenzen zwischen den beiden Antagonisten gezogen, die der Fluss So genannter Sarkophag der weinenden Frauen. Hierbei könnte es sich um den Sarkophag des Sidonierkönigs Straton I. aus dem 4. Jahrhundert v. Chr. handeln. Er ¡st einer von vier kunstvoll verzierten Särgen aus der königlichen Nekropole von Sidon.
Halykus markierte und wodurch Karthago ein Drittel der Insel, einschließlich der Städte Selinunt und Akragas, erhielt. Über dieses Gebiet behielt Karthago während des gesamten nächsten Jahrhunderts bis zum Ausbruch des Krieges mit Rom die Herrschaft. Wie aus der Geschichtsschreibung bekannt ist, wurden infolge der Plünderung von Akragas durch die Karthager im Jahre 406 v. Chr. viele griechische Kunstwerke erbeutet, nach Karthago gebracht und dort von der Stadt und ihren Adelsfamilien übernommen. Auch durch die Aufnahme der griechischen Städte Selinunt und Akragas in den politischen Wirkungskreis Karthagos verstärkte sich der hellenistische Einfluss, da sie den kommerziellen Austausch zwischen der griechischen und der punischen Welt erleichterte. In dieser Zeit vermehrter griechischer Importe wurde die Kunst Karthagos und der von ihm abhängigen Gebiete stilistisch und ikonographisch gänzlich hellenisiert. Terrakotta-Gegenstände aus jener Zeit zeigen, dass etwa in Form von griechischen Gottheiten (z. B. Herakles und Hermes) sowie mythologischen Kreaturen und Ungeheuern klassische Bildmotive in das Darstellungsrepertoire aufgenommen wurden. In Karthago selbst ist der Einfluss des attischen Festlands im gesamten 4. Jahrhundert besonders in der Plastik spürbar (siehe Abb. links). Auch in der punischen Religion wird der Einfluss der griechischen Kultur auf Karthago deutlich, z. B. durch die Einrichtung von Kulten für griechische Gottheiten wie Demeter und Kore (Persephone). Diodor berichtet, dass der Kult für die beiden Fruchtbarkeitsgöttinnen, der im griechischen Teil Siziliens weit verbrei
tet war, eingeführt wurde, um das Sakrileg Himilkos zu sühnen, der das Heiligtum der Göttinnen entweiht hatte, als er während des Feldzuges von 396 v. Chr. sein Lager vor Syrakus aufschlug. Ein Votivdepot, das am Hügel Borj Jedid bei Karthago ausgegraben wurde, markiert die Stelle des antiken Tempels. Die externen Beziehungen mit dem griechischen Teil Siziliens waren nicht das Einzige, was die auf die Erweiterung des Handels bedachte oligarchische Regierung Karthagos interessierte, die zunehmend von einer Gruppe auserwählter führender Aristokraten, dem so genannten »Rat der Einhundert«, dominiert wurde. Im Zuge der Bemühungen, die Beziehungen mit dem Tyrrhenischen Meer (und aus Sorge um einen kurz zuvor zwischen Syrakus und Tarent abgeschlossenen Bündnisvertrag) suchte Karthago nunmehr, seine Verbindungen nach Norden zu stärken, indem verschiedene Verträge mit Rom und den größeren Etruskerstädten wie Caere geschlossen wurden, mit dem Karthago seit dem 6. Jahrhundert enge Beziehungen pflegte. Diese Abkommen betrafen wahrscheinlich weitgehend Handelsrechte und -gebiete.106 In dem 348 v. Chr. mit Rom geschlossenen Vertrag, der eine bereits im 6. Jahrhundert getroffene Vereinbarung ergänzte, versicherte sich Karthago nachdrücklich seiner wachsenden Handelsinteressen in Sardinien und der östlichen, »libyschen« Küste Nordafrikas. In diesem Dokument, in dem Tyros als eigener, aber gleichberechtigter Unterzeichner auftritt, erweist sich Karthago als die dominierende Macht. Der Vertrag, der im Jahre 306 v. Chr. folgte und der
Detail eines Marmorsarkophags von der Nekropole St. Monique, Karthago, Tunesien. Aufgrund des Stils und der Ausführung kann das Bildnis auf dem Deckel dieses karthagischen Sarkophags aus dem späten 4. Jahrhundert v. Chr. einem emigrierten Athener Handwerker zugeschrieben werden.
die Römer aus Sizilien und die Karthager aus Italien verbannte, zeugt von einer deutlich veränderten politischen Situation, in der zwei einander ebenbürtige Seemächte ihre jeweiligen Handelsgebiete eifersüchtig voreinander zu schützen trachteten. Vier Jahre zuvor hatte Karthago durch den Tyrannen Agathokles die Schande eines Angriffs an der eigenen Küste erlitten. Es war der erste Angriff in ihrer Geschichte, der die Bevölkerung schließlich zwang, sich in den Schutz der Stadtmauern zu flüchten. Aus Verzweiflung opferten die Fürsten der Stadt dem Gott Baal Hammon 500 ihrer eigenen Kinder, überzeugt davon, dass ihre nachlässige Religionsausübung sie in diese schwierige Lage gebracht hatte. Agathokles traf bei seiner Landung und auf dem Marsch durch Kap Bon auf lange Strecken gut bewässerter, reicher karthagischer Anwesen, auf denen Wein, Oliven und Obstbäume angebaut wurden – Zeugnis des landwirtschaft lichen Reichtums der Stadt.107 Nachdem Karthago jahrhundertelang von Nachschub von außen abhängig gewesen war, war es nunmehr landwirtschaftlich nicht nur selbstständig, sondern konnte sogar Getreideüberschüsse exportieren. Das karthagische Imperium zur See wandelte sich schnell zu einem territorialen Reich. Kaum eine Generation vor der Unterzeichnung des römisch-punischen Vertrags von 306 v. Chr. war Karthagos Mutterstadt Tyros einer weiteren aufstrebenden Macht in Europa zum Opfer gefallen, den Mazedonen. Karthagische Abgesandte, die ihre jährlichen Geschenke für Melkart brachten, waren Augenzeugen dieses Ereig
nisses. Der Wind wehte nun aus einer anderen Richtung und mit dem Auftreten von Rom und den Mazedonen hatte sich die politische Landschaft im Mittelmeerraum für immer verändert.
DIE STADT Lage und Topographie Ob Handelsposten, Industriestädte oder urbane Zentren, fast alle Phönizierstädte im Kernland oder im Ausland wiesen einige gemeinsame Merkmale auf. Mit wenigen Ausnahmen handelt es sich um kompakte, geographisch definierte Niederlassungen an oder in der Nähe der Küste, an mit dem Schiff gut zugänglichen und leicht zu verteidigenden Orten. Bevorzugte Positionen waren der Küste vorgelagerte Inseln, Halbinseln und Landzungen. Als Handelsstädte lagen fast alle in der Nähe von geschützten Ankerplätzen, entweder an Buchten, Naturhäfen, Lagunen oder Flussmündungen. Die Phönizierstädte des Kernlandes lagen im Allgemeinen auf dem schmalen, fruchtbaren Küstenstreifen, die Siedlungen im Ausland orientierten sich an einem Zugang zum Hinterland mit reichen Rohstoff vorkommen (besonders Erz und Mineralien).
Urbane Charakteristika der Phönizierstadt Verglichen mit anderen Stadtzentren im kontinentalen Nahen Osten (d. h. Syrien und Mesopotamien) waren die phönizischen Städte relativ klein. Die kleineren umfassten ein Gebiet von etwa 2–6 ha (Beirut, Sarepta, Tell
Keisan), die größeren ein Areal von bis zu mehr als 40ha. Arwad und Sidon waren mit etwa 40 und 60 ha rein flächenmäßig am größten. Eine Analyse des Grundgesteins bei Tyros lässt vermuten, dass die vorrömische Stadt selbst nach Hirams Expansionsprojekten wahrscheinlich nicht mehr als 16 ha groß war. Neuere Ausgrabungen erwiesen, dass Beirut vor der persischen Zeit nicht mehr als 2 ha umfasste. Wie groß Byblos in der Eisenzeit war, ist bislang noch nicht bekannt. Die typische phönizische Siedlung bestand aus zwei Bereichen: einer »Unterstadt« mit dem Geschäfts- und den Wohnvierteln und einer »Oberstadt« mit den wichtigsten Tempeln, Verwaltungsgebäuden und den Häusern der Wohlhabenden. Die Oberstadt diente zugleich als Festung zur Verteidigung und besaß oft eine eigene Mauer. Das wirtschaft liche Leben in einer phönizischen Stadt konzentrierte sich unweigerlich um den Hafen mit seinen Werften und Lagerhäusern. Zentrum der Aktivitäten war ein großer Marktplatz, meist dicht am Haupthafen und nahe dem Zugang zur Stadt. Industrielle Gewerbebetriebe (z. B. Metallverarbeitung, Purpurherstellung) waren häufig an die Peripherie der Unterstadt ausgelagert, oftmals in die Nähe des Hafens oder ans Ortsende. Allerdings konnten solche Aktivitäten auch an einen größeren Tempelbezirk gekoppelt sein (wie in Sarepta und Kition). Handwerkerhütten wie Webereien, Fayencemanufakturen und Töpfereien waren üblicherweise über die ganze Stadt verteilt. In den meisten Fällen wurde die Trinkwasserversorgung durch Flüsse oder Quellen gewährleistet. Wo diese, wie in Tyros, für den Bedarf
der Bevölkerung nicht ausreichten, wurde Wasser durch Leitungen oder auf andere Weise in die Stadt gebracht. Gegebenenfalls wurde die vorhandene Wasserversorgung durch Brunnen oder Zisternen ergänzt (so in Tyros und Arwad). Abwasser und Regen wurden durch offene Rinnsteine in der Stadt abgeleitet. Die Verstorbenen wurden außerhalb der Stadtmauern auf öffentlichen Gräberfeldern beigesetzt (mit rituellen Grabbezirken, sog. tophets), oft an isolierten oder abgegrenzten Plätzen, an einem der Stadt gegenüberliegenden Flussufer, an Sandstränden oder auf angrenzenden Hügeln.
Der phönizische Hafen Mittelpunkt eines jeden phönizischen Warenumschlagplatzes waren die Häfen, die das Handelszentrum und das wirtschaft liche Herz der Stadt bildeten. Meist lagen sie hinter einigen Sandsteinriffen an der Küste, die sie vor Wind und Wellen schützten. In einigen Fällen, z. B. Tyros, wurde ein Naturhafen durch einen künstlich gebauten Hafen ergänzt. Als typisch phönizisch ist der künstlich angelegte südliche Hafen von Tyros mit seinen beiden Wellenbrechern zu bezeichnen, die auf unter Wasser liegenden Riffen vor der Küste errichtet wurden. Die Molen wurden nach einem Standardsystem gebaut. Zunächst wurde durch Einebnen des Riffs eine flache Basis geschaffen, auf dem die Quaderfundamente der Mole errichtet wurden. Diese wiederum trugen eine Konstruktion aus mehreren Rei
Luftbildaufnahme von Tyros.
hen großer kubischer Steinblöcke. Wenn er verblendet wurde, konnte solch ein künstlicher Wellenbrecher, der zwischen 10 und 15 m breit sein konnte, sowohl als Kai als auch als Pier genutzt werden. Vorgelagerte Inseln oder Kais ohne Verbindung zum Ufer konnten als »Schwimmhäfen« für ausländische Handelsschiffe dienen. Die phönizischen Häfen konnten entweder »offen« oder »geschlossen« angelegt sein, je nach Breite der Hafeneinfahrt und dem Schutz, den sie vor einem Angriff von See aus boten. Schriftquellen belegen, dass ein offener Hafen in militärischen Krisenzeiten durch eine Kette geschlossen werden konnte. Mit dem geschlossenen, künstlich angelegten inneren Becken und dem vorgelagerten offenen Hafen ist der Nordhafen von Sidon ein typisches Beispiel für einen phönizischen »Doppelhafen«. Im Falle der Inselstadt Arwad mit den beiden angrenzenden Buchten zum Festland hin wurde jedoch eine andere Lösung be
vorzugt. Die Buchten wurden durch einen künstlich bearbeiteten Felsen, der beiden Häfen als zentrale Mole diente, vor den vorherrschenden Winden geschützt. Sowohl in Sidon als auch in Tyros erleichterte ein künstlicher Kanal die Kommunikation zwischen beiden Häfen. Das früheste und beste Beispiel für eine phönizische Hafenanlage der Eisenzeit findet sich in der Stadt Atlit an der nordisraelischen Küste (siehe Abb. nächste Seite). Der an der Nordostseite einer Landzunge gelegene Hafen wurde vom 7. bis zum 5. Jahrhundert v. Chr. genutzt. Er bestand aus zwei verschiedenen Anlegern mit einer Mole und einem Kai, von denen einer vom Festland, der andere von einer vorgelagerten Insel zugänglich war. Eine weitere dicht daneben liegende Insel wurde als Warenlager genutzt. Mit der von den beiden rechtwinklig aufeinander zulaufenden Molen gebildeten Hafeneinfahrt von über 200 m Breite handelt es sich hier um einen offenen Hafen. Östlich des Hafens trennte ein Tor mit zwei Türmen (am Ende der Stadtmauer) den Hafen von der eigentlichen Stadt, die etwas weiter im Inland lag. Der Hafen von Atlit zeigt die technische Raffinesse phönizischer Hafenbaukunst: Die Phönizier besaßen die Fähigkeit, unter Wasser hohe Quadermauern so exakt und präzise zu bauen, dass sie weder Mörtel noch Klammern dafür benötigten. Der unter Wasser liegende Felsgrund wurde eingeebnet oder der weiche Meeresboden mit einer breiten Lage aus Kies und Geröll gepflastert, um ein stabiles Bett für die Fundamente der Mole zu schaffen. Das aufgehende Mauerwerk bestand dann aus exakt behauenen Quadern, die so gesetzt wurden, dass
sie optimalen Schutz gegen die vernichtende Kraft der Wellen boten. Um den Hafen freihalten zu können, bestand ein schmaler Nebenausgang zum Meer hin, durch den im Hafenbecken angesammelte Ablagerungen hinausgespült wurden.1 Der kothon war eine Erfindung der Phönizier: Es handelte sich dabei um ein rechteckiges, aus dem Felsen gehauenes Becken mit einem schmalen Kanal oder einer engen Einfahrt, das als Liegeplatz für Schiffe diente. Beispiele dafür fanden sich in verschiedenen punischen Orten rund ums Mittelmeer, etwa in Mozia auf Sizilien, in Madhya und Rachgoun in Nordafrika und erst kürzlich auch in Phalasarna im Westen von Kreta. Die größten und bekanntesten dieser kothone sind die beiden in den Fels gehauenen Hafenanlagen von Karthago: der rechteckige Handelshafen aus dem 5.Jahrhundert v. Chr. und der spätere, runde Marinehafen daneben. Letzterer besaß in der Mitte eine Insel (für die karthagische »Admiralität«, wie Appian berichtet) und war in der Antike von Trockendocks und Bootshäusern umgeben, in denen 220 Kriegsschiffe mit ihrer Takelage und Ausrüstung untergebracht werden konnten.2
Wohnarchitektur
Das phönizische Haus Neuere Ausgrabungen in Karthago und einigen Städten im südlichen Phönizien (Dor, Tell Keisan und Abu Hawam) haben zu unserem Wissen über die phönizische Wohnarchitektur beigetragen. Die Funde zeigen, dass ein typisches Phönizierhaus der frühen Eisenzeit aus drei oder vier relativ kleinen Räumen in variabler Zusammenstellung bestand. Oftmals lagen hinter einer großen, länglichen Eingangshalle zwei (manchmal auch drei) kleinere Nebenräume von gleicher Größe. Das Haus mit drei oder vier Räumen war die vorherrschende Gebäudeart im antiken Israel und sein Auftreten an der südphönizischen Küste muss man im Kontext dieser südlichen, palästinischen Tradition sehen. Archäologische Untersuchungen an zwei ganz unterschiedlichen Orten warfen ein neues Licht auf die Aspekte des phönizischen Hausentwurfs und seiner Konstruktion. In Horvat Rosh Zayit im unteren Galiläa stieß man bei Ausgrabungen auf eine frühe befestigte Residenz eines phönizischen Händlers. Im Grundriss bestand das Gebäude aus einem zentralen Flur, der von acht verschieden großen Räumen umgeben war, die als Warenlager dienten (siehe Abb. unten). (Der gesamte Komplex enthielt etwa 300 unverzierte Vorratsgefäße.) Der Gebäudekomplex, der ursprünglich zwei Stockwerke besaß (das Niveau des Obergeschosses ist durch stei
Plan der Stadt und des Hafens von Atlit, Israel. 1 2 3 4 5 6 7 8 9
Gräber 10 Turm Tor 11 Wracks 8.–5. Jh. v. Chr. Graben 12 Kai Bäder 13 Magazinmauer Äussere Stadtmauer 14 Felsgrund Kreuzfahrerstadt 15 phön. Steinbruch Sandsteinrücken 16 Kreuzfahrerburg Phönizische Gräber 17 Kreuzfahrermole M. B. II Siedlung
nerne Türschwellen bezeichnet), war von einer massiven Mauer mit vier Ecktürmen umgeben. Diese einzigartige Konstruktion, sicher in eine Zeit zwischen der Mitte des 10. und der Mitte des 9. Jahrhunderts v. Chr. datierbar, bietet einen seltenen Einblick in ein früheisenzeitliches Phönizierhaus.3 Auf dem Byrsa-Hügel von Karthago brachten neuere Ausgrabungen eine komplette phönizische Residenz zutage, deren architektonische Entwicklung über 200 Jahre, vom 8. bis zum 6. Jahrhundert v. Chr., dokumentiert ist (siehe Abb. S. 71).4 In der zweiten Bauphase bestand das Anwesen aus einem langen, rechteckigen Gebäude mit einem großen abgeschlossenen Hof mit gemauertem Brunnen vorne und vier länglichen, paarweise angeordneten Räumen dahinter. Die allgemeinen Charakteristika und die Konstruktion dieses Hofgebäudes aus Lehmziegelwänden auf hohen Steinfundamenten ist mit früheren Häusern aus der späten Bronzezeit in der nördlichen Levante vergleichbar und unterstreicht die Kontinuität der Architekturtradition, die diese beiden Zeitalter überdauerte.5 Da Karthago von den Tyrern gegründet wurde, stellt dieses Haus wahrscheinlich den urbanen Wohnhaustyp der phönizischen Mutterstadt dar. In der dritten Bauphase wurde das Innere dieses karthagischen Hauses zu einem Vier-Raum-Gebäude ohne Hof umgestaltet, das drei lange, parallel liegende Räume auf der Vorder- und an der Hinterseite einen großen, über die gesamte Breite des Hauses reichenden Raum besaß. Vorbilder für diesen Haustyp findet man wiederum im syrisch-palästinischen Gebiet, wo
sich erneut der kulturelle Einfluss des phönizischen Heimatlandes bemerkbar macht. In der zweiten Hälfte des 7. Jahrhunderts v. Chr. wurde das Haus erneut umgebaut, diesmal unter Verwendung einer neuen Wandbautechnik, die man opus Africanum nennt, bei der große Monolithblöcke (Orthostaten) im Wechsel mit Lehmziegeln und Schutt verwendet werden (siehe Abb. S. 72 und 73). Diese nun in Karthago belegte Technik ist eine einfache Variante der früheren »Pfeiler-und-Schutt«-Konstruktion, die die Phönizier in der Eisenzeit verwendeten. Der größte Unterschied dieser afrikanischen Technik zu der im phönizischen Kernland angewandten besteht in der Art, in der die senkrechten Pfeiler konstruiert wurden. Im Westen bestehen sie aus Monolithen, während sie im Osten (so die Ausgrabungen in Dor, Sarepta und jetzt auch Beirut) aus einzelnen Quadern als Binder und Läufer gemauert wurden. Das Haus von Byrsa bestand wahrscheinlich aus zwei Stockwerken, wobei das obere über eine Treppe im hinteren Teil des Hauses zugänglich war, wie es auch in den späteren punischen Häusern in Nordafrika und Sardinien zu beobachten ist (siehe unten).
Grundriss eines befestigten Handelshauses in Horvat Rosh Zayit, Israel.
Wie bei Beispielen auf dem Festland der Levante lagen über dem Obergeschoss wahrscheinlich von Stützen getragene Holzbalken. Das Haus hatte ein Shed- oder Satteldach aus gebrannten Tonziegeln. Die Ausgrabungen am Haus von Byrsa erbrachten auch den Beweis für die Übernahme eines uralten orientalischen Brauchs in Karthago: das Fundament-Opfer, bei dem der Weihende ein Gebäude segnete, indem er ein Opfer in das Fundament einmauerte. Im ByrsaHaus findet sich dieser Brauch gleich zweimal aus verschiedenen Bauphasen. Das erste Mal (IIB) wurden während des Umbaus der Hofmauer des Wohnhauses eine tönerne Öllampe und eine handgetöpferte Keramikschüssel geopfert, und beim Umbau zu einem Vier-Raum-Haus (Phase III) wurde später eine Tonflasche, deren Hals absichtlich abgebrochen wurde und die mit einem flachen Stein verschlossen war, unter dem Fußboden deponiert. Die in der Schüssel gefundenen Reste von Pflanzenasche zeigen, dass wahrscheinlich ein Brandopfer stattgefunden hatte. Das Haus von Byrsa verdeutlicht somit die enge Beziehung einer Kolonie in den frühen Phasen zu ihrer Mutterstadt.
Das punische Haus Dank der archäologischen Forschung der letzten Jahrzehnte weiß man über die Anlage und das Aussehen der Häuser im punischen Westen mittlerweile besser Bescheid. Die vorliegende Untersuchung konzentriert sich
Grundriss eines Hauses in Karthago, Phasen 2 und 3. Ausgrabungen der Universität Hamburg.
auf die städtischen Wohnbauten dreier ausgegrabener Wohnviertel: einen Bezirk von Karthago am Südhang des Byrsa-Hügels, die Stadt Kerkouane am Kap Bon nordöstlich der Stadt und die Hügelstadt Monte Sirai auf Sardinien.6 An allen drei Orten fand man in Wohnblöcke oder so genannte insulae ausgerichtete Wohnkomplexe aus dem 4. bis 2. Jahrhundert v. Chr. Sie sind zwar nicht nach einem Standard gebaut, haben jedoch ein gemeinsames architektonisches Zentrum: einen Innenhof, um den das Haus radial oder axial angelegt ist. Der Hof als wichtigste Quelle für Licht und Luft bildete das Zentrum der Aktivitäten in einem punischen Haushalt, zudem stellte er ein privates Refugium dar. Die Säulenportiken führten direkt in die Haupträume des Hauses, das Empfangszimmer, die Schlafzimmer und Vorratsräume. Fast alle Höfe wiesen ein gemeinsames Merkmal auf: einen gemauer
ten Brunnen oder ein Sammelbecken zum Auffangen von Regenwasser, das in einer unterirdischen, verputzten Zisterne gesammelt und aufbewahrt wurde. Die meisten punischen Häuser hatten eine Art einfacher Kanalisation – in Form eines steinernen Ablaufs, der Abwasser und überlaufendes Wasser in die Gosse hinausleitete. (Die römischen Städte verfügten im Gegensatz dazu später über eine zentrale Abwasserkanalisation.) In den wohlhabenderen Häusern gab es private Bäder mit Wasseranschluss und verputzten Badewannen. (Toiletten befanden sich für gewöhnlich in separaten, öffentlichen Einrichtungen.) Zu Beginn des 3. Jahrhunderts waren die Böden der Bäder oft mit Mosaikfußböden verschiedenen Stils versehen, häufig findet sich opus tesselatum, eine Verzierung aus rechteckig geschnittenen Mosaiksteinchen, und opus signinum, eine Verzierung aus unregelmäßig verteilten weißen Marmorsplittern auf rötlichem Zementgrund. Die Wände der Häuser bestanden aus Stein und Lehmziegeln und waren oftmals verputzt und bemalt. Alle punischen Häuser, ob groß oder klein, hatten eine Art Herdstelle, meist erkennbar an einer runden Feuerstelle aus Steinen oder Ziegeln in einer Ecke. Oft lag sie in einem langen schmalen Raum an der Hauptachse des Hauses gegenüber dem Eingangskorridor. Anders als bei griechischen und römischen Häusern gab es für gewöhnlich kein separates Esszimmer, die Mahlzeiten wurden, wenn das Wetter es zuließ, im Innenhof eingenommen. Die üblicherweise vom Innenhof aus zugänglichen oder aber im Obergeschoss liegenden Schlafzimmer waren meist klein und fensterlos. Neben Kammern
Archaische Siedlung in Karthago, Tunesien. Ausgrabungen der Universität Hamburg.
und Lagerräumen gab es in größeren Häusern oftmals Bedienstetenquartiere. Zimmer neben dem Hauseingang könnten als Läden oder Räume für den Handel gedient haben. Die Wohnhäuser in den späten punischen Vierteln auf dem Byrsa-Hügel (siehe Abb. S. 153) zeigen einen weiteren bemerkenswerten Aspekt des städtischen Lebens der Punier: den Bau mehrstöckiger Häuser. Mosaikböden aus zumindest zwei Obergeschossen sowie die Stärke der Hauptmauern des Hauses und auch die Anzahl und das Fassungsvermögen der unterirdischen Zisternen in jedem der Häuserblöcke lassen auf die Existenz großer Wohnhausbauten in diesem Bezirk schließen.
Späte punische Siedlung auf dem Byrsa-Hügel, Karthago, Tunesien.
Wahrscheinlich handelt es sich hierbei um die sechsstöckigen Gebäude von Karthago, die Appian7 in seinem Bericht über den Dritten Punischen Krieg (149– 146 v. Chr.) erwähnt.
Mozia: Studie zur Entwicklung einer westphönizischen Stadt In der Antike wurde die Handelsstadt Mozia in Nordwest Sizilien weitgehend aufgegeben. Sie bietet daher eine einzigartige Gelegenheit, eine Phönizierstadt im Ganzen zu studieren Die Geschichte der Stadt zeichnet
sich durch ein fest datierbares Ende aus, 397 v. Chr., als sie von Dionysios I. von Syrakus belagert und zerstört wurde. Zwar wurde die dem sizilianischen Festland vorgelagerte Insel im 4. und den darauf folgenden Jahrhunderten wieder besiedelt, doch gab es immer weniger Bewohner und es entstand nie wieder eine richtige Stadt. Die etwa 40 ha große phönizische Inselsiedlung wurde in der zweiten Hälfte des 8. Jahrhunderts v. Chr. gegründet. Im 6. Jahrhundert hatte sie sich bereits zu einer Stadt entwickelt. Mozia war ganz auf die beiden Hä-
Grundriss eines punischen Hauses (Fantar-Haus), Monte Sirai, Sardinien. A B C D E F
Vestibül, evtl. geschäftliche Nutzung Küche Hauptschlafraum Schlafraum Lager Hof
fen im Nordosten und Südwesten der Insel ausgerichtet. Der Nordhafen und das dahinter liegende Stadttor bildeten den Hauptzugang zur Stadt. Er grenzte an einen im 6. Jahrhundert errichteten künstlichen Damm, der die Insel mit dem Festland verband. Vom Nordtor aus führte eine Straße direkt zum öffentlichen Marktplatz und einem nicht näher bestimmbaren Heiligtum, das man heute »Cappiddazzu« nennt. Dieser Platz, der an einem der beiden etwas erhöhten Punkten der Insel liegt, bildete das Stadtzentrum. Am Südhafen mit seinem Trockendock oder kothon befand sich ein zweiter, späterer Zugang zur Stadt. In seiner Nähe stand ein großes, dreigeteiltes Haus, das wahrscheinlich zur Inventur und als Warenlager diente.8 Das hervorstechendste Merkmal von Mozia ist der steil ansteigende Hügel im Südwesten. Auf dieser Anhöhe finden sich viele Spuren antiker Mauern und künstlicher Terrassen, wahrscheinlich befand sich hier die »Oberstadt«, in der die Wohnhäuser der Wohlhabenden standen. Die archäologischen Funde von Mozia bieten die seltene Gelegenheit, die Entwicklung einer phönizischen Stadt zu untersuchen. Die frühe Siedlung (aus dem späten 8. und frühen 7. Jahrhundert v. Chr.) war den Befunden nach scheinbar relativ klein und die Wohnhäuser konzentrierten sich auf jenen Hügel und das nordöstlich angrenzende Hafengebiet. In der zweiten Hälfte des 7. Jahrhunderts dehnte sich die Stadt nach Süden aus. Das Gebiet am späteren Südtor wurde zunächst für den Handel genutzt. Im 6. Jahrhundert begann dann die eigentliche Entwicklung der Stadt Mozia mit großen Verteidigungs- und In
dustriebauten sowie Handelskomplexen. Die Wohnbauten verlagerten sich zu dieser Zeit weiter ins Innere der Insel und auch in der südöstlichen »Oberstadt« gab es beträchtliche Veränderungen. Verstärkte Handelsaktivitäten hatten den Bau der Dammverbindung zwischen Mozia und dem Festland zur Folge. Gegen die Mitte des 6. Jahrhunderts wurde die Nekropole im Norden aufgrund der gestiegenen Bevölkerungszahl aufgegeben. Infolgedessen wurden die Grabstätten der Stadt nach Birgi auf dem Festland verlegt. Noch vor dem Ende des Jahrhunderts wurden entlang der Nord-Ost- und Süd-West-Hauptachsen der Stadt bestimmte Bauzonen eingerichtet und dieses allgemeine Zonensystem wurde im 5. Jahrhundert mit der Forcierung des Wohnungsbaus weiter ausgedehnt. Mozias Wachstum endete abrupt mit der vernichtenden Belagerung von 397 v. Chr. und dem Exodus der Bevölkerung nach Lilybaeum auf dem sizilianischen Festland. Begleitet von schlechteren Lebensbedingungen und einem drastischen Rückgang der Stadtentwicklung ging die Wirtschaft auf der Insel von nun an stark zurück.
Die Stadtentwicklung bei den Phöniziern: ein Überblick Die Architekturgeschichte im phönizischen Mutterland beginnt im Prinzip im 14. Jahrhundert v. Chr. Den archäologischen Forschungen in Tyros und Sarepta zufolge begann in beiden Städten eine relativ lange Zeit stetiger architektonischer Entwicklung.9 In Briefen aus der
Plan von Mozia, Sizilien
Zeit der Regierung von Echnaton (1353–1335 v. Chr.) wird Tyros als große Stadt bezeichnet, an Reichtum mit der Metropole Ugarit vergleichbar.10 Das zur gleichen Zeit stattfindende urbane Wachstum in Byblos lässt sich auf ähnliche Weise durch die Ausdehnung der Stadt von der ursprünglichen Landspitze in die umliegenden Ebenen nachweisen. Aufgrund der politischen Unruhen nach den Einfällen der Seevölker im frühen 12. Jahrhundert erlebten die phönizischen Küstenstädte eine Zeit des wirtschaftlichen Niedergangs, von dem sie sich jedoch bald wieder erhol
ten. Wie der Wenamun-Bericht zeigt, waren die phönizischen Häfen von Byblos und Sidon damals bereits wieder blühende Handelsorte. – Die Erweiterung von Tyros unter König Hiram I. in der Mitte des 10. Jahrhunderts bietet die ersten ausführlichen Hinweise für die Entwicklung einer phönizischen Stadt (siehe »Tyros« im Anhang). Die anschließende mittlere Eisenzeit (900– 550 v. Chr.), die Zeit der assyrischen und babylonischen Hegemonie, scheint eine Zeit stetigen urbanen Wachstums für die Phönizierstädte gewesen zu sein. Zwar fehlen für die wichtigsten Küstenstädte exakte Daten, doch gibt uns die neuere archäologische Forschung an anderen Orten einen Einblick in diese Entwicklung. Die Ausgrabungen zeigten z. B. einen Teil des in Sarepta im 9. Jahrhundert neu gebauten Wohnviertels mit zwei großen, solide konstruierten Gebäudekomplexen an einer engen Straße und mit einem offenen Platz. Im darauf folgenden Jahrhundert gehörte auch die Errichtung eines großen öffentlichen Gebäudes mit mehreren angrenzenden Gängen oder Korridoren zum Stadtentwicklungsprogramm in Sarepta.11 Im Zuge neuerer Ausgrabungen in Beirut stellte sich heraus, dass die antike Stadt kurz vor dem 10. Jahrhundert eine massive Mauer- und Glacis-Konstruktion erhielt. Damals breitete sich die Siedlung wahrscheinlich vom Hügel her aus, sodass dieser nun die Funktion einer Festung einnahm.12 Im Süden Phöniziens lässt sich die urbane Erweiterung durch die Verbreitung phönizischer Siedlungen nach Süden in die Ebene von Akko und ins angrenzende untere Galiläa verfolgen. Bei Ausgrabungen in Tell Keisan fand
man einen wohlhabenden ländlichen Ort mit separaten Wohnblocks, die sich in Häuser mit mehreren Räumen gliederten. Im Norden belegen die Städte in der AkkarEbene, und besonders Tell Arqa und Tell Kazel, eine neue Siedlungsphase für das 8. und 7. Jahrhundert v. Chr. Das deutlichste Zeichen für die Stadtentwicklung in dieser Zeit ist wahrscheinlich die Expansion der Phönizier über das Meer hinweg, die seit der Mitte des 8. Jahrhunderts betrieben wurde. Im gesamten Mittelmeerraum findet man Spuren der Kolonisierung durch die Phönizier, auf Zypern (Kition, Amathus), in Nordafrika (Karthago, Utica), auf Sizilien (Mozia), Sardinien (Sulcis, Tharros) und in Südspanien (Almuñécar, Toscanos, Moro de Mezquitilla und Cádiz). In Karthago (der nach Kition wichtigsten frühen phönizischen Gründung) ergaben kürzlich durchgeführte Ausgrabungen an den Osthängen des Byrsa-Hügels deutliche Beweise für eine intensive städtische Besiedlung gegen Ende des 8. Jahrhunderts. Die dichte Anordnung der Häuser, die in diesem Bezirk Wand an Wand stehen, zeigt, dass auf der Basis der Wohnhausblocks wahrscheinlich bereits ein städtebaulicher Plan existiert haben muss. Die Funde weisen auf eine Stadt hin, deren Grundriss bereits von Beginn an geplant gewesen sein musste. Anhand der Ergebnisse einer stratigraphischen Untersuchung im Siedlungsbereich von Karthago und den topographischen Zeugnissen von Grabstätten vor den Stadtmauern kann man sich mittlerweile ein ziemlich genaues Bild von der Ausdehnung der frühen Stadt machen (siehe Abb. links). Aufgrund dieser Daten geht man
von einer Siedlungsfläche von mehr als 24 ha aus, die sich etwa 800 m weit entlang der antiken Küstenlinie erstreckte.13 Was die Stadtplanung in Karthago angeht, so gibt es archäologische Hinweise darauf, dass die obere Siedlung vom Byrsa-Hügel ausgehend in einem halbkreisförmigen System angeordnet war.14 Im 5. Jahrhundert wurden die Wohnviertel der Unterstadt (die sich parallel zur Küste orientierte) nach einem orthogonalen Plan errichtet, der sich durch ein Gitter sich im rechten Winkel schneidender Straßen ergab. Dieses axiale Planungsgitter, das so genannte »hippodamische Raster« (nach dem griechischen Architekten aus dem Milet des 6. Jahrhunderts, der als Erster darüber berichtete), wurde ab dem 5. Jahrhundert fast überall in der phönizischen Welt verwendet. Im Westen gibt es den hippodamischen Grundriss außer in Karthago noch in den Phönizierstädten Mozia und Solunt auf Sizilien sowie während der späteren punischen Phase im griechischen Selinunt. Im Kernland der Levante ist die orthogonale Stadtplanung seit dem 5. Jahrhundert v. Chr. an verschiedenen Orten entlang der südphönizischen Küste von Dor bis Akko belegt.15 Am nördlichsten Punkt der phönizischen Küste gibt es die axiale Planung in Tell Sukas und Al Mina. Auch wenn es sich nicht belegen lässt, so muss man doch davon ausgehen, dass die größeren Städte im phönizischen Heimatland, besonders Sidon und Byblos, ebenfalls diese Art der Planung bei ihrer Stadtentwicklung berücksichtigten. Beide Städte wurden während der Perserzeit stark erweitert. Wie die Ausgrabungen zeigten, gab es auch in Sarepta eine Zeit der Urbanisierung, die
sich an größeren Projekten zur Einebnung bzw. Auff üllung von Gelände in beiden ausgegrabenen Bezirken widerspiegelt.16 Der Handwerkerbezirk in Sarepta wurde durch ein nach dem axialen Straßenmuster ausgerichtetes Wohnviertel ersetzt. Neuere Ausgrabungen in Beirut zeigten auch, dass die Unterstadt aus der Perserzeit einem orthogonalen Plan folgte, dessen Richtungsachsen später auch bei der Ausrichtung der hellenistischen und römischen Stadt beibehalten wurden.17 Plan von Karthago mit den Umrissen der archaischen Siedlung.
Die hippodamische Stadtplanung wurde zwar im Kernland weitgehend übernommen, im punischen Gebiet wurde sie hingegen nur selten angewendet. Die urbane Anlage der größeren Städte in Sardinien, vor allem Monte Sirai und Tharros, folgte dem traditionellen Muster der »Konturplanung«, bei der sich die Bauten der natürlichen Topographie des Geländes anpassten. Das sich daraus ergebende Kommunikationssystem erwuchs eher zufällig als geplant (siehe Abb. oben).18 Auch in Kerkouane zeigt sich eine solche Flexibilität bei der Stadtentwicklung (siehe Abb. links). Hier gab es zwar keine topographischen Hindernisse (die Stadt lag in einem ebenen, sandigen Küstenstreifen), doch der neuerrichtete Stadtbezirk zeichnete sich durch ein System sich in unterschiedlichem Winkel kreuzender, verschieden breiter Straßen aus, die insulae von ebenso unterschiedlichen Ausmaßen bildeten. Diese individuelle Planung, die sich deutlich von der strikten Struktur des hippodamischen Systems unterscheidet, zeugt von einheimischen Vorlieben. Im punischen Karthago ist die Konturplanung ebenfalls häufig zu beobachten und selbst nach der Einführung des rechtwinkligen Straßensystems in neueren Bezirken an der Küste wurde die radiale Anordnung der Straßen in der Oberstadt beibehalten.19
Die Verteidigung der Phönizierstadt
Phönizische Streitkräfte Über die Größe und Zusammenstellung der bewaffneten Streitkräfte der phönizischen Städte ist wenig bekannt. Ihre Landstreitkräfte bestanden vermutlich lediglich aus leichter Infanterie, unterstützt durch Streitwagen und Bogenschützen (siehe Abb. oben). Seit dem 7. Jahrhundert v. Chr. treten in phönizischen Gräbern häufig Eisenwaffen auf (Speerspitzen, Ortbänder, kurze Dolche und Lanzen), was vermuten lässt, dass sich diese Truppen unter normalen Umständen aus einheimischen Soldaten zusammensetzten, die sich entweder freiwillig meldeten oder eingezogen wurden. Die wichtigste Einheit des phönizischen Militärs war die Marine, die in der Antike wegen ihrer Geschwindigkeit und Beweglichkeit hoch angesehen war. Es ist bekannt, welch bedeutende Rolle die phönizische Kriegsflotte in den Perserkriegen spielte. Nach Herodot waren die Marineschwadronen von Tyros, Sidon und Arwad für die persischen Kriegsunternehmungen von entscheidender Bedeutung. Sidon verfügte offenbar über die mächtigste dieser Flotten, denn unter den Münzen aus dem 4. Jahrhundert gibt es solche mit der Darstellung einer phönizischen Kriegsgaleere vor den Mauern der Stadt. Kernstück der phönizischen Kriegsmarine waren die Kriegsgaleeren. Im frühen 1. Jahrtausend v. Chr. bildeten Triakonter und Pentekonter, Schiffe mit einzelnen Bank
Plan der punischen Siedlung auf der Akropolis von Monte Sirai, Sardinien. Luftbild der punischen Siedlung von Kerkouane, Tunesien.
reihen für 30 bzw. 50 Ruderer, den Standard. Im 8. Jahrhundert ermöglichte die Erfindung des erhöhten Decks die Einführung von Galeeren mit doppelten Bankreihen, wobei zwei Reihen von Ruderern versetzt übereinander im Inneren des Schiffes ruderten, die oberen direkt vom Dollbord aus, die unteren durch Löcher in der Schiffs
wand (siehe Abb. S. 80). Die zweistöckige Galeere (deren Erfindung vielleicht auf die Phönizier zurückgeht) hatte der einstöckigen gegenüber einen großen Vorteil: Sie war wesentlich kompakter und robuster, da sie buchstäblich nur die halbe Länge ihres Vorgängers brauchte (vielleicht 20 m gegenüber früher 38 m). Im 7. und 6. Jahrhundert war die zweistöckige Galeere das phönizische Kriegsschiff par excellence. Wie alle Kriegsgaleeren war der Bug an der Wasserlinie zu einem mit Bronze verkleideten Sporn verlängert, um feindliche Schiffe damit zu rammen und außer Gefecht zu setzen. Nachfolger wurde die vielseitige Trireme mit drei Bankreihen, das Rückgrat der persischen Flotte. Wie die Bireme verfügte auch sie über einen Rammsporn und ein einzelnes rechteckiges Segel mittschiffs an einem einholbaren Mast. Beim Sprint erreichte eine Trireme Höchstgeschwindigkeiten von bis zu neun Knoten. Die phönizische Version unterschied sich von der gleichzeitig gebauten griechischen durch ein höheres Deck, einen längeren konischen Rammsporn und eine Gallionsfigur am Bug. Wahrscheinlich hatte sie genauso viele Ruderer wie die griechische Trireme: 27 in der oberen und 25 auf jeder Seite in den unteren Reihen. Das Schiff besaß keinen Ausleger und alle Ruderer befanden sich im Inneren des Schiffes.20
Phönizische Befestigungsanlagen Die archäologischen Funde für die Befestigung der Phönizierstädte im Kernland während der frühen Eisenzeit sind rar. Von den wichtigsten Küstenstädten ist nur in Byblos etwas von den frühen Verteidigungsanlagen erhalten geblieben, die von Tyros, Sidon und Arwad sind völlig unbekannt. Die Ausgrabungen in Beirut trugen jedoch dazu bei, diese Wissenslücke zu schließen, da sie wertvolle Informationen über den Bau und die Entwicklung der verschiedenen aufeinanderfolgenden Verteidigungsanlagen der Stadt lieferten. So zeigte sich, dass die späteisenzeitliche Siedlung von einer Pilastermauer geschützt wurde (der dritten in einer Reihe von Wallanlagen, die bis in die mittlere Bronzezeit zurückreichten), verstärkt durch einen Glacis aus Kieseln und großen Sandsteinbrocken mit einem Gefälle von 20°. Noch vor der frühen Eisenzeit wurde diese Konstruktion durch eine neue massive Steinbefestigung mit einem großen Glacis mit steilerem Winkel (33°) ersetzt, der sich an die geschwungene Linie des Siedlungshügels anpasste (siehe Abb. oben). Diese Mauer wurde schließlich nacheinander erst (im 7. und 6. Jahrhundert) durch eine Kasemattenmauer aus gut bearbeiteten Sandsteinen und später (in der Perserzeit) durch eine massive, mit Kies aufgefüllte Umgebungsmauer ersetzt.21 Die Verteidigungsarchitektur in Nordisrael, die an Orten wie Megiddo und Hazor gut belegt ist, bietet zusätzlich wichtige Informationen über das mögliche Aussehen und die Konstruktion zeitgleicher phönizischer Befesti
Bewaffneter Reiter aus Terrakotta, Byblos, Libanon, 8.–6. Jahrhundert.
gungen. An beiden Orten bestehen die Stadtmauern aus relativ schmalen, turmlosen Mauern in Kasemattenkonstruktion, ein Merkmal, dass auch bei der früheisenzeitlichen Militärarchitektur in Sardinien (Sulcis, Tharros) auftritt. Ausgrabungen in der südphönizischen Hafenstadt Dor bieten hier die wahrscheinlich beste Parallele. Die Befestigungsanlagen von Dor aus dem 9. Jahrhundert bestehen aus einer etwa 3 m breiten, massiven Ziegelmauer, die an ihrer Basis durch einen verputzten Lehmglacis verstärkt und auf aus Ziegeln und Steinen bestehenden Fundamenten errichtet wurde. Die Verteidigungsanlagen von Dor, die der Stadt bis zur Mitte des 4. Jahrhunderts dienten, wurden von einem Hauptstadttor unterbrochen, das von Lehmziegeltürmen auf einem Fundament aus großen Sandsteinblöcken flankiert wur
de. Mit ihrem regelmäßigen Wechsel zwischen Vor- und Rücksprüngen stellen die Befestigungsanlagen von Dor aller Wahrscheinlichkeit nach die auf dem phönizischen Festland am häufigsten verwendete Bauweise für Verteidigungsanlagen in der frühen Eisenzeit dar.22 Bemerkenswert ist ein befestigter Außenposten aus dem 7. bis 6. Jahrhundert am Nahr Banijas nördlich von Arwad. Auf einem Felsen über einer Flussschleife gelegen, hatte diese Festung einen unregelmäßigen trapezoiden Grundriss von 500 x 250 m, der die natürlichen Verteidigungsmöglichkeiten des Geländes ausnutzt, lediglich die ungeschützte Nordflanke war durch eine massive Mauer großer, grob behauener Steine in unregelmäßigen Reihen mit drei Toren, zu denen jeweils eine Rampe führte, künstlich befestigt.23 Die Befestigungen in Mozia aus dem 6. Jahrhundert sowie zeitgenössische Darstellungen der assyrischen und phönizischen Kunst vermitteln einen Eindruck davon, wie die Stadtmauern von Tyros in der assyro-babylonischen Zeit (9. bis 6. Jahrhundert) ausgesehen haben könnten. In Mozia bestehen die dem Verlauf der Küstenlinie folgenden Verteidigungsanlagen aus einer schmalen Mauer, die abwechselnd durch Türme (die Reste von 20 solcher Türme sind erhalten) und Ausfalltore unterbrochen wurde. Auf assyrischen Reliefs findet man in unterschiedlicher Darstellung die Mauern und Zinnen einer Stadt aus mehrstöckigen vorgehängten Mauern (mit Laufgängen), an deren Ecken in regelmäßigen Abständen hohe Ecktürme mit krenellierter Brüstung standen. Diese Darstellungen sind zwar stark vereinfacht, doch bieten
manche davon interessante und archäologisch belegbare Architekturdetails. Die Darstellung von Tyros auf den Torreliefs von Balawat aus der Zeit von Salamanasser III. zeigt zwei monumentale Bogentore mit doppelten Eingangstoren aus Holz oder Bronze. Eine andere Darstellung der Stadt auf einem heute verlorenen Wandrelief aus dem Palast von Sanherib (704–681 v. Chr.) in Ninive zeigt, dass von den Zinnen der Stadt eine Reihe runder Schilde hingen, wie es der Prophet Hesekiel beschrieb.24 Eine phönizische Silberschale aus dem zypriotischen Amathus zeigt eine Zitadelle mit runden steinernen Türmen mit krenellierter Brüstung, ein architektonisches Merkmal, das auch in Mozia belegt ist. Die phönizischen Bemühungen zum Bau von Verteidigungsanlagen in der Eisenzeit verstärkten sich im späten 6. bis zum 4. Jahr-
Relief mit der Darstellung einer phönizischen Kriegsgaleere mit zwei Sitzreihen. Palast des Sanherib in Ninive, Irak, frühes 7. Jahrhundert v. Chr.
Verteidigungsanlagen und Glacis am Siedlungshügel von Beirut, Libanon, 10. bis frühes 9. Jahrhundert v. Chr.
hundert v. Chr., als einige Küstenstädte, vor allem Sidon und Byblos, zu regionalen Verteidigungsposten im Reich der Achämeniden wurden. In dieser Zeit wurden die Befestigungsanlagen von Sidon nach Süden in bisher unbesiedeltes Land ausgeweitet. Die Fundamente einer gut strukturierten Mauer aus Sandsteinquadern bezeichneten die neue südliche Stadtgrenze von Sidon.25 Stolz zieren die Zinnen der Stadtmauern die Münzen des frühen 4. Jahrhunderts. In Byblos wurde die nordöstliche Flanke der Akropolis durch äußere Verteidigungsanlagen in Form einer rechteckigen Festung mit sieben großen, dicht beieinander stehenden Türmen erweitert.26 Aus der persischen Zeit sind die Konstruktionstechniken der phönizischen Verteidigungsanlagen gut belegt. Die Städte der südphönizischen Küste (und Nor
disraels) verwendeten eine Standard-Mauerkonstruktion mit aufrechten Quaderpfeilern im Wechsel mit durch Feldsteinschutt aufgefüllten Abschnitten. Diese »Pfeilerund-Schutt«-Technik wurde auch in der Wohnhausarchitektur angewendet und stellt ein Markenzeichen der phönizischen Bauweise in der Perserzeit und der darauf folgenden hellenistischen Periode dar.27 Die Verteidigungsmauern von Byblos und mit Sicherheit auch die von Tyros, Sidon und Arwad waren jedoch in einer aufwendigeren Technik errichtet, bei der verputzte Quadermauern eine Füllung aus Erde und Steinen umschlossen. Diese Konstruktionen wurden durch die Verwendung von Gipszement noch verstärkt, ein Merkmal, das Arrian in seiner Beschreibung der Mauern von Tyros erwähnt. Die Stärke und Stabilität, die diese Technik bot, erlaubte den Bau sehr massiver Befestigungen. Nach Arrian28 waren die Mauern von Tyros im 4. Jahrhundert 16 m stark. In der Perserzeit wurden nicht nur die Mauerhöhen und -stärken erhöht, sondern auch vorgelagerte Befestigungsanlagen gebaut. Nach Diodor wurden die Mauern von Sidon durch einen dreifachen Verteidigungsgraben geschützt.29 Der in den Fels gehauene Graben bildete bei den phönizischen Städten oftmals die wichtigste Verteidigungslinie. Die deutlichsten Beweise für die ausgefeilten Befestigungen der phönizischen Häfen, die vor den einheimischen Piraten ebenso geschützt werden mussten wie vor einem Angriff von außen, finden sich während der Perserzeit und in der Zeit des Hellenismus. Eine perfekte Methode, den Hafen zu sichern, war, ihn buch
Silberschale mit Goldauflage mit der Darstellung der Belagerung einer Stadt. Aus Amathus, Zypern, spätes 8. bis frühes 7. Jahrhundert v. Chr. Auf dem äußeren Band wird eine Stadt von beiden Seiten von Reitern, Hopliten und Bogenschützentruppen bedrängt. Im unteren Streifen pflücken zwei Königsfiguren in assyrischen Gewändern Blüten aus einer stilisierten Palmette.
stäblich in die Stadtverteidigungsanlagen zu integrieren und einen »geschlossenen« Hafen zu schaffen. Ein Beispiel dafür ist der Nordhafen von Tyros. Die Tatsache, dass er in die Stadtmauern integriert wurde, könnte auf die Expansionsbestrebungen von Hiram im 10. Jahrhundert v. Chr. zurückzuführen sein.30 Für gewöhnlich wurden wie im Falle von Sidons Nordhafen steinerne Türme und Bastionen auf oder neben den Molen oder Hafeneinfahrten errichtet. Solche vorgelagerten Verteidigungsanlagen könnten auf der kleinen Insel Kalaat el-Bahar
(»Festung im Meer«) gestanden haben, die die Hafenanlagen von Sidon bewachte. Am südlichen Hafen von Atlit wurden mehrere quadratische Steintürme auf den Wellenbrechern der Stadt errichtet, um die Hafeneinfahrt zu schützen.
Punische Streitkräfte Die Geschichte der karthagischen Armee ist lang und kompliziert. Sie erstreckt sich über mehr als sechs Jahrhunderte von der Gründung der Stadt im frühen 8. Jahrhundert bis zu ihrer Zerstörung durch die Römer im Jahr 146 v. Chr. Über die Armee und ihre Aktivitäten während der Anfangsjahre der Stadt ist wenig bekannt, denn vermutlich beschränkten sich ihre Größe und Bewegungen vor den ersten Bemühungen um Kolonisierung im 6. Jahrhundert auf den unmittelbaren Schutz der Stadt und ihrer Umgebung. Der erste verifizierbare Hinweis auf die militärische Aktivität der Karthager liegt aus dem Jahre 535 v. Chr. vor, als die Streitkräfte der Stadt gemeinsam mit den Etruskern in einer Seeschlacht vor Alalia auf Korsika auf die Griechen aus Phokäa trafen.31 Aus dieser Zeit liegen in historischen Berichten über General Mago und seine Nachkommen die ersten konkreten Belege für die Armee der Karthager und ihre Zusammensetzung vor. Unter den Magoniden, die von 530–400 v. Chr. herrschten, bestanden die Streitkräfte hauptsächlich aus ausländischen Kontingenten aus den verschiedenen Vasallenstaaten im
»Pfeiler-und-Schutt«-Konstruktion aus dem perserzeitlichen Bezirk von Beirut, Libanon. Ausgrabungen der libanesischen Universität, Beirut.
Reich der Karthager. (Es wird angenommen, dass sich die Armee vorher vornehmlich aus Rekruten aus der Stadt zusammensetzte, die von tributpflichtigen Verbündeten unterstützt wurden.) Im 5. Jahrhundert v. Chr. beschränkte sich der Anteil der Karthager selbst an ihrem Militär, abgesehen von den Rängen der höheren Offiziere, offenbar auf ein Elite-Reservekorps von 2500 Mann, das so genannte »Heilige Bataillon«, das unter dem direkten Befehl des Staatsoberhauptes stand. Die Libyer – die Berber des heutigen Tunesien – bildeten das bei weitem größte Kontingent von Fremden in der Armee der Karthager. Aus ihnen setzten sich die Einheiten der leichten Infanterie, das Kernstück der Ar
mee, zusammen. Andere wichtige Kontingente aus den Vasallenstaaten bestanden aus Sardiniern und Spaniern (Iberern). Auch Verbündete stellten Truppen, vor allem die libyschen Phönizier (punische Bürger aus den nordafrikanischen Kolonien Karthagos) sowie Numider und Mauren, die den wichtigsten Teil der Kavallerie bildeten. Weitere fremde Truppen, Kelten, Ligurer, Etrusker, Kampanier, Korsen und Sizilier (sowohl Elymer als auch Sikuler) ergänzten die Ränge der Armee. Auch griechische Soldaten, hauptsächlich aus Sizilien, dienten im Heer. Streitwagen mit Sicheln, ein Erbe aus dem Nahen Osten wurden bis zu den Punischen Kriegen verwendet. Erst danach wurden sie durch den taktischen Einsatz der nordafrikanischen Elefanten ersetzt, die den Feind beim Nahkampf wirkungsvoller auseinander treiben konnten. Mit der Zeit wurde die Armee der Karthager immer stärker von der griechischen Militärpraxis beeinflusst, was sich in besonderem Maße bei der Verwendung von Belagerungsgeräten zeigt. Im 4. Jahrhundert wurde die griechische Hoplitenformation übernommen, später möglicherweise auch die mazedonische Phalanx. Die karthagische Armee verließ sich stark auf Rekruten aus unterworfenen Gebieten wie Libyen und Sardinien, doch abgesehen davon spielten Söldner eine zunehmend bedeutendere Rolle. Bei der Schlacht von Himera 480 v. Chr. traten sie bereits in beträchtlicher Zahl auf.32 Die antiken Quellen zeigen, dass diese Söldner oft von Völkern wie den Galliern oder Kampaniern kamen, die für ihren aggressiven, kampflustigen Charakter bekannt waren. Die ursprüngliche Entscheidung, sie zu beschäfti
gen, wurde sicherlich aus praktischen Gründen getroffen, nämlich aufgrund logistischer und finanzieller Überlegungen. Fremde Soldaten befreiten die in ihren Berufen ausgebildeten Bürger vom Militärdienst, die so ihre Energien ganz auf den Handel, die wichtigste Einnahmequelle der Stadt, richten konnten.33 Der Einsatz von Söldnertruppen in Karthago und ihre relativ große Bedeutung für die Armee ist viel diskutiert worden. Musste sich die Stadt zunehmend auf den Einsatz von gedungenen Söldnern verlassen oder hatte sie in Nordafrika genügend Reserven, um ihren eigenen Militärbedarf decken zu können? Zumindest im 4. Jahrhundert scheint Letzteres der Fall gewesen zu sein.34 Struktur und Aufbau der karthagischen Streitkräfte kennt man nur in groben Zügen. Generäle und ranghöhere Offiziere stammten aus der karthagischen Adelsschicht, wobei Erstere von der Volksversammlung, einer Körperschaft, der sie Rechenschaft schuldig waren, gewählt wurden. Subalterne kamen aus den verschiedenen Nationen, aus denen die Armee bestand. Die Kontingente der Bewohner dieser Länder, die entsprechend ihrer eigenen militärischen Ausbildung dienten (als Schleuderer, wie die Einwohner der Balearen, oder Reiter, wie die Numider) waren relativ autonom. Jede Einheit durfte ihre einheimische Kleidung und Bewaffnung beibehalten (die Iberer ihre Säbel, die Kelten ihre langen Schwerter). Die Größe der Armee schwankte zwischen 25 000 und über 100 000 Mann. Wie in der späten römischen Kaiserzeit war die Hauptbefehlseinheit eine Zenturie, die Infanterieschwadronen waren in Gruppen von 500 Mann orga
nisiert. Im scharfen Gegensatz zur Armee, deren heterogene Ränge mit Fremden besetzt waren, rekrutierte sich die karthagische Marine hauptsächlich aus den Reihen der eigenen Bürger. Die Anzahl der Schiffe schwankte zwischen ein paar Dutzend bis zu Armadas von 120 oder mehr Schiffen. Die phönizische Trireme mit drei Ruderbänken war zwischen dem 7. und 4. Jahrhundert v. Chr. der wichtigste Schiffstyp. Gegen Ende des 5. Jahrhunderts wurde von Karthago darüber hinaus eine Kriegsgaleere mit vier Reihen Ruderern, die Quadrireme (wie die Römer sie später nannten), eingeführt. Zumindest einige Typen wie die früheren Pentekonter hatten nur eine Ruderreihe mit vielleicht 200 Ruderern, wobei an jedem der 25 Ruder auf einer Seite vier Männer arbeiteten. Einem Trend zu größeren Schiffen folgend, setzten die Karthager ebenso wie die Phönizier im Mutterland einen weiteren Typ mit je fünf Ruderern ein. Die Quinquereme, wie die Römer sie später nannten, wurde in den Punischen Kriegen zum bestimmenden Schiff der Kriegsflotte. Wenn es nur eine Reihe Ruder aufwies, an denen jeweils fünf Männer saßen, wäre es in etwa 40 m lang gewesen und konnte eine Mannschaft von insgesamt 300 Mann (einschließlich der Seeleute und Hilfsmatrosen) aufnehmen.
Punische Befestigungen Die meisten punischen Städte waren befestigt, Karthago bildete dabei keine Ausnahme. Den Schriftquellen nach war die ganze Stadt in hellenistischer Zeit von ei
ner Mauer umgeben. Bei Ausgrabungen im »Magonidenviertel« von Karthago wurden kürzlich die Quaderfundamente der im 5. Jahrhundert erbauten Hafenbefestigungen entdeckt. Zum Inland hin bestanden die Befestigungsanlagen Karthagos im 3. Jahrhundert aus drei separaten Verteidigungslinien: einer dicken inneren Mauer (nach Diodor 17 m hoch) mit Türmen und Kasematten, einer Zwischenmauer und dahinter zwei Gräben mit einer Holzpalisade dazwischen. Der Verlauf dieses doppelten Grabens entlang des Isthmus’, der Karthago mit dem afrikanischen Kontinent verband, konnte durch Luftbildaufnahmen und archäologische Untersuchungen ermittelt werden.35 Ausgrabungen, die in Kerkouane bei Kap Bon durchgeführt wurden, zeigen die intakten Befestigungsanlagen einer typischen punischen Vorstadtsiedlung aus dem 5. oder 4. Jahrhundert v. Chr. Gemäß dem karthagischen Prinzip der breiten Verteidigungslinie war die Stadt auf der Inlandseite durch zwei vorgehängte Mauern mit einem 10 m breiten Graben dazwischen geschützt. Das nordafrikanische Imperium Karthagos wurde von einer Reihe von Lagern und militärischen Außenposten geschützt, die sowohl die von der Stadt abhängigen Siedlungen als auch die Grenze nach außen hin sicherten. Viele dieser Lager sind mittlerweile bekannt. Sie wurden in verschiedenen Grundformen angelegt – quadratisch, oval, polygonal oder elliptisch – und von einem System äußerer Befestigungsmauern und vorgeschobener Bastionen vor dem Hauptzugang gesichert. Sardinien und seine Städte waren für die Verteidi
gungsmaßnahmen des Reiches der Karthager wichtig und stellen ein ausgezeichnetes Beispiel punischer Militärarchitektur dar. Die beeindruckendsten Befestigungen finden sich in Tharros, der größten Stadt der Insel. Sie hatte eine dreifache Linie massiver Verteidigungsmauern, deren äußerste über 6 m hoch und 2,5 m breit war. Die auf einer vorgelagerten Insel liegende Stadt Sulcis, Sardiniens wichtigstes Handelsimperium, besaß eine Verteidigungsanlage aus Kasemattenmauern auf der Hügelkette hinter der Stadt. Kern dieses Komplexes war ein massiver Steinturm, der über einer früheren nuragischen (sardinischen) Befestigungsanlage errichtet worden war. Dieser Turmbau auf dem höchsten Felsen über der Stadt bot einen ausgezeichneten Aussichtspunkt zur Überwachung der darunter liegenden Ebene. Jede größere Stadt in Sardinien wurde durch eine vorgeschobene Reihe militärischer Außenposten an strategisch wichtigen Orten im umgebenden Hinterland gesichert. Eine dieser Befestigungen war die Hügelfestung und Stadt auf dem Monte Sirai. Von Sulcis im 7. Jahrhundert v. Chr. gegründet, beherbergte die Akropolis eine etwa 600 Mann starke Militärgarnison. Wie in Sulcis war ein massiver Burgfried, errichtet auf den Ruinen eines älteren, nuragischen Verteidigungsturms, das Zentrum der Anlage. Der Zugang zur Zitadelle wurde in der für die punischen Siedlungen auf Sardinien typischen Art durch vorgeschobene Befestigungsanlagen außerhalb des Haupttores gesichert.
Stadtverwaltung
Das Mutterland Phönizien Die Regierung der Phönizierstadt und ihre politische Infrastruktur bleiben ein schwieriges und schwer greifbares Thema. Leider sind keine phönizischen Dokumente erhalten, die sich mit den Regierungsgeschäften befassen. Die Quellen, die zur Verfügung stehen, stammen im Allgemeinen aus späterer Zeit und nicht aus orientalischem, sondern klassischem Kontext. Strukturell gesehen funktionierten die Phönizierstädte als eigenständige Stadtstaaten unter der unabhängigen Herrschaft eines lokalen Dynasten. In Byblos, der ältesten Stadt in Phönizien, tauchen die Namen königlicher Herrscher bereits im 3. Jahrtausend auf. In der Mitte des 14. Jahrhunderts v. Chr. treten die Küstenstädte Tyros, Sidon, Byblos, Beirut und Arwad als unabhängige Städte unter der Regierung einheimischer Herrscherhäuser in Erscheinung. In Wissenschaftskreisen wurde häufig die Frage der Macht und der Vorrechte des phönizischen Königs (punisch mlk) diskutiert. Eine Meinung geht dahin, dass seine Entscheidungsfähigkeit im zivilen Bereich von der Macht der lokalen Stadtelite oder der »Handelsaristokratie« bestimmt wurde. Die frühesten historischen Dokumente – die spätbronzezeitlichen Amarna-Briefe und der Bericht von Wenamun aus dem 11. Jahrhundert vermitteln jedoch ein ganz anderes Bild. Im Wenamun-Bericht
tritt der byblische Dynast Zakarbaal als aggressiver und aktiver Herrscher auf, der direkt an den Staatsgeschäften beteiligt war. Bei den geschäftlichen Verhandlungen mit dem ägyptischen Abgesandten Wenamun ist es Zakarbaal, der alle Transaktionen des Zedernholzhandels leitet – von den ersten Verkaufsbedingungen bis zur Ernennung der Arbeitstruppen, die die Arbeiten durchführten. Im folgenden 10. Jahrhundert erweist sich der tyrische Monarch Hiram als eine nicht weniger autoritäre Figur. Beide Male lässt der Kontext vermuten, dass die politische Initiative letztendlich beim König lag, der als Staatsoberhaupt fungierte. Wie in anderen nahöstlichen Monarchien stand die Macht und Autorität des phönizischen Königs im direkten Zusammenhang mit seiner heiligen Funktion als Bindeglied zwischen der Welt der Götter und der der Sterblichen. Aus Königsinschriften geht hervor, dass eine der Hauptrollen des Königs die des Oberpriesters und religiösen Führers war. Die königliche Frömmigkeit zeigt sich in der theophorischen Struktur zahlreicher phönizischer Königsnamen, die in der Regel die Namen von Hauptgottheiten wie Baal, Eschmun, Melkart oder Astarte enthalten. Die beliebten Königsnamen Adonibaal (»Baal ist mein Herr«) und Abibaal (»Baal ist mein Vater«) sind zwei solcher Bespiele. Die Namen der Söhne König Hirams, Baalbazer (»Diener Baals«) und Abdastratos (»Diener Astartes’«), belegen diesen Brauch ebenfalls. Bezüglich weiterer Organe der politischen Körperschaft der Phönizier spricht der Wenamun-Bericht von einer »Versammlung« der Byblier, mit der sich Zakarbaal
in einer dringenden Staatsangelegenheit (d. h. der Forderung der Tjekker nach Auslieferung von Wenamun) berät. Die hier erwähnte politische Körperschaft ist der Ältestenrat, eine alte phönizische Institution, die bereits in der Amarna-Korrespondenz erwähnt wird.36 Im Vertrag zwischen dem assyrischen Herrscher Asarhaddon und König Baal I. von Tyros aus dem 7. Jahrhundert wird er genauer genannt, in diesem Fall werden die Mitglieder des Rates, ein beratendes Organ, das neben dem König regiert, als »Älteste« der Stadt bezeichnet. Neben diesem gewählten Rat älterer Staatsmänner und Adliger der Stadt nennen die Texte auch eine größere, umfassendere Institution, die »Volksversammlung«. Im phönizischen Mutterland ist sie für Tyros und Sidon belegt und bestand offensichtlich aus der »wahlberechtigten« Bevölkerung der Stadt, d. h. aus freien männlichen Bürgern. Über ihre genaue Funktion oder Autorität ist ebenso wenig bekannt wie über die des Ältestenrates. Da die Texte keine Hinweise darauf geben, kann man keine sicheren Schlüsse darüber ziehen, ob sie Gesetze vorschlagen oder einbringen konnte oder lediglich die vom König in Absprache mit den Stadtältesten getroffenen Entscheidungen bestätigte. Bei der Betrachtung der Regierungsform der Phönizier darf man nicht außer Acht lassen, dass sie die meiste Zeit ihrer Geschichte als abhängige Staaten oder Vasallenstaaten politischer Fremdherrscher existierten – unter den Ägyptern, Assyrern, Babyloniern, Persern und Mazedonen. Angesichts mangelnder überlieferter Dokumente ist es meist schwierig, diese Beziehungen, die sich
jeweils deutlich voneinander unterschieden, zu bewerten. Im Allgemeinen jedoch scheint sich die Fremdherrschaft vom politischen Standpunkt aus gesehen relativ wenig auf die inneren Angelegenheiten ausgewirkt zu haben. Meist zielte sie lediglich darauf ab, die rechtzeitige Zahlung von Steuern und Tribut sowie die Ableistung von Diensten zu gewährleisten. Die politische Überwachung blieb in den Händen eines ortsansässigen Statthalters für die Fremden (oder gelegentlich eines mit den Fremden sympathisierenden einheimischen Herrschers), der als Repräsentant der herrschenden Dynastie diente. Unter den Assyrern, Babyloniern und Persern war Sidon offizieller Sitz einer solchen Residenz.
