In der gleichen Ausstattung wie der vorliegende Band erschienen als Heyne-Anthologien
Band 1 • 13 KRIMINALSTORIES (1. ...
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In der gleichen Ausstattung wie der vorliegende Band erschienen als Heyne-Anthologien
Band 1 • 13 KRIMINALSTORIES (1. Folge) Band 2 • 20 SCIENCE FICTION-STORIES Band 3 • 21 WESTERNSTORIES Band 4 • 13 KRIMINALSTORIES (2. Folge) Band 5 • 16 SCIENCE FICTION-STORIES Band 6 • 15 GRUSEL-STORIES Band 7 • 13 KRIMINALSTORIES (3. Folge) Band 8 • 8 SCIENCE FICTION-STORIES Band 9 • 22 WESTERN-STORIES Band 10 • 13 KRIMINALSTORIES (4. Folge) Band 11 • 10 SCIENCE FICTION-KRIMINAL-STORIES Band 12 • 12 GRUSEL-STORIES Band 13 • 13 KRIMINALSTORIES (5. Folge) Band 14 • 9 SCIENCE FICTION-STORIES Band 15-12 WESTERN-STORIES Band 16 • 22 HORROR-STORIES Band 18 • 20 WESTERN-STORIES
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SCIENCE
FICTION
STORIES
Eine Anthologie der Berühmten
ausgewählt von
Helmuth W. Mommers und Arnulf D. Krauß
WILHELM HEYNE VERLAG
MÜNCHEN
HEYNE-ANTHOLOGIEN
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Aus dem Amerikanischen und Englischen übertragen von Gisela Stege, Robert Arol und Heinz F. Kliem
TRANQUILITY, OR ELSE! by Fritz Leiber COPYRIGHT 1959 by Ziff-Davis Publishing Company DESCENT INTO THE MEALSTROM by Daniel F. Galouye COPYRIGHT 1961 by Ziff-Davis Publishing Company ANDROID by Henry Kuttner COPYRIGHT 1951 by Mercury Press, Inc. DESIGN FOR GREAT-DAY by Eric Frank Russell COPYRIGHT 1952 by Love Romances Publishing Company, Inc. THE SILKIE by A. E. van Vogt COPYRIGHT 1964 by Galaxy Publishing Corporation NIGHTFALL by Isaac Asimov COPYRIGHT 1941 by Street & Smith Publications Inc. PSYCLOPS by Brian W. Aldiss COPYRIGHT 1956 by Nova Publications Ltd. Copyright © 1966 der deutschen Ausgabe beim Wilhelm Heyne Verlag, München Printed in Germany 1966 Umschlag : Atelier Heinrichs, Nfünchen Gesamtherstellung: Ilmgaudruckerei Pfaffenhofen/llm gescannt von Brrazo 06/2004
INHALT
FRITZ LEIBER
Ruhe ist die erste Bürgerpflicht
(TRANQUILITY, OR ELSE!)
Seite 15
DANIEL F. GALOUYE
Das Mädchen mit den vier Persönlichkeiten
(DESCENT INTO THE MEALSTROM)
Seite 63
HENRY KUTTNER
Der Androide
(ANDROID)
Seite 105
ERIC FRANK RUSSELL Die Friedensbringer (DESIGN FOR GREAT-DAY) Seite 148
BRIAN W. ALDISS
Der Ungeborene
(PSYCLOPS)
Seite 201
A. E. VAN VOGT
Achtung, Supermann!
(THE SILKIE) Seite 211
ISAAC ASIMOV
Und Finsternis wird kommen …
(NIGHTFALL)
Seite 250
Eric Frank Russell
Die Friedensbringer
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Das kleine, recht mitgenommene Schiff landete auf der freien Fläche und nahm keinerlei Notiz von den bewaffneten Truppen, die es im Handumdrehen umzingelten, sich dabei jedoch in respektvoller Entfernung hielten. Am Horizont brannte eine große, bläuliche Sonne. Am östlichen Horizont schim merten zwei kleine Monde; ein dritter, etwas größerer, stand am westlichen Horizont. Im Norden lag eine graue, von einer hohen Mauer umgebene Stadt, aus der die alarmierten Truppen gekommen waren. Über der Stadt zogen ein paar Strei fenflugzeuge ihre Bahn. Es ging den Piloten entschieden gegen den Strich, daß sie dieses Schiff wegen seiner immensen Geschwindigkeit nicht hatten abfangen können. Die Truppen warteten das Eintreffen eines Offiziers ab, der ihnen die entsprechenden Befehle geben konnte. Jeder einzelne von ihnen hatte entweder vier Arme und zwei Beine, oder zwei Arme und vier Beine – das hing davon ab, was gerade im Augenblick gebraucht wurde. Die beiden zusätzlichen Gliedmaßen konnten genausogut als Arme wie als Beine dienen. Die Soldaten starrten mißtrauisch auf das kleine
Schiff. Es war wie ein Geschoß durch die
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Radargürtel geflitzt, die den ganzen Planeten hermetisch umgaben. Ohne die geringste Notiz von den Streifenjägern zu nehmen, war es in unmittelbarer Nähe der Stadt auf der freien Fläche gelandet. Die Soldaten wußten, daß es hier irgendeiner drastischen Maßnahme bedurfte – aber natürlich konnten sie von sich aus nichts unternehmen. Sie waren es nicht gewohnt, auf eigene Faust Entscheidungen zu treffen, und deshalb warteten sie geduldig auf das Eintreffen ihrer Offiziere. Ihre Unsicherheit steigerte sich noch, als plötzlich die Luftschleuse des Schiffes geöffnet wurde und ein Ding herauskam. Das fremdartige Wesen war weder groß noch furchterregend: ein Zweibeiner mit zwei Armen, einem hellen Gesicht und einer eng anliegenden Uniform; er war keineswegs größer als die Soldaten und hatte höchstens ein Drittel ihres Gewichts. Man hätte ihn leicht anspringen und am Boden überwältigen können. Dennoch hatte er irgend etwas an sich, das einem zu denken geben konnte. Allem Anschein nach trug er keine Waffe bei sich, und diese Tatsache allein deutete auf eine gewisse selbstsichere Überlegenheit hin. Die Hände in den Hosentaschen vergraben, schlenderte er um das Schiff herum, als wäre er zu einem beiläufigen Besuch auf diesen Planeten gekommen. Er wandte den Soldaten ostentativ den Rücken zu, als kümmere 9
ihn die Gefahr nicht, eventuell von einer Kugel niedergestreckt zu werden. Nachdem er das Schiff von allen Seiten besichtigt hatte, wandte er sich unvermittelt um und kam direkt auf die hinter ein paar Felsbrocken in Deckung liegenden Soldaten zu. Dabei ließ er die Luftschleuse weit geöffnet, und auch das war ein Zeichen von deutlichem Selbstbewußtsein. Hier, inmitten einer Welt des Krieges, war eine derartige Selbstsicherheit erstaunlich und verblüffend. Er kam um einen der Felsbrocken herum und stand unvermittelt vor dem Soldaten Yadiz, der nicht die geringste Ahnung hatte, was er jetzt tun sollte: vorwärts oder rückwärts gehen, den Zweibeiner oder sich selbst erschießen oder sonst irgend etwas unternehmen. Der Zweibeiner betrachtete Yadiz vollkommen interesselos, als wäre er die verschiedenen Lebensformen im Universum seit langem gewohnt. Unter diesem Blick wurde Yadiz so verlegen und aufgeregt, daß er sein Gewehr dauernd von einer Hand in die andere wechselte. »Na, so schwer dürfte das Ding doch gar nicht sein«, sagte der Zweibeiner in einem überraschend flüssigen Tonfall. Yadiz ließ das Gewehr fallen, und dabei löste sich prompt ein Schuß. Die Kugel prallte gegen den Fels brocken und schwirrte als Querschläger durch die Luft. Der Zweibeiner schaute ihr einen Augenblick
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nach, und dann wandte er sich wieder an Yadiz. »Das war doch recht dumm, nicht wahr?« Yadiz hob das Gewehr auf und fuchtelte ungeschickt damit herum. Er suchte noch immer fieberhaft nach irgendeiner Erwiderung, als plötzlich ein anderer Soldat auftauchte. Dieser streifte den Zweibeiner mit einem unsicheren Seitenblick und wandte sich an seinen Kameraden. »Wer hat dir den Befehl zum Schießen gegeben?« fragte er atemlos. »Was geht das dich an?« fragte der Zweibeiner vorwurfsvoll zurück. »Schließlich ist es doch sein Gewehr, nicht wahr?« Der Soldat fuhr betroffen zurück. Er hatte nie damit gerechnet, daß ein fremdartiges Lebewesen seine Muttersprache so fließend und ohne den geringsten Akzent sprechen könnte. Verlegen begann er an seinem Gewehr herumzufummeln. »Vorsicht!« rief der Zweibeiner ihm zu und deutete mit dem Kopf auf Yadiz. »So ist es bei ihm auch losgegangen.« Dann wandte er sich wieder an Yadiz. »Bring mich zum Markhanwi.« Yadiz vermochte nicht zu sagen, ob er diesmal das Gewehr wieder fallen ließ, oder ob es ihm einfach aus der Hand sprang. Jedenfalls löste sich diesmal kein Schuß.
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2
Auf halbem Weg zur Stadt stießen sie auf einen Lastwagen voller Offiziere, deren Rang sich von zwei bis zu fünf Kometen erstreckte. Es waren etwa zwei Dutzend, und alle starrten das fremdartige Wesen mit unverhohlener Neugier an. Der neben dem Fahrer sitzende Offizier stieg aus und richtete den Blick auf Yadiz. »Wer hat dir erlaubt, deinen Posten zu verlassen und den Weg zur Stadt einzuschlagen?« »Ich«, antwortete der Zweibeiner lässig.
Der Offizier, auf dessen Brust eine goldene Sonne und fünf Silberkometen prangten, zuckte wie unter einem Nadelstich zusammen und betrachtete den Fremden von Kopf bis Fuß. »Ich hatte nicht erwartet, daß du unsere Sprache beherrschst.« »O ja, ich spreche sie«, sagte der Zweibeiner. »Ich kann sie auch lesen, und es ist keine Angabe, wenn ich behaupte, sie auch schreiben zu können.« »Das mag schon sein«, räumte der Offizier ein, und dabei musterte er den Fremden mit einem for schenden Blick. »Ich kann nicht sagen, daß mir eure Lebensform bekannt ist.«
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»Das überrascht mich keineswegs«, gab der Zweibeiner zurück. »Es gibt nur wenige Rassen im Universum, die Gelegenheit finden, unsere Lebensform kennenzulernen.« Dem Offizier schoß das Blut in die Wangen.
»Ich weiß nicht, wer oder was du bist – aber jedenfalls stehst du unter Arrest.« »Sir«, sagte Yadiz in untertänigem Tonfall, »er wünscht…« »Hat dir jemand befohlen, zu sprechen?« fuhr der
Offizier ihn an, und dabei verschlang er ihn förmlich
mit den Augen. »Nein, Sir, es war nur …« »Klappe halten!« Yadiz schluckte schwer. »Warum stehe ich unter Arrest?« fragte der
Zweibeiner, den diese Tatsache keineswegs zu stören schien. »Weil ich das erklärt habe«, entgegnete der Offizier. »Tatsächlich? Behandelt ihr eigentlich jeden so, der auf euren Planeten kommt?« »Zur Zeit, ja. Vielleicht ist es dir nicht bekannt, daß sich unser System mit dem System von Ni-lea im Krieg befindet. Wir lassen uns auf keinerlei Risiko ein.« »Wir auch nicht.« »Wie meinst du das?«
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»Genau wie du – wir legen größten Wert auf Sicherheit.« »Ah!« Der Offizier spitzte die Lippen. »Dann war mein Verdacht doch richtig: du bist ein Verbündeter der Nileaner, und sie haben dich aus irgendeinem kleinen System geholt, das von uns übersehen wurde.« »Dein Verdacht ist unsinnig«, gab der Zweibeiner zurück. »Immerhin ziehe ich es vor, die entsprechen den Erklärungen an höherer Stelle abzugeben.« »In Ordnung; ich hoffe nur in deinem eigenen Interesse, daß deine Erklärungen gut sind.« Es gefiel ihm ganz und gar nicht, daß dieser Fremde ihn hier geradezu lächerlich machte – noch dazu in Gegenwart eines dummen Soldaten, ganz zu schweigen von den zwei Dutzend weiterer Offiziere auf dem Wagen. Ein kleinerer Wagen kam heran. Der Offizier übergab den Fremden zwei Offizieren, die je zwei Silberkometen als Rangabzeichen trugen, und diese geleiteten ihn in den Wagen. Der Fremde erhob keinerlei Protest. »Ihr seid mir persönlich dafür verantwortlich, daß dieser Zweibeiner sicher beim Stab abgeliefert wird«, sagte der Offizier zu den beiden Untergebenen. »Ihr könnt dort ausrichten, daß ich zum Schiff gefahren bin, um nachzusehen, ob sich dort noch weitere dieser fremden Wesen befinden.« Er schaute dem kleinen Wagen nach, bis er
gewendet und den Rückweg zur Stadt eingeschlagen
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hatte. Dann stieg er wieder ein, und der Lastwagen nahm Richtung auf das kleine Schiff. Yadiz hatte nicht die geringste Ahnung, ob er nun zur Stadt marschieren, zum Schiff zurückkehren oder sich auf den Kopf stellen sollte. Er lehnte sich auf sein Gewehr und wartete geduldig darauf, daß jemand vorüberkommen und ihm eine entsprechende Anweisung geben würde. Im Stab waren Unterlagen über vierhundert verschiedene Lebensformen des Universums vor handen. Was diesen eben eingetroffenen Zweibeiner betraf, so war er Nummer Vierhunderteins. In einem weiteren Jahrhundert mochte sich die Zahl vielleicht auf vierhunderteinundfünfzig oder so erhöht haben. Verhöre und Vernehmungen waren hier reine Routinesache und wurden stets in der gleichen Form durchgeführt. Der Zweibeiner wurde zu einem Schreibtisch geführt und auf einen Stuhl gesetzt, der mit vier Armlehnen ausgestattet und etwa einen halben Meter zu hoch für ihn war. Hinter den Schreibtisch setzte sich ein Offizier, der augen scheinlich nicht damit rechnete, daß dieser Fremde seine Muttersprache beherrschte, denn so etwas war hier noch nie vorgekommen. Der Offizier schaltete ein kleines Tonbandgerät ein. »Wie ist deine Nummer, dein Name, Kennzeichen, Merkmal, oder gibt es sonst eine Möglichkeit zur Identifikation?« 15
»James Lawson.«
»Geschlecht, falls vorhanden?«
»Männlich.«
»Alter?«
»Keins.«
»Nun, nun«, murmelte der Offizier, der die ersten
Schwierigkeiten auftauchen sah. »Du mußt doch irgendein Alter haben.« »Muß ich das?« »Schließlich hat jedermann ein Alter.« »Ja?« »Nun sieh mal«, sagte der Offizier geduldig, »niemand kann ohne Alter sein.« »Nein?« »Na, das ist ohnehin nicht so wichtig«, murmelte der Offizier, »dazu müßten wir erst mal die Zeitrechnung des betreffenden Planeten feststellen.« Er warf einen Blick auf das Formular mit den vorgeschriebenen Fragen. »Zweck des Besuches?«
»Markhanwi aufzusuchen.«
»Was?« stieß der Offizier hervor. Er schaltete
rasch das Tonbandgerät aus und keuchte schwer. Es dauerte eine Weile, bis er die Sprache wiederfand. »Soll das heißen, daß du tatsächlich hergekommen bist, um den Großen Lord Markhan wi zu sprechen?« 16
»Ja.«
»Bist du bei ihm angemeldet?« fragte der Offizier
unsicher.
»Nein.« Bei dieser Antwort gewann der Offizier seine
Haltung zurück. »Der Große Lord Markhanwi empfängt keinen ohne Voranmeldung«, brummte er. »Dann melde mich doch einfach an.« »Ich werde zusehen, was sich tun läßt«, sagte der Offizier – aber es war ihm deutlich anzusehen, daß er keineswegs die Absicht hatte, in dieser Richtung auch nur den kleinen Finger zu rühren. Er wandte sich wieder dem Formular zu. »Dienstgrad?« »Keinen.« »Aber …« »Ich sagte: keinen!« wiederholte James Lawson. »Das habe ich gehört. Na, wir wollen es vorerst mal dabei belassen, denn das kann später noch nachgeholt werden. Welchem System entstammst du?« »Dem Solaren System.«
Wieder schaltete der Offizier das Tonbandgerät mit einem raschen Druck auf die Taste aus und lehnte sich schweratmend auf seinem Stuhl zurück. Ein vorüberkommender Kollege warf ihm einen Blick zu 17
und blieb stehen. »Hast du Schwierigkeiten, Dil mar?« »Schwierigkeiten?« wiederholte der Offizier hinter dem Schreibtisch bitter. Er seufzte verzweifelt. »Erst kommt dieser Ärger, dann jener – und obendrein auch noch das hier!« »Was ist denn?«
Der Offizier zeigte anklagend mit dem Finger auf Lawson. »Erst behauptet er, kein Alter zu haben; dann erklärt er mir, er wäre nur zu dem Zweck hergekommen, mit dem Großen Lord zu sprechen, ohne überhaupt vorangemeldet zu sein.« Wieder seufzte er aus voller Brust. »Und nun behauptet er auch noch zu allem Überfluß, vom Solaren System zu kommen.« »Na, dann handelt es sich offenbar wieder mal um einen Verrückten«, sagte der andere Offizier ungerührt. »Du solltest keine weitere Zeit mit ihm vergeuden, sondern ihn einfach der Psychiatrischen Abteilung übergeben.« Er streifte James Lawson mit einem kalten, ablehnenden Blick und setzte seinen Weg fort. »Hast du das gehört?« fragte der Mann hinter dem Schreibtisch, indem er den Finger wieder auf die Taste des Tonbandgerätes legte. »Wollen wir diese Unterredung nun auf einer vernünftigen Basis weiterführen, oder müssen wir zu schärferen Mitteln greifen?« 18
»Dann hältst du mich also für einen Lügner?« fragte Lawson, ohne mit der Wimper zu zucken. »Nicht unbedingt; vielleicht hast du nur einen recht ausgefallenen Sinn für Humor oder so etwas. Wir haben hier schon mit allen möglichen Sehern und Propheten zu schaffen gehabt. Es gibt die ausgefallensten Lebensformen im Universum.« »Dazu gehören auch die Menschen aus dem Solaren System«, sagte Lawson. »Menschen aus dem Solaren System stehen unter einem Mythos«, versetzte der Offizier im Brustton der Überzeugung. »Ein Mythos ist doch nichts anderes als die Verzerrung einer fast vergessenen Wahrheit.« »Du behauptest also nach wie vor, aus dem Solaren System zu stammen?« »Gewiß.«
Der Offizier schob das Tonbandgerät zur Seite und stand auf. »Dann kann ich mit dir nichts weiter anfangen.« Er rief ein paar Ordonnanzen herbei und deutete auf sein Opfer. »Bringt ihn zu Kasine.«
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Das Individuum namens Kasine litt offensichtlich an einer falschen Funktion der Drüsen, denn er hatte einen enorm dicken Körper, und seine Augen waren hinter dicken Fettpolstern verborgen. Der Blick dieser Äuglein, mit dem er James Lawson musterte, ähnelte dem einer Katze, die soeben eine Maus in die Enge getrieben hat. Er schaltete sein Tonbandge rät ein und hörte sich erst einmal an, was in dem anderen Raum vor sich gegangen war. Dann lachte er so stark in sich hinein, daß sein gewaltiger Bauch zitterte. »Hoho – ein Mensch aus dem Solaren System! Dabei fehlen ihm zwei Gliedmaßen. Hast du sie vielleicht irgendwo vergessen?« Er beugte sich vor und fuhr sich erwartungsvoll mit der Zunge über die dicken Lippen. »Es wäre doch ein Jammer, wenn du die anderen Glieder auch irgendwo vergessen würdest!« Lawson schnaubte verächtlich. »Für einen Psychiater kann ich dir nur den guten Rat geben, dich mal selbst gründlich untersuchen zu lassen!« Kasine grinste amüsiert. »Du hältst mich also für einen Sadisten, wie?«
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Ohne Lawsons Antwort abzuwarten, fuhr er fort: »Wir hatten hier mal einen, der ebenfalls behauptete, vom Solaren System zu kommen. Da gaben wir ihm eine gewisse Tablette und ein Glas Wasser, um sie hinunterzuspülen. Er legte ein volles Geständnis über seine wahre Herkunft ab, kurz bevor sein Inneres explodierte.« Kasine wiegte bedauernd den Kopf. »Leider ist er gestorben – und noch dazu war es ein schrecklicher Tod.« »Vermutlich hat dir jede einzelne Sekunde seines Lebens eine teufliche Freude bereitet«, brummte Lawson. »Ich war nicht zugegen, denn ich hasse derartige Szenen.« »Na, wenn du erst mal an die Reihe kommst, wird es noch schlimmer!« »Wirklich? Nun, dann will ich dir mal sagen …«
Er brach kurz ab, denn in diesem Augenblick ertönte in seinem Schreibtisch ein leiser Gong. Kasine zog einen kleinen Stecker hervor und schob ihn in die Ohrmuschel. Nachdem er eine Weile gelauscht hatte, zog er den Stecker wieder heraus und starrte Lawson an. »Zwei unserer Offiziere haben versucht, in dein Schiff zu steigen.« »Das war eine unverantwortliche Dummheit.« »Sie liegen jetzt vollkommen gelähmt in der Nähe
des Schiffes am Boden«, verkündete Kasine
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schweratmend. Dann beugte er sich vor und fragte mit lauter Stimme: »Was hat diese Lähmung verursacht?« »Es war mir bekannt, daß eure Rasse auf eine bestimmte Säureart anspricht«, erwiderte Lawson, indem er gleichmütig die Schultern zuckte. »Eine Injektion eines bestimmten Ammoniak-Präparates wird das wieder in Ordnung bringen – und dazu haben die beiden noch den immensen Vorteil, daß sie nie im Leben an Rheumatismus leiden werden.« »Ich will keine billigen Ausflüchte, sondern wissen, was die Lähmung verursacht hat!« schnaubte Kasine. »Wahrscheinlich Freddy«, meinte Lawson, den das herzlich wenig interessierte. »Oder Lou; mögli cherweise auch Buzwuz.« »Buzwuz?« Kasine starrte ihn an. »Nach der Meldung sind beide Offiziere von einem kleinen, orangefarbenen und mit Flügeln versehenen Objekt in den Hals gestochen worden. Was war das?« »Ein Mensch aus dem Solaren System.«
Kasine wurde immer unsicherer. »Wenn du ein
Mensch aus dem Solaren System bist, was natürlich
nicht stimmt, dann kann dieses andere Wesen nicht
dem gleichen System entstammen.« »Und warum nicht?« »Weil es vollkommen anders ist und nicht die
geringste Ähnlichkeit mit dir hat.«
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»Darf ich dir erklären, daß die Intelligenz eines Wesens nichts mit seinem Aussehen, seiner Gestalt oder Form zu tun hat?« »Ist das vielleicht intelligent, jemanden in den Nacken zu stechen?« fragte Kasine prompt zurück. »Unter den gegebenen Umständen, ja. Außerdem ist dieser Schaden relativ einfach zu beheben – was man übrigens von einem überdimensionalen Bauch nicht sagen kann.« »Wir werden unsere Maßnahmen ergreifen«, knurrte Kasine gereizt. »Das dürfte nicht so einfach sein. Nehmen wir zum Beispiel mal Buzwuz. Er hat nur die Größe ei ner Biene und stammt vom Galliso – aber er kann sechs Pferde auf einmal betäuben, ehe er sich irgendwo niederlassen muß, um die verbrauchte Säure nachzuproduzieren.« »Biene?« Kasine kniff die buschigen Augenbrauen zusammen. »Pferde?« »Schon gut«, brummte James Lawson. »Du kennst diese Arten ohnehin nicht.« Wieder erklang der kleine Gong, und die vorherige Prozedur wiederholte sich. Als Kasine den Stecker aus dem Ohr zog, starrte er Lawson nachdenklich an. »Zwei weitere sind gelähmt«, sagte er. »Jetzt sind es insgesamt vier.« Ein leises Lächeln huschte um James Lawsons
Mundwinkel. »Warum laßt ihr mein Schiff nicht
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einfach in Ruhe und sorgt dafür, daß ich zu Markhanwi vorgelassen werde?« »Wenn jeder hier so ganz einfach landen und mit dem Großen Lord sprechen könnte, dann wäre schon mindestens zehnmal ein Attentat auf ihn verübt worden.« »Dann muß er sich ja großer Beliebtheit erfreuen.«
»Du darfst nicht unverschämt werden. Anschei nend ist dir der Ernst deiner Lage noch nicht recht bewußt geworden.« Kasine beugte sich wieder vor. »Die Leute im anderen Raum sind nur befugt, Fragen zu stellen – aber bei mir sieht das ganz anders aus, denn ich treffe Entscheidungen.« »Anscheinend brauchst du recht lange, um zu einer solchen Entscheidung zu kommen«, gab Lawson unbeeindruckt zurück. »Es liegt in meiner Hand«, fuhr Kasine fort, ohne auf den Einwurf zu achten, »zu entscheiden, ob du ein Lügner bist und auf welche Weise wir dich beseitigen.« Er legte eine kurze Pause ein, um seinen Worten größeren Nachdruck zu verleihen. »Das heißt mit anderen Worten, daß ich dich auf der Stelle zum Tode verurteilen kann.« »Leere Prahlereien.« »Ich denke, deine Beseitigung wäre durchaus
gerechtfertigt«, gab Kasine zurück. »Die Kreaturen
in deinem Schiff können dir in diesem Raum nicht
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helfen. Was sollte mich also davon abhalten, dich auf der Stelle zu vernichten?« »Nichts.«
»Ah!« Er schien das offene Eingeständnis zu bewundern. »Du siehst also ein, daß du dich aus dieser Lage nicht befreien kannst?« »Auf eine Art, ja – auf eine andere, nein.« »Was soll das heißen?« »Wenn dir etwas daran liegt, kannst du mich hier töten lassen – aber es wird nur ein kurzes Vergnügen für dich sein, denn die Abrechnung folgt auf dem Fuße.« »Ah! Und wer wird diese Abrechnung durch führen?« »Das Komitee des Solaren Systems.«
»Schon wieder?« Kasine fuhr sich mit der Hand über die Stirn. »Immer wieder das Solare System – das hängt mir langsam zum Hals heraus. Vierzigmal habe ich mich mit Wesen befassen müssen die behaupteten, dem Solaren System anzugehören, und jedesmal wurde der Schwindel entlarvt. Immerhin muß ich einräumen, daß ich noch keinen so kühlen und selbstsicheren Burschen hatte wie dich. Ich fürchte, es wird keine ganz leichte Aufgabe sein, dich endlich wieder zur Vernunft zu bringen. Viel leicht müssen wir in diesem Fall eine ganz neue Technik entwickeln und anwenden.« »Ja, das ist wirklich ein Jammer.«
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»Deshalb werde ich …« Kasine brach ab, denn in diesem Augenblick wurde die Tür geöffnet, und ein Fünf-Kometen-Offizier trat ein. »Eine Botschaft vom Großen Lord«, sagte der Offizier. Er streifte Lawson mit einem unsicheren Blick, ehe er fortfuhr: »Wie immer deine Schlußfol gerungen über dieses Individuum ausgehen mögen – es darf ihm nichts widerfahren.« »Damit wird mir alles aus der Hand genommen«, brummte Kasine. »Darf ich wenigstens die Gründe erfahren?« »Ich bin nicht beauftragt worden, sie dir vorzu enthalten.« »Also heraus damit!«
»Das Verteidigungsministerium hat das allergrößte Interesse daran, dieses Individuum in einem Zustand zu erhalten, in dem es aussagen kann. In erster Linie dreht es sich um sein Schiff. Man will wissen, wie es dem Wesen möglich war, unsere planetenweite Sperrzone zu durchdringen, und warum die Form dieses Schiffes von allen in der gesamten Galaxis bekannten Formen so stark abweicht – ganz zu schweigen von der Frage, woher es eigentlich kommt. Natürlich ist es auch von größtem militä rischen Interesse, etwas über die Antriebskraft zu erfahren, die diesem Schiff eine derart immense Ge schwindigkeit verleiht. Ferner möchte man erfahren, wo solche Schiffe konstruiert und gebaut werden.« 26
Kasine blinzelte, und dann dachte er über all diese Fragen nach. Schließlich entschloß er sich, einfach alles auf eine Karte zu setzen, denn trotz seines unförmigen Körpers hatte er einen scharfen, durchdringenden Verstand. »Ich glaube«, sagte er langsam, »ich kann diese Fragen wenigstens zu einem Teil beantworten. Diese Kreatur behauptet, aus dem Solaren System zu stammen – und ich halte das für durchaus möglich.« »Für möglich! Aus dem Solaren System!« Der Offizier wich entgeistert bis an die Tür zurück. »Das muß der Große Lord auf der Stelle erfahren. Ich werde ihm deine Entscheidung unverzüglich über bringen.« »Es ist keine Entscheidung«, sagte Kasine rasch, um seinen Hals aus der Schlinge zu halten. »Es ist im Grunde genommen nichts weiter als meine persönliche Ansicht.« Während er zusah, wie die Tür hinter dem Offizier ins Schloß fiel, fragte er sich unwillkürlich, ob er wohl richtig gehandelt hatte, sich in ein derartiges Risiko einzulassen. Langsam richtete er den Blick auf sein Gegenüber.
»Mit diesen Worten hast du dir gerade dein dickes Genick gerettet«, sagte James Lawson lässig.
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Markhanwi studierte den Aktenband zum vierten mal. Dann schob er ihn mit einer kurzen Bewegung zur Seite, stand auf und wanderte ruhelos im Raum umher. »Die Sache will mir gar nicht recht gefallen. Wir müssen sehr auf der Hut sein, um nicht auf einen Trick der Nileaner hereinzufallen.« »Damit ist unbedingt zu rechnen, mein Lord«, pflichtete Minister Ganne ihm untertänig bei. »Nehmen wir mal an, sie hätten ein völlig neues Schiff erfunden, das sie aus bestimmten Gründen für unbezwingbar halten. Ein solches Schiff müßten sie natürlich erst unter den größten Gefahren auspro bieren, ehe sie an eine Massenproduktion gehen können. Wenn es all unsere Verteidigungsanlagen durchdringen und unversehrt zum Heimathafen zu rückkehren kann, dann ist das als ein voller Erfolg anzusehen.« »Sehr richtig, mein Lord.« Ganne hatte seine augenblickliche Stellung der Tatsache zu verdanken, daß er dem Großen Lord niemals widersprochen hatte. »Andererseits würden sie ihr Vorhaben natürlich
sofort verraten, wenn sie dieses Schiff mit Nileanern
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bemannt hätten«, fuhr der Große Lord in seinen Überlegungen fort. »Sie bemannen das Schiff also mit Wesen, die uns unbekannt sind, aber im Dienste der Nileaner stehen.« Er schlug erst das eine und dann das andere Händepaar zusammen. »Das alles klingt recht wahrscheinlich. Ja, ich glaube, Kasines Annahme ist richtig.« Ganne war keineswegs davon überzeugt – aber er hütete sich wohlweislich, seine Meinung zu äußern. Der Große Lord ließ sich mit dem Stab verbinden und verlangte umgehend den besten Experten für das Solare System. Als dieser, ein Mann namens Alemph, kurz darauf eintrat und sich bei jedem zweiten Schritt tief verbeugte, setzte sich Markhanwi in seinen Thronsessel und legte seine vier Arme auf die entsprechenden Lehnen. »Berichten Sie mir alles, was Sie über das Solare System wissen!« Alemph riß sich zusammen. »Am Rande unserer Galaxis existieren acht Systeme, die in einem Halbkreis angeordnet sind. Es sind insgesamt neununddreißig bewohnte Planeten. Im Mittelpunkt dieses Halbkreises gibt es ein neuntes System mit sieben Planeten, auf denen es bislang noch keine nennenswerte Entwicklung gibt.« »Das ist mir bekannt«, brummte Markhanwi.
»Weiter!« »Bei unseren Besuchen dieser acht Systeme haben wir erfahren, daß das neunte System früher von den
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Elmones bewohnt war, die seit langem nicht mehr existieren. Sie waren zum Untergang verurteilt und vermochten nichts dagegen zu unternehmen. Diese Geschichte wird von allen Bewohnern der acht Systeme übereinstimmend und fast im gleichen Wortlaut erzählt.« »Weiter!« brummte Markhanwi ungeduldig.
»Eines Tages kam ein fremdes Raumschiff aus einer anderen Galaxis und landete bei den Elmones, weil sie die am weitesten entwickelte Rasse der neun Systeme waren. Die Mannschaft bestand aus fremd artigen, zweibeinigen Wesen. Sie behaupteten, aus dem Solaren System zu kommen, das zu einer anderen Galaxis gehört. Dazu konnten sie nur einen Beweis vorbringen: die
unvorstellbare Geschwindigkeit ihres Raumschiffes,
das während der Fahrt weder gesehen noch sonst
irgendwie entdeckt werden konnte.« »Und dann?« »Die Elmones waren von Natur aus besonders
brutale, aber auch ehrgeizige Wesen. Sie vernich teten die Mannschaft des Solaren Systems und zerlegten das Raumschiff in seine einzelnen Bestandteile, um es nachzubauen. Der Versuch mißlang vollkommen. Viele Jahre später kam ein zweites Raumschiff aus dem Solaren System; es war auf der Suche nach dem ersten Raumschiff, und es erlitt das gleiche Schicksal. Auch diesmal konnte das Geheimnis nicht ergründet werden.« 30
»Das kann ich mir vorstellen«, brummte Markhanwi. »Die Technik einer fremdartigen Rasse basiert auf völlig unbekannten Faktoren. Die Nileaner haben ja auch versucht …« Er brach ab. »Fahren Sie mit Ihrem Bericht fort!« »Allem Anschein nach hatte dieses zweite Raumschiff irgendeine Alarmanlage an Bord, denn viele Jahre später kam ein drittes, wesentlich größeres Raumschiff aus dem Solaren System, ohne jedoch zu landen. Es umkreiste jeden einzelnen Planeten der Elmones und warf eine Unmenge Flugblätter ab, auf denen zu lesen war, daß es, wenn es schon um den Tod ging, besser wäre, ihn auszuteilen als einzustecken. Vermutlich sandte es dabei auch irgendwelche unbekannte Strahlen aus – aber darüber kann niemand genauere Angaben machen. Das Raumschiff verschwand in der gleichen Richtung, aus der es gekommen war, und was dann folgte, ist bis zum heutigen Tage ein ungeklärtes Rätsel geblieben.« »Was folgte denn?«
»Zunächst blieb alles wie zuvor. Die Elmones witzelten über die abgeworfenen Flugblätter und sprachen auch mit den Bewohnern der acht anderen Systeme darüber. Ein Jahr später kam der schwere Schlag, oder besser gesagt, er begann einzusetzen. Es fiel ihnen auf, daß ihre Frauen plötzlich keine Kinder mehr bekamen. Während der folgenden fünfzig Jahre unternahmen sie alles, was in ihrer 31
Macht stand, um diesen Zustand zu ändern – aber alles blieb zwecklos. Hundert Jahre später war ihre gesamte Rasse von der Bildfläche verschwunden. Die Menschen aus dem Solaren System hatten nie manden umgebracht oder verletzt, ja, sie hatten keinen einzigen Blutstropfen vergossen – und dennoch hatten sie auf ihre Weise eine ganze Rasse vernichtet.« »Ist das alles?« fragte Markhanwi.
»Ich bitte um Vergebung, mein Lord«, erwiderte Alemph. »Immerhin existieren diese durchaus bewohnbaren und dennoch völlig ausgestorbenen Systeme als Beweis. Dann wären da noch diese ständigen, hartnäckigen Gerüchte.«
»Was für Gerüchte?« »Über kleine, von zweibeinigen Wesen bemannte
Raumschiffe, die gelegentlich in unsere Systeme vordringen und einzelne Planeten aufsuchen.« »Bah!« schnaubte Markhanwi verächtlich. »Unsere Raumschiffe haben das untersucht und nichts gefunden. Wahrscheinlich sind all diese Gerüchte nur von den Nileanern erfunden worden, um uns abzulenken, so daß wir unsere Kräfte verzetteln.« »Das mag möglich sein, mein Lord.« Alemph gab sich noch nicht geschlagen. »Gestatten Sie mir jedoch die Bemerkung, daß wir unsere eigene Galaxis zwar recht gut kennen, von den anderen Galaxien aber so gut wie gar nichts wissen.« 32
Markhanwi richtete den Blick auf Minister Ganne.
»Halten Sie es für möglich, daß man die Kluft zwischen einer Galaxis und der benachbarten über brücken kann?« »Das erscheint mir unmöglich, mein Lord«, erwiderte Ganne, der ausschließlich darauf bedacht war, seine Haut nicht zu Markte zu tragen. »Allerdings bin ich in diesen Fragen kein Fachmann und kann somit kaum Stellung dazu nehmen.« »Die typische Ausflucht eines Ministers«, brummte Markhanwi. Er setzte sich wieder mit seinem Stab in Verbindung und unterhielt sich eine Weile mit einem anderen Experten. »Nun«, sagte er dann, »da haben wir also den Grund: niemand kann von einer Galaxis zur anderen reisen, denn dazu müßte er zehntausend Jahre oder noch länger leben.« »Woher will der Fachmann das wissen, mein Lord?« fragte Alemph vorsichtig und respektvoll. Ein halbes Dutzend Posten brachte James Lawson zur Residenz des Großen Lords. In starrer Haltung bildeten sie Spalier, während er den Raum betrat. Gemächlich schlenderte er mit der lässigen Haltung eines Mannes, der sich auf einem Einkaufsbummel befindet, in die Mitte des großen Raumes. Markhanwi deutete auf einen Sessel und nahm sich Zeit, seinen Besucher gründlich zu betrachten. »Sie sind also ein Mensch des Solaren Systems?« fragte er schließlich. 33
»Ja.«
»Und Sie kommen aus einer anderen Galaxis?« »Das stimmt.« Markhanwi warf Minister Ganne einen bedeutungsvollen Blick zu. »Wie kommt es eigentlich, daß Sie unsere Sprache so fließend be herrschen?« fragte er. »Ich bin auf den Besuch Ihrer Welt gründlich
vorbereitet worden.« »In wessen Auftrag?« »Vom Komitee des Solaren Systems.« »Und zu welchem Zweck?« fragte Markhanwi. »Ich bin hergeschickt worden, um mit Ihnen zu
reden.« »Worüber?« »Es geht um den Krieg, den Sie gegen die Nileaner
führen.« »Ich wußte es doch!« Markhanwi verschränkte sein oberes Armpaar und lehnte sich selbstgefällig in seinem Thronsessel zurück. »Ich wußte, daß die Sprache früher oder später auf die Nileaner kommen würde.« Er lachte hart. »Nun, sie sind noch immer die reinsten Amateure in solchen Dingen. Zumindest hätten sie Ihnen einen besseren Schutz als lediglich einen Mythos geben sollen.« »Ich bin an keinerlei Schutz interessiert«, entgegnete James Lawson. »Weder von Ihnen noch von den Nileanern.« 34
Markhanwi runzelte die Stirn. »Warum nicht?« »Weil ich ein Mensch des Solaren Systems bin.« »Wirklich?« Markhanwi lächelte breit. »In dem Fall geht Sie unser Krieg mit den Nileanern doch gar nichts an.« »Das ist richtig.« »Und warum sind Sie dann hergekommen, um mit mir darüber zu reden?« »Beide Mächte benutzen mit ihren Schlacht kreuzern die regulären Raumrouten zwischen den einzelnen Planeten und Systemen.« »Na und?« »Diese Raumrouten stehen jedermann zur Verfügung. Was sich in einzelnen Systemen und auf den Planeten abspielt, ist ausschließlich Sache der dortigen Bewohner – aber die Raumrouten dürfen auf keinen Fall in Mitleidenschaft- gezogen werden.« »Wer sagt das?« fragte Markhanwi stirnrunzelnd.
»Wir.« »Tatsächlich?« Der Große Lord schien das kaum
fassen zu können. »Und wie kommen die Bewohner des Solaren Systems dazu, sich ein derartiges Recht anzumaßen?« »Dafür gibt es nur einen Grund«, gab Lawson zurück, und sein Blick wurde kalt. »Wir besitzen die Macht, unseren Gesetzen Nachdruck zu verleihen.« 35
Markhanwi warf einen Seitenblick auf Minister Ganne, der geflissentlich zur Decke schaute. »Die Gesetze, die wir aufgestellt haben, und deren Einhaltung wir durchsetzen können«, fuhr Lawson fort, »bestimmen, daß jedes einzelne Raumschiff nach freiem Ermessen zwischen den einzelnen Systemen und Planeten verkehren kann. Was aus diesen Schiffen auf den betreffenden Planeten wird, interessiert uns herzlich wenig – es sei denn, daß es sich um unsere eigenen handelt.« Er hielt inne, und sein Blick wurde noch kälter. »In dem Fall interessiert es uns natürlich außerordentlich.« Das gefiel dem Großen Lord ganz und gar nicht. Seine Gedanken kreisten um den Bericht, den er eben von Alemph gehört hatte. Ganz besonders aber dachte er an den Punkt, daß die Rasse der Elmones innerhalb eines Jahrhunderts völlig von der Bildfläche verschwunden war. Unwillkürlich fragte er sich, ob das Raumschiff, in dem dieser Mensch des Solaren Systems gekommen war, auch mit solchen geheimnisvollen Strahlen ausgerüstet sein mochte, die zur völligen Ausrottung einer ganzen Rasse dienten. Wenn nun aber andererseits alles nur ein großangelegter Bluff war?
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Markhanwi sah sich plötzlich einer Situation gegenüber, die ihm recht verfahren vorkam. In erster Linie trachtete er jetzt danach, möglichst viel Zeit zu gewinnen. »Ein Krieg wird immer von zwei Parteien geführt«, sagte er. »Nicht nur unsere Schlacht kreuzer bewegen sich auf den Raumrouten.« »Das ist uns bekannt«, erwiderte James Lawson. »Die Nileaner werden ebenfalls zur Ordnung geru fen.« »Soll das heißen, daß dort ein anderes Ihrer Schiffe gelandet ist?« »Ja.« Ein leises Lächeln spielte um Lawsons Lippen. »Die Nileaner stehen vor dem gleichen Problem wie Sie – und wahrscheinlich werden sie unserem Schiff mit dem gleichen Mißtrauen begegnen wie Sie und vermuten, es wäre einer Ihrer Tricks.« Der Große Lord richtete sich in seinem Thronsessel ein wenig auf. Der Gedanke freute ihn, daß der Feind in einer Klemme steckte und ihm die Schuld daran gab. Da fiel ihm ein, daß eine Möglichkeit vorhanden war, die Angaben dieses Menschen aus dem Solaren System wenigstens zu
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einem Teil zu überprüfen. Er wandte sich an Minister Ganne. »Die Mental-Weit Valle hat nach wie vor mit beiden Seiten Kontakt. Sie sollen gleich mal bei den Nileanern nachfragen, ob dort ein Raumschiff gelandet ist, das angeblich aus dem Solaren System stammt.« Ganne verließ den Raum. Die Antwort konnte normalerweise nicht vor dem Abend erwartet werden – dennoch kam der Minister nach wenigen Augenblicken zurück. Er zitterte vor Nervosität. »In der Vermittlung habe ich erfahren, daß die Nileaner uns vor wenigen Minuten die gleiche Frage stellen ließen.« »Hah!« Markhanwi kam der Gedanke, daß es sich wiederum um eine List handelte. »Schließlich haben auch unsere Raumschiffe das Recht, diese Raum routen wie jeder andere zu benutzen«, knurrte er. »Kein Schlachtkreuzer hat das Recht, ein anderes Raumschiff durch Androhung von Gewalt an zuhalten und zu durchsuchen«, gab Lawson zurück. »Jemand, der das Gesetz bricht, hat keinen Anspruch auf den Schutz des Gesetzes.« »Können Sie mir vielleicht sagen, wie ein System das andere bekriegen kann, ohne bewaffnete Raumschiffe über eine Raumroute zu schicken?« fragte Markhanwi sarkastisch. James Lawson machte eine abwehrende Handbe wegung. 38
»Daran sind wir überhaupt nicht interessiert; es liegt allein bei Ihnen, dieses Problem zu lösen.« »Es geht einfach nicht«, erklärte Markhanwi.
»Sehr bedauerlich«, sagte Lawson in gespieltem Mitleid. »Damit kommen wir zu einem Universum, in dem es keine Kriege mehr gibt.« »Soll das etwa ein Spaß sein?« »Ist Friede im Universum denn ein Spaß?« »Ein Krieg ist eine ernste Angelegenheit«, brummte Markhanwi gereizt; es fiel ihm schwer, sich zu beherrschen. »Man kann ihn nicht durch einfaches Fingerschnippen beenden oder verhin dern.« »Diese Tatsache sollte eben von jenen Mächten berücksichtigt werden, die einen Krieg vom Zaun brechen«, versetzte Lawson. »Die Nileaner haben diesen Krieg begonnen.« »Sie behaupten aber, er wäre von Ihnen allein begonnen worden.« »Sie sind eben unverbesserliche Lügner.« »Genau das behaupten sie auch von Ihnen.« Ein drohender Ausdruck trat in Markhanwis
Gesicht. »Glauben Sie ihnen?« »Wir glauben nie derartigen Behauptungen.« »Sie weichen meiner Frage aus. Jemand von uns
beiden muß doch lügen. Wer ist das Ihrer Ansicht nach?« 39
»Wir haben uns nicht mit dem Grund beschäftigt, der zu diesem Streit geführt hat, denn das ist nicht unsere Angelegenheit. Ohne die entsprechenden Unterlagen könnte man höchstens raten.« »Na, dann raten Sie eben.« Markhanwi fuhr sich erwartungsvoll mit der Zungenspitze über die Lippen. »Wahrscheinlich hält sich keine der beiden Seiten genau an die Wahrheit«, erwiderte Lawson ruhig; Markhanwis Haltung machte nicht den geringsten Eindruck auf ihn. »Es ist doch immer das gleiche Bild: die siegende Macht schiebt dem unterlegenen Gegner alle Schuld in die Schuhe.« Markhanwi sah ein, daß er auf diese Weise nicht weiterkam, und deshalb versuchte er seinen Angriff aus einer anderen Richtung. »Nehmen wir mal an, ich würde Ihre Gesetze brechen und Sie auf der Stelle töten lassen. Was passiert dann?« »Sie würden es schwer bereuen.« »Dafür habe ich doch nur Ihr Wort.«
»Wenn Sie einen Beweis wollen, dann wissen Sie ja, wie Sie ihn sich verschaffen können«, sagte Lawson. Markhanwi erkannte mehr und mehr, daß er noch nie im Leben in einer solchen Klemme gesteckt hatte. So sehr er sich auch den Kopf zermarterte – er fand einfach keinen Ausweg. »Auf welche Weise
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erwarten Sie denn, daß ich Ihre Gesetze einhalten soll?« fragte er nach einer längeren Pause. »Indem Sie Ihren bewaffneten Raumschiffen den Befehl erteilen, unverzüglich zu ihren planetarischen Ausgangsstellungen zurückzukehren.« »Dort haben sie für uns doch gar keinen Wert.«
»In diesem Punkt kann ich Ihnen nicht bei pflichten. Immerhin könnten sie ihre Welt wirksam verteidigen – und wir verwehren keinem das Recht, sich gegen einen Angriff zur Wehr zu setzen.« »Aber genau das tun wir doch gerade«, sagte Markhanwi. »Wir verteidigen uns.« »Das behaupten die Nileaner auch von sich.« »Ich habe Ihnen doch bereits erklärt, daß sie unverbesserliche Lügner sind.« »Ich weiß, ich weiß.« Lawson machte eine gelangweilte Handbewegung. »Was uns betrifft, so kann sich jeder einzelne Planet mit Schlachtkreuzern ausrüsten, um gegen einen etwaigen Angriff gewappnet zu sein. Aber diese Kreuzer haben in ihren Ausgangsstellungen zu verbleiben und dürfen nicht nach Belieben auf den verschiedensten Raumrouten umherschwirren und allerlei Unheil anrichten.« »Aber…« »Außerdem«, fuhr Lawson unbeirrt fort, »können Sie von uns aus eine Million Raumschiffe über die 41
einzelnen Routen schicken – vorausgesetzt, daß sie
nicht bewaffnet sind und der Kriegsführung dienen.«
»Dagegen hätten Sie also nichts einzuwenden?« Markhanwi lächelte selbstbewußt. »Das ist wirklich sehr zuvorkommend von Ihnen.« James Lawson musterte ihn mit einem kalten Blick. »Der Starke kann es sich leisten, zuvor kommend zu sein.« »Sie halten uns also nicht für stark?«
»Die Stärke liegt in der Vernunft; Überheblichkeit ist stets ein Zeichen von Schwäche.« Markhanwi schlug eine Hand auf die Sessellehne.
»Man könnte mir vielleicht manches vorwerfen –
aber ich habe noch nie unvernünftig gehandelt.« »Das bleibt abzuwarten«, gab Lawson zurück. »Schließlich bin ich nicht umsonst der Herrscher
eines großen und mächtigen Systems geworden. Mein Volk lebt nicht unter einem Herrscher, dem dieser Titel nur von Geburt aus zugefallen ist. Mit der Unterstützung meines Volkes werde ich im Laufe der Zeit auch diese Situation meistern.« Ich will es hoffen«, sagte Lawson. »In Ihrem eigenen Interesse.« Markhanwi beugte sich ein wenig vor. »Wie immer auch meine Entscheidung ausfallen mag – denken Sie daran, daß hier nicht mein Leben auf dem Spiel steht, sondern das Ihre.« Er richtete sich auf und machte eine kurze Handbewegung der 42
Verabschiedung. »Ich werde Ihnen meine Antwort morgen früh geben. Bis dahin brauchen Sie sich nur um Ihre eigene Person Sorge zu machen.« »Ein Mensch des Solaren Systems ist nie um seine eigene Person besorgt«, erwiderte James Lawson. »Wie meinen Sie das?« »Sie haben es nicht mit mir allein zu tun: meine ganze Rasse steht hinter mir.«
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Die Posten lieferten James Lawson wieder beim Stab ab. Er ging durch den großen Saal, in dem die einzelnen Vernehmungen durchgeführt wurden und sah die betroffenen Blicke der Männer hinter den einzelnen Schreibtischen. Am Ende des langen Ganges stieß er auf einen Offizier mit drei Silberkometen auf der Brust, der sich ihm prompt in den Weg stellte. »Wohin wollen Sie?« »Zurück zu meinem Schiff.« Der Offizier starrte ihn überrascht an. »Sie haben mit dem Großen Lord gesprochen?« »Natürlich; ich komme gerade von ihm.« Er senkte die Stimme zu einem vertraulichen Flüstern. »Wir hatten eine recht interessante Aussprache, und er möchte mich morgen früh wiedersehen.« »Wirklich?« Der Offizier war offensichtlich stark beeindruckt. »Ich werde mir sofort einen Wagen verschaffen und Sie zu Ihrem Schiff fahren.« »Sehr liebenswürdig.« Der Wagen war sofort zur Stelle, und der
Zweibeiner war auf dem Rückweg zu seinem Schiff,
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ehe Minister Ganne oder Kasine seiner habhaft werden konnten, um weitere Fragen zu stellen. »Der Große Lord ist eine außergewöhnliche Persönlichkeit«, murmelte der Offizier unterwegs. Er hoffte, daß diese Äußerung Markhanwi zugetra gen und zu seinen Gunsten ausgelegt werden würde. Innerlich hielt er ihn für einen pompösen Fatzke. »Wir können uns wirklich glücklich preisen, in diesen schweren Zeiten einen solchen Führer zu haben.« »Ihr könntet einen schlechteren haben«, entgegnete Lawson gleichmütig. »Ich erinnere mich, wie er einmal …«
Der Offizier brach unvermittelt ab und bremste scharf. »Wer hat dir den Befehl gegeben, dich hier aufzustellen?« fragte er einen neben dem Wagen stehenden Soldaten, der sich auf sein Gewehr stützte. »Niemand«, antwortete Yadiz gehorsam. »Warum stehst du dann hier?« »Er kann doch nirgendwo anders sein«, sagte Lawson. Der Offizier dachte eine Weile nach. Dann wandte
er sich an seinen Fahrgast. »Warum kann er das nicht?« »Weil er eben hier ist.« Lawson richtete den Blick
auf Yadiz. »Das stimmt doch, nicht wahr?«
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Der Offizier riß den Wagenschlag auf. »Steig ein, verdammter Narr!« Yadiz kletterte auf den Rücksitz und fummelte an seinem Gewehr herum, als wüßte er nicht, wo oben und unten ist. Der Offizier umklammerte das Lenkrad und starrte mißmutig vor sich hin. Als sie in die Nähe des Schiffes kamen, trat ihnen der Offizier entgegen, der Lawson zum Stab geschickt hatte. »Sie haben ihn also laufen lassen?« fragte er stirnrunzelnd. »Jawohl«, antwortete der Offizier des Stabes, der ja die Zusammenhänge nicht kannte. »Mit wem hat er denn gesprochen?« »Mit dem Großen Lord höchstpersönlich.«
Der Offizier zuckte sichtlich zusammen; er betrachtete Lawson wie ein Wundertier. »Ist im Stab etwas davon erwähnt worden, was wir mit unseren vier Verwundeten machen sollen?« »Nein; vielleicht…« Lawson schaltete sich ein. »Ich werde mich darum kümmern, Wo sind sie denn?« »Dort drüben.« Der Offizier deutete nach links. »Wir müssen erst die Befehle abwarten, ehe wir etwas unternehmen.« »Das spielt keine große Rolle. Morgen um diese Zeit sind sie ohnehin schon wieder auf dem Posten.« »Die Verletzungen sind also nicht tödlich?«
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»Durchaus nicht«, versicherte Lawson. »Ich werde ihnen jetzt eine kleine Injektion geben, dann sind sie in wenigen Sekunden wieder auf den Beinen.« Er wandte sich dem Schiff zu. Der Offizier wendete mürrisch den Wagen und schlug den Rückweg zur Stadt ein. Im Schiff wurde James Lawson von einem etwa faustgroßen Wesen erwartet, das einer übergroßen Biene ähnelte. Bei der modernen Entwicklung im Solaren System bereitete es den beiden so verschie denen Wesen keinerlei Schwierigkeiten, sich mitein ander zu verständigen. Dazu bedurften sie weder eines Mundes noch der Sprache, denn alles ging auf rein telepathischem Weg vor sich. Lawson ließ sich auf den Kanzelsitz fallen. »Ich glaube kaum, daß sie Vernunft annehmen.«
»Das spielt keine wesentliche Rolle«, kam die Erwiderung. »Am Endresultat ändert das nichts.« »Ganz richtig, Buzwuz – aber Unvernunft bedeutet nun mal Zeitverlust und allerlei andere Schwierigkeiten.« »Die Zeit ist endlos, und Schwierigkeit ist nur ein anderer Name für Spaß.« Buzwuz unterstrich diese Worte, indem er sich mit dem hinteren Beinpaar die glänzenden Flügel polierte. Lawson hing schwei gend seinen Gedanken nach, und nach einer Weile erschien ein weiteres dieser überdimensionalen
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Bienenwesen und setzte sich auf die Tür der Luftschleuse. »Sollen wir alle zurückkommen?« »Das hat keine Eile.«
»Wir haben die Gegend hinter der Stadt durchstreift. Sie fürchten sich vor uns, und das zeigt ihre Angst vor allen fremdartigen Wesen. Ihre Men talität ist nach Stufe acht einzureihen. Sie unterneh men nichts auf eigene Faust, sondern verlassen sich ausschließlich auf die Anweisungen von oben.« »Ich weiß.« Lawson stand auf, denn in diesem Augenblick wurde von außen gegen die Luftschleuse geklopft. Er öffnete, und sein Blick fiel auf einen Offizier mit fünf Silberkometen auf der Brust. Dieser spähte ängstlich nach allen Seiten, als befürchtete er, von einem plötzlichen Angriff überrascht zu werden. »Sie dürften eigentlich gar nicht hier sein«, sagte er zu Lawson »Nein? Warum denn nicht?« »Niemand hat Ihnen die Genehmigung zur Rückkehr zum Schiff gegeben.« »Dazu brauche ich keine Genehmigung«, gab Lawson zurück. »Aber ohne Genehmigung können Sie nicht herkommen«, widersprach der Offizier. »Na, wie, zum Teufel, bin ich dann herge kommen?« 48
»Das weiß ich nicht. Anscheinend hat jemand einen Fehler begangen – aber das soll nicht meine Sorge sein.« »Und worüber machen Sie sich Sorgen?« fragte Lawson. »Ich habe eben vom Stab den Auftrag bekommen, nachzusehen, ob Sie in Ihrem Schiff wären. Falls ja, habe ich Ihnen auszurichten, daß Sie eigentlich beim Stab sein sollten.« »Was soll ich denn da?« »Die endgültige Entscheidung abwarten.« »Aber sie können doch gar keine Entscheidungen treffen«, sagte Lawson geduldig. »Die endgültige Entscheidung liegt bei uns – und nicht bei ihnen.« Das schien dem Offizier gar nicht zu passen, und er starrte ratlos vor sich hin. »Ich habe jedenfalls den Befehl bekommen, Sie sofort zur Stadt zurückzuschicken.« »Von wem?« »Vom Stab.« »Sagen Sie Bescheid, daß ich erst morgen früh in die Stadt komme.« »Sie müssen sich aber jetzt auf den Weg machen«, sagte der Offizier nachdrücklich. »Richten Sie Ihrem Vorgesetzten aus, man möge herkommen und mich hier abholen.« »Das geht nicht.«
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»Selbstverständlich geht das«, brummte Lawson.
Das schien dem Offizier noch weniger zu gefallen.
»Wenn Sie nicht freiwillig in die Stadt gehen, habe
ich Anweisung, Gewalt anzuwenden.« »Das können Sie ja versuchen.« »Meine Soldaten werden den Befehl zum Angriff
bekommen.« »Das macht nichts. Befehle sind schließlich Befehle, nicht wahr?« »Ja, aber …« »Und«, fuhr Lawson mit fester Stimme fort,
»letzten Endes wird man doch demjenigen die Schuld geben, der die Befehle erteilt hat, und nicht dem Befehlsempfänger, nicht wahr?« »Was für eine Schuld?« fragte der Offizier begriffsstutzig. »Das werden Sie schon sehen!«
Der Offizier grübelte darüber nach. Er kam zu der Überzeugung, daß von diesem Zweibeiner allerlei Schwierigkeiten zu erwarten waren. »Ich halte es für besser, mich erst noch einmal mit dem Stab in Verbindung zu setzen. Ich werde erklä ren, daß Sie sich weigern, dieses Schiff zu verlassen. Vielleicht bekomme ich dann neue Befehle.« »Fein«, sagte Lawson herzlich. »In erster Linie müssen Sie sich immer um Ihre eigene Haut küm mern.« 50
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Der Große Lord Markhanwi wanderte ruhelos in seinem weiten Raum auf und ab. Er stand vor einem unlösbaren Problem. »Nun«, knurrte er Minister Ganne an, »haben Sie vielleicht einen befriedigen den Ausweg gefunden?« »Nein, mein Lord«, räumte Ganne ein.
»Zweifellos haben Sie sich zufrieden ins Bett
gelegt und eine ruhige Nacht verbracht, ohne auch
nur eine Sekunde an unser Dilemma zu denken.«
»Bestimmt nicht, ich …« »Behalten Sie Ihre Ausflüchte für sich. Ich weiß
ohnehin, daß ich alles allein machen muß.« Er ging zu seinem Schreibtisch, schob den Stecker ins Ohr und stellte eine Verbindung her. »Hat sich der Zweibeiner schon sehen lassen?« Er lauschte einen Augenblick und zog dann den Stecker wieder her aus. »Na, wenigstens ist er bereit, mich noch einmal aufzusuchen. Er wird in einer halben Zeiteinheit hier sein.« »Er hat sich gestern hartnäckig geweigert, noch einmal zum Stab zu kommen«, sagte Ganne, dem ein solcher Ungehorsam unbegreiflich schien. »Zu unseren Drohungen hat er nur verächtlich gelacht –
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ja, er hat uns förmlich zu einem Angriff auf das Schiff herausfordern wollen.« »Ich weiß, ich weiß.« Markhanwi machte eine gereizte Handbewegung. »Vielleicht beruht alles nur darauf, daß er so meisterhaft zu bluffen versteht.« »Inwiefern, mein Lord?«
»Nun, wir sind ein mächtiges Volk, und wenn wir die Nileaner erst mal besiegt haben, sind wir praktisch die Herren unserer gesamten Galaxis. Unsere Wissenschaft steht auf einer sehr hohen Stufe, und wir haben es gelernt, die Elemente zu beherrschen. Damit sind wir sehr stark, nicht wahr?«
»Jawohl, mein Lord, außerordentlich stark.« »Dennoch sind wir schwach, denn plötzlich taucht
ein Problem auf, das wir einfach nicht zu lösen ver mögen.« »Wenn man nur die Wahrheit erfahren könnte …«
»Dazu fallen mir mindestens fünfzig verschiedene Möglichkeiten ein«, brummte Markhanwi. Er warf seinem Minister einen finsteren Blick zu. »Das Verteufelte daran ist nur, daß man nicht eine einzige dieser Möglichkeiten anwenden kann.« »Nein, mein Lord?« »Nein. Wenn unsere Raumschiffe beispielsweise die benachbarte Galaxis erreichen könnten, dann würde man leicht feststellen können, was es mit diesen Wesen aus dem Solaren System eigentlich auf sich hat – aber unsere Raumschiffe können das 52
nun mal nicht. Nach Angaben unserer Experten kön nen das die anderen Raumschiffe unseres Systems ebenfalls nicht. Andererseits könnten wir uns mit den Nileanern in Verbindung setzen, den Krieg beenden und gemeinsam gegen diese Wesen aus dem Solaren System vorgehen – aber wenn das alles nur ein Trick der Nileaner ist, dann geben wir uns völlig in ihre Hand. Weiterhin könnten wir uns diesen Zweibeiner einfach schnappen, ihn fesseln und auf einen Operationstisch legen. Auf diese Weise könnten wir die Wahrheit mit einem Skalpell aus ihm herausschneiden.« »Das dürfte wohl der beste Weg sein«, murmelte Ganne. »Aber nur, wenn er blufft. Sollte es jedoch kein Bluff sein, was dann?« Minister Ganne zog es vor, zu schweigen.
»Unsere Position ist geradezu phantastisch«, fuhr Markhanwi fort. »Dieses zweibeinige Wesen kommt vollkommen unbewaffnet zu uns. Soweit wir bisher feststellen konnten, hat er in seinem Schiff nicht mal eine so altertümliche Waffe wie Pfeil und Bogen. Seine Rasse hat im Universum noch nie einen Tropfen Blut vergossen. Trotzdem behauptet er, sie hielten eine Macht in der Hand, die wir einfach nicht überprüfen könnten.« »Halten Sie es für möglich, daß wir bereits durch irgendeine Maßnahme steril gemacht wurden, wie das bei den Elmones der Fall war?« fragte Ganne ängstlich. 53
»Nein, das ist nicht zu befürchten, denn wenn er das wirklich getan hätte, dann wäre er im Laufe der Nacht mit seinem Schiff verschwunden, ohne sich weiter um uns zu kümmern.« »Ja, das ist richtig«, murmelte Ganne erleichtert. Markhanwi warf einen ungeduldigen Blick auf das Instrument, an dem die Zeiteinheiten abzulesen waren. »Wenn ich nur wüßte …« In diesem Augenblick wurde an die Tür geklopft, und dann trat der Wachoffizier ein. »Der Zweibeiner ist hier, mein Lord«, verkündete er mit einer tiefen Verbeugung. »Lassen Sie ihn sofort eintreten!« Markhanwi ließ sich schwerfällig in seinen Thronsessel fallen und starrte finster auf die Tür. James Lawson trat mit geschmeidigen Bewegungen ein und setzte sich in einen Sessel. »Gibt es in Ihrer Welt eigentlich gar keine Höflichkeit?« fragte er. Die Frage ärgerte den Großen Lord – aber er zog es vor, nicht darauf einzugehen. »Sie sind gestern entgegen meinen Wünschen zu Ihrem Schiff zurück gekehrt«, sagte er. »Und entgegen unseren Wünschen sind Ihre Schlachtkreuzer noch immer auf den Raumrouten.« Lawson seufzte resigniert. »So ist das nun mal mit den Wünschen.«
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»Sie scheinen zu vergessen«, brummte Markhan wi, »daß in diesem Teil des Universums meine Wünsche respektiert werden – und nicht die Ihren.« »Aber Sie sagten doch gerade, daß gegen Ihren Wunsch gehandelt worden wäre«, sagte Lawson überrascht. Markhanwi fuhr sich mit der Zungenspitze über die Lippen. »Wir wollen es dabei bewenden lassen. Ich brauche von Ihnen endgültige Beweise.« Seine Stimme nahm einen befehlsgewohnten Ton an. »Sie werden die Führer der Nileaner herbringen, damit wir diese Sache gemeinsam besprechen können.« »Sie werden nicht kommen.«
»Diese Antwort hatte ich erwartet.« Markhanwi nickte befriedigt vor sich hin. »Sie haben sich diesen feinen Trick ausgedacht, aber sie wollen ihre kost bare Haut nicht persönlich zu Markte tragen. Soso, sie werden also nicht kommen.« Er richtete den Blick auf Minister Ganne. »Was habe ich Ihnen gesagt?« »Ich verstehe nicht recht, wie die Nileaner oder sonst jemand einen Trick anwenden könnten, der überhaupt nicht vorhanden ist«, gab Lawson gelassen zurück. »Sie könnten die Nileaner zum Kommen veranlassen, denn Sie behaupten doch, eines Ihrer Schiffe wäre bei ihnen gelandet.« »Sie bringen ja alles durcheinander.«
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»So?« Markhanwi umklammerte die Armlehnen seines Sessels. Seine Geduld mit diesem Zweibeiner war annähernd erschöpft. »Inwiefern denn?« »Das Schiff ist ausschließlich zu dem Zweck dort gelandet, die Nileaner aufzufordern, ihre Schlacht kreuzer von den Raumrouten zurückzuziehen. Es interessiert uns ganz und gar nicht, ob Sie sich mit ihnen treffen wollen oder nicht. Es ist uns völlig gleich, ob Sie sich gegenseitig um den Hals fallen oder den Krieg bis zur totalen Vernichtung fortsetzen wollen. Es liegt uns lediglich daran, die Raumrouten für jedermann freizuhalten. Es wäre natürlich gut, wenn man das durch Verhandlungen erreichen könnte. Andernfalls müssen wir dem Gesetz eben Nachdruck verleihen.« »Nachdruck?« knurrte Markhanwi. »Ich würde viel darum geben, wenn ich erfahren könnte, über welche Macht Sie eigentlich verfügen. Vielleicht nicht mehr als eiserne Nerven und eine glatte Zunge.« »Vielleicht«, entgegnete Lawson gleichmütig.
»Ich will Ihnen etwas sagen, das Ihnen noch nicht bekannt ist.« Markhanwi beugte sich vor und musterte seinen Besucher mit einem durchdrin genden Blick. »Ich habe unsere Erste, Zweite und Dritte Raumflotte vorübergehend aus dem Kampf gezogen. Das damit verbundene Risiko dürfte sich wohl lohnen.« 56
»Das ändert nichts an der Sachlage, solange die Flotten noch im Raum umherschwirren.« »Es ändert im Gegenteil sogar sehr viel«, widersprach Markhanwi, ohne den Blick von seinem Besucher zu wenden. »Siebzehntausend Kreuzer sind jetzt auf der Suche nach einem Planeten, der erst kürzlich von den Nileanern entdeckt wurde. Wissen Sie, was meine Leute dort suchen?« »Ich kann es mir denken.«
»Sie suchen dort eine Rasse von Zweibeinern mit heller Hautfarbe und scharfen Zungen. Wenn sie sie finden –«, er machte eine wegwischende Handbewe gung –, »werden sie diesen Planeten vernichten, als hätte er nie existiert. Gleichzeitig wird auch der Mythos vom Solaren System verschwinden.«
»Wirklich nett.« »Auch Sie selbst kommen zur gegebenen Zeit an
die Reihe. Dann werden wir es den Nileanern ein für allemal zeigen.« »Meine Güte«, sagte Lawson. »Glauben Sie wirklich, daß wir tatenlos zusehen werden, wie Sie irgendwelche verrückte Suchaktionen durchführen lassen?« Markhanwi lehnte sich zurück. Was gab diesem Zweibeiner nur diese ruhige Überlegenheit? »Sie werden tatenlos zusehen müssen, denn Sie
haben gar keine andere Wahl«, knurrte er. »Ich habe
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Befehl gegeben, Sie bis zur endgültigen Klärung dieser Angelegenheit festzuhalten.« »Damit haben Sie meine Frage noch nicht beantwortet.« »Wieso?«
»Ich habe Sie gefragt, ob Sie von uns erwarten, daß wir tatenlos zusehen. Was Sie mit mir persönlich anfangen wollen, spielt dabei keine Rolle, denn ich bin ja nur ein kleines Teilchen.« »Jedenfalls habe ich dieses Teilchen in der Hand!« Markhanwi drückte auf einen Knopf seines Schreib tisches. James Lawson stand auf. Ein feines Lächeln spielte um seine Lippen, als die Posten eintraten. »Ich kann Ihnen ein Märchen erzählen. Da war mal ein Narr, der am Fuße eines hohen Berges ein Sandkörnchen herauspolkte, es in die hohle Hand legte und sagte: ›Da schaut her, ich halte einen Berg in der Hand!‹« »Nehmt ihn mit!« fauchte Markhanwi die Posten an. »Steckt ihn hinter Gitter, bis ich ihn wieder brauche.« Er starrte eine Weile finster auf die Tür, die hinter den Posten ins Schloß gefallen war. »An diesem Spiel sind zwei Stellen beteiligt. In einer derartigen Situation kommt man nur mit guten Einfällen voran.«
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»Zweifellos, mein Lord«, sagte Minister Ganne im pflichtschuldigen Tonfall der Bewunderung.
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James Lawson schaute sich in seiner geräumigen Zelle um. Sie enthielt lediglich ein Bett mit Stroh sack und Decken, einen Stuhl mit den hier üblichen vier Armlehnen und einen langen Tisch, auf dem ein Korb mit frischen Früchten stand. Daneben lag etwas, das nach einer Art Weißbrot aussah. Lawson lächelte belustigt. Augenscheinlich hatte Markhanwi ausdrückliche Anweisung gegeben, daß es ihm an nichts fehlen sollte – außer der Bewegungsfreiheit natürlich. Lawson streckte sich auf der Pritsche aus und nahm Kontakt mit seinen überdimensionalen Bienenwesen auf. »Möchtest du heraus?« kam prompt die Frage.
»Es eilt noch nicht«, gab er zurück. Dann lenkte er seine Gedanken zum Hauptquartier der Nileaner. Das dort gelandete Schiff aus dem Solaren System war mit einem Zweibeiner namens Edward Reefer und vier der bienenartigen Wesen bemannt. Reefer nahm den Kontakt auf. »Ich bin gerade von meinem dritten Besuch in ihrem Kriegsministerium zurückgekehrt, das von einem bullenhaften Burschen namens Glastrom geführt wird. Er ist der Überzeugung, daß dein 60
vortrefflicher Markhanwi ihn mit einem Trick hinters Licht führen will.« »Bei mir ist die Reaktion ganz ähnlich. Markhanwi hat mich in eine Zelle sperren lassen, um einen günstigeren Zeitpunkt abzuwarten.« »Das hatten die Burschen hier auch mit mir vor«, gab Reefer zurück. »Meine Mannschaft hat ein paar kleine Kostproben gegeben: sie haben das gesamte Stromnetz der Hauptstadt ausfallen lassen und ein paar ähnliche Streiche gespielt. Das hat den Nileanern ganz und gar nicht gefallen.« Die beiden Männer kamen überein, den Gegnern eine letzte Frist von einer Zeiteinheit zu geben, ehe sie weitere Maßnahmen ergriffen. Ihre bienenartigen Begleiter schalteten sich in die Gedankenströme ein und waren somit voll informiert. Nach einiger Zeit stand Lawson auf und streckte sich gähnend. Dann schlenderte er an die Gittertür, vor der ein Posten auf einem Stuhl saß. »Ich habe unverzüglich mit Markhanwi zu reden.«
Der Posten stand langsam auf. Er hatte den Gesichtsausdruck eines Mannes, der in erster Linie nach einem friedfertigen Leben trachtet und sich stets um diese Hoffnung betrogen sieht. »Der Große Lord wird Sie zu gegebener Zeit abholen lassen«, er widerte er. »Inzwischen könnten Sie sich doch ein bißchen ausruhen oder schlafen.« »Ich schlafe nicht.«
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»Jedermann schläft ab und zu«, sagte der Posten, und es klang wie eine Offenbarung. »Anders geht es nicht.« »Das mag auf euch zutreffen«, erwiderte Lawson. »Ich jedenfalls habe noch nie im Leben geschlafen – und ich habe keineswegs die Absicht, jetzt damit anzufangen.« »Selbst der Große Lord schläft«, erklärte der Posten, als wäre das der untrügliche Beweis. »Mein Befehl lautet, Sie hier zu bewachen, bis der Große Lord Sie zu sprechen wünscht.« »Nun, dann frag' ihn doch einfach, ob er mich jetzt zu sprechen wünscht.« »Das wage ich nicht.« »Dann schicke einen anderen.« »Ich werde den Wachoffizier holen«, erklärte der Posten plötzlich bereitwillig. Er verschwand und kehrte kurz darauf mit einem Offizier zurück, der den Gefangenen mißmutig anstarrte. »Was soll dieser Unfug?« knurrte er. Lawson starrte ihn in gespielter Ungläubigkeit an. »Sie wagen es tatsächlich, die persönlichen Angele genheiten des Großen Lords als Unfug zu be zeichnen?« fragte Lawson. Der Offizier schrumpfte förmlich in sich zusammen. Der Posten wich hastig ein paar Schritte zurück. »So habe ich es doch nicht gemeint.«
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»Das will ich auch hoffen«, sagte Lawson streng.
Der Offizier riß sich zusammen. »Weswegen möchten Sie den Großen Lord sprechen?« »Das werde ich Ihnen sagen, wenn Sie mir das entsprechende Dokument gezeigt haben.« »Dokument?« fragte der Offizier entgeistert. »Was für eine Art von Dokument?« »Das Dokument, aus dem einwandfrei hervorgeht, daß Sie das Recht haben, die Wünsche des Großen Lords zu begutachten.« »Ich werde mich auf der Stelle mit dem Kommandanten in Verbindung setzen«, erwiderte der Offizier hastig. Er eilte den Gang hinunter, und der Posten setzte sich wieder auf seinen Stuhl. »Ich gebe ihm hundert Milliteilchen«, sagte Lawson. »Sollte er bis dahin nicht zurück sein, kom me ich hinaus.« Der Posten sprang auf wie von der Tarantel gestochen. Seine Hände umklammerten das Gewehr, und er starrte Lawson schreckensbleich an. »Das können Sie nicht tun.« »Und warum nicht?« »Sie sind doch eingesperrt.« »Bah!« schnalzte Lawson amüsiert. »Außerdem bin ich hier.«
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»Das ist dein persönliches Pech«, murmelte Lawson mitleidig. »Entweder du erschießt mich oder nicht. Wenn nicht, dann gehe ich hinaus, und das wird Markhanwi gar nicht gefallen. Erschießt du mich aber, werde ich tot sein, und das wird ihm noch mehr gegen den Strich gehen.« Er schüttelte langsam den Kopf. »Nein, ich möchte wirklich nicht an deiner Stelle sein.« Der Posten gab sich die größte Mühe, sowohl das Gitter als auch das Ende des Ganges im Auge zu behalten. Er atmete erleichtert auf, als der Wach offizier zurückkam und ihm befahl, die Gittertür zu öffnen. »Der Kommandant hat erreicht, daß Sie zu Minister Ganne geführt werden. Alles weitere hängt von ihm ab.« Während Lawson zum Minister geführt wurde, sandte er einen telepathischen Befehl zu seinem Schiff. »Richten Sie Markhanwi aus, daß er noch sieben Achtel einer Zeiteinheit zur Verfügung hat. Das andere Achtel ist mit all diesem Hokuspokus sinnlos vertan worden. « Er warf einen Blick auf das offene Fenster und lächelte. Lou, Buzwuz und die anderen würden hier auf keinerlei Schwierigkeiten stoßen. »Sieben Achtel einer Zeiteinheit?« wiederholte Ganne fassungslos, »Wozu?« »Zum Abruf.«
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»Abruf?«
»Sie vergeuden hier nur kostbare Zeit«, brummte Lawson ungeduldig. »Sie wissen ganz genau, was ich meine, denn Sie waren ja bei unseren Unterhaltungen zugegen. Oder wollen Sie etwa behaupten, daß Sie schwerhörig sind?« Ein Gong ertönte im Schreibtisch, und Ganne schob sich den kleinen Stecker ins Ohr. »Jawohl, mein Lord«, sagte er untertänig. »Der Zweibeiner ist bei mir und …« Er brach ab und reichte Lawson den Stecker. »Wenn Sie sich einbilden«, kam Markhanwis Stimme, »daß Sie hier weiterhin bluffen können, dann haben Sie sich getäuscht.« Ein drohender Unterton trat in seine Stimme. »Die ersten Berichte unserer Suchflotten treffen bereits ein. Ich warte nur noch ab, bis die richtige Meldung kommt, dann werde ich recht drastisch mit Ihnen verfahren!« »Ihnen bleibt jetzt noch etwa eine Zeitspanne von dreiviertel Einheiten«, gab Lawson kühl zurück. »Nach Ablauf dieser Frist werden wir die Initiative ergreifen und genau das tun, was wir für richtig halten. Unsere Maßnahmen werden nicht drastisch sein, denn wir verabscheuen jegliche unnötige Anwendung von Gewalt und jedes Blutvergießen. Dennoch werden sie außerordentlich wirkungsvoll sein.«
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»Tatsächlich?« Markhanwi lachte sardonisch. »Nun, auch meinen Maßnahmen wird es nicht an der entsprechenden Wirkung fehlen.« »Die Frist läuft rasch ab«, sagte Lawson.
»Sie können weder zu Ihrem Schiff gelangen noch Verbindung mit ihm aufnehmen«, sagte Markhanwi, der diese Situation voll auszukosten schien. »Und in dreiviertel Zeiteinheiten wird es kein Schiff mehr geben, zu dem Sie zurückkehren könnten. Meine Luftstreife wird es aufs Korn nehmen und vernichten, denn ein solches Ziel kann ja gar nicht verfehlt werden.« »Nein?« »Alle etwaigen Verteidigungseinrichtungen wer
den zerstört sein, ehe sie überhaupt zum Einsatz ge bracht werden können. Dann werden wir diese fliegenden Dinger nach und nach erledigen. Sie haben die Dinge auf die Spitze getrieben, und ich bin bereit, jedes Risiko einzugehen und die Befehle des Solaren Systems zu mißachten.« Sein Tonfall wurde sarkastisch. »Falls es überhaupt ein Solares System gibt und falls es über eine so weittragende Macht verfügt.« Die Verbindung wurde getrennt, und Lawson verließ den Raum. Die Posten schauten ihn wie er starrt an. Seine selbstsichere Überlegenheit fuhr ihnen in die Glieder. Niemand stellte sich ihm in den Weg – ja, einer der Posten sprang sogar vor, um das Gitter zum Ausgang zu öffnen. Ein anderer Posten 66
rief einen Wagen herbei, und Lawson setzte sich neben den Fahrer. »Kannst du mich zu dem Schiff vor der Stadt bringen?« »Soweit fahre ich nicht.« »Es geht um Sekunden. Ich habe gerade mit Minister Ganne darüber gesprochen.« »Oh, was sagte er denn?« »Er hat mich mit dem Großen Lord verbunden, der mir erklärte, daß mir noch etwa eine halbe Zeiteinheit bliebe.« »Der Große Lord«, flüsterte der Fahrer ehrfürchtig. Er beschleunigte den Wagen bis zur Höchst geschwindigkeit. »Ich werde Sie rechtzeitig hinbrin gen.« Unterdessen waren die Posten vom Schiff in sichere Entfernung gebracht worden. Als der Wagen neben dem Schiff hielt, winkten ein paar aufgeregte Offiziere, aber sie waren außer Rufweite, und der Fahrer sah sie gar nicht. »Danke.« Lawson kletterte aus dem Wagen. »Eine Gefälligkeit ist der anderen wert. Deshalb gebe ich dir den guten Rat, so rasch wie möglich in die Stadt zu fahren.« Der Fahrer starrte ihn verblüfft an. »Warum?« »Weil hier in einer Fünftel Zeiteinheit ein ganzer Bombenteppich fallen wird. Bis dahin kannst du dich in Sicherheit bringen.« 67
Das alles überstieg offensichtlich das Begriffs vermögen des Fahrers – aber er wendete folgsam seinen Wagen und brauste in Richtung Stadt davon. James Lawson sprang in die Kanzel und warf einen flüchtigen Blick über die einzelnen Instru mente. Dann ließ er die Antriebsaggregate anlaufen, und als das Schiff in die Luft schoß, war der Sog so stark, daß er den Soldaten die Mützen von den Köpfen riß. Oben brausten die Jäger heran, um die erhaltenen Befehle auszuführen und das Schiff zu vernichten.
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Die Welt war ein Wanderer, ein Planet, der vor unendlichen Zeiten aus seinem eigenen Sonnen system herausgerissen worden war und in irgend einer fernen Zukunft entweder zu einem neuen System gelangen oder vernichtet werden würde. Bis dahin zog diese Welt in einer ziellosen Bahn durch das All. Es war weder kalt noch dunkel auf diesem Planeten, denn er besaß ein inneres Feuer. Er hatte eine spärliche Vegetation: kleine, feingegliederte Blumen und Bäume streckten ihre Wurzeln der inne ren Wärme entgegen, und ihre Blüten und Knospen waren in das matte Licht der Sterne getaucht. Vierzehn Raumschiffe befanden sich auf diesem verlorenen Planeten. Elf davon gehörten zum So laren System, eins stammte von den Nileanern, und die restlichen beiden gehörten zur Flotte des Großen Lords Markhanwi. Die Nileaner und ihre Gegner waren durch einige hundert Meilen voneinander getrennt und ahnten nichts von ihrer gegenseitigen Anwesenheit. Auf telepathische Anweisung der Männer des Solaren Systems hatten die Mannschaften der Nilea ner und ihrer Gegner ihre Bewaffnung zerstört und die Antriebsaggregate ihrer Raumschiffe unbrauch 69
bar gemacht, so daß sie nun auf diesem Planeten gestrandet lagen. Zwei der elf Schiffe aus dem Solaren System kannten den Stand der Dinge genau. Sie waren insgesamt mit Zweibeinern und außer den giganti schen bienenartigen Wesen noch mit spinnenartigen Wesen bemannt, die von der Venus stammten. Lawson und Reefer standen in ständiger tele pathischer Verbindung mit diesen überaus empfind lichen Wesen, die zwar keinerlei technisches Verständnis hatten, dafür aber über ungeheure tele pathische Kräfte verfügten. Zwei dieser spinnenartigen Wesen mit sechs feingliedrigen Beinen und runden, hervorstehenden Augen kletterten in Lawsons Schiff. Sie schnup perten mißtrauisch nach allen Seiten und schauten sich dann gegenseitig an. »Ich spüre die Gegenwart von Ungeziefer«, sagte einer der beiden; er trug ein dunkelrotes Band um den Kopf. »Ja, das Schiff sollte mal entlaust werden«, pflichtete der andere bei. Dieser trug einen grellroten Fez mit einem Querband. »Na«, murmelte James Lawson, »wenn es euch lieber ist, könnt ihr ja in Reefers Schiff gehen.« »Was, zu dem verrückten Burschen?« Er schnalzte mit der Zunge. »Dann nehme ich hier schon lieber das Ungeziefer in Kauf.« »Ich auch«, stimmte der mit dem roten Fez zu.
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»Sehr nett von euch«, kam der verächtliche Tonfall von Buzwuz. Er war soeben durch die offene Verbindungstür zum Navigationsraum geschwirrt. »Ich denke, wir könnten …« Beim Anblick der beiden eben eingetroffenen Wesen brach er ab und starrte sie verdutzt an. »Oh, schaut sie euch nur mal an!« »Was gibt es denn?« fragte der mit dem roten Band herausfordernd. Sein Name war Nlan; im nächsten Jahr würde er Nlin und im übernächsten Nlon lauten. »Dieses Kopftuch!« stieß Buzwuz schaudernd hervor. »Besonders diese gräßliche, rote Farbe!« Der mit dem Fez, dessen Name Dlath lautete, schnaubte verächtlich. »Ich möchte dich nur informieren, daß dies eine ganz spezielle Schöpfung des berühmten Oron ist, und …« Lawson schaltete sich stirnrunzelnd ein. »Wenn ihr mit euren gegenseitigen Sticheleien fertig sein solltet, dann könnten wir ja langsam an den Start denken. Wenn wir eben eine kurze Pause eingelegt haben, dann bedeutet das noch lange nicht, daß ihr darüber gleich den Kopf verlieren müßt.« Er schloß die Tür der Luftschleuse, versiegelte sie sorgsam, ging in die Pilotenkanzel und bediente ei nen kleinen Hebel.
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Kurz darauf startete auch Reefers Schiff, und auch die anderen neun Schiffe des Solaren Systems folg ten in kurzen Abständen. Damit blieben nur noch die drei unbrauchbaren Raumschiffe der Nileaner und ihrer Gegner auf diesem verlorenen Planeten.
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Der erste Kontakt erfolgte mit einem großen, schwerbewaffneten Kreuzer aus der Flotte des Großen Lords. Er bewegte sich mit Höchstgeschwin digkeit auf Kalambur zu, einer bläulich-weißen Sonne mit einem kleinen Planetensystem, das von den Nileanern als Interessengebiet beansprucht wurde. Die bienen- und spinnenartigen Wesen nahmen telepathischen Kontakt auf und lenkten Lawson in die entsprechende Richtung. Die Mannschaft des Kreuzers fand keine Gelegenheit zu irgendeiner Gegenmaßnahme. Gegen diesen starken, telepathi schen Zwang gab es einfach kein Auflehnen. Der Kreuzer änderte prompt seinen Kurs und schlug den Weg zu einem Planeten des Nachbarsystems ein, wo er unmittelbar nach der Landung mit unbrauchbaren Antriebsaggregaten liegenblieb. In kurzer Reihenfolge erlitten siebenundzwanzig weitere Raumkreuzer das gleiche Schicksal, denn auch sie wurden aus dem Krieg gezogen und zu irgendwelchen Planeten geschleust. Siebzehn davon zählten zur Flotte des Großen Lords Markhanwi, der Rest waren Nileaner. Es gab keinerlei Widerstand. Kein Schuß wurde abgefeuert und kein Lufttorpedo eingesetzt. Es gab nicht mal einen Fluchtversuch. 73
Die geistigen Kräfte der Telepathie erwiesen sich als weitaus stärker als alle technischen Einrichtungen. Dennoch ergab sich eine Komplikation, als James Lawson sich dem achtundzwanzigsten Opfer näherte. Schon bei der Annäherung war zu merken, daß hier etwas nicht stimmte. Während die bienen artigen Wesen das Vorhandensein und die genaue Position des Schiffes meldeten, versuchten die spinnenartigen Wesen wie üblich, den telepathischen Kontakt herzustellen, um dann den Zwang auszuüben. In diesem Fall jedoch gelang es ihnen nicht. Es handelte sich um ein altes Frachtschiff der Nileaner, das augenscheinlich als eine Art Hilfs kreuzer diente und seine Bahnen um einen kleinen Mondtrabanten zog. Lawson und seine kleine Mannschaft standen vor einem Phänomen. Es war undenkbar, daß es an Bord dieses alten Schiffes einen Schutzschirm geben sollte, der von den telepathischen Kräften der spinnenartigen Wesen nicht durchdrungen werden konnte. Immerhin war die Möglichkeit in Betracht zu ziehen, daß es sich bei dieser Mannschaft um roboterartige Wesen handelte, die über kein eigenes Denken verfügten und von den Nileanern auf irgend einem abgelegenen Planeten aufgestöbert worden sein mochten. Es erschien jedoch weitaus wahrscheinlicher, daß dieses Schiff von der Mannschaft verlassen worden war und nun seine festgelegte Bahn um diesen Mond 74
zog. Als das kleine Schiff des Solaren Systems sich dem alten Frachter näherte, versuchten Nlan und Dlath, telepathischen Kontakt mit dem Mond aufzunehmen, um zu sehen, ob das Schiff vielleicht von dort aus geleitet wurde – aber auch dort war keinerlei Kontakt zu finden. Das kleine Schiff nä herte sich in einem weiten Bogen seinem Opfer. Sie fanden keine Gelegenheit mehr, sich diesen Frachter ein wenig genauer anzusehen. Die Instrumente an Bord des Frachters registrierten die Anwesenheit eines anderen Raumschiffes ein paar Sekunden zu spät. Die Instrumente waren genau darauf eingestellt, und im Bruchteil einer Sekunde explodierte der Frachter und zerbarst in tausend Teile. Diese Explosion hätte jedes andere Raumschiff in der Nähe unweigerlich vernichtet, und das kleine Schiff des Solaren Systems wurde nur durch seine ungeheure Geschwindigkeit gerettet. »Eine hübsch ausgedachte Falle«, murmelte Lawson. »Die Instrumente waren auf die in dieser Galaxis übliche Geschwindigkeit der Raumschiffe eingestellt, und dieser Tatsache haben wir unser Leben zu verdanken.« »Ja«, pflichtete ein bienenartiges Wesen aus dem hinteren Teil des kleinen Schiffes bei. »Hast du aber von diesen verdammten Spinnen eine entsprechende Warnung bekommen? Hast du gehört, daß hier Gefahr droht? Hast du gespürt, daß sie an deinem Arm zerrten?« 75
»Mir scheint«, sagte Nlan zu Dlath, »ich höre da irgendwo die eifersüchtige Stimme eines Wesens der niederen Lebensformen.« Die Sticheleien wurden noch einige Zeit fortgesetzt, bis es Lawson zuviel wurde. »Ruhe!« rief er mit donnernder Stimme. Das kleine Schiff machte sich auf die Suche nach dem nächsten Opfer. Der nächste Zwischenfall erbrachte erneut den Beweis, wie sehr die telepathische Verbindung allen herkömmlichen Nachrichtenverbindungenüberlegen ist. In der äußersten Galaxis stellte ein Zweibeiner des Solaren Systems namens Ellis das Vorhanden sein zweier feindlicher Flotten fest, die sich zu einem Generalangriff formierten. Die Mitteilung wurde prompt von allen Schiffen des Solaren Systems aufgenommen, und sie eilten mit Höchstgeschwindigkeit auf die betreffende Stelle zu. Lawsons kleines Schiff flitzte mit unvor stellbarer Geschwindigkeit an einzelnen Systemen vorüber, von denen die meisten unbewohnbar waren oder zumindest auf einer sehr niederen Entwick lungsstufe standen. Unterwegs spürte Nlan eine kleine Gruppe von zehn Frachtern auf, die sich friedlich auf dem Weg zu ihrem Bestimmungsort befanden. In der Nähe eines Doppel-Sonnen-Systems lauerten zwei leichte Zerstörer aus der Flotte des Großen Lords 76
Markhanwi. Sie warteten auf das Eintreffen der Frachter, um sie zu durchsuchen und zu beschlag nahmen. Lawson stoppte sein kleines Schiff und trieb die beiden »Wölfe« auf einen nahen Planeten, während die Frachter ihren Weg fortsetzten, ohne etwas von der drohenden Gefahr bemerkt zu haben. Als Lawsons Schiff bei den beiden feindlichen Flotten eintraf, befanden diese sich bereits in voller Auflösung. Die Flotte der Nileaner hatte sich an diesem Punkt versammelt, um ein größeres System zu beschützen. Markhanwis Flottenkommandeur hatte daraus geschlossen, daß es sich um ein besonders wertvolles Gebiet handeln mußte und prompt das Signal zum Angriff gegeben. In diesem Augenblick schalteten sich die kleinen Schiffe des Solaren Systems ein. Die telepathischen Kräfte wurden eingesetzt, und die Flottenkommandeure standen plötzlich vor einem unlösbaren Rätsel. Es erging ihnen dabei wie einem Fachmann, der ein Experiment bereits neunhundertneunzigmal durch geführt hatte, um dann zu sehen, daß es beim tausendstenmal völlig mißlang. Die feindlichen Flottenkommandeure waren über zeugt, daß sich außer diesen beiden Flotten niemand in der näheren Umgebung befand. Sie standen sich wie zwei Boxer im Ring gegenüber, um plötzlich festzustellen, daß sie den Kampfgeist völlig verloren hatten.
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Unter dem unausweichbaren, telepathischen Zwang landeten die Kreuzer nacheinander auf den verschiedensten Planeten, und als die Kommandeure und Mannschaften endlich wieder einen klaren Gedanken fassen konnten, mußten sie verdutzt feststellen, daß sie hier mit ihren unbrauchbaren Antriebsaggregaten festlagen. James Lawson kam mit seinem kleinen Schiff zu einer großen, aus hundertvierzig Kreuzern bestehen den Kampfgruppe der Nileaner. Diese Kampfgruppe setzte zu einem Flankenangriff auf Markhanwis Flotte an. Es war eine verhältnismäßig leichte Aufgabe: die spinnenartigen Wesen konzentrierten ihre telepathischen Kräfte auf den Kommandeur dieser Gruppe und veranlaßten ihn zu den entsprechenden Maßnahmen. Alle Schiffe seiner Flotte folgten seinen Anweisungen, auch wenn sie sie insgeheim für vollkommen verrückt hielten. Im Nu wechselte die gesamte Flotte ihren Kurs und schlug die Richtung zu ihren Ausgangs stellungen ein. Der Kommandeur hatte die entspre chenden Befehle erteilt, und dagegen gab es einfach kein Auflehnen. Er war schließlich der Boß und mußte wissen, was er tat. Lawson begleitete die Gruppe über die Hälfte des Weges zu ihren heimatlichen Raumhäfen. Die Schiffe zogen unbeirrt ihre Bahn. Der große Boß hatte offensichtlich einen entsprechenden Befehl
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erhalten, denn das war die einzige Erklärung für dieses seltsame und unerklärliche Unternehmen. Kurze Zeit später gelang Reefer eine ähnliche Maßnahme mit einer Flotteneinheit des Großen Lords. Ein Verband von achtundachtzig Kreuzern, zum Großteil schwere Schlachtkreuzer, schlug auf Befehl ihres Kommandeurs den Weg zu den heimatlichen Gefilden ein. Der im Stab sitzende Admiral, der all diese Bewegungen auf seinen Schirmen verfolgte, kam fast um den Verstand. Verzweifelt drückte er auf eine Batterie von Knöpfen und riß die einzelnen Hebel herum. Alle Drohungen halfen nichts – die Flotte setzte ihren Weg zur Heimat unbeirrt fort. Nach Ablauf der fünfzigsten Zeiteinheit stellten die Zweibeiner des Solaren Systems eine Statistik auf. Vierzehn Schiffe waren bei der Durchführung ihrer Maßnahmen zerstört worden; dabei handelte es sich ausschließlich um sogenannte Fallen, deren Instru mente sie bei der Annäherung eines anderen Raum schiffes zur Explosion gebracht hatten. Achthun derteinundfünfzig Schiffe waren auf irgendwelchen Planeten und Satelliten zur Landung gebracht worden. Tausendzweihundertsechsundsechzig Schif fe waren unterwegs zu ihren heimatlichen Raum häfen, obgleich sich die Admirale beider Seiten atemlos bemühten, die Schiffe auf ihren ur sprünglich befohlenen Kurs zurückzubringen. Die Raumrouten waren wieder frei, und die Frachter und 79
Handelsschiffe konnten ungehindert ihre Bahn ziehen. Die durchgeführten Maßnahmen dürften ausreichen, um selbst den hartnäckigsten Dummkopf davon zu überzeugen, daß ein Mythos nicht der fernen Vergangenheit angehört, sondern notfalls auch in der Gegenwart recht tatkräftig eingreifen kann. Die telepathischen Verbindungen der Wesen aus dem Solaren System reichten bis zu ihrer fernen Galaxis, und die kleinen Schiffe setzten ihre Suchaktionen fort. Sie hätten natürlich die Möglich keit gehabt, die Flottenadmirale im Hauptquartier unter telepathischen Druck zu setzen, so daß diese den allgemeinen Befehl zum Rückzug in die Ausgangsstellungen erließen – aber die Anwendung ihrer Macht durfte nicht übertrieben werden. Eine derartige Demonstration grenzte bereits an die Darstellung göttlicher Allmacht, und das wurde von den Menschen des Solaren Systems als unerwünscht abgelehnt. Es ging einzig und allein darum, den einmal bestehenden Gesetzen Geltung zu verschaf fen. Eine Übertreibung der Macht wäre einer absoluten Beherrschung dieser Galaxis gleichge kommen. Die kleinen Schiffe kamen überein, ihre Bemühungen eine weitere Zeiteinheit lang fortzu setzen. Es stellte sich bald heraus, daß die verbliebenen Schiffe der Nileaner nach und nach von sich aus Kurs auf ihre Heimathäfen nahmen, während sich der Rest von Markhanwis Armada noch zögernd und abwartend verhielt. Bald aber 80
sahen auch sie ein, daß sie auf eigene Faust nichts unternehmen konnten und schlugen den Heimweg ein. »Genug!«
Die telepathische Nachricht wurde von allen Seiten aufgegriffen. »Ihr habt gute Arbeit geleistet!« sagte James Lawson zu den einzelnen Mitgliedern seiner Besatzung. »Unsere Arbeit ist stets erstklassig«, gab Man selbstbewußt zurück. Er nahm sein Kopftuch ab, wischte ein paar nicht vorhandene Staubkörnchen ab und betrachtete es nachdenklich. »Ich glaube, ich habe mir ein neues Tuch verdient.« »Du kannst dir bei dieser Gelegenheit auch gleich einen neuen Kopf zulegen«, zischte Buzwuz aus dem Navigationsraum des kleinen Schiffes. »Diese Burschen kommen mir wie kleine Kinder vor«, versetzte Dlath, indem er mit seinen fein gegliederten Beinen zuckte. »Es handelt sich da um ein Phänomen, das ich schon seit langem untersuchen wollte, nur bin ich bisher irgendwie noch nicht dazu gekommen.« »Was für ein Phänomen?« fragte Nlan. »Je näher ihr Ursprungsplanet bei der Sonne liegt,
desto höher ist die Intelligenz entwickelt …« »Laß dir mal etwas sagen, Spinnen-Schatten!« fauchte Buzwuz zurück. »Außerhalb des Kreises der Asteroiden …« 81
»Mund halten!« befahl Lawson, und prompt wurde es wieder ruhig an Bord des kleinen Schiffes. Er schlug den Rückweg zu dem verlorenen Planeten ein, von dem das Unternehmen ausgegangen war. Dort warteten bereits zwei Schiffe des Solaren Systems, um die spinnenartigen Wesen abzuholen und heimzubringen. Ihre Aufgabe war in dieser Galaxis beendet. Um die Richtung zu diesem verlo renen Planeten zu finden, bedurfte es keiner Sternkarten, denn Lawson brauchte nur den angege benen Richtungen der beiden telepathischen, spinnenartigen Wesen zu folgen, um genau am richtigen Fleck zu landen. So einfach war das alles.
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Die Durchführung der endgültigen Abschlußmaß nahme des gesamten Unternehmens wurde vorerst zurückgestellt. Bislang war es ein voller Erfolg für die Menschen des Solaren Systems gewesen – aber sowohl Markhanwi als auch Glastrom brauchten Zeit, bis die Meldungen aus den einzelnen Richtungen beim Stab eintrafen und ausgewertet werden konnten. Es wäre sinnlos gewesen, wenn Lawson und Reefer ihnen diese Meldungen persönlich überbracht hätten. Man hätte sich ohnehin nicht auf ihr Wort verlassen. Selbst wenn die beiden Führer ihrer Systeme ein klares Bild von der Situation erhalten hatten, mußte man ihnen weitere Zeit zum Verarbeiten aller Tatsachen einräumen. Ihrer Natur gemäß würden die Nileaner wahrschein lich noch vor ihrem Gegner einsehen, daß es sich nicht auszahlte, sich gegen ein Gesetz aufzulehnen und die Raumrouten, die der Allgemeinheit zur Verfügung standen, für sich allein zu beanspruchen. Es war anzunehmen, daß der Große Lord Markhanwi noch immer nicht so leicht zur Aufgabe seiner Pläne zu bewegen war. Man mußte ihm Zeit lassen, aufgrund der vorhandenen Tatsachen zu der Überzeugung zu kommen, daß es besser war, eine offensichtlich undurchführbare Aufgabe fallenzu 83
lassen, als bei ihrer Fortsetzung den Hals in eine Schlinge zu stecken. Er war der absolute Herrscher seines Volkes und konnte sich eine absolute Niederlage auf keinen Fall leisten. Ein paar Tage vor den endgültigen Abschluß verhandlungen mit den Nileanern, brauste Reefer mit seinem kleinen Schiff durch den Schutzschirm des Planeten und warf ein kleines Päckchen vor Glastroms Palasttür. Ehe Posten und Streifenjäger der Luft überhaupt merkten, was gespielt wurde, hatte er den Planeten bereits wieder weit hinter sich. Zehn Zeiteinheiten später stattete James Lawson Markhanwis Hauptquartier einen ganz ähnlichen Besuch ab. Nachdem er den Schutzschirm des Planeten durchbrochen hatte, schlug er die Richtung zum Stabsgebäude ein und warf hier ein kleines Paket ab. Es war natürlich nicht seine Absicht, damit den gerade vor die Tür tretenden Kasine genau am Kopf zu treffen, denn einen solchen Treffer konnte aus dieser Höhe selbst ein Vollblutschütze in seinen kühnsten Träumen nicht erhoffen. Dennoch war es eine Tatsache. Kasine rappelte sich langsam vom Boden auf, schickte ein paar wilde Flüche in den Himmel und brachte das Päckchen prompt zum Wachoffizier. Dieser händigte es dem Komman danten aus, und kurze Zeit später landete es bei Minister Ganne. Dieser trug es zum Großen Lord Markhanwi und verließ dann den Raum mit einer hastig gemurmelten Entschuldigung. Markhanwi betrachtete das unerwünschte Geschenk mißtrauisch, 84
schob sich den kleinen Stecker ins Ohr und trug dem Wachoffizier auf, einen Soldaten abzustellen, der das Päckchen, das er, Markhanwi, durchs Fenster in den Garten warf, zu öffnen hatte. Der Wachoffizier stellte prompt einen seiner Männer ab, den er ohne dies nicht recht leiden konnte. Das Päckchen wurde geöffnet, und kurz darauf wurde sein Inhalt, eine Anzahl Sternkarten, dem Großen Lord überbracht. Er breitete die Karten auf seinem Schreibtisch aus und begann sie genau zu studieren. Einzelne Sy steme und Planeten waren angekreuzt und mit der Notiz versehen, daß sich hier so und so viele Schiffe seiner Flotte befanden, die sich aus eigener Kraft nicht bewegen konnten. Außerdem enthielt die Notiz jeweils die Bemerkung, wie lange sich die betreffenden Mannschaften mit ihren Vorräten aus eigener Kraft am Leben erhalten konnten. Markhanwis Gesicht wurde immer länger. Nach den Angaben auf den Sternkarten hatte er in den einzelnen Systemen etwa ein Fünftel seiner Streitkräfte verloren. Ihm blieb gar keine andere Wahl, als sofort alle Maßnahmen zur Rettung dieser weit verstreuten Mannschaften in die Wege zu leiten. Noch wußte er nichts davon – aber ihm blieben noch genau zwanzig Zeiteinheiten. Nach Ablauf dieser Frist kehrte Lawson zurück. Das zweite Eintreffen unterschied sich in keiner
Weise vom ersten. Die bläuliche Sonne sandte ihre
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Strahlen auf die freie Fläche vor der Stadt, und im Westen ging der kleinste der drei Monde unter. Blitzartig tauchte das kleine Schiff am Horizont auf, und im nächsten Augenblick stand es bereits auf der gleichen Stelle wie schon einmal. Am Himmel kreisten die Streifenjäger. Diesmal war das Risiko entschieden größer, denn es war da mit zu rechnen, daß sie die Sache in ihre Hand nahmen und das Schiff auf eigene Faust mit einem Bombenteppich belegten. James Lawson dachte nur flüchtig an eine solche Möglichkeit; dann sprang er aus der Kanzel und war froh, endlich wieder einmal frische Luft atmen und festen Boden unter den Füßen spüren zu können. Die bienenartigen Wesen schwirrten ebenfalls von Bord. Sie stiegen hoch in die Luft und benahmen sich wie Matrosen, die nach langer Zeit auf hoher See endlich wieder Landurlaub bekommen hatten. Von der Stadt kamen ein paar mit Soldaten bela dene Lastwagen. Sie hielten in respektvoller Ent fernung vom Schiff, und die Soldaten sprangen ab. Diesmal gab es keinerlei Anzeichen von Feindselig keit. Die Waffen blieben ungeladen, und die Solda ten stellten sich in einer Art Ehrenkompanie auf. Ein Offizier mit drei Silberkometen auf der Brust kam wie auf dem Exerzierplatz auf Lawson zu und entbot ihm einen zackigen, militärischen Gruß mit einer Hand des oberen Armpaares.
