Die drei ???
Im Bann des Voodoo
Eine Strohpuppe, deren Anblick Herzrasen und Atemnot aus löst, uralte Rituale und m...
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Die drei ???
Im Bann des Voodoo
Eine Strohpuppe, deren Anblick Herzrasen und Atemnot aus löst, uralte Rituale und magische Kulte – und das mitten im sonnigen Kalifornien! Al Parker, der erfolgreiche Musikprodu zent, kann darüber nur lachen. Doch dann gerät er selbst in den Bannkreis des Voodoo: die Untoten fordern seinen Tod. Justus, Peter und Bob, die drei Detektive aus Rocky Beach, tun ihr Bestes, aber sie kämpfen gegen einen mächtigen Geg ner.
Alfred Hitchcock
Die drei ???
Im Bann des Voodoo
erzählt von André Minninger
Kosmos Schutzumschlag von Aiga Rasch, Leinfelden-Echterdingen Dieses Buch folgt den Regeln der neuen Rechtschreibung Die Deutsche Bibliothek – CIP-Einheitsaufnahme Minninger, André: Die drei ??? – Im Bann des Voodoo / erzählt von André Minninger.
Alfred Hitchcock. –
Stuttgart: Kosmos, 1998
ISBN 3-440-07510-9
© 1998, Franckh-Kosmos Verlags-GmbH & Co. Stuttgart
Based on characters created by Robert Arthur. This work published by
arrangement with Random House, Inc.
Alle Rechte vorbehalten
ISBN 3-440-07510-9
Printed in Czech Republic / Imprimé en République tchèque
Satz: Steffen Hahn GmbH, Kornwestheim
Herstellung: Tĕšínská Tiskárna, Český Těšín
Dichter Nebel Bob Andrews verspürte ein unangenehmes Kratzen im Hals. Um ihn herum war dichter Nebel. Er saß in der Dampfsauna auf seinem Handtuch und atmete die wohltuenden Eukalyptus dämpfe tief ein. Der Dritte Detektiv plagte sich schon seit Tagen mit einer unangenehmen Erkältung herum und hoffte durch intensives Schwitzen endlich davon befreit zu werden. Bob glaubte sich allein in der ausgekachelten Sauna. Träge saß er im Schneidersitz, umhüllt von heißen Dunstschwaden, und hing seinen Gedanken nach. Er ärgerte sich schwarz, denn gestern hatten die Ferien begonnen, und während seine beiden Freunde, Justus und Peter, mit ihren Fahrrädern an den Strand gefahren waren, saß er hier und versuchte auf schnellstem Wege seine Grippe auszukurieren. Plötzlich zuckte er erschrocken zusammen. Aus dem dichten Dampf drang das röchelnde Atmen eines Mannes zu ihm, das langsam in ein gequältes Stöhnen überging. Bob sah sich be klommen um und kniff die Augen zusammen. Er versuchte, irgendetwas zu erkennen. Doch die Tatsache, dass er seine Kontaktlinsen vor dem Saunabesuch herausgenommen hatte und ihn der Nebel wie eine wabernde Masse umgab, machte eine klare Sicht schier unmöglich. »Hallo?«, rief Bob beklommen. »Wer ist denn da?« Seine Worte hallten von den Wänden wider, und die darauf folgende Stille jagte ihm, trotz der hohen Temperaturen in der Sauna, einen eiskalten Schauer über den Rücken. Angestrengt lauschte er. Aber jetzt war, bis auf einige Wassertropfen, die vereinzelt und kaum wahrnehmbar in irgendeiner Ecke des Raumes zu Boden fielen, nichts mehr zu hören. Dann hörte er das Geräusch von nackten Füßen auf einem gefliesten Boden. Die Saunatür wurde leise geöffnet und wieder geschlossen. Bob atmete auf. Da war das Röcheln erneut! Aber nun wurde es lauter. Wie 4
der tappten nackte Füße auf dem gefliesten Boden, diesmal klang es mühsamer, schien langsam näher zu kommen. Erschrocken sprang Bob auf: Er musste hier raus, er musste Hilfe holen! Im Nebel ortete er die teilverglaste Saunatür und stürzte darauf zu. Seine Füße fanden auf den glatten Bodenflie sen keinen Halt. Beinahe wäre er ausgerutscht, doch in letzter Sekunde erlangte er sein Gleichgewicht zurück und näherte sich der Türklinke. In diesem Moment stolperten seine Beine über ein Hindernis und der Dritte Detektiv schlug der Länge nach auf die Kacheln. Eine Hand tastete nach seinem Bein und umklammerte sein Fußgelenk. »Hilfe!« Bob blickte entsetzt zu Boden und starrte in das schmerzverzerrte Gesicht eines älteren Mannes. »Bring mich … raus … Junge … ich kriege keine … Luft mehr!« Erschöpft löste der Mann seine Hand von Bobs Fußge lenk, sein Atem kam rasselnd, in kurzen Stößen. Geistesgegenwärtig öffnete Bob die Saunatür und drückte seinen Fuß dagegen. Dann griff er unter die Schultern des Mannes und zog ihn langsam aus der dampfenden Hölle. »Um Himmels willen! Was ist passiert?« Ein junger Ange stellter kam herbeigeeilt und kniete besorgt neben dem schwer atmenden Mann. »Er hat keine Luft mehr bekommen!«, erklärte Bob. Erleich tert registrierte er, dass sich das keuchende Atmen des Mannes langsam wieder beruhigte. »Geht es?«, fragte der junge Angestellte. »Sollen wir Sie ins Krankenhaus bringen oder einen Arzt verständigen?« »Nein, nein! Keinen Arzt und auf keinen Fall ins Kranken haus! Ich bin gleich wieder okay …« Mühsam setzte sich der Mann aufrecht hin, rutschte langsam nach hinten, bis er sich ächzend mit dem Rücken gegen die Wand lehnte. »Auf mich wartet eine Menge Arbeit. Ich kann die Wet Boys jetzt unmög lich im Stich lassen!« »Die wen?« Der junge Angestellte blickte ihn fragend an. 5
»Sie kennen die Wet Boys nicht?« Der Mann lachte gequält auf. »Nun ja, vielleicht sind Sie aus dem Alter schon raus. Jeder Teenager schwärmt von ihnen. Die Jungs haben …« Ein heftiger Hustenanfall unterbrach seine Erklärung. »Die Jungs haben mit ihrer Musik den heutigen Zeitgeist voll erwischt und sind noch längst nicht auf dem Höhepunkt ihrer Karriere ange kommen!« Ein weiterer Hustenanfall beendete die Pressemit teilung. »Eine Musik-Band? Ich interessiere mich mehr für Sport.« Der junge Angestellte blickte den Mann verständnislos an und richtete sich wieder auf. »Aber wie ich feststelle, scheint es Ihnen wieder besser zu gehen, das ist die Hauptsache, Mann. Sie beide haben mir einen gehörigen Schrecken eingejagt. Na ja, wenn Sie keine Hilfe mehr benötigen, dann gehe ich jetzt wieder an meine Arbeit, Mr …?« »Parker. Al Parker«, erwiderte der Mann und strich sich mit der Hand über die Stirn. »Machen Sie sich um mich keine Sorgen. Ich fühle mich wieder besser!« Und etwas kleinlaut fügte er hinzu: »Alles bestens. Wunderbar.« Der junge Angestellte lächelte kurz und verschwand dann in einem der unzähligen engen Gänge des weitläufigen Saunage ländes. Auch Bob richtete sich wieder auf und sah den Mann, der sich als Mr Al Parker vorgestellt hatte, interessiert an. Er war jünger, als er in der Sauna gedacht hatte, etwa Mitte dreißig, schlank, groß, mit einem schmalen Gesicht, umrahmt von einem Dreitagebart. »Entschuldigen Sie meine Direktheit, aber sind Sie wirklich der Mr Parker, der die ›Wet Boys‹ produ ziert?« »Ganz recht. Ich bin ihr Produzent, Texter und Komponist.« Der Mann reichte Bob die Hand. »Doch als Allererstes möchte ich mich für deine schnelle Hilfe bedanken. Ich wäre da drin beinahe erstickt! Nicht auszudenken, was passiert wäre, wenn du nicht da gewesen wärst. Wie heißt du eigentlich?« 6
»Bob Andrews, Sir«, erwiderte Bob und fügte verlegen hin zu: »Das mit der Hilfe war doch selbstverständlich. Nicht der Rede wert.« »Das ›Sir‹ kannst du getrost weglassen. Von meinem Retter lasse ich mich doch nicht siezen. Nenn mich einfach Al!« »Gern.« Bob machte eine kurze Pause. »Wäre es eigentlich zu aufdringlich, wenn ich dich frage, was dir da vorhin in der Sauna passiert ist? Ich meine, versteh mich bitte nicht falsch, aber befällt dich diese Atemnot öfter?« Al Parker zuckte zusammen. Eine Weile sah er ratlos zu Bo den. »Tja, da hast du wohl einen wunden Punkt getroffen. Und ehrlich gesagt möchte ich auch nicht so gerne darüber reden. Und selbst wenn ich es jetzt täte … du würdest es mir doch nicht glauben.« »Es käme auf einen Versuch an. Aber wenn du nicht darüber sprechen willst, geht das natürlich klar.« Al winkte freundlich, aber bestimmt ab. »Ich bin dir wirklich zu großem Dank verpflichtet, Bob, und ich würde es als Ehre ansehen, mich für deinen Rettungseinsatz bei dir zu revanchie ren. Doch es gibt Dinge, mit denen muss man ganz allein fertig werden. Und dazu gehören unter anderem bestimmte Sympto me, die mich da drinnen«, er deutete auf die Tür zur Dampf sauna, »in Schwierigkeiten gebracht haben.« Bob blickte Al irritiert und fragend an, so dass dieser lächelnd hinzufügte: »Pardon … das klang wohl etwas spannender, als es wirklich ist! Aber wie kann ich dich über etwas aufklären, über das ich mir selbst noch nicht im Klaren bin? Ich werde wohl dem nächst einen Arzt aufsuchen müssen. Aber zuerst setze ich mich in mein Studio und treibe die Karriere der Wet Boys voran!« Al erhob sich und schlüpfte in seine Badesandalen, die er vor der Saunatür abgestellt hatte. »Interessierst du dich auch für Musik?«, fragte er. »Interessieren wäre untertrieben«, entgegnete Bob 7
überschwänglich. »Neben der Schule arbeite ich in der Musik agentur Sax Sandler. Die vermittelt Bands, Konzertbühnen, organisiert Tourneen und was sonst alles irgendwie in einem Zusammenhang mit Musik steht. Dieser Job ist quasi mein Hobby. Und Musik meine Leidenschaft. Während meine hauptsächliche Tätigkeit sich allerdings mit etwas ganz ande rem beschäftigt. Zusammen mit meinen Freunden Justus und Peter betreibe ich –« »Na ausgezeichnet!«, schnitt Al Bob das Wort ab. »Wenn es dich und deine beiden Freunde mal reizen würde, bei einer Musik-Produktion mit den Wet Boys dabei zu sein, dann kommt mich doch einfach mal besuchen. Ich habe mein Ton studio in meinen eigenen vier Wänden untergebracht und würde mich glücklich schätzen, wenn ich mich auf diese Weise bei dir bedanken kann!« Bob strahlte, während ihm Al zum Abschied freundschaftlich die Hand reichte. »Dieses Angebot nehme ich dankend an! Justus und Peter werden begeistert sein!« »Leider habe ich keine Visitenkarte hier. Aber im Telefon buch stehen meine Anschrift und Telefonnummer.« Mr Parkers Atem kam wieder rasselnd und in kurzen Stößen. Ein Blick in sein Gesicht zeigte Bob, dass es dem Musikproduzenten wieder schlechter ging. Er bot seine Hilfe an, aber Parker lehnte ab und öffnete die Tür zum Ruheraum. An diesem Nachmittag hatte Bob genug geschwitzt. Außer dem verspürte er plötzlich heftigen Durst. Er nahm seine Sa chen aus dem Spind, zog sich an und bestellte an der Bar eine Coke, die er sogleich im Stehen und mit schnellen Schlucken austrank. Es war nicht besonders viel los. Außer ihm war nur noch ein Gast im Barraum. Bob entschloss sich zu gehen, um draußen noch ein wenig von der warmen Nachmittagssonne zu erwischen. Er war schon fast an der Tür, da überfiel ihn plötzlich das unbestimmte Gefühl, dass er irgendetwas Wichtiges vergessen hatte. Nur 8
was könnte das gewesen sein? Nachdenklich betrachtete er in einem großen Spiegel sein feuchtes Haar und da fiel es ihm plötzlich wie Schuppen von den Augen. Sein Handtuch! Er hatte sein neues Handtuch in der Sauna liegen gelassen! Schnell machte er kehrt und stand nach wenigen Schritten vor der halbverglasten Tür des Dampfbades. Zielstrebig öffnete er sie, betrat den nebeldurchzogenen Raum und suchte die Stelle, an der er noch vor wenigen Minuten gesessen hatte. Tastend glitten seine Hände über die feuchten Kacheln und wurden auch schon nach wenigen Sekunden fündig. Bob legte sich das Handtuch zufrieden um seine Schultern und wandte sich zur Tür. Er war noch keine zwei Schritte weit gekommen, als er auf einen seltsamen Gegenstand trat. Er bückte sich und griff nach dem seltsamen Etwas. Als er den Gegenstand dicht vor seine kurzsichtigen Augen hielt, stutzte er für einen kurzen Moment. In seiner Hand hielt er eine kleine Puppe, aus einem ungewöhnlich rauen Stoff. Seiner Meinung nach handelte es sich hierbei um Jute, doch ganz sicher war er nicht. Bob wurde neugierig. Schnell verließ er die Dampfsauna. Als er nach draußen trat, sah er sich die Puppe noch einmal von allen Sei ten genauer an. Das Material, aus dem sie angefertigt war, bestand tatsächlich aus Jute, und die Gliedmaßen sowie der Kopf waren offenbar von Hand zusammengenäht. Die Nähte saßen krumm und schief. Die Puppe war mit Stroh ausgestopft, das an den Armen und Beinen in langen Büscheln herausguck te. Doch das Seltsamste an ihr war das grimmige, bösartige Gesicht, das mit Stofffarbe bis ins kleinste Detail aufgemalt war. Bob war derart perplex, dass es ihm für einen Moment den Atem verschlug: Das Gesicht, das der Künstler so genau auf den leinenbezogenen Kopf aufgetragen hatte, war eine Portraitzeichnung. Fast erinnerte er an Fotorealismus. Bob erkannte die Züge auf dem primitiven Puppenkopf so fort: Es war das Gesicht von Al Parker!
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Ein seltsamer Fund Wenige Stunden später hatte Bob seinen beiden Freunden und Detektivkollegen Justus und Peter in einem Wohnwagen auf dem Schrottplatz von Justus’ Onkel Titus, ihrer Zentrale, aus führlich von seiner Begegnung mit dem Musikproduzenten Al Parker berichtet. Die merkwürdige Stoffpuppe lag vor ihnen auf dem Tisch und hatte während Bobs Schilderungen schon sämtliche Untersuchungen über sich ergehen lassen müssen. Doch das Ergebnis brachte den drei ??? keinerlei neue Er kenntnisse. »Glaubt mir, Freunde!« Bob sah Justus und Peter eindring lich an. »Das Gesicht dieser Puppe gleicht Al Parker bis ins letzte Detail. Ich wette, er hat die Puppe dort verloren.« Der Erste Detektiv nahm den seltsamen Fund aus der Sauna zum wiederholten Mal in seine Hand, drehte und wendete ihn und drückte der Stoffpuppe mit seinem Zeigefinger in den weichen Bauch. »Schön und gut, Bob. Das glauben wir dir ja. Die Frage ist nur: Warum hat der Mann sein Ebenbild, in Form dieser Puppe, mit in das Dampfbad genommen und anschlie ßend dort liegen gelassen?« »Woher wissen wir, dass sie tatsächlich ihm gehört?«, fragte Peter skeptisch. »Immerhin ist dieser Mr Parker ein erwachse ner Mann. In diesem Alter schleppt man doch keine Puppe mehr mit sich herum. Und schon gar nicht in die Sauna. Es sei denn, er tickt nicht richtig.« »Diesen Eindruck machte er auf mich eigentlich nicht«, er widerte Bob. »Außerdem steht Parker mit beiden Beinen fest im Leben. Er produziert, textet und arrangiert die Musik der Wet Boys. Mit zunehmendem Erfolg. Das ist ein knallhartes Geschäft!« Justus hatte die Puppe wieder auf den Tisch gelegt. Er drehte sie mit dem Gesicht nach unten, um es nicht länger ansehen zu müssen. Die Detailgenauigkeit, die auf die Gesichtszüge der 10
Puppe verwendet worden war, bereitete ihm Unbehagen. »Das ist mir schon klar, Kollege. Und je länger wir darüber diskutie ren, desto mehr verrennen wir uns noch in abstrusere Spekula tionen, die letztendlich zu keinem vernünftigen Ergebnis füh ren. Und wenn man es genau nimmt, kann dieser Mr Parker so viele Puppen mit sich herumtragen, wie er will; das ist schließ lich seine private Angelegenheit. Vielleicht ist es ein harmloser Spleen von ihm.« Peter erhob sich von seinem Sessel. Auch er fühlte sich in Gegenwart der Puppe nicht wohl. Er trat ans Fenster und warf einen Blick nach draußen. Es war bereits dunkel. Ihm kam ein Gedanke und er bemühte sich, das Gespräch auf einer sachli chen Ebene zu halten. »Diese Stoffpuppe könnte doch auch einfach sein Talisman sein. Ein Symbol, das ihn an Sicherheit, Erfolg und Gesundheit glauben lässt. Und von dem er sich selbst in der Dampfsauna nicht trennen mag.« »Nein, das passt auch nicht zu Parker«, entgegnete Bob. »Mir kommt das alles recht merkwürdig vor. Wenn du jedoch mit deiner Theorie richtig liegen solltest, Zweiter, wäre es unsere Pflicht, ihm diesen glücksbringenden Gegenstand zurückzuge ben. Und zwar umgehend!« »Dem steht ja nichts im Wege, Bob.« Justus beugte sich zur Seite und schaltete von seinem Sessel aus den Computer an. »Wenn du die CD-ROM mit Kaliforniens Einwohnerdaten in den Rechner schiebst, haben wir Al Parkers Adresse und Tele fonnummer in wenigen Sekunden griffbereit.« Bob nahm die kleine silberne Scheibe aus ihrer Plastikbox, legte sie in das Laufwerk ein und drückte einige Tasten. Er brauchte nicht lange zu warten, bis auf dem Monitor die ge wünschte Anschrift erschien. »Da haben wir ihn schon: Parker, Al. Sourge Street 17, Thousand Oakes. Ich ruf ihn gleich an.« »Halt, warte noch einen Moment!« »Häh, was soll das denn, Just?« Bob blickte den Ersten De tektiv fragend an. 11
»Sprich Mr Parker nicht von selbst auf die Puppe an. Warte ab, bis er dich fragt, ob du vielleicht im wahrsten Sinne des Wortes über dieses liegen gebliebene Spielzeug in der Sauna gestolpert bist und etwas über seinen Verbleib zu sagen hast. Gehört die Puppe ihm und er hat sie tatsächlich mit in die Sauna genommen, ist sie ihm wirklich wichtig und dann müss te er dich eigentlich direkt darauf ansprechen. Schließlich seid ihr beiden die einzigen Gäste in der Sauna gewesen.« »Das ist zweifellos richtig, Erster«, bestätigte Bob, während er Al Parkers Anschrift in seinem Notizbuch notierte. »Wenn er also von selbst auf das Thema zu sprechen kommt, werden wir schon von ihm erfahren, was es mit dieser eigenartigen Puppe auf sich hat.« Justus schob Bob das Telefon über den Schreibtisch zu. »Und wenn sich Mr Parker am Telefon in Stillschweigen hüllt?«, fragte Peter. »Was sagt uns das dann?« »Erwähnt er die Puppe nicht, können wir davon ausgehen, dass da irgendetwas faul ist. Und in diesem Fall möchte ich ihn lieber direkt mit der Puppe konfrontieren, um seine Reaktion zu beobachten.« »Bis hierhin habe ich alles verstanden, Erster.« Bob nahm seine Sonnenbrille von der Nase und polierte die Gläser mit einem Zipfel seines T-Shirts. »Es stellt sich nur eine Frage: Unter welchem Vorwand soll ich ihn anrufen? Klar, er hat uns eingeladen. Aber ist es nicht ein bisschen dreist, schon wenige Stunden nach unserem Zusammentreffen mit der Tür ins Haus zu fallen?« Justus runzelte die Stirn. »Hat uns das jemals gestört? Du kannst ihm ja erzählen, dass wir über sein Angebot, ihm bei der Arbeit mit den Wet Boys über die Schulter gucken zu dürfen, dermaßen begeistert waren, dass wir dich dazu gedrängt haben, am liebsten gleich für morgen früh einen Termin mit ihm zu vereinbaren. Schließlich sind Ferien und zufällig sind Justus Jonas und Peter Shaw eingefleischte Fans der Wet Boys! Du 12
bist doch sonst nie um eine Ausrede verlegen, Bob!« Peter verzog das Gesicht. »Im Vertrauen, mir sagen die Wet Boys nicht besonders zu. Über die Musik und die Texte lässt sich ja streiten – aber wie die drei Typen aussehen und auf der Bühne rumhampeln: Nein, danke!« »Lass das Al Parker bloß nicht wissen, Zweiter«, mahnte Bob. »Wer weiß, vielleicht setzt er uns dann gleich wieder vor die Tür, ohne uns einen Blick in sein Studio werfen zu lassen. Und auf diese Hightech-Kammer bin ich schon sehr gespannt. In der Branche wird geflüstert, dass sein Studio zu den aufwendigsten in ganz Kalifornien zählt. Zahlreiche Superstars nehmen dort ihre Alben auf. Was meint ihr, wer sich da schon alles die Klinke in die Hand gegeben hat!« Peter blieb gelassen. »Mach dir da mal keine Sorgen, Bob. Ich werde mir gleich morgen die neue Maxi-CD der Wet Boys besorgen und bei Mr Parker als enthusiastischer Fan auflau fen!« »Hör bloß auf! Es wird gar nicht nötig sein, so dick aufzutra gen. Euch wird der Mann gefallen, da bin ich absolut sicher.« Der Dritte Detektiv wippte unruhig mit seinen Beinen und registrierte, dass Justus den Hörer vom Apparat hob und ihm entgegenhielt. »Nun dann, Bob. Lass dich nicht lange bitten!« Peter drückte auf die Lautsprechertaste und stützte in abwar tender Haltung sein Kinn in beide Hände, während Bob wählte und gespannt den Hörer ans Ohr drückte. »Hoffentlich ist er auch zu Hause!« Das Rufzeichen ertönte. Dann folgte ein Knacken, worauf sich am anderen Ende eine freundliche Männerstimme meldete. »Parker! Einen Moment bitte!« Der Hörer wurde zur Seite gelegt, im Hintergrund waren mo derne Hip-Hop-Klänge zu hören, die plötzlich abrupt endeten. Dann nahten Schritte und der Hörer wurde wieder aufgenom 13
men. »Ja?« »Hi, Al! Hier spricht Bob!« »Bob! Das ging ja schneller, als ich erwartet hatte! Entschul dige bitte, dass du warten musstest, aber ich bin gerade mitten in einer Abmischung. Na, alles in Ordnung?« »Dasselbe wollte ich dich fragen. Wie geht’s dir denn?« Mr Parker zögerte einen Moment, ehe er im euphorischen Ton in den Hörer rief: »Alles bestens! Wunderbar!« Justus sah Bob stumm an und schüttelte dabei demonstrativ den Kopf. Die Äußerung des Musikproduzenten klang für ihn nicht sehr überzeugend. »Und was machen deine Atembe schwerden?« »Danke der Nachfrage. Ich bin so in meine Arbeit vertieft, dass ich gar nicht mehr daran gedacht habe. Und das ist doch eigentlich ein gutes Zeichen, oder?« »Das kann man so und so sehen«, lenkte Bob ein. »Aber du wirst schon wissen, was für dich das Beste ist.« Mr Parker atmete tief ein. Diesen Moment nutzte Bob für sein Anliegen. »Du, sag mal, Al, meine Freunde Justus und Peter, von denen ich dir heute Nachmittag erzählt habe, haben mich so bedrängt, dich sofort anzurufen! Die beiden sind un heimlich versessen darauf, dein berühmtes Tonstudio mal von innen zu begutachten, dass sie am liebsten gleich morgen mal bei dir vorbeischauen wollen! Meine Person natürlich inbegrif fen!« »Na ausgezeichnet! Um wie viel Uhr würde es euch denn passen?«, fragte der Musikproduzent freundlich. »Äh … also … ich … äh …«, begann Bob zu stammeln. »Ich meine … wir haben Ferien. Wir würden uns da ganz nach dir richten!« »Prima! Dann kommt doch gleich morgen Vormittag vorbei! Was haltet ihr von elf Uhr?« Der Erste und der Zweite Detektiv nickten Bob begeistert zu. »Das klingt gut!« 14
Durch den Lautsprecher hörten die drei ??? ein leises Ra scheln und Kritzeln. Offenbar schrieb Mr Parker den Termin in sein Notizbuch. »Also, die Adresse habt ihr ja. Bis morgen dann. Ich freu mich!« »Mach’s gut, Al!« Bob ließ den Hörer auf die Gabel sinken. »Tja, was sagt ihr jetzt, Kollegen?« »Am besten gar nichts«, erwiderte Peter. »Diese Reaktion habe ich nun wirklich nicht erwartet.« Der Zweite Detektiv griff nach der Stoffpuppe und knautschte mit seinen Händen den weichen, strohgefüllten Körper. »Diese Puppe gefällt mir nicht. Das Gesicht wurde mit größter Sorgfalt bemalt. Das passt überhaupt nicht zu dem unförmigen und lieblos zusam mengeschusterten Körper. Irgendwie macht dieses Ding einen gruseligen Eindruck auf mich.« »Ich kann dich beruhigen, Zweiter.« Bob klopfte Peter auf die Schulter. »Der wahre Al Parker schaut nicht so grimmig aus der Wäsche, wie dieses Püppchen hier.« »Zumindest war es nicht für Kinder gedacht. So viel steht für mich fest!«, bemerkte Justus und knetete dabei seine Unterlip pe. »Kein Kind könnte mit dieser Puppe ruhig einschlafen. Es würde eher Alpträume bekommen. Derjenige, der dieses Ding angefertigt hat, besitzt auf keinen Fall ein kindliches Gemüt. Unvoreingenommen würde ich sogar behaupten, dass diese Puppe etwas Bedrohliches an sich hat.« Bob gähnte müde. »Morgen wissen wir mehr, Kollegen. Des sen bin ich mir absolut sicher.« Justus und Peter stimmten ihrem Freund zu und beschlossen angesichts der späten Stunde, ihre heutige Sitzung zu beenden. Als sie kurze Zeit später die Zentrale verließen, lag die merkwürdige Stoffpuppe noch immer auf dem Tisch. Der Vollmond schien wie ein blasser Totenschädel durch das Fen ster herein und ließ ihr grimmiges Gesicht fast lebendig er scheinen.