Die westlichen Kolonien Über die Administration in den frühen Koloniegründungen der Phönizier ist praktisch nichts bekannt. Zunächst könnte die »Gründungspartei« unter der Leitung des Expeditionsführers gemeinsam die Regierung geführt haben. Mit der Zeit wird eine derartige Ad-hocLösung höchstwahrscheinlich durch eine wirkliche Kolonialregierung ersetzt worden sein, an deren Spitze ein von der Mutterstadt ernannter Präfekt oder Statthalter stand. Phönizische Inschriften auf einem Paar fragmentarisch erhaltener Bronzeschalen aus Zypern belegen die Präsenz zweier solcher tyrischer Statthalter unter König Hiram II. in der Mitte des 8. Jahrhunderts v. Chr.37 Besonders in den frühen Stadien mussten die wirt
schaft lichen Verbindungen zwischen der finanziell abhängigen Kolonie und der Mutterstadt sehr eng gewesen sein. Wie man stichhaltig nachweisen konnte, reichte eine einzige Institution zur Aufrechterhaltung dieser Beziehung: der Tempel.38 Als sichtbares Zeichen des Königs und des Gründerstaates war er weitaus mehr als nur Mittler für den finanziellen Austausch. Dieses Phänomen zeigt sich in der Beziehung zwischen Tyros und seinen wichtigsten frühen Gründungen Kition, Karthago und Cádiz. In allen dreien wurde die Gründung der Kolonie von der Einrichtung eines lokalen Heiligtums für Melkart, den Nationalgott der Tyrer, begleitet. Im Falle Karthagos schickte die Kolonie jährlich den Zehnten seines öffentlichen Staatsschatzes an das Heiligtum von Melkart im heimatlichen Tyros, ein Brauch, der sich bis in hellenistische Zeit erhielt. Nach dem 5. Jahrhundert v. Chr. bildete sich eine neue republikanische Form der Munizipalverwaltung unter der Leitung zweier Hauptmagistraten oder »Suffeten«. Für Karthago und andere westliche phönizische Kolonien in Nordafrika und dem Mittelmeerraum ist dies belegt. Das Amt des Suffeten (aus lateinisch sufes und punisch spt »Richter« oder »Statthalter«), das gemeinsam von zwei Beamten bekleidet wurde, stellte eher eine durch Wahl als durch Ernennung besetzte Position dar, die jährlich neu vergeben wurde. Wie die antiken Quellen zeigen, hatten die Suffeten als Staatsoberhäupter die volle Autorität. Ihre Exekutivfunktionen und Vorrechte (die bislang noch kaum bekannt sind) waren weit gesteckt und umfassten einen weiten Teil der Legislative und der juristischen Ver
antwortlichkeit. Zwar wurden sie angeblich aufgrund von Verdiensten und Erfahrung gewählt, doch spielten zweifellos persönlicher Reichtum und soziales Ansehen beim Auswahlprozess eine große Rolle. Wie später die Konsuln im römischen Imperium demonstrierten die Suffeten ihre Großzügigkeit der Bevölkerung gegenüber durch die Errichtung öffentlicher Monumente und die Veranstaltung von Banketten und Festspielen. Punische Texte und lateinische Quellen bestätigen, dass die Suffeten-Magistraten bis in römische Zeit im gesamten punischen Herrschaftsgebiet üblich waren – in Nordafrika, Sizilien und Sardinen. Die Herkunft dieser Munizipialinstitution ist umstritten. Einerseits wird ihr Entstehen bis in die früheste Zeit der westlichen Kolonien zurückdatiert, andererseits scheint es plausibler, sie in einem evolutionären Kontext zu sehen, als Folge oder Ausdruck der zunehmenden wirtschaftlichen und politischen Unabhängigkeit der punischen Staaten vom Mutterland. Ist diese Annahme richtig, so kann der Beginn der Suffeten-Administration im Westen nicht weit vor das 6. Jahrhundert zu datieren sein.39 Die Suffeten führten den Vorsitz über zwei weitere wichtige Institutionen des punischen Gebietes: den Senat und die Volksversammlung. Ersterer war für die Überwachung der internen und externen Angelegenheiten verantwortlich. Besonders außenpolitische Angelegenheiten (z. B. Kriegserklärungen, die Lösung externer Konflikte und der Empfang von ausländischen Botschaftern) fielen in sein Ressort. Im karthagischen Senat oblag einer Kommission von 30 Mitgliedern die Verantwortung für die Vorbe
reitung und Überwachung von Projekten, die dann der größeren Institution vorgelegt wurden. Ein zusätzliches gewähltes Richtertribunal (aus 100 oder 104 Karthagern) setzte sich aus Senatsmitgliedern zusammen und diente als oberster Gerichtshof, der für die Staatssicherheit zuständig war. Wie im phönizischen Mutterland bestand die Volksversammlung aus freien männlichen Bürgern der Stadt. Wahrscheinlich wurde man zum Mitglied in diese Körperschaft (die in neopunischen Inschriften am oder »Volk« genannt wird) gewählt, wobei die Kriterien für die Wahl (Alter, Stand, Reichtum) nicht bekannt sind. Die Volksversammlung hatte das Recht, Entscheidungen zu revidieren und öffentlich zu diskutieren, außerdem war es ihr Vorrecht, die Generäle zu wählen. Einige kurze Bemerkungen sollte man über das Reich der Karthager in Nordafrika und dem Mittelmeerraum und seine Verwaltungsmethoden machen. Wie ihre römischen Nachfolger gewährten die Karthager bei der Verwaltung des eroberten sowie des ererbten kolonialen Territoriums ihren Untertanen relativ viel eigene Autonomie und beschränkten die zentrale Verwaltung auf Geldangelegenheiten wie das Eintreiben von Steuern und Tributzahlungen. Die Regierung des karthagischen Imperiums in Afrika, das sich schließlich von Algerien bis zur Grenze der Kyrenaika erstreckte, basierte auf einer Aufteilung in Verwaltungsbezirke (im Punischen »Länder« genannt), die durch von der Hauptstadt eingesetzte Beamte kontrolliert wurden. Am härtesten waren davon die Bewohner Libyens betroffen, für die sowohl Militärdienst als auch die Zahlung jährlicher Pachten und Steuern Pflicht
war. Karthager und libysche Phönizier (punische Bürger, die in den nordafrikanischen Kolonien Karthagos lebten) waren normalerweise davon befreit. Früheren phönizischen Gründungen in Nordafrika (Utica), Sardinien und Sizilien wurde eine lokale administrative Autonomie gewährt. Sie behielten ihren eigenen Suffetenmagistrat. Sowohl griechische als auch einheimische (elymische und sikanische) Gemeinden auf Sizilien erhielten ebenfalls politische Autonomie. In Sardinen und (später) auch in Spanien war die administrative Kontrolle Karthagos deutlicher zu spüren, dort ähnelte die Machtausübung – ein zentralisiertes militärisches Kommando, Rekrutierungsverpflichtungen unter den einheimischen Stämmen und staatliche Einmischung auf wirtschaft lichem Gebiet – im Wesentlichen der in Nordafrika. Dieser Überblick über die phönizische und punische Regierung kann mit einer archäologischen Fußnote bezüglich der zivilen Administration abgeschlossen werden: Bislang konnten noch an keinem phönizischen oder punischen Ort öffentliche Bauten mit administrativer Funktion identifiziert werden. Dieses Phänomen ist, wie bereits bemerkt wurde, wahrscheinlich nicht zufällig, denn im Gegensatz zur griechischen und römischen Welt, in der diese Bauten (wie Rats- und Versammlungshäuser sowie Justizgebäude) häufig vorkamen, wurden die Geschäfte in der semitischen Welt oftmals im Freien getätigt, auf öffentlichen Plätzen oder an den Stadttoren. Vielleicht lässt sich das offensichtliche Fehlen derartiger Bauten im phönizischen Kontext auf diese Weise erklären.
Die soziale Struktur der phönizischen und punischen Stadt Von allen Aspekten der phönizischen Stadt ist die soziale Struktur wahrscheinlich der am wenigsten greifbare. Wie in anderen antiken nahöstlichen Kulturen verfügte die Bevölkerung der verschiedenen phönizischen und punischen Städte über eine soziale Stratigraphie, eine Tatsache, die sich aus der unterschiedlichen Qualität von Grabstätten ableiten lässt. Doch das Maß der Ungleichheit zwischen den Wohlhabenden und den Habenichtsen in der phönizischen und später in der punischen Gesellschaft ist schwer einzuschätzen. Im Gegensatz zur klassischen Welt liegen nur wenige Texte vor, die von Unruhen oder Rivalitäten zwischen Bürgern unterschiedlicher sozialer Stellung berichten. Dennoch erwähnen die antiken Quellen (sowohl biblische als auch klassische) immer wieder den Reichtum und die Macht der Kaufmannsaristokratie von Städten wie Tyros und Karthago. Solche Verweise deuten mit Sicherheit auf eine Klasse mächtiger Männer hin, deren Vermögen und sozialer Status sich auf ihren Erfolg im Handel gründete. Diese Personen – die Transportmagnaten und Leiter der Handelssyndikate – machten sicherlich den größten Teil der »Stadtältesten« aus, die die Macht und die Autorität in der Stadtverwaltung besaßen. In den Städten auf dem phönizischen Festland scheint die Macht zum größten Teil in den Händen einiger weniger Personen gelegen zu haben, die man als Handelsoligarchie bezeichnen könnte. In Karthago und den westli
chen phönizischen Kolonien ist die Lage weniger eindeutig. Konzentrierte sich der Reichtum Karthagos wirklich in den Händen der Stadtelite? Oder verteilte er sich mehr auf einen Mittelstand von Ladenbesitzern, Händlern und Handwerkern? Die Frage wird besonders komplex, wenn sie das entstehende nordafrikanische Imperium Karthagos betrifft. Stammte der landwirtschaftliche Reichtum des Landesinneren aus den großen Landgütern, die von einem Landadel verwaltet wurden oder verteilte er sich auf einzelne von den Bürgern Karthagos betriebene Gehöfte? Die Meinungen der Wissenschaft gehen in dieser Frage weit auseinander. Für eine Antwort wird man weitere definitive archäologische Daten benötigen. Eine weitere bislang ungeklärte Frage betrifft den relativen Status, den verschiedene Teile der Stadtbevölkerung in der phönizischen und punischen Gesellschaft innehatten. Stellt man sich ein Spektrum vor, bei dem sich die Kaufmannsaristokratie an einem Ende und die Bediensteten am anderen Ende befanden, so stellt sich die Frage, wer dann in der Mitte stand. Welchen Status besaßen die zahlreichen Handwerker, Künstler, Händler und Verkäufer, die in den Diensten der Stadt standen? Wie groß waren die Listen der Bürger in Karthago und Tyros und wer hatte das Recht auf rechtliche und politische Repräsentation? Nach welchen Richtlinien unterteilte sich die phönizische und später die punische Gesellschaft? Bewertet man die soziale Zusammensetzung der Phönizierstädte, muss man eine beträchtliche Gruppe Nichteinheimischer mit einrechnen, zu denen ortsansässige Ausländer (Kaufleute, Handwerker und Saisonarbeiter
von außerhalb, die vor allem am Hafen beschäftigt waren) und Sklaven gehörten. Wie die antiken Quellen belegen, stellten Letztere einen bedeutenden Teil der Arbeitskräfte dar.40 Bei den Karthagern wurden Sklaven (besonders Kriegsgefangene) für die industriellen Einrichtungen des Staates wie Berg- und Schiffsbau eingesetzt. In Kriegszeiten halfen sie auch bei der Verteidigung der Stadt; dabei wurde ihnen als Anreiz für den Fall des Sieges oftmals die Freiheit versprochen. Zusammen mit halbabhängigen Landarbeitern dienten viele Sklaven in der Landwirtschaft als Feldarbeiter. In der Stadt leisteten sie in verschiedenen Berufen Unterstützung – als Industriearbeiter und Handwerker sowie als Diener auf großen Anwesen, wobei Letztere zweifellos auch verwaltende oder leitende Funktionen übernahmen. In der karthagischen Gesellschaft hatte zumindest ein Teil der Sklaven beschränkte legale und zivile Rechte: Sie durften heiraten, öffentlich beten und opfern sowie ihre Freiheit erkaufen.41 Sicherlich gab es selbst innerhalb dieser heterogenen Bevölkerungsgruppe soziale Unterschiede, da sie sich nicht nur aus Gefangenen, Kriegsgefangenen und Verbrechern zusammensetzte, sondern auch aus Unfreien, die auf dem Markt gekauft wurden. Zwischen den freien Lohnarbeitern und der Sklavenbevölkerung stand in der karthagischen Gesellschaft eine weitere Schicht: die Freigelassenen, frühere Sklaven, die ihre Freiheit zurück erkauft hatten. Die Schicht der freigelassenen Sklaven war offenbar recht groß, was bedeutet, dass zumindest ein Teil der Sklaven für einen Lohn arbeiten konnte, mit dem sie sich später einmal ihre Freiheit erkaufen
konnten, und dass die karthagische Gesellschaft diesen Prozess nicht nur stillschweigend duldete, sondern sogar institutionalisierte. Aus punischen Rechtsdokumenten geht hervor, dass man zur Freilassung die Zustimmung der Volksversammlung benötigte. Unter der dienenden Bevölkerung ist die Gruppe der Schuld-Leibeigenen bemerkenswert: Hier handelte es sich um Pachtarbeiter, die durch Schulden an das Land gebunden waren. Infolge ihrer Konzentration auf den Handel brachten die phönizischen Städte eine sehr mobile Bevölkerung hervor, die ständig reiste. Dazu gehörten nicht nur die professionellen Reisenden (Kaufleute, Transporteure, Seeleute, Prospektoren), sondern auch diejenigen, die entweder freiwillig oder gezwungenermaßen im Ausland arbeiteten (darunter emigrierte Handwerker und Künstler, Bergbauarbeiter, Exporthändler, Kolonisten). Außerdem gab es mobile Fremde (Saisonarbeiter, Händler und importierte Sklaven), von denen einige eine Zeit lang in der phönizischen Stadt lebten. Die wirtschaft lichen Aktivitäten förderten die soziale Mischung (und in einigen Fällen auch das Heiraten) der verschiedenen Bevölkerungsgruppen, was zu einer heterogenen und ethnisch gemischten Bevölkerung beitrug. Dass dies in Karthago sicherlich der Fall war, zeigen überlieferte Abbildungen auf Keramiken und Reliefs. Die Existenz einer kulturell gemischten Population wirft einige interessante Fragen auf. Inwieweit nahm die ethnische Unterschiedlichkeit Karthagos Einfluss auf die Zusammensetzung des am oder der Bürgerschaft? Was war der politische Status der vielen karthagischen (oder ty
rischen) Emigranten, die sich dauerhaft im Ausland niederließen? Blieben sie in ihrer Identität politisch und kulturell mit dem Heimatland verwurzelt oder assimilierten sie sich allmählich an die Gemeinden, denen sie sich anschlossen? Und wie sah die Heimat solche Emigrationen ins Ausland? Die Rolle der Frau in der phönizischen und punischen Gesellschaft bedarf ebenfalls gesonderter Betrachtung. Über ihre Beteiligung am religiösen Leben durch die Priesterfunktion hinaus weiß man nur wenig über die Berufsbereiche, in denen sie tätig waren. In der Religion konnten Frauen als Hohepriesterinnen oder sogar als Vorsitzende eines Priesterrates die höchsten Positionen erreichen.42 Zeitgenössische Texte zeigen jedoch, dass sich dieses Vorrecht auf Frauen von höchstem gesellschaftlichen Rang beschränkte. In Phönizien trugen Frauen wie in anderen Gebieten des Nahen Ostens beträchtlich zur lokalen Wirtschaft bei, besonders bei Handarbeiten wie Weben oder der Textilherstellung. Bisweilen bieten Grabinschriften aus dem karthagischen tophet interessante Hinweise auf ihren Berufsstand. Auf einer Votivstele wird eine Frau namens Shiboulet als »städtische Händlerin« bezeichnet.43 Allerdings werfen die überlieferten Texte leider nur wenig Licht auf die gesetzmäßigen und zivilen Rechte der Frauen. Sicher ist, dass sie wie in allen semitischen Gesellschaften Besitz haben, erben oder vererben konnten. Ihre gesetzmäßigen Rechte (z. B. in Bezug auf Eigentumsrechte) wurden mit Sicherheit durch schriftliche Gesetze geschützt. Die epigraphischen Quellen lassen zwar vermuten, dass Frauen in Ausnahmefällen auch die Bürgerrechte erhalten konnten, bleiben jedoch uneindeutig.44
WIRTSCHAFT: HANDEL UND INDUSTRIE Die phönizischen Städte gründeten sich auf den Seehandel. Das Meer bot nicht nur den wichtigsten Handelsweg, es war gleichzeitig auch die Basis für ihre Hauptindustriezweige wie Schiffsbau, Fischerei und die Purpurproduktion. Es definierte ihre wirtschaft liche Perspektive, denn es waren die Wasserwege, auf denen die Phönizier sowohl als Transport- als auch als Handelsunternehmer mit Ägypten, der Ägäis und dem mittleren und westlichen Mittelmeerraum Handel trieben. Darüber hinaus bot das Meer den Phöniziern einen lukrativen Weg für geschäft liche Unternehmungen, da es ihnen erlaubte, große Mengen von wertvollen Rohmaterialien zu erwerben und über große Entfernungen zu transportieren.
Die phönizische Wirtschaft vor der Einführung des Geldes Bevor im 5. Jahrhundert v. Chr. der Geldhandel eingeführt wurde, lief der Handel der Phönizier mit der Außenwelt hauptsächlich über Finanzverträge oder Handelsabkommen, die feste Tauschbedingungen festlegten. Solche Verträge mit Standardwerten in Rohmaterialien waren beim Handel mit so komplexen Wirtschaftssystemen wie Ägypten, Babylon oder Zypern besonders
wichtig. Dem phönizischen Außenhandel lagen sicherlich seit frühester Zeit derartig festgelegte Preisabsprachen zugrunde. Auf diese Weise betrieben sie z. B. ihren profitablen Zedernholzhandel mit Ägypten. Der Wenamun-Bericht aus dem frühen 11. Jahrhundert v. Chr. zählt detailliert auf, welche Waren und Rohmaterialien der ägyptische Hof im Austausch für eine große Lieferung phönizischen Bauholzes an den Königshof von Byblos zu zahlen hatte. Erwartungsgemäß standen kostbare Metallarbeiten in Gold und Silber an der Spitze der Liste, gefolgt von wertvollen Materialien wie Leinen, Papyrusrollen, Kuhhäuten und Seilen. Die relative Menge jeder Ware basierte auf einer zuvor bestimmten Tauschrate, bezogen auf den Preis des Zedernholzes. Auch wenn es sich hierbei um eine einseitige Transaktion handelte, so wurde auch die Tributzahlung der Phönizier an Assyrien auf ähnliche Weise anhand fester Werteinheiten von Rohmaterial kalkuliert. Die wichtigsten Summen wurden in vorgeschriebenen Gewichten an Metall (Gold und Silber, dann Blei, Kupfer und später auch Eisen), Nutztieren und wertvollem Rohmaterial wie Elfenbein, exotischen Hölzern, Leinen- und Wollstoffen sowie Elefantenhäuten festgesetzt. Die Tributlisten der Assyrer und ihre Bildreliefs zeigen, dass Metall – das wichtigste Tauschgut im antiken Nahen Osten – oft in Form von Geschirr gehandelt wurde, das man horten und schnell und leicht zu Barren einschmelzen konnte. Der relative Wert schwankte je nach Angebot und Nachfrage. Auch für Dienstleistungen wurden bei den zuvor genannten Handelsabkommen bestimmte Äquivalente
in Waren festgelegt. Solche Handelsbedingungen waren für die phönizische Wirtschaft, die sich zum großen Teil auf Dienstleistungen gründete, besonders wichtig. Die finanziellen Abkommen zwischen König Salomo und Hiram von Tyros über den Bau des Tempels von Jerusalem sind Beispiel für solch einen Tauschhandel. Hirams Beitrag bestand nicht nur aus dem erforderlichen Baumaterial (Zedern und Kiefern), sondern auch aus den Dienstleistungen und dem technischen Wissen seiner eigenen Leute sowohl beim Schlagen als auch beim Transport der Hölzer sowie bei der Vorbereitung der Balken für den Tempelbau auf der Baustelle.1 Für seine Dienste erhielt der Tyrerkönig jährlich eine große Menge landwirtschaft licher Produkte (Weizen und Öl) von Salomo. Im Endeffekt basierte der Vertrag auf einer Aufrechnung von Rohmaterial (Bauholz) und Dienstleistungen von Hirams Seite gegen die Lieferung von Landwirtschaftsprodukten über einen längeren Zeitraum (20 Jahre) von Salomo. Diese Transaktion war außerordentlich komplex, da sie nicht nur die ausgetauschten Waren, sondern versprochene Dienstleistungen auf der einen sowie langfristige jährlich fällige Zahlungen auf der anderen Seite betraf. Die Art der Forderung Hirams an Salomo – Nahrungsmittel für den Bedarf des Palastes – unterstreicht, was in der handelsorientierten Wirtschaft Phöniziens ein stets wiederkehrender Faktor gewesen sein muss: der Mangel an landwirtschaftlichen Produkten. Der schmale Küstenstreifen des Landes beschränkte das Potenzial für landwirtschaft liche Nutzung stark, insbesondere beim Anbau von Getreide.
In Phönizien war intensiver Getreideanbau nur in der nördlichen Akkar-Ebene und im fruchtbaren Bekaa-Tal im Süden möglich.2 Bei der Expansion von Tyros in die fruchtbare Sharon-Ebene und die angrenzende Hochebene von Galiläa im frühen 1. Jahrtausend war der Zugang zu neuen landwirtschaftlichen Ressourcen sicherlich ein treibender Faktor. In der Antike gehörten beide Gebiete zu den produktivsten Weizenanbaugebieten der südlichen Levante. Dennoch musste die Stadt im späten 7. und 6. Jahrhundert v. Chr. weiter Weizen und Öl von ihren südlichen Nachbarn, Israel und Juda, importieren.3 Zwei wesentliche landwirtschaft liche Handelsgüter wurden in Phönizien selbst, besonders an den Ausläufern und in den Hochebenen des Libanongebirges, intensiv angebaut: Wein und Oliven. Der Boden des Landes und das Klima waren dort besonders günstig für ihren Anbau. Im 5. bis 4. Jahrhundert v. Chr. wurden diese beiden in der Antike sehr geschätzten phönizischen Produkte4 im gesamten Mittelmeerraum vertrieben, besonders nach Ägypten, einem der wichtigsten Märkte für phönizische Landwirtschaftsprodukte.5 Die Fundverteilung phönizischer Transportamphoren im Mittelmeerraum beweist den intensiven Transithandel mit diesen Gütern in der Levante. Es scheint, dass die Phönizier sowohl einheimische als auch ausländische Weine und Öle in ihren Amphoren verschifften, die unabhängig davon als Behälter ebenfalls verkauft wurden. Neuere Studien belegten, dass diese Handelsgefäße in Standardgrößen eigens für den Export gefertigt wurden.6 Hesekiels berühmte Prophezeiung »Klage über Tyrus« bietet einen
interessanten Einblick in das weitreichende Handelsnetz der Stadt im 7. Jahrhundert v. Chr.7 Er rühmt die maritimen Fähigkeiten von Tyros in der Vergangenheit und vergleicht seine Handelsaktivitäten mit denen eines großen Schiffes. Zu den Handelspartnern der Stadt am Mittelmeer gehörten Zypern und Rhodos, die südliche und westliche Küste Anatoliens und das sich nur schemenhaft abzeichnende Königreich Tarschisch in Südspanien. Hesekiels Text zählt auch die vielen Binnenhandelsbeziehungen von Tyros mit Partnern wie Israel und Juda, Damaskus, Edom, Arabien und den Städten Mesopotamiens auf. Seine Liste tyrischer Importe zeigt eine wichtige Verschiebung der Handelsziele der Stadt seit den Tagen Hirams. Im Gegensatz zum frühen eisenzeitlichen Handel der Phönizier, der lediglich darauf ausgerichtet war, den heimischen Bedarf zu decken, operierte Tyros nunmehr offenbar auf einem internationalen Markt. Die wichtigsten Güter, die Tyros erwirbt – Edelmetall und Erze, Elfenbein, gefärbte und bestickte Stoffe und Kleider, Gewürze, Wein und Nutztiere – wurden nicht mehr nur für den eigenen Gebrauch, sondern für den Weiterverkauf ins Ausland erworben. Ziel war es, die heimische Wirtschaft durch einen Zustrom an Einnahmen aus dem Ausland zu fördern. Verschiedene Kategorien von Handelsgütern, die Hesekiel erwähnt, bedürfen besonderer Aufmerksamkeit. Darunter finden sich als wichtigste zunächst die Rohmetalle und kostbaren Erze. Der Kauf von Erz und Metall war sicher der treibende Faktor für die wirtschaftlichen
Expeditionen der Phönizier ins Ausland und führte zu den frühesten Bestrebungen der Koloniebildung auf Mittelmeerinseln (z. B. auf Zypern und Sardinien) und letztendlich auch zur Gründung der beiden größten Handelsposten Phöniziens jenseits des Meeres: Karthago und Cádiz. Hesekiels Aufzählung wirft Licht auf eine wichtige Entwicklungsphase des phönizischen Metallhandels. Von allen erwähnten Gütern wird nur Eisen zweimal erwähnt. Seit dem 10. Jahrhundert erlebte der Markt für dieses widerstandsfähige Metall einen außerordentlichen Aufschwung und erreichte im 8. und 7. Jahrhundert durch die Nachfrage der Assyrer seinen Höhepunkt. Die zweite, in Hesekiels Aufzählung am häufigsten erwähnte Kategorie sind bestickte und gefärbte Stoffe: feines Leinen aus Ägypten, blau und purpurrot gefärbte Kleider aus Zypern, Edom und Mesopotamien. Purpur gefärbte Kleider waren auch eine Spezialität der Phönizier. Das berühmte tyrische Blau wurde aus der Purpurschnecke gewonnen. Phönizische Kleider wurden hauptsächlich aus Wolle gefertigt, die über Damaskus aus Syrien importiert wurde, wie Hesekiels Liste beweist. Der Kleiderhandel sowie die Produktion des Purpurfarbstoffes bildeten die wichtigsten Säulen der phönizischen Wirtschaft.
Die phönizische Wirtschaftsstruktur Die antiken Quellen erzählen zwar viel über das Handelsnetzwerk der Phönizier, doch über die Wirtschaft und ihre internen Abläufe schweigen sie sich aus. So gibt es beispielsweise nur wenig Informationen über die wichtigsten Mechanismen wirtschaft licher Kontrolle oder die Institutionen, die für ihre Verwaltung verantwortlich waren. In der späten Bronze- und frühen Eisenzeit scheinen König und Palast sowohl Hauptbetreiber als auch Nutznießer der meisten Handelsaktivitäten gewesen zu sein. In vielerlei Hinsicht ist die palastgestützte Wirtschaftsform der Phönizierstädte für die im 2. Jahrtausend v. Chr. im gesamten Nahen Osten und dem Mittelmeerraum (z. B. Ägäis, Zypern, Nordsyrien) anzutreffenden Systeme charakteristisch. In den Amarna-Briefen spricht König Rib-Adda vom Reichtum des »Hauses von Tyros«, den er mit dem des nördlichen Ugarit vergleicht. Obwohl er hier sicherlich übertreibt, ist sein Vergleich mit dem größeren und reicheren Hafen in Nordsyrien dennoch aufschlussreich und weist auf die breitgefächerten Wirtschaftsbeziehungen zwischen Ugarit und den Phönizierstädten hin. Die Wirtschaft beider Städte hatte viel gemeinsam. Unter anderem gründeten sie sich hauptsächlich auf den Außenhandel und die Einnahmen aus maritimen Industriezweigen wie Fischerei, Schiffsbau und Purpurproduktion. Die spätbronzezeitlichen Archive von Ugarit belegen tatsächlich enge bilaterale Handelsbeziehungen zwischen den beiden zum Meer hin orientierten Systemen.8 Wie in Ug
arit wurden die phönizischen Schiffstransporte durch kommerzielle Syndikate oder Handelspartnerschaften, die so genannten hubur durchgeführt. Im phönizischen Reich wird diese Institution im frühen 11. Jahrhundert v. Chr. im Wenamun-Bericht zum ersten Mal erwähnt. Dort ist von einem hubur die Rede, der 20 vom König von Byblos und dem ägyptischen Herrscher Smendes gemeinschaft lich betriebene Schiffe betrifft.9 Dem Alten Testament nach gingen auch König Hiram und König Salomo eine solche maritime Geschäftsverbindung ein, als sie ihre berühmte Handelsexpedition über das Rote Meer nach Ophir unternahmen.10 Im Reich der Phönizier scheint der hubur ein Privileg der Staatsoberhäupter bei der Abwicklung internationaler Geschäfte gewesen zu sein. Die wissenschaft liche Meinung bezüglich der Rolle, die der Privatsektor in der frühen phönizischen Wirtschaft gespielt hatte, ist uneins.11 Die Geschichtsschreibung lässt jedoch stark vermuten, dass die maßgebliche wirtschaft liche Initiative vom König und dem Palast ausging, die das Exklusivrecht zum direkten Handel mit ausländischen Mächten hatten. Erst später, zu Beginn des 8. Jahrhunderts, entwickelte sich infolge der Handelsmöglichkeiten, die die phönizische Expansion in Gebiete jenseits des Meeres eröff nete, eine starke Kaufmannsaristokratie. Zu dieser Zeit förderte, angespornt durch die Nachfrage seitens der Assyrer und durch die erweiterte koloniale Aktivität, ein vielseitiger Markt private Unternehmen in beträchtlichem Ausmaß (siehe Kapitel »Außenhandelsbeziehungen«). In der späten Bronze- und frühen Eisenzeit scheint
der Handel demnach weitgehend staatlich kontrolliert gewesen zu sein. Phönizische Kaufleute in fremden Häfen wie Ugarit fungierten de facto als Agenten oder Repräsentanten des Palastes. Der Wenamun-Bericht zeigt, dass die kaufmännischen Aktivitäten in den Heimathäfen vom König durch einheimische Marineoffiziere wie den Hafenmeister streng überwacht wurden. Diese Hafenbehörden regelten auch die Aktivitäten ortsansässiger ausländischer Händler. Die positive Entwicklung des internationalen Handels führte schließlich zur Errichtung phönizischer Handelsbasen oder Enklaven (griechisch enoikismoi genannt) auf fremdem Boden. Eine dieser Handelsgemeinden, deren Existenz sich bis in die Zeit der Ramessiden zurückverfolgen lässt, lag am ägyptischen Hafen von Memphis. Solche von phönizischen Handelsagenten betriebenen Handelshäfen besaßen in der Regel Lagerhäuser, in denen Waren vor der Verschiffung gesammelt und gelagert werden konnten. In Absprache mit dem Gastgeberland erhielten die Bewohner dieser Handelsposten besondere Privilegien wie politische Immunität und das Recht, lokale Heiligtümer zu errichten (dies ist für Memphis belegt). Zweifellos müssen in den Hafenbezirken des phönizischen Festlands ähnliche Enklaven von dort ansässigen Ausländern existiert haben. So lassen sich die vorgelagerten Inseln oder Kais mehrerer phönizischer Häfen (z. B. Akko, Atlit) in diesem Sinne als Lagerhäuser für fremde Handelsschiffe deuten. Über die Größe der Handelsflotten, über die die Phönizierstädte verfügten, liegen nur wenig eindeutige Informationen vor. Im Wenamun-Bericht spricht der König
von Byblos von 70 Schiffen unter seinem Kommando: 20 Frachtschiffe (mns) in seinem eigenen Hafen und 50 Küstenschiffe (br) vor Anker im Hafen von Sidon. Die assyrischen Palastreliefs zeigen seit dem 9. Jahrhundert verschiedene phönizische Handelsschiffe: eine kleine Kaufmannsgaleere mit hochgezogenem Bug und Heck sowie ein größeres Segelschiff mit rundem Rumpf und symmetrischem, geradem Bug und Heck (siehe Abb. oben). Die Kaufmannsschiffe, die aufgrund der Verzierung mit einem Pferdekopf am Bug hippoi (»Pferde«) genannt wurden, dienten hauptsächlich für den lokalen Küsten- oder Flusstransport. Die größeren Segler nannte man in der Antike gaulos (»Wanne«). Ihr tiefer, runder Rumpf konnte eine große Ladung aufnehmen. Gaulos waren im Schnitt 20–30 m lang und hatten mittschiffs einen kurzen Mast mit einem einzelnen Vor- und Backstag, der ein breites rechteckiges Segel trug, welches oben an einer langen Rah befestigt war. Am Heck gab es ein Achterdeck zum Schutz für die Mannschaft und die Kombüse. Stabil und mit breitem Rumpf waren die phönizischen gaulos für den Langstreckenhandel über tiefes Wasser gut geeignet (vgl. die biblischen »Schiffe von Tarschisch«).12 Die in letzter Zeit im Meer gefundenen Wracks trugen zum Wissen um die phönizischen und punischen Handelsschiffe und ihre Konstruktion bei.13
Wirtschaftliche Außenpolitik: die phönizischen Städte und ihre Kolonien, die Phönizier unter Fremdherrschaft Über die finanziellen Folgen, die eine phönizische Kolonie für ihre Mutterstadt hatte, ist wenig bekannt. Abgesehen von anfänglichen Investitionen in Schiffe, Arbeitskräfte und Nachschub für die Gründung müssen die laufenden Kosten für die Unterhaltung der Stadt beträchtlich gewesen sein, besonders in den Anfangsjahren der Siedlung. Doch wenn sie erst einmal etabliert war, konnte das Einkommen aus einer Kolonie auch eine beträchtliche Einnahmequelle darstellen. Wie Diodor berichtet, schickte Karthago ein Zehntel seines jährlichen Profits an den tyrischen Melkart-Tempel,14 und auch andere Gründungen werden ähnliche vertragliche Verpflichtungen gegenüber der Mutterstadt gehabt haben. Die Gründung einer Kolonie konnte der Mutterstadt außerdem dadurch nutzen, dass sie strategisch wichtige Handelswege sicherte. Kition muss auf diese Weise Tyros einen ungeheuren Aufschwung beim Kupferhandel mit Zypern gebracht haben. Gleichermaßen schwierig ist es, die wirtschaft lichen Auswirkungen zu beurteilen, die die politischen Fremdherrscher – Assyrer, Babylonier und Perser – während der Eisenzeit auf die Phönizierstädte hatten.15 Die finanziellen Verpflichtungen veränderten sich je nach den wechselnden politischen Umständen mit der Zeit erheblich. Bis zur Herrschaft von Sargon II. (722–705 v. Chr.) und seinen Nachfolgern wurden Tribute unter den Assyrern
scheinbar nur gelegentlich eingezogen. Damals übten die Handels- und Tributforderungen der Assyrer nach Metall – besonders Silber und Eisen – beträchtlichen finanziellen Druck auf die Phönizierstädte aus und förderten im späten 8. und 7. Jahrhundert v. Chr. somit die Erkundung von Ländern jenseits des Meeres auf der Suche nach Erzquellen. Neben den Tributverpflichtungen förderte wahrscheinlich der wachsende Metallhandel, den der steigende Bedarf auf dem assyrischen Markt auslöste, die wirtschaft liche Expansion der Phönizierstädte.16 Unter der Herrschaft der Perser, seit König Dareios I. (522–486 v. Chr.), wurden die Tributzahlungen für den König jährlich fällig. Wie bereits unter den Assyrern und Babyloniern wurden die Städte der Phönizier nach ihren natürlichen Ressourcen, vor allem dem Holzvorkommen, besteuert. Eine andere Form der Steuern (akkadisch miksu) berechnete sich nach der ansässigen Industrie (z. B. Purpurproduktion, Schiffsbau oder Metallverarbeitung). Auch auf den phönizischen Land- und Seehandel wurden Gebühren und Zölle erhoben. In assyrischer Zeit wurde der phönizische Seehandel durch die Hafenbehörden der fremden Herrscher streng geregelt und vermutlich auch verwaltet. Die Wirtschaft der phönizischen Städte wurde darüber hinaus durch die Besteuerung der Arbeitskraft (akkadisch ilku) in Form von Militärdienstverpflichtungen und Dienst zur See geschwächt. Diese Verpflichtungen betrafen wahrscheinlich die erfahrenen phönizischen Seeleute und Handwerker (besonders die Zimmerleute und Schiffsbauer), auf die sich die Perser für die Besatzung und den Bau ihrer Flotten verlassen konnten.
Phönizische Münzen Erst spät übernahmen die Phönizier die Münzprägung. Die ersten Prägungen im Mutterland stammen aus der Zeit um 450 v. Chr. – 150 Jahre nachdem Münzen im westlichen Kleinasien im Umlauf waren. Der Grund für die Verzögerung ist leicht zu verstehen: in einer auf einer langen Tradition des Tauschhandels mit festgelegten Werten in Rohmaterial und Metall beruhenden Wirtschaft gab es keine praktischen Anreize zur Münzprägung. Im 5. Jahrhundert v. Chr. handelten die Phönizier hauptsächlich mit dem Achämenidenreich, das ein ähnliches Wirtschaftssystem besaß. Die Entscheidung der Perser, Münzen zu prägen, erwuchs hauptsächlich dem Wunsch nach Erleichterung des Austauschs mit den münzprägenden Städten des griechischen, westlichen Kleinasiens. Die Phönizier handelten zu dieser Zeit nicht mehr intensiv mit der Ägäis, wo Münzen weit verbreitet waren. Trotz dieser Umstände übernahmen nacheinander alle vier Küstenstädte Phöniziens, zunächst Tyros und Byblos, später auch Sidon und Arwad, innerhalb von zwei Jahrzehnten den Münzhandel. Wenn es keine zwingenden wirtschaft lichen Gründe dafür gab, was veranlasste dann diesen Wandel vom Tausch zum Geldhandel? Abgesehen vom finanziellen Wert dienten Münzen auch als Instrument politischer Machtdarstellung. Städte prägten Münzen, um ihre Autonomie auszudrücken und ihr Ansehen zu heben. Bei der Entscheidung der Phönizier, Münzen zu prägen, schien dies ein wichtiger Faktor gewesen zu sein. Mitte des 5. Jahrhun
Relief mit der Darstellung phönizischer hippoi, die Holzstämme transportieren. Palast von Sargon II. in Khorsabad, Irak, spätes 8. Jahrhundert v. Chr. Die beiden Zitadellen im Hintergrund repräsentieren wahrscheinlich Sidon und Tyros.
derts v. Chr. hatten Tyros, Sidon und Arwad die Schande der militärischen Niederlage gegen die Griechen erlebt. Ihre einst unbesiegbaren Flotten, lange die Quelle ihres Nationalstolzes und Prestiges, waren dezimiert worden. Mittlerweile war es jedoch zu einer politischen Entspannung zwischen Persern und Griechen gekommen, was das Tor zu einem erweiterten kommerziellen und kulturellen Austausch mit der westlichen Welt öffnete. Die Zeit war damit reif für eine politische und wirtschaft liche Selbstdarstellung der Städte auf dem phönizischen Festland. Und welcher Weg war dafür besser geeignet als die Münzprägung? Unter diesen Umständen ist es nicht verwunderlich, dass drei der vier Zentren im
phönizischen Heimatland (Sidon, Byblos und Arwad) die Kriegsgaleere als wichtigstes numismatisches Motiv wählten. Die Galeere war ein wichtiges Symbol phönizischer Militärstärke und Seemacht und diente nicht nur als Erinnerung an eine große Vergangenheit, sondern sollte auch Vorbote für kommende Erfolge sein. Ein weiterer geschichtlicher Faktor muss ebenfalls in Betracht gezogen werden. Die Städte auf dem Festland waren nicht die ersten phönizischen Handelskontore, an denen Münzen geprägt wurden. Diese Ehre wurde Kition auf Zypern zuteil, das damit unter König Baalmilk I. (479–449 v. Chr.) begann (siehe Abb. S. 210, a und b). Kitions Entscheidung war allerdings nicht unilateral, sondern wurde sicherlich durch Salamis, seinen griechischen Rivalen in Handel und Politik, beeinflusst, das bereits gegen Ende des 6. Jahrhunderts v. Chr. (unter König Evelthon) mit der Münzprägung begonnen hatte. Andere Städte auf Zypern, darunter auch die phönizisch beeinflusste Hafenstadt Lapithos, zogen bald darauf nach. Die Münzen von Lapithos und Kition wurden in das größere monetäre (auf dem persischen Gewichtsstandard basierende) System integriert, das von Zypern unter der Achämenidenherrschaft übernommen worden war. Die Entscheidung der Phönizier, Münzen einzuführen, muss daher im Kontext einer historischen Folge von Ereignissen gesehen werden, die ein halbes Jahrhundert zuvor auf Zypern begann. Es ist kein Zufall, dass Tyros und Byblos in dieser Hinsicht die Initiative ergriffen, denn beide Städte (vor allem Tyros, Kitions Mutterstadt) hatten enge Handelsbeziehungen zu der Insel. Kitions
früheste Ausgaben zeigen die Figur der Nationalgottheit Herakles-Melkart und einen sitzenden Löwen, der lange Zeit als Symbol des Imperiums und der Monarchie im Nahen Osten diente.17 Beide Bilder vermittelten Kitions zivile und königliche Identität – eine Botschaft, die durch die königliche Inschrift (»von Baalmilk«) über dem Rücken des Löwen noch verstärkt wurde. Für seine frühesten Prägungen von ca. 450 v. Chr. wählte Tyros auf der Vorderseite einen fliegenden Delphin und eine Purpurschnecke, beides offensichtliche Verweise auf die maritime Größe der Stadt. Die Purpurschnecke wurde später durch die Figur einer Meeresgottheit auf einem geflügelten Seepferd ersetzt. Gleichermaßen bezeichnend ist das Motiv, das die Stadt für die Rückseite wählte: eine Eule mit Krummstab und Wedel. Diese Geräte, die ehrwürdigen Insignien der ägyptischen Königsmacht und Autorität, waren mit dem Falkengott Horus eng verbunden, einem in der phönizischen Kunst weit verbreiteten Motiv. Die tyrischen Münzmeister ersetzten den Falken jedoch lieber durch eine Eule, ein Bild, das im Nahen Osten nicht belegt ist, doch eng mit der Stadt Athen zusammenhängt.18 Als Symbol ihrer Schutzgöttin Athene tritt die Eule seit dem späten 6. Jahrhundert häufig auf der Rückseite der Münzen Athens auf. Die Eule der Tyrer zeigt wie ihr attisches Vorbild den Kopf mit großen Augen in Frontalansicht. Tyros Entscheidung, die Eule auf die Rückseite ihrer Münzen zu setzen (in gleicher Weise wie sie auch auf den athenischen Münzen dargestellt ist), ist kein Zufall. Athen, der griechische Rivale im Handel, war mittlerweile in einer beneidenswerten Position. Als
Führer des Delischen Bundes befand es sich auf dem Höhepunkt seiner politischen und wirtschaft lichen Macht. Die silbernen Tetradrachmen der Stadt, hauptsächlich für den Außenhandel geprägt, waren im Nahen Osten und in Phönizien weit verbreitet. Durch die Kombination der Bilder der Athener Eule mit den königlichen Insignien des ägyptischen Horusfalken wollten die Tyrer ihren eigenen Münztyp schaffen, der neben dem athenischen bestehen und vielleicht sogar damit rivalisieren konnte. Letztendlich ging Tyros kurz vor der Mitte des 4. Jahrhunderts dazu über, den athenischen Standard zu übernehmen.19 Wie Tyros wählte auch Arwad eine Meeresgottheit – halb Mensch, halb Fisch – für die Vorderseite seiner Münzen und eine Kriegsgaleere mit einer Schildreihe am Schanzkleid für die Rückseite. Byblos verwendete verschiedene Symbole königlicher Macht für seine frühen Münzen: Eine liegende Sphinx mit der Doppelkrone Ägyptens war das Bild auf der Vorderseite der ersten Münzen, später wurde es von einer Kriegsgaleere mit einem Pferdekopf am Bug und drei Kriegern an Bord ersetzt. Die Rückseite zeigte verschiedene Tierkampfszenen: Ein Geier mit gespreizten Flügeln im Anflug auf einen Widder und mehrere angreifende Löwen, u. a. mit einem Rind als Opfer. Die Münzen Sidons zeigten von Anfang an die Kriegsgaleere – mit vollem Segel auf dem offenen Meer oder vor den Zinnen der Stadtmauer ankernd. Auf der Rückseite befanden sich Bilder von Königen: der persische Herrscher beim Bogenschießen oder im Kampf mit einem Löwen. Andere Münzen zeigten einen vierspän
nigen Streitwagen mit einem gekrönten Fahrer, der entweder den Perserkönig oder aber, was wahrscheinlicher ist, die Kultstatue des einheimischen Baal darstellt. Diese Interpretation wird durch eine zweite Figur unterstützt: die des Sidonierkönigs im Priestergewand, der auf späteren Darstellungen neben dem Wagen abgebildet ist. Die Münzen des phönizischen Festlandes richteten sich mit Ausnahme der Prägungen von Arwad nach dem phönizischen Gewichtsstandard, der auf dem Schekel beruhte. Frühe Münzen wurden ausschließlich in Silber geprägt. Zum Zeichen der Vormachtstellung unter den Phönizierstädten gab nur Sidon den Doppelschekel heraus, eine Münze von großem Wert und Ansehen. Die wirtschaftliche Rolle der phönizischen Münzen ist fraglich. Anfänglich kursierten sie wahrscheinlich als abgewogene Barren. Zu Beginn des 4. Jahrhunderts v. Chr. wurden jedoch offenbar ausreichende Mengen an Münzen produziert, um im kommerziellen Austausch wirkungsvoll eingesetzt werden zu können. In den ausgegrabenen Läden von Al Mina und im antiken Hafenbezirk von Byblos wurden große Mengen kleinerer Münzen aus Silber und Bronze gefunden, die deren kommerzielle Verwendung im lokalen Handel belegen. Darüber hinaus bestätigt das Auftreten von Bronzemünzen im zweiten Viertel des 4. Jahrhunderts v. Chr. eindeutig, dass die phönizische Währung mittlerweile im monetären Wirtschaftssystem im Umlauf war.20 Erwartungsgemäß war die Küstenlinie von Kiliken südwärts nach Gaza und ins Nildelta der Geltungsbereich für diese Währung. Die Verbreitungsmuster der vier verschiedenen Münzserien
Phönizische Münzen: Kition, Baalmilk I.: a b c d e f
Herakles-Melkart (Vs); sitzender Löwe (Rs) Tyros, Stater: Fliegender Delphin und Purpurschnecke (Vs); Eule mit Krummstab und Wedel (Rs) Arwad, Tetrobol: Meeresgott mit Fischschwanz (Vs) Arwad, Tetrobol: Kriegsgaleere mit Schilden, darunter Seepferd (Vs) Byblos, Adarmilk: g Kriegsgaleere mit Seepferd (Vs); h Kampf zwischen Löwe und Hirsch (Rs) Sidon, Doppelstater: i Kriegsgaleere vor Stadtmauern (Rs); j König im Wagen (Vs) Byblos, Macrinus, Bronze: k Tempel Baalat Gubias mit betyl (Rs)
sind jedoch sehr unterschiedlich. Das tyrische und sidonische Geld war meist über die Grenzen Phöniziens hinaus im Umlauf, während die Münzen Arwads nur in einem sehr begrenzten regionalen Raum verbreitet waren. Die Münzen von Byblos wiederum fanden fast ausschließlich innerhalb der Stadtgrenzen selber Verwendung. Im Gegensatz zu den anderen Städten auf dem phönizischen Festland brachte Arwad, wie die zypriotischen Städte, Münzen nach persischem Standard heraus. Als größter Ausgangspunkt für den Handel mit den Gebieten jenseits des Euphrat über die Akkar-Ebene war Arwad unter den Achämeniden wahrscheinlich gleichzeitig der wichtigste Mittelmeerhafen für den Handel mit Zypern und dem Westen. Abgesehen von Tyros, Sidon, Byblos und Arwad prägte keine andere Stadt auf dem phönizischen Festland vor der Zeit des Hellenismus Münzen. Beirut und weitere Städte verwendeten wahrscheinlich den sidonischen Doppelschekel, der im Handel am meisten verbreitet war. Die Gewichtsstandards, auf denen die verschiedenen Münzprägungen beruhten, sind meist unbekannt. Gegossene Bleigewichte in dreieckiger oder kubischer Form aus den letzten Jahrhunderten des 1. Jahrtausends v. Chr., die verschiedene Symbole (wie z. B. das Tanit-Zeichen) oder auch Buchstaben, die die münzprägende Behörde bezeichneten (z. B. Marathus, Arwad), aufweisen, zeigen, dass in den verschiedenen Städten unterschiedliche Standards üblich waren, die sich auf einen Schekel, ein Gewicht zwischen 6 und 13 g bezogen. Auch ein Klassifizierungssystem zum Bemessen von Flüssigkeiten ist bekannt.
Die phönizischen Handelsstädte im Westen: wirtschaftliche Überlegungen Die frühen westlichen Kolonien der Phönizier waren auf ähnliche Weise wie ihre östlichen Vorläufer wirtschaftlich direkt an den Seehandel gebunden. Viele Kolonien wie Karthago und Utica an der afrikanischen Nordküste wurden an Orten angelegt, wo sie als kommerzielle Außenposten entlang einer Ost-West-Achse vom Heimatland ins westliche Mittelmeer dienten. Wieder andere, wie Sulcis auf Sardinien und Cádiz in Südspanien lagen direkt am Ausgangspunkt wichtiger Handelsrouten in ein Hinterland mit reichen Bodenschätzen. Ursprünglich als Handelsplätze für den Fernhandel des phönizischen Mutterlandes errichtet, entwickelten sich die westlichen phönizischen Kolonien schließlich zu unabhängigen wirtschaft lichen Systemen mit einem eigenen regionalen Beziehungsnetzwerk. Dies war auch bei Karthago, der stabilsten und kommerziell erfolgreichsten der frühen west-phönizischen Kolonien, der Fall.
Die Wirtschaft Karthagos Wie bei der Mutterstadt Tyros bestimmte die geographische Lage Karthagos maritime Ausrichtung. Die Stadt besaß nicht nur einen ausgezeichneten Naturhafen, sondern lag nahezu in der Mitte der wichtigsten phönizischen Handelsroute zwischen der Levante und der Meerenge von Gibraltar. Die Gründung Karthagos,
das Werk tyrischer Adliger, geschah im Hinblick auf den Fernhandel. In der meisten Zeit ihrer langen Geschichte diente die Stadt als aktive Vermittlerin im mediterranen Transithandel. Abgesehen von ihren frühen kommerziellen Verbindungen zu Tyros schweigen sich die meisten historischen Berichte über diese Rolle jedoch aus. Die frühesten archäologischen Belege für den Handel – in Form von Transportamphoren und importierter Keramik des 7. Jahrhunderts – unterstreichen die Bedeutung, die das Tyrrhenische Meer anfangs für die karthagische Wirtschaft hatte.21 Dieses Gebiet, das Sizilien, Sardinien und die Westküste Italiens umfasste, bildete während seiner ganzen Geschichte das Zentrum der Handelsbeziehungen Karthagos. Die Nordwestecke Siziliens mit den Städten Panormos (heute Palermo) und Solunt, sowie die vorgelagerte Insel Mozia waren das nächstliegende Ziel jenseits des Meeres. Durch die Meerengen überwachte Karthago den Zugang zum zentralen Mittelmeerraum. Etrurien (die heutige Toskana) war sein ältester Verbündeter und Handelspartner im Ausland, seit frühester Zeit wurden die Geschäftsbeziehungen der beiden Seehandelsmächte durch kommerzielle Vereinbarungen geregelt.22 Die maritime Wirtschaft Karthagos basierte auf einem System von Handelsverträgen, das kommerzielle Parameter festlegte und den jeweils Beteiligten Schutz für ihre Geschäfte bot. Die Bedingungen zweier solcher Verträge, die in den Jahren 509 und 348 v. Chr. zwischen Karthago und Rom geschlossen wurden, sind überliefert.23 Beide unterstreichen eindeutig die wirtschaft liche Priorität von Karthago, nämlich die
ungehinderte Abwicklung von Geschäften im zentralen Mittelmeerraum. Gemäß den Vertragsbedingungen, die eindeutig zugunsten Karthagos verfasst waren, durfte Rom auf Sizilien und Sardinien sowie an der Ostküste Nordafrikas, zwei für die karthagische Wirtschaft wesentliche Gebiete, keinen Handel treiben. Durch die Handelsbeschränkungen an der afrikanischen Küste schützten die Punier ihre Geschäftsbeziehungen mit den Küstenregionen von Byzacena (in Osttunesien) und Tripolitania (dem heutigen Libyen), die beide wichtige Ausgangspunkte für den Handel mit dem tropischen Afrika jenseits der Sahara darstellten. Die Inseln Sardinien und Sizilien im zentralen Mittelmeer spielten für den Handel Karthagos eine noch wesentlichere Rolle. Mit ihren reichen Metallvorkommen und ihrem landwirtschaftlichen Reichtum hatte Sardinien schon lange das kommerzielle Interesse der Phönizier geweckt. Aufgrund seiner Lage an der mediterranen Handelsstraße von Ost nach West war auch das benachbarte Sizilien ein wichtiger Punkt im Handelsnetz der Karthager. Dort befanden sich nicht nur punische Siedlungen, sondern auch die reichsten griechischen Handelsorte im Mittelmeer. Mit einer Gesamtbevölkerung von etwa einer Viertelmillion Menschen konnte es der Hafen von Syrakus im 5. Jahrhundert wirtschaftlich mit Athen aufnehmen. Sowohl in Syrakus, Akragas (dem heutigen Agrigent) und der von den Karthagern beherrschten griechischen Stadt Selinunt gab es aller Wahrscheinlichkeit nach größere Gemeinden punischer Kaufleute. Die wirtschaftliche Kraft Karthagos wurde wie die auf dem phö
nizischen Festland von einem dominierenden kommerziellen Interesse getrieben: dem Kauf von Metallen, vor allem Gold und Silber, aber auch Zinn, Kupfer, Eisen und Blei. Sowohl für die östlichen Phönizier als auch für die Karthager war Südspanien eine der Hauptquellen für Silber. Historischen Berichten zufolge brachten die Bergwerke in Südostspanien um Carthago Nova (Cartagena) der Stadt in der späten Punierzeit ungeheure Gewinne.24 Allerdings befand sich dieses Gebiet nicht vor dem späten 3. Jahrhundert v. Chr. unter direkter Kontrolle der Karthager. Ihre früheren Bemühungen richteten sich über Cádiz wahrscheinlich auf die spanischen Bergwerke im Tal des Guadalquivir im oberen Andalusien, z. B. in Cerro Salomon (Rio Tinto) oder Castulo. Daneben wurden wohl auch die reichen Silbervorkommen im südwestlichen Sardinien und nördlichen Etrurien ausgebeutet. Dem griechischen Historiker Thukydides zufolge25 besaß die Stadt im 5. Jahrhundert v. Chr. Edelmetalle (sowohl Gold als auch Silber) im Überfluss. Die intensive Prägung von Goldmünzen im 4. Jahrhundert bestätigt die großen Vorräte, die sie bis dahin angehäuft hatte. Aller Wahrscheinlichkeit nach kam dieses Gold z. T. (durch direkten oder indirekten Handel) aus Westafrika, doch wurden sicher auch andere Quellen wie Spanien, Marokko und der westliche Sudan genutzt.26 Der heimische Bedarf an weniger wertvollen Metallen wurde wohl aus Kupfer- und Eisenvorkommen in Nordafrika gedeckt, die wahrscheinlich durch Importe aus Gegenden wie Südspanien, Sardinien und Etrurien ergänzt wurden. Archäologische Untersuchungen in Karthago
zeigten, dass Eisen in der Stadt selber in großen Mengen verarbeitet wurde.27 Zinn, unverzichtbarer Bestandteil bei der Bronzeherstellung, konnte man über die Atlantikküste aus Galizien oder aus Südspanien beziehen, es könnte aber auch aus Nordeuropa (Cornwall oder der Bretagne) durch das Rhônetal und über Massalia importiert worden sein. Himilkos Expedition, die zumindest z. T. durch die Bestrebungen, einen Zinn-Handelsweg zu erschließen, motiviert war, beweist das karthagische Interesse an den atlantischen Küstenwegen.28 Der Erwerb von Metall war zwar das dominierende Ziel der karthagischen Handelsstrategie, doch trugen auch andere kommerzielle Bestrebungen zum Wohlstand der Stadt bei. Sehr lukrativ war in dieser Hinsicht der Exportgroßhandel, ein Geschäft, an dem Karthago in der Antike stark beteiligt war (und für das es bisweilen verspottet wurde).29 Es war nicht nur Umschlagplatz für seine eigenen Waren, sondern auch für ausländische Güter, von denen viele speziell für den Weiterverkauf ins Ausland importiert wurden. Grabungsbefunde zeigen, dass Karthago z. B. im 4. Jahrhundert Hauptumschlagplatz für schwarz glasierte attische Keramik und korinthische Handelsamphoren war. Viele der importierten landwirtschaft lichen Produkte wie Wein und Silphium (eine Grasart aus der libyschen Kyrenaika, dessen Stamm und Saft als Gewürz und Medizin geschätzt wurde) wurden wahrscheinlich ebenfalls auf dem offenen Markt in Umlauf gebracht. Die Geschichtsschreibung zeigt, dass die Weberei und Färberei die Hauptindustrie der Stadt Karthago ausmach
ten. Neuere Ausgrabungen im Bezirk von Le Kram in der südlichen Vorstadt des heutigen Karthago wiesen eine aktive Purpurindustrie während der Antike nach (die auch für das benachbarte Kerkouane belegt ist).30 Abgesehen von Textilien exportierten die Karthager ihre Produkte jedoch nicht ins Ausland. In der Tat scheinen die archäologisch belegten Fayence-, Keramik- und Metallverarbeitungsproduktionen primär auf einen heimischen, nordafrikanischen Markt ausgerichtet gewesen zu sein. Nach Pseudo-Skylax, einem Autor aus dem 4. Jahrhundert, tauschten die Karthager Fayencen und ausländische Keramik mit den libyschen Berbern gegen exportierbares Rohmaterial wie Gold, Edelsteine, exotische Hölzer und Elfenbein. Auch wenn sie nicht ausdrücklich genannt werden, müssen die Metallarbeiten aus Karthago bei diesem Tauschhandel eine große Rolle gespielt haben. In der karthagischen Wirtschaft sind mehrere Hauptindustriezweige hervorzuheben, die dem punischen Staat dienten und der Bevölkerung Verdienstmöglichkeiten boten. Schiffsbau und Waffenproduktion (in Bronze und Eisen) waren dabei besonders bemerkenswert und florierten besonders in Kriegszeiten. Für den Schiffsbau und die damit verbundene Holzindustrie gab es ausreichende Baumbestände (Eichen, Kiefern und Wacholder) in der weiteren Umgebung von Karthago, in Utica sowie auch in der Region von Kap Bon. Ein weiterer lukrativer punischer Industriezweig war die Fischerei. Karthago selbst war am Fischexport beteiligt. Hervorzuheben ist der Thunfisch, der noch heute vor der tunesischen Küste gefangen wird. Das Zentrum dieser Industrie lag jedoch
in den Küstengewässern von Südspanien und Marokko, wo es in der Antike viele Einrichtungen zum Salzen und Verarbeiten von Blaufisch (Thunfisch, Makrele und Sardinen) gab. Der atlantische Exporthandel mit eingesalzenem Fisch führte über Cádiz in Südspanien nach Karthago und an andere Orte im Mittelmeer. Bemerkenswert ist dabei die Entdeckung eines großen Lagers von punischen Handelsamphoren aus dem 5. Jahrhundert in Korinth, die Fischfilets von der spanischen oder marokkanischen Küste aus dem Gebiet an der Straße von Gibraltar enthielten.31 Als weiterer bedeutender Industriezweig spielte der Sklavenhandel in der karthagischen Wirtschaft eine wesentliche Rolle. Diese Geschäfte mit menschlicher Arbeitskraft hatten die Karthager von ihren phönizischen Vorfahren übernommen. Von der späten Bronzezeit bis in die Zeit des Hellenismus hatten die Phönizier sich mit dem Sklavenhandel einen Namen gemacht.32 Den klassischen Quellen nach war der heimische Sklavenmarkt Karthagos, der insbesondere den Bedarf der Landwirtschaft und der staatlichen Industrien decken musste, immens. Polybios berichtet, dass allein in den iberischen Silberminen 40 000 Sklaven beschäftigt waren.33 Für den Sklavenhandel gab es unterschiedliche Quellen. Ein lukratives Mittel dazu boten kriegerische Aktionen. Diese brachten den Karthagern die meisten ihrer Sklaven ein. Kriegsgefangene mussten vornehmlich in den staatlichen Industrien (Minen, Werften und Militär) arbeiten. Oftmals gehörten die Frauen und Kinder ganzer Städte zur Kriegsbeute und wurden in die Sklaverei verkauft. Wie
die antiken Quellen zeigen, waren belagerte Städte aus wirtschaft licher Not manchmal gezwungen, ihre Bewohner zu verkaufen. Eine andere Gewinn bringende Möglichkeit, Sklaven für den Handel zu erhalten, bot die Piraterie. Die Phönizier waren berüchtigte Kidnapper.34 Die antiken Quellen zeigen, dass das Ziel meist unschuldige Frauen und Kinder waren. Karthagos zweiter Vertrag mit Rom setzt eindeutig Regeln für den Umgang mit Gefangenen sowie für die Möglichkeiten, die den Opfern der Piraterie offen standen. Sklaven konnte man sowohl für den heimischen Bedarf als auch für den Wiederverkauf auf dem Handelsweg erwerben. Antike Autoren geben einen kleinen Einblick in diese Art des Sklavenhandels, der wohl hauptsächlich über die Sahara aus dem tropischen Afrika abgewickelt wurde. Schwarze Sklaven kamen wahrscheinlich auch aus dem Sudan, aus den südlichen Gebieten der Berberei sowie über Westafrika, wo die Karthager bekanntlich Handel trieben. Eine weitere potenzielle Quelle war das Mittelmeer selbst. Nach Timaios verkauften die Karthager den Bewohnern der Balearen Frauen im Austausch für männliche Sklaven.35 Diese Ausführungen geben einen Überblick über die karthagische Wirtschaft vor dem 4. Jahrhundert v. Chr. Damals begann die Stadt einen aggressiven Feldzug zur territorialen Expansion in Afrika.36 Gegen Ende dieses Jahrhunderts beherrschte Karthago ein Hinterland von etwa 65 km Breite, das sich westlich bis Hippo Acra (Bizerte) und östlich bis Hadrumetum und Thapsus erstreckte. Dieser Zugewinn führte zur Entstehung eines auf Landwirtschaft beruhenden Imperiums, das durch den reichen
Landadel Karthagos verwaltet wurde. Die Höfe und Anwesen dieses wachsenden Hinterlandes, das die fruchtbaren Weizenanbaugebiete des Medjerda-Tales und die Obstgärten und Weinberge der tunesischen Küstengebiete Karthagos umfasste, brachten immer mehr landwirtschaft liche Produkte ein, was es der einst von Nahrungsmitteln abhängigen Stadt ermöglichte, im späten 4. Jahrhundert ihre landwirtschaft lichen Überschüsse zu exportieren.37 Als Karthago im folgenden Jahrhundert schließlich seine Besitztümer jenseits des Meeres verlor (zuerst Sizilien und Sardinien, dann auch Spanien), verstärkte die Stadt ihre wirtschaft liche und politische Herrschaft über das afrikanische Inland. Resultat war schließlich ein streng kontrolliertes, koloniales Verwaltungssystem, das letztendlich die Römer erbten. Das Hinterland und sein Reichtum ersetzten das Meer als Stützpfeiler der karthagischen Wirtschaft.
Münzprägung
Die westphönizischen Städte Die Geschichte der Münzprägung in den phönizischen Kolonien des westlichen Mittelmeeres entwickelte sich unabhängig von der der Städte im Osten. Die westlichen Kolonien übernahmen diese Praxis ebenfalls vergleichsweise spät, lange nachdem die Griechen ihre ersten Aus
gaben prägten. Die ersten westphönizischen Städte, die Münzen prägten, waren die punischen Niederlassungen in Westsizilien, vor allem Mozia und Panormos.38 Wie bei den phönizischen Handelsorten auf Kreta waren auch auf Sizilien die griechischen Städte (Himera, Selinunt, Akragas, Gela und Syrakus), die bereits in der zweiten Hälfte des 6. Jahrhunderts v. Chr. mit der Münzprägung begonnen hatten, das Vorbild. Zur Erleichterung des Handels mit den Griechen und Sikulern auf der Insel übernahmen die Phönizier den attisch-euböischen Gewichtsstandard, der sich in den wichtigsten griechischen Städten Siziliens durchgesetzt hatte. Die erste Einheit war die Didrachme, die Grundeinheit der Griechen in Westsizilien. Die phönizische Anpassung an das griechische Geldsystem auf der Insel zeigt sich auch in den griechischen Inschriften und der Wahl der numismatischen Motive, die denen der griechischen Geldstücke, vor allem denen aus Syrakus, stark ähnelten.39 Man kann es als ein Zeichen der politischen Autonomie der phönizischen Städte auf Sizilien betrachten, dass sie alle vor der ersten Ausgabe in Karthago unter ihrem eigenen Namen Münzen prägten.
Karthago Die früheste, um 410 v. Chr. von Karthago geprägte Münze wurde für den Gebrauch in Sizilien geprägt, als Bezahlung der dort während des Krieges der Stadt mit den sizilischen Griechen stationierten karthagischen Trup
pen. Diese frühe Ausgabe, die eindeutig für größere Zahlungen bestimmt war, bestand aus silbernen Tetradrachmen nach attischem Gewicht und der Aufschrift QartHadasht (punisch für Karthago, »Neue Stadt«). Nach Beendigung des Krieges (und einer Unterbrechung im frühen 4. Jahrhundert zwischen 390 und 350 v. Chr.) nahm Karthago die Münzprägung in Sizilien wieder auf, wahrscheinlich wiederum, um Ausgaben für das Militär zu decken. Im gesamten 4. Jahrhundert verließ sich die Stadt bei der Herstellung von Münzen auf eine Reihe punischer Münzprägeanstalten in Sizilien (z. B. Panormos und wahrscheinlich auch Lilybaeum). Aus dem frühen 3. Jahrhundert sind zwei Münzbeamte bekannt, die in punischen Inschriften als »Leute der Armee« und »Finanzkontrolleure« bezeichnet wurden. Das späte Eintreten in den Kreis der münzprägenden Städte wurde in dem Sinne gedeutet, dass sich Karthagos geschäft liche Beziehungen auf unterentwickelte Gebiete im westlichen Mittelmeerraum und an der Atlantikküste konzentrierten, wo der Tauschhandel praktiziert wurde. Wie bei den westphönizischen Städten richtete sich die Ikonographie der sikulisch-punischen Silbermünzen zum großen Teil nach den früheren griechischen Münzen aus Syrakus. Ein häufig auftretendes Münzbild für Vorderund Rückseite ist der klassizistische Kopf der von Delphinen umgebenen Nymphe Arethusa aus Syrakus. (Mehrere Ausgaben tragen auch ein weiteres wichtiges Motiv der Münzen aus Syrakus: eine fliegende Nike, die geflügelte Siegesgöttin, über einem vierspännigen Kriegswagen.) Ein ebenfalls häufiges Bild auf der Rückseite ist das
Pferd. Dargestellt sind Kopf und Hals oder das gesamte Tier, vor einer Palme stehend, laufend oder galoppierend. Alle drei Motive, der Kopf der Göttin, das Pferd und die Palme, waren die numismatischen Markenzeichen der Münzprägung der Stadt. Die Palme, die alleine auf der Rückseite von Karthagos erster Silbermünze und später auf kleineren Gold- und Elektrummünzen, die von der Stadt geprägt wurden, auftrat, kann als universelles Symbol der zivilen phönizischen und punischen Identität angesehen werden. (Der moderne Begriff Phönizier stammt von dem griechischen Wort phoinix, »Palme«.) Nach 390 v. Chr. setzte die Prägung von Silbermünzen in Karthago für mehr als 100 Jahre aus, bis kurz vor den Ausbruch des Ersten Punischen Krieges (264–241 v. Chr.). Möglicherweise war die Stadt nach den langen Kriegsbemühungen in Sizilien im frühen 4. Jahrhundert finanziell erschöpft. Der Entscheidung, kurz vor 350 v. Chr. Bronzemünzen nach griechischem Vorbild zu prägen, könnten diese Umstände zugrunde gelegen haben.40 Die wirtschaftliche Bedeutung dieses neuen Systems kleinerer Bronzemünzen und Untereinheiten wird durch ihre weite Verbreitung nicht nur in der Heimat der Karthager, sondern im ganzen punischen Imperium belegt. Diese Tatsache weist auf die Einführung einer monetären Wirtschaft in Karthago und seinen Überseegebieten hin. Erst in der zweiten Hälfte des 4. Jahrhunderts v. Chr. begann Karthago selbst auch in kleineren Einheiten regelmäßig Münzen zu prägen. Die erste größere Ausgabe in Edelmetall war eine Reihe Goldstater (später auch Elektrumstater) und Untereinheiten nach phönizischem
Punische Münzen: a
karthagisch, 410 v. Chr. Nike mit Kranz über dem Vorderteil eines Pferdes (Vs), Palme (Rs) b karthagisch, ca. 325 v. Chr. Kopf der Arethusa/Kore (Vs), galoppierendes Pferd vor Palme (Rs) c sikulisch-punische Tetradrachme, ca. 300–290 v. Chr. Kopf der Arethusa (Vs), Pferdekopf und Palme (Rs) d karthagischer Goldstater ca. 320–310 v. Chr. Kopf einer Göt-
Gewichtsstandard. Die bemerkenswerte Menge der Goldausgabe geht aus der Zahl der verschiedenen Bildnisse (88 Vorder- und 104 Rückseiten) in einem Zeitraum von zehn Jahren, zwischen 320 und 310 v. Chr., hervor. Die Ausgabe ist wahrscheinlich auf gestiegene Militärausgaben nach der Wiederaufnahme des Konflikts mit Syrakus zurückzuführen. Die Münztypen, die die Karthager für ihre Gold- und Elektrummünzen wählten, blieben durchgehend gleich:
Sie zeigen auf der Vorderseite den Kopf einer Göttin mit Diadem und auf der Rückseite ein stehendes, laufendes oder galoppierendes Pferd. Die Bedeutung der Darstellungen, die, wie bereits erwähnt, in den sikulo-punischen Münzreihen vorherrschen, ist unklar. Der Frauenkopf mit dem Diadem ist stilistisch mit dem Bild der Arethusa von den Münzen aus Syrakus verwandt und stellt allem Anschein nach eine Göttin dar. Denkbar wären Tanit, die Schutzgöttin von Karthago, oder Kore, die Tochter der griechischen Fruchtbarkeitsgöttin Demeter, die seit 396 v. Chr. in Karthago verehrt wurde. Für die Deutung des Pferdes gibt es noch weniger Anhaltspunkte. Ist es ein nationalistisches Symbol (aus dem libyschen Bereich) oder vielleicht das Symbol einer der beiden wichtigsten Gottheiten Karthagos: Baal Hammon und Tanit? Es könnte sich auch um eine Anspielung auf den Pferdekopf handeln, den die tyrischen Kolonisten Karthagos der Gründungssage nach aufdeckten. Keine dieser Möglichkeiten lässt sich mit Sicherheit belegen. Im frühen 3. Jahrhundert v. Chr., nach Beendigung des Krieges gegen den Tyrann Agathokles von Syrakus, führte die Stadt eine neue Reihe von größeren und schwereren Bronzemünzen ein, die im gesamten karthagischen Imperium weite Verbreitung fanden. Die zentrale Produktionsstätte der Münzprägung scheint nun Sardinien gewesen zu sein, die letzte der wichtigen karthagischen Städte am Mittelmeer, die zur Münzprägung übergingen. Sardische Münzprägungen gab es schließlich noch im 3. Jahrhundert bis zur Eroberung der Insel durch die Römer im Jahr 238 v. Chr.
SPRACHE UND LITERATUR
Phönizische Sprache und Literatur Das Phönizische gehört zur nordwestsemitischen Sprachfamilie, die in der Regel in zwei Gruppen unterteilt wird, das Kanaanitische und das Aramäische. Phönizisch wird der kanaanitischen Gruppe zugeordnet, zu der auch Hebräisch und die verschiedenen Sprachen aus den Ländern jenseits des Jordans gehören (Ammonitisch, Moabitisch und Edomitisch). Linguistisch lässt sie sich in zwei Phasen unterteilen: die archaische (10.–7. Jahrhundert v. Chr.) und die klassische Phase (6.–1. Jahrhundert v. Chr.), die sich weiter in Mittel- und Spätphönizisch (6.–4. bzw. 3.–1. Jahrhundert v. Chr.) gliedert. Diese Unterteilung wird in der vorliegenden Untersuchung jedoch nicht berücksichtigt. In ihrer Blütezeit erfreute sich die phönizische Sprache im Heimatland, der levantinischen Küste von Dor in Nordisrael bis zum früheren Gebiet von Ugarit in Syrien einer weiten Verbreitung. Handel und kultureller Einfluss förderten ihren Gebrauch jedoch weit über diese Grenzen hinaus bis ins Nildelta und nach Oberägypten, nach Südanatolien (Kilikien und Kappadokien) sowie westlich bis in die Ägäis. Mit der Verbreitung der Phönizier in Gebiete jenseits des Meeres gelangte die Sprache infolge der Kolonialbesiedlung nach Zypern und in weiter westlich gelegene
Mittelmeergebiete: nach Nordafrika, Malta, Sizilien, Sardinien und Südspanien. Seit dem 6. Jahrhundert entwickelten sich in Karthago und seinen kolonialen Besitztümern Sprachform und Schrifttyp des Punischen. Dass die phönizische Sprache vornehmlich in den monumentalen Königsinschriften aus Südanatolien auftritt, unterstreicht das Ansehen, dass sie schon früh als Sprache der Diplomatie genoss. Die Symbiose des Phönizischen mit anderen Sprachen spiegelt sich in der relativ großen Zahl bilingualer Inschriften wider (so tritt sie z. B. gemeinsam mit hetithischen, griechischen, zypriotischen und später lateinischen Inschriften auf). In vielerlei Hinsicht war das Phönizische die am höchsten entwickelte Sprache der nordwestsemitischen, kanaanitischen Sprachgruppe. Im Gegensatz zu Hebräisch und den Sprachen aus den Ländern jenseits des Jordan, die geographisch etwas isoliert waren, entstand das Phönizische relativ schnell und durchlief viele Innovationen in der grammatischen Entwicklung, besonders auf dem Gebiet der Phonologic Die sprachlichen Veränderungen des Phönizischen lassen sich deutlich an der Zahl der Verschiebungen von Vokalen und Konsonanten, wie z. B. die Kontraktion von Diphtongen nachweisen (ay zu ē und a, aw zu ō und ū). Andererseits war die phönizische Sprache in Bezug auf Orthographie jedoch recht konservativ in ihrer Entwicklung. Im Gegensatz zum Aramäischen besaß sie ein nur auf Konsonanten beruhendes Schriftsystem, es gab keine Buchstaben für Vokale. Die Vokalisierung ist nur teilweise bekannt, das Wenige, das man kennt, stammt aus
akkadischen und später punischen und klassischen Texten.1 Auch die Schrift entwickelte sich langsam, wie königliche Texte aus Byblos aus dem 10. Jahrhundert und Inschriften aus den frühen Kolonien zeigen. Die Form der Buchstaben selbst hingegen veränderte sich nur minimal, sie blieben kompakt und aufrecht (obwohl sich im 10. Jahrhundert die Tendenz zeigt, die Aufstriche der Buchstaben zu verlängern).2 Wie es bei einer so alten und weit verbreiteten Sprache zu erwarten ist, weist das Phönizische dialektale Unterschiede auf diachronischer wie geographischer Ebene auf. Sie lassen sich z. B. in der Region um Byblos und in geringerem Maße auf Zypern und in Nordsyrien und Südanatolien isolieren. Der byblische Dialekt ist gegenüber anderen archaisierend. In anderen Gegenden, sowohl in den Kolonien als auch im Mutterland (besonders in Sidon und Tyros) wurde eine homogene Sprache, das so genannte Standardphönizisch, gesprochen. Erwartungsgemäß sind der tyrische und sidonische Dialekt diejenigen, die im Ausland am häufigsten angetroffen werden, sie spiegeln die herausragende Rolle dieser Städte bei der Expansion nach Westen wider. Die Verwendung formaler und kursiver Formen im byblischen, zypriotischen und sidonischen Dialekt zeugt ebenfalls von regionalen Eigenheiten in der Schriftform.3 Das Erbe der phönizischen Sprache wird vom fast vollständigen Verlust literarischer Aufzeichnungen überschattet. Von den verschiedenen phönizischen und punischen Kompositionen, die die antiken Autoren nennen, ist nicht ein einziges Werk oder auch nur ein Teil
davon in der Originalfassung erhalten. Eine Erklärung dafür könnte der radikale Wechsel der schriftlichen Fixierungsweise durch die Einführung der kursiven Alphabetschrift sein. Vergängliche Materialien wie Holz, Elfenbein, Papyrus und Pergament ersetzten das haltbarere Medium der Tontafeln, das für die Keilschrift verwendet wurde. Nur sehr wenige der vergänglichen Materialien haben im feuchten Küstenklima der Levante überdauert, und nur spärliche Papyrusfragmente aus Ägypten erinnern an die große Zahl von Texten, die es einst gegeben haben muss. Dennoch berichten die klassischen Quellen, dass einst eine große Breite phönizischer Werke über Themen wie Geschichte und Recht bis zu Religion und Philosophie existierte. Die Hinweise stammen fast ausnahmslos aus der römischen Zeit und beziehen sich meist auf Karthago und seine späte literarische Tradition. Die Phönizierstädte im Osten besaßen jedoch große Archive für Geschichts- und Wirtschaftstexte, die in den Palästen und Tempeln bewahrt und gepflegt wurden. Im Wenamun-Bericht sucht König Zakarbaal von Byblos in diesen alten Überlieferungen, die auf Papyrusrollen geschrieben waren, Rat. Zakarbaals Auftrag an den ägyptischen Agenten enthielt u. a. 500 Rollen dieses Schreibmaterials. Auch in Tyros gab es große und sehr alte Archive, der Geschichtsschreiber Menander von Ephesus behauptet, sie ins Griechische übersetzt zu haben. Bei den erhaltenen phönizischen Texten handelt es sich unglücklicherweise fast immer um Gedenkschriften, Votiv- und Grabinschriften auf Stelen, Statuen und Sarkophagen. Zwar sind einige der königlichen Inschriften aus
Byblos und Sidon von historischer Bedeutung, doch ist die Mehrheit der vorhandenen Dokumente kurz, stereotyp und formelhaft abgefasst, weswegen sie vornehmlich für die Untersuchung von Personennamen und ihrer ethnischen Verwandtschaft von Nutzen sind. Andere Inschriften – Bemerkungen auf Ostraka (beschriebenen Tonscherben), Siegeln und Gefäßen – nennen kaum mehr als den Gefäßinhalt oder den Namen des Besitzers. Insgesamt umfasst der gesamte phönizische Korpus aus dem östlichen Festland und den Kolonien (außer Karthago und seiner Umgebung) nur wenige Hundert Texte.
Ursprung und Entstehung des phönizischen Alphabets In der Wissenschaft ist man allgemein der Ansicht, dass das moderne lineare Alphabet im 2. Jahrtausend v. Chr. irgendwo in der Levante entstand. Das genaue Datum und der Ort sind jedoch stark umstritten. Wo im syropalästinensischen Gebiet entstand in der Antike das Alphabet und wie wurde es den Phöniziern überliefert? Die moderne Forschungsgeschichte beginnt im frühen 20. Jahrhundert mit der Entdeckung einiger piktographischer Inschriften in Serabit el-Khadem, einer ägyptischen Bergbaugemeinde des Mittleren und frühen Neuen Reichs auf der Halbinsel Sinai. Studien zu dieser »proto-sinaitischen« Schrift, die wahrscheinlich ins Mittlere Reich zurückgeht und durch etwa 25 dort entdeckte Texte belegt ist, führte zu einigen interessanten Schlüssen. Die
einzelnen Piktogramme bezeichneten jeweils einen Laut, dessen phonetischer Wert dem akrophonischen Prinzip zufolge scheinbar durch den Anfangslaut des dargestellten semitischen Wortes bestimmt wurde. (So stellte das Bild eines Hauses z. B. den Buchstaben »b« dar, nach dem semitischen Wort [bayt] für »Haus«.) Die Kombination des proto-sinaitischen Piktogrammstils mit dem acrophonischen Prinzip lässt vermuten, dass dieser von der ägyptischen Hieroglyphenschrift beeinflusst war, die in dieser Region auf Stelen erhalten ist. Versuche, die Schrift zu entziffern, waren zwar nur bedingt erfolgreich, doch es wurden genügend einzelne Zeichen entschlüsselt, um die Vermutung zu stützen, dass es sich bei den proto-sinaitischen Inschriften um eine rudimentäre Form der Alphabetschrift handelt, die in den ersten Jahrhunderten des 2. Jahrtausends v. Chr. verwendet wurde. Vereinzelte in Palästina gefundene Inschriften ähnlicher Art vervollständigten das Bild und lieferten den Beweis für die Fortdauer und die Entwicklung dieser piktographischen Alphabetschrift bis in 12. Jahrhundert v. Chr. Wie die sinaitischen Schriften wurden diese »proto-kanaanitischen« Inschriften ursprünglich sowohl vertikal als auch horizontal (Letzteres in beide Richtungen) geschrieben. Mit der Zeit setzte sich jedoch die horizontale Schreibweise durch. Die Buchstaben selbst wurden in der Folge allmählich vereinfacht und abstrahiert und bildeten so die Grundlage für die Ent-
Phönizisches Alphabet
stehung der linearen phönizischen Alphabetschrift gegen Ende des 2. Jahrtausends v. Chr.4 Um die Mitte des 14. Jahrhunderts oder kurz davor wurde das kanaanitische lineare Alphabet der im nordsyrischen Ugarit vorherrschenden Keilschrift angepasst. Wörterbücher aus dieser Zeit zeigen, dass die Reihenfolge der ursprünglich insgesamt 30 Zeichen in etwa mit der des späteren phönizischen Systems übereinstimmt. Im Laufe der folgenden Jahrhunderte wurde das kanaanitische lineare Alphabet vereinfacht und führte schließlich zu einem reduzierten System aus 22 Buchstaben oder Graphemen. Letztere waren die direkten Vorläufer des phönizischen Alphabets im späten 11. Jahrhundert v. Chr. In Byblos selbst wurde im 2. Jahrtausend eine pseudohieroglyphische Silbenschrift aus etwa 120 Zeichen verwendet, deren genaue Chronologie unklar ist. Zwar vermutete man seit langem ihre frühe Entstehung im 18. oder 17. Jahrhundert v. Chr., es gibt jedoch auch Anzeichen dafür, dass sie sich erst in der zweiten Hälfte des 2. Jahrtausends entwickelte bzw. ihre Verwendung sich zu dieser Zeit durchsetzte und sie möglicherweise bis zur Übernahme des Alphabets in Gebrauch blieb.5 Trotz verschiedener Bemühungen konnte die byblische Pseudohieroglyphenschrift noch nicht entziffert werden.6
Die Verbreitung des phönizischen Alphabets Das phönizische Alphabet mit seinen 22 Konsonanten ist auf frühen byblischen Monumenten wie dem Sarkophag
von Ahiram gut belegt. Bereits zu dieser Zeit waren Stellung und Form der Buchstaben und auch die einheitlich horizontale Leseweise der Schrift von rechts nach links (sinistrograd) festgelegt. In frühen byblischen Texten wurden Wörter in Sätzen durch kurze vertikale Striche voneinander getrennt, in den späteren phönizischen und punischen Texten folgten sie hingegen ohne Zwischenraum aufeinander und wurden am Zeilenende oftmals willkürlich unterbrochen. Wie die Inschriften zeigen, verbreitete sich das phönizische Alphabet schnell über die Grenzen des Landes hinaus. Im 9. Jahrhundert hatten es bereits eine Reihe von Nachbarsprachen wie Phönizische Inschrift von Kilamuwa, König von Sam’al. Zinçirli, Türkei, ca. 825 v. Chr.
Aramäisch, Hebräisch, Ammonitisch, Moabitisch und Edomitisch übernommen. In jeder dieser Sprachen entwickelte sich das Alphabet eigenständig weiter, wobei man es vom Phönizischen durch die Verwendung bestimmter Buchstaben (’aleph, waw, yod) für Vokallaute klar unterscheiden kann. Die phönizische Schrift selbst verwendete, wie bereits bemerkt, keine Vokale. Die kommerzielle Expansion der Phönizier im Mittelmeerraum brachte auch den Export des Alphabetes mit sich. Im 9. Jahrhundert gelangte es zunächst nach Zypern und in die Ägäis (Kreta), ein Jahrhundert später dann auch in den westlichen Mittelmeerraum, nach Sardinien und Südspanien. Die Folgen waren besonders in der Ägäis spürbar. Die antike Überlieferung belegt,7 dass die Phönizier für die Einführung und die Verwendung des griechischen Alphabets verantwortlich waren. Dafür sprechen die Namen, Lautwerte und die Reihenfolge der Buchstaben in frühen griechischen Schriften. Als Datierung für die Einführung des griechischen Alphabets wurden frühe Daten zwischen der Mitte des 2. Jahrtausends bis zum 8. Jahrhundert v. Chr. vorgeschlagen.8 Für die Entstehung kann man, ausgehend von übereinstimmenden Buchstaben in der frühen griechischen Schrift und der phönizischen Muttersprache, ein Anfangsdatum von etwa 800 v. Chr. annehmen. Die griechische Alphabetschrift tritt bereits früh in Form von Graffiti auf Keramikscherben auf, wobei der älteste Fund aus dem zweiten Viertel des 8. Jahrhunderts stammt. Dieser Prozess scheint bei genauerer Betrachtung das Resultat des direkten Austausches zwischen zwei Per
sonen gewesen zu sein, eines griechischen Empfängers und eines phönizischen Mittelsmannes, der zumindest halbwegs lesen und schreiben konnte (etwa ein Priester, Schreiber, Kaufmann oder Handwerker). Die innovative Verwendung von Vokalen durch den griechischen Initiator, der »übrig gebliebene« phönizische Zeichen wie ’aleph, he und ’ayin verwendete, die im Griechischen keine konsonantische Entsprechung haben, unterstützt diese Annahme. Als Ort der Übernahme sind mehrere Möglichkeiten denkbar: vom griechischen Festland und Euböa über Kreta, Rhodos, das westliche Kleinasien, Zypern bis zur Levante gab es überall einen direkten Austausch zwischen den Griechen und den Menschen aus dem Osten. Herodot zufolge9 wurde das Alphabet der Legende nach von dem Phönizier Kadmos in die böotische Stadt Theben gebracht. Von der Forschung wurden kürzlich die Euböer als Vermittler vorgeschlagen. Die Archäologie zeigte, dass auf dieser Insel bereits früh aktiv Handel mit dem Osten getrieben wurde und die Euböer selbst hatten wahrscheinlich sowohl mit Al Mina als auch mit Pithekoussai, beides Fundorte früher Graffiti im griechischen Alphabet (wie auch Euböa selbst), Handelsverbindungen. Es sind jedoch auch andere Szenarien denkbar.10
Punische Sprache und Literatur Die in Karthago und Nordafrika verwendete phönizische Sprache entwickelte sich insofern unabhängig, als sich bis zum 6. Jahrhundert ein eigener Dialekt gebildet
hatte. Durch den Einfluss Karthagos gelangte die punische Sprache bis weit ins nördliche Tunesien, während sich ihre Verbreitung ansonsten bis in die späten Jahre des Imperiums hauptsächlich auf die karthagischen Handelsorte an der libyschen, algerischen und marokkanischen Küste beschränkte. Infolge der Bedeutung der Mutterstadt wurde das Punische auch in anderen Gebieten des karthagischen Imperiums zur Standardsprache: z. B. auf Sizilien, Sardinien, Malta, den Balearen und in Südspanien. Mit der Zeit löste sich das Punische von der Muttersprache. So nahm die Sprache z. B. spätestens im 4. Jahrhundert v. Chr., also wesentlich früher als auf dem phönizischen Festland, Zeichen zur Darstellung von Vokalen ins Alphabet auf. Anhand dieser Entwicklung kann man die punische Variante mit ihrem kursiven Schreibstil und den langen vertikalen Strichen sehr gut erkennen. Im Zusammenspiel von kursiven und formalen Zeichen weist der punische Dialekt mehr Verbindung zu den vorausgehenden Schriften von Byblos und Zypern auf als zu denen des südlichen Phöniziens und der Gegend um Tyros und Sidon.9 Da aus der Frühzeit (8. –5. Jahrhundert v. Chr.) nur wenig Material erhalten ist, gestaltet sich eine Untersuchung der Entstehung des Punischen schwierig. Von wenigen Ausnahmen abgesehen beginnt die schrift liche Überlieferung in Karthago, wo über 6000 Inschriften gefunden wurden, eigentlich erst im 4. Jahrhundert v. Chr. Wie im Osten sind auch hier die Inschriften meist kurz und formelhaft. Einige ausführlichere Inschriften, die sich auf
den Tempelbau und die Verwaltung der Opfersteuern beziehen, bieten jedoch einen Einblick in die Entstehung der in der Stadt vorherrschenden literarischen Tradition.12 Geht man von der Anzahl der überlieferten Gedenkmonumente aus, so muss zumindest seit dem 4. Jahrhundert v. Chr. ein relativ hoher Anteil der Karthager des Lesens und Schreibens mächtig gewesen sein. Von den vielen Schriften, die die Bibliothek der Stadt zur Zeit der Zerstörung Karthagos 146 v. Chr. besaß, ist nur wenig überliefert. Die antiken Schreiber bestätigen die Existenz punischer Geschichtswerke, der griechische Autor Plutarch berichtet von »heiligen Büchern« der Punier, die in den Tempeln der Stadt bewacht wurden. Allerdings sind nur wenige punische Texte überliefert und keiner davon im Original. Der Periplus von Hanno, der Bericht des Seefahrers aus Karthago über seine berühmte Afrikareise, ist in einer späten griechischen Version erhalten, Poenulus von Plautus enthält einige punische Passagen, die ins Lateinische übersetzt wurden. Angesichts der engen Beziehungen zwischen Karthago und dem griechischen und später dem Römischen Reich ist es bedauerlich, dass in der klassischen Überlieferung nicht mehr punische Originalwerke überliefert sind.
Anmerkung Kürzlich wurden im Wadi el-Hol in der Wüste nördlich von Theben ähnliche Felsinschriften gefunden, die mindestens so alt sind wie die proto-sinaitischen Texte. Zu
ihrer Entdeckung siehe John und Deborah Darnell im Annual Report des University of Chicago Oriental Institute, 1994–95, sowie J. N. Wilford, NY Times, 14. November 1999, 1,10.
RELIGION
Phönizische Religion
Das Pantheon Wie es im Falle einer so langen Entwicklung eines Volkes wie dem der Phönizier zu erwarten ist, war auch die Ausübung der Religion starken Veränderungen unterworfen. Dennoch weist eine wachsende Zahl von Funden darauf hin, dass sich die gesamte Zeit ihres Auftretens (einschließlich des Übergangs von der Spätbronze- zur frühen Eisenzeit) eher durch relative Kontinuität als durch abrupte oder drastische Wechsel auszeichnete. In den vergangenen Jahren war viel von revolutionären Veränderungen die Rede, die die phönizische Religion zu Beginn des 1. Jahrtausends v. Chr. reformierten. Doch obwohl es diese Veränderungen besonders in Tyros unter Hiram I. sicherlich gab, so kann doch davon ausgegangen werden, dass es sich eher um Modifikationen bestehender Bräuche als um wirkliche Innovationen handelte. Der Melkart-Kult in Tyros wurde nicht erst von Hiram eingeführt, er förderte und institutionalisierte ihn nur. Wie Herodot (der behauptet, selbst mit dem Klerus von Tyros gesprochen zu haben) berichtet, war dieser Kult bereits sehr alt und seine Wurzeln reich
ten bis in die Gründungsjahre der Stadt im 3. Jahrtausend v. Chr. zurück.1 Josephus erzählt sogar, dass alle drei Hauptheiligtümer in Tyros zu Hirams Zeit bereits bestanden und dass Tempel für Melkart und Astarte vom tyrischen Herrscher lediglich wiederaufgebaut oder vergrößert wurden, wobei er frisch geschlagenes Zedernholz für die Dächer beisteuerte.2 Der Name Melkart ist vor dem 1. Jahrtausend v. Chr. zwar nicht belegt, es liegen jedoch zwingende Gründe vor, anzunehmen, dass der dynastische Kult dieses Gottes in Tyros bereits lange vorher bestanden hatte. Einer davon ist die Tatsache, dass das göttliche Element mlk im 14. Jahrhundert in die tyrischen Königsnamen aufgenommen wurde.3 Mit der öffentlichen Einrichtung einer jährlichen Feier zu Melkarts »Erwachen« versuchte Hiram vermutlich, den Kult des Schutzgottes der Stadt als Instrument der Staatspolitik zu fördern.4 An anderen Orten Phöniziens ergibt sich im 1. Jahrtausend ein kontinuierliches Bild. In Byblos erhielt sich der Kult von Baalat Gūbla (»Herrin von Byblos«), der seit der Zeit des Alten Reiches in Ägypten belegt ist. Baalats Gefährte Baal Schamem (»Herr des Himmels«), der in den Königsinschriften von Yehimilk aus dem 10. Jahrhundert v. Chr. genannt wird, ist aus den ägyptischen Texten des Neuen Reiches bereits bekannt, er wird in den Amarna-Briefen sowohl von Byblos als auch Tyros erwähnt.5 Baal Schamem entspricht auch dem semitischen Sturmgott Haddu aus der Bronzezeit, der in Ugarit und Byblos im 2. Jahrtausend v. Chr. erwähnt wird.6 Die Wurzeln von Astarte und Eschmun, den wichtigsten Göttern Sidons, reichen bis ins 2. Jahr
Bes-Kopf auf einem cippus mit einer Weihinschrift an den Gott Reschef. Pyla, Zypern, 7. Jahrhundert v. Chr.
tausend v. Chr. zurück. Beide treten in rituellen Texten aus Ugarit auf. In einem nordwestsemitischen Spruch auf einem ägyptischen medizinischen Papyrus aus dem 14. Jahrhundert v. Chr. erscheinen beide gemeinsam, es wurde daher vermutet, dass es sich um einen sidonischen Kontext handelte.7 Die Verbindung von Astarte mit Ugarit zeigt sich auch im Beinamen hr auf einer phönizischen Bronzestatuette aus El Carambolo bei Sevilla aus dem 7. Jahrhundert.8 Andere, in einem spätbronzezeitlichen Kontext aus Ugarit belegte Götter behaupteten sich auch in der darauf folgenden Eisenzeit. Der Gott El, das höchste Wesen und der Göttervater der Mythologie von Ugarit, taucht in einer phönizischen Inschrift aus dem 8. Jahrhundert in Karatepe und möglicherweise auch im Vertrag zwischen Asarhaddon und Baal I. von Tyros aus dem 7. Jahrhundert v. Chr. auf.9 Baal Saphon, der im 2. Jahrtausend v. Chr. vielerorts verehrt wurde, war später auch in Tyros und Karthago anzutreffen.10 Der ehrwürdige Reschef wird in den Karatepe-Inschriften und später in Sidon und auf Zypern er
wähnt, wo sich sein Kult großer Popularität erfreute. In Kition erscheint er als Rsp hs (»Reschef mit dem Pfeil«) und hat im spätbronzezeitlichen Ugarit einen Vorläufer. Auch der semitische Gott Sched ist bereits für das späte 2. Jahrtausend v. Chr. belegt.11 Es wurde vermutet, dass die byblische Göttin Baalat mit Anat aus Ugarit, der Gefährtin von Baal, identisch ist.12 Die ägyptischen Kulte von Osiris, Isis und Amun, die im eisenzeitlichen Phönizien überall belegt sind, wurden offensichtlich in der späten Bronzezeit zuerst in Byblos eingeführt.13 Die spätbronzezeitliche Religionstradition in Phönizien setzt sich demnach in der Eisenzeit fort.14 Abgesehen von derartigen Beweisen für ihre Kontinuität entwickelten sich die städtischen Kulte in der phönizischen Eisenzeit auffällig autonom. Besonders die Götter Melkart, Eschmum und Astarte erhielten in dieser Zeit neue Bedeutung und größeres Gewicht, wie die Einbindung von Götternamen in Personennamen wie Germelkart (»Schützling von Melkart«) oder Abdaschtart (»Diener Astartes«) zeigen. Die Kulte dieser drei Götter erhielten großen Zuwachs und fanden weite Verbreitung. Zu Beginn des 1. Jahrtausends trat auch Baal Schamem als starke, unabhängige Gottheit erneut auf. Die Entwicklung der Kulte dieser Gottheiten während der Eisenzeit ist als Reflexion der wachsenden Autonomie der verschiedenen unabhängigen Städte zu verstehen, die sie verehrten. Aufgrund jüngster Untersuchungen muss das phönizische Pantheon der Eisenzeit neu bewertet werden. Früher ging man davon aus, dass jede Stadt von einer Familientrias aus einer Mutter- und einer Vatergottheit und einem
männlichen Nachkommen, einem jungen Gott der Vegetation, beherrscht wurde, dessen Tod und Wiedergeburt den jährlichen Zyklus der Landwirtschaft beschrieb. Diese Annahme wurde nun zugunsten eines Modells einer gleichberechtigten Hierarchie aus einer obersten männlichen und weiblichen Gottheit – Baal und Baalat – verworfen. Dieses göttliche Paar findet sich in den drei wichtigsten phönizischen Städten: in Tyros sind es Melkart und Astarte, in Sidon Eschmun und Astarte und in Byblos Baal und Baalat. In allen Fällen wurde die höchste männliche Gottheit mit Tod und Wiedergeburt verbunden. Josephus berichtet, dass König Hiram von Tyros die öffentlichen Feiern zu Melkarts »Erwachen« einführte, ein Frühlingsritus, der die Auferstehung des Gottes nach seinem Tod und seiner rituellen Verbrennung thematisierte. In Byblos gab es ähnliche jährliche Feste, wie der griechische Autor Lukian sie zu Ehren des Gottes Adonis beschrieb.15 Der griechischen Sage nach fiel der junge Jäger einem wilden Eber zum Opfer und musste das Jahr je zur Hälfte in der Welt der Lebenden und der der Toten verbringen. Die Figur des Adonis (dessen Name sich aus dem semitischen ’adōn, »Herr« oder adōnai »Mein Herr« ableitet), kann mit dem byblischen Baal gleichgesetzt werden, dessen kultisches Andenken sich in den Namen zahlreicher byblischer Könige erhalten hat (z. B. Abibaal, Elibaal, Shipitbaal).!6 Der sidonische Eschmun wurde ebenfalls als sterbender und wiedergeborener Gott verehrt. Insbesondere beim tyrischen Melkart war die Göttin (d. h. Astarte) wahrscheinlich an der Auferstehung des Gottes direkt
beteiligt. Möglicherweise wurde eine symbolische »heilige Hochzeit« gefeiert (die zwischen dem König und der Königin oder einer Priesterin geschlossen wurde), wie es beim mesopotamischen Akitu-Fest zum neuen Jahr geschah. Da es jedoch für diesen Ritus in Phönizien keine Belege gibt, ist ein sicheres Urteil ausgeschlossen. Leider ist insgesamt gesehen nicht viel über die verschiedenen Traditionen der phönizischen Götter bekannt. Ihre Namen sind oftmals generisch und erhalten ihre Identität nur in Verbindung mit einer bestimmten Stadt oder Lokalität. Die Hauptgottheit von Byblos kennt man z. B. nur unter dem Titel Baal (dem phönizischen Wort für »Herr« oder »Meister«). Wie in Bezug auf andere Aspekte der phönizischen Zivilisation ist auch das Verständnis ihrer Religion durch die geringe Verfügbarkeit schrift licher Quellen eingeschränkt. Es stehen fast nur die hebräische Bibel und verschiedene antike und frühchristliche Schriftsteller zur Verfügung, deren Perspektive oft eingeschränkt und einseitig ist. Baals Gefährtin in Byblos wird in den Texten nur als Baalat Gūbla (»Herrin von Byblos«) bezeichnet, ihr Eigenname ist nicht bekannt. Baalats Dominanz zeigt sich in den vielen königlichen Weihinschriften für sie, die ihren Status als Patronin und Schutzgöttin des Herrscherhauses unterstreichen. Von den Ägyptern mit Hathor gleichgesetzt, bleibt ihre Identität in Phönizien unklar, doch unterscheidet sie sich eindeutig von der in Tyros und Sidon verehrten Göttin Astarte. Durch ihre spätere Verbindung mit der griechischen Göttin Aphrodite ergibt sich ihre Funktion als Mutter- und Fruchtbarkeitsgöttin.
Der höchste sidonische Gott war Eschmun, eine lokale Variante von Baal. Seinem Namen nach wurde er in Sidon als Gott der Heilung verehrt (die Wurzel šmn bedeutet »Öl«). Das außerhalb der Stadt liegende Heiligtum von Bustan el-Sheikh steht in enger Verbindung zur Yidlal-Quelle und ihrem heilbringenden Wasser. Er wurde von den Griechen später mit Asklepios, dem Gott der Medizin, verbunden und seine Popularität zeigt sich in der Verbreitung seines Kultes bis nach Tyros und Arwad. Die wichtigste Göttin in Sidon war Astarte, eine vielschichtige Gottheit, die u. a. als Schutzherrin der Dynastie, Himmels- und Meeresgottheit sowie als Fruchtbarkeitsgöttin verehrt wurde. Ihre Verbundenheit mit Eschmun manifestiert sich in ihrem Beinamen šm b’l (»Name von Baal«). Für diese beiden Götter errichtete König Eschmunazar in der Stadt selbst einen Doppeltempel oder zwei nebeneinander liegende Tempel. Astarte wurde auch in Tyros, wo sie gemeinsam mit Melkart, dem tyrischen Baal, auftrat, als wichtigste Göttin verehrt. Ihr aggressiver, kriegerischer Charakter ergibt sich aus ihrer Nennung im Vertrag zwischen Tyros und Assyrien aus dem 7. Jahrhundert, in dem sie angerufen wird, die Bögen möglicher Vertragsbrüchiger zu zerschmettern.17 Josephus zufolge hatte Hiram bereits im 10. Jahrhundert ihren Tempel zusammen mit dem von Melkart wiederaufbauen lassen. Eine ähnliche Konstellation fand sich bei Ausgrabungen im südlich benachbarten Umm el-Amed, wo offenbar in hellenistischer Zeit ein Doppelheiligtum für Astarte und Milkastart (eine lokale Manifestation von Astarte und Mel
kart) errichtet wurde. In der Mitte des 1. Jahrtausends entstanden zahlreiche sich rasch verbreitende Kulte für Götter mit zusammengesetzten Namen (Eschmun-Melkart, Milkastart, Shed-Horôn, Reschuf-Shed). Der Fund einer Elfenbeintafel mit einer Weihinschrift für TanitAstarte aus Sarepta belegt die enge Verbindung dieser beiden Göttinnen und bestätigt Tanits Herkunft vom phönizischen Festland. Ihr Kult war seit dem 5. Jahrhundert v. Chr. in Karthago und dem punischen Westen sehr beliebt. Tyros’ höchste männliche Gottheit war Melkart, dessen Name (Milk-qart, »König der Stadt«) auf seine Hauptfunktion als Gott der Stadtdynastie hinweist. Melkart scheint die göttliche Personifikation oder Hypostase des Ideals eines Phönizierkönigs gewesen zu sein und wurde als solcher als Stadtgründer und Schutzherr der weitgestreuten kolonialen Interessen verehrt. In diesem Zusammenhang spielte er bei der Gründung der wichtigsten tyrischen Kolonien (Kition, Karthago, Cádiz) eine große Rolle. Wie Astarte war auch Melkarts Persönlichkeit breit gefächert. Zu seinen göttlichen Merkmalen gehören Aspekte der landwirtschaftlichen, maritimen, zivilen, dynastischen und sogar der Unterwelt. Eine solche funktionale Flexibilität zeichnete wahrscheinlich viele der wichtigsten Götter Phöniziens in einer Zeit aus, in der sich göttliche Macht zunehmend in einem immer kleiner werdenden Pantheon konzentrierte. In vielen Texthinweisen auf die regionalen Manifestationen von Baal wird dessen Charakter als oberster Gott des Sturms und als funktionales Oberhaupt der phöni
Stele mit einer Darstellung von König Yehaumilk vor der thronenden Figur von Baalat Gūbla. Byblos, Libanon, 5. Jahrhundert v. Chr. Die Inschrift erinnert an Yehaumilks Bautätigkeit im Heiligtum von Baalat Gūbla.
zischen Hierarchie betont. Epigraphisch taucht er selten ohne Beinamen (d. h. Marqod, Malaga, Addir [»mächtig«]) oder ein Toponym (z. B. Baal Sidon) auf. Erwartungsgemäß verbinden sich viele Manifestationen von Baal mit Heiligtümern auf Bergen oder Vorgebirgen wie den Amanus-Bergen (Hammon [hmn]), der Saphon-Casius (Sapon [spn]), dem Libanongebirge (Libanon [lbnn]) und den Bergen Hermon, Tabor und Karmel. Meist tritt Baal in verschiedenen Manifestationen als Sturmgott auf (wie Baal Saphon und Baal Schamem). Der Saphon (heute Djebel el-Aqra in Nordsyrien) war der Sitz des Sturmgottes. In der Mythologie von Ugarit hatte Baal hier sei-
nen Palast. Dieser Berg, der die syrische Küste mit einer Höhe von über 1700 m überragt, war sicherlich ein Ansteuerungspunkt von See aus, so wie es auch der Berg Karmel und die Landspitze von Ras en-Naqura (wahrscheinlich der Sitz von Baal Rôsh (r’s), »Herr des Kaps«) südlich von Tyros waren. Als Sturmgötter stellten Baal Schamem und Baal Saphon eine Bedrohung für die Seefahrt an der Küste dar und im Seevertrag zwischen Tyros und Assyrien wurden beide als Autoritäten angerufen, die mögliche Vertragsbrüchige mit Schiffbruch strafen konnten: »Mögen [sie] einen bösen Wind zu euren Schiffen schicken, ihre Takelage zerreißen und die Masten davontragen«.18
Kosmogonie Es gibt wenig Hinweise darauf, welche Vorstellungen die Phönizier von der Entstehung der Welt hatten. Die einzig verfügbare Quelle ist ein Bericht von Philo von Byblos aus römischer Zeit (der in Auszügen des Kirchenvaters Eusebios von Cäsarea aus dem 4. Jahrhundert n. Chr. erhalten ist). Die Quelle zählt eine Reihe von Kosmogonien auf, die angeblich aus den Schriften von Sanchuniathon, einem phönizischen Priester aus Beirut stammen.19 In vielen Teilen ist Philos Bericht mit Ableitungen aus der griechischen Mythologie vermischt, durch Parallelen aus spätbronzezeitlichen mythologischen Texten aus Ugarit lassen sich jedoch zumindest einige grundlegende Elemente verifizieren. In Philos göttlicher Gene
alogie treten die Götter El (Kronos) und Dagon (griechisch Siton, »Korn«) hervor, die beide auch in der Literatur Ugarits vorkommen. In deren Götterliste wird El (semitisch »Gott«) als »Vater der Menschheit« bezeichnet. Seine Rolle als Schöpfergott wird durch den Zusatz ’l qn ’rs (»El, Schöpfer der Erde«) bestätigt, der auf einer phönizischen Inschrift aus Kilikien aus dem 8. Jahrhundert v. Chr. erhalten ist.20 Auch den Kult von Dagon gab es nachweislich im Herrschaftsgebiet der Phönizier.21 Nach Philos Schöpfungserzählung entstand die Welt aus einem ursprünglichen Chaos. Ein dunkles stürmisches Gas, das von einem »Mot« genannten Schlamm oder Schleim ausging, brachte den Schöpfungsprozess in Gang. In seinem Bericht von den Ursprüngen der Kultur ist es der Handwerkergott Chusor (Kothar [»der Geschickte«] aus Ugarit), der die Eisenverarbeitungstechnik einführt, eine passende Eigenschaft für einen göttlichen phönizischen Unternehmer.
Kultische Bräuche Die kultischen Kalender der verschiedenen Phönizierstädte wurden von einer vorgeschriebenen Folge von Festen und Feiern um den landwirtschaft lichen Zyklus bestimmt. Zur Feier des neuen Jahres und zu Beginn der Pflug- und Erntezeit wurden Opfer dargebracht; verschiedene Texte lassen vermuten, dass die Verehrung von Sonne und Mond im phönizischen Kalender, der sich nach der Erscheinung des Neumondes richtete, eine
wichtige Rolle spielten. Zum Jahreszyklus gehörte das Frühjahrserwachen beziehungsweise die Auferstehung verschiedener Vegetationsgötter wie Melkart in Tyros oder Eschmun in Sidon. Beim Melkart-Fest in Tyros (das im Februar oder März stattfand), wurde ein Bildnis des Gottes in einem rituellen Feuer verbrannt, der anschließend durch eine zeremonielle Heirat mit seiner Gemahlin Astarte wieder zum Leben erweckt wurde. Dieses Ritual pries nicht nur die zyklische Wiedergeburt der Natur, sondern auch die kosmische Ordnung, über die Melkart und der König von Tyros herrschten. Ein zentrales Element des phönizischen Kultes war der marzeh (punisch mrzh, »Ort der Wiedervereinigung«), eine religiöse Vereinigung, die sich auf einen bestimmten Gott oder Tempelkomplex konzentrierte. Diese Institution, die regelmäßig religiöse Feiern oder Leichenmahle abhielt, muss sehr alt gewesen sein, denn der Name tritt bereits in spätbronzezeitlichen Texten aus Ugarit auf und bezeichnet rituelle Mahle, die zu Ehren von vergöttlichten Vorfahren oder rephaim abgehalten wurden. Der phönizische marzeh (der Ausdruck bezeichnet sowohl die Institution als auch das Fest) war offenbar eine Zusammenkunft der sozialen Oberschicht. Wie bei der griechischen Entsprechung, dem thiasos, gehörten zu den Feiern neben Weihgeschenken und Opfern auch Trinkgelage: bezeichnenderweise findet sich die wahrscheinlich früheste Nennung auf dem Festland denn auch auf einem bronzenen Weinbecher.22 Eine weitere alte phönizische Einrichtung war die heilige Prostitution, die besonders mit dem Kult der Astarte ver
bunden war.23 Eine Inschrift aus dem 5. Jahrhundert von Kition auf Zypern zählt unter dem Personal des Astarte Tempels sowohl männliche als auch weibliche Prostituierte auf. Der griechische Historiker Herodot berichtet von einem zypriotischen Brauch (der wahrscheinlich junge, unverheiratete Jungfrauen betraf), nach dem sich einheimische Frauen in Erfüllung eines religiösen Eides oder einer Verpflichtung anboten.24 Diese Beschreibung könnte auf den zypriotischen Astarte-Kult in Kition, Amathus und Paphos zutreffen. Die literarischen Belege für rituelle Prostitution im phönizischen Kernland sind, auch wenn sie aus der Römerzeit stammen, gleiKalksteinstele mit Priesterfigur. Umm el-Amed, Libanon, 4.–3. Jahrhundert v. Chr.
chermaßen überzeugend. Dass sie überwiegend in den Astarte-Kulten von Byblos, Heliopolis/Baalbek und Afqa auftritt, belegt ihre Priorität im Heimatland der Phönizier. Inschriften belegen, dass die öffentliche Verehrung in den Heiligtümern der Stadt von einem professionellem Klerus überwacht wurde. An der Spitze der religiösen Hierarchie stand der Hohepriester oder die
Hohepriesterin, der bzw. die über die kultischen Angelegenheiten der Stadt wachte. Funde in Byblos und Sidon lassen vermuten, dass diese Position eng mit dem Königshaus verbunden war. Zumindest während der Perserzeit war oft mals der König selbst oder ein Mitglied aus dem engsten Familienkreis (u. a. die Königinmutter) Priester oder Priesterin der herrschenden Gottheit: Baalat Gūbla in Byblos oder Astarte in Sidon. Im Allgemeinen scheint die Priesterschaft eine erbliche Institution gewesen zu sein, die sich aus den Rängen der städtischen Aristokratie zusammensetzte. Auf hellenistischen Stelen in Umm el-Amed erscheinen die Mitglieder der Priesterschaft barfüßig und glattrasiert, mit einem turbanartigen Hut und einer langen, gewobenen Tunika mit weiten Ärmeln. Eine gefaltete Stola aus dünnem Stoff, ein Attribut der Priester, hängt über der linken Schulter. Der lateinische Autor Silius Italicus schrieb, dass die Priester des Melkart-Tempels von Gades (Cádiz) weiße Kleider trugen, ihre Köpfe rasierten und sexuell enthaltsam lebten.25 Einen seltenen Einblick in die Unterschiedlichkeit der im Dienst der phönizischen Tempel stehenden Personen gibt eine Inschrift aus dem Heiligtum der Astarte in Kition. Die Liste zählt Schreiber, Chormitglieder, Metzger, Bäcker, Barbiere, Diener, einen »Wassermeister« und einen »Opferpriester« auf. Eine Keramikschale aus dem Heiligtum zeigt die Bedeutung des rituellen Haareschneidens. Die von einem Mann namens Moula aus der Nachbarstadt Tamassos in die Schale eingeritzte Inschrift besagt, dass er seinen Kopf zu Ehren der Göttin gescho
Rot engobierte Schale mit Haaren als Dankopfer an die Göttin Astarte. Großer Tempel von Kition, Zypern, 9. Jahrhundert v. Chr.
ren habe, die »sein Gebet erhört habe«. Aus Dankbarkeit schenkte er ihr die Schale mit seinem Haar als Weihgabe von sich und seiner Familie.26 Das in den Inschriften auf den Funden von Kition genannte Amt des »Opferpriesters« bezieht sich auf einen wichtigen Aspekt der phönizischen Rituale, über das jedoch nicht viel bekannt ist. Zeitgleiche Parallelen aus dem Alten Testament lassen vermuten, dass Blut- und Brandopfer ein gemeinsamer Brauch aller phönizischen Gläubigen waren. Die in der Asche des Altars eines Tempel von Kition gefundenen Reste verkohlter Knochen belegen die rituelle Opferung von Lämmern und Schafen; Moula opferte beides der Astarte.27 Die Opferung und der Verzehr von Schweinen waren den Schriften zufolge tabu. Leider sind von der phönizischen Liturgie wenig mehr als lediglich einige formelhafte Ausdrücke wie: »Möge
[die Gottheit] dich schützen« oder »Möge er deine Stimme hören« bekannt. Im deutlichen Unterschied zu Ugarit und dem mesopotamischen Königreich sind weder Lieder noch Gebete oder Orakelsprüche überliefert, die ein Licht auf die Zeremonien werfen könnten. Das Fehlen schriftlicher Texte macht es notwendig, sich zur Rekonstruktion der phönizischen Kultpraxis verstärkt auf die Interpretation von Votivszenen zu verlassen. Verzierte Siegel und Votivstelen zeigen Gläubige in verschiedenen Gebetshaltungen, wobei entweder die rechte Hand zum Mund geführt oder auch beide Hände erhoben oder auf Hüfthöhe gefaltet wurden. Phönizische Metallschalen oder Elfenbeingegenstände zeigen Kulttänzerinnen und Musiker in einer Votivprozession vor einer thronenden Gottheit oder Priesterin. Letztere erscheint mit einer Lotosblüte, einem Granatapfel oder einer flachen Schale in der Hand vor einem dreifüßigen Altar oder Opfertisch.28 Die Musiker spielen traditionelle Instrumente wie die Doppelflöte, die Leier oder das Tamburin. Von Frauen geweihte Terrakottafiguren tragen oftmals ein Tamburin in der Hand. Wie bei den Ägyptern wurden die rituellen Handlungen von Gesang oder Inkantationen begleitet. Im Bericht des Kition-Tempels werden kultische Sänger (šrm) erwähnt. Auch das Tragen von rituellen Masken könnte bei der professionellen Ausübung der Riten eine wichtige Rolle gespielt haben.29 Weihinschriften und figürliche Reliefs zeigen, dass Dankopfer den Göttern meist in Form von Weihrauch, Parfum, Milch, Öl, Wein, Honig, Obst und Brot dargeboten wurden. Bei Trankopfern wurden häufig flache Scha
len (phialai) verwendet, antiken Quellen zufolge sah der Ritus vor, dass sie in einen Kultteich oder ein Kultbecken geworfen wurden. Auf einer phönizischen Silberschale aus dem etruskischen Caere ist eine Trankopferszene mit einer Prozession weiblicher hydrophoroi (Wasserträgerinnen) in durchscheinenden Gewändern dargestellt.30 Aus anderen Szenen geht hervor, dass die Opferung und das Verbrennen von Weihrauch den Phöniziern als wichtiger Akt der Frömmigkeit galt; ein mit Blütenblättern verzierter Leuchter oder ein Gefäß zum Verbrennen von Weihrauch könnten dabei als Symbol der göttlichen Präsenz gedient haben.31 Im phönizischen Herrschaftsbereich stellten auch andere anikonische (d. h. nicht figürliche) Symbole den Sitz oder die Präsenz einer Gottheit dar. So ersetzte z. B. der asherah,32 eine kleine Votivsäule oder ein Holzpfahl den gleichnamigen heiligen Hain oder bewaldeten Tempelbezirk in der Nähe der phönizischen Kultstätten für Fruchtbarkeitsgötter wie den der Astarte in Afqa. Die monolithischen stehenden Steine in Form von Kegeln oder spitz zulaufenden Säulen, so genannte betyte, sind in der Kunst und der Literatur der Antike häufiger belegt. Ihr semitischer Name, der so viel wie »Heim des Gottes« bedeutet, erklärt ihre Funktion als Symbol für die Präsenz und den Sitz der Gottheit. Als solche standen sie im Zentrum des eigentlichen Heiligtums vor dem Altar oder Opfertisch. Der betyl oder massebah, (der sog. msbh, »gekleideter Stein«), wie er im Alten Testament auch genannt wird, stand einzeln oder in Gruppen von zwei oder drei Exemplaren, direkt auf dem Boden der Kultstätte oder etwas er
höht auf einem steinernen Sockel. Ausgrabungen am Heiligtum von Sarepta aus dem 8. Jahrhundert ergaben, dass der betyl vor einem Altar am Westende des Komplexes aufgestellt war. Jüngere archäologische Untersuchungen in Kommos auf Kreta brachten eine triadische Aufstellung solcher stehender Steine in einer intakten Fundsituation innerhalb der Tempelanlage zutage.33 Betyle von bis zu 1,5 m Höhe wurden an Marmorobelisk mit Inschrift aus Kition, Zypern, 4.–3. Jahrhundert v. Chr. Die phönizische Inschrift am Fuß der Stele ist eine Weihung an Eschmun-Adonis. In der Inschrift wird das Monument als massebah bezeichnet.
verschiedenen westphönizischen Orten gefunden, z. B. in Mozia und Mogador.34 Die antiken Quellen bezeugen das Bestehen der phönizischen Verehrung der betyle bis weit in römische Zeit hinein. Zwei berühmte Aufstellungssituationen, im Tempel von Baalat Gūbla in Byblos und im Astarte-Heiligtum von Paphos, erscheinen auf kaiserzeitlichen Münzen. Der lateinische Historiker Tacitus schrieb, dass die Münze mit dem Bild des Heiligtums von Paphos anlässlich des offiziellen Besuches von Kaiser Titus (79–81 n. Chr.) geprägt wurde.35 Wie in vielen nahöstlichen Religionen scheint die Divination auch im phönizischen Kult eine große Rolle ge
spielt haben. Zeichen und Omen wurden auf verschiedene Weise durch das Studium von Träumen, Tiereingeweiden und übernatürlichen Phänomenen interpretiert. Die Deutung der Flugbahn von Pfeilen könnte ebenfalls eine große Rolle gespielt haben, wenn man einige frühe phönizische Pfeilspitzen mit Inschriften dahingehend interpretiert.36 Darüber hinaus verließ man sich auf die von einem Tempelorakel geäußerten Prophezeiungen. Hier teilte sich der Gott durch die Vermittlung eines Priesters oder kultischen Mediums mit, der die göttliche Botschaft in Trance oder Ekstase äußerte.37 Der biblische Bericht des Wettstreits zwischen dem israelitischen Propheten Elias und dem Propheten Baal am Berg Karmel gibt einen Einblick in die prophetischen Techniken, die die phönizische Priesterschaft anwandte. In Verbindung mit Brandopfern fügten sich die Propheten Baals selbst Verletzungen zu, während sie fieberhaft tanzten und die Gottheit mit rituellen Schreien anriefen.38 Die archäologischen Funde belegen die Fülle von Formen phönizischer Votivgaben. Das Repertoire reichte von metallenen Waffen, Utensilien und Gefäßen bis zu Weihtafeln und Stelen aus Terrakotta und Stein. Votivmodelle von Thronen und Miniaturaltären waren sehr beliebte Gaben. Das Bild eines leeren Throns, getragen von geflügelten Sphingen, bezeichnete den symbolischen Sitz des Gottes. Im Falle der Göttin Astarte gab es auch großformatige Darstellungen in Stein wie sie z. B. im Eschmun-Tempel in Sidon gefunden wurden. Die häufigste Form der Votivgabe war die Bronze- oder Terrakottadarstellung eines Gläubigen oder einer Gottheit. In großen
Blick auf den Schrein von Tanit-Astarte in Sarepta, Libanon, mit dem Aufstellungsort eines betyls und einem Altar/Opfertisch.
Mengen nach Abdruckmodellen gefertigt, füllten solche Terrakottatafeln und Statuen die öffentlichen Bereiche der phönizischen Heiligtümer. Die gesammelten Votivgaben wurden regelmäßig abgeräumt und in besonderen Gruben oder Gräben, den so genannten favissae, gelagert. Die Entdeckung dieses reichen Votivmaterials liefert viele archäologische Hinweise zum Verständnis der phönizischen Kultverehrung.39 Darüber hinaus verschaffen solche Votivgaben auch Einblicke in andere wichtige Aspekte der phönizischen Religion, nämlich den privaten, häuslichen Kult. Zu Hause bzw. an öffentlichen oder ländlichen Heiligtümern praktiziert, konzentrierte sich die Volksreligion auf die Belange, die für die Familie wichtig waren, sie drehte sich oft um Gesundheit und Sicherheit von Frauen und Kindern.40 Insbesondere wurde
Terrakottastatuette einer schwangeren Muttergottheit, 8.–6. Jahrhundert v. Chr., Herkunft unbekannt. Solche Figuren, die in sitzender Haltung mit einer Hand über dem Unterleib dargestellt sind, wurden von Frauen geopfert, die sich eine sichere Schwangerschaft und eine leichte Geburt wünschten.
um Fruchtbarkeit für Frauen und den Schutz der Kinder gebeten, wie zahlreiche, nach Abdruckmodellen gefertigte Terrakottafiguren verschleierter Schwangerer zeigen. Ikonographisch lehnen sich diese Figuren an die große Muttergottheit Astarte an, deren Verehrung durch andere Formen sitzender oder stehender unbekleideter Frauenfiguren belegt ist. Von den Phöniziern wurde Astarte auch in natürlichen Höhlen oder Grotten verehrt. Eine solche Grotte für die Göttin in Wasta, südlich von Adlun, zeugt von dieser beliebten Form der Verehrung. Die Wände waren mit Graffiti in Form weiblicher Genitalien verziert. Eine Reihe von Höhlen, die Astarte geweiht waren, wurden später zu Orten der Verehrung der Jungfrau Maria. Ein weiterer Aspekt des privaten Kultes war die Anbetung übernommener ägyptischer Gottheiten wie Amun, Bes, Bastet, Osiris, Isis und des Kindgottes Horus.41 Inschriften an unterschiedlichen Orten und Eigennamen zeigen, wie weit sich deren Verehrung im phönizischen Herrschaftsbereich ausgebreitet hatte. Der Einfluss des ägyptischen Gottes Amun, des Oberhauptes der gött
Terrakottavase in Form des ägyptischen Gottes Bes. Kition, Zypern, 6.–4. Jahrhundert v. Chr.
lichen thebanischen Hierarchie, auf den phönizischen Kult ist im Umfeld der Königshäuser bereits früh nachweisbar. Mit Ausnahme von Amun und Osiris standen die von den Phöniziern übernommenen ägyptischen Götter meist in enger Verbindung mit dem Schutz von Frauen und Kindern. Die Beliebtheit der Muttergottheit Isis und des löwenartigen, zwergwüchsigen Gottes Bes seit der Mitte des 1. Jahrtausends v. Chr. belegt die wachsende Bedeutung ägyptisch beeinflusster phönizischer Kulte im Dienste von Heilung, Fruchtbarkeit und magischem Schutz. Weiterhin wurden die Götter Sched, Schadrapa, Ptah-patek und Horôn angebetet. Die Schwierigkeiten bei der Zusammenfügung der Mosaiksteine phönizischer Religion zur Datierung der Götterbilder sind ernüchternd. Dass es nur wenige Votivfiguren mit Inschriften gibt, kompliziert das Problem noch. Es gibt z. B. nur wenige eindeutig identifizierbare Bilder von Eschmun oder Melkart.42 Letzterer scheint seit dem 6. Jahrhundert v. Chr. mit Herakles in Verbindung gebracht worden zu sein, denn Darstellungen vor allem aus Zypern zeigen ihn mit der Keule und dem Löwenfell des griechischen Helden. Es ist jedoch nicht klar, wie weit diese Verbindung außerhalb der Insel reichte. Zahlreiche
Bronzefiguren aus der Levante, die einen bewaffneten Kriegsgott in Angriffsstellung zeigen, wurden mit Reschef assoziiert. Doch keine dieser Statuetten stammt aus einem gesicherten Kontext im phönizischen Kernland. Die Art der Figuren scheint ganz im Gegenteil eher spätbronzezeitlich und nordsyrischer oder südanatolischer Herkunft zu sein. Die gleichen Unsicherheiten bestehen in Bezug auf die Interpretation der phönizischen Astarte. Die Darstellung einer stehenden nackten Göttin mit vor der Brust gefalteten Händen stammt ebenfalls eher aus Nordsyrien denn aus Phönizien. Die phönizischen Darstellungen dieses Typus könnten zwar Astarte zeigen, die Zuschreibung ist jedoch nicht ganz eindeutig. Bei der Figur der sitzenden Schwangeren im phönizischen Herrschaftsbereich stellt sich dasselbe Problem.43 Von den vielen Darstellungen kann nur eine sitzende weibliche Bronzefigur aus El Carambolo in Spanien durch eine Inschrift als Astarte identifiziert werden, die andernorts mit einem von Sphingen getragenen Thron auftritt. Was lässt sich aus der Mehrdeutigkeit der Darstellung bei den phönizischen Votivbildern schließen? Möglicherweise gibt der Aspekt des Anikonismus der phönizischen Religion eine Antwort darauf. Wie Bronzestatuette der sitzenden nackten Astarte mit Inschrift. El Carambolo bei Sevilla, Spanien.
bereits festgestellt wurde, ist die Tendenz zur nicht figürlichen Darstellung ein herausragendes Charakteristikum im Eschmun-Heiligtum von Sidon. Dort wurden keine Kultstatuen für Eschmun oder Astarte gefunden, die vorhandenen Kultbilder stellen leere, von Sphingen getragene Throne, mehrere unverzierte Steinurnen und einen pyramidalen cippus (einen pfeilerartigen Markierungsstein) dar.44 Die bewusste Weigerung, eine Gottheit zu personifizieren, leitet sich aus einer langen Kulttradition unfigürlicher Repräsentation her, die bereits in den frühbronzezeitlichen Heiligtümern von Byblos auff ällt. Die Tradition, in der der betyl bzw. die stehenden Steine als göttliche Symbole galten, war im phönizischen Machtbereich bedeutend und dauerhaft. Wie sich zeigen wird, herrschte in der westlichen punischen Welt ebenfalls die Tendenz zur unfigürlichen Darstellung vor.
Kultstätten Wie in anderen Bereichen der phönizischen Kultur wird auch das Studium der Tempelarchitektur durch die geringe Menge archäologischer Daten erschwert. Weder aus der späten Bronzezeit noch aus der frühen Eisenzeit konnten im Kernland frühe phönizische Kultstätten gefunden werden. Die meisten der vorhandenen Heiligtümer stammen aus der hellenistischen und römischen Zeit, in der bereits bestehende Bauten radikal umgebaut oder neu wiederaufgebaut wurden. Dennoch lassen sich zwei verschiedene Arten phöni
Astartekapelle mit Sphingenthron und angrenzendem Becken. Eschmun-Heiligtum, Bustan el-Sheikh, Sidon, Libanon, 4. Jahrhundert v. Chr.
zischer Tempelanlagen herausstellen: Ein Bezirk unter freiem Himmel (in der Regel mit den bamah, den im Alten Testament genannten »Hohen Opferplätzen« gleichgesetzt) und die eigentlichen Tempelbauten. Die offenen Bezirke bestanden normalerweise aus einem gepflasterten offenen Platz, dem témenos, an erhöhter Stelle, auf dem sich z. B. ein betyl, Altar oder Schrein (naiskos) als eigentlicher Ort des Kultes befand. Nach Möglichkeit lag er an exponierter Stelle, auf einem Berggipfel, einem Grat oder auf der Spitze eines Hügels in der Nachbarschaft der Stadt. In einem ebenen, flachen Gelände oder innerhalb eines Ortes lagen die Tempel im Freien auf künstlichen Plattformen oder Terrassen. Das klassische Beispiel eines hohen Opferplatzes ist der so genannte Ma’abed in Amrit, ein großer offener Bereich, der in den Hang eines Hügels über dem Nahr-Amrit-Tal eingetieft wurde. In seinem Zentrum befand sich auf einem monolithischen Steinsockel mit einer Größe von etwa 5 × 5 m eine gemauerte, quaderförmige Kapelle.
Das in den Fels gehauene Becken, das, wie die Erosionen an der Basis des Monuments zeigen, einst mit Wasser gefüllt war, misst 47 × 39 m und ist über 3 m tief. Ursprünglich war es an drei Seiten von einer überdachten Portikus mit quadratischen Säulen eingefasst. Der früheste Bau an dieser Stelle kann anhand eines noch älteren Grabens für Votivgaben durch darin gefundene Statuetten sowie zwei phönizische Weihgeschenke auf das Ende des 6. Jahrhunderts datiert werden. Die Funde lassen darauf schließen, dass der Kult dem Gott Eschmun gewidmet war. Im benachbarten Aïn el-Hayat stehen sich in einem Heiligtum vergleichbarer Zeit und ähnlicher Art in einem flachen, natürlichen Teich zwei Kapellen gegenüber. Bei der besser erhaltenen westlichen Kapelle handelt es sich um einen monolithischen Bau auf einem Kubus mit einer Grundfläche von etwa 3 × 3 m. In der für die phönizischen naiskoi typischen Art und Weise wurde über dem Eingang ein ägyptisierendes Gebälk mit einem hervorstehendem Architrav und einem Fries mit einer Reihe von uraei, heiligen Schlangen, unter Sonnenscheiben angebracht. Die Doppelanlage und seine natürliche Wasserquelle unterscheiden dieses Heiligtum von Ma’abed.45 Das monumentalste Beispiel für ein phönizisches Heiligtum unter offenem Himmel ist der Eschmun-Tempel von Bustan el-Sheikh bei Sidon.46 Der ursprüngliche Komplex, der auf das frühe 6. Jahrhundert zurückgeht, wurde durch eine massive, stumpfe Pyramide (auf einer Fläche von 60 × 37 m) beherrscht, der einem Zikkurat äh
nelte. In der frühen Perserzeit wurde dieser Bau durch ein monumentales rechteckiges Podium aus Quadern (70 × 50 m groß) auf einer künstlichen Terrasse im Hang ersetzt, die etwa 22 m über dem Talgrund lag. Im Zentrum eines weiteren heiligen Bezirks unter freiem Himmel auf einer darüber liegenden Terrasse stand ein prismatischer Altar aus behauenen Steinen mit einer großen Treppe an der Westseite. Später wurde dieser Bezirk um ein mit einem Basisrelief mit hellenischen Göttern und Tänzern verzierten Marmoraltar (die »Tribüne von Eschmun«) sowie eine große, auf einen gepflasterten Teich geöffnete Kapelle für Astarte mit einem zentralen Sphingenthron ergänzt. Beide Bauten wurden im 4. Jahrhundert v. Chr. am Fuß des Podiums errichtet. Das Heiligtum der Sidonier verfügte über ein kompliziertes System von Wasserkanälen und Becken, die Nahr el-Awwali mit der »Ydlal-Quelle« verbanden. Letztere wird in einer Inschrift aus dem 14. Regierungsjahr des Sidonierkönigs Bodaschtart erwähnt und diente offenbar als Ort für rituelle Waschungen. Derartige Wasserarchitekturen bezeugen die Bedeutung der Wasserriten bei den therapeutischen Kulten der Phönizier. Das kürzlich ausgegrabene Heiligtum im Bamboula-Viertel von Kition unterstreicht diese Tatsache.47 Bemerkenswert ist auch Umm el-Amed südlich von Tyros, wo sich auf einer natürlichen Anhöhe ein großer offener Bereich mit zwei nebeneinander stehenden Tempeln befindet. Zwar stammen die bestehenden Bauten aus hellenistischer Zeit, doch geht die Gesamtanlage mit den beiden schmalen, erhöhten Schreinen innerhalb eingefriedeter
Höfe wahrscheinlich auf Vorgängerbauten aus der Perserzeit zurück.48 Ein solcher Tempelbezirk mit Portikus und zentralem betyl ist auf einer römischen Münze aus Byblos aus dem 3. Jahrhundert dargestellt und beweist das Festhalten an der phönizischen Anlage unter freiem Himmel auch nach mehreren späteren Um- und Neubauphasen. Von den berühmten überdachten Tempelbauten der Phönizier, von denen die antiken Quellen berichten, entdeckte man nur sehr wenige archäologische Spuren. Bisher wurde im phönizischen Kernland kein Hinweis auf ein großes eisenzeitliches Stadtheiligtum gefunden. Tempel I des Kathari-Bezirkes von Kition auf Zypern ist bislang das einzige ausgegrabene Beispiel für ein monumentales Heiligtum aus dem phönizischen Osten. Während seiner drei Bauphasen zwischen ca. 850 v. Chr. bis 400 v. Chr. bestand das auf den Fundamenten eines früheren spätbronzezeitlichen Heiligtums errichtete Gebäude aus einem geräumigen, halbüberdachten Hof mit seitlichen Portiken und einem nicht überdachten Mittelgang. Das Ganze führte am hinteren Ende auf einen flachen, erhöhten Raum oder ein Allerheiligstes zu, dessen Eingang von zwei rechteckigen, freistehenden Säulen aus Quadern flankiert wurde. Weder Ausgrabungen noch antike Quellen geben Hinweise auf die Größe der Stadtheiligtümer im phönizischen Kernland. Wenn man jedoch nach den noch bestehenden Kapellen wie der von Amrit urteilt, waren sie wohl nicht monumental. Im Heiligtum von Baalat Gūbla in Byblos fällt in diesem Zusammenhang eine Plinthe mit flankierenden Säulenbasen auf, die die Lage einer
Die Terrakottatafel zeigt den König von Byblos vor Baalat Gūbla in einer Art Weihstätte. Byblos, Libanon, 5. Jahrhundert v. Chr.
großen Portikus markiert, die König Yehaumilk zu Ehren der Göttin errichtete.49 Kürzlich wurde die Hypothese aufgestellt, dass diese Portikus (und die Stele darin) auf einer dort gefundenen Terrakottatafel, die eine hohe Tempelfassade mit ionischen Säulen, ein Gebälk mit geflügelter Sonnenscheibe und Akrotere (Giebelverzierungen) mit dem Bild liegender Löwen zeigt, dargestellt wurde.50 Nimmt man die Proportionen auf der Tafel als Maßstab, so war der Bau Yehaumilks, der etwa 6,5 m breit war, etwas weniger als 10 m hoch.
Trotz ihrer begrenzten Zahl belegen die archäologischen Zeugnisse aus dem Kernland die Vermutung, dass die überdachten phönizischen Tempel recht bescheidene Ausmaße besaßen. Bei den ausgegrabenen eisenzeitlichen Schreinen von Tell Sukas, Sarepta und Tell Arqa handelt es sich um einfache Rechteckbauten von mäßiger Größe. Auch die beiden hellenistischen Tempel von Umm el-Amed und Kharayeb wiesen eher bescheidene Proportionen auf. Selbst wenn man davon ausgeht, dass die wichtigsten Tempel in Tyros, Sidon und Arwad größer waren als die eben vorgestellten Anlagen, waren sie im Vergleich wohl wesentlich kleiner als die Tempelkomplexe, die in der frühen Bronze- und späten Eisenzeit in Syrien-Palästina existiert haben müssen. Nach Josephus schloss Hirams Bauprogramm in Tyros auch den Wiederaufbau und die Erneuerung der städtischen Heiligtümer für Melkart und Astarte ein. Zwar werden keine Einzelheiten genannt, es kann jedoch davon ausgegangen werden, dass sich in einer blühenden Stadt, in der Bauland bereits sehr rar war, solche Ausbauten eher in die Höhe denn in die Fläche erstreckten, wodurch sie auch besser sichtbar waren. Das auff ällig hohe Gebäude, das auf einem assyrischen Relief aus dem späten 8. Jahrhundert die Stadtlandschaft von Tyros überragt, würde diese Vermutung unterstützen, sofern seine Deutung als Tempel von Melkart richtig ist. Wenn der Herakles-Tempel (Baal Schamem) auf dem Eiland, das Hiram mit der Hauptinsel verbinden ließ, für die Schiffe auf ihrem Weg in die Stadt als Leuchtturm oder Land
marke diente, so muss auch dieses Gebäude von beeindruckender Höhe gewesen sein. Die frisch renovierten tyrischen Heiligtümer mussten unweigerlich die Aufmerksamkeit König Salomos auf sich ziehen und ihr Anblick trug zumindest z. T. dazu bei, dass er König Hiram um phönizische Hilfe beim Bau seines eigenen monumentalen Tempels bat. Bei der Realisierung dieses stolzen Heiligtums mit seinen mehrstöckigen Nebenbauten verließ sich Salomo wahrscheinlich auf die Ingenieurskunst der Phönizier. Es stellt sich jedoch die Frage, inwieweit Aussehen und Konstruktion des Tempels der Israeliten von phönizischen Vorbildern beeinflusst waren. Nach Meinung des Autors kann der Einfluss aufgrund fehlender architektonischer Beispiele im phönizischen Kernland sowie der Beschreibung im Alten Testament nur sehr gering gewesen sein. Der Bibel zufolge wurden die Phönizier beauftragt, kultische Bronzegegenstände für den Tempel herzustellen und das Innere auszuschmücken.51 Für den Bau des Tempels selber lieferten sie nur das Zedernholz und halfen den israelitischen Arbeitern bei der Verarbeitung des Bauholzes und der Quadersteine.52 Sie steuerten also eher technisches Know-how bei als das architektonische Konzept. Die eisernen Säulen (Jachin und Boas), die Salomo bei den Phöniziern in Auftrag gab, könnten ihre Vorbilder in den monumentalen Zwillingssäulen gehabt haben, die Hiram im tyrischen Heiligtum für Baal Schamem aufstellen ließ, der Plan für die massive dreiteilige Konstruktion des salomonischen Tempels muss anderen Ursprungs gewesen sein. Vermut
lich geht er auf Vorbilder in Syrien oder Mesopotamien zurück, wo es traditionell axial ausgerichtete Tempel mit vielen Räumen gab.
Punische Religion
Das Pantheon Die Wurzeln der punischen Religion liegen im Osten. Karthago übernahm erwartungsgemäß die Kulte der Mutterstadt Tyros. Die ältesten Inschriften der Stadt nennen die Göttin Astarte und einen männlichen Gott Pumay (Pygmalion), einen ursprünglich zypriotischen Gott, dessen Name sich auch auf frühen phönizischen Inschriften aus Sardinien findet. Schriftdokumente aus Karthago zeigen, dass auch andere Götter aus dem phönizischen Kernland, wie z. B. Reschef, Baal Saphon und Schadrapa, verehrt wurden. Den höchsten Rang unter den frühen karthagischen Göttern bekleidete jedoch vermutlich Melkart. Der höchste Gott, Schutzpatron der tyrischen Kolonialunternehmung, spielte bei der legendären Gründung der punischen Stadt eine große Rolle. Elissa, die Gründerin Karthagos, war die Frau des tyrischen Hohepriesters von Melkart. Der Sage nach brachte sie die heiligen Reliquien des Gottes mit sich, um der Stadt seinen Schutz zu sichern. Die überlieferten Dokumente für die Verehrung Melkarts in Kartha
go stammen zwar aus relativ später Zeit, doch wird seine Popularität bereits durch seine besondere Stellung innerhalb der Götterhierarchie der Stadt deutlich: Melkarts Name tritt über 1500-mal in mehr als 25 verschiedenen karthagischen Personennamen auf, die auf die Frömmigkeit ihrer Träger hinweisen (z. B. Abdelmelkart [»Diener von Melkart«], Bomilkar [Bodmelkart, »In der Hand von Melkart«]). Die Historiker berichten, dass die punische Metropole jährlich eine Delegation zur Feier von Melkarts »Erwachen« nach Tyros schickte. Der Titel »Erwecker des Gottes« ist interessanterweise nur für Karthago, nicht jedoch für Tyros belegt. Seine besondere Verbindung mit den Namen von hochrangigen karthagischen Würdenträgern lässt vermuten, dass das jährliche Melkart-Fest große Bedeutung für die Stadt hatte.53 Seit frühester Zeit stand die Verehrung Melkarts in Karthago und andern punischen Städten in Konkurrenz zum Kult einer anderen männlichen Gottheit aus dem phönizischen Kernland, die ihn schließlich überflügelte: Baal Hammon, der nach einer Bergkette nördlich von Ugarit benannte »Herr von Amanus«. Wie der phönizische Dagon war Baal Hammon ein Gott der Landwirtschaft und wird in dieser Eigenschaft oft auf einem Thron mit einem Zepter mit Weizenähren an der Spitze dargestellt. Eine Stele aus Hadrumetum aus dem 5. Jahrhundert zeigt die erste erhaltene Darstellung des Gottes. In ein langes Gewand mit einer hohen Tiara gekleidet sitzt er mit der Lanze in der Hand auf einem von Sphingen flankierten Thron. Mit der erhobenen Rechten segnet er einen Anbeter, der eine Mütze auf dem Kopf trägt.54 Baal
Hammons Macht über das Land und seine Fruchtbarkeit machten ihn für die Einwohner Tunesiens, ein Land mit fruchtbaren Ebenen für den Weizen- und Obstanbau, sehr attraktiv. Seine Verehrung war daher nicht nur hier, sondern an der gesamten nordafrikanischen Küste verbreitet. Zu einem frühen Zeitpunkt ist der Kult von Hammon bereits in den Mittelmeerkolonien auf Malta, Sizilien und Sardinien belegt, wobei seine Einführung hier eher auf eine Übernahme aus dem Osten zurückzuführen ist. Seit dem 5. Jahrhundert v. Chr. trat Baal in Karthago zunehmend gemeinsam mit Tanit (punisch tnt), einer Göttin, die auf den Weihinschriften der Stelen aus dem tophet-Bezirk angerufen wird, auf Tanits Name erscheint vor dem Baal Hammons mit dem Zusatz pene baal (»Antlitz Baals«). Wie der Beiname shem baal (»Name Baals«) für die phönizische Astarte, ist dieser Zusatz ein Zeichen ihrer anfänglichen Abhängigkeit von Baal. Tanits Titel rabat (die weibliche Form von rab [»Oberhaupt«]), unterstreicht jedoch ihre Position als oberste Herrin. In Karthago blieben diese beiden Gottheiten lange untrennbar miteinander verbunden. Tanits funktionale Identität warf Diskussionen über ihre Beziehung zu Astarte auf, mit der sie sowohl im Osten als auch in Karthago eng verbunden war. Eine Inschrift aus dem karthagischen tophet nennt ein Heiligtum, in dem beide Göttinnen verehrt wurden.55 Wie Astarte ist auch Tanit eine komplexe Persönlichkeit. Viele ihrer göttlichen Aspekte, wie z. B. die Etymologie ihres Namens, bleiben unklar. Von Karthago aus verbreitete
sich ihre Verehrung in ganz Tunesien und den Mittelmeerkolonien, vor allem auf Sardinien. Auf Ibiza verehrte man sie in der Höhle von Es Cuieram, in der sie in Anlehnung an die ägyptische Muttergottheit Isis geflügelt dargestellt ist. Wie im phönizischen Mutterland spielten Astarte und Melkart auch in den punischen Kulten des zentralen und westlichen Mittelmeerraumes eine bedeutende Rolle. Der höchste Gott von Tyros wurde auf Malta, im marokkanischen Lixus und in Cádiz verehrt. Der für sein Orakel berühmte Tempel in Cádiz wurde an Reichtum und Bedeutung nur von dem in Tyros übertroffen. Astartes Rolle als Fruchtbarkeitsgöttin zeigt sich in verschiedenen Manifestationen, von denen einige eindeutig von bereits zuvor existierenden einheimischen Kulttraditionen beeinflusst waren. Auf Malta wurde sie als Tas Silg in einem punischen Tempelkomplex verehrt, der auf den Ruinen eines einheimischen megalithischen Heiligtums aus dem Chalkolithikum errichtet wurde. Auch der Kult der Göttin am Berg Eryx auf Sizilien ging aus ei-
Schreinförmige Stele mit zwei betylen. Burj al-Chemal bei Tyros, Libanon, 5. Jahrhundert v. Chr.
ner Symbiose Astartes mit eine einheimischen sizilischen Göttin hervor. Astartes schöpferische Kräfte manifestierten sich in ihrer Verbindung mit Kulten ritueller Prostitution. Ihr bekanntes Heiligtum am Eryx war dafür berühmt und Inschriften überliefern die Verbreitung dieses Kultes sowohl nach Sardinien als auch nach Nordafrika. Ein Text aus Sardinien nennt die Namen zweier heiliger Prostituierter im Dienst der Astarte vom Eryx: Mutter und Tochter namens Amotmelkart (»Dienerin Melkarts«) und Arischutbaal (»Von der göttlichen Gemahlin«).56 Das Astarte-Heiligtum von Sicca Veneria in Tunesien war für seine Riten heiliger Prostitution berühmt.57 Neuere Ausgrabungen im etruskischen Pyrgi belegten ähnliche Bräuche zu Ehren der Göttin. Die Religionsausübung der Punier wurde in Karthago ebenso stark von fremden Kulten, wie dem der ägyptischen Isis, beeinflusst wie im phönizischen Mutterland. Eine Inschrift aus Karthago zeigt, dass es hier im 3. bis 2. Jahrhundert v. Chr. einen Isis-Tempel gab.58 Wie Amulette belegen, wurde neben Isis selber im privaten Bereich auch ihr kindlicher Sohn Horus (Harpokrates) verehrt. Später wurde er mit dem punischen Gott Sched assimiliert, dessen Kult als Gott der Heilung in Sardinien weit verbreitet war. Der Einfluss des hellenistischen Sizilien auf Karthago wird durch die Einführung des Kultes für die Fruchtbarkeitsgöttinnen Demeter und Kore im 4. Jahrhundert v. Chr. greifbar. Inschriften belegen, dass die heiligen Riten zu ihren Ehren jährlich von einer zu ihrem Tempel gehörigen berufsmäßigen Priesterschaft
Votivstele mit dem Tanit-Zeichen. Aus dem tophet von Karthago, Tunesien, 4. Jahrhundert v. Chr. Die Stele trägt eine vierzeilige Inschrift mit einer Weihung an Tanit und Baal Hammon.
durchgeführt wurden. Einige Quellen berichten von beliebten magischreligiösen Riten, die von fremden Kulten beeinflusst waren. In einem karthagischen Spruch aus dem 3. Jahrhundert ruft eine Weihende die Göttin Hawwat an, ein übernaürliches Wesen, um ihre Hilfe in einem finanziellen Streit mit einer anderen Frau zu erbitten.59 Der Anikonismus in der punischen Religion zeigt sich in den heiligen Bildern auf Tausenden von Weihemonumenten in Karthago oder anderen punischen Orten in Nordafrika und dem ganzen Mittelmeerraum. Dazu zählen verschiedene längliche und flaschenförmige Symbole in kleinen naiskoi. Die häufigste Form ist der betyl, der spitz zulaufende aufrecht stehende Stein, der auch aus der phönizischen Religion bekannt ist. Er wird einzeln, aber auch in Zweier-, Dreier- oder Viererkonstellationen dargestellt. Die häufigste Art ist jedoch die Dreiergruppe mit einem hervorgehobenen Mittelstück. An
dere anikonische Bilder wie der Halbmond, die offene Hand (ein Symbol des Gebetes) und das so genannte »Tanit-Zeichen«, ein Dreieck unter einem horizontalen Arm und einer Scheibe werden allgemein mit der Göttin Tanit verbunden. Die Votivstelen liefern zusammen mit den überlieferten Opferlisten eine Fülle von Informationen bezüglich des weitverbreiteten Brauches von Tieropfern in der punischen Welt. Verschiedene Reliefdarstellungen zeigen, wie das Opfer (meist ein Lamm oder Schaf) in einer feierlichen Prozession von einem Priester oder einem Opferdiener zum Altar geführt wurde. Ihnen folgten der Opfernde und die Träger der rituellen Gegenstände (Äxte, Messer). Das Tier wurde geopfert, anschließend ließ man es ausbluten und legte den abgetrennten Kopf auf den Altar. Während das Opfer brannte, trug die opfernde Person, ein Weihrauchgefäß schwenkend, ein Opfergebet vor. Wenn das Fett und die Eingeweide verbrannt waren, wurde das Fleisch zerteilt und unter dem Weihenden und dem Opferpriester aufgeteilt, wobei Ersterer die Brust und die rechte Hüfte erhielt und Letzterer das übrige Fleisch und die Haut. Zum Schluss wurde die Asche des Opfers begraben und eine Votivstele aufgestellt.60
Der tophet-Bezirk und Kindesopfer Berühmt bzw. berüchtigt waren die Punier für eine andere Form des sakralen Rituals, nämlich die Opferung von Menschen, genauer gesagt von kleinen Kindern.
Die antiken Quellen sind voll von Hinweisen auf diesen Brauch, der den Phöniziern im Allgemeinen zugeschrieben wird, besonders aber mit den Karthagern in Verbindung gebracht wird. Am deutlichsten ist der griechische Historiker Kleitarchos aus dem frühen 3. Jahrhundert v. Chr. Er beschreibt, dass die Karthager versprachen, eines ihrer Kinder Kronos (der griechischen Entsprechung von Baal Hammon) zu opfern, um einen »großen Gefallen« zu erlangen. Weiter schildert er, wie das Kind in den Armen einer bronzenen Kultstatue verbrannt wurde, deren Hände über einer Schale ausgestreckt waren, in die das Opfer mit zusammengekrümmten Gliedern und einem zu einer lächelnden Grimasse verzerrten Gesicht hineinfiel.61 Spätere Autoren bieten weitere, manchmal sensationslüsterne Details. Plutarch erzählt von kinderlosen Paaren, die den Armen ihre Kinder abkauften, um sie zu opfern, und berichtet, dass deren Kehlen zum Klang von Flöten und Trommeln durchschnitten wurden, um ihre Schreie und das Wehklagen der Angehörigen zu übertönen. Nach den lateinischen Autoren Plinius und Silius Italicus wurden von den Karthagern jährlich Kindesopfer dargebracht. Der griechische Historiker Diodor schreibt, dass bei einer militärischen Krise öffentliche Kindesopfer durchgeführt wurden. Seinem Bericht nach opferten die Adligen von Karthago, als sie vom Tyrannen Agathokles belagert wurden, bis zu 200 ihrer leiblichen Kinder, um eine karthagische Gottheit zu besänftigen, die sie durch Vernachlässigung und den Missbrauch des Rituals beleidigt hatten: anstatt ihrer eigenen Kinder hatten sie Kin
der geopfert, die sie heimlich von Bürgern der Stadt gekauft hatten.62 Die archäologischen Untersuchungen des letzten Jahrhunderts erbrachten mittlerweile an vielen Orten Beweise für diesen punischen Brauch. Ausgrabungen im gesamten zentralen Mittelmeerraum, auf Sizilien, Sardinien und in Nordafrika, brachten mehrere umfriedete Bereiche unter freiem Himmel vor den Stadtmauern zutage, in denen die verbrannten Reste kleiner Kinder in TerrakottaUrnen entweder in natürlichen Höhlen oder in kleinen, steinernen Gruben beigesetzt wurden, die in den Fels geschlagen wurden.63 Osteologische Analysen ergaben, dass die verstorbenen Kleinkinder im Alter von bis zu 3 Jahren waren, darunter auch viele Frühgeburten.64 Ihr Geschlecht ist nicht festzustellen, denn in der Regel sind in den verbrannten Überresten nicht viel mehr als die Zähne oder einige Finger- oder Zehenknochen erhalten Tophet von Karthago bei den Ausgrabungen 1979. SAOR Punic Project.
geblieben. Meist handelte es sich um Einzelbestattungen, doch gibt es auch einige Fälle (z. B. in Tharros auf Sardinien), bei denen sie zusammen mit geopferten jungen Tieren, Lämmern, Ziegen oder kleinen Vögeln, begraben wurden. Eine der größten dieser Grabstätten wurde in Karthago selbst gefunden, in der Nähe der Küste und im Gebiet des späteren Hafens. Die dort seit 1920 durchgeführten Ausgrabungen legten mehrere dicht übereinander liegende Fundhorizonte frei, die eine ununterbrochene Besiedlung vom Ende des 8. Jahrhunderts bis 146 v. Chr. belegen, als die Stadt an Rom fiel. Nur ein Teil des Geländes, das einst einen großen Bereich von bisher unbekannter Ausdehnung umfasste, wurde bislang ausgegraben.65 Der heilige Bezirk von Karthago, der tophet, ist in der Forschung seit langem umstritten.66 Die Bedeutung der vielen Tausenden von Kinderbrandgräbern in diesem Gebiet wurde viel diskutiert. Sind sie tatsächlich grausiges Zeugnis der rituellen Praxis der Kindesopfer, die in den antiken Quellen beschrieben wurden? Der Begriff tophet selbst ist umstritten. Er leitet sich aus einer hebräischen Bibelstelle her und bezeichnet einen Brandbezirk im Tal von Ben-Hinnom, in dem Kinder der Israeliten im Feuer geopfert wurden. Der schreckliche Brauch wurde dort vom Propheten Jeremía, der gegen Ende des 7. und Anfang des 6. Jahrhunderts v. Chr. lebte, zu einer Zeit, da die punischen Einäscherungsplätze genutzt wurden, verdammt.67 In den letzten Jahren wurde die Diskussion über die Interpretation des tophet wieder angefacht.68 Skeptiker
verwiesen auf die hohe Anzahl offensichtlicher Frühgeburten und Neugeborener unter den Bestattungen hin. Angesichts der hohen Sterblichkeitsrate in der Antike könnte es sich also auch um die Gräber totgeborener Kinder oder solcher, die sehr jung eines natürlichen Todes gestorben waren, handeln. Kleinkindergräber kommen auf den Gräberfeldern der Punier ansonsten sehr selten vor, was vermuten lässt, dass sie separat bestattet wurden. Was könnte passender sein, als das verstorbene Kind dadurch zu ehren, dass man es in einem von Baal Hammon selbst geweihten Bezirk beisetzte? Dadurch konnte die Familie das Wohlergehen sowohl der überlebenden als auch das der noch ungeborenen Kinder sichern. Bei dieser Interpretation stößt man jedoch auf weitere schwerwiegende Probleme. Zunächst sind da die antiken Autoren, die den institutionalisierten Brauch der Opferung bezeugen. Zwar nehmen die griechischen und lateinischen Quellen eine zugegebenermaßen antikarthagische Haltung ein, doch kann man deshalb ihre Berichte als schlichte Verzerrungen oder Übertreibungen verwerfen? Außerdem sind da die Gräber selbst und die dazugehörigen Votivsteine. Ab dem späten 7. oder frühen 6. Jahrhundert v. Chr. sprechen diese Inschriften von molk-Opfern (Menschen oder Tieren) für Baal Hammon und Tanit (der Begriff ‚mr beschreibt die Opferung eines Lamms, b’l hingegen bezeichnet eindeutig eine menschliche Gabe, auch wenn die genaue Nuance umstritten ist). Etymologisch gesehen kann molk die Bedeutung »Opfer« haben, und die Bedeutung des rituellen Aktes als Weihung unterstreichen, was sich auf den Stelen auch im stets
wiederkehrenden Gebrauch des punischen Wortes ndr (»Eid«) zeigt. Auf jeden Fall unterscheiden sich die Stelen des tophet eindeutig von den gewöhnlichen Grabsteinen, die auf den traditionellen Bestattungsplätzen stehen. Die unveränderte Existenz des tophet selbst verweist auf seinen heiligen, rituellen Status. Anders als konventionelle Bestattungsplätze (die normalerweise nicht umfriedet waren), konnte er nicht versetzt werden (wie es etwa mit der Nekropole von Mozia geschah, die letztendlich von der Insel zum angrenzenden Festland verlegt wurde). Das strikte Festhalten am heiligen Boden erklärt die oft chaotische Schichtung von Urnengräbern infolge der gelegentlichen Einebnung des tophet-Geländes. Der hohe Wert des heiligen Geländes könnte erklären, warum ältere Gräber von neueren häufig abgeschnitten oder durch sie ersetzt wurden, ein Phänomen, das sich besonders in Karthago selbst zeigt. Viele Probleme und Themen bleiben bei der Interpretation des tophet bezüglich der verschiedenen Prozesse im Zusammenhang mit den Opferbräuchen offen. Die antiken Quellen neigen dazu, die kollektiven Opferungen durch den Staat in Reaktion auf äußere Bedrohungen (Krieg, Pest, Hungersnöte) zu übertreiben. Die archäologischen
Votivstele mit der Darstellung eines Pries ters mit einem Kind. Tophet von Karthago, 4. Jahrhundert v. Chr.
Funde (sowohl die Votivinschriften als auch die Gräber selbst) lassen jedoch vermuten, dass die Opfer hauptsächlich von Familien oder Einzelpersonen dargebracht wurden. Mehrfachopferungen in einer Urne oder auf einer Stele durch Mitglieder einer einzigen Familie legen diese Vermutung nahe. Bleibt die Frage nach den Opfernden selbst. Wie weit war der Brauch unter der punischen Bevölkerung verbreitet? Die Votivinschriften aus Karthago zeigen, dass der Opferbrauch den Oberschichten vorbehalten war, den Kaufleuten, Priestern und Magistraten der Stadt. Stelen mit Weihinschriften machen jedoch nur einen kleinen Teil der erhaltenen Grabsteine aus (so waren es in Mozia nur 40 von 1000). Wer waren die übrigen Weihenden und welcher gesellschaft lichen Schicht gehörten sie an? Andere Fragen tauchen im Zusammenhang mit der Entstehung und Entwicklung der Opferriten auf. Das frühe Auftreten des tophet in Karthago (im späten 8. Jahrhundert) lässt darauf schließen, dass der Brauch übernommen wurde. Nach Quintus Curtius wurde er von den tyrischen Gründern aus Phönizien mitgebracht.69 Das Vorkommen vieler früher tophets im Westen sowie die zahlreichen Schmähungen der biblischen Propheten gegen diesen Brauch weisen darauf hin, dass Kindesopfer auch in der Levante vorkamen. Eine phönizische Inschrift des Königs von Kilikien aus dem späten 8. Jahrhundert, die kürzlich in lnçirli gefunden wurde, belegt den Brauch eindeutig. Darin rät ein tyrischer Priester dem König, ein molk-Opfer in Form eines Lammes sowie seinen Sohn oder Enkel als Sühnebrandopfer darzu
bringen, anscheinend als Reaktion auf eine Seuche, die im Lager der Kilikier ausgebrochen war.70 Die Empfehlung des tyrischen Priesters und der daraus entstehende Dialog beweisen das Vorkommen solcher Opferbräuche im phönizischen Herrschaftsbereich. Archäologische Beweise für tophets im phönizischen Kernland gibt es zurzeit jedoch nicht und es kann sein, dass solche Opfer im Osten nicht in besonderen Bereichen dargebracht wurden, wie es später im punischen Westen geschah. Das Verständnis der internen Geschichte des tophet wird durch Datierungsprobleme und Schwierigkeiten bei der Festlegung einer Chronologie der Urnengräber beeinträchtigt. Die komplexe, oft verworrene Stratigraphie des Bezirks verurteilt jeden Versuch, die Gräber zueinander in Bezug zu setzen, von vornherein zum Scheitern. Über die Zusammensetzung und das Aussehen des tophet in seiner Anfangsphase lässt sich nur wenig sagen. Die frühesten Urnen scheinen weitgehend ohne Markierungen auf dem Boden gestanden zu haben. Grabmonumente in Form einfacher I-förmiger oder kubischer Steine (sog. cippi) erschienen irgendwann im 7. Jahrhundert. Die großen, reich verzierten Stelen mit Giebeln, die für den tophet in seinem späteren Zustand so typisch waren, wurden erst im späten 5. Jahrhundert eingeführt. In Karthago selbst wurde der tophet ab dem 4. Jahrhundert immer stärker genutzt und belegt so das rasche Wachstum der Stadt in dieser Zeit. Ausgehend von der Dichte der Gräber schätzt man, dass im 3. und 4. Jahrhundert etwa 20 000 Urnen beigesetzt wurden. Eine vorläufige Analyse der Überreste in den Urnen lässt darauf
schließen, dass es verglichen mit dem 7. Jahrhundert, in dem anstelle von Kindern häufiger junge Tiere geopfert wurden, nun mehr Kindesopfer gab. Diese Daten führten zu Spekulationen über Kindesopfer als Mittel zur Kontrolle der Bevölkerungszahl.71 Für definitive Schlüsse sind diese Informationen jedoch nicht ausreichend. Insgesamt untermauern die archäologischen und literarischen Zeugnisse die Interpretation der punischen Kindesopfer als institutionalisierten Votivbrauch im Zusammenhang mit der Verehrung von Baal Hammon und Tanit. Der wohl überzeugendste Beleg für seine tiefverwurzelte rituelle Bedeutung liegt in der Hartnäckigkeit des Kultes selbst, der sich noch lange Zeit, auch nachdem die Römer ihn verboten hatten, erhielt. Ausgrabungen im tunesischen Hadrumetum, dem nach Karthago zweitgrößten tophet-Komplex Nordafrikas, erbrachten Hinweise auf seine Belegung noch bis weit ins 1. Jahrhundert n. Chr., wenn nicht sogar noch länger. Der frühe Kirchenvater Tertullianus behauptet, dass es noch im Jahr 200 n. Chr. heimliche Kindesopfer gab.72 Es erübrigt sich, festzustellen, dass das Phänomen als Ganzes nur unvollständig dokumentiert und noch unvollständiger erkannt ist. Kein einziges Interpretationsmodell erklärt seine Funktion in der punischen Gesellschaft ausreichend. Aller Wahrscheinlichkeit nach hatte das Opfer verschiedene Bedeutungsebenen, die den unterschiedlichen Bedürfnissen einer heterogenen Bevölkerung entsprachen. Von den verschiedenen Prozessen und rituellen Zeitplänen für den Opferbrauch ist nichts bekannt. Die Analyse von Wildgräsern aus den Urnen
von Tharros lassen vermuten, dass die Opfer in Abhängigkeit zu den Jahreszeiten standen und die kultische Aktivität im Sommer ihren Höhepunkt fand. Andere Theorien nehmen, ausgehend von der Opferung von Lämmern und Ziegen, die im Frühjahr geboren wurden, an, dass die molk-Opfer mit den Fruchtbarkeitsriten in Verbindung standen, die im März gefeiert wurden.73 Die tophet-Stelen hingegen zeugen von Opfern in Bezug auf persönliche Gebete oder Schwüre. Es bleibt zu hoffen, dass weitere Untersuchungen der Inschriften sowie eine umfassende statistische Analyse der Gräber der tophets zu einem tiefer gehenden Verständnis der Prozesse dieses bemerkenswerten Brauches führen.
Kultstätten Die dokumentarischen Zeugnisse einer frühpunischen, prähellenistischen Tempelarchitektur sind überraschend dünn gesät. Die großen Tempel der Akropolis von Karthago sind längst verschwunden, vernichtet durch die massive römische Bautätigkeit, bei der der Hügel eingeebnet wurde. Neuere Ausgrabungen brachten jedoch im Küstenviertel der Stadt die Reste eines späten punischen Tempels aus dem späten 3. oder frühen 2. Jahrhundert v. Chr. zutage. Das Heiligtum war wahrscheinlich Baal Hammon gewidmet und ist besonders aufgrund seiner Tempelarchive interessant, die mehr als 3000 griechische und ägyptische tönerne Siegel aus dem 7. bis 4. Jahrhundert v. Chr. von den bei der
Zerstörung durch die Römer im Jahr 146 v. Chr. verbrannten Papyrusdokumenten enthalten.74 Bei Ausgrabungen in der näheren Umgebung durch die Universität Hamburg wurden in häuslichem Kontext die Reste einer frühen punischen Weihstätte von etwa 500 v. Chr. gefunden. Sie bestand aus einem großen Kultbecken für rituelle Bäder und Trankopfer. Die als kleine Würfel in die Pflasterung eingesetzten heiligen Symbole belegen seine religiöse Funktion, denn es fanden sich das TanitZeichen sowie ein Kreuz mit einem Kreis, das Zeichen für Baal Hammon.75 An den vielen anderen punischen Tempelkomplexen, die in Nordafrika gefunden wurden, entdeckte man bis heute keine architektonischen Spuren, die in die Zeit vor dem Hellenismus zurückgehen. Der einzige frühe Bau auf Sizilien ist der so genannte »Cappid-dazzu« von Mozia, der seit dem 7. Jahrhundert v. Chr. genutzt wurde. Die Identität des dort verehrten Gottes ist jedoch nicht bekannt. Bei den Ausgrabungen am Berg Eryx fanden sich keine vorrömischen Spuren des berühmten AstarteHeiligtums, das beim Bau der Normannenburg, die nun an dessen Stelle steht, vollständig zerstört wurde. Auf Sardinien wurden nur wenige punische Tempelbauten gefunden. In römischer Zeit wurden diese ausnahmslos stark verändert oder neu erbaut, einschließlich des »monolithischen Tempels« von Tharros und des Tempels von Sardus Pater in Antas. Den architektonischen Spuren nach zu urteilen wurde der Tempel in Antas um 500 v. Chr. dem Gott Sid geweiht. Er bestand ursprünglich aus einer schmalen rechteckigen cella (mit einem Altar
Kultisches Becken in einem Haus in Karthago, ca. 500 v. Chr. Die religiöse Funktion dieser häuslichen Einrichtung wird durch die Symbole von Tanit und Baal Hammon im ge-pflasterten Boden deutlich. Ausgrabungen der Universität Hamburg.
um einen heiligen Fels) in einem großen offenen temenos von 68 × 68 m. Weder in Spanien noch in Marokko fanden sich frühe Tempel (neuere Untersuchungen ergaben, dass die Heiligtümer von Lixus aus der Römerzeit stammen). Die Lage des Melkart-Tempels in Cádiz – auf der Insel Santi Petri – scheint durch die Entdeckung versunkener monumentaler Ruinen nun möglicherweise ermittelt worden zu sein.
Phönizische Bestattungsbräuche Die literarischen Quellen schweigen zwar fast vollständig zu diesem Thema, doch die Bestattungsbräuche und
die Grabikonographie weisen auf einen festen Glauben der Phönizier an ein Leben nach dem Tode hin. Inschriften auf mehreren königlichen Sarkophagen zeigen, dass die Phönizier ihre Toten rephaim nannten, ein Begriff, der in den Quellen aus dem spätbronzezeitlichen Ugarit die göttlichen Vorfahren oder die vergöttlichten Verstorbenen bezeichnete. Es gibt zwar keine Belege für Ahnenverehrung in phönizischen Texten, doch der Begriff rephaim (dessen Wurzel »heilen« bedeutet) impliziert einen positiven Glauben an ein Leben nach dem Tode. Nach Philo von Byblos identifizierten die Phönizier die Vorstellung vom Tod mit dem Gott Mot. Demnach würde der phönizische Glaube an dieses ursprüngliche, überweltliche Wesen der Vorstellung eines spirituellen Konzepts vom Jenseits weitere Glaubwürdigkeit verleihen. Die ikonographischen Zeugnisse aus Grabkontexten lassen in der Tat vermuten, dass die Phönizier an eine spirituelle Wiedergeburt im nächsten Leben glaubten. Weitere Hinweise darauf gibt die Verwendung ägyptischer Motive wie dem ankh (Lebenssymbol) und der Lotosblüte, dem Zeichen der Erneuerung. Die Ikonographie der Lotosblüte ist auf dem Ahiram-Sarkophag auff ällig stark vertreten. Hier erscheint die Blüte dreimal: einmal an der Seitenwand, in der Hand des Königs, der vor einer Prozession von Gläubigen mit Opfergaben auf einem Thron sitzt sowie zwei weitere Male auf dem Sarkophagdeckel, in der Hand von Ahiram selbst und seinem Sohn Ittobaal, wobei Letzterer die Blüte zum Gesicht hebt, als würde er daran riechen. Die von Ahiram in der Prozes
sionsszene getragene Blüte dagegen ist deutlich nach unten geneigt. Da die lebensspendenden Kräfte durch die kraft volle Blüte repräsentiert werden, zeigt die welkende Blume, dass der König verstorben ist. Auf ägyptischen Grabdarstellungen riechen der Tote und seine Angehörigen an der Blüte, eine Geste, die die symbolische Wiedergeburt der Seele im Leben nach dem Tode garantieren soll. Ittobaals Geste auf dem byblischen Sarkophagdeckel hat dieselbe Bedeutung. Als ritueller Stifter des Sarkophags sichert seine symbolische Tat der Seele seines Vaters den Übergang in das Leben im Jenseits. Die Lotosikonographie findet sich sowohl in der phönizischen als auch in der punischen Sakralkunst und tritt außerdem in verschiedenen kultischen Kontexten auf, die eindeutig mit dem Schutz und der Wiedergeburt der Verstorbenen verbunden sind. Aufgrund ihrer langen kulturellen Verbindung mit dem Niltal waren die Phönizier stark vom ägyptischen Totenkult beeinflusst. Eine ägyptische Grabsitula aus Bronze aus dem 6. Jahrhundert mit einer phönizischen Weihinschrift an die Göttin Isis ist direktes Zeugnis dieser kulturellen Beeinflussung. Der Weihende, Abdi-Ptah, war ein phönizischer Anhänger der ägyptischen Götter von Memphis. Ein ähnliches Gefäß mit einer Weihung an Astarte aus Har Mispe Yamim im Norden Israels weist auf die Verbreitung kultischer Einflüsse der Ägypter in der phönizischen Heimat hin.76 Bei der Rekonstruktion der phönizischen Bestattungsriten, die in Textdokumenten kaum erwähnt werden, leistete die Archäologie einen wertvollen Beitrag. Der Bi
bel zufolge begleiteten den zeremoniellen Abschied normalerweise rituelle Beweinungen, zu denen das Tragen von Sackleinen, Haareraufen und das Sich-an-die-Brustschlagen gehörten. Der Ahiram-Sarkophag zeigt weibliche Trauernde in diesen Gesten (siehe Tafel 3). Archäologische Spuren in Form verkohlter Überreste von Nahrung und zerbrochenem Tafelgeschirr in karthagischen Gräbern weisen darauf hin, dass bei seiner Schließung auf dem Grab ein zeremonielles Mahl oder Bankett abgehalten wurde. Zum Abschluss des Begräbnisses wurde möglicherweise ein Trankopfer dargebracht oder Weihrauch verbrannt. Letzterer Brauch ist aus Trayamar in Spanien belegt, wo Weihrauch zusammen mit rot engobierten Tellern auf das Dach der Grabkammer gelegt wurde. Die starke Fragmentierung zeigt, dass diese Teller beim Begräbnis rituell zerbrochen wurden. Dieser Brauch ist im Nahen Osten gut belegt und wurde erst kürzlich in den frühen Brandbestattungsstätten von Tyros nachgewiesen. Die rituelle Vorbereitung der Verstorbenen für die Bestattung variierte in Abhängigkeit von der sozialer Schicht. Der Körper wurde gewaschen, mit parfümierten Ölen übergössen und mit Tüchern bandagiert. Wie Fibeln (antike Kleidernadeln) und Schmuckstücke zeigen (siehe Tafel 5 oben), wurden die Reichen kostbarer gekleidet, in eine oder mehrere Tuniken. Bei Angehörigen der Oberschichten fanden bei den Reinigungsriten wahrscheinlich oft importierte Aromastoffe Verwendung. Eine Grabinschrift aus Byblos erzählt, dass der Tote »in Myrrhe und Bdellium (ein aus einer bestimmten Pal
me gewonnenes Gummi) gehüllt« wurde. Einbalsamierungen waren selten und blieben wahrscheinlich den Königen und Adligen vorbehalten, der Leichnam des Sidonierkönigs Tabnit wurde z. B. auf diese Weise präpariert. Angehörige des Königshauses wurden mit goldenen Totenmasken bestattet (siehe Tafel 2 links), oder ihre Fingernägel und Augenlider wurden nach ägyptischer Sitte mit Goldfolie bedeckt. Der Inschrift auf ihrem Sarkophag zufolge wurde Batnoam, die Mutter des byblischen Königs Ozbaal, mit einer goldenen Binde über dem Mund bestattet. Wie die Gräber zeigen, wurde der Tote mit allem ausgestattet, was für das Leben nach dem Tode notwendig war. Zu den wichtigsten Gegenständen gehörten Keramikgefäße, wobei es sich um einfache Krüge (etwa bei der Bestattung eines kleinen Kindes) oder einen ganzen Satz Keramik mit Ölflaschen, Tellern, Tassen, Schöpflöffeln, Kochtöpfen und Dreifüßen handeln konnte. Der Krug mit pilzförmiger Lippe und die Kleeblatt-Oinochoe (Weinkanne) waren gängige Handelswaren der Phönizier in früheisenzeitlichen Gräbern (siehe Tafel 8). Zu den luxuriösen Keramikgefäßen gehörten griechische, zypriotische und etruskische Importe sowie besondere Gefäße in Tierform (askoi). Gegenstände wie Ohrringe, Armbänder, Ringe und Perlen gehörten für gewöhnlich zur persönlichen Ausstattung. Die Wohlhabenden trugen dabei Schmuck aus Gold und Silber; Bronze, Stein und Knochen waren günstige Alternativen. Auch magische Gegenstände wie rituelle Rasiermesser, Masken sowie bemalte Straußeneier, die den Toten schützen und ihn auf
Eingang zu einem Kammergrab in Monte Sirai, Sardinien.
seiner Reise ins Jenseits begleiten sollten, gehörten häufig zum Grabinventar. Ägyptische Amulette, Figürchen, Skarabäen und udjat-Täfelchen (»Horusauge«) waren beliebte Talismane. Zu den alters- und geschlechtsspezifischen Grabbeigaben gehörten Puppen und Spielzeug für Kinder, Kosmetikbehälter und Webgeräte für Frauen sowie Eisenwaffen und Rüstungsgegenstände für Männer. Die Toten der Oberschicht wurden oft in Särgen unterschiedlicher Art beigesetzt, von einfachen rechteckigen Holzkisten mit flachen oder giebelartigen Deckeln bis zu verzierten anthropoiden Sarkophagen aus Terrakotta oder importiertem Marmor. Die Wohlhabenden bevorzugten ab der Mitte des 1. Jahrtausends v. Chr. Marmorsarkophage. Königliche Steinsarkophage trugen oft Warnungen an mögliche Räuber, die die Unverletzlichkeit des Grabes als ewiger Ruhestätte unterstrichen (siehe Frontispiz). Auf seiner Grabinschrift erklärt König Tabnit von Sidon: »Wer du auch bist, jeder, der diesen Sarg findet, öffne den Deckel nicht und störe mich nicht, denn bei mir findest du kein Geld, kein Gold oder anderes, was es sich zu stehlen lohne, außer mir selber, der ich im Sarg liege. Öffne nicht den Deckel und störe mich nicht, denn damit beleidigst du Astarte. Und wenn du den Deckel öffnest und mich störst, wirst du keine Nach
Profilschnitte durch ausgegrabene punische Gräber. Schachtgrab, Tuvixeddu-Friedhof, Cagliari, Sardinien. Dromos-Grab, Nekropole von Sulcis, Sardinien.
kommen unter der Sonne haben, und keine Ruhe unter den Toten finden. «77 In der Heimat der Phönizier stellte die Körperbestattung die gängigste Beisetzungsart dar. Irgendwann im frühen 1. Jahrtausend v. Chr. trat an der Küste der Levante sowohl im Land der Phönizier als auch im benachbarten Syrien und Palästina eine neue Art der Bestattung auf: die Einäscherung.78 Chronologie und geographische Priorität der Einführung sind noch umstritten. Die neueren Ausgrabungen in Tyros zeigen, dass der Brauch dort bereits im 10. Jahrhundert v. Chr. eingeführt wurde, was darauf schließen ließe, dass er in Phönizien selbst entstand. In den folgenden Jahrhunderten traten beide Arten der Bestattung auf dem Festland parallel nebeneinander auf.79 Vom östlichen Festland ausgehend wurde der Brauch der Einäscherung seit dem 8. Jahrhundert von den phönizischen Kolonien im zentralen und westlichen Mittelmeerraum übernommen. Dort war er drei Jahrhunderte lang die vorherrschende Bestattungsform, bis er im 6. Jahrhundert allmählich von der Körperbestattung abgelöst wurde. Die Körperbestattung blieb allerdings sowohl im Osten als
auch in Karthago die häufigste Bestattungsart, besonders innerhalb der Oberschicht. Für den Wechsel der Bestattungssitten gibt es keine ausreichende Erklärung. Zumindest im phönizischen Westen gab es keine ethnische Differenzierung bei den beiden Methoden. Beide kommen in den gleichen Grabtypen vor, gelegentlich sogar im gleichen Grabkomplex. Regional unterschiedliche Verwendungsmuster müssen ohne Erklärung bleiben. Wie die archäologische Forschung zeigt, wurde die Einäscherung rituell auf einem Scheiterhaufen vorgenommen, der entweder im Grab selber oder außerhalb errichtet wurde. Wurde das Feuer im Grab selber entzündet, ließ man die verbrannten Knochen einfach wo sie waren. Oberhalb der Überreste des Schädels wurde eine Tafel oder eine Amphore platziert und zusätzlich Keramik an den unteren Extremitäten des Verstorbenen verstreut. Danach wurde das Grab mit Steinen geschlossen. Wurde das Feuer außerhalb entzündet (was die bevorzugte Art war), so wurden die verbrannten Überreste der Verstorbenen zusammen mit etwas Holzkohle eingesammelt und in ein Tuch gewickelt oder in eine Urne oder Amphore gefüllt, die dann beigesetzt wurde. Die Salbgefäße, die der rituellen Vorbereitung der Verstorbenen dienten, wurden mit ins Grab gegeben, während die Trankopfergefäße, die bei der Einäscherung auf den Scheiterhaufen geworfen wurden, zurückblieben.so Ausgrabungen in Tyros gaben einen ersten Einblick in die Einäscherungsrituale, die von der Stadtbevölkerung in den ersten Jahrhunderten des 1. Jahrtausends v. Chr. praktiziert wurden.81 Die sterblichen Überreste wurden
in Urnen in flachen Grabgruben beigesetzt, die an der sandigen Küste angelegt wurden. Diese Urnen, die eine Auswahl persönlicher Gegenstände bargen (vor allem Schmuck und Amulette), enthielten auch ein oder zwei Salbgefäße. Bei ihrer Bestattung wurden bei der zeremoniellen Schließung des Grabes einige Teller am Grab zerschlagen. Dann wurden über einzelnen Gräbern oder Mehrfachbestattungen große Grabsteine errichtet. Diese grob behauenen, unterschiedlich geformten Grabmarkierungen aus dem örtlich anstehenden Sandstein oder »Strandfels« tragen normalerweise Inschriften und oft religiöse Symbole oder Motive (ankh, Halbmonde, Schreine, Blüten).82 Die Inschriften oder Epitaphe bestehen aus einfachen Personennamen mit oder ohne Patronym und fast alle enthalten die Namen der bekanntesten phönizischen Götter Melkart, Baal, Astarte, El oder Eschmun. Hammon und Tanit, Karthagos Hauptgötter erscheinen ebenfalls. Abgesehen von der Votivtafel in Sarepta tritt Tanit hier erstmalig auf dem phönizischen Festland auf. Im Gegensatz zu den späteren punischen Votivstelen sind die Grabsteine aus Tyros sowohl was die Form betrifft als auch in Bezug auf die Inschrift nur oberflächlich bearbeitet. Die Art der Bearbeitung und die Unregelmäßigkeit lassen darauf schließen, dass sie vor Ort von einfachen Handwerkern gefertigt wurden, die es nicht gewohnt waren, in Stein zu arbeiten. Die vorherrschende Verwendung ritueller Symbole wie ankh und Sonnenscheibe lassen vermuten, dass ein allgemeines Bedürfnis bestand, für das Wohlergehen des bzw. der Verstorbenen im Jenseits zu sorgen.
Wie bereits bemerkt, wurden im Heimatland wie auch im Westen sowohl für die Brand- als auch die Körperbestattung verschiedene Grabtypen zeitlich parallel verwendet. Es gibt jedoch einen großen Unterschied zwischen den Gräbern, die für Einzelpersonen bestimmt waren und solchen, in denen mehrere Tote, entweder aus einer Familie oder einem Berufsstand, beigesetzt wurden. Die früheste und einfachste Form eines Grabes für die individuelle Einzelbestattung war das fossa-Grab: eine flache, längliche Grube in der Erde oder im Fels. Diese Grabform ist im gesamten phönizischen Herrschaftsbereich innerhalb der unteren sozialen Schichten anzutreffen. Die zweite Form, das Schachtgrab, bestand aus einer tiefen Grube mit schmalem Eingang oder einem rechteckigen Schacht, der sich nach unten hin meist verbreiterte, um die Toten aufzunehmen. Ausgehend von Karthago wurden diese Gräber im punischen Westen im 7. Jahrhundert immer tiefer. Oft hatten sie mehrere seitlich eingegrabene Grabkammern. Eine dritte Variante, die in fast allen Orten und zu allen Zeiten vertreten war, ist eine einfache rechteckige Grube in Körpergröße. Ab dem 6. Jahrhundert traten verschiedene Formen dieses Grabtyps auf, von einfachen Konstruktionen bis zu gemauerten Bauten, welche, wenn sie vollständig ausgekleidet und mit einem steinernen Deckel versehen sind, als Zisternengräber bezeichnet werden. In einigen Fällen war ein Steinsarkophag darin beigesetzt. Die letzte Grabkategorie ist das gemauerte oder in den Fels gehauene Kammergrab oder Hypogäum. In den Bei
spielen aus dem östlichen Festland wurde der Zugang durch einen Schacht oder eine Freitreppe, den dromos, gewährt. Die Hypogäen selber, in denen ein oder mehrere Verstorbene bestattet wurden, wurden entweder in den Fels gehauen (z. B. Tell Rachidiyeh und Tambourit) oder gemauert (z. B. Kition und Amathus). Die beiden eisenzeitlichen Gräber von Achziv enthielten die Reste von 200 bzw. 350 Verstorbenen. Im punischen Westen konnte solch ein Hypogäum auch einen Zugangsschacht (z. B. in Karthago, Utica und Trayamar) oder eine flache oder getreppte Rampe aufweisen (wie am Monte Sirai und in Sulcis). Beide Grabtypen konnten entweder eingegraben oder gemauert sein. Beispiele aus Zypern zeigen, dass die gemauerten Gräber meist aus großen, sorgfältig behauenen Quadern errichtet wurden und eine flache Decke unter einem steilen Giebel besaßen. Das Innere wies oft reiche architektonische Verzierungen auf. Eine relativ späte Entwicklung sowohl im phönizischen Osten als auch im punischen Westen war der Bau monumentaler überirdischer Grabbauten. Die bemerkenswertesten Gräber dieser Art vom phönizischen Festland sind vier pyramidale und würfelförmige Grabtürme in Amrit, deren frühester aus dem 4. Jahrhundert v. Chr. stammt. Die punisch beeinflussten Mausoleen in Nordafrika (z. B. Dougga und Sabratha) stammen aus hellenistischer Zeit. Die phönizischen Gräberfelder befanden sich in der Regel in einiger Distanz zu den dazugehörigen Siedlungen und waren, wenn möglich, durch eine natürliche Barriere wie z. B. einen Wasserlauf davon getrennt. Bei Siedlungen an einem Fluss lagen die Nekropolen für gewöhnlich am
gegenüber liegenden Ufer. Inselstädte wie Tyros, Arwad und Cádiz errichteten ihre Gräberfelder auf dem Festland. In den meisten größeren Städten scheint es mehrere Bestattungsareale gegeben zu haben. Dies hat chronologische (die Gräberfelder Karthagos verlagerten sich mit dem Wachstum der Stadt nach außen), in den meisten Fällen jedoch soziale Gründe. Kinder wurden offenbar (meist in Amphoren) abgesondert auf eigenen Arealen beigesetzt oder unter dem Fußboden von Häusern bestattet. Das Fehlen von Kindergräbern auf den Gräberfeldern der Erwachsenen ist auffällig. Auch Klassenunterschiede spielten bei der Aufteilung der Bestattungsplätze eine Rolle. Wie die kunstvoll gebauten Kammergräber von Sainte Monique in Karthago belegen, bestatteten die Wohlhabenden ihre Toten in gesonderten Bereichen. Die größeren Bestattungsplätze bieten eine Fülle von Informationen über die ethnische und soziale Zusammensetzung der phönizischen Gemeinden. Die kürzlich entdeckten Brandbestattungsareale von Tyros liefern dabei einige besonders wertvolle Einblicke. Die Verteilung der Bestattungen und der dazugehörigen Gräber spiegelt die soziale Schichtung in der Stadt wider. Im Gegensatz zu den einfachen, unmarkierten Gräbern sind die kunstvolleren Einzel- oder Sammelbestattungen durch monumentale Stelen gekennzeichnet. Ihre reiche Ausstattung umfasst verschiedene Luxusgüter wie Goldschmuck und importierte Waren wie ägyptische Skarabäen oder griechische und zypriotische Keramik. In einer großen, mit Steinen eingefassten Grube aus dem 7. Jahrhundert etwa wurde der Verstorbene in einer großen
bemalten zypriotischen Urne beigesetzt. Das Grab barg ein reiches Inventar an Keramik, darunter auch importierte griechische Becher. Darüber hinaus zeichnet sich diese Bestattung durch die Beigabe einer Holzkiste mit vier Terrakotten aus: sie stellen einen Reiter mit Schild, eine männliche Totenmaske mit Bart (siehe Tafel 7) und zwei Miniaturschreine oder Altäre dar. Außerdem weist sie Spuren eines rituellen Feuers auf, das zu Ehren des Toten entzündet wurde. Der Tote war mit Sicherheit ein Mann von hohem Stand gewesen. Dennoch bleiben bezüglich des Brandgräberfeldes von Tyros noch viele Fragen offen. Bezieht sich die Verteilung der Bestattungen in Gruppen von zwei oder mehr durch Grabstelen markierte Graburnen auf die verschiedenen Familien oder andere Gruppierungen in der Stadt? Die Größe (schätzungsweise 40 000 m2) und lange Nutzung dieses Gräberfeldes (über etwa 400 Jahre) unterstreichen die weite Verbreitung und die lang andauernde Praxis der Brandbestattung in der Stadt. Welche Bevölkerungsschicht bestattete ihre Toten auf diese Weise? Gab es soziale Unterschiede zwischen den Anhängern der Brand- und der Körperbestattung, und wenn ja, welche? Existierten in Tyros unterschiedliche und voneinander getrennte Bestattungsareale wie in Karthago der Dermech-Bezirk (für Brandbestattungen) und der Juno-Bezirk (für Körperbestattungen)? Neben Grabstelen mit und solchen ohne Inschrift gibt es auf dem Bestattungsplatz auch unbeschriebene Grabstelen. Spiegelt sich hierin ein Unterschied bezüglich Bildung und sozialem Stand wider? Oder ist die Verwendung eines einfachen Bildzeichens (ankh, Halb
mond) oder einer menschlichen Darstellung ohne Beschriftung lediglich Ausdruck religiöser Präferenzen? Nur weitere archäologische Forschungen können Antworten auf diese Fragen geben.
MATERIELLE KULTUR
Materielle Kultur der Phönizier
Das kulturelle Erbe der Phönizier Von allen kulturellen Aspekten stellt das künstlerische Erbe der Phönizier vielleicht das größte Rätsel dar. Nur wenige ihrer frühen Werke sind erhalten geblieben, was sich vielleicht z. T. durch die Zufälle der Archäologie erklären lässt, denn mit Ausnahme von Byblos und jüngst auch Beirut wurde bislang keine der größeren phönizischen Küstenstädte systematisch bis zu einem Niveau unterhalb der römischen Besiedlungshorizonte ergraben. Die Ausgrabungsfunde liefern jedoch nur ein unvollständiges Bild der phönizischen Kunstfertigkeit, da die beiden wertvollsten Exportgüter, verzierte Textilien und Holzschnitzereien, die Zeit nicht überdauert haben. Auch die meisten der zum größten Teil sehr fragilen Edelmetallarbeiten, insbesondere die Silbergegenstände, sind verschwunden. Sie wurden Opfer der Zerstörungen durch Mensch und Umweltbedingungen. Auch wirtschaft liche Faktoren sind dabei nicht zu unterschätzen. Wie die literarischen und archäologischen Quellen belegen, waren die Phönizier rege Händler und verkauften ihre Waren an eine ausländische Kundschaft. Unsere Definition der phönizischen Kunst basiert daher zum
großen Teil auf Funden aus den Gebieten, die die Märkte für die phönizischen Händler darstellten. Trotz dieser Einschränkungen lässt sich die Entwicklung der phönizischen Kunst in groben Zügen von der späten Bronzezeit bis zum frühen 1. Jahrtausend v. Chr. skizzieren. Die spätbronzezeitlichen Funde aus dem antiken Ugarit (dem heutigen Ras Shafnra) sind in dieser Beziehung von besonderer Bedeutung. Hier gefundene Metallarbeiten und geschnitztes Elfenbein weisen viele Parallelen zu den phönizischen Arbeiten aus dem frühen 1. Jahrtausend v. Chr. auf. Derartige Entsprechungen belegen die Kontinuität von der syrischen Tradition des Küstengebiets in der späten Bronzezeit zur Kunst der Eisenzeit. Vereinzelte Funde dieser Zeit aus der Levante unterstützen die Vermutung, dass lokale phönizische Metallarbeiten und Elfenbeinschnitzereien stark von der syrischen und kanaanitschen Kunst der Umgebung beeinflusst waren.1 Schrift liche Zeugnisse aus der Bibel sowie zeitgenössische assyrische Quellen2 unterstützen die Annahme, dass in der phönizischen Levante gegen Ende des 3. Jahrtausends v. Chr. eine lebendige und blühende Handwerkertradition existierte. Salomos Bitte an König Hiram um phönizische Hilfe beim Bau und bei der Ausschmückung seines Palastes und des Tempels setzt voraus, dass in Tyros um die Mitte des 10. Jahrhunderts v. Chr. eine hochentwickelte und angesehene Handwerkskultur bestand. Hirams Gesandter war angeblich »geschickt in der Verarbeitung von Gold, Silber, Bronze, Eisen, Holz, Scharlach, Violett, feinem Leinen, Purpur, in allen Gra
Getriebene Bronzeplakette mit fantasievoller Tierkampfszene. Tyros, Libanon, 14. Jahrhundert v. Chr.
vierungen und der Ausführung aller Pläne, die ihm vorgeschlagen werden.«3 Der Wenamun-Bericht zeigt, dass auch Byblos in der ersten Hälfte des 11. Jahrhunderts eine wohlhabende und geschäftlich aktive Hafenstadt war. Es gibt allen Grund zu der Annahme, dass bereits zu dieser Zeit ein königliches Produktionszentrum für Bronze- und Holzarbeiten bestand. Ironischerweise unterstützen die Funde aus der Eisenzeit die literarischen Hinweise auf eine blühende phönizische Handwerkstradition nicht. Den Sarkophag von Ahiram ausgenommen, dessen Datierung noch umstritten ist, kann man kein eisenzeitliches Kunstobjekt sicher vor das 9. Jahrhundert v. Chr. datieren. Der steinerne Sarg des byblischen Königs Ahiram ist daher für das Verständnis der früheisenzeitlichen phönizischen Kunst von entscheidender Bedeutung (siehe Tafel 3). Seine Inschrift stammt zwar mit Sicherheit aus dem frühen 10. Jahrhundert v. Chr., doch der Sarkophag selbst
Elfenbeinstatuette einer sitzenden Gottheit. Kamid el-Loz, Libanon, 14. Jahrhundert v. Chr.
könnte, vorausgesetzt, er stammt aus dem ursprünglichen Grabkontext, beträchtlich früher entstanden sein. Ein aktueller Fund, ein Fragment einer Elfenbeintafel, die in einem kanaanitisch-mykenischen Hybridstil die Darstellung eines von einem Löwen und einem Greifen angegriffenen Stieres zeigt, lässt sich in die erste Hälfte des 12. Jahrhunderts datieren. Befürworter dieser früheren Datierung vergleichen die Szene der königlichen Prozession mit einer sehr ähnlichen Darstellung auf einer Elfenbeinverzierung aus Megiddo. Da Letztere aus einem architektonischen Zusammenhang der Zeit von Ramses III. (1184–1153 v. Chr.) stammt, ließe sich der Ahiram-Sarkophag in die gleiche Zeit datieren.4 Bezeichnenderweise weisen weder der byblische Sarg noch die Elfenbeinintarsien aus Megiddo ägyptischen Einfluss in Stil und Komposition auf. Die meisten figürlichen Details wie etwa die Form der Löwen, die Sockel und Deckel verzieren, verweisen auf ein nordsyrisches Formenrepertoire. Die fehlende Nähe zu den ägyptischen Vorbildern, die sich sowohl auf dem Ahiram-Sarkophag als auch bei anderen Arbeiten aus dem 12. Jahrhundert aus Zypern und Palästina zeigt, steht in krassem Gegensatz zum ägyptisierenden Stil der levantinischen Kunst aus
dem 14. Jahrhundert v. Chr. Diese Trendumkehrung lässt sich durch die Geschichte der frühen Eisenzeit erklären. Im 12. und 11. Jahrhundert erlebte Ägypten eine Zeit des wirtschaftlichen und politischen Niedergangs, während der die Phönizier ihre Aufmerksamkeit anderen, einflussreicheren Nachbarn wie den Assyrern zuwandten. König Hirams Geschäftsverbindungen mit Israel im frühen 10. Jahrhundert müssen im Zusammenhang mit dieser relativen wirtschaftlichen Unabhängigkeit von Ägypten gesehen werden. Während in Tyros das phönizische Kunsthandwerk im 10. Jahrhundert sicherlich florierte, kann man diese Aktivitäten archäologisch durch Funde phönizischer Luxusgüter wie Metallschalen und Elfenbeinschnitzereien erst später, in der zweiten Hälfte des 9. und dem 8. Jahrhundert belegen. Wirklich international wurde Phönizien erst im 8. Jahrhundert, als die tyrischen Schiffe auf der Suche nach wertvollen Gütern und Rohmaterialien regelmäßig auf dem Mittelmeer, von Zypern bis zur Straße von Gibraltar und darüber hinaus, kreuzten. Ein solches wirtschaftlich komplexes Szenario bereitet dem Kunsthistoriker ernsthafte Probleme. Die weitreichenden Handelskontakte der Phönizier und ihr Interesse an der Belieferung fremder Märkte führten zu einem wahrhaft eklektischen Kunststil, der wohl mehr als alle anderen nahöstlichen Kulturen nach außen orientiert war. Es ist also nicht einfach, die Parameter dieses einzigartigen und geographisch weitreichenden Kunststils zu definieren. Angesichts fehlender archäologischer Funde auf dem Festland muss man sich bei der Formulierung einer Charakterisierung der phönizischen Kunst stark auf stilis
tische Kriterien verlassen. Solche Kategorisierungen sind zwar zulässig, es besteht jedoch die große Gefahr, dass zu stark abstrahiert wird, besonders in einem Kulturkreis wie dem der Phönizier, der sich durch eine beispiellose Synthese gegensätzlicher Stile und Motive auszeichnet.5 Definitionsgemäß ist die phönizische Kunst ein Amalgam vieler verschiedener kultureller Elemente aus der Ägäis, Nordsyrien, Zypern, Assyrien und Ägypten. Ihre stark eklektischen Qualitäten erschweren somit jeden Versuch, eine Klassifizierung allein auf der Grundlage des Stils zu schaffen. Der jeweilige Einfluss verschiedener ethnischer Elemente auf die phönizische Kunst hängt von unterschiedlichen geographischen und chronologischen Faktoren ab. In ihrer langen Geschichte durchlief die phönizische Kultur viele Entwicklungsstadien, wobei unterschiedliche Schauplätze eine Rolle spielten. Die phönizische Gesellschaft war ständig im Wandel begriffen, ihre Kaufleute und Künstler kamen viel herum. Antike Schriftquellen weisen auf die Bedeutung reisender Handwerker hin. Die wachsende Zahl archäologischer Funde scheint anzudeuten, dass viele der phönizischen Objekte, die im Ausland gefunden wurden, eigentlich von fremden Handwerkern vor Ort hergestellt wurden. In der Vergangenheit haben sich die Studien auf das vorherrschende ägyptische Element konzentriert, das als wichtigstes Identifizierungsmerkmal der phönizischen Kunst herausgestellt wurde. In Wirklichkeit muss der kulturelle Einfluss Ägyptens im phönizischen Herrschaftsgebiet im Laufe der Zeit sehr differenziert betrachtet werden, denn er hing stets davon
ab, wie sich die politische und wirtschaftliche Lage im Königreich am Nil entwickelte. Während der 18. Dynastie (15.–14. Jahrhundert v. Chr.) etwa hatte Ägypten großen künstlerischen Einfluss auf Phönizien und die weitere Levante. In der frühen Eisenzeit jedoch (12.–10. Jahrhundert v. Chr.) gab es diesen Einfluss nicht. Erst im 8. sowie im späten 6. bis zum frühen 5. Jahrhundert erreichte der Einfluss ägyptischer Kunst unter der wiedererstarkten 22. Dynastie und der Perserherrschaft seinen Höhepunkt, bevor er endgültig vom Hellenismus abgelöst wurde. Das Bild änderte sich aber ständig. Dabei muss man beachten, dass all diese Tendenzen die künstlerische Produktion offizieller Kreise betrafen, während die lokalen Handwerkstraditionen weitgehend idiosynkratisch und regional ausgerichtet waren. Behält man diese wichtigen Faktoren im Hinterkopf, so lassen sich durchaus einige der wichtigsten Kategorien phönizischer Kunst herausarbeiten.
Elfenbeinarbeiten Der deutlich spürbare ägyptische Charakter der phönizischen Kunst ab dem 9. Jahrhundert ist im Kontext des erneuerten Einflusses Ägyptens in der Levante während der 22. Dynastie (945–712 v. Chr.) zu verstehen. Er zeigt sich etwa in den phönizischen Elfenbeinarbeiten, die stilistisch und formal stark von der ägyptischen Kunst dieser Zeit beeinflusst sind. Als Vorbilder dienten Metallarbeiten aus Tanis, der ägyptischen Hauptstadt.6 Dekorative Elfenbeinschnitzereien scheinen eine be
Elfenbeinplakette mit der Darstellung zweier Greifen in einer Palmette. Nimrud, Irak, 8. Jahrhundert v. Chr. Die Greifen, die ihre Tatzen erhoben haben, knabbern an den zarten Trieben der heiligen Pflanze.
sondere Spezialität der Phönizier gewesen zu sein. An zahlreichen Orten außerhalb des eigentlichen Phönizien, in Assyrien (Khorsabad), Nordsyrien (Arlsan Tash und Zinçirli) sowie in Nordpalästina (Samaria) wurden bereits große Mengen an Elfenbeinschnitzereien im phönizischen Stil gefunden. In der assyrischen Hauptstadt Nimrud (das antike Kalhu) im Nordirak wurde die größte Sammlung solcher Elfenbeinarbeiten gefunden, die sich stilistisch in zwei Gruppen unterteilen lassen: eine phönizische und eine nordsyrische. Die phönizische Gruppe, deren Großteil in einem Lagerraum des nordwestlichen Palastes von König Assurnassirpal II. entdeckt wurde, weist stilistisch, ikonographisch und technisch starke ägyptische Einflüsse auf. Die Themen dieser Schnitze
reien stammen u. a. aus der ägyptischen Kunst: die Geburt des Horus, ein säugendes Kalb, Jünglinge beim Binden von Papyrus, eine Löwin im Papyrusdickicht oder ein Greif, der einen getöteten Asiaten zertrampelt. Zu ihrem Repertoire gehören auch eine Reihe geflügelter Götter und Tiere wie Menschen, Schlangen, Falken und Sphingen, um nur einige zu nennen. Meist flankieren sie symmetrisch ägyptische Symbole oder Kultobjekte wie ankh, Skarabäen oder djed-Pfeiler, ein Symbol für Stabilität. Die phönizischen Elfenbeinarbeiten gibt es in verschiedenen Techniken wie Ajouré (durchbrochene Arbeiten) und Champlevé, eine Art Reliefschnitzerei, bei der der Hintergrund ausgeschnitten wird, um das Dekor herauszuarbeiten. Die Stücke wurden in Cloisonné-Technik mit farbiger Glaspaste und Halbedelsteinen weiter verziert (siehe Tafel 4). Bei den Elfenbeinarbeiten selbst handelt es sich meist um rechteckige Tafeln zur Einlage in Holzpaneele oder verschiedene Möbel wie Betten, Sofas, Tische, Throne und Truhen;7 wahrscheinlich befanden sich die meisten dieser Intarsien in Möbelstücken. Elfenbein- und Holzschnitzereien waren für die phönizischen Handwerker eng verwandte Arbeiten. Bei beiden brauchte man die gleichen Tischlerfertigkeiten und Techniken wie Zapfenverbindungen und Bolzen. Die einzelnen Teile der Elfenbeinmöbel wurden oft mit phönizischen Buchstaben versehen, um ihre richtige Anordnung zu garantieren und den Aufbau des vollständigen Objektes zu erleichtern. Hesekiels »Schiff von Tyros« hatte angeblich eine Kabine aus Zedernholz, in der ein Elfenbeinpavillon stand. Die phönizischen Elfenbeinintar
sien aus Samaria könnten möglicherweise aus dem berühmten »Elfenbeinhaus« von Ahab stammen, dessen reich verziertes Interieur wahrscheinlich von phönizischen Handwerkern angefertigt worden war. Die Initiative für diesen Bau könnte von Ahabs Frau, der phönizischen Prinzessin Isebel, ausgegangen sein. Die biblischen Texte unterstreichen, dass die Kunst der phönizischen Elfenbeinschnitzer für eine elitäre Klientel hauptsächlich ausländischer Aristokraten angefertigt wurde. Wie die hohe Qualität beweist, wurde das Kunsthandwerk vom Palast kontrolliert. Die ausführenden Künstler dieser Industrie waren Mitglieder einer Berufsgilde. Wie beim Bronzeguss wurde die Kunst des Elfenbeinschnitzern in einer harten Lehrzeit vermutlich vom Vater an den Sohn weitergegeben. Elfenbein war an sich schon ein wertvolles Material. Im 8. Jahrhundert schien der bis dahin in Syrien heimische Elefant durch eine zu intensive Jagd ausgestorben zu sein. Danach bezogen die phönizischen Handwerker das Material für ihre Arbeiten ausschließlich von Stoßzähnen, die aus Nordafrika und möglicherweise auch Indien importiert wurden. Die Darstellungen auf den Bronzetoren Salamanassers III. in Balawat zeigen, wie Elfenbein als Tribut von den Sidoniern und Tyrern dargeboten wird. Wissenschaft liche Untersuchungen der letzten Jahre konzentrierten sich auf die Unterschiede zwischen dem phönizischen und nordsyrischen Stil innerhalb des Nimrud-Korpus. Dabei wurden zwar große Fortschritte erzielt, doch sind noch viele Fragen ungeklärt. Besonders schwierig ist das Problem der Provenienz, besonders bei
den Elfenbeinarbeiten im phönizischen Stil, da es nur wenige Stücke aus dem phönizischen Heimatland gibt. Anders als im Fall der Arbeiten im syrischen Stil gibt es in Phönizien keine steinernen Monumente, mit denen man die Elfenbeinschnitzereien vergleichen könnte. Es liegen eigentlich nur wenige Anhaltspunkte vor, die die Funde mit einer der großen phönizischen Produktionsstätten in Verbindung bringen könnten, weshalb sich diese Zuweisungen lediglich auf Vermutungen gründen. Seit langem wird vermutet, dass die phönizischen Elfenbein- und Bronzearbeiten aus Nimrud und anderen assyrischen Städten aus der Levante stammten und entweder als Tribut oder Beute aus Phönizien kamen. Es bleibt die Möglichkeit bestehen, dass diese Elfenbeinarbeiten, oder zumindest ein Teil davon, vor Ort von dort lebenden phönizischen Künstlern hergestellt wurden, die aus ihrer Heimat angeworben worden waren. Diese Möglichkeit lässt der Fund unbearbeiteten Ägyptischblaus vermuten, einer Art Fayencepaste, die die Phönizier für ihre Elfenbeinintarsien verwendeten. Es ist gut denkbar, dass phönizische Künstler in verschiedenen benachbarten Handelsstädten außerhalb Phöniziens gearbeitet haben.
Metallarbeiten Der Ruhm der Phönizier als geschickte Metallarbeiter ist im Alten Testament gut belegt. Der griechische Dichter Homer berichtete im 8. Jahrhundert vom Geschenk
eines großen verzierten Silbergefäßes, das geschickte Sidonier angefertigt hatten. Achill stiftete die beeindruckend große und schöne Arbeit als ersten Preis für die Leichenspiele des Patroklos.8 In der gesamten Ägäis und dem Nahen Osten, von Italien im Westen bis nach Mesopotamien im Osten, wurden verzierte Schalen aus Bronze und Silber in verschiedenen archäologischen Kontexten des 9. bis 7. Jahrhunderts v. Chr. gefunden. Verglichen mit den Elfenbeinarbeiten sind diese Schalen sowohl ikonographisch als auch stilistisch sehr eklektisch. Sie bilden ein reines Amalgam versrhiedener kultureller Elemente aus der Ägäis, Nordsyrien, Assyrien und Ägypten. Trotz ihrer stilistischen Unterschiede weisen sie in Anlage und Komposition unterschwellige Parallelen auf, die ein gemeinsames künstlerisches Erbe verraten und die Zuweisung zur phönizischen Kunst rechtfertigen.9 Die Schalen weisen in der Mitte ein rundes Medaillon auf, das mit einer Rosette oder einer bildlichen Darstellung verziert ist, sowie einen oder mehrere konzentrische Dekorationsfriese. Die Bildthemen sind recht unterschiedlich und reichen von einander abwechselnden Pflanzen, Tieren und Genredarstellungen (Heldenkämpfe, Pharao in Kampfstellung, Löwenkampf) bis zu durchlaufenden Figurenfriesen (Militär- und Tierparaden, Votivprozessionen), die gelegentlich in aufeinander folgenden Szenen ‚ auch narrative Episoden darstellen können. Meist handelt es sich um einfache, flache Schalen, die aus einem einzigen Metallblech getrieben wurden und sich hauptsächlich in Bezug auf die angewandten Dekorationstechniken wie Ziselierung, Gravierung und flacher Punzierung un
Bronzeschale mit der Darstellung von Greifenpaaren in Weihestätten. Palast des Assurnassirpal II in Nimrud, Irak, 8. Jahrhundert v. Chr. Dieses Gefäß gehört zur Untergruppe ägyptisierender Schalen mit klarem vierteiligem Dekor. Vergoldete Silberschale mit Mittelmedaillon, in dem ein Dämon mit vier Flügeln einen aufgerichteten Löwen entsendet. Kourion, Zypern, spätes 8. oder frühes 7. Jahrhundert v. Chr. Typisch sind die gemischten Darstellungen von Einzelszenen oder Vignetten auf den umlaufenden Friesen.
terscheiden (wobei ein Relief durch Schlagen von der anderen Seite erzeugt wird). Wie bei den Elfenbeinarbeiten lösten auch die Metallschalen viele Diskussionen um ihre Herkunft aus. Eindeutig lässt sich eine Reihe stilistischer Gruppierungen unterscheiden: Einige der Schalen aus Kreta und Italien zeigen einen deutlich ägyptisierenden Einfluss, während andere aus Griechenland und Assyrien eine Mischung aus syrischen und ägyptischen Kunststilen aufweisen. Einige Gruppen lassen sich auch thematisch finden: Militärparaden, Votivprozessionen und Tierreihen (Stiere und Sphingen). Mit Ausnahme einiger bemerkenswerter Beispiele können sie geographisch jedoch unmöglich den bekannten Produktionsstätten zugeordnet werden. Da in der Levante fast keine Metallbleche gefunden wurden, ist jede Diskussion um die Lokalisierung der Werkstätten von vornherein ausgeschlossen.10 Bezüglich ihrer Chronologie weisen die Schalen einige interessante Tendenzen auf. Die Beispiele aus Bronze sind älter als diejenigen aus Silber. Die Produktion der Silberschalen begann nicht vor etwa 700 v. Chr. Die früheste Gruppe der Bronzeschalen, die sich durch ein Rosettenmedaillon auszeichnet, kann ins 9. Jahrhundert datiert werden. Kürzlich wurden mehrere Beispiele dieser Reihe in datierbaren Gräbern in Lefkandi auf Euböa gefunden, die nachweislich bereits aus dem 10. Jahrhundert v. Chr. stammen.11 Dieses so frühe Produktionsdatum erklärt das Fehlen ägyptischen Einflusses und die Popularität der Votivprozessionen, die in früheren Arbeiten der Levante aus dem späten 2. Jahrtausend v. Chr. verwurzelt sind.
Vergoldete Silberschale aus Präneste in Etrurien, spätes 8. oder frühes 7. Jahrhundert v. Chr. Der äußere Fries erzählt in neun Episoden die Geschichte eines Königs, der ein gorillaartiges Monster bekämpft. Die gleiche narrative Sequenz findet sich auf dem Fragment einer Bronzeschale aus Kourion auf Zypern, das vermuten lässt, dass beide Handwerker nach der gleichen Zeichnung oder Vorlage arbeiteten. Es handelt sich möglicherweise um eine verloren gegangene Geschichte oder Fabel aus Phönizien.
Der Korpus der phönizischen Schalen wirft ein interessantes Licht auf die Frage regionaler Produktionsstätten. Eine geschlossene Gruppe von Gefäßen kann einer Werkstatt auf Zypern zugeschrieben werden, die gegen Ende des 8. und im frühen 7. Jahrhundert v. Chr. tätig war.12 Ikonographisch zeigt die Serie, zu der auch Siegel,
bronzene Pferdebeschläge und Elfenbeinarbeiten gehören, eine starke Vorliebe für assyrische Motive. Dieser Einfluss deckt sich mit dem politischen Status der Insel, die zu dieser Zeit Tribut an die Assyrer zahlen musste. Mehrere der Schalen aus vergoldetem Silber tragen zypriotische Inschriften ihrer aristokratischen Besitzer wie z. B. die eines »Akestor, König von Paphos«. Eine weitere Gruppe vergoldeter Silberschalen aus Etrurien scheint ebenfalls die Arbeit einer etruskischen Werkstatt phönizischer Handwerker gewesen zu sein. Der Grabungskontext zeigt, dass die Besitzer aus der ortsansässigen Aristokratie stammten. Aller Wahrscheinlichkeit nach dienten die aus lokal abgebautem Silber hergestellten Schalen als diplomatische Tauschgeschenke.13 Neben den Schalen fertigten die phönizischen Kunstschmiede außerdem einen außergewöhnlichen Krug an, dessen Henkel unten in einer Platte mit einem Palmettenornament auslief. Beispiele aus Bronze und Silber wurden im gesamten Mittelmeerraum von Spanien bis Zypern gefunden.14
Bronzekrug, dessen Henkel in einer Palmette ausläuft. Spätes 8. Jahrhundert v. Chr. Herkunft unbekannt.
Im Bronzegussverfahren schufen phönizische Künstler verschiedenartige kleine Figuren, die hauptsächlich als Votivgaben für Tempel und häusliche Schreine dienten (siehe Tafel 2 rechts). Sie zeigen meist sitzende oder stehende weibliche Gottheiten in ägyptisierenden Gewändern, die oft eine Hand mit der Fläche nach außen in einem Segnungsgestus ausstrecken. Überraschenderweise wurden davon bislang in Phönizien selbst nur wenige gefunden, es scheint jedoch, als seien einige von den im Ausland gefundenen Figuren vom phönizischen Kernland aus exportiert worden. Besonders kunstvolle Stücke haben eingelegte Augen und ihre Gesichter sind mit Gold- oder Silberfolie überzogen.
Großplastik Die Phönizier haben offenbar nie eine kohärente Tradition großformatiger Steinstatuen entwickelt, eine Tatsache, die für eine Kultur, die sich auf leicht zu transportierende Kunst spezialisiert hat, kaum überraschend ist. Vereinzelte Funde belegen jedoch, dass die phönizischen Bildhauer in der Lage waren, fein gemeißelte Reliefskulpturen zu schaffen, die hauptsächlich zu Be-
Stele mit der schreitenden Figur eines Sturmgottes über einem Löwen. Tell Kazel, Syrien, 9. oder 8. Jahrhundert v. Chr.
Kalksteinrelief mit der Darstellung einer liegenden Sphinx auf einem Podest. Arwad, Syrien, 7.–6. Jahrhundert v. Chr.
stattungszwecken Verwendung fanden. Bemerkenswert ist dabei eine Gruppe von Stelen mit rundem Abschluss, die Götter und Anbetungsszenen darstellen. Die Produktion dieser Reliefskulpturen, die aus dem örtlich abgebauten Sandstein (ramleh) gehauen wurden, scheint ihren Höhepunkt nicht vor der Perserzeit gefunden zu haben, als großformatige Steinskulpturen in anderen Formen (Sarkophagen, Statuen, Architekturreliefs) zunächst auf Zypern und dann auch auf dem Festland auftauchten. Etwa zu dieser Zeit begannen die phönizischen Bildhauer vollplastische Statuen zu schaffen. Erwartungsgemäß bedienten sie sich dafür ägyptischer Vorbilder. Den meisten der frühen Porträtstatuen liegt ein gemeinsames Bildmotiv zugrunde: ein schreitender Jüngling in ägyptischer Kleidung, einen Arm an der Seite und den anderen vor der Brust angewinkelt. Er trug eine hautenge kurzärmlige Tunika und einen geflochtenen Rock oder shenti sowie ein kunstvolles Blütenhalsband, ousekh. Interessanterweise wurde dieser Kleidungsstil, der bei zypriotischen Skulpturen des 6. und 5. Jahrhunderts v. Chr. belegt ist, nicht durch zeitgenössische ägyptische Skulpturen der saïtischen Zeit (26. Dynastie), sondern von früheren Vor
bildern aus dem Neuen Reich inspiriert. In dieser Zeit gab es den Rocktyp, den die phönizischen Bildhauer darstellten: ein langes fließendes Gewand mit einem herabhängenden Band in der Mitte, das unten mit einem Paar Schlangen mit Sonnenscheiben verziert war. Die Kunst der 22. Dynastie des 9. Jahrhunderts v. Chr. lieferte den phönizischen Künstlern die stilistischen Vorbilder für ihre Skulpturen. Vom Festland aus beeinflusste dieser Stil wiederum die phönizische Kunst auf Zypern.15
Alabastergefäß in Form einer Göttin auf einem von Sphingen flankierten Thron. Tuguti (Galera) bei Granada, Spanien, 7. oder 6. Jahrhundert v. Chr. Kultgefäß, bei dem eine Flüssigkeit, wenn sie in ein Loch im Kopf der Göttin gegossen wurde, aus ihren durchbohrten Brüsten in eine große Schale floss.
Nur wenige der frühen Monumentalskulpturen sind erhalten. Dabei ist ein unvollendeter männlicher Kalkstein-Koloss aus Byblos bemerkenswert, dessen ägyptische Vorbilder in der Pose, der ägyptischen Perücke und der stützenden Säule im Rücken erkennbar sind.16 Neben dem einheimischen Kalkstein arbeiteten die Phönizier auch in Alabaster. Es gab Werkstätten, die sich auf dieses Material spezialisierten und sowohl Reliefs als auch verschiedene Kosmetikbehälter wie z. B. Fläschchen in Form weiblicher Körper herstellten. Sarkophage Die Sarkophagproduktion muss die unter den phönizischen Kunstgewerben führende Industrie gewesen sein. Doch auch hier ist das Bild unvollständig, da von den zahllosen Holzsärgen, die in der Antike gezimmert wurden, nur vereinzelte Bruchstücke erhalten sind. Abgesehen vom Ahiram-Sarkophag (siehe Tafel 3), stammen alle steinernen Beispiele aus der Perserzeit, in der die Produktion von anthropoiden (menschenförmigen) Särgen offenbar in Phönizien aufkam. Die Wurzeln dieser Tradition sind wahrscheinlich in Ägypten zu suchen. Die beiden ältesten phönizischen Sarkophage in Mumienform, die der Sidonierkönige Tabnit I. und Eschmunazar II., waren ägyptische Importe (siehe Frontispiz). Mittlerweile wurden über 100 anthropoide Steinsarkophage aus der Mitte des 5. bis zum 4. Jahrhundert v. Chr. in Gräbern im phönizischen Kernland gefunden (siehe Abb. oben). Dabei handelt es sich sowohl um männliche
Weiblicher anthropoider Marmorsarkophag. Magharat Ablun, Sidon, Libanon, 5. Jahrhundert v. Chr. Männlicher anthropoider Marmorsarkophag, 5. Jahrhundert v. Chr. Herkunft unbekannt.
als auch um weibliche Formen (wobei Letztere überwiegen). Der sorgfältig frisierte und geformte Kopf verweist auf das Geschlecht. Abgesehen von einigen Ausnahmen wurde der restliche Körper summarisch in Mumienform wiedergegeben. Er endete in einem flachen Absatz, der die Füße darstellt. Wie zu erwarten ist, sind die ersten Beispiele in einem stark ägyptisierenden Stil gehalten und imitieren die südlichen Vorbilder sowohl in der Form der Kiste und des Deckels als auch in der stilistischen Wiedergabe des Kopfes. Ausgehend vom späten 5. Jahrhundert wird der Stil der Sarkophage durch den Einfluss Zyperns, Ostgriechenlands und Athens immer mehr hellenisiert. Die verschiedenen dargestellten Frisuren (die von schneckenartigen Locken hin zu welligen und später lockigen Frisuren tendieren) spiegeln nun die griechische Mode wider. Mit der Zeit bekamen die Särge eine immer flachere und weniger körperhafte Form: die spätesten Beispiele bestehen aus einer halslosen Kopfmaske auf einer starren, länglichen Kiste.17 Es wurde viel diskutiert, woher die phönizischen Sarkophage stammten. Aufgrund ihres stark hellenisierenden Stils und des hauptsächlich verwendeten importierten Marmors war man versucht, sie griechischen Werkstätten zuzuschreiben, doch Eigenarten in Stil und Bearbeitungstechnik sowie das gelegentliche Auftauchen phönizischer Buchstaben (die Bildhauerzeichen oder Herstellermarken darstellen), lassen vermuten, dass sie im phönizischen Kernland hergestellt wurden. Sidon wäre eine mögliche Produktionsstätte, da die meisten Stücke auf den königlichen Nekropolen der Stadt gefunden wur
den. Auch Arwad könnte ein regionaler Produktionsort gewesen sein, wenn man den dort vorkommenden Basalt betrachtet, aus dem manche Särge geschaffen wurden. Der importierte Marmor kam hauptsächlich von der ägäischen Insel Paros. Dort wurden auch unfertige Sarkophage gefunden, was darauf schließen lässt, dass sich dort ein phönizisches Unternehmen befand, das die Sarkophage nicht nur vertrieb, sondern auch produzierte und zum phönizischen Festland exportierte.18
Schmuck Die Phönizier waren seit der Bronzezeit auch Meister der Fertigung von Schmuck aus Edelmetall (siehe Tafel 1 oben). Ihr Geschick zeigt sich vor allem in kunstvollen Granulations- und Filigranarbeiten, die oft in einem detailgetreuen Miniaturstil ausgeführt wurden. Der phönizische Kunstschmied verfeinerte seine Werke gerne mit Einlagen aus Glas oder Halbedelsteinen wie Lapislazuli oder Karneol. Die bevorzugten Materialien waren Gold und Silberblech, für die weniger Wohlhabenden wurde Bronze mit einem Überzug aus Gold- oder Silberfolie verziert. Aufgrund der wenigen Ausgrabungen im Kernland stammt der größte Teil des erhaltenen phönizischen Schmuckes bislang aus dem punischen Westen, vor allem aus Karthago und Tharros (siehe Tafel 5 oben). Beide Orte hatten seit dem 7. und 5. Jahrhundert v. Chr. eigene regionale Produktionsstätten. Es steht jedoch außer Frage,
a b c d e f g h
Skaraboid aus Lapislázuli mit unterteiltem Dekor, Byblos, Libanon; Skarabäus aus Amethyst, Anbeter vor einer thronenden Göttin. Sidon, Libanon; gestreifter Skarabäus aus Agath, Greifen neben einem heiligen Baum, Herkunft unbekannt; Skarabäus aus Karneol, Horus flankiert von Isis und Nephthys, Herkunft unbekannt; Skarabäus aus grünem Jaspis in Goldfassung: Bes im Kampf mit einem aufgerichteten Löwen, Byblos, Libanon; Skarabäus aus grünem Jaspis: thronende stierköpfige Gottheit vor einem Weihrauchbrenner. Tharros, Sardinien; Skaraboid aus grünem Jaspis in goldener Bügelfassung: Kampf zwischen Löwen und Stier, Tharros, Sardinien; Skarabäus aus grünem Jaspis, in goldener Bügelfassung: Isis mit Horus an der Brust vor einem Weihrauchbrenner, Herkunft unbekannt.
dass viele der frühen punischen Funde nach Vorbildern aus der östlichen Heimat gefertigt wurden. Schmuckfunde aus Zypern helfen, das Bild zu vervollständigen. Die Bedeutung von Sidon als Herstellungsort ergibt sich z. T. aus den reichen Gold- und Silberschmuckfunden, die in späteren persischen Grabkontexten erhalten geblieben sind.19 Aus der Ikonographie und den Grabkontexten kann man schließen, dass viele der phönizischen Schmuckstücke eine magische, apotropäische Funktion hatten. Symbole wie das ägyptische ankh, das Horusauge, der Skarabäus, die geflügelte Sonnenscheibe sowie die Halbmondscheibe treten häufig als Anhänger, Amulette oder Ringe auf. Die phönizischen Goldschmiede verzierten Ketten, Ohrringe und Schmuckplatten gerne mit kleinen Anhängern aus gehämmertem Gold. Diese gab es in verschiedenen Formen, etwa als Gefäße mit Hals (bullae) (siehe Tafel 5 oben), u-förmige »Täschchen«, Falken (siehe Tafel 5 oben, b), Granatäpfel oder Drahtreifen. Eine weitere gängige Form ist der so genannte »Kugel-und-Käfig«-Anhänger, ein kleiner Würfel mit einer granulierten Pyramide darüber (siehe Tafel 5 oben, b). Als weitere Anhängerarten treten gepunzte Metallscheiben in Form von weiblichen Figuren, Lotosblüten oder Horusaugen sowie gepunzte médaillon- oder schreinförmige Scheiben mit kunstvoll getriebenen oder granulierten Verzierungen auf. Großer Beliebtheit bei den Phöniziern erfreuten sich auch Fingerringe, die häufig mit einer ovalen oder kartuschenförmigen Facette oder einem Skarabäus in einer drehbaren Fassung verziert waren (siehe Abb. unten, e,
g, f). Ohrringe wurden oft in Blutegelform gefertigt, eine beliebte Variante zeigte ein hängendes Kreuz, das zusammen mit dem Trägerring das ankh-Zeichen bildete (siehe Tafel 5 oben, a). Zusätzlich zu den oben genannten Formen spezialisierten sich die punischen Goldschmiede auf die Produktion von goldenen Amulettschächtelchen mit Tierköpfen (siehe Tafel 5 unten, d). Siegelgravuren Wie im gesamten Nahen Osten wurde das Zylindersiegel in Phönizien bereits früh verwendet. Mit der Einführung der alphabetischen Schrift und des Papyrus wurde es gegen Ende des 2. Jahrtausends v. Chr. jedoch allmählich durch das Stempelsiegel ersetzt. Die frühesten Formen waren kegelförmig und aus einem weichen Stein geschnitten und zeigten stilisierte lineare Darstellungen von Tieren und Jagdszenen. Zu Beginn des 1. Jahrtausends v. Chr. kam im Bildinventar der phönizischen Siegelschnitzer der Skarabäus auf, dessen Form sich vom Calopteryx-Käfer, einem heiligen ägyptischen Symbol der Erneuerung ableitet. Die frühesten Beispiele aus dem phönizischen Kernland stammen aus dem 9. Jahrhundert v. Chr. und zeigen die fragmentierten ägyptischen Symbole ankh, Falke, Uräusschlange und Horusauge in horizontalen Registern, meist in Paneelen. Typisch für die phönizische Siegelkunst ist die beziehungslose Anordnung der ägyptischen Motive. So finden sich nicht nur ägyptische Tiermotive und gelegentlich auch Kartuschen mit falschen Hieroglyphen.
Die kunstvolleren Stücke zeigen möglicherweise königliche Symbole, wie den Skarabäus mit vier Flügeln und die gewandete Figur mit ankh und erhobener Hand. Ein Beispiel aus dem frühen 9. Jahrhundert, das kürzlich in Horvat Rosh Zayit gefunden wurde, besteht aus Bronze mit Bleieinlagen.20 Die Komposition der früheisenzeitlichen Siegel mit mehreren Friesen wurde schließlich auf eine Form mit einer Hauptszene reduziert, die oben und unten von einer geflügelten Sonnenscheibe und dem ägyptischen nufoZeichen (für den Himmel) eingefasst wurde. Die Stromlinienform des Skarabäus und seine anatomische Struktur wurden zugunsten eines vereinfachten Ovals, des Skaraboids, reduziert oder ganz ignoriert. Damit wurden die verschiedenen polierten Steine, die die phönizischen Steinschneider verwendeten, Amethyst, Chalzedon, Karneol, Achat, Serpentin, Quarzit, Onyx und Jaspis, besser hervorgehoben. Die Ikonographie der phönizischen Siegelschnitzer weist ein starkes Interesse an religiösen und magischen Themen der Wiedergeburt aus Ägypten auf. Beliebte Sujets waren die Geburt des Horus aus der Lotosblüte sowie Isis, die den jungen Horus stillt (oft durch eine säugende Kuh und ein Kalb symbolisiert). Zum Repertoire der Siegelschnitzer gehörten auch diverse geflügelte Schutzgötter und Genien, die einzeln oder paarweise mit einer heiligen Pflanze dargestellt wurden. Besonderer Beliebtheit erfreute sich dabei ein vierflügeliger Dämon. Die einfacheren Siegel wurden meist aus Stein oder Glaspaste hergestellt und zeigten einzelne Tiere und Blütenmotive wie Sphingen, Greifen, Falken und Palmetten.
Ikonographisch lehnen sich die Siegel des 8. und 7. Jahrhunderts v. Chr. stark an das Repertoire der phönizischen Schalen und Elfenbeinschnitzereien an, in vielen Fällen scheinen die Siegelschnitzer diese sogar kopiert oder zitiert zu haben. Die phönizische Siegelherstellung erreichte ihren Höhepunkt im 5. und 4. Jahrhundert v. Chr. Zu dieser Zeit waren die Produkte im gesamten punischen Mittelmeerraum verbreitet. Wichtigste Stätte für die Produktion und den Vertrieb der Skaraboide aus den einheimischen Steinen wie z. B. grünem Jaspis war Tharros auf Sardinen. Diese Siegel weisen ein nicht nur von der ägyptischen, sondern auch von der etruskischen und westgriechischen (ionischen) Kultur beeinflusstes Formenrepertoire auf. Unter den abgebildeten Gottheiten waren Isis, Bes, Herakles und eine Art stierköpfiger Baal besonders beliebt, aber auch Szenen mit Tierkämpfen waren populär.
Fayence und Glas Das phönizische Glas war in der Antike berühmt. Dem lateinischen Autor Plinius zufolge war Sidon für seine Werkstätten bekannt. Strabon berichtet, dass die südphönizischen Küstendünen zwischen Tyros und Akko den besten Sand für die Glasherstellung boten.21 Wahrscheinlich entstand die Technik der Glasbläserei, die die Glasindustrie revolutionierte, im späten 1. Jahrhundert v. Chr. in dieser Gegend. Schon lange vor dieser Zeit stellten die Phönizier Glas
her. Die schriftlichen und archäologischen Zeugnisse lassen vermuten, dass sowohl das phönizische Kernland als auch möglicherweise Zypern Rohglas und fertige Produkte herstellten und verkauften. Die Briefe aus Tell elAmarna in Ägypten nennen importierte Schiffsladungen von Rohglas aus Tyros und seinen Nachbarstädten, und im Schiffswrack von Ulu Burun befand sich eine Ladung zylindrischer Glasbarren sowie ein kanaanitischer Krug voller Glasperlen.22 Ab dem späten 8. Jahrhundert v. Chr. ist die Glasherstellung auch in Mesopotamien belegt, wo nun Gefäße in der Sandkerntechnik produziert wurden. Diese Technik, bei der erhitzte Stäbe aus farbigem Glas um einen Kern aus Sand oder Ton gelegt wurden, wurde bereits zuvor, in der späten Bronzezeit, sowohl in Ägypten als auch in Assyrien angewendet. Ihre Ausbreitung nach Westen in den Mittelmeerraum während des 7. Jahrhunderts v. Chr. wurde wandernden Glasherstellern aus Mesopotamien zugeschrieben, die auf der Insel Rhodos offenbar eine Produktionsstätte eingerichtet hatten.
Einige Versuche der Phönizier, ägyptische Fayencen nachzuahmen sind sehr überzeugend. Dafür spricht die berühmte »Bocchoris«-Vase aus dem etruskischen Tarquinia, die die königliche Kartusche eines ägyptischen Pharao der 24. Dynastie aus dem späten 8. Jahrhundert v. Chr. trägt. Ein ähnliches Gefäß wurde in Mozia auf Sizilien gefunden.
Mehrere frühe Gruppen der Sandkerngefäße scheinen jedoch aus Werkstätten außerhalb Mesopotamiens zu stammen. Dazu gehört eine Reihe von Krügen mit Verzierungen aus weißen Fäden. Ihre Verteilung im Mittelmeerraum (Rhodos, Kreta, Etrurien) und ihre Verwandtschaft mit Gefäßen aus der Levante (Achziv, Lachish) lassen eine Herkunft aus dem östlichen Mittelmeerraum, vielleicht im Umfeld der Phönizier vermuten. Phönizische Händler könnten auch eine Gruppe von Alabastergefäßen im Übergangsstil exportiert haben, die im Mittelmeerraum weit verbreitet waren (Ägypten, Zypern, Karthago, Tharros auf Sardinien und Präneste in Etrurien).23 Da jedoch im phönizischen Kernland für keine der beiden Gruppen Beispiele gefunden wurden, ist eine definitive Zuweisung nicht möglich. Die rege Produktion der Sandkernflaschen, die sich gegen Ende des 6. Jahrhunderts im Mittelmeerraum herausbildete und im 5. und 4. Jahrhundert ihren Höhepunkt erreichte, wurde jedoch eindeutig von den Griechen, nicht den Phöniziern dominiert. Das griechische Formenrepertoire (Alabastron, Amphoriskos, Oinochoe, Aryballos) und dessen deutliche Konzentration in der Ägäis weisen auf ein ostgriechisches Produktionszentrum hin, das entweder auf Rhodos oder in einer oder mehreren griechischen Gemeinden an der ionischen Küste Kleinasiens lag.24 Eine Gruppe gegossener Gefäße, Alabastra und halbkugelförmige Becher sowie Schalen aus dickem, durchscheinendem Glas, im Wachsausschmelzverfahren hergestellt und nach der Aushärtung poliert (sowie gelegentlich
geschliffen), stehen enger mit den Phöniziern in Verbindung. Derartige Luxusgefäße wurden in Spanien, Etrurien, Kreta und Assyrien (Nimrud) gefunden. Alle Formen (z. B. Phialen, halbkugelförmige Schalen, Alabastra und Krüge mit Griffen) imitieren bewusst die Formen anderer Medien (Metall, Alabaster, Keramik) und unterstreichen somit die enge Verbindung zwischen den einzelnen Werkstätten. In dieser Hinsicht ist die gläserne Imitation einer phönizischen Metallschale aus Nimrud bemerkenswert. Am gleichen Ort wurde auch eine Reihe bemalter Glastafeln im ägyptisierenden phönizischen Stil gefunden.25 Phönizische Handwerker scheinen für die Herstellung der gegossenen farbigen Glaseinlagen für die Elfenbeinarbeiten verantwortlich gewesen zu sein. Viele der Möbelpaneele aus Elfenbein im phönizischen Stil aus Nimrud waren in dieser Technik verziert. Diese Tafeln wurden aus Teilen, vorgefertigten Stäbchen oder Stücken von Glasscheiben gebildet, die geschnitten und zu geometrischen oder floralen Mustern zusammengefügt und anschließend miteinander verschmolzen wurden. Im späten 7. Jahrhundert v. Chr. begannen phönizische Werkstätten im östlichen Mittelmeerraum mit der Produktion von aus Stäben geformten vielfarbigen Glasanhängern in Form von Dämonenmasken, Tieren sowie männlichen und weiblichen Köpfen. Die Produktionsstätten für diese großen Perlen, die als Talismane an Halsketten getragen wurden, sind schwer auszumachen. Infrage kämen die phönizische Küste, Zypern und das ägyptische Delta. Wahrscheinlich wurden sie an mehreren verschiedenen
Orten gefertigt, darunter auch Karthago im punischen Westen. Bei den frühesten Beispielen handelt es sich um groteske Fratzen ohne Mund oder um Widderköpfe, die klein (weniger als 3 cm groß) und relativ unauffällig sind. Später wurden die Anhänger immer größer und kunstvoller, die punischen Männerkopfperlen mit lockigem Bart und Haar maßen bis zu 8 cm. Sie wurden im gesamten Mittelmeerraum gefunden und darüber hinaus in Anatolien, Südrussland und sogar im transalpinen Europa. Diese gut transportierbaren Schmuckstücke verbreiteten sich durch Verkauf und Wiederverkauf sehr weit.26 Die phönizischen Werkstätten auf dem Festland und auf Zypern stellten auch verschiedene Glassiegel und Perlen her (einschließlich einer Variante in blauem geriffeltem Glas), die in die Ägäis exportiert wurden. Unter diesen Siegeln ist eine bestimmte Art ägyptisierender Skaraboide aus blauem und grünem Glas hervorzuheben. Die phönizischen Handwerker beschäftigten sich darüber hinaus intensiv mit Glaspaste und Fayence, einer glasierenden Mischung auf Silikonbasis, die die Ägypter erfunden hatten. Solche Materialien wurden zu einer scheinbar unendlichen Vielfalt an Glücksbringern geformt, z. B. Skarabäen und Amuletten in Form von ägyptischen Symbolen und Gottheiten. Diese Schmuckstücke, die in regionalen Werkstätten auf dem Festland, auf Zypern und Rhodos hergestellt wurden, gehörten zum Grundsortiment der phönizischen Kaufleute. Der griechische Dichter Homer nennt sie athyrmata, »Luftblasen« oder »Spielzeug«. Die besten phönizischen Fayencearbeiten sind von außergewöhnlicher Schönheit, die große Masse wurde jedoch ohne Sorgfalt produziert,
um den Bedarf eines großen Marktes zu decken. Phönizische Handwerker auf Rhodos stellten einige schöne Salboder Parfumgefäße aus Fayence her, darunter auch eine Gruppe anthropomorpher Vasen in Form kniender Frauen oder Affen.27
Terrakotta Die phönizischen Koroplasten, die Hersteller der Terrakottafigürchen, erfreuten sich unter den bislang betrachteten Handwerkern einer Sonderstellung. Sie arbeiteten hauptsächlich für einen lokalen Markt. Stil und Ausführung der Stücke waren oft idiosynkratisch, das Werk unscheinbar und unprätentiös, das Produkt einer Tradition der »Volkskunst«. Der regionale Charakter der Terrakotten vom phönizischen Festland erschließt sich aus ihrem Fehlen im Ausland und in der Verbindung bestimmter Typen mit besonderen Orten (z. B. der Miniaturschrein in Südphönizien, die Reiterfiguren in der Gegend um Amrit). Im deutlichen Gegensatz zu anderen Aspekten der phönizischen Kunst ist ihre Produktion fest im Heimatland verwurzelt, wie zahlreiche archäologische Funde aus Sidon, Achziv, Sarepta und mittlerweile auch Beirut zeigen. Die Entdeckung von Terrakotten und den dazugehörigen Abdruckmodellen in Kition weist auf die Existenz einer regionalen Werkstatt hin.28 Die Terrakotten selbst lassen sich aufgrund ihrer Technik in drei große Gruppen unterteilen: die von Hand aufgebauten, die auf der Drehscheibe hergestellten und die
Terrakottastatuette mit glockenförmigem Fuß mit einer Lampe auf dem Kopf. Ibiza, 5. Jahrhundert v. Chr.
jenigen, die mithilfe eines Abdruckmodells reproduziert wurden. Alle drei Techniken sind für den Nahen Osten gut belegt. Die rein handgearbeiteten Figuren sind oft grob und haben einen naiven Ansatz, sie sind idiosynkratische Produkte von Laien. Mit ihren spitz zulaufenden konischen Torsi, den ausgearbeiteten Köpfen und den angesetzten Armen aus gerolltem Ton lassen die auf der Drehscheibe produzierten Figuren eine einheitlichere Tradition erkennen. Wie die handgemachten Exemplare zeigen auch sie keine Anzeichen ausländischer Stilkonventionen. Lediglich bei den mithilfe von Abdruckmodellen gefertigten Produkten zeigt sich ein Einfluss von außen. Solche meist in offenen Formen hergestellten Terrakotten wurden an der Küste des gesamten südphönizischen Herrschaftsgebietes gefunden, als Exvoten in Heiligtümern, als Grabbeigaben auf Bestattungsplätzen und gelegentlich auch als Ladung in gesunkenen Transportschiffen. Die Themen verdeutlichen ihren Votivcharakter. Eine häufig anzutreffende Form ist die einer stehenden unbekleideten Frau, die ihre Hände über oder stützend unter die Brust legt. Zu den geläufigen Motiven
zählt auch die Darstellung einer verschleierten schwangeren Göttin (der so genannten dea gravida), die sitzend, die rechte Hand über den Unterleib gelegt, dargestellt ist.29 Beide Figurentypen stellten wirkungsvolle Fruchtbarkeitssymbole dar. Diese schwangere Frauenfigur tritt bisweilen gemeinsam mit der Statuette eines bärtigen männlichen Gottes mit der atef-Krone des Osiris (mit Straußenfedern) auf. Zusammen stellten sie ein göttliches Paar dar, dessen Identität jedoch ungeklärt ist.30 Ein weiterer beliebter Typus ist der Miniaturschrein mit Säulenarchitektur an der Fassade sowie einem zentralen Kultbild. Die Darstellung einer sitzenden Gottheit auf einem Sphingenthron war ebenfalls ein weitverbreitetes Kultbild. Für einen säkularen Markt produzierten die phönizischen Koroplasten auch tierförmige Gefäße, wie sie z. B. in Karthago gefunden wurden. Die punische Koroplastentradition ähnelt der im Osten zwar in Bezug auf die verwendeten Techniken, doch das Fehlen mehrerer weitverbreiteter Terrakottatypen wie die sitzende schwangere Göttin und der bärtige Gott, beweist die Unabhängigkeit der dortigen Entwicklung, die hauptsächlich vermittelnde Einflüsse Zyperns und Siziliens aufnahm. Aus Zypern gelangten mehrere Grundformen wie die Figur mit einem Lamm und die Votivstatuette mit scheibengedrehtem Körper und separat geformtem Kopf ins punische Herrschaftsgebiet. Der letztgenannte Typus findet sich in großen Mengen im gesamten punischen Westen. Aufgrund der griechischen Koloniegründungen in Südsizilien war die punische Terrakottatradition früh hellenischem Einfluss ausgesetzt.
Griechische Formen und Stile traten im Westen um ca. 600 v. Chr., ein ganzes Jahrhundert früher als im phönizischen Heimatland, auf. Die Baleareninsel Ibiza war eines der produktivsten und innovativsten Herstellungszentren westlich-punischer Terrakotta. Seit dem Ende des 6. bis zur Mitte des 2. Jahrhunderts stellten die Koroplasten von Ibiza große Mengen an Terrakottafiguren unterschiedlichen Stils her, darunter auch mit Abdruckmodellen geformte weibliche Statuetten in griechischem Stil und mit griechischer Kleidung sowie eine Vielzahl glocken- und eierförmiger Votivstatuen zypriotischer Tradition.31 Eine der ältesten und am häufigsten anzutreffenden koroplastischen Künste war die Maskenherstellung, eine Tradition, die bis in die späte Bronzezeit zurückreicht. Die auf der Töpferscheibe gedrehten Masken waren etwas unterlebensgroß, Augen und Mund wurden ausgeschnitten. In der phönizischen Heimat dienten sie seit dem 8. Jahrhundert oft als Grabbeigaben. In der Nekropole auf dem Festland von Tyros wurde erst kürzlich ein schönes Exemplar gefunden (siehe Tafel 7). Die von diesem phönizischen Künstler verwendete Dekorationsart – rote und schwarze Farbe sowie die mit eingeritzten Spiralen angedeuteten Haare und der Bart – weisen auf den Einfluss früherer zypriotischer Vorbilder hin. Die im 7. Jahrhundert einsetzende punische Maskentradition leitet sich von zypriotischen Vorbildern ab und wurde vom östlichen Festland weitergegeben.32
Keramik Im Gegensatz zu anderen Bereichen des Kunsthandwerks ist die phönizische Keramiktradition als sehr konservativ zu bezeichnen. Sie weist wenig von der Kreativität und dem eigenen Charakter auf, die für so viele andere Kunstrichtungen in Phönizien charakteristisch sind. Insgesamt gesehen bewegt sich die phönizische Keramik sowohl im Hinblick auf die Dekoration als auch auf ihre Qualität auf eher mittelmäßigem Niveau. Sie zog ihren wirtschaft lichen Nutzen hauptsächlich, wenn nicht vollständig, aus ihrer Funktion als Gebrauchskeramik und als Transportbehälter für verschiedene Waren. Die Keramik, die heutzutage mit den Phöniziern in Verbindung gebracht wird und die als Zeichen ihrer kulturellen Identität gilt, tritt zuerst in der frühen Eisenzeit auf (ca. Mitte des 11. Jahrhunderts v. Chr.).33 Zu dieser Zeit entstand die bichromatische (zweifarbige) Technik. Die Dekoration bestand aus breiten roten oder rötlichblauen, mit schmalen grauen oder schwarzen Linien gefassten Bändern. Diese verlaufen horizontal um die Vase oder bilden auf einander gegenüber liegenden Seiten gefüllte Kreise oder so genannte »Ochsenaugen«. Dieses Dekor tritt auch auf der Innenfläche flacher Schalen auf. Abgesehen von den konzentrischen Bändern beschränkte sich das dekorative Repertoire der Töpfer dieser Technik auf einige geometrische Muster: Kombinationen aus Strichen und Wellenlinien, hängenden Dreiecken, vertikalen Rauten, sechs- oder achteckigen Sternen und schraffierten Bändern.34
Entwicklung der phönizischen Keramikgefäßformen.
Etwa um die Mitte des 9. Jahrhunderts v. Chr. ersetzte eine neue Verzierungsart den bichromatischen Stil, eine Technik, bei der das gesamte Gefäß mit einer rot (gelegentlich auch schwarz) gebrannten Engobe oder einem Malschlicker überzogen wurde. Diese rot glänzende Ware blieb etwa drei Jahrhunderte in Mode, bis zum Beginn der Perserzeit (ca. 550 v. Chr.), als griechische Importkeramik, vor allem die attische rot und schwarz engobierte Ware, aufkam. Während der Eisenzeit verfügte der phönizische Töpfer über ein Standardformenrepertoire (z. B. Schalen, Teller, Flaschen, Krüge, Kannen und Vorratsgefäße), das weitgehend unverändert blieb. Dabei sind drei Gefäßtypen hervorzuheben: Der Krug mit Siebeinsatz, die Kanne mit Hals und die Kleeblattkanne. Die Kanne mit Siebeinsatz ist bereits früh belegt. Der trogförmige, nach oben gebogene Seitenausguss hatte am Ansatz ein Sieb, das feste Bestandteile aus Flüssigkeiten filterte. Die Kanne mit Hals durchlief eine lange Entwicklungsphase, im Laufe derer sie sich von einer einfachen Pilgerflasche über einen kugeligen Krug zu einem Gefäß mit rundem Fuß und weit ausladender und schließlich pilzförmiger Lippe entwickelte. Der Krug mit der pilzförmigen Lippe trat im 7. und frühen 6. Jahrhundert in den phönizischen Kolonien immer wieder auf. Die dritte Form, die Kleeblattkanne mit dem dreifach geschwungenen Ausguss war die eleganteste der drei auftretenden Gefäßtypen. Der schmal zulaufende Körper und die Form der Schulter zeugen von ihrer Nähe zu den Metallarbeiten.
Brennkammer eines Töpferofens in Sarepta, Libanon. Ausgrabungen der Universität Pennsylvania.
Unter den verschiedenen einfarbigen phönizischen Töpferwaren ist vor allem eine Art bemerkenswert, die auch als »schwarz-auf-rot-Keramik« bezeichnet wird. Sie weist auf einer glänzenden roten Engobe dekorative Bänder aus fein gezeichneten schwarzen Linien auf. Diese Technik ist auf Zypern bei einer Reihe von kleinen Krügen anzutreffen, die bislang den Phöniziern zugeschrieben werden, da sie ähnlichen Stücken aus dem phönizischen Kernland ähneln. Eine Analyse des Tons bewies allerdings, dass die zypriotischen Krüge dieser Art nicht in Phönizien, sondern in einheimischen zypriotischen Werkstätten hergestellt wurden. Daher muss zwischen ihnen und den in Phönizien und Philistia gefundenen Stücken unterschieden werden. Offenbar leiten sich alle drei aus unterschiedlichen Traditionen her.35
Die frühen Keramikformen des 8. und 7. Jahrhunderts in Karthago und dem punischen Westen lehnten sich eng an die Vorbilder aus der phönizischen Tradition an. Die Punier übernahmen viele Formen wie den Krug mit pilzförmiger Lippe, die Kleeblattkanne und den Teller mit dem ausgestellten Rand. Im späten 7. Jahrhundert kam es jedoch durch die Kontakte mit den sowohl ausländischen (griechischen und etruskischen) als auch einheimischen (spanischen und sardischen) Keramiktraditionen in der Umgebung zu regionalen Abweichungen in der punischen Töpferkunst. Um 500 v. Chr., in einer Zeit, in der sich Karthago als stärkste regionale politische Macht etablierte, endete diese unabhängige Entwicklung jedoch. Die Ausgrabungen in Sarepta konnten viele Fragen bezüglich der Brennvorgänge und der Vorbereitung, die die phönizischen Töpfer tätigten, beantworten. Der dort gefundene Brennofen aus Feldsteinen mit Lehmverputz hatte zwei Stockwerke. Im oberen wurde die Keramik aufgestapelt, im unteren wurde in zwei nierenförmigen Bereichen geheizt und befeuert. Vorbereitet wurde die Keramik in einem angrenzenden Hof, in dem eine Töpferscheibe und ein rundes Becken standen. Letzteres enthielt den Malschlicker, mit dem die Oberfläche des Gefäßes in lederhartem Zustand verziert wurde. Die Ausgrabungen von Sarepta brachten auch die Reste eines zementierten Beckens zum Schlämmen und Lagern von Ton zutage.36 Noch andauernde Untersuchungen in der Stadt Beit Shehab im Libanon werfen Licht auf die langwierigen
Arbeitsprozesse der phönizischen Keramikherstellung. In modernen Verfahren wird der Ton aus der näheren Umgebung vier bis fünf Monate in Becken ausgeschlämmt und dann in einem Keller gelagert. Die fertig geformten Gefäße werden mehrere Wochen lang getrocknet. Beim eigentlichen Brennvorgang wird die Keramik acht Tage lang bei einer Höchsttemperatur von etwa 800 °C gebrannt, nach einer schrittweisen Abkühlungszeit von 24 Stunden wird der Ofen geleert.37 Es ist zu vermuten, dass die phönizischen Töpfer ähnlich vorgingen.
Weberei und Textilfärbung In der Antike waren die Phönizier für die Herstellung verzierter Stoffe berühmt. Homer beschrieb im 8. Jahrhundert v. Chr. die schön gewebten Stoffe, für die die Frauen von Sidon bekannt waren. Kleider in leuchtenden Farben machten einen großen Teil des Tributs aus, den die Phönizier an die Assyrer zahlen mussten. Auch der Prophet Hesekiel spricht vom Handel in Tyros mit erlesenen Kleidern und Stoffen aus besticktem Purpurstoff. Daher ist es geradezu tragisch, dass nicht ein Stück der phönizischen Stoffe erhalten geblieben ist, um uns Informationen über das Aussehen und die Machart dieser begehrten Textilien zu geben. Die gestickten Muster und die dekorativen Techniken bleiben ein Rätsel. Zumindest geben uns die antiken Quellen detaillierte Informationen über die berühmte Farbe, das tyrische Purpur, die ihnen ihre Reputation einbrachte.38 Die antike Ver
bindung dieser Farbe mit den Phöniziern und Tyros ist unbestritten. Der moderne Name »Phönizier« entstammt dem griechischen Wort phoinix, das u. a. die Farbe Purpur oder Blutrot bezeichnet. Der griechischen Legende nach wurde das Purpur von Melkart selbst entdeckt, als er mit seinem Hund und der Nymphe Tyros an der Mittelmeerküste entlangstreifte. In der Sage biss der Hund in eine große Seeschnecke und befleckte sein Maul mit Purpur. Der Gott färbte daraufhin ein Gewand mit dem Sekret und schenkte es seiner Gefährtin. Die Molluskenart Murex wurde schon im 14. Jahrhundert auf den tyrischen Münzen dargestellt. Die archäologische Forschung hat ihre Verbindung mit der Purpurschnecke und der Farbherstellung sowohl für das Kernland der Phönizier als auch für das Ausland nachgewiesen. In Sidon fand man bei Ausgrabungen zu Beginn des 20. Jahrhunderts die Reste zweier großer Halden zerbrochener und weggeworfener Schneckenschalen. Sie sind Überbleibsel einer großen Färberei, die zwei der am häufigsten vorkommenden Arten der mediterranen Molluskenspezies, Murex trunculus und Murex brandaris, verwendete. Auch in Sarepta kam bei Ausgrabungen ein ähnlicher Haufen zerbrochener Schalen und Tonscherben mit Purpurablagerungen zutage, die die chemische Analyse als Molluskenpurpur identifizierte. Die Keramikscherben aus Sarepta stammten von kanaanitischen Vorratsgefäßen des 13. Jahrhunderts v. Chr. Sie bieten somit das früheste wissenschaft lich datierbare Zeugnis für die Purpurherstellung in größerem Stil. Im 1. Jahrhundert n. Chr. beschreibt der lateinische Autor Plinius den
tatsächlichen Färbeprozess. Er berichtet, dass die Schale der Schnecke aufgebrochen, ihre Drüsen herausgenommen und zehn Tage lang in einem großen geschlossenen Zinngefäß mit Salzwasser erhitzt wurden.39 Allmählich löste sich der Farbstoff und es ergab sich eine farblose Mischung, die erst dann das farbechte Purpur ergab, wenn sie wieder an die Luft kam. Die Farbskala der gefärbten Stoffe reichte je nach Intensität des Farbstoffes von Rosa bis zu dunklem Violett. Plinius zufolge wurde das tyrische Purpurrot durch doppeltes Färben der Wolle erreicht. Im modernen Experiment konnte das antike Verfahren wiederholt und verifiziert werden. Damit ließ sich bestätigten, dass die Schnecke Murex trunculus für die Farbherstellung verwendet wurde. Die besten Resultate wurden erzielt, wenn man die Wolle in die Farblösung tauchte, bevor sie oxidiert wurde, wodurch sie in die Fasern des Stoffes eindringen konnte. Den antiken Quellen nach war der Herstellungsprozess selbst mühsam und anstrengend, nicht zuletzt, da die entnommenen Drüsen der Schnecke einen üblen Geruch ausströmten. Das erklärt, warum die Abfallhalden der Schneckenhäuser, die die antiken Farbproduktionsstätten markieren, auf der dem Wind abgekehrten Leeseite der Stadt gefunden wurden. Das Resultat rechtfertigte den Aufwand jedoch auf jeden Fall. Der Farbstoff, für dessen Gewinnung Tausende von Schnecken für nur eine Unze gebraucht wurden, war mehr wert als sein Gewicht in Gold. Er war bereits früh ein Zeichen der Könige und seine Produktion wurde in der römischen Kaiserzeit schließlich staatlich kontrolliert. Kaiser Nero er
ließ sogar ein Edikt, nach dem es nur dem Kaiser erlaubt war, Purpurstoffe zu tragen.
Exotisches: Tridacna-Muscheln Unter den außergewöhnlichen Objekten, die die phönizischen Künstler herstellten, müssen besonders Kunstwerke genannt werden, die aus der Schale der großen indopazifischen Muschel Tridacna gefertigt wurde. Über 100 davon wurden zwischen Italien und dem kontinentalen Nahen Osten (Jordanien, Irak, Iran) gefunden. Ihrem einheitlichen Stil und der Technik nach zu urteilen wurden sie, wie das standardisierte Dekorationsmuster nahe legt, wahrscheinlich gegen Mitte des 7. Jahrhunderts in einer einzigen oder einer Gruppe eng miteinander verbundener Werkstätten hergestellt. Der gesamte Rücken der Muschel und ihr innerer Rand weisen geschnitzte Verzierungen auf: Tiere oder menschliche Figuren, die paarweise um Blütenmotive angeordnet sind. Das Innere ist einfacher gestaltet und zeigt in der Regel liegende Sphingen. Auf dem äußeren Hauptfeld finden sich verschiedene Darstellungen männlicher Figuren (Götter, Bogenschützen, Reiter) vor einem kunstvollen Hintergrund aus stilisierten Lotosblüten. Der Buckel an der Nahtstelle der beiden Muschelhälften ist in Form eines Frauen- oder Vogelkopfes geschnitzt. Stilistisch weisen die Verzierungen der Tridacna-Muscheln viele Ähnlichkeiten mit der späteren assyrischen
Geschnitzte Tridacna-Muschel aus Vulci in Etrurien, Italien, 7. Jahrhundert v. Chr.
Kunst auf. Besonders deutlich wird dies bei den geschnitzten Köpfen mit den breiten Zügen und den vollen Lippen. Die Gesichter sind sorgfältig geschnitzt und gebohrt (an Pupillen, Nasenlöchern und Ohren) und die Frisur ist fein herausgearbeitet. Ein Charakteristikum des Stils ist die Verwendung von Kreuzschraff uren. Die konkave Innenseite der Tridacna-Muschel wurde nicht verziert. Dies lässt vermuten, dass sie, wie es häufig in der Antike vorkam, als Behälter für Augenkosmetik verwendet wurde. Der Stil der Köpfe auf dem Buckel ist dem einiger Kosmetikpaletten aus Alabaster und Kalkstein aus Jordanien ähnlich, deren Griffe Köpfe darstellen. Es hat den Anschein, als kämen sie aus der gleichen Werkstatt wie die Muscheln. Als wahrscheinlichstes Produktionszentrum gilt ein Ort an der südphönizischen Küste.40 Die weite Verbreitung der Muscheln im Inland sowie jüngst in Nordisrael gefundene Beispiele sprechen für eine solche phönizische Produktionsstätte an der Küste.41
Der Einfluss der phönizischen Kunst im Ausland Die archäologischen Funde belegen eindeutig, dass die kommerziellen Unternehmungen der Phönizier im westlichen Mittelmeerraum einen starken kulturellen Einfluss auf die Bewohner an den benachbarten Küsten des Meeres ausübten. Von Zypern bis Spanien findet man entlang der phönizischen Handelsstraßen nach Kreta, Griechenland, Mittelitalien, Sizilien, Sardinien und der
Iberischen Halbinsel Zeugnisse des nahöstlichen Einflusses in den jeweiligen Kunsttraditionen. Dieses Phänomen der »Orientalisierung«, das von der regionalen Übernahme oder der Imitation östlicher Kunstvorbilder und Techniken gekennzeichnet ist, setzte im späten 8. Jahrhundert ein und konnte im gesamten 7. Jahrhundert v. Chr. beobachtet werden »Orientalisierung« ist ein weitgesteckter Begriff, der eine große Bandbreite von Phänomenen umschreibt, die sich aus unterschiedlichen Stufen der Kontakte zwischen der Kunst der Fremden und der des Gastlandes ergaben. Der stark nahöstliche Charakter der einheimischen Kunst Kretas und Etruriens war das Ergebnis des direkten Einflusses der dort lebenden phönizischen Handwerker. An beiden Orten zeigt sich dieser Einfluss am deutlichsten bei den Metall- und Elfenbeinarbeiten, mit denen die Phönizier aktiv handelten. Es muss nicht eigens erwähnt werden, dass der orientalische Einfluss auf die Kunst in der Zeit nach dem ersten Kontakt am stärksten war, wenn östliche Vorbilder oft kopiert oder direkt imitiert wurden. An diese anfänglich imitierende Phase schloss sich bald eine Zeit der Synthese und Anpassung an, in der die einheimischen Künstler einen eigenen Stil entwickelten, in dem fremde und einheimische Elemente verschmolzen. Dieser Prozess unabhängiger Entwicklung zeigt sich bei den etruskischen und kretischen Metallarbeiten.42 In einer bereits vorhandenen Tradition spiegelt das Ausmaß des kulturellen orientalisierenden Einflusses die Intensität der phönizischen Handelskontakte mit dieser Region wider. Daher ist es kaum verwunderlich, dass
nicht nur in Etrurien, sondern auch auf Sardinien und in Südspanien, wo sich die Phönizier auf den Erzabbau konzentrierten, dynamische orientalisierende Kunsttraditionen entstanden. Der stark orientalisierende Charakter der tartessischen Kunst im Guadalquivir-Tal beweist solche Handelsaktivitäten, die wahrscheinlich von phönizischen Händlern und Handwerkern in Cádiz ausgingen.43 Wie in Etrurien spricht der orientalisierende Charakter der materialintensiven Künste (d. h. Edelmetallarbeiten) aus Fürstengräbern in dieser Region deutlich von aktiven diplomatischen Beziehungen zwischen den phönizischen Unternehmern und den einheimischen Herrschern. In anderen, weniger direkt vom Handel betroffenen Bereichen war der künstlerische Einfluss des levantinischen Festlandes meist weniger eindeutig. Dies scheint etwa auf dem attischen Festland der Fall gewesen zu sein, wo der frühe orientalische Einfluss wie er sich in der spätgeometrischen Keramik zeigt, indirekt über Kreta eingeführt wurde. Hier macht sich der östliche Einfluss zunächst in den attischen Arbeiten aus gehämmertem Metall bemerkbar, was wiederum die Bedeutung dieses Mediums für die Aufnahme und Übertragung nahöstlicher Motive unterstreicht. In andere Teilen Griechenlands und der Agäis – Korinth, Argolis, Sparta, Euböa und die Kykladen – nahm der östliche Kultureinfluss andere Wege, was die Komplexität der Geschäftsbeziehungen bezeichnet, die im späten 8. und 7. Jahrhundert diese Region formten.44
Materielle Kultur der Punier In vielerlei Hinsicht ist die in Karthago und den Mittelmeerkolonien gefundene frühe punische Kunst ein Erbe des Ostens. Im 8. und 7. Jahrhundert lehnten sich die einfacheren Künste (wie Töpferei und Koroplastik, Terrakottaproduktion, Elfenbeinschnitzerei sowie Fayence- und Glasherstellung aus Stäben) eng an ihre orientalischen Vorläufer an: Zypern kam dabei offenbar eine wichtige Vermittlerrolle zu.45 Eine solche Beziehung ist in den vom phönizischen Kernland aus gegründeten kolonialen »Dependancen« durchaus zu erwarten. Dennoch zeigten sich bereits zu einem frühen Zeitpunkt bedeutsame Unterschiede. Während Funde aus dem frühen Karthago eindeutig die Verbindung mit der östlichen Heimat belegen, spiegeln sie doch auch die engen kulturellen Verbindungen mit dem zentralen Mittelmeerraum und dem Gebiet der Agäis wider. Die früheste Keramik aus dem karthagischen tophet (aus der so genannten Cintaskapelle) ist eng mit derjenigen aus dem griechisch besetzten Westen Italiens (Kampanien) und dem ionischen Ithaka verbunden. Dagegen ist hier auch korinthische Keramik bereits früh vertreten.46 Der griechische Einfluss, der sich hauptsächlich über das griechische Sizilien verbreitete, beeinflusste die punische Kunst bereits wesentlich früher als die des phönizischen Festlands. Im deutlichen Gegensatz zur Levante liegen hier nur wenig Beweise für die Produktion von Luxusgütern aus edlen Materialien wie Silber oder Elfenbein vor. Außer
halb Siziliens wurden in keinem anderen Teil des punischen Herrschaftsgebietes in Nordafrika Metallschalen gefunden. Abgesehen von kleinen Amuletten gibt es außer in Südspanien (in der Gegend um Guadalquivir), wo im 7. und 6. Jahrhundert v. Chr. ein lokales phönizisches Knochen verarbeitendes Gewerbe geschnitzte Kämme, Plaketten und Gefäße herstellte, auch kaum Elfenbeinschnitzereien.47 Einige der im Westen auftretenden Traditionen punischer Kunst, die sich entweder durch ihre Form oder ihr Material von denen des östlichen Festlands unterscheiden, müssen hervorgehoben werden. Die erste und zahlenmäßig darunter am stärksten vertretene ist die der relieffierten steinernen Votivmonumente aus den tophetBezirken. Die frühesten cippi sind annähernd würfelförmig und bestehen aus Sandstein. Zu Beginn des späten 5. Jahrhunderts v. Chr. begannen punische Werkstätten mit der Herstellung hoher Kalksteinstelen mit Giebeln nach griechischem Vorbild. Diejenigen davon, die Reliefverzierungen tragen, zeigen ein einheitliches Motivrepertoire, in dem am häufigsten das Tanit-Zeichen, die erhobene Hand, die Halbmondscheibe und, allerdings weniger häufig, Darstellungen von Menschen und Tieren auftreten. Der ikonographische Einfluss Griechenlands zeigt sich in der Übernahme des Caduceus-Motivs (nach dem Heroldsstab des Hermes) sowie ionischer Architekturfassaden und der Verwendung griechischer Zierleisten (Astragal, Eierstab, Triglyphen/Metopenfries). Bei den mediterranen Stelen sind regionale Unterschiede auszumachen. Die Monumente aus Sizilien und Sardi
Männliche Terrakottamaske, Grimassentyp. Karthago, Tunesien, 7.- 6. Jahrhundert v. Chr. Dieser Maskentyp, die Karikatur eines faltigen männlichen Gesichts, erfreute sich im punischen Westen einer langen Beliebtheit.
nien zeigen Figuren in verschiedenen Posen, während die karthagischen dagegen weitgehend unfigürlich sind. Seit dem 5. Jahrhundert v. Chr. stellten die karthagischen Handwerker Schreine mit Säulen nur noch selten her, während die italischen Bildhauer an diesem Motiv weiter festhielten. Die Unterschiedlichkeit der Darstellungen und der Stile auf den Stelen lässt vermuten, dass an ihrer Herstellung viele Personen beteiligt waren, von denen die meisten relativ ungeübt waren. Die Wiederholung ein
zelner und ganzer Gruppen von Motiven lassen darauf schließen, dass die Handwerker gemeinsame Vorlagen oder Musterbücher verwendeten. Überraschenderweise sind unter den Stelen jedoch nur wenig Duplikate oder exakte Kopien zu finden. Zumindest ein Teil der Monumente wurde vorgefertigt. Dies beweisen Stelen mit leeren Inschriftenfeldern, deren Gestaltung dem Käufer vorbehalten blieb.48 In der Koroplastik stellen die punischen Grabmasken und Protome (Tafeln in Form eines menschlichen Gesichts) eine eigene geschlossene Gruppe dar. Anders als ihre Gegenstücke aus dem Osten, die individuelle Produkte lokaler Handwerker sind, lassen sich die punischen Beispiele in Gruppen oder Reihen zusammenfassen, die in kosmopolitischen Werkstätten als Massenware produziert wurden. Bei den punischen Protomen überwiegt die weibliche Variante. Die frühesten Stücke der Serie aus der zweiten Hälfte des 6. Jahrhunderts tragen eine gestreifte ägyptische Perücke oder Schleier griechischer Tradition. Die Gesichtszüge (ovales Gesicht, mandelförmige Augen, leichtes Lächeln) spiegeln den Einfluss sizilischer oder ionisch-griechischer Vorbilder wider. Die männlichen punischen Masken gehören hauptsächlich dem »grotesken« Typus an und stellen grinsende oder Grimassen schneidende Männer mit Falten (der Formel für »alt«) oder, seltener, ohne Falten (»jung«) dar. Eine weitere beliebte Gruppe waren griechische Satyrn oder Silene. Neben den Masken spezialisierten sich die punischen Handwerker auf weitere Kategorien der Grabkunst. Eine davon bildeten die verzierten Straußeneier.
Dieser Vogel kam in der Wüste von Ägypten und in der nordafrikanischen Mahgreb vor. Immer wieder wurden Straußeneier in den Gräbern von Karthago gefunden und ihre Beliebtheit als Grabbeigabe wird durch ihre lange Tradition und die breit gestreute Fundverteilung im gesamten Mittelmeerraum unterstützt. Im phönizischen Heimatland sind sie interessanterweise nicht belegt. Möglicherweise war der Vogel, der ursprünglich in der syrischen Steppe beheimatet war, durch die Jagd in der Eisenzeit bereits ausgerottet. Das große dickwandige Straußenei mit seiner polierten, elfenbeinähnlichen Oberfläche ließ sich gut verzieren. In den Händen der punischen Künstler wurde es zu einer Schale oder einer Vase. Sie schnitten Scheiben oder Masken mit einem stilisierten Gesicht heraus, dessen Augen Böses abwenden sollten. Als Gefäß wurde das Ei üblicherweise mit gemalten Bändern oder Friesen mit geometrischen oder floralen Mustern verziert.49 Eine weitere einzigartige Kategorie der punischen Grabkunst waren Rasiermesser aus Kupfer in Form einer kleinen Ritualaxt mit halbmondförmiger Klinge und schrägem Griff, der häufig als Hals und Kopf eines Vogels (Schwan oder Ibis) ausgebildet war. Sie wurden sowohl in Gräbern in Karthago als auch auf Sardinien und Ibiza gefunden. Derartige Geräte, von denen es nur wenige gibt (insgesamt etwa 200), hatten wahrscheinlich eine magische, reinigende Funktion bei der rituellen Rasur. Ursprünglich unverziert, wiesen sie ab dem 5. Jahrhundert v. Chr. jedoch erst gepunzte und später eingravierte Verzierungen auf. Seit dem späten 4. Jahrhundert finden
sich immer häufiger kunstvolle Darstellungen von Göttern (zunächst ägyptischen und später auch griechischen), Tieren und Pflanzen. Isis und Horus sind die am häufigsten auftretenden Götter. Unter den griechischen Gottheiten sind Herakles und Hermes am stärksten vertreten, Letzterer in seiner Rolle als Führer der Verstorbenen.50
AUSSENNANDELSBEZIEHUNGEN
Phönizische Siedlungen und Handelsbeziehungen im Mittelmeerraum
Zypern Die Entdeckung phönizischer Keramik an der Süd- und Westküste Zyperns zeigt deutlich, dass die Insel seit dem 11. Jahrhundert eine wichtige Zwischenstation für den Handel der Phönizier mit dem westlichen Mittelmeerraum darstellte. Archäologische wie epigraphische Funde aus Kition bestätigen ein Datum in der Mitte des 9. Jahrhunderts für die früheste Phöniziersiedlung auf der Insel. Die Belege aus der früheren Eisenzeit sind bislang nicht schlüssig. Die historischen Quellen bestätigen, dass Kition (punisch Kithai) als urbaner Kern das Epizentrum der phönizischen Besiedlung Zyperns bildete, die sich andernorts auf kleine Händlergemeinschaften oder Handelskontore innerhalb bestehender Städte beschränkte. Von Tyros aus gegründet, wurde Kition möglicherweise bereits im frühen 8. Jahrhundert eine selbstbestimmte Stadt. Die ersten Münzen der Stadt weisen bereits im frühen 5. Jahrhundert auf das Bestehen einer unabhängigen Dynastie in der Phönizierstadt hin. Bevor Kition (das heutige Larnaka) im 9. Jahrhundert nach einer etwa 150 Jahre
andauernden Siedlungsunterbrechung von den Phöniziern übernommen wurde, war es in der späten Bronzezeit eine bedeutende zypriotische Siedlung. Bis auf das Kathari-Heiligtum an der nördlichen Peripherie ist die antike Stadt mit ihren Mauern zum großen Teil noch nicht ausgegraben. Das Heiligtum wurde auf dem früheren temenos aus dem 13. Jahrhundert errichtet. Ausgrabungen am Bamboula-Hügel, dem südlichen Hafenbezirk Kitions, förderten die Reste der in der klassischen Zeit erbauten Hafenanlagen der Stadt zutage. Eine der größten und aktivsten Phöniziergemeinden Zyperns war neben Kition die Hafenstadt Amathus an der Südküste, eine einheimische zypriotische Siedlung. Die Handelstätigkeit der Phönizier erweist sich hier in der großen Menge an früher phönizischer Importkeramik, die sich in den zahlreichen Kammergräbern der Stadt findet.1 Die Entdeckung eines offenbar einheimischen phönizischen Friedhofs mit Brandbestattungen am Südrand der Stadt lässt vermuten, dass hier im 6. und 5. Jahrhundert bereits eine beträchtliche wohlhabende Gemeinde phöniTerrakottastatuette eines thronenden Gottes. Meniko, Zypern, 6. Jahrhundert v. Chr.
zischer Händler ansässig war. Die Lage von Qart-Hadasht (punisch für Karthago oder Neue Stadt), eine in assyrischen Quellen genannte phönizische Gründung, ist umstritten. Die angebliche Entdeckung zweier fragmentarisch erhaltener Bronzeschüsseln aus der Mitte des 8. Jahrhunderts aus der Gegend von Limassol mit einer Inschrift für den tyrischen Statthalter von Qart-Hadasht unter König Hiram II. führte zu der Vermutung, dass es sich bei dieser phönizischen Gründung um das benachbarte Amathus gehandelt haben könnte. Die Mehrheit der Beweise deutet jedoch darauf hin, dass es sich um Kition handelt. Eine wachsende Zahl auf Zypern gefundener Inschriften liefert genauere Angaben über das Ausmaß der phönizischen Besiedelung, wobei viele Orte davon im direkten Zusammenhang mit dem Zwischenhandel (Amathus, Paphos, Lapithos) und der Kupferindustrie stehen. Ihre Beteiligung am Kupferhandel wird durch die Zahl der phönizisch beeinflussten Orte im Inland an den Ausläufern des kupferreichen Troodosgebirges bestätigt (Tamassos, Golgoi, Idalion, Meniko, Alassa). Hier macht sich die Präsenz der Phönizier oftmals im stark orientalischen Charakter der lokalen zypriotischen Kulte bemerkbar. Den archäologischen Funden nach zu schließen pflegten die Phönizier von Kition ihre eigenen Handelsbeziehungen, hauptsächlich im Tyrrhenischen Meer (Sardinien, Etrurien), wo von Zypern aus bereits in der späten Bronzezeit ebenfalls Handel getrieben wurde.2
Rhodos Ähnlich wie Zypern eignete sich auch Rhodos aufgrund seiner strategisch günstigen Lage an der Küstenroute von der Levante zur Ägäis ideal als Zwischenstation und sozusagen als sekundärer Ausgangspunkt für den phönizischen Handel. Funde phönizischer Luxusgüter (Elfenbein, Tridacna-Muscheln, Gold- und Silberschmuck) aus dem späten 8. und 7. Jahrhundert belegen diesen Handel. Die Entdeckung von Salbgefäßen mit schwarzer Bemalung auf rotem Grund auf dem benachbarten Kos zeigt, dass in der Mitte des 9. Jahrhunderts der Exporthandel mit solchen Gefäßen aus dem phönizischen Zypern nach Rhodos und dem Dodekanes bereits florierte. Hesekiel zufolge gehörte Rhodos zu den wichtigsten Handelspartnern von Tyros.3 Davon abgesehen war Rhodos auch Produktionsstätte für phönizische Waren wie Schmuckstücke, Fayencen (z. B. Skarabäen, Gefäße mit Gravuren und flachen Reliefverzierungen sowie anthropomorphe Salbgefäße). Ab dem späten 8. Jahrhundert exportierten die phönizischen Werkstätten auf Rhodos auch Salbgefäße aus Ton in einer lokalen Form, die die Keramiktypen aus Zypern und dem phönizischen Mutterland imitieren sollte.4 Belege für eine phönizische Besiedlung der Insel vor der hellenistischen Zeit sind rar. Kinderbestattungen in Amphoren in den archaischen Nekropolen von Kameiros und Jalysos weisen jedoch zumindest auf das Bestehen phönizischer Gemeinden an diesen Orten hin. Auch die verschiedenen »Kadmos«-Sagen über die phönizische
Kolonisierung der Insel könnten ein Hinweis auf eine frühe Präsenz der Phönizier auf Rhodos sein.5
Kreta 1884 lieferte die Entdeckung eines Horts orientalischer Bronzen am Berg Ida (Zeushöhle) einen ersten Hinweis auf die Anwesenheit der Phönizier auf Kreta, was durch weitere Funde untermauert wurde. Eine Bronzeschale mit einer phönizischen Inschrift am Rand aus Teke bei Knossos bietet den bislang eindeutigsten Beweis dafür. Das von den Archäologen um 900 v. Chr. datierte Gefäß gehörte wahrscheinlich einem dort ansässigen Phönizier oder metoikos. Ausgrabungen in Eleutherna und in der Gegend um Knossos brachten Luxusgüter orientalischer und orientalisierender Werkstätten zutage, die sich in Bezug auf die Qualität mit dem Fund von Ida vergleichen lassen.6 Auch neuere Ausgrabungen in Kommos, bei denen ein Altar mit drei Säulen im phönizischen Stil sowie phönizische Keramik aus dem 9. Jahrhundert gefunden wurden, Detail einer phönizischen Inschrift auf dem Rand einer Bronzeschale. Teke, Kreta, ca. 900 v. Chr.
belegen die Anwesenheit der Phönizier an der Südküste Kretas. Diese Funde unterstreichen die Bedeutung Kretas als Zwischenstation für den Handel der Phönizier mit den Ländern am Mittelmeer. Im 13. Buch der Odyssee beschreibt Homer die Reise des Helden von Kreta nach Ithaka an Bord eines phönizischen Handelsschiffes. Anhand der Verteilung phönizischer Luxusgüter im Mittelmeerraum lassen sich diese Handelswege gut nachvollziehen.7 Auf Kreta war die Suche nach Erzen wie auch in anderen Gebieten der Auslöser für die Aktivitäten der Phönizier. Auf der Insel gibt es große phosphorhaltige Eisenerzvorkommen, die zweifellos bereits in der Antike ausgebeutet wurden. Neuere Ausgrabungen in Kommos bewiesen die Existenz eines Eisen verarbeitenden Betriebes. Die große Bedeutung der Insel für den Eisenhandel spiegelt sich im alten Namen Kap Sideros (»Eisernes Kap«) für das nordöstliche Vorgebirge wider, dem ersten Anlaufpunkt für Schiffe von Rhodos auf der Fahrt nach Kreta. Unmittelbar südlich von Kap Sideros liegt Itanos, ein angeblich von den Phöniziern gegründeter Hafen, dessen frühe Münzen Handelsverbindungen mit dem phönizischen Arwad nahe legen. Es gibt Belege dafür, dass die Nachfrage nach Eisen unter den Assyrern und ihren Nachfolgern das Metall für die Phönizier und andere Händler im Mittelmeerraum zu einem Profit bringenden Handelsgut machten.8 Den schriftlichen und archäologischen Quellen zufolge lag Kreta an einer phönizischen Handelsroute von der südlichen Ägäis ins mittlere und westliche Mittel
meer. Zentrum dieses Transithandels war Phalasarna, der westlichste Hafen auf Kreta und unmittelbarer Ausgangspunkt für Schiffe nach Kythera im Norden und zur südöstlichen Peloponnes. Bei kürzlich vorgenommenen Ausgrabungen fand man heraus, dass zu den Hafeneinrichtungen auch ein steinernes Becken, ein so genannter kothon phönizischer Art gehörte. Bezeichnenderweise trägt der östlichste Hafen Kytheras, der nächste Anlaufpunkt für den Seehandel von Kreta aus, den antiken Namen Phoinikous.9 Kythera selbst wurde in der Antike mit den Phöniziern in Verbindung gebracht: Herodot10 zufolge wurde das wichtigste Heiligtum der Insel für Aphrodite Ourania von ihnen gegründet. Wie auf Kreta fanden sich sowohl auf Kythera als auch auf dem gegenüber liegenden spartanischen Festland reiche Eisenerzvorkommen. Besonders im südlichen Lakonien gab es eisenreiche Hämatitlager mit hohem Reinheitsgrad, die in der Antike für die Phönizier sicher attraktiv waren. Sowohl Kythera als auch Gytheion, der wichtigste Hafen in Lakonien waren in minoischer Zeit Zentren der Purpurproduktion. Bislang gibt es keine eindeutigen Beweise für eine phönizische Präsenz in einer dieser Hafenstädte, deren eisenzeitliche Besiedlungsschichten noch weitgehend unerforscht sind.11
Die nördliche Ägäis Wie auf Zypern und Kreta war der Handel der Phönizier mit der nördlichen Ägäis hauptsächlich durch Berg
bauinteressen und Metallhandel motiviert. Herodot informiert uns, dass sie sich zu diesem Zweck auf Thasos niederließen. Der griechische Historiker behauptet, ihre intensiv ausgebeuteten Minen an der südöstlichen Seite der Insel gesehen zu haben, wo ein phönizischer Herakles-Tempel lag. Von französischen Archäologen durchgeführte Ausgrabungen konnten diese Minen lokalisieren.12 Von Thasos aus führten die Phönizier wahrscheinlich auch Bodenprospektionen auf dem gegenüber liegenden Festland von Thrakien durch – am Berg Pangäon und am Fluss Strymon, wo sowohl die Einwohner von Thasos selbst als auch fremde griechische Unternehmer aus Milet und Athen die reichen Gold- und Silbervorkommen ausbeuteten. Die Phönizier unterhielten Geschäftsbeziehungen zu den benachbarten ägäischen Inseln Samothrake und Lemnos. Nach Homer erhielt Letztere ein silbernes Mischgefäß, einen so genannten Krater, aus Sidon als Geschenk.13 Wenn dies der Fall war, dann würde der Hinweis Homers bedeuten, dass die Phönizier im 8. Jahrhundert hier Handel trieben, zu der Zeit, in der man die phönizischen Bergbauaktivitäten auf Thasos vermutet.
Die zentrale Ägäis und das griechische Festland Anhand der Verteilung bestimmter Keramik-, Stein- und Fayenceimporte von Rhodos und Zypern sowie aus dem syro-phönizischen Kernland lässt sich ein phönizischer Handelsweg zum griechischen Festland über die zentra
le Ägäis nachzeichnen. Die archäologischen Funde zeigen, dass dieser Weg in einer nordwestlichen Route von Rhodos über Kos und die mittleren Kykladen (Naxos, Delos, Siros14) zur Insel Ägina im Saronischen Golf verlief. Dass Delos dabei eine zentrale Rolle spielte, zeigt sich nicht nur in der Menge der frühen orientalischen Importe, sondern auch in der wirtschaft lichen Bedeutung, die es in hellenistischer Zeit für die Phönizier hatte. Orientalische Importe auf Thera und Melos weisen auf die Existenz einer alternativen Route zum östlichen spartanischen Festland und durch die südlichen Kykladen in den Argolischen Golf hin. Theras frühe Verbindung mit den Phöniziern wird in seiner mythologischen Gründung durch Kadmos evident. Äginas Rolle als Umschlaghafen für den Handel mit dem Osten ist kaum überraschend. Seine zentrale Lage im Saronischen Golf mit direktem Zugang sowohl nach Attika als auch zur nordöstlichen Peloponnes machten es zu einem idealen Bestimmungsort und Lager für orientalische Waren zum Export nach Griechenland. Ägina fungierte ähnlich wie Samos und Rhodos für Ostgriechenland sowohl als Empfänger als auch als Verteilungsstation für Produkte aus dem Osten, die für das griechische Festland bestimmt waren. Der stark orientalisierende Charakter der einheimischen Keramiktradition spiegelt die direkten Auswirkungen des östlichen Einflusses wider. Aus den importierten Funden kann man schließen, dass griechische Küstenstädte wie Korinth, Eleusis und Argos entweder direkt oder durch die Vermittlung einer
Insel wie Ägina die wichtigsten Abnehmer im Handel in der Ägäis waren. Herodot bestätigt diese Handelsbeziehungen im Anfangskapitel seiner Historien. Er erzählt von phönizischen Schiffen, die lange vor den Perserkriegen, beladen mit Waren aus Ägypten und Assyrien, die Küsten Griechenlands ansteuerten. Dabei nennt er Argos als einen ihrer Hauptbestimmungsorte. Den archäologischen Funden nach zu urteilen war auch Korinth aktiver Geschäftspartner, Athen dagegen nicht. Aus dem 8. und frühen 7. Jahrhundert, als der Handel der Phönizier in der Ägäis seinen Höhepunkt erreichte, gibt es in dieser Stadt auff ällig wenige östliche Importe. Die ägyptisierenden Fayenceschmuckstücke, die in anderen griechischen Küstenstädten so häufig auftreten, fehlen hier sogar ganz. Das mag z. T. an der Wirtschaft lichkeit des Absatzmarktes gelegen haben: vor dem späten 7. Jahrhundert v. Chr. war Athen eine relativ kleine Siedlung mit begrenztem Kontakt zum Ausland. Herodots Kommentar zur Rolle der Phönizier als Transporteure für die Waren anderer berührt die übergreifende Frage nach ihrer Rolle als Zwischenhändler im allgemeinen Handel mit den Mittelmeerländern. Zwar waren sie aktiv daran beteiligt, doch waren sie keineswegs allein für die orientalischen Importe verantwortlich, die ihren Weg in den Westen fanden. So konnten viele ägyptische Waren z. B. auf direktem Weg nach Kreta gekommen sein. Andere könnten es über griechische Zwischenhändler wie Samos erreicht haben. Die historischen Quellen belegen die aktive Beteiligung von Samos am Handel im Mittelmeerraum im späten 7. Jahrhundert v. Chr.15
Das Beispiel Samos wirft die Frage nach früheren Handelsbestrebungen Griechenlands mit dem Osten auf. Hierbei ist vor allem Euböa bemerkenswert. Aufgrund der weiten Verbreitung seiner charakteristischen Keramik im Mittelmeerraum ging man davon aus, dass euböische Händler im 8. Jahrhundert Geschäfte mit der nördlichen Levanteküste machten, wobei ihnen der syrische Hafen Al Mina als Stützpunkt diente. Das Fehlen jeglicher historischer Verifizierung für diesen Handel sowie die starke Präsenz zypriotischer und phönizischer Keramik aus dem Kernland in den frühen Siedlungsschichten von Al Mina sprechen gegen die Existenz einer griechischen Kolonie oder Siedlung. So lange es keine überzeugenden Beweise für das Gegenteil gibt, muss das Vorkommen euböischer Keramik an den Küsten von Syrien und Phönizien (vor allem Tyros) hauptsächlich levantinischer Initiative zugeschrieben werden.16
Der Handel im zentralen Mittelmeerraum: das Tyrrhenische Meer Startete er von Kreta oder dem zentralen Mittelmeerraum aus, so standen dem phönizischen Kaufmann zwei Optionen offen: entweder Kurs nach Westen auf die südöstliche Spitze von Sizilien zu setzen oder die Küste der Peloponnes entlangzufahren und einen kürzeren Weg zur Spitze des italienischen Stiefels und zur Straße von Messina zu nehmen. Frühe literarische Belege für den zweiten Handelsweg finden sich im homerischen Bericht
der Reise des Odysseus von der Südküste Kretas nach Ithaka an Bord eines phönizischen Handelsschiffes entlang der südlichen und westlichen Küste der Peloponnes. Die Erzählung lässt vermuten, dass der Weg für die phönizischen Seeleute eine oft befahrene und bekannte Route war. Es ist nicht ohne Bedeutung, dass an dieser Stelle und in einem Bericht im 15. Buch Ithaka ausdrücklich als Ziel eines phönizischen Handelsschiffes genannt wird.17 Westlich des Ausgangs des Golfs von Korinth im östlichen Ionischen Meer besaß Ithaka eine günstige Position für eine Zwischenstation für den Seehandel nach Italien und wurde nicht nur von den Phöniziern, sondern auch von den Griechen angefahren (die Strecke von Ithaka nach Westen zum Hafen von Kroton an der östlichen lukanischen Küste stellt tatsächlich die kürzeste Verbindung zwischen Griechenland und Italien über das offene Meer dar).
Sizilien Der griechische Historiker Thukydides bietet eine kurze, aber informative Beschreibung der frühen phönizischen Kontakte mit Sizilien.18 Er berichtet, dass sich die Phönizier ursprünglich rings um die Insel auf Landspitzen und vorgelagerten Inseln niedergelassen hatten, die als Posten für den Handel mit den einheimischen Sikulern genutzt wurden. Nach der Ankunft der griechischen Kolonisten gaben sie die meisten dieser Siedlungen jedoch auf und konzentrierten ihre Aufmerksamkeit auf
Mozia, Solunt und Panormos im Nordwesten. Die Ausgrabungen in Mozia, bei denen Belege einer frühen Besiedlung um 720 v. Chr., kurz nach Gründung der ersten griechischen Kolonien Naxos (734 v. Chr.) und Syrakus (733 v. Chr.), gefunden wurden, bestätigen den Wahrheitsgehalt dieser Schilderung. Der Standortwechsel der Phönizier scheint also eine Reaktion auf die kolonialen Bestrebungen der Griechen gewesen zu sein. Thukydides lässt vermuten, dass der Rückzug der Karthager an die Nordwestecke Siziliens ein kalkulierter Schachzug war, um die Herrschaft über die strategisch wichtigsten kommerziellen Interessen auf der Insel zu sichern. Wie der Historiker selbst sagt, war diese Region der nächste Anlaufpunkt von Karthago und der nordafrikanischen Küste aus (die Entfernung zwischen Mozia und Kap Bon beträgt weniger als 160 km). Nordwestsizilien war auch der nächste Ausgangspunkt zum erzreichen Südsardinien sowie für den Handel in Kampanien und in Etrurien. Es bot somit eine Alternative zur Passage durch die von den Griechen kontrollierte Straße von Messina. Die Liparischen Inseln vor der Nordküste Siziliens dienten wahrscheinlich als Zwischenstation und die dort gefundenen ägyptisierenden Fayencen zeugen von der Beteiligung der Inseln am Handel mit dem Osten. Thukydides’ Bericht erwähnt auch, dass sich die Phönizier bereits früher an der Ostküste Siziliens niedergelassen hatten. Über die Lage dieser vorkolonialen phönizischen Handelsposten können nur Vermutungen angestellt werden. In Betracht käme z. B. die Insel Vindican
im Hafen Phoinikous an der südöstlichen Spitze Siziliens. Sie liegt genau über Kap Pachynos, dem ersten Anlaufpunkt für Handelsschiffe aus dem Westen über das südliche Ionische Meer. Als weiterer Kandidat käme Ortygia (»Taubeninsel«) vor Syrakus infrage. Die tiefe Bucht der Insel bietet den besten Ankerplatz an Siziliens Ostküste. Neuere Forschungen ergaben, dass die Insel einst an der Nordspitze mit dem Festland verbunden war und so eine Landzunge mit einem Doppelhafen in der Tradition der großen phönizischen Hafenstädte bildete. Der dritte mögliche Ort für einen phönizischen Handelsposten ist Naxos an Siziliens Nordostküste. Die natürliche Landspitze war der erste Anlauf für Schiffe, die von Norden her um den italienischen Stiefel kamen. Alle drei Orte passen perfekt zu Thukydides’ Bemerkung über die phönizische Taktik, Landspitzen und vorgelagerte Inseln gezielt als Handelsstationen zu nutzen. Der Beginn des kommerziellen Kontakts der Phönizier mit Sizilien wird zwischen dem 11. oder einem noch früheren Datum und dem 8. Jahrhundert vermutet. Die Beweise, die einst für einen frühen kulturellen Einfluss der Phönizier auf der Insel angeführt wurden, werden mittlerweile angezweifelt. Die ersten Gräber von Mozia aus den letzten Jahrzehnten des 8. Jahrhunderts stellen archäologisch die frühesten sicheren Belege dar. Thukydides’ Bericht zeigt sogar, dass die Phönizier zu der Zeit, als die Griechen kamen, mit den einheimischen Elymern recht enge und bereits lange bestehende Kontakte pflegten. Anders als die Griechen, deren Kolonialziele sie oftmals mit der einheimischen sikulischen Bevölkerung Ostsiziliens in offenen Konflikt
geraten ließen, waren die Phönizier darauf aus, eine störungsfreie, friedliche Beziehung zur einheimischen Bevölkerung herzustellen und aufrechtzuerhalten. Ihr primäres Interesse galt den geschäft lichen Möglichkeiten, nicht dem Gewinn von Territorium. Es liegen nur wenige archäologische Zeugnisse für frühe koloniale Siedlungen der Phönizier auf Sizilien vor. Im ersten Jahrhundert ihres Bestehens beschränkte sich die Siedlung von Mozia auf ein kleines, unbefestigtes Dorf an der Nordwestecke der Insel. An einem natürlichen Hafen gelegen und zum Festland hin ausgerichtet, lag es für den Handel mit den Bewohnern der sizilischen Küste sehr günstig. Das antike Palermo (der phönizische Name ist unbekannt, die Griechen nannten es Panormos [»AllHafen«]) lag an einer natürlichen Flussmündung in einer Bucht, die heute Conca d’Oro genannt wird. Die antike befestigte Stadt, die heute unter der historischen Innenstadt von Palermo begraben liegt, stand auf einem kleinen Hügel (paleapoli) und wurde von zwei kleinen Wasserwegen flankiert, dem Kemonia und dem Papireto. Im westlichen Teil lag eine Akropolis (heute steht dort der Normannenpalast), hinter der sich außerhalb der Stadtmauern eine Nekropole erstreckte, die vom späten 7. bis zum 3. Jahrhundert v. Chr. genutzt wurde. Was Solunt betrifft, so ergaben Untersuchungen, dass sich die archaische Phönizierstadt, die bislang noch unerforscht ist, auf der Landspitze von Solanto und der daneben liegenden Hochebene von San Cristofore östlich von Palermo befand. Die wahrscheinlich wie Mozia im frühen 4. Jahrhundert während eines Feldzugs des grie
chischen Tyrannen Dionysios I. zerstörte Stadt wurde aus Gründen der Verteidigung auf dem benachbarten Hügel Monte Catalfano, dem Platz der modernen punischen Stadt, wiederaufgebaut. Kammergräber aus dem 6. und 5. Jahrhundert v. Chr. in der benachbarten phönizisch-punischen Nekropole von Santa Flavia zeugen von der frühen Geschichte Solunts.
Sardinien Wie bereits festgestellt, war das Interesse der Phönizier am Nordwesten Siziliens direkt mit dessen Nähe zu Nordafrika und Sardinien verknüpft, die beide früh an den kolonialen Bemühungen der Phönizier beteiligt waren. Aufgrund seiner reichen Bodenschätze stellte besonders Sardinien einen Anziehungspunkt für den phönizischen Handel dar. Mit ihrem Reichtum an kupfer-, eisen- und silberhaltigen Bleierzen hatte die Insel bereits im 14. und 13. Jahrhundert v. Chr. mykenische Händler angezogen. In ihre kommerziellen Fußstapfen tretend, knüpften zypriotische Unternehmer bereits im späten 12. oder 11. Jahrhundert Kontakte. Den eindeutigsten Beweis dafür liefern Metallarbeiten aus Sardinien. Das Vorkommen bronzener Dreifußständer zypriotischer Art sowie die Einführung des Wachsausschmelzverfahrens weisen deutlich auf einen Einfluss aus der zypriotisch-levantinischen Gegend hin. Das frühe Auftreten der Eisentechnologie lässt überdies vermuten, dass der Abbau dieses Metalls sowie des Kupfers Anlass für den
Stele mit Inschrift. Nora, Sardinien, spätes bis frühes 8. Jahrhundert v. Chr.
frühen Kontakt mit der Levante war. Die Funde deuten an, dass die phönizische Beteiligung in dieser »vorkolonialen« Phase (11.–9. Jahrhundert v. Chr. ) in nicht geringem Maße zu Kontakten mit der einheimischen nuragischen Bevölkerung führte. Im Nordwesten der Insel wurden phönizische Bronzestatuetten gefunden, die auf Handelskontakte mit Spanien schließen lassen. Solche iberischen Kontakte spiegeln sich in den antiken Quellen im Gründungsmythos von Sardinien wider. Die Entwicklung einer aktiven nuragischen Bronzegussindustrie und das Entstehen städtischer Siedlungen zu dieser Zeit könnte auf die Anwesenheit von Phöniziern auf der Insel zurückzuführen sein. Der früheste direkte archäologische Beleg für die Kolonisierung Sardiniens durch die Phönizier ist eine monumentale Stele mit Inschriften, die vor mehr als 200 Jahren in Nora gefunden wurde und die man ans Ende des 9. oder ins frühe 8. Jahrhundert v. Chr. datieren kann. Der Text, dessen Inhalt kontrovers diskutiert wird, scheint sich auf die Errichtung eines Heiligtums für den phönizischen Gott Pumay zu beziehen. Das Wort Srdn stellt, wenn es richtig gelesen wird, die früheste Nennung des modernen Namens der Insel dar. Es ist kein Zufall, dass
die Stele in Nora gefunden wurde. Die Lage auf einer Halbinsel an der Westküste des Golfs von Cagliari war ein idealer Anlandeplatz für phönizische Händler aus dem östlichen Mittelmeerraum sowie aus Nordafrika. Noch wichtiger ist, dass Nora von der Küste aus einen bequemen Zugang zum benachbarten Iglesiente-Plateau mit seinen reichen eisen- und silberhaltigen Erzvorkommen bot. Die Phönizier waren nicht die ersten mediterranen Händler, die von diesem Ort profitierten. Neuere archäologische Funde aus dem Nuragos von Antigori und dem benachbarten Saroch bestätigen, dass die Mykener sich bereits zuvor an dieser Stelle niedergelassen hatten. Die kommerzielle Aktivität der Phönizier am Golf von Cagliari scheint im 7. Jahrhundert v. Chr. insgesamt gut etabliert gewesen zu sein. Für die Kontrolle der Region war der Hafen von Cagliari (punisch Krly) auf der Halbinsel Tuvixeddu von Bedeutung. Der große Hafen in einer Bucht am südlichen Ende der fruchtbaren CampidanoEbene machte ihn zu einem idealen Ausgangspunkt für den Handel mit dem Inland. Die phönizische Handelssiedlung Cuccureddus bei Kap Carbonara am Ostende des Golfs spielte wahrscheinlich eine ähnliche Rolle als Landungsposten und regionaler Handelsort. Wenn die mittlerweile allgemein anerkannte Datierung ins 9. Jahrhundert korrekt ist, ist die Stele von Nora (die man aufgrund neuerer Funde um das Fragment einer etwas früheren Inschrift ergänzen kann) Beweis für die phönizische Präsenz auf Sardinien zu einer Zeit, die in etwa mit der Gründung von Karthago und dem phönizischen Kition übereinstimmt. Überdies verweisen die
Funde von Sulcis, an dessen Gründung die Phönizier aus Sardinien wohl teilweise beteiligt waren, auf kulturelle Verbindungen mit Zypern. In dieser Hinsicht ist es bemerkenswert, dass der auf der Stele von Nora genannte Gott Pumay in der Regel mit Zypern in Verbindung gebracht wird. Wie die Archäologie zeigte, muss die gesamte Südwestküste Sardiniens vom Golf von Cagliari im Osten bis zum Golf von Oristano im Westen buchstäblich mit zum größten Teil an verlassenen frühen nuragischen Siedlungen auf Landzungen und vorgelagerten Inseln gegründeten Handelsniederlassungen der Phönizier übersät gewesen sein.19 Abgesehen von Nora finden sich die frühesten Spuren phönizischer Besetzung aus der Mitte des 8. Jahrhunderts im heutigen Sulcis (punisch Slky). Sulcis lag, strategisch günstig, an der Ostküste der kleinen Insel Sant’Antioco im Golf von Palmas und diente als wichtigster Verladehafen für das in der Iglesiente-Region vorkommende Erz. Die Stadt selbst verband ein z. T. künstlicher Isthmus (den man aufgrund der Bautechnik den Phöniziern zuschreiben kann) mit dem sardischen Festland. Sie hatte zwei geschützte Häfen, einen im Norden und einen im Süden, d. h. in der Bucht von Sant’Antioco und im Golf von Palmas. Ihr frühes wirtschaft liches Wachstum wird durch den tophet-Bezirk aus dem 8. Jahrhundert sowie durch die Entdeckung einer frühen phönizischen Nekropole in der Gegend von Portoscuso auf dem angrenzenden Festland belegt. Die Hafenstadt Tharros am Isthmus von Kap San Marco im Golf von Oristano war eine weitere frühe phöni
zische Gründung. Wie Nora lag sie auf einer schmalen Landzunge mit mehreren Häfen und kontrollierte durch die Campidano-Ebene und das Tirso-Tal den Zugang zu einem agrarisch reichen Hinterland. Der ursprüngliche Ort wurde auf den Resten mehrerer aufgegebener nuragischer Siedlungen errichtet und scheint ein bescheidener Handelsort mit einer Akropolis und einem Heiligtum an der Spitze der Landzunge von San Marco gewesen zu sein. Im 6. Jahrhundert hatte sie sich allerdings zu einer größeren Stadt mit einem komplizierten Verteidigungssystem entwickelt. Wie die archäologischen Funde zeigen, war Tharros nicht nur internationaler Hafen, sondern auch Produktionsund Vertriebszentrum für verschiedene Produkte wie z. B. Grabskulpturen, Terrakotten sowie Schmuck aus Metall, Stein und Fayence. Im 7. und 6. Jahrhundert folgte eine Zeit territorialer Konsolidierung im phönizischen Sardinien, in der die bestehenden Siedlungen aus wirtschaftlichen und verteidigungspolitischen Gründen ausgebaut und an wichtigen Flüssen an der Küste (Bithia, Bosa, Villaputzu) und im Inland (Othaca, Paini Loriga, Monte Sirai) neue Niederlassungen gegründet wurden. Unter den Verteidigungsanlagen ist Monte Sirai, eine befestigte Hügelsiedlung, die von Sulcis zur Kontrolle und Überwachung des Zugangs zur Iglesiente-Region und der Campanido-Ebene errichtet wurde, besonders bemerkenswert. Im Außenhandel vollzog sich in der Mitte des 7. Jahrhunderts eine merkliche Verschiebung beim Handel im Tyrrhenischen Meer: von Pithekoussai und der kampanischen Küste Italiens zu den etruskischen Küstenstädten (Caere
und Populonia) im Norden. Der Handel mit dem westlichen Mittelmeerraum, Nordafrika und der Ägäis war davon nicht betroffen.
Mittelitalien Phöniziern Interesse an Mittelitalien gründete sich wie im Fall von Sardinien hauptsächlich auf den Metallhandel. Der Reichtum der etruskischen Städte machte sie überdies zu profitablen Märkten für phönizische Waren. Die frühesten Belege für die Anwesenheit der Phönizier in Italien finden sich auf der Insel Pithekoussai (dem heutigen Ischia) vor der südlichen Küste Kampaniens. Die Stadt war eine frühe euböische Gründung, beherbergte jedoch schon im späten 8. Jahrhundert v. Chr. phönizischer Händler, wie Funde phönizischer Keramik (manche mit Graffiti) belegen. Wahrscheinlich diente die auf dem Weg zur etruskischen Küste liegende Insel als »Freihafen«, in dem sich Menschen aus Griechenland und dem Nahen Osten trafen. Hauptziel des phönizischen Handels in Italien war jedoch das Kernland der Etrusker im Norden mit seinen erzreichen Kupfer-, Blei-, Eisen- und Silberminen. Geologische Untersuchungen haben gezeigt, dass die heutige Gegend in der Nordwesttoskana mit der Insel Elba und dem gegenüber liegenden Festland zwischen den Flüssen Ombrane und Cecina sehr reich an silberhaltigen Erzen ist.20 Diese Berge, die Colline Metallifere, sind eine der erzreichsten Regionen in ganz Europa. Seit frühester
Zeit zogen sie phönizische Prospektoren, Händler und Handwerker an, die verschiedene Importwaren wie Luxusgefäße aus getriebenem Silber mit sich brachten. Bei diesen, von dort lebenden phönizischen Handwerkern hergestellten Gefäßen könnte es sich um diplomatische Geschenke an die regionalen Herrscher gehandelt haben, die gemacht wurden, um Handelsrechte für Erz zu erhalten. Der phönizische Einfluss zeigt sich außerdem im plötzlichen Auftreten einer stark orientalisierenden Kunsttradition in Etrurien im späten 8. Jahrhundert v. Chr.21 Keramikimporte lassen vermuten, dass die blühenden nordetruskischen Küstenstädte Populonia und Vetulonia die Hauptstützpunkte der Phönizier waren. Ihre Kenntnis der etruskischen Erzvorkommen könnte durch die Kontakte mit den einheimischen Bewohnern Sardiniens oder durch die Zyprioten vermittelt worden sein, die beide am Metallhandel im Tyrrhenischen Meer beteiligt waren.22 Malta Das maltesische Archipel mit den Hauptinseln Malta (punisch ’nn) und Gozo (punisch Gwl) bot den Phöniziern eine ganz andere funktionale Nische als Sizilien und Sardinien. Anders als die Nachbarn im Norden hatte Malta nur wenig Bodenschätze zu bieten. Das landwirtschaft liche Potenzial beschränkte sich auf zwei kleine Ebenen im Norden und Süden. Erzvorkommen gab es überhaupt nicht. Offenbar lag der Reiz der Insel für die Phönizier in ihrer
geographischen Lage zwischen den beiden phönizischen Haupthandelsrouten: der nach Norden an der Südküste Siziliens entlang und der nach Süden zur nordafrikanischen Küste. In dieser Hinsicht unterschied sich Malta von den typischen phönizischen Anlaufhäfen wie Kythera oder Mozia, deren küstennahe Lage sie zu nützlichen Zwischenstationen und Handelsbasen für die Geschäfte mit dem Festland machte. Wie Diodor berichtet, bot Malta den Phöniziern viele sichere Häfen für ihre Geschäfte mit dem Westen. Westlich von Kreta und südlich von Sizilien im offenen Meer am Seeweg nach Tunesien gelegen, war Malta wahrscheinlich bereits früh eine Versorgungs- und Wartungsstation für phönizische Handelsschiffe auf dem Weg nach Westen durch das Mittelmeer.23 Im 7. Jahrhundert v. Chr. könnte sich diese Rolle durch den Verlust Ostsiziliens an die griechischen Kolonien noch verstärkt haben. Grabfunde und Inschriften belegen, dass die Phönizier im späten 8. Jahrhundert v. Chr. im Archipel von Malta bereits stark vertreten waren. Zwar wurden auf beiden Hauptinseln phönizische Nekropolen gefunden, doch ist die archäologische Suche nach Siedlungshorizonten durch die moderne Bebauung stark eingeschränkt. Wie in Gozo, das sich in eine Hochlandsiedlung (bei Victoria) und eine südliche Hafenstadt (in der Bucht von Mgarr) aufteilte, ist die phönizische Besiedlung der Hauptinsel Malta in zwei Zonen gegliedert, zum einen in das Hochlandplateau im Norden und zum anderen in die Gegend an der großen Bucht von Marsaxlokk und den benachbarten Flussmündungen im Südosten. Größe und Ausmaß der Nekropo
len um Rabat-Mdina, einer Hügelstadt im Norden, lassen vermuten, dass diese Stadt im Inland wahrscheinlich den urbanen Kern der phönizischen Besiedlung bildete. Mit seinen natürlichen Häfen bildete die Gegend um Marsaxlokk herum das Handelszentrum, eine Tatsache, die sich aus der Dichte der umliegenden einheimischen Siedlungen und zweier größerer phönizischer Heiligtümer für Melkart und Astarte ergibt. Der Tempel der Astarte liegt über einem früheren chalkolithischen Heiligtum in Tas Silg und lieferte z. B. anhand mehrerer Hundert Keramiktafeln mit Weihinschriften für Tanit und Astarte zahlreiche Beweise für den phönizischen Kult. Aufgrund seiner relativ isolierten offenen Meereslage unterscheidet sich das kulturelle Stratum von Malta durch seine idiosynkratische Art von anderen phönizischen Siedlungen im Westen. Die archäologischen Funde zeigen, dass die phönizischen Siedler auf Malta eng mit der einheimischen Bevölkerung zusammenarbeiteten. Diese unmittelbare und dauerhafte Koexistenz, die sich in der Mischung phönizischer und einheimischer Waren niederschlug, führte zu einem für die Phönizier ungewöhnlichen Maß an kultureller Assimilation, da sie normalerweise eher die Rolle eines wirtschaft lichen »Außenseiters« einnahmen. Auch die nach einheimischem Muster errichtete Stadt Mdina im Inland belegt dieses Phänomen. Die phönizische Kunst blieb auf Malta einheitlich archaisierend und im Allgemeinen resistent gegen äußere Einflüsse aus der Levante, Karthago und dem westlichen Herrschaftsgebiet der Phönizier. Allgemein schien sich die Kultur des phönizischen Malta entlang
einer Nord-Süd-Achse von Ostsizilien zum gegenüber liegenden nordafrikanischen Festland auszurichten. Dieser Interaktionsradius lässt vermuten, dass die Insel ähnlich wie das westlich gelegene Pantelleria eine zunehmend bedeutendere Funktion als Zwischenstation für den phönizischen (und später punischen) Handel mit dem afrikanischen Festland hatte.
Nordafrika Die Geschichte der Phönizier in Nordafrika, bzw. im antiken »Libyen«, konzentriert sich auf die nordtunesische Region um den Golf von Tunis herum. Hier, an der südlichen Spitze des tyrrhenischen Dreiecks lagen die beiden frühesten und wichtigsten phönizischen Gründungen, Karthago und Utica, in einem klimatisch gemäßigten und geschützten Küstenstreifen Nordafrikas an der Straße zum zentralen Mittelmeer und dem Westen. Antiken historischen Berichten zufolge wurde Utica am Ende des fruchtbaren Bagradas-Tals (Medjerda) bereits 287 Jahre vor Karthago gegründet.24 Die antiken Quellen sind sich über diese frühe Gründung einig, die kurz nach der Errichtung von Cádiz 1101/3 v. Chr. erfolgte. Nach Plinius dem Älteren25 wurde der antike Apollo-(Melkart-)Tempel in Utica 1101 v. Chr., 1178 Jahre bevor er seinen Bericht darüber verfasste, gegründet. Da archäologische Belege dafür fehlen, gibt es in der Forschung allerdings eine gewisse Skepsis einem so frühen Datum für die Anwesenheit der Phönizier in Nordafri
ka gegenüber. Während die Nekropole der Stadt Gräber enthielt, die frühestens ins 7. Jahrhundert v. Chr. zu datieren sind, wurde bisher noch keine Spur der phönizischen Siedlung von Utica gefunden.26 Eine moderne topographische Analyse ergab, dass Utica, das sich heute etwa 12 km weit im Inland befindet, ursprünglich auf einer Landzunge mit einer vorgelagerten Insel angesiedelt war – eine für die phönizischen Siedlungen typische Konfiguration. Als Handelsort und Versorgungsstation lag die Stadt an den direkt nördlich davon verlaufenden Handelsrouten von der Straße von Gibraltar und der südsardischen Küste sehr günstig. Diese Lage auf einer Landspitze am wichtigsten Flusstal von Tunesien macht die antiken Behauptungen, dass die Stadt bedeutender war als das benachbarte Karthago, glaubhaft. Sollte die frühe Datierung der Gründung von Utica, Cádiz und Lixus zutreffen, so könnte dies eine frühe Phase »vorkolonialer« Erkundung im zentralen und westlichen Mittelmeerraum widerspiegeln, wobei die archäologischen Belege für so frühe Handelsaktivitäten der Phönizier bislang kaum greifbar sind. Tatsächlich handelte es sich bei den frühesten phönizischen Hafenanlagen wahrscheinlich um kaum mehr als Saisonal eingerichtete Ankerplätze mit temporären Anlagen, die wenig archäologische Spuren hinterlassen haben dürften. Im Gegensatz dazu scheint sich Karthago (punisch Qart-Hadasht, »Neue Stadt«) bereits früh zu einem urbanen Zentrum entwickelt zu haben. Wie Utica wurde es von Tyros aus gegründet und verfügte über einen ausgezeichneten Naturhafen und ein großes, leicht zugängliches Hinterland.
Neuere Ausgrabungen auf dem Byrsa-Hügel förderten architektonische Spuren aus der Mitte des 8. Jahrhunderts v. Chr. zutage, die nur etwas über 50 Jahre älter sind als das Gründungsdatum der Stadt von 813 v. Chr. Die wirtschaft liche Präsenz der Phönizier im östlicher gelegenen Teil der nordafrikanischen Küste ist archäologisch nur lückenhaft belegt, wobei praktische navigatorische Erwägungen dafür ausschlaggebend gewesen sein könnten. Die starke West-Ost-Strömung an der nordafrikanischen Küste zwischen der Straße von Gibraltar und Port Said machte eine Fahrt nach Karthago von Ägypten aus sehr kompliziert. Auch die böigen Winde und gefährlichen Untiefen sowie die schlechte Sicht an der unfruchtbaren, 480 km langen Küste von Libyen, der so genannten Syrte, erschwerten eine solche Reise. Angesichts dieser Hindernisse werden phönizische Segler aus dem östlichen Heimatland auf dem Weg nach Karthago wahrscheinlich eine direktere Route nach Westen über das offene Meer eingeschlagen haben. Solche Umstände machen deutlich, warum die östliche tunesische und libysche Küste trotz der Behauptungen der antiken Historiker kaum Beweise für eine permanente Besiedlung durch die Phönizier bietet. Mit Ausnahme von Hadrumetum und Leptis Magna, die beide angeblich phönizische Gründungen sind, zeichnen sich die großen Städte an der Sahelküste, dem Golf von Gabes und Tripolitania durch Siedlungshorizonte aus punischer Zeit aus. Lediglich in Leptis Magna (punisch Lpqy) wurden Spuren dauerhafter Bauten aus der Zeit der Stadtgründung im 7. Jahrhundert gefunden. Doch auch hier
bestehen Zweifel an der Art der ursprünglichen Siedlung. Neueren Interpretationen zufolge dienten die auf dem unberührten Boden gefundenen Steinbauten bei Kap Hermaion als Warenlager für eine Saisonale Zwischenstation oder Umschlaghafen. Eine dauerhafte Besiedlung fand erst aufgrund karthagischer Initiative im späten 6. Jahrhundert v. Chr. statt.27 Die Befunde lassen vermuten, dass sich die Aktivitäten der Phönizier an der nordafrikanischen Küste östlich von Karthago bestenfalls auf einige temporäre Zwischenstationen für heimkehrende Schiffe aus dem westlichen Mittelmeer beschränkten. Auch die Belege für frühe phönizische Siedlungen in Nordafrika westlich der tunesischen Landzunge sind rar. An der gesamten Küste Westtunesiens und Ostalgeriens zwischen Bizerte und Oran gibt es kaum Belege für eine Besiedlung vor dem 5. Jahrhundert v. Chr. Kulturell und chronologisch spiegeln die vielen Handelsorte an der algerischen Küste von Hippo Regius (Annaba) und Gunugu im Westen (Gouraya) den regionalen Einfluss Karthagos wider. Die Orte selbst und ihre punischen Toponyme, denen oft das Präfi x ’y (punisch »Insel« wie in Ioi oder Icosium, dem heutigen Algier) oder Rus (für »Kap« wie in Rusciade oder Rusucurru) vorangestellt wurde, unterstreichen ihre funktionale Bedeutung als Warenumschlagplätze für den punischen Küstenhandel. Nur im extremen Westen von Algerien, an der Küste von Oran, finden sich Belege für eine frühere phönizische Besiedlung (aus dem 7. und 6. Jahrhundert), z. B. in Les Andalouses westlich von Oran und in Rachgoun, einer Insel an der Küste in der Nähe der Mündung des Flusses
Siga (Tafna). Hier liefern eine Nekropole im Inland und eine Siedlung an der Küste Beweise für eine phönizische Besiedlung bereits im 7. Jahrhundert v. Chr. Die frühe Keramik, sowohl die in Aufbautechnik handgetöpferte als auch die auf der Scheibe gedrehte, unterscheidet sich von der des archaischen Karthago. Am ehesten entspricht sie dem phönizischen Material von der 165 km entfernten andalusischen Küste Spaniens. Zwischen diesen beiden westlichen Regionen des Mittelmeeres scheint es enge wechselseitige Beziehungen gegeben zu haben.28
Spanien Die archäologischen Untersuchungen der letzten Jahrzehnte erbrachten viele neue Erkenntnisse über die phönizischen Siedlungen auf der Iberischen Halbinsel, der westlichsten Position ihrer Ausbreitung im Mittelmeerraum. Die Berichte der antiken Autoren erinnern an die frühe Präsenz der Phönizier in Südspanien, wie z. B. an die tyrischen Bemühungen bei der Gründung der Handelsstation Cádiz (phönizisch Gadir) jenseits der Straße von Gibraltar. Ihre Schilderungen belegen eindeutig, dass die phönizischen Kolonialbemühungen in dieser Gegend hauptsächlich von einem Motiv geleitet wurden: dem Erwerb von Erzen und Edelmetallen. Die spanische Halbinsel ist bezüglich der Rohmaterialien Gold, Kupfer, Eisen, Zinn und Silber eine der reichsten Gegenden im gesamten Mittelmeerraum. Der lukrative Handel vor allem mit Zinn und Silber trieb die Tyrer zum ehrgei
zigen Fernhandel mit den spanischen Küstenregionen am Atlantik an. Die Chronologie des frühen phönizischen Kontakts mit der Iberischen Halbinsel bleibt Thema wissenschaftlicher Kontroversen, die sich zum großen Teil um die Beziehungen zwischen dem biblischen Tarschisch und dem historischen Tartessos sowie um die Frage drehen, ob das sagenumwobene, metallreiche Land, das im Alten Testament beschrieben wird – und das Ziel von König Salomos fernen Handelsexpeditionen war – tatsächlich mit der silberreichen Region im westlichen Andalusien, dem historischen Territorium von König Arganthonios, identisch ist.29 Zurzeit reichen die archäologischen Belege phönizischer Präsenz in Spanien nicht weiter zurück als bis ins 8. Jahrhundert v. Chr., vereinzelte Funde lassen mittlerweile jedoch vermuten, dass die Handelsbeziehungen bereits viel früher begonnen haben könnten. Diese frühe Geschäftstätigkeit könnte auf dem phönizischen Interesse am atlantischen Zinnhandel gründen, der unter iberischer Kontrolle bereits im 9. Jahrhundert v. Chr. blühte.30 Die tyrische Siedlung Cádiz nahe am mineralreichen Huelva-Gebiet und dem Guadalquivir-Tal lässt vermuten, dass die Phönizer sich der Erzressourcen der Region sehr wohl bewusst waren. Das traditionelle Gründungsdatum von Cádiz (1104/3 v. Chr.) ist zwar archäologisch nicht belegt, könnte solche frühen Handelskontakte jedoch belegen. Das antike Cádiz (von punisch gdr, »Mauer« oder »Befestigte Zitadelle«) wurde auf mehreren vorgelagerten Inseln in der geschützten Bucht von Cádiz hinter der Straße
von Gibraltar gegründet. Neuere geologische und archäologische Untersuchungen zeigten, dass die frühe phönizische Siedlung ihr Zentrum auf der nördlichen kleinen Insel Erytheia, dem heutigen Herz des Cádiz aus dem 19. Jahrhundert hatte. In der Antike war diese Insel von der weiter südlich liegenden größeren Insel Kotinoussa durch einen tiefen, schmalen Kanal, den Bahia-Caleta, der Cádiz ursprünglich als Hafen diente, getrennt. Im Laufe der Jahre wurde dieser Kanal durch das Guadalete-Delta am Festland zugeschwemmt und die angrenzende Bucht verlandete, wodurch das Archipel von Cádiz zu einer Halbinsel wurden Wie die Mutterstadt Tyros scheint die frühe phönizische Siedlung Cádiz, die noch nicht ausgegraben wurde, außerordentlich dicht bebaut gewesen zu sein, denn sie erstreckte sich über nicht mehr als 10 ha. Die drei wichtigsten Heiligtümer der Stadt für Astarte, Baal Hammon und Melkart lagen an abgelegenen Orten auf den beiden Hauptinseln der Stadt, der Tempel der Astarte an der Westspitze von Erytheia, diejenigen für Baal Hammon und Melkart am nordwestlichen bzw. südwestlichen Ende von Kotinoussa. Letzterer war in der Antike für sein Orakel berühmt und könnte sich heute auf der Insel Sancti Petri befinden, wo 1984 einige antike Bronzestatuen männlicher Gottheiten entdeckt wurden. Die Nekropole der Stadt Cádiz befand sich abseits der Siedlung am gegenüber liegenden Ufer des Bahia-Caleta-Kanals, im Gebiet von Puertas de Tierra, wo zahlreiche Gräber, die frühesten davon aus dem 5. Jahrhundert, gefunden wurden.
Die Gründung von Cádiz auf Erytheia direkt gegenüber der Mündung des Flusses Guadalete war genau kalkuliert: Das Mündungsgebiet schloss direkt an das Guadalquivir-Tal an, das Zugang zu den Bodenschätzen des unteren Andalusien gewährte. Von Cádiz aus wurde bereits früh eine Enklave an der Nordseite des GuadaleteDeltas bei der einheimischen Siedlung Castillo di Doña Blanca eingerichtet, die der Stadt als Kontinentalhafen und Transitstation auf dem Festland diente. Die hier durchgeführten Ausgrabungen erbrachten in den letzten beiden Jahrzehnten weitreichende Spuren phönizischer Präsenz.32 In den letzten Jahren konnte die Archäologie Licht auf die Beteiligung Tyros’ an dem in den antiken Quellen verzeichneten Silberhandel mit Tartessos werfen. Die Aktivitäten konzentrierten sich auf zwei Gebiete: den westlichen Bereich der Provinz von Sevilla und die Berggegend der dahinter liegenden Huelva. Im ersten Gebiet folgte der Metallhandel einer Route, die über die Mündung des Guadalquivir direkt in Cádiz endete. Die reichen Silberminen von Aznalcollar an den südlichen Ausläufern der Sierra Moreno scheinen die Hauptquelle dargestellt zu haben. Die archäologischen Forschungen belegen, dass die silberhaltigen Bleierze aus diesen Minen in den einheimischen tartessischen Orten Tejada la Vieja bzw. San Bartolomé de Almonte aufbereitet und anschließend geschmolzen wurden. Die phönizischen Aktivitäten in Tejada zeigen sich im urbanen Charakter der einheimischen befestigten Siedlung, in der es steinerne Lagerhäuser und Einrichtungen zum Zerkleinern und Waschen der Erze gab.33
Bergbaugebiet von Rio Tinto, Spanien.
Die reichsten Vorkommen gold- und silberhaltiger Pyriterze finden sich in den Bergen der Huelva, der Inlandregion des Rio Tinto. Die Silberminen des Rio Tinto sind nach den bereits in der Antike intensiven Ausbeutungen heute völlig erschöpft (die letzten Vorkommen von etwa 30 000 Tonnen wurden 1887 abgebaut). Eine moderne Untersuchung der Silberschlacke zeigt das riesige Ausmaß der Bergbauaktivitäten, die hier während der Eisenzeit durchgeführt wurden. Die antiken Schlackenhalden mit schätzungsweise sechs Millionen Tonnen Schutt und Schlacke erstrecken sich über ein Areal von etwa 1,5 × 0,5 km Größe. Zwei einheimische Hügelsiedlungen in der Nähe (Quebranthuesos und Cerro Salomon) bestätigen, dass der Abbau in den Händen der Einheimischen lag. Die Beteiligung der Phönizier an solchen Bergbauoperationen ist mittlerweile durch die 1966–67 durchgeführten Ausgrabungen in Cerro Salomon belegt. Dort
fanden sich in einer kleinen Siedlung neben phönizischer Importkeramik offensichtliche Spuren von Metallverarbeitung, z. B. Werkzeuge für den Erzabbau, Blasebälge und Schmelztiegel. Bleitropfen in den Häusern zeigen, dass zumindest ein Teil des Silbers vor Ort durch Kupellieren gewonnen wurde, wofür man das örtlich abgebaute Blei verwendete. Das Metall wurde in Barrenform oder als Roherz den Rio Tinto hinab zum einheimischen Küstenhafen von Huelva gebracht, wo die endgültige Verarbeitung stattfand. Bei Ausgrabungen im Zentrum der modernen Stadt fand man die eigentlichen Schmelzöfen aus dem 8. und 7. Jahrhundert v. Chr.34 Die Anwesenheit der phönizischen Geschäftsleute in Huelva ist auch durch den stark orientalisierenden Stil der Gräber von La Joya, der Nekropole der Aristokratie von Huelva, belegt. Jenseits von Huelva gibt es nur wenig Belege für eine phönizische Besiedlung der Atlantikküste. Bei neueren Ausgrabungen stieß man allerdings bei Alácer do Sal in der Nähe der Mündung des Sado auf eine größere Siedlung aus dem 7. Jahrhundert v. Chr. Diese Siedlung etwa 400 km nördlich des Guadalquivir-Beckens macht die Vermutung, die Phönizier hätten Handelsstädte bis zur Algarveküste und darüber hinaus nach Portugal errichtet, glaubwürdig.35 Die Phönizier scheinen ihre Siedlungsbemühungen seit dem 8. Jahrhundert v. Chr. allerdings auf die andalusische Küste östlich von Gibraltar konzentriert zu haben. Die archäologischen Untersuchungen der letzten drei Jahrzehnte bewiesen die Existenz einer Reihe kompakter Siedlungen auf engem Raum mit dazugehörigen
Nekropolen an den Küsten von Granada, Malaga und Almería, die alle auf flachen Landzungen mit geschützten Häfen oder Flussmündungen lagen. Die Lage an Flussmündungen wie bei Guadalhorce, Guadalmedina, Velez und Algarrobo sicherte den Zugang zum landwirtschaft lich reichen Hinterland. Die andalusische Küste zwischen Guadalhorce und dem Rio Grande bei Adra ist eine der landwirtschaftlich fruchtbarsten Gegenden der iberischen Halbinsel. Die meisten Siedlungen wie Cerro del Villar, Toscanos, Moro de Mezquitilla und Chorreras wurden höchstwahrscheinlich gegründet, um diese natürlichen Ressourcen zu nutzen. Das Entwicklungspotenzial war offensichtlich groß, da die Küste bei der Ankunft der Phönizier nicht erschlossen und weitgehend unbesiedelt war. Einige Orte, wie z. B. Moro de Mezquitilla, scheinen an zuvor nicht besiedelten Plätzen errichtet worden zu sein. Auch der Küstenhandel spielte eine Rolle, obwohl die Beziehungen der andalusischen Siedlungen sowohl zum phönizischen Osten als auch zur Metropole Cádiz unklar bleiben. Mit Ausnahme von Malaga (Malaka), Sexi (Almuñécar) und Abdera (Adra) werden in den antiken Quellen keine Orte an der andalusischen Küste genannt. Siedlungsmuster und Belege aus der Fauna weisen in Toscanos nicht nur auf Ackerbau, sondern auch auf intensive Tierhaltung hin (Schafe, Ziegen und besonders Rinder). Der hohe Prozentsatz an Rinderknochen an diesem und anderen andalusischen Orten lassen vermuten, dass Rinder sowohl als Zugtiere als auch für den eigenen Verzehr gezüchtet wurden. Die Holzbranche hatte vermutlich beträchtlichen Anteil an der loka
len Wirtschaft, denn die Berge im Inland waren reich an Eichen und Kiefern. Anders als ihre Gegenstücke an der levantinischen Küste waren die Siedlungen an der östlichen andalusischen Küstenebene im Allgemeinen eher klein und unscheinbar in ihrer Anlage. Lediglich die Zentren der Orte lassen so etwas wie einen urbanen Charakter erkennen. Die Mehrheit der Siedlungen, darunter Moro de Mezquitilla, Chorreras und Adra waren bei entsprechend niedrigen Bevölkerungszahlen nur wenige Hektar groß (ca. 2–5 ha).36 Toscanos zählte zu seiner Blütezeit wohl kaum mehr als 1500 Einwohner. Aufgrund der archäologischen Forschung lässt sich daher eher auf eine Reihe zentral verwalteter Handelsenklaven als auf voll ausgebildete Städte schließen. Die frühe Siedlung Toscanos (ca. 750–650 v. Chr.) unterstreicht dieses Phänomen. Sie lag auf einer Halbinsel in einer heute verlandeten, kleinen Bucht. Als zentrales Lagerhaus diente ein großes, dreischiffiges öffentliches Gebäude. Erst in der zweiten Hälfte des 7. Jahrhunderts weitete sich die Siedlung auf die umliegenden Hügel Penon und Alarcon aus, die schließlich mit Befestigungsmauern und Türmen umgeben wurden. Die ursprüngliche Siedlung wurde durch einen einfachen v-förmigen Verteidigungsgraben geschützt. Zusätzlich zu Ackerbau und Viehzucht erstreckten sich Toscanos wirtschaft liche Aktivitäten, wie die Archäologie bestätigte, auch auf die Purpurherstellung und Metallurgie. Es wurden sowohl Kupfer als auch Eisen verarbeitet. Wie in der Nachbarsiedlung Moro de Mezquitilla wurden auch hier an den
Hängen des Penon Einrichtungen zur industriellen Verarbeitung und zum Schmelzen von Eisen entdeckt. Diese Aktivitäten deckten wahrscheinlich hauptsächlich den eigenen Bedarf und waren nicht für den Export bestimmt. Anders als in der Guadalquivir-Huelva-Region gibt es hier jedoch keinen Hinweis darauf, dass die reichen Erzvorkommen (Eisen, Kupfer, Blei) der ost-andalusischen Berge in der Antike intensiv abgebaut wurden. Wie überall in Südspanien fand die phönizische Besiedlung in Toscanos vor der Mitte des 6. Jahrhunderts v. Chr. ein Ende. Die Gründe für die Aufgabe des Ortes sind unbekannt. Vermutlich haben regionale demographische und ökonomische Faktoren eine Rolle gespielt und auch der wachsende Wettbewerb zwischen den entstehenden Wirtschaftsmächten Griechenland und Karthago im Mittelmeerraum mag seinen Anteil daran gehabt haben. Einige Wissenschaft ler vermuteten, dass das Ende der geschäft lichen Aktivitäten der Phönizier in Andalusien (und des Bergbaus in der Huelva-Region) die Folge einer weitreichenden politischen und ökonomischen Krise im phönizischen Osten sei, die darin gipfelte, dass Tyros im Jahre 573 v. Chr. an die Babylonier fiel.37 Während des Zeitraums von über 200 Jahren übte die Präsenz der Phönizier in Südspanien einen nachhaltigen Eindruck auf die einheimische iberische Kultur aus, für die im späten 8. und 7. Jahrhundert v. Chr. eine stark orientalisierende Phase begann. Besonders deutlich wird dieser Einfluss in der Huelva-Region und am unteren Guadalquivir. Er schlug sich in der Architektur (in der Verwendung von Quadern und Lehmziegeln), der Technik (durch die Ein
führung des Eisens und der Drehscheibe), den Grabsitten (mit der Übernahme phönizischer Grabtypen und Bestattungsbräuche) sowie in der Schrift nieder. Es wird immer deutlicher, dass die Einführung eines alphabetischen Systems in der einheimischen westiberischen Schrift die direkte Folge des phönizischen Einflusses war.38 Erwartungsgemäß tritt der phönizische Einfluss am deutlichsten auf den Bestattungsplätzen der tartessischen Aristokratie in Huelva und Setefilla zutage, die direkt vom Silberhandel profitierte. Viele der goldenen und silbernen Luxusgüter in diesen Gräbern sind in Bezug auf Technik und Dekor von orientalischen Vorbildern beeinflusst, andere waren Direktimporte und wurden in regionalen phönizischen Werkstätten wie etwa in Cádiz hergestellt. Bei Letzteren handelt es sich wahrscheinlich um diplomatische Geschenke zur Erlangung der Transitrechte für das erzreiche Hinterland von Andalusien.
Die Balearen und Ibiza Auch die Entstehung einer weiteren phönizischen Niederlassung im westlichen Mittelmeerraum wurde von kommerziellen Interessen diktiert: die auf der Baleareninsel Ibiza. Die vor der levantinischen Küste Spaniens gelegene Insel (punisch ’ybsm» »Insel der Balsamtanne«) bildete einen Naturhafen für phönizische Schiffe auf dem Weg von und zur Straße von Gibraltar. Ausgrabungen der letzten Jahre belegen, dass die Insel von phönizischen Kolonisten von der Atlantikküste besiedelt
wurde, in der Mitte des 7. Jahrhunderts wurde auf der Halbinsel Sa Caleta ein erster Stützpunkt für den Handel nach Osten mit Sardinien und nach Westen mit der iberischen Küste eingerichtet. Abgesehen vom Schiffsverkehr scheinen Bergbauinteressen die Gründung der Siedlung gefördert zu haben. An der Südwestküste Ibizas entstand ein bescheidener Umschlaghafen mit Bauten aus Kalkstein und Lehmziegeln sowie Handelskontoren. Die Mengen an silberhaltigem Blei, das überall im Ort gefunden wurde, weisen auf den lokalen Silberabbau hin. Den Analysen nach stammt es aus den Minen von Santa Argentera im Osten. Die Reste eines Schmelzofens zeugen außerdem von der lokalen Verhüttung von Eisen, einem typisch phönizischen Gewerbe. Nach einer nur kurzen Besiedlungszeit von etwa 50 Jahren wurde Sa Caleta aufgegeben und seine Bevölkerung zog etwas weiter nach Osten auf den Hügel Puig de Vila über der größeren Bucht von Ibiza um. Am Fuße dieses Hügels lag in geschütztem Wasser der antike Hafen, dessen Position durch reiche Funde phönizischer Keramik aus dem letzten Viertel des 7. Jahrhunderts v. Chr. gesichert ist. Rettungsgrabungen der frühen 80er-Jahre an den unteren Hängen des benachbarten Puig des Molins (auf dem sich später die große puniscile Nekropole befand) brachten die Reste des archaischen Grabbezirks zum Vorschein, auf dem in künstlichen Gruben oder natürlichen Höhlen in den felsigen Hängen mehrere Dutzend pithoi-Feuerbestattungen entdeckt wurden.39 Ibizas günstige Lage für den frühen phönizischen Handel wurde durch vereinzelte Funde phönizischer Keramik
an der Nordostküste der spanischen Provinzen Alicante (Pena Negra de Crevillente, Los Saladares) und Kastilien (Vinarragell) sowie weiter im Norden im Ebro-Delta in Südkatalonien belegt. Diese Funde aus dem späten 7. und frühen 6. Jahrhundert v. Chr. lassen vermuten, dass Ibiza ein Korridor für den westphönizischen Handel mit dem nördlichen Spanien und Südfrankreich war – Gebiete, die als Ausgangspunkte für Zinnlieferungen aus Cornwall und der Bretagne geschätzt wurden. Dieser lukrative Binnenhandel ergänzte die atlantische Küstenroute aus Galizien und dem Atlantik im Norden. Sie wurde von den Phöniziern wahrscheinlich bis in die Mitte des 6. Jahrhunderts befahren, als die griechischen Phoker durch ihre Kolonien in Massalia (Marseille) und Emporion (Ampurias) die Kontrolle über diese Inlandrouten übernahmen.
Der phönizische Atlantikhandel: Marokko Wie die Geschichte zeigte, war die Stadt Lixus (punisch Lks) für den frühen phönizischen Handel im atlantischen Teil von Marokko von Bedeutung. Die antike Literaturüberlieferung unterstreicht die Bedeutung dieses überaus wichtigen Handelskontors, dessen Gründung (1180 v. Chr.) offenbar noch früher erfolgt war als die von Cádiz.40 Die Lage von Lixus, 4 km landeinwärts von der Mündung des Loukkos, ist seit dem frühen 19. Jahrhundert bekannt. Die Ausgrabungen auf dem oberen Plateau des Tchemmich-Hügels, dem vermuteten Ort der
frühen Stadt, konnten bislang keine architektonischen Belege für eine frühe phönizische Besetzung erbringen. Neuere Analysen ergaben, dass der früheste Monumentaltempel in Lixus (Apsis »H«) in der Zeit des Numiderkönigs Juba II., nicht vor dem 1. Jahrhundert v. Chr. errichtet wurde. Wahrscheinlich lagen die Stadt und der Hafen ursprünglich direkt unterhalb dieses Heiligtums, am Fuße des schützenden Tchemmich-Hügels. Das Gründungsdatum dieser frühen Siedlung kann man aus verstreuten Funden phönizischer rot engobierter Keramik aus dem späten 7. Jahrhundert entnehmen, die auf dem darüber liegenden Plateau gefunden wurden.41 Wie Cádiz überwachte auch Lixus den Zugang über einen Fluss zu einem erzreichen Hinterland. An den Ausläufern des Atlasgebirges befanden sich reiche Gold-, Kupfer-, Eisen- und Bleivorkommen. Hinter Lixus gibt es im weiteren Verlauf der Küste, die keine Naturhäfen aufweist, nur wenige archäologische Spuren des phönizischen Küstenhandels. Die frühesten Belege einer Besiedlung in diesem Gebiet finden sich in Sah, einem Handelsort im Binnenland am Delta des Bou Regreg in der Nähe des modernen Rabat. Hier wurden bei Ausgrabungen die Reste eines großen Quaderbaus sowie rot engobierte phönizische Keramik aus dem 7. und 6. Jahrhundert v. Chr. gefunden. Über 400 km hinter Sala befindet sich die südlichste bekannte Siedlung der Phönizier an der marokkanischen Küste. Bei Ausgrabungen fand man auf der Insel Mogador in der Bucht von Essauoira ein saisonal bewohntes Küstenlager von etwa 50 m Durchmesser mit Feuerstellen
und kleinen Hütten. Die Keramikfunde – große Mengen Scherben rot engobierter Ware (von denen etwa 20 phönizische Inschriften tragen) sowie griechische (attische und ionische) Amphoren und zypriotische Keramik machen deutlich, dass es sich bei Mogador um eine Handelsniederlassung handelte. Es wurde zwischen 650 und 500 v. Chr. bewohnt und diente wie das im Norden liegende Sala als Nebenzentrum für den Handel mit den einheimischen Völkern im marokkanischen Binnenland. Die phönizische Keramik legt nahe, dass Mogador durch Kolonisten aus dem phönizischen Cádiz, das selbst eine tyrische Gründung war, erbaut wurde. Das Keramikrepertoire aus Mogador ist dem in den phönizischen Siedlungen in Andalusien gefundenem besonders ähnlich.42
Weitere phönizische Erkundungsunternehmen Wie weit die Phönizier die Küste hinter Mogador erforschten, bleibt offen. Strabons Behauptung, die Tyrer hätten 300 Kolonien an der afrikanischen Westküste gegründet,43 ist zwar sicherlich übertrieben, doch sie erinnert an derartige Erkundungsfahrten, die den Grundstein für die späteren Expeditionen des Karthagers Hanno legten. Herodots Bericht von der erfolgreichen Umsegelung des afrikanischen Kontinents auf Geheiß des ägyptischen Pharaos Necho (610–595 v. Chr.) legt nahe, dass die Phönizier an der Westküste Afrikas entlangsegelten.44 Die gleiche Frage trifft auf die Erkundungsfahrten der Phönizier im Atlantik zu. Dass die phönizischen Fischer
aus Cádiz auf der Jagd nach Thunfisch weit über die Straße von Gibraltar hinaussegelten, ist historisch belegt.45 Es ist wahrscheinlich, dass sie bis Madeira und zu den Kanarischen Inseln vor der marokkanischen Küste kamen (der Vulkan Teide auf Teneriffa ist für Segler an der Küste weithin sichtbar). Pseudo-Aristoteles und Diodor beziehen sich bei der Erwähnung der zufälligen Entdeckung einer stark bewaldeten Insel mitten im Atlantik offenbar auf Madeira.46 Eine Landung der Phönizier oder Karthager auf den weiter entfernten Azoren ist derzeit nicht zu belegen, kann aber auch nicht vollständig ausgeschlossen werden. Neuere Untersuchungen auf Corvo brachten jedenfalls keine Beweise für die Anwesenheit der Phönizier.47
Wirtschaftliche Expansion der Punier im Ausland Die wirtschaft liche Expansion der Karthager baute auf Siedlungsmustern auf, die bereits zuvor von den Phöniziern angewandt wurden. Im Gegensatz zur phönizischen unterschied sich die punische Besiedlung durch eine wesentlich weitere Ausdehnung und Dichte der Niederlassungen. Das galt besonders für die Inseln wie Sardinien, Ibiza und Malta, auf denen sich die Besiedlung weit über die Küsten hinaus erstreckte. Auf Sardinien kontrollierten die Karthager dank eines ausgedehnten Netzes von Straßen und Lagern im 4. Jahrhundert v. Chr. politisch und wirtschaft lich die gesamte Insel. An
ders als bei den Phöniziern waren Transithandel und die Versorgung mit Metall nicht länger das alleinige Ziel, für sie erlangten landwirtschaft liche Ressourcen, insbesondere die Weizenproduktion, größte Bedeutung. Im 5. Jahrhundert v. Chr. wurden die wirtschaft lichen und kolonialen Interaktionen der punischen Welt nicht nur von Karthago selbst, sondern auch von weiteren halbautonomen Gemeinschaften kontrolliert. Ibiza hatte z. B. Anteil an einem weiten kommerziellen Netzwerk, das sich über Frankreich, Spanien, Sizilien und Sardinien spannte. Auch von der reichen Inselgemeinschaft Maltas gingen eigene koloniale Bestrebungen aus. Sie gründeten Siedlungen auf dem benachbarten Pantelleria und an der nordafrikanischen Küste. Im fernen Westen kontrollierte das punische Cádiz ein intensives Wirtschaftsimperium, dessen Zentrum an den Atlantikküsten nördlich und südlich von Gibraltar lag. Mithilfe einer großen Handelsflotte exportierte die Stadt Fisch und andere Waren nach Korinth und in weitere Gebiete der Ägäis.48
Erkundungen der Karthager in Übersee Die Quellen berichten von zwei außergewöhnlichen Unternehmungen der wirtschaft lichen Expansion der Karthager in der Atlantikregion. Die erste ist in einer frühmittelalterlichen Handschrift überliefert, die von einer bemerkenswerten Reise entlang der Westküste Afrikas berichtet, die ein karthagischer Seefahrer namens Hanno in der zweiten Hälfte des 5. Jahrhunderts v. Chr.
unternahm. Die Lage der in dem Bericht erwähnten antiken Orte wurde viel diskutiert, ursprünglich setzte er im Tempel des Saturn (Baal Hammon) in Karthago an. Die mutigeren unter den Wissenschaft lern lassen ihn bis Sierra Leone oder sogar Kamerun oder Gabun im Golf von Guinea segeln, nach konservativerer Meinung endete die Expedition am Kap Juby an der Südgrenze von Marokko.49 Ungefähr zeitgleich mit Hannos Expedition führte eine andere Reise unter der Leitung von Himilko an der Atlantikküste Westeuropas entlang. Nach der Ora Maritima von Avienus, in der ein Bericht über diese Expedition überliefert ist, brachte Himilkos viermonatige Reise ihn bis in die Bretagne und vielleicht sogar noch weiter, über den Ärmelkanal nach Britannien und an die Küste Cornwalls (Scilly-Inseln). Wie bei Hannos Reise ist auch das Ziel von Himilkos Expedition umstritten.50 Archäologische Belege für den Handel der Karthager mit Nordeuropa liegen bislang noch nicht vor.
EPILOG
Die persische Herrschaft über Phönizien endete mit der Belagerung und Plünderung von Tyros im Jahr 332 v. Chr. Im Jahr darauf wurde Dareios III. endgültig von Alexander und den Mazedonen geschlagen – das persische Imperium hatte aufgehört zu existieren. Die Herrschaft Alexanders war allerdings nur von kurzer Dauer. Nach seinem Tod stritten sich in den letzten Jahren des 4. Jahrhunderts und im 3. Jahrhundert zwei griechische Dynastien, die im Nahen Osten aufkamen, um diese Region: die Seleukiden und die Ptolemäer. In dieser Zeit fiel der größte Teil von Phönizien mit Ausnahme von Arwad im Norden unter ptolemäische Herrschaft. 198 v. Chr. wurde die Region dann von den Seleukiden unterworfen, die sie bis in die letzten Jahrzehnte des 2. Jahrhunderts v. Chr. regierten. Nach einer kurzen Zeit der Autonomie fiel sie 64 v. Chr. schließlich an Rom, unter dessen Herrschaft sie 600 Jahre lang bis zur Eroberung durch die Araber im 7. Jahrhundert n. Chr. stand. Unter den Ptolemäern und Seleukiden beschleunigte sich der seit dem späten 5. Jahrhundert andauernde Prozess der Hellenisierung und viele phönizische Städte und Heiligtümer wurden im griechischen Stil deutlich erweitert und z. T. neu angelegt. Für die phönizischen Hafenstädte bedeutete die Zeit der griechischen und später römischen Herrschaft eine Zeit der Blüte, in der sie weiter
aktiv Handel im Mittelmeerraum trieben. Mit der fortschreitenden Adaption der westlichen Lebensweise verloren die Phönizier mit ihrer Sprache zugleich auch ihren eigenen ethnischen Charakter. Städtebaulich gesehen waren ihre Städte schließlich architektonisch kaum mehr von anderen griechischen (und später römischen) Metropolen zu unterscheiden. Die Geschichte Karthagos und des punischen Westens war im 3. und 2. Jahrhundert ebenfalls mit der politischen Entwicklung der griechischen und römischen Welt verbunden. 279 v. Chr. begann die vierte und letzte Allianz der Karthager mit den Römern. Es handelte sich um einen gegenseitigen Verteidigungspakt gegen Pyrrhos von Epeiros, einen hellenistischen Herrscher, der auf Geheiß der griechischen Stadt Tarent auf italischem Boden einen Feldzug gegen die Römer führte. Innerhalb weniger Jahre nach Pyrrhos’ Rückzug brachen die Beziehungen zwischen den beiden zentralen Mächten am Mittelmeer jedoch ab und es kam zu einer Reihe langer und kostspieliger Kriege, die schließlich Karthagos Ende bedeuten sollten. Es ist umstritten, wer für die Feindseligkeiten auf karthagischer bzw. römischer Seite verantwortlich war, mit Sicherheit konnte keine Seite absehen, was für Folgen ihr Ausbruch letztendlich haben sollte. Die drei Punischen Kriege, die danach ausbrachen, sollten die beiden Supermächte mit Unterbrechungen 100 Jahre lang beschäftigen. Der erste Krieg (264–241 v. Chr.) endete mit einer katastrophalen Niederlage für Karthago, das Sizilien verlor, allen Feindseligkeiten gegenüber Rom und seinen Verbündeten abschwören und immense Repa
rationszahlungen leisten musste. Der Zweite Punische Krieg (217–201 v. Chr.), der Nachwelt durch Hannibals Züge unvergesslich, versetzte den imperialen Bestrebungen Karthagos den Todesstoß. Nach einer vernichtenden Niederlage musste der punische Staat das erst kürzlich erworbene Territorium in Südspanien aufgeben, seine Flotte zerstören und wiederum hohe Schadensersatzzahlungen leisten, die sich in Raten über 50 Jahre erstreckten. Hannibal, dessen kühner Feldzug über die Pyrenäen und die Alpen nach Italien in der Anfangsphase des Krieges überwältigenden Erfolg hatte, wurde schließlich auf afrikanischem Boden geschlagen. Als er daraufhin ins Exil geschickt wurde, zog es der karthagische General vor, sich selbst das Leben zu nehmen, ehe er den Römern in die Hände fiel. Bereits in den ersten Jahren des 2. Jahrhunderts v. Chr. erholte sich Karthago erstaunlich gut. Durch die Verwertung der enormen landwirtschaftlichen Überschüsse des reichen Hinterlandes blühte die Stadt wirtschaft lich erneut auf. Diese Anzeichen wirtschaftlichen Aufschwungs und militärischer »Regungen« weckten das Misstrauen Roms. Auf Drängen Catos des Älteren (von ihm stammt der Ausspruch: »Carthago delenda est«), entschied der römische Senat, Karthago ein für alle Mal zu vernichten. Durch Truppen in Utica gestärkt sprach Rom 149 v. Chr. ein letztes Ultimatum aus, das der Stadt und ihren Einwohnern keine andere Wahl als den Krieg ließ: Im Gegenzug für ihre Freiheit sollten die Karthager ihre Stadt aufgeben und sich weiter entfernt von der Küste niederlassen. Der kurze Dritte Punische Krieg (149–146 v. Chr.)
endete mit dem Angriff auf Karthago und schließlich der Zerstörung der Stadt, die die Römer im Frühling des Jahres 146 v. Chr. schleiften. Aus ihrer Asche erwuchs eine neue römische Stadt, Colonia Concordia Julia Karthago, geplant von Julius Cäsar und durch Augustus realisiert. Als politische Einheit gab es das punische Karthago nicht mehr. Doch trotz der Zerstörung überdauerte das kulturelle Erbe, die Sprache, der Glaube und die Bräuche, noch mehrere Jahrhunderte in Afrika und den Gebieten jenseits des Meeres. Eine so mächtige Stadt und ihr Vermächtnis konnten nicht ohne weiteres ausgelöscht werden.
Goldener Brustschmuck des Königs Ip Abi Shermu. Bybios, Libanon, 18. Jahrhundert v. Chr. Form und Ikonographie des Falken an diesem Pektoral reflektieren den starken Einfluss der Vorbilder aus der ägyptischen Kunst. Zedern im Barouk, Libanon. Durch die intensive Abholzung in der Antike steht im Libanongebirge heute nur noch ein Bruchteil der einst ausgedehnten Zedernwälder.
Bronzestatuette eines männlichen Priesters oder einer Gottheit mit Goldauflage. Cádiz, Spanien, 8.– 7. Jahrhundert v. Chr.
Goldene Grabmaske. Aus der Gegend um Sidon, 5.–4. Jahrhundert v. Chr.
Kalksteinsarkophag des Ahiram, König von Byblos. Byblos, Libanon, 1. Hälfte des 12. Jahrhunderts v. Chr. oder später.
Möbelplakette aus Elfenbein mit der Darstellung einer Löwin, die einen Afrikaner angreift. Palast des Assurnassirpal II. in Nimrud, Irak, 8. Jahrhundert v. Chr. Die fein geschnitzte Elfenbeinarbeit zeugt von der kunstvollen Verwendung von Blattgold und Einlagen aus farbigen Steinen (Karnelian) sowie Pasten (Lapislazuli), für die die Phönizier berühmt waren. Gegossene Glasschale aus Praeneste, Etrurien, Italien, 7. Jahrhundert, v. Chr.
Ein Satz Goldschmuck aus Tharros, Sardinien, 7. und 6. Jahrhundert v. Chr. V. I. n. r.: 2 Ohrringe in Form des Ankh; Ohrring mit einem Anhänger in Form einer Bulla; Amulettbehälter; 2 Ohrringe mit einem Horusfalken über einem Korb; unten: Diadem, mit Palmetten dekoriert. Phönizische Armbänder oder Diademe wie dieses wurden aus getriebenen und granulierten Goldblechen oder vergoldeten Silberblechen hergestellt, die mit zylindrischen Scharnieren verbunden waren.
Über einem Stab geformter Anhänger in Form eines bärtigen Kopfes. Karthago, 4.- 3. Jahrhundert v. Chr.
Terrakottamaske eines bärtigen Mannes. Festlandfriedhof von Tyros, Libanon, 7. Jahrhundert v. Chr.
Rotglasierter Keramikkrug mit pilzförmiger Lippe. Zypern, 8. Jahrhundert v. Chr.
Rotglasierte Keramikkanne mit Kleeblattausguss. Amathus, Zypern, 8. Jahrhundert v. Chr.
ANHANG
Überblick über die Städte in der phönizischen Heimat
Tell Dor siehe Besprechung im Text Atlit Atlit liegt etwa 15 km südlich von Haifa an der Küste Nordisraels. Das eine Fläche von etwa 80 ha umfassende Areal der Stadt wird im Norden vom Fluss Oren und im Osten durch einen parallel zu Küste verlaufenden Sandsteinrücken begrenzt und befindet sich im Süden und Osten einer Landzunge, die durch Klippen an der NordWest- und Südseite natürlich befestigt ist. Die phönizische Siedlung der Eisenzeit setzte sich aus einer leicht zu verteidigenden Akropolis und einer Unterstadt mit Hafenanlagen zusammen, die zum Land hin befestigt war. Außerhalb des eigentlichen Wohngebietes wurden zwei Bestattungsplätze gefunden, an der östlichen Nordküste und auf dem Sandsteinrücken jenseits des Südostendes des Siedlungshügels. Die archäologischen Untersuchungen zeigten, dass die im 7. Jahrhundert v. Chr. gegründete Phönizierstadt am Fuße der Akropolis in der Nähe der Hafenbucht im Norden lag. Eine frühere Sied
lung aus dem späten 9. Jahrhundert, die den ursprünglichen Ankerplatz des Ortes bildete, wurde weiter östlich an der Küste in der Nähe der Mündung des Flusses Oren lokalisiert. Unterwasserfunde belegen, dass der Bau des Nordhafens von Atlit wahrscheinlich im späten 7. Jahrhundert v. Chr. begonnen wurde.1 Westlich wurde er von zwei vorgelagerten Inseln geschützt. Mit der Siedlung war er durch eine mit Quadern gepflasterte Rampe, die von der Küste zu einem Stadttor mit zwei Türmen führte, verbunden. Der Hafen bestand in seiner Anlage aus zwei aus Quadern errichteten Molen, die im rechten Winkel zueinander standen und somit einen rechteckigen Hafen mit einer 200 m breiten Einfahrt bildeten. Jede dieser Molen lag wiederum rechtwinklig zu einem Kai aus Quadern, wobei die äußere Mole von der nördlichen der beiden Inseln ausging und die innere vom Stadttor aus parallel zur Nordküste verlief. Beide dienten nicht nur als Wellenbrecher, sondern auch als Anleger zum Be- und Entladen der Handelsschiffe. Die äußere, freistehende Mole, die von der oben genannten Insel ausging, könnte als Warenlager für fremde Schiffe gedient haben.
Tell Abu Hawam Tell Abu Hawam (das antike Aksaph) liegt in der Bucht von Akko am Delta des Kishon. Die ursprünglich direkt an der Küste gelegene antike Siedlung befindet sich nun etwa 1,5 km weit im Inland und umfasst ein Gelände von mindestens 4 ha. In der Antike verfügte die Stadt
gleich über drei Häfen: eine natürliche Bucht im Norden, eine Lagune (zwischen dem Berg Karmel und dem Teil) im Südwesten und die Kishon-Mündung im Osten. Tell Abu Hawam verfügte über zwei benachbarte Bestattungsplätze: eine in den Fels geschlagene Nekropole aus der Perserzeit an den Hängen des Bergs Karmel und ein maritimes Gräberfeld aus der späten Bronzezeit am antiken Küstenverlauf. Nach seiner Zerstörung am Ende der späten Bronzezeit wurde Tell Abu Hawam gegen 1100 v. Chr. wiederbesiedelt. Die früheisenzeitliche Siedlung, in der man bichromatische phönizische Keramik fand, zeichnete sich durch eine neue Orientierung der Bauten sowie das Auftreten von Häusern mit drei Räumen aus. Nach einer Zerstörung wurde die Stadt im frühen 10. Jahrhundert erneut besiedelt. Diese eisenzeitliche Siedlung wies eine dichte urbane Bebauung mit nicht sehr großen, rechteckigen Räumen auf. In dieser Zeit ersetzte die Mündung des Kishon die Lagune als wichtigsten Hafen der Stadt. Nach einer weiteren Zerstörung in der zweiten Hälfte des 8. Jahrhunderts wurde Tell Abu Hawam erst wieder in der Perserzeit als strategische Festung und regionales maritimes Handelszentrum aufgebaut. Im späten 4. Jahrhundert v. Chr. erlebte die Stadt ihre größte urbane Umstrukturierung. Die Akropolis wurde eingeebnet und mit einer Kasemattenmauer und einem Glacis umgeben, während die Unterstadt neu befestigt und nach einem axialen Straßenmuster ausgerichtet wurde.
Akko Die 20 ha große Siedlung Akko befindet sich, etwa 700 m vom Mittelmeer entfernt, am Nordufer des Flusses Na’aman. Die seit der mittleren Bronzezeit blühende befestigte Stadt war während der frühen Eisenzeit wesentlich kleiner. Ab dem 9. und auch im 8. Jahrhundert wurde sie neu befestigt, in den nördlichen und östlichen Bezirken des Tell wurden Wohnquartiere und große öffentliche Bauten errichtet. In der Perserzeit, als die Stadt als Verwaltungszentrum unter den Achämeniden aufblühte, nahm das urbane Wachstum rasch zu und sie dehnte sich entlang der Küste aus. In dieser Zeit wurden mehrere solide konstruierte öffentliche Gebäude auf der Akropolis errichtet, das Fragment einer Schale mit einer phönizischen Inschrift weist auf die Existenz eines Tempels für Asherat hin. Die auf dem Siedlungshügel entdeckten Wohngebiete zeigen Anzeichen einer Stadtplanung. In der Perserzeit und in hellenistischer Zeit zeichnete sich die Bautätigkeit durch die phönizische »Pfeiler- und-Schutt«-Bauweise aus. Im späten 2. und frühen 1. Jahrtausend v. Chr. bildete die Mündung des Na’aman den Hafen der Stadt. Geomorphologische Untersuchungen ergaben, dass Akko auf einer Halbinsel lag, die im Westen von einer Bucht und im Osten von einer Lagune flankiert wurde. Als sich die Siedlung in der Perserzeit nach Westen ausdehnte, verlagerte sich der Hafen in die Bucht im Osten der heutigen Akko-Halbinsel. Ein großer Hafen mit zwei Wellenbrechern wurde gebaut; die ursprüngliche Konstruktion der südlichen, etwa 330m langen Mole kann ins späte 6. oder
frühe 5. Jahrhundert v. Chr. datiert werden. Im Osten befand sich eine künstliche Pier auf einem quaderförmigen Riff, wahrscheinlich aus hellenistischer Zeit. Wie die freistehende Mole in Atlit könnte sie als eine Art Freihafen für fremde Handelsschiffe gedient haben.
Achziv Das antike Achziv (der antike Toponym lebt im Namen des modernen Dorfes ez-Zib weiter) lag an der nordisraelischen Küste zwischen Akko und Tyros. Der Teil, ein doppelter Hügel, liegt auf einem Sandsteinrücken über dem Mittelmeer. Die Mündung des Kesib im Norden sowie ein tiefes Flussbett und eine natürliche Bucht im Süden boten gute Ankerplätze. Auf der anderen Seite der Bucht befindet sich ein geschützter und großer Hafen, Minat et-Zib. Ein auf der Ostseite künstlich in den Fuß des Hügels eingetiefter Graben zwischen dem Fluss Kesib und dem Flussbett im Süden machte die Siedlung zu einer Insel. In der mittleren und späten Bronzezeit war Achziv eine große befestigte Siedlung, die zu Beginn der Eisenzeit in geringerem Maße zeitweilig wiederbesiedelt wurde. Während der Eisenzeit wuchs die wiederbefestigte Stadt schnell und dehnte sich nach Osten jenseits ihrer Wälle aus. Im 8. Jahrhundert v. Chr. erreichte sie mit ca. 8 ha ihre größte Ausdehnung. Ausgrabungen auf der Nordseite des an die östliche Befestigung angrenzenden Hügels brachten eine Reihe öffentlicher Bauten aus der späten Eisenzeit zutage, die offenbar als königliche Lagerräume
dienten. Nach dem Niedergang in der Perserzeit erlebte die Stadt in hellenistischer Zeit ihren Wiederaufbau. Die Ausgrabungen zeigen, dass die eisenzeitliche Siedlung über vier verschiedene Bestattungsplätze verfügte. Die frühesten Bestattungen, darunter mehrere gut ausgestattete Steinkistengräber, die z. T. aus dem 11. Jahrhundert stammten, fand man am Osthang des Siedlungshügels. Ihre sorgfältige Bauweise, das reiche Grabinventar und die privilegierte Lage innerhalb der Siedlung zeichnen sie als die Grabstätten der Stadtelite aus. Die anderen drei Nekropolen lagen außerhalb der Siedlung im Osten, Norden und Süden des Teil. Die erste, eingegraben in den Sandsteinrücken des Siedlungshügels, enthielt Kammergräber aus dem späten 11. bis zum 6 . Jahrhundert v. Chr. Die zweite, südlich der Siedlung gelegene, Nekropole an der Bucht von Achziv enthielt Felsengräber für Körperund Feuerbestattungen aus der mittleren Eisenzeit. Die dritte Nekropole nördlich des Hügels an der Nordseite der Kesib-Mündung bestand aus einem Heiligtum unter freiem Himmel mit einer zentralen Stele oder einem Altar mit Brandbestattungen in Krügen aus der späten Eisenzeit sowie einem angrenzenden Bezirk mit Körperbestattungen aus der Perserzeit.
