Die blutige Gräfin
von Günther Herbst scanned by : horseman kleser: Larentia Version 1.0
Es war ein rauschendes Hochz...
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Die blutige Gräfin
von Günther Herbst scanned by : horseman kleser: Larentia Version 1.0
Es war ein rauschendes Hochzeitsfest gewesen, von dem man noch lange sprechen würde. Mehr als zweihundert Gäste hatten sich auf Burg Falkenberg versammelt. Zehn Ochsen und Dutzende von Laiben edlen Weißbrots waren in hungrige Mägen gewandert, ungezählte Fuder Wein und Met durch durstige Kehlen geflossen. Zwei berühmte Troubadoure aus der Provence hatten die Feiernden mit ihrem herrlichen Gesang erfreut. Es war eine wahre Freude gewesen, wie sich alle belustigt und amüsiert hatten. Auf Helmbrecht von Falkenberg jedoch, den Burgherren,
wartete noch ein Vergnügen, das alle anderen Lustbarkeiten weit in den Schatten stellte: die Hochzeitsnacht mit seiner ihm angetrauten Gemahlin. Ungeduldig harrte er des Augenblicks, in dem er den jungfräulichen Leib der traumschönen Birgitta endlich in seine Arme schließen konnte. Dazu jedoch würde es niemals kommen, denn noch in dieser Nacht sollte Graf Helmbrecht von Falkenberg den Tod finden...
Helmbrecht lag auf dem mit feinstem Linnen ausgeschlagenen Lager des gräflichen Schlafgemachs und wartete. Aber Birgitta kam noch nicht. Sie war hinausgetreten auf den Erker und blickte hinunter auf den Burghof, von dem das Gelächter der letzten noch feiernden Festgäste nach oben drang. »Geliebte«, rief Helmbrecht, »wo bleibst du denn? Komm endlich ins Bett!« Birgitta antwortete nicht, obgleich er sich ganz sicher war, daß sie ihn gehört hatte. Leichter Unmut wallte in ihm hoch. Was stand sie da draußen herum und ließ ihn mit seinem Sehnen nach ihrer Liebe allein? Wußte sie nicht, daß sie ihm Gehorsam zu erweisen hatte, wenn er diesen von ihr verlangte? Abermals rief er ihren Namen und wiederholte sein Begehr abermals vergeblich. Helmbrechts Unmut verwandelte sich in Ärger. Ein mächtiger Markgraf wie er war es wirklich nicht gewohnt, daß man ihn mit Nichtachtung und Unbotmäßigkeit strafte. Böse Falten gruben sich auf seiner Stirn ein, als er sich vom Bett schwang und zur offenstehenden Erkertür hinüberging. Da stand Birgitta. Sie drehte sich nicht um, als sie ihn hinter sich hörte, sondern fuhr fort, auf den Hof hinunterzublicken. »Birgitta!« Jetzt erst wandte sie langsam den Kopf und sah ihn an. Der Feuerschein vom Hof tauchte ihr Gesicht und ihre Gestalt in rosiges Licht. Helmbrechts Ärger verflüchtigte sich sofort, als er sie in ihrer ganzen Schönheit so vor sich stehen sah. Das ebenmäßige, stolze Gesicht, umwallt von schulterlangem Blondhaar, das aussah wie gesponnenes Gold, der makellos gewachsene Körper, schlank und biegsam wie eine Tanne, der prächtige, hoch angesetzte Busen, das milchige Weiß ihrer Haut - dies alles machte es ihm unmöglich, ihr ernstlich böse zu sein. Ihr Blick war dazu angetan, selbst einen Stein zum Schmelzen zu bringen. Und sein Herz war nicht aus Stein. »Birgitta«, sagte er wieder und trat mit ausgestreckten Armen auf sie zu. Er versuchte, sie in seine Arme zu ziehen, aber sie wich einen
Schritt zurück. »Nicht hier, Helmbrecht«, wehrte sie ihn ab. »Die Gäste können uns von unten sehen.« Das konnten sie in der Tat. Mehrere der Feiernden blickten schon nach oben. Ritter Armbold winkte mit einer gerösteten Schinkenkeule, zwei andere Getreue hoben ihre Trinkbecher. Aber das kümmerte Helmbrecht nicht im mindesten, und auch die Tatsache, daß er sich bereits des größten Teils seiner Kleidung entledigt hatte, machte ihm überhaupt nichts aus. Ein Hundsfott und Dummkopf, wer etwas dabei fand, daß er der Jungfernschaft seiner Angetrauten ein lustvolles Ende zu bereiten gedachte. »Was scheren uns die Gäste?« fragte er deshalb. »Ich bin der Graf von Falkenberg und tue und lasse, was mir beliebt!« Wieder griff er nach ihr. Zwar versuchte Birgitta erneut, ihm auszuweichen, aber es gelang ihr nicht, weil ihr die Erkerbrüstung im Wege war. Seine Hände schlossen sich um die schwellenden Brüste seiner Gemahlin. Er fühlte ihr köstliches Gewicht und spürte, wie das Feuer in seinen Lenden erwachte. »Komm, Geliebte«, sagte er heiser. »Gehen wir ...« »Laß mich los«, zischte Birgitta und machte dabei ein Gesicht, als sei er der letzte Stallknecht, an dessen Händen noch der Mist der Schweine klebte. Helmbrecht dachte nicht daran, sie freizugeben. Lange, zu lange schon, hatte er auf diese Nacht gewartet. Und der Teufel sollte ihn holen, wenn er noch länger auf das verzichtete, was ihm nun auch rechtens zugesprochen war. Fester noch als zuvor umspannte er Birgittas Brüste und zog die herrliche Frau dichter an seinen liebesbereiten Körper. »Loslassen«, sagte Birgitta zum zweiten Mal, und ihre Stimme klang dabei scharf und schneidend wie ein Schwert. Helmbrecht von Falkenberg wußte nicht genau, ob er wütend werden oder lachen sollte. Die Situation war peinlich und lächerlich zugleich. Wenn die Feiernden merkten, daß sich ihm seine Gemahlin verweigerte ... Das trug nicht dazu bei, sein Ansehen zu erhöhen, und
wenn er dreimal der Markgraf war. Grobheit schien ihm angebracht. Einmal, um den Männern dort unten zu zeigen, wie man mit einer widerspenstigen Frau umsprang. Zum zweiten aber auch, um diese Posse zu beenden. »Mir reicht es jetzt, Weib!« herrschte er seine Angetraute halblaut an. »Du kommst jetzt sofort mit mir ins Schlaf gemach und ...« »Nein!« Helmbrecht blickte in Birgittas Augen. Und er spürte, wie ihn ein Schauder durchlief. Kein heißer Schauder der Begierde und Lust, sondern ein eisiger Schauder plötzlicher Furcht. Ein Feuer loderte in Birgittas bernsteinfarbenen Augen, ein Feuer, das ihn zu verschlingen und zu verzehren drohte. Helmbrecht wollte den Blick abwenden. Aber er spürte, daß er dazu nicht in der Lage war. Birgittas Augen hielten ihn fest, zogen ihn mit unheimlicher Macht in ihren Bann, machten ihn hilflos wie ein Reh, das die Wolfsmeute gestellt hatte. »Nimm deine Hände weg«, befahl Birgitta. Und Graf Helmbrecht von Falkenberg, der sonst niemandem gehorchte außer dem König - und diesem auch nur, wenn es sich ganz und gar nicht vermeiden ließ -, löste gehorsam die Hände von den Brüsten der Frau, die ihm auf einmal so fremd vorkam wie ein mörderisches Hunnenweib. Er nahm seine Hände nicht weg, weil er es wollte, sondern weil er es mußte, weil er einen Zwang spürte, dem er sich nicht widersetzen konnte, gegen den er nicht ankämpfen konnte. Er wollte etwas sagen, brachte jedoch kein Wort heraus. Seine Kehle war wie zugeschnürt, die Zunge wie gelähmt. Und noch immer waren Birgittas Augen auf ihn gerichtet, diese Augen, die das ewige Feuer der Hölle widerzuspiegeln schienen. Das teuflische Glühen verlor sich auch nicht, als die Gräfin jetzt lächelte und ihr Gesicht dabei engelhafte Züge annahm. »Liebst du mich, Helmbrecht?« fragte sie. Ihre Stimme klang jetzt nicht mehr scharf, sondern sanft und weich