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»Sind Sie zu einer weiteren Konferenz mit dem Großen Lord zurückgekehrt, Sir?« fragte er dann. »Ja.« Lawson musterte den Offizier mit einem forschenden Blick. »Warum der formelle Titel? Ich trage doch keinerlei Rangabzeichen. « »Sie sind aber doch der Kommandant dieses Schiffes, Sir«, erwiderte der Offizier. »Ich bin der Pilot«, berichtigte Lawson. »Einen Kommandeur brauchen wir nicht.« Das überstieg allem Anschein nach das Begriffsvermögen des Offiziers, denn er deutete ver wirrt auf den Wagen. »Bitte einzusteigen, Sir.« Lawson stieg lächelnd ein, und der Wagen schlug den Rückweg zur Stadt ein. Der Offizier starrte schweigend vor sich hin. Für ihn war es ein Tag, den er nie im Leben vergessen würde. Der Große Lord Markhanwi saß auf seinem Thronsessel; seine vier Arme ruhten lässig auf den Lehnen, und auf seinem Gesicht stand der Ausdruck innerer Konzentration. Vor vielen Tagen hatte er sich mit voller Kraft auf einen Krieg vorbereitet, von dem er sich sehr viel versprach. Vor wenigen Tagen war er ruhelos durch den Raum gestürmt, hatte die Hände auf die Schreibtischplatte geschlagen und wilde Drohungen und Schmähungen ausgestoßen. Noch vor wenigen Zeiteinheiten hatte er Kasine angefahren, als sie das ungeheure Ausmaß des Schadens besprochen hatten, der ihnen durch die 87
Landung ihrer Raumschiffe in fernen Welten zugefügt worden war. Jetzt aber hatte er die ruhige Haltung eines Fatalisten eingenommen, der sich mit allem abfand. Er war reif für eine vernünftige Unterhaltung. Das war auch gar nicht anders zu erwarten gewesen. Die Taktik der Menschen des Solaren Systems war stets auf den praktischen Zweck ihres Unternehmens und auf dessen Erfolg ausgerichtet. Die Umstände hatten sich wesentlich geändert, als James Lawson den weiten Raum zu seiner dritten Besprechung betrat. Seine eigene Haltung war unverändert lässig – aber der Große Lord Markhanwi und Minister Ganne schauten ihm jetzt respektvoll entgegen, und von ihrer früheren feindseligen Haltung war nichts mehr zu spüren. Lawson setzte sich in einen Sessel, schlug die Beine übereinander und lächelte dem Großen Lord wie einem kleinen Kind zu, das tüchtig ausge scholten und endlich zur Vernunft gekommen war. »Nun?«
»Ich habe mich direkt mit Glastorm in Verbindung gesetzt«, sagte Markhanwi. »Wir haben dem Rest unserer Schiffe Anweisung gegeben,, sofort in die Ausgangsstellungen zurückzukehren.« »Das war sehr vernünftig. Was soll nun aus all den Mannschaften werden, die über die gesamte Galaxis verstreut sind?« »Auch in diesem Punkt habe ich mich mit
Glastorm geeinigt, nämlich, daß die Schiffe im Zuge
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der Zusammenarbeit zwischen unseren Völkern möglichst rasch heimgebracht werden sollen. Dabei bringen die Nileaner alle unsere Schiffe zurück, die sie antreffen, und wir tun das gleiche mit den ihren.« »Das ist doch wesentlich besser, als sich gegen seitig den Hals durchzuschneiden, nicht wahr?« »Sie sagten aber doch, das wäre Ihnen gleich«, gab Markhanwi zu bedenken. »Das ist vollkommen richtig. Es geht uns ausschließlich darum, das Recht der Unschuldigen zu vertreten, die gegen ihren Willen in diese Sache verwickelt werden.« Lawson schickte sich an, von seinem Sessel aufzustehen und den Raum zu verlassen. Seine Auf gabe war erfüllt, und er hatte keine Lust, seine Zeit hier unnütz zu vertrödeln. Markhanwi kam ihm zuvor. »Ich hätte gern die Antworten auf drei Fragen.« »Wie lauten die Fragen?« »Können Sie mir auf Ehre und Gewissen versi chern, daß Sie aus einer anderen Galaxis kommen?« »Mit voller Überzeugung.«
Markhanwi runzelte die Stirn. »Haben Sie auf grund irgendwelcher Maßnahmen eine der uns oder den Nileanern gehörenden Welten dieses Systems sterilisiert?« »Sterilisiert?« wiederholte Lawson verdutzt.
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»Es heißt allgemein, daß Sie so etwas bei den Elmones durchgeführt hätten.« »Ach, das.« Lawson machte eine wegwerfende Handbewegung, als wäre diese Tatsache nicht der Rede wert. »Sie beziehen sich da auf einen Vorfall der fernen Vergangenheit. Zu jener Zeit wurden von uns noch Waffen eingesetzt. Inzwischen ist das ganz anders geworden. Wir fügen niemandem mehr einen Schaden zu.« »Da gestatte ich mir, zu widersprechen.« Mark hanwi deutete auf eine ausgebreitete Sternkarte. »Nach Ihren eigenen Angaben sind acht meiner Schiffe mitsamt ihren Mannschaften vernichtet worden.« »Hinzu kommen fünf Schiffe der Nileaner und eines der unseren«, sagte Lawson. »Keiner dieser Unfälle war zu vermeiden. Zwei Ihrer Schiffe sind beispielsweise in dem herrschenden Chaos zusam mengestoßen und auf der Stelle explodiert. Das hatte gar nichts mit unserem Eingreifen zu tun.« Markhanwi zweifelte keinen Augenblick an der Richtigkeit dieser Aussage. Er beugte sich vor, um zur letzten Frage anzusetzen. »Sie haben ein Gesetz aufgestellt, nach dem alle Raumrouten zwischen einzelnen Systemen und Planeten jedermann zur freien Verfügung stehen. Wir haben dieses Gesetz inzwischen anerkannt und werden uns in Zukunft danach richten. Ich denke, das berechtigt uns zu der Frage, warum Sie diesen hohen Moralstandard des 90
Weltraumes selbst in einer Galaxis aufrechterhalten, die nicht zu Ihrem eigenen Gebiet gehört.« Lawson stand auf und schaute ihm fest in die Augen. »Hinter dieser Frage lauert das Überein kommen, das Sie soeben mit Glastorm getroffen haben, nämlich angesichts der Bedrohung, von außen her die Zwistigkeiten zunächst einzustellen – und zwar in der Hoffnung, daß es Ihnen eines Tages gelingt, Schiffe von der gleichen Qualität oder sogar einer besseren als der unseren zu konstruieren. Wenn Sie sich dann stark genug fühlen, beab sichtigen Sie, sich mit den Nileanern zu verbünden, um einen großangelegten Angriff auf unsere eigene Galaxis durchzuführen.« »Damit ist meine Frage nicht beantwortet«, erwiderte Markhanwi, ohne auf die versteckte Anklage näher einzugehen. »Die Antwort werden Sie ohnehin nicht begreifen.« »Ich möchte Sie höflichst ersuchen, die Beur teilung dieser Tatsache mir selbst zu überlassen.« »Nun, dann will ich Ihnen die Antwort geben«, sagte Lawson. »Die Wesen des Solaren Systems richten sich seit langem nicht mehr nach der äußeren Erscheinungsform der einzelnen Lebewesen. Die einzelnen Rassen gehen in einem System der gemeinsamen Verbundenheit auf, in der das Schick sal des einzelnen Individuums dem Wohl der Allgemeinheit untergeordnet wird. Es ist ein großes, 91
aber lohnenswertes Ziel, das wir anstreben. Es ist der Beginn eines Zeitalters, das letzten Endes zur völligen Erforschung des gesamten Universums führen wird. Um ein solches Wachstum zu er reichen, braucht man vor allen Dingen die absolute Freiheit aller Raumrouten zwischen den einzelnen Konstellationen, Systemen und Planeten.« »Warum?«
»Weil die nächste Entwicklung zur Erreichung des
großen Gesamtzieles aus dieser Galaxis kommen
wird. Das dürfte für Sie die größte Überraschung
sein.« »Für mich?« fragte der Große Lord verdutzt. »Es liegt an Ihrer Lebensform. Sie übersehen den
Zeitfaktor – und der ist überaus wichtig.« »Wie meinen Sie das?« »Bis zu dem Zeitpunkt, an dem Sie oder die
Nileaner die Technik so weit vervollkommnet haben, daß Sie für uns eine ernste Bedrohung darstellen könnte, werden sich eure beiden Völker vollkommen miteinander vermischt haben.« »Das verstehe ich nicht.« Lawson wandte sich der Tür zu. Dort blieb er stehen und drehte sich noch einmal um. »Eines Tages werden Sie, wie gesagt, vollkommen mit den Nileanern verschmolzen und unzertrennlich sein – kleine Teilchen eines viel größeren Ganzen. Diese Entwicklung werden Sie zwar ziemlich spät 92
erreichen – aber sie kommt so oder so. Es entspricht dem Entwicklungsgesetz der Natur, daß stets ein gewisser Ausgleich geschaffen wird, das heißt, daß die weiter entwickelten Rassen nicht von den weniger entwickelten aufgehalten werden dürfen. Diese natürliche Entwicklungsform darf nicht von irgendwelchen kriegerisch gesinnten Nachbarrassen gehemmt werden.« Er lächelte Markhanwi und Minister Ganne noch einmal zu, und dann verließ er den Raum. »Haben Sie verstanden, was er mit alledem gemeint hat, mein Lord?« fragte Ganne. »Zumindest etwas habe ich begriffen«, erwiderte Markhanwi nachdenklich. »Er hat sich auf Ereig nisse bezogen, die sich wahrscheinlich erst in fünf-, zehn- oder zwanzigtausend Jahren abspielen werden – zu einem Zeitpunkt also, an dem wir beide längst nicht mehr am Leben sind.« »Woher weiß er aber etwas von unserem Abkommen mit Glastorm?« »Das kann er gar nicht wissen, weil es ihm niemand gesagt hat. Es war nur eine wohlüberlegte Vermutung von ihm, und wie wir wissen, stimmt sie sogar.« Der Große Lord Markhanwi dachte eine Weile schweigend über alles nach. »Ich frage mich nur«, murmelte er dann, »inwieweit er mit seiner anderen Vermutung recht behalten wird.« »Welche meinen Sie, mein Lord?«
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»Daß wir bis zu dem Zeitpunkt, an dem unsere Entwicklung den Höhepunkt erreicht, Abstand von einem Angriff auf ihr System nehmen, weil wir dann bereits Teil eines größeren Ganzen sind.« »Das kann ich mir nicht vorstellen«, sagte Ganne hilflos. »Und ich kann mir nicht vorstellen, daß es eine Rasse gibt, die die Kluft von einer Galaxis zur anderen überqueren kann. Keiner unserer Experten kann sich das vorstellen«, versetzte Markhanwi. »Ich kann mir weiterhin nicht vorstellen, wie jemand in den Krieg zweier Systeme eingreifen kann, ohne überhaupt Waffen zu besitzen.« Sein Gesicht wurde finster. »Damit kommen wir zu dem Punkt seiner Aus führungen, den ich am allerwenigsten mag: unser Verstand ist noch nicht genügend entwickelt. Unser größtes Handikap besteht in unserer begrenzten Vorstellungskraft.« »Gewiß, mein Lord«, pflichtete Ganne ihm bei.
»Reden Sie gefälligst für sich selbst«, knurrte Markhanwi. »Ich kann meine Vorstellungskraft im merhin ein bißchen wachrütteln – im Gegensatz zu anderen. Ich werde mich persönlich mit Glastorm in Verbindung setzen. Vielleicht finden wir eine Möglichkeit, unsere Galaxis ohne Gewaltanwendung zu reorganisieren, so daß sie eine Macht darstellt, die nicht so ohne weiteres von einem größeren Ganzen aufgesogen werden kann. Der Versuch 94
dürfte sich zumindest lohnen.« Er hielt inne und starrte Ganne an. »Was soll das dumme Grinsen bedeuten?« »Mir sind gerade seine Worte eingefallen, mein Lord«, erwiderte Ganne, der sich gar nicht recht wohl in seiner Haut fühlte. »Er führte doch ausdrücklich an, daß wir eines Tages untrennbar mit den Nileanern verschmolzen sein werden, um dann als Teil eines größeren Ganzen zu fungieren. Wenn Sie sich jetzt mit Glastorm in Verbindung setzen, dann bedeutet das nichts anderes, als daß sich diese Entwicklung bereits angebahnt hat.« Markhanwi ließ sich in seinen Sessel zurückfallen und begann an den Nägeln seiner vier Hände zu knabbern. Gannes Einwurf gefiel ihm gar nicht recht – aber insgeheim mußte er sich eingestehen, daß sein Minister recht hatte. Die einzige Möglichkeit zur Erreichung des höchsten Entwicklungsstandes bestand in dem Bemühen, eine tatkräftige Zusam menarbeit zu erlangen, die sich über die gesamte Galaxis erstreckte. Wenn dieser Versuch und dieses Bemühen unterlassen wurden, dann bedeutete das, daß diese Galaxis in die Dunkelheit des Vergessens geriet, und somit stand ihnen ein ganz ähnliches Schicksal bevor, wie es die Elmones erlitten hatten: zum Schluß würden sie nichts weiter bedeuten als eine vage Erinnerung. Er hatte nur die Wahl zwischen zwei Wegen:
entweder vorwärts oder rückwärts. Vorwärts bedeu
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tete das Streben nach einem möglichen Höhepunkt der Entwicklung. Rückwärts hieß, sich in das Unver meidliche schicken. Also konnte es nur vorwärts sein. James Lawson kehrte zu seinem Schiff zurück; er wußte, daß seine kleine Mannschaft bereits auf ihn wartete und daß sie zum Aufbruch drängte. Er verließ den Wagen, bedankte sich bei dem Fahrer und wandte sich dem Schiff zu. Als er auf die Luftschleuse zutrat, fiel sein Blick auf den Posten, und er blieb stehen. »Ich glaube, wir kennen uns von meinem letzten Besuch«, sagte er liebenswürdig. Yadiz ging nicht auf den Köder ein. Er umklammerte sein Gewehr mit einem festen Griff und versuchte, keine weitere Notiz von der Stimme zu nehmen, die ihm so vertraut in den Ohren klang. Er sagte sich, daß man aus Erfahrung klug wird. In Gegenwart eines Wesens aus dem Solaren System war es am besten, wenn man stocksteif wie eine Statue dastand. »Na schön, ganz wie du willst.« James Lawson kletterte achselzuckend in die Luftschleuse und blickte noch einmal auf den Posten. »Wir werden jetzt starten und dabei einen mächtigen Sog verursachen. Wenn du nicht plötzlich in den Himmel emporgehoben werden willst, dann möchte ich dir
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raten, dort drüben hinter den Felsbrocken in Deckung zu gehen.« Yadiz dachte einen Augenblick über diesen Vorschlag nach, und dann entschloß er sich, ihn zu befolgen. Schweigend marschierte er hinter die Felsbrocken und legte sich in Deckung. James Lawson setzte sich in die Pilotenkanzel und legte die Hand auf den kleinen Hebel. Am fernen Ende der Galaxis gab es im grauen Nebelschleier der Sterne zwei Rassen, die sich um eine friedliche Entwicklung bemühten. In der Nachbarschaft lauerte eine dritte Macht von selbstherrlichen und arro ganten Wesen, die sich anschickte, genau den Platz einzunehmen, der soeben von Markhanwi und Glastorm aufgegeben worden war. Dort galt es, eine neue Aufgabe zu erfüllen. Die arrogante Macht mußte zur Ordnung gerufen werden. Langsam legte er den Hebel herum.
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