Tell Keisan: eine landwirtschaftliche phönizische Siedlung im Binnenland Tell Keisan liegt 8 km östlich der Mittelmeerküste im zentralen nördlichen Becken der Akko-Ebene.2 Auf einem markanten, ovalen Hügel von etwa 6 ha Grö
ße überblickt die Stadt eine landwirtschaft lich reiche Ebene. Die Ausgrabungen ergaben, dass Tell Keisan eine wichtige regionale Landwirtschaftssiedlung und wahrscheinlich Akkos wichtigste Kornkammer war. Die umliegende Galiläa-Region war in der Antike bekannt für die Produktion und den Export landwirtschaft licher Produkte, besonders von Olivenöl. In der Eisenzeit könnte Tell Keisan eine tyrische Enklave gewesen sein, jedenfalls fällt die Siedlung in den Kulturkreis dieser Stadt. Tell Keisan war seit dem Neolithikum durchgehend besiedelt, es erreichte seine größte Blüte und Ausdehnung in der frühen und mittleren Bronzezeit. Zu dieser Zeit wurde es mit einem massiven Glacis und einer steinernen Verteidigungsmauer umgeben. Ein Zerstörungshorizont aus dem frühen 12. Jahrhundert lässt vermuten, dass die Stadt bald nach ihrem Niedergang wiederbewohnt wurde. Die Siedlungshorizonte der darauf folgenden frühen Eisenzeit sind außergewöhnlich massiv und stratigraphisch ungestört. Schicht 9, die sich in die zweite Hälfte des 11. Jahrhunderts datieren lässt, weist eine städtebauliche Anlage mit massiven, mehrräumigen Gebäuden mit rechtwinkligem Grundriss auf. Der Stadtplan scheint auf Gruppen rechteckiger Wohneinheiten in einer Standardgröße (6 × 10 m) zu basieren. Nach einer Zerstörung im 11. Jahrhundert wurde die Stadt wiederaufgebaut und durchgehend bis zum 8. Jahrhundert bewohnt, als sie erneut zerstört und zunächst verlassen wurde. Tell Keisan erlebte im 7. Jahrhundert v. Chr. unter dem kulturellen Einfluss der Assyrer eine Renaissance. Die Ausgrabungen legten wenige,
doch schlüssige Beweise für eine neue Stadtanlage mit einem rechteckigen Grundriss frei, der sich nicht mehr den topologischen Gegebenheiten des Plateaus anpasste. Im Anschluss an eine weitere Zerstörung am Ende des 7. Jahrhunderts v. Chr. wurde die Stadt erneut besiedelt und blieb während der Perser- und der hellenistischen Zeit bewohnt. Endgültig aufgegeben wurde der Ort im 2. Jahrhundert v. Chr. Das eisenzeitliche Tell Keisan stellt ein eindrucksvolles Beispiel einer »protourbanen« landwirtschaft lichen Gemeinde ohne Stadtmauer dar. Die Siedlung konzentrierte sich auf den Rand des Hügels, wo die frühesten und solidesten Wohnbauten gefunden wurden. Die Fronten sind senkrecht zum Abhang errichtet und bilden eine ausgezeichnete Verteidigungsmauer. In der gesamten mittleren Eisenzeit wurden die Wohnbauten nach einem klar strukturierten Plan in einzelnen Blöcken am Hang des Hügels errichtet. Die Ausgräber bemerkten, das die eisenzeitliche Stadt nicht dicht bebaut war, es befanden sich deutliche Lücken zwischen den Häusern, in deren Verfüllung u. a. organisches Material und Tierdung gefunden wurde, was vermuten lässt, dass sie auch zur Tierhaltung genutzt wurden. Die Siedlung von Tell Keisan weist in Anlage und Konstruktion bemerkenswerte Kontinuität auf, wobei Häuser über früheren Strukturen errichtet und bestehende Fundamente häufig wiederverwendet wurden. Die ausgegrabenen Wohnviertel stoßen im Süden abrupt an ein großes offenenes Gelände von etwa 500 m2 Größe. Dieser Sektor, in dem sich kein Zeichen einer dauerhaften Bebauung fand, diente offenbar
als gemeinsamer Bereich für private, landwirtschaft liche und industrielle Aktivitäten (z. B. Textilherstellung). Der östliche Gipfel des Hügels bildete das Verwaltungszentrum und beherbergte wahrscheinlich auch ein lokales Heiligtum oder einen Schrein. Der Hauptzugang verlief über den Norden und Südwesten, wo Senken die Lage von Zugangsrampen markieren.
Tyros: eine Fallstudie der urbanen Topographie einer phönizischen Metropole Das moderne Tyros liegt auf einer Halbinsel vor der Küste des südlichen Libanon etwa in der Mitte zwischen den Hafenstädten Akko und Sidon.3 Die äußere Umgebung bietet heute ein völlig anderes Bild als in der Antike. Die Landspitze, auf der Tyros heute liegt, ist das Ergebnis sukzessiver Sedimentablagerungen an einer Mole, die 332 v. Chr. von Alexander dem Großen errichtet wurde. In der Antike war Tyros eine Inselstadt, die auf zwei benachbarten Riffen errichtet wurde. Der antike Name Sor (phönizisch »Fels«) weist auf die geologischen Ursprünge hin. Eine 1974 von Patricia Bikai vorgenommene tiefgehende Untersuchung zeigte, dass Tyros erstmals in der frühen Bronzezeit bzw. im frühen 3. Jahrtausend v. Chr. besiedelt wurde. Dieses Datum untermauert eine antike tyrische Überlieferung, die besagt, dass die Stadt um 2750 v. Chr. gegründet wurde (Hdt. 2.44). Nach dieser ersten Siedlung, die vielleicht 500 Jahre oder länger bestand, wurde die Stadt offensichtlich aufgegeben. Eine
dicke Schicht reinen Sandes über dem Horizont der frühen Bronzezeit (insgesamt bis zu über 1 m) kennzeichnet eine lange Unterbrechung in der Besiedelung (während der mittleren Bronzezeit 2000–1600 v. Chr.). Wie die Ausgrabungen von Patricia Bikai ergaben, war die Wiederentdeckung von Tyros zu Beginn der späten Bronzezeit bzw. im 16. Jahrhundert v. Chr., wie eine längere Phase sporadischer Besuche an diesem Ort zeigt, eigentlich zufällig. Den archäologischen Funden nach reichen die Wurzeln einer dauerhaften Besiedlung der Insel nicht vor das Ende des 15. Jahrhunderts v. Chr. zurück. In der Mitte des 14. Jahrhunderts folgte dann schließlich eine umfassende Stadtentwicklung. Aufgrund moderner topographischer Untersuchungen kann man sich ein Bild von der Größe und dem urbanen Erscheinungsbild der frühen Stadt machen. Spuren von Grundgestein am Westrand von Tyros und im davor liegenden Meeresgrund zeigen, dass die Hauptinsel, auf der die Stadt gegründet wurde, ein langes, schmales Riff von etwa 500 m Länge war. Über die genaue Lage der zweiten, ursprünglich benachbarten, kleineren Insel lassen sich nur Vermutungen anstellen, wahrscheinlich schloss sie direkt nördlich oder östlich der Hauptinsel an. Kern des spätbronze- und eisenzeitlichen Tyros war sicher der Hang der alten Akropolis der Stadt, den man westlich der Kreuzfahrerburg als erhöhtes Gelände erkennt. Der urbane Charakter und die Topographie des antiken Tyros veränderten sich im 10. Jahrhundert v. Chr. durch die Expansionsbemühungen König Hirams I. (969–
936 v. Chr.) sehr stark. Er ebnete den Ostteil der Siedlung durch künstliche Aufschüttungen ein und verband die Hauptstadt durch einen Damm mit der Nachbarinsel (Jos. C.Ap. 1.113). Funde und antike Quellen sind bezüglich des urbanen Charakters der eisenzeitlichen Stadt uneins: Die Stadt war möglicherweise dichter bevölkert als jede andere Phönizierstadt, mit Ausnahme von Arwad. Augenzeugen berichten von mehrgeschossigen Gebäuden in der Stadt (Strabon 16.2.23). Im späten 4. Jahrhundert v. Chr. könnte die Bevölkerungszahl 40 000 erreicht haben, wenn man Arrians Zeugnis von den Zahlen der bei der Belagerung Alexanders gefallenen Soldaten und der in die Sklaverei verkauften Einwohner Glauben schenkt. Wahrscheinlich wurde die Einwohnerzahl damals durch den Zustrom von Flüchtlingen und Soldaten vom Festland verstärkt. Eine Untersuchung der früheisenzeitlichen Horizonte lässt vermuten, dass die Inselstadt während ihrer eisenzeitlichen Blütezeit wesentlich kleiner war als die heutige Stadt und insgesamt nicht mehr als 16 ha maß. Über die Lage der wichtigsten architektonischen Merkmale der Stadt kann man einige vorsichtige Vermutungen anstellen. Die Tempel für Melkart und Astarte lagen im Südwestsektor der Stadt auf der antiken Akropolis. Nach Herodot (2.44) besaß die Stadt einen zweiten Tempel für Herakles, der für seine Doppelsäulen aus Smaragd und Gold berühmt war. Dieser Tempel könnte mit dem Inselheiligtum von Baal Schamem identisch sein, das Hiram durch den Damm mit der Stadt verband. Unter den Wahrzeichen der Stadt ragte der Komplex des Königspalastes mit der königlichen Residenz, den Ar
chiven und Schatzhäusern hervor. Arrian zufolge (2.23.6) war auch er zweifellos im Südwestviertel der Stadt, an den Hängen der Akropolis mit Blick übers Meer angesiedelt. Die wichtigsten Wohnviertel befanden sich wohl in den höher gelegenen Gebieten der Stadt, während die Geschäfts- und Handwerkerviertel eher im Nordosten zu suchen sein dürften, in der Nähe des Haupthafens und des Marktplatzes, dem so genannten eurychoros, dem »Breiten Platz«. Hirams Bemühungen, diesen Marktplatz zu verbreitern, kann als integraler Bestandteil seines allgemeinen auf den Ostsektor der Stadt konzentrierten Expansionsprojekts angesehen werden. Abseits der Wohnhäuser der Elite waren hier die großen Gewerbebetriebe – die Fischereibetriebe, Metallgießereien und Purpurfarbmanufakturen – angesiedelt. Die Ausgrabungen bestätigen, dass verschiedene Zweige der Heimindustrie (Töpfereien, Webereien und Färbereien sowie die Fertigung von Fayenceschmuck) über die ganze Stadt verteilt waren. Angesichts der langen Stadtgeschichte von Tyros ist es schwer vorstellbar, dass es abgesehen von den neu erschlossenen Gebieten an der Peripherie der Stadt viele Möglichkeiten für eine zentralisierte Stadtplanung gab. Die vorliegenden Beweise lassen einen eher unternehmerischen Ansatz vermuten, der sich durch die improvisierte Verwendung und Wiederverwendung der verfügbaren Materialien auszeichnete. Die Mitte des 9. Jahrhunderts war eine besonders aktive Zeit. Die Untersuchungen von Patricia Bikai ermittelten für diese Zeit neun verschiedene Baustufen, die die ständigen Bemühungen um Umbauten, Einebnungen und Terrassierungen unterstreichen.
Ausgrabungen auf dem Brandgräberfeld von Tyros, Libanon, 1997.
Von dieser Zeit an wurde weitgehend die »Pfeiler-undSchutt«-Technik verwendet, große Gebäude hatten kunstvoll gesetzte Mauern aus nur geringfügig bearbeiteten Steinblöcken. Wie zu erwarten, war der Zugang innerhalb einer so dichten städtischen Umgebung sehr schwierig, da die Verbindungsstraßen nur aus langen schmalen Wegen oder Gängen bestanden. Das Bild, das sich ergibt,
ist das eines dicht gedrängten urbanen Amalgams. Die assyrischen Reliefs zeigen, dass Tyros von einer mehrgeschossigen Mauer umgeben war, die durch Torbögen und in regelmäßigen Abständen gesetzte Türme gegliedert war. Die Stadt scheint auf der verwundbareren Ostseite zum Land hin besonders stark befestigt gewesen zu sein. Diese Mauer hatte Arrian zufolge (2.21.4) im 4. Jahrhundert eine Höhe von 45 m erreicht. Bei der sorgfältigen Analyse des urbanen Tyros muss man die Beziehung der Stadt zum gegenüber liegenden Festland, von dem es bezüglich der natürlichen Ressourcen, wie vor allem Wasser und Brennstoffe, abhing, berücksichtigen. Das Territorium auf dem Festland umfasste einen schmalen Küstenstreifen vom Fluss Litani im Norden bis zur Landspitze Ras en-Naqura (die sog. »Waage von Tyros«) im Süden. Mittelpunkt des Festlandterritoriums von Tyros war Ushu, das bis zum 6. Jahrhundert v. Chr. dessen wichtigste Vasallenstadt war. In den antiken Quellen wird Ushu Palaetyrus (»altes Tyros«) genannt. Es diente nicht nur als wichtigste Versorgungslinie für Rohstoffe aus der Umgebung, sondern auch als Basis für die Erweiterung der Stadt nach Süden in die Akko-Ebene und ins nördliche Galiläa. Wie die Amarna-Briefe zeigen, war Ushu bis zur frühen Eisenzeit Tyros’ wichtigster Trinkwasserlieferant. Von hier aus wurde das Wasser per Schiff zur Inselstadt gebracht.4 Später ermöglichten es kalkverputzte Zisternen, das Regenwasser auf der Insel selbst aufzufangen und zu speichern. Pseudo-Skylax zufolge verlief ein Wasserlauf durch Ushu, bei dem es sich vielleicht um den Ras el-’Ai’n handelte, des
sen Wasser Tyros in römischer Zeit über ein Aquädukt versorgte. Die genaue Lage von Ushu ist nicht bekannt. Gemeinhin wird es bei Tell Rachidiyeh vermutet, einem kleinen, unausgegrabenen Hügel vier Kilometer südlich von Tyros an der Quelle des Ras el-’Ai’n. Es kommt jedoch auch der wesentlich größere Siedlungshügel von Tell el-Mashouk auf dem Festland direkt östlich von Tyros in Betracht. Die verschiedenen Bestattungsplätze auf dem Festland geben einen Einblick in die Größe der tyrischen Siedlungen im Inland. Dazu gehören die in den Fels gehauene Nekropole bei Tell Rachidiyeh sowie die Gräberfelder bei Joya, in den Hügeln östlich von Tyros und Qasmieh auf der anderen Seite des Flusses Litani. Neuere Ausgrabungen zeigten, dass der wichtigste Bestattungsplatz von Tyros, eine große Nekropole aus dem 10. bis 7. Jahrhundert, vor den Mauern der Stadt an der Küste gegenüber der Insel, neben dem späteren römischen und byzantinischen Gräberfeld lag. Die königlichen Gräber wurden noch nicht gefunden, wie in Byblos könnten sie sich auch hier auf der Akropolis befunden haben. Tyros’ zwei Häfen – einer im Norden und einer im Süden – wurden von antiken Autoren wie Plinius (N.H. 5.76) beschrieben. Er bemerkt, dass sie durch einen Kanal miteinander verbunden waren, der die Stadt durchschnitt.5 Beim Nordhafen (der in der Antike der »sidonische« genannt wurde), handelte es sich um eine natürliche Bucht, die durch die Stadt selbst vor den vorherrschenden Winden geschützt wurde und deren Einfahrt durch eine Reihe von Riffen vor der Küste gesichert wurde. Sie fungierte als geschlossener Hafen innerhalb der Stadtmauern. Der
Südhafen von Tyros, der »ägyptische«, war ein künstlich angelegter Hafen, der von zwei großen Wellenbrechern vor der Küste geschützt wurde. Die Chronologie und Anlage der zwei Häfen von Tyros wurden viel diskutiert. Der nördliche (»sidonische«) Hafen war der ältere und zu Hirams Zeit der einzige Hafen. Der südliche (»ägyptische«) wurde später gebaut. Seine Anlage wird meist König Ittobaal I. (887–856 v. Chr.) zugeschrieben. Mit Ausnahme der beiden Wellenbrecher stammt der »ägyptische« Hafen in seiner heutigen Anlage aus der römischen Zeit. Stratigraphisch liegt das Südwestviertel des heutigen Tyros über aufeinander folgenden Verfüllungsschichten hauptsächlich aus der hellenistischen und römischen Zeit, was vermuten lässt, dass sich die eisenzeitlichen Hafenanlagen, die aus den inneren Riffen der Insel gebildet wurden, wesentlich weiter im Inland befinden.6
Sarepta: Porträt einer phönizischen Industriestadt Die antike Küstenstadt Sarepta (das heutige Sarafand) befindet sich zwischen Tyros und Sidon an der südlichen Küste Phöniziens.7 Die Siedlung ist auf einem flachen Hügel auf der Landspitze von Ras el-Qantara über einer breiten Bucht mit einem geschützten Ankerplatz gelegen. Sarepta wurde 1969–74 durch die Universität von Pennsylvania ausgegraben und stellt die erste umfassende Ausgrabung einer eisenzeitlichen phönizischen Siedlung auf dem Festland dar. Untersuchungen in zwei
Gebieten des Tell (X und Y) brachten eine durchgehende Folge von Siedlungshorizonten zutage, die von der späten Bronzezeit, in der die Stadt gegründet wurde, bis in die Zeit des Hellenismus reichen. Die Sondierung Y wurde auf dem höchsten Punkt des Hügels durchgeführt. Das Hauptwohngebiet mit einer ununterbrochenen Folge von 11 Horizonten wies Komplexe von Häusern mit Höfen mit Brenn- und Backöfen auf. Eine dieser Schichten, Stratum D (1025–800 v. Chr.) fällt durch einen neuen Stadtgrundriss und ein neues Repertoire von Keramikstilen (rot glasiert) und -formen (Spitzamphore) auf. Sondierung X konnte ein großes Handwerkerviertel in der Nähe des Hafens am nördlichen Rand der Siedlung nachweisen. In den meisten Werkstätten dieses Viertels wurde Keramik hergestellt. Unter den Funden befanden sich 22 gemauerte Brennöfen sowie Schlickergruben und Behälter zum Schlämmen und Lagern von Ton. Andere Produktionszweige waren Purpurfarbstoffund Schmuckherstellung sowie Olivenölverarbeitung. In Sondierung X fand man einen aus Quadern errichteten Schrein für die Göttin Tanit-Astarte aus dem 8. Jahrhundert mit Bänken, einem Opfertisch und einer zentralen Kultsäule. Die antike Siedlung wurde nördlich und südlich von je einem kleinen Hafen flankiert. Ausgrabungen im südwestlichen Hafen von Ras esh-Shiq deckten einen steinernen Kai aus dem 1. Jahrhundert n. Chr. auf. Bislang liegt jedoch kein.Beweis für die Nutzung eines der beiden Häfen in vorrömischer Zeit vor.
Sidon: eine phönizische Hafenstadt und seine Umgebung Die Hafenstadt Sidon (punisch Sdn), 35 km nördlich von Tyros, liegt auf einem kleinen Landvorsprung, begrenzt von einer an die Küste gedrängten Klippenreih. Die Siedlung ist auf einem ovalen Hügel von etwa 58 ha Größe zwischen zwei kleinen Flüssen gelegen, dem El Kamlé im Norden und dem El Barghout im Süden. Die Stadt besitzt zwei Naturhäfen: eine runde Bucht im Süden und einen geschlossenen Hafen im Norden. Wie in Tyros behinderte auch hier die moderne Bebauung die archäologischen Untersuchungen. In letzter Zeit wurden jedoch unter der Schirmherrschaft des Directorate General of Antiquities im libanesischen Kultusministerium Ausgrabungen in der Altstadt durchgeführt. Die 1998 durchgeführten Arbeiten in der Gegend unmittelbar nördlich und östlich des St. Louis Kastells (beim früheren amerikanischen presbyterianischen Missionskolleg und dem Ort »Sandikli«) erbrachten den stratigraphischen Nachweis für die Besiedlung der Stadt in der frühen Bronzezeit. Zusätzlich wurden einige geologische Bodenuntersuchungen durchgeführt, um die antike Ausdehnung des Hafens der Stadt festzustellen.8 Aus den vorliegenden Hinweisen lässt sich die allgemeine topographische Anlage der Stadt und ihrer Vororte rekonstruieren. Sidons ovaler Tell ist durch eine Vertiefung der Länge nach in zwei unterschiedliche Bezirke geteilt: ein niedriges, flaches Gelände im Osten und eine erhöhte Küstenregion im Westen. In Letzterer war die Oberstadt mit den Wohnhäusern der Elite und den Ver
Luftbildaufnahme von Sidon.
waltungsvierteln angesiedelt. Wahrscheinlich stand auf dem Gipfel des Hügels, wo nun die Kreuzfahrerburg von St. Louis steht, eine Palastresidenz oder eine Festung. Im Süden der Akropolis, am Ufer der runden Bucht, markiert eine 40 m hohe Halde weggeworfener Schneckenschalen die Lage eines großen Purpurfarbstoffbetriebes. Die ganze südliche Bucht, die als Hafen ungeeignet war, stellte vielleicht einen Lande- und Ladeplatz
für kleine Fischerboote dar, die an der Beschaffung der Murex-Schnecken beteiligt waren. Poidebards Untersuchungen zeigten, dass sich Sidons Haupthafen unmittelbar nördlich der Stadt befand.9 Von einer vorgelagerten Felseninsel und einer Kette von kleinen Inseln und Riffen im Nordosten vor den vorherrschenden Winden geschützt, war dieser Naturhafen der »geschlossene Hafen« der Stadt, der in der Mitte des 4. Jhs v. Chr. von PseudoSkylax genannt wird. Am Nordrand der Stadt, die sich östlich an der Mündung des El Kamlé erstreckte, standen die Kais und Handelskontore. Neuere archäologische und topographische Untersuchungen führten zu einem besseren Verständnis von »Groß-Sidon« und den umliegenden Vororten. Das Hauptterritorium des Stadtstaates lag (weit definiert) in einer schmalen, gut bewässerten und landwirtschaft lich nutzbaren Ebene von 16 km Länge zwischen Ras Sarafand, der Landspitze nördlich von Sarepta, und Ras-al-Jajunieh. Zusätzlich zu seinen Küstenbesitztümern besaß Sidon auch Ländereien im Inland. Sein Hinterland erstreckte sich über die östlichen Ausläufer des Libanongebirges bis in die reiche und landwirtschaft lich fruchtbare Bekaa-Ebene. Durch diese führte auch der lebenswichtige Handelszugang nach Syrien und in die Länder jenseits des Jordan. Ein Tonprisma des assyrischen Königs Sanherib (704– 681 v. Chr.) mit einer Inschrift listet sieben Vasallenstädte auf (darunter auch Sarepta), die unter Sidons Herrschaft standen.10 Die Inschrift spricht von Sidons ummauerten Festungsstädten, die Vorräte für die staatlichen Garni
sonen lagerten. An zwei Orten wäre solch ein Verteidigungsposten denkbar. Der erste ist der Hügel Mer Elias an der Südostflanke der Außenbezirke von Sidon. Auch auf dem Hügel Brak-et-Tell an der Küste, 10 km südlich von Sidon, könnte eine Festung gestanden haben, die die Südgrenze der Stadt schützte. Archäologische Forschungen des letzten Jahrhunderts ergaben wichtige Daten zur Verteilung der Bestattungsplätze in den sidonischen Außenbezirken. Besondere Beachtung verdient dabei die Nekropole von Dakerman, ein großes Gräberfeld südlich der Stadt. Bei Ausgrabungen des Libanesischen Amtes für Altertümer wurden mehrere Hundert Gräber verschiedener Art aus dem 14. Jahrhundert bis in die frühe Römerzeit gefunden. Sidons königliche Nekropole der Perserzeit und der Zeit des Hellenismus (Mogheret Ablun und Aya) liegen an einer Hügelkette, die sich östlich und südöstlich der Stadt erstreckt. Die Ausgrabungen dokumentieren die Existenz weiterer Bestattungsareale der Stadt und ihrer Umgebung, wozu auch zwei Nekropolen der mittleren Eisenzeit südöstlich von Sidon in Tambourit und Aïn el-Helwé gehören. Eine größere Anzahl bronzezeitlicher Gräberfelder wurde weiter im Binnenland an den nördlichen und östlichen Gebirgsausläufern gefunden. Das wichtigste Heiligtum der sidonischen Vorstädte war der Tempelbezirk von Eschmun im Norden der Stadt an den Südhängen des Nahr-el-Awali-Tales. Er wurde im 6. Jahrhundert auf mehreren Terrassenstufen angelegt und in der Achämenidenzeit vergrößert. Von den übrigen Schreinen und Heiligtümern der sidonischen Vorstädte sind einige heilige
Grotten (beliebte religiöse Stätten der Phönizier) südöstlich der Stadt hervorzuheben.11
Beirut: eine neu ausgegrabene phönizische Hafenstadt Der antike Hafen von Beirut (punisch B’rt, griechisch Berytos) wird in der Mitte der libanesischen Küste auf einem felsigen Vorsprung mit einem geschützten Anlegeplatz lokalisiert. Lange nur aus vereinzelten antiken Texthinweisen bekannt, wurde die antike Stadt mittlerweile durch archäologische Untersuchungen im Zusammenhang mit dem Neubau der durch den Krieg zerstörten Unterstadt von Beirut entdeckt. Die Ausgrabungen setzten 1993 unter der Schirmherrschaft des Libanesischen Amtes für Altertümer ein und brachten bisher zahlreiche Viertel der vorrömischen Stadt zum Vorschein, darunter den Siedlungshügel und einen angrenzenden Wohnbezirk aus der Perserzeit. Die ursprüngliche Siedlung lag auf einem elliptischen Tell von etwa 2 ha Größe mit Seitenlängen von 240 × 120 m. Ihr Kern, die antike Akropolis, wurde beim Bau der mittelalterlichen Kreuzritterburg, deren Fundamente bis auf den anstehenden Fels reichen, vollständig zerstört. Ausgrabungen im Umfeld der Burg zeigten eine bis in die mittlere Bronzezeit zurückreichende Besiedlungsfolge. Damals wurde der Ort befestigt und mit einem monumentalen Tor versehen. Die Verteidigungsanlagen der Stadt wurden bis in die späte Bronzezeit II genutzt. Beiruts aktive Handelsbeziehungen in dieser Zeit werden
durch die Funde unterschiedlicher importierter Keramik (aus Zypern und Mykene) in einer Felsenkammer aus der späten Bronzezeit IIIA belegt. Etwas vor dem 10. Jh. erhielt die Stadt eine neue massive Befestigungsmauer und einen Glacis, der bis in die mittlere Eisenzeit genutzt wurde. Dieses Verteidigungssystem wurde in der zweiten Hälfte des 8. Jhs. schließlich zerstört und aufgegeben (und offenbar als Abfallhalde genutzt). Das letzte Stratum zeichnet sich durch das erste Auftreten phönizischer rot engobierter Ware aus. Etwa in der Mitte des 7. Jhs. wurde die Siedlung mit einer Kasemattenmauer umgeben. In einem angrenzenden Kontor lagerten größere Mengen phönizischer Vorratsgefäße und lokaler rot engobierter sowie importierter zypriotischer und attischer Amphoren. Während der persischen Besetzungszeit wurde eine sechste und letzte Befestigungsmauer errichtet. In dieser Zeit dehnte sich die Siedlung weit über den Tell hinaus aus. Im Westen, der Gegend um das moderne Souk, brachten Ausgrabungen die Reste eines nach einem orthogonalen Plan angelegten Wohnbezirks mit gut erhaltenen Wohnhäusern in »Pfeiler-und-Schutt«-Technik zutage. Im unmittelbar nördlich davon gelegenen Gebiet wurden große Mengen an Purpurschneckenschalen und einige Becken gefunden, die möglicherweise die Purpurherstellung belegen. Die Nähe dieser beiden Gebiete zum antiken Hafen unterstreicht ihren kommerziellen Charakter. Die Ausgrabungen verdeutlichen, dass Beirut ab dem 3. Jh. v. Chr. unter den Seleukiden große städtebauliche Veränderungen durchmachte.12
Byblos: urbane Rekonstruktion einer phönizischen Küstenhandelsstadt Der Hafen von Byblos (das antike Gūbla) liegt am Fuße des Libanongebirges 37 km nördlich von Beirut.13 Mit seiner Lage auf einer Landzunge mit einer zentralen Quelle sowie zwei angrenzenden Häfen hatte die Stadt Zugang zu den örtlichen Kupfervorkommen und überreichen Zedernhainen an den nahe gelegenen Hängen des Libanongebirges. Die Hauptsiedlung lag auf einer kreisförmigen Anhöhe von etwa 3 ha Größe. Das frühbronzezeitliche Byblos war mit seiner einheitlich geplanten Stadtanlage, dem massiven Steinwall und den zwei Toren eine wichtige Küstenhandelsstadt. Neuere Studien zeigten, dass sich die Stadtplanung um eine Felsenquelle in einer Senke in der Mitte der Landzunge zentrierte. Mit der Errichtung zweier monumentaler Heiligtümer fungierte der nördliche Teil des Hügels ab dem 3. Jahrtausend v. Chr. als heiliger Bezirk. Dabei handelte es sich um einen Tempel für Baalat Gūbla und einen I-förmigen Tempel für eine bislang nicht identifizierte männliche Gottheit. Letzterer wurde irgendwann abgebaut und seine Fundamente beim Bau eines Heiligtums (den so genannten »Obeliskentempel«) für den Gott Reschef wiederverwendet. Das Heiligtum für Baalat Gūbla und der Obeliskentempel blieben mit Veränderungen bis in hellenistische Zeit bestehen. Zwischen den beiden Weltkriegen wurden bei französischen Ausgrabungen im südlichen Teil der Halbinsel die Reste eines Wohnbezirks aus der mittleren Bronzezeit entdeckt, der aus etwa 100 in vier Komplexen dicht an dicht gebauten Häusern
mit zwei bis vier Räumen bestand. Die beschränkten Wohnmöglichkeiten in diesem Viertel (kürzlich auf ein Maximum von 2000 Bewohner geschätzt) warfen Fragen nach seiner Nutzung auf. Handelte es sich bei diesem Gebiet um das zentrale Wohnviertel der Stadt in der mittleren Bronzezeit wie ursprünglich angenommen, oder diente es einer spezielleren Funktion, wie z. B. der Unterbringung des Tempelpersonals der Stadt? Wenn die letzte Vermutung zutrifft, müsste der Großteil der Bevölkerung im frühen 2. Jahrtausend an anderer Stelle gewohnt haben. Die Reste einer Treppe von der Nordwestecke der Akropolis zum Nordhafen geben möglicherweise einen Hinweis auf die Lage der Wohnviertel der Stadt. An ihrem obersten Punkt auf dem Hügel (wo der Königspalast lag) verläuft der nördliche Wall in einem markanten rechten Winkel. Dieser Vorsprung markiert möglicherweise die Lage eines Tores, das von der Akropolis Zugang zu dem darunter gelegenen Gelände in Hafennähe gewährte. Das urbane Zentrum von Byblos muss seit der mittleren Bronzezeit in den umliegenden Ebenen nördlich und östlich der befestigten Landzunge gelegen haben. Die Größe der eisenzeitlichen Phönizierstadt Byblos bleibt vollständig unbekannt. Keine der Nekropolen aus dieser Zeit ist bislang gefunden worden. Vereinzelte Hinweise deuten auf eine Stadtentwicklung in den Ebenen östlich der Akropolis hin. In der Gegend des Südtores der Landzunge, dem Hauptzugang zur umliegenden Küstenebene wurden die östlichen Verteidigungsanlagen der Stadt ab dem 9. Jh. weiter verstärkt. Die Bautätigkeit er
reichte ihren Höhepunkt in der Perserzeit, als die Stadt in der Rolle eines regionalen Verwaltungs- und Verteidigungszentrums unter den Achämeniden wirtschaftlich aufblühte. Zu dieser Zeit wurden eine monumentale Plattform und ein Gebäude mit Säulen (die Empfangshalle eines persischen Statthalters) im Nordostteil der Stadtmauer errichtet. Die beiden Hafeneinrichtungen der Stadt, die Zwillingsbuchten nördlich der Akropolis, waren sehr klein (der nördliche Hafen, der auch im Mittelalter genutzt wurde, war nur 130 × 80 m groß) und somit für große Schiffe nicht geeignet. Kürzlich wurde vermutet, dass eine größere Bucht und eine Flussmündung südlich der Akropolis der Stadt als Hafen dienten.14 Die Lage einer solchen südlichen Hafenanlage könnte die rasche Ausdehnung der Stadt an der östlichen Küstenebene erklären. Wenn diese Rekonstruktion richtig ist, würde die Topographie von Byblos der einer typischen phönizischen Hafenstadt entsprechen: sie lag auf einer Landspitze mit zwei Häfen, einem im Norden und einem im Süden. Weitere archäologische und geomorphologische Untersuchungen sind notwendig, um diese Hypothese zu unterstützen.
Tripolis: eine Konföderation der späten Eisenzeit Tripolis (griech. die »Dreifache Stadt«) liegt 97 km nördlich von Beirut am westlichen Ende einer Halbinsel zwischen den Flüssen Abu ’Ali und el-Bahsas.15 Den klassischen Quellen nach zu urteilen (Diod. 16.41; Skylax 104) gehörte Tripolis zu einer Konföderation dreier Städ
te, die in der Perserzeit von Arwad, Tyros und Sidon gegründet wurde. In dieser Zeit diente Tripolis als Hauptquartier für einen panphönizischen Rat. Der Hafen von Tripolis ist mit Sicherheit mit der modernen Hafenstadt Al-Mina identisch, über deren Befestigungen antike Quellen berichten. Ausgrabungen an der Kreuzfahrerburg südöstlich der Stadtmauern belegten eine Besiedlung in der späten Bronze- und der Perserzeit. Die Lokalisierung der anderen beiden Städte der Konföderation ist weniger eindeutig, wahrscheinlich lagen sie auf den Hügeln von Abu Samra und Al-Qubba, gut zu verteidigenden Orten zu beiden Seiten des Abu ’Ali-Flusses etwa 4 km südöstlich von Al-Mina. Wie dieses weist auch Abu Samra eine nicht durchgängige Besiedlung zwischen der späten Bronzezeit und der Perserzeit auf. Das lässt vermuten, dass sich die antike Stadt zweier verschiedener Epochen urbaner Aktivität erfreute, wie auch aus den antiken Texten hervorgeht.16
Tell Ardé Tell Ardé (das antike Ardata), ein ovaler Siedlungshügel von etwa 14 ha Größe liegt 10 km südöstlich von Tripolis am Ostrand der Akkar-Ebene.17 Alte ägyptische Texte belegen Ardatas Bedeutung in der Mitte des 2. Jahrtausends (15. und 14. Jahrhundert v. Chr.). Da die Stadt in den historischen Texten aus dem 1. Jahrtausend erwähnt wird, ist jedoch zu vermuten, dass sie in der Eisenzeit eine weniger wichtige Rolle spielte. Die eingeschränkten Ausgrabungen auf dem Hügel weisen eine
durchgehende Besiedlungsfolge vom Neolithikum bis zur Gegenwart nach.
Ullasa Das antike Ullasa kann man als die phönizische Küstenstadt Ard Artusi nördlich von Tripolis identifizieren. Das an der Mündung des Nähr el-Barid liegende Ullasa war in der späten Bronzezeit ein strategisch wichtiger Hafen. Im 15. Jh. v. Chr. nutzte es der ägyptische Pharao Thutmosis III. als ägyptischen Marine- und Handelshafen. Nach einer einzigen Erwähnung in den Amarna-Briefen aus dem 13. Jh. verschwindet der Ort aus der Geschichtsschreibung, bis er in der Seleukidenzeit (1. Jh. v. Chr.) unter dem Namen Orthosia wieder auftaucht.
Tell Arqa Tell Arqa (das antike Irqata) befindet sich am Rande der Akkar-Ebene südlich des Nähr el-Kebir.18 Die 12 km vom Mittelmeer entfernte Stadt liegt auf einem imposanten Hügel mit einer Größe von etwa 12 ha. Die historischen und archäologischen Belege zeigen, dass Tell Arqa in der ersten Hälfte des 2. Jahrtausends v. Chr. eine reiche Stadt war. Nach seiner Zerstörung Mitte des 15. Jhs. v. Chr. (die einem der Syrienfeldzüge von Thutmosis III. zugeschrieben werden kann), wurden Teile der Siedlung für längere Zeit aufgegeben. Bei den Ausgrabungen kamen nur spärliche Hinweise auf eine Besiedlung bis ins 9. Jh. v. Chr. zum Vorschein.
Erst in der mittleren Eisenzeit (spätes 9. bis frühes 7. Jh. v. Chr.) war Tell Arqa wieder in größerem Maße bewohnt, und die Siedlung erstreckte sich nun nach Norden in die umliegenden Ebenen. Am Rande des Tell war eine Nekropole mit Brandbestattungen angesiedelt.
Sheikh Zenad Sheikh Zenad befindet sich nordwestlich von Tell Arqa etwa 4 km südlich der Nähr el-Kebir-Mündung. Der noch nicht ausgegrabene Ort liegt auf einem niedrigen, aber weiten Hügel am linken Ufer des Nahr-el-Khoreibi. An seinem Fuß befinden sich Hafenanlagen, die man anhand der gefundenen Keramik in die Eisenzeit datieren kann.
Tell Kazel Tell Kazel liegt in der nördlichen Akkar-Ebene am rechten Ufer des Nähr el-Abrash, 3,5 km von der syrischen Küste entfernt. Auf einem ovalen Tell gelegen, ist es bei einer Größe von 11 ha die größte Siedlung im EleutherosTal. Nach Ansicht der Forschung handelt es sich hierbei um das antike Simyra, die befestigte Hauptstadt von Amurru aus der späten Bronzezeit, die in den AmarnaBriefen und den späteren assyrischen Texten eine so herausragende Rolle spielt. Seit 1985 lieferten Ausgrabungen am Tell Kazel wertvolle neue Informationen über die Siedlungsgeschichte seit ihren Ursprüngen in der mittleren Bronzezeit. Große
architektonische Überreste wie ein Palastkomplex und ein Tempel vom Ende der späten Bronzezeit unterstreichen Tell Kazels Bedeutung in der Amarna-Zeit. Der auf dem Westplateau des Teils gelegene Tempel weist eine beträchtliche Menge Importkeramik aus Zypern und anderen Gebieten am Mittelmeer auf sowie eine Auswahl an Siegeln, Amuletten und glasierter Ware, die die ausgeprägten kulturellen Verbindungen mit Ugarit betonen. Aus der frühen Eisenzeit liegen nur wenige Hinweise auf die Besiedlung der Stadt vor. Die Siedlung der mittleren Eisenzeit, die im 9. Jh. blühte, fand irgendwann im 8. Jh. ein jähes Ende, eine Brandschicht (und darauf folgende Zerstörungen der Architektur) wurden mit einem bislang nicht identifizierten Einfall der Assyrer in Verbindung gebracht. Die eisenzeitliche Geschichte von Tell Kazel spiegelt sich am besten in der Besiedlung während der Perserzeit wider. Aus dieser Zeit stammen zwei große steinerne Gebäude, die im Akropolisbereich (Areal 1) ausgegraben wurden. Es handelt sich hier um ein dreiteiliges »Lagerhaus« in »Pfeiler-und-Schutt«-Konstruktion und eine Verteidigungsanlage aus monumentalen Quaderblöcken. Die Entdeckung eines großen Bestattungsplatzes an der nordöstlichen Terrasse des Ortes belegt die durchgängige Besiedlung während der Zeit der hellenistischen Zeit.19
Arwad: ein nordphönizischer Handelsort und seine Besitztümer Das antike Arwad (punisch ’rwd [»Zuflucht«]; grie
chisch Arados) liegt auf einer etwa 40 ha großen ovalen Insel ungefähr 2,5 km vor der syrischen Küste gegenüber von Antaradus (dem modernen Tortose). Die urbane Geschichte dieser phönizischen Handelsstadt, deren Ausgrabung noch nicht abgeschlossen ist, ist fast völlig unbekannt. Zwar wurde Arwad seit dem 3. Jahrtausend v. Chr. durchgehend bewohnt, doch die frühesten erhaltenen Bauten (wie z. B. die monumentalen Wälle der Stadt) stammen erst aus der Römerzeit. Arwad war für den Handel sehr günstig gelegen. Es besaß einen doppelten Hafen nach Osten zum Festland hin, dessen nördliches und südliches Becken von einer natürlichen Mole von etwa 60 m Länge, die in der Antike noch durch eine Quadermauer verstärkt wurde, voneinander getrennt waren. Die massiven römischen Befestigungsanlagen lassen vermuten, dass die eisenzeitliche Stadt von einer Verteidigungsmauer umgeben war, die
Luftbildaufnahme von Arwad.
die gesamte Insel umzog. Den antiken Quellen nach war Arwad dicht besiedelt; im Stadtzentrum standen wie in Tyros mehrstöckige Häuser (Strabon 16.2.13). Auf dem erhöhten Gelände, auf dem sich heute die mittelalterlichen Befestigungsanlagen befinden, lagen früher die Akropolis und die wichtigsten Heiligtümer. In dieser Hinsicht sind eine gräkophönizische Weihinschrift mit einer Inschrift für Herakles-Melkart sowie ein Basaltstein mit einer griechischen Inschrift für Zeus Kronos (Baal-Schamem?) bemerkenswert. Die wichtigsten Nekropolen der Stadt lagen wahrscheinlich in der Gegend um Tortose auf dem gegenüber liegenden Festland, in dessen Nachbarschaft ein perserzeitlicher Bestattungsplatz mit königlichen Merkmalen gefunden wurde. Zufällige Funde aus der modernen Stadt lassen vermuten, dass auch am Südrand der Insel ein kleines Gräberfeld für Brandbestattungen gelegen haben könnte. Auch Arwad musste sich in Bezug auf den Nachschub an Rohstoffen und Agrargütern stark auf das Festland verlassen. In der Antike scheint die unabhängige Wasserversorgung der Stadt zumindest z. T. durch Zisternen gewährleistet worden zu sein, die man vor den Mauern der Stadt in den Fels der Insel eintiefte. Außer Tortose gehörte auch Marathus (Amrit), Arwads wichtigster Hafen an der Festlandküste, zum Territorium der Stadt. Sowohl Tortose als auch Amrit waren Partner einer größeren Festlandskonföderation, die in hellenistischer Zeit von Arwad kontrolliert wurde. Beide waren zweifellos Umladestationen für den Handel durch die strategisch wichtige Akkar-Ebene.20
Amrit Amrit (das antike Marathus) liegt 5 km südlich von Tortose etwa 700 m von der südlichen syrischen Küste entfernt. Die antike Stadt, die sich über ein Gelände von 6 km2 erstreckte, wurde von zwei Flüssen eingefasst, dem Nähr Amrit und dem Nähr al-Qubleh. In der Antike diente Amrit der Inselstadt Arwad als kontinentaler Hafen. Bei neueren Ausgrabungen stieß man auf antike Hafeneinrichtungen. Die eigentliche Siedlung von Amrit liegt auf einem rechteckigen Tell mit etwa 110 × 140 m Größe. Ausgrabungen am Nordrand des Hügels brachten große Gebäude aus der Perserzeit, der Blütezeit Amrits, zutage. Westlich des Siedlungshügels befindet sich das berühmte Heiligtum, das in der Gegend als Ma’abed bekannt ist, ein Tempelkomplex mit Portikus und einer monumentalen Kapelle in einem Felsenbassin. Phönizische Weihinschriften in einem Votivgraben innerhalb des Heiligtums verweisen auf die Existenz eines lokalen Kultes für den Gott Eschmun in der Perser- und in hellenistischer Zeit (6.–3. Jh. v. Chr.). Im Süden der Siedlung befindet sich ein großes Gräberfeld aus der späten Perserzeit (4. Jh. v. Chr.) mit Felsengräbern, von denen drei von unterschiedlichen Grabtürmen in Form von Pyramiden oder Würfeln überragt werden. Amrit wurde bis in hellenistische Zeit besiedelt.21
BIBLIOGRAFISCHE ANGABEN
Monografien, Sammelbände Acquaro, Arte: Acquaro, E., Arte e cultura punica in Sardegna, Sassari 1984. Acquaro, Biblo: Acquaro, E. u. a., Biblo: una citta e la sua cultura, Rom 1995. Acquaro, Rotte: Acquaro, E. (Hrsg.), Sulle rotte di Fenici, Rom 1999. Aubet, Phoenicians: Aubet, M. E., The Phoenicians and the West: Politics, Colonies and Trade, Cambridge 1993. Baurain und Bonnet, Phéniciens: Baurain, Cl. und C. Bonnet, Les Phéniciens: marins de trois continents, Paris 1992. Betlyon, Coinage: Betlyon, J.W., The Coinage and Mints of Phoenicia, the Pre-alexandrine Period. Harvard Semitic Monographs 26, Chicago 1982. Bikai, Cyprus: Bikai, P.M., The Phoenician Pottery of Cyprus, Nikosia 1987. Bikai, Tyre: Bikai, P.M., The Pottery of Tyre, Warminster 1978. Biran, Dan: Biran, A., Biblical Dan, Jerusalem 1994. Blázquez u. a., Fenicios y Cartagineses: Blázquez, J. M., Alvar, J. und C. G. Wagner, Fenicios y Cartagineses en el Mediterráneo, Madrid 1999. Bonnet, Astarté: Bonnet, C, Astarté: dossier documentaire et perspectives historiques, Rom 1996. Briend und Humbert, Tell Keisan: Briend, J. und J.-B. Humbert, Tell Keisan (1971–1976): une cité phénicienne en Galilée, Freibourg und Paris 1980. Briquel-Chatonnet und Gubel, Phéniciens: Briquel-Chatonnet, F. und E. Gubel, Les Phéniciens: aux origines du Liban, Paris 1998.
Casson, Ships: Casson, L., Ships and Seamanship in the
Ancient World, 3. Aufl., Princeton 1995. Culican, Merchant Venturers: Culican, W., The First Merchant Venturers: The Ancient Levant in History and Commerce, New York 1971. Culican, Opera: Culican, W, Opera Selecta: From Tyre to Tartessos, Göteborg 1986. Dunand, Byblos: Dunand, M., Byblos: Its history, Ruins, and Legends, 2. Aufl., Beirut 1968. Elayi, Économie: Elayi, J., Économie des cités phéniciennes sous l’empire perse, Neapel 1990. Elayi, Recherches: Elayi, J., Recherches sur les cités phéniciennes a l’époque perse, Neapel 1987. Elayi, Sidon: Elayi, J., Sidon, cité autonome de l’Empire perse, Paris 1989. Elayi und Elayi, Trésors: Elayi, J. und A. G. Elayi, Trésors des monnaies phéniciennes et circulation monétaire: Le-IVe siècles avant J.-C, Paris 1993. Fantar, Carthage: Fantar, M., Carthage: approche d’une civilisation, 2 Bde., Tunis 1993. Ferjaoui, Recherches: Ferjaoui, A., Recherches sur les relations entre l’Orient phénicien et Carthage, Freibourg, Göttingen 1993. Garbini, J Fenici: Garbini, G., J Fenici: storia e religione, Neapel 1980. Gras, Univers: Gras, M., Rouillard, P. und J. Teixidor (Hrsg.), L’univers phénicien, Paris 1989. Gubel, Phéniciens: Gubel, E., Les Phéniciens et le monde méditerranéen, Brüssel 1986. Hachmann, Frühe Phöniker: Hachmann, R. (Hrsg.), Frühe Phöniker im Libanon: 20 Jahre deutsche Ausgrabungen in Kamid el-Loz, Mainz 1983. Harden, Phoenicians: Harden, D. B., The Phoenicians, Harmondsworth 1971. Harrison, Spain: Harrison, R., Spain at the Dawn of History: Iberians, Phoenicians and Greeks, London 1988. Huss, Geschichte: Huss, W. Geschichte der Karthager, München 1985.
Huss, Karthago: Huss, W. (Hrsg.), Karthago, Darmstadt 1992. Jidejian, N., L’archeologie au Liban, Beirut 1998. Joukowsky, Heritage: Joukowsky, M. S. (Hrsg.), The Heritage of Tyre: Essays on the History, Archaeology, and Preservation of Tyre, Dubuque, Iowa 1992. Karageorghis, View: Karageorghis, V., View from the Bronze Age: Mycenaean and Phoenician Discoveries at Kition, New York 1976. Karageorghis und Stampolidis, Eastern Mediterranean: Karageorghis, V. und N. Stampolidis, (Hrsg.), Eastern Mediterranean: Cyprus-Docecanese-Crete 16th–6th Centuries BC, Athen 1998. Katzenstein, Tyre: Katzenstein, H.-J., The History of Tyre: Beginning of the Second Millennium B.C.E. until the Fall of the Neo-Babylonian Empire in 539 B.C.E., Be’er Sheva 1997. Kopcke und Tokumaru, Greece: Kopcke, C. und I. Tokumaru (Hrsg.), Greece between East and West: 10th–8th centuries B.C., Mainz 1982. Krings, Civilisation: Krings, V. (Hrsg.), La civilisation Phénicienne et Punique: manuel de recherche, Leiden, New York, Köln 1995. Lancel, Byrsa II: Lancel, S., Byrsa II: Rapports préliminaires sur les fouilles 1977–78, Rom 1982. Lancel, Carthage: Lancel, S., Carthage: A History, Oxford und Cambridge, M.A. 1995. Lipinski, Dictionnaire: Lipinski, E. (Hrsg.), Dictionnaire de la civilisation phénicienne et punique, Brüssel, Paris 1992. Markoe, Bowls: Markoe, G., Phoenician Bronze and Silver Bowls from Cyprus and the Mediterranean, Berkeley 1985. Martin Ruiz, J. A., Catálogo documental de Los Fenicios en Andalucía, Junta de Andalucía 1995. Masson und Sznycer, Recherches: Masson, O. und M. Sznycer, Recherches sur les phéniciens à Cypre, Genf 1972. Montet, Bybios: Montet, P., Byblos et l’Egypte, Paris 1929. Moscati, Phoenicians: Moscati, S. (Hrsg.), The Phoenicians, New York 1988.
Moscati, World: Moscati, S., The World of the Phoenicians, London 1968. Moscati, I Fenici: Moscati, S. (Hrsg.), I Fenici: ieri, oggi, domani. Richerche, scoperti, progetti, Rom 1994. Niemeyer, Phönizier: Niemeyer, H. G. (Hrsg.), Phönizier im Westen, Mainz 1982. Niemeyer und Gehrig, Phönizier: Niemeyer, H. G. und U. Gehrig, Die Phönizier im Zeitalter Homers, Mainz 1990. Parrot, Phéniciens: Parrot, A., Chéhab, M. H. und S. Moscati, Les Phéniciens: l’expansion phénicienne, Carthage, Paris 1975. Picard und Picard, Carthage: Picard, G. C. und C. Picard, Carthage, London 1987. Poidebard, Tyr: Poidebard, A., Un gran port disparu, Tyr, Paris 1939. Poidebard und Lauffray, Sidon: Poidebard, A. und J. Lauffray, Sidon: aménagements antique du port de Suida, Beirut 1951. Pritchard, Sarepta: Pritchard, J., Recovering Sarepta, a Phoenian City, Princeton 1978. Raban, Harbour Archaeology: Raban, A. (Hrsg.), Harbour Archaeology: Proceedings of the International Workshop on Ancient Mediterranean Harbours, Oxford 1985. Rakob, Ausgrabungen: Rakob, F. (Hrsg.), Die deutschen Ausgrabungen in Karthago, Mainz 1999. Redford, Egypt: Redford, D.B., Egypt, Canaan, and Israel in Ancient Times, Princeton 1992. Reyes, Cyprus: Reyes, A.T., Archaic Cyprus, Oxford 1994. Stern, Archaeology: Stern, E., Archaeology of the Land of the Bible, Bd. 2: The Assyria, Babylonian and Persian Periods 732–332 BCE, New York 2001. Stern, Dor: Stern, E., Dor, Ruler of the Seas, Jerusalem 1994. Stern, Encyclopedia: Stern, E., The New Encyclopedia of Archaeological Excavations in the Holy Land, 4 Bde., New York 1993. Wagner, Einfluss: Wagner, P., Der ägyptische Einfluss auf die phönizische Architektur, Bonn 1980. Ward und Joukowsky, Crisis Years: Ward, W. A. und M. S. Joukowsky (Hrsg.),
The Crisis Years: The 12th Century B.C. From Beyond the Danube to the Tigris, Dubuque 1992. Warmington, Carthage: Warmington. B. H., Carthage, Baltimore 1964. Wright, Building: Wright, G.R.H., Ancient Building in South Syria and Palestine, 2 Bde., London 1985.
Zeitschriften AAAS Annales Archéologiques Arabes Syriennes AJA American Journal of Archaeology AM Athenische Mitteilungen: Mitteilungen des Deutschen Archäologischen Instituts. Athenische Abteilung BAAL Bulletin d’Archéologie et d’Architecture Libanaises BAR Biblical Archaeological Review BASOR Bulletin, American Schools of Oriental Research BCH Bulletin de Correspondance Helléniqiue BMB Bulletin du Musée de Beyrouth CA Classical Antiquity CEDAC Centre d’Études et de Documentation Archéologique de la Conservation de Carthage CRAI Comptes rendus de l’Académie des Inscriptions et Belles-Lettres HbÄ Hamburger Beiträge zur Archäologie IEJ Israel Exploration Journal JAOS Journal of the American Oriental Society JCS Journal of Cuneiform Studies JEA Journal of Egyptian Archaeology JNES Journal of Near Eastern Studies MM Madrider Mitteilungen MUSJ Mélanges de l’Université Saint-Joseph OLP Orientalia Lovaniensia. Periodica OpAth Opuscula Atheniensia OxJA Oxford Journal of Archaeology PBA Proceedings of the British Academy PEQ Palestine Exploration Quarterly PIASH Proceedings of the Israel Academy of Sciences and Humanities
RM Römische Mitteilungen: Mitteilungen des Deutschen Archäologischen Instituts. Römische Abteilung RSF Rivista di Studi Fenici UF Ugarit-Forschungen: Internationales Jahrbuch für die Altertumskunde Syrien Palästinas WO Die Welt des Orients
Reihen ACFP 1 Atti del I Congresso Internazionale di Studi Fenici e Punici, Rom 1983. ACFP 2 Atti del II Congresso Internazionale di Studi Fenici e Punici, Rom 1991. ACFP 3 Atti del III Congresso Internazionale di Studi Fenici e Punici, Tunis 1995. ACFP 4 Atti del IV Congresso Internazionale di Studi Fenici e Punici, Cádiz, erscheint demnächst. ARAB Luckenbill, D. D., Ancient Records of Assyria and Babylonia, 2 Bde., Chicago 1926. ANET (3) Pritchard, J. B. (Hrsg.), Ancient Near Eastern Texts Relating to the Old Testament, 3. Aufl., Princeton 1969. CAH Cambridge Ancient History, Cambridge 1971–82. CIG Corpus Inscriptionum Graecarum CIS Corpus Inscriptionum Semiticarum EA Moran, W. L. (Hrsg.), The Amarna Letters, Baltimore 1992. FGH Jacoby, E., Die Fragmente der griechischen Historiker, Berlin, Leyden 1923–58. KAI Donner, H. und W. Röllig, Kanaanäische und aramäische Inschriften, 3 Bde., Wiesbaden 1966–69. OxEANE Meyers, M. (Hrsg.), Oxford Encyclopedia of Archaeology in the Near East, 5 Bde., Oxford 1997. Sarepta I Anderson, W. P., The Late Bronze and Iron Age Strata of II, Y, Beirut 1988. Sarepta II Khalifeh, I. A., The Late Bronze and Iron Age Strata of Area II, X, Beirut 1988. StPhoen 1–2 Gubel, E., Lipinski E. und B. Servez-Soyez (Hrsg.), Redt Tyros/Sauvons Tyre; II: Histoire phénicienne/Fenicis-
che geschiedenis, Leuven 1983. StPhoen 3 Gubel, E. und E. Lipinski (Hrsg.), Phoenicia and its Neighbours, Leuven 1985. StPhoen 4 Bonnet, C, Lipinski, E. und P. Marchetti (Hrsg.), Religio Phoenicia, Namur 1986. StPhoen 5 Lipinski, E. (Hrsg.), Phoenicia and the Eastern Mediterranean in the First Millenium B.C., Leuven 1987. StPhoen 6 Lipinski, E. (Hrsg.), Carthago, Leuven 1988. StPhoen 7 Gubel, E., Phoenician Furniture, Leuven 1987. StPhoen 8 Bonnet, C, Melqart: cultes et mythes de l’Heracles tyrien en Mediterranée, Leuven 1988. StPhoen 9 Hackens, T. und G. Moucharte (Hrsg.), Numismatique et histoire économique phéniciennes et puniques, Louvain-la-Neuve 1992. StPhoen 11 Lipinski, E. (Hrsg.), Phoenicia and the Bible, Leuven 1991. StPunica 6 Moscati, S. Techne. Studi sull’artigianato fenicio, Rom 1990. StPunica 7 Moreno, L.P., Vicente, A.M. und G. Pisano, La necropolis fenicio-punica de Cadiz, Rom 1990. StPunica 9 Ciafaloni, D., Eburnea Syrophoenicia, Rom 1992. StPunica 12 Pisano, G. (Hrsg.), Phoenicians and Carthaginians in the Western Mediterranean, Rom 1999.
Antike Quellen Arist., Pol. Aristoteles, Politik Ath. Athenaeus, Deipnosophistae Curt. Quintus Curtius Rufus, Die Geschichte Alexanders des Großen Diod. Diodorus Siculus Hdt. Herodot Hom., II. Homer, Ilias Hom., Od. Homer, Odyssee Jos., A. J. Josephus, Geschichte der jüdischen Altertümer Jos., C.Ap. Josephus, Contra Apionum
Plinius, N. H. Plinius der Ältere, Naturkunde Pol. Polybios Ps.-Arstt., Mir.ausc. Pseudo-Aristoteles, De mirabus auscultiorum Sil. Silius Italicus, Punica Tac, An. Tacitus, Annalen Thuk. Thukydides Xen., Anab. Xenophon, Anabasis Xen., Hell. Xenophon, Hellenica
Altes Testament Chr. Chronik Deut. Deuteronomium Hs. Hesekiel Gn. Genesis Hos. Hosea Jer. Jeremia Ric. Richter Jos. Josua Kge. Könige Sm. Samuel
Anmerkungen [Alle Seitenverweise beziehen sich auf die Druckausgabe]
Einleitung 1 M. G. A. Guzzo in Moscati, Phoenicians, 570–72.
Geschichte 1 Vgl. den Fund von mehreren Hundert Glaspastenskarabäen der Hyksos aus Byblos; J.-F. Salles, La nécropole K de Byblos, Paris 1980, 63 und Tafel XXIII. 2 Der Zedernholzhandel zwischen Ägypten und Byblos, vermutlich bereits aus der prädynastischen Zeit Ägyptens, ist historisch seit der 4. Dynastie belegt. 3 W. F. Albright und W. L. Moran, JCS 4 (1950) 163–68. 4 Zur kürzlichen Entdeckung frühbronzezeitlicher Besiedlung in Sidon, siehe Sidon im Anhang. 5 R. Gundlach, Lexikon der Ägyptologie 3 (1980) 881–82. 6 M. McKay in Berytus 31 (1983) 144–45. 7 AJA 90 (1986) 269–96; 92 (1988) 1–37; 93 (1989) 1–29. Vgl. zuletzt G. F. Bass in J. E. Coleman und C. A. Walz (Hrsg.), Greeks and Barbarians, Bethesda, Maryland 1997, 85–92. 8 E. De Vaumas, Le Liban, Paris 1954, 287. Die dichter bewaldete Zone liegt in einer mittleren Höhe von 1500–2000m. 9 J. H. Breasted, Ancient records of Egypt 3, Chicago 1906, 113, Nr. 274 (Große Abydos-Inschrift); G. T. Martin, The Hidden Tombs of Memphis, London 1991, 133 (Gräber von Pabes). 10 Siehe Bass (Anm. 7) 77–83. 11 Wie die Texte zeigen, wurde ein ugaritisches Unternehmen, das Haus von Ewr-kl, in Beirut eingerichtet, um die Produktion der Bronzearbeiten zu überwachen; siehe ugaritische Texte 2101; 2056:1–4. 12 Bikai, Tyre, Tafel XLIV, Nr. 16 und Anhang A. 13 Zu Sidon und den anderen phönizischen Städten in den Keilschriften der späten Bronzezeit, siehe B. Arnaud, Studi Micenei ed Egeo-Anatolici 30, 1992, 179–94. Arnaud verweist auf den assyrischen Charakter der von den Sidoniern in der Korrespondenz mit Ugarit verwendeten Sprache und Schrift.
14 Bikai, Tyre, 8; ebd. in Ward und Joukowsky, Crisis Years, 133. 15 Sarepta II, 113, 124, 138–39; Sarepta I, 380, 386, 388, 424; Pritchard, Sarepta, 85. 16 Berytus 38, 1990, 76–78; Syria 71, 1994, 345. 17 Justin, 18.3.5 B. Mazar, PIASH 1:7, 1967, 5, Nr. 11. 18 A.H. Gardiner, Ancient Egyptian Onomastica I, Oxford 1968, 150, Nr. 257 [ägyptisch kpn(y)]. 19 H. Goedicke, The Report of Wenamun, Baltimore und London 1975; ANET (3), 25–29. 20 Bikai in Ward und Joukowsky, Crisis Years, 133, Nr. 12. 21 V. Karageorghis und M. Demas, Excavations at Kition 5, Nikosia 1985, 277–80. 22 V. Cook, OpAth 17:3, 1988, 17, 20, 24. Zu den kanaanitischen Krügen in Enkomi siehe J. C. Courtois, Acts of the International Archaeological Symposium »Cyprus between the Orient and the Occident«, Nikosia 1986, 88. 23 A. Mazar, Qedem 20, 1985, 123–26. 24 Ebd., 75–76, 84–85. 25 Zu Tell Keisan, siehe Briend und Humbert, Tell Kasan, 197– 206; zu Tell Dan, siehe Biran, Dan, 138–42. 26 E. Stern, BASOR 279, 1990, 28–31. 27 Biran, Dan, 135–44. 28 Rie, 1:31. 29 2 Sm. 24:6–7. 30 E. Stern, BASOR 279, 1990, 27–32. 31 Jos. 11:8, 13:4, 19:28; Rie. 18:7, 18:28. 32 Gn. 10:15. 33 EA, 146–55. 34 EA, 149. 35 Bikai, Cyprus, 58–62. 36 Bikai, Tyre, 54, Tafel 13A und 74; Sarepta I, 407 und 517, Tafel 18. 37 Siehe J.N. Coldstream in S. Gitin, A. Mazar und E. Stern, Mediterranean Peoples in Transition: Thirteenth to Early Tenth Centuries BCE, Jerusalem 1998, 353–60, zur Feststellung diplomatischer Beziehungen auf höchster Ebene zwischen den Adelsschichten in Tyros und Lefkandi im 10. Jahrhundert v. Chr.
38 H. G. Niemeyer, Biblical Archaeology Today, Jerusalem 1993, 341–42. 39 1 Kge. 9:26–28; 10:22 ff; 2 Chr. 8:18. 40 H. G. Niemeyer, Biblical Archaeology Today, Jerusalem 1993, 340; siehe dagegen Aubert, Phoenicians, 176–79. 41 1 Kge. 7:13–48. 42 1 Kge. 5:1. 43 1 Kge. 5:11. 44 1 Kge. 9:11–14. 45 A. Lemaire, StPhoen 11, 152. 46 2 Chr. 2:14; Katzenstein, Tyre, 66–67. 47 F. Volkmar und A. Kempinski, Ergebnisse der Ausgrabungen auf der Hirbet el-Msas (Tel Masos) 1972–75, Wiesbaden 1983, 20–21, 39–43, Pläne 3, 6, 14. I. Finkelstein, JNES 47:4, 1988, 241 ff. 48 Siehe A. Raban in Raban, Harbour Archaeology, 27. 49 Siehe G. Kestemont, StPhoen 3, 135–49. 50 1 Kge. 16.31. 51 Jos., AJ. 8, 318; vgl. 1 Kge. 18:19. 52 Katzenstein, Tyre, 137. 53 Katzenstein, Tyre, 130–35. 54 Jos., A/. 8, 324. 55 ANET (3), Suppl. 560 b. 56 Hs. 27:18. 57 Für die politische und militärische Intervention der Phönizier in Kilikien zu dieser Zeit siehe die kürzlich entdeckte Stele aus Inçirli aus der Zeit von Salamanasser V. (726–722 v. Chr.). 58 J. Elayi, Semetica 35, 1985, 25. 59 Redford, Egypt, 354–55. 60 ANET (3) 533–34; zuletzt N. Na’aman, RSF 22, 1994, 3–8. 61 Redford, Egypt, 441–42. 62 Jos., CAp. 1, 156; AJ., 10, 280. 63 Katzenstein, Tyre, 324–32. Zu der babylonischen Tafel siehe R. P. Dougherty, Archives from Erech, Time of Nebuchadnezzar und Nabonidas, New Haven 1923, 61, Nr. 151. 64 Katzenstein, Tyre, 320–21. 65 Solche Rückerstattungen könnten auch zu Beginn der Regierung von Kyros stattgefunden haben.
66 D.W. Thomas (Hrsg.), Documents from Old Testament Times, New York 1961, 93 (Kyros-Zylinder). 67 M. A. Dandamaev, A Political History of the Achaemenid Empire, Leiden 1989, 60–65. 68 S. Weinberg, PIASH 4:5, 1969, 92–94. 69 Hdt. 4.42. 70 Reyes, Cyprus, 70–84. 71 Hdt. 2.112. 72 Hdt. 2.158 (Suezkanal); 7.23 (Kanal am Berg Athos). Zu den altpersischen Texten über die Inschriften der Suez-Stelen siehe R. G. Kent, Old Persian, 2. Aufl., New Haven 1953, 147. 73 Diod. 16.41.4. 74 C/G 1:126, Nr. 87. 75 Siehe Elayi und Elayi, Trésors, bes. 355–58. 76 Hdt. 7.44; 7.96; 7.98; 8.67. 77 C. Baurain und A. Destrooper-Georgiades in Krings, Civilisation, 618–23 und Karte S. 598. 78 Siehe I. Michaelidou-Nicolau in StPhoen 5, 333 –38; und M. Yon in StPhoen 9, 243–59. 79 Huss, Geschichte, 58–65. 80 Hdt. 1.166–67. 81 Huss, Geschichte, 58–62. 82 FGH, 2c, Ephoros of Kyme F 186; Diod., 11.1.4–5; 11.20.1; siehe auch Huss, Geschichte, 98–99. 83 Fantar, Carthage 2, 22. 84 S. Lancel, StPhoen 9, 272; J.-P. Morel, ACFP1, 731–40. 85 S. R. Wolff, Maritime Trade from Punic Carthage, Diss., Chicago 1986, 115–16. 86 F. Rakob, RM 94, 1987, 341–43 und Tafel 146. 87 Thuk. 6.34.2. 88 lsokrates, Panegyric, 161. 89 M. Yon und M. Sznycer, CRAI, 1991, 791–823. 90 Xen., Agesilaus, 2.30. 91 Betlyon, Coinage, 13–14; Abb.l und Tafel 3. 92 Diod. 16.41 .2. 93 Betlyon, Coinage, 16–18. 94 Diod. 16.44.5–6. 95 Grayson, Assyrian and Babylonian Chronicles, Locust Valley 1985, 114.
96 Betlyon, Coinage, 18 und Anm. 70; siehe auch Elayi und Elayi, Trésors. 97 Arrian, Anabasis, 2.24.5; Diod. 17.46A; Curt. 4.4.15–17. 98 J. Elayi, Transeuphraténe, 2, 1990, 59–70; 5, 1992, 143–51. 99 L. Stager, BAR 17:3, 1991, 28–32. 100 J. Elayi, JNES 41, 1982, 83–110; auch Recherches, 11–20. 101 J. Sapin, Transeuphraténe 4, 1991, 51–62; 5, 1992, 95–110. 102 E. Gubel, Transeuphraténe 2, 1990, 37–46; auch J. Sapin, Transeuphraténe 2, 1990, 89, 93. 103 P. Lund, Transeuphraténe 2, 1990, 13–32; J. Sapin, Transeuphraténe 1, 1989, 21–47. 104 Stern, Dor, 157–79. 105 R.A. Stucky, Tribune d’Echmoun (Bale 1984). Ders., [Beirut] National Museum News 7, 1998, 4 ff; auch J. Ferron, Sarcophagus de Phénicie. Sarcophages à scènes en relief, Paris 1993, 352 ff. 106 Zu den etruskischen Abkommen siehe Picard und Picard, Carthage, 134–36. Zum Vertrag zwischen Rom und Karthago siehe Huss, Geschichte, 149–55. Diod. 20.8.2–4.
Die Stadt 1 A. Raban in Raban, Harbour Archaeology, 30–38. 2 Appian, Libyca, 96. Zu den britischen Ausgrabungen siehe H. Hurst und S. P. Roskains, Excavations at Carthage: The British Mission 1:1, Sheffield 1984. 3 Z. Gal, Levant 24, 1992, 173–86. 4 H. G. Niemeyer und R.E. Docter, RM 100, 1993, 204–14. 5 Zum spätbronzezeitlichen Typus der Levante siehe Courtois, UF 11, 1979, 104–34. 6 Byrsa: S. Lancel, G. Robine und J.-P.Thuillier in J. G. Pedley (Hrsg.), New Light on Ancient Carthage, Ann Arbor 1980, 13 ff; Kerkouane: M. Fantar, Kerkouane I—III, Tunis 1984–86; Monte Sirai: P. Bartoloni, S. F. Bondi und L.A. Marras, Monte Sirai, Rom 1992, 43–45. 7 Appian, Libyca, 128. 8 Eine ähnliche Konstruktion wurde in Toscanos gefunden, siehe H. Schubart in Krings, Civilisation, 752–53. 9 Bikai, Tyre, 7; Sarepta I, 380. 10 E4, 89.
11 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43
Pritchard, Sarepta, 81–83. 12 L. Badre, BAAL 2, 1997. F. Rakob, RM 96, 1989, 165. F. Rakob, RM 91, 1984, 2, 4. Atlit, Megadim, Schikmona und Tell Abu Hawam. Areal II, Y: Sarepta 1, 419 (Stratum B); Area II, X: Sarepta II, 140 und Tafel 11, (Phase VIIIB). C. Aupert, BAAL 1, 1996, 63, 83. Siehe Wright, Building 1, 162. F. Rakob, RM 94, 1987, 334 ff. Casson, Ships, 53–60, 94–96. Ich danke Dr. Casson für seinen freundlichen Beitrag zu diesem Abschnitt. L. Badre, BAAL 2, 1997, 48–50, 60–64 und Abb. 31a, 76–80 und Abb. 40a, 88–90. Stern, Dor, 109–15; ders. /£/38, 1988, 6 ff. Zu Mauern mit Vorsprüngen siehe Wright, Building 1, 84; 2, Abb. 86, 87. J.-P. Rey-Coquais, Arados et sa Pérée, Paris 1974. Hs. 27:11. Dunand, BMB 20, 1967, 30 und Abb. 2, 3 Dunand, BMB 19, 1966, 98, Abb. 1. J. Elayi, RSF 8, 1980, 165–80; ders. Transeuphratènell, 1996, 77–90. Xen. Anab. 2.21. Diod. 16.44.5–6. P. und P. Bikai, Berytus 35, 1987, 75. Thuk. 1.13.6; Hdt. 1.166–67. Hdt. 7.165 (Ligurer, Iberer, Elysker). Warmington, Carthage, 47. C. R. Whittaker, Klio 60, 1978, 338 und Nr. 39; und G. Brizzi in Krings, Civilisation, 308. R. Duval, CRAI, 1950, 53–59. EA 138 (Byblos); EA, 157 (Simyra). KAI Nr. 31; Masson und Sznycer, Recherches, 13 ff. Aubet, Phoenicians, 125–32. Siehe Fantar, Carthage 1, 240; für ein früheres Datum siehe S. E. Bondi in Moscati, Phoenicians, 128. Vgl. Justin, 18.3 zur Sklavenbevölkerung in Tyros. Fantar, Carthage, 1, 185–88. CIS, 1, 4808, 5988; Fantar, Carthage l, 204–05. CIS, 1, 5948; Fantar, Carthage 1, 205.
44 Siehe Fantar, Carthage l, 200–06 für einen Überblick zu den Frauen in der karthagischen Gesellschaft. Wirtschaft: Handel und Industrie 1 1 Kge. 5:1–18; der Text des Alten Testaments erwähnt auch die Hilfe der Byblier, deren Dienste von Hiram wahrscheinlich als Teil der Vereinbarung mit einschloss. 1 Kge. 5:18. Eine ähnliche Vereinbarung lag den Diensten des tyrischen Bronzegießers Hiram zugrunde (1 Kge. 7:13–47). 2 Siehe Elayi, Économie, 31–38. 3 Hs. 27:17. 4 Hos. 14:6–7: Plinius, N.H., 14.9.74. 5 Ath. 1.29b; Ps.-Arstt., Mir. ausc. 135; Hdt. 3.6. In diesem Zusammenhang sind phönizische Amphoren aus neobabylonischer und persischer Zeit bemerkenswert, die kürzlich im Wadi Tumeilat, dem antiken Verbindungskanal zwischen dem Nil und dem Roten Meer gefunden wurden; siehe A. Lemaire in Lipinski, StPhoen 5, 1987, 59. 6 R. F. Docter, HbÄ 15–17, 1988–90, 143–88. 7 Hs. 27. Siehe H. J. van Dijk, Ezekial’s Prophecy on Tyre: A New Approach, Rom 1968. 8 D. Arnaud, Studi Micenei ed Egeo-Anatolia 30, 1992, 179–94. 9 Zu einer Besprechung des Begriffes bezüglich des WenamunBerichts siehe H. J. Katzenstein, in ACFP 1:2, 599–602. 10 1 Kge. 10:22; 2 Chr. 9:21. Vgl. den späteren hubur zwischen den Königen Jehoshaphat und Ahaziah (2 Chr. 20:35–36). 11 Siehe Aubet, 11. 12 Die oben genannte Information ist ein Auszug aus Casson, Ships, 65–69. 13 Zu einem Schiffswrack aus dem späten 6. oder frühen 5. Jh. v. Chr. bei Ma’agan Micha’el vor der nordisraelischen Küste siehe E. Lindner, BAR, 18:6, 1992, 24–35. Zu zwei weiteren Schiffswracks in der Bucht von Mazarron vor der südöstlichen Küste von Spanien siehe I. Negueruela in ACFP 4, Cádiz (erscheint demnächst). Zu beachten sind zwei kürzlich gefundene phönizische Handelsschiffe: Das erste liegt vor der Straße von Gibraltar und enthielt über 200 Amphoren punischer Art aus dem 5. Jh. v. Chr. Vorläufige Berichte siehe W. J. Broad, The New York Times, 12. Oktober 1998; und Odys-
14 15 16
17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28
29 30
31 32
sey Update in www.ship-wreck.net. An der zweiten Fundstelle, 48 km vor der südisraelischen Küste in der Nähe von Askalon, fanden sich zwei Wracks von 15 und 18 m Länge. Die Ladung bestand aus mehreren Hundert Amphoren aus dem 8. Jh. Vorläufige Berichte siehe D. L. Chandler, International Herald Tribune, 25. Juni 1999, 1, 6, sowie unter www.ngnews. com. Curt, 4.2.10; Diod. 20.14. Eine ausgezeichnete Zusammenfassung, besonders in Bezug auf die Perserzeit, findet sich in Elayi, Économie, 61–68. S. Frankenstein in M. T. Larsen (Hrsg.), Power and Propaganda: A Symposium on Ancient Empires, Kopenhagen 1979, 272– 73. See G. Markoe, CA 8:1, 1989, 103–04. Dabei sollte beachtet werden, dass die Eule in Frontalansicht auch als ägyptisches Hieroglyphensymbol für »m« auftritt. Betlyon, Coinage, 53–57. Elayi und Elayi, Trésors 342, 360. J. M. Turfa, AJA 81, 1977, 368–74. Arstt., Pol. 3.5.10–11 (1280a); siehe auch Hdt. 1. 166–67. Polyb., 3.22; 3.24. Diod., 5.35; Plinius, N.H, 33.31.97; Strabon 3.2.10. Thuk. 6.34.2. G.E. Jenkins und R.B. Lewis, Carthaginian Gold and Electrum Coins, London 1963, 25–26; Hdt. 4.196. Zu den Kupferminen siehe Strabon, 17.3.11; zu den Eisenproduktionen von Karthago siehe Lancel, Byrsa, 2, 217–60, 366. Warmington, Carthage, 82–83; J.D. Muhly in Early Metallurgy in Cyprus 4000–500 B.C., 257; C. Domergue, Les mines de la péninsule ibérique dans l’antiquité romaine, Rom 1989, 141–54. Zur Reise von Himilko siehe Plinius, N.H., 2.169; Festus Avienus, Ora Maritima. Plautus, Poenelus. Nach Hermippos (4.–3. Jahrhundert v. Chr.) exportierte Karthago seine Teppiche und Kissen. Zu den Ausgrabungen von Le Kram siehe M. K. Annabi, CE-DAC4, 1981, 26–27. Y. Maniatis u. a., Journal of Field Archaelogy 11:2, 1984, 205– 22. Amos, 1:9; Joel, 3:6; Hs. 27:13; M. Dietrich, O. Loretz und
S. Sanmartín, Die Keilalphabetischen Texte aus Ugarit. 1. Transkription, (Kevelaer, Neukirchen, Vlyun 1976) 3, 4. 33 Strabon, 3.2.10. 34 Hdt. 1.1; 2.54–56; vgl. auch Horn., Od., 14.287 ff. 35 Timaios (apud Ps-Arstt., Mir. ause. 188): FGH, Frag. 164, 18– 20). Eine andere Quelle war möglicherweise Sardinien; siehe S. Gsell, Histoire ancienne de l’Afrique du nord 4, Paris 1920, 135. 36 Siehe P.A. Garnsey und C. R. Whittaker, Imperialism in the Ancient World, Cambridge 1978, 65–66; 88–90; manche Wissenschaft ler sind der Ansicht, dass die territoriale Expansion bereits im 5. Jahrhundert v. Chr. einsetzte; siehe Fantar, Carthage, 266. 37 Diod. 20.79.5 (Weizenexport im Jahr 306 v. Chr.); Diod. 20.8.4 (karthagische Besitztümer). 38 Das Datum der ersten phönizischen Münzprägung auf Sizilien ist umstritten. Man geht von einem Anfangsdatum zwischen 480 und 430 v. Chr. aus. 39 Siehe E. Acquaro in Moscati, Phoenicians, 204. 40 P. Visona, American Journal of Numismatics 10, 1998, 1–27. Ich danke Dr. Visona für den Beitrag zu diesem Teil des Kapitels.
Sprache und Literatur 1 In der frühen Phase kann man folgende Vokale unterscheiden: kurzes i, a, und u sowie langes i, e, o und u. 2 P. K. McCarter, Jr., The Antiquity of the Greek Alphabet and the Early Phoenician Scripts, Missoula 1975, 34 ff, 50 ff. 3 Zur Schrift siehe J. B. Peckham, The Development of the Late Phoenician Scripts, Cambridge, M.A. 1968. 4 Zu den frühen Alphabetschriften siehe McCarter, op. cit.; ders., Ancient Inscriptions: Voices from the Biblical World, Washington, D.C. 1996, 67–75; und E. M. Cross in: Cross (Hrsg.), Symposia Celebrating the 75th Anniversary of the Founding of the American Schools of Oriental Research, Cambridge, M.A. 1979, 97–111. 5 Siehe B. Sass, The Genesis of the Alphabet and its Development in the Second Millennium B.C., Wiesbaden 1988, 2; 74,
Nr. 48; und 86 ff, Nr. 58. 6 M. Sznycer in J. Leclant (Hrsg.), Le déchiff rement desécritures et des langues, Paris 1975, 75–84; G.E. Mendenhall, The Syllabic Inscriptions from Byblos, Beirut 1975. 7 Hdt. 5.58; Diod. 5.74; Plinius, 5.67; Tac. An., 11.14. 8 Vermutung eines Ursprungs im 11. Jahrhundert siehe E. Lipinski in Gubel, Phéniciens, 65. Zur Datierung ins frühe 2. Jahrtausend siehe M. Bernal, BASOR 67, 1987, 1–19. 9 Hdt. 5.5.8–61. 10 B. B. Powell, Homer and the Origin of the Greek Alphabet, Cambridge 1991, 12–18; C. J. Ruijgh in Bibliotheca Orientalis, 54:5/6, 1997, 533–603; und R. D. Woodard, Greek Writing from Knossos to Homer, New York 1997. 11 Zu einer Studie über die Punische Sprache siehe S. Segert, A Grammar of Phoenician and Punic, München 1976; J. Friedrich, M. G. Amadasi Guzzo und W. Röllig, Phönizisch-punische Grammatik, Rom 1995. Zur Schrift siehe J. B. S. Peckham, The Development of the Late Phoenician Scripts, Cambridge, M.A. 1968. 12 Siehe M. Sznycer in Huss, Karthago, 321–40.
Religion 1 1 Hdt. 2.43–44. 2 Jos., CAp., 1:113, 118; A.J., 8:146; ebenso Eupolemus: FGH 3C, 723, Frag. 2. 3 Siehe F. Lipinski in Gubel, Phéniciens, 74. 4 Aubet, Phoenicians, 125–32. 5 EA, 108, 147, 149. 6 F. Lipinski in Gubel, Phéniciens, 72. 7 Bonnet, Astarté, 64–56; R.C. Steiner in JNES 51, 1992, 191–200. 8 W. Röllig in Lipinski, Dictionnaire 48 (›Astarte‹). Nach dem ugaritischen Epos gab es in der späten Bronzezeit in Tyros einen Schrein für Ascherah; siehe S. Parker (Hrsg.), Ugaritic Narrative Poetry, Atlanta 1997, 19. 9 R. J. Clifford, BASOR 279, 1990, 60. 10 Zur durchgehenden Verwendung von hmn in ugaritischen und phönizischen Personennamen siehe P. Xella, Baal-Hammon, Rom 1991, 36.
11 M. Yon, StPhoen 4, 132, 137. 12 E. Lipinski in Gubel, Phéniciens, 72. Siehe auch S. Ribichini in Moscati, Phoenicians, 105. 13 A. Lemaire, StPhoen 4, 98. 14 P. Xella in Moscati, IFenici, 146–48; Xella, WO 19, 1988, 45– 64. 15 H. W. Attridge und R. A. Oden, The Syrian Goddess (De Dea Syria) Missoula 1976. 16 Adonis, dessen Kult in spätantiken Texten belegt ist, hält man mittlerweile für eine griechische Erfindung, die frei auf dem semitischen Mythos eines sterbenden Gottes basiert. Siehe S. Ribichini, Adonis: Aspetti ’orientali’ di un mito greco, Rom 1981. 17 Siehe ANET (3), 533–34. 18 ARAB, 2, 229 (par. 587). Zu Saphon, siehe P. N. Hunt, StPhoen 11, 103–15. 19 H. W. Attridge und R. A. Oden, Philo of Byblos: The Phoenician History, Washington, D.C. 1981; A. I. Baumgarten, The Phoenician History of Philo of Byblos, Leiden 1981. 20 Text von Azitawadda von Adana: KAI 26.IH.18–19. 21 Jos. 19:27. 22 N. Avigad und J. C. Greenfield, IE] 32:2–3, 1982, 118–28. 23 CIS 1, 86. 24 Hdt. 1.199. 25 Sil. 3.21–28. C. Bonnet, StPhoen 8, 358–61. 26 Karageorghis, View, 106. 27 Karageorghis, View, 105–06. Vgl. das Opfer eines Lammes (‚mr) in einem Vorratsgefäß in Sarepta (Pritchard, Sarepta, 98 ff und Abb. 97). 28 Markoe, Bowls, 56–59. 29 Die beiden kunstvoll verzierten Masken aus dem Schutt der Hauptstraße von Sarepta lassen einen solchen öffentlichen Kontext vermuten; siehe Pritchard, Sarepta, 92 und Abb. 87, 88. 30 Markoe, Bowls, Nr. E9. 31 Culican, Opera, 549–69. 32 Deut. 16:21; Rie. 6:25–30; 2 Kgs. 17:10; 18:4. 33 J.W. Shaw, AJA 93, 1989, 165–83. 34 Gozo (Höhe 1, 41m): B. de Manneville in Mélanges syriennes offerts à Monsieur Renée Dussaud 2, Paris 1939, 895–902.
35 36 37
38 39
40 41 42
43 44 45 46
47 48 49 50 51 52 53 54 55 56 57
Mogador (Höhe 1, 50m): Parrot, Phéniciens, 161. Mozia: Lipinski, Dictionnaire, 303, Abb. 236. Tac, An., 2, 2. S. Iwry, JAOS 81, 1961, 27–37. Vgl., Amuns göttliche Eingebung im Wenamun-Bericht: H. Coedicke, The Report of Wenamun, Baltimore und London 1973, 53–34. 1 Kge. 18:29–40. Vgl. den favissa in Kharayeb nördlich von Tyros, in dem über 1100 Terrakottafiguren aus dem späten 4. bis zum 1. Jahrhundert v. Chr. gefunden wurden; siehe M. Chéhab, BMB 10–11, 1951–52. Siehe Gubel, Phéniciens, Nr. 32. Zum schrift lichen Nachweis eines Schreins für Astarte außerhalb von Tyros. A. Lemaire. StPhoen 4, 87–98. Die früheste eindeutige Darstellung von Melkart findet sich auf der aramäischen Stele von Barhadad (ca. 800 v. Chr.), die bei Aleppo gefunden wurde (Abb. Lipinski, Dictionnaire, 286, fig. 223). Zum Typus der dea Tyriagravia siehe Culican, Opera, 265– 80. Bonnet, Astarte, 35. Zum Ma’abed von Amrit und zum Heiligtum von Am el-Hayat siehe Wagner, Einfluss, 2–10, Tafeln 15, 33. M. Dunand, BMB 26, 1973, 7–25. Wagner, Einfluss, 10–15. Siehe zuletzt R. A. Stucky, [Beirut] National Museums News 7, 1998, 3–13 (mit Bibliographie). A. Caubet, StPhoen 4, 153–68. M. Dunand und R. Dum, Oumm el Amed, Paris 1962. Wagner, Einfluss, 27–35, Tafel 16. Wagner, Einfluss, 16–26. E. Gubel in StPhoen 4, 263–76. 1 Kge, 7:13–47. 1 Kge. 5:16–32; 9:10–11. C. Bonnet, StPhoen 4, 209–22. 111. Harden, Phoenicians, Tafel 41. CIS 1, 3914. CIS 1, 3776. Sicca Veneria: Valerius Maximus, 2.6.15.
58 59 60 61 62 63
64
65
66 67 68
69 70
71 72 73 74 75
CIS 1, 6000 bis. CIS 1, 1068. Überblick siehe Lipinski, Dictionnaire, 382–83. Kleitarchos, Scholia zu Piatos Republik, 337A: FGH, 2B, 745, Frag. 9. Plutarch, De Superstione, 171C-D; Plinius, N.H., 36.4.39; Sil. Ital. 4.765–822; Diod. 20.14. Die Liste der bislang entdeckten tophets umfasst: Karthago und Hadrumetum (Tunesien); Cirta (Algerien); Mozia (Sizilien); Sulcis, Bithia, Nora, Monte Sirai und Tharros (Sardinien). Nach L. E. Stager muss man, wie Patricia Smith, physische und forensische Antropologin an der Hebrew University Jerusalem warnt, bei der Schätzung des Alters aufgrund des Gewichts der verbrannten Knochen sehr vorsichtig sein, besonders wenn man sie mit Tabellen aus modernen Bevölkerungsstudien vergleicht. Die Kinder aus der Antike können wesentlich jünger erscheinen als die von heute. Für eine Zusammenfassung der neuesten Ausgrabungen siehe L. E. Stager in Niemeyer, Phönizier, 155–63 (Huss, Karthago, 353–69). Siehe Lancel, Carthage, 227–56. Jer. 7:31–2; 2 Kge. 17:17; 23:10. A. Simonetti, RSF 11, 1983, 91–111; S. Moscati, II. sacrifìcio die fanciulli: realtà o invenzione. Rom 1987; S. Ribichini, II. tofet e II. sacrifìcio die fanciulli, Sassari 1987. Curt. 4.3.23. Der Text auf dieser Stele, die eine primäre phönizische Inschrift und sekundäre Texte auf akkadisch und luwianisch trägt, wird im nächsten Band des JA OS veröffentlicht. Ich danke Dr. Stephen Kaufmann, dass er mir vorab eine Übersetzung zur Verfügung stellte. L.E. Stager und S.R. Wolff, BAR 10, 1984, 30–51. Tertullian, Apologia, 9.2–3. R. Nisbet, ASF 8, 1980, 115; F. Fedel und G. Foster, RSB 16, 1988, 29–42. E Rakob, RM 98, 1991, 33–80. H.G. Niemeyer und R.F. Docter, RM 100, 1993, 211–13, 241– 43, und Tafel 55, 4.
76 lsis-Situla: P.K. McCarter, BASOR 290–91, 1993, 115–20; HarMispe-Yamim-Situla: S. Wolff, AJA 97, 1993, 148, Abb. 13. 77 KAI, Nr. 13. 78 P.A. Bienkowski, Levant 14, 1982, 8–88. Einen Überblick über phönizische Bestattungssitten (einschließlich Kindesopfer) geben M. Gras, P. Rouillard und J. Teixidor, Berytus 39, 1991, 127–76. 79 Eine Übersicht über die phönizischen Gräberfelder auf dem östlichen Festland gibt H. Sadae in Cuadernos di Arqueología Mediterránea 1, 1995, 15–30. 80 Siehe P. Bartoloni in Riti funerari e die olocausto nella Sardegna fenicia e punica, Cagliari 1989, 69. 81 Zu den neueren Ausgrabungen von Tyros siehe A. Badawi, [Beirut] National Museums News 6, 1997, 37 und M. E. Aubet (Hrsg.), Excavations in the Necropolis of Tyre-Al Bass (Cambridge, erscheint demnächst). Ich möchte Dr. Aubet dafür danken, dass sie mir ihre bislang unpublizierten Funde zugänglich machte. 82 Die Stelen stimmen mit Monumenten aus dem gleichen Areal überein, die 1990 II.legal ausgegraben wurden; vgl. H. Seeden, Berytus 39, 1991, 39–126.
Materielle Kultur 1 Zu den Elfenbeinarbeiten von Kamid el-Loz siehe R. Echt in Hachmann, Frühe Phöniker, 79–91. 2 Zu den Annalen von Tiglatpileser I. siehe ARAB 1, 98 (Abs. 302 und 306), und 103 (Abs. 328). 3 2 Chr. 2:13–14. 4 Zu einer Übersicht zur Datierung siehe G. Markoe, BASOR 279, 1990, 18–22. 5 Die falsche Verwendung fremder Motive gilt als Markenzeichen der phönizischen Kunst. 6 M. Mallowan, Nimrud and its Remains 2, London 1966, 474– 75; D. Ciafaloni, Eburnea Syrophoenicia, Studia Punica 9, Rom 1992, 19–30. 7 Eine gründliche Untersuchung phönizischer Möbel in E. Gubel, StPhoen 7. 8 Hom. II.l, 12.740–49. 9 Der Ausdruck sollte als geographische Beschreibung nicht
wörtlich genommen werden; siehe Markoe, Bowls, 3. 10 Stilistisch wurden einige Schalen einer nordsyrischen Produktionsstätte zugeschrieben. Fakten unterstützen diese Annahme kaum. Siehe zuletzt P. R. S. Moorey (S. 29) und J. D. Muhly (S. 337) inj. Curtis (Hrsg.), Bronzeworking Centres of Western Asia. c. 1000–539B.C., London 1988. Die chemische Zusammensetzung setzt sich über die stilistischen Grenzen hinweg; siehe a.a.O. Abb. 172, 173. 11 M. R. Popham u. a., Archaeological Reports for 1988–89, 118 und Abb. 5, ders. OxJA, 14:1, 1995, 103–07 und Abb. 2. 12 Markoe, Bowls, 7–8. 13 Markoe, Bowls, El–14; ders. HbA 19/20, 1992/3, 11–31. 14 B. Grau-Zimmermann, MM 19, 1978, 161–218. 15 G. Markoe, Levant 22, 1990, 111–22. 16 C. Doumet-Serhal u. a., Stones and Creeds: 100 Artefacts from Lebanon’s Antiquity, Beirut 1997, 68, Nr. 27. 17 E. Kukahn, Anthropoide Sarkophage in Beyrouth, Berlin 1955; M.-L. Buhl, The Late Egyptian Anthropoid Sarcophagi, Kopenhagen 1959; J. Elayi, Iranica Antiqua 23, 1988, 275– 322. 18 V. Karageorghis, Proceedings of symposium on ancient marble, Paros (erscheint demnächst). 19 Institut du Monde Arabe, Liban, Vautre rive, exh. cat., Paris 1998, 108, 147–49; Culican, Opera, 363–84; 541–47. 20 Horvat Rosh Zayit: Z. Gal, JNES 53:1, 1994, 27–31. Siehe auch Culican, Opera, 385–90; W. A. Ward, JEA 53, 1967, 69–71, Tafel XII, 1. 21 Plinius, N.H., 36.193; Strabon, 16.2.25. 22 Siehe D. F. Grose, Early Ancient Glass, Toledo 1989, 54–56. Zu den Amarna-Briefen siehe D. Barag, Catalogue of Western Asiatic Glass in the British Museum 1, London 1985, 38; zur Ladung von Ulu Burun siehe G. F. Bass, AJA 90, 1986, 281–82. 23 Zu den kleinen Krügen siehe D. Barag, in A. Oppenheim u. a., Glass and Glassmaking in Ancent Mesopotamia, Croning 1968, 179–80; zu den Alabastra im Übergangsstil, siehe Grose, op. cit., 77–79. 24 Grose, op. cit., 110. 25 Für einen Überblick und Bibliographie siehe Markoe, Bowls, 97–98.
26 T. E. Haevernick, MM, 17 1977, 152–231; M. Seefried, Les pendentifs en verre sur noyau des pays de la Méditerranée antique, Rom 1982. Zum Fund von Augenperlen aus Glas und Fayence in Grabkontexten aus der Chou Dynastie, siehe G. Markoe, ACFP 4 (Cádiz, erscheint demnächst). 27 A. Rathje, Levant 8, 1976, 96–106; auch V. Webb, Archaic Greek Faience, Warminster 1978, 36–60. 28 A. Caubet und M. Yon in V. Tatton-Brown (Hrsg.), Cyprus and the East Mediterranean in the Iron Age, London 1989, 28–43. 29 Culican, Opera, 265–80. 30 Culican, Opera, 481–93. 31 A.M. Bisi in Moscati, Phoenicians, 328–53. 32 G. Markoe, BASOR 279, 1990, 14–16. 33 Zur phönizischen Keramik im Allgemeinen siehe Bikai, Tyre; dies. Cyprus; dies. BASOR 229, 1978, 47–56. 34 W. P. Anderson, BASOR 279, 1990, 35–54. 35 Aus einem Gespräch mit P. Bikai, 10. Februar 1998. 36 Pritchard, Sarepta, 111–26. 37 V. Hankey, PEQ 100, 1968, 27–32. 38 Zur Bibliographie siehe Lipinski, Dictionnaire, 361. 39 Plinius, N. H. 9.60–65. 40 H. Walter und K. Vierniesel, AM 74, 1959, 41. 41 R. Stucky, Dedalo 19, 1974, 1–170; siehe zuletzt D. S. Reese und C. Sease in JNES 52:2, 1983, 109–28. 42 Zur etruskischen Tradition siehe W. L. Brown, The Etruscan Lion, Oxford 1960; Markoe, Bowls, 127–41. Zu den Kretern siehe E. Kunze, Kretische Bronzereliefs, Stuttgart 1931; H, Matthäus in Karageorghis und Stambolides, Eastern Mediterranean. 43 M. E. Aubet Semmler in Niemeyer, Phönizier, 309–35. 44 G. Markoe, BASOR 301, 1996, 47–67. 45 A.M. Bisi, StPoen 6, 29–41. 46 G. Markoe, BASOR 301, 1996, 65, Nr. 30. 47 M. E. Aubet, Marfiles fenicios del Bajo Guadalquivir, 1–2, Valladolid 1979–80; dies. Pyrenae 17–18, 1981–2, 231–79. 48 Zu den Stelen, siehe Bibliographie in Lipinski, Dictionnaire, 427; und S. Brown, Late Carthaginian Child Sacrifice and Sacrificial Monuments in their Mediterranean Context, Sheffield 1991.
49 S.M. Cecchini in Krings, Civilisation, 530–33; A. Rathje in J. Swaddling (Hrsg.), Italian Iron Age Artefacts in the British Museum, London 1986, 397–404. 50 E. Acquaro, I rasoi punici, Rom 1971.
Außenhandelsbeziehungen 1 Ein Bericht über die Ausgrabungen und eine Analyse der Knochenreste findet sich bei D. Christou, A. P. Agelarakis, A. Kantaand und N. Stampolidis in Karageorghis und Stampolidis, Eastern Mediterranean, 207–29. 2 Ein Überblick zu den Phöniziern auf Zypern findet sich in C. Baurain und A. Destrooper-Georgiades in Krings, Civilisation, 597–631; ebenso Reyes, Cypres, 18–21. 3 Hs. 27:15. 4 Markoe, Bowls, 95–99, 125–27. 5 S. Ribichini, ACFP 3, 341–47. 6 Zu den Funden von Eleutherna, siehe N. Stampolidis, A. Kanta und A. Karetsou in Karageorghis und Stampolidis, Eastern Mediterranean, 175–84 und 159–73. Zu Knossos siehe J. N. Coldstream und H. W. Catling, Knossos, The North Cemetery: Early Greek Tombs 1–4, London 1996. 7 Horn., Od. 13.272–77. Zur Verbreitung phönizischer Luxusgüter im Mittelmeerraum, siehe G. Markoe, BASOR 301, 1996, 58, Abb. 18. 8 Zur Idahöhle, Kommos und den kretischen Eisenhandel siehe H. Matthäus, J. Shaw und G. Markoe, jeweils in Karageorghis und Stampolidis, Eastern Mediterranean. 9 Xen., Hell. 4.8.7. 10 Hdt. 1.105. 11 Zu Kythera siehe J.N. Coldstream und G.L. Huxley (Hrsg.), Kythera, London 1972, 36–7; zu Gytheion siehe N. Scoufopoulos-Stavrolakes in Raban, Harbour Archaeology, 49–62. Nach Aristoteles wurde Kythera in der Antike Porphyroussa (»Rote Insel«) genannt. 12 Hdt. 6.47. F. Salviat und J. Servais, BCH 88, 1964, 280–84. 13 Horn., III, 23.741–45. Zu den Phöniziern und Thasos, siehe Hdt. 2.44; 6.46–47; siehe auch Lipinski, Dictionnaire, 144. 14 Zu Syros, vgl. Horn., Od., 15.403 ff und J. Muhly, Berytus 19, 1970, 41 ff und Nr. 169–72. Direkter Einfluss der Levante auf
15 16
17 18 19
21 22 23 24 25 26 27 28
29
30 31 32 33 34
Naxos zeigt sich in den kykladischen Vasen der dort gefundenen »heraldischen Gruppe«. J. Boardman, The Greeks Overseas, London 1980, 113–14. J. N. Coldstream (siehe Anm. 37; Zu Keramikimporten aus Euböa in Tyros siehe J. N. Coldstream und P. Bikai, RDAC, 1988, Teil 2, 35–44.) Horn., Od., 13.272–86; 15.473–82. Thuk. 6.2.6. Zu phönizischen Siedlungen auf Sardinien siehe zuletzt F. Barreca, La civiltà fenicio-punica in Sardinia, 2. Aufl., Sassari 1988; und P. Bernardini, R. D’Oriano und P. G. Spanu, Poinikers Bshrn. I Fenici in Sardegna, Oristano 1997. 20 Siehe Kopeke und Tokumaru, Greece, Tafel 71, Abb. 8. Siehe Kapitel Materielle Kultur, Anm. 42. G. Markoe, HbÄ 19/20, 1992/3, 11–31; ders. in Kopeke und Tokumaru, Greece, 61–84; ebenso D. Ridgway in op. cit., 90–91. Diod. 5.12. Ps.-Arstt, Mir. ausc. 134. Plinius, N.H. 16. 216. H. Ben Younes in Krings, Civilisation, 800; P. Cintas, Karthago 2, 1951, 40 ff; A. Lezine, Utique, Tunis 1970. M. Longerstay in Krings, Civilisation, 831–32. M. Bouchenaki in Richerche Puniche nel Mediterraneo Centrale, Rom 1970, 47–61; S. Lancel in Krings, Civilisation, 786– 93. Zu Rachgoun, siehe C. Vieullemot, Reconnaissances aux échelles puniques d’Orante, Herbst 1965, 55–130. Zu zwei Seiten der Ausgabe, siehe J. Alvar und J. M. Blazqnez (Hrsg.), Los engmas de Tarteso, Madrid 1993; und M. Elat, OLP 13, 1982, 55–69 oder M. Koch, Tarschisch und Hispanien, Berlin 1984. Harrison, Spain, 34–35. Aubet, Phoenicians, 223–30. D. Ruiz Mata und C.J. Perez, El Poblado Fenico del Castillo de Doña Blanca, Cádiz 1995; Mata, MM 27, 1986, 87–115. J. Fernandez Jurada, Tejada la Vieja: un ciudad protohistorica, Huelva 1987. Zum spanischen Silberhandel allgemein, siehe Aubet, Phoenicians, 236–47. Zu den Minen am Rio Tinto, siehe Harrison, Spain, 149–54.
35 A.A. Tavares (Hrsg.), Os fénicos no territorio Portugués, Lissabon 1993. J. Soares und C. Tavares da Silva, Cástelo de Alcácerdo Sal: descorbertas no sul de Portugal, Setobal 1981. 36 Eine bemerkenswerte Ausnahme bildet die Inselsiedlung Cerro del Villar an der Flussmündung des Guadalhorce; zu neueren Ausgrabungen dieser Handwerker- und Handelssiedung von etwa 10 ha Größe, siehe M. E. Aubet, Festschrift für Wolfgang Rolling, Neukirchen-Vluyn 1997, 11–22; und dies. Cerro del Villar I, Barcelona 1999. 37 Neuere Arbeiten zu den phönizischen Siedlungen in Südspanien siehe Aubet, Phoenicians, 218–76; und H. Schubart in Krings, Civilisation, 743–61; M. E Aubet, PBA 86, 1996, 47– 65; und Martin Ruiz, Feniciar. 38 Einen allgemeinen Überblick über die orientalisierende Zeit von Tartessos gibt Harrison, Spain, 51–68. Zu den Auswirkungen des phönizischen Alphabets auf die iberische Schrift, siehe J. de Hoz in Cl. Baurain, C. Bonnet und V. Krings (Hrsg.), Phoinikeia grammata, lire et écrire en mediterranee, Liège 1991, 669–82. 39 C. Gomez Bellard in Krings, Civilisation, 762–72 mit neuer Bibliographie; ders. MM 34, 1993, 83–107. 40 Plinius, N.H. 19.63. 41 Eine neuere Analyse von Lixus, siehe P. Rouillard in Krings, Civilisation, 781–83; H. G. Niemeyer, HbÄ, 15–17, 1988–90, 189–207. 42 Zu den phönizischen Siedlungen in Marokko, siehe P. Rouillard in Krings, Civilisation, 776–83. Zu Mogador siehe A. Jodin, Mogador, comptoir phénicien du Maroc atlantique, Tanger 1966. 43 Strabon, 17.3.3. 44 Hdt. 4.4.2. 45 Strabon, 2.3.4. 46 Ps.-Arstt., Mìrab. ausc. 84; Diod. 5.19–20. 47 P. und P. Bikai, Archaeology, Jan/Feb. 1990, 23. 48 M. E. Aubet, EBA 86, 1996, 51–55. 49 Eine Analyse und englische Übersetzung des Textes bietet Harden, Phoenicians, 171–77; auch G. C. Picard in Huss, Karthago, 182–92; und Huss, Geschichte, 75–83. 50 Avienus, Ora Maritima, 114–29, 380–89, 404–15. Huss, Geschichte, 84–85.
Anhang Die neuesten Berichte über die im Text genannten Ausgrabungen finden sich in Lipinski, Dictionnaire, Stern, Encyclopedia, und OxEANE. 1 Zum antiken Hafen, siehe Raban in Raban, Harbour Archaeology, 30–38. 2 Briend und Humbert, Tell Keisan. 3 Bikai, Tyre; Katzenstern, Tyre; Joukowsky, Heritage. 4 Papyrus Inastasi: ANET (3), 477. 5 Allgemein, siehe Poidebard, Tyr. 6 Zu dieser plausiblen Vermutung siehe P. und P. Bikai in Berytos 35, 1987, 75. 7 Pritchard, Sarepta. 8 Zu den frühen Ausgrabungen siehe Syria 1, 1920, 198–229, 287–317; 4, 1923, 261 ff.; 5, 1923, 9–23, 123–34; BMB 19, 1966, 103–105; 20, 1967, 27–44; 22, 1969, 101–07. Zu den vorläufigen Berichten über die neue Ausgrabungskampagne siehe C. Doumet-Serhal in [Beirut] National Museum News 11, 1999, und BAAL 4, 1999 (erscheint demnächst). 9 Poidebard und Lauff ray, Sidon. Nach Poidebard war die südliche Bucht vor den Südwestwinden nicht ausreichend geschützt, um in der Antike effektiv als Hafen gedient haben zu können. 10 ANET(3), 287–88. 11 Siehe F. C. Eiselen, Sidon. A Study in Oriental History, New York 1907, 5–6. 12 Zu vorläufigen Berichten über neuere Ausgrabungen siehe BAAL 1, 1996, und 2, 1997. Ich danke Dr. Leila Badre für ihre Großzügigkeit, mir ihre Entdeckungen von den Ausgrabungen in Beirut vor ihrer Publikation zur Verfügung zu stellen. Diese Funde wurden publiziert in BAAL 2, 6–94. Siehe auch J. Elayi und H. Sayegh, Un quartier du port phénicien de Beyrouth au Fer II.l/Perse. Les objets. Transeuphratène, Suppl. 6, 192, Paris 1998. 13 Montet, Byblos; M. Dunand, Fouilles de Byblos, 5 Bde., Paris 1937–58; ders. Byblos: Its History, Ruins and Legends, 2. Aufl., Beirut 1968. 14 Siehe J.-C. Margueron in Acquaro, Biblo, 24, Anm. 27 und Abb. 8. Zu Untersuchungen der südlichen Bucht und eines
15 16 17 18 19
20 21
kürzlich entdeckten Riffs unter Wasser, siehe H. Frost, [Beirut] National Museum News 8, 1998, 29 und BAAL. J. Elayi, Transeuphratène 2, 1990, 59–71. H. Salamé-Sarkis, ML/S/50, 1975–76, 549–65. H. Salamé-Sarkis, ML/5/47, 1972, 123–45. J.-P. Thalmann, Berytus 39, 1991, 21–38. Zur archäologischen Forschung von Tell Kazel, siehe AAAS 14, 1964, 3–14; L. Badre u. a., Berytus 38, 1990, 9–124; dies., Syria 71, 1994, 259–346 und ACFP3, 118–27. J.-P. Rey-Coquais, Arados et sa Pérée, Paris 1974. Zu Ma’abed, siehe Wagner, Einfluss, 2–8, Tafeln 15:1, 33; zu den Grabtürmen siehe E. Will, Syria 25, 1949, 282–85; Wright, Building, 328–29.
Glossar Akropolis Alabastron
ankh Aryballos betyl
cippus kothon Fayencen Glacis naiskos Nekropole Oinochoe ostrakon Phiale Pithos Skarabäus
Situla Stele Suffete
höher gelegener, befestigter Teil einer antiken Stadt Parfum- oder Salbenfläschchen mit abgeflachter Lippe, schmaler Öffnung und einem länglichen Körper mit rundem Boden antikes ägyptisches Hieroglyphenzeichen für »Leben« kleines Kugelgefäß für Parfum monolithischer Stein in Form eines Kegels oder einer spitz zulaufenden Säule als Repräsentant einer Gottheit kleine niedrige Säule als Weihgeschenk oder Grabstein künstlich angelegtes Trockendock zum Bau oder zur Reparatur von Schiffen Gegenstände aus einem Sandquarzkern mit verglaster Oberfläche künstlicher Abhang an einer Befestigungsmauer zur Verteidigung gegen Angriffe Schrein in Form eines kleinen Tempels mit Säulen Bestattungsplatz einer antiken Stadt Henkelkrug mit kleeblattförmiger Lippe Keramik- oder Kalksteinscherbe mit einer Inschrift flache Schale mit einer Bosse in der Mitte, als Trinkschale oder für Trankopfer verwendet großes Tongefäß mit weiter, runder Öff nung standardisierte Darstellung eines Skarabäuskäfers aus Stein oder Fayence, meist mit einer Inschrift auf der Unterseite Skaraboid Skarabäusgemme mit einer flachen Unterseite und einem runden Rücken Bronzekanne oder -eimer aufrecht stehender flacher Stein als Votiv- oder Grabstein einer der beiden jährlich gewählten obersten Magistraten in Karthago und anderen punischen Städten in Nordafrika und dem Mittelmeer
Register (kursiv gesetzte Ziffern verweisen auf Abbildungen) [Alle Seitenverweise beziehen sich auf die Druckausgabe]
Abdaschtart (Straton) I. 51, 58, 63; II. 60 Abdemon 57 Abdimilkutti 44 Abibaal 34, 87 Abu Hawam, Tell 23, 62, 195–196 Achziv 23, 144, 160, 196–197 Adonis 118, 124 Adra(Abdera) 188 Afqa 122, 123 Agathokles 66, 108, 135 Ägina 176–177 Ägypten: Verwaltung von Phönizien 15, 16, 19, 22, 46; Handel mit Phönizien 15, 17– 18, 20, 26–27; Tempelwirtschaft 18, 19; 18. Dynastie 14–19; 19. Dynastie 19; 20. Dynastie 25, 26; 21. Dynastie (tanitische) 32, 36; 22. Dynastie (lybische) 36, 41, 44, 149, 155; 25. Dynastie (kuschitische) 44–45; 26. Dynastie (saïtische) 46, 49– 50; Persereinfall/-herrschaft 49, 50, 51, 56–57 Ahab 37, 150 Ahaziah 37 Ahiram, Sarkophag des 140, 147– 148, Tafel 3 Aïn el-Hayat 128 Akaba, Golf von 33, 35, 50
Akkar-Ebene 14, 15, 17, 19, 21, 22, 38, 76, 94, 206–208 Akko 22, 23, 46, 61, 62, 77, 96, 196 Akko-Ebene 34, 44, 76, 200 Akragas (Agrigent) 54–56, 64, 65, 103, 106 Alexander der Große 60–61, 193, 198 Al Mina 62, 63, 77, 101, 114, 177 Almuñécar (Sexi) 77, 188 Alphabet, phönizisch 12, 111–114 Amarna-Briefe 12, 15–17, 22, 31, 87, 95, 116, 160, 200, 206, 207 Amathus 32, 52, 57, 77, 82, 122, 144, 173, 174, Tafel 8 Amenenope, Onomastikon des 26, 28 Amenhotep IV. (Echnaton) 16, 31, 76 Amrit (Marathus) 62, 64, 128, 129, 144, 162, 208–209 Amuq-Ebene 29, 36 Amurru 14, 15, 21, 31, 207 Antas 139 Arabien 35, 41, 47, 57 Aramäer 23, 25, 34, 36, 40 Ardé, Tell (Ardata) 204 Argos 177 Arqa, Tell (Irqata) 76, 130, 206– 207 Artaxerxes I. 52; II. 57; III. 58–61 Arwad: 14, 21, 22, 31, 36, 207–208; späte Bronzezeit 14, 22, 31; Aramäer 40; Assyrer 42, 45; Babylonier 48;
Perser 49, 59, 61, 62; Münzprägung 98–102; Hafen 68, 208; Größe 67, 207 Asarhaddon 44, 45, 87 Aschdod 28, 29, 35 aserah 123 Askalon 24, 28, 29, 35, 42, 62 Assurnassirpal II. 36, 38–40, 46, 149, 151 unten, Tafel 4 Assyrien 21, 25, 36–46, 96, 153, 177 Astarte 20, 53, 87, 116–119, 121– 123, 125–127, 129, 130, 132–133, 139, 140, 183, 186, 199 Athen 51, 56–58, 100, 176, 177 Atlit 68–69, 83, 96, 195 Auza 37 Azoren 13, 191 Baal (Gott) 20, 87, 118–120, 124, 159 Baal I. 44–46, 87, 117; II. 47 Baal Hammon 66, 108, 120, 132, 134, 136, 138, 139, 143, 186, 192 Baal Saphon 117, 120 Baal-Schamem 116, 117, 120, 130, 199, 208 Baalat Gūbla 37, 100, 116, 118, 19, 124, 130, 205 Baalmilk I. 99, 100 Babylon 25, 36, 46–48, 59 Baetocece 62 Balawat, Bronzetore von 40, 150 Balearen 85, 105, 189–190 Batnoam 141 Batrun 22, 38 Befestigungen: phönizisch 0–83; punisch 85–86 Beirut: 204; Spätbronzezeit 81, 04; Eisenzeit 204; Perserzeit 61, 78, 204;
Befestigungen 80–81, 204; Münzprägung 102; Größe 67, 204; Stadtentwicklung 76, 78, 204 Bekaa-Ebene 20, 22, 25, 31, 38, 94, 203 Ben-Hadad I. 17, 38, 40 Bes 117, 126, 158, 159 Bestattungssitten 68, 139–145 betyl 100, 123–124, 125, 128, 133– 134 Bithia 181 Bodaschtart 129 Bretagne 104, 190, 192 Britische Inseln 13, 192 Bronzeherstellung 17, 33, 131, 147 Byblos: 204–206; mittlere Bronzezeit 15, 205; Spätbronzezeit 15, 19, 22, 26; Assyrer 36, 40, 41, 45; Babylonier 48; Perser 49, 61, 62, 205; Bronzeverarbeitung 17, 147; Münzprägung 98, 99, 101; Befestigungen 80, 82–83, 205; Hafen 204–206, Bauholz 15, 19, 26, 27, 93; Handel mit Ägypten 15, 19, 22, 26–28, 36, 93, 96; Stadtentwicklung 76–78, 205– 206 Cádiz (Gadir) 56, 103, 122, 132, 139, 170, 184–188, 190, 191, Tafel 2 rechts Caere 54, 66, 123, 182 Cerro del Villar 188 Cerro Salomon 103, 187 Chorerras 188 Chusor (Kothar) 120 Cornwall 190, 192 Dagon 120, 132 Damaskus 21, 38–39, 41, 42, 95
Dan (Lais) 26, 29, 30, 35, 38 Dareios I. 49–51, 98; II. 56; III. 193 Delos 51, 176 Demeter und Kore, Kult 65, 108, 133 Diodor 51, 55, 59, 60, 65, 83, 97, 135, 183, 191 Dionysios I. 64, 74, 179 Dor, Tell 26, 28, 30, 35, 62, 11, 81
gegossene Gefäße 160, Tafel 5 unten; Sandkerngefäße 160; stabgeformte Kopfanhänger 161, Tafel 6 Goldhandel 33, 38, 104, 176, 187 Golgoi 51, 52, 174 Gozo 182, 183 Guadalquivir 33, 103, 186, 189
Edom 35, 46 Eisenhandel/-verarbeitung 62, 95, 98, 104, 175, 180 El 117, 120 Eleutherna 175 Elfenbein 38, 104, 146–151, 153, 159, 169, 170, Tafel 4 Elibaal 37 Elissa 131 Elymer 84, 89, 179 Enkomi 20, 28 Eschmun 87, 116–119, 121, 124, 128, 209 Eschmunazar II. 156 Es Cuieram 132 Etrurien 84, 103, 104, 153, 160, 168, 169, 178, 182 Euböa 32, 114, 177, 182 Evagoras I. 57, 63 Ezion-Geber 33 Farbe, Purpur 22, 68, 95, 98, 104, 167–168, 176, 189, 199, 202–204 Fayence 22, 68, 104, 151, 161–162, 177, 199 Fischerei 96, 104–105, 191 Galiläa 29, 30, 34, 38, 61, 62, 94, 197, 200 Gelidonya, Kap 20, 21 Gesellschaft 88–92 Glas: Barren 22, 160; Einlagen 161;
Hadrumetum 132, 138, 185 Hafen: 37, 53, 68–69, 75, 83, 96, 195, 196, 202, 204–208; kothon 69, 75, 175–176 Hamath 40, 41 Hamilkar 54, 64 Handel: Ägäis 32, 33, 49, 51, 98, 176–177; Anatolien 21, 36, 37, 47; Atlantikküsten 104, 186, 190–191; jenseits des Euphrat 21, 26, 36–38, 102; Mykene 21, 180; Rotes Meer 50, 96; jenseits der Sahara 103, 105; Westafrika 104, 105, 191; karthagische Exporte 104. Hanno (General) 56; Hanno (Seemann) 56, 191, 192 Hazael 40, 41 Hazor 26, 35, 81 Herakles 65, 99, 100, 127, 130, 159, 172, 176, 199, 208 Herodot 12, 48–50, 53, 79, 114, 116, 122, 176, 177, 191, 199 Hesekiel 41, 94, 150, 167, 174 Hethiter 14, 19, 21, 25 Himera 54, 55, 64, 84, 106 Himilko (General) 65; Himilko (Seemann) 13, 56, 104, 192 Hiram (tyrischer Bronzegießer) 35 Hiram I. 33, 76, 87, 94, 116, 118, 130, 131, 147, 148, 199; II. 42, 88, 173; III. 47
Höhlen, Grotten, heilige 126, 132, 204 Holzhandel 15, 19, 22, 26, 27, 46, 93, 104, 188 Homer 10, 151, 162, 175, 176, 178 Horus 100, 126, 133, 149, 158, 159, 172 Horvath Rosh Zayit 34, 70, 159 hubur 96 Huelva 186, 187, 189 Hyksos 14, 15, 20 Iberer 84, 85, 180, 189 Ibiza 54, 132, 163, 172, 189–190, 192 Idahöhle/Zeushöhle 175 Idalion 52, 174 Ingenieurskunst 50, 69, 131 Isebel 10, 37, 150 Isis 117, 126, 132, 133, 140, 158, 159, 172 Israel: 38, 41, 42, 44, 94; vereinigtes Königreich 34, 35 Itanos 175 Ithaka 170, 175, 178 Ittobaal I. 37–38, 40, 140, 201; III. 47, 147 Jerusalem: 36, 46; Tempel der Israeliten 33, 34, 94, 131; Markt für den Handel mit Phönizien 35 Joppa 35, 62 Josephus 47, 116, 118, 130 Juda, Judäer 35, 36, 38, 42, 44–47, 94 Kadmos 114, 175, 176 Kambyses 48, 49, 53 Kamid el-Loz 21, 22, 25, 147 Kampanien 84, 170, 178, 182 Kanaan 10, 20, 112 Kap Bon 66, 72, 104, 178 Karkemisch 21, 37, 38 Karthago: Gründung 38, 131, 184;
Magoniden 53–56, 84; Verwaltung 64, 88–90; Handel mit der Ägäis 54, 56, 63; territoriale Expansion in Afrika 55–56, 105; landwirtschaft liche Nutzung 66, 90, 91, 105–106; Münzprägung 106–108; Wirtschaft 102–106; Befestigungen 85–86; Hellenisierung 64–66; Militär 84–85; nordafrikanisches Imperium 85–86, 89, 90, 184–185; Bevölkerung 90–92; Hafen 69; religiöse Sitten 131–134; Heiligtümer 138–139; Bestattungen 142–145; Stadtentwicklung 62, 70–74, 11, 138, 184; Beziehung zu den Griechen 54, 103; Etrusker 54, 66, 84, 103; Ibiza 54; Sardinien 54, 66, 102–103; Sizilien 54, 55, 64, 65, 102–103; Spanien 54, 56, 104; Verträge mit Rom 66, 103, 105, 193; Punische Kriege 193–194 Kazel, Tell 24, 62, 76, 154, 207 Keisan, Tell 29, 34, 67, 76, 197– 198 Keramik, phönizische: 29, 32, 35, 122, 141, 164–167, 174, 175, 202, Tafel 8 Kerkouane 62, 72, 78–79, 86, 104 Khaldé 17 Kharayeb 130 Khorsabad (Dursharrukin) 40, 97, 149 Kilikien, Kilikier 37, 44, 47, 48, 57, 58, 137 Kition: 28–29, 38, 49, 52, 53, 57, 61, 99, 100, 117, 119, 121, 122, 126, 162, 173; Bamboula-Bezirk 53, 119, 173; Kathari-Bezirk 121, 129, 173 Kolonien: phönizisch 97–98; pimisch 102, 192 Kommos 32, 124, 175
königliche Regentschaft 47, 86– 88, 99, 101 Korinth 104, 177 Korsika 54, 84 Kos 174, 176 Kreta 32, 69, 124, 160, 170, 175– 178 Kunst, phönizisch: Anikonismus 123, 127–128, 133–134; assyrischer Einfluss 151–153; griechischer Einfluss 157, 163; ägyptischer Einfluss 148–152, 155, 159–161; orientalischer Einfluss im Ausland 169–170. Punisch: 170–172; griechischer Einfluss 170–172 Kupferhandel 17–18, 38, 97–98, 103, 174, 180 Kuschiten 44–45 Kyros der Große 48, 49 Kythera 175–176 Lakonien (Sparta) 176 Landwirtschaft 94, 105–106, 188, 192, 197–198 Lapithos 99, 174 Lefkandi 32, 152–153 Leptis Magna 185 Les Andalouses 185 Libyen 38, 41, 84, 89, 105, 108, 184, 185 libysche Phönizier 84, 89 Lilybaeum 75–76, 105 Literatur 11 Lixus 132, 184, 190–191 Lotos, Ikonographie 140, 168 Luli (Eloulaios) 42–44 Lydien 49, 56 Mago 53–54, 84 Maharbaal 48 Malaga 188 Malta 132, 182–183 Mattan-Baal 42
mar zela 121 Masken: phönizische 122, 141, 163–164, Tafel 7; punische 171–172 Masos, Teil 29, 35 Massalia 104, 190 Mattan II. 42 Mauerkonstruktion 29, 70, 71, 83, 200 Mazaios 58, 60 Mazedonien 61, 66, 84 Medjerda 55, 56, 105, 184 Megiddo 29, 81, 147 Melkart 43, 53, 66, 87, 88, 97, 99, 100, 116–119, 121, 130–132, 139, 140, 183, 184, 186, 199, 208 Memphis 18, 20, 45, 46, 48, 96 Meniko-Litharkes 52, 174 Metallhandel 95, 98, 103, 174, 175, 180, 182, 185–187, 190 Milet 49, 176 Militär, phönizisch: Armee 79– 80; Marine 48, 49, 51, 56, 79– 80, 99. Punisch: Armee 84–85; Marine 85 Milkaschtart 119 Moab 35, 46 Mogador 124, 191 Monte Sirai 72, 74, 78, 143, 144, 182 Moro de Mezquitilla 188, 189 Mosaiken 73–74 Mozia: 54, 64, 69, 74–76, 77, 106, 124, 137, 139, 178, 179; Befestigung 82; Stadtentwicklung 74–76 Münzprägung, phönizisch 51, 58, 59, 60, 98–102, 173; punisch 106–108 Nabonidus 48 Nahr el-Kelb 19, 22 Naxos (Sizilien) 178, 179 Nebukadnezar IL 46, 47, 53
Necho IL 12, 50, 191 Negev 29, 35 Nektanebos IL 59, 60 Nimrud 38–39, 149–151, 160, Tafel 4 Nora 180, 181 Nubien 36, 44–45 Numider 84, 85
Qart-Hadasht 173, 184 Qasile, Teil 29
Ophir 13, 33, 35, 96 Orontes 14, 18, 21, 62 Osorkon I. 37; IV. 45 Palermo (Panormos) 54, 103, 106, 178–179 Paphos 32, 122, 124, 174 Papyrus 11, 27, 111, 138–139 Perserkriege 49, 52, 55, 79 Pfeilspitzen (mit Inschrift) 124 Phalasarna 69, 175 Philistia 25, 26, 29, 35, 42, 46, 62 Philo von Byblos 120, 140 Phokäa 54, 84, 190 Phönizier: Definition 10, 167; geographische Heimat 10–11; Kolonisierung im Ausland 38, 41; Handelsexpansion in der frühen Eisenzeit 29–30; Assyrer 36–46, 98; Babylonier 46–48, 98; Perser 48–53, 56–62, 98; Handel mit Griechenland 49; Hellenisierung 63–64 Piraterie 105 Pithekoussai 114, 182 Psammetich I. 46, 49 Pseudo-Skylax 62, 104, 200, 203 Ptah 127, 140 Puig des Molins 190 Pumay 131, 180 Punische Kriege 74, 84, 107–108, 193–194 Purpurschnecke (Murex) 99, 100, 167–168, 203, 204 Pyrgi 54, 133
Rabat-Mdina 183 Rachgoun 69, 185 Rachidiyeh, Tell 143, 200 Ramses II. 20; III. 25, 147; IV. 25 Rasiermesser 141, 172 Religion, phönizische: späte Bronze- bis frühe Eisenzeit 116–118; Kosmogonie 120; kultische Bräuche 121, 128; einheimische/ häusliche Kulte 125, 132–133; ägyptische Kulte 126–127, 133; Musik 123, 135; Priester 87, 92, 121, 122, 133, 134, 136, 137; Prophezeiungen124; heilige Prostitution 121–122, 133; Opfer 122–123, 134–138; Tempelarchitektur128–131; Votivgaben 122, 123, 153; Punische: Pantheon 131–13 4; Tempelarchitektur138– 139; tophet 132, 134–138 rephaim 121, 139–140 Reschef 117, 119, 127, 131, 205 Rhodos 49, 160, 162, 174–177 Rib-Adda 16, 95 Rio Tinto 103, 187 Sa Caleta 190 Salamanasser III. 36, 39–40, 150 Salamis 52, 57, 99 Salomo 33, 34, 94, 96, 130, 131, 147, 186 Samaria 37, 42, 150 Sanchuniathon 120 Sanherib 38, 42, 43, 44, 80, 82, 203 Sardinien 41, 102, 103, 108, 179– 182 Sarepta: 16–, 22, 24, 29, 32, 44, 62, 67, 118, 166, 167, 201–203; Tanit-Astarte-Schrein 125; Stadtentwicklung 76
Schadrapha 127, 131 Sched 119, 127, 133 Sargon II. 42, 97, 98 Sarkophage 51, 63, 65, 139–141, 147, 155–157 Schiffe: Handelsschiffe 97; Schiffsbau 96, 98, 104; Wracks 97; Kriegsschiffe 79–80, 85, 99, 100, 101; ägyptische 19, 20 Schmuck: Fayence 161–162; Metall 157–158, Tafel 5 oben Schrift: Sprache, phönizische 109– 114; punische 115; Schrift: proto-sinaitisch 112; byblisch pseudo-hieroglyphisch 112; linearalphabetisch 12, 112; punisch 115 Seevölker 12, 23–25, 28, 76 Seleukiden 193, 204, 206 Selinunt 64, 65, 77, 106 Sharonebene 51, 62, 94 Sheikh Zenad 207 Sicca Veneria 133 Sidon: 202–204; späte Bronzezeit 16, 17, 22; Vorherrschaft in der frühen Eisenzeit 30, 31; Assyrer 40, 44, 203; Babylonier 46, 48; Perser 49–51, 58–60; tyrischer Wirkungskreis 38; Rivalität mit Tyros 15–16, 31; Handel mit der Ägäis 63; Münzprägung 98– 102; Eschmun-Tempel 51, 61, 64, 118, 125, 127, 128, 129, 203; Befestigungen 80, 82–83; Seemacht 4, 79; Hafen 68, 83, 202; Größe 67; Stadtentwicklung 31, 32, 77–78 Siegel, Skarabäen 159 Sikuler 84, 107, 175, 179 Silberhandel 38, 98, 103, 176, 180, 182, 186, 187, 189, 190 Simyra 41, 207 Sizilien 102–103, 106, 108, 178– 179
Sklaverei, Sklavenhandel 91, 104 Solunt 77, 103, 178, 179 Spanien 185–189 Sphingenthron 124–125, 127, 128, 163 Städte: Stadtentwicklung 76–79; axiale (hippodamische) Planung 62, 77–78, 196 Stelen, phönizische 154; punische 171 Straußeneier 141, 172 Suezkanal 50 Suffetten 47, 88–89 Sukas, Tell 23, 62, 77, 130 Sulcis 81, 86, 102, 144, 181, 182 Syrakus 54, 55, 56, 64, 65, 66, 103, 106, 107, 108, 178 Tabnit I. 141, 156 Taharka 44, 45 Tamassos 51–52, 122, 174 Tambourit 143 Tanit 108, 119, 132, 136, 143, 183, 202; Tanit-Zeichen 102, 134, 139, 171 Tarschisch 94, 186; Schiffe von Tarschisch 13, 33, 97 Tartessos, tartessisch 33, 186, 187, 189 Teke 28, 175 Tennes (Tabnit II.) 58, 59, 60 Terrakotten, phönizische 64, 124, 145, 162–164; punische 163– 164, 171–172, 174 Tharros 78, 81, 86, 138, 139, 157, 159, 160, 181, Tafel 5 oben Thukydides 103, 178, 179 Thutmosis III. 14–17, 206; IV. 18 Tiglatpileser I. 26, 31; III. 38, 41, 42 Tjekker 25–28, 30, 87 tophet 68, 134–138, 170, 181 Tortose (Antaradus) 62, 207, 208 Toscanos 188–189
Tridacna-Muscheln 168–169, 174 Tripolis 59, 61, 206 Troodosgebirge 51–52, 174 Tyros: 67, 198–201; späte Bronzezeit 12, 15–17, 22, 198; Übergang späte Bronze- zu früher Eisenzeit 23–24; Hiram I. 11, 76, 87, 130–131, 199; Assyrer 41–43, 45–46; Allianz mit den Kuschiten 45; Belagerung durch Nebukadnezar 46–47; Babylonier 46–48, 53; Perser 48–50, 53, 59, 61; Eroberung durch die Mazedonen 60–61, 198; landwirtschaft liche Abhängigkeit 34, 43, 94, 95; Münzprägung 98–102; Handel mit Ägypten 31, 37, 44, 50, 94, 95; Handel mit Israel 33–35, 37, 41; wirtschaft liche Expansion im Ausland 32–33; Brandgräberfeld 142–145, 201; Exportwirtschaft 94–95; Befestigungen 82, 83, 200; Regierung 47, 86–88; Binnenhandel 34–35, 94–95; Hafen 68, 83, 201; Größe 67, 199; Melkart-Tempel 97, 116, 130, 199; Handelsnetzwerk bei Hesekiel 94–95; Beziehung zu Aram-Damaskus 37– 38; Rivalität mit Sidon 15–16, 31, 32; Herrschaft über Sidon 38; Stadtentwicklung 31, 32, 76, 130–131, 198–200 Ugarit 15, 16, 21–23, 26, 76, 95, 96, 112, 116, 117, 120, 139, 146, 207 Ullasa 14, 206 Ulu Burun, Schiffswrack 18, 20, 160 Umm el-Amed 64, 119, 121, 122, 130
Ushanahuru 45 Ushu 31, 43, 46, 200 Utica 38, 102, 104, 144, 184, 194 Verwaltung: phönizische 86–88, punische 88–90 Wasserversorgung/-entsorgung 68, 73, 129 Weberei und Textilgewerbe 22, 27, 38, 41, 68, 92, 95, 104, 141, 167– 168, 198, 199 Weihrauch 41, 123, 140 Wenamun, Bericht des 26–28, 30, 31, 33, 76, 87, 93, 96, 111, 147 Wirtschaft: vor-monetär 93–95; Struktur 95–97; Tribut/Besteuerung 40, 93, 98; Gewichte und Standards 102, 106 Wohnhausarchitektur, phönizisch 70–72; punisch 72–74 Xerxes 49, 55 Yehaumilk 119, 130 Yehimilk 116 Zakarbaal 26, 27, 30, 87, 111 Zedernholz 19, 26–27, 34, 35, 47, 87, 93, Tafel 1 unten Zinçirli 36, 37, 110, 149 Zinnhandel 17–18, 38, 103, 186, 190 Zypern: Spätbronzezeit 17, 18, 20– 22; Seevölker 23, 28–29; Assyrer 42; Perser 49, 51–53, 57; Münzprägung 99; Kupfer 17, 20, 28, 38, 42, 52–53; Beziehungen zu Ägypten 28; Handel mit Phönizien 18, 20–21, 22, 26, 29, 30, 32, 52–53, 207
Zeittafel Chalkolithikum 4500(?)–3100 v. Chr. Frühe Bronzezeit 3100 – 2000 v. Chr. Mittlere Bronzezeit 2000–1550 v. Chr. Späte Bronzezeit I 1550–1400 v. Chr. Späte Bronzezeit II 1400–1200/1150 v. Chr. Frühe Eisenzeit 1200/1150–1000 v. Chr. Mittlere Eisenzeit 1000–586 v. Chr. Späte Eisenzeit (Neobabylonisch) 586–538 v. Chr. Perserzeit 538–332 v. Chr. Hellenismus 332–64/63 v. Chr.
Danksagung Im Laufe der Arbeit an diesem Buch habe ich mich vielen Kollegen, die mir bei der Beschaffung der II.lustrationen behilflich waren, ihr Wissen einbrachten oder mir ihre Forschungsergebnisse zur Verfügung stellten, zu Dank verpflichtet. Ich möchte mich hiermit bei den folgenden Personen bedanken: Joan Aruz, Cannile Asmar, Maria Eugenia Aubet, Leila Badre, Amelie Beyhum, Pierre und Patricia Bikai, Betsy M. Bryan Barbara Burrell, Lionel Casson, John Curtis, Joseph A. Greene, David F. Grose, Eric Gubel, Thor Heyerdahl. Vassos Karageorghis, Stephen Kaufman, Serge Lancel, P. Kyle McCarter, Andrew Meadows, P. R. S. Moorey, Paul Mosca, Oscar White Muscarella, Hans Georg Niemeyer, Lawrence Stager, Andrew F. Stewart, Paolo Visona und David Weisberg. Darüber hinaus danke ich Linda M. Pieper, kuratorische Sekretärin am Cincinnati Art Museum, für ihre unschätzbare Hilfe bei der Aufbereitung des Manuskripts. Vor allem danke ich der ehemaligen Museumsdirektorin Barbara K. Gibbs für ihre Ermutigungen und ihre Unterstützung, indem sie mir Forschungsurlaub gewährte, um dieses Buch zu vollenden.
Bildnachweis Exponate des British Museum (BM) (Department of Western Asiatic Antiquities) werden mit WAA und ihrer Eingangsnummer bezeichnet. Farbtafeln 1 oben Musée du Louvre, Paris, Department des Antiquités Orientales, AO 9093 © RMN 0499563 - Hervé Lewandowski. – l unten. Foto Pierre Bikai. – 2 rechts Museo Arqueológico Nacional, Madrid. RCS Libri and Grandi Opere, Mailand. – 2 links Musée du Louvre, Paris, Department des Antiquités Orientales, AO 3988 © Christian Larrieu. –3 Foto Phillippe Maillard. – 4 BM WAA 127412. – 5 oben BM 133316, BM 133317, BM 133529. 133530; BM WAA 133392 (56–12–23, 790), BM 133940 56–12–23, 1339, BM 133395, 56–12–23, 792, BM 133486. 56–12–23, 893.– 5 unten Rom, Museo Archeologico di Mila Giulia, RCS Libri and Grandi Opere, Mailand. – 6 Musée du Louvre, Paris, Department des Antiquités Orientales, AO 3738 © RMN 00499504. – 7 Foto M. E. Aubert–8 links Bezirksmuseum, Limassol. RCS Libri and Grandi Opere, Mailand. – 8 rechts Bezirksmuseum, Limassol. RCS Libri and Grandi Opere, Mailand. Schwarz-Weiß-Abbildungen Frontispiz: Musée du Louvre, Paris, Department des Antiquités Orientales, AO 4806 © RMN 00600194 – Chuzeville. – S. 16 BM 29811. – S. 27 Puschkin-Museum, Moskau – S. 37 Musée du Louvre, Paris, Department des Antiquités Orientales, AO 9502. – S. 39 BM WAA 124562. – S. 40 BM WAA 124656. – S. 43 BM. Zeichnung von Sir Austen Henry Layard. – S. 45 Staatliche Museen zu Berlin Preussischer Kulturbesitz, Vorderasiatisches Museum, VA 2708, VAN 8873. – S. 53 Foto Marguerite Yon, KB 1996. Mission française de Kition-Bamboula. – S. 55 Foto Claudia Kunze, September 1998, mit freundlicher Genehmigung
H. G. Niemeyer. – S. 63 Archäologisches Museum Istanbul. – S. 65 Musée du Louvre, Paris, Department des Antiquités Orientales, AO MND 800 © Christian Larrieu. – S. 67 Tyros unter http://al-mashriq.hiof.no.general/930. – S. 69 Zeichnung aus A. Raban (Hrsg.), Harbour Archaeology: Proceedings of the First International Workshop on Ancient Mediterranean Harbours, Oxford 1985, 33, Abb. 14. – S. 70 Z. Gal, Levant 24, 1992, 109. – S. 71 Zeichnungen mit freundlicher Genehmigung H. G. Niemeyer. – S. 72 Foto Dieter Jahn, 1993, mit freundlicher Genehmigung H. G. Niemeyer. – S. 73 Foto S. Lancel. – S. 74 R Bartoloni, S. F. Bondi und L. A. Marras, Monte Sirai, Rome 1992. – S. 75 Aus S. Moscati (Hrsg.), The Phoenicians, New York 1988, 189. – S. 77 E. Aubet. – S. 78 oben Zeichnung aus E. Gubel, Les Phéniciens et le monde méditerranéen, Brüssel 1986, Abb. 32. – S. 78 links Julian Whittelessey. Foto aus Carthage: A Mosaic of Ancient Tunisia, New York und 23. London: W. W Norton und Company 1987, 95, Abb. 43. – S. 79 Musées Royaux d’Art et d’Histoire, Brüssel, IN VA 1323. – S. 80 BM WAA 124772. – S. 81 Foto mit freundlicher Genehmigung des Autors. – S. 82 BM 123053. – S. 83 Baal, Volume 1, 1996, 242, Abb. 2. – S. 97 Musée du Louvre, Paris, Department des Antiquités Orientales, AO 19890 © RMN 00310220 – H. Lewandowski. – S. 210 BM: PCG2A43; BMC Tyre 1; 1948.361; BMC Sidon 6; BMC Arad. 11; BMC Arad. 7; BMC Byblos 38: Hirmer Verlag München 140684R. – S. 107 BM:A 1946.1.1.1600; B 1946.1.1.1616; C 1987.6.49.197; D 1987.6.49.303. – S. MO Staatliche Museen zu Berlin Preussischer Kulturbesitz, Vorderasiatisches Museum, S 6579, VAN 12697. – S. 113 S. Moscati (Hrsg.), The Phoenicians, New York 1988, 94–95. Prof Sergio Nolan. – S. 117 Musée du Louvre, Paris, Department des Antiquités Orientales, AM 1196 (Kopf), AO 4411 (Sockel). – S. 119 Musée du Louvre, Paris, Department des Antiquités Orientales, AO 22368. – S. 121 Ny Carlsberg Glyptothek, Kopenhagen, Nr. 837. – S. 122 Zypern, Nikosia, Kit. 1969 AR 11/1433. – S. 124 BM WAA 125096. – S.
125 links University of Pennsylvania Museum, Philadelphia. Neg. 306 SAB 16. – S. 125 rechts BM WAA 140864. – S. 126 links Musée du Louvre, Paris, Department des Antiquités Orientales, AO 25952. – S. 126 rechts Sevilla, Museo Arqueológico. Aus E. Lipinski (Hrsg.), Dictionnaire de la civilisation phénicienne et punique, Brüssel, Paris 1992. – S. 127 Direction Générale des Antiquités (Abteilung Antiken), National Museum, Beirut, D 6048. – S. 130 Musée du Louvre, Paris, Department des Antiquités Orientales, AO 27197. – S. 133 Foto Philippe Maillard. – S. 134 BM WAA 125252. – S. 135 Foto Jim Whitred, mit freundlicher Genehmigung des ASOR Punie Project. Semetic Museum, Harvard University – S. 136 Bardo Museum, Tunis. Ministère de la Culture Institut Nacional du Patrimoine. – S. 139 Foto Dieter Jahn, KA 93–75–6 1 Neg. 9, mit freundlicher Genehmigung H. G. Niemeyer. – S. 143 Ministero per i beni Culturali e Ambientali, Sardinia. Foto aus P. Bartoloni, S. F. Bondi und L. A. Marras, Monte Sirai, 127, Abb. 41. – S. 144 Aus E. Lipinski (Hrsg.), Dictionnaire de la civilization phénicienne et punique, Brüssel, Paris 1992, 461, Abb. 355, 356 und 357. Mit freundlicher Genehmigung H. Benichou – Safar. – S. 146 Musée du Louvre, Paris, Department des Antiquités Orientales, AO 15557, N 3263. – S. 147 Foto Philippe Maillard. – S. 149 BM WAA 118157. – S. 151 oben Photographie Services, The Metropolitan Museum of Art, New York, NY 10028, Neg. Nr. 74.51.4554. – S. 151 unten BMWAA 115505. – S. 152 Rom, Museo di Villa Giulia, 61574. – S. 153 The Metropolitan Museum of Art, New York, NY 10028, Neg. No. 159474. – S. 154 links Musée du Louvre, Paris, Department des Antiquités Orientales, AO 22247, RMN 00629938. – S. 154 rechts Musée du Louvre, Paris, Department des Antiquités Orientales, 64 BL 839, AO 4836. – S. 155 Museo Arquelógico Nacional, Madrid, No. El. RCS Libri and Grandi Opere, Mailand. – S. 156 links Musée du Louvre, Paris, Department des Antiquités Orientales, AO 4803 © Christian Larrieu; (rechts) BM 125097 64–11–28–1. – S. 334 BM
E 48496, PS 249253; BM 134278; BM 134288; BM 68.5– 20.22, 136023, PS 173622/136023; BM WAA 117719, PS 285185; BM E 48056, PS040200; Direction Générale des Antiquités (Abteilung Antiken), Nationalmuseum, Beirut; BM GR 65.7–12.126, 136021; BM 103305. – S. 340 No. 520, Musée Nationale Tarquiniese. – S. 163 Ibiza, Museo Arqueológico, MAI 1672. RCS Libri and Grandi Opere, Mailand. – S. 165 Aus Patricia Bikai, Cyprus, Nr. 3, 17, 66, 117, 136, 175, 261, 271–2, 355, 373, 402, 468, 497, 565, 588, 591. – S. 166 University of Pennsylvania Museum, Philadelphia, Neg. 54–142743. – S. 168 Zeichnung von Sue Bird; BM GR 1852.1–12.3. – S. 171 Musée du Louvre, Paris, Department des Antiquités Orientales, 69 EN 2801, AO 3242. – S. 174 Zypernmuseum, Nikosia. – S. 175 Archäologisches Museum von Heraklion, Kreta, Nr. 4346. – S. 180 Aus E. Lipinski (Hrsg.), Dictionnaire de la civilisation phénicienne et punique, Brüssel, Paris 1992. – S. 187 Foto H. G. Niemeyer. – S. 201 Direction Générale des Antiquites (Abteilung Antiken), Nationalmuseum, Beirut. – S. 202 Sidon unter http://almashriq.hiof.no.general/930. – S. 207 Arwad unter http://almashriq.hiof.no.general/930.
Seefahrer, Kaufleute und Wegbereiter des Alphabets Die phönizischen Stadtstaaten, allen voran Tyros, Byblos, Sidon und Karthago, prägten mit ihrem weit verzweigten Handelsimperium zwischen 1500 und 300 v. Chr. Geschichte und Kultur des gesamten Mittelmeerraumes. Sie legten neue Städte und Häfen an, erkundeten neue Gewässer, erreichten mit ihren Schiffen England und umrundeten vielleicht sogar den afrikanischen Kontinent. Als Wegbereiter des Alphabets haben sie welthistorische Bedeutung erlangt. Bei den Zeitgenossen standen die Phönizier hingegen in zweifelhaftem Ruf: Sie galten als lasterhafte, geldgierige und skrupellose Betrüger, als moralisch dekadente Kidnapper und Sklavenhändler, als ein verruchter Menschenschlag, der seine eigenen Kinder den Göttern opferte. Ein fundiertes und allgemein verständliches Überblickswerk In den letzten Jahren hat die archäologische Forschung neues Licht auf die widersprüchliche und rätselhafte phönizische Kultur geworfen. Glenn E. Markoe führt hier den aktuellen Kenntnisstand zusammen und beleuchtet in anregenden Texten und informativen Bildern Politk und Gesellschaft, Handel und Handwerk, Religion, Sprache und Literatur der phönizischen Stadtstaaten im östlichen wie auch im westlichen Mittelmeerraum. Glenn E. Markoe ist Kurator für die Kunst des klassischen Altertums und des östlichen Mittelmeerraumes am Cincinnati Art Museum, Cincinnati/Ohio.