Deutschlands
Weinelite
Vorwort Foreword
194 Winzerinnen und Winzer. Zehnmal zehn Jahre Verbandsgeschichte. 100 Jahre...
23 downloads
970 Views
50MB Size
Report
This content was uploaded by our users and we assume good faith they have the permission to share this book. If you own the copyright to this book and it is wrongfully on our website, we offer a simple DMCA procedure to remove your content from our site. Start by pressing the button below!
Report copyright / DMCA form
Deutschlands
Weinelite
Vorwort Foreword
194 Winzerinnen und Winzer. Zehnmal zehn Jahre Verbandsgeschichte. 100 Jahre deutsche Weingeschichte. Der Verband Deutscher Prädikatsweingüter (VDP) feiert seinen 100. Geburtstag. Gegründet 1910 als Verband der Naturweinversteigerer, hat der VDP zwei Weltkriege überstanden, das Wirtschaftswunder erlebt, die Depression der 20er-Jahre sowie die Öl-, Wirtschafts-, Finanz- und Weinkrisen der Nachkriegszeit durchlitten. Heute steht deutscher Wein nach langen, schweren Jahren wieder ganz oben. In London, New York, Sydney, Hongkong, Moskau oder Tokio heben Weingenießer freudig die Augenbrauen, wenn Weinflaschen mit dem Trauben adler des VDP geöffnet werden. Doch dieser Glanz ist kein Exportphänomen. In deutschen Spitzenrestaurants gehören deutsche Spitzenweine wieder ganz selbstverständlich zum Spitzenstandard. Was auch sonst? Die Weine und vor allem die Menschen, die diese Weine mühsam und kompromisslos erzeugen, sind das Thema dieses Buches. Denn ein Verband ist der Zusammenschluss von Menschen, die eine bestimmte Sicht auf die Welt und ihre Arbeit haben. Im VDP ist das einfach: Die darin zusammengeschlossenen Winzerinnen und Winzer stehen kompromisslos für Qualität, Tradition, Nachhaltigkeit und Terroir. Sonst nichts. Nur 194 von rund 25 000 deutschen Weinbauern sind in diesem 194 wine makers – male & female: the history of the most important German wine association unfold ing in ten decades. The Verband Deutscher Pradikatsweingüter (Association of German Predicate Wine Estates, VDP) is celebrating its 100th birthday. It was founded 1910 as Verband Deutscher Naturwein versteigerer, by those estates that sold their ‘natural’ (unchaptalized) wines at auctions. The Association has survived two world wars, seen Germany’s economic boom, and has suffered the Depression of the 1920’s, and in the multiple crises in oil, economy, banking and in wine itself. After many long and difficult years, German wine today is at the top of the ladder again. In London, New York, Sydney, Hong Kong, Moscow or Tokyo, wine lovers open their eyes wide with delight when bottles are being opened which bear the VDP eagle with its cluster of grapes. However, this fame is not only exported. Needless to say, the best German wines are today part of the most highly-rated wines everywhere – and how should it be otherwise? The wines and particularly the people who produce these wines – with extraordinary diligence and without compromise - are the topic of this book. It is because this association is a collection of people who share a certain world view and work ethos. In the case of the VDP this is straightforward: its associated wine makers, both female and
2 | 3
Buch versammelt. Sie sind Deutschlands Wein-Elite. Nicht, um sich von den anderen Kollegen abzugrenzen, sondern um gemeinsam voranzugehen – oder einfach stehenzubleiben, wenn die anderen wieder einmal vom Zeitgeist in die falsche Richtung getrieben werden. Über den VDP und seine Mitglieder ist – gottlob – in den vergangenen Jahren schon ziemlich viel in allen möglichen Sprachen geschrieben und gesagt worden. Ein Buch, das diesen besonderen Menschen zum 100. Geburtstag ihres Verbands gewidmet sein sollte, braucht daher einen ebenso besonderen Leitgedanken. Wie die großen Weine soll er die Tiefe der Philosophie vermitteln, die Komplexität des Weinmachens, aber ebenso die Leichtigkeit und die Freude daran. So entstand die Idee, einen kurzen Moment im Leben dieser Winzerinnen und Winzer möglichst authentisch und ungefiltert abzubilden. So, wie der erste Eindruck beim Verkosten eines großen Weins ein besonderer Augenblick ist. Schließlich ist es nur eine Sekunde, die all diese Aspekte des Weins zu einem besonderen Genussmoment voller Aromen, Freude und Lebenslust komprimiert. Dies ist auch die Metapher für dieses Buch, für das sich der Verlag, die Autoren und Fotografen an die Arbeit gemacht haben. So sind im Februar 2010 die Winzerinnen und Winzer des VDP in kunstvollem Schwarz-Weiß porträtiert worden. Diese Bilder, entstanden innerhalb eines guten Monats, sind Momentaufnahmen einer hundertjährigen, sprich 1 200 Monate alten Verbandsgeschichte. Parallel dazu haben die Autoren ausführliche Interviews mit allen hier Abgelichteten geführt. Diese beschrieben die besonderen Momente ihrer Arbeit, sprachen über ihre Wurzeln und male, stand without compromise for quality, tradition, sustainability and terroir – and nothing else. Only 194 of the 25.000 German wine makers are presented in this volume. They are Germany’s wine elite. This is not for the sake of being different from their colleagues but in order to lead the way to the future, together – or at other times simply in order to pause and reflect, when the others are attracted headlong the wrong direction by the zeitgeist … Thankfully much has already been said and written on the VDP and indeed, its members over the last couple of years – in a plethora of tongues. Therefore a book that is dedicated to these special and individual people on the occasion of the 100th birthday of their association ought to have an outstanding topic. It should convey the depth of the philosophy, the complexity of the wine making process but also the lightness and the enjoyment that the wine itself gives. This is how the idea was born to capture a particular moment in the lives of these winemakers as authentically as possible – similar to the very special moment of the first impression of tasting a wine. It is after all only an instant that packs all aspects of the wine into a moment of pleasure, full of aromas, enjoyment and merriment. It is the precious, fleeting, distilled love of life that is the metaphor of this book, which publisher, authors and photographers set out to produce. We captured the wine makers of the VDP in February using monochrome photographic techniques. These pictures, all shot within a month of each other, record the 1200 months of the history of the association. During the same period the authors interviewed those portrayed extensively. They
4 | 5
ihre Zukunft, sie erzählten von ihren Gedanken und Zweifeln, philosophierten, gaben Humorvolles zum Besten, berichteten von unglaublichen Zufällen und den großen Erfolgen nach Jahren der beharrlichen Mühe. Mit Deutschlands besten Weinbauern eng verbunden, ja geradezu seelenverwandt, sind diejenigen Köche, die sich ganz der Qualität auf höchstem Niveau verschrieben haben. Neun von ihnen – alle ausgezeichnet mit drei Michelin-Sternen – haben Rezepte zu den klassischen Rebsorten der Prädikatsweingüter geliefert, um diesem Buch eine weitere Dimension zu verleihen: Speisen, deren Aromen sich auf das Vorzüglichste mit den VDP-Weinen vermählen. Gleichzeitig erzählen die Spitzenköche von ihrem ganz persönlichen Verhältnis zum großen deutschen Wein – sind sie doch längst als Missionare des exquisiten Geschmacks auch zu den Botschaftern der hier versammelten Winzerinnen und Winzer geworden. Somit entsteht eine symbiotische Verbindung, die uns noch tiefer blicken lässt in die Seele der Menschen, die Jahr für Jahr einzigartige Weine erzeugen und den Geist des VDP verkörpern und leben. Damit hält das Buch auf eindrückliche Weise drei besondere Augenblicke einer hundertjährigen Geschichte der Prädikatsweingüter bereit: einen Moment Wein. Einen Moment Mensch. Einen Moment VDP. Wir gratulieren. Tre Torri Verlag talked about special moments in their work, about their roots and the future, they expressed thoughts and doubts, they reflected philosophically and humorously, on amazing coincidences and great success after all those arduous years. Closely connected with the wine growers – and in many ways their soul mates - are those chefs that have committed themselves entirely to the highest quality. Nine of them – who have all been awarded three Michelin stars – have contributed recipes for the classic grape varieties in order to give this book another dimension: dishes whose aromas combine in the most exquisite way with those of the VDP wines. And in parallel, the chefs talk about their very personal relationship with great German wine – since they have acted as ambassadors of exquisite food for a long time and therefore as ambassadors for the wine makers that are presented in this volume. Thus, in the formation of this symbiosis, a deep insight is given into the soul of those people that pro duce unique wines year after year and who represent and live the spirit of the VDP. This volume incorporates three special, outstanding components of the 100 year history of the Predi cate Wine Estates: wine, man, VDP. We wish the VPD a happy birthday! Tre Torri publishers
Die geheime Schönheit des Weins und das Einzelgängertum The Secret Beauty of Wine / Commitment to Individuality Der berühmte deutsche Schriftsteller Carl Zuckmayer schrieb 1953 einen kleinen Aufsatz: „Was weiß die Welt vom Wein?“ Es ist eine gute, bis auf den heutigen Tag aktuelle Frage, die der Sohn eines Weinkapselfabrikanten aus Nackenheim in Rheinhessen aufgriff. Was weiß die Welt, was wissen wir wirklich vom Wein? Was ist das Geheimnis eines großen Weins welches die Winzer des VDP jedes Jahr aufs Neue antreibt, voranbringt, quält, manchmal verzweifeln lässt? Eine einfache Antwort fällt auch mir schwer. Zuckmayer blieb die alles erklärende Antwort schuldig. Doch er schreibt: „Man (muss) sich wohl auch hier, wie im Bereich der Künste, auf die Wenigen, die Einzelgänger, die kleinen Kreise, wie Starrsinnigen und Eigenwilligen verlassen, denen es obliegt, bedrohte Formen und Werte durch die Zeiten der Ebbe und Versandung hindurch zu tragen, – um jener geheimen Schönheit willen, in deren Wahrnehmung ein Teil unseres irdischen Auftrags besteht.“ In diesem Buch sind sie nun versammelt: die wenigen, die Einzelgänger, die Eigenwilligen. Deutschlands Wein elite. Sie widersetzen sich, seit einigen Jahren mit zunehmendem erstaunlichem Erfolg, dem allgemeinen Trend
In 1953, the famous German playwright Carl Zuckmayer wrote a little essay entitled What Does the World Know About Wine? Good ques tion. The son of a capsule producer in Nacken heim/Rheinhessen poses an important question. What do we really know about wine? What’s the secret behind truly great wine? The quest for an answer is the driving force behind the mission of the wine-growers of the VDP … a quest that motivates, torments, and sometimes causes despair as they embark on the search every year anew. I wish I had the answer. Not even Zuckmayer came up with a universal answer. Yet his remarks are enlightening: “Here, too, just as in the realm of the arts, one prob ably has to depend on the stubborn and head strong few, the lone wolves, the small circles upon whom it is incumbent to carry endan gered designs and values through times of fall ing tides and silting – for the sake of that secret beauty, the perception of which is part of our task on earth.” This book brings them all together … the “stub born and headstrong few,” the “lone wolves.” Germany’s wine elite. They’ve opposed both the trend toward banality and the mainstream—at
zur Banalisierung mitunter bis an die Grenze zur Renitenz. Sie haben den Wert und die „geheime Schönheit“ großen Weins durch die Zeiten der Versandung getragen. Es waren viele, lange Jahre. Die hier penibel zusammengetragenen, persönlichen Statements und Geschichten geben
times, to an extent bordering on recalcitrance – and they’ve done so with astonishing success in recent years. As the fortunes of German wine und Zeitläufte, aber auch kleine, stille Momente des Glücks, continued to wane, they upheld traditional val der unendlichen Mühe und überraschenden Leichtigkeit, ues and never abandoned the quest for the “secret beauty” of truly great wine. And they’ve Augenblicke des Scheiterns und Gelingens. done so for many long years. This collection of thoughtfully written personal statements and Viele der in diesem Buch so wunderbar abgebildeten Perstories amply demonstrates this. They reveal not only incidents of great significance, per sönlichkeiten stammen aus Familien mit jahrhunderte sonal triumphs, and the course of time … but alter Weintradition, andere sind Quereinsteiger, sind – wie also small, quiet moments of happiness, situa tions that required endless effort or surprisingly ich auch – in anderen Berufen gestartet und dennoch zum little effort, as well as moments of failure and Wein zurückgekehrt. Doch sie alle verbindet die Liebe zur success. Many of the so beautifully photographed per zeitlosen Qualität, das Streben nach großem Wein. Sie sonalities in this book come from families with haben sich dieser geheimen Schönheit verschrieben, die a centuries-old viticultural tradition; others left careers in different fields to ultimately devote uns nur die Reben, das Terroir und ein günstiges Klima themselves to wine-growing – I’m one of them. schenken können. Sonst niemand. Diese Schönheit zu fin- Yet, they all share a love of timeless quality, and are committed to truly great wine. They are den und hervorzubringen – dazu gibt es 194 verschiedene devoted to the secret beauty that only the finest Wege und Näherungen unter den VDP-Mitgliedern. So- grapes and vineyard sites can bestow. Period. lange sie weiter im zuckmayerschen Sinne eigenwillig blei- The members of the VDP represent nearly 200 ways and means of discovering and bringing ben, ist es mir um die Zukunft des VDP und des deutschen forth this beauty. As long as they remain – as Zuckmayer put it – the “stubborn and head Weins nicht bange. Dieses Buch beweist es. strong few,” I’m not worried at all about the future of the VDP nor that of German wine. Ihr This book attests to it. Steffen Christmann Steffen Christmann Präsident, VDP. Die Prädikatsweingüter President, VDP. Die Prädikatsweingüter Auskunft darüber. Es sind Begebenheiten großer Ereignisse
6 | 7
Inhalt
8 | 9
Ahr
10
Mosel-Saar-Ruwer
28
Mittelrhein
96
Rheingau
112
Nahe
194
Rheinhessen
218
Pfalz
254
Franken
312
Sachsen / Saale - Unstrut
374
Württemberg
388
Baden
424
10 | 11
A hr
Klosterruine Marienthal
Ahr
Das Rotweinparadies liegt südlich von Köln. Die steilen Schieferlagen der Ahr gehören zu den nördlichsten Weinbergen Deutschlands. Auf 560 ha Fläche erreichen hier Spätburgunder und die Spezialität Frühburgunder eine Qualität und Größe von internationalem Renommee. Aber auch Riesling und andere Rebsorten gedeihen hier prächtig.
This red wine paradise lies south of Cologne. The steep slate vineyards of the Ahr number among the most northerly of Germany. Some 86 % of its ca. 560 ha (1,400 acres) of vines are red. The quality and grandeur of these reds, particularly Spätburgunder and the specialty Früh burgunder, merit their international standing. Riesling and other varietals also thrive here.
Ahrweiler
A hr
12 | 13
14 | 15
A hr
Die Rebstöcke stehen fast nur in extremen Steilhängen und zerklüfteten Felsspalten – die Lese ist ausschließlich von Hand möglich. Manche Parzellen mit wenigen Rebstöcken sind nur mit bergsteigerischem Geschick zu erreichen. Das burgundische Klima der Kölner Bucht heizt tagsüber den kargen Schieferboden des Ahrtals auf. Nachts gibt er diese Wärme an die Reben ab. Dadurch entstehen Weine, die so spektakulär sind wie die Aussicht von den Weinbergen ins Tal.
Nearly all the vines are precariously perched on rugged crevices on extremely steep slopes that can only be tended by hand; a few solitary parcels require mountain climbing skills to be reached. The Burgundian climate of the Cologne lowland heats up the barren slate soils during the day; they gently release the warmth at night. The resulting wines are just as spectacular as the view from the vineyard heights into the valley.
Mayschoss Mönchberg
Weingut J. J. Adeneuer Marc Adeneuer
„Mein Bruder und ich führen seit 26 Jahren ein Weingut, in dem wir ausschließlich Rotweine erzeugen. Diese Tradition pflegt unsere Familie seit 500 Jahren. Unsere Aufgaben sind klar verteilt: Mein Bruder ist für die Außenwirtschaft zuständig, ich fürs Geschäftliche, den Verkauf und die Präsentation. Wir sind spezialisiert auf Früh- und Spätburgunder. An der Ahr war der Spätburgunder früher oft ein ‚weinhaltiges Getränk‘, eher in der süßen Richtung zu Hause. Heute erfüllen unsere Weine längst internationale Qualitätsansprüche, können sich auch mit renommierten Weingütern in Frankreich messen. Unser Erfolgsrezept ist einfach: Wir vertrauen unseren Weinbergslagen. Dazu gehört auch ein wenig Glück. Das hatten wir zum Beispiel 2006. Im Gegensatz zu den meisten anderen Weinbaugebieten in Deutschland hatten wir in jenem Jahr keine Fäulnis in den Reben. Wie ein Wunder zog das schlechte Wetter über uns hinweg. So wurde uns einer der besten Jahrgänge der Dekade beschert.“ “For 26 years, my brother and I have run a wine estate that produces only red wines – just as our family has done for half a century. Our tasks are clearly assigned: my brother is responsible for the vineyards and winemaking; I handle business matters, sales, and presentations. In the past, Spätburgunder from the Ahr was often viewed as a ‘wine-based’ beverage, usually on the sweet side. Today, our wines meet international standards and can measure up to those of renowned French estates. Our recipe for success is simple: we have faith in our vineyards. Of course, there’s a bit of luck involved, too. And that’s what we had in 2006, when undesirable rot was a problem in most of Germany’s wine regions, but not in the Ahr. It was like a miracle — the poor weather simply passed over us, and we were blessed with one of the best vintages of the decade.”
16 | 17
A hr
Weingut Deutzerhof – Cossmann-Hehle Wolfgang und Johann Hehle Johann Hehle „Ich bringe es nicht übers Herz, Wein zu verkaufen, der nicht so
schmeckt, wie ich es mir vorstelle. Fertig. Die Weine sind am Anfang sehr tanninbetont und brauchen viel Zeit. Wir machen Wein nicht für jeden, sondern für ein spezielles Publikum. Man muss unsere Weine mögen. Sie sind so ausgebaut, dass sie alt werden können. Wenn sie aber zu jung sind, sind sie so ruppig wie ihre Erzeuger.“ Wolfgang Hehle „Meine erste Ernte musste ich völlig alleine durchziehen. Denn Vater
hatte im September seinen Urlaub geplant. Ich fragte ihn: ‚Moment, da stimmt doch etwas nicht. Liegt da nicht ein wichtiger Termin? So was wie die Ernte?‘ Er antwortete: ‚Ruhig Blut, bis dahin bin ich wieder da.‘ Vater war weg, und der Regen kam. Ich musste alleine ernten. Ich dachte zuerst: Das schaffst du nie! Es ist aber alles sehr gut gegangen. Ich habe mich da unterschätzt. Manchmal brauche ich so eine Drucksituation, und dann funktioniert das auch.“ Johann Hehle “I haven’t got the heart to sell a wine if it doesn’t taste just as I think it should. Period. In their youth, the wines have very pro nounced tannins and they need lots of time. We don’t make wine for just anyone, but rather for a special type of wine enthusiast. Either you like our wines or not. They’re vinified to age well. But when they’re too young, they’re as gruff as their producer.” Wolfgang Hehle “I had to do my first harvest completely on my own. Father had planned to go on vacation in September. I asked him: ‘Just a minute. Something’s not quite right here. Haven’t you forgotten an impor tant date? Uh...like the harvest?’ He told me to not get excited. He’d be back by then. So away he went and then came the rain. I had to harvest alone. At first, I thought I’d never be able to do it. Yet, everything went quite well. I underestimated myself. Sometimes I need to be put under pressure, and then things turn out just fine after all.”
A hr
18 | 19
Weingut Kreuzberg Ludwig Kreuzberg
„Der 2003er Ahrweiler Silberberg ist für mich unser faszinierendster Jahrgang. Die große Sommerhitze führte zu sehr hohen Reifegraden bei unserem Spätburgunder, den wir wegen seines Restalkohols von 15 Prozent gerne auch ‚Armarone‘ nannten – in Anlehnung an den berühmten italienischen Wein aus getrockneten Trauben, dessen tiefrote Tropfen einem Sherry ähneln. Doch trotz seines hohen Restalkohols schmeckt der 2003er Ahrweiler Silberberg kein bisschen alkoholisch. Er lebt ausschließlich von seiner Kraft und seiner Frucht. Ein groß-
“To me, the 2003 Ahrweiler Silberberg is our most fascinating vintage. As a result of the great heat wave, our Spätburgunder achieved a very nach Birne, Waldfrüchten, Brombeeren, dunkelroten high level of ripeness and a correspondingly Kirschen und vom Holz geprägte Noten nach Rauch und high alcohol content of 15 percent. We named it ‘amarone’ since its deep red color and sherryVanille. Dieser Wein ist so dicht und komplex, eine Sellike tone reminded us of the famous Italian wine tenheit in unserer Region und eher atypisch für die Ahr.“ made from dried grapes. Despite its high alcohol content, the 2003 Ahrweiler Silberberg doesn’t taste a bit alcoholic. It lives from its strength and fruit. A tremendous, indescribable wine with intense aromas reminiscent of pear, wild fruit, blackberry, and dark red cherry. Hints of smoke and vanilla come from aging in wood. Because Ahr wines are seldom this compact and complex, it’s fairly atypical for the region.” artiger, unbeschreiblicher Wein mit intensiven Aromen
20 | 21
A hr
Weingut Meyer-Näkel Werner Näkel
„Die Arbeit mit Spätburgunder ist diffizil. Wenn man nicht perfekt im Weinberg arbeitet, wird’s sehr schwierig. Spätburgunder gedeiht am besten in kühlem Klima, er braucht lange Reifezeit, ist sehr fein, filigran und deutlich vielschichtiger als andere roten Sorten. Er ist der rote Riesling. Ich mag diesen Vergleich sehr.“ “Working with Spätburgunder is tricky. If your work in the vineyard isn’t perfect, then it’s really tricky. Spätburgunder does best in a cool climate; needs a long growing season; and is very fine, filigree and clearly more complex than any other red varietal. In other words, it’s like working with Riesling, but it’s red. That’s a comparison I really like.”
A hr
22 | 23
Weingut Nelles Thomas Nelles
„Ich schätze besonders den Frühburgunder. Diese seltene Sorte wird bei uns im Ahrtal sehr gerne und häufig angebaut. Für mich ist unser Frühburgunder wie eine Diva, mit einem betörenden Duft und einem wunderbaren Kleid aus dunklen Beeren und Früchten. Eine Erscheinung mit Charisma und Ausstrahlung. Das liebe ich an ihm. Wir bauen ihn an, weil diese ganz besondere Rebsorte einzigartige Weine hervorbringt. Auch Kollegen aus anderen Weinanbaugebieten erkennen mittlerweile die Qualität, die im Frühburgunder steckt. Diese Rebsorte beschert uns allerdings keinen großen wirtschaftlichen Erfolg, weil die Erträge zu gering sind. Doch der eine fährt eben aus Leidenschaft eine Harley Davidson, wir hingegen bauen Pinot Madeleine oder Frühburgunder an.“
24 | 25
A hr
“I’m particularly fond of Frühburgunder, or Pinot Madeleine. Growers gladly and frequently culti vate this rare varietal here in the Ahr Valley. I’d say that our Frühburgunder is like a diva with an alluring bouquet, beautifully adorned with dark berries and fruit. A vision of charm and charisma. That’s what I love about it. We cul tivate it because this very special grape yields unique wines. In the meantime, even colleagues in other regions have come to acknowledge Früh burgunder’s potential for quality. These won derful attributes notwithstanding, yields are too small to make growing Frühburgunder a prof itable endeavor. To each his own: some have a passion for a Harley Davidson; our passion is Pinot Madeleine or Frühburgunder.”
Weingut Jean Stodden Alexander Stodden
„Ich bin im Weingut dabei, seit ich denken kann. Mit drei Jahren habe ich im Keller gespielt, bin mit zur Kundschaft gefahren. Die Kunden meines Großvaters kennen mich, seit ich laufen kann. Mir war klar, dass ich eines Tages im Betrieb weitermachen werde. Zunächst aber arbeitete ich in Südafrika und danach in Oregon, dem Spätburgunderland der USA. Denn Reisen bildet. Als ich 2001 zurückkehrte, hatte mein Vater einen Weinberg übernommen: den Neuenahrer Sonnenberg. Ich sagte zu ihm: ‚Du hast den Weinberg gekauft, ich bewirtschafte ihn. Aber ich mache es so, wie ich es will – da kannst du sagen, was du willst.‘ Das habe ich voll durchgezogen. Es war mein erster Jahrgang im Betrieb. Das Ergebnis: Der 2001er Spätburgunder Next Generation JS Auslese hat die Top-Produkte meines Vaters gleich in den Schatten gestellt. Ein renommierter Weinführer schrieb über den Wein, er sei das Beste, was das Haus Stodden zu bieten habe. Wow!“ “I’ve been involved with the estate ever since I can remember. When I was three, I played in the cellar and went along to visit customers. My grand father’s customers have known me since I could stand on my own two feet. Early on, I knew that I would carry on this estate. First, however, I worked in South Africa and then Oregon, the Spätburgunder capital of the USA. Travel broadens one’s horizons. When I returned in 2001, my father had acquired a vineyard: Neuenahrer Sonnenberg. I told him that he had bought it, but I would cultivate it … and do so just as I thought fit, regardless of what he had to say about it. And that’s what I did, from ‘A’ to ‘Z’. It was my first vintage at the estate. The result: the 2001 Spätburgunder Next Gener ation JS Auslese outshined my father’s top wines. A renowned wine guide wrote that the wine was the best in the Stodden portfolio. Wow!”
A hr
26 | 27
28 | 29
Mosel-Saar-Ru wer
MOSEL
-Saar-Ruwer
Piesport
Mosel Der Riesling von der Mosel ist eine Legende. Und er ist lebendiger denn je. 1700 Jahre ununterbrochener Weinbau haben die Natur und die Kulturlandschaft zu einer einzigartigen Einheit zusammengefügt. Das rund 8 100 ha große Anbaugebiet zwischen dem hügeligen Hochland der Eifel im Norden und der Hunsrück-Hügel im Süden erbringt in seinen Steillagen ganz besondere Rieslinge, die zu den besten Weinen der Welt gehören. Schlangengleich windet sich die Mosel durch die Täler, deren Lagen nur in mühevoller Handarbeit zu bearbeiten sind. Der Riesling spiegelt die Trockenheit und Sonnenwärme des Schiefers auf nachhaltige Weise: mineralisch und erdig, dabei hoch elegant, mit feinsten, komplexen Aromen und fast unend licher Lagerfähigkeit.
Mosel Riesling from the Mosel is legendary, and as full of life as ever. Some 1 700 years of uninterrupted viticulture have created a unique bond between its natural and cultural land scapes. The Mosel Valley’s 8 100 ha (20 000 acres) of vines lie between the hilly Eifel highlands in the north and the Hunsrück Hills in the south. The sites on steep slaty hills, in particular, bring forth very special Rieslings that number among the finest in the world. As the Mosel snaked its way through the valley, it left behind a series of slopes so steep that they can only be worked by hand. The warmth of the heat-reflecting slate is mirrored in the wines: mineral-rich and earthy, yet highly elegant, with refined, complex aromas. They are wines of nearly infinite longevity.
Wehlen Sonnenuhr
Mosel-Saar-Ru wer
30 | 31
32 | 33
Mosel-Saar-Ru wer
Saar und Ruwer Saar und Ruwer sind nur geografisch die kleinen Nachbarn der berühmten Mosel. Aus beiden Regionen stammen große Weine, deren beste auch international längst zu Ruhm und Ehre gelangt sind. Das stille, rund 720 ha kleine Saartal erbringt in sonnenreichen Jahren auf Schieferboden üppige Rieslinge mit feinem Duft, eleganter Säure und unendlicher Tiefe. Im nur 190 ha großen Ruwertal, dessen Weinberge aus tonigem Lehm mit hohem Gehalt von dunklem Devonschiefer bestehen, entsteht subtiler Riesling mit Kräuter- und Blumenaromen, wunderbarer Mineralität und feinster Frucht.
Saar und Ruwer No less steeped in fame and honor at home and abroad are the fine wines from the neighboring Saar and Ruwer valleys. The steep slate slopes that line the Saar are planted with ca. 700 ha (nearly 1 800 acres) of Riesling. In sunny years, they yield full- bodied wines with a fine fragrance, elegant acidity, and endless depth. Even smaller in size, not quite 200 ha (ca. 500 acres), is the Ruwer Valley whose Rieslings thrive in clayish loam with a high proportion of dark Devonian slate. The wines are subtle, with floral and herbal aromas, wonderful mineral tones, and a fine fruitiness.
Saarschleife bei Kanzem
Weingut Clemens Busch Clemens Busch
„Oft höre ich, unsere Weine wären nicht moseltypisch. Doch was ist das? Sind das Weine, die mit Enzymen und Reinzuchthefen entstehen? Bestimmt nicht. Wir arbeiten so, wie es vor der Erfindung dieser Techniken gemacht wurde. Bei unseren alten Jahrgängen harmonieren Opulenz und Süße mit intensiver Mineralität. Sie kommt erst nach vielen Jahren intensiv zum Vorschein, die Weine schmecken trocken, haben Körper, Struktur – und einen eigenen Stil. Das ist mir wichtiger als einen Wein zu produzieren, den man als ‚gebietstypisch‘ bezeichnen könnte.“
34 | 35
Mosel-Saar-Ru wer
“I’m often told that our wines are not ‘typical’ Mosel wines. What does that mean? Are they wines that have been produced with enzymes and cultured yeasts? Not my wines. We work the way wine-growers did before these tech niques were invented. In our mature wines, opulence and sweetness harmonize wtih very intensive mineral notes. These traits only sur face with such intensity many years after bot tling; the wines are dry to the taste; they have body, structure – and a style of their own. That’s more important to me than producing a wine that could be called a ‘typical’ Mosel.”
Weingut Joh. Jos. Christoffel Erben Robert Eymael
„Ich liebe die Leichtigkeit des Rieslings. Vor allem Riesling an der Mittelmosel. Von den leichten Schieferböden aus unserer Lage Ürziger Würzgarten, dem für die Mosel ungewöhnlich Roten Schiefer, und die beiden Erdener Lagen mit blauem Schiefer. Diese Weine sind sehr leicht, sie tänzeln auf der Zunge. Auch die restsüßen Weine sind perfekte Essensbegleiter, vor allem zu asiatischen Gerichten. 80 Prozent unserer Weine verkaufen wir nach Asien und in die USA. Diese Zahl klingt sehr abstrakt. Doch neulich war ich in San Antonio, einer kleinen Stadt in Texas, USA. Dort kehrte ich in einem kleinen Restaurant ein. Auf der Karte war eine Flasche meines Weinguts gelistet. Das hat mich verblüfft und zugleich wahnsinnig gefreut.“ “I love the lightness of Riesling. Above all, Rieslings from the Middle Mosel. From the light slate soils of our site Ürziger Würzgarten, with its red slate – unusual for the Mosel – and both of our sites in Erden, with their blue slate. These wines are very light, they dance on the tongue. Even the wines with some residual sweetness are perfect with food, particularly Asian cuisine. We sell about 80 percent of our wines in Asia and the USA. This might simply sound like an abstract number, but not too long ago, I went into a small restaurant in San Antonio, a fairly small city in Texas, USA – and one of my wines was on the wine list. I was both surprised and extremely delighted.”
Mosel-Saar-Ru wer
36 | 37
Weingut Dr. Fischer Karin Fischer
„1758 hat die Familie Fischer erstmals Wein angebaut. Mein Mann war aber der Erste, der den Weinbau zum Beruf gemacht hat. Vor zehn Jahren verstarb er, und seitdem führe ich das Gut allein und ziehe daneben drei Kinder groß. Ich bin viel unterwegs. Vier- bis fünfmal im Jahr fliege ich in die USA, denn seit den 50er-Jahren exportieren wir 80 Prozent unserer Produktion dort hin. Wenn ich zu Hause bin, liefere ich unseren Riesling an die regionalen Kunden mit dem Lieferwagen selbst aus. Denn der persönliche Kontakt ist eminent wichtig geworden. Die Leute wollen mich sehen. Die Kunden in USA erwarten geradezu, dass ich selbst meine Weine vorstelle. Also fahre ich kreuz und quer durch ganz Amerika. Ich reise seit 18 Jahren und mache das sehr gern. Mit den Händlern und Endverbrauchern ist so ein sehr herzliches Verhältnis entstanden. Ich freue mich, sie zu treffen. Tolle Freundschaften sind so entstanden. Sehr oft muss ich sogar Autogramme aufs Etikett schreiben.“ “The Fischer family first cultivated vines in 1758, but my husband was the first in the family to pursue wine-growing as a full-time profession. He died ten years ago, and since then, I’ve run the estate alone as well as raise three children. I‘m often on the road. Four to five times a year, I fly to the USA, where we’ve exported 80 percent of our wines since the 1950s. When I’m home, I’m off in the delivery van to personally deliver our Rieslings to regional customers. This personal contact has become eminent in importance. Customers want to see me. Those in the USA virtually expect me to present my own wines. As such, I drive back and forth throughout the country. I’ve been doing this for 18 years, and very much enjoy it. Over the years, a very warm rela tionship and wonderful friendships have developed with wine dealers and consumers. Quite often, I even have to autograph wine labels.”
38 | 39
Mosel-Saar-Ru wer
Weingut Le Gallais Egon Müller
„Die Weinwelt wird meist in Rot und Weiß eingeteilt, in trockene oder Süßweine. Doch meine Weine sind einzig artig. Ich mache Weine, die süß sind, aber nicht süß schmecken und eine unvergleichliche Leichtigkeit haben. Vergleichbare Weine findet man nur in einem kleinen Radius um die Mosel herum. Die natürlichen Gegeben heiten, der Boden, das Klima, die Rebsorte machen unseren Wein zu einem Unikat.“
“The ‘world of wine’ is usually divided into red and white, in dry or sweet wines. But my wines are unique. I produce wines that are sweet, yet don’t taste sweet. They have an incomparable lightness. Wines like this can only be found within a small radius around the Mosel. Their unique character derives from natural circumstances, soil, climate, and grape variety.”
Mosel-Saar-Ru wer 40 | 41
Weingut Forstmeister Geltz-Zilliken Hans-Joachim und Dorothee Zilliken
Hans-Joachim Zilliken „In unserem Keller, der drei Stockwerke tief in die Erde reicht, sieht
es aus wie in einer Tropfsteinhöhle. Die Buntsandsteinmauern sind porös und wasserdurchlässig. Quellen drücken von außen permanent etwas Wasser in den Keller. Die steten Tropfen waschen den Kalk aus, und so sind Stalaktiten entstanden. Überall tropft es. Die Wände hat der Kellerpilz geschwärzt, der die Luft frisch hält. Es riecht nie muffig, sondern frisch, nach Wein und Holz. Es ist eine abgeschlossene Welt, mit einer ganz eigenen Atmosphäre. Ich liebe es, dort unten zu arbeiten.“ Dorothee Zilliken „Wir arbeiten ausschließlich in Steillagen, bauen nur Riesling an, den wir
vollständig im großen Holzfass ausbauen. Das Resultat sind sehr filigrane Weine, die fast unendlich lagerfähig sind. Neben den Eigenschaften unserer Lagen Saarburger Rausch und Ockfener Bockstein ist der Wein durch unseren Keller geprägt. Dies gibt dem Wein seinen so eigenen Charakter. Uns schmeckt er in diesem Stil am besten.“ Hans-Joachim Zilliken “Our cellars are three stories deep and look like stalactite caves. Their highly porous and permeable red sandstone walls are are constantly fed with water from outdoor springs. The steady drops of water wash out the limestone and build the stalactites. It drips everywhere in our cellars. The cellar mold cladosporium cellare has blackened the walls, and serves as a natural air conditioner that keeps the air fresh. It never smells stale or moldy. Always fresh, like wine and wood. It’s a world of its own, with a totally unique atmosphere. ‘Down under.’ I love working there.” Dorothee Zilliken “We work exclusively in very steep sites; cultivate only Riesling; and use only large oak casks. This results in very filigree wines that have incredible aging potential. In addition to the site-specific characteristics imparted by our parcels in the sites Saarburger Rausch and Ockfener Bockstein, our wines are influenced by our cellar conditions. They lend the wines their signature. We love the resulting style.”
42 | 43
Mosel-Saar-Ru wer
Weingut Grans-Fassian Gerhard Grans
„Das Jahr 2009 hat mich sehr an den Jahrgang 1990 erinnert. Es sind intensive, hocharomatische Weine entstanden, die sehr lange haltbar sein werden. Das entspricht meiner Philosophie. Typische Mosel rieslinge zeigen im Vergleich zu anderen Weinen, auch international, ein riesiges Alterungspotenzial. Dieser Riesling zeigt seine wahre Größe nicht in den ersten Jahren. Dem Weinfreund entgeht einiges an Geschmack, wenn er ihn zu früh trinkt. Man kann sie zwar bereits jung gut trinken, das größte Geschmackserlebnis aber bieten unsere Weine, wenn sie mindestens drei Jahre gereift sind.“
“Vintage 2009 reminded me a great deal of 1990. Both years yielded wines with highly intense aromas and great aging potential. And these are traits that are in tune with my philosophy. Compared with other wines, from Germany or elsewhere, typical Mosel Rieslings have tremendous longevity. They don’t show their true greatness in youth. A wine enthu siast will miss out on many a taste sensation if these wines are drunk too soon. Of course, they’re a pleasure to drink when young, but they offer much more with at least three years of bottle aging.”
Mosel-Saar-Ru wer 44 | 45
Weingut Fritz Haag Oliver Haag
„Ich bin mit Weinbau aufgewachsen und habe das einfach im Blut. Wenn man wie ich mit der Begeisterung der Eltern fürs Weinmachen aufwächst, ist der Berufsweg schon vorgegeben. Nach meiner önologischen Ausbildung und diversen Auslandsaufenthalten wusste ich, dass ich in einem Weißweinanbaugebiet arbeiten will. Wenn man von der Mosel kommt und diesen Geschmackstypus schätzt, ist es schwer, davon loszukommen. Meine Steillagen haben bis zu 80 Prozent Steigung, teils auf Schieferfelsen. Das macht die Arbeit sehr beschwerlich. Aber die Begeisterung überwiegt, mit der Einzigartigkeit dieses Terroirs zu arbeiten. Das macht mich einfach glücklich.“ “I grew up with wine-growing – it’s simply in my blood. Your choice of career is pretty much predetermined when you grow up as I did with parents who are so enthusiastic about viticulture. After my viticultural studies and numerous apprenticeships abroad, I knew that I wanted to work in a white wine region. Anyone from the region who appreciates the style of Mosel wines finds it difficult to break loose from it. My vines are planted on slopes with an incline of 80 percent, partly on slate rock, i.e. difficult working conditions. But enthusiasm for terroirs with such a unique character pre dominates. It simply makes me happy.”
46 | 47
Mosel-Saar-Ru wer
Weingut Willi Haag Marcus Haag
„Unser Wein ist geprägt durch den Schieferboden und eine sehr späte Lese. Die Kollegen haben oft schon fertig geerntet, wenn wir erst anfangen. Zum Scherz fragen sie: ‚Wisst ihr eigentlich, dass es eben Herbst ist?‘ Wir warten aber, bis die Trauben ihre Vollreife erreichen. Ich probiere sie immer wieder, bis ich merke, dass es so weit ist. Wir vergären sie ganz langsam in unserem sehr kühlen Felsenkeller. So können sich auch unsere restsüßen Weine harmonisch, filigran und balanciert entwickeln. Alles braucht eben seine Zeit.“
“Our wine is marked by slate soil and a very late harvest. Colleagues have often finished harvest ing when we’re just getting started. Jokingly, they sometimes ask if we know that it’s time to harvest. But we wait until the grapes are fully ripened. I taste them over and over until I notice that ‘it’s time.’ We ferment them quite slowly in our very cool stone cellar. This also enables our wines to develop a harmonious, filigree, and well-balanced character.”
Mosel-Saar-Ru wer 48 | 49
Weingut Reinhold Haart Theo Haart
„Unsere Weine haben eine sehr feste Strukur. Mit dem leichten Möselchen – dem Quellwasser mit Alkohol, wie wir gern sagen – haben sie gar nichts zu tun. Wir arbeiten auf sehr tiefgründigen Tonschiefer-Verwitterungsböden, so entsteht viel Körper und Extrakt. Es sind barocke Weine mit einer enormen Vielfalt an Fruchtaromen. Sehr ausschweifend und opulent. Das muss man manchmal erklären. Ich bin aber mehr Winzer als Marketingmann. Über manche Auszeichnungen habe ich mich sehr gefreut, etwa ‚Winzer des Jahres‘ des Gault Millau. Ich erhielt damit das Gefühl: Was du tust, scheint richtig zu sein. Ich arbeite allerdings lieber im Weinberg anstatt auf irgendwelchen Bühnen zu stehen und mir Lobreden anzuhören.“ “Our wines have a very firm structure. They have nothing in common with a ‘light little Mosel wine’ – or, as we like to say, ‘spring water with alcohol.’ We work in very deep soils of weathered shale that lend the wines lots of body and extract. They’re baroque wines with an enormous diversity of fruit aromas. Very voluptuous and opulent. This has to be explained sometimes, but I‘m more of a wine-grower than a marketing man. I’ve been very pleased to have received many an award, such as ‘Vintner of the Year 2007’ in the Gault Millau guide. It gives me the feeling that what I’m doing seems to be right. By the way, I’d much rather be out in the vineyards than standing on a stage somewhere listening to eulogies.”
50 | 51
Mosel-Saar-Ru wer
Weingut Heymann-Löwenstein Cornelia Heymann-Löwenstein und Reinhard Löwenstein Reinhard Löwenstein „Ein guter Wein ist wie ein Rorschachtest. Je nachdem, in welchem Seelenzustand
man sich befindet, zeigt er sich auf eine andere Weise. Hinzu kommt, dass wir sieben verschiedene Schieferböden haben und damit jeder Wein ein anderes Geschmacksspektrum reflektiert. Es ist ein wunderbares Verwirrspiel in Blindproben, Weinberg und Jahrgang herauszuschmecken.“ Cornelia Heymann-Löwenstein „Ich bin auch erstaunt, wenn ich einen unserer Weine trinke, der vor
einem Vierteljahr noch mein erklärter Liebling war und auf einmal völlig anders schmeckt. Aber zu meiner ‚Langzeitliebe‘ gehört der Uhlen Laubach mit seinem tiefen, komplexen Duft. Mit seiner enormen Mineralik, den Pfirsich- und Zitrusaromen.“ Reinhard Löwenstein „Mit diesem Wein ist auch einer unserer schönsten Momente verbunden, 2004 im
Pariser Louvre. Da erhielten wir für unseren 2002er Uhlen Laubach den ‚Wein-Oscar‘ für den besten auslän- dischen Wein. Ich stand auf dem Siegertreppchen zwischen Latour und Yquem, mit schlotternden Knien. Denn vor 100 Jahren geschah es das letzte Mal, dass ein deutscher Wein – damals vom Weingut Egon Müller auf der Weltausstellung – mit einer Goldmedaille reüssierte. Dass nun wir geehrt wurden, ausgerechnet mit einem trockenen Moselwein, der so gar nicht ins internationale Klischee passte, war unglaublich.“ Reinhard Löwenstein “A good wine is like a Rorschach test. Depending on your state of mind, it’s con stantly open to new interpretation. Add to this the fact that we have seven different types of slate soils, and thus, every wine reflects a different spectrum of aromas and flavors. It’s a wonderful mind game to try to pin point the origin and vintage of a wine during blind tastings.” Cornelia Heymann-Löwenstein “I’m also astonished when I drink one of our wines that was my abso lute favorite three months earlier, but then tastes completely different. Nevertheless, one of my long-term ‘loves’ is the Uhlen Laubach with its deep, complex fragrance...enormous mineral notes...aromas of peach and citrus.” Reinhard Löwenstein “We associate this wine with one of our fondest memories – 2004, at the Louvre in Paris. We received the ‘wine oscar’ for our 2002 Uhlen Laubach as the best ‘foreign’ wine. With shaking knees, I stood on the winners’ podium between Latour and Yquem. After all, the last time a German wine – a wine from Weingut Egon Müller – had succeeded in winning a comparable gold medal was a century earlier at the St. Louis World’s Fair. That we were so honored, and of all things, with a dry Mosel wine that really didn’t fit into the international stereotype, was unbelievable.”
Mosel-Saar-Ru wer
52 | 53
Weingut von Hövel Eberhard von Kunow
„Trockene Weine kann man in Deutschland gut verkaufen. Aber ob die Kunden damit immer glücklich sind? Wenn wir Weinproben machen, verkosten sie trockenen Riesling vor feinherbem. Sie kosten, loben – und was kaufen sie? Restsüßen Wein! Meine Erfahrung ist: Viele Menschen, auch mit gutem Weinverstand, sind sich nicht immer so sicher mit trockenem Wein. Sie trinken gerne restsüß – aber nur, wenn niemand zusieht oder mittrinkt. Unsere ausländischen Kunden sagen: ‚Wenn wir kommen, wollen wir keine trockenen Weine von Ihnen.‘ Unsere Restsüßen sind ein ganz kleines Feld in der großen Weinwelt. Auf unserem Schiefer gedeihen sie allerdings sehr gut. Deshalb werden wir sie weiter machen. Das ist meine Zukunft.“ “It’s easy to sell dry wines in Germany. But are our customers really happy about this? When we do tastings at our estate, customers taste dry Rieslings before those that are fein herb (off dry) in style. They sample, and praise the wines – but what do they actually purchase? The wines with natural ripe sweetness! Based on my experience, I’d say that many people, including those who know something about wine, aren’t always so sure about dry wines. They enjoy wines with some residual sweetness – but only if no one else is around to see it or share it. Our wines with a fine sweetness are only a drop in the bucket in the overall world of wine. They’re produced from grapes that truly thrive in our slaty soils. All things considered, we intend to go right on producing them. That’s my future.”
54 | 55
Mosel-Saar-Ru wer
Weingut Karthäuserhof Christoph Tyrell
„Wir können nur in herausragenden Jahren einen Riesling produzieren, der meinem Ideal dieser Sorte nahekommt oder gar entspricht. Die 2007er Riesling Auslese trocken gehört für mich dazu. Es ist die Symbiose aus Naturgeschenk und menschlicher Kreativität. Ich hatte mehrere Weine während der Lese im Kopf, dachte daran, dass einer von ihnen etwas ganz Besonderes sein könnte. Als sie sich geklärt hatten, habe ich sie probiert. Das war ein besonders spannender Moment für mich, diese Weine zu vergleichen und zu sehen, ob und in welche Richtung sie sich meinem Ideal annähern. Wenn man in diesem Beruf keine Idealvorstellung seines Weins im Kopf trägt, scheitert man kläglich. Dann sollte man Beamter werden.“ “Only in outstanding years can we produce a Riesling that fulfills – or even comes close to fulfilling – my ideal of this grape. The 2007 Riesling Auslese trocken is one such example. It is the perfect synthesis of a gift of nature and human creativity. I had several wines in mind during the harvest, and thought that one might just possibly prove to be something really special. After clarification, I sampled the wines. It was a particularly exciting moment for me to compare these wines and see whether, and to what extent, they would reach my ideal. In this profession, if you don’t have a conception of perfection in your head, you’re doomed to failure. Then you’d be better off becoming a bureaucrat.”
Mosel-Saar-Ru wer
56 | 57
Weingut Reichsgraf von Kesselstatt Annegret Reh-Gartner
„Unsere Weinberge liegen an Mosel, Saar und Ruwer. Das ist Herausforderung und Fluch zugleich. Wenn ich an einem Tag alle Lagen anschauen wollte, würde ich das gar nicht schaffen, weil sie so weit auseinander liegen. Der Vorteil ist jedoch, dass die Unterschiede der Kleinklimata und Terroirs zwischen Mosel, Saar und Ruwer sehr groß sind. Wenn die Mosel mal nicht so gut abschneidet, sind Saar und Ruwer meist besonders gut oder umgekehrt. In manchen Jahren mag ich unsere Ersten Lagen von der Mosel lieber, in anderen die Saarund Ruwerweine, weil sie besonders mineralisch sind. Mineralität ist mir wichtig. Ich habe ein Herz besonders für den Ruwer, weil diese Lage ein kleines Stiefkind ist. Die Kollegen dort werden zwar als Spitzenwinzer wahrgenommen, doch das nur 200 ha kleine (Teil-) Anbaugebiet als eigenständige Region nicht. Sollte sich das Klima weiter erwärmen, enstehen an Saar und Ruwer die mineralischen Rieslinge mit unglaublichem Alterungspotenzial.“
58 | 59
Mosel-Saar-Ru wer
“Our vineyards lie in three valleys: the Mosel, the Saar, and the Ruwer. It’s a challenge and a curse at once. I can’t possibly have an overview of all sites on one particular day because of the dis tances involved. The advantage, though, is that the microclimates and terroirs of all three are quite distinctive. If the wines from the Mosel Valley don’t fare so well, then those of the Saar and Ruwer valleys are usually quite good, or vice versa. In some years, I prefer our Erste Lage wines from the Mosel; in others, the Saar and Ruwer wines because they are so rich in minerals. I have a soft spot for the Ruwer because it’s a bit like a stepchild. The growers there are regarded as being first-rate, but with only 200 hectares (ca. 500 acres) of vines, it’s not large enough to be considered an independent region. If global warming continues, then the Saar and Ruwer will regularly yield mineral-rich Rieslings with incredible aging potential.”
Weingut Schloss Lieser Thomas Haag
„Riesling ist die edelste, interessanteste und vielfältigste Rebsorte der Welt. Riesling und Mosel, das ist für mich eine Einheit. Diese Rebsorte hat an den Schiefersteillagen der Mosel eine ganz spezielle, einzigartige Stilistik. Sie ist nicht kopierbar, in einer anderen Region reproduzierbar. Deshalb war für mich von Anfang an klar: Ich will einen klassischen, puristischen Moselriesling machen. Nicht mehr und nicht weniger. Das ist meine Vision.“ “Riesling is the most noble, interesting, and diverse grape variety in the world. I consider Riesling and Mosel to be an entity. This grape variety from the steep slate slopes of the Mosel has a very special, unique style. It is inimitable and cannot be reproduced in any other region. For this reason, I knew right from the beginning: I want to produce classic, puristic Mosel Rieslings. Nothing more and nothing less. That is my vision.”
Mosel-Saar-Ru wer 60 | 61
Weingut Dr. Loosen Ernst Loosen
„Mein Weg zum Wein war ein Umweg. Zunächst studierte ich klassische Archäologie und nichts deutete darauf hin, dass ich mal Winzer werden würde. Aber dann lernte ich auf Reisen die großen Weine Frankreichs kennen. Ich war begeistert! Schließlich studierte ich Weinbau und übernahm 1988 doch das väterliche Weingut. Sechs Grand-Cru-Lagen mit uralten, wurzelechten Reben: Das sind beste Voraussetzungen zur Erzeugung von Weltklasse-Weinen. Also machte ich mich an die Arbeit und sammelte meine eigene Erfahrungen. So habe ich den Riesling begriffen – und ihn lieben gelernt. In den ersten zehn Jahren war es richtig harte Arbeit, auch internationale Kunden von unseren Weinen zu überzeugen. Heute verkaufen wir sie in 62 Länder. Zum Glück. Sonst müsste ich wieder graben gehen.“ “My way to wine was via a detour. At first, I studied classical archaeology, and there was no reason to believe that I would ever become a wine-grower. But in the course of my travels, I became acquainted with the great wines of France. I was quite impressed. Ultimately, I studied viticulture and in 1988, took over my father‘s wine estate. Six Grand Cru sites with very mature, ungrafted vines – the best prerequisites for producing world-class wines. So, I rolled up my sleeves, got down to work, and began collecting my own experiences. In doing so, I began to grasp the meaning of Riesling – and fell in love with it. For the first ten years, it was really hard work to convince customers, particularly overseas, of the merits of our wines. Today, we export to 62 countries worldwide. Lucky for me … otherwise, I’d be out on a dig.”
62 | 63
Mosel-Saar-Ru wer
Weingut Milz – Laurentiushof Markus Milz
„Ich habe das Glück, dass ich in zwei Professionen tätig bin: Einerseits in unserem Weingut, das wir seit 490 Jahren in der Familie führen, andererseits leite ich ein Unternehmen, in dem wir Maschinen und Anlagen für die Getränkeindustrie herstellen, speziell für die Weinproduktion. Wir exportieren in über 40 Länder, so habe ich täglich und überall mit Wein zu tun. Nicht nur mit meinem eigenen, sondern auch mit denen, die in Asien bis Ozeanien entstehen. Ich habe alle Weinanbaugebiete der Welt gesehen und sammle Eindrücke, die für unser eigenes Gut interessant sind. So bilden meine beiden Berufe eine gute Symbiose. Doch Weinmachen ist mehr als ein Beruf. Es ist Profession und Liebe zugleich. Jeder Winzer füllt sein Herzblut in die Flasche. Wein ist eine wichtige Prämisse für das eigene Leben. Das ist auch bei mir so.“ “I’m fortunate to have two careers: on the one hand, in the wine estate that has been run by my family for 490 years; on the other, I direct a company that produces machines and equipment for the beverage industry, particularly for wine production. We export to more than 40 countries, so I’m involved with wine on a daily basis regardless of where I am. Not only with my own, but also with those that are produced from Asia to Oceania. I’ve seen all the wine-growing regions of the world and have collected experiences that could be interesting for our estate. As such, my two careers complement one another nicely. Winemaking, though, is more than a career. It’s both a profession and a calling. The heart of every wine-grower goes into each and every bottle. Wine is an important premise for one’s own life … certainly for mine.”
Mosel-Saar-Ru wer
64 | 65
Weingut Egon Müller – Scharzhof Egon Müller
„Wenn ich von meiner Steillage aus in die Ebene schaue, geht es mir nicht nur um den wunder baren Ausblick. Ich verinnerliche dabei auch, was es heißt, eine solche Lage zu bearbeiten. Wenn man den Hang hinaufläuft, oben ankommt und ganz außer Atem ist, fühlt man eine Hoch achtung vor der Arbeit des Winzers. Bevor ich meinen Kunden viel über meine Arbeit erzähle, führe ich sie einfach meine Steilhänge hinauf. So wie vor einiger Zeit eine Gruppe Sommeliers. Als sie oben ankamen, ein wenig verschwitzt, warteten dort unsere Weine, perfekt gekühlt. Wir verkosteten sie mitten im Weinberg. Das war unvergesslich. Als diese Leute wieder nach Hause fuhren, waren sie auch ohne große Präsentation von meinem Wein überzeugt.“ “When I gaze across the plain from my steep vineyard, it’s more than simply taking in a wonderful view. I’m also aware of what it means to cultivate such a site. If you run up the slope, and arrive at the top out of breath, you have a real respect for the work of a wine-grower. Before I tell my children much about my work, I simply lead them up the steep slope. Just as I did recently with a group of sommeliers. When they arrived at the top, a bit sweaty, our wines were waiting for them, perfectly chilled. We sampled them in the middle of the vineyard. It was unforgettable. These people returned home with a positive impression of my wine even without a formal presentation.”
66 | 67
Mosel-Saar-Ru wer
Weingut von Othegraven Dr. Heidi Kegel
„Das Weingut meines Patenonkels Maximilian von Othegraven ist mir seit Kindertagen vertraut. 1995, nach dem Tod meiner Tante Maria, habe ich ihr Erbe angetreten. Ich zögerte keinen Augenblick. Schließlich ging es um den Erhalt der Familientradition, die um das Jahr 1500 begann. In anfangs schwierigen Zeiten hatte ich viel Glück: In Bernhard Breuer fand ich einen wunderbaren Lehrer und Berater, ebenso in Andreas Barth. Mit deren Unterstützung führte ich von Othegraven wieder an die Spitze der deutschen Weingüter. Hinter unserem Gutshaus erstreckt sich steil ansteigend der Kanzemer Altenberg. Diese Lage zählte schon um 1868 zu den besten in der Region. Von dort oben schaue ich gern in den Park, der mir so am Herzen liegt, und hinüber auf das glitzernde Band der Saar. Dabei empfinde ich große Dankbarkeit. Denn die Weine, die dort wachsen, sind brillant; daraus erwächst unsere Verantwortung. Nun ist es Zeit für die nächste Generation. Die hat sich in einem persönlichen Brief angekündigt. Ich übergebe die Zukunft unseres Weinguts in beste Hände: an den Neffen meines Patenonkels, den TV-Moderator Günther Jauch. Mit ihm lebt unser Traditionsweingut in siebter Generation weiter.“ “Since my childhood, I’ve been familiar with the wine estate of my godfather Maximilian von Othegraven. In 1995, when my Aunt Maria died, I became the heir of the estate. I didn’t hesitate for a moment. After all, it was a matter of carrying on a family tradition that began about 1500. It wasn’t easy at first, but I was very lucky. I had two wonderful mentors: Bernhard Breuer and Andreras Barth. With their help, I was able to restore von Othegraven’s position as one of Germany’s leading estates. The steep slope of the Kanzemer Altenberg site begins its ascent just behind the estate manor. The site already numbered among the finest in the region as long ago as 1868. From its summit, I like to look down into our park, which I love so dearly, and over to the winding ribbon of glistening water, the Saar. It gives me a feeling of great thankfulness, for the vines that grow here yield brilliant wines; we have a responsibility for these vines. The time has come for the next generation. The future of our estate will lie in good hands: the nephew of my godfather, the TV moderator Günther Jauch. He will be the seventh generation to carry on the tradition of our estate.”
Mosel-Saar-Ru wer
68 | 69
Weingut Piedmont Claus Piedmont
„Inspiration finde ich nicht in melancholischen Stimmungen, die man selbst heraufbeschwört. Ich finde sie in einer Probe mit vielen Menschen, die mit mir und meinen Gedanken gehen. Ich erkläre, erzähle, was man schmecken kann und was nicht – und was man hineininter pretieren kann. Die Erinnerung daran führt dazu, dass die Leute wiederkommen. Das ist die Inspiration für meine Arbeit. Es ist eine Genugtuung, wenn ich zufriedene Kunden habe, die ein paar herrliche Stunden im Weingut verbracht haben. Viele Winzer haben kaum die Möglichkeit, mit ihren Kunden in persönlichen Kontakt zu gelangen. Das Etikett, der Prospekt, das Regal vermitteln doch viel zu wenig von dem, was man tut.“ “Self-evoked, melancholy ruminations are not my source of inspiration. I find inspiration in a wine tasting with lots of people who share their thoughts with me. I explain what one can or cannot taste – and what one can conclude from this. It builds a memory worth treasuring, and people come back, again and again. That’s the inspiration for my work. It’s satisfying to know that I have happy customers who have spent a couple of wonder ful hours at my estate. Many growers scarcely have the time for such personal contact with their customers. The label, the brochure, and what’s on the shelf really offer much too little about what the wine-grower actually does.”
70 | 71
Mosel-Saar-Ru wer
Weingut Joh. Jos. Prüm Dr. Manfred Prüm
„Als Kind wunderte ich mich, wie die Laune der Erwachsenen sich beim kontinuierlichen Probieren von Wein stets verbesserte. Es dauerte aber nicht lange, bis ich selbst verstand, guten Wein zu genießen. Ich lernte, den Wein als vielfältiges Lebewesen zu verstehen und den Wert der Natur zu schätzen, besonders die Bedeutung von Witterung, Lage und dem verantwortungsvollen Umgang damit – und mit dem Produkt selbst. Daraus entwickelte sich bei mir die Faszination für den Wein, die diesen Respekt und den Genuss immer weiter steigerte – vor allem, wenn ich in der Gesellschaft aufgeschlossener Weinfreunde sein konnte. So habe ich gute Weine nicht nur als besonderes Genussmittel schätzen gelernt, sondern auch als vortreffliche Stimulanz für interessante Gespräche.“ “As a child, I was surprised to watch how adults became increasingly jovial in the course of a wine tasting. It didn’t take long, though, before I myself learned to enjoy good wine. I learned to appreciate that wine is a living product and the value of nature, particularly the meaning of weather, site, and treating nature – and the product itself – with respect. This understanding led to my fascination for wine, and increased respect and pleasure, not least in the company of like-minded wine enthusiasts. I came to appreciate good wine not only as a special ‘product of plea sure,’ but also as a wonderful catalyst for interesting conversations.”
Mosel-Saar-Ru wer
72 | 73
Weingut S. A. Prüm Raimund Prüm
„Mein Vater ist mit 49 Jahren verstorben. Ich war damals 20 Jahre alt und Student. Und musste den Betrieb übernehmen. So bin ich in die Verantwortung buchstäblich hineingeworfen worden. Bald kam der Zeitpunkt, an dem ich die Dinge selbst entschied. Ohne mich rückzuversichern. Und wenn man auf sich alleine gestellt ist, trifft man seine Entscheidungen anders. Losgelöst. Man geht mehr Risiken ein. Ich beschloss: Ab jetzt mache ich alles anders als die früheren Generationen. Nicht im Sinne der Qualität. Aber sonst schon. Ich habe verrückte Etiketten gewählt, im Keller viel verändert, verschiedene Stile ausprobiert und mehr experimentiert als alle anderen Betriebe. Ich habe die Märkte beobachtet und mich von Kunden getrennt. Ohne diese Ent scheidungen wäre das Gut nicht da, wo es heute steht.“ “My father died at the age of 49. I was a 20-year-old student at the time, and suddenly, had to take over the estate. I was literally ‘thrown into cold water.’ It wasn’t long until I had to make decisions. Without playing it safe. When you’re on your own, you make decisions differently. You take more risks. I decided that from then on, I’d do everything differently from earlier generations. Not in terms of quality. But otherwise. I selected crazy labels, made lots of changes in the cellar, tried out different styles, and experimented more than all other estates. I studied the market and parted with customers. Had I not made these decisions, the estate wouldn’t be where it is today.”
74 | 75
Mosel-Saar-Ru wer
Weingut Schloss Saarstein Christian Ebert
„Als das älteste von fünf Kindern bin ich früh hineingewachsen in meine Aufgabe als Winzer. Mein Vater hat mir mit seiner wunderbaren Art vorgelebt, dass Weinmachen eine großartige Aufgabe ist. Wenn wir Kinder ihm halfen, hat uns Vater stets entlohnt. Sieben Pfennig gab’s für jede Flasche, die wir etikettiert und verpackt haben. Für mich als Zwölfjährigen war es toll, dass mein Taschengeld üppiger ausfiel als das meiner Schulkameraden. Nach und nach wurde ich mit den verschiedenen Aufgaben in unserem Weingut vertraut. Schließlich habe ich eine Lehre in der Staatlichen Lehr- und Versuchsanstalt Trier absolviert und in Geisenheim mein Diplom als Weinbauingenieur gemacht. Seit 1989 bin ich verantwortlich für den Keller und habe an meinem Beruf sehr viel Spaß. Den möchte ich auch meinen drei Töchtern vermitteln.“ “As the eldest of five, I grew into the job of being a wine-grower early on. My father was a wonderful model, really made me feel like wine-growing was a special calling. Whenever we children helped him, he always paid us. Seven Pfenning for every bottle we labeled and packed. As a 12-year-old, this was great – I had more pocket money than my classmates. Little by little I became familiar with the various tasks at our estate. Ultimately, I completed my vocational training at the state research and teaching institution in Trier, followed by advanced studies in Geisenheim to become a viticultural engineer. I’ve been responsible for the cellar since 1989, and truly enjoy my profession. This is a calling I’d like to pass on to my three daughters.”
Mosel-Saar-Ru wer
76 | 77
Weingut Sankt Urbans-Hof Nik Weis
„Mein Credo ist ein minimalistischer Weinausbau im Keller. Ich will den Weg von der Traube zur Flasche so kurz, schonend und elegant wie möglich machen. Wir verzichten auf ausgefeilte Filtrationsmethoden und Schönungsmittel. Wir betreiben einen fast schon archaischen Weinausbau. Herkunft und Lagencharakteristik muss man auch im Wein schmecken, sie darf nicht durch zu starke Einflüsse zu uniformiert oder zerstört werden. Mir ist wichtig, dass der Wein Balance hat. Es ist nicht meine Einstellung, das Wort ‚trocken‘ als Gütesiegel auf der Flasche stehen zu haben. Wir machen auch trockene Weine, wenn sie trocken werden. Aber wenn der Wein ein paar Gramm Restzucker über dem trockenen Limit liegt, prügele ich ihn nicht in den trockenen Bereich, sondern sage: ‚Gut, da hat jetzt Gottes Hand entschieden.‘ Meist hat er dann auch seine perfekte Balance. Wie das an der Mosel so ist, oft lässt man dem Wein etwas mehr Restsüße, weil das die brillante Frucht der Moselrieslinge unterstreicht.“
78 | 79
Mosel-Saar-Ru wer
“In the cellar, I believe vinification techniques should be kept to a minimum. I want the path from vineyard to bottle to be as brief, gentle, and elegant as possible. We forego the finish ing touches of filtration and fining. In fact, the way we vinify wines is almost archaic. One should be able to taste origin and site-specific traits in a wine; yet too much interference can lead to uniformity or even obliteration of these distinctive attributes. It’s important to me that a wine has balance. I don’t view the word ‘trocken’ as a mark of ‘added value’ on the label. We produce dry wines if fermenta tion ends that way. But when a wine exceeds the legal maximum of residual sugar permit ted for the designation by a few grams, I don’t take steps to ‘force’ it into that category. I simply say: it’s God’s will. And it’s usually a sign that the wine has naturally reached a per fect balance on its own. It’s fairly typical for Mosel Rieslings to have a bit more residual sugar than their Rhine counterparts because it beautifully underscores their brilliant fruit.”
Weingut Willi Schaefer Willi und Christoph Schaefer
Willi Schaefer „Wir sind ein kleines Familienweingut,
das bis ins Jahr 1121 zurückreicht. Wir machen ausschließlich Riesling. Denn diese Rebsorte ist qualitativ das Beste, was auf unserem Schieferverwitterungsboden gedeiht. Unsere Weinberge liegen am Steilhang, bestehen aus bis zu 100 Jahre alten, wurzelechten Reben. Vor der Lese gehen mein Sohn und ich durch die Weinberge, probieren die Weintrauben in jeder einzelnen Parzelle. Wir könnten den Zeitpunkt der Lese anhand des perfekten Öchsle- und Säuregehalts bestimmen. Doch für uns zählt, dass uns die Trauben schmecken. Erst wenn wir hundertprozentig überzeugt sind, wird selektiv ausgelesen. Nur wenn man persönlich von der Traubenqualität überzeugt ist, schmeckt auch der Wein.“ Christoph Schaefer „Wir wollen das Potenzial jeder ein-
zelnen Lage ausschöpfen. Das geht nur, wenn wir uns auf unsere Sensorik verlassen. Wir schauen selten auf die Analyse. So verfahren wir auch mit dem Most. Bei uns steht die Kelter nie auf Automatikbetrieb. Während der Gärung probieren wir sehr häufig, um zu sehen, wann die Balance zwischen Süße und Säure sowie die Struktur perfekt sind. Auch da vertrauen wir dem Gefühl, nicht den Zahlen.“
Willi Schaefer “We’re a small family estate that dates back to 1121. Riesling is the only variety we cultivate, not least because qualitatively, it thrives best in our weathered slate soils. Our vineyards lie on steep slopes and are planted with 100-year-old ungrafted vines. My son and I go through the vineyards before the har vest and sample the grapes in every individual parcel. Theoretically, we could determine the timing of the harvest on the basis of optimal Oechsle degrees and acidity levels. But we feel that the taste of the grapes is what counts. Only when we’re completely convinced that ‘it’s time,’ do we begin our selective harvest. If you’re personally satisfied with the taste of the grapes, then the wine will taste good, too.” Christoph Schaefer “We want to tap the poten tial of each individual site. This is only possi ble if we rely on our senses. We seldom refer to analytical data. The same goes for the must. We don’t set our press on automatic. During fermentation, we sample frequently to see when structure and balance between sweetness and acidity are perfect. Here, too, we trust our feeling, not numerical values.” Mosel-Saar-Ru wer
80 | 81
Weingut Studert-Prüm – Maximinhof Gerhard Studert
„Seit 1988 führen mein Bruder und ich den Betrieb. Wir beide sind Wein-Enthusiasten und entscheiden gemeinsam, wie unsere Weine vinifiziert werden. Diskussionen sind manchmal notwendig, denn wir sind zwei Individuen, keine eineiigen Zwillinge. Manchmal haben wir sehr unterschiedliche Lieblinge. Doch eins ist immer klar: Wir bevorzugen die klaren, mineralischen, feinfruchtigen Aromen – also den rassigen Moselriesling. Nur nicht zu schwer und zu fett. Er wächst in unserer extrem steilen Spitzenlage Wehlener Sonnenuhr an uralten, knorrigen Rebstöcken, die noch wurzelecht sind. Schon im frühen Herbst hängen dort ganz lockere, goldfarbene Trauben. Der Schiefer am Boden ist dann handwarm. Man kann spüren, wie der Boden seine Energie an die Rebstöcke überträgt.“ “My brother and I have run the estate since 1988. We’re both wine enthusiasts and jointly decide how we’re going to vinify our wines. Discussions are often necessary since we’re two individuals and not identical twins. We have our individual favorites and they’re not always one and the same wine. But one thing is clear: we both prefer clear-cut, mineral-rich aromas with a fine fruitiness – racy Mosel Riesling that’s not too heavy or full. The vines in our extremely steep site Wehlener Sonnenuhr are old, gnarled, and ungrafted. Even in early autumn, the bunches are loose and take on a golden color. The slate on the ground is warm to the touch. You can truly sense how the soils are imparting their energy to the vines.”
82 | 83
Mosel-Saar-Ru wer
Weingut Wwe Dr. H. Thanisch, Erben Thanisch Sofia Thanisch „Wir sind seit vier Generationen ein Frauenbetrieb. Meine Urgroßmutter wurde mit 29 Jahren Witwe, führte das Weingut alleine weiter und machte es erfolgreich. Daher wurde es später nach ihr benannt. Schließlich übernahm es meine Großmutter, danach meine Tante und jetzt mache ich es. Auch meine beiden Kinder sind Mädchen. Sie sind, wenn sie es wollen, die fünfte Generation. Ich persönlich liebe gereifte Rieslinge. Sie verwandeln sich mit dem Alter und sehr oft steigern sie ihre Aromen. Unser ältester Jahrgang im Keller ist eine
“Our estate has been run by women for four gen erations. The estate’s name derives from my 1921er Trockenbeerenauslese aus der Spitzenlage Berngreat-grandmother, who was 29 when her hus band died. She continued to manage the estate kasteler Doctor. 1985 gaben wir eine Flasche zur Veralone and led it to success. My grandmother, steigerung nach Wiesbaden. Ich saß im Kurhaus vor then my aunt, and now I have followed in her dem Publikum, die Scheinwerfer waren auf mich gerich- footsteps. If they wish, my two girls might be the fifth generation of this female dynasty. I per tet – das war ich gar nicht gewohnt. Dann kletterte sonally love mature Rieslings. They continue to develop with age, and their aromas often become der Preis, stieg mit jedem Gebot höher und höher. Der more intense. The oldest vintage in our cellar is Zuschlag kam bei 11 100 Mark. Ersteigert hatte sie ein a 1921 Trockenbeerenauslese from the top site Bernkasteler Doctor. In 1985, we auctioned a Weinsammler aus Kanada.“ bottle at the Kurhaus in Wiesbaden. I was seated on a platform facing the audience, beneath the glare of a spotlight – something I wasn’t accus tomed to. Finally, the bidding on our wine began, and the price climbed higher and higher with every bid. The winning bid came to 11 100 Marks, paid by a wine collector from Canada.”
Mosel-Saar-Ru wer
84 | 85
Vereinigte Hospitien Güterverwaltung Joachim Arns
„Ich arbeite im ältesten Weinkeller Deutschlands. Er wurde von Kaiser Konstantin im Jahr 300 n. Chr. angelegt. Der Keller war ursprünglich ein Lagerhaus für die Legionäre, die in Trier stationiert waren. Im Laufe der Jahrhunderte wurde daraus ein Weinkeller. Unsere Hospitien-Stiftung ist von Napoleon im Jahre 1804 gegründet worden. Heute besteht die Stiftung aus 500 Mitarbeitern. Nur zehn von ihnen arbeiten für den Wein, die restlichen Kollegen im sozialen Bereich. Trotzdem nimmt unser kleines Weingut einen besonderen Stellenwert ein. Denn es hat unsere Stiftung in Trier in aller Welt bekannt gemacht. Wir verkaufen unsere Weine zum Beispiel nach Asien, Amerika, England und Skandinavien. Unsere Ausbildungsplätze sind begehrt, zu uns kommen angehende Weinmacher aus Japan und den USA.“ “I work in Germany’s oldest wine cellars. They were built in AD 300 by Emperor Constantine. What originally served as a warehouse for Roman legionnaires stationