GALAXY 2 EINE AUSWAHL DER BESTEN STORIES AUS DEM AMERIKANISCHEN SCIENCE FICTION MAGAZIN GALAXY
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GALAXY 2 EINE AUSWAHL DER BESTEN STORIES AUS DEM AMERIKANISCHEN SCIENCE FICTION MAGAZIN GALAXY
Genehmigte Taschenbuchausgabe All Stories Copyright 1952, 1961, 1963 und 1964 by Galaxy Publishing Corporation, New York Printed in Germany 1965 Scan by Brrazo 11/2004 Umschlag: Atelier Heinrichs, München Gesamtherstellung: H. Mühlberger, Augsburg
HEYNE-BUCH NR. 3044 im Wilhelm Heyne Verlag, München Auswahl und Übersetzung von Walter Ernsting
LESTER DEL REY
Die Fessel (EARTHBOUND) 1
LESTER DEL REY Die Fessel Erst viele Stunden nach der letzten offiziellen Feierlichkeit gelang es Clifton, der Menge der geladenen Gäste zu entfliehen, die ihn zu Tode gelangweilt hatten. Sie hatten reichlich gespendet, um an diesem Fest teilnehmen zu können, und sie dachten nicht daran, ihr Geld umsonst auszugeben. Der einzige Ausgang, den Clifton fand, führte auf einen kleinen Balkon. Aber außer ihm schien ihn noch niemand entdeckt zu haben. Gierig sog er die frische Nachtluft in die Lungen, ehe sein Blick, fast unbewußt, hinauf zu den Sternen ging. Es war ein Fehler gewesen, zur Erde zurückzukehren. Aber er benötigte das Geld. Die »Raumfahrt-Erzeugnisse GmbH« suchte für ihre Hundertjahrfeier einen richtigen Helden, der fremde Sterne gesehen hatte. Man hatte ihm das Angebot gemacht, also war er der Einladung gefolgt. Diese sinnlosen Ansprachen und Lobhudeleien! Verrückte Erde! Was bedeutete schon ein einziger Planet, wenn es Millionen davon zwischen den Sternen gab? Auf der anderen Seite der großen Topfpflanze seufzte jemand. Clifton zuckte zusammen. Er hatte nicht bemerkt, daß außer ihm noch jemand auf dem Balkon war. Er war beruhigt, als er sah, daß der Fremde ihn nicht beachtete. Die Augen, hinter dunklen Gläsern verborgen, blickten hinauf zum Himmel. »Aldebaran, Sirius, Deneb, Alpha Centauri«, flüsterte die Stimme heiser. Clifton fiel der merkwürdige Akzent auf. Irgendwie klang die Stimme poetisch und alt. Sehr alt. Der Mann war von kleiner Gestalt und hatte gebeugte Schultern. Ein langer Bart bedeckte die untere Hälfte des Gesichtes, aber
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selbst im schwachen Mondlicht waren die tiefen Falten zu erkennen. Clifton spürte ein unerklärliches Mitleid für den Alten, und er näherte sich ihm ein wenig. Er wußte nicht, warum er das tat. »Habe ich Sie nicht unten auf der Tribüne gesehen?« »Ich bewundere Ihr Gedächtnis, Captain. Ich erhielt ein Belobigungsschreiben der Firma – für fünfzigjährige Tätigkeit als Leiter der Herstellungsabteilung für Raumfahrerstiefel. Nun, ich bin schon immer ein guter Flickschuster gewesen, und vielleicht haben meine Stiefel den Männern draußen manchen Dienst erwiesen.« Die Hand des alten Mannes wies hinauf zu den Sternen. »Sie haben mir eine goldene Uhr gegeben – als ob Zeit für mich irgendeine Bedeutung hätte. Dazu das Billett für eine Weltreise. Als ob es auf dieser Welt noch einen Ort gäbe, den ich nicht gesehen habe!« Sein Lachen war bitter und heiser. »Entschuldigen Sie, wenn ich so zu Ihnen spreche, aber wissen Sie, noch nie in meinem Leben habe ich die Erde verlassen dürfen.« Clifton starrte ihn ungläubig an. »Aber heute hat doch jeder …« »Jeder, außer mir«, vollendete der alte Mann. »Oh, natürlich habe auch ich es versucht, denn ich war die Erde leid und träumte von anderen Welten. In der Pionierzeit scheiterte ich an den ärztlichen Untersuchungen. Dann, als die Kontrolle nicht mehr so scharf war, versuchte ich es wieder. Ich wurde Passagier eines Luxusraumers. Kurz vor dem Start brach eine ansteckende Krankheit aus. Ein andermal streikte die Mannschaft. Beim nächsten Versuch explodierten noch im Raumhafen die Treibstofftanks; es gab nur wenig Überlebende. Da begriff ich endlich, daß es mir nie gelingen würde. Mein Schicksal war es, auf der Erde zu bleiben. Ja, und da bin ich nun und stelle Stiefel für jene Männer her, die mit ihren Schiffen von Stern zu Stern eilen.« Ohne es selbst zu wollen, sagte Clifton:
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»Ich starte in einer Stunde zum Rigelsystem. Eine Kabine meines Schiffes MARYLOO ist noch frei. Sie können mit mir kommen.« Die Hand des alten Mannes legte sich auf Cliftons Arm, sanft und ungemein leicht. »Gott schütze Sie, Captain – und danke. Aber es wäre sinnlos. Ich brächte nur Unglück. Es ist mein Schicksal, auf der Erde zu bleiben. Man hat es mir befohlen.« »Niemand kann einem Mann befehlen, für immer auf der Erde zu bleiben. Niemand! Jeder hat das Recht, die anderen Planeten und Sonnen zu sehen. Sie kommen mit mir, Mister…« »Ahasver.« Dann zögerte der alte Mann, als erwarte er eine Reaktion bei der Nennung seines Namens. Als nichts geschah, nahm er die Brille mit den dunklen Gläsern ab und sah Clifton an. Clifton begegnete dem Blick des Fremden nur für den Bruchteil einer Sekunde. Noch während er die Augen wieder senkte, verschwamm die Erinnerung an das, was er gesehen hatte. Der schwindende Rest genügte, ihn zweieinhalb Jahrtausend Vergangenheit und eine endlose Zukunft ahnen zu lassen. Mit einem Satz sprang er über das Balkongeländer, landete unsanft auf dem kurzgeschnittenen Rasen und begann zu laufen, dem wartenden Schiff und den rettenden Tiefen des Weltraums entgegen. Hinter ihm blieb der alte Mann zurück, der dazu verdammt worden war, für alle Zeiten über die Erde zu wandern – und zu warten.
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