wie ein Mooskissen, das den müden Wanderer zum Schlummer einlud. Aber Helmbrecht ließ sich dadurch nicht täuschen. Die Augen waren die wahre Birgitta, eine Birgitta, die er bisher nicht gekannt hatte, eine Birgitta, die er ganz sicherlich nicht liebte. Er wollte ihr dies sagen, aber er mußte zu seinem Entsetzen feststellen, daß er es nicht konnte. Statt dessen kamen ihm Worte über die Lippen, die ein anderer an seiner Stelle zu sagen schien. »Ja, ich liebe dich«, hörte er sich sagen. »Ich liebe dich von ganzem Herzen.« Das Lächeln seiner Gemahlin verstärkte sich. Offenkundige Belustigung kräuselte ihre Lippen. »Es freut mich, daß du mir deine Liebe gestehst, mein Gemahl«, erwiderte sie mit einem kurzen Auflachen. »Und sicher würdest du auch alles tun, um diese Liebe unter Beweis zu stellen, nicht wahr?« »Ja«, sagte Helmbrecht wider Willen, »ich würde alles tun, was du verlangst.« »Wirklich alles?« »Alles«, bestätigte der Graf. »Alles, was in meiner Macht steht.« Birgittas Augen leuchteten wie ein offenes Herdfeuer. Dunkle, alptraumhafte Gestalten schienen in den lodernden Flammen umherzutanzen, Gestalten, die Helmbrecht einen Schauder des Entsetzens nach dem anderen den Rücken hinunterjagten. »Gut«, sagte sie, »sehr gut. Du sollst Gelegenheit haben, mir deine Liebe zu beweisen. Klettere auf die Erkerbrüstung, und springe hinunter auf den Hof!« Helmbrecht glaubte, nicht recht zu hören. »Ich soll...?« Die Stimme versagte ihm. »Ja, das sollst du«, nickte Birgitta. »Und zwar sofort!« »Aber das ... Das wäre mein sicherer Tod«, stammelte der Graf. Der Burghof lag mehr als zwanzig Klafter unter dem Erker und war mit hartem Schiefergestein gepflastert. Kein Mensch konnte einen Sprung aus dieser Höhe überleben. »Ich weiß, daß du dabei den Tod finden wirst«, sagte Birgitta beinahe gleichmütig. »Dennoch bestehe ich darauf. Spring!«
Nein, wollte Helmbrecht sagen, nein, nein, nein! Aber er sagte es nicht. Sein Mund war wieder wie verschlossen, die Zunge gehorchte ihm nicht. Und er war auch nicht mehr Herr seines Körpers. Dieser machte sich selbständig, strebte wie von Geisterhand geführt zur Erkerbrüstung hinüber. Schon schnellte sein rechtes Bein hoch und schwang sich über die steinerne Schutzmauer. Verzweifelt bemühte sich Helmbrecht, gegen das wahnsinnige, selbstmörderische Geschehen anzukämpfen. Aber er stand dabei auf verlorenem Posten. Eine unheimliche Kraft beherrschte und lenkte ihn, eine Kraft, die stärker war als er und der er nichts entgegenzusetzen hatte. »Weiter«, hörte er Birgitta sagen. »Jetzt das andere Bein!« Helmbrecht stützte sich mit beiden Händen ab und zog das linke Bein nach. Im nächsten Augenblick hockte er auf der Brüstung wie die Henne auf dem Ei. Unten auf dem Hof war man auf sein ungewöhnliches Tun aufmerksam geworden. Helmbrecht sah vor Verblüffung aufgerissene Münder, spürte fassungslose Blicke auf sich ruhen. »Herr Graf, was tut Ihr?« drang die Stimme Ritter Armbolds an sein Ohr. »Seid Ihr trunken?« Nein, wollte Helmbrecht antworten, nicht der Wein ist schuld. Sie ist es, die mich treibt! Birgitta, meine engelgleiche Gemahlin, die in Wirklichkeit eine Tochter des Teufels ist. Aber natürlich sagte er nichts von alledem, denn dazu war er nicht fähig. Die unheimliche Macht hielt ihn unerbittlich in ihren Klauen, gab ihm keine Möglichkeit, das zu sagen oder zu tun, wonach sein eigenes Wollen so brennend verlangte. »Und nun ... Spring!« befahl Birgitta. Ihre Stimme war so leise, daß sie unten auf dem Hof nicht gehört werden konnte. Und doch war sie so zwingend, so unwiderstehlich, daß ihr der Graf gehorchen mußte. Er sprang ... *
Zwei Monde lang trauerte die Gräfin um den Verlust ihres heißgeliebten Gemahls. Dann war sie bereit, die Herrschaft über Falkenberg anzutreten. Und von diesem Tag an wurde alles anders im Lande ... * Seit Stunden schon ritten Roland und Volker vom Hohentwiel mit ihren Gefährten am Strom entlang, ohne einen Überweg zum anderen Ufer gefunden zu haben. Fast hatten sie den Eindruck, daß die Grafschaft Falkenberg unerreichbar war, obwohl man sie klar und deutlich dort drüben sehen konnte. Es schien, als schirmten sich die Falkenberger ganz bewußt gegen alle Fremden ab. »Letzten Endes wird uns nichts anderes übrigbleiben, als den Fluß schwimmend zu durchqueren«, stellte Ritter Volker fest und lachte dabei vergnüglich. Seine Worte riefen ungeahnten Schrecken hervor. Der dickliche Knappe Pierre fiel vor Entsetzen fast vorn Pferd. »Schwim ... men?« wiederholte er mit mehlgrauem Gesicht. »Das kann nicht Euer Ernst sein!« »Warum nicht? Oder solltest du dich fürchten, dir den dicken Hintern naß zu machen, Pierre?« »Das ist es nicht«, erwiderte der Knappe. »Aber bedenkt doch die reißende Flut des Stroms, die haushohen Wellen, die mörderischen Strudel, die eisige Kälte ...« »... die gewaltigen Flußdrachen und die teuflischen Wasserhexen«, fiel ihm Roland lachend ins Wort. »Du kannst aufhören zu jammern, Pierre. Eine halbe Meile flußaufwärts, drüben auf der anderen Seite, sehe ich etwas. Es könnte sich um eine Fährstation handeln.« Die anderen drei Männer blickten dorthin, wohin sein ausgestreckter Arm wies. Volker legte die Hand an die Stirn, um das Licht der schrägstehenden Sonne abzuwehren. »Du mußt vorzügliche Augen haben, wenn du dort etwas siehst, Freund Roland. Ich kann jedenfalls
nichts erkennen.« »Doch, doch, er hat recht«, sagte der Knappe Louis. »Auch ich kann die Station ausmachen.« Bevor Louis in die Dienste Rolands trat, war er ein Räuber gewesen, der den größten Teil seines Lebens in der Wildnis zugebracht hatte. Diese schwere Zeit hatte seine Augen geschärft. Genauso wie die seines Herrn, der ebenfalls größtenteils in der freien Natur aufgewachsen war. Volker und Pierre, die ihre früheren Jahre weniger entbehrungsreich verbracht hatten, konnten es in dieser Hinsicht nicht mit ihren Gefährten aufnehmen. Bald war für alle vier Männer ersichtlich, daß in der Tat ein Fährbetrieb aufrechterhalten wurde. Auf dieser Seite des Stroms befand sich eine Anlegestelle, die eigentliche Station am gegenüberliegenden Ufer. Und natürlich lag auch die Fähre drüben vor Anker. Gegenwärtig ließen sich weder hüben noch drüben andere Reisende blicken, die das Wassergefährt benutzen wollten. Roland und seine Freunde zügelten ihre Pferde vor der Anlegestelle und stiegen aus den Sätteln. Louis trat auf den Anlegesteg und ruderte mit den Armen. »Hol über!« ließ er seine Stimme erschallen. Seine Stimme war laut genug, um am anderen Ufer gehört zu werden. Es kam ein kurzer Bestätigungsruf, und wenig später legte die Fähre drüben ab. Es dauerte eine ganze Weile, bis das ochsenbetriebene Seilzugsystem die Fähre über den Fluß geführt hatte. Schließlich aber näherte sie sich doch dem Steg, auf dem die vier Gefährten mit ihren Pferden warteten. Mit einem gewissen Erstaunen nahm Roland zur Kenntnis, daß sich auf dem flachen, kiellosen Wassergefährt nicht nur die beiden Fährleute befanden. Auch vier Ritter fuhren auf der Fähre mit, harte, kampferprobte Recken, wie man auf den ersten Blick erkennen konnte. Der Raubvogel auf ihren Schilden wies sie als Getreue der Gräfin von Falkenberg aus. Es stand außer Zweifel, daß die vier Ritter keine Reisenden waren, die auf dieser Seite des Flusses
irgendwelche Dinge verrichten wollten. Sie hatten keine Pferde bei sich, beabsichtigten also, wieder mit der Fähre zurückzufahren. Auch Volker vom Hohentwiel war zu derselben Ansicht gelangt. »Die Falkenberger scheinen sehr höfliche Leute zu sein«, raunte er Roland zu. »Wo wird man sonst schon an der Landesgrenze von einer ritterlichen Abordnung empfangen?« Roland war sich nicht so sicher, daß es die reine Höflichkeit war, die die vier Ritter auf die Fähre geführt hatte. Erschreckende Gerüchte waren nach Camelot gedrungen, Gerüchte, in denen von Mord und Tod berichtet wurde, die in der Mark angeblich gang und gäbe sein sollten. Aus diesem Grund hatte König Artus den Ritter mit dem Löwenherzen nach Falkenberg geschickt. Er sollte nach dem Rechten sehen und die verabscheuungswürdigen Übelstände beseitigen, wenn es in seiner Macht stand. Und als Roland die Falkenberger Ritter jetzt so auf der Fähre sah, erwachte sofort das Mißtrauen in ihm. Kurz darauf machte die Fähre am Steg fest. Schweigend blickten die beiden Fährleute und die Ritter der Gräfin den Gefährten entgegen. Keiner von ihnen lächelte, keiner sagte ein freundliches Begrüßungswort, wie es eigentlich Sitte war. Volker wollte sein Pferd auf die Fähre treiben. Aber dazu ließen es die Falkenberger nicht kommen. »Gemach, Ritter!« So schnell, daß das Auge kaum zu folgen vermochte, zogen sie ihre Schwerter aus den Scheiden und bauten sich wie eine menschliche Mauer am Rand der Fähre auf. Volker vom Hohentwiel verhielt seinen Schritt. Ein Zucken des Unmuts huschte über sein olivfarbenes, männliches Gesicht. Eine Augenbraue anhebend, fragte er mit einem Blick auf die vier gezückten Klingen: »Was hat dies zu bedeuten?« »Beantwortet uns eine Frage, Ritter«, sagte der Sprecher der Falkenberger, ein vierschrötiger Mann mit einer tiefen, schlecht verheilten Narbe auf der rechten Wange. »Warum wollt Ihr über den Strom setzen?«
»Wir gedenken, der Mark einen Besuch abzustatten.«
»Zu welchem Behufe?«
Volker stampfte mit dem Fuß auf. »Wir sind freie Ritter und
brauchen niemandem über unser Tun Rechenschaft abzulegen, sofern dieses Tun nicht gegen die Gesetze des Landes verstößt!« »Gut gesagt«, meinte der Vierschrötige. »Wenn Ihr unsere Gesetze achtet, steht dem Übersetzen in der Tat nichts im Wege. Ihr sollt gleich Gelegenheit bekommen, eine Probe Eurer Gesetzestreue abzulegen.« Die vier Falkenberger traten einen Schritt zur Seite, öffneten Volker eine Gasse. »Kommt, Ritter!« Der Vierschrötige geleitete Volker auf die Fähre, während die drei anderen Roland und den beiden Knappen weiterhin den Zutritt verwehrten. »Einer nach dem anderen«, wurde Roland beschieden, als er gegen diese Zurücksetzung Einspruch erheben wollte. Volker wurde unterdessen vor ein eigenartiges Gebilde geführt, das die Falkenberger auf der Fähre aufgebaut hatten. Es handelte sich um einen kindergroßen Findlingsblock, in den altgermanische Runen eingraviert waren. Der rechteckige Gesteinsbrocken war mit grünenden Eichenzweigen und einem grotesk geformten Wurzelgeflecht geschmückt. »Dies ist ein Heiligtum der wahren Götter«, sagte der Vierschrötige. »Huldigt ihnen, wie es Gesetz ist in unserem Land!« »Was ... soll ich?« fragte Volker erstaunt. Mit zusammengekniffenen Augen blickte er auf den Findling hinunter. »Ihr hörtet, was ich sagte! Schwört dem falschen Gott ab, und erweist denen die Ehre, die des Geschickes Mächte seit Anbeginn in ihren starken Händen halten!« Am liebsten hätte Volker laut gelacht. Was ihm der Falkenberger da gesagt hatte, dünkte ihm als reine Torheit. Als Sänger und Dichter war er ein gebildeter Mann. Er kannte die alten Götter der Germanen - Wodan, Donar, Loki und wie sie alle hießen. Ihnen jetzt nach
Heidenart zu huldigen, das war Narretei. Aber bitte sehr, wenn die Falkenberger Vergnügen daran hatten ... »Ist es Euch recht, wenn ich Donar mit einer Hymne ehre?« fragte er den Vierschrötigen. Der nickte. Volker stellte sich in Positur, ließ dann seine strahlende Stimme erschallen: Ich weiß, daß ich hing am windigen Baume Neun Nächte lang, Mit dem Speer verwundet, Geweiht dem Wodan, Ich selbst mir fremd, An jenem Baum, da jedem fremd, Aus welcher Wurzel er wächst. Dieses Lied war eins der wenigen, zu denen er Text und Noten nicht selbst geschrieben hatte. Er hatte die Hymne vor einigen Jahren von einem Sänger aus dem hohen Norden gelernt, und sie gehörte gewiß nicht zu jenen, die er am liebsten vortrug. Den Falkenbergern jedoch schien sie sehr gut gefallen zu haben. Ritter und Fährleute waren sichtlich beeindruckt. »Seid willkommen in Falkenberg«, sagte der Vierschrötige. »Wir werden Euch mit Vergnügen übersetzen.« Roland entnahm diesen Worten, daß auch er und die beiden Knappen nun die Fähre betreten durften. Aber dies war ein Irrtum. »Gemach, Ritter«, wandte sich der Sprecher der Falkenberger an ihn. »Nun müßt auch ihr den wahren Göttern huldigen.« Der Ritter mit dem Löwenherzen verzog unmutig den Mund. »Mir ist die Gabe des Gesangs nicht vergönnt.« »Dann ehrt die Götter auf andere Weise!« Der Teufel soll mich holen, wenn ich zu heidnischen Göttern bete, dachte Roland wütend. Schon wollte er seiner Entrüstung Luft machen, da fiel ihm ein Spottgedicht auf den Gott Donar ein, das ihm einst in einem Wirtshaus zu Ohren gekommen war. »Nun denn, so höret«, sagte er und ließ das Gedicht vom Stapel:
Donar ist mächtig Donar ist groß Drei Klafter sechzig Und arbeitslos »Hundsfott, Elender!« brüllte der Vierschrötige. »Du wagst es, die Götter zu beleidigen?« Er hob sein Schwert, und die drei anderen Falkenberger taten es ihm nach. Roland, der seine Waffe noch in der Scheide stecken hatte, machte ein paar blitzschnelle Schritte rückwärts, griff dabei nach dem Knauf seines Eisens. Es wurde jedoch nicht erforderlich, das Schwert einzusetzen. Die vier Ritter machten keine Anstalten, ihm auf den Leib zu rücken. Sie blieben auf der Fähre. Aber es geschah etwas anderes, was Roland kaum weniger unangenehm war. Der Vierschrötige gab den beiden Fährleuten Befehl abzulegen. Und ehe es sich der Ritter mit dem Löwenherzen richtig versah, lagen bereits mehrere Klafter Wasser zwischen Fähre und Ufer. »He«, rief Roland, »ich könnt doch nicht...« »Wir können!« rief ihm der Vierschrötige mit einem breiten Grinsen zu. »Für Spötter wie Euch ist in Falkenberg kein Platz. Hebet Euch von hinnen!« Zusehends entfernte sich die Fähre, einen zornbebenden Roland und zwei verblüffte Knappen am Ufer zurücklassend. »Nimm es nicht so schwer, mein Freund«, rief Volker von der Fähre aus. »Du wirst einen anderen Überweg finden. Wir sehen uns bald wieder!« Roland war so wütend, daß er das Abschiedswinken seines Freundes nicht einmal erwiderte. * So wisset denn, Brüder und Schwestern
Schreckliches widerfährt euch allen Mißachtet ihr des Donnerers Begehr Der Sonne güldener Glanz verblaßt Der Nacht dunkler Mantel bedeckt das Land Rot vor Blut sind die Sterne Unsichtbar durchpflügt der Hammer das Dunkel Zerschmettert sinken nieder die Entleibten Ihrer Bürde wird die Erde nicht Herr Drum hütet euch, Brüder und Schwestern Und seid dem Donnerer zu Willen (Weissagung des Sehers Snorri Thorgnyr) * Nacheinander betraten die Männer, die für die Geschicke Steinmülheims Sorge trugen, die Versammlungsstube des Dorfes. Sie alle machten bedrückte, betretene Gesichter. Kein einziger von ihnen offenbarte Anzeichen von Frohsinn oder Heiterkeit, was auch wirklich nicht geziemend gewesen wäre. »Nehmt Platz«, empfing sie Karl Waldner. Schweigend ließen sich die Männer auf den Holzbänken der Stube nieder. »Du hast nach uns geschickt, Schultheiß!« brach der Müllner Rupold schließlich das Schweigen. »Was steht an?« Die Frage war überflüssig wie der Eimer Wasser während des Regens. Jeder im Raum wußte dies. Und doch hatten sie jetzt alle Mienen aufgesetzt, als würden sie etwas erfahren, das ihnen gänzlich unbekannt war. Es lag in der Natur des Menschen, sich ahnungslos zu stellen, wenn es um Dinge ging, die man am liebsten vergessen hätte. Karl Waldner konnte es den Männern nachfühlen. Auch er selbst hatte eine große Scheu vor dem Kommenden. Aber er wußte nur zu genau, daß es keine Möglichkeit gab, sich an der Sache vorbeizudrücken. Für ihn am allerwenigsten, denn er würde der erste
sein, den die Getreuen der blutigen Gräfin zur Rechenschaft zogen, sollte Steinmülheim es wagen, sich den Befehlen der Herrin zu widersetzen. Was sein mußte, mußte sein. Er räusperte sich und sagte: »Das Fest der Sonnenwende steht vor der Tür. Ihr wißt, was dies für uns bedeutet!« Ja, sie wußten es. Die stummen Blicke, die sie jetzt tauschten, spra chen eine unmißverständliche Sprache. Und ohne daß es einer sagte, stand ein Wort nun deutlich im Raum. Das Opfer! »Ich habe eine Liste der Mädchen gemacht, die in Frage kommen«, sprach Karl Waldner weiter. Er holte ein Stück Pergament hervor, daß er mit mehreren Namen beschrieben hatte. Normalerweise trafen ihn bei solcher Gelegenheit Blicke der Bewunderung, denn er war der einzige im Dorf, der lesen und schreiben konnte. Deshalb war er auch als Schultheiß eingesetzt worden. Diesmal jedoch konnte von Bewunderung wahrlich keine Rede sein. Es war eher Haß, der ihm aus den Augen der Männer entgegenleuchtete. Ein Haß allerdings, den er sicherlich nicht verdiente. Schließlich tat er nur seine Pflicht, handelte er nur im Auftrag der Herrin. Was konnte der Schmiedehammer dafür, wenn er das glühende Eisen zum Stöhnen bringen mußte? Unfroh blickte er auf das Pergament. Vier Namen nur standen darauf. Und zwei davon waren auch die Sippennamen von Männern, die sich unter den Anwesenden befanden. Wieder räusperte er sich. Mehrmals mußte er ansetzen, bevor er endlich die Sprache wiederfand. »Fangen wir an«, sagte er mit belegter Stimme. »Da wäre zunächst... Frotlina Kotbauer.« , Einige der Anwesenden nickten beifällig. Der Kotbauer war nicht beliebt im Dorf, weil er stets übel roch und roh und unflätig war. Und natürlich mußte auch seine Sippe diese Mißliebe teilen. »Eine gute Wahl«, sagte der Müllner Rupold sofort. »Eine wirklich sehr gute Wahl, Schultheiß!« Nach Zustimmung heischend blickte er sich im Kreis der anderen um.