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Studioluft Die Sourge Street war eine kleine ruhige Nebenstraße und lag im Westen – im Künstlerviertel von Thousand Oaks. Protzvil len und Edel-Appartements suchte man hier vergebens. Statt dessen standen hier einfache Häuser, deren Bewohner mit viel Einfallsreichtum aus den teilweise baufälligen und herunterge kommenen Behausungen in Eigeninitiative eine Menge ge macht hatten. Justus, Peter und Bob standen an diesem Morgen pünktlich um elf Uhr an der Gartenpforte des Hauses Nummer siebzehn, das Mr Parker bewohnte, und betrachteten das graue Einfamili enhaus, dessen Veranda von unzähligen Töpfen mit Palmen, Blumen und Kakteen geziert wurde. Inmitten dieser botani schen Pracht war eine gemütliche Sitzecke mit Gartenmöbeln errichtet worden. Auf dem Tisch stand noch das benutzte Früh stücksgeschirr, auf dem sich nun einige Wespen tummelten und sich über den Rest eines angebissenen Brötchens hermach ten. Der Zweite Detektiv musterte das Domizil des Musikprodu zenten kritisch, an vielen Stellen der Außenwände bröckelte bereits der Putz ab. Fragend blickte Peter seine beiden Kolle gen an, doch bevor er etwas sagen konnte, winkte Bob mit einer eindeutigen Geste ab. »Sprich es nicht aus, Zweiter. Ich sehe es dir an der Nasenspitze an: Du bist über Al Parkers Unterkunft doch recht erstaunt, wenn nicht sogar entsetzt!« »Ich muss zugeben, dass ich mir das ein wenig edler vorge stellt habe«, entgegnete Peter. »Ich meine, ich finde diese Idylle auch super. Aber hättet ihr erwartet, dass sich in diesem bescheidenen Häuschen ein Super-Hightechstudio befindet? Was für ein Typ ist dieser Al Parker?« »In wenigen Minuten wissen wir mehr.« Justus öffnete die hölzerne Gartenpforte und ging forsch den kiesbestreuten Pfad zum Haus entlang. Bob und Peter folgten ihm, bis der Erste 16
Detektiv vor der Haustür plötzlich innehielt, sich zu seinen beiden Kollegen umdrehte und sie mit einem verwunderten Gesichtsausdruck anschaute. »Sicherheit wird hier auf jeden Fall nicht großgeschrieben«, bemerkte er trocken und deutete auf die Eingangstür, die un verschlossen war und sich im leichten Windzug hin und her bewegte. »Wenn ich nicht wüsste, dass wir hier richtig sind, würde ich dir Recht geben, Zweiter. Ein Tonstudio, in dem große Stars ein- und ausgehen, sollte eigentlich vor den Fans und der neu gierigen Presse besser abgeschirmt sein. Doch die Adresse stimmt.« Bob deutete auf das Namensschild, das neben der Klingel angebracht war, und drückte entschlossen auf den Knopf. Ein lautes Schellen ertönte. Die Sekunden verstrichen. Aber nichts rührte sich. Unruhig trat der Erste Detektiv von einem Bein aufs andere. »Nun, was ist?«, fragte Peter ungeduldig. »Gehen wir einfach rein?« Bob stieß die Tür vorsichtig auf und steckte den Kopf in den Flur. An den Wänden hingen zahllose goldene Langspielplatten in Wechselrahmen. »Al! Hallo! Bist du zu Hause?« »Klingel noch mal, Just!«, forderte Peter den Ersten Detektiv auf. Justus drückte erneut auf den Knopf. Wieder drang das laute Schellen durch das Haus, bis sich plötzlich am Ende des Gan ges eine Tür öffnete, durch die nun Al Parker trat und den drei ??? freundlich zurief: »Ich bin hier hinten, Freunde! Kommt doch rein!« Die drei ließen sich nicht lange bitten und gingen gespannt auf die Tür zu, über der ein längliches rotes Licht blinkte, auf dem in schwarzen Buchstaben das Wort ›Aufnahme‹ stand. »Herzlich willkommen in meinem Musik-Labor!« Al Parker reichte ihnen die Hand. Bob stellte seine beiden Freunde vor. Dann wies er mit einem 17
skeptischen Blick zur Eingangstür. »Lässt du deine Haustür immer offen stehen, Al, oder wie darf man diese Leichtsinnig keit verstehen?« Der Musikproduzent grinste. »Das ist so meine eigene Philo sophie«, erklärte er. »Offene Türen halten unerwünschte Besu cher fern.« Peter schnappte hörbar nach Luft. »Wie darf man das denn verstehen?« »Wollt ihr euch nicht erst mal umsehen?«, schlug Al Parker vor. »Über meine Lebenseinstellung werde ich euch später gern mehr erzählen; wenn es euch wirklich interessiert. Doch zunächst wollt ihr doch wohl meine Hightech-Kammer kennen lernen, oder?« Die drei ??? nickten, woraufhin der Musikproduzent auf dem Absatz kehrtmachte und sie in seinen Arbeitsraum führte. Hier waren die Fenster mit dunklen Tüchern verhängt. Strah lende Halogenlampen, die an langen Drähten hingen und am Deckensims des Raumes entlangführten, beleuchteten das riesige Mischpult, das unübersehbar ins Auge fiel. Bob staunte und vergaß vor Begeisterung seinen Mund zu schließen. Er hatte während seiner Tätigkeit in Sax Sandlers Musikagentur schon eine Menge Tonstudios von innen gesehen, aber dieses übertraf seine Erwartungen bei weitem. »Dieses Studio ist mein ganzer Stolz!« Al Parker wies mit großer Geste in den Raum. »Letztes Jahr habe ich mich von der analogen Aufnahmetechnik verabschiedet und mein gesamtes Studio digital umgerüstet.« Peter blickte den Musikproduzenten verwundert an. »Analo ge Aufnahmetechnik? Was bedeutet das?« »Bei dieser inzwischen veralteten Methode wurden die Ton impulse noch direkt auf Magnetband übertragen, welches auch bei bester Qualität stets ein gewisses Grundrauschen aufwies und dem Toningenieur nur einen kleinen Spielraum in der Nachbearbeitung ließ. Im digitalen Verfahren hingegen werden 18
alle Tonimpulse in computerlesbare Signale umgewandelt. Diese lassen sich beliebig verändern, so dass einem schier unbegrenzte Möglichkeiten zur Verfügung stehen, das aufge zeichnete Material zu verwerten. Was zu völlig unterschiedli chen Endresultaten führen kann.« »Ich sehe hier gar keine Bandmaschinen herumstehen«, stell te der Erste Detektiv fest. »Fielen die dem digitalen Zeitalter zum Opfer?« »Ganz Recht. Auf diese Utensilien bin ich nun nicht mehr angewiesen«, verkündete Al Parker voller Stolz. »Ein Compu ter mit einem leistungsfähigen Rechner übernimmt nun diese Arbeit. Was meint ihr, wie viel Zeit das einspart? Wenn ich nur an all die Stunden zurückdenke, die ich früher damit verbracht habe, die Bänder hin und her zu spulen.« »Das rote Aufnahmelicht über der Tür dort leuchtet noch immer«, stellte Peter fest. »Sind Sie gerade mit einer Überspie lung beschäftigt?« »Richtig vermutet. Aber ihr könnt ruhig Al zu mir sagen«, erwiderte der Musikproduzent und schob zwei Regler des Mischpultes in die mittlere Position. Aus den Lautsprechern erklangen Hip-Hop-Rhythmen, deren Melodie den drei ??? bekannt vorkam. Nach einigen Takten setzte der Sprechgesang von drei Jungen-Stimmen ein, die Justus, Peter und Bob sogleich erkannten: Es waren unverkennbar die Wet Boys, die mit diesem Song vor einem Jahr ihren großen Durchbruch hatten. »Der Song war sieben Wochen auf Platz eins in den Hitli sten«, gab Bob sein Wissen preis. »›It’s all on the surface‹ war der Titel, richtig?« Al Parker nickte. »Das Lied wurde im Radio rauf und runter gespielt«, fügte Justus hinzu. »Soweit ich informiert bin, sind von dieser MaxiCD über fünfhunderttausend Stück verkauft worden.« »Mit diesem Song hast du dich sicher gut sanieren können, 19
Al. Aber weshalb überspielst du diesen Titel jetzt noch mal?«, fragte Bob interessiert. Al Parker grinste. »Die Plattenfirma ist mit diesem Wunsch an mich herangetreten. Sie hat sich dazu entschlossen, nach nunmehr zwölf Monaten einen Remix davon zu veröffentli chen. Wahrscheinlich verspricht sie sich von diesem Aufguss einen ähnlich großen Erfolg!« »Vom gleichen Titel?«, fragte Peter skeptisch, während sein Blick fasziniert an einem Regal hängen blieb, in dem etliche vergoldete Statuetten aufgereiht waren, mit denen Al Parker im Laufe seiner Karriere ausgezeichnet worden war. »Im Grunde schon.« Mit der Hand strich Al Parker über sei nen Dreitagebart. »Der Remix unterscheidet sich vom Original durch einen schnelleren Rhythmus und eine zusätzlich einge spielte E-Gitarre. Die Gesangs- und Sprechparts der Wet Boys hingegen bleiben 1 : 1 erhalten.« Al Parker schob den Regler des Mischpultes noch ein biss chen höher, so dass die drei ??? die saftigen Bässe der Rhyth musmaschine in ihrem Bauch spüren konnten. Peter ertappte sich dabei, dass sein Fuß, während die Musik aus den Laut sprechern drang, unbewusst im Takt mitwippte. Angesichts der Tatsache, dass ihm die Wet Boys nicht besonders zusagten, war er über die musikalische Anteilnahme seines Körpers doch recht erstaunt. »Stimmtechnisch sagen mir die Jungs wirklich zu«, gestand Peter nun auch dem Musikproduzenten. »Aber die Choreogra fie dieses Trios ist in meinen Augen, bitte entschuldige diesen Ausdruck, Al, für meinen Geschmack ziemlich lächerlich!« Ein leichtes Zucken umspielte Al Parkers Mundwinkel. Peter bemerkte diese Reaktion und setzte schnell hinzu. »Aber das hat ja nichts mit deiner Musik zu tun.« »Tanz und Bewegung sind nicht unbedingt Peters Stärken«, klärte Justus den Musikproduzenten auf. »Du hättest seine Darbietung sehen sollen, als wir vor noch gar nicht langer Zeit 20
in einer Model-Agentur gecastet wurden!« Al Parker lachte verkrampft, und Justus beschlich das eigen artige Gefühl, dass Peters offene Äußerung den Musikprodu zenten für einen kurzen Moment in eine nachdenkliche Stim mung versetzt hatte. Dann fing sich Mr Parker jedoch, erhob sich von seinem Stuhl und blickte sie freundlich an. »Ich bin wirklich kein guter Gastgeber, Jungs. Im Eifer meiner Arbeit habe ich völlig vergessen, euch etwas anzubieten. Wollt ihr nicht mit mir zusammen eine Cola trinken?« Sie stimmten begeistert zu, woraufhin Al Parker aus der Kü che die Getränke holte. Bob nutzte diesen Augenblick und stieß Peter mit dem Ellenbogen unsanft in die Seite. »Deinen Kom mentar zu den Tanzkünsten der Wet Boys hättest du dir wirk lich sparen können, Zweiter. Merkst du denn nicht, wie stolz Al auf seine Schützlinge ist?« »Tut mit Leid, Bob«, zischte Peter zerknirscht zurück und warf einen vorsichtigen Blick zur Tür. »Das ist mir wirklich nur so rausgerutscht. Aber du glaubst doch nicht im Ernst daran, dass ich ihn mit meiner Meinung gekränkt haben könn te?« »Auf jeden Fall hat deine Äußerung irgendetwas in ihm be wegt«, fügte Justus leise hinzu. »In diesem Business sollte man gegen Kritik allerdings nicht zu anfällig sein. Na ja, vielleicht haben wir es hier mit einer sensiblen Persönlichkeit zu tun, die jegliche negative Äußerung über die Wet Boys auf sich persön lich bezieht. Schließlich hat er dieses Trio geschaffen. Es ist sozusagen seine Erfindung und sein Produkt.« »Meint ihr denn wirklich, dass sich Al …« Peter brach seinen Satz abrupt ab. Er vernahm Schritte und das Klirren von Glä sern auf einem Tablett. Der Musikproduzent betrat das Studio, stellte die Getränke mit den klirrenden Eiswürfeln auf einem kleinen Beistelltisch ab und reichte ihnen die Gläser. »In letzter Zeit habe ich schon öfter mit dem Gedanken ge spielt, eine Hilfskraft einzustellen. Doch dann wird mir immer 21
wieder bewusst, dass ich meine chaotische Arbeitsweise und dieses heillose Durcheinander niemandem zumuten kann.« »Wie meinst du das?«, fragte Bob interessiert und prostete Justus, Peter und Al zu. »Seht euch hier doch um!« Al Parker wies mit seiner Hand in die Ecken seines Studios, in denen sich die unterschiedlichsten Utensilien kniehoch auftürmten. »Ich habe die Ordnung nicht gerade gepachtet. Überall stapeln sich Notenprotokolle, Kasset ten, Zeitschriften, Kabel, CDs und alles erdenkliche Zubehör. Außer mir würde sich hier niemand zurechtfinden. Ihr werdet es mir nicht glauben, doch hinter all dem Chaos steckt System. Das Schlimme daran ist, dass nur ich mich darin auskenne.« »Und eine Putzfrau hast du dir auch noch nicht zugelegt, wie?«, bemerkte Justus mit einem Schmunzeln, nachdem er im Regal einen Haufen benutztes Geschirr erspäht hatte, dessen Essensreste vertrocknet an den Rändern klebten. »Zieht mich bitte nicht auf!« Al Parker hatte sein Glas geleert und stellte es auf dem Tablett ab. »Trotz – oder vielleicht auch wegen meines großen Erfolges im Beruf bin ich Junggeselle geblieben. Ich habe noch immer nicht gelernt, eine übersichtli che Ordnung zu bewahren. Im Innersten meines Herzens bin ich wohl immer ein Kind geblieben.« Bei diesen Worten zögerte Bob. Doch dann griff er in die Seitentasche seines Blazers, zog aus ihr die eigenartige Stoff puppe hervor und reichte sie dem Musikproduzenten, der sich inzwischen wieder auf seinen bequemen Chefsessel gesetzt hatte. »Dieses Teil hier habe ich in der Sauna gefunden, Al. Das gehört doch sicherlich dir, oder?« Was nun geschah, hatte keiner der drei vorhergesehen. Al Parker sprang wie von der Tarantel gestochen von seinem Stuhl auf, stieß Bob, der die Puppe noch immer in seiner Hand hielt, hysterisch zur Seite und verzog sich, am ganzen Körper zitternd, in die hinterste Ecke seines Studios. »Um Gottes willen …«, stammelte er keuchend. »Pack dieses Ding weg! 22
Los doch!« Bob war so perplex, dass er wie angewurzelt dastand und, wie Al, zu keiner Regung mehr fähig war. Die Gesichtsmusku latur des Musikproduzenten begann unkontrolliert zu zucken. Sein Gesicht nahm innerhalb von Sekunden eine dunkelrote Färbung an. Dann knickten seine Knie ein und Al Parker fiel zu Boden.
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Die Prophezeiung der Hexe Geistesgegenwärtig riss Justus die Puppe aus Bobs Händen und warf sie Peter zu. Der Zweite Detektiv begriff sofort und ließ sie schnell in seiner Tasche verschwinden. Al Parker lag auf dem Boden und hielt seine Handflächen schützend vor das Gesicht. »Weg! Nimm sie weg! Weg!« Er schrie in seiner Angst wie von Sinnen. Justus breitete die Arme aus und ging langsam auf den Pro duzenten zu. »Al! Es ist alles in Ordnung. Peter hat die Puppe an sich genommen.« Der Erste Detektiv gab sich große Mühe, seiner Stimme einen beruhigenden Ton zu verleihen. »Sie kann dir doch nichts antun …« »Er soll rausgehen …« Al Parker warf einen angsterfüllten Blick zu Peter. »Raus!« Der Zweite Detektiv fuhr erschrocken zusammen und sah hilflos zu Bob und Justus hinüber. »Al …«, griff nun Bob ein. »Ich bin über dieses Ding in der Sauna gestolpert. Wir wollten dir wirklich nichts Böses antun. Wir dachten sogar einen Moment …«, Bob musste kurz schlucken, »… du … du freust dich, dass wir dir die Puppe wiederbringen.« »Sie gehört mir nicht! Diese Puppe bringt mich um!« Al Par ker war schweißgebadet und rang keuchend nach Luft. Doch dann beruhigte er sich langsam und blickte sie erschöpft an. »Geht es wieder?«, erkundigte sich Justus. Al Parker japste noch immer ein wenig und blieb auf dem Boden sitzen. »Danke … alles bestens … wunderbar.« »Al … diese Puppe … Was hat es mit diesem Spielzeug auf sich?« Justus sprach nun eindringlich auf den Produzenten ein. »Warum versetzt dich dieses Stoffding in solche Angst? Du wärst beinahe erstickt!« Al Parker rieb sich den Schweiß von seiner Stirn. Dann rich 24
tete er sich mit einem ächzenden Laut auf und zog sein T-Shirt glatt. »Diese Puppen … das ist der Wahnsinn … glaubt mir … sie wollen mich umbringen!« »Das ist wirklich wahnsinnig«, kommentierte Bob. »Und überhaupt: Was meinst du mit ›diese Puppen‹? Gibt es denn noch mehr von der Sorte?« »Ich weiß nicht, ob ich mit euch darüber sprechen sollte … Voodoo ist kein Thema für Jugendliche.« »Voodoo?« Peter trat einen Schritt näher an Al Parker heran. »An diesen faulen Zauber glaubst du doch nicht im Ernst?« »Wenn du jemals einen Fuß auf die Insel Haiti gesetzt hät test, würdest du jetzt nicht so dumm daherreden!«, fuhr der Produzent Peter an. »Denn von faulem Zauber kann hier wirk lich nicht die Rede sein. Voodoo-Rituale werden dort heute immer noch praktiziert. Sie sind zur Religion des gesamten dort lebenden Volkes geworden. Viele Kultgruppen stehen untereinander in engem Kontakt. Wahrsager, Exorzisten und Magier. Sie alle treten mit den übernatürlichen Mächten des Universums in Verbindung und lehren auch uns Unwissende, wie ich jetzt am eigenen Leib erleben muss, das Fürchten.« »Glaubst du denn wirklich daran?«, fragte Justus vorsichtig. »Wenn du mich das vor ein paar Wochen gefragt hättest, hät te ich diese Frage klar verneint. Doch nun …«, Al Parker stockte für einen kurzen Moment, »… nun bin ich mir da nicht mehr so sicher …« »Warum?« »Weil mir jemand diese komischen Puppen zuspielt und mein Körper dabei jedes Mal verrückt spielt! Immer wenn eine dieser Puppen auftaucht … dann … dann kriege ich keine Luft mehr. Mein Herz fängt an zu rasen … und diese Stiche in der Brust … all diese Symptome sind tatsächlich vorhanden. Die bilde ich mir nicht ein!« »Trotzdem kann die Gefahr nicht von den Puppen ausgehen, Al«, erklärte Justus. »Ich muss gestehen, dass wir dieses Ding 25
bis ins kleinste Detail untersucht haben. Diese Stofffigur be steht lediglich aus reiner Jute, einigen Strohbündeln und ein paar Bindfäden. Wenn dich beim Anblick dieser Puppen wirk lich Herzrasen, Stiche in der Brust und Atemnot befallen, dann rührt das von einem anderen Umstand her, nicht aber von diesen Voodoo-Dingern.« »Woher denn?«, fragte Al Parker misstrauisch. »Darauf kann ich dir vorläufig noch keine Antwort geben«, gestand Justus. »Interessant wäre jedoch zu erfahren: Seit wann bekommst du diese Puppen und wer ist der Überbringer?« Der Produzent blickte sich ängstlich um, als fürchtete er, von einem Unbekannten beobachtet oder belauscht zu werden. Er senkte seine Stimme. »Das geht schon seit einigen Wochen so. Das erste Mal, als ich mit solch einer Puppe konfrontiert wur de, kam ich abends von einer Veranstaltung aus dem Beachsi de-Hotel, in dem meine Plattenfirma die Wet Boys und mich mit jeweils zwei goldenen Langspielplatten ausgezeichnet hatte. Kurz nach Mitternacht verließ ich das Fest und ging zu meinem Wagen. Ich legte meine beiden Auszeichnungen auf den Rücksitz und wollte gerade starten, da sah ich diese Puppe neben mir auf dem Beifahrersitz liegen. Ich war zunächst nur verwundert und überlegte kurz, wer dieses Spielzeug wohl in meinem Wagen liegen gelassen haben könnte. Aber ich dachte mir nichts dabei und fuhr los. Als ich an der nächsten Ampel zum Stehen kam, wollte ich mir dieses Ding noch einmal ge nauer ansehen und stutzte: Die Puppe hatte mein Gesicht! Akribisch bis ins letzte Detail aufgemalt! Ich wunderte mich noch mehr. Und dann bekam ich plötzlich tierisches Herzrasen und Atemnot! Ich lenkte meinen Wagen sofort auf einen Sei tenstreifen und hoffte, dass dieser unerklärliche Anfall rasch vorübergehen würde. Zum Glück war der Spuk dann auch nach ein paar Sekunden vorbei.« »Und die Puppe?«, fragte Justus gespannt. »Der hatte ich damals noch keine besondere Bedeutung bei 26
gemessen. Ein Rätsel war mir nur, wie sie in mein verschlosse nes Auto gelangen konnte. Zu diesem Zeitpunkt hatte ich mich aber noch nicht weiter mit der Frage beschäftigt, obwohl es ja nun wirklich nicht alltäglich ist, dass man auf eine Puppe stößt, auf deren Gesicht das eigene Konterfei gemalt ist – und dazu noch so grimmig entstellt!« »Und dann?«, wollte Peter wissen. »Wie ging es weiter?« »Zwei Tage später klingelte es morgens an meiner Haustür. Als ich nachsehen ging, lag auf meiner Schwelle ein kleines Päckchen, das an mich adressiert war; jedoch ohne Absender. Ihr könnt euch sicherlich denken, was mir da zugestellt wur de.« Mit nervösen Fingern griff Al Parker nach seinem Ta baksbeutel und drehte sich eine Zigarette. »Ich nehme an, eine weitere Puppe«, schlussfolgerte Bob. »Ganz recht.« Der Produzent entzündete ein Streichholz, steckte sich die Zigarette an und blies den blauen Rauch in die Luft. »Es ist unbegreiflich, aber augenblicklich setzten die Herzstiche und die Atemnot wieder ein, obwohl ich diese furchtbare Puppe gar nicht berührt hatte. Der bloße Anblick genügte – schon spielte mein Körper verrückt! Und wie auch schon zuvor verschwanden die Symptome nach wenigen Se kunden wieder. Du hast es gestern Nachmittag in der Sauna ja selbst miterlebt, Bob. Ich saß da nichts ahnend im Dampfbad auf meinem Handtuch, als mir plötzlich jemand aus dem Nebel dieses Ding direkt in den Schoß warf. Ich sprang sofort auf, um mir diesen durchtriebenen Mistkerl vorzunehmen. Doch die augenblicklich eintretenden Schmerzen machten es mir unmöglich. Ich sackte auf die Knie, rang nach Luft und konnte mich keinen Zentimeter mehr bewegen.« »Und vorhin, als Bob diese Puppe aus seiner Tasche zog«, fragte Justus. »Hattest du da dieselben Schmerzen wie schon die Male davor?« Al Parker zögerte. »Seltsam … aber jetzt, wo du mich das fragst, würde ich beinahe sagen … nein.« 27
»Beinahe?« Peter wedelte den Zigarettenqualm vor seinem Gesicht weg. »Wie meinst du das?« »Ich war aufgeregt und zu Tode erschrocken … aber Herzsti che hatte ich diesmal nicht. Auch die Atemnot blieb dieses Mal aus. Zumindest erschien sie mir nicht so heftig wie sonst.« »Hattest du denn schon mit diesen schmerzhaften Sympto men zu kämpfen, bevor dir diese Puppen zugespielt wurden?« Justus warf dabei einen skeptischen Blick auf Al Parkers Ziga rette, deren Rauch der Produzent tief inhalierte. »Nicht im Geringsten. Mein letzter Besuch beim Hausarzt liegt schon Jahre zurück, und ich erfreute mich immer bester Gesundheit. Erst seitdem dieser Voodoo-Zauber eingesetzt hat, werde ich von diesen schrecklichen Qualen heimgesucht.« Nervös streifte Al Parker die Asche seiner Zigarette in dem randvollen Aschenbecher ab. »Wie kommst du eigentlich darauf, dass es sich bei diesen Puppen um Voodoo-Zauber handelt?«, fragte Bob und leerte den Rest seines Cola-Glases in einem Zug. »Durch Jessica Stevens. Sie wohnt hier in der Nachbarschaft, zwei Straßen von hier entfernt. Ich nenne sie scherzhaft ›die Hexe‹. Ich habe sie vor ein paar Tagen zufällig im Supermarkt kennen gelernt. Sie ist Professorin für Anthropologie und lebt meist in Caracas. An der dortigen Universität hält sie viele Vorlesungen.« »Eine Anthropologin? Was ist das nun wieder?« Peter sah Al Parker fragend an. »Unter Anthropologie versteht man die Wissenschaft vom Menschen«, kam Justus mit seinem Superhirn dem Produzen ten zuvor. »In der Regel beschäftigen sich diese Leute mit den unterschiedlichen Menschenrassen auf unserer Erde.« »Vorbildlich erklärt, Justus«, lobte Al Parker. »Mrs Stevens’ Hauptinteresse gilt den afroamerikanischen Religionen. Sie ist lange Zeit durch die lateinamerikanischen Länder gereist und hat dort die unheimlichsten und haarsträubendsten Dinge er 28
lebt. Dinge, von denen die meisten von uns noch nicht einmal gehört oder gelesen haben. Für sie steht eindeutig fest, dass mir da jemand mit Hilfe des Voodoo-Zaubers ans Leder will. Die Vorgehensweise, diese Puppen und meine körperlichen Anfäl le, das alles sind die typischen Merkmale des Voodoo-Rituals.« »Ich muss gestehen, dass mir dieses Thema nicht allzu geläu fig ist«, sagte Justus. »Doch eines weiß ich: Menschen, die den Voodoo-Zauber praktizieren, gehen in der Regel nicht zimper lich vor. Ich habe mal gelesen, dass die Anhänger dieser Reli gion auf Haiti Tote auferstehen lassen und diese willenlosen Kreaturen, so genannte Zombies, für sich arbeiten lassen.« »Das glaubst du doch wohl nicht wirklich, Just?!« Peter lief ein kalter Schauer über den Rücken. »Wie sollte das möglich sein?« »Natürlich sind diese Menschen nicht wirklich tot«, klärte Justus seinen Freund auf. »Durch ein bestimmtes Gift werden sie scheintot gemacht. Nachdem man sie beerdigt hat, werden sie nach einigen Tagen mit Hilfe eines Gegengiftes wieder zum Leben erweckt. Dieses Gift bewirkt aber, dass die Gehirnfunk tionen dieser Menschen nicht mehr einwandfrei funktionieren und sie somit den Voodoo-Priestern als willenlose Werkzeuge dienen können. Diese armen Geschöpfe müssen fortan auf den Feldern arbeiten, oder sie werden von ihren Herren zu krimi nellen Zwecken missbraucht.« »Das ist ja furchtbar!«, rief Peter entsetzt. »Aber bittere Realität«, erklärte Justus. »Viele Haitianer furchten sich davor, zu lebenden Leichnamen zu werden. Und um zu verhindern, dass ein Toter als Zombie wiederaufersteht, durchbohrt man der Leiche vor dem Begräbnis das Herz.« »Das erinnert mich an den Dracula-Roman von Bram Sto ker«, unterbrach Bob die schaurigen Schilderungen von Justus. »Mit dem kleinen Unterschied, dass solche Vampirgeschichten der Fantasie entsprungen sind. Diese entsetzlichen VoodooRituale hingegen sind schreckliche Realität. Wir sollten unsere 29
Wissenslücken in puncto Voodoo schleunigst auffüllen. Mir scheint, dass sich hinter dieser Religion noch weitaus schlim mere Dinge verbergen. Wenn der unbekannte Überbringer dieser Puppen tatsächlich ein Voodoo-Anhänger ist, sollten wir mit dem Schlimmsten rechnen. Wer weiß, wozu dieser Ver rückte in der Lage ist.« Al Parker erhob sich von seinem Sessel und begann im Stu dio unruhig auf und ab zu laufen. »Ich hätte euch von dieser Sache nichts erzählen dürfen, Freunde. Von den Puppen geht eine ungeheure Macht aus, obwohl es ja eigentlich Quatsch ist! Ich glaube nicht an Hexerei – und trotzdem kriege ich ihren Zauber zu spüren. Jessica Stevens hat mich gewarnt. Diese Voodoo-Puppen sollte man nicht unterschätzen. Die Anthropo login hat mir prophezeit, dass ich noch mit viel schlimmeren Dingen zu rechnen hätte, wenn ich mich dem Zauber nicht beuge.« »Was meint sie damit?«, fragte Justus »Sie ist der festen Überzeugung, dass sich jemand an mir rächen will, den ich ungerecht behandelt habe.« Energisch drückte Al Parker seine Zigarette im Aschenbecher aus. »Diese Dame beginnt mich zu interessieren.« Der Erste De tektiv zupfte nachdenklich an seiner Unterlippe. »Ich würde sie gern persönlich kennen lernen, um noch weitere Details aus ihrem Mund zu erfahren.« »Das ist leider nicht möglich.« Der Produzent sah sie ernst an. »Aus Mrs Stevens’ Mund wird nie wieder ein Laut drin gen.«
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Zwei Fliegen mit einer Klappe »Aber … wie ist das möglich?« Bob fühlte sich zunehmend unwohl in seiner Haut. »Der alten Dame hat das Schicksal übel mitgespielt. Sie hat seit einem schrecklichen Verkehrsunfall keinen Kehlkopf mehr!«, klärte Al die drei ??? auf. »Wie konntest du dich denn mit Mrs Stevens verständigen?«, hakte Bob nach. »Ihr Kehlkopf wurde durch eine Sound-Prothese ersetzt. Das ist ein kleiner Apparat, der, wenn man ihn an den Hals presst, Schallwellen auf den Hals-Rachenraum überträgt. Mit dessen Hilfe besteht die Möglichkeit, weiterhin, auch ohne Kehlkopf, zu sprechen.« Al Parker machte eine kurze Pause. »Allerdings mit einer unangenehmen Begleiterscheinung.« »Und die wäre?« Peter war mittlerweile auf alles gefasst. Al Parker zögerte einen Moment. »Nun ja … diese künstliche Stimme ist der eines Menschen nicht gerade ähnlich. Ich muss gestehen, dass es mich anfangs einige Überwindung gekostet hat, mich an diese elektronischen Töne zu gewöhnen. Es klingt beinahe so, als ob ein Roboter zu einem spricht.« »Ein Hoch auf die Technik!« Bob schüttelte sich, um seine inneren Spannungen zu lösen. »Ich wäre nicht gerade scharf auf so ein Ding. Doch wenn ich vor der vollendeten Tatsache stünde, würde ich mir von meinem Arzt auch so ein Teil ver schreiben lassen. Bevor ich für den Rest meiner Tage die Schnauze halten müsste …« »Ich kann verstehen, dass du die Sache mit einem gewissen Galgenhumor betrachtest, Bob.« Al Parker entnahm dem DATRekorder die Kassette der Wet Boys und schob sie in eine beschriftete Hülle. »Doch Mrs Stevens hat wirklich mehr Re spekt verdient. Zu allem Überfluss ist vor einigen Wochen auch noch ihr Mann verstorben. Seitdem trägt sie Trauer. Ich glaube, sie beabsichtigt ihre Zelte in Caracas abzureißen, um in 31
Californien ihren wohlverdienten Lebensabend zu genießen.« »Auf jeden Fall wäre es sehr aufschlussreich, diese Mrs Ste vens einmal persönlich kennen zu lernen«, entgegnete Justus. »Sie hat bestimmt eine Menge interessanter Geschichten zu berichten.« Al Parker schaute Justus verwundert an. »Was versprichst du dir davon?« Der Erste Detektiv baute sich in wichtiger Pose vor dem Pro duzenten auf. »Al, wie du vorhin so treffend erwähnt hast, ist die Angelegenheit mit den Voodoo-Puppen eine sehr ernst zu nehmende Angelegenheit. Ich habe das Gefühl, dass uns das Schicksal zur rechten Zeit zusammengeführt hat.« »Wie darf ich das verstehen?« Justus griff in seine Jackentasche und zog aus ihr eine Visi tenkarte hervor, die er dem Produzenten stolz aushändigte. Auf ihr stand geschrieben: Die drei Detektive
???
Wir übernehmen jeden Fall
Erster Detektiv Justus Jonas Zweiter Detektiv Peter Shaw Recherchen und Archiv Bob Andrews Al Parker las den Text zweimal. Dann sah er die drei Jungen prüfend an. »Das ist kein Scherz?« »Al!« Justus war ehrlich entrüstet. »Angesichts der vorherr schenden Situation wäre ein Scherz wirklich nicht angebracht. Peter, Bob und ich betreiben diese Detektivarbeit schon seit Jahren. Aus ihr ist mehr als ein Hobby geworden. Selbst In spektor Cotta von der hiesigen Polizei steht uns mit Rat und Tat zur Seite und unterstützt uns, soweit ihm dies nur möglich ist!« 32
»Unser Spezialgebiet sind mystische Vorkommnisse und Ge heimnisse aller Art!«, pflichtete ihm Peter bei. »Wir haben ein Erfolgskonto vorzuweisen, bei dem mancher Erwachsene dumm aus der Wäsche gucken würde. Und die Begebenheiten, mit denen man dich terrorisiert, schreien doch gerade nach einer Aufklärung. Oder willst du das etwa so hinnehmen?« »Was?«, fragte Al Parker knapp. »Na, dass man dich mit dieser Voodoo-Hexerei psychisch und physisch so aus der Fassung bringt«, unterstützte Bob seine beiden Freunde. »Willst du etwa weiterhin tatenlos zuse hen und abwarten, welches As dieser Verrückte als Nächstes aus seinem Ärmel zieht? Bis jetzt waren es nur diese hässlichen Puppen, die dich nervlich aus dem Konzept gebracht haben. Doch wer weiß, was dir morgen aus dem Hinterhalt zugespielt wird? Nebenbei solltest du auch bedenken, dass deine Kreativi tät unter diesem ganzen Hokuspokus gehörig zu leiden hat. Unter diesen Umständen kann kein vernünftiger Mensch auch nur halbwegs in der Lage sein, seinem normalen Arbeitspen sum nachzugehen.« »Ihr habt Recht …« Al Parker wurde nachdenklich. »Wenn ich mir überlege, wie viele Stunden ich allein damit verbracht habe, mir den Kopf über diese ganze Voodoo-Geschichte zu zerbrechen, ohne auch nur zu dem geringsten Ergebnis zu gelangen, dann könnte ich mir jetzt noch die Haare raufen. Das alles waren kostbare Stunden, die ich künstlerisch besser hätte nutzen können.« »Die Kunst hat in deinem Beruf zwar einen höheren Stellen wert«, kommentierte Justus Al Parkers Ansicht. »Doch meiner Meinung nach sollten wir als Erstes unsere Aufmerksamkeit auf die körperlichen Reaktionen richten, die diese Puppen bei dir auslösen. Die Gesundheit solltest du vor den Beruf stellen.« Bob warf einen Blick auf den überfüllten Aschenbecher. »Und vielleicht solltest du zuallererst damit beginnen, das Rauchen einzustellen. Nachdem ich gestern deinen Erstik 33
kungsanfall in der Sauna miterlebt habe, wird mir jedes Mal ganz anders, wenn ich sehe, wie du zur Zigarette greifst!« »Bitte erteilt mir keine mütterlichen Ratschläge!« Al Parker war sichtlich gereizt. »Das Rauchen hat mit diesen Anfällen nichts zu tun! Dahinter stecken diese verfluchten Puppen!« »Das ist doch Blödsinn, Al!«, brauste Bob auf. »Was auch immer dahinter stecken mag, mit Voodoo-Zauber hat das Gan ze mit Sicherheit nichts zu tun!« »Lasst uns die Sache mal nüchtern betrachten«, versuchte Justus zu beschwichtigen und wandte sich dem Produzenten zu. »Al, hast du in deinem Umkreis irgendwelche Feinde?« Al Parker zuckte mit den Schultern und überlegte einen Mo ment. »Feinde? Meines Erachtens nach nicht. Dafür umso mehr Neider. Leute, die eifersüchtig auf meinen Erfolg, meine Kon takte und meinen guten Riecher sind. Davon gibt es jede Men ge. Das ist in dieser Branche aber nichts Ungewöhnliches. Die Zeiten sind hart. Da versucht jeder, ein Stück vom großen Kuchen abzubekommen.« »Mit dem großen Kuchen – meinst du damit den Musik markt?«, wollte Peter wissen. Al Parker nickte. »Ganz recht. Neben dem Filmgeschäft ist dies die größte Einnahmequelle auf dem Unterhaltungssektor. Da werden Milliarden Dollar umgesetzt. Klar, dass da viele mitmischen wollen. Der Konkurrenzkampf wird immer größer, und die Hemmschwelle, für den Erfolg über Leichen zu gehen, schwindet von Tag zu Tag! Trotzdem kann ich mir nicht vor stellen, dass jemand versucht, mich mit Hilfe des VoodooZaubers aus meiner Erfolgsspur zu stoßen. Diese Vorstellung ist doch wahrlich lächerlich!« »Ich ziehe diese Möglichkeit allerdings in Betracht«, gab Ju stus zu bedenken. »Wenn du wüsstest, welch üble Machen schaften unser Detektivunternehmen bereits aufgeklärt hat, würdest du deine Meinung schnellstens revidieren. Die Gut gläubigkeit der Menschen ist der Nährboden für die ausgekoch 34
testen Ideen und Pläne der Verbrecher.« Der Produzent verschränkte seine Arme vor der Brust, lä chelte und verlieh seiner Stimme einen Ton von Entschlossen heit. »Dann übernehmt den Fall, Jungs. Ich weiß zwar noch nicht, worauf ich mich da einlasse, doch scheint mir diese Entscheidung weniger risikoreich zu sein, als mich einem möglichen Erstickungstod auszusetzen.« Unheilvoll schlug in diesem Augenblick die große Standuhr in der Ecke des Studios zwölf Uhr. Peter fuhr erschrocken herum. »Mensch, Zweiter!«, raunte Bob seinem Freund zu. »Reiß dich bloß zusammen und spar dir dein Adrenalin für später auf. Mich beschleicht das eigenartige Gefühl, dass uns dieser Fall an die Grenzen unserer nervlichen Belastung bringt. Die ganze Geschichte gefällt mir nicht. Dennoch muss ich zugeben, dass es mir eine Freude sein wird, diesem Voodoo-Fanatiker die Kapuze vom Kopf zu reißen und ihm ein für alle Mal den Garaus zu machen!« »Zwölf Uhr.« Al Parker warf einen kurzen Blick auf die Standuhr. »Zeit für meinen Mittagstee. Na, wie wär’s? Darf ich euch auch noch eine Tasse aufbrühen?« Die drei Detektive stimmten zu und folgten Al Parker in sei ne große, geräumige Küche. Bei ihrem Anblick rissen Justus, Peter und Bob vor Entsetzen die Augen auf. Das benutzte Geschirr türmte sich im Abwaschbecken, der schmutzige Par kettboden klebte und ein leichter Schimmelgeruch breitete sich aus, der aus der überfüllten Abfalltonne neben dem Kühl schrank drang. Justus rümpfte die Nase. »Dir fehlt eine Haushaltshilfe, Al. Und du kannst wirklich von Glück sprechen, dass wir neben unserer detektivischen Arbeit eine Menge von Aufräumarbei ten verstehen!« »Bist du jetzt übergeschnappt?«, empörte sich Peter und han delte sich darauf einen unauffälligen Fußtritt von Justus ein. 35
Sogleich versuchte der Zweite Detektiv seine unüberlegte Äußerung zu korrigieren und fügte schnell hinzu. »Wir können doch nicht so einfach über Als Kopf hinweg bestimmen, dass wir seinen Haushalt in Ordnung bringen – was mir natürlich eine große Ehre wäre.« Der Produzent lächelte verlegen. »Mit meiner Ordnung steht es wirklich nicht zum Besten, Jungs, und ich gebe ehrlich zu, dass mir andere Dinge im Leben weitaus wichtiger sind. Die Musik zum Beispiel.« »Kann ich durchaus verstehen, Al!«, entgegnete Justus, füllte wie selbstverständlich den Wasserkessel und setzte ihn auf den Herd. »Wir werden diesen Voodoo-Zauber aufklären und ganz nebenbei deinen Haushalt auf Vordermann bringen. Du schlägst sozusagen zwei Fliegen mit einer Klappe!« »Na, wunderbar!« Al war sichtlich begeistert. Er griff unter halb des mittleren Regalbrettes nach vier Bechern, die dort an kleinen Haken hingen. »Ich muss gestehen, diese Vorstellung gefällt mir! Schwarzen oder grünen Tee?« »Schwarzen, bitte!«, riefen die drei ??? wie aus einem Mun de, während der Produzent zwei Teedosen auf den Tisch stell te. »Das dachte ich mir. Die meisten Besucher mögen keinen grünen Tee. Für mich ist er eine Wohltat!« Al Parker beförder te vier Teebeutel in die Becher und wartete ungeduldig auf das Pfeifen des Wasserkessels. Justus nutzte diese Pause für eine Frage, die ihnen der Produ zent bisher nicht beantwortet hatte. »Um noch einmal auf deine unverschlossene Haustür zurückzukommen, Al …« »Ja?« »Du sprachst vorhin darüber, dass sich dahinter eine Lebens philosophie verbirgt. Kannst du uns mehr darüber sagen?« »Wenn es euch wirklich interessiert, na klar!« Al Parker lehnte sich mit dem Rücken an den Küchenschrank und begann sich wie selbstverständlich eine neue Zigarette zu drehen. »Die 36
Sache ist im Grunde genommen ganz einfach: Verschlossene Türen scheinen Einbrecher magisch anzuziehen. Offene Türen hingegen schrecken sie sichtlich ab.« »Sichtlich?«, fragte Bob irritiert. »Wie meinst du das?« »Zweimal ist man in den vergangenen Jahren hier ins Haus eingestiegen und hat mich einer Menge technischer Geräte beraubt. Und das nur, weil ich in diesen beiden Ausnahmefäl len die Tür verriegelt hatte. Solange ich die Haustür offen stehen ließ, wagte sich noch nicht einmal der Postbote über die Schwelle. Einbrecher scheinen offene Türen zu meiden. Denn immerhin erzeugen sie den Anschein, dass sich jemand im Haus befindet.« Die drei Detektive blickten Al Parker entgeistert an. »Euch mag meine Philosophie vielleicht etwas seltsam er scheinen, doch die Erfahrung belehrte mich eines Besseren. Seit ich meine Haustür nicht mehr abschließe, halten sich unerwünschte Besucher fern.« Das Pfeifen des Wasserkessels unterbrach den Vortrag des Produzenten. Bob goss das kochende Wasser in die bereitste henden Becher und sie setzten sich in die Sitzecke der Küche. Eine lange Zeit sprachen die vier über Belangloses, bis der Erste Detektiv ankündigte, am nächsten Nachmittag Stellung vor Ort zu beziehen und sich mit seinen beiden Kollegen des unerklärlichen Falles anzunehmen. Peter blickte während des Gesprächs immer wieder zur Küchentür und stand sogar zwei mal auf, um auf dem Flur nach dem Rechten zu sehen. Er hatte das eigenartige Gefühl, dass sie die ganze Zeit jemand beo bachten würde. Doch auf dem Flur war weit und breit nichts zu sehen.
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Legenden und Rituale »Kollegen, es sträuben sich einem die Haare! Die Sache ist heiß. Wenn nicht sogar zu heiß!« Bob Andrews betrat die Zentrale, pfefferte seine Jacke auf den Stuhl und ließ sich in gewohnter Weise in den Sessel plumpsen. Gleich nach ihrem Besuch bei Al Parker hatte sich der Dritte Detektiv auf den Weg in die Bibliothek gemacht, um sich und seine beiden Freunde mit Informationen über Voodoo und dessen Rituale zu versorgen. Nun, zwei Stunden später, saß er Justus und Peter in dem engen Wohnwagen gegenüber und gab sein neues Wissen preis. »Als ich im Computerarchiv das Stichwort ›Voodoo‹ ein, gegeben habe, wurden hauptsächlich Bücher und Presseberich te im Zusammenhang mit afroamerikanischer Religion aufge führt. Übersetzt bedeutet das Wort ›Voodoo‹ Gott, Gottheit oder Geist. Die Sensationspresse hat daraus einen Kult mit Ritualmorden, Blutopfern und Schlangenbeschwörungen ge macht. Diese ›schwarze Legende‹ geht auf einen gewissen Spencer John zurück.« »Spencer John?«, fragte Peter gespannt. »Nie gehört. Wer ist das?« »Ein Seefahrer, der um 1880 in einer wilden Sturmnacht auf Haiti mit seinem. Boot strandete, das dort lebende Volk kennen lernte und anschließend die übelsten Schauergeschichten ver breitete.« »An denen etwas dran ist?« Der Erste Detektiv hing förmlich an Bobs Lippen. »Nun warte es doch ab«, verwies er Justus in die Schranken und fuhr fort. »Eine Tatsache ist jedenfalls, dass auch im Volksglauben Haitis ähnliche Legenden erzählt werden: von bösen Zauberern, die Menschen töten, weil sie ihr Blut für magische Rituale brauchen. Und auch von Zombies ist die Rede. Ich muss zugeben, Just, dass ich über deine Vorkenntnis 38
se in puncto Voodoo und Zombies mal wieder angenehm über rascht war. Doch ehrlich gesagt«, schränkte der Dritte Detektiv humorvoll erneut ein, »habe ich von dir auch nichts anderes erwartet. Denn wann hat uns dein Superhirn jemals enttäuscht, hmm?« Über Justus’ Gesicht glitt ein zufriedenes Grinsen. Peter wurde es zu bunt. »Nun hört schon endlich auf, euch gegensei tig hochzukitzeln!«, rief er. »Ich würde jetzt gerne erfahren, was es mit diesen gruseligen Stoffpuppen auf sich hat. Inwie fern haben diese Dinger etwas mit Voodoo zu tun?« »Zu den Puppen komme ich noch, Zweiter.« Bob blätterte in seinen Unterlagen. »Vorher solltet ihr noch wissen, dass sich die Voodoo-Religion in ihrer ursprünglichen Form im Laufe des 19. Jahrhunderts gefestigt hat und zur Religion des gesam ten lebenden Volkes auf Haiti geworden ist. Auf dem Land besitzt fast jede Familie eine Art Tempel im Haus, der von einem älteren Mitglied der Großfamilie gehütet wird. Dort praktizieren die Familienangehörigen die täglichen Ri tuale zu Ehren ihrer verstorbenen Ahnen und Geister. Der Totenkult ist ziemlich weit verbreitet. Auch aufwendige Be gräbnisrituale sind hier die Regel. Nach dem Voodoo-Glauben wird dadurch das Weiterleben der Seele nach dem Tod gewähr leistet.« »Eine Gewährleistung«, warf Justus zynisch ein. »Selbstver ständlich ohne Garantie.« »Ganz meine Meinung, Just«, antwortete Bob, ohne sich je doch bei seinem Vortrag aus dem Konzept bringen zu lassen. »In den Städten hingegen bildete sich rund um einen Tempel und dessen Leiter häufig eine so genannte Familie, die aus den eingeweihten Gläubigen besteht. Heute existieren solche Voo doo-Tempel auch in New York, Miami und Kanada, wo auch Weiße die Hilfe der Priester in Anspruch nehmen.« »Aber wofür?«, unterbrach Peter Bobs Bericht. »Im Prinzip kann bei allen menschlichen Problemen mit Hil 39
fe des Voodoo-Zaubers und seiner verschiedenen Rituale ge holfen werden. Das behaupten zumindest die Voodoo-Priester, die für ihre angeblichen Heilungen oder sonstigen Rufwendun gen meist eine nette Stange Geld verlangen.« Peter fasste sich an den Kopf. »Es mag ja an meiner man gelnden Intelligenz liegen, doch ich habe immer noch nicht begriffen, wie dieser Voodoo-Zauber eigentlich funktioniert und – wenn er funktioniert – was er bewirkt?« »Das ist anhand der Berichte auch gar nicht so leicht nachzu vollziehen«, gestand Bob und machte eine andächtige Pause. »In einem Presseartikel habe ich etwas über eine Frau gelesen, die schon als Kind die Macht der Geister in sich fühlte. Sie wurde schließlich von einem Voodoo-Priester ausgebildet und lernte in Trance bestimmte Geister zu empfangen. Seither betreut sie in ihrem Haus eigene Klienten. Eine Geisterseance läuft bei ihr folgendermaßen ab: Sie fällt in Trance. Die Gei ster, die dann in sie hineinfahren und aus ihrem Munde spre chen, beraten ihre Kunden. Die Leute kommen zu ihr, um Erfolg für ihre Geschäfte zu erbitten, Krankheiten zu heilen – oder zumindest zu lindern – oder sich von bösen Einflüssen reinigen zu lassen.« »Stand in dem Artikel auch geschrieben, ob der so genannte Zauber tatsächlich funktioniert?«, hakte Justus nach. »Erstaunlicherweise ja«, erwiderte Bob. »Ihr Erfolg liegt nicht zuletzt darin begründet, dass die Kunden an die Wirk samkeit der Magie glauben. Die Heilung von körperlichen Krankheiten, die aufgrund von seelischen Problemen entstehen, ließe sich dadurch zum Beispiel erklären.« »Wie ich vermutet habe …« Der Erste Detektiv knetete nachdenklich seine Unterlippe. »Der Voodoo-Zauber funktio niert demnach genauso wie ein Placebo.« »Mir scheint, ich lerne heute nur dazu. Was in aller Welt ist denn nun wieder ein Placebo?«, wollte Peter wissen. »Ein Scheinmedikament, das dem Patienten vorgaukelt, es 40
enthielte eine wirksame Arznei. Wenn zum Beispiel im Kran kenhaus ein Patient nachts keine Ruhe finden kann und er deshalb um ein Schlafmittel bittet, wird ihm häufig eine harm lose Tablette verabreicht, die nur Mehl, Traubenzucker oder sonst irgendeinen harmlosen Stoff enthält. Der Patient, der das angebliche Beruhigungsmittel schluckt, geht davon aus, dass er bald einschlafen wird; was in den meisten Fällen auch klappt. Bei Kopfschmerzen funktioniert diese Methode auch recht häufig. Durch den puren Glauben und die Kraft des Geistes verschwinden die Schmerzen ohne die Zugabe eines Medika ments. Diese Verbindung zwischen Körper und Geist nennen die Mediziner Psychosomatik.« »Das ist ja echt ein Hammer!«, empörte sich Peter. »Wenn mich Zahnschmerzen quälen, muss ich also damit rechnen, dass man mich mit billigen Mehl-Tabletten abspeist! Was ist denn aber, wenn sich meine Wurzel entzündet hat und meine Backe immer dicker anschwillt? Glaubt ihr etwa, dass sich dieser Eiterherd in meinem Körper mit einem Placebo kurieren lässt?« »Unsinn, Zweiter!«, entgegnete Justus. »Wenn ein ernstes körperliches Leiden vorliegt, werden dir die Ärzte ein richtiges Medikament verabreichen. Dazu sind sie dem Gesetz nach verpflichtet. Placebos werden nur bei offensichtlich somali schen, das heißt seelischen Beschwerden verabreicht, in denen eine eingebildete Krankheit vorliegt.« »Dann funktioniert dieser Voodoo-Zauber also auf dieselbe Art und Weise! Nur dass dieses Placebo, in unserem Fall die Puppe, das Opfer krank macht – und nicht gesund!«, erklärte der Dritte Detektiv und kratzte sich bedächtig am Kinn. »Das nehme ich auch stark an«, meinte Justus. »Doch ganz sicher können wir uns dieser Sache nicht sein, da die Wissen schaft auf diesem Gebiet noch immer in den Kinderschuhen steckt.« »Fest steht – nach den Presseberichten zu urteilen –, dass 41
diese Puppen für den Menschen, dem sie zugedacht werden, eine furchtbare, wenn nicht sogar tödliche Bedrohung darstel len«, erläuterte Bob. »Allerdings nur, wenn das Opfer an den Zauber glaubt.« Nach diesen Worten versanken die drei Detektive in ein nachdenkliches Schweigen. »Eins begreife ich aber nicht«, setzte Peter nach einer Weile ein. »Al Parker hat doch unmissverständlich erklärt, dass er dieser Voodoo-Religion nicht einen Hauch Glauben schenkt. Wie kann es da angehen, dass ihm die gruseligen Puppen trotz dem diese furchtbaren Schmerzen zufügen?« »Genau das ist der Punkt, dem wir als Erstes nachgehen soll ten, Kollegen.« Justus war zuversichtlich. »Morgen werden wir Al Parkers Haus belagern und jeden Winkel im Auge behalten. Dieser unbekannte Voodoo-Priester wird noch sein blaues Wunder erleben!« Als Peter einen Blick aus dem Fenster des Wohnwagens warf, fuhr er plötzlich erschrocken zusammen! Für den Bruch teil einer Sekunde glaubte er, aus dem Gebüsch von einem glitzernden Augenpaar beobachtet zu werden. Kurz kniff er die Augen zusammen. Als er sie wieder öffnete, war nichts mehr zu sehen. Er war nicht sicher, ob er seiner Wahrnehmung trauen konnte oder einer Sinnestäuschung erlegen war. Deshalb behielt er seine Zweifel vorerst für sich. Das unbehagliche Gefühl aber, das seine Nackenhaare aufrichten ließ, wollte für den Rest des Tages nicht mehr von ihm weichen und haftete wie ein böser Fluch an ihm.
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Fotosession Am nächsten Nachmittag stand Al Parkers Haustür wie ge wohnt offen. Die drei Detektive betraten den Flur und machten sich durch lautes Rufen bemerkbar. »Ich bin hier im Studio!«, dröhnte die Stimme des Produzenten aus dem hinteren Raum. Al Parker sprang erfreut von seinem Sessel auf, als er Justus, Peter und Bob im Türrahmen erblickte, und hieß sie willkom men. »Habt ihr euch denn keine Schürzen mitgebracht?«, fragte er scherzhaft und bot den Jungen einen Platz an. »Die haben wir leider zu Hause vergessen«, flachste Bob und grinste. »Peter wollte sich unbedingt ein Häubchen aufsetzen. Wir konnten ihn gerade noch davon abhalten!« »Schade.« Al Parker lächelte und warf einen nervösen Blick auf seinen Terminplaner, der aufgeschlagen auf dem Mischpult lag. »Euch schickt der Himmel! In einer Stunde rücken die Wet Boys für eine Fotosession für das Cover der neuen Maxi-CD an! Und in der Küche türmt sich das schmutzige Geschirr! Ich kann denen, geschweige denn euch, kein sauberes Glas mehr anbieten. Es wäre klasse, wenn sich einer darüber hermacht!« Aus unerfindlichen Gründen richtete sich der Blick des Produ zenten auf Bob. Ehe der Dritte Detektiv etwas erwidern konnte, wandte sich Al Parker Peter zu. »Die Fotos knipsen wir neben an im Aufnahmeraum. Ich habe bisher leider keine Zeit gehabt, mich um die Scheinwerfer und Stative zu kümmern. Den gan zen Kram habe ich hinten in der Besenkammer untergebracht. Im Flur dritte Tür links. Du kannst auch gerne …« »Geht klar!«, schnitt ihm Peter das Wort ab. Er erhob sich von dem schwarzen Ledersofa und verschwand aus dem Raum. Bob begann damit, die benutzten Teebecher, Gläser und Tel ler, die an allen möglichen Stellen im Studio herumstanden, einzusammeln. Al Parker war mit seiner Arbeitsverteilung nicht zimperlich und warf einen Blick auf die große Wanduhr. Dann wandte er 43
sich Justus zu. »Gleich ist es 16 Uhr. Um diese Zeit pflege ich gewöhnlich, meinen Nachmittagstee zu trinken. Tut mir Leid. Aber in diesem Punkt bin ich spießig. Das ist meine englische Tee-Zeremonie.« »Die grüne Sorte. Ich weiß schon Bescheid!« Der Erste De tektiv bückte sich und hob eine schmutzige Gabel vom Teppich auf, die unter dem Ledersofa hervorschaute. Dann ging er zusammen mit Bob in die Küche, während sich der Produzent wieder mit seinem Mischpult beschäftigte. »Haben wir das wirklich nötig?«, zischte der Dritte Detektiv Justus zu, der den Wasserkessel auf die Heizplatte stellte und den E-Herd einschaltete. »Sieh dir das mal an! Der Typ hat seit mindestens zwei Wochen keinen Abwasch mehr gemacht! Hier stapeln sich an die fünfzig Becher mit eingetrockneten Teerän dern! Das wird Stunden dauern, bis die sauber sind! Wieso hat Al keine Spülmaschine?« »Weil er sich dafür nicht interessiert«, antwortete Justus gleichgültig. »Die Kunst ist ihm wichtiger!« »Dann sollte ich ihn vielleicht mal in die Kunst des Geschirr spülens einführen.« Bob machte keinen zufriedenen Eindruck. Er hoffte inbrünstig, dass sofort etwas Unheimliches, Un vorhergesehens passieren möge, damit Action angesagt war und ihm diese Küchentortur erspart bliebe. Doch schließlich wanderten nach und nach 49 Becher durch Bobs Spülhände, ohne dass sich etwas Besonderes ereignete. Peter hatte in der Zwischenzeit die Scheinwerfer im Auf nahmeraum errichtet, während Justus im Studio für eine ober flächliche Ordnung sorgte. Der Erste Detektiv wollte in Al Parkers Nähe bleiben und wischte mal hier mit dem Staubtuch über die Lautsprecherboxen und ordnete mal dort einen Zeit schriftenstapel. Er bemerkte, dass der Produzent mittlerweile äußerst angespannt war: Er lächelte verkrampft, lief hektisch durch das Studio und war ständig auf der Suche nach irgendet was. 44
Al Parker schien den drei ??? zu vertrauen, denn er ließ ihnen freie Hand und schaute ihnen nicht ständig auf die Finger, während sie in seinen Arbeitsräumen Ordnung schafften. Der Produzent legte gerade einen neuen Film in seine Kamera ein, als er hörte, wie die angelehnte Haustür sachte ins Schloss fiel und sich vergnügte Stimmen näherten. Nervös eilte Al Parker auf den Flur. Auch Bob trat neugierig aus der Küche und er kannte die Wet Boys auf den ersten Blick. Das Hip-Hop-Trio sah genauso aus, wie er es aus dem Fernsehen und von den CD-Covern her kannte: Die Haare waren streichholzkurz ge schnitten. Die trainierten Körper muskulös und die Klamotten, die sie trugen, waren grell und zeitgemäß, aber nicht übertrie ben. Nur die Gesichter – Bob konnte sich nicht helfen – blick ten etwas altklug und unerfahren aus der Wäsche. Den drei jungen Männern hatte sich eine junge Frau angeschlossen, die einen handlichen Schminkkoffer bei sich trug und Al Parker überschwänglich die Hand schüttelte, als er seine Gäste be grüßte und in sein Studio führte. Mit einem großen Tablett, beladen mit Cola-Flaschen und frisch gespülten Gläsern, folgte der Dritte Detektiv der schrillen Truppe, die sich um den Pro duzenten scharte und eifrig auf ihn einredete. »Der letzte TV-Gig in der Music-Hall war ein Hammer, Al!« Der blonde Junge, der eine enge Goldkette um seinen Hals und einen großen goldenen Ohrring trug, strotzte vor Selbstbe wusstsein. »Die Teenies waren hysterisch und haben wie ver rückt geschrien! Wir waren der Abräumer der ganzen Show. Die Aufzeichnung musst du dir am Wochenende unbedingt ansehen! Wir sind die Größten!« »Hank hat Recht, Al! Die Stimmung im Saal war unbe schreiblich!« Der Kleinste des Trios, dessen auffälligstes Merkmal seine buschigen Augenbrauen waren, zog seine Kunstfelljacke aus und warf sie auf das Ledersofa. »Ich garan tiere dir: Der neue Remix wird weggehen wie warme Sem meln! Gibt es schon einen Veröffentlichungstermin?« 45
Al Parker tippte mit seinem Finger auf den Terminplaner. »Montag in vier Wochen, Billy. Deswegen habe ich euch ja so zu diesem Fototermin gedrängt. Die Plattenfirma braucht die Abzüge spätestens morgen.« »Fotosession. Verdammter Mist!« Das dritte Mitglied des Hip-Hop-Trios strich sich mit der Hand besorgt über die Wan ge. »Und gerade heute habe ich einen dicken Pickel im Ge sicht!« »Keine Sorge, Jeffrey!« Die junge Frau deutete mit ihren knallroten Fingernägeln auf den kleinen Schminkkoffer. »Keiner deiner Fans wird auf dem Cover erkennen können, dass auch du mit kleinen Schönheitsfehlern zu kämpfen hast. Ein bisschen Puder und Make-up und fertig ist das PopIdol!« »Kann ich euch vielleicht etwas zu trinken anbieten?« Bob hielt noch immer das volle Tablett in seinen Händen und sah die Gäste fragend an. »Oh, entschuldigt vielmals! Ich habe euch einander noch gar nicht vorgestellt! Warte, ich mache Platz.« Mit einer hastigen Bewegung schob Al Parker einen Stapel Papiere zur Seite, so dass Bob das Tablett auf dem Tisch absetzen konnte. »Darf ich vorstellen, meine … äh …«, der Produzent stockte verlegen. Fieberhaft rief er sich in sein Gedächtnis zurück, welche Ver einbarung die drei ??? mit ihm getroffen hatten. »Schulpraktikanten!«, kam Peter Al Parker zu Hilfe und streckte den Wet Boys und der jungen Dame freundlich die Hand entgegen. »Das sind meine Klassenkameraden Phil und George. Mein werter Name ist Michael!« Bob hatte Mühe, sich ein Lachen zu verkneifen. Das HipHop-Trio widmete den drei ??? jedoch keine Aufmerksamkeit. Sie lächelten knapp und bedienten sich ohne weiteren Kom mentar an den Getränken. Offenbar hielten sie es nicht für nötig, sich den drei Jungen vorzustellen. Lediglich die Frau trat an Justus, Bob und Peter heran und fuhr sich mit einer wichtige 46
Geste durch die Dauerwelle. »Hi, ich bin Joan!«, flötete sie aufgesetzt. »Visagistin und Stylistin! Ohne meine Creme-, Puder- und Make-up-Tricks sähen die Wet Boys heute ziemlich alt aus. Und Hank, Billy und Jeffrey sind ganz schön eitle Vögel. Nicht unberechtigt, wie man sieht. Alle liegen ihnen zu Füßen!« Bei dieser Bemerkung bogen sich Peters Fußnägel nach oben. Ihm war dieses Hip-Hop-Trio von vornherein unsympa thisch gewesen, und nun, wo er den drei Jungen auf nur einen halben Meter leibhaftig gegenüberstand, fühlte er sich in seiner Abneigung nur bestätigt. »Habe ich euch schon erzählt, dass ich mir wahrscheinlich ein Appartement in Beverly Hills zulegen werde?«, gab Jeffrey im Angeberton von sich und schnippte dabei lässig mit den Fingern. »Mit eigener Sauna, Trainingsraum und mit einem Swimmingpool im Keller! Mein Agent hat da ein Superangebot für mich ausfindig gemacht.« Billy trat an das Wandregal heran und inspizierte kritisch Al Parkers Goldauszeichnungen. »Ich verstehe dich einfach nicht, Al. Du schwimmst doch nun wirklich im Geld. Aber wenn man sich deine Behausung betrachtet, hat man den Eindruck, du kriechst finanziell auf dem Zahnfleisch. Gewiss, dein Studio ist Hightech erster Klasse – das sieht jeder! Alles vom Feinsten. Doch warum leistest du dir sonst nichts? Du beschäftigst keine Angestellten, du fährst einen alten klapprigen Wagen, der Putz blättert von deinem Haus und du verreist nie! Das begreife ich nicht.« »Es gibt Dinge, die mir mehr bedeuten, Billy. Luxus ist nicht alles.« Der Produzent griff nach seinem Tabaksbeutel und drehte sich eine Zigarette. »Selbst beim Rauchen verzichtest du auf Filterzigaretten. Hier, Al, nimm eine von meinen.« Billy zog aus seiner Hemd tasche eine silberne Zigarettendose, ließ den Deckel aufsprin gen und bot sie Al Parker an. Der Produzent winkte dankend 47
ab. »Nett gemeint. Aber ich bleibe bei meinem Tabak.« Aber Jeffrey ließ nicht locker. »Leiste dir doch mal was, Al. Man lebt schließlich nur einmal und das letzte Hemd hat keine Taschen. Willst du etwa eines Tages sterben und alles deiner Bank vermachen?« Billy lachte spöttisch. »Aber schön, es ist dein Leben. Ich mische mich da nicht ein. Sobald ich mein Appartement in Beverly Hills bezogen habe, kannst du mich aber gerne besuchen kommen und bei mir privat saunen. Da herrscht weitaus ein edleres Ambiente als in deinem öffentli chen Saunaclub!« Al Parker steckte sich seine Zigarette an und lehnte sich in seinem Sessel zurück. »Sag ehrlich, Al, warum gönnst du dir nichts?«, bohrte Jef frey weiter. »Oder bist du einfach nur geizig?« Den übrigen Anwesenden wurden Jeffreys Sticheleien lang sam unangenehm. Joan war die Erste, die dem ein Ende mach te. Demonstrativ öffnete sie ihren kleinen Schminkkoffer, entnahm ihm eine kleine Puderdose und forderte Jeffrey auf, ihr in den Aufnahmeraum zu folgen, um mit der Schminkpro zedur zu beginnen. Als die beiden den Raum verlassen hatten, klopfte Billy dem Produzenten auf die Schulter. »Nimm es Jeffrey nicht krumm, Al! In ihm steckt zurzeit eine geballte Ladung Größenwahn. Daran sind die kreischenden Mädchen schuld. Sie geben ihm das Gefühl, ein König zu sein.« Al Parker reagierte nicht. Er saß nur da und blies nachdenk lich den Rauch der Zigarette in die Luft. Das irritierte Billy. »He, Al … ist alles okay?« »Wie … was …? Äh … natürlich … Alles bestens. Wunder bar!« Der Produzent erhob sich aus seinem Sessel, griff nach der Kamera und begab sich mit Hank und Billy zu Joan und Jeffrey in den Aufnahmeraum, um mit den Fotoaufnahmen zu beginnen. Justus, Peter und Bob sollten draußen bleiben. Ihnen bot Al Parker an, sich vor das Mischpult zu setzen, um durch die große Verbindungsscheibe alles beobachten zu können. 48
Nachdem der Produzent die schalldichte Tür zum Aufnahme raum hinter sich geschlossen hatte, konnte Peter seinem Unmut endlich freien Lauf lassen. »Dieser Jeffrey ist doch wirklich das Allerletzte! Wie kann man nur so arrogant und oberfläch lich drauf sein und dann noch so einen Erfolg haben? Will mir das mal einer erklären?« »Das Leben ist oft ungerecht«, gab Justus trocken von sich und goss eine Cola in sein Glas. Bob rollte drei Bürosessel vor das Mischpult und nahm mit seinen beiden Detektivkollegen darauf Platz. Durch die Schei be konnten sie sehen, wie Al Parker die aufgestellten Schein werfer anknipste und die Lichtkegel justierte. Jeffrey schien sich noch immer nicht beruhigt zu haben. Erregt redete er auf den Produzenten ein und gestikulierte wild mit den Händen. Neugierig beobachteten die drei ??? das Geschehen, ohne jedoch ein Wort verstehen zu können. »Wie gerne würde ich da drin jetzt Mäuschen sein und hören, was die da gerade zu besprechen haben«, sagte Peter leise. »Nicht verzagen – Bob Andrews fragen! Die Funktion eines Mischpults hat mir Sax Sandler schon vor Jahren beigebracht.« Der Dritte Detektiv warf einen raschen Blick über die vielen Knöpfe und Regler. »Die Mikrofone im Aufnahmeraum müss ten meines Erachtens nach angeschlossen sein.« Unauffällig drückte Bob auf einen kleinen Schalter und schob vorsichtig zwei Regler nach oben. Leise, aber dennoch verständlich, erklang aus dem Lautsprecher die gereizte Stimme von Al Parker. »Ich habe langsam die Schnauze gestrichen voll, Jeffrey! Keiner gibt euch so viel wie ich. Das wisst ihr alle!« »Darum geht es nicht«, antwortete Jeffrey scharf. »Wir tra gen ein großes Geheimnis mit uns herum. Was meinst du, wie leicht ich mich mal verplappern könnte.« »Das würdest du nicht wagen!« Entsetzt blickte der Produ zent in Jeffreys Gesicht. 49
»Soll das etwa eine Drohung sein?« Jeffrey lachte. »Hör jetzt endlich auf!« Joan stampfte energisch mit ihrem Fuß auf den Boden. »Warum denn?«, fragte Jeffrey provozierend. »Wir sitzen doch alle im selben Boot. Und ich wiederhole mich nur ungern: Entweder du legst noch mal einen Batzen auf den Tisch – und zwar hunderttausend für jeden von uns dreien – oder ich packe aus!« Justus, Peter und Bob waren vor Entsetzen wie gelähmt. Sie wagten nicht zu atmen. Al Parker begann zu zittern und griff nervös nach seinem Tabakbeutel, um sich erneut eine Zigarette zu drehen. »Leute, wir können über alles reden. Aber nicht jetzt. Das ist doch Wahnsinn! Seht ihr denn nicht, dass da meine Praktikan ten sitzen?!« Joan warf einen kurzen Blick durch die Scheibe zu Justus, Bob und Peter hinüber und lächelte scheinheilig. Der Zweite Detektiv lächelte verkrampft zurück. Plötzlich stockte die Maskenbildnerin. »Al.« Ihre Stimme zischte und war eiskalt. Dann deutete sie unauffällig auf Peter. »Sieh dir sein Gesicht an. Dieser Junge macht mir nichts vor. Ihr könnt sagen, was ihr wollt. Die drei hören uns ab!«
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Weich gekocht Bob zog den Regler des Mischpultes schnell, aber unauffällig nach unten. Die Visagistin riss die Verbindungstür zum Studio auf, stürzte in den Raum und baute sich direkt vor den zwei großen Lautsprecherboxen auf, aus denen jetzt kein Ton mehr zu hören war. »Ist was …?«, fragte Justus. Die drei ??? zwangen sich mög lichst unbeteiligt dreinzuschauen. Joan lächelte gezwungen und entblößte dabei das Zahnfleisch ihres Oberkiefers. »So gut wie ihr möchte ich es auch mal haben. Nur so vor der Scheibe sitzen und gar nichts tun.« »Nichts tun ist nicht der richtige Ausdruck, Joan«, klärte der Erste Detektiv die Visagistin auf. »Wir betreiben Studien, versuchen von den Lippen zu lesen. Wir haben euch beobachtet und uns gefragt, was ihr wohl so Wichtiges zu besprechen habt, dass ihr die Tür hinter euch zumacht. Gibt es irgendwelche Geheimnisse, die nicht nach außen dringen sollen?« Für einen Moment stand Joan nur da. Sprachlos und mit of fenem Mund. »Warum kommst du denn hier so reingestürzt?« Bob blickte sie fragend an. »Braucht ihr da drinnen Hilfe?« Die Maskenbildnerin ging gezielt auf Peter zu und tippte mit ihrem Finger auf seine Brust. »Warum hast du eben so komisch geguckt?« Peter starrte sie entgeistert an. »Meinst du mich?« »Wen denn sonst? Du kannst mich nicht für dumm verkau fen. Also raus mit der Sprache!« Justus rollte mit dem Bürosessel auf Joan zu. »Könntest du dich bitte etwas präziser ausdrücken?« Die Visagistin verschränkte die Arme vor ihrer Brust. »Ich habe euch von Anfang an misstraut! Gehört das Mithören von privaten Gesprächen im Tonstudio zu eurem Aufgabenbereich als Praktikanten? Schämt euch!« 51
In diesem Moment kamen auch Al Parker und die Wet Boys aus dem Aufnahmeraum. »Hör auf, Joan! Außer mir bedient hier keiner das Mischpult. Die Jungs sind voll in Ordnung.« »Ach ja? Mich kann man nicht täuschen, Al!«, erwiderte Joan überzeugt. »Und schon gar nicht diese halbwüchsigen Praktikanten hier, denen der Begriff Diskretion ganz offenbar ein Fremdwort ist! In diesem Falle bist du zu gutgläubig. Die Jungs wissen jetzt, dass du zu geizig bist, die Wet Boys mit neuen Autogrammkarten zu versorgen.« Die Maskenbildnerin wandte sich wieder direkt an Justus, Peter und Bob. »Die Sache verhält sich so: Die fertig gedruckten Karten enthüllen ein streng gehütetes Geheimnis, das niemals an die Öffentlichkeit hätte kommen dürfen. Al hat diese Karten natürlich umgehend wieder eingezogen und fest versprochen, uns die Neuen heute auszuhändigen. Der Karton steht schon im Aufnahmeraum, frisch aus der Druckerei. Aber Al wollte ihn erst auspacken, wenn wir mit der Fotosession durch sind. Das hat Jeffrey nicht gepasst – er will die Autogrammkarten jetzt haben und hat Al daraufhin gedroht, den Karton selbst auszupacken!« Joan ließ die drei Detektive nicht aus den Augen. »Jeffrey ist sauer, und in gewisser Hinsicht kann ich ihn da auch verstehen. Die Fans reißen den Jungs die Autogrammkarten zu Dutzenden aus den Händen. Wir brauchen dringend Nachschub.« »Was stimmte denn mit den alten Autogrammkarten nicht?«, fragte Bob geradeheraus. »Das dürftet ihr eigentlich gar nicht wissen«, fuhr Joan den Dritten Detektiv spitz an. »Ich rede ohnehin schon viel zu viel. Aber da ihr uns sowieso schon abgehört habt, ist es besser, ich erzähle euch die Wahrheit, bevor ihr aus unserem Streitge spräch irgendwelche falschen Schlüsse zieht und sie in eurer Schule verbreitet. Also hört zu. Die Wet Boys sind die einzige Hip-Hop-Gruppe in der Szene, deren Mitglieder- Billy, Jeffrey und Hank – allesamt blond sind. Auf den Fehldrucken der 52
Autogrammkarten allerdings ist Jeffreys dunkler Haaransatz ganz deutlich zu erkennen. Wenn es bei den Fans die Runde macht, dass Jeffreys Haare in Wirklichkeit nicht naturblond sind, obwohl er es in zahlreichen Musiksendungen und TeenieMagazinen behauptet hat, steht er augenblicklich als Lügner da. Das wäre ein großer Schock für seine weiblichen Fans. Darüber, und das müsst ihr mir versprechen, müsst ihr absolu tes Stillschweigen bewahren.« Joan sah die drei Detektive scharf an. »Haben wir uns da verstanden?« Für einige Sekunden herrschte Stille. Joan machte auf dem Absatz kehrt und schritt, ohne eine Antwort abzuwarten, mit schnellen Schritten in den Aufnahmeraum zurück. Die Wet Boys folgten ihr. Al Parker blieb vor den drei ??? stehen und strich sich mit der Hand verlegen durch seinen Dreitagebart. »Ich denke, wir sprechen später in Ruhe über diese Angelegen heit«, sagte er leise und ging dann zu den Wet Boys und der Visagistin ins Studio. Durch die offene Tür konnten Justus, Peter und Bob Al Par kers Anweisungen und den Auslöser seines Fotoapparates hören, während sie das Geschehen durch die große Glasscheibe beobachteten. Das Hip-Hop-Trio warf sich in allerlei Stellun gen in Pose, in denen sie der Produzent in rascher Folge und mit professionellem Können ablichtete, während die Visagistin alle paar Minuten mit ihrem Puderpinsel dazwischenfunkte, hier und da an den Klamotten zupfte und die Wet Boys ins rechte Licht rückte. Die ganze Prozedur zog sich unerwartet in die Länge, und am späten Abend war ein Ende der Fotosession noch immer nicht in Sicht. Die anfängliche Spannung unter den Beteiligten hatte sich etwas gelöst; zwischenzeitlich wurde sogar einige Male gelacht. Als die Wanduhr im Studio schließlich zehn Uhr schlug und Al Parker immer noch fotografierte, beschlossen die drei ??? sich zu verabschieden. Die Stimmung im alten MG, den der Zweite Detektiv kurze 53
Zeit später durch die sternenklare Nacht von Thousand Oakes in Richtung Rocky Beach lenkte, war nicht sehr berauschend. Bob gähnte, während Justus unentwegt an seiner Unterlippe zupfte und Peter sich, stur geradeaus schauend, seinem Ärger hingab. »Diese Wet Boys und ihre Puderquasten-Tussi sind das arroganteste Pack, das ich jemals kennen gelernt habe«, schimpfte er. »Bei allem Respekt Al Parker gegenüber: Aber ich begreife nicht, wie sich ein halbwegs vernünftiger Mensch wie er freiwillig mit so einer Ekel-Bande abgeben kann. Ich weiß, in dieser Branche geht es hauptsächlich um das Geschäft, aber irgendwie hat uns Al Parker doch nahe bringen wollen, dass ihm das Wichtigste die Kunst ist. Wie kann man nur mit diesem hohen Anspruch mit solch unangenehmen Zeitgenossen zusammenarbeiten?« »Über Geschmack sollte man bekanntlich nicht streiten.« Bob streckte müde seine Beine so weit von sich, wie es der Platz im Wagen zuließ. »Offen gestanden stehe ich dem Pro dukt ›Wet Boys‹ ziemlich gespalten gegenüber. In einem Punkt sind wir uns wohl ziemlich einig: Diese drei Typen – Hank, Billy und Jeffrey – sehen wie Fotomodelle aus einem billigen Versandhaus-Katalog aus. Muskulös, in trendigen Klamotten und mit Allerweltsgesichtern. Die könnten mit ihrem makello sen Aussehen auch Werbung für Kaffee, Versicherungen oder Reinigungsmittel machen. Meiner Meinung nach passen diese Kunstfiguren überhaupt nicht zu dem echten Hip-Hop-Sound, der seinen Ursprung in den ärmeren Stadtvierteln hat, den so genannten Ghettos. Auf der anderen Seite finde ich die Ge sangs- und Rap-Einlagen der Wet Boys gar nicht mal so schlecht! Ich gehe sogar noch weiter und wage zu behaupten, derzeit keine bessere Hip-Hop-Band in den Vereinigten Staaten zu kennen.« »Das macht mir die Jungs trotzdem nicht sympathischer.« Peter blieb stur und warf durch den Rückspiegel einen kurzen Blick nach hinten zu Justus. »Du hast dich mit deinen Kom 54
mentaren in puncto Wet Boys bisher ziemlich zurückgehalten, Just. Hat das eine spezielle Ursache oder ist sich der Chef der drei ??? nur noch nicht im Klaren darüber, ob er sich für HipHop-Musik begeistern kann oder nicht?« »Darüber habe ich mir ehrlich gesagt noch keine Gedanken gemacht.« Der Erste Detektiv starrte gedankenversunken aus dem Seitenfenster in den nachtblauen Sternenhimmel. »Meine Überlegungen bewegen sich in eine ganz andere Richtung; und zwar zu Joan!« Peter fuhr nun auf den Highway und trat auf das Gaspedal. »Verschon mich bitte mit dieser Giftspritze! Habt ihr gese hen, wie sie schnurstracks auf mich zugegangen ist, nachdem sie bemerkt hatte, dass wir ihre Unterhaltung belauscht haben? Ich glaube, am liebsten hätte sie mich erwürgt!« »Genau das meine ich. Und damit komme ich zu einer Frage, die mich schon seit Stunden beschäftigt.« Justus rückte von hinten ein Stück näher zu Peter und Bob an die Vordersitze heran. »Joan stand der Hass ins Gesicht geschrieben. Reagiert so ein Mensch auf drei harmlose Praktikanten, die nur mal einem Gespräch ihrer Lieblingsband lauschen wollten?« Bob drehte sich zu seinem Freund um. »Worauf willst du hinaus, Just?« »Dass ich der Visagistin die fadenscheinige Erklärung mit den falschen Autogrammkarten nicht abkaufe. Sie wusste nicht, wie viel wir gehört haben, aber in dem Gespräch ging es eindeutig um Erpressung, das steht für mich fest. Jeffrey hat Al Parker gedroht, mit irgendeiner Sache auszupacken, wenn nicht umgehend einige Batzen auf den Tisch gepackt werden. Wir können wohl mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit davon ausgehen, dass hierbei von Geld die Rede war. Da finde ich es geradezu lachhaft, uns weismachen zu wollen, dass es sich bei dieser Forderung um einen Batzen Autogrammkarten handeln soll.« »Lachhaft schon«, erwiderte Bob. »Doch in gewisser Hin 55
sicht auch genial! Innerhalb von Sekunden eine knallharte Erpressung in eine triviale Teenie-Story umzuwandeln, die trotz des vorangegangenen Wortlautes einen nachvollziehbaren Sinn ergibt, dazu gehören schon rasches Reaktionsvermögen und eine gewaltige Portion Einfallsreichtum.« »Ich habe während Joans Erklärung auf Al und die Wet Boys geachtet«, fuhr der Erste Detektiv fort. »Die vier waren hoch gradig verunsichert und der brisanten Situation ganz und gar nicht gewachsen. Mit unserem Lauschangriffhaben wir in ein Wespennest gestochen, Kollegen. Und deshalb habe ich nach der fadenscheinigen Ausrede mit den Autogrammkarten auch nicht weiter gebohrt. Die sollen ruhig glauben, dass wir uns mit der aufgetischten Lügengeschichte zufrieden geben. Die Wahr heit bringen wir früher oder später ans Tageslicht. Dessen bin ich mir ganz sicher.« »Dann bist du also der Ansicht, dass die Wet Boys und ihre zickige Visagistin hinter den Voodoo-Anschlägen stecken, Just?«, fragte Peter. Der Erste Detektiv ließ sich wieder in den Rücksitz fallen. »Die Sache mit den Voodoo-Puppen und der Erpressungsver such stehen meines Erachtens nach in mehr oder weniger di rektem Zusammenhang. Es sei denn, Al Parker hat noch mit anderen Leuten irgendwelche Schwierigkeiten. Doch das sind zur Zeit nur Vermutungen. Ich sehe nur eine Möglichkeit in dieser undurchsichtigen Angelegenheit voranzukommen.« »Und die wäre?« Peter sah in der Ferne das Abfahrtsschild nach Rocky Beach auftauchen und betätigte den Blinker. »Da uns der Produzent den Auftrag erteilt hat, in dem Fall zu ermitteln, wird er uns morgen auf manch unangenehme Frage Rede und Antwort stehen müssen.« »Das klingt nach einer recht massiven Vorgehensweise«, kommentierte Bob. »Glaubst du denn wirklich, dass uns Al in seine Privat- und Geschäftsgeheimnisse einweihen wird?« Justus gab sich zuversichtlich. »Soll der Terror mit den Voo 56
doo-Puppen endlich ein Ende haben, wird er einsehen müssen, dass ihm einzig damit geholfen ist, wenn er uns gegenüber mit der ganzen Wahrheit rausrückt. Doch diese Entscheidung bleibt letztendlich ihm selbst überlassen.« Justus warf einen Blick auf die Uhr im Armaturenbrett. »In fünfzehn Stunden wissen wir mehr. Verrennen wir uns also nicht in Spekulationen und freu en uns stattdessen auf unseren wohlverdienten Schlaf.« Dem hatten Bob und Peter nichts mehr hinzuzufügen. Lang sam tauchten in der Ferne die ersten Häuser von Rocky Beach auf, und in einer gewissen Vorfreude auf sein Bett schaltete der Zweite Detektiv einen Gang höher und drückte auf die Tube. Als die drei ??? am frühen Nachmittag Al Parkers Haus betra ten, verschloss der Erste Detektiv hinter ihnen die Haustür vorsorglich mit dem Riegel. Der Produzent saß dieses Mal nicht wie erwartet in seinem Studio vor dem Mischpult. Stattdessen hatte er die Küche vorgezogen, in der es dank Bobs gestriger Putzarbeiten wieder recht gemütlich war. Er hockte auf der Eckbank, vor sich ein leeres Milchglas und rieb müde seine Schläfen. »Hi, Al! Du machst aber einen abgespannten Eindruck. Ging die Arbeit gestern noch lange?« Justus griff nach dem vollen Aschenbecher, der unübersehbar auf dem Küchentisch stand, und leerte den Inhalt in die Abfalltonne. »Um vier Uhr morgens waren die Fotos endlich im Kasten. Ich habe bestimmt an die zwanzig Filme verschossen. An schließend habe ich die Aufnahmen noch in meiner Dunkel kammer entwickelt. Schließlich war es sieben Uhr früh. Da habe ich die Bilder gleich per Kurier zur Produktionsfirma geschickt. Anschließend bin ich todmüde ins Bett gefallen. Aber ich glaube, der Aufwand hat sich gelohnt.« Wieder rieb sich Al Parker die Schläfen und sah die drei Detektive mit übernächtigten Augen, unter denen dunkle Ränder waren, an. Justus, Bob und Peter setzten sich zu dem Produzenten an 57
den Tisch und zogen es angesichts seiner Mündigkeit vor, ihr geplantes Kreuzverhör auf später zu verschieben. Stattdessen fragten sie Al Parker nach seinen Anfängen. Er erzählte den drei Detektiven, dass er schon seit zwanzig Jahren in der Mu sikbranche tätig war. Er hatte damit begonnen, unbekannte Countrysänger aus dem mittleren Westen zu fördern und ihren Bekanntheitsgrad auf die gesamten Vereinigten Staaten auszu dehnen. Als dann jedoch die Discowelle über das Land herein brach, waren seine Westernmelodien nicht mehr gefragt. Er musste umsatteln und sich etwas Neues einfallen lassen. Zu diesem Zeitpunkt erlebte er seine erste große Durststrecke. Sieben Jahre schien es so, als wäre die Welt nicht mehr an seinen Produktionen interessiert. Doch dann stieß er in New York durch einen Zufall auf drei talentierte Jungs, die sich mit Rapmusik ihr Taschengeld verdienten. Er erkannte sofort, dass dieser Musikrichtung eine bedeutungsvolle Zukunft bevor stand. Die Wet Boys waren geboren. Während der Musikproduzent aus seiner Vergangenheit er zählte und die drei ??? ihm gespannt zuhörten, nahmen sie plötzlich ein eigenartiges Klappern wahr. Al Parker fuhr in die Höhe und blickte sich irritiert in der Küche um. Er versuchte die geheimnisvolle Geräuschquelle zu orten. Justus zeigte erstaunt auf den E-Herd und ging langsam auf ihn zu. Auf der Kochplatte stand ein großer Emailletopf, dessen Deckel unter Einwirkung des aufsteigenden Wasserdampfes in Schwingun gen versetzt worden war. Sie konnten sich dieses Phänomen nicht erklären. Während der letzten zwanzig Minuten war keiner der Anwesenden dem Herd auch nur einen Schritt nahe gekommen. Die Herdplatte schien sich von selbst eingeschaltet zu haben. Wie hypnotisiert ging der Produzent auf Justus zu, stieß ihn zur Seite und riss mit einer schnellen Bewegung den Deckel vom Topf. Laut aufschreiend ließ er ihn sofort wieder fallen. Er hatte sich gehörig die Finger verbrannt. Scheppernd fiel der 58
Deckel zu Boden. Al Parker beachtete ihn nicht. Das blanke Entsetzen war ihm ins Gesicht geschrieben. Er starrte mit weit aufgerissenen Augen in den Topf. Justus war sofort neben ihm. Im aufsteigenden Dampf er kannte er eine Voodoo-Puppe, die in der kochenden Flüssigkeit zu tanzen schien.
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Ein unangenehmes Gefühl Al Parker fing an zu taumeln und stützte sich mit schmerzver zerrtem Gesicht auf Justus. »Er kriegt keine Luft mehr!«, schrie Peter außer sich. »Setz dich, Al!« Bob schob dem Produzenten den Küchen stuhl entgegen. »Steh nicht so blöd rum, Zweiter! Nimm den Topf von der Heizplatte und mach den Herd aus!« Der Produ zent sank zitternd auf den Stuhl. Bob knöpfte ihm sein Hemd auf und redete beruhigend auf ihn ein. Die Schmerzen, die Al Parker in diesem Moment erlitt, schienen intensiver und be drohlicher zu sein als das letzte Mal. Schwer atmend blickte er zum E-Herd. »Wie … wie ist das möglich? Die Heizplatte … niemand von uns hat sie eingeschaltet …« »Reg dich nicht auf, Al! Da will dich jemand weich kochen! Was auch immer hier vorgehen mag, mit Voodoo-Zauber hat das Ganze nichts zu tun. Der funktioniert nur, wenn das Opfer daran glaubt! Die Wirkung basiert auf reiner Einbildung!«, versuchte Justus den Produzenten zu beruhigen. Al Parker fasste sich an den Brustkorb, sein Atem ging stoß weise. »Ich habe schreckliche Schmerzen! Das bilde ich mir nicht ein! Haltet mich doch nicht für paranoid! Dieses Herzra sen und diese Atemnot … das ist eine Tatsache!« Ohne etwas darauf zu erwidern, zog der erste Detektiv die Besteckschublade des Küchentisches auf und entnahm ihr eine Würstchenzange. Mit diesem Werkzeug bewaffnet, beugte er sich über den heißen Emailletopf und fischte die aufgeweichte Stoffpuppe heraus. An ihrem Handgelenk war mit einem Gummiband ein kleiner Zettel befestigt, den Justus vorsichtig löste und sogleich in Augenschein nahm. »Vermutlich ist das kein Liebesbrief. Was … was steht da geschrieben?« Al Parker erhob sich vom Stuhl und trat an Justus heran. Peter versuchte den Produzenten dazu zu bewe gen sitzen zu bleiben. Doch er ignorierte diesen Rat und zog 60
stattdessen den nassen Zettel aus Justus’ Hand. Nachdem er die Nachricht entziffert hatte, reichte er sie kommentarlos an Bob und Peter weiter. Der Zweite Detektiv blickte fassungslos auf das Schreiben. Dort stand mit roter Schrift geschrieben:
»Wer hat den Herd eingeschaltet?«, fragte Al Parker, ohne auf den Text der Botschaft einzugehen. »Wir alle saßen zwanzig Minuten am Küchentisch und keiner von uns hat sich auch nur annähernd in seiner Reichweite befunden.« »Allerdings saßen wir mit dem Rücken zur Tür«, gab Justus zu bedenken. »Niemand von uns hatte den E-Herd im Visier. Theoretisch hätte sich von hinten jemand anschleichen und das Ding heimlich einschalten können.« »Das glaubst du doch wohl selbst nicht!« Erregt schlug Al Parker mit der Faust auf die Tischplatte, so dass der Aschenbe cher und das leere Milchglas hüpften. Offensichtlich hatte sich sein körperlicher Zustand wieder stabilisiert. »Wenn ein Frem der während unserer Anwesenheit hier drinnen gewesen wäre, hätten wir ihn bemerkt. Immerhin haben wir noch unsere fünf Sinne beisammen.« »Das ist zweifellos richtig, Al«, gab der Erste Detektiv zu. »Doch trotzdem hatte niemand von uns einen direkten Sicht kontakt zum Herd. Der Eindringling hätte ohne weiteres …« »Der Eindringling?«, unterbrach Peter Justus’ Theorie. »Wie sollte hier jemand unbemerkt ins Haus eingedrungen sein, 61
wenn du nach unserem Eintreffen die Haustür verriegelt hast?« »Ihr habt – was?« Al Parker sprang auf und eilte zur Haustür. Die drei ??? folgten ihm. Der Produzent blickte entgeistert auf den zugeschnappten Riegel und zog ihn impulsiv wieder auf. »Ich habe euch doch meine Philosophie, was offene Türen betrifft, lang und breit erklärt. Wie kommt ihr dazu, euch ein fach über meine Ansichten hinwegzusetzen?« Justus trat einen Schritt näher an den Produzenten heran. »Da habe ich wohl eindeutig die Grenze überschritten«, gab er kleinlaut zu. »Doch ich hielt es für ratsamer, die Tür hinter uns zu verschließen, da wir vorhatten, ein paar wichtige Dinge mit dir zu besprechen. Ich wollte nur sichergehen, dass sich kein Fremder dazugesellt, damit wir in Ruhe miteinander reden können. Es tut mir Leid. Ehrlich.« Al Parker zeigte sich versöhnlich. »Ist schon okay. Ich bin nur mit den Nerven runter, das müsst ihr verstehen. Bisher hat sich der Überbringer dieser Puppen stets von meinem Haus fern gehalten. Dass er hier jetzt eindringt und sich bis in meine Küche vorwagt, ist schon ein starkes Stück! Ich verstehe aber trotzdem nicht, warum wir ihn nicht bemerkt haben. Wir hätten ihn doch sehen müssen!« »Die Theorie, dass sich während unserer Anwesenheit der unerwünschte Besucher den Zutritt durch die Haustür ver schafft hat, können wir angesichts des geschlossenen Türrie gels streichen«, gab Justus zu bedenken. »Die zweite Möglich keit wäre jedoch, dass er durch ein offenes Fenster eingestiegen ist, und das werden wir jetzt umgehend überprüfen.« »Ich bin auf eure Gesichter gespannt, wenn auch diese Theo rie euren Erwartungen nicht standhält.« Al Parker war nicht sehr zuversichtlich. Dennoch stiefelten er und die drei ??? im Eiltempo die Stufen ins Obergeschoss hinauf und inspizierten systematisch die Fenster in jedem Zimmer. Der Produzent behielt mit seiner Vermutung Recht. Nirgendwo, im gesamten Haus, stand auch nur ein Fenster offen. Sie fanden auch keinen 62
Hinweis, dass ein Unbefugter in der letzten Stunde das Haus unbemerkt betreten, geschweige denn wieder verlassen hatte. Bald danach saßen Justus, Bob und Peter mit Al Parker er neut in der Küche und zerbrachen sich noch immer die Köpfe darüber, wie es der ungebetene Gast angestellt hatte, in die Küche zu gelangen, ohne von ihnen bemerkt zu werden. Ner vös griff der Produzent nach seinem Tabakbeutel und drehte sich mit unruhigen Fingern eine Zigarette. »Es ist interessant festzustellen, dass sich eure bisherigen Theorien als falsch erwiesen haben. Meine wiederum hat sich gefestigt.« »Wie meinst du das?«, fragte Peter irritiert. »Ich habe behauptet, dass es bisher noch niemand gewagt hat, sich heimlich in mein Haus zu schleichen, solange ich die Haustür offen stehen ließ. Heute habt ihr meine Haustür verrie gelt und prompt hat sich ein Unbekannter eingeschlichen.« Der Produzent fasste sich an den Kopf. »Das ist doch der pure Wahnsinn! Irgendjemand schiebt mir diese grausamen Puppen unter, und mein Körper spielt verrückt!« Al Parkers Stimme nahm eine Spur von Sarkasmus an. »Die Schmerzen von vor hin sind übrigens schon wieder weg. Einfach so – als wäre nie etwas gewesen! Langsam fange ich an, an meinem Verstand zu zweifeln! Und dann heuere ich auch noch euch als Detektive an, die vor Ort miterleben, wie sich während unserer Anwe senheit ein Unsichtbarer an meinen Herd stellt und mir ein Teufelssüppchen kocht! Wenn das an die Öffentlichkeit gerät, kann ich einpacken. Dann steckt man mich umgehend, ohne weitere Diskussionen, in die Klapsmühle!« »Nicht dich wird man auf deinen Geisteszustand untersuchen lassen, Al, sondern die Person, die diesen ganzen VoodooZauber inszeniert.« Justus blieb zuversichtlich. »Der – oder die – Unbekannte wird unvorsichtig. Er wagt sich ziemlich nah an dich heran. Das hat der heutige Anschlag bewiesen. Früher oder später wird er uns in die Falle gehen. Das geben wir dir schriftlich. Doch vorher habe ich noch zwei wichtige Anliegen 63
an dich.« Der Produzent sah überrascht auf. »Und die wären?« »Als Erstes musst du uns versprechen einen Arzt aufzusu chen. Der soll feststellen, ob du nicht vielleicht doch krank bist. Angesichts deiner Schmerzen, die so unvermittelt auftre ten und wieder verschwinden, wäre es ja immerhin denkbar.« »Gleich morgen hole ich mir einen Termin«, versprach Al Parker und fragte sogleich: »Und das zweite Anliegen?« »Um was für ein Geheimnis ging es gestern Nachmittag im Aufnahmeraum?« Der Erste Detektiv blickte den Produzenten herausfordernd an. »Joans komische Geschichte mit den Auto grammkarten kann man ja wohl kaum für glaubwürdig halten. Außer man verfügt über einen äußerst niedrigen Intelligenz quotienten.« Al Parker war fassungslos. »Ihr habt uns also tatsächlich ab gehört? Das muss ich erst mal verdauen.« »Vertrauen gegen Vertrauen, Al.« Bob ging zum E-Herd und holte die aufgeweichte Puppe. Bevor er sie auf den Küchen tisch legte, wrang er sie über dem Spülbecken aus. »Ich weiß nicht, wovon ihr redet. Joan hat euch da wirklich keinen Bären aufgebunden. Das müsst ihr mir einfach glau ben!« Die Stimme des Produzenten überschlug sich vor Erre gung. »Komm schon, Al, was soll das bringen?«, fragte Peter flap sig. »Wer lässt sich schon dreihunderttausend Autogrammkar ten drucken? So viele hat noch nicht mal Prince auf Lager!« »Wie kommt ihr denn auf diese hohe Anzahl?«, erwiderte Al verunsichert. »Das war exakt die Summe, die Jeffrey aus dir rauspressen wollte«, bluffte Justus und löste dabei die nassen Fäden der Stoffpuppe, die ihre Glieder zusammenhielten. Plötzlich durchzog ein eigenartig süßlicher Geruch den Raum. Peters feine Nase registrierte instinktiv, dass etwas nicht stimmte. Den Zweiten Detektiv befiel ein unangenehmes Ge 64
fühl. Er drehte sich zur Küchentür um und fuhr erschrocken zusammen. Im Eingang stand eine gedrungene Gestalt, die ihr Gesicht unter einem dunklen Schleier verbarg, der an einem altmodischen Hut befestigt war. Al Parker und die drei ??? sprangen entsetzt auf. Ohne ein Wort zu sagen, trat die Person mit kurzen hastigen Schritten an den Tisch heran und riss Justus die Stoffpuppe, die der Erste Detektiv gerade in Augen schein nehmen wollte, aus den Händen. Bobs Reaktion kam schnell und unerwartet. Er sprang auf die Gestalt zu und versuchte ihr mit einem Ruck den Schleier herunterzureißen. Al Parker versuchte dazwischenzugehen. Entsetzt wich die mysteriöse Erscheinung zurück, geriet auf ihren hochhackigen Absätzen aus dem Gleichgewicht und prallte im Sturz mit dem Kopf gegen die metallene Abfallton ne. Dort blieb sie liegen und rührte sich nicht mehr. Justus starrte zu Boden und schlug die Hände entsetzt an den Kopf.
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Lauschangriff »Das ist meine Nachbarin! Mrs Stevens, so sagen Sie doch was!« Al Parker kniete sich auf den Boden und fühlte den Puls der verunglückten Frau. In diesem Augenblick zuckte sie krampfhaft zusammen, und ihre krallenartige linke Hand fuhr tastend über den Parkettboden, während ihre rechte noch im mer die Stoffpuppe fest umklammerte. »Was hat sie denn?«, rief Peter besorgt, dem die röchelnden Laute der Frau einen kalten Schauer über den Rücken jagten. »Sie scheint etwas zu suchen!« Bobs Augen wanderten umher und blieben an einem unge wöhnlichen Gegenstand haften, der direkt vor seinen Füßen lag. Er bückte sich und wollte gerade danach greifen, als ihn die Verunglückte heftig mit dem Bein anstieß und ihrer Kehle ein flehendes Röcheln entwich. Justus starrte auf das metallene Kästchen und verstand sofort. Nun hatte auch der Produzent den Gegenstand entdeckt und legte ihn der aufgeregten Frau in ihre Hand. »Meinen Sie, dass Sie aufstehen können?« Al Parker erhielt als Antwort wieder nur ein Röcheln. Dann beobachteten er und die drei Detektive, wie die Frau das metallene Kästchen mit der Hand fest um schloss und es seitlich an ihren Hals presste. Augenblicklich drang aus der kleinen Apparatur eine roboterartig verzerrte Stimme, die flehend rief: »Helfen Sie mir hoch! Ich glaube, ich habe mir den Fuß verknackst!« Die Stimme klang so kalt und blechern, dass Justus, Peter und Bob eine Gänsehaut bekamen. Der Produzent und der Erste Detektiv fassten Mrs Stevens unter die Arme und halfen ihr, sich langsam aufzurichten. Bob schob ihr einen Stuhl zu. In dieser Sache war er inzwischen geübt. »Kommen Sie, Mrs Stevens. Ganz langsam.« Mrs Stevens ließ sich erschöpft auf dem Sitz nieder und hielt die Stoffpuppe Unheil verkündend in die Höhe. »Ihr Ungläubi gen werdet nie begreifen! Euch muss der Teufel geritten ha 66
ben! Wie konntet ihr es wagen, euch an dem heiligen Leib des Voodoo-Zeichens zu vergreifen und damit Mr Parkers Leben in Gefahr bringen?« Mrs Stevens linke Hand legte das metallene Sprechgerät auf ihren Schoß und stopfte hastig mit ihren Fin gern das heraushängende Stroh in die Puppe zurück. »Was ist mit ihrem Fuß?«, erkundigte sich Peter. »Können Sie damit auftreten?« »Das ist jetzt unwichtig!«, drang die Stimme aus dem Sprechgerät. »Ihr habt die Zeichen der Voodoo-Götter miss achtet und sie dadurch erzürnt! Ihr könnt nur beten, dass es noch nicht zu spät ist!« »Sie sind also Mrs Stevens, die Anthropologin«, stellte Justus fest und beobachtete dabei, wie die alte Frau die Fäden vom Tisch nahm und sie wieder um die Gliedmaßen der Stoffpuppe knotete. »Al hat uns schon von Ihnen erzählt. Ihr Spezialgebiet sind afroamerikanische Religionen, richtig?« Mrs Stevens nickte stumm. »Sie haben uns einen höllischen Schrecken eingejagt. Tauchen wie aus dem Nichts auf und reißen mir die Puppe aus den Händen! Warum haben Sie sich nicht zumindest mit einem Klingeln angekündigt?« Mrs Stevens griff wieder nach dem Sprechapparat und drück te ihn an ihren Hals. »Seid ihr diese Wet Boys?« Die drei Detektive blickten die alte Frau, die sich auf musika lischem Gebiet offensichtlich nicht gut auszukennen schien, entgeistert an. »Wer sind diese drei Jungen?«, wiederholte sie drängend – diesmal direkt an Al Parker gerichtet. »Praktikanten!«, kam Bob dem verdutzten Produzenten zu vor. »Aber eigentlich sollten Sie uns zuerst Ihr eigenartiges Verhalten erklären, bevor Sie Auskünfte über uns einholen. Sie können von Glück sprechen, dass Ihr Sturz so glimpflich abge laufen ist!« »Mir scheint es überflüssig zu sein, überhaupt noch ein ein ziges Wort mit euch zu wechseln«, drang es drohend aus dem 67
Sprechgerät der Alten. »Meine Worte richten sich einzig und allein an Sie, Mr Parker. Ich muss dringend mit Ihnen unter vier Augen sprechen.« Der Produzent sah die drei Detektive verunsichert an, dann wandte er sich an Mrs Stevens. »Wenn es Ihrem Fuß besser geht, können wir ins Studio überwechseln. Die Jungs müssen hier in der Küche gleich einige Kabel verlegen. Nebenan kön nen wir ungestört reden.« »Geist über Materie«, erwiderte Mrs Stevens und erhob sich ächzend vom Stuhl. »Und niemals aufgeben, lautet die göttli che Regel. Der Wille vermag mehr, als mancher glauben mag. Allzu oft habe ich in meinem Leben die Erfahrung gemacht, dass man sich mit der Macht des Glaubens über körperliche Schwächen hinwegsetzen kann. Nur meine Stimme … die hat man mir unwiderruflich genommen. Sie wird nie mehr zurück kehren …« Mrs Stevens hakte sich bei Al Parker ein und hum pelte mit langsamen Schritten in das Musikstudio. Die drei ??? blickten den beiden erstaunt nach. »Die Alte ist doch plemplem!«, zischte Peter seinen Freun den zu. »Und kann mir mal einer sagen, was diese schwarze Gardine vor ihrem Gesicht zu bedeuten hat?« »Das gehört zur Trauerkleidung«, klärte Bob den Zweiten Detektiv flüsternd auf. »Al Parker hat uns doch erzählt, dass sie vor wenigen Wochen ihren Mann verloren hat. Wahrscheinlich hat sie den Schock nicht überwinden können und ist seitdem ein wenig durchgeknallt!« »Hey! Pst …« Der Produzent stand plötzlich im Türrahmen und trat leise an den Küchentisch heran. Er wandte sich flü sternd an Bob. »Du kennst dich doch einigermaßen mit Ton technik aus, oder?« Der Dritte Detektiv nickte. »Klar doch!« »Unten im Keller befindet sich mein Schneideraum. In ihm ist auch ein Vierspurrekorder angeschlossen. Wenn du ihn einschaltest und den Mikrofonschalter drückst, könnt ihr das 68
Gespräch aus dem Studio mithören! Diese Vorrichtung ist immer noch intakt. Sie diente mal als Gegensprechanlage, als ich vor Jahren einen Lehrling ausgebildet habe. Ich denke, ihr solltet euch mal anhören, was mir Mrs Stevens zu sagen hat!« Al Parker blinzelte ihnen verschwörerisch zu. Dann warf er einen raschen Blick auf seine Armbanduhr. »Himmel, schon gleich vier Uhr! Zeit für meinen Nachmittagstee!« Der Produ zent füllte eilig den Wasserkessel, setzte ihn auf die Herdplatte und deutete mit seiner Hand auf eine Tür, die vom Flur ab zweigte. Justus, Peter und Bob hatten verstanden. Auf leisen Sohlen schlichen sie aus der Küche und öffneten vorsichtig die Kellertür, die sich mit einem kaum hörbaren Quietschen öffne te. Der Erste Detektiv ging voran. Er knipste den Lichtschalter an und stieg mit seinen beiden Kollegen eine metallene Wen deltreppe hinab. Im Schneideraum unten roch es muffig und nach abgestandenem Tabakrauch. Der Produzent schien sich hier öfter aufzuhalten. »Los, Bob, mach schon!«, drängte Justus zur Eile, nachdem sie die Apparaturen gesichtet hatten, die auf einem großen Arbeitstisch miteinander verkabelt waren. Vier Klappstühle lehnten an der Wand. Der Dritte Detektiv musste nicht lange suchen, bis er den Hauptschalter gefunden hatte, der die ge samten Geräte mit Strom versorgte. Mit einem kurzen Brum men leuchteten alle Betriebslämpchen auf, nachdem Bob den Schalter aktiviert hatte. Mit geübten Fingern tippte er auf die Mikrofonknöpfe des Vierspurrekorders und justierte vorsichtig die Lautstärke, als über die Boxen Mrs Stevens Stimme aus dem Sprechgerät zu hören war. »Da hat es jemand auf Ihr Leben abgesehen, Mr Parker. Die Art und die Vorgehensweise decken sich eindeutig mit meinen Erfahrungen und Studien, die ich auf Haiti gemacht habe. Die Voodoo-Priester töten in kleinen Etappen. Nach und nach zermürben sie das Opfer. Anfangs sind es nur geringe Schmer zen, die diese Puppen auf Sie übertragen. Die Luft wird knapp 69
und man leidet unter Schweißausbrüchen. Doch dann setzen die Herzstiche ein. Die gesamte Körpermuskulatur spielt ver rückt und der Pulsschlag steigt an die Grenze des Erträglichen. Bis der große Vishnu sich der Schmerzen erbarmt und zu sticht!« »Der große Vishnu?«, fragte Al Parker mit besorgter Stimme. »Wer ist das? Und was meinen Sie überhaupt mit zustechen?« »Vishnu – der Hauptgott der gesamten Voodoo-Religion – setzt auf die Kraft der Nadel. Wenn sich das Opfer lange genug vor Schmerzen gequält hat, wird die Nadel in die Puppe gesto chen. Mitten ins Herz. Damit hat das Opfer ausgelitten. Für immer und ewig.« »Sie … Sie machen Witze«, versuchte sich Al Parker zu be ruhigen. »Die Voodoo-Priester verstehen keinen Spaß, Mr Parker. Die Puppen, die man Ihnen zugespielt hat, trugen alle Ihr Gesicht, und damit ist eine Fehlinterpretation von meiner Seite völlig ausgeschlossen. Die Zeichen sind überdeutlich. Mir kommt es sehr schwer über die, Lippen, aber ich glaube beinahe, dass Ihre Tage gezählt sind.« Mrs Stevens überkam ein schwerer Husten. Der kleine Lautsprecher ihres Sprechgerätes war den gewaltigen Schwingungen nicht gewachsen und begann zu scheppern. »Aber warum?«, rief Al Parker hysterisch. »Wer zieht einen Nutzen daraus, mich auf diese Weise aus dem Verkehr zu ziehen?« »Auf diese Frage können Sie sich nur selbst eine Antwort geben. Haben Sie in Ihrem Leben vielleicht jemanden un gerecht behandelt oder bedroht? Vielleicht haben Sie jeman dem irgendwann mal großen Schaden zugefügt?« »Das haben Sie mich schon gefragt!«, fuhr der Produzent Mrs Stevens unkontrolliert an. »Und ich kann Ihnen darauf immer wieder nur sagen: Nein! Gewiss, hier und da gab es mal kleine Auseinandersetzungen – privater sowie geschäftlicher 70
Natur – doch ich habe noch nie einen Menschen bewusst über den Tisch gezogen, wenn es das ist, was Sie meinen!« »Schreien Sie mich nicht an«, wies ihn Mrs Stevens zurecht. »Für diese Voodoo-Anschläge kann es meines Erachtens nur einen Grund geben: Jemand übt mit aller Macht Vergeltung. Ich sehe nur eine Möglichkeit, dem Terror ein Ende zu bereiten und Sie heil aus dieser Sache herauszubekommen. Sie müssen sich unbedingt daran erinnern, wem Sie in Ihrem Leben Scha den zugefügt haben.« Justus, Bob und Peter saßen während des Gesprächs wie ge bannt vor den Lautsprechern, als plötzlich ein Pfeifen aus den Boxen ertönte. Das Teewasser im Kessel kochte! Die drei Detektive hörten, wie sich der Produzent kurz entschuldigte und nach ein paar Minuten mit einem klappernden Tablett zu Mrs Stevens ins Studio zurückkehrte. »Ich muss Ihnen noch etwas zeigen«, kam die Stimme von Al Parker. »Diese Warnung auf dem Zettel hier war heute Mittag an der Puppe befestigt, die man auf meinem Herd zum Kochen gebracht hat. Lesen Sie!« »Ich habe leider meine Brille nicht dabei«, dröhnte es aus dem Sprechgerät. »Sie müssen es mir vorlesen.« »Kein Problem.« Der Produzent nahm einen Schluck Tee. Dann las er Mrs Stevens die Nachricht mit brüchiger Stimme vor. »Fühlst du dich beklommen? Das ist die Macht der Teu felssuppe. Die Todesnacht wird heute kommen. Vollstrecker ist die Voodoo-Puppe!« »Ich habe es geahnt …« Die Stimme aus dem Sprechgerät stockte. »Was ist los? Was haben Sie?« »Diese Nachricht, Mr Parker … das ist keine Warnung. Es ist eine Ankündigung!« »Eine Ankündigung? Aber worauf?« Der Produzent klapper te nervös mit dem Löffel in seinem Becher. Mrs Stevens schwieg. »Man will mir also wirklich ans Leder …« Al Parkers 71
Stimme zitterte. »Das kann doch alles nicht angehen! Diese Stoffpuppen können unmöglich die Macht besitzen, mich auszuschalten! Wie lässt sich das logisch erklären?« »Es gibt mehr Dinge zwischen Himmel und Erde, als unsere Schulweisheit erklären kann«, erwiderte die alte Frau mit einem erneuten Hustenanfall. »Diese Dinge zählen für mich aber nicht! Ich glaube nicht an Voodoo-Zauber und unsichtbare Erscheinungen!« Ein Stuhl wurde zurückgeschoben, jemand lief im Studio auf und ab. »Dann sollten Sie die Probe aufs Exempel machen«, schlug Mrs Stevens vor. »Wie darf ich das verstehen?« Al Parker blieb abrupt stehen. »Präparieren Sie Ihre gesamten Räume im Haus mit Stolper drähten. Aus der Ankündigung geht eindeutig hervor, dass der Voodoo-Rächer in der Nacht zuschlagen wird. Wenn es sich bei dem Eindringling tatsächlich um ein menschliches Wesen handelt, wird er über die Drähte stolpern und stürzen. Dann können Sie die Person zur Rechenschaft ziehen. Ich befürchte jedoch, dass Sie mit dieser Methode nicht erfolgreich sein werden.« »Ach ja?«, fragte der Produzent argwöhnisch. »Wie habe ich denn diese Äußerung zu deuten?« »Probieren Sie es einfach aus, Mr Parker. Mehr kann ich Ih nen dazu nicht sagen. Sie würden wahrscheinlich an meinem Geisteszustand zweifeln – falls Sie es nicht ohnehin schon tun.« »Ist das alles, was Sie mir dazu zu sagen haben?« »Im Grunde genommen ja …« Mrs Stevens zögerte einen Moment. »Nun habe ich noch eine kurze Frage.« »Ja?« »Diese Jungen dort oben in der Küche, sind das wirklich Ihre Praktikanten?« Al Parker spielte den Unwissenden. »Natürlich. Ich verstehe nicht, worauf Sie hinauswollen?« 72
»Ich hatte so ein eigenartiges Gefühl, als ich ihnen oben in der Küche begegnet bin. Ich habe innere Alarmglocken, ver stehen Sie? Und die läuten ausschließlich bei Gefahr. Mein Gefühl täuscht mich relativ selten. Nehmen Sie sich vor den dreien in Acht. Ich würde ihnen nicht allzu viele Blicke in Ihre Privatsphäre gewähren.« Mrs Stevens ächzte und erhob sich langsam von ihrem Stuhl. »Möchten Sie denn nicht Ihren Tee austrinken, bevor Sie ge hen?« »Ich bin leider spät dran«, entschuldigte sich die alte Frau und trat mit humpelnden Schritten auf den Flur hinaus. Al Parker folgte ihr. Nun war nichts mehr zu hören. Bob schaltete die Geräte aus. »Also langsam verstehe ich überhaupt nichts mehr. Was geht hier eigentlich ab?« »Bevor ich dir darauf eine Antwort gebe, Bob, möchte ich Mrs Stevens noch einmal in Augenschein nehmen!« Der Erste Detektiv eilte die Wendeltreppe empor, dicht gefolgt von Peter und Bob, und öffnete leise die Kellertür. Am Ende des Flures stand Al Parker, der Mrs Stevens bereits an der Haustür verab schiedete. Nachdem sie auf der Straße war, drückte der Produzent die Tür demonstrativ ins Schloss und ging langsam auf die drei ??? zu. »Ich hoffe, euch ist kein Wort entgangen, Jungs. Diese Mrs Stevens ist wirklich ein Fall für sich.« Ehe Justus, Peter und Bob darauf etwas erwidern konnten, zeichnete sich durch das Milchglasfenster der Haustür ein dunkler Schatten ab. Al Parker drehte sich impulsiv um und fuhr zu Tode erschrocken zusammen.
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Unerwartete Besucher Die Türklingel schrillte durch das gesamte Haus. Der Produ zent duckte sich und zischte den drei Detektiven zu: »Runter! Schnell! Alle auf den Boden!« Justus, Peter und Bob folgten der merkwürdigen Anweisung, ohne den Sinn zu erfassen, und kauerten mucksmäuschenstill auf dem Flurteppich. Wieder schellte die Klingel. Nachdem darauf keine Reaktion erfolgte, wurde von außen energisch an die Tür geklopft. »Al! Du bist doch zu Hause! Al, mach auf!«, rief die Stimme eines jungen Mannes. Justus warf aus der Hocke einen vorsichtigen Blick auf das Milchglasfenster und erkannte an dem Umfang des Schattens, dass mindestens drei Personen vor der Haustür stehen mussten. »Drück doch mal die Klinke runter!«, schlug einer der Män ner vor. Energisch rüttelte es darauf an der Tür, während sich die Klinke auf und ab bewegte. »Er ist im Haus. Das habe ich ganz deutlich gesehen«, mel dete sich ein dritter Mann zu Wort. »Er hat doch eben diese Oma verabschiedet.« »Seit wann ist überhaupt die Tür verschlossen? Da stimmt doch was nicht! Läute doch noch mal!« Die Klingel wurde abermals gedrückt. In diesem Augenblick tauchte am Fenster ein weiterer Schatten auf. »Gibt es irgend welche Schwierigkeiten?« Al Parker und die drei Detektive sahen sich überrascht an. Die Stimme, die den Besuchern diese Frage gestellt hatte, drang unverkennbar aus einem Sprechgerät. »Die Hexe!«, zischte der Produzent. »Was will die denn noch hier?« »Leise!« Warnend legte Peter den Finger an die Lippen. »Wir wollten zu Mr Parker«, antwortete einer der Männer auf Mrs Stevens Frage. »Aber aus unerfindlichen Gründen macht er uns nicht auf.« 74
»Das ist aber seltsam«, äußerte die Anthropologin. »Vor zwei Minuten habe ich noch mit ihm gesprochen. Sind Sie zufällig die Wet Boys?« »Wie kommen Sie denn darauf?«, fragte einer der Männer wie aus der Pistole geschossen. »Sind Sie etwa von der Pres se?« »Lass doch die alte Oma«, fuhr der zweite Mann schroff da zwischen. »Erklär mir mal lieber, wieso uns Al nicht die Tür öffnet. Was machen wir denn jetzt?« »Jedenfalls keine Frage mit einer Gegenfrage beantworten«, dröhnte es aus dem Sprechgerät. »Vielleicht ist er ja auf dem Klo«, vermutete der Dritte von ihnen und presste sein Gesicht an die Scheibe. Al Parker kroch wie von der Tarantel gestochen auf allen vieren in einen toten Winkel des Flures und wagte nicht zu atmen. »Da drinnen hat sich etwas bewegt!« Das Gesicht löste sich von der Scheibe und jemand klopfte erneut an die Haustür. »Al, bist du das? Al!« »Kannst du uns mal aufklären, wer diese Männer da draußen sind?«, raunte Bob dem Produzenten zu. »Sie haben dich längst gesehen. Meinst du nicht, es wäre besser, dieses Versteckspiel zu beenden?« Al Parker zögerte. Doch dann richtete er sich schwer ent schlossen auf, zog sein Hemd zurecht und öffnete mit einem Stoßseufzer die Haustür. Justus, Peter und Bob hatten sich ebenfalls erhoben und warfen einen neugierigen Blick auf die drei Besucher, die, wie selbstverständlich, in den Flur traten. Mrs Stevens verharrte vor der Türschwelle. »Diese drei jun gen Männer haben offenbar auch etwas Wichtiges mit Ihnen zu besprechen. Zur Zeit scheint man sich ja sehr für Sie zu inter essieren. Konzentrieren Sie sich jedoch auf das Wesentliche, und denken Sie über meine Worte nach.« Damit wandte sich Mrs Stevens zum Gehen und humpelte langsam davon. »Hi, Al!«, begrüßte einer, offenbar der jüngste von den Män 75
nern, den Produzenten und schenkte auch den drei Detektiven einen freundlichen Willkommensgruß. »Kommen wir ungele gen oder weshalb machst du uns nicht auf?« »Ihr müsst mein Verhalten entschuldigen«, wand sich Al Parker verlegen, »ich dachte nämlich im ersten Moment, dass da wieder irgendwelche Fans vor der Tür stehen. Und die kann ich hier momentan überhaupt nicht gebrauchen. Mit eurem Erscheinen habe ich ehrlich gesagt nicht gerechnet.« Der Pro duzent deutete auf die drei Detektive. »Darf ich euch meine neuen Praktikanten vorstellen: George, Michael und Phil.« Justus, Peter und Bob grinsten. »Das ist kein Gag?«, fragte der erste Sprecher und entblößte dabei seine gelben Zähne, die sich in einem äußerst schlechten Zustand befanden. »Wir wünschten, es wäre so«, übernahm Justus die Antwort. »Wie heißt ihr denn?« Al Parker stellte die drei jungen Männer vor. »Das sind Luke, Bart und Frank. Die beste Verstärkung, die meinen Stars den Rücken deckt. Die drei sind Backgroundsänger.« Justus blinzelte verwirrt. »Sie fungieren, mit anderen Worten ausgedrückt, als Chor, George«, fügte Bob zu Justus’ Erklärung hinzu. »George ist doch nicht bescheuert, Phil«, ereiferte sich der Zweite Detektiv und musterte die drei fremden Besucher dabei eingehend. Sie waren etwa Anfang zwanzig, wobei Luke, der Mann mit den schlechten Zähnen, offensichtlich der Jüngste des Trios war. Seinen freien Unterarm zierte das Tattoo einer Seejungfrau, deren Kopf im Vergleich zum Körper etwas zu groß geraten war. Ansonsten wirkte er, in seinen Secondhand klamotten und den alten ausgelatschten Turnschuhen, recht sympathisch. Bart, mit seinen zwei Metern Länge und der spindeldürren Figur, erinnerte an einen Riesen. Und obwohl er der Älteste der drei zu sein schien, erweckte sein Gesicht, das über und über 76
mit Pickeln besät war, den Eindruck, dass sich die Pubertät einfach nicht von ihm verabschieden wollte. Franks Erschei nung hingegen ließ den Zweiten Detektiv schmunzeln. Seinen fülligen Körper versuchte dieser mit einem T-Shirt und einer schlabbrigen Hose, beides in Übergröße, zu kaschieren. Eine gewisse Ähnlichkeit zu der übergewichtigen Figur des Ersten Detektivs war nicht von der Hand zu weisen. »Sag mal, Al, war die verschleierte Alte mit der Kehlkopf rassel eben von der Presse oder gehört die zu deiner Verwandt schaft«, fragte Luke mit einem ironischen Unterton in der Stimme. »Nichts dergleichen«, versuchte der Produzent den drei Be suchern mit einer lapidaren Erklärung auszuweichen. »Mrs Stevens wohnt hier in der Nachbarschaft. Ich glaube, sie ist in letzter Zeit viel allein und braucht ab und zu jemanden, mit dem sie sich unterhalten kann.« »Ist ja auch egal«, warf Bart ein und zog aus der Hintertasche seiner löchrigen Jeans ein paar zusammengefaltete Zettel. »Wir sind eigentlich zu dir gekommen, weil wir uns letzte Nacht …« »Können wir das gleich im Studio besprechen?«, fuhr Al Parker dazwischen und rieb sich verlegen die Hände. »Ich wollte mich gerade von George, Michael und Phil verabschie den.« Die drei ??? hatten Mühe, ihr Erstaunen über den dezenten, jedoch deutlichen Rauswurf zu verbergen. Der Produzent schickte die drei Sänger in den Aufnahmeraum und versuchte sich mit stammelnden Worten bei Justus, Peter und Bob für seinen spontanen Entschluss zu rechtfertigen. »Nehmt es mir bitte nicht übel, dass ich euch so einfach vor die Tür setze. Doch ich befürchte, dass die nächste Stunde sehr unangenehm sein wird. Die Jungs wollen mit mir bestimmt über Gagen verhandeln, und dabei kann ich keine Ablenkung vertragen.« »Ist schon in Ordnung, Al«, lenkte Justus ein. »Wir machen 77
uns in der Zwischenzeit auf den Weg und werden uns um die Drähte kümmern.« »Drähte?«, wiederholte der Produzent. »Wofür?« »Ich denke mal, dass wir Mrs Stevens’ Vorschlag mit der Stolperfalle auf jeden Fall beherzigen sollten. Die heutige Nachricht an der Voodoo-Puppe deutet unmissverständlich darauf hin, dass der Unbekannte heute Nacht in diesem Haus in Erscheinung treten wird. Wir werden für diese Situation ge wappnet sein. Wenn du nichts dagegen hast, kommen wir heute Abend zu dir, präparieren die Räumlichkeiten mit Stolperdräh ten und legen uns in unseren Schlafsäcken in deinem Studio auf die Lauer.« Das Gesicht des Produzenten verfinsterte sich. »Theoretisch hört sich das ganz gut an. Doch praktisch gesehen könnte die Sache leicht ins Auge gehen. Immerhin ist diese Nachricht …«, Al Parker schluckte, »… eine Morddrohung! Wenn der Unbe kannte wirklich dieses Ziel vor Augen hat, kann ich euch dieser Gefahr unmöglich aussetzen.« »Hast du denn einen besseren Vorschlag?«, fragte Bob. Der Produzent zuckte mit den Schultern und wippte unruhig mit seinem Fuß. »Ich … ich weiß im Augenblick gar nichts. Ich muss darüber nachdenken.« »Es besteht natürlich noch immer die Möglichkeit, die Poli zei zu verständigen«, brachte Justus den Vorschlag ein. »Doch diese Variante scheint für dich ja am allerwenigsten in Betracht zu kommen.« »Ganz recht«, bestätigte Al Parker. »Wo die Polizei ist, ist die Presse nicht weit. Und die wird mich augenblicklich in der Luft zerfetzen und mir vorwerfen, dass ich es einzig und allein auf Publicity abgesehen habe! Ich sehe schon die Schlagzeile: AL PARKER IM BANN DES VOODOO! WERBEGAG ODER GEISTESKRANKHEIT?« Er atmete tief durch. »Wenn ich jedoch die Wahl zwischen dem Tod und einigen negativen Presseberichten habe, dann entscheide ich mich selbstverständ 78
lich für den schlechten Ruf.« »Den vorzeitigen Tod hast du, meiner Überzeugung nach, heute Nacht nicht zu befürchten, Al. Diesem unbekannten Voodoo-Priester geht es eindeutig um etwas anderes. Was hätte er schon davon, wenn er dich aus dem Weg räumen würde? Hinter all seinen Anschlägen steckt eine Absicht. Diese Person scheint etwas ganz Bestimmtes erreichen zu wollen. Um hinter den wahren Grund zu kommen, sollten wir Mrs Stevens’ Vor schlag unbedingt befolgen.« Der Erste Detektiv sah den Produ zenten eindringlich an. »Immerhin haben wir nichts zu verlie ren.« Nervös biss sich Al Parker auf die Unterlippe. Er schien ei nen inneren Entscheidungskampf zu fuhren. Für einen Moment schwieg er, dann blickte er die drei Detektive entschlossen an. »Also gut. Besorgt die Drähte, Jungs! Wenn hier heute Nacht tatsächlich jemand aufkreuzen sollte, werden wir ihn überrum peln und zur Rechenschaft ziehen. Ich muss endlich wissen, wer diesen unbeschreiblichen Hass auf mich hat!«
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Eine aufregende Nacht Justus, Peter und Bob verabschiedeten sich und traten auf die Straße hinaus. Der MG des Zweiten Detektivs parkte auf der gegenüberliegenden Straßenseite. Nachdem sie in den Wagen gestiegen und losgefahren waren, kam Bob sogleich zur Sache. »Was ist das eigentlich für eine Szene, die da bei Al Parker ein und aus geht? Angefangen bei den Wet Boys und ihrer zwie lichtigen Visagistin Joan. Dann diese unheimliche Anthropolo gin mit ihrem noch unheimlicheren Sprechgerät, bis hin zu den drei Backgroundsängern, die nicht mal Geld für anständige Klamotten zu haben scheinen und Al aufsuchen, um ihn um mehr Kohle anzuhauen.« Der Dritte Detektiv bemerkte erst jetzt, dass er sich noch nicht angeschnallt hatte. Flink ließ er den Gurt einrasten. »Weshalb hast du eigentlich vorhin so komisch geguckt, als Al uns Luke, Bart und Frank vorgestellt hat. Konntest du mit dem Begriff Backgroundsänger vorhin wirklich nichts anfangen, Just?« »Unsinn!« Der Erste Detektiv schüttelte den Kopf. »Mir ging etwas anderes im Kopf herum. Eine Sache, die mich noch immer beschäftigt und irgendwie nicht loslässt.« »Dann heraus damit! Lass dich nicht lange bitten«, drängte Peter. »Diesen Frank, den kenne ich. Da bin ich ganz sicher. Der kommt mir irgendwie bekannt vor. Ich komme nur nicht dar auf, woher.« »Und was soll daran so sonderbar sein?«, fragte Peter. »Viel leicht hast du im Kino mal neben ihm gesessen oder bist zufäl lig im Supermarkt mit deinem Einkaufswagen an ihm vorbei gelaufen.« »Klar«, meinte Bob. »So was Ähnliches ist Al Parker ja letzt lich auch passiert. Nur ist er im Supermarkt an Mrs Stevens nicht vorbeigelaufen, sondern hat sie dort kennen gelernt.« »Die beiden muss der Himmel zusammengeführt haben«, 80
sprach Peter seinen Gedanken aus. »Überlegt euch das mal: Da wird dieser arme Kerl von einem Voodoo-Fanatiker belästigt und läuft am nächsten Tag prompt einer Professorin über den Weg, deren berufliches Hauptinteresse genau dieses Thema ist! Nennt sich das Zufall, Fügung oder Schicksal?« »Vielleicht keins von den dreien«, überlegte Justus. »Ich zie he schon die ganze Zeit die Möglichkeit in Betracht, dass Mrs Stevens selbst hinter diesen Anschlägen steckt. Vergesst nicht: Unmittelbar nachdem der Topf auf dem Herd zu kochen be gann, stand sie in der Küche. Es stellt sich dann aber die Frage, was sie von Al Parker will. Schließlich hat sie ihn in dem folgenden Gespräch darauf hingewiesen, dass jemand durch diese Aktionen an ihm Rache üben will.« »Vielleicht handelt sie ja gar nicht aus eigenem Antrieb, son dern nur als Handlangerin«, spann Bob die Vermutungen wei ter. »Womöglich wurde sie dazu von jemandem beauftragt.« »Angenommen, ihr habt Recht mit eurer Theorie und Mrs Stevens steckt tatsächlich hinter dieser ganzen Sache«, überleg te Peter. »Warum empfiehlt sie Al Parker dann, in seinen Räu men Stolperfallen auszulegen? Wo ist da der Sinn?« »Wie man es auch dreht und wendet, wir werden wohl erst hinter das Geheimnis kommen, wenn wir den Überbringer der Voodoo-Puppen auf frischer Tat ertappen«, meldete sich Justus zu Wort. »Deshalb werden wir uns als Erstes in einem Eisen warenhandel etliche Meter Draht besorgen und dann fahren wir nach Hause und holen unsere Schlafsäcke.« »Mann, meine Eltern davon zu überzeugen, dass diese aus wärtige Übernachtung dringend notwendig ist, das wird wieder ein Akt werden«, stöhnte Peter. »Das kostet mich mindestens dreißig Minuten Überredungsarbeit.« »Nimm es leicht, Zweiter«, tröstete Bob. »Auch ich werde mir den Mund fusselig reden müssen. Aber am Ende der Dis kussion werden wir eindeutig als Sieger hervorgehen, und das stärkt das Selbstbewusstsein ungemein!« 81
Gegen zwanzig Uhr trafen die drei Detektive vor dem Haus von Al Parker ein. Wie gewohnt war die Haustür nur angelehnt und bewegte sich im lauen Abendwind hin und her. Als Justus, Bob und Peter das Musikstudio betraten, saß der Produzent, mit einer Zigarette im Mundwinkel, vor seinem Mischpult. Aus den Lautsprechern drang der Remix der Wet Boys, während seine Finger ständig an den Knöpfen und Reglern drehten, um dem Sound den letzten Schliff zu verpassen. Der Erste Detektiv bemerkte fasziniert, dass Al Parker voll kommen in seiner Arbeit aufging. Jegliche Angst und Nervosi tät schienen von ihm gewichen zu sein. Sein Fuß wippte be schwingt im Takt mit und seine Gesichtszüge waren locker und entspannt. Das änderte sich, als Justus, Bob und Peter damit begannen, die Stolperdrähte im Studio zu spannen. Der Produzent beendete seine Mischung. »Ich habe ein ungu tes Gefühl. Und wenn ich ehrlich bin, ist es sogar Angst. Seit dem diese Puppe in meinen Kochtopf lag, leide ich ständig unter der Einbildung, dass mich jemand die ganze Zeit aus irgendeinem Winkel dieser Räume beobachtet. Die Eindring linge sollen sich von meinem Haus fernhalten!« »Aus diesem Grund hast du deine Haustür auch wieder offen stehen lassen, richtig?«, fragte Justus vorsichtig. »Ich glaube an positive Energien«, erwiderte Al Parker. »Auch wenn für euch diese esoterische Einstellung nicht zu dem Bild eines erfolgreichen Musikproduzenten passt. Es ist meine innere Überzeugung.« Die drei Detektive hatten dem nichts entgegenzusetzen und so setzten sie ihre Arbeit fort. Innerhalb einer Stunde waren in Al Parkers Schlafzimmer, der Küche, dem Studio und auf dem Flur die Drähte fachmännisch gespannt. Justus, Bob und Peter hatten ihre mitgebrachten Schlafsäcke und Kissen im Aufnah meraum ausgebreitet und sich hier ein gemütliches Nachtlager errichtet. Sie hatten vereinbart, dass jeder von ihnen die Nacht hindurch abwechselnd zwei Stunden Wache schieben sollte, 82
während die anderen ihrem Schlaf nachgehen konnten. Gegen 23 Uhr fing Al Parker an zu gähnen. Er hatte sich noch ein Glas Rotwein genehmigt, dessen beruhigende und einschläfernde Wirkung rasch einsetzte. Bevor er sich jedoch verabschiedete, um in seinem Schlafzimmer zu verschwinden, inspizierten die drei ??? und er noch einmal die Räumlichkei ten des gesamten Hauses. Peters Vorschlag, ob man die Haustür für das allgemeine Wohlbefinden vielleicht nicht doch verriegeln sollte, schmet terte der Produzent ohne Diskussion ab. Rotweinselig und müde zog er sich in sein Schlafzimmer zurück. Kurz darauf löschten die drei Detektive im gesamten Haus das Licht. Bob, so hatte das Los entschieden, sollte mit der Nachtwache beginnen. Justus und Peter leisteten dem Dritten Detektiv Gesellschaft, denn an Schlaf war für die beiden nicht zu denken. Als die Wanduhr im Studio ein Uhr schlug, übernahm Justus den Wachdienst. Bisher hatte sich nichts ereignet, und es machte auch nicht den Anschein, als würde in dieser Nacht noch irgendetwas Außergewöhnliches geschehen. Bob und Peter waren schon eingeschlafen und der Erste Detektiv ertapp te sich dabei, dass er in immer kürzer werdenden Abständen zu gähnen begann. Er kuschelte sich gemütlich in seinen Schlaf sack. Einmal nur die Augen schließen, dachte er. Nur für einen kurzen Moment. Wie angenehm und wohltuend das wäre … Er lauschte noch einmal in die Stille, die sich im ganzen Haus ausgebreitet hatte. Nichts war zu hören, außer dem entfernten Ticken der Wanduhr und den regelmäßigen Atemzügen seiner beiden Freunde. Justus schloss seine schweren Augenlider und war innerhalb von Sekunden tief und fest eingeschlafen … Ein Schreien ließ den Ersten Detektiv schlagartig hochfahren. Wo war er? Um ihn herum herrschte absolute Dunkelheit. »Just! Er ist im Haus!« Peter sprang aus seinem Schlafsack 83
und tastete nach dem Lichtschalter. Al Parker schrie in seinem Schlafzimmer um Hilfe. Bob kam Peter zuvor. Instinktiv hatte er den Schalter im Dunkeln gefun den und schaltete ihn ein. Doch alles blieb finster. Peter hatte in Erinnerung, dass sich der nächste Lichtschalter an der rech ten Wand des Studios befand. Justus suchte im Dunkeln nach seiner Taschenlampe. Der Produzent schrie noch immer um Hilfe, während Bob und Peter sich nun zum zweiten Licht schalter vorwärts tasteten, ohne über die Stolperdrähte zu stürzen. Da! Die Hand des Dritten Detektivs hatte endlich den Schalter gefunden und knipste ihn an. Es blieb weiter finster. »Dieser Teufel hat sich am Sicherungskasten vergriffen! Der gesamte Strom ist abgestellt!« Bobs Stimme überschlug sich vor Entsetzen. »Wo ist deine Taschenlampe, Just?« »Warte … ich habe sie gleich …« Plötzlich gruben sich Peters Hände in Bobs Schultern. »Bob … sieh doch …« Ein Schatten zeichnete sich vor den zwei Detektiven ab. Er kam aus Al Parkers Schlafzimmer geschlichen und bewegte sich wie selbstverständlich auf die Haustür zu. Waren die Stolperdrähte in der Zwischenzeit entfernt worden? »Haltet ihn! Ihr müsst ihn aufhalten!« Al Parker war nur noch ein reines Nervenbündel und schrie vor Angst wie von Sinnen. »Bleiben Sie stehen!« Fest entschlossen, den Eindringling, der nur etwa zwei Meter entfernt in der Dunkelheit vor ihm stand, zu packen, setzte Peter zum Sprint an und lief auf die unbekannte Gestalt zu. Er wähnte sich seines Zieles schon sicher, da spürte er in Knöchelhöhe einen einschneidenden Widerstand. Er verlor das Gleichgewicht, schrie auf und stürzte zu Boden. Die eigene Stolperfalle war den drei Detektiven zum Verhängnis geworden. Als wären die gespannten Drähte für den Eindringling nicht vorhanden, lief die unbekannte Gestalt im Flur der Haustür entgegen und verschwand. 84
Beichte im Morgengrauen »Habt ihr ihn erwischt?« Der Lichtkegel von Justus’ Taschen lampe wanderte durch den Flur. Vorsichtig stieg der Erste Detektiv über die Stolperdrähte und leuchtete in Al Parkers Schlafzimmer hinein. Der Produzent saß schweißgebadet in der hintersten Ecke seines Bettes und sah die drei Detektive mit weit aufgerissenen Augen an. »Ein Schatten …«, stammelte er. »Die Tür öffnete sich leise und ich sah nur einen Schatten.« »Al, ist alles in Ordnung mit dir?« Vorsichtig trat Justus an Al Parkers Bett heran und leuchtete mit der Taschenlampe über das Laken. Am Fußende lag eine Stoffpuppe, wieder mit dem aufgemalten Gesicht des Produzenten. »Ich glaube … ich glaube, er wollte mich umbringen.« Al Parker wagte noch immer nicht sich zu bewegen. »Dieser Schatten … er hob drohend die Arme … kam auf mich zu … immer näher und näher … so, als würden die Stolperdrähte gar nicht existieren … Ich schrie mir die Seele aus dem Leib … dann spürte ich, dass irgendetwas in mein Bett geworfen wurde … Ich dachte zuerst, es wäre ein giftiges Tier … eine Tarantel oder ein Skorpion … Dann bemerkte ich, dass es wieder eine dieser schrecklichen Puppen war … Ich zitterte am ganzen Leib und klapperte sogar mit den Zähnen … Dann versuchte ich auf meinem Nachttisch die Lampe anzuknipsen. Aber alles blieb zappenduster …« »Dieser elende Mistkerl muss am Sicherungskasten rumge fummelt haben«, sagte Bob. »Der Strom im gesamten Haus ist lahm gelegt. Ich sehe mir das an. Gib mir mal deine Taschen lampe, Just. Wo ist denn der Kasten, Al?« »In der Besenkammer auf dem Flur!« Schon war der Dritte Detektiv verschwunden. Al Parker war noch immer kreidebleich. »Er ist euch also entwischt«, stellte er resigniert fest. »Ich hatte diese Gestalt schon fast am Kragen gepackt. Doch 85
dann bin ich dämlicherweise über unsere eigene Falle gestol pert«, erklärte der Zweite Detektiv etwas kleinlaut. In diesem Moment ging das Licht auf dem Flur an und Bob kam ins Schlafzimmer zurück. »Wie ich es vermutet hatte: Die Siche rungen waren einfach herausgedreht worden.« »Aha«, bemerkte Justus trocken. »Was heißt hier Aha?«, wollte Peter wissen und rieb sich seine schmerzenden Knie. »Der Sicherungskasten befindet sich im Besenschrank auf dem Flur. Das war mir bisher neu. Euch doch sicherlich auch, oder?« »Sicher, Just«, entgegnete Bob. »Aber worauf willst du hin aus?« »Dass sich der Eindringling ziemlich gut in diesem Haus hier auskennt, oder zumindest Bescheid wusste, wo sich der Siche rungskasten befindet.« Al Parker war in der Zwischenzeit aus seinem Bett gestiegen und zog sich einen roten Morgenmantel über. Dann griff er mit spitzen Fingern nach der Stoffpuppe und warf sie Justus zu. »Du bist also der Ansicht, dass jemand aus meinem näheren Umkreis hinter all den Schandtaten steckt? Eine Person, die praktisch jeden Winkel meines Hauses kennt, da sie sich sogar im Dunkeln völlig frei und sicher bewegen konnte.« »So ist es«, erwiderte der Erste Detektiv. »Wie aber kann es angehen, dass unsere Stolperdrähte bei dem Eindringling ihre Wirkung verfehlt haben?« »Selbst mich haben sie flachgelegt, obwohl ich genau wusste, an welchen Stellen wir die Drähte gespannt haben«, fügte Peter hinzu. »Tatsache ist auf jeden Fall, dass Mrs Stevens mit ihrer Pro phezeiung ins Schwarze getroffen hat. Für diesen VoodooFreak waren die Stolperdrähte kein Hindernis. Ich frage mich nur, woher die alte Frau das wusste.« Justus ging mit der Stoff puppe in der Hand langsam auf Al Parker zu. »Hinter diesen 86
Puppen verbirgt sich irgendein Geheimnis. Und ich bin mir ziemlich sicher, dass es in direktem Zusammenhang mit dem Geheimnis um die Wet Boys steht!« »Was ist denn jetzt in dich gefahren?«, stammelte Al Parker und vergrub seine Hände in den Taschen seines Morgenman tels. »Könntest du dich vielleicht mal genauer erklären?« »Vielleicht sollten wir uns dazu lieber in die Küche bege ben«, schlug der Erste Detektiv freundlich vor. »Die Sache zwischen Tür und Angel zu klären, halte ich nicht für beson ders sinnvoll.« »Also gut.« Der Produzent schlüpfte in seine Hausschuhe, ging voraus und stieg vorsichtig über die gespannten Stolper drähte in die Küche. Bevor er sich mit Justus, Peter und Bob an den großen Tisch setzte, brachte er auf dem E-Herd etwas Wasser zum Kochen und servierte seinen Gästen einen Instant kaffee. Immerhin standen die Zeiger der Küchenuhr bereits auf fünf Uhr und draußen zeigte sich schon das erste Morgenrot. »Ich habe mich schon die ganze Zeit gefragt, was mit den Wet Boys nicht stimmt«, begann der Erste Detektiv unaufge fordert sein Plädoyer und trank schlürfend einen Schluck Kaf fee. »Denn dass da etwas im Busch ist, wurde bei der Fotoses sion offensichtlich. Joans geschickte, aber dennoch ziemlich dämliche Ausrede mit den Autogrammkarten hat den Verdacht nur erhärtet, dass hier der Haussegen ziemlich schief hängt und die vier dich mit irgendeiner Sache erpressen, die auf keinen Fall an die Öffentlichkeit geraten darf.« Die Lippen des Produzenten verschmälerten sich zu einem Strich. »Und wenn dem so wäre, ginge es euch nichts an!« »Irrtum, Al«, kam Bob dem Ersten Detektiv zu Hilfe. »Denn du hast uns den Auftrag gegeben, in diesem Fall zu ermitteln.« »Ihr solltet euch um die Voodoo-Puppen kümmern und he rausfinden, wer diesen ganzen Terror inszeniert! Ich hatte euch aber nicht darum gebeten, eure Nasen in meine geschäftlichen Angelegenheiten zu stecken!« Al Parker sah die drei ??? wü 87
tend an. »Ich bin mir aber ziemlich sicher, dass der Überbringer die ser Puppen ganz genau weiß, dass Billy, Jeffrey und Hank – die in der Öffentlichkeit die Wet Boys darstellen, gar nicht die wahren Wet Boys sind!« Justus blickte dem Produzenten direkt in die Augen. Al Parker ließ seinen Kaffeebecher auf den Tisch sinken und starrte Justus entsetzt an. »Woher weißt du das?«, krächzte er. Der Erste Detektiv genoss diesen Überraschungsmoment sichtlich. Auch Bob und Peter waren über die Äußerung ihres Kollegen sprachlos. Mit offenen Mündern saßen sie da und konnten das eben Gehörte kaum glauben. »Zuerst war es nur ein leiser Verdacht«, fuhr Justus mit sei ner Erklärung fort. »Dieser wurde in mir erweckt, als Jeffrey, Hank und Billy für die Fotoaufnahmen vorgestern bei dir im Studio auftauchten. Diese aalglatten Typen in ihren Schicki micki-Klamotten und den dummdreisten und arroganten Sprü chen auf den Lippen passen überhaupt nicht zu dem schnoddri gen, coolen und lebensechten Rapgesang, der das Markenzei chen der Wet Boys ausmacht. Echter Hip-Hop eben.« »Ja und?«, reagierte Al Parker schroff. »Die Jungs klingen im Privatleben eben etwas anders als auf ihren CDs. Ihr solltet nicht alles für bare Münze nehmen, was euch auf Tonträgern so vorgegaukelt wird. Das ist eine völlig andere Welt. That’s show business!« »Das mag schon sein«, lenkte Justus ein. »Doch solltest du nicht versuchen, uns noch immer für blöd zu verkaufen. Mir ist nämlich inzwischen völlig klar geworden, weshalb du gestern Nachmittag deinen Backgroundsängern Luke, Bart und Frank die Tür nicht öffnen wolltest.« »Ach ja? Da bin ich aber mal gespannt!« Der Produzent schlug seine Beine übereinander und nestelte nervös an seinen Fingernägeln. »Lass doch das überflüssige Theaterspielen, Al!«, ging der 88
Erste Detektiv in die Offensive. »Nachdem du uns so plötzlich vor die Tür gesetzt hattest, wurde ich das verdammte Gefühl nicht los, dass ich diesem Frank schon mal irgendwo über den Weg gelaufen bin. Er kam mir vertraut vor, obwohl ich mir nicht erklären konnte, wo ich ihm schon mal begegnet sein könnte.« »Und das hat bei einem Superhirn wie Justus schon was zu bedeuten«, warf Bob dezent ein. »Der vergisst normalerweise nämlich nie etwas.« »Weiter im Text«, forderte Al Parker Justus auf und warf ihm einen verunsicherten Blick zu. Gelassen setzte der Erste Detektiv seinen Kaffeebecher ab. »Stundenlang habe ich gegrübelt, bis es mir plötzlich wie Schuppen von den Augen fiel. Ich hatte in eine völlig verkehrte Richtung gedacht. Franks übergewichtige Erscheinung, die der meinen doch recht ähnlich ist, hätte ich bestimmt nicht so leicht vergessen – wenn ich ihm denn vorher je begegnet wäre. Dem war aber nicht so. Denn das, was mir an Frank so vertraut vorkam, war nicht seine Erscheinung …«, Justus machte eine geschickte Kunstpause, »… sondern seine Stimme! Zuerst war ich mir nicht ganz sicher. Doch als wir gestern Abend hier eintrafen und du am Mischpult den neuen Remix abgemischt hast, gab es für mich keinen Zweifel mehr: Frank ist der wahre Leadsänger der Wet Boys! Seine Stimme ist unverkennbar!« Peters Augen leuchteten auf. »Aber klar doch! Und Luke und Bart gehören ebenfalls dazu! Diese nichts sagenden Fotomo delle Billy, Jeffrey und Hank bewegen auf der Bühne und in den Videoclips nur ihre Lippen!« »Ich fasse es nicht!«, rief Bob erregt. »Da werden also Mil lionen Teenager betrogen! Jetzt ist mir auch klar, warum dich die drei erpresst haben! Wenn der Schwindel herauskommt, kannst du das Millionengeschäft mit den Wet Boys vergessen.« Al Parker saß zusammengesunken auf seinem Stuhl und war zu keinem Widerstand mehr fähig. »Ihr habt Recht. Und ehr 89
lich gesagt weiß ich nicht mehr, was ich machen soll, denn das Schweigegeld, das ich den vier Erpressern in den Rachen schmeißen muss, wird von Tag zu Tag mehr.« »Was meinst du mit vier Erpressern?«, fragte Peter irritiert. »Kassiert diese Visagistin etwa auch mit?« Der Produzent nickte. »Joan ist Hanks Freundin und somit in alles eingeweiht. Ich habe sogar den Verdacht, dass diese ganze Erpressungsgeschichte auf ihrem Mist gewachsen ist. Diese Frau ist skrupellos. Die würde sogar über Leichen gehen. Anfangs bat sie mich nur, den drei Playbackkünstlern ein kleines Zusatzhonorar zu zahlen, da die Kosten für neue Kla motten und den Hairstylisten so immens hoch wären. Darauf habe ich mich auch eingelassen. Doch eines Tages trat sie an mich heran und behauptete, dass Jeffrey sich während eines Fernsehinterviews beinahe mal verplappert hätte. Mit einer kleinen ›Gehaltserhöhung‹, wie sie es nannte, könnte ich die sem Risiko aus dem Weg gehen. Ich Idiot bin natürlich darauf eingegangen. Seitdem hat mich dieses Pack gnadenlos in der Hand.« »Ich verstehe aber nicht, wozu dieser ganze Schwindel über haupt inszeniert wurde. Bart, Luke und Frank können doch richtig gut rappen. Wieso hast du diese Jungs nicht auf die Bühne gestellt?«, fragte Peter interessiert. Al Parker räusperte sich. »Das war ja anfangs auch so ge plant. Ich habe mit den Jungs verdammt gute Demo-Bänder aufgenommen und diese zusammen mit ein paar Fotos an meine Plattenfirma geschickt. Die sind regelrecht ausgerastet und haben mich gefragt, ob ich sie veralbern will.« »Wieso das denn?«, wollte Bob wissen. »Ihr habt die Jungs doch gesehen«, erwiderte der Produzent. »Schlechte Zähne, dicke Bäuche und Eiterpickel passen nicht in das Bild, das sich Teenager erträumen. Mit diesen Proble men möchten sie nicht konfrontiert werden. Das meinen zu mindest die oberen Bosse meiner Company. Und die hat leider 90
das letzte Wort. Ohne deren Zustimmung läuft gar nichts. Nun ja, als ich Bart, Frank und Luke von diesem Fiasko erzählt habe, waren die gar nicht so enttäuscht, wie ich anfangs be fürchtet hatte. Den Jungs ging es in erster Linie darum, ihre Gedanken, Ängste und Sorgen in Musik umzusetzen. Die Vorstellung, sich einem Millionenpublikum zu präsentieren, behagte dem Trio von Anfang an nicht. Als ich ihnen vor schlug, drei braun gebrannte Playbackmodels auf das Cover zu setzen, fanden sie diese Idee sogar recht lustig und stimmten der Sache kurzerhand zu.« »Der Titel des Singlehits ›It’s all on the surface‹ – ›Mehr Schein als Sein‹ trifft bei dieser Geschichte den Nagel exakt auf den Kopf«, bemerkte Bob ironisch. »Wie soll es denn nun weitergehen?« »Ich weiß es nicht«, gab der Produzent verzweifelt zu. »Am allerliebsten würde ich das Projekt ›Wet Boys‹ komplett hin schmeißen und mit Frank, Luke und Bart was völlig Neues in Angriff nehmen. Vielleicht sollte ich mich einfach nach einem anderen Plattenlabel umsehen, bei dem nicht so verknöcherte Ansichten vertreten werden und bei dem echte Hip-HopRapper eine reelle Chance bekommen. Dann könnten Billy, Hank, Jeffrey und Joan zusehen, wie sie zu ihrem Geld kom men.« Justus trank den letzten Schluck aus seinem Kaffeebecher und machte ein nachdenkliches Gesicht. »Al, wenn ich dich recht verstanden habe, hast du den Geldforderungen der Er presser doch stets Folge geleistet, richtig?« Der Produzent nickte. »Und wie ist das mit Frank, Luke und Bart?«, schaltete sich Bob dazu. »Hattest du mit denen jemals Geldprobleme?« »Gott bewahre, nein!«, rief der Produzent. »Die drei sind so bescheiden, denen muss man ihre Honorare beinahe aufzwin gen.« »Dann muss hinter den Anschlägen mit den Voodoo-Puppen 91
noch eine andere Person stecken«, vermutete Justus. »Denn nach Mrs Stevens’ Auffassung geht es dem Voodoo-Fanatiker darum, dass ihm endlich Gerechtigkeit zuteil wird. Irgendje manden musst du in deiner Vergangenheit geprellt haben. Und ich bin mir ziemlich sicher, dass die Sache in einem direkten Zusammenhang mit den Wet Boys steht.« Al Parker schüttelte den Kopf. »Das ist unmöglich! Wie kommst du zu dieser abwegigen Vermutung?« »Abwegig erscheint mir meine Vermutung keinesfalls«, ent gegnete der Erste Detektiv selbstsicher. »Ich bin nämlich zu der Überzeugung gelangt, dass unsere trauernde Mrs Stevens in die Sache verwickelt ist! Und bevor du mir jetzt widersprichst, würde ich doch gerne erfahren, ob du mir den Wohnsitz dieser falschen Anthropologin nennen kannst.« »Falsche Anthropologin? Jetzt gehst du aber eindeutig zu weit!« Zornesröte stieg dem Produzenten ins Gesicht. »Die alte Frau hat in ihrem Leben viel durchmachen müssen! Sie ver dient gefälligst mehr Respekt!« »Wo wohnt sie denn?«, wiederholte Justus seine Frage. »Das … das kann ich dir nicht so genau sagen. Irgendwo hier in der Nachbarschaft. Ihre genaue Adresse habe ich nicht. Was willst du denn von ihr?« Der Erste Detektiv richtete sich auf. »Diese Frau ist alles an dere als eine geschulte Anthropologin. Ihr ist nämlich ein fataler Fehler unterlaufen.« Peter, Bob und der Produzent blickten den Ersten Detektiv entgeistert an. »Ihrer Schilderung nach befördert der Voodoo-Gott Vishnu seine Opfer mit der Macht der Nadel ins Jenseits«, stellte Ju stus fest. »Das waren exakt ihre gestrigen Worte. Wenn diese Frau ein bisschen über Allgemeinwissen verfugte, müsste ihr eigentlich geläufig sein, dass Vishnu keinesfalls der afroameri kanischen Religion angehört, sondern der indische Fruchtbar keitsgott ist! Aber diese Bildungslücke kann ihr eigentlich 92
niemand ernstlich übel nehmen, denn meines Erachtens inter essiert sich Mrs Stevens viel mehr für amerikanischen HipHop!« »Bist du jetzt völlig durchgeknallt?« Peter starrte Justus an. »Wie kommst du denn auf diesen Unsinn?« »Das ist überhaupt kein Unsinn«, entgegnete der gelassen. »Habt ihr euch nicht gewundert, wie uns Mrs Stevens in der Küche, völlig aus dem Zusammenhang gerissen, gefragt hat, ob wir die Wet Boys sind? Als wir ihr darauf keine Antwort ga ben, ist sie sogar richtig sauer geworden.« »Das stimmt«, müsste Bob eingestehen und rieb sich seine müden Augen. »Als sie Luke, Frank und Bart gestern vor der Haustür traf, wollte sie von den dreien genau das Gleiche wissen. Da regt sich doch der Verdacht, dass sie ganz gezielt in Erfahrung zu bringen versucht, wer sich hinter den Wet Boys verbirgt.« »Wer sich hinter den Wet Boys verbirgt?«, wiederholte Bob. »Du meinst, dass Mrs Stevens weiß, dass es hinter den offiziel len Wet Boys noch die wahren Wet Boys gibt, sie aber nicht weiß, wer das ist?« »Ganz genau!« Der Erste Detektiv blickte überlegen in die Runde. »Aber ich vermute, dass sie diese Information für einen anderen einzuholen versucht. Für den großen Unbekannten, dem diese Information als Druckmittel fehlt, um Al Parker erpressen zu können, und der ihn stattdessen mit dem VoodooZauber in die Knie zwingen will.« »Aber bisher stand hinter den Voodoo-Anschlägen keine Forderung«, bemerkte der Produzent. »Das kommt noch. Da bin ich ganz sicher«, sagte Justus. »Wenn wir Mrs Stevens schon nicht aufsuchen können, wäre es sehr hilfreich, wenn du mal in deinem Gedächtnis kramen würdest. Vielleicht gibt es doch jemanden, der diesen ganzen Bühnenzauber veranstalten würde, um dich einzuschüchtern.« Al Parker schloss seine Augen und dachte scharf nach. »Tut 93
mir wirklich Leid, Jungs, aber ich glaube, dass ihr mit euren Vermutungen auf dem Holzweg seid. Sosehr ich auch darüber nachdenke, zutrauen würde ich diese miesen Anschläge wirk lich keinem.« Er stand auf. »Wollt ihr noch Kaffee?« Als die drei ??? verneinten, nahm er seine Tasse und ging zum Herd. Plötzlich schrie der Musikproduzent auf. Der Kessel entglitt seiner Hand, heißes Wasser spritzte und der Kessel polterte auf den Boden. »Needle! William Needle!«
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70 : 30 Al Parker lief zum Spülbecken und ließ kaltes Wasser über seine Hände laufen. »Needle. William Needle! Wie konnte ich den nur vergessen!« »Wer um alles in der Welt ist William Needle?«, fragte Bob. Der Produzent kehrte zum Küchentisch zurück und ließ sich auf den Stuhl fallen. »Tja, wie soll ich euch das erklären?« »Versuch es doch einfach«, schlug Peter aufmunternd vor. »Vor einem Jahr lernte ich diesen Typen in der Sauna ken nen. Ihr wisst doch, jeden Donnerstag, Punkt 17 Uhr, ist bei mir Saunatag. Man kann die Uhr danach stellen.« »Das wissen wir«, drängte der Erste Detektiv zur Eile. »Er zähl weiter!« »Nun ja, ich kam mit diesem Mann ins Gespräch und wäh rend dieser Unterhaltung schien es, als hätten wir eine Menge Gemeinsamkeiten. Als ich Needle erzählte, dass ich Musikpro duzent bin, zeigte er sich maßlos begeistert und fragte mich, ob er mich nicht mal in meinem Studio besuchen könne, da ihn diese Berufssparte wahnsinnig interessiere. Ich hatte natürlich nichts dagegen und verabredete mich mit ihm gleich für den nächsten Tag.« »Und dann?«, fragte Peter ungeduldig. »Das ist eigentlich eine lange Geschichte. Aber ich probiere es mal im Telegrammstil: William kam in mein Studio und hatte Tausende von Ideen, die er musikalisch gerne umsetzen wollte.« »Was waren das für Ideen?«, unterbrach Bob und erntete darauf einen vorwurfsvollen Blick von Peter. »Na ja«, korrigierte sich der Produzent. »Eigentlich waren es eher Vorschläge. Textvorschläge für Countrymusic. Von der hatte ich mich aber längst verabschiedet. Das machte ich ihm auch klar und zeigte ihm stattdessen die Rohentwürfe meines neuesten Projekts: das zweite Studioalbum der Wet Boys. 95
William Needle war sofort Feuer und Flamme. Er beklagte sich sogleich, dass er arbeitslos sei und mir während seiner Freizeit gerne mal über die Schulter schauen würde. Da er mir sympa thisch war, hatte ich nichts dagegen einzuwenden. Und das hätte mich beinahe meinen Kopf gekostet!« »Wie meinst du das?«, wollte Justus wissen. »Nun ja«, fuhr Al Parker fort. »Mit der Zeit gewährte ich William Needle immer tiefere Einblicke in das Projekt und plötzlich fing er an, meine Arbeit auf das Übelste zu kritisieren. Meine Texte waren angeblich saumäßig schlecht, die Harmo nieläufe in der Musik klängen unprofessionell und vom Trend her würde ich geschmacklich voll danebenliegen!« »Das hast du dir doch wohl nicht bieten lassen?«, rief Peter. »Leider viel zu lange«, gestand der Produzent. »Doch eines Tages konnte ich diese negative Energie um mich herum nicht länger ertragen. Ich habe diesen Kerl kurzerhand vor die Tür gesetzt.« »Ein weiser Entschluss.« »Wie man’s nimmt, Justus. Denn eines Tages, es war etwa vier Wochen später, erhielt ich von meiner Music-Company die Kopie eines seltsamen Briefes. Der Absender war, ihr könnt es euch sicher denken, William Needle.« »Was stand in dem Schreiben?«, wollte Peter wissen. »Ihr werdet es mir nicht glauben: William Needle behauptete in dem Brief steif und fest, dass er an der zweiten Wet-BoysCD maßgeblich beteiligt war und das Projekt ohne seine Mit hilfe niemals zustande gekommen wäre. Zwischen ihm und mir wäre eine mündliche Vereinbarung getroffen worden, in der ich ihm fünfzig Prozent aller eingehenden Gewinne zugesagt hätte.« »Das ist doch wohl ein Witz!« Peter war fassungslos und knabberte nervös an seinem Daumennagel. »Das dachte ich anfangs auch. Doch William Needle war die Sache ernst. In dem Schreiben wagte er sogar die Behauptung 96
aufzustellen, dass siebzig Prozent der gesamten Wet-Boys-CD auf seine Mitarbeit zurückzuführen wäre. Nach dieser Rech nung war ich an der ganzen Produktion nur zu dreißig Prozent beteiligt!« »Ein typischer Fall von Größenwahn und Freundschaftsmiss brauch!«, machte Bob seiner Erregung Luft. »Wie ist die Sache denn ausgegangen?« »Meine Company hat sich zum Glück hinter mich gestellt und William Needles Forderungen vehement abgeschmettert. Das nützte aber nicht viel, denn das Projekt wurde gleichzeitig auf Eis gelegt. Ich habe das Masterband in die Schublade ge steckt und bis heute nicht mehr hervorgeholt.« »Wieso das denn?«, fragte Peter überrascht. »Rechtlich stand dieser Needle doch mit dem Rücken zur Wand. Oder etwa nicht?« »Das ist schon richtig«, erwiderte Al Parker. »Doch ich stand vom juristischen Standpunkt aus gesehen nicht besser da. Wäre diese CD veröffentlicht worden, hätte er mit einer einstweili gen Verfügung erreichen können, dass sie bis zur Klärung der Rechtslage vom Markt gezogen wird. Und ihr wisst doch, wie sehr sich Gerichtsprozesse in die Länge ziehen können. Das war mir der ganze Aufwand nicht wert. Das vorläufige Ende vom Lied war, dass ich ein völlig neues Wet-Boys-Projekt in Angriff genommen habe und William Needle leer ausgegangen ist. Doch damit gab sich dieser Blutsauger noch immer nicht zufrieden! Er tauchte in meinem Studio auf und verlangte von mir eine Entschädigung in Höhe von zweihundertfünfzigtau send Dollar!« »Wofür denn das?« Bob fasste sich verstört an den Kopf. »Seiner Ansicht nach wäre das der Mindestanteil gewesen, der ihm nach seinen Vorstellungen zugeflossen wäre, wenn diese CD veröffentlicht worden wäre.« »Aber das ist doch wahnsinnig!«, rief Peter. »Und aus eben dem Grunde traue ich dem Kerl auch diese 97
Wahnsinnstat mit den Voodoo-Puppen zu!« Fahrig fuhr sich der Produzent durch die Haare. »In William Needles Augen bin ich ein Mensch, der ihn um ein Vermögen gebracht hat. Ein Vermögen, das ihm nicht zustand und das niemals real existiert hat.« Der Erste Detektiv bemühte sich um einen sachlichen Ton fall. »Inwiefern war Needle denn in das Geheimnis eingeweiht, dass es die Wet Boys sozusagen zweimal gibt?« »Direkt darüber gesprochen haben wir eigentlich nie und Needle hat die Jungs auch nie persönlich zu Gesicht bekom men«, klärte Al Parker die drei ??? auf. »Weder die Playback models, noch die wahren Interpreten. Aber dass da irgendetwas nicht stimmte, muss er mit seiner feinen Nase schon gerochen haben. Denn als er später bei mir auftauchte und von mir die zweihundertfünfzigtausend Dollar verlangte, kündigte er mir an, dass er in seinem Ärmel noch eine Trumpfkarte gegen mich hätte, die er erst zum Schluss gegen mich ausspielen werde. Ich habe das für einen Bluff gehalten und ihn ein für alle Mal aus meinem Haus gewiesen.« »Dieses Masterband, das damals auf Eis gelegt wurde, befin det sich also noch immer in deinem Besitz, richtig?«, hakte Bob interessiert nach. »Allerdings«, bestätigte der Produzent. Und als wäre es eine Aufforderung gewesen, verließ er die Küche und eilte mit hastigen Schritten in sein Musikstudio. Justus, Peter und Bob folgten ihm. Al Parker ging auf einen Schrank zu, zog eine Schublade auf und wich Sekunden später entsetzt zurück. »Dieser Teufel …«, stammelte er. »Dieser verfluchte Teufel!« »Ich nehme an, das Band ist nicht mehr da. Habe ich Recht?« Justus trat einen Schritt näher. Der Produzent riss fassungslos weitere Schubladen auf und kam zu der bitteren Erkenntnis, dass er sich nicht geirrt hatte. Das Masterband war verschwunden. Mit zitternden Fingern griff Al Parker nach seinem Tabakbeutel. Seine innere Erre 98
gung war so heftig, dass er es kaum fertig brachte, sich eine Zigarette zu drehen. »Wo wohnt dieser Kerl, Al?«, fragte Justus. Der Produzent war jetzt geistig so abwesend, dass der Erste Detektiv seine Frage noch einmal wiederholen musste. »Zwei Straßen weiter«, kam es stockend über seine Lippen. »Lear-Road. Hausnummer siebzehn … wenn ich mich recht entsinne.« Justus warf einen Blick auf die Wanduhr und sagte gelassen: »Wir werden jetzt in aller Seelenruhe frühstücken, Al. Essen hält Leib und Seele zusammen.« Der Produzent zog hastig an seiner Zigarette. »Ich werde keinen Bissen runterkriegen!« »Das ist doch Schwachsinn!«, rief Bob Al Parker zur Ver nunft. »Du musst jetzt einen kühlen Kopf bewahren!« »Was nützt mir das?«, erwiderte er aufgebracht. »Mir sind die Hände gebunden! Ich bin von Vampiren umgeben, die mich allesamt aussaugen! Und ich kann nichts dagegen unterneh men.« »Irrtum, Al.« Justus rieb sich die Hände. »Nach dem Früh stück werden wir deinem ehemaligen ›Mitarbeiter‹ William Needle auf die Pelle rücken. Und falls er tatsächlich hinter diesen heimtückischen Voodoo-Anschlägen stecken sollte, wird er sein blaues Wunder erleben!«
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In der Puppen-Werkstatt Die Kirchturmuhr schlug gerade sieben, als Justus, Peter und Bob in der Lear-Road vor dem Haus mit der Nummer siebzehn ankamen. Ein vergilbter Aufkleber, auf dem mit einem Filzstift der Name ›Needle‹ gekritzelt war, haftete neben dem Klingel knopf. Ohne zu zögern, drückte der Erste Detektiv auf die Klingel. Die drei ??? rechneten eigentlich damit, dass es einige Zeit dauern würde, bis sich Mr Needle aus dem Bett gequält hatte. Zu ihrem Erstaunen wurde die Tür aber schon nach wenigen Sekunden aufgerissen. Vor ihnen stand ein untersetz ter Mann, dessen spärlicher Haarwuchs und die auffällige Designer-Brille sofort ins Auge fielen. Er war mit einem Blazer bekleidet und trug unter seinem Arm eine kleine Aktentasche. Offenbar befand er sich gerade im Aufbruch. »Ja?«, fragte er knapp und würdigte sie kaum eines Blickes. »Guten Morgen«, flötete Justus in seinem freundlichsten Tonfall. »Sind Sie William Needle?« Der gedrungene Mann zwinkerte nervös mit seinen Augen. »Was geht euch das an?« Mit einer übertriebenen Geste zog Peter aus seiner Jackenta sche einen Notizblock mit Bleistift. »Wir kommen von der Schülerzeitung und machen eine Umfrage. Deshalb gestatten Sie uns nur eine Frage: Kennen Sie die Wet Boys?« William Needle reagierte sofort. »Diesen Kinderkram lasst mal schön bleiben, Jungs. Al Parker hat euch zu mir geschickt. Stimmt’s oder habe ich Recht?« »Wie … wie kommen Sie denn darauf?«, fragte Peter per plex. »Ich bin nicht blöd und noch immer in der Lage, eins und eins zusammenzuzählen. Leider muss ich euch enttäuschen. Aus mir werdet ihr keine Infos herausbekommen. Die Schritte, die ich jetzt gegen Al Parker unternehmen werde, gehen nur ihn und mich etwas an. Das Recht steht auf meiner Seite.« 100
William Needle griff nach seinem Haustürschlüssel und steckte ihn von außen ins Schloss. »Meinen Sie denn nicht, dass man sich noch gütlich einigen kann?«, fragte Bob vorsichtig. »Ich verstehe nicht, worauf ihr eigentlich hinauswollt«, rea gierte Mr Needle barsch. »Um acht Uhr habe ich einen Termin mit meinem Anwalt. Er wird mir ein Schriftstück aufsetzen, das ich Al Parker anschließend persönlich aushändigen werde. Dieser Lump kann sich dann überlegen, wie er aus der Sache herauskommt. Das ist dann nicht mehr mein Problem. Richtet ihm das bitte aus.« Er zog die Tür hinter sich ins Schloss und drehte den Schlüssel zweimal um. Dann ging er zu seinem Auto, setzte sich hinein und brauste mit quietschenden Reifen davon. Die drei ??? sahen dem Wagen nach, bis er in der Ferne verschwunden war. »Dieser eiskalte Fisch hat uns gehörig abblitzen lassen«, em pörte sich der Dritte Detektiv. »Was machen wir denn jetzt?« »Stellt euch hinter mich und gebt mir Rückendeckung, Kol legen.« Peter zog seinen Schlüsselbund aus der Tasche und schob, ehe Justus und Bob etwas erwidern konnten, den Diet rich fachmännisch in das Schloss von William Needles Haus tür. Bob blickte sich besorgt nach allen Seiten um. Er musste aber zu seiner Beruhigung feststellen, dass sich zu dieser frü hen Stunde noch keine neugierigen Passanten auf der Straße befanden. Mit einem leisen Klicken sprang die Haustür auf. Ein Lä cheln huschte über Peters Gesicht, ehe er mit seinen Freunden unauffällig die Wohnung betrat und die Tür hinter ihnen schloss. Der weiche Teppich schluckte jeden ihrer Schritte, als sie das Wohnzimmer betraten, in dessen Mitte ein großer Ar beitstisch stand. Neugierig traten die drei ??? näher und blick ten mit Entsetzten auf die Utensilien, die dort ordentlich zu sammengelegt auf der Tischplatte lagen: vier Stücke Jutestoff, die auf die Größe eines Geschirrhandtuches zugeschnitten 101
waren, zwei Garnspulen mit braunem Baumwollgarn, ein Korb mit Maisstroh sowie eine Sattlernadel und Zuschneideschere. »Kollegen …« Justus wagte kaum zu atmen. »Wir befinden uns mitten in der Höhle des Voodoo-Priesters. Dies ist seine Puppenwerkstatt! William Needle steckt also tatsächlich dahin ter. Dieser Mensch muss wirklich krank sein.« Der Erste De tektiv griff nach einem Jutelappen und ließ ihn durch seine Finger gleiten. »Just«, warnte Peter. »Du solltest davon besser nichts anfas sen. Wahrscheinlich merkt dieser Typ sofort, dass wir in seiner Wohnung waren, wenn auch nur eines dieser Teile um einen Millimeter verschoben wurde!« Bob sah sich interessiert in dem spärlich eingerichteten Wohnzimmer um. In einer Ecke des Raumes lagen auf dem Fußboden einige Hanteln. Daneben stand eine Yuccapalme in einem braunen Tontopf, die anscheinend schon lange nicht mehr gegossen worden war. Ansonsten lag vor der Gasheizung nur noch eine schwarze, längliche Holzkiste, deren Deckel zugeklappt war. Der Dritte Detektiv ging langsam auf sie zu, kniete sich auf den Boden, und öffnete vorsichtig den Deckel. Er warf einen Blick in die Kiste und erstarrte. »Justus … Peter … Das … glaube ich nicht … Seht euch das an.« Bobs Stimme bebte. Der Erste und der Zweite Detektiv kamen mit klopfendem Herzen näher und begutachteten mit Entsetzen den Inhalt der Kiste. Darin lagen ein schwarzes Spitzenkleid und eine grau haarige Frauenperücke, auf der ein kleines Hütchen mit einem schwarzen Schleier festgesteckt war. Daneben stand ein Paar braune Stöckelschuhe. Von einem schwarzen Lederbeutel halb verdeckt befand sich auch das Masterband in der Holzkiste. »Ich fasse es nicht.« Peter blickte ungläubig auf die Klei dungsstücke, von denen ein eigenartig süßlicher Geruch auf stieg, und sah dann seine Freunde irritiert an. »William Needle und Jessica Stevens sind also ein und dieselbe Person! Da wäre 102
ich nie im Leben drauf gekommen! Dieser Kerl hat sich in Frauenklamotten gezwängt und Al Parker in dieser Verklei dung weismachen wollen, dass er es mit einer erfahrenen An thropologin zu tun hat, die ihn vor den bösen Voodoo-Mächten beschützen kann.« »Von wegen beschützen«, korrigierte Justus. »Jessica Ste vens’ Rolle sollte einzig und allein den Zweck erfüllen, Al Parker von dem Voodoo-Zauber zu überzeugen, um ihn gefü gig zu machen.« »Aber wozu?«, fragte Bob. »Das liegt doch auf der Hand. Immer wieder betonte William Needle, in der Maske der Anthropologin, dass der VoodooTerror erst abgewendet werden kann, wenn Al Parker endlich eine alte Schuld begleicht. William Needle erhoffte sich damit, dass der Produzent seiner angeblichen Zahlungsverpflichtung nachkommt.« »Das ist doch absolut illusorisch«, warf Peter ein. »Wenn Al Parker schon früher gewusst hätte, dass William Needle hinter dieser Voodoo-Geschichte steckt, hätte er den ganzen Zauber doch von Anfang an durchschaut und diesen komischen Stoff puppen nicht die geringste Bedeutung beigemessen.« »Da bin ich mir nicht sicher, Kollegen. Momentan interes siert mich jedoch weitaus mehr, was sich in diesem Säckchen da befindet.« Justus griff in die Holzkiste und zog aus ihr den kleinen schwarzen Lederbeutel hervor. Neugierig schüttelte er den gesamten Inhalt auf den Teppichboden. »Was haben wir denn da?« Neben einigen kleinen Glasfläschchen lag auch der metallene Sprechapparat, der für die Jessica-StevensVerkleidung ein unverzichtbares Zubehörteil war. Der Dritte Detektiv nahm das Gerät in seine Hand und be trachtete es eingehend von allen Seiten. »Dieser raffinierte Fuchs hat auch wirklich an alles gedacht! Natürlich musste er davon ausgehen, dass Al Parker seine Stimme erkennen würde; selbst wenn er sie noch so gut verstellt hätte. Durch diesen 103
Apparat hier hat er das Problem geschickt gelöst!« Justus griff unterdessen nach einem der Glasfläschchen, die ebenfalls aus dem Beutel gefallen waren, und inspizierte neu gierig das Etikett. »Diese Ratte!«, entwich es ihm impulsiv. »Diese elende Ratte!« Peter und Bob sahen Justus fragend an. »Was hast du, Er ster?« Justus hielt ihnen das kleine Fläschchen entgegen. »Dieser hochbrisante Inhalt wird dafür sorgen, dass William Needle für einige Jahre ins Zuchthaus wandert!«
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Showdown Bob griff ebenfalls nach einem Fläschchen. Auf dem Etikett stand PANIPHARM. Er reichte es an Peter weiter. Der Zweite Detektiv öffnete den Schraubverschluss und hielt seine Nase an die Öffnung »Mit meiner Allgemeinbildung steht es in diesem Fall nicht zum Besten, Just. Könntest du uns mal aufklären, was dieses Fläschchen enthält? Panipharm sagt mir leider gar nichts.« »Onkel Titus hat dieses Medikament vor ein paar Monaten von seinem Arzt verschrieben bekommen. Ich muss gestehen, dass ich euch über die Zusammensetzung nicht viel sagen kann, dennoch sind mir die Anwendungsgebiete und die Wir kung geläufig.« Der Erste Detektiv griff nach dem Lederbeutel und ließ das Sprechgerät und die Medikamentenfläschchen wieder darin verschwinden. »Dann lass dich nicht lange bitten, Just«, drängte Peter. »Ich will hier raus aus der gruseligen Kammer und zwar so schnell wie möglich!« »Panipharm wird in der Regel Patienten verabreicht, die un ter einem zu niedrigen Blutdruck leiden«, erklärte Justus in schulmeisterlichem Tonfall. »Dieses Präparat bringt die Herz pumpe wieder in Schwung und dementsprechend den Kreislauf wieder auf Trab. Onkel Titus hatte vor ein paar Tagen aus Versehen die doppelte Anzahl Tropfen zu sich genommen und bekam plötzlich heftigstes Herzrasen. In seiner Panik begann er nach Luft zu schnappen. Doch das hektische Atmen ver schlimmerte seine Situation nur noch, da der Sauerstoffgehalt seines Blutes dadurch rasch anstieg. Man nennt dieses Phäno men Hyperventilation. Durch den sehr hohen Sauerstoffgehalt im Blut kommt es zu Übelkeit, Schwindel und dem Gefühl einer Ohnmacht nahe zu sein, was die Panik meistens noch verschlimmert!« »Langsam dämmert es mir«, murmelte Peter. »Unter densel 105
ben Symptomen litt doch auch Al, nachdem ihm Needle diese Puppen zugespielt hatte!« »Dann verursachte also der Inhalt dieser Fläschchen Als Pa nikanfälle. William Needle hat den Produzenten in der Kombi nation Voodoo-Puppe und Panipharm auf den Horrortrip ge schickt!«, rief Bob. »Ihr habt es erfasst!«, lobte Justus seine beiden Detektivkol legen. »Die Frage stellt sich nur, wie dieser Mann es anstellte, dass die Wirkung des Medikaments genau in dem Moment hinsetzte, als Al mit diesen Puppen in Kontakt kam. Doch das ist nicht das einzige Rätsel.« Der Erste Detektiv warf einen Besorgten Blick auf die Uhr. »Uns bleibt nicht mehr viel Zeit, bevor William Needle bei Al Parker eintrifft, müssen wir Un bedingt vor Ort sein! Ich habe das sichere Gefühl, dass dieser Irre heute in die Offensive gehen wird. Und das ist unsere Gelegenheit, Needle zu überführen und ihn der Polizei ans Messer zu liefern!« »Und wie sollen wir das anstellen, Erster?«, wollte Bob wis sen. »Wie ich dich kenne, hast du dir schon einen todsicheren Plan zurechtgelegt.« Justus lächelte triumphierend. »William Needle wird es noch bitter bereuen, dass er die Voodoo-Religion für seine materiali stischen Zwecke missbraucht hat! Ich denke, dass es an der Zeit ist, diesen skrupellosen Verbrecher am eigenen Leib spü ren zu lassen, was es heißt, wirklich Angst zu haben.« Peter fühlte sich bei dem Gedanken unwohl. »Wir sollten es nicht übertreiben, Just. Ich glaube zwar nicht an den ganzen Hokus pokus, trotzdem habe ich da einen gewissen Respekt. Auch wenn William Needle mit dieser Religion Schindluder treibt, sollten wir es ihm nicht gleichtun.« »Ich kann dich beruhigen, Zweiter.« Justus war zuversicht lich. »Die Voodoo-Götter werden den drei ??? auf ewig dank bar sein, dass wir einem Scharlatan wie William Needle ein für alle Mal das Handwerk legen.« 106
»Und wie stellen wir es diesmal an?«, fragte Bob. »Wir greifen einfach in die Trickkiste! Und dazu muss ich vorher unbedingt noch einmal mit Onkel Titus telefonieren!« Al Parker war an diesem Morgen die Nervosität in Person. Nachdem Justus, Peter und Bob ihm berichtet hatten, auf wel che Abgründe sie in William Needles Wohnung gestoßen waren, fiel ihm eine zentnerschwere Last von der Seele. Den noch überkam ihn eine große Unruhe, als ihn die drei ??? in ihren Plan einweihten, der den heimtückischen Gegenspieler endgültig zu Fall bringen sollte. Die Wanduhr im Studio schlug gerade neun Uhr, als der Zweite Detektiv, der am Fenster Wache hielt, blitzschnell zur Seite sprang und das alarmierende Zeichen gab: »William naht!« Peter und Bob krochen in Windeseile in die unteren Regal schränke, die der Produzent eigens zu diesem Zweck leer geräumt hatte, und zogen die Türen bis auf einen kleinen Sicht spalt zu. Al Parker setzte sich an sein Mischpult und ließ wie selbstverständlich den neuen Remix der Wet Boys abfahren. Er bemühte sich unter größten Anstrengungen, ein entspanntes Gesicht aufzusetzen. In diesem Moment betrat William Needle das Studio und blieb mitten im Raum stehen. »Hi«, kam es ausdruckslos über seine Lippen. Scheinbar überrascht drehte sich der Produzent in seinem Sessel um. »William, was willst du denn hier?« Needle verharrte noch immer regungslos im Raum. »Kannst du dir das nicht denken?« Al Parker stoppte die Musik. »Denken schon, aber ich kann es, ehrlich gesagt, nicht verstehen, dass du noch immer an dieser alten Geschichte festhältst. Warum lässt du nicht einfach los und beschäftigst dich mit wichtigeren Dingen, als einer Illusion nachzutrauern.« 107
»Zweihundertfünfzigtausend Dollar sind für mich keine Illu sion, Al. Und ich kriege mein Geld. Es bleibt dir gar keine andere Wahl.« William Needle zeigte keinerlei Gefühlsregung. »Du musst dich schon etwas genauer ausdrücken, wenn ich dich verstehen soll. Kann ich dir vielleicht einen schwarzen Tee anbieten?« Langsam trat William Needle näher. »Du bist noch immer der Alte. Pünktlich um neun zelebrierst du deine TeeZeremonie.« »Menschen verändern sich nicht, William. Das weißt du doch. Warum sollten sie es auch? Also was ist? Tee?« Einladend hob Al Parker die Kanne. »Warum nicht. Aber nur halb voll.« Der Produzent schenkte ein und schob William Needle den Becher über den Abstelltisch zu. »Du sprichst in Rätseln und hast mir noch immer nicht auf meine Frage geantwortet.« »Ich habe lange genug auf diesen Tag gewartet, Al. Das kannst du mir glauben. Da kommt es jetzt auf ein paar Minuten mehr oder weniger auch nicht mehr an.« William Needle griff nach seinem Becher. »Hast du vielleicht ein bisschen Zucker?« »Sicher doch.« Al Parker erhob sich aus seinem Sessel und ging in die Küche. Entsetzt beobachteten Peter und Bob von ihrem Versteck aus, wie William Needle sich vorsichtig umsah und aus seiner Westentasche ein kleines Fläschchen zog. Er schraubte den Deckel ab und kippte den gesamten Inhalt in den Becher des Produzenten. Schon hörte man Al Parker zurück kommen. »Ich dachte schon, der Zucker wäre mir ausgegan gen. Aber im Regal lag noch ein Päckchen!« Al Parker nahm wieder auf seinem Drehsessel Platz, während William Needle zwei Zuckerstückchen in seinen Becher fallen ließ. »Mir kannst du auch zwei Würfel reinwerfen«, brachte der Produzent locker über die Lippen. »Falls du einen Löffel suchst, hinter dir steht der Besteckkasten.« 108
William Needle drehte sich um und bediente sich. »Ich will die zweihundertfünfzigtausend Dollar, Al. Vorher werde ich nicht von hier verschwinden.« Er pustete in den heißen Tee und nahm einen Schluck. »Da kannst du lange warten«, erwiderte Al Parker gelassen und setzte seinen Becher ebenfalls an die Lippen. »Ich wüsste auch nicht, wie du mich dazu bewegen könntest.« »Ach nein?« William Needle lächelte süffisant und öffnete mit langsamen Bewegungen die kleine Aktentasche, die er mit festem Griff in seiner linken Hand hielt. Er zog daraus eine kleine Stoffpuppe hervor, deren Antlitz das Gesicht von Al Parker darstellte. Der Produzent starrte sein Gegenüber fassungslos mit weit aufgerissenem Mund an. »Du steckst also dahinter, Needle! Wie konntest du dich nur auf eine solch abscheuliche Sache einlassen?« »Ich bin mit dem Teufel im Bunde. Wusstest du das etwa nicht? Ich will meine Entschädigung, Al! Eine Entschädigung für die Träume und Hoffnungen, die du in mir erweckt und dann wieder zerstört hast! Ich habe den großen Vishnu ange fleht und ihn um seine Mithilfe gebeten. Es liegt in deinen Händen, ob der Voodoo-Gott das Urteil vollstrecken wird.« William Needle zog aus der Innentasche seiner Weste ein zusammengefaltetes Papier und schob es Al Parker über den Tisch. »Was ist das?« »Eine Abtrittserklärung, die du mir unterzeichnen wirst. Für zweihundertfünfzigtausend Dollar wirst du dein schlechtes Gewissen freikaufen.« William Needle reichte dem Produzen ten einen Füllfederhalter. »Ich habe dir gegenüber kein schlechtes Gewissen, Needle. Du hast meine Offenheit und mein Vertrauen mit Füßen getre ten. Du hast kein Gefühl. Ich schulde dir gar nichts.« »O doch, das tust du. Zweihundertfünfzigtausend Dollar, Al. 109
Dem großen Vishnu wird es ein Vergnügen sein, dich ins Jenseits zu befördern.« Langsam und mit spitzen Fingern fasste William Needle in seine Westentasche und zog aus ihr eine lange Nähnadel. Bei ihrem Anblick begann Al Parker zu keuchen. »Ich werde die Nadel in die Puppe stechen, Al. Langsam und mit Hochgenuss.« Das Keuchen des Produzenten wurde immer heftiger. »Lass mich in Ruhe, Needle. Ich kriege keine Luft mehr!« Immer näher führte William Needle die lange Nadel an die Puppe heran. »Du wirst sterben, wenn du nicht unterzeichnest, Al. Qualvoll zugrunde gehen …« Peter und Bob konnten aus ihrem Versteck jede Einzelheit mitverfolgen und beobachteten schweißgebadet, wie Al Parker das Schriftstück auseinander faltete und langsam die Kappe des Füllfederhalters abschraubte. In diesem Moment durchfuhr William Needles Körper ein starkes Zucken. Quietschend öffnete sich die Tür des Aufnah meraums, in dessen Rahmen eine Gestalt im schwarzen Kleid verharrte, deren Gesicht unter einem dunklen Schleier verbor gen war. »Mrs Stevens!« Al Parker schrie gellend auf. »Ganz Recht«, drang es aus dem Sprechgerät. Auf ihren Ha kenschuhen kam die Gestalt langsam näher und bewegte sich auf William Needle zu. In ihren Händen hielt sie eine Stoff puppe und eine lange Nadel. »Du hast die Geister des Voodoo erzürnt, William! Und dafür wirst du büßen!« »Nein … Nein!« William Needle fasste sich schwer atmend an die Brust und rang nach Luft. Die Gestalt lachte böse. »Vishnu gerät in Zorn, wenn sich Ungläubige an seinen Symbolen vergreifen! Du hast die Macht der Puppen missbraucht, um dich mit ihrer Hilfe zu bereichern! Gib es zu!« William Needle sackte auf die Knie und schien beinahe zu 110
ersticken. »Spürst du, wie die Schmerzen deines Opfers auf dich über gehen? Ich werde die Nadel in die Puppe stechen, wenn du nicht endlich redest!« Die Gestalt kam immer näher. »Was willst du denn wissen?« William Needle schrie wie von Sinnen. »Mit welchen Geistern brachtest du die Puppe auf dem Herd zum Kochen?«, drang es blechern aus dem Sprechgerät. »Ant worte!« William Needle krümmte sich. Ihm standen die Tränen in den Augen. »Keine Geister! Das war doch nur eine Zeitschalt uhr!« Augenblicklich stockte er. »Darauf hätte ich eigentlich auch von selbst kommen kön nen«, sagte Justus und zog sich die Perücke mit dem Schleier vom Kopf. »Auf die naheliegendsten Dinge kommt man eben immer erst etwas später!« Bob kroch aus dem engen Schrank und richtete sich ächzend auf. »Du kannst rauskommen, Peter! Der Show down ist gelaufen!« William Needle lag fassungslos auf dem Boden. Die Wir kung des Medikaments hatte bereits nachgelassen. Nun kroch auch Peter aus dem Schrank und baute sich lachend vor Justus auf. »Wenn dich Tante Mathilda so sehen könnte, Just! In diesem Kleid siehst du beinahe wie ihre jüngere Schwester aus!« »Das hast du großartig gemacht, Justus! Alle Achtung, gratu liere!« Al Parker ging auf Justus zu und schloss ihn begeistert in seine Arme. Der Erste Detektiv strahlte. »Dieses Kompliment kann ich nur erwidern, Al! So geschickt, wie du die beiden Teebecher ausgetauscht hast, das verdient schon allerhand Respekt!« »Dein Glück, Al! William Needle hat dir nämlich ein ganzes Fläschchen Panipharm in den Becher geschüttet. Ich dachte schon, der wollte dich umbringen!« 111
»Unsinn, Zweiter!« Justus schlüpfte aus den unbequemen Stöckelschuhen. »Panipharm ist in keinem Falle tödlich!« »Wozu war denn aber diese hohe Dosierung notwendig?«, fragte Peter und warf William Needle einen verächtlichen Blick zu. »Das kann ich dir genau erklären.« Ächzend entledigte sich der Erste Detektiv des schwarzen Kleides, dem noch immer der süssliche Geruch des Damenparfüms anhaftete. »Onkel Titus hat mir Folgendes erzählt: Wenn man auf die genaue Anzahl der Tropfen achtet, im Regelfalle sind es meistens zehn, be ginnt die Herzpumpe nach dreißig Minuten auf Trab zu kom men. Heute aber wollte William Needle, dass die Wirkung schneller eintritt. In den anderen Fällen konnte er sich jedes Mal pünktlich auf das Einsetzen des Herzrasens verlassen. Diese genaue Zeitangabe ermöglichte es ihm, auf die Minute vorauszuplanen, wann er Al Parker die Puppen zuspielen muss te. Das war ja auch ganz einfach, da unser Produzent seine festen Zeiten hat, in denen er seinen Tee zu sich nimmt. Die Teebeutel hatte Needle lange vorher mit Panipharm präpariert. Er wusste außerdem, dass Al Parker ausschließlich grünen Tee zu sich nahm, der den meisten seiner Gäste aber nicht schmeckte. So konnte er ziemlich sichergehen, dass niemand anderes diese Brühe trank. Die giftigen Teebeutel in die Küche zu schleusen und vor jedem Anschlag heimlich auszutauschen stellte ebenfalls kein Problem dar, da die Haustür ja stets offen steht.« »Aber als die Puppe auf dem Herd kochte, hatte Al vorher keinen Tee getrunken. Da war es nämlich erst 15 Uhr, das weiß ich ganz genau!«, rief sich Bob ins Gedächtnis zurück. »Um diese Uhrzeit trinke ich aber täglich einen halben Liter Milch«, erklärte der Produzent. »Da bin ich spießig.« »Und diese Angewohnheit wird William Needle auch ge kannt haben«, vermutete der Erste Detektiv. »Tja, was lässt man sich für zweihundertfünfzigtausend Dollar nicht alles 112
einfallen!« »Dürfte ich denn zur Abwechslung auch noch mal etwas fra gen, Justus?« »Nur zu, Al!« »Wie hat es Needle geschafft, im Dunkeln die Stolperdrähte zu überwinden?« Der Zweite Detektiv blinzelte Al Parker zu. »Gehst du ei gentlich in deiner Freizeit hin und wieder mal ins Kino?« »Offen gestanden schaue ich lieber Video«, antwortete der Produzent. »Wieso fragst du?« »Es gab da mal einen Film mit Jodie Foster, in dem sie in einem dunklen Keller von einem Mann verfolgt wurde, der sie trotz absoluter Finsternis immer wieder aufspüren konnte.« »Wie war das möglich?«, fragte Al. »Leider habe ich diesen Film noch nicht gesehen.« »Der Mann hatte ein Spezialteil bei sich, das wir auch in Wil liam Needles Holzkiste zwischen dem Kleid und der Perücke entdeckt haben. Eine Infrarotbrille! Ein sauteures Nachtsicht gerät der Spitzenklasse! Mit dem war es Needle gelungen, uns auszutricksen!« Justus warf einen Blick auf die Standuhr und grinste. »Gleich ist es zehn. Das ist genau der richtige Zeitpunkt, um Inspektor Cotta in seiner Frühstückspause zu stören. Ich werde ihn jetzt anrufen und ihm mitteilen, das William Needle umgehend aus dem Verkehr zu ziehen ist! Er kann ihn direkt hier abholen!« Al Parker war begeistert. »Und ich telefoniere anschließend gleich mit Bart, Luke und Frank! Die Wet Boys werden kur zerhand aus dem Programm gekippt. Ich werde mit den Jungs ein neues Ding aufziehen! Das Einzige, was mir fehlt, ist ein zündender Name.« Der Produzent blickte Justus, Bob und Peter fragend an. »Was haltet ihr von ›Die drei ???‹?« Justus winkte mit einer großen Geste ab. »Vergiss es, Al! Dieser Name ist geschützt! Darauf haben wir ein Copyright auf Lebenszeit!« 113