Klappentext Im Jahr 1989 geht ein Meteoritenhagel auf die Kleinstadt Smallville nieder, der das beschauliche Leben all ...
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Klappentext Im Jahr 1989 geht ein Meteoritenhagel auf die Kleinstadt Smallville nieder, der das beschauliche Leben all ihrer Bewohner von Grund auf verändern wird. Für viele Einwohner bedeutet dieser Vorfall Unglück und Zerstörung. Doch für das kinderlose Farmerehepaar Martha und Jonathan Kent geht der größte Wunsch in Erfüllung: Ein Kind von einem fernen Planeten fällt ihnen inmitten des Hagelsturms buchstäblich in die Arme. Die Kents nehmen das Kind bei sich auf und adoptieren es. halten seine Herkunft aber geheim. Zwölf Jahre später kommt dem nun 15-jährigen Clark Kent mehr und mehr zu Bewusstsein, dass er anders ist als seine Altersgenossen. Und er sucht Antworten auf die Fragen, die ihn quälen: Warum kann er beispielsweise mühelos einen Traktor heben und schnell wie der Wind laufen? Nur seine Adoptiveltern könnten ihm das Geheimnis seiner Identität enthüllen, doch sie zögern.
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Michael Teitelbaum
Die Ankunft Aus dem Amerikanischen von Catherine Shelton
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Bibliografische Information Der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.ddb.de abrufbar. Erstveröffentlichung bei DC Comics 2002 Titel der amerikanischen Originalausgabe: Smallville – Arrival Smallville and all related characters, names and indicia are trademarks of DC Comics © 2002 Das Buch »Smallville – Die Ankunft« entstand parallel zur TV-Serie Smallville, ausgestrahlt bei RTL © RTL Television 2002. Vermarktet durch RTL Enterprises. © der deutschsprachigen Ausgabe: Egmont vgs Verlagsgesellschaft mbH, Köln 2002 Alle Rechte vorbehalten. Lektorat: Anja Schwinn Produktion: Annette Hillig Umschlaggestaltung: Sens, Köln Satz: Greiner & Reichel, Köln Druck: Clausen & Bosse, Leck Printed in Germany ISBN 3-8025-2985-5
Besuchen Sie unsere Homepage: www.vgs.de
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Den Comicautoren und Comiczeichnern, die den »Mann aus Stahl« in meiner jugendlichen Fantasie zum Leben erweckt haben, für George Reeves, der mich das Fliegen gelehrt hat, für Alfred Gough und Miles Millar mit Dank für ihre wundervolle Story und für Sheleigah, wie immer, die sich zusammen mit mir die Serie angesehen und meine Texte gelesen hat.
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Prolog 1989 Ein Meteoritenschwarm, die Überreste eines einstmals riesigen Planeten, schwebte durch die unendliche Weite des Alls wie ein Rudel hungriger Raubtiere auf der Suche nach Beute. Die Millionen leuchtender Sterne, die im Dunkel des Universums wie Strasssteine auf schwarzem Samt funkelten, sollten die schweigenden Zeugen eines nahenden Angriffs von unvorstellbarer Schlagkraft werden. Nachdem er den Rand der Milchstraße erreicht hatte, beschleunigte der Meteoritenschwarm seine Geschwindigkeit. Der fahle grünliche Schein, der ihn umgab, streifte leuchtend die vorbeigleitenden Sterne und Planeten. Der Meteoritenschwarm trat in ein winziges Sonnensystem in einem weit abgelegenen Winkel der Galaxien-Spirale ein. Die Felsbrocken – von denen einige so groß wie Monde, andere nicht größer als Tennisbälle waren – rasten an den äußeren Planeten des Systems vorbei. Die Meteoriten ließen den winzigen, gefrorenen Planeten, der weit entfernt von der Sonne seine Kreise zog, und den riesigen, von Ringen umgebenen Planeten am Rand des Systems hinter sich, und flogen mit steigender Geschwindigkeit geradewegs auf das Zentrum des Systems zu. In der Mitte dieses gewaltigen Mahlstroms hielt sich ein kleines, metallisch schimmerndes Raumschiff unter den Meteoriten verborgen, die es vor den Gefahren des Alls beschützten. In diesem Raumschiff, das von den Meteoriten wie von einer Ehrengarde eskortiert wurde, raste der letzte Überlebende eines dem Untergang geweihten Volkes auf den dritten Planeten dieses Systems zu.
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Und nachdem das Schiff an dem unbelebten, kraterverwüsteten Mond dieses Planeten vorbeigeflogen war, raste es unaufhaltsam auf den Planeten zu, den seine Bewohner Erde nannten.
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1 EIN STRAßENSCHILD AM ORTSRAND von Smallville in Kansas verkündete, dass das Städtchen stolz darauf war, Welthauptstadt des Mais zu sein. Besucher, die nicht von hier waren, mochten über diese Auszeichnung lächeln, aber für die 25.001 Einwohner der kleinen Farmerstadt, die tief im Herzen Amerikas lag – und dieses auch in wörtlichem Sinn –, war dies sehr wohl ein Grund stolz zu sein. Obwohl Smallville nur eine dreistündige Zugfahrt von Metropolis, einer der größten Städte des Landes, entfernt war, schien es so, als läge es auf einem anderen Planeten. Die Zeit schien stehen geblieben zu sein und das Stadtleben spielte sich noch immer auf der Main Street – der Hauptstraße – ab, wie dies schon seit zweihundert Jahren der Fall war. Generationen von Stadtbewohnern hatten schon diese Bank, diese Tankstelle und diese Bibliothek betreten. Und der Wasserturm, der alle Gebäude der Stadt überragte, warf, solange die Einwohner sich erinnern konnten, seinen Schatten auf die Hauptstraße. Die Kinder der Kinder derer, die vor fünfzig Jahren in der Post gearbeitet hatten, verkauften nun selber Briefmarken und schnürten Pakete. Die Kids hingen noch immer bei Sam’s herum, dem einzigen kleinen Restaurant des Städtchens oder sahen sich einen Film im Swan Theater an; einem Art-DécoFilmpalast, der schon bessere Tage gesehen hatte und wo nun alte Filme im Double Feature liefen. Außerhalb der Stadt erstreckten sich riesige Maisfelder in alle Himmelsrichtungen, die honigfarben im goldenen Sonnenlicht schimmerten. Farmer rumpelten in ihren Traktoren über die Feldwege durch die endlosen Reihen ihrer Felder. Es war ein typisch amerikanischer Tag in einer typisch amerikanischen Kleinstadt, in der selten etwas passierte und wo sich nie etwas veränderte. 8
Bis jetzt. WHUP-WHUP-WHUP-WHUP! Das donnernde Dröhnen eines Hubschraubers unterbrach den stillen Morgen. Seine Blätter rotierten rasend schnell und schickten heftige Windstöße über die hohen Maisstauden, die sich unter dem Luftdruck nach unten bogen. Auf einer Seite des gelben Hubschraubers glänzte der Schriftzug LuthorCorp schwarz im Morgenlicht. Im Inneren des Hubschraubers drehte sich der Pilot zu den beiden Passagieren um. Ein Mann von etwa Mitte fünfzig mit langem, grauem Haar und einem perfekt geschnittenen Anzug blätterte ungeduldig durch die Seiten der Daily Planet Newspaper. Neben ihm saß ein neunjähriger Junge mit blasser, zarter Haut, leuchtend blauen Augen und wirrem, rotem Haar. »Wir sind fast da, Mr. Luthor«, sagte der Pilot und drehte sich wieder nach vorne, um aus dem vorderen Fenster des Hubschraubers nach draußen zu sehen. Lionel Luthor war der Besitzer von LuthorCorp, ein Selfmade-Geschäftsmann mit beträchtlichem Vermögen. Er hatte aus einer kleinen Chemiefirma den größten Hersteller von Pestiziden in Amerika gemacht und so ein riesiges Unternehmen aufgebaut. Doch das war dem kalten und ehrgeizigen Mann noch immer nicht genug. Sein einziges Bestreben galt dem Wachstum und der Expansion seines Unternehmens und nun stand er davor, seinen gewaltigen Machtbereich bis zu diesem kleinen, ländlichen Fleck auszudehnen. Lionel sah von der Zeitung auf. Dabei fiel sein Blick auf seinen Sohn, der sich an den Lehnen seines Sitzes festklammerte und seine Augen fest geschlossen hielt. »Das muss aufhören, Lex«, sagte Lionel mit strenger Stimme. »Mach deine Augen auf!« Lex Luthor kniff seine Augen daraufhin nur noch fester zusammen und schüttelte seinen Kopf. Seine wirren Locken 9
flogen dabei hin und her. »Ich kann nicht«, rief er aus. »Ich habe Angst vorm Fliegen.« »Ein Luthor hat vor gar nichts Angst«, stieß Lionel zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor, womit er immerhin die Bereitschaft signalisierte, seinem Sohn ein wenig Geduld entgegenzubringen. »Wir können uns diesen Luxus nicht leisten. Wir sind Herrscher und dürfen keine Furcht zeigen!« Lex’ Augen blieben geschlossen, während er den Kopf nur noch heftiger schüttelte. »Du hast eine Bestimmung, Lex«, fuhr Lionel fort. »Aber mit geschlossenen Augen wirst du nichts erreichen. Du bist ein Luthor. Du musst der Welt entschlossen entgegentreten, mit weit geöffneten Augen und bereit, alle Hindernisse zu überwinden!« Er beugte sich nahe an das Ohr seines Sohnes. »Dieser Hubschrauber wird nicht landen, bevor du nicht deine Augen aufgemacht hast«, flüsterte er leise, aber der Junge spürte den unterdrückten Ärger in seiner Stimme. Lionel seufzte, schüttelte den Kopf und begann wieder, die Zeitung zu lesen. Langsam lockerte Lex seinen festen Griff um die Armlehne. Seine Fingerknöchel traten vor Anspannung weiß hervor. Sein Vater hatte ihm schon so oft in mehr oder weniger subtiler Weise gesagt, wie enttäuscht er von seinem einzigen Sohn, dem Erben dieses riesigen Imperiums, war. Warum sollte es an diesem Tag anders sein? Andere Kids konnten Angst haben, nicht aber Lex. Andere Kids konnten ihren Vater um etwas Verständnis und Geduld bitten, konnten ihren Vätern begreiflich machen, dass sie nur Menschen waren, dass sie erst neun Jahre alt waren. Aber andere Kinder waren auch keine Luthors. Lex öffnete seine Augen und sah vorsichtig aus dem Fenster. Unter ihm wogte das Meer aus Mais wild hin und her. Als Erstes kam der Schwindel. Die ganze Welt begann zu schwanken und zu beben. Dann fühlte er die Enge in seiner 10
Brust. »Jetzt geht’s los!«, dachte er und wühlte hektisch in seiner Jackentasche. Er versuchte tief einzuatmen, aber seine Kehle war wie zugeschnürt. Er keuchte und röchelte und bemühte sich verzweifelt, ruhig und in tiefen Zügen zu atmen. Aber es nützte nichts. Endlich fanden seine zitternden Finger das Inhaliergerät in seiner Tasche. Er zog es heraus und wandte sich vom Fenster ab, um – eins, zwei, drei – die lebensrettende Medizin tief in seine Lungen zu sprühen. Die erstickende Enge löste sich. Lex atmete befreit auf und füllte seine sauerstoffhungrigen Lungen mit kühler Luft. Lionel lehnte sich in seinem Sitz zurück, angewidert von der Schwäche seines Sohnes. Der Pilot drehte sich erneut zur Passagierkabine um. »Ist mit Ihrem Sohn alles in Ordnung?«, fragte er besorgt. »Er wird’s überleben«, antwortete Lionel lächelnd, vermied dabei aber jeden Augenkontakt mit seinem Sohn. Dann schlug er mit einer heftigen Bewegung seine Zeitung auf und blätterte eine Seite um. Der Hubschrauber begann mit seinem Anflug auf die Ross Creamed Corn-Fabrik, deren beste Zeiten eindeutig lange zurücklagen. Abgeblätterte Farben und zerbrochene Fensterscheiben zeugten von schlechten Zeiten. Ein fast leerer Parkplatz bewies, dass hier anscheinend kaum noch jemand arbeitete und ganze Familien fortgezogen waren. Die beiden Brüder Dale und Bill Ross standen vor ihrer Fabrik und sahen zu dem Hubschrauber hinauf. Sie beschatteten ihre Augen mit den Händen, um im blendenden Sonnenlicht besser sehen zu können. In der Hauptstadt des Mais waren die Ross-Brüder immer die Könige gewesen. Aber es waren schlechte Zeiten angebrochen und die Fabrik, die einstmals riesige Mengen Dosenmais produziert hatte, machte von Tag zu Tag mehr Verluste.
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»Da kommt unsere Zukunft«, sagte Dale traurig und deutete auf den Hubschrauber. »Er wird nichts verändern«, versicherte Bill seinem Bruder. »Er hat uns sein Wort gegeben, erinnerst du dich?« Dale fuhr fort, den Hubschrauber anzustarren, der nun sanft auf dem Parkplatz der Fabrik aufsetzte. Er verzog das Gesicht und schüttelte den Kopf. »Lionel Luthor ist der Pestizid-König von Metropolis«, platzte er heraus. »Was zum Teufel will er mit einer Dosenmais-Fabrik?« »Mach dir keine Sorgen, Dale«, sagte Bill und schlug seinem Bruder auf die Schulter. »Wir brauchen unbedingt Geld. Und ich bin mir sicher, dass Mr. Luthor sein Wort halten wird.« In einem Blumenladen auf der Main Street fügte eine Frau einem Blumenstrauß einen kleinen Bund Schleierkraut hinzu. Plötzlich wurde ihre Aufmerksamkeit auf das Geräusch einer kleinen Glocke über der Ladentür gelenkt, die das Kommen von Kunden ankündigte. Ein gut aussehendes Paar um die dreißig Jahre schlenderte herein. Der Staub auf ihren Jeans und Stiefeln und die gebräunte, wettergegerbte Haut ihrer Gesichter verrieten, dass sie wie die meisten Einwohner dieser Stadt Farmer waren. »Hallo, Nell«, sagte der Mann und nickte der Frau zu, die gerade damit fertig geworden war, den Blumenstrauß zu binden. Sein dickes, blondes Haar war von grauen Strähnen durchzogen und fiel in seine Stirn. »Jonathan«, rief Nell, während sich ein breites, strahlendes Lächeln auf ihrem Gesicht ausbreitete. Dann erblickte sie die Frau, die hinter Jonathan den Laden betrat. »Martha«, fügte sie mit hörbarer Enttäuschung hinzu, während ihr Lächeln verblasste. »Was für eine Überraschung! Was treibt denn die zurückgezogenen Kents in die Stadt?«
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»Tulpen!«, antwortete Martha, die jetzt ihrerseits breit grinste. Lange, rote Haare umrahmten ihr hübsches, sommersprossiges Gesicht. »Rote, wenn du hast.« »Nun«, begann Nell, während sie den Strauß ablegte und die Tür zum Kühlhaus öffnete, in dem sie ihre Schnittblumen aufbewahrte. »Wenn ihr eurem Farmhaus etwas mehr Farbe geben wollt, wie wäre es dann mit einer Tigerorchidee?« Nell war seit ihrer High School-Zeit nie über ihre Schwäche für Jonathan hinweggekommen. Ihr hübsches, aber müdes Gesicht spiegelte die harten, einsamen Jahre, die hinter ihr lagen. Es gab einiges, was sie bereute. »Danke«, antwortete Jonathan. »Aber Martha möchte nun mal Tulpen.« Nell zuckte mit den Schultern. »Das passt«, sagte sie und nahm eine Hand voll roter Tulpen aus dem Kühlhaus. »Tulpen sind sehr anspruchslose Blumen.« Den Seitenhieb ignorierend wandte Martha ihre Aufmerksamkeit einem kleinen, dunkelhaarigen Mädchen zu, das an einem Tisch im hinteren Teil des Ladens saß. Es trug ein Prinzessinnen-Kostüm, das aus einem weiten, weißen Kleid und einem Diadem aus Glitzersteinen bestand. Das Kind mochte etwa drei Jahre alt sein, war sehr hübsch und schwenkte einen funkelnden Zauberstab in der Hand. Martha erkannte Lana Lang und ging zu ihr herüber. Sie kniete sich neben sie, sodass ihre Gesichter auf gleicher Höhe waren. »Das ist aber ein schönes Kleid, Lana«, sagte sie bewundernd. »Bist du eine Prinzessin?« »Ich bin eine Märchenprinzessin«, berichtigte Lana sie. »Willst du dir etwas wünschen?« »Ich würde mir sehr gerne etwas wünschen«, antwortete Martha und schloss ihre Augen. Lana schwenkte ihren Zauberstab drei Mal über Marthas Kopf und berührte sie dann leicht mit seiner Spitze an der Stirn. 13
»Lana, sei vorsichtig«, rief Nell aus dem vorderen Teil des Ladens. »Du wirst noch jemandem ein Auge ausstechen.« »Vielen Dank, Märchenprinzessin«, sagte Martha und verneigte sich. Dann deutete sie auf einige Spielsachen, die auf dem Tisch lagen. »Und was hast du da?« Jonathan beobachtete schweigend, wie Martha mit Lana spielte. Der sehnsüchtige Ausdruck in ihren Augen entging ihm nicht. »Wo sind ihre Eltern?«, fragte er Nell. »Auf der Homecoming-Party«, erklärte Martha. »Wie alle anderen. Ich spiele die gute Patentante und passe auf sie auf. Ich hätte gedacht, du würdest auch dort sein und deine alten Glanztage wieder aufleben lassen.« »Ich bilde mir gerne ein, dass meine besten Tage noch vor mir liegen«, sagte er und sah Martha an, die zustimmend lächelte. »Martha«, rief Nell zu ihr herüber. »Hat dir Jonathan jemals erzählt, das wir auf der Homecoming-Party in unserem letzten Jahr auf der Smallville High School das Königspaar waren?« »Nein, hat er nicht«, antwortete Martha. »Aber glücklicherweise erwähnst du es ja bei jeder Gelegenheit, sodass es für uns alle ewig in Erinnerung bleiben wird.« Nell gab Jonathan die Blumen und die Kents wandten sich zum Gehen. »Auf Wiedersehen, Prinzessin Lana«, sagte Martha und verbeugte sich noch einmal. Nachdem sie den Laden verlassen hatten, kletterten Jonathan und Martha auf die Sitze ihres Pickups. Martha sah tief in Gedanken versunken zum Fenster hinaus. »Ich würde gerne wissen, was du dir da drinnen gewünscht hast«, sagte er und legte seinen Arm um ihre Schultern. Dass sie keine Kinder haben konnten, hatte die Tiefe und Nähe ihrer Beziehung nie gefährdet. Sie führten eine gute Ehe, die auf gegenseitigem Respekt beruhte und die von der vielen, harten Arbeit auf der Farm zusammengehalten wurde. Jonathan liebte Martha von ganzem Herzen, und sie wusste das. 14
Seine High School-Affäre mit Nell damals hatte Spaß gemacht. Er war der Star der Football-Mannschaft gewesen und sie die Homecoming-Queen, schlagfertig, witzig, frech und abenteuerlustig. Aber seine Liebe zu Martha war so fest wie der Felsboden, auf dem er seine Farm aufgebaut hatte. Doch er wusste, wie sehr sie sich ein Kind wünschte, und ihr Schmerz tat ihm weh. »Ich habe in Lanas kleines Gesicht gesehen und ich...« Martha verstummte. »Das ist alles, was ich mir jemals gewünscht habe.« Jonathan beugte sich über sie und küsste sie auf den Mund. HONK! HONK! HONK! Der zärtliche Moment wurde von einem wilden Hupkonzert unterbrochen. Eine Kolonne von offenen Wagen raste vorbei, aus denen heraus johlende High School-Schüler CheerleaderBüschel und Fahnen schwenkten, auf denen SMALLVILLE HIGH und GO CROWS zu lesen war. »Sieht so aus, als wenn Smallville wieder gewonnen hätte«, sagte Jonathan. Er ließ den Wagen an, fuhr langsam aus der Stadt heraus und schlug dann den Weg zu seiner Farm ein, während die Siegesfeier auf der Hauptstraße weiterging. Weit von der Erde entfernt, erreichte der Meteoritenschauer das Ende seiner langen Reise. Beim Eintritt in die Erdatmosphäre fingen die rasenden Felsbrocken Feuer und zogen nun einen leuchtend roten Feuerschweif hinter sich her. Die Oberfläche der Meteoriten glühte in einem Grün, das mit jeder Sekunde intensiver wurde. Immer noch in der Mitte des Flammensturms trat das Raumschiff in die Erdatmosphäre ein. Sein Hitzeschild schützte den einsamen Passagier an Bord. Lodernde Flammen, die eine lange Feuerspur hinter sich herzogen, umgaben das Schiff mit einem glühenden Orangerot.
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Dieser riesige Feuerball würde mit all seiner Zerstörungskraft in nur wenigen Minuten auf der Erde aufprallen. Vor der Maisfabrik der Ross-Brüder wollte Lionel Luthor gerade den Vertrag unterzeichnen, der ihn zum Besitzer der Fabrik und der sie umgebenden Maisfelder machen sollte. Er lehnte sich an einen alten Lastwagen, dessen Motorhaube er als Schreibunterlage benutzte. Bill und Dale Ross standen neben ihm. Aus dem Augenwinkel beobachtete Lionel, wie Lex einen kleinen Stein nach einer Krähe warf, die auf einem Haufen vertrockneter Maiskolben hockte. »Lex«, rief er missbilligend und fragte sich, wann sein Sohn endlich erwachsen werden und sich wie ein Mann benehmen würde. Dann wandte er sich wieder dem Vertrag zu. »Nun, meine Herren, wo muss ich unterschreiben?« Er überflog den Vertrag noch ein letztes Mal und unterzeichnete dann den Handel. Lex hatte inzwischen die restlichen Steine in seiner Hand fallen gelassen und wandte sich von seinem Vater ab. Es langweilte ihn zu Tode, seinen Vater dabei zu beobachten, wie er Geschäfte abschloss. Er wusste, sein Vater erwartete von ihm, dass er sich für die Geschäfte von LuthorCorp interessierte. Aber er war seines »Schicksals« überdrüssig und wollte einfach nur ein ganz normaler Junge sein. Lex vergrub seine Hände in den Hosentaschen und begann in den Maisfeldern herumzuwandern. Mit gesenktem Kopf trottete er zwischen zwei Reihen hoher Maisstauden entlang, die ihn völlig überragten und versteckten. Plötzlich hörte er eine schwache Stimme in seiner Nähe. »Hilfe«, rief es leise. Lex sah sich um, aber er konnte niemanden sehen. Er ging weiter. Seine Füße traten auf getrocknete Maiskolben, mit
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denen der Boden übersät war. Wird wohl der Wind gewesen sein, dachte er. Aber die leise Stimme rief wieder: »Hilf mir! Bitte!« Lex sah auf und erblickte eine Vogelscheuche. Spricht diese Vogelscheuche mit mir?, fragte er sich. Das ist unmöglich, Vogelscheuchen können nicht sprechen. Das wird langsam ziemlich unheimlich. Ich verschwinde besser von hier. Angst ergriff ihn und er rannte durch das Feld zurück zur Fabrik. Plötzlich verengte sich seine Brust und er erkannte das vertraute Zeichen, das einen neuen Asthmaanfall ankündigte. Lex begann zu keuchen und nach Luft zu ringen. Er griff in seine Tasche und suchte sein Inhaliergerät. Als er es an seinen Mund hielt, stolperte er plötzlich über eine umgeknickte Maisstaude und fiel in den Staub. Das Inhaliergerät flog in hohem Bogen in das Gewirr von Maispflanzen. Lex kroch auf allen Vieren zwischen den staubigen Kolben, die den Boden bedeckten, herum und versuchte vergeblich, das lebensrettende Gerät zu finden. Schließlich stieß er gegen einen dicken Holzpfahl, der tief in den Boden gerammt war. »Hey du«, rief die leise Stimme wieder. »Hilf mir!« Lex sah auf und starrte in das Gesicht einer sehr merkwürdig aussehenden Vogelscheuche. Er blinzelte im blendenden Sonnenlicht und erkannte, dass dies überhaupt keine Vogelscheuche, sondern ein Junge war. Er war an einen Holzpfahl gefesselt, seine Beine waren zusammengebunden und seine Arme waren über seinem Kopf an dem Pfahl befestigt. Er trug nichts als eine kurze Trainingshose. Auf seiner nackten Brust war mit dicken, rohen Pinselstrichen ein großes, rotes »S« geschrieben. Panik überfiel Lex. Aber bevor er auch nur eine Bewegung machen konnte, erschien plötzlich ein riesiger, orangefarbener Feuerball am Himmel und raste mit einem gewaltigen Donnern über sie hinweg.
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»Hilf mir bitte!«, flehte der gefesselte Junge ein letztes Mal leise. THOOOMMM!!! Als der erste Meteorit in die Mitte des Kornfeldes einschlug, sprang Lex auf. Schockwellen gingen nach allen Richtungen durch den Boden. Lex rannte so schnell er konnte los. Er spürte das Brennen in seiner Brust nicht mehr. Eine breite Spur aus schwarzem Rauch zeigte den Weg an, den der einschlagende Meteorit genommen hatte. Lex blickte über seine Schulter und sah, wie die gewaltige Schockwelle alles auf ihrem Weg niedermähte. Die Luft um ihn war mit elektrischer Energie aufgeladen und knisterte. Und dann sah er, wie eine Wand aus Staub, Rauch und Trümmerresten mit unglaublicher Geschwindigkeit auf ihn zuraste. Angetrieben von einer ungeheuren Kraft stieß die Welle zuerst gegen den Holzpfahl mit dem Gefangenen und wirbelte ihn wie einen Zahnstocher herum. Schließlich stürzte der Junge, immer noch an den Pfahl gefesselt, mit dem Gesicht zu Boden. Trotz der Aussichtslosigkeit seiner Flucht blieb Lex nicht einen Moment stehen. Aber die Schockwelle hatte ihn im Bruchteil einer Sekunde eingeholt, riss ihn hoch und schleuderte auch ihn in die Luft. Um ihn tobte ein Wirbel aus heißem, grauem Staub. Er hörte noch den tosenden Wind, dann war endlich alles still um ihn. Die Hauptstraße von Smallville wurde von einer Menschenmenge überflutet, die von dem dumpfen Grollen und den heftigen Stößen aus ihren Häusern und Geschäften getrieben worden war. Die Schüler, die eben noch vor Freude geschrien und ihre Fahnen geschwenkt hatten, hatten nun ihre Autos verlassen und starrten auf die lange, schwarze Rauchfahne, die sich über den makellosen blauen Himmel zog.
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Nell kam rennend aus ihrem Laden. In ihren Armen hielt sie Lana, welche sie fest umklammerte. »Was in Gottes Namen geht hier vor?«, schrie sie und starrte in die schwarze Rauchwolke am Himmel. In diesem Augenblick erschien der Wagen von Lanas Eltern auf der Hauptstraße und hielt gegenüber dem Blumenladen. Sie stiegen aus und erblickten ihre Tochter. Lana sah sie im selben Augenblick. »Mammy, Daddy«, schrie sie glücklich und winkte ihnen mit einer Hand zu, während sie mit der anderen den Zauberstab noch immer fest umklammerte. Da sich alle Augen auf den Himmel richteten, sah jetzt die ganze Stadt mit Entsetzen, wie ein zweiter Schwarm von Meteoriten über ihnen erschien und direkt auf sie zuflog. Der Aufschlag des ersten Meteoriten und die darauf folgende Schockwelle waren nur ein Vorgeschmack auf die unermessliche Zerstörung gewesen, die Smallville für immer verändern würde. Nell wollte auf Lanas Eltern zulaufen, blieb aber stehen und sah fassungslos, wie ein flammender Felsbrocken direkt auf die beiden zuraste. Die dreijährige Lana verfolgte die Bahn dieser brennenden Rakete mit ihren Augen. »Was ist das für ein schönes Licht am Himmel, Tante Nell?«, fragte sie eine Sekunde bevor der Meteorit in den Wagen ihrer Eltern einschlug. KA-FOOOMM! Der Wagen explodierte in einem flammenden Feuerball und der auflodernde Brand verschlang die Langs sofort. Die Kraft der Schockwelle warf Nell und Lana rückwärts gegen ein Regal mit Blumen, das vor dem Laden stand. Überall auf der Hauptstraße klirrten Fenster und verängstigte Menschen rannten um ihr Leben. Nell rappelte sich auf und warf gleichzeitig einen Blick auf Lana, die immer noch in ihren Armen lag und sah dort nichts 19
als Entsetzen und Verwirrung. Eben noch hatte das dreijährige Mädchen ein sorgenfreies Leben gehabt und jetzt hatte sie mit ansehen müssen, wie ein Felsbrocken aus dem All ihre Eltern tötete. Lanas Tränen vermischten sich mit dem Ruß der Explosion, der ihr Gesicht schwarz gefärbt hatte. Ihre verängstigten Schreie gingen in dem allgemeinen Lärm unter. FOOM! FOOM! FOOM! Der Wasserturm über der Hauptstraße war von einem Meteoriten zerschmettert worden, was zur Folge hatte, dass sich riesige Wassermassen auf die Menschen unter ihm ergossen. Ein anderer Meteorit zerstörte das Schild mit der Aufschrift »Willkommen in Smallville«. Von diesem blieb nur ein rauchender Stumpf übrig. Und es war kein Ende abzusehen. Ein Regen der Zerstörung ging auf Smallville nieder. Ein glühender, pfeifender Felsbrocken riss ein riesiges Loch in das Rathaus. Er durchschlug die Frontseite des historischen Gebäudes und verließ es wieder auf der Rückseite, um schließlich einen Krater in den Bürgersteig zu reißen. Autos und Lastwagen stießen krachend und splitternd in der Luft zusammen wie Spielzeug. Die Straße war von Rauchwolken verhüllt. Es schien, als würde der Ansturm niemals enden. Lionel Luthor rannte in das Maisfeld, das er soeben gekauft hatte und schrie: »Lex! Lex, wo bist du?« Er blieb für einen Moment stehen und sah erst jetzt, dass das ganze riesige Kornfeld, das sich nach allen Richtungen hin ausdehnte, flachgewalzt war, als wenn eine gigantische Sense darüber hinweg gegangen wäre und alle Maisstauden abgehackt hätte. Entsetzt von diesem Anblick stolperte Lionel weiter und erkannte plötzlich ein Büschel roten Haares auf dem Boden. Er kniete nieder, hob die kupferfarbenen Haarsträhnen auf und
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begriff erst jetzt deren volle Bedeutung. War das alles, was von seinem Sohn übrig geblieben war? In dem Gewirr von Maisstauden in seiner Nähe bewegte sich etwas leicht und Lionel stürzte darauf zu. Er riss die vertrockneten Pflanzen auseinander und fand Lex, der wie ein Fötus zusammengerollt auf dem Boden lag, unkontrolliert zitterte und in kurzen, heftigen Zügen atmete. Lionel wandte sich vor Entsetzen ab. Sein Sohn hatte alle seine Haare verloren – die schönen, roten Locken waren verschwunden. Im Alter von neun Jahren war sein Sohn vollkommen kahl geworden. Er nahm Lex auf seine Arme und verließ mit schnellen Schritten das Feld. Sein Sohn zitterte noch immer. Hastig ging er auf den Hubschrauber zu, denn er wollte diese verfluchte kleine Stadt so schnell wie möglich verlassen. Jonathan Kent stand fast auf dem Gaspedal seines alten roten Lastwagens und raste über die Autobahn. In dem Augenblick, als Martha sich herumwarf, sah sie, wie ein Meteorit hinter ihnen in die Straße einschlug. »Was geht hier vor?«, fragte sie mit vor Angst weit aufgerissenen Augen. Jonathan wirbelte herum, um zu sehen, ob sie getroffen worden waren, und so sah er das Raumschiff nicht, das direkt vor ihm auf die Straße stürzte. Und dann war es zu spät. Thoom! Das glühend heiße Raumschiff rammte sich wenige Meter vor ihnen in den Boden und riss eine lange, tiefe Furche in den Asphalt, bevor es etwa 300 Meter von seinem Aufschlagort entfernt zum Stillstand kam. Jonathan trat mit aller Kraft auf die Bremse. Der Lastwagen geriet ins Schleudern, drehte sich ein paar Mal um sich selbst und schoss dann in den dicken, schwarzen Rauch, der aus dem
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Krater vor ihnen quoll. Dann überschlug sich das Fahrzeug und stürzte in einen Graben neben der aufgerissenen Straße. Als die Kents langsam ihr Bewusstsein wiedererlangten, hingen sie, nur von den Sicherheitsgurten gehalten, kopfüber in ihren Sitzen. Marthas Haarspitzen berührten das Dach des Wagens. Jonathan öffnete blinzelnd seine Augen. Alles vor ihm verschwamm undeutlich und sein Herz raste. Als sein Blick wieder klarer wurde, nahm er etwas wahr, was wie ein nacktes Kind aussah. Ein Junge von etwa drei Jahren lief über die verbrannte, qualmende Erde, die von dem Maisfeld übriggeblieben war. »Barfuß«, dachte Jonathan. Dies war der erste Gedanke, der ihm durch den Kopf schoss. »Der Junge geht barfuß über den glühenden Boden.« Das war alles, was sein Gehirn ihm mitteilen konnte. »Martha«, rief mit rauer und heiserer Stimme. Seine Stimme schien Martha zu erreichen, denn ihre flatternden Augenlider begannen, sich zu öffnen und sie kämpfte sich aus dem Dunst der Bewusstlosigkeit zurück ins Leben. Auch sie sah den hübschen Jungen mit dem dicken, braunen Haar, der sich nun auf die Zehenspitzen stellte, um in das Innere des Wagens zu spähen. Bevor einer von ihnen ein Wort herausbringen konnte, öffnete der Junge mit einer mühelosen Bewegung wie selbstverständlich die Wagentür. Martha befreite sich vorsichtig aus ihrem Gurt, rollte sich aus dem Sitz und kam dann auf die Füße. Der Junge ging um den Wagen herum zu der Tür auf der Fahrerseite. Ohne jede Anstrengung riss er die Tür mit einem einzigen Ruck auf, als wenn er ein Geschenk auspacken würde. Als Jonathan sich aus dem Auto befreit hatte, sah er, dass Martha den Jungen bereits in eine Decke eingewickelt hatte und ihn in ihren Armen hielt. 22
»Ist alles in Ordnung?«, fragte er sie. »Ja, und mit dir?« »Ja, alles okay«, sagte er schnell. Es war ihm sofort klar, dass sie beide nicht aussprachen, was sie dachten. »Kinder fallen nicht so einfach vom Himmel«, sagte er schließlich nach einigen Minuten des Schweigens. »Aber wo ist er dann hergekommen?«, fragte Martha zurück. Jetzt, nachdem er es ausgesprochen hatte, war sie bereit, darüber zu reden. »Ich weiß es nicht«, antwortete Jonathan. Vorsichtig gingen sie über die qualmende Straße. »Aber er hat bestimmt Eltern.« Dann sahen sie das Raumschiff. Es hatte sich fast ganz in die Furche eingegraben, die es bei seinem Absturz selbst in die Straße gerissen hatte. Sie blieben stehen, um es zu betrachten. »Wenn er Eltern hat, sind die bestimmt nicht aus Kansas«, sagte Martha auf das Schiff deutend. »Liebling, wir können ihn nicht behalten«, sagte Jonathan seufzend. Er wusste genau, was seine Frau dachte. Es würde nicht leicht werden. »Was sollen wir den Leuten sagen? Dass wir ihn in einem Maisfeld gefunden haben?« Martha lächelte den Jungen an. Sie blickte in seine klaren, blauen Augen. Er machte ihren Gesichtsausdruck nach und grinste sie breit an. Schließlich drehte sie sich zu ihrem Mann um. »Wir haben nicht ihn gefunden, Jonathan«, erklärte sie, »sondern er uns!«
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2 JONATHAN UND MARTHA KENT brachten den Jungen nach Hause. Nachdem sie beschlossen hatten, ihn zu adoptieren und als ihren eigenen Sohn aufzuziehen, schworen sie sich, niemandem jemals von den eigenartigen Umständen zu erzählen, unter denen sie ihn gefunden hatten. Wenn sie jemand fragte, sagten sie, dass Marthas Schwester gestorben sei und ihnen den Jungen anvertraut habe. Jonathan wollte sicher gehen, dass niemand etwas von der Herkunft seines Sohnes erfuhr. Daher versteckte er den einzigen Beweis, das Raumschiff, in einem alten Schutzkeller, der sich hinter der Scheune auf seinem Grundstück befand. Später reiste er nach Metropolis, um sich in den dunklen Vierteln der Stadt eine gefälschte Geburtsurkunde für das Kind zu beschaffen, damit nach außen alles ganz normal erschien. Jetzt, da sie ihn als ihren Sohn aufgenommen hatten, waren die Kents bereit, alles zu tun, damit niemand die Wahrheit über seine Herkunft erfuhr. Sie nannten ihn Clark, nach dem Mädchennamen von Martha, und es bereitete ihnen viel Freude, ihn aufwachsen zu sehen. Langsam begriffen sie, dass die Kraft, mit der er sie aus dem verunglückten Wagen befreit hatte, nur einen Bruchteil seiner unglaublichen Fähigkeiten bildete. Im Alter von vier Jahren konnte Clark das Sofa im Wohnzimmer mit einer Hand mühelos in die Luft heben. Wenn er sich über etwas freute, war er in seiner freudigen Aufregung in der Lage, in weniger als fünf Sekunden das ganze, 10 Hektar große Grundstück der Clarks zu umrunden. Als er acht Jahre alt war, fiel ihm beim Spielen in der Scheune eine schwere Milchkanne aus Metall auf den Kopf. Clark trug noch nicht einmal einen Kratzer davon.
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Die Kents hielten alle diese Dinge sorgfältig geheim. Sie fürchteten, dass ihnen die staatlichen Institutionen ihren Sohn fortnehmen würden, wenn sie herausfanden, dass er von einem anderen Planeten stammte und übernatürliche Kräfte hatte. Sie hatten Angst davor, dass man ihn in ein Labor stecken, ihn untersuchen und wie ein Versuchskaninchen oder ein Monstrum behandeln würde. Sie hielten ihn von Sportveranstaltungen und Schulmannschaften fern, da sie ihr Geheimnis bewahren wollten und auch fürchteten, er könne versehentlich ein anderes Kind verletzen. Als er alt genug war, um es zu verstehen, erzählten sie Clark, dass sie ihn adoptiert hatten. Sie erzählten ihm auch, dass sie seine besonderen Kräfte geheim gehalten hatten. Aber mit keinem Wort erwähnten sie seine Ankunft in dem Raumschiff und wie sie ihn an diesem Tag gefunden hatten. Als Kind akzeptierte Clark diese Dinge, ohne sich allzu viele Gedanken darüber zu machen. Er fand es ziemlich cool, dass er diese unglaublichen Kräfte hatte und kümmerte sich nicht weiter darum, warum er sie hatte und andere nicht. Smallville veränderte sich in den Jahren nach dem Meteoritenschauer dramatisch. Es erhielt von der nationalen Presse den Titel »Amerikas verrückteste Stadt« und es schien tatsächlich, als ob an diesem stillen Fleck unter der normalen Oberfläche nun merkwürdige und unerklärliche Dinge vorgingen. Sonderbare Ereignisse häuften sich in Smallville. Da war die 150 Kilo schwere Tomate, die den ersten Preis auf der Landwirtschafts-Messe gewann, der Golden Retriever, der einen Welpen mit zwei Köpfen zur Welt brachte und die Frau, die plötzlich wie durch ein Wunder von einer schweren Krankheit geheilt war, obwohl die Ärzte ihr keine Chance mehr gegeben hatten. Einige waren der Meinung, dass der Meteoritenschauer alle diese seltsamen Dinge verursacht hatte, andere dagegen hielten 25
das Unternehmen LuthorCorp, das im selben Jahr die Ross Creamed Corn-Fabrik in einen High-Tech-Düngemittelbetrieb umwandelte, für den Verursacher der Veränderungen. Das »Willkommen in Smallville«-Schild, das von einem Meteoriten zerstört worden war, wurde wieder aufgebaut und in »Die Meteoriten-Hauptstadt der Welt« umbenannt. Die Einwohnerzahl stieg in den zwölf Jahren nach den seltsamen Ereignissen von 25.001 auf 45.001 stetig an. Für die Kents flogen die Jahre nur so vorbei. Es gab immer etwas zu tun auf der Farm. Manchmal war es nicht leicht, mit Clarks übernatürlichen Kräften umzugehen, aber letztendlich gewöhnten sich alle drei daran. Als Clark in die Pubertät kam, wuchsen seine Kräfte dramatisch an. Zusätzlich zu den normalen Veränderungen, die jeder Teenager in der Pubertät durchmacht, wurden seine Kräfte unkontrollierbar. Es wurde immer schwerer, Clarks Fähigkeiten vor der Welt zu verbergen und andererseits fiel es dem jungen Mann immer schwerer, die Beschränkungen zu ertragen, die seine Eltern ihm auferlegt hatten, um ihn zu schützen. Wie jeder Teenager sehnte sich Clark danach, so zu sein wie die anderen Jugendlichen und dazu zu gehören. Dennoch wollte er alles über seine Fähigkeiten herausfinden und fragte sich häufig, ob es noch andere Menschen auf der Welt gäbe, die alle diese Dinge tun konnten, die er vermochte. Aber es gab sie nicht.
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Heute Der fünfzehnjährige Clark starrte auf die WebSite, die sich auf dem Monitor seines Computers aufbaute. Seine Augen glitten mit unbeschreiblicher Geschwindigkeit über die Seiten, während er einen Artikel nach dem anderen über Menschen mit ungewöhnlichen Fähigkeiten verschlang. Da gab es den sechs Jahre alten Koreaner, der das Auto, unter dem sein Vater lag, aufgehoben hatte, um ihn zu retten und den Rekorde brechenden Teenager, der zum schnellsten Menschen der Welt erklärt worden war. Und schließlich den Afrikaner, der ein tobendes Buschfeuer ohne die geringste Verletzung überlebt hatte. Da Clark ständig auf der Suche nach Menschen war, die so wie er beschaffen waren, hatte er bereits viele solcher Artikel gesammelt und setzte seine Suche jeden Tag fort. Obwohl er wusste, dass es höchste Zeit für den Schulbus war, saß er immer noch in einem T-Shirt und Boxershorts vor dem Computer. Die Kleider, die er heute in der Schule tragen wollte, hingen noch über der Schranktür. Es war sein erstes Jahr auf der High School. Sein Zimmer war fast chaotisch unordentlich, Zeitschriften, CDs und Schulbücher lagen über den ganzen Boden verstreut, türmten sich auf dem Schreibtisch und auf dem Bett. Er wusste, dass seine Mutter den Raum in diesem Zustand nicht sehen durfte, aber das war im Augenblick kein Problem. »Clark Kent!«, rief Martha von unten. »Du wirst den Bus verpassen!« »Okay, ich komme runter«, rief er zurück, ohne sich zu rühren. Er wollte noch zwei oder drei Artikel abspeichern, bevor er sich anziehen, sein Zimmer aufräumen, frühstücken und schließlich zum Bus gehen wollte, der jeden Augenblick eintreffen konnte. 27
Martha Kent stieg polternd die Treppe hoch, um ihren Sohn endlich dazu zu bewegen, aus seinem Zimmer heraus zu kommen. Als Clark hörte, wie sich die Klinke seiner Zimmertüre bewegte, begriff er, dass es höchste Zeit war, in die Gänge zu kommen. Er schaltete seinen Rechner ab, warf sein T-Shirt in den Schrank, sprang in seine Klamotten und Schuhe, kämmte sein dichtes, dunkles Haar und räumte schließlich sein Zimmer auf: Er stapelte die CDs in alphabetischer Reihenfolge, ordnete die Zeitschriften und stopfte schließlich Zettel und Schulbücher in seinen Rucksack. Bevor seine Mutter die Türklinke heruntergedrückt hatte und sich die Tür öffnete, stand er fertig und mit seinen Büchern unterm Arm da. »Willkommen am Dienstagmorgen«, sagte seine Mutter, die den Kopf zur Tür hereinsteckte. »Wenn du fertig angezogen bist und dein Zimmer aufgeräumt hast, was machst du dann noch hier oben? Komm endlich zum Frühstück!« »Guten Morgen, Ma«, antwortete Clark lächelnd. Dies war zu einem regelmäßigen Ritual von Mutter und Sohn geworden, das sich jeden Morgen wiederholte. Martha hielt einen Kleiderbügel mit einem dunkelblauen Anzug in der Hand, der frisch aus der Reinigung gekommen war. »Der Anzug gehört deinem Vater«, erklärte sie. Clark sah sie überrascht an. »Ist jemand gestorben?«, fragte er halb im Scherz. »Die Homecoming-Party ist an diesem Wochenende«, erinnerte sie ihn. »Hast du das vergessen?« »Ich habe keine Verabredung für diese Party«, sagte er, ohne sie anzusehen. »Ich dachte, es wäre klar, dass ich nicht hingehe.« »Hast du jemanden gefragt?«, wollte Martha wissen. »Nein«, sagte er schulterzuckend. Seufzend ging Martha zu seinem Schrank, um den Anzug hineinzuhängen. »Weißt du, jemanden zu fragen ist der 28
notwendige erste Schritt zu einer Verabredung, Clark«, sagte sie und versuchte, ermutigend und nicht ironisch zu klingen. »Es macht mir nichts aus, Ma«, antwortete Clark und verließ hinter seiner Mutter das Zimmer. »Ich wünschte, die Leute könnten sehen, wie du wirklich bist«, sagte Martha, während sie die Treppe heruntergingen. Dann blieb sie plötzlich stehen und drehte sich zu ihm um. »Ich meine in deinem Inneren, weißt du. Nicht...« »Ich weiß schon, Ma«, sagte Clark lächelnd. »Ich weiß, was du meinst.« Als sie in der Küche ankamen, öffnete Clark die Tür des Kühlschranks, nahm eine Flasche Milch heraus und nahm einen langen, tiefen Schluck. Martha war nicht begeistert. Sie nahm ihm die Flasche aus der Hand, stellte sie auf den Tisch und warf Clark dann diesen »Mutter«-Blick zu, den er nur allzu gut kannte. »Was?«, fragte Clark kaum merklich genervt. »Es schmeckt besser aus der Flasche.« »Wo hast du nur deine Manieren her?«, fragte Martha. »Von einer Farm?«, beantwortete Clark diese häufig an ihn gestellte Frage und wandte sich dann schnell ab, um sein Lächeln zu verbergen. Er freute sich über seine pfiffige Antwort. In diesem Augenblick trat Jonathan Kent durch die Küchentüre, warf seine staubige Jacke ab und griff nach der Milchflasche auf dem Küchentisch. Er war bereits seit dem Morgengrauen auf, um die Arbeiten zu erledigen, die zum alltäglichen Leben auf einer Farm gehörten. »Guten Abend, Schlafmütze«, sagte er zu seinem Sohn, dann hob er die Flasche an seine Lippen und trank sie in drei oder vier tiefen Zügen aus. Clark warf seiner Mutter ein rasches Lächeln zu – wie der Vater, so der Sohn – und setzte sich dann an den Tisch. Seine Finger spielten nervös mit einem kleinen Stück Papier. 29
»Also, ihr beiden«, begann Martha, während sie Teller mit gebratenem Speck und Spiegeleiern auf den Tisch stellte, »ich habe heute Abend Unterricht, also seid ihr allein. Ihr braucht keine Pizza zu bestellen, es ist genug zu essen im Kühlschrank.« Vater und Sohn wechselten einen schuldbewussten Blick. Marthas gedankenleserische Fähigkeiten waren beachtlich. »Woher weiß sie, dass wir heute Abend Pizza bestellen wollten?«, dachte Clark verwundert. »Das kommt davon, wenn man zwanzig Jahre verheiratet ist«, dachte Jonathan. Er nahm einen Schluck Kaffee und bemerkte dann das Stück Papier, das Clark immer wieder in seinen Händen drehte. »Was hast du da?«, fragte er ihn. »Eine Zulassung zum Trainingsspiel«, antwortete Clark in bemüht gleichgültigem Ton, als ob er so etwas jeden Tag bekommen würde. »Für die Football-Mannschaft. Es sind einige Plätze frei geworden. Heute Nachmittag ist Training.« Jonathan nahm Clark den Zettel aus der Hand und starrte lange darauf. Clark wurde klar, dass er nicht die Antwort bekommen würde, auf die er gehofft hatte. »Komm schon, Pa«, stieß er hervor. »Du hast doch auch Football gespielt, als du in der Schule warst.« Ein guter Versuch, der jedoch auf taube Ohren stieß. »Das war etwas anderes, Clark«, erwiderte Jonathan ohne zu zögern. »Warum?«, fragte Clark wie aus der Pistole geschossen, obwohl er die Antwort nur allzu gut kannte. »Du weißt warum, Clark«, sagte Jonathan und legte die Bescheinigung auf den Tisch zurück. Clark holte tief Luft und sah seinem Vater in die Augen. »Und wenn ich nur mit halber Kraft laufe und niemals jemanden schlage?«, fragte er. Diese Lösung erschien ihm unschlagbar logisch.
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»Es können viele Dinge geschehen, wenn man mitten im Spiel ist«, erklärte Jonathan mit einer Stimme, aus der seine Erfahrung sprach. »Sieh mal, die meisten kommen eh nie aufs Spielfeld«, versuchte es Clark weiter. Er klammerte sich an die kleinste Hoffnung. »Ich werde wahrscheinlich sowieso die ganze Saison auf der Ersatzbank sitzen.« Ihre Blicke trafen sich wieder. Aber Jonathan gab nicht nach. Clark liebte seinen Vater, aber seine Dickköpfigkeit machte ihn manchmal wahnsinnig. »Pa«, begann er wieder leise. »Ich kann auch vorsichtig sein.« »Ich weiß, dass du das kannst«, versicherte sein Vater ihm. »Aber was ist, wenn ein Unfall passiert?« Clark sah auf seinen Frühstücksteller. Er fühlte sich geschlagen. Sein Vater schien auf alles eine Antwort zu haben. Schweigend kratzte er etwas Ei zusammen und schob die Gabel in den Mund. »Clark, ich weiß, es ist schwer für dich«, unterbrach Jonathan das Schweigen. Seine Stimme war voller Mitgefühl. »Aber du musst durchhalten. Wie du es uns versprochen hast.« »Ich bin es leid durchzuhalten«, sagte Clark heftig. Er stand auf, streifte seine sandfarbene Jacke über, schwang seinen Rucksack über eine Schulter und nahm seine Bücher, die er auf einen Stuhl neben der Tür gelegt hatte. »Alles was ich will, ist durch die High School zu kommen, ohne der totale Loser zu sein.« Dann drehte er sich um, stieß die Tür auf und beeilte sich, den Bus doch noch zu erwischen. Martha setzte sich auf einen Stuhl neben ihrem Mann. »Er verdient es, dass wir ihm die Wahrheit sagen«, bemerkte sie und in ihrer Stimme schwang tiefes Mitgefühl für ihren Sohn mit. »Er ist unser Sohn. Wir haben ihn adoptiert«, sagte Jonathan und beendete sein Frühstück. Sie hatten diese Diskussion schon
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oft geführt, aber mit jedem Jahr schien sie erbitterter zu werden. »Das ist das Einzige, was er wissen muss, Martha.« »Heute ging es um Football«, antwortete Martha. »Morgen wird es etwas anderes sein. Er ist kein Kind mehr und er wird immer mehr Fragen haben. Außerdem hat er sich verändert.« »Er hat sich schon immer verändert«, bemerkte Jonathan. »Jedes Jahr wurde er etwas stärker und etwas schneller.« »Jetzt ist es aber was anderes«, warf Martha ein. »Letzte Woche habe ich ihn dabei überrascht, wie er einen Traktor hochgehoben hat. Aber es macht ihm keinen Spaß mehr, diese Kräfte zu haben, wie das noch vor ein paar Jahren der Fall war. Er ist anders als die anderen und das kann ein schreckliches Hindernis auf der High School sein.« Jonathan ließ seine Gabel sinken und blickte seine Frau an. Er konnte nicht verleugnen, dass es richtig war, was sie sagte und auch er hatte tiefes Mitgefühl für seinen Sohn, aber er wusste auch, dass das Geheimnis, das sie teilten, vor dem Rest der Welt bewahrt werden musste. »Wir stecken beide zusammen in dieser Sache drin, Martha«, sagte er langsam. Martha ergriff seine Hand und umklammerte sie fest. »Es gibt drei Mitglieder in dieser Familie«, sagte sie. »Und jetzt, da er kein Kind mehr ist, müssen wir ihm die ganze Wahrheit sagen.« »Und was ist, wenn er es jemandem erzählt?«, wehrte Jonathan sich noch immer. »Ich will nicht, dass hier jemand auftaucht, seine Polizeimarke zeigt und ihn uns wegnimmt!« Martha stand auf. »Wenn wir ihm nicht bald die Wahrheit sagen, muss niemand kommen, um ihn mitzunehmen«, sagte sie. »Dann wird er von alleine gehen.« Draußen schlurfte Clark über die Auffahrt. Er hatte sich den Rucksack über eine Schulter gehängt und ließ den Kopf hängen. »Wie können sie auch verstehen, was ich durchmache?«, dachte er, während er langsam zur Straße ging. 32
»Mein Vater war ein Football-Star in der High School von Smallville und meine Mutter kommt aus Metropolis, weit weg von Kleinstadt-Klatsch und Kleinstadt-Cliquen. Sie mussten sich beide nicht mit einem Leben als Loser herumschlagen und erst recht nicht mit einem Leben als Freak.« Er wurde jäh aus seinen Gedanken gerissen, als der Schulbus am Ende der Auffahrt auftauchte. »Halt«, rief er und rannte die Auffahrt herunter. Als er an der Straße ankam, sah er nur noch, wie die roten Rücklichter des Busses in der Kurve verschwanden. »Ah, Mist«, murmelte er in einer Aufwallung von Selbstmitleid. Heute ging aber auch alles schief! Doch plötzlich erschien ein breites Grinsen auf Clarks Gesicht. Er drehte sich um und verschwand mit einem Satz in den Maisfeldern neben der Straße. Dort angekommen beschleunigte er sein Tempo von 0 auf 100 km/h. Nur ein undeutlicher Schatten, der eine Staubwolke hinter sich ließ, war von ihm noch zu sehen. Im Schulbus hatten die beiden besten Freunde von Clark gerade eine Wette abgeschlossen. »Ich kann es einfach nicht glauben, dass du gegen deinen besten Freund wettest, Pete«, sagte ein hübsches, blondes Mädchen und reichte dem Jungen neben sich einen FünfDollar-Schein. Sie trug einen langen Mantel aus den 70er Jahren mit einem großen Kunstpelzkragen. Ihre hellblauen Augen sprühten vor Intelligenz und ein strahlendes Lächeln erhellte ihr Gesicht. Chloe Sullivan war nicht glücklich darüber gewesen, von Metropolis nach Smallville ziehen, aber der Job ihres Vaters hatte sie nun mal in dieses langweilige Nest geführt und wie immer machte sie das Beste daraus. »Es ist eine statistisch erwiesene Tatsache, Chloe«, erklärte Pete und steckte den Schein ein. Kurz geschnittenes Haar umgab seine fein geschnittenen Gesichtszüge. Er trug ein schwarzes T-Shirt, das unter seinem grauen Hemd hervorsah, 33
und darüber eine knallrote Jacke. »Nur wenn er tot wäre, würde sich Clark Kent noch langsamer bewegen. Ich wusste, dass er den Bus verpassen würde. Er verpasst ihn immer. Leicht verdientes Geld, Chloe!« Pete Ross war der jüngste Spross einer Familie mit überdurchschnittlich guten Sportlern. Seine älteren Brüder waren alle Sportstars auf der Schule von Smallville gewesen und im Foyer der High School waren die Medaillen und Pokale ausgestellt, die davon zeugten. Pete wusste, dass er es nicht mit ihnen aufnehmen konnte. Deshalb hatte er es auch nie versucht. Stattdessen setzte er auf geistreiche Schlagfertigkeit und ein gewinnendes Lächeln. Der Bus rumpelte über die schmale, schwarze Asphaltstraße, die an den Maisfeldern entlanglief, die einstmals Petes Familie gehört hatten, sich nun aber im Besitz von LuthorCorp befanden. Chloe und Pete hatten beide eine Verbindung sowohl zu den Feldern als auch zu den Luthors: Petes Familie hatte die riesigen Gründstücke einstmals besessen und Chloes Vater war vor kurzem nach Smallville gekommen, um als Manager in der Düngemittelfabrik von Lionel Luthor zu arbeiten. Wenn einer der beiden Freunde in diesem Augenblick auf die Idee gekommen wäre, aus dem Fenster zu sehen, hätten sie eine seltsame Bewegung zwischen den hohen Maisstauden ausmachen können. Eine kaum sichtbare Gestalt schoss zwischen den Feldern hindurch, überholte den langsamen Bus und raste auf Smallville zu. Als Chloe aus dem Fenster sah, war der unsichtbare Wirbel schon lange vorbeigezogen. Alles was sie sah, waren endlose Reihen von Maisstauden. »Ich könnte nie auf einer Farm leben«, bemerkte sie. »Das ist ja fast mittelalterlich.« Chloe betrachtete sich als eine dem Landleben überlegene Großstädterin, die in das Exil dieser amerikanischen Kleinstadt geworfen worden war, weil ihr Vater hier eine Düngemittelfabrik leitete. Ihre Träume gingen weit über diese 34
Ansammlung von Farmen, Feldern und neugebauten Vororten hinaus. In ihrer Zukunft sah sie sich als Starjournalistin einer bekannten Zeitung. In der Zwischenzeit musste sie sich mit der Rolle der Redakteurin der Schülerzeitung »Torch« von Smallville High zufrieden geben. »Ich verrate dir ein Geheimnis, Chloe«, begann Pete. »Diese kleine Siedlung aus Plastik-Fertighäusern, die du dein Zuhause nennst, war auch mal eine Farm.« Pete konnte sich noch gut daran erinnern, als die ersten Farmen zu verschwinden begannen und den Fertigsiedlungen und Immobilienhändlern weichen mussten. Und dann gab es da all die Geschichten, die seine Familie ihm erzählt hatte. Die Familie Ross lebte seit 1870 in Smallville und somit fühlte er sich mit der Stadt und ihrer Geschichte fest verbunden. Seit Lionel Luthor vor zwölf Jahren sein Versprechen gebrochen und den Dosenmais-Betrieb in eine Düngemittelfabrik umgewandelt hatte, wollte Petes hilflose, betrogene Familie nur noch möglichst wenig mit den Luthors zu tun haben. Der größte Teil der Einwohner von Smallville teilte diese Einstellung. »Smallville ist nicht mein Zuhause«, erklärte Chloe. »Es ist eine unfreiwillige Pause auf meinem Weg zurück nach Metropolis und zu einem Job beim Daily Planet«, erklärte sie selbstbewusst. Pete schüttelte den Kopf und streckte sich lachend auf seinem Sitz aus. »Chloe und ihre ruhmreichen Träume«, dachte er. Aber obwohl er sie ständig verspottete, wusste er, dass er sie genau deswegen so anziehend fand. Der rasende Wirbel fegte durch den Garten eines Hauses neben der Schule von Smallville. Die Wäsche, die im Garten auf der Wäscheleine hing, flatterte heftig, als wäre sie von einem Windstoß bewegt worden. Schließlich bremste der unsichtbare Blitz langsam und gleichmäßig ab und Clark Kent tauchte mit seinen Büchern 35
unter dem Arm vor dem Eingang der Smallville High auf. Ein zufriedenes Lächeln breitete sich auf seinem Gesicht aus. Er blickte auf die Wand aus roten und weißen Backsteinen und auf die Homecoming-Fahne mit der Aufschrift »Fly to Victory«, die in der leichten Morgenbrise flatterte. In diesem Augenblick fuhr der Schulbus auf den großen Parkplatz ein, hielt quietschend an der Haltestelle und entließ die lärmenden Schüler, die den Parkplatz überquerten und auf den Eingang zugingen. Chloe ging schnell, gefolgt von Pete, der sich bemühte mit ihr Schritt zu halten. Pete sah Chloe an und schluckte schwer. »Hat dich schon jemand gefragt, ob du zu der Party gehen willst?«, fragte er endlich. »Noch nicht«, antwortete sie ungerührt. »Nun«, begann Pete, »wenn aus deinen Plänen mit du-weißtschon-wem nichts wird, dann könntest du...« »Pete«, unterbrach sie ihn, »wie wär’s, wenn du eine Werbepause in die Seifenoper einbaust, die in deinem Kopf abläuft. Ich bin nicht an Clark interessiert.« Pete nickte. »Deine heftige Ablehnung wird hiermit offiziell zur Kenntnis genommen.« Chloe blieb stehen und drehte sich zu Pete um. Sie seufzte theatralisch, holte tief Luft und blies sich die blonden Locken aus der Stirn. Pete strahlte sie mit einem breiten Grinsen an. »Dann könnten wir doch eigentlich zusammen zu der Party gehen«, schlug er vor. »Ich meine nicht als Paar oder so was«, fügte er hastig hinzu. »Eher als Freunde, du weißt schon.« Pete wünschte sich insgeheim nichts mehr, als Chloe eine wirkliche Verabredung vorzuschlagen, aber seine Schüchternheit und Unsicherheit hinderten ihn daran. Außerdem war er sich sicher, dass sie eine große Schwäche für Clark hatte. Und so machte er mit seinen Witzen und seinem Spott weiter, als würde er nur Freundschaft für sie empfinden. 36
Bevor Chloe antworten konnte, tauchte Clark hinter ihnen auf. »Hallo, Freunde«, sagte er gelassen. Pete und Chloe drehten sich um und starrten ihn überrascht an. »Wir haben doch genau gesehen, wie du eben den Bus verpasst hast«, sagte Chloe und blinzelte Clark verblüfft an. »Du warst doch eben erst...« Ihre Stimme erstarb. »Ich habe eine Abkürzung genommen«, sagte Clark, als ob diese einfache Aussage alles erklären würde. »Eine Abkürzung wodurch?«, fragte Chloe in ihrer besten »Die-hartgesottene-Reporterin«-Stimme. »Durch ein schwarzes Loch?« »Sie müssen unsere aufdringliche Reporterin entschuldigen«, fiel Pete ein. Er war mit Clark aufgewachsen und kannte ihn seit der Grundschule. Sie waren seit langem die besten Freunde und Pete wusste mittlerweile, dass Clark immer wieder für eine Überraschung gut war. »Ihr Radar für Rätsel und Geheimnisse arbeitet gerade auf Hochtouren.« Chloes blickte von Clark zu Pete und zurück. »Nur weil alle ignorieren, dass in diesem idyllischen kleinen Kaff ständig die merkwürdigsten Dinge passieren, heißt das nicht, dass sie nicht existieren«, sagte sie heftig. »Also Chloe, wir würden dir ja gerne bei deinen wilden Abenteuern auf der Suche nach dem Mysterium von Smallville beistehen, aber Clark und ich wollen unsere Erlaubnisbescheinigungen noch vor Mitternacht abgeben.« Clarks Körper verspannte sich. Seine Lippen pressten sich zusammen. Er hatte sich noch gar nicht überlegt, wie er es Pete beibringen sollte. »Ach weißt du, Pete«, begann er, fieberhaft nach den richtigen Worten suchend. »Ich hab’s mir noch mal überlegt. Ich glaube, es ist doch keine so gute Idee, in die Mannschaft zu gehen.« Obwohl sie die besten Freunde waren, hielt Clark seine übernatürlichen Kräfte auch vor Pete geheim. Pete baute sich direkt vor Clark auf und sah kopfschüttelnd zu ihm auf. Wem haben wir denn diesen Meinungswechsel zu 37
verdanken?, dachte er bei sich. Gestern war er noch wild entschlossen, der Mannschaft beizutreten. Laut sagte er: »Clark, ich sag’s dir noch mal. Es ist die einzige Art und Weise, wie wir uns in Sicherheit bringen können.« Chloes Mund stand vor Überraschung weit offen und sie riss ihre blauen Augen weit auf. »Wie bitte?«, rief sie. »Ihr zwei wollt in die Football-Mannschaft? Was soll denn das werden, ein High School-Selbstmord-Projekt?« Pete packte Chloe bei den Schultern und schob sie in eine Ecke des Schulhofs. Vorsichtig sah er sich nach allen Seiten um, um sicher zu gehen, dass niemand ihnen zuhörte. »Nein«, flüsterte er nervös. »Kein Selbstmordplan. Wir versuchen nur, nicht die Vogelscheuchen dieses Jahres zu werden.« »Wovon redest du eigentlich?«, fragte Chloe ungeduldig. »Und warum flüsterst du?«, rief sie dann mit jedem Wort lauter werdend. Pete gestikulierte heftig mit seinen Händen, um Chloe zu bedeuten, dass sie leiser sprechen sollte. »Schh!«, zischte er und legte den Zeigefinger auf seine Lippen. Dann fuhr er mit angespannter Stimme fort: »Es ist eine HomecomingTradition«, sagte er. »Vor dem Spiel suchen sich die Spieler den schwächsten Neuling aus, schleppen ihn raus in die Maisfelder, nehmen ihm alle Kleider weg und malen ihm ein ›S‹ auf die Brust.« »Und dann fesseln sie ihn wie eine Vogelscheuche an einen Holzpfahl«, fügte Clark hinzu. »Iiihhh«, stieß Chloe angewidert von diesen martialischen Ritualen hervor. »Das klingt nach jahrelanger PsychoTherapie!« Pete nickte und sah sich wieder um. »Genau deshalb wollen wir in die Mannschaft«, flüsterte er. »Wir sind uns sicher, dass sie niemand aus dem Team nehmen werden.« Es war ein gefährliches Risiko, dieses schmutzige kleine Schulgeheimnis ausgerechnet der Redakteurin der Schülerzeitung zu verraten. 38
Es konnte ernsthafte Folgen haben und seine restliche Zeit an dieser High School in einen Alptraum verwandeln. Aber er vertraute Chloe restlos. »Ich könnte doch einen Artikel im Torch schreiben, in dem ich diese kranken Hinterwäldler-Rituale aufdecke«, schlug Chloe vor. Ein Grund mehr, so schnell wie möglich aus diesem Kuhstall hier zu verschwinden und in eine richtige Stadt zurückzugehen, dachte sie. »Keine gute Idee, Erin Brockovich«, bremste Pete ihren Elan und begann sich zu fragen, wie weit er ihr wirklich vertrauen konnte. »Zumindest einige von uns wollen ihr erstes Jahr in der High School tatsächlich überleben.« Clark warf einen Blick über seine Schulter auf den Eingang des Schulgebäudes. Dort stand ein schönes Mädchen mit langen, braunen, schimmernden Haaren, funkelnden, mandelförmigen Augen, vollen, roten Lippen und einem Lächeln, das so strahlend wie das Sonnenlicht war. Mit einem Schlag verlor er jegliches Interesse an ihrer Unterhaltung. Er wandte sich an seine Freunde und murmelte: »Ich sehe euch später im Unterricht.« Dann ließ er sie stehen. Mit klopfendem Herzen näherte er sich der überirdischen Schönheit. »Bis dann«, sagte Chloe und lachte leise in sich hinein. Pete zog den Fünf-Dollar-Schein, den er zuvor bei ihrer Wette gewonnen hatte aus der Tasche und hielt ihn Chloe vor die Nase. »Ich gebe ihm zehn Sekunden«, sagte er. Sie nahm die Wette an. »Fünf«, sagte sie. Während Clark langsam auf das Mädchen zuging, zählte Pete: »Eins, zwei, drei, vier, fünf!« Als er sich dem Mädchen bis auf wenige Meter genähert hatte, stolperte Clark plötzlich, als wäre er vor eine unsichtbare Wand gelaufen und fiel in die Büsche, mit denen der Schulhof bepflanzt war. Seine Bücher verteilten sich über den ganzen Boden. 39
»Man kann die Uhr nach ihm stellen«, sagte Chloe und schnappte Pete den Schein aus der Hand. »Es ist statistisch erwiesen: Clark Kent kann sich nicht in den näheren Umkreis von Lana Lang begeben, ohne zu einem totalen Idioten zu mutieren.« Verwirrt von der unerklärlichen Ungeschicklichkeit, die ihn immer in Lanas Gegenwart überfiel, richtete Clark sich auf und begann, verlegen seine Bücher aufzusammeln. Er kannte Lana so lange er denken konnte. Von dem Augenblick an, als er angefangen hatte, sich für Mädchen zu interessieren war sie die Einzige gewesen, der er jemals Beachtung geschenkt hatte. Mittlerweile hatte sich seine Schwäche aus Kinderzeiten zu einem ernsthaften und tiefen Gefühl verfestigt, das er ebenso wie andere, weitaus ungewöhnlichere Dinge, sorgfältig verborgen hielt. Lana lebte bei ihrer Tante Nell direkt neben der Farm der Kents. Nach außen hin schien es, als wäre aus der kleinen Märchenprinzessin eine umwerfende, junge Frau geworden, selbstbewusst, souverän, eine brillante Schülerin, Cheerleaderin und bereits in ihrem ersten High School-Jahr die beliebteste Schülerin überhaupt. Aber wenn Clark in ihre Augen sah, glaubte er dort einen verborgenen Schmerz zu erkennen, Zweifel und auch eine tiefe Traurigkeit. Die Ursache hierfür lag sicherlich darin, dass sie ihre Eltern vor ihren Augen einen Tod in den Flammen hatte sterben sehen müssen als sie drei Jahre alt gewesen war. Er wünschte sich nichts mehr, als sie trösten und ihr nahe sein zu können, aber immer, wenn er sie sah, war er wie benebelt, verlor sein Gleichgewicht und brach in kalten Schweiß aus. Er wollte gerade das letzte Buch aufheben, als plötzlich eine schmale Hand danach griff. Aufsehend blickte er direkt in Lanas dunkelbraune Augen. Dann fiel sein Blick auf einen kleinen, grünen Stein, der an einer silbernen Kette um ihren
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Hals hing. Clark wischte sich mit dem Handrücken den Schweiß von der Stirn. »Nietzsche, hm?«, bemerkte Lana, während sie ihm sein Philosophiebuch hinhielt. »Ich wusste gar nicht, dass du auch eine dunkle Seite hast, Clark!« Für Lana war Clark der nette Junge von nebenan. Ein verlässlicher Freund, mit dem sie zusammen aufgewachsen war. Wenn sie irgendwelche tieferen Gefühle für Clark hegte, versteckte sie sie gut. »Ach ja«, antwortete Clark und räusperte sich, um seine Kehle zu befreien. »Hat die nicht jeder?« »Stimmt«, meinte sie und als sie ihm das Buch gab, berührten sich ihre Hände für einen Moment, was zu einem erneuten Schweißausbruch seinerseits führte. »Und was bist du: Mensch oder Übermensch?« »Ich, äh, ich«, stammelte Clark und suchte verzweifelt nach einer halbwegs intelligenten Antwort. »Ich hab mich noch nicht entschieden.« Für einen Augenblick standen sie sich gegenüber und lächelten sich an. Obwohl er sich immer noch benommen fühlte, genoss Clark diesen schönen Moment. Viel zu schnell wurde er zerstört. »Lana!«, rief eine laute, tiefe Stimme. »Hier bist du!« Ein großer, gut aussehender Junge mit dichtem, blonden Haar und gut geschnittenem Gesicht tauchte hinter Lana auf. Er trug eine Jacke, auf der vorne das rote und goldene »S« für Smallville High und auf dem Rücken eine große schwarze Krähe zu sehen war, die über dem Schriftzug Crows flog. Die Krähe war das Maskottchen der Schule und des Football-Teams. Er küsste Lana lange auf den Mund. Clark beobachtete die beiden mit einem Gefühl des Unbehagens und kämpfte mit dem wackeligen Bücherstapel auf seinem Arm. »Hallo, Clark«, sagte der Junge schließlich. »Hallo Whitney«, murmelte Clark atemlos. Mit jeder Minute fühlte er sich elender. Er setzte sich auf die Metallbalustrade, 41
beugte sich vor und versuchte, sein Gleichgewicht wiederzugewinnen. Whitney Fordman war ein phantastischer Quarterback, der beliebteste und bekannteste Junge der Schule und wurde von allen als Held angesehen. Und obendrein war er auch noch Lanas Freund. Sie waren das perfekte Paar: gut aussehend, beliebt und offensichtlich sehr verliebt. »Also Lana«, begann Whitney und zog eine Diskette aus seiner Tasche. »Kannst du mir einen riesigen Gefallen tun? Kannst du dir mal meinen Aufsatz ansehen? Ich bin erst um zwei Uhr morgens damit fertig geworden und das Ende gefällt mir nicht recht.« Lana nahm ihm lächelnd die Diskette aus der Hand und schob sie in die Tasche ihrer weißen Jeans. »Es ist bestimmt ein Super-Ende, Whitney!«, sagte sie und kniff ihn in seinen muskulösen Arm. Whitney warf einen Blick auf Clark, der seinen Kopf mittlerweile auf den Bücherstapel gelegt hatte, den er auf seinen Knien hielt. »Mann«, sagte Whitney. »Bist du okay? Du siehst aus, als wenn du gleich schlapp machst.« »Es geht mir gut«, sagte Clark schwach und gab sich alle Mühe, nicht nach vorne überzukippen. »Echt gut!« Whitney hob ein weiteres Buch auf, das Lana und Clark übersehen hatten. »Du hast noch eins vergessen, Clark«, sagte er und warf ihm das Buch zu. Bei dem Versuch, es aufzufangen, ließ Clark die anderen Bücher los und der ganze Stapel kippte ein zweites Mal auf den Boden. Zu allem Überfluss rutschte er auch noch von der Balustrade und landete mit dem Hintern auf dem Asphaltboden. »Clark? Alles in Ordnung?«, fragte Lana und betrachtete das Häufchen Elend, das sich auf dem Boden krümmte. »Ja, alles bestens, Lana«, stöhnte Clark und nickte heftig. »Mir geht es prima!« Unglücklich blickte er den beiden
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hinterher, als sie zuschlenderten.
Hand
in
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Hand
auf
den
Eingang
3 IM ERSTEN STOCK der Smallville High School vermischten sich die Stimmen und Geräusche zu einem undeutlichen, brodelnden Lärm. Laute Stimmen, Rufe und Schritte hallten von den Wänden wider, während die Menge der Schüler ihre Klassenräume aufsuchte. Diese Symphonie von Geräuschen steigerte sich noch, als der schrille Klang der Pausenglocke ertönte und denjenigen, die noch auf dem Flur unterwegs waren, verkündete, dass sie ab jetzt offiziell verspätet waren. In wenigen Minuten waren die Flure wie leer gefegt. Nur ein einziger Schüler stand noch vor der Glasvitrine mit den Auszeichnungen und Pokalen. Er war groß und mager und scheinbar neu auf der Schule. Seine riesigen, eingesunkenen Augen starrten auf die Sammlung von Pokalen und blieben schließlich an einem Namen hängen, der auf vielen von ihnen zu lesen war: Ross. Die Bilder von Petes älteren Brüdern mit ihren lächelnden Gesichtern schienen den in Gedanken versunkenen Schüler anzusehen. Sie waren hervorragende Spieler gewesen, die viele Spiele für die Schule gewonnen hatten, was ihnen Einfluss und Ansehen eingebracht hatte – einen Einfluss, den sie oft missbraucht hatten. Aber die goldenen Zeiten für die RossBrüder waren lange vorbei. Jetzt waren sie nichts mehr. Der Schüler ballte seine rechte Hand zu einer Faust und holte mit dem Arm aus, immer noch auf eines der Fotos starrend, auf dem ihm drei glückliche Footballspieler entgegenstrahlten, die ihre Helme unter dem Arm trugen und selbstbewusst dreinblickten. »Junger Mann, der Unterricht hat begonnen«, sagte plötzlich eine Stimme hinter ihm. Doch der Schüler rührte sich nicht. Er starrte noch immer auf das Bild in der Vitrine. 44
»Hättest du die Höflichkeit, dich umzudrehen, wenn ich mit dir spreche?«, sagte der ältere Mann hinter ihm erbost. »Ich bin vielleicht nur der Vize-Direktor, aber ein bisschen Respekt solltest du trotzdem vor mir haben.« Langsam drehte sich der Schüler um und sah einen kleinen Mann mit beginnender Glatze vor sich stehen. Seine Hand war immer noch zu einer Faust geballt. Sein Gesicht war vollkommen ausdruckslos, eine stille Maske der Entschlossenheit. »Wie heißt du?«, fragte der Vize ihn. »Ich habe dich noch nie hier gesehen.« Mit einer plötzlichen Bewegung wirbelte der Schüler wieder herum und seine Faust schoss kraftvoll durch das Glas der Vitrine. Glassplitter fielen klirrend zu Boden, während er mit seiner Hand nach dem Foto mit den drei Spielern griff, es aus der Vitrine zog und es dann mit beiden Händen festhielt. »Bist du verrückt geworden?«, rief der Vize-Direktor. »Leg das Foto sofort wieder zurück und dann kommst du mit in mein Büro! Das wird richtig Ärger geben, junger Mann!« Er packte den Schüler mit beiden Händen bei den Schultern. In dem Moment, in dem er ihn berührte, sprang ein großer, blauer Funke auf und ein heftiger Stromschlag ging durch den Körper des Lehrers als hätte er in ein offenes Stromkabel gegriffen. Der Schlag ließ ihn rückwärts durch das ganze Foyer taumeln, bis er mit dem Rücken gegen die Wand stieß. Dort fiel er leblos in sich zusammen. Der Schüler ließ sich von dieser Unterbrechung nicht weiter stören, sondern starrte wieder auf das Foto und erinnerte sich an den Tag vor zwölf Jahren, an dem es aufgenommen worden war. Sein ganzes Inneres tobte vor Wut. »Jetzt wird abgerechnet«, stieß er dumpf hervor. Das Foto immer noch zwischen seinen Händen zerknitternd, wandte er sich von der Vitrine ab und verließ ruhig das Foyer. Das zersplitterte Glas knirschte unter seinen Füßen. 45
Ein silberner Porsche mit dem kurzen Kennzeichen LEX raste durch die endlosen Felder mit reifendem Mais. Die Abendsonne glitzerte auf der polierten Karosserie. Als der Wagen den Eingang zu einer der drei Düngemittelfabriken von LuthorCorp erreicht hatte, verlangsamte er das Tempo etwas und fuhr schließlich mit quietschenden Reifen auf den Parkplatz der Fabrik ein. Die Bewohner von Smallville hatte sich nach all den Jahren immer noch nicht an den Anblick der High-Tech-Fabriken gewöhnt, die an der Stelle der Ross Creamed Corn-Fabrik entstanden waren, aber Lionel Luthor nahm wenig Rücksicht auf die Gefühle der Leute, deren Leben er nachhaltig verändert hatte. Sein einziges Ziel war Profit und genau den warf dieses kleine, landwirtschaftliche Unternehmen im Augenblick nicht ab. Lionel hatte seinen Sohn nach Smallville geschickt, damit er dort die finanzielle Leitung der Fabrik übernahm. Auf diese Weise wollte er herausfinden, ob sein Sohn endlich erwachsen geworden war und Geschäftsinn zu entwickeln begann. Er war immerhin der Erbe des gesamten Luthor-Vermögens und würde eines Tages die Leitung des riesigen Imperiums übernehmen, das Lionel so mühevoll aufgebaut hatte. Für Lionel stellte dies eine Prüfung für seinen Sohn dar, die er zu bestehen hatte. Sein Sohn sah sie dagegen als eine Bestrafung an, weil er den Erwartungen seines Vaters offensichtlich nie gerecht werden konnte. Der einundzwanzigjährige Lex stieg aus dem glänzenden Auto aus und betrachtete seinen neuen Arbeitsplatz. Zum ersten Mal, seitdem er vor zwölf Jahren in den Meteoritenschauer geraten war, kehrte er nach Smallville zurück. Der Meteoritenschauer hatte ihm nicht nur all seine Haare, sondern auch seine gesamte Kindheit geraubt.
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Für Lex, der mit neun Jahren schon kahl geworden war, war das Leben nicht immer leicht gewesen. Er hatte sich an die Witze und die Spottnamen gewöhnt, an die Worte »Freak« und »Mutant«, die zwar hinter seinem Rücken, aber nicht leise genug gezischt wurden. Aber er war ein Luthor, woran ihn sein Vater immer wieder erinnerte und er entwickelte im Laufe der Jahre eine dicke Haut und ein starkes Selbstbewusstsein. Diese unschönen Dinge gehörten zu seinem Leben wie die teuren Privatschulen, die Gartenparties und die Polospiele. Der junge, gut aussehende Mann trug ein graues T-Shirt und einen schmalen schwarzen Anzug. Er hasste den Gedanken, in dieses lächerliche Nest, das nur von Farmern bewohnt wurde, verbannt worden zu sein, aber wenn es etwas gab, wovon Lex Luthor etwas verstand, dann war es, das Beste aus einer Situation zu machen. Vielen Dank, Pa, dachte er beim Anblick der endlosen Maisfelder zynisch. Dann ging er schnell auf das Gebäude zu. Als er in das Büro des Fabrikmanagers trat, starrte er verblüfft auf einen etwas übergewichtigen Mann, der die Füße auf den Schreibtisch gelegt hatte und dabei war, ein riesiges Sandwich zu verzehren. »Ich hoffe, ich störe nicht«, sagte Lex und blickte lächelnd auf den etwa fünfzigjährigen Mann herunter. Der Mann zuckte zusammen, ließ sein Sandwich auf den Schreibtisch fallen und zog die Füße von der Tischplatte. Er erhob sich schwerfällig und wischte sich mit einer Papierserviette etwas Mayonnaise vom Mund. »Mr. Luthor!«, rief er aus. »Ich habe sie nicht vor morgen früh erwartet!« Lex streckte ihm seine Hand entgegen und sie tauschten einen festen Händedruck. »Mr. Luthor ist mein Vater«, sagte er und das Lächeln auf seinem Gesicht verblasste bei diesen Worten. »Nennen sie mich einfach Lex.«
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»Gabe Sullivan«, stellte sich der Mann vor und warf die Überreste seines Sandwichs in den Abfalleimer. »Kommen Sie, ich zeige Ihnen die Fabrik.« »Bei allem Respekt«, lachte Lex und zuckte mit den Schultern. »Sie produzieren hier doch Düngemittel, Gülle und Abfall, oder? Was gibt es da zu sehen?« Die Antwort seines neuen Chefs versetzte Gabe offensichtlich in Verlegenheit. Verunsichert kratzte er sich am Kopf und sah sich ratlos im Büro um, als Lex plötzlich ein Foto von seinem Schreibtisch nahm. Es zeigte Chloes strahlendes, von blonden Haaren umrahmtes Gesicht. »Ihre Tochter?«, fragte Lex. »Ja«, sagte Gabe, erleichtert, endlich ein Gesprächsthema gefunden zu haben. »Das ist Chloe. Sie geht auf die Smallville High School. Sie war nicht besonders begeistert darüber, aus Metropolis wegzuziehen, aber was soll man machen, ein Job ist ein Job, nicht wahr? Sie will unbedingt zurück nach Metropolis und dort Reporterin beim Daily Planet werden.« »Hm«, machte Lex und stellte das Foto an seinen Platz zurück. »Ich halte Anteile an einer Zeitung, am Gotham Globe.« Wieder entstand eine unangenehme Stille. Schließlich ergriff Gabe das Wort. »Sehen sie, ich weiß, die Fabrik verliert im Augenblick Geld. Und ich weiß, dass man sie hierher geschickt hat, um nach dem Rechten zu sehen, aber ich glaube –« Lex hob seine Hand. »Beruhigen sie sich, Gabe«, sagte er. »Ich schmeiße niemanden raus. Morgen gehen wir als Erstes durch alle Posten und überlegen, wie wir die Kosten senken können, ohne Arbeitsplätze zu verlieren.« Gabe riss die Augen auf. »Aber ihr Vater sagte...« »Ich bin vielleicht der Sohn meines Vaters«, unterbrach ihn Lex, »aber ich bin nicht sein Schoßhund. Er hat mich hierher geschickt, um diese Fabrik wieder zu einem Unternehmen mit
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Gewinn zu machen, aber wie ich das anstelle, ist meine Sache.« Die Zuschauer auf der Tribüne johlten begeistert, als Clark Kent aus der Traube der Spieler hervorbrach und zur Mitte des Spielfelds rannte. Er überprüfte die Abwehr und brachte sich in Position, um den Ball anzunehmen. Angeführt von Lana Lang hüpften und tanzten die Cheerleader auf den Seitenlinien, wedelten mit ihren Pom-Poms und sangen anfeuernde Lieder. Clark rief kurze Kommandos ins Feld. »Runter. Set. Neunzehn, dreiundfünfzig. Hat, hat. Rennen!« Der Wurf des Center-Spielers traf ihn hart und er bewegte sich nach hinten in die Lücke, die seine Verteidigung für ihn freihielt. Smallville war vier Punkte im Rückstand bei einer verbleibenden Spielzeit von zwölf Sekunden im vierten Viertel. Er wusste, dass ihm dieser Pass gelingen musste, oder das Spiel war verloren. Er sah erst zur anderen Seite des Spielfelds, wo seine Deckung gegen die anrennende Verteidigung der Behemoths, der gegnerischen Mannschaft, ankämpfte. Dann blickte er auf die andere Seite, aber alle aus seinem Team waren hart gedeckt. Auf die Uhr blickend, erkannte Clark, dass ihm nur noch sechs Sekunden blieben. Noch für einen Augenblick auf der Zwanzig-Yard-Linie stehend, klemmte er sich den Ball unter seinen rechten Arm und rannte schließlich los. Mit seinem linken, ausgestreckten Arm stieß er die Verteidigung der gegnerischen Mannschaft mühelos beiseite. Ein Linebacker rannte ihm in den Weg, aber Clark sprang einfach über seinen Kopf hinweg und legte an Geschwindigkeit zu. Nacheinander schickte Clark jeden der Verteidigungsspieler zu Boden, erreichte schließlich die Endzone und gewann das Spiel mir einem touchdown. Dann schleuderte er den Ball so
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heftig auf den Rasen, dass das Leder bei dem harten Aufprall zerplatzte. Während der Jubel der Menge in Clarks Ohren widerhallte, nahmen ihn die Spieler seiner Mannschaft auf die Schultern und trugen ihn im Triumphzug über das Feld. Als er Lana in der Menge erblickte, sprang er aus dem Pulk heraus und landete direkt vor ihr. Sie sah in ihrem engen CheerleaderKostüm umwerfend aus. »Ich wusste, dass du es kannst, Clark«, sagte sie weinend und legte ihre Arme um seinen Hals. Ihm lange und sehnsüchtig in die Augen sehend, ließ Lana ihren Kopf in den Nacken fallen, während er sich zum Siegeskuss über sie beugte. »Clark! Clark! Clark!«, tobte die Menge. »CLARK!«, rief Pete zum vierten Mal. Diesmal erwachte Clark unsanft aus seinem wunderbaren Tagtraum. Er schüttelte verwirrt seinen Kopf und erkannte, dass er alleine auf der Tribüne saß, während sich unten auf dem Spielfeld die Mannschaft für das Trainingsspiel fertig machte. Auf der anderen Seite des Spielfelds erkannte er Lana, die mit den anderen Cheerleadern probte und oft zu Whitney herüberblickte, der als Quarterback die Spiele ansagte und seine Mannschaft durch das Spiel führen würde. Clark sah auf und entdeckte Pete im Football-Trikot, seinen Helm unter dem Arm haltend. Es sah so aus, als wenn ihm die Sachen zwei Nummern zu groß wären. Der magere Pete schien zwischen den gewaltigen Schulterpolstern zu versinken. »Clark, wie sehe ich aus?«, fragte Pete, nachdem er endlich die Aufmerksamkeit seines Freundes gewonnen hatte. »Wie ein zappelnder Sandsack«, antwortete Clark und erhob sich kopfschüttelnd. Einerseits sah Pete wirklich lächerlich aus, andererseits bereute Clark es aber, diesen heroischen Traum aufgeben zu müssen. »Viel Glück, Pete! Pass auf dich auf!«
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Er hielt seinem Freund kurz den erhobenen Daumen vor die Nase, dann ging er die Tribüne hinunter und verließ mit schnellen Schritten das Spielfeld. Lex Luthor schaltete in den fünften Gang seines Porsche, trat das Gaspedal fast bis auf den Boden durch und ließ den Tacho bis auf 180 km/h klettern. Er raste über die schmale Landstraße und ließ die Düngemittelfabrik so schnell wie er konnte hinter sich, während die laut wummernde Stereoanlage seines Wagens all seine Gedanken an sein neues Leben in diesem Nirgendwo übertönte. Nicht weit von ihm entfernt beugte sich Clark Kent über das Geländer einer Brücke und betrachtete den strömenden Fluss unter ihm. Wie sollte er durch das erste Jahr in der High School kommen, ganz zu schweigen von den drei Jahren, die noch folgen würden? Er durfte der Football-Mannschaft nicht beitreten und es sah aus, als sei sein Schicksal als König der Idioten-Fraktion besiegelt. In diesem winzigen Städtchen wurde man den Ruf, den man sich einmal erworben hatte, nie wieder los und solange man in Smallville lebte, wurde man davon verfolgt. Gab es nicht doch eine Möglichkeit, seinen Vater davon zu überzeugen, dass er vorsichtig genug sein konnte? Wie konnte er seinen Eltern begreiflich machen, dass es unerträglich war, dabei zuzusehen, wie andere Erfolge hatten, wie Lana sich in Whitney verliebte, während er all diese Fähigkeiten hatte und doch nichts anderes tun konnte, als sich zum Idioten zu machen? Die Sache mit den übernatürlichen Kräften war lustig gewesen, solange er noch ein Kind gewesen war, aber jetzt schien sie ihm mehr zu schaden als zu nützen. Clark war so tief in seine Gedanken versunken, dass er den großen Lastwagen zunächst überhaupt nicht bemerkte, der auf der anderen Straßenseite die Brücke überquerte. Der Laster war
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mit Stacheldraht, der auf riesige Rollen aufgewickelt war, beladen. Als er die Mitte der Brücke erreichte, fuhr er rumpelnd über ein großes Schlagloch im Asphalt. Der schwere Lastwagen begann leicht zu schwanken, wobei eine der Rollen sich löste und vom Anhänger auf die Straße fiel. Sie rollte ein Stück und blieb dann auf der Mitte der gegenseitigen Fahrbahn liegen, auf der sich Lex Luthor mit rasender Geschwindigkeit näherte. Das schwere Rumpeln des Lastwagens übertönte das sirrende Geräusch des Stacheldrahtes und so setzte der Fahrer seinen Weg fort, ohne zu wissen, dass er ein gefährliches Hindernis auf der Brücke zurückgelassen hatte. Auf der gegenüberliegenden Spur, auf derselben Straßenseite, auf der Clark am Brückengeländer stand, raste Lex Luthors Porsche mit 180 km/h heran und es sah nicht so aus, als würde der Fahrer in der nächsten Zeit vom Gas gehen. Der Lastwagen behinderte die Sicht, sodass Lex die Gefahr auf der Straße nicht bemerkte. Das Klingeln seines Mobiltelefons lenkte Lex zusätzlich ab. Er griff in die Innentasche seiner Jacke, um den Anruf entgegen zu nehmen, wobei sein Blick die Straße für den Bruchteil einer Sekunde verließ. Als er seinen Blick wieder nach vorne richtete, sah er direkt vor sich die riesige Rolle Stacheldraht auf dem Asphalt liegen. Er ließ das Telefon auf den Beifahrersitz fallen, packte das Lenkrad mit beiden Händen und trat mit aller Kraft auf die Bremse. Quiiiiiietsch! Clark wurde von dem Geräusch der quietschenden Reifen aus seinen Gedanken gerissen. Er fuhr gerade noch rechtzeitig herum, um zu sehen, wie Lex’ Wagen ins Schleudern geriet und auf die Stacheldraht-Rolle zuschlitterte. BLAM! BLAM!
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Der Wagen prallte mit 120 km/h auf den Stacheldraht und drehte sich mehrmals um sich selbst. Seine qualmenden Vorderreifen wurden dabei in Fetzen gerissen. Dann schlitterte das Auto rückwärts über die Brücke. Lex riss das Lenkrad herum und fing den Wagen ab, sodass er sich zur anderen Seite drehte. Jetzt bewegte sich der Porsche mit der mittlerweile völlig zerstörten Kühlerhaube wieder vorwärts – und geradewegs auf einen jungen Mann zu, der auf dieser Seite der Brücke am Geländer stand. Lex trat die Bremse mit aller Gewalt durch und zog sich im Sitz hoch, um noch mehr Gewicht auf das Bremspedal zu verlagern, aber alles, was er noch tun konnte, war hilflos mit anzusehen, wie sein Wagen auf den vor Schreck erstarrten Mann zuraste, der sich mit dem Rücken gegen das Geländer presste. Ihre Augen trafen sich für einen kurzen Augenblick und Lex erkannte in diesem Augenblick nicht nur, dass er das Geländer durchbrechen würde, sondern auch, dass er einen Unbeteiligten mit sich in den Tod reißen würde. KA-WHHHUUM! Das Auto prallte frontal auf Clark und presste ihn mit ungeheurem Druck gegen das Geländer, das unter diesem Ansturm sofort nachgab. Auto, Geländer und Clark Kent hingen für einen Moment, der ihm endlos erschien, in der Luft, dann schlugen Auto, Geländer und Clark auf das Wasser auf und begannen sofort zu sinken. Langsam glitt Clark dem trüben, dunklen Abgrund entgegen. Seine Augen schlossen sich und alles um ihn herum wurde schwarz.
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4 DAS SONNENLICHT FIEL IN BREITEN BAHNEN über das träge fließende Wasser und traf auf die Oberfläche des silbernen Sportwagens, der mit einem sanften Stoß auf dem Boden des Flusses aufsetzte. Clark öffnete seine Augen noch unter der Wasseroberfläche. Langsam setzte der Schock über das Geschehene ein. Schnell sah er an sich herab, betastete seine Brust und stellte dabei fest, dass er unverletzt war. Er fand keine Wunde oder ein anderes Anzeichen für eine Verletzung und spürte auch keinen Schmerz und doch war er sich sicher, dass das Auto ihn getroffen hatte, dass es ihn durch das Geländer gestoßen und ihn mit sich in den Fluss gerissen hatte. DAS AUTO! Der Gedanke an das Auto erfüllte jetzt sein ganzes Denken und ließ all die vielen anderen Fragen verblassen, die ihm durch den Kopf gegangen waren, seitdem er das Bewusstsein wiedererlangt hatte. »Ich muss das Auto finden! Was ist, wenn es schon zu spät ist?« Clark tauchte unter und mit kraftvollen, langgezogenen Schwimmstößen schoss er wie ein Torpedo durch das Wasser auf den Grund des Flusses zu. Lex hing auf dem Fahrersitz des zerstörten, gesunkenen Wagens, der sich in den sumpfigen Flussgrund eingegraben hatte. Er war bewusstlos und wurde nur noch von seinem Sicherheitsgurt gehalten. Sein Telefon trieb wie schwerelos durch das Wasser. Die Windschutzscheibe und ein Teil des Daches waren vollständig herausgebrochen und die Kühlerhaube hatte sich nach dem Aufprall wie ein Akkordeon zusammengefaltet. Als er das Wrack erreichte, beugte sich Clark über das Loch in der Decke. Er hielt sich mit einer Hand am Rand der 54
Öffnung fest und riss das Dach dann mit einem Ruck weit auf, als würde er eine Sardinendose öffnen. Dann warf er das verbogene Metallstück beiseite, befreite Lex von seinem Sicherheitsgurt und zog ihn mit der anderen Hand aus dem Autowrack. Mit einem einzigen kraftvollen Stoß katapultierte Clark sich wieder an die Wasseroberfläche. Von seinem UnterwasserGefängnis befreit, schwamm er schnell zum Ufer und hielt Lex’ Kopf dabei sorgfältig über Wasser. Er wusste nicht einmal, ob der Mann, den er gerade aus dem Auto befreit hatte, noch lebte oder ob er schon tot war. Vorsichtig legte er Lex mit dem Gesicht nach oben auf das Ufer, kniete sich dann neben ihn und beugte sich über die leblose Gestalt mit den blau angelaufenen Lippen. Lex’ Gesicht war zerschnitten und blutete, aber das war im Augenblick nicht seine größte Sorge. Clark, der sein Ohr an Lex’ Brust gelegt hatte, konnte keinen Herzschlag hören. Mit der einen Hand hielt er Lex’ Nase zu, öffnete mit der anderen Lex’ Mund weit und blies mit aller Kraft Sauerstoff in seine Lungen. Nichts. Clark legte jetzt seine linke Hand auf Lex’ Brust, dann seine rechte Hand über die Linke und begann in regelmäßigem Rhythmus das Wasser aus seinen Lungen zu pumpen. »Komm schon«, schrie er laut und presste wieder und wieder seine Hände auf Lex’ Brustkasten. »Du kannst hier jetzt nicht einfach sterben!« Immer noch nichts. Unermüdlich fuhr Clark mit seinen Wiederbelebungsversuchen fort. Endlich bewegte sich Lex, spuckte einen Schwall Wasser aus und hustete heftig. Clark hörte auf zu pumpen. Sein eigenes Herz raste. Lex keuchte, rang in tiefen Zügen nach Luft und blickte dann auf. 55
Vor sich sah er dieselben Augen, die er in der Sekunde vor dem Zusammenstoß gesehen hatte. »Ich hätte schwören können, dass ich dich überfahren habe«, stieß er hervor und wurde von einem neuen Hustenanfall geschüttelt. »Wenn du das getan hättest, wäre ich jetzt wohl...«, begann Clark. Dann blickte er über seine Schulter, sah das herausgerissene Brückengeländer und begriff, dass ihn das Auto tatsächlich getroffen und mitgerissen hatte. »... tot«, beendete er seinen Satz. Clark ließ sich neben Lex auf den Boden fallen. Sein Gesicht war totenbleich geworden und seine Hände zitterten. Die Entdeckung dieser neuen Eigenschaft, die noch gewaltiger und unerklärlicher war als alle seine anderen, traf ihn fast noch heftiger als das Auto es getan hatte. Er war nicht verletzt, hatte keinen Knochenbruch und noch nicht mal einen Kratzer. Ja, er erinnerte sich, dass ihm als Kind einmal eine schwere Milchkanne auf den Kopf gefallen war und dass er mehr als einmal hingefallen war, ohne sich die Knie aufzuschlagen. Er hatte immer gewusst, dass er mehr einstecken konnte als andere Menschen, aber von einem Auto mit einer Geschwindigkeit von 120 km/h angefahren zu werden, durch ein Metallgeländer zu brechen und auf die Wasseroberfläche aufzuschlagen, ohne dass er auch nur die geringste Verletzung davongetragen hatte... Wer war er? Was war er? »Ist alles in Ordnung?«, fragte Lex, der sich mittlerweile aufgerichtet hatte. Clark nickte. »Ja, es geht mir gut.« Kurze Zeit später erschien der Krankenwagen und bald darauf ein Kran, der das Auto aus dem Fluss bergen sollte. Eine Menge von Schaulustigen hatte sich mittlerweile auf der Brücke versammelt. Die Rettungshelfer behandelten Lex’ Gesichtswunden und wickelten Clark in eine warme Decke. Er stand immer noch unter Schock, weniger wegen des 56
schrecklichen Unfalls, der für sie beide hätte tödlich ausgehen können, als aufgrund der Tatsache, dass er vollkommen unverletzt war. Jonathan Kents Pickup kam mit quietschenden Reifen auf der Brücke zum Stehen. Er sprang vom Fahrersitz und rannte zu dem sandigen Flussufer hinunter, an dem Clark saß. Clark sprang auf und umarmte seinen Vater. Er war glücklich darüber, ihn zu sehen. Er schien ihm so normal inmitten dieser neuen, verrückten Welt, in die er geraten war. »Ist alles in Ordnung?«, fragte Jonathan und umarmte seinen Sohn fest. »Es geht mir gut«, antwortete Clark. Sein Vater trat einen Schritt zurück und sah sich suchend um. Er erblickte den Polizisten, der bereits den Unfallhergang aufnahm. »Wer ist der Wahnsinnige, der diesen Wagen gefahren hat?«, fragte er den Polizisten. »Das war ich«, ertönte eine Stimme hinter Jonathan, bevor der Polizist ihm antworten konnte. »Lex Luthor.« Beide Männer drehten sich um und blickten auf Lex, der auf sie zukam und Jonathan die Hand zur Begrüßung hinstreckte. Jonathan betrachtete Lex und in seinen Augen flammte Zorn auf. Er ignorierte die ausgestreckte Hand und wandte sich ab. »Jonathan Kent«, sagte er kühl und zog seine Jacke aus, die er um Clarks Schultern legte. »Das ist mein Sohn Clark Kent.« Er war Lex Luthor nie begegnet, aber er wusste alles über dessen Vater: dass er in Smallville viel Land gekauft hatte und den hiesigen Farmern viele Versprechungen gemacht, aber keine davon gehalten hatte, was in vielen Fällen schwere Folgen für die Leute in dieser kleinen Stadt gehabt hatte. Jonathan hatte nichts als Abscheu für jemanden übrig, der den Namen Luthor trug. Lex ließ seine Hand sinken und wandte sich an Clark. »Vielen Dank dafür, dass du mein Leben gerettet hast«, sagte er. Was hätte er sonst sagen sollen? 57
»Ich bin mir sicher, du hättest dasselbe für mich getan«, antwortete Clark und lächelte kurz. Es war offensichtlich, dass sein Vater die Luthors nicht mochte, aber er wusste nicht warum. Lex wandte sich wieder an Jonathan. »Ihr Sohn ist wirklich außergewöhnlich, Mr. Kent«, sagte er, während Jonathan und Clark begannen, die steile Uferböschung nach oben zu klettern. »Wie kann ich ihnen danken?« Jonathan blieb stehen und ging ein paar Schritte zurück. Dicht vor Lex blieb er stehen. Seine Antwort fiel scharf und unmissverständlich aus. »Fahren sie langsamer!« Lex sah den beiden hinterher, während sie die Uferböschung hinaufgingen. Dann vernahm er hinter sich laute Geräusche und drehte sich um. Der große Kran hob in diesem Augenblick seinen völlig zerstörten Wagen aus dem Fluss. Während er die Überreste seines Autos betrachtete, das wie ein riesiger silberner Fisch am Ende des Kranarmes baumelte und aus dem noch immer Wasser herausfloss, bemerkte Lex das aufgerissene Dach. »Wie eine Dose Ölsardinen«, dachte er. Wie hatte das passieren können? War es möglich, dass das Dach wirklich durch den Aufprall auf das Metallgeländer der Brücke aufgerissen worden war? Lex war sich sicher, dass er den jungen Kent angefahren hatte, schließlich hatte er ihm noch eine Sekunde vor dem Aufprall in die Augen gesehen. Aber das war unmöglich. Wenn er Kent wirklich frontal getroffen hätte, wäre dieser sofort tot gewesen. Aber irgendwie hatte er überlebt und nur deswegen war auch er, Lex, noch am Leben und stand tief in Clarks Schuld. Es war eine Schuld, die Lex Luthor nicht so schnell vergessen würde. Am Abend dieses Tages saßen Jonathan und Martha in der Küche ihrer Farm. Jonathan sah einen Stapel alter Rechnungen durch und Martha las in einem Buch über neue, ökologische 58
Maisanbau-Techniken. Clark war beim Abendessen sehr schweigsam gewesen, hatte alle Fragen über den Unfall abgewehrt und sich aus jeglicher Unterhaltung ausgeklinkt. Sofort nach dem Abendessen war er mit der verständlichen Begründung, dass er nach diesem ereignisreichen Tag müde sei, auf sein Zimmer gegangen. Martha sah Jonathan über den Rand ihres Buches hinweg an. »Hat er dir auf dem Rückweg erzählt, was genau passiert ist?«, fragte sie. Sie wusste zwar, dass Jonathan es ihr längst mitgeteilt hätte, wenn Clark etwas erzählt hätte. Aber es konnte ja nichts schaden, noch einmal nachzufragen. »Er hat auf der Rückfahrt kein einziges Wort gesagt«, berichtete Jonathan und raschelte mit seinen Papieren, die vor ihm auf dem Tisch lagen. Martha lehnte sich zurück und schüttelte den Kopf. »Jetzt hat er schon Geheimnisse vor uns«, sagte sie besorgt. »Er hat uns noch nie etwas vorenthalten. Was sollen wir tun? Ich will nicht, dass er sich von uns distanziert und zurückzieht.« Jonathan warf die Rechnungen mit einer Bewegung auf den Tisch, die heftiger ausfiel als er beabsichtigt hatte. »Leider ist uns unser Sohn nicht mit einer Bedienungsanleitung geliefert worden«, sagte er mit einer deutlich hörbaren Verärgerung in der Stimme. »Hast du die verdammte Futterrechnung gesehen?«, fügte er hinzu und wühlte in den Papieren auf dem Tisch. Martha ging zum Kühlschrank und zog die Rechnung unter einem Magnet hervor, mit dem sie an der Kühlschranktür befestigt war. »Er sucht nach Antworten und nur wir beide können ihm welche geben. Wir müssen es ihm sagen!« Oben in seinem Zimmer druckte Clark gerade neue Artikel über unglaubliche Überlebensgeschichten aus dem Internet aus. Er las über einen indischen Jungen, der aus dem zehnten Stock gefallen war und überlebt hatte, ein chinesisches Mädchen, das fünfzehn Minuten unter Wasser überlebt hatte und einen 59
Kanadier, der zwei Wochen in Eis und Schnee ohne Nahrung, Wasser und Unterkunft überlebt hatte. Aber all diese Geschichten konnten die bohrenden Fragen nicht beantworten, die ihm wieder und wieder durch den Kopf gingen. Er zog sein T-Shirt über, ging leise nach unten und verließ das Haus durch die Hintertür. Über die Auffahrt ging er hinüber zu der großen Scheune und blickte auf den OktoberVollmond, der groß und rund am Himmel stand. In der Scheune kletterte er eine Leiter hoch in den Heuschober, der sein privates Refugium war, seine »einsame Festung«, wie sein Vater es nannte. Er blickte durch sein Teleskop auf den Mond und betrachtete die Krater auf seiner Oberfläche. Eine Weile verlor er sich in dieser unwirklichen Landschaft. Schließlich schwenkte er das Teleskop, streifte die Maisfelder im Mondlicht und richtete es dann auf ein frisch gestrichenes Farmhaus auf dem Grundstück, das an das Grundstück der Kents angrenzte. Er beobachtete es eine Weile und sah schließlich, wie sich die vordere Tür des Hauses öffnete und Lana Lang in die kühle Nacht hinaustrat. Sie ließ sich mit untergeschlagenen Beinen auf einer Hollywoodschaukel auf der Veranda nieder. Clarks Herz schlug heftig, als er sich aufrichtete. Zum ersten Mal an diesem Tag lächelte er. Lana zu sehen versetzte ihn sofort in bessere Laune. Er beugte sich wieder zum Teleskop, gerade rechtzeitig, um eine zweite Gestalt auf die Veranda treten zu sehen, was den schönen Moment sofort zerstörte. Whitney betrat die Veranda, stellte sich hinter Lana und legte seine Arme um sie. Ihr Gesicht hellte sich auf und sie legte ihren Kopf an seine Brust. Er küsste ihre Wange, dann drehte er leicht den Kopf und küsste ihren Mund. »Whitney«, sagte Lana seufzend, »meine Tante wird jeden Augenblick zurück sein.« Es war offensichtlich, dass sie seine Küsse genoss. Gefühlvoll drückte sie seine Hand. 60
»Komm schon«, bettelte Whitney. Er strich ihr Haar zur Seite und küsste sie auf den Nacken. »Das Leben ist voller Aufregungen und Gefahren. Ein kleines Abenteuer hat noch nie jemandem geschadet.« »Wenn uns Tante Nell hier findet, wird unser Leben nicht mehr lange lebenswert sein«, antwortete Lana. »Wo ist sie überhaupt?«, fragte Whitney. Er ließ Lana los und ging um die Hollywood-Schaukel herum. »Im Bridge Club?« »Bei Lex Luthor«, erklärte Lana. Whitney setzte sich neben sie auf die Schaukel. »Ich wusste gar nicht, dass deine Tante mit den Luthors befreundet ist«, sagte Whitney überrascht und auch etwas beeindruckt. Der Name Luthor war sehr einflussreich in Smallville, auch wenn viele Leute darüber nicht glücklich waren. »Sie hat ihnen im Laufe der Jahre ziemlich viel Land verkauft«, erklärte Lana. Whitneys Gesicht hellte sich auf. »Den Luthors gehören die Metropolis Sharks«, sagte er aufgeregt. »Vielleicht kann deine Tante ein gutes Wort für mich einlegen!« Lana lächelte. »Wenn du jemanden suchst, der ein gutes Wort für dich bei den Luthors einlegt, kannst du ja Clark fragen.« Das war das Letzte, was Whitney erwartet hatte. »Clark?«, fragte er ungläubig, als ob er sich verhört hätte. »Kent?« »Er hat heute Lex’ Leben gerettet«, erklärte sie. In ihrer Stimme schwang Stolz mit. Sie war mit Clark seit der Grundschule befreundet, hielt ihn für einen netten Typ und wusste, dass er einen guten Charakter hatte. Aber sie hätte niemals geglaubt, dass dieser nette, aber unscheinbare Junge von nebenan eine Veranlagung zum Helden hatte. »Du machst Witze«, erwiderte Whitney völlig überrascht von diesen Neuigkeiten. 61
»Manche Leute überraschen einen immer wieder«, sagte Lana und versuchte sich vorzustellen, wie Clark jemandem das Leben rettete. »Ich finde das eigentlich ziemlich cool.« »Unser Trainer hat gesagt, dass am Sonntag ein Talentsucher aus Kansas zu unserem Spiel kommt«, platzte Whitney heraus, um das Gespräch wieder auf sein Lieblingsthema zu lenken – sich selbst. »Das ist doch super!«, rief Lana aus. Sie freute sich wirklich für Whitney, denn sie wusste, wie viel ihm sein Erfolg als Football-Spieler bedeutete und sie war immer bereit, seine Bemühungen zu unterstützen. »Ich will einfach nicht einer von diesen ›Erinnerst-du-dichnoch-an-den‹-Typen werden«, sagte Whitney. Eine leichte Melancholie schwang in seiner sonst so kräftigen Stimme mit. »Es gibt genug davon in Smallville.« Lana hob die Arme hinter ihren Nacken und öffnete die Schließe, die ihre Halskette zusammenhielt. »Ich will, dass du das am Sonntag, wenn ihr spielt, trägst«, sagte sie und ließ die Kette in seine Hand fallen. Whitney starrte auf den leuchtend grünen Stein in der silbernen Fassung, der nun in seiner Hand lag, und war zum ersten Mal in seinem jungen Leben sprachlos. »Ich kann das nicht annehmen, Lana«, sagte er. »Ich weiß, wie viel sie dir bedeutet.« Sie sah ihn entschlossen an. »Du gibst sie mir zurück, wenn ihr gewonnen habt«, schlug sie ihm vor. Whitney konnte seinen Blick nicht von dem Stein lösen. »Ist der Stein wirklich Bestandteil eines der Meteoriten, die deine Eltern getötet haben?«, fragte er und bereute seine direkten Worte sofort, nachdem er sie ausgesprochen hatte. Es war ihm unangenehm, das dunkelste Kapitel in Lanas Leben anzusprechen.
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»Er hat so viel Unglück gebracht«, sagte sie ruhig und nicht im Mindesten von seinen Worten aus der Fassung gebracht, »dass er jetzt nur noch Glück bringen kann.« Whitney ließ die Kette in seine Jackentasche gleiten. Er hatte einfach die phantastischste Freundin auf der ganzen Welt. Er lehnte sich zu ihr und küsste sie auf die Lippen. In der Scheune trat Clark von dem Teleskop zurück, seine Gesichtszüge spannten sich an und er senkte den Kopf. Er ließ sich auf einen Heuballen fallen, starrte auf die breiten Dielen des Holzbodens und fragte sich, was an diesem Tag wohl noch Schreckliches passieren konnte.
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5 WIE FÜR DIE MEISTEN MENSCHEN IN SMALLVILLE war die Zeit in der High School die beste im Leben von Tony Carozza gewesen. Er hatte in der berühmten unbesiegbaren Football-Mannschaft von 1989 gespielt und alle Privilegien seines Ruhms als Kleinstadt-Star genossen: die Mädchen, die Aufmerksamkeit, die aufmunternden Schläge auf die Schultern von den örtlichen Ladenbesitzern, die begeisterten Zurufe von den alten Leuten und den kleinen Kindern. Wie viele seiner Mannschaftskollegen war Tony zwar auf der Schule ein Football-Star gewesen, aber nicht gut genug, um in der College-Mannschaft zu spielen. Er nahm den Unterricht nicht besonders ernst. Das Ergebnis seiner Zeit an der High School war ein Zeugnis, das es ihm nicht erlaubte, aufs College zu gehen, weder als Sportler noch als Akademiker. Nun saß er ohne große Möglichkeiten in einer Kleinstadt fest. Es war sein Glück, dass er immer ein Händchen für Autoreparaturen gehabt hatte. Nach der High School machte er eine Lehre als Automechaniker und lernte so fleißig wie noch nie zuvor in seinem Leben. Bald wusste er alles, was er wissen musste, um Autos reparieren zu können. Als man ihm einen Job in einer Werkstatt in Smallville anbot, griff er sofort zu. Trotzdem ging er immer noch drei Mal in der Woche trainieren, um in Form zu bleiben. Mittlerweile lief es ganz gut in Tonys Leben. Er hatte mehr Glück gehabt als viele seiner Kumpels von der High School, die in den heruntergekommenen Wohnwagensiedlungen am Stadtrand endeten, sich mit miesen Jobs herumschlugen und jeden Tag ums Überleben kämpfen mussten. Tony war zufrieden mit seiner Arbeit. Er verdiente
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nicht schlecht und hatte es geschafft, mit seiner Vergangenheit abzuschließen. Aber seine Vergangenheit hatte noch nicht mit ihm abgeschlossen. Tony kroch unter der Motorhaube eines 93er Buick herum. Heavy Metal dröhnte ohrenbetäubend laut aus der altersschwachen Anlage, die in einer Ecke der Werkstatt stand. Der Abend war hereingebrochen und Tony war müde, da er schon seit sieben Uhr morgens in der Werkstatt bei der Arbeit war. Das letzte Auto heute, dachte er, als er sich hinter das Lenkrad fallen ließ und den Zündschlüssel umdrehte. »Komm schon, Baby, spring endlich an, damit ich nach Hause kann.« CHUK-CHUK-CHUK-VROOOOOM! Der Motor erwachte zum Leben und sprang röhrend an. Tony lächelte zufrieden und stieg aus. Er sammelte sein Werkzeug ein und schlug die Motorhaube zu. In diesem Moment kam die dunkle Silhouette einer Gestalt zum Vorschein, die im Eingang zu seiner Werkstatt stand. Ihre Kontur zeichnete sich vor dem hellen Mondlicht schwarz ab. Erschrocken über den unerwarteten Anblick des Fremden, der dort stand, zuckte Tony heftig zusammen. Sein Herz raste. »Mann«, rief er aus und schnappte nach Luft. »Hast du mich erschreckt! Hör mal, ich hab schon geschlossen. Komm morgen wieder.« Der Fremde blieb still und bewegungslos stehen. Tony wischte sich mit einem schmutzigen Lappen das schwarze Motoröl von den Händen und trat auf den dünnen, großen Besucher zu. Als er sich ihm näherte, fiel ein Lichtstrahl auf das Gesicht seines Besuchers. Tony starrte ihn blinzelnd an und langsam leuchtete eine vage Erinnerung in seinen Augen auf. »He, dich kenne ich doch, oder?«, fragte er den Jungen. »Warst du nicht die Vogelscheuche von ‘89? Wo zum Teufel 65
bist du gewesen? Du siehst aus, als wärest du überhaupt nicht älter geworden.« Der Junge stand immer noch regungslos im Eingang. Neben Tony, dessen muskulöser Körper von seinem engen T-Shirt noch betont wurde, wirkte er mager und sehnig. »He, Weirdo«, sagte Tony scharf. »Ich spreche mit dir. Wach auf!« Als Tony den Jungen bei den Schultern packte, um ihn zu schütteln, traf ihn plötzlich ein starker, elektrischer Schlag, der durch seinen ganzen Körper ging. Knisternde blaue Funken liefen an ihm herunter. Der Stromstoß war so stark, dass Tony rückwärts gegen seinen Werkzeugtisch flog, mit diesem nach hinten überkippte und mit dem Rücken auf dem harten Zementboden landete. »Was zum Teufel ist los mit dir?«, keuchte Tony. Er lag auf dem kalten Boden und ein dumpfer Schmerz schoss durch seine Schulter und seinen Rücken. »Mensch, das mit der Vogelscheuche ist zwölf Jahre her. Das war doch nur ein Spiel.« Jetzt erst bewegte sich der Junge. Langsam und bedrohlich kam er auf Tony zu und ein böses Lächeln huschte über sein schmales, eingesunkenes Gesicht. »Was willst du von mir?«, schrie Tony, immer noch unfähig, sich vom Boden zu erheben. Der Junge hockte sich neben ihn, sah ihm in die Augen und sein Lächeln vertiefte sich. »Es ist nur ein Spiel«, sagte er sanft. »Nur dass ich jetzt an der Reihe bin.« Als er Tony beim Arm packte, fuhr abermals ein schwerer Stromschlag durch dessen ganzen Körper. Der Junge hob Tony mühelos auf und stemmte ihn mit einer Hand über seinen Kopf. Immer noch flossen schwere Stromstöße durch Tonys Körper, der heftig in der Luft zappelte und wie eine Marionette unkontrolliert um sich schlug. 66
Schließlich warf der Fremde Tony mit kraftvollem Schwung gegen die Rückwand der Werkstatt. Tonys Kopf prallte hart gegen ein gerahmtes Foto, das dort an der Wand hing. Das Glas des Bilderrahmes zersplitterte. Der Fremde schien mit seiner Vergeltung zufrieden zu sein. Während Tony bewusstlos auf den Boden sank, trat der Fremde vor und betrachtete das Foto in dem zerstörten Bilderrahmen. Es zeigte drei lächelnde Football-Spieler. Es war das gleiche Foto, das er in der Vitrine der Schule von Smallville entwendet hatte. Er drehte sich um und verließ schweigend die Werkstatt. Am nächsten Morgen stand Clark wieder einmal zu spät auf und verpasste den Schulbus. Trotz seiner heldenhaften Tat am Tag zuvor hatte sich in seinem Leben nichts verändert – zumindest dachte er das. Wie ein Tornado raste er durch die hohen Maisfelder, bremste kurz vor der Schule langsam ab und betrat dann in normalem Tempo den Schulhof. Alle Schüler, an denen er vorbeikam, begrüßten ihn freundlich, schlugen ihm auf die Schultern, zeigten ihm den erhobenen Daumen oder riefen einfach nur »Gute Arbeit, Clark!« oder »Weiter so!«. Von diesem Benehmen völlig verwirrt traf Clark endlich auf Chloe und Pete. »Bin ich auf der richtigen Schule?«, fragte er ungläubig den Kopf schüttelnd. »Hör mal, Mr. Bescheidenheit«, sagte Pete und boxte ihn freundschaftlich in den Arm. »Du bist jetzt ein ausgewachsener, offizieller Held!« »Richtig«, stimmte Chloe mit ein. »Wie oft kommt es schon vor, dass ein Schüler zum Lebensretter wird? Das sind echt große Neuigkeiten!« »Jedenfalls bist du raus aus dem Kreis der VogelscheuchenKandidaten«, fügte Pete hinzu.
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Chloe sah Clark in die Augen. »Mein Vater meinte, dass in der Fabrik alle darüber reden.« »Und mein Vater hat gesagt, du hättest den Bastard besser absaufen lassen«, erzählte Pete. »Ich zitiere ihn wörtlich!« »Es ging alles ziemlich schnell, Pete«, erklärte Clark. »Ich hatte leider keine Zeit, mir vorher seinen Personalausweis anzusehen. Dein Vater hasst die Luthors also immer noch, hm?« Pete sah auf seine Füße. Er war zu jung, um sich an die Geschäfte seines Vaters und seines Onkels mit Lionel Luthor zu erinnern, aber er hatte sie seit seiner Kindheit nie anders als mit glühendem Hass von dieser Familie sprechen hören. »Die Luthors haben unsere Familie betrogen, Clark«, sagte Pete kurz. »Mein Vater hat das nicht vergessen und auch nicht verziehen. Es ist in meinem genetischen Code einprogrammiert, dass ich die Luthors hasse.« »Pete«, begann Clark und legte beschwichtigend seine Hand auf die Schulter seines besten Freundes. »Es war ein Geschäft und kein Steinbeck-Roman. Ich bin sicher, die Luthors haben es nicht persönlich gemeint.« »Warte ab, bis sie sich an eure Farm ranmachen«, schoss Pete zurück. »Dann werden wir ja sehen, ob du deinen neuen Freund immer noch so klasse findest.« »Machst du Witze?«, platzte Clark lachend heraus. »Mein Vater wird seine Farm niemals verkaufen!« »Die Luthors«, antwortete Pete und sah ihm ernst in die Augen, »werden ihm sicher nicht die freie Wahl lassen.« Damit drehte er sich herum und ging auf das Gebäude zu. Währenddessen gingen zwei hübsche Mädchen an Clark vorbei und winkten ihm lächelnd zu. »Und wie ist es, beliebt zu sein?«, fragte Chloe, als sie Clarks neue Fans bemerkte.
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»Oh, gut!«, antwortete Clark, während er den beiden Mädchen, die im Schulgebäude verschwanden, hinterherblickte. »Ziemlich gut sogar.« Die Bewunderung, das Lächeln und das Schulterklopfen dauerten den ganzen Tag an. Als er am Nachmittag aus der Schule zurück nach Hause kam, stand ein brandneuer, leuchtend roter, glänzender Pickup in der Einfahrt zum Haus. Eine große, blau schimmernde Geschenkschleife war auf der Motorhaube befestigt. »Hallo, Ma!«, rief Clark. Er lief zu ihr herüber und sah sich bei jedem dritten Schritt nach dem Wagen um. »Wessen Wagen ist das?« Martha ließ ihr Werkzeug auf eine Plastikplane neben dem Traktor fallen und wischte ihre schmutzigen Hände an ihrem Overall ab. »Deiner«, erwiderte sie und zog eine kleine Karte aus der Tasche. »Ein Geschenk von Lex Luthor.« Sie reichte Clark die Karte. »Lieber Clark«, las er voller Aufregung. »Ich stehe für immer in deiner Schuld. Der Verrückte mit dem Porsche.« Clark sah von der Karte auf und blickte hinüber zu dem Wagen. »Ich fasse es nicht«, sagte er lachend. Doch eine wichtige Frage ließ ihn plötzlich innehalten. »Wo sind die Schlüssel?« »Dein Vater hat sie«, erklärte Martha, nahm ihr Werkzeug wieder auf und beugte sich über den Traktor. Clark schob die Karte in seine Tasche und ging rasch zur Scheune hinüber. Bevor er seinen Vater sah, hörte er bereits den ohrenbetäubenden Lärm der Häckselmaschine, die sein Vater bediente. Der Lärmschutz auf seinen Ohren trennte ihn vom Rest der Welt ab, während er sich ganz auf die gefährliche Arbeit konzentrierte. Seine Hände steckten in dicken Handschuhen und er schob einen Ast nach dem anderen in die Öffnung der kreischenden Maschine, die das Holz zu kleinen Schnipseln zerhackt wieder ausspuckte. 69
Als er Clark erblickte, schaltete er die Maschine ab und zog seine Ohrenschützer aus. Noch bevor Clark auch nur ein Wort sagen konnte, beantwortete Jonathan bereits seine Frage und bestätigte damit seine schlimmsten Befürchtungen. »Ich weiß genau, wie sehr du ihn haben willst«, sagte er, »aber du kannst ihn nicht behalten.« »Warum nicht?«, fragte Clark erbost. Er konnte es einfach nicht fassen! Wieso verbot ihm sein Vater alles, was ihm Spaß machte oder was aufregend war, geschweige denn, was ihn irgendwie dazugehören ließ? »Ich habe ihm das Leben gerettet!« »Also glaubst du wohl, du hättest einen Preis verdient?«, fragte Jonathan grob. Er wusste genau, dass Clark nicht so dachte, aber er hoffte, seine Begeisterung etwas zu dämpfen. »So meinte ich das nicht«, schoss Clark zurück. Jonathan ging unbeeindruckt wieder an die Arbeit. Er hob einen weiteren Ast auf und griff nach dem Einschalthebel der Maschine. Clark dachte fieberhaft nach und plötzlich kam ihm eine Idee. Er hoffte, dass sein Vater den Kompromiss akzeptieren würde. »Okay, wie wäre es, wenn du den neuen Wagen fährst und ich dafür deinen alten bekommen?«, fragte er optimistisch. »Auf diese Weise hat jeder etwas davon.« »Es geht nicht darum, etwas davon zu haben«, antwortete Jonathan. Er ließ den Ast fallen und ging ins Innere der Scheune. Von dem Tag an, da Clark in ihr Leben getreten war, hatten er und Martha versucht, ihm moralische Werte zu vermitteln, damit er richtig und falsch auseinander halten konnte. Sie hatten versucht, ihm beizubringen, was es bedeutet, ein Mann zu sein. In Momenten wie diesen überkam ihn manchmal Ärger und Hilflosigkeit wegen seines ungewöhnlichen Sohnes. Dabei vergaß er dann, dass Clark für ein Kind, das vom Himmel gefallen war, eigentlich ganz gut geraten war. 70
»Komm schon, Pa«, sagte Clark. Die Dickköpfigkeit seines Vaters ließ ihn langsam ungeduldig werden. »Es ist ja nicht so, als könnten sich die Luthors das nicht leisten.« Jonathan blieb stehen und drehte sich um. »Und weißt du auch, warum das so ist?«, fragte er und ging auf seinen Sohn zu. »Erinnerst du dich an Mr. Bell? Wir sind früher immer bei ihm Angeln gegangen. Und Mr. Guy, der uns Halloween immer einen Kürbis geschenkt hat? Lionel Luthor hat ihnen versprochen, dass sie die Rechte über ihr Land behalten können, wenn sie es ihm verkaufen, und dass sie mehr Geld machen würden, als sie sich je vorstellen könnten. Er hat ihnen auch teure Geschenke gemacht, genau wie dir, aber nachdem sie ihr Land an Luthor verkauft haben, hat er sein Wort gebrochen. Er hat sie nicht nur bei dem Geschäft betrogen, sondern auch weggejagt. Er hat sie von dem Land verjagt, das ihre Familien über Generationen hinweg bewirtschaftet haben.« »Also beurteilst du Lex danach, was sein Vater getan hat«, sagte Jonathan skeptisch. Die Argumentation seines Vaters überzeugte ihn nicht. »Nein, Clark«, antwortete Jonathan und seufzte. »Ich verurteile Lex nicht. Ich will einfach nur, dass du weißt, woher das Geld stammt, mit dem dieser Wagen bezahlt wurde.« Clark wurde plötzlich klar, dass er diese Auseinandersetzung nicht gewinnen würde, egal wie lange er es noch versuchte. Er drehte sich abrupt um und stürmte aus der Scheune. »Ich weiß, du bist wütend«, rief sein Vater ihm nach. »Das ist normal...« Clark blieb jäh stehen, drehte sich auf dem Absatz um und ging mit schnellen Schritten wieder auf seinen Vater zu. »Normal«, schrie er, während sein schwelender Ärger plötzlich heftig aus ihm herausbrach. Er war normalerweise gutmütig und ausgeglichen, auch in Auseinandersetzungen, aber die Ereignisse der letzten Tage forderten jetzt ihren Tribut: dass er 71
nicht in das Football-Team eintreten durfte, Lana und Whitney auf der Veranda, die Entdeckung seiner Unverwundbarkeit und jetzt das – es war zuviel! »Normal«, wiederholte er. »Ist das normal?« Bevor Jonathan reagieren konnte, war Clark schon neben die Häckselmaschine getreten, schaltete sie ein und steckte seinen Arm dann tief in den Schlund mit den rotierenden Klingen. »Clark«, schrie Jonathan entsetzt. Er rannte zu der Maschine, die Rauch und Holzstückchen ausspuckte und packte Clarks Arm. Als er ihn nach einer Weile schließlich von den rasiermesserscharfen Klingen befreit hatte, starrte er fassungslos darauf. Er konnte einfach nicht begreifen, was er sah. Die Maschine hatte Clarks Hemd und den Ärmel seiner Jacke in Fetzen gerissen, aber sein nackter Arm war vollkommen unberührt. Noch nicht einmal ein Kratzer war darauf zu sehen. Verwirrt und fassungslos starrte er seinen Sohn an. »Ich bin nicht ins Wasser gesprungen, um Lex aus seinem Auto zu retten«, schrie Clark jetzt. »Er hat mich mit bestimmt hundert Sachen angefahren und mit in den Fluss gerissen. Aber ich war vollkommen unverletzt. Und, erscheint dir das normal zu sein?« Clark sah seinem Vater geradewegs in die vor Staunen weit aufgerissenen Augen. »Ich würde alles dafür geben, normal zu sein. Aber ich bin es nicht.« Dann ging er mit schnellen Schritten in die Scheune hinein und kletterte die Leiter hinauf zum Heuschober, dem Ort, an dem er sich vor der Welt verstecken konnte. Er streifte sein Teleskop mit einem flüchtigen Blick, dann ließ er sich auf einen Heuballen fallen und vergrub das Gesicht in den Händen. Draußen wechselte Jonathan über den Rasen hinweg einen Blick mit Martha. Sie hatte aufgehört, an dem Traktor zu arbeiten und die Auseinandersetzung zwischen Vater und Sohn ebenso mitverfolgt, wie die neueste Demonstration von Clarks übermenschlichen Eigenschaften. Sie wies mit dem Kinn in 72
Richtung der Scheune und Jonathan wusste sofort, dass sie Recht hatte. Als Zeichen seines Einverständnisses nickte er ihr leicht zu und folgte dann seinem Sohn. Als er den Heuschober erreichte, fand er Clark dort mit angezogenen Beinen auf dem Heuballen kauernd. Keiner der beiden sagte ein Wort, bis Jonathan schließlich die völlig verbogene Klinge aus der Häckselmaschine vor seinem Sohn auf den Boden fallen ließ. »Ich wusste immer, dass es eines Tages so kommen würde«, sagte Jonathan, hockte sich neben seinen Sohn und schlug ihm fest auf die Schulter. »Deine Mutter und ich, wir wussten es beide. Es ist soweit, Clark.« »Was ist soweit?«, fragte Clark dumpf ohne aufzusehen. »Zeit für die Wahrheit«, antwortete Jonathan. »Ich will dir etwas zeigen.« Jonathan zog ein kleines Päckchen aus seiner Jackentasche, das in einen weichen Stoff gewickelt war. Er wickelte es vorsichtig aus und reichte Clark dann eine rechteckige Metallplatte von der Größe eines Taschenbuches. Die eine Seite dieser Platte war mit seltsam aussehenden Symbolen bedeckt, die eine Art Schrift darstellten, aber keine Ähnlichkeit mit irgendeiner bekannten Schrift hatten. »Ich glaube, dass es deinen Eltern gehört hat«, erklärte Jonathan. »Ich meine, deinen leiblichen Eltern.« Clark nahm seinem Vater das fremdartige Objekt aus der Hand und starrte auf die Symbole, die darauf eingraviert waren. »Was bedeutet das?« »Ich habe keine Ahnung«, antwortete sein Vater. »Ich habe jahrelang versucht, die Schrift zu entziffern. Ich habe die Platte sogar zu Experten gebracht, aber es handelt sich offensichtlich um eine dem Menschen unbekannte Sprache.« Clark sah seinen Vater skeptisch an. »Was soll das heißen, eine dem Menschen unbekannte Sprache?«, fragte er.
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»Nun Clark, wie soll ich es ausdrücken, deine echten Eltern waren nicht aus dieser Gegend«, begann Jonathan mit seiner Erklärung. »Wo kamen sie denn her?«, fragte Clark und lachte nervös auf. Sein Vater blickte auf das Teleskop. »Pa, was willst du mir damit sagen? Dass sie – und ich – von einem anderen Planeten stammen?« Jonathan sah seinem Sohn lange in die Augen und schwieg. »Klar, Pa«, sagte Clark. Er war nicht mehr in der Lage, die Mischung zwischen Furcht und Gereiztheit in seiner Stimme zu verbergen. »Und wahrscheinlich hast du mein Raumschiff auf dem Speicher untergebracht, nicht wahr?« »Eigentlich ist es im Schutzkeller«, sagte Jonathan ruhig. »Komm.« Clark folgte seinem Vater die Leiter hinunter, um die Scheune herum und schließlich bis zu einer halb in den Boden eingelassenen Tür, die in einen Schutzkeller mit niedriger Decke führte. Der Keller war nur ein kleines Gewölbe, das man in die Erde gegraben hatte. Er war gerade groß genug, um einer Familie Schutz vor einem Tornado zu bieten. Als Clark noch ein Kind gewesen war, hatte ihn der Keller immer an den Film The Wizard of Oz erinnert, in dem Tante Em und Onkel Henry sich vor dem Tornado in den Keller geflüchtet hatten, während Dorothy es nicht mehr rechtzeitig geschafft hatte. Er war schon seit vielen Jahren nicht mehr hier gewesen. Immer noch von der unglaublichen Eröffnung seines Vaters wie betäubt, war er sich nicht sicher, ob er überhaupt hier sein wollte. Sein Vater schaltete die einzige Beleuchtung, eine nackte Glühbirne an der Decke des Kellers, ein. Dann packte er den Rand einer großen, schweren und staubigen Plastikplane und zog sie mit einem kräftigen Ruck beiseite. Darunter erschien ein zerbeultes metallisches Objekt, das schräg auf dem Boden lag. 74
»Damit bist du in unsere Welt gekommen«, erklärte Jonathan. »Das war an dem Tag, an dem der Meteoritenschauer auf Smallville niederging. Du bist mit all diesen Meteoren direkt vom Himmel gefallen und geradewegs in die Arme deiner Mutter gekrochen, als wenn das Schicksal es so bestimmt hätte.« Clark trat einen Schritt von dem Raumschiff zurück, sein Gehirn arbeitete. Es war nicht wahr! Wie konnte das möglich sein? Er wusste, dass er über Kräfte und Eigenschaften verfügte, die andere Menschen nicht hatten, aber das? »Das ist ein Witz, nicht wahr?«, war alles, was er herausbringen konnte. »Nein, Clark«, antwortete Jonathan. »Das ist es nicht.« Clarks Verwirrung schlug in Zorn um. »Warum habt ihr mir das nicht schon früher gesagt?«, rief er heftig. »Weil wir dich beschützen wollten«, erklärte Jonathan und bemerkte sofort, dass seine Worte wie eine lahme Ausrede klangen. »Beschützen wovor?«, fragte Jonathan erbittert und wandte sich von seinem Vater ab. »Ihr hättet es mir sagen müssen!« Aber bevor sein Vater ihm etwas erwidern konnte, rannte er bereits die Treppen hoch, raste so schnell er konnte in die Felder und verschwand in einer Staubwolke, während einige welke Blätter hinter ihm herwirbelten. Nur weg von der Farm! »Clark!«, schrie sein Vater diesem Wirbel aus Farbe und Bewegung, der sein Sohn war und mit unvorstellbarer Geschwindigkeit davonraste, hinterher. Zwecklos, dachte er. Der ist bestimmt schon in der übernächsten Stadt. Aber was sollte ich machen? Ich musste es ihm doch sagen! Die Maisfelder und Farmen zu beiden Seiten Clarks verschmolzen zu braunen und gelblichen Farbflächen. Aber so schnell er auch rannte, davor, wer er wirklich war, konnte er nicht davonlaufen.
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6 LANA LANG STIEG IN DEN SATTEL ihres schönen, braun und weiß gescheckten Pferdes, ergriff den Strauß Feldblumen, den sie zuvor gepflügt hatte, und lenkte das Pferd in die Richtung eines schmalen Pfades, der durch den Wald führte. Schnell ließ sie das Haus ihrer Tante hinter sich. Obwohl sie diesen Weg einmal in der Woche einschlug, fühlte sie sich wie immer unbehaglich dabei. Aber andererseits konnte sie es sich nicht vorstellen, eine Woche verstreichen zu lassen, ohne ihre Eltern zu besuchen. Nach einem kurzen Ritt kam der Friedhof von Smallville in Sicht. Leichte Nebelschwaden trieben am Himmel und verschleierten den Mond, der auf den überwucherten Friedhof schien. Kahle und verkrümmte Bäume streckten ihre Äste wie magere Finger in den Himmel. Der Wind strich mit einem unheimlich klagenden Geräusch, das wie das Klagen der unglücklichen Verstorbenen klang, zwischen den bemoosten Grabsteinen hindurch. Lana stieg ab, hielt ihre Blumen fest an sich gepresst und stapfte durch das Gewirr von Ranken und verwilderten Sträuchern zu dem Grab ihrer Eltern. Es war der einzige Ort auf der Welt, wo sie sich ihren Eltern, die sie kaum gekannt hatte, nahe fühlte. Ein knackender Ast ließ sie aufschrecken. »Wer ist da?«, rief sie laut und konnte, als sie sich umsah, eine einsame Gestalt im Schatten erkennen. »Ich bin’s«, antwortete eine unsichere Stimme. »Ich, Clark.« »Clark Kent?«, fragte Lana erleichtert, aber überrascht, ihren Nachbarn an diesem vereinsamten Ort zu finden. »Was machst du hier? Warum kriechst du hier in den Büschen herum?« »Du würdest es mir nicht glauben, wenn ich es dir erzählen würde«, antwortete Clark mit schwacher, belegter Stimme. 76
»Ich wollte dich nicht erschrecken, Lana«, fügte er hinzu und wandte sich zum Gehen. »Clark, warte«, sagte Lana. Etwas in seiner Stimme hatte sie beunruhigt. »Es tut mir Leid. Ich wollte dir nichts vorwerfen. Ich habe nur nicht erwartet, hier jemanden zu treffen.« Clark drehte sich wieder zu Lana um und in diesem Augenblick fiel das Mondlicht auf sein Gesicht und zeigte seine verquollenen, roten Augen und die Tränen, die über sein Gesicht liefen. »Bist du in Ordnung?«, fragte sie. Sie konnte sich nicht daran erinnern, Clark jemals weinen gesehen zu haben, obwohl sie sich schon seit ihrer Kindheit kannten. »Kommt darauf an, was man darunter versteht«, antwortete Clark und schluckte seine Tränen herunter. Seine Stimme war rau und kratzig. »In Ordnung heißt über dem Durchschnitt, aber nicht wirklich toll«, erklärte Lana lächelnd. »Was hältst du von dieser Definition?« »Ich hänge alleine auf dem Friedhof ab«, stellte Clark klar. »Hältst du das für ›in Ordnung‹?« »Hey, ich bin schließlich auch hier«, bemerkte Lana. »Da hast du Recht«, gab Clark zu. Er schniefte und wischte seine Tränen mit dem Daumen fort. »Also, was hast du auf dem Herzen? Was macht ein nettes Mädchen wie du nachts an einem Ort wie diesem?« Lana sah Clark lange in die rotgeränderten Augen. Konnte sie ihm trauen? Natürlich konnte sie. Wenn es irgendjemand gab, dem sie immer hatte vertrauen können, dann war es Clark. »Kannst du ein Geheimnis bewahren?«, fragte sie. Clark lächelte zum ersten Mal an diesem Tag. Wenn du nur wüsstest, dachte er. »Wie würde sie es aufnehmen, wenn ich ihr erzähle, dass ich in Wirklichkeit ein kleines grünes Männchen vom Mars oder woher auch immer bin? Ob sie
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ausrasten würde? Schreiend wegrennen oder einfach nur denken würde, ich wäre verrückt geworden?« »Ich bin das Fort Knox aller Geheimnisse«, antwortete er sanft. »Also gut«, begann Lana. Sie sah ihm immer noch in die Augen. »Ich bin hierher gekommen, weil ich mit meinen Eltern reden wollte. Du denkst jetzt bestimmt, dass ich ziemlich seltsam bin, weil ich mit den Toten spreche und so«, fügte sie hinzu. Dann deutete sie auf ein gepflegtes Grab mit einem großen Grabstein aus poliertem Marmor. Obwohl er wegen der unglaublichen Enthüllung dieses Tages immer noch verwirrt und wütend war, fand Clark langsam seine Fassung wieder. Er liebte es, mit Lana zu reden. Immer, überall, sogar nachts auf einem Friedhof. »Ich finde nicht, dass du komisch bist, Lana«, sagte er und drückte sanft ihren Arm, während er zu dem Grab der Langs herübersah. »Erinnerst du dich an sie?«, fragte er. »Wenig«, gab Lana zu. »Es ist schwierig. Sie starben, als ich drei Jahre alt war. Manchmal blitzt etwas in meinem Hinterkopf auf, ein kurzes Bild, ein Gesicht, ein Kleidungsstück, manchmal sogar ein bestimmter Geruch. Ich hätte nie gedacht, dass man Menschen vermissen kann, die man kaum gekannt hat.« »Es tut mir Leid«, sagte Clark und suchte fieberhaft nach einigen tröstenden oder angemessenen Worten, um ihren Schmerz zu lindern, aber es fiel ihm nichts ein. »Es ist nicht deine Schuld, Clark«, antwortete Lana und sah ihn lange an. »Komm, ich stelle dich ihnen vor.« Sie nahm Clarks Arm und führte ihn zu dem Grab ihrer Eltern. Im fahlen Mondlicht, das auf dem glatten Stein schimmerte, konnte Clark die eingravierten Worte lesen: »Lang, Lewis 1957-1989, Laura 1959-1989.«
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Lana kniete sich neben den Grabstein und legte den Strauß auf das frisch gemähte Gras. Clark hockte sich, die Hände auf die Knie gestützt, einen Schritt hinter sie. »Ma, Pa, das ist Clark Kent«, sagte Lana lächelnd. Sich zu Clark umdrehend, forderte sie ihn auf: »Sag hallo!« »Hallo«, flüsterte Clark etwas verunsichert und winkte dem Grabstein zu. Lana wandte sich wieder dem Grabstein zu und lauschte angestrengt. »Ja«, sagte sie nach einer Weile leise, »er ist etwas schüchtern.« Abermals schwieg sie. »Woher soll ich das wissen?«, fragte sie, die Unterhaltung mit ihren Eltern fortsetzend. Wieder blickte sie über ihre Schulter hinweg Clark an. »Meine Mutter will wissen, ob du wegen eines Mädchens traurig bist«, sagte sie. Clark schüttelte den Kopf und sagte sanft: »Nein.« »Mein Vater will wissen, ob es etwas mit der Schule zu tun hat.« »Nein«, antwortete Clark, »das ist es auch nicht.« Lanas Gesicht wurde ernst. »Also Clark, weshalb bist du wirklich hier?« »Lana«, begann er unsicher, weil er nicht wusste, was er ihr sagen sollte. Er hätte ihr am liebsten die Wahrheit gesagte, aber er wusste ganz genau, dass er das nicht tun konnte. »Hast du jemals gedacht, dass dein Leben eigentlich anders sein sollte, als es ist?« Sie nickte und blickte Clark wissend an. »Manchmal träume ich, dass ich vor der Schule auf Nell warte, aber sie kommt nicht. Aber an ihrer Stelle kommen meine Eltern und sie sind gar nicht tot, sondern einfach nur zu spät. Dann steige ich ein und sie bringen mich zurück zu meinem richtigen Leben in Metropolis. An dieser Stelle wache ich meistens auf und fühle mich sehr glücklich. Bis mir klar wird, dass alles nur ein Traum war und ich immer noch ganz allein bin.«
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Lanas Augen füllten sich mit Tränen. Sie hatte nicht erwartet, dass sie so viel von sich preisgeben würde, so viel Wahrheit, so viel Aufrichtigkeit. Als Clark bemerkte, dass sie traurig wurde, trat er neben sie und kniete sich neben sie vor den Grabstein. Er neigte den Kopf leicht auf die Seite und lauschte. »Wie bitte, Mrs. Lang?«, fragte er nach einer Weile. Er drehte sich zu Lana um. »Deine Mutter will dich wissen lassen, dass sie immer bei dir ist und dich immer beschützt, egal was passiert.« Dann beugte er sich näher zu dem Grabstein. »Was, Mr. Lang? Oh ja, und dein Vater meint, dass du mit Sicherheit Homecoming-Queen wirst.« Lana lächelte unter Tränen. »Hat er das wirklich gesagt?«, fragte sie. »Klar«, antwortete Clark, während sie beide aufstanden. »Sie sind ganz gesprächig, wenn das Eis erst mal gebrochen ist.« Lana stand vor ihm und drückte ihm warm die Hand. »Ich bin froh, dass du hier in den Büschen herumgekrochen bist. Aber ich muss jetzt nach Hause.« »Ich auch«, sagte Clark und ging neben ihr her. »Sollen wir laufen? Es ist doch eigentlich ganz schön heute Abend.« »Gerne«, sagte Lana und nahm die Zügel ihres Pferdes auf. Das Tier hinter sich her ziehend, schlug sie den schmalen Waldpfad ein, der nach Hause führte. Clark folgte ihr. Der Weg verlief größtenteils schweigend, ab und zu unterbrochen von kurzen Gesprächen über die Schule, Lanas Tante Nell und das tägliche Leben auf der Farm der Kents. Schon bald verließen sie den dichten Wald und gingen über die Straße, die die beiden Grundstücke der Langs und der Kents voneinander trennte. »Vielen Dank, dass du mich nach Hause gebracht hast«, sagte Lana, nachdem sie den gepflasterten Weg erreicht hatten, der zu ihrem Haus führte.
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»Es ist schöner, als alleine in den Büschen herumzukriechen«, antwortete Clark und zuckte mit den Schultern. »Ist dir klar, dass das heute die längste Unterhakung war, die wir je gehabt haben?«, fragte Lana und lächelte ihm zu. »Wir sollten das wiederholen!« »Unbedingt«, erwiderte Clark und wieder fiel ihm nichts Geistreiches ein, was er hätte sagen können. Er war überwältigt, dass Lana ihn wirklich näher kennen lernen wollte. Durch ihr Interesse ermutigt, platzte er unüberlegt heraus: »Und, gehst du auf die Party?« »Ja«, antwortete Lana schnell. »Mit Whitney.« Super Idee, Kent, dachte Clark sofort. Wie blöd bist du eigentlich? »Klar«, sagte er laut. »Was ist mit dir?«, fragte sie. »Gehst du?« »Nee«, antwortete er zögernd. »Ich glaube, ich lass die Party ausfallen.« Noch besser! Erzähl ihr doch gleich, das du ein totaler Loser bist. Dass du keine Verabredung mit einem Mädchen für die Party hast, machte er sich in Gedanken selbst fertig. »Also, wenn du es dir anders überlegst, reserviere ich dir vielleicht einen Tanz«, sagte Lana und beugte sich zu ihm, um ihm einen leichten Kuss auf die Wange zu geben. »Gute Nacht, Clark.« Dann schlenderte Lana langsam den Weg zum Haus hoch, drehte sich dabei noch ein paar Mal zu Clark um und erhellte so die Nacht für ihn mit ihrem überwältigenden Lächeln. Clark, der von Glück überwältigt breit grinste, machte sich auf den Weg zur Farm der Kents. Er schwebte fast über den Boden. Lana hatte ihn geküsst. Okay, nur auf die Wange, aber trotzdem... Und sie wollte mit ihm tanzen und dieses Lächeln...! Was als der schrecklichste Abend seines Lebens begonnen hatte, endete als sein glücklichster bisher. Dachte er zumindest. 81
Im Schatten der Veranda stehend, hatte Whitney den kleinen Kuss und den zärtlichen, freundschaftlichen Moment beobachtet. Sein Gesicht verzog sich vor Eifersucht, während er auf Clarks Rücken starrte, der langsam in der Dunkelheit verschwand. Erschöpft von dem Wechselbad der Gefühle an diesem Tag schlief Clark in der Nacht tief und fest. Am nächsten Morgen erwartete ihn noch bevor er zur Schule ging die Aufgabe, den Pickup zu Lex Luthor zurückzubringen. So sehr ihn die Entscheidung seines Vaters auch erbitterte, gehorchte er doch widerwillig seinen Wünschen und erklärte sich einverstanden, den Wagen zurückzugeben. Er schluckte seine Enttäuschung herunter und nahm es als eine weitere der vielen Durchhalten!Lektionen, die ihm das Leben erteilte. Er fuhr sehr langsam, damit er die kurze Zeit, in der der Wagen ihm gehörte, so lange wie möglich auskosten konnte. Schließlich erreichte er den Stadtrand und bog in die Auffahrt zum Anwesen der Luthors ein und betrachtete für einen Moment dessen unwirkliche Schönheit. Das Haus der Luthors, im Stil einer gotischen Burg erbaut, befand sich auf einem riesigen Grundstück in der teuersten Wohngegend von Smallville. Seine vielen Türmchen hoben sich vom bleigrauen Himmel ab. Im Umkreis von über hundert Meilen gab es kein vergleichbares Haus. Es schien in dieser ländlichen Kleinstadt fehl am Platz zu sein und seine kunstvoll angelegten Gärten gaben den Besuchern das Gefühl, in eine andere Zeit versetzt zu werden. Das makellos gepflegte Haus selbst schien unendlich groß zu sein, sein geschwungenes Dach mit den vielen Türmchen thronte über undurchdringlichen Mauern mit endlosen Reihen großer Fenster. Clark drückte auf die Klingel neben dem Tor, aber es regte sich nichts. Er sah sich rasch um, um sich zu vergewissern, dass ihn niemand sehen konnte, dann umklammerte er zwei der Eisenstäbe des Eingangstors und schob sie so mühelos 82
auseinander, als wären sie aus Gummi. Als die Öffnung gerade so breit war, dass er hindurchpasste, schlüpfte er durch das Tor, brachte die Stäbe dann wieder an ihren richtigen Platz und ging auf das Haus zu. Clark wäre nicht im Mindesten überrascht gewesen, wenn ein Ritter zu Pferde, eine prächtige Prozession von Königen und Königinnen, oder eine gefangene Jungfrau, die auf einen Retter wartete, in diesem Garten aufgetaucht wären. Er ging an hohen Bögen, die mit Efeu überrankt waren, und an zahllosen großen Kübeln, die mit üppigen Blumen oder duftenden Kräutern gefüllt waren, vorbei. Als er die schwere, beschlagene Holztür erreicht hatte, hob er den großen Türklopfer aus Bronze und ließ ihn mehrmals niederfallen. Die Schläge hallten dumpf hinter der Tür wider. Abermals rührte sich nichts, obwohl Clark fast einen Butler mit dem Namen James erwartet hatte, der mit einem säuerlichen Ausdruck auf dem vornehmen Gesicht die Türe öffnete. Schließlich schob er die Tür auf und schlüpfte hinein. In der großen Empfangshalle war es dämmrig. Die Wände waren mit kostbarem Kirschholz vertäfelt und wunderschön geschnitzte Holztreppen schwangen sich nach allen Seiten in die oberen Etagen. Völlig ahnungslos, wo Lex überhaupt stecken mochte, nicht einmal wissend, ob er überhaupt zu Hause war, wählte Clark die einfachste Methode. »Hallo!«, rief er laut und seine Stimme hallte mehrfach an den Wänden aus poliertem Holz wider. Da immer noch kein Lebenszeichen aus dem Haus drang, ging Clark schließlich geradeaus in die Halle hinein, auf eine riesige Doppeltür zu, die dem Eingang gegenüberlag. Es schien ihm, als ob sie meilenweit von der Eingangstür entfernt läge. Als er sich der Tür näherte, vernahm er das klirrende Geräusch von Metall, das immer lauter wurde, je näher er der Tür kam. Das Geräusch verstummte kurz, setzte dann aber noch heftiger und schneller wieder ein. 83
KLING-CHINK-KLINK! In dem großen Saal hinter der Tür befanden sich zwei Gestalten, die von Kopf bis Fuß in Weiß gekleidet waren und deren Gesichter von Masken aus feinem Drahtgitter geschützt wurden. Sie waren mitten in einem erbitterten Fechtkampf, kreuzten die Degen, attackierten sich und wichen einander abwechselnd aus. Während die beiden Gegner, völlig konzentriert auf ihr Duell, durch den Raum glitten, suchte Clark hinter einer Ritterrüstung Schutz. Teils, weil es ihm peinlich war, mitten in den Kampf geplatzt zu sein, teils, weil er sich schützen wollte. Die Erkenntnis seiner Unverwundbarkeit war noch nicht zu einem Teil seines Denkens geworden. Mit einer kraftvollen Attacke trieb einer der beiden Fechter den anderen gegen die Wand, machte einen Ausfall und berührte die Stelle des Herzens mit der Spitze seines Degens, um seinen Sieg einzufordern. Der Verlierer warf wütend seinen Degen in die Luft, der sirrend durch den Raum flog und sich wenige Zentimeter neben Clarks Kopf in die Wand bohrte. Der Verlierer zog seine Maske ab und Lex Luthor kam dahinter zum Vorschein. Er starrte Clark erschrocken an. »Clark«, sagte er und in seiner Stimme schwang Besorgnis und Überraschung mit. »Ich habe dich gar nicht kommen sehen!« »Ich habe geklingelt, aber niemand hat geöffnet«, antwortete Clark lahm. »Wie bist du durch das Tor gekommen?«, fragte Lex und zog mit einem Ruck seinen Degen aus der Wand. Er war beunruhigt, aber mehr noch verblüfft über diese Schwachstelle in seinen Sicherheitsanlagen. »Ich habe mich irgendwie durch das Gitter gequetscht«, antwortete Clark und fügte dann schnell hinzu: »Komme ich im falschen Moment?« »Oh, nein, nein«, sagte Lex. Sein Gegner nahm seine Maske ab und darunter kamen lange, braune Haare zum Vorschein, 84
die ein fein geschnittenes, schönes weibliches Gesicht umgaben. »Ich glaube, Haiki hat mich für heute genug fertig gemacht«. Er warf ihr seinen Degen, seine Maske und seine Handschuhe zu, sie sammelte die ganze Ausrüstung zusammen und verließ dann leise den Raum. »Ein wirklich schönes Haus«, sagte Clark höflich. »Ja«, stimmte Lex sarkastisch zu. »Wenn man tot ist und etwas zum Spuken sucht!« »Ich meine ja nur, dass es so viel Platz gibt und so«, sagte Clark entschuldigend. In der Gegenwart von Lex fühlte er sich so unbeholfen wie ein Kind, selbst wenn Lex freundlich zu ihm war. »Es ist das Haus der Vorfahren der Luthors«, erklärte Lex. »Mein Vater hat es aus Schottland hierher bringen und wiederaufbauen lassen, Stein für Stein.« »Ich kann mich daran erinnern«, sagte Clark. »Die Lastwagenkolonnen rollten wochenlang durch die Stadt. Alle waren ganz aufgeregt deswegen, aber dann ist niemand eingezogen.« »Mein Vater hatte niemals vor, hier zu leben«, erklärte Lex, nahm ein Handtuch und wischte sich den Schweiß von Stirn und Nacken. »Er hat das Haus nicht ein einziges Mal betreten.« »Aber warum hat er es dann hierher bringen lassen?«, fragte Clark und folgte Lex zur Tür. »Weil er es konnte«, antwortete Lex ausdruckslos. »In dem Moment, als es hier war, hat er angefangen, nach einer neuen Herausforderung zu suchen. So ist mein Vater eben.« Lex verließ den Saal und ging mit schnellen Schritten in den anliegenden Raum, der Clark mit seinen Holzvertäfelungen und seinem riesigen Marmorkamin ebenfalls sehr eindrucksvoll erschien. Überall standen Trainingsgeräte herum – es war Lex’ privates Fitness-Studio, das einfach in einem der zahllosen Räume dieses alten Hauses aufgebaut worden war.
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»Wie fährt sich der neue Wagen?«, fragte Lex mit dem Rücken zu Clark, warf das Handtuch beiseite und trank in einem Zug eine halbe Flasche Wasser leer. »Deswegen bin ich hier«, sagte Clark traurig, aber erleichtert, dass der unangenehme Smalltalk vorbei war und er endlich zum eigentlichen Grund seines Besuchs kommen konnte. »Was ist los?«, fragte Lex. »Gefällt er dir nicht?« »Nein, das ist es nicht«, antwortete Clark schnell. »Ich kann ihn nicht annehmen.« »Clark, du hast mir das Leben gerettet«, begann Lex. »Das ist das Mindeste, was ich tun kann.« Clark sah auf den Boden. Es gab nichts zu sagen. »Dein Vater mag mich nicht, nicht wahr?«, fragte Lex und drehte sich zu Clark um, um ihm direkt in die Augen zu sehen. »Das ist okay. Ich habe keine Haare mehr, seitdem ich neun bin. Ich bin es gewohnt, dass die Leute Vorurteile haben, bevor sie mich kennen lernen.« »Es ist nicht persönlich gemeint«, sagte Clark schnell. »Es hat wohl eher etwas mit deinem Vater zu tun.« »Und er denkt wohl, wie der Vater so der Sohn«, sagte Lex, zog sein Hemd aus und warf es auf den Boden. »Verständlich. Was ist mit dir Clark, bist du auch genau wie dein Vater?« »Meistens habe ich noch nicht mal das Gefühl, vom selben Planeten zu kommen wie meine Eltern«, sagte Clark und bereute diesen kleinen Witz, den nur er selbst verstehen konnte, sofort. »Ich weiß, was du meinst.« Lex nickte. »Mein Vater und ich, wir könnten nicht unterschiedlicher sein. Ich hoffe nur, dass die Leute in dieser Stadt mir die Chance geben, das zu beweisen.« Clark fühlte sich in dem großen Schloss unbehaglich. Er wollte gehen. »Ich gehe jetzt besser«, sagte er und gab Lex die Schlüssel. »Vielen Dank für den Wagen!« »Clark, glaubst du, dass der Mensch fliegen kann?«, fragte Lex plötzlich. 86
»Sicher«, antwortete Clark, »mit dem Flugzeug.« »Nein, das meine ich nicht«, antwortete Lex ernsthaft. »Ich meine, durch die Wolken zu gleiten, mit nichts anderem als Luft um dich herum.« Clark seufzte tief. »Der Mensch kann nicht fliegen, Lex«, sagte er ungeduldig. »Ich bin geflogen«, erklärte Lex. »Nach dem Unfall blieb mein Herz stehen. Das waren die aufregendsten Minuten meines Lebens. Ich bin über Smallville geflogen und zum ersten Mal habe ich nicht das Ende gesehen, sondern einen neuen Anfang. Und es ist dein Verdienst, dass ich jetzt eine zweite Chance bekommen habe.« Er sah Clark in die Augen. »Wir sind die Zukunft, Clark, und ich will nicht, dass irgendetwas unserer Freundschaft im Weg steht.« Clark nickte und verließ den Raum. Er trat in den trüben Morgen hinaus, passierte wieder das Tor – diesmal auf die konventionelle Weise – und ging dann die Straße entlang, die zu dem Wald neben dem Anwesen der Luthors führte. Er konnte das Gefühl nicht abschütteln, dass Lex irgendetwas von ihm wollte, aber er wusste nicht was. Was konnte Lex, der alles hatte, wohl von jemandem wollen, der – nun, auf einer Farm lebte und noch nicht einmal einen eigenen Wagen hatte? Wie immer zu spät für die Schule, raste Clark durch den Wald, sprang über die Äste am Boden, wich mit rasender Geschwindigkeit Baumstämmen aus und verließ schließlich den dichten Wald. Jetzt tauchte er in die Maisfelder ein und schlug den bekannten Weg zur Schule ein. Während er durch die Felder rannte, überlegte er, ob er Pete und Chloe von Lex’ Geschenk erzählen sollte. Schließlich beschloss er, es wie so viele andere Dinge in seinem Leben für sich zu behalten.
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7 NACH DER SCHULE machten sich Pete und Chloe auf den Weg in die Stadt. Clark musste noch etwas in der Bibliothek nachschlagen und erklärte den Freunden, dass er später nachkommen würde, um sie zu treffen. Chloe war gebeten worden, über die Eröffnung eines neuen Geschäfts auf der Main Street zu berichten. Das junge Paar, das den Laden eröffnete, hoffte Kunden, die sonst in das große Einkaufszentrum außerhalb der Stadt fuhren, für die Stadtmitte zu gewinnen. Eine Geschäftseröffnung war nicht gerade die Art von Ereignis, die dem Daily Planet in Metropolis auch nur eine Zeile wert gewesen wäre, aber die Redakteurin des Torch wusste, dass sie für das kleine Smallville ein – auch wirtschaftlich gesehen – wichtiges Ereignis darstellte. Also beschloss sie, darüber einen Artikel zu schreiben. Pete ergriff wie immer jede Chance, mit Chloe zusammen sein zu können, und begleitete sie. Als sie auf der Main Street vor dem Geschäft ankamen, hatte sich die Geschäftseröffnung allerdings bereits zu einer viel größeren Story ausgeweitet. Eine große Menschenmenge hatte sich vor der Apotheke von Smallville versammelt. Zwei Hilfssheriffs schoben einen bewusstlosen Mann auf einer Bahre aus dem Haus und hoben ihn vorsichtig in einen wartenden Krankenwagen. »Was ist passiert?«, fragte Chloe einen Mann in der Menge, während sie zusah, wie die Bahre im Wagen verschwand. »Freddie Post, er hat in der Apotheke gearbeitet«, erklärte der Mann im breitesten lokalen Dialekt. »Ja«, antwortete Chloe ungeduldig. »Ich weiß, wer er ist. Was ist passiert?«
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»Er ist ins Koma gefallen«, erklärte der Mann. »Elektrischer Schlag, meinte der Sheriff. Keiner weiß genau, wie es passiert ist. Freddie war alleine im Laden.« Chloe wandte sich an Pete. »Bereits der Dritte in dieser Woche!«, berichtete sie aufgeregt. »Die anderen beiden sind noch im Krankenhaus und liegen im Koma. Sie leiden alle unter den Folgen eines massiven Elektroschocks. Und jetzt kommt der wirklich spannende Teil: Sie sind alle auf unserer Schule gewesen!« »Elektroschock?«, wiederholte Pete. »Das ist dasselbe, was auch mit unserem Schulleiter passiert ist, mit Mr. Swan.« Pete erinnerte sich, wie entsetzt seine Familie gewesen war, als der Schulleiter angegriffen worden war. Und wie empört darüber, dass die Vitrine im Foyer, die ja so etwas wie eine Ehrenvitrine für die Familie Ross war, zerstört worden war. »Swan ist wohl mittlerweile wieder über den Berg, aber er kann sich an nichts erinnern. Weißt du, wer die beiden anderen sind?« »Tony Carozza und Wayne Higgins«, sagte Chloe. »Tony, der in der Werkstatt arbeitet und Wayne von der Post?«, fragte Pete verwundert. »Die waren doch beide mit Freddie Post in der unschlagbaren Mannschaft von 89!« »Das ist bestimmt kein Zufall!«, stellte Chloe fest. »Vor allem nicht in Smallville, der verrücktesten Stadt der Welt!« Petes Aufmerksamkeit wurde von einem Jungen in der Menge gefesselt, der mit seinem hageren Gesicht und seinen tief eingesunkenen Augen sehr seltsam aussah. »Wo wir gerade über merkwürdige Dinge sprechen – wer ist dieser Typ?«, fragte er und wies unauffällig in seine Richtung. »Ich habe ihn noch nie gesehen. Und ich dachte, ich kenne hier jeden!« Chloe zückte ihre digitale Kamera. »Ich habe keine Ahnung«, sagte sie. »Aber wir werden es herausfinden!« Sie nahm den Fremden ins Visier, löste aus und ließ dann die Kamera wieder in ihre Tasche gleiten. »Ich denke, es ist an der
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Zeit, ins Redaktionsbüro zu gehen und ein bisschen zu recherchieren!« Die beiden Freunde wanderten zur Schule zurück und nahmen die ausgetretene Abkürzung durch den Wald. Als sie vor den Büroräumen des Torch ankamen, schloss Chloe die Tür auf, schaltete das Licht ein und startete den Rechner. »Pete, sieh doch mal nach, ob du eine Kopie des Jahrbuchs von 1989 finden kannst«, forderte sie ihn auf und zog die Kamera aus ihrer Tasche. Sie zeigte auf eine voll gestopfte Schrankwand auf der anderen Seite des Büros. »Vielleicht finden wir darin ja einen Hinweis. Ich werde inzwischen dieses Foto laden.« Nach wenigen Minuten tauchte das Foto des Fremden auf dem Monitor auf, während Pete durch die verstaubten Seiten des Jahrbuchs von 1989 blätterte. »Chloe, sieh mal«, rief Pete plötzlich und zeigte auf einen kleinen Kopf auf einem schwarzweißen Gruppenfoto, das die Abschlussklasse von 1989 zeigte. »Guck dir mal diesen Typen an: Jeremy Creek!« Chloe sah sich das Foto im Jahrbuch genauer an, dann verglich sie es mit dem Bild auf dem Monitor. »Wow!«, schrie sie auf. »Dieses Foto ist vor zwölf Jahren gemacht worden!« Sie blickte wieder auf das Farbfoto auf dem Monitor. »Und dieses habe ich vor einer halben Stunde gemacht!« »Er hat sich kein bisschen verändert!«, bemerkte Pete. »Er ist keinen Tag älter geworden!« »Willkommen in der seltsamsten Stadt der Welt!«, rief Chloe aus. »Das müssen wir recherchieren!« »Ich bin dabei!«, sagte Pete. »Lass uns sofort anfangen!« In den nächsten Stunden recherchierten Chloe und Pete im Internet, wühlten sich durch die Archive des Torch und verschickten eine Flut von Faxen. Was sie herausfanden, schien unmöglich zu sein, aber es erklärte die Reihe der mysteriösen Attacken. 90
»Clark muss sich das ansehen!«, sagte Pete und schnitt kopfschüttelnd einen alten Zeitungsartikel aus. »Wir sollten nachsehen, ob er noch in der Bibliothek ist«, schlug Chloe vor. »Ich bin gleich wieder da«, sagte Pete, verließ das Büro und lief den Flur entlang zur Bibliothek. Er fand Clark, der hinter einem Stapel von Büchern an seinen Aufgaben arbeitete. Dankbar für die kleine Unterbrechung und verwundert über Petes aufgeregten Gesichtsausdruck folgte Clark seinem Freund sofort ins Redaktionsbüro. Chloe und Pete fassten für ihn die Ereignisse des heutigen Tages zusammen. Sie konnten ihre Aufregung kaum verbergen und zeigten ihm schließlich die beiden Fotos von Jeremy Creek. »Das ist unmöglich«, sagte Clark und blickte zwischen dem Foto im Jahrbuch und dem Monitor hin und her. »Es kann nicht derselbe Typ sein. Er wäre heute sechsundzwanzig Jahre alt! Das muss irgendjemand sein, der ihm sehr ähnlich sieht.« »Ich habe zuerst auch auf die ›Der-böse-Zwillingsbruder‹Theorie gesetzt«, sagte Pete. »Bis wir diese Vermisstenmeldung hier bekommen haben!« Er reichte Clark ein Fax. Während er den Text überflog, fasste Chloe das Ergebnis ihrer Recherche zusammen. »Jeremy verschwand vor ein paar Tagen aus dem Landeskrankenhaus, wo er seit zwölf Jahren im Koma gelegen hat«, erklärte sie. »Er litt an einem massiven elektrolytischen Ungleichgewicht.« »Deswegen ist er nicht gealtert«, ergänzte Pete. »Und ihr meint, er ist einfach so aufgewacht?«, fragte Clark skeptisch. »Einfach so?« »Nein, es hat einen Elektrosturm gegeben«, fuhr Chloe fort. »Er hat den Hauptgenerator des Krankenhauses lahm gelegt. Als der wieder lief, war Jeremy verschwunden.« »Die Hochspannung von dem Elektrizitätssturm muss ihn wie eine Duracell-Batterie aufgeladen haben«, überlegte Pete. 91
»Und jetzt ist er hier in Smallville und versenkt die ehemaligen Football-Spieler ins Koma«, sagte Clark. Er sah noch immer keinen Sinn in der Sache. »Warum?« »Weil genau heute vor zwölf Jahren Jeremy Creek zur Vogelscheuche der Smallville High gemacht worden ist«, erklärte Pete. »Sieh dir das einmal an«, sagte Chloe und gab Clark einen alten Zeitungsausschnitt. »Junge im Koma in Maisfeld gefunden – zweihundert Meter von Meteoriteneinschlag«, las Clark die Schlagzeile laut vor. »Dass er in der Nähe des Einschlags war, muss etwas an seinem Körper verändert haben«, überlegte Chloe. »Sodass sein Körper fähig wurde, Elektrizität zu absorbieren und weiterzuleiten.« Clark schüttelte den Kopf und legte den Zeitungsausschnitt auf den Tisch. Langsam wurde ihm klar, was diese Ereignisse wirklich bedeuteten. Dieser Junge war im Maisfeld gefesselt, als der Meteorit gelandet ist... als ich gelandet bin!, dachte er schockiert. »Nein«, sagte er abrupt. »Das ist nicht möglich!« Pete sah Chloe an. »Ich denke, wir zeigen es ihm jetzt besser«, sagte er und nickte in Richtung einer Tür auf der anderen Seite des Büros. »Mir was zeigen?«, fragte Clark, der nach der grauenhaften Erkenntnis, dass er auf indirekte Weise für all dies verantwortlich war, immer noch wie unter Schock stand. »Komm mit«, sagte Chloe. Sie ging hinüber zur Dunkelkammer des Redaktionsbüros, dicht gefolgt von Pete und Clark. Langsam öffnete sie die Tür der Dunkelkammer, dann traten die drei Freunde ein. Chloe schaltete das Licht ein und eine nackte Glühbirne an der Decke beleuchtete ein wirres Durcheinander von Belichtungsprojektoren, Entwicklungswannen und einer Leine, an der einige Abzüge
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zum Trocknen aufgehängt waren. Chloe deutete auf die Rückwand der Dunkelkammer. »Am Anfang war es eine Art Notizbuch, aber im Laufe der Zeit ist es immer weiter gewachsen«, sagte sie und ging auf die Wand zu. »Was ist das?«, fragte Clark und betrachtete verwundert die Wand, die mit Zeitungsausschnitten, Berichten aus Zeitschriften und Fotos übersät war. »Ich nenne es die ›Wand des Seltsamen‹«, sagte Chloe nicht ohne Stolz und machte mit beiden Händen eine Geste auf die Collage, die die ganze Wand bedeckte. »Hier ist jedes seltsame, verrückte und unerklärliche Ereignis, das in Smallville seit dem Meteoritenschauer passiert ist, dokumentiert. Damit hat alles angefangen. Damals ist die Stadt verrückt geworden.« Clark trat auf die Wand zu und überflog ungläubig die Ansammlung von Fotos und Zeitungsartikeln. Das Gefühl, an all dem schuld zu sein, wurde immer stärker und verursachte fast ein Gefühl von Übelkeit in ihm. »Mann verliert einen Finger an linker Hand – und bekommt neuen Finger an rechter Hand!«, »Säuberungsarbeiten im Fluss fördert Gestein zu Tage, das im Dunkeln glüht!« und »Todkranke Frau wie durch ein Wunder geheilt!« Es waren die Geschichten der Menschen, die von dem Einfluss des Meteoritenschauers direkt betroffen waren und die Wirkungen des mysteriösen grünen Steins gespürt hatten, der in Smallville gelandet war. Die Geschichten von ihnen bedeckten die ganze Wand. Und all das, weil der Meteorit in Smallville gelandet ist – weil ich in Smallville gelandet bin!, dachte Clark entsetzt. »Also, was denkst du jetzt?«, fragte Chloe lächelnd und stellte sich wieder neben Clark. Sie konnte den Stolz und die Zufriedenheit über ihre Sammlung kaum verbergen. Clark wurde bleich. »Warum hast du mir nichts davon erzählt?«, fragte er brüsk. 93
Überrascht von dem Ärger in seiner Stimme drehte Chloe Clark den Rücken zu und ging wieder zur ihrer Sammlung zurück. Ihr Lächeln wich einem wütenden Gesichtsausdruck. »Erzählst du mir etwa alles aus deinem Leben?«, schoss sie zurück. »Wir haben alle unsere Geheimnisse, Clark!« Clarks Augen irrten über die Wand. Er versuchte, so viele Informationen wie möglich gleichzeitig aufzunehmen und zu verarbeiten. Dann blieb sein Blick plötzlich an einem Bild hängen. Ein Cover des Time Magazine, eine Ausgabe der Woche nach dem Meteoritenschauer. Es zeigte die Großaufnahme eines kleinen Mädchens in einem Prinzessinnen-Kostüm mit tränenüberströmtem Gesicht und einem herzerweichenden Ausdruck von Schock und Traurigkeit in den Augen. Sie trug ein Diadem aus Glitzersteinchen auf dem Kopf und hielt mit einer Hand einen Zauberstab fest umklammert. Die Titelschlagzeile lautete: »Unglück im Herzen von Amerika.« Clark starrte in die Augen des Kindes. Dieses Gesicht kam ihm bekannt vor. Dann wurde es ihm plötzlich klar und als er es begriff, ging eine Welle von Schwindel und Übelkeit durch seinen Körper. »Lana«, flüsterte er. Bei dem Anblick des Mädchens auf dem Foto blieb sein Herz fast stehen. Das Foto war nur Sekunden, nachdem sie ihre Eltern hatte sterben sehen, aufgenommen worden. »Das ist alles meine Schuld«, stieß Clark aus. Die Worte brachen aus ihm hervor, ohne dass er sich dessen bewusst war. Der Tod von Lanas Eltern, die Zerstörung großer Teile der Stadt und die ganzen Ereignisse, die auf dieser Wand so lebendig dokumentiert waren – alles seine Schuld! Er wandte sich ab und verließ schnell die Dunkelkammer. Pete und Chloe blieben zurück und starrten sich in schweigender Verwirrung an.
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Clark rannte hinunter in die Eingangshalle, rannte vor den schrecklichen Bildern davon, die sich in sein Gehirn eingebrannt hatten. In der Halle geriet er mitten in die Menge der Zuschauer der großen Parade, die wegen des FootballSpiels am nächsten Tag stattfand. Er kämpfte sich durch die Menge im Foyer, durchquerte die großen Eingangstüren und rannte die Stufen hinunter. Er ging schnell, ohne darüber nachzudenken, wohin. Plötzlich packte ihn eine Hand bei der Schulter.»Chloe, lass mich in Ruhe«, sagte er, ohne sich umzudrehen. »Ich habe heute einen echt schlechten Tag.« Die kräftige Hand zwang ihn, sich umzudrehen und er sah sich Whitney gegenüber. »Und er wird noch schlechter werden!«, sagte Whitney drohend und verstärkte seinen Griff. »Glückwunsch, Clark! Du bist die Vogelscheuche dieses Jahres!« Clark schlug wütend Whitneys Hand beiseite. »Fang jetzt keinen Ärger mit mir an«, zischte er zwischen den Zähnen hindurch. In diesem Augenblick hätte er nichts lieber getan, als Whitney mitten ins Gesicht zu schlagen. »Komm schon, dann leg mal los«, forderte Whitney ihn heraus. Ein Mann-gegen-Mann-Kampf mit seinem Rivalen, mit dem er um Lanas Gefühle konkurrierte, kam ihm gerade recht. Er warf seine Jacke ab, brachte sich in Position und wartete mit ausgebreiteten Armen auf Clarks ersten Angriff. All die Jahre, in denen Clark versucht hatte, seine Kräfte zu kontrollieren und vor der Welt zu verstecken, die Ermahnungen seines Vaters, nicht damit anzugeben und seine stolze Zurückhaltung waren in diesem Moment wie weggeblasen. Er spürte nur noch Wut. Er holte mit seinem Arm weit aus, stürmte vor und stieß seine Faust in Whitneys Brust. Aber bevor er wirklich zuschlagen konnte, fühlte Clark plötzlich all seine Kräfte schwinden. Alle Energie floss aus seinem Körper, er verlor das 95
Gleichgewicht, taumelte zu Boden und hielt sich mit letzter Kraft an Whitneys Hemd fest. Während er zu Boden fiel, zerriss er Whitneys Hemd und er erblickte Lanas Kette, die Whitney um den Hals trug. Schimmernd baumelte der grüne Stein an der silbernen Kette auf Whitneys Brust. »Was ist zwischen dir und Lana?«, fragte Whitney im Befehlston, riss Clarks Hand von seinem Hemd weg und stieß ihn zu Boden. »Nichts ist mit uns«, antwortete Clark und krümmte sich auf dem Asphalt zusammen. Kalter Schweiß stand auf seiner Stirn und seinen Schläfen. Als sich Whitney über ihn beugte, bemerkte er, dass Clark auf den leuchtend grünen Stein starrte. »Gefällt dir Lanas Kette, hm?«, provozierte er ihn. Er beugte sich noch weiter vor, nahm die Kette von seinem Hals und hing sie Clark um. »Also gut, dann genieße es, sie zu tragen, weil das alles ist, was du jemals von Lana haben wirst!« Der kleine grüne Stein lag direkt auf seiner Kehle. Clark fühlte, wie er mit jedem Augenblick schwächer wurde. Alle seine Gedanken, wie er Whitney besiegen oder zumindest wieder auf die Beine kommen könnte, waren verschwunden. Jetzt versuchte er nur noch zu überleben. Eine dunkle Welle nach der anderen ging über ihn hinweg und nach wenigen Minuten verlor er das Bewusstsein. Die Menge der Zuschauer hatte sich zerstreut. Ein Pickup hielt mit quietschenden Reifen auf dem Parkplatz, wenige Meter entfernt von der Stelle, auf der Clark zusammengekrümmt auf dem schwarzen Asphalt lag. Zwei von Whitneys Teamkollegen, eindrucksvoll in ihre Smallville High Teamjacken gekleidet, sprangen aus der Fahrerkabine. Sie hoben Clarks bewegungslosen Körper auf, warfen ihn auf die Ladefläche und quetschten sich dann wieder zu dritt auf die
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Sitze. Der Wagen verließ den Parkplatz und verschwand schnell hinter der nächsten Kurve. Hinter dem dicken Stamm eines Ahornbaums stand Jeremy Creek und war unbemerkt Zeuge dieser Entführung geworden. Seinen traurigen Augen entging kein Detail dieses Rituals, während in seiner gequälten Seele all die Ereignisse wieder lebendig wurden, die sich genau an diesem Tag vor zwölf Jahren ereignet hatten.
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8 CLARK KAM LANGSAM WIEDER ZU BEWUSSTSEIN. Zuerst nahm er das Geräusch des Windes, der durch das Maisfeld raschelte, wahr. Sein Gehirn war wie vernebelt. Er spürte, dass ihm kalte Schauer über Brust, Arme und Beine liefen. Als er endlich seine bleischweren Augenlider öffnen konnte, blickte er verblüfft auf das, was er vor sich sah. Hoch über dem Boden hängend, konnte er über die Spitzen der Maisstauden sehen. Er konnte kaum seinen Kopf heben, immer wieder fiel sein Kinn schwer auf seine Brust. Bis auf seine Boxershorts war er völlig nackt und auf seine Brust hatte jemand mit unordentlichen, groben Pinselstrichen ein großes »S« gemalt. Abwechselnd zitternd und schwitzend rang er in der kalten, nebligen Oktobernacht nach Atem. Sein Körper schimmerte fahl im kalten, bläulichen Mondlicht. Er versuchte die Arme zu bewegen und bemerkte, dass er es nicht konnte, weil sie mit dicken Seilen an einem Holzpfahl festgebunden waren, von dem er herunterhing. Sein Körper war blutleer und wie betäubt. »Warum kann ich mich nicht befreien?«, fragte er sich irritiert. Trotz seiner bleiernen Erschöpfung und dem klopfenden Schmerz in seinen Schläfen versuchte er nachzudenken. Abermals zerrte er an den Fesseln, aber er konnte sie nicht zerreißen. Eigentlich hätte es kein Problem für ihn sein dürfen, sich zu befreien. Normalerweise hätte er die Seile wie Grashalme zerreißen können. Schließlich konnte er sogar Metallstäbe wie Gummi biegen. Warum war er plötzlich so schwach, so furchtbar erschöpft? Schweiß tropfte aus seinem dunklen Haar, das ihm in die Stirn hing. Er bewegte seinen schmerzenden Hals und sah plötzlich aus dem Augenwinkel den grünen Stein, der auf
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seiner Brust blinkte. Die Erinnerung an die Ereignisse kam nun schlagartig mit aller Klarheit zurück. Eine Reihe von Bildern ging in schneller Folge durch seinen Kopf: seine Auseinandersetzung mit Whitney, sein schwacher, erfolgloser Schlag, der Stein, der ihm um den Hals gehängt wurde und die Ankündigung, dass er die diesjährige Vogelscheuche sein würde. Jetzt musste er die alljährliche Demütigung der Schwachen und Unbeliebten ertragen, obwohl es in diesem Fall wohl eher um eine Bestrafung ging, weil Whitney ihn als Rivalen empfand. Er erinnerte sich an die vielen Gelegenheiten, bei denen er sich Lana genähert hatte, nur um sofort in Schweiß auszubrechen, schwach oder sogar ohnmächtig zu werden. Als er versucht hatte, Whitney einen Hieb zu versetzen, war sein Schlag kraftlos gewesen und jetzt hing er hilflos an diesen gekreuzten Holzpfählen, von denen er sich normalerweise mühelos hätte befreien können. Etwas an diesem kleinen grünen Stein machte ihn krank und machtlos. Er schwor sich, alles darüber herauszufinden – wenn er überhaupt lebend hier herauskam! Wieder hob er mit Mühe den Kopf, um nach einer Fluchtmöglichkeit Ausschau zu halten, als er plötzlich eine dünne, große Gestalt erblickte, die sich schwarz von dem silbernen Mondlicht abhob. Die Gestalt trat aus den Stauden hervor und blieb zu Clarks Füßen stehen. »Es hat sich nichts geändert«, sagte die geisterhafte Erscheinung und sah zu Clark auf. Ihr Gesicht zeigte nicht den geringsten Ausdruck von Mitgefühl beim Anblick des halbnackten jungen Mannes, der dort im Dunkeln hing. »B-bitte, hilf mir«, stammelte Clark, unsicher ob er diese Begegnung nur träumte, oder ob sie Wirklichkeit war. »Es tut weh, nicht war?«, bemerkte die Gestalt, ohne Clarks Bitte zu beachten. »Denen ist es egal, aber es tut weh.«
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Clark versuchte seine Augen offen zu halten und starrte auf den Fremden herab. Das Schwarzweißfoto aus dem Schuljahrbuch blitzte plötzlich vor seinem inneren Auge auf und jetzt erkannte er die unheimliche Gestalt vor ihm. »D-du bist Jeremy«, stieß er mit zitternder Stimme hervor und der Schweiß tropfte ihm von der Unterlippe. »Ich bin nicht mehr Jeremy seit dem Tag, an dem sie mich hier festgebunden haben«, erwiderte der gequälte junge Mann mit völlig ausdrucksloser Stimme. »Jeremy war ein stiller Junge, der nur darauf wartete, dass die High School endlich vorbei war, damit sein Leben anfangen konnte. Aber das ist nie geschehen.« Jeremy schwieg und sah über die weiten Maisfelder, die sich um sie herum ausdehnten. Die Erinnerungen an diesen schrecklichen Tag kamen in sein Gedächtnis zurück, aber sein Gesicht verriet nichts von dem Sturm, der in ihm tobte. »Ich habe gedacht, dass es aufhört, wenn ich sie dafür bestrafe«, erklärte er gleichermaßen Clark wie auch sich selbst. »Aber es hört nie auf.« Er drehte sich um und verschwand in der Dunkelheit. »Warte«, rief Clark ihm schwach hinterher. Sein warmer Atem hing wie eine Wolke in der kalten Herbstluft. »Wo gehst du hin?« Jeremy blieb stehen. »Zur Homecoming-Party«, antwortete er mit einem zynischen Unterton. »Zu meiner habe ich es nie geschafft.« »Hilf mir hier herunter, bitte«, stöhnte Clark dumpf. Er kämpfte darum, sein Bewusstsein nicht zu verlieren und der Schmerz in seinen Schultern wurde fast unerträglich. Jeremy schüttelte den Kopf. »Du bist hier sicherer«, sagte er und verschwand zwischen den Maisstauden. Während Clark hilflos und halb bewusstlos zurückblieb, ging Jeremy Creek schnell durch das Maisfeld und erreichte bald die
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Straße, die zur Schule von Smallville führte und die das Gelände der LuthorCorp Düngemittelfabrik begrenzte. Lex Luthor setzte seinen Wagen zurück, verließ den Parkplatz der Fabrik und fuhr auf die Straße. Seine Scheinwerfer ließen das Maisfeld auf der anderen Seite der Straße in der Dunkelheit aufleuchten. Schon nach wenigen Minuten sah Lex eine Gestalt im Lichtkegel seiner Scheinwerfer auftauchen, die an der Straßenseite zwischen den Maisstauden kauerte. Er trat mit aller Kraft auf die Bremse, kam zum Stehen und blickte in das Gesicht eines dünnen, angespannt aussehenden Jungen. Irgendwie kam ihm der Junge bekannt vor. »Ich kenne diesen Typ«, dachte Lex. »Aber wieso? Und woher?« Die Erkenntnis traf Lex wie ein Stromstoß direkt ins Gehirn. Sein Körper begann zu zittern. In diesem verstörenden Moment sah er plötzlich alles wieder vor sich: Dasselbe Maisfeld vor zwölf Jahren, der gleiche junge Mann, der nun – wie auch immer das möglich war – im Licht seiner Scheinwerfer aufgetaucht war, der damals an den gekreuzten Holzpfählen gehangen hatte, das rote »S« auf seiner Brust, die Verzweiflung, die auf seinem Gesicht stand und seine eigene Angst. In diesem Augenblick kam all dies zu ihm zurück. Und weitere Bilder kamen: die Spur von schwarzem Rauch am Himmel, die riesige Explosion, der blendende Lichtblitz, der alles auf seinem Weg zerstörte. Erst war damals der Junge an dem Holzpfahl auf den Boden gestürzt, dann – verzweifelt, überwältigt, wie vernichtet – er selbst. Danach war sein Leben nie wieder so wie vorher gewesen. Wieder in die Gegenwart zurückkehrend, kletterte Lex aus seinem Wagen und schnappte sich eine Taschenlampe. Seine Gedanken rasten. Er überlegte fieberhaft, was der Junge hier
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wollte und wie es sein konnte, dass er immer noch genauso aussah wie damals. Er ließ den Lichtstahl der Taschenlampe über die Maisstauden gleiten, aber der Junge war verschwunden. Lex stand alleine auf der dunklen Straße. Er schaltete die Taschenlampe aus und wollte gerade wieder einsteigen, als er einen schwachen Ruf aus dem Maisfeld hörte. »Hilf mir!« Der Wind trug die schwache Stimme von weit her. »Hilf mir, bitte!« »Wie seltsam!«, dachte Lex und die Erinnerung an die Stimme von damals hallte in seinem Kopf wider. Aber es war Wirklichkeit. Irgendjemand dort brauchte Hilfe. Lex schaltete seine Taschenlampe wieder ein und lief ins Maisfeld, wobei er die Lampe nach links und rechts schwenkte. Schließlich sah er es – er sah den Jungen, der an die Holzpfähle gefesselt war, sah das rote »S« auf seiner Brust. Er trat näher und leuchtete dem Jungen mit der Taschenlampe ins Gesicht. Da erkannte Lex, wer der Junge war. »Clark«, rief er und rannte um den Pfahl herum. »Oh Gott!« Lex ergriff die Seile und begann sie, so schnell er konnte, zu lösen. »Wer hat dir das angetan?«, fragte er und mühte sich mit vor Kälte steifen Fingern ab. »Das ist jetzt unwichtig«, brachte Clark hervor und spürte, wie seine Arme endlich von den einschneidenden Fesseln befreit wurden. Während Lex ihn stützte und ihm herunterhalf, blieb Lanas Kette an einem Splitter hängen. Das Schloss öffnete sich und die Kette fiel herunter. Clark sprang auf den Boden und augenblicklich kehrten seine Kräfte und seine Geistesgegenwart zurück. Er schnappte sich seine Kleider, die neben dem Pfahl lagen, wo die Football-Spieler sie zurückgelassen hatten. »Clark, du musst zu einem Arzt«, sagte Lex besorgt.
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Die kurze Zeit, die er benötigte um sich wieder anzuziehen reichte aus, damit alle seine Kräfte und seine geistige Klarheit zurückkehren konnten. Dies geschah immer, sobald er sich aus dem Wirkungskreis der Halskette entfernte, aber es überraschte ihn doch, wie schnell sich seine Kräfte regenerieren konnten. »Ich komme zurecht«, sagte er und begann mit schnellen Schritten den Weg einzuschlagen, der zwischen den Maisstauden zur Straße führte. Er spürte neue Energie in sich und hoffte nur, dass es noch nicht zu spät war. »Kann ich dich wenigstens mitnehmen?«, rief Lex ihm hinterher, aber er bekam keine Antwort mehr. Die Nacht war wieder vollkommen still und Clark war wie vom Erdboden verschluckt. Als Lex sich zum Gehen wandte, fiel das Licht seiner Taschenlampe auf die Kette am Boden. Er hockte sich hin, hob sie auf und betrachtete sie neugierig im Schein der Lampe. Das Licht brach sich in dem harten Stein und strahlte in zahllosen grünen Prismen nach allen Seiten. Er erhob sich und zuckte ratlos mit den Schultern. Schließlich ließ er die Kette in seine Tasche gleiten und ging zu seinem Wagen zurück. Auf dem Homecoming-Ball glitten die Paare zu den Klängen von »Maybe« von den Stereophonics auf der Tanzfläche hin und her. Die Turnhalle war mit sorgfältiger und üppiger Dekoration in einen märchenhaften Ballsaal verwandelt worden. Für einen Abend waren die Schüler und Schülerinnen nicht mehr einfach Typen und Girlies, Sportler oder Loser, Cheerleader oder Bücherwürmer, sondern fühlten sich fast wie adlige Damen und Herren an einem königlichen Hof. Lana Lang und Whitney Fordman, das frisch gekrönte Königspaar des diesjährigen Homecoming-Balls, drehten sich langsam auf der Tanzfläche. Sie waren sich sehr nahe, hatten ihre Hände ineinander geschlungen und sahen sich verliebt in 103
die Augen. Es schien, als suchten sie in den Augen des anderen ihre eigene Zukunft. Beide trugen eine Krone als offizielles Zeichen ihrer Würde auf dem Kopf. Whitneys Smoking war mit seiner königlichen Schärpe geschmückt und Lanas langer Rock floss duftig an ihr herab, während sie über die Tanzfläche schwebte. Auf der Eingangstreppe saß Chloe und lauschte der Musik und dem Stimmengewirr, das durch die halb geöffnete Türe nach draußen drang. Clark hatte sie nicht gefragt, ob sie mit ihm zum Homecoming-Ball gehen wollte, aber sie konnte einfach nicht glauben, dass er überhaupt nicht auftauchen würde. »Warum kommst du nicht wieder rein?«, sagte eine sanfte, vertraute Stimme hinter ihr. Pete, der immer für sie da war. Pete, dessen Anwesenheit ihr selbstverständlich erschien. Im Gegensatz zu Clark hatte er sie immerhin gefragt, ob sie nicht zusammen zum Ball gehen sollten. »Als gute Freunde natürlich«, wie sie sich erinnerte. Pete war wirklich süß: Er war zu schüchtern, um nach einer »echten« Verabredung zu fragen, aber einfach glücklich, wenn er in ihrer Nähe sein konnte. »Du weißt, dass Clark nicht mehr auftauchen wird«, sagte Pete, als könnte er ihre Gedanken lesen. Chloe seufzte tief, dann stand sie auf und lächelte, weil ihr klar wurde, dass Pete Recht hatte. »Sollen wir tanzen?«, fragte sie ihn. Petes Herz machte einen freudigen Sprung, aber wie immer überspielte er seine Gefühle mit einer spöttischen Bemerkung. »Bitte nach Ihnen, Mylady«, sagte er, verneigte sich tief, nahm die Haltung eines Butlers ein und deutete mit einer Hand auf die Tür. Normalerweise fühlten sie sich beide auf der Tanzfläche nicht sonderlich wohl, vor allem nicht bei den langsamen Tänzen, aber an diesem Abend kümmerten sie sich nicht darum 104
und gingen einfach mit der Menge mit. Pete streckte seinen Arm aus, drehte Chloe wie eine Ballerina und zog sie dann mit einem Ruck wieder zu sich. Beide kicherten. Während die glücklich Tanzenden nicht bemerkten, wie die Zeit verging, schlich draußen eine einsame Gestalt mit einem Holzkreuz in der Hand durch die Dunkelheit. Jeremy Creek erreichte die Rückseite der Schule und blieb vor einem großen, roten Metallkasten an der Wand stehen, auf dem stand: »Feuerschutz-System – nur im Notfall öffnen!« Jeremy brach die Türen des Kastens mit dem Holzstück auf und starrte in der Hoffnung herauszufinden, wie er das System aktivieren konnte, auf das Gewirr von Kabeln. »Jeremy«, rief hinter ihm eine Stimme. »Hör auf damit!« Völlig überrascht drehte sich der entschlossene junge Mann um und blinzelte ins Licht einer Straßenlaterne. Er erkannte die Umrisse einer Gestalt. Wer ist so dumm zu versuchen, mich aufzuhalten? Habe ich ihnen nicht genug von meinen Kräften gezeigt? Wissen sie immer noch nicht, was ich zu tun imstande bin? Als die Gestalt auf ihn zukam, erkannte Jeremy in ihm den armen Teufel, den er gerade noch gefesselt in den Maisfeldern gesehen hatte, die Vogelscheuche dieses Jahres, die nun vollständig angezogen vor ihm stand. »Ich weiß nicht, wie du hierher gekommen bist«, sagte Jeremy und warf das Holzkreuz mit lautem Knall auf den Asphaltboden. »Aber es wäre besser für dich, wenn du fortbleibst!« »Ich lasse es nicht zu, dass du meinen Freunden etwas antust!«, sagte Clark fest und ging langsam auf Jeremy zu. »Diese Leute da drin sind nicht deine Freunde«, rief Jeremy aus. »Ich habe einen Plan: Erst wird das Brandschutzsystem sie schön nass regnen und durchweichen und dann erledige ich den Rest.«
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»Sie haben dir nie etwas getan«, sagte Clark und blieb direkt vor dem aufgeregten jungen Mann stehen. »Ich tue das nicht für mich!«, schrie Jeremy auf. »Ich tue das für dich und für all die anderen, die wie wir sind!« »Was mit dir passiert ist, war meine Schuld«, gab Clark zu und nahm die ganze Verantwortung für all die schrecklichen und seltsamen Dinge, die der Meteoritenschauer verursacht hatte, auf sich. »Ich kann dein Unglück verstehen.« Jeremy lachte auf. »Ich bin nicht unglücklich!«, sagte er und wandte sich von Clark ab. »Ich habe eine besondere Gabe, einen Lebensinhalt und ein Ziel.« Jeremy drehte sich um und schrak zurück, denn Clark stand plötzlich wieder vor ihm – und dies war eigentlich vollkommen unmöglich – und versperrte ihm den Weg. »Das alles habe ich auch«, erklärte Clark. »Und ich werde es nicht zulassen, dass irgendjemand etwas passiert.« Jeremy packte mit einer blitzschnellen Bewegung Clarks Schultern und sandte eine Welle heftiger Stromstöße durch seinen Körper. Clark ergriff ihn völlig unbeeindruckt bei den Armen und stieß ihn so kraftvoll beiseite, dass er in hohem Bogen auf der Motorhaube eines Pickup landete, der in der Nähe stand. »Gib auf, Jeremy!«, befahl Clark. Jeremy sprang auf die Füße und presste seine Handflächen fest auf die Motorhaube, um Stromstöße durch das Metall zu senden. Röhrend sprang der Motor an. Schnell schlüpfte er hinter das Lenkrad, gab mit qualmenden Reifen Gas und raste direkt auf Clark zu. Clark brachte sich in Position und streckte beide Arme aus, um das Fahrzeug zum Halten zu bringen. KRACH! Clark packte den Kühlergrill und seine Fäuste zerbrachen die dicken Metallstangen. Er spannte seine Muskeln an, bohrte seine Absätze in den Boden und brachte so den Wagen zum 106
Stehen. Jeremy starrte entsetzt aus dem Fenster. Die Demonstration dieser unglaublichen Kräfte schockierte ihn offensichtlich. Verwirrt und wütend trat Jeremy mit aller Kraft wieder auf das Gaspedal und erwischte Clark, der seine Muskeln für einen Moment entspannt hatte, in einem unaufmerksamen Moment. Clark landete auf dem Kühlergrill und der Wagen setzte sich in Bewegung. Da es ihm nicht gelang, den Absprung zu schaffen, raste Clark rückwärts auf dem Wagen liegend auf eine Backsteinwand zu. Er sah wie eine riesige Kühlerfigur aus. Dicht vor der Wand ragte ein leuchtend roter Wasserhydrant etwa einen Meter aus dem Boden. CRASH!!! Rasend vor Wut rammte Jeremy den Pickup gegen die Wand und mähte dabei den Wasserhydranten nieder, der den Boden des Wagens aufriss. Dann durchbrach er die Backsteinmauer, wobei er Clarks Körper als Rammbock benutzte. Endlich blieb der Wagen stehen. Er war halb durch die Wand gebrochen, in die er eine riesige Öffnung gerissen hatte. Clark hing immer noch auf dem Kühlergrill. Wasser schoss in einer hohen Fontäne aus dem Hydranten, strömte in die Fahrerkabine und floss über den Boden des Gebäudes, in das der Wagen halb eingedrungen war. Als er das steigende Wasser auf dem Boden der Fahrerkabine bemerkte, versuchte Jeremy verzweifelt die Tür zu öffnen, die aber durch den Rand der Öffnung, die er in die Wand gerissen hatte, zugehalten wurde. Als das Wasser schließlich seine Füße erreichte, floss die Elektrizität aus seinem Körper, durch das Wasser geleitet, in die Metallkarosserie des Fahrzeugs. WHUMMM!!! Die Explosion im vorderen Teil des Fahrzeugs katapultierte Clark mit einem kraftvollen Schlag Starkstrom in die Luft und er krachte gegen die Wand auf der anderen Seite. Entsetzt sah
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er, wie die Elektrizität aus Jeremys Körper in den Wagen floss, während Jeremy über dem Lenkrad zusammensank. Clark rannte zu dem Pickup, packte die vordere Stoßstange und schob den Wagen gerade weit genug zurück, dass der Weg zur Fahrertür frei wurde. Dann packte er die Tür mit beiden Händen und riss sie mit den Angeln heraus. In diesem Augenblick verließ der letzte Stromstoß mit einem knisternden Geräusch Jeremys Körper und floss in das Armaturenbrett. Ein letzter blauer Funke flammte auf. Jeremy hob den Kopf und starrte Clark an. Sein Gesicht war eingefallen, aber ruhig. »Bist du in Ordnung?«, fragte Clark leicht außer Atem. Jeremy nickte. »Wer bist du?«, fragte er mit sanfter Stimme und klang wieder wie der Junge, der er vor zwölf Jahren gewesen war. »Und wer bin ich?« Während Clark ihn anstarrte begriff er, dass die Erinnerung an die letzten Minuten und vielleicht sogar an die letzten zwölf Jahre in Jeremy ausgelöscht worden waren. »Ich bin Clark Kent und du bist Jeremy.« Jeremy sah Clark verwirrt und nach Antworten suchend an, aber er war zu erschöpft, um jetzt weiterzufragen. »Ich will nach Hause«, war alles, was er sagte. Clark nickte und half ihm aus dem Wagen. Während der Homecoming-Ball langsam zu Ende ging, beobachtete Clark aus dem oberen Stockwerk, das im Dunkeln lag, die Tanzenden. Von der großen Menge waren nur noch wenige Paare übrig geblieben. Pete und Chloe waren schon lange gegangen, aber der König und die Königin hielten in der Mitte der Tanzfläche immer noch Hof. Lanas Diadem funkelte im Scheinwerferlicht, genauso wie vor vielen Jahren auf dem Coverfoto des Time Magazin. Damals war ihr Gesicht mit Tränen überströmt gewesen. Ein Scheinwerfer fiel auf das
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Paar, das gerade einen Kuss austauschte, der eine Ewigkeit zu dauern schien. Clark starrte auf die beiden hinunter. »Warum tue ich mir das an?« Er wusste jetzt sicherer denn je, dass er Lana niemals haben konnte, nicht nach dem, was er ihren Eltern angetan hatte. Aber sein Herz schmerzte bei dem Gedanken, dass sie nie ein Teil seines Lebens werden würde. Verwirrt und müde verließ er die Sporthalle. Auf dem Parkplatz erblickte er drei gleiche Pickups, die nebeneinander geparkt waren. »Whitney und seine Kumpel«, dachte er verächtlich. »Die haben wahrscheinlich sogar das gleiche Spielzeug gehabt, als sie klein waren.« Plötzlich erschien ein listiges Lächeln auf seinem Gesicht und eine grandiose Idee blitzte in ihm auf. Er versicherte sich, dass ihn niemand beobachtete und begann dann mit schnellen Bewegungen, eines der drei Fahrzeuge aufzuheben. Er packte es und warf es auf den mittleren Wagen. Dann hob er den dritten Wagen auf und stapelte ihn zuoberst. Er lachte leise in sich hinein, als er in die Büsche kroch, um seine Arbeit aus seinem Versteck heraus zu bewundern. Er grinste belustigt bei dem Anblick der drei identischen Fahrzeuge, die er so sorgfältig aufgestapelt hatte, obwohl er sich lebhaft vorstellen konnte, was sein Vater wohl dazu gesagt hätte, wenn er wüsste, dass er es riskierte, dass jemand seine Kräfte entdeckte. Die Schüler, die in Zweier- und Dreiergruppen das Gebäude verließen, starrten alle verblüfft auf den Stapel von Pickups und viele lachten. Dann erschien Whitney auf der Treppe. Er hatte seinen Arm um Lana gelegt. Beim Anblick seines Wagens, der unter der Last der beiden anderen langsam einsank, sperrte er den Mund auf und ließ beide Arme hängen. »Wer hat das getan?«, schrie er zornig und sein Gesicht lief vor Wut rot an. Das Gelächter einer Gruppe von Schülern, die in der Nähe standen, drang zu ihm herüber. 109
Lana konnte angesichts dieses seltsamen und lächerlichen Anblicks ein Lächeln nicht unterdrücken. Sie musste sich kurz abwenden und erhaschte dabei einen Blick auf etwas, das wie Clark aussah und in den Maisfeldern verschwand.
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Epilog Die Sterne funkelten wie Juwelen vor dem tiefschwarzen Hintergrund des Nachthimmels. Im Sichtfenster des Teleskops schienen sie zum Greifen nah. In dem Heuschober der Scheune beobachtete Clark den nächtlichen Sternenhimmel, dachte an sein wahres Zuhause und fragte sich, ob er jemals etwas über die Welt erfahren würde, aus der er stammte. Das Geräusch von Schritten, unten an der Holzleiter, schreckte ihn auf. Er kam hinter der Linse hervor und erkannte den Kopf seines Vaters, der über dem Rand der Öffnung im Boden erschien. »Ich kann mich noch daran erinnern, als du dir das gewünscht hast«, sagte Jonathan und deutete auf das Teleskop. Er setzte sich neben Clark. »Damals warst du zehn Jahre alt. Ich hätte dir schon damals die Wahrheit sagen sollen.« Clark sah seinen Vater an, aber er sagte nichts. Jonathan fuhr fort. »Dein Großvater hat mir dieses Teleskop geschenkt als ich in deinem Alter war. Eines Tages kam ich nach unten zum Frühstück und da stand es vor mir. Ich wusste, dass irgendetwas mit meinem Vater nicht in Ordnung war. Das war der Tag, an dem er mir gesagt hat, dass er seit einem Jahr gegen den Krebs ankämpft. Zwei Wochen später war er tot.« Jonathan sah Clark lange in die Augen. »Ich habe mir damals geschworen, niemals Geheimnisse vor meinem Sohn zu haben«, sagte er. »Aber jetzt habe ich doch Geheimnisse vor dir gehabt und das tut mir Leid.« »Er hat nur versucht, dich zu beschützen«, sagte Clark. Er war froh, dass sein Vater zu ihm gekommen war. »Ich weiß«, sagte Jonathan. »Aber ich war trotzdem wütend auf ihn und ich kann es verstehen, wenn du immer noch wütend auf mich bist.« Eine unangenehme Stille entstand zwischen den beiden. 111
»Keine Geheimnisse mehr«, sagte sein Vater schließlich. »Ich verspreche es.« Clark nickte und zeigte damit, dass er die Entschuldigung seines Vaters akzeptierte. Er wusste, dass es nicht leicht für Jonathan gewesen war, sich zu entschuldigen, da ihm sein Stolz und seine Dickköpfigkeit häufig im Weg standen. »Bist du okay?«, fragte Jonathan. »Kann ich das in ungefähr fünf Jahren beantworten?«, antwortete Clark lächelnd. »Oh, fast hätte ich das vergessen«, sagte Jonathan und zog einen kleinen Metallkasten aus seiner Jacke. »Lex ist vor einer Weile vorbeigekommen. Er hat dies hier für dich abgegeben und auch eine Karte dazu. Ich schätze, er glaubt immer noch, dass er dir etwas schuldet, weil du ihm das Leben gerettet hast. Immerhin passt dieses Geschenk wenigstens in deine Jackentasche.« Er reichte Clark den Kasten und einen Briefumschlag und begann dann, die Leiter wieder herunterzuklettern. »Ich sehe dich dann morgen früh«, sagte er und verschwand. »Pa«, rief ihm Clark hinterher. Er legte den Kasten und den Umschlag auf den Boden. Jonathan wartete. »Ich bin froh, dass Ma und du, dass ihr mich gefunden habt.« »Wir haben nicht dich gefunden«, sagte Jonathan und wiederholte Marthas Worte von damals. »Sondern du uns!« Dann kletterte er die Leiter herunter und verließ die Scheune. Clark betrachtete die Metallkiste, die ihm sein Vater gegeben hatte. Lederbänder liefen an der Längsseite der Kiste entlang, die mit silbernen Nägeln besetzt waren. In der Mitte des Deckels war ein ovales, silbernes Medaillon eingesetzt, in das Buchstaben eingraviert waren, die Clark nicht entziffern konnte. Er öffnete den Briefumschlag und las: »Clark, du hast diese Kette verloren. Ich dachte, ich gebe sie dir mit einem kleinen Geschenk zusammen zurück. Bitte nimm 112
die Kiste als Zeichen unserer neuen Freundschaft an. Meine Mutter hat sie mir geschenkt, als ich noch klein war. Sie hat sie in Marokko in einer Kasbah gekauft. Der Mann, der ihr die Kiste verkauft hat, hat ihr erzählt, dass sie aus der Rüstung eines Soldaten angefertigt worden ist. Sie ist aus Blei. Ich hoffe, es geht dir gut.« Die Karte war unterschrieben mit: »Alles Gute, L. L.«
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