Aber ihm wurde keine allgemeine Zustimmung zuteil. »Die Kotbauer Frotlina kommt nicht in Betracht«, sagte der Stellmacher Heiner. »Warum nicht?« stieß Rupold Müllner fragend hervor und bedachte den Stellmacher mit einem bösen Blick. Dieser zuckte die Achseln. »Ich sah des Kotbauern Tochter auf der Fähre bei den Drei Steinen. Sie hat die Mark Falkenberg verlassen.« »Wann?« bellte der Müllner. »Drei Tage mag es her sein.« Rupold Müllner hämmerte erbittert mit der Faust auf die Bank. »Geflüchtet ist das Luder - gewiß auf Geheiß ihres Vaters! Dafür muß der Kotbauer zur Rechenschaft gezogen werden!« Karl Waldner machte eine abwehrende Handbewegung. »Was hilft es uns? In jedem Fall ist Frotlina nicht mehr da. Wir müssen sie von der Liste streichen.« »Wen haben wir noch?« wollte Friedrich Imthal wissen. Der Schultheiß blickte auf sein Pergament. »Hedwig Einhäuser«, las er vor, obgleich er recht wohl wußte, daß auch dieses Mädchen kaum in Frage kommen konnte. Der Stellmacher war es, der dies auch gleich bestätigte. »Hedwig Einhäuser hat den Aussatz«, stellte er fest. »Ist einer unter uns, der sie berühren möchte?« Heftiges Kopfschütteln der Anwesenden war die Antwort. Einige schüttelten sich, als würde sie es bereits bei dem bloßen Gedanken jucken und kratzen. »Du sprachst von vier Namen, Schultheiß«, sagte Friedrich Imthal. »Wer wäre der nächste?« Am liebsten hätte Karl Waldner den Kopf gar nicht mehr von seinem Pergament gehoben. Es fiel ihm ungeheuer schwer, den Namen zu nennen, den er jetzt nennen mußte. Aber ihm blieb keine andere Wahl. Er konnte nicht verhindern, daß seine Mundwinkel zuckten, als er den Feldner Christian anblickte. »Die nächste wäre deine Tochter Berthe, Christian!« Schweigen folgte diesen Worten. Alle Anwesenden blickten
stumm auf den Bauern Feldner. Der aber blieb ganz ruhig, zuckte keineswegs zusammen. Zur Überraschung aller lachte er sogar kurz auf. »Es dauert mich zutiefst, euch enttäuschen zu müssen, meine Freunde«, sagte er. »Aber die Berthe steht nicht zur Wahl.« »Warum nicht?« begehrte Friedrich Imthal auf. »Glaubst du, deine Tochter hätte einen Freibrief, nur weil du der Dorfversammlung angehörst, Christian?« »Dies ist gewiß nicht der Grund«, antwortete der Feldner. »Wohl weiß ich, daß die Gräfin nicht nach Stand und Würden fragt. Aber es gibt einen anderen Grund, aus dem Berthe nicht in Frage kommt.« »Und der wäre?« »Meine Berthe ist keine Jungfrau mehr!« »Was?« »Sie ist im dritten Monat schwanger«, erklärte Christian Feldner wie beiläufig. Der Schultheiß runzelte die Stirn. »Das ist die Wahrheit, Christian? Du versuchst nicht, uns einen Bären aufzubinden, um deine Tochter zu retten?« »Dies kann ich schwören«, erwiderte der Feldner und hob auch bereitwillig die Finger der rechten Hand. »Wer war es?« rief der Müllner mit hochrotem Kopf. »Wer hat sie geschwängert - du selbst etwa?« Christian Feldner sprang auf, ging mit geballten Fäusten auf den Müllner los. »Nimm das zurück, du Lump, sonst...« »Setz dich«, sagte Karl Waldner scharf. Immer noch vor Zorn bebend nahm der Feldner wieder auf der Bank Platz. Das Wort des Schultheiß hatte Gewicht in Steinmülheim. »Des Müllners Frage ist nicht unberechtigt«, fuhr er fort. »Wer hat Hand an deine jungfräuliche Tochter gelegt, Christian?« »Mein Knecht Ceslin war es«, gab der Feldner zur Antwort. »Und wenn ihr es ganz genau wissen wollt - ich hatte nicht einmal etwas dagegen einzuwenden!«
»Pfui, Teufel!« rief Rupold Müllner und spuckte auf die rohen Bretter des Bodens. »Ein Kind von fünfzehn Jahren ... Und der eigene Vater läßt zu, daß ein Knecht seine Lust daran befriedigt!« »Besser mit fünfzehn geschwängert, als mit sechzehn den Opfertod gestorben«, sagte Christian Feldner trotzig. Wild blickte er sich in der Runde um. Niemand sagte mehr etwas. Auch Rupold Müllner nicht, der jetzt düster auf seine Schuhe hinunterblickte. Sein düsterer Blick war nur allzu berechtigt. Denn der vierte und letzte Name auf Karl Waldners Liste ... »Luitgart Müllner«, las der Schultheiß vor. Wiederum sagte niemand etwas. Es war eine Stille in die Versammlungsstube eingekehrt, wie sie nicht einmal auf dem nächtlichen Gottesacker herrschte. Rupold Müllner selbst war es, der die Stille brach. Ein tiefes, herzzerreißendes Schluchzen kam aus seiner Kehle, ein Schluchzen, das wenig später in ein haltloses Weinen überging. Niemand im Raum verübelte ihm seine Tränen. Das galt auch für Christian Feldner, der dem Müllner kurz zuvor beinahe an die Kehle gesprungen wäre. Alle Anwesenden hatten volles Verständnis für den jetzt gramgebeugten Mann. Seine Tochter war nicht schwanger, litt nicht an Aussatz und hatte sich auch nicht über den Strom geflüchtet. Sie würde es sein, die sich dem grausamen Willen der Gräfin von Falkenberg zu unterwerfen hatte. Luitgart Müllner war dem Opfertod geweiht... * Mehrere Meilen noch waren Roland und seine beiden Knappen am Ufer des Stroms entlanggezogen. Eine Brücke oder eine andere Fähre hatten sie jedoch nicht gefunden. Langsam war die Geduld des Ritters mit dem Löwenherzen erschöpft. Beinahe ruckartig brachte er seinen Schimmel zum Stehen.
»Wir kehren um«, sagte er entschieden. Fragend blickten ihn Pierre und Louis an. »Zurück nach Camelot?« erkundigte sich Pierre hoffnungsvoll. Der dickliche Knappe liebte das gemütliche, geruhsame Leben. Und dies ließ sich am Königshof eher führen als in den rauhen deutschen Landen. Roland bereitete ihm eine bittere Enttäuschung. »Zurück nach Camelot geht es erst, wenn ich meinen Auftrag ausgeführt habe«, machte er Pierre klar. »Mit Umkehren meinte ich, daß wir uns wieder zu der Fähre begeben werden, mit der Volker vom Hohentwiel über den Fluß gelangt ist.« »Aha«, machte Pierre unfroh. Louis runzelte die Stirn. »Wollt Ihr klein beigeben und den unchristlichen Forderungen der Falkenberger nachgeben, Ritter Roland?« wollte er wissen. »Keineswegs! Donar müßte mich schon mit seinem Hammer zu Boden schlagen, bevor ich mich vor seinem Götzenaltar verneige.« »Diese Worte vernehme ich gerne«, sagte Louis befriedigt. »Andererseits ... Die Falkenberger werden sich weigern, uns überzusetzen, fürchte ich.« »Das dürfte gewiß sein«, nickte Roland. »Aber ich beabsichtige auch nicht, die Fähre zu benutzen.« »Aber Ihr sagtet doch ...« »Ich sagte, wir kehren zur Fähre zurück. Ich sagte nicht, daß wir sie auch benutzen werden.« »Das ist mir zu hoch«, warf Pierre kopfschüttelnd ein. »Dabei ist es ganz einfach«, erklärte Roland. »Wir werden den Fluß tatsächlich schwimmend überqueren.« »Nein!« rief Pierre entsetzt. »Doch! An der Stelle, wo die Fährstation liegt, ist der Fluß am schmalsten. Außerdem können wir uns am Fährseil festhalten.« »Die Falkenberger werden uns sehen«, gab Louis zu bedenken. »Nicht, wenn wir warten, bis es dunkel geworden ist. Nachts ruht der Fährbetrieb.«
Louis dachte kurz nach, machte dann eine zustimmende Kopfbewegung. »Ja, so könnte es gehen. Findest du nicht auch, Pierre?« Der dickliche Knappe hockte wie ein Häufchen Unglück im Sattel seines Pferdes. »Wir werden den Tod dabei finden«, murmelte er. »Unsere Leichname werden den Fluß entlangtreiben und ...« »Hör auf mit dem Gejammer«, fiel ihm Louis ins Wort. »Außerdem hast gerade du nichts zu befürchten, Pierre. Du kannst gar nicht im Fluß untergehen.« »Wieso nicht?« fragte der dickliche Knappe verblüfft. »Weil Fett bekanntlich oben schwimmt!« Pierre fand den derben Scherz gar nicht zum Lachen. Ihm war eher weinerlich zumute. Aber was sollte er machen - die Gefährten im Stich lassen? Nein, das kam für ihn nicht in Frage. Bei aller Hasenfüßigkeit war er doch ein unbedingt treuer Diener seines Herrn. Tatsächlich würde er sich eher in Stücke hauen lassen, als sich von Roland zu trennen. Ihm blieb also gar nichts anderes übrig, als sich Roland und Louis wieder zuzugesellen, die ihre Pferde bereits gewendet hatten und zurückritten. Die Sonne schickte sich an, hinter den Bergen im Westen unterzugehen. Der Himmel hatte eine rosarote Färbung angenommen. Ein kühler Wind kam auf und kündigte den Abend an. Die drei Gefährten ließen sich jetzt Zeit. So lange es noch hell war, durften sie sich nicht am Anlegesteg blicken lassen. Sie konnten es sich deshalb sogar leisten, eine einstündige Rast einzulegen. Diese Rast brauchten sie auch, denn die Überquerung des Flusses würde Kraft kosten. Und das galt für die Männer genauso wie für die Reittiere. Dann verschwand die Sonne ganz. Der Himmel wurde dunkler und dunkler, und bald konnte man nur noch wenige Klafter weit sehen. Roland und die beiden Knappen brachten das letzte Stück Weg hinter sich und erreichten die Anlegestelle. Tiefe Ruhe herrschte ringsum. Zu hören waren nur der
Wellenschlag des Flusses und das gelegentliche heisere Krächzen eines beutehungrigen Nachtvogels. Angestrengt blickten die drei Männer zum anderen Ufer hinüber. Schwacher, flackernder Lichtschein drang an ihre Augen. Die Fährleute hatten ganz offensichtlich ein Feuer angezündet. Pierre nahm dies mit einer gewissen Erleichterung zur Kenntnis. »Wir müssen warten, bis sie das Feuer löschen«, meinte er. »Sonst sehen sie uns unweigerlich.« Roland schüttelte den Kopf. »Da können wir wahrscheinlich ewig warten. Ich könnte mir vorstellen, daß das Feuer die ganze Nacht brennt. Das ist bei Wachfeuern so üblich.« Pierre druckste. »Das bedeutet also, daß ..., daß wir sofort...« »Ja!« Roland selbst machte den Anfang. Es war nicht ratsam, vom Anlegesteg aus in den Fluß zu gehen. Hier würde das Wasser bestimmt schon so tief sein, daß die Pferde sofort den Boden unter den Füßen verloren. Roland wählte deshalb eine Stelle neben dem Steg, an der das Ufer gemächlich abfiel. Sein edler Hengst scheute nicht im mindesten, ließ sich willig in den Strom führen. Als ihm das Wasser bis zu den Oberschenkeln reichte, machte Roland noch einmal halt. Louis war schon unmittelbar hinter ihm, während Pierres Pferd noch am Ufer stand. »Nun, Pierre, hast du dich entschlossen hierzubleiben?« rief Roland dem dicklichen Knappen zu. »Nein, nein, ich komme ja schon«, antwortete Pierre hastig und lenkte auch sein Reittier ins Wasser. Er stöhnte tief auf, als seine Beine naß wurden. Nicht von ungefähr klapperte er mit den Zähnen. »Eisige Kälte schleicht mir ins Gebein«, verkündete er. »Wir werden als Eisklumpen drüben ankommen. Falls wir überhaupt ankommen!« Er übertrieb maßlos. Das Wasser war kühl und alles andere als angenehm, ja. Aber von eisiger Kälte konnte ganz bestimmt keine Rede sein. In jedem Fall ließ es sich aushalten. »Damit wir uns unterwegs nicht verlieren, werden wir unsere
Pferde durch die Zügel miteinander verbinden«, gab der Ritter mit dem Löwenherzen Anweisung. Dies war schnell geschehen. Nun stand dem feuchten Abenteuer nichts mehr im Wege. Roland hatte inzwischen mit einer Hand das Fährseil gepackt, das den Fluß ein paar Handbreit über der Wasseroberfläche überspannte. Pierre und Louis taten es ihm nach. »Seid ihr bereit?« »Ja«, sagte Louis mit fester Stimme. Pierres Bestätigung fiel um einiges kläglicher aus. Einwände hatte jedoch auch er nicht mehr zu erheben. Roland bewegte seinen Schimmel mit einem Fersendruck vorwärts. Das brave Tier leistete keinen Widerstand, obwohl Wasser wahrlich nicht sein Element war. Nach wenigen Schritten war es dann so tief, daß Samun keinen Boden mehr unter den Hufen fand. Sofort begann er mit natürlichen Schwimmbewegungen, so, als sei das Überqueren eines Flusses für ihn eine alltägliche Angelegenheit. Roland mußte ihn bald sogar etwas bremsen, da sich die Zügelleine zu den beiden folgenden Pferden spannte - ein Zeichen dafür, daß Pierre und Louis kaum mitkommen konnten. Alles ließ sich recht gut an. Nach kurzer Zeit war das zurückbleibende Ufer in der Dunkelheit nicht mehr zu erkennen. Viel wollte das allerdings noch nicht besagen. In Ufernähe war die Strömung ziemlich schwach und stellte keine großen Anforderungen an die Kräfte der Pferde. Als es jedoch weiter hinausging, fingen die Schwierigkeiten bald an. Die Strömung wurde stärker und stärker, versuchte, Pferde und Reiter stromabwärts zu ziehen. Roland klammerte sich mit starker Faust am Fährseil fest und schloß beide Beine um den Leib seines Reittiers, um ein Abtreiben zu verhindern. Es gelang ihm ... Knapp. Wie aber sah es mit den beiden Knappen aus? Auch Louis war es bisher gelungen, die immer größer werdenden Probleme zu meistern. Pierre jedoch war in einer unangenehmen
Lage. Mit aller Kraft, die in ihm steckte, hielt er das Fährseil umklammert. Aber seine etwas zu kurzen Beine waren nicht in der Lage, seinem Pferd ausreichende Unterstützung zu geben. Mehr und mehr geriet er in die Gefahr, aus den Steigbügeln zu rutschen. Dies konnte er eigentlich nur verhindern, wenn er das Fährseil losließ. Und genau das tat er dann schließlich auch. Die Folgen bekamen Roland und Louis schon im nächsten Augenblick zu spüren. Pierres Pferd wurde sofort von der Strömung erfaßt und trieb ab. Durch die Zügelverbindung mit den anderen beiden Reittieren traten dadurch zusätzliche Zugkräfte auf, die auf Rolands und Louis' Pferde einwirkten. Dazu kam jetzt auch noch ein starker Wellengang, der gegen Mensch und Tier klatschte und das ganze Unternehmen zu einer einzigen Tortur machte. »Ich ... kann das Seil nicht länger festhalten!« stieß Louis hervor und spuckte Wasser aus, das ihm in den Mund gedrungen war. Auch Roland spürte, wie seine Kraft nachließ. Er hatte das Gefühl, daß ihm der Arm langsam, aber sicher aus dem Schultergelenk gerissen wurde. Es hatte keinen Zweck, sich noch länger an das Seil zu klammern. Da war es schon besser, sich den Wellen und der Strömung zu überlassen und dagegen anzukämpfen. »Sei's drum«, rief er Louis zu. »Laß das Seil los!« Der Knappe kam der Aufforderung unverzüglich nach. Und auch Roland selbst nahm seine Hand von dem Fährseil. Sofort zog die Strömung sie in ihren Bann. Selbst Roland hatte einige Mühe, sich im Sattel zu halten. Für den Augenblick verlor er beinahe die Gewalt über seinen Schimmel. Innerhalb weniger Sekunden trieben die drei Gefährten weit ab, unkontrolliert, ziellos, Spielbälle des Zufalls. Ohne die Zügel, die sie miteinander verbanden, hätten sie sich jetzt bereits verloren. Und bei den herrschenden Lichtverhältnissen wäre es mehr als zweifelhaft gewesen, ob sie sich wiedergefunden hätten - in dieser Nacht gewiß nicht mehr. Fast hatte Roland seinen Schimmel wieder voll unter Kontrolle, als er Pierres Schrei hörte.
»Hilfe, ich ...« Weiter kam der dickliche Knappe nicht. Roland, der sich unmittelbar neben ihm befand, sah, wie sich sein Pferd plötzlich wie wild im Kreis drehte. Offenbar war es in die Gewalt eines Strudels geraten. Pierre, darauf nicht vorbereitet, kippte aus dem Sattel, ging genau vor Rolands Augen in den Wellen unter. Blitzschnell packte der Ritter mit dem Löwenherzen zu. Gerade noch rechtzeitig. Er bekam Pierres Haarschopf zu fassen und krallte seine Hand hinein. Mit einem kräftigen Ruck zog er den Kopf des Knappen wieder nach oben. Prustend und spuckend tauchte Pierre auf. »Ich habe gewußt, daß es unser Tod sein wird«, blubberte er keuchend. »Ich habe gewußt...« Eine Welle klatschte ihm ins Gesicht und verschloß seinen Mund. Das Pferd Pierres drehte sich noch immer wie verrückt im Kreise. Die Zügel, die mit Louis' Reittier verbunden waren, lösten sich. Im nächsten Augenblick war die Mähre des dicklichen Knappen in der Dunkelheit verschwunden. Derweil hatte Roland seine liebe Not, Pierre über Wasser zu halten. Der Knappe war kein sehr guter Schwimmer. Auf sich allein gestellt wäre er vermutlich jetzt bereits ein Opfer des Flusses geworden. »Halte dich an Samuns Sattel fest«, rief ihm der Ritter mit dem Löwenherzen zu. Pierres Hand tauchte aus dem Wasser, fuhrwerkte zuerst blind in der Luft herum, fand dann am Sattelhorn des Schimmels festen Halt. Roland konnte nun den Haarschopf loslassen. Die Gefahr, daß Pierre verlorenging, war fürs erste gebannt. Jetzt konnte sich der Ritter mit dem Löwenherzen wieder darum kümmern, die beiden noch verbliebenen Pferde auf den richtigen Kurs zu bringen. Mit hartem Schenkeleinsatz übte er entsprechenden Druck auf seinen Schimmel aus. Und er hatte Erfolg damit. Samun, der zwischendurch die Orientierung ziemlich verloren hatte, schlug jetzt wieder die Richtung zum gegenüberliegenden Ufer ein und zog Louis' Pferd in
sein Kielwasser. Pierres Reittier mußte wohl als verloren betrachtet werden. Von ihm war nichts zu sehen und nichts zu hören. Der dickliche Knappe selbst jedoch, der sich krampfhaft an Samuns Sattel festhielt, verlor die Verbindung mit seinen Gefährten nicht. Schließlich war mehr als die Hälfte des Flusses überquert. Langsam verlor die Strömung an Kraft. Das Ufer auf Falkenberger Seite kam näher. Die beiden braven Tiere wurden zusehends müder, konnten ihre Beine kaum noch bewegen. Aber sie hielten wacker durch, obwohl Samun auch noch das zusätzliche Gewicht Pierres mitzuschleppen hatte. Und endlich war das Wasser wieder so flach, daß die zitternden Beine Boden unter den Hufen fanden. Die drei Männer und die beiden Tiere wankten an Land, durchgefroren, erschöpft und nur noch von dem Verlangen beseelt, sich irgendwo lang ausstrecken und erholen zu können. Aber dazu bekamen sie keine Gelegenheit, denn am Ufer warteten bereits die Falkenberger Ritter ... * Volker vom Hohentwiel ließ sich keine grauen Haare wachsen, weil er Roland und die beiden Knappen auf der anderen Seite des Stroms zurückgelassen hatte. Sein ritterlicher Freund war ein Mann, der es verstand, mit allen Situationen fertig zu werden. Er würde schon einen Weg über den Fluß finden, daran hatte Volker nicht den geringsten Zweifel. Und er war sich auch ganz sicher, daß sie sich in absehbarer Zeit wiedersehen würden. Ihr gemeinsames Ziel war Burg Falkenberg gewesen. Es lag deshalb kein Grund vor, warum er sich nicht schon einmal auf den Weg zur Burg machen sollte. Von der Fährstation führte ein gut begehbarer Weg landeinwärts. Wagenräder und zahllose Pferdehufe hatten dem Boden ihren Stempel aufgedrückt und machten das Vorwärtskommen zu einem Kinderspiel. Nach gut zwei Stunden eines nicht allzu scharfen Ritts verspürte
Volker Hunger und Durst. Er beschloß, dem nächsten Gasthaus einen Besuch abzustatten. Eine gute Meile weiter tauchte am Wegesrand ein Gebäude auf. Es war kein Gasthaus, sondern eine Schmiede, wo die Reisenden bei Bedarf die Hufeisen ihrer Zug- oder Reitpferde erneuern lassen konnten. Volkers Pferd brauchte keine neuen Hufeisen. Trotzdem machte er halt, denn üblicherweise gab es in solchen Häusern auch etwas zu trinken und zu essen. Als Volker aus dem Sattel kletterte, trat ein Mann aus dem Haus. Nicht nur seine Größe und kräftige Statur ließen erkennen, daß er das Schmiedehandwerk ausübte. Die rußgeschwärzte Arbeitsschürze und die schwieligen, mit Brandnarben übersäten Hände waren sozusagen ein Wahrzeichen seiner Profession. Dienernd kam der Mann näher. »Der Herr Ritter wünschen? Beschläge für das edle Reittier?« Volker erklärte dem Schmied, daß ihm mehr an einer kräftigen Mahlzeit und einem guten Schluck gelegen war. »Gewiß«, sagte der Schmied. »Wenn der Herr Ritter belieben, sich mit einem Brei zufriedenzugeben ...« Natürlich wäre Volker ein saftiger Wildbraten oder ein gut geräucherter Schinken lieber gewesen. Aber das konnte er schlechterdings nicht erwarten. Fleisch stand nie oder höchst selten auf der Speisekarte der einfachen Leute. Man mußte mit dem vorliebnehmen, was zur Verfügung stand. Ein fahrender Ritter wie Volker war in dieser Beziehung nicht wählerisch. Der Schmied führte ihn in eine kleine und einfach eingerichtete Gaststube. Ein Mädchen, dicklich und nicht sehr anziehend wirkend offenbar die Tochter des Schmieds - brachte einen Krug Wein nebst Becher. »Bring noch einen Becher, mein Kind«, sagte Volker. Er wandte sich an den Schmied: »Trinkt einen Schluck mit mir, guter Mann. Einverstanden?« »Wenn der Herr Ritter es wünschen ...« Der Hausherr machte einen artigen Diener und setzte sich zu seinem Gast an den Tisch.
Der Wein, den das Mädchen brachte, war nicht sonderlich gut. Er schmeckte viel zu süß, war ganz offenbar mit Zuckerknollensaft gepanscht worden. Wenn man zuviel davon trank, bekam man einen Kopf, der unter keinen Helm mehr paßte. »Erzählt mir etwas über die Mark Falkenberg, mein Freund«, sagte Volker. Der Schmied blinzelte. »Ich verstehe nicht, was ihr meint, Herr Ritter.« »Nicht? Nun ...« Volker trank einen Schluck Wein. »Man hört Gerüchte. Gewalt und Tod sollen das Land regieren. Und verrückter Aberglaube, wie mir scheint.« Der Schmied blickte vor sich auf die Tischplatte, gab keine Antwort. Er hatte die Lippen aufeinandergepreßt, so, als wollte er gewaltsam verhindern, daß ihm ein unbedachtes Wort entschlüpfte. »Nun redet schon, mein Freund«, drängte Volker. Der Schmied blickte hoch. Unverhohlene Furcht blinkte in seinen Augen. Volker senkte seine Stimme auf Flüsterniveau herab. »Ihr braucht keine Angst vor mir zu haben. Ich bin ein Fremder, kein Falkenberger. Zu niemandem werde ich von dem sprechen, was Ihr mir sagt.« »Das ... gelobt Ihr bei Eurer Ehre?« stieß der Schmied hervor und fuhr sich über die Stirn. »Ich gelobe es«, nickte Volker. Es gab eine kurze Unterbrechung, als die Tochter des Hauses an den Tisch trat und Volker das Essen brachte. Haferbrei mit Pflaumen - keine Speise für den verwöhnten Gaumen, aber der Hunger trieb es hinein. Volker aß und spülte mit Wein nach. Dann erzählte der Schmied. »Vor einem guten Jahr noch«, begann er, »war die Mark Falkenberg ein halbwegs glückliches Land. Graf Helmbrecht war ein gerechter Herrscher und verlangte nicht mehr Dienstleistungen und Abgaben, als Land und Leute hergeben konnten. An dem Tag jedoch, an dem der Graf die Nordländerin Birgitta zur Frau nahm, begann
unser Unglück. In der Hochzeitsnacht entleibte sich der Graf selbst, indem er in einem Anflug von Trunkenheit aus dem Fenster sprang. Nun war die Nordländerin die neue Herrin Falkenbergs. Alles wurde anders. Feld- und Fuhrdienste beanspruchen nun mehr Zeit, als der Tag Stunden hat, die Abgaben in Geld und Naturalien sind selbst von den Fleißigsten kaum zu erbringen. Dies ist die eine Seite. Aber es gibt noch eine andere, die viel schlimmer ist. Die neue Herrin von Falkenberg verlangt von uns, daß wir dem wahren christlichen Glauben entsagen und uns statt dessen verfluchtem Götzendienst hingeben!« »Ich verstehe schon«, warf Volker ein. »Ihr sollt die alten Götter unserer Vorfahren verehren - Wodan, Donar, Loki ...« »Ja, so ist es«, bestätigte der Schmied unglücklich. »Wir müssen den falschen Göttern sogar Opfer darbringen. Menschenopfer!« »Menschenopfer?« Volker konnte es kaum fassen. Verständnislos schüttelte er den Kopf. »Und was geschieht, wenn ihr euch weigert?« »Schreckliches geschieht! Die Ritter der blutigen Gräfin kommen und machen jeden nieder, der nicht gehorcht.« »Ungeheuerlich«, murmelte Volker. »Wie ist es nur möglich, daß sich Ritter von Ehre zu Handlangern solcher Verbrechen machen?« Der Schmied beugte sich über den Tisch und flüsterte: »Die Gräfin ist mit finsteren Mächten im Bunde. Alle Ritter sind ihr hörig und können gar nicht anders, als ihr unbedingten Gehorsam zu leisten. Auch Euch würde es genauso ergehen!« »Mir?« »Ja, Herr Ritter, auch Euch! Niemand ist imstande, sich der unheiligen Macht der Nordländerin zu entziehen.« »Ihr irrt, mein Freund«, sagte Volker selbstsicher. Beinahe traurig sah der Schmied jetzt aus. »Das hat schon so mancher Ritter gesagt, der des Weges kam und bei mir einkehrte. Sobald die edlen Herren jedoch erst einmal auf Burg Falkenberg waren ...« Er seufzte tief. »Ihr wollt doch auch zur Burg, nicht wahr?«
»Wie kommt Ihr darauf, mein Freund?« »Jeder Ritter will zur Burg, um sein Glück bei der Gräfin zu versuchen.« Volker runzelte die Stirn. »Was meint Ihr damit?« »Ihr wißt nicht Bescheid?« »Über was weiß ich nicht Bescheid?« Langsam wurde Volker ein bißchen ärgerlich. »Daß die Gräfin sich wieder vermählen will und ihr jeder adlige Herr willkommen ist, der um sie freit?« »Nein, das wußte ich nicht«, erwiderte Volker nachdenklich. »Aber das bringt mich auf einen Gedanken. Vielleicht ist es auf diesem Wege möglich, die Herrin von Falkenberg von ihrem bösen Treiben abzubringen!« Bitter lachte der Schmied auf. »Mit Verlaub gefragt, Herr Ritter glaubt Ihr, Ihr seid der erste, der diesen Plan faßte? Das hat schon so mancher getan!« »Ich bin nicht >so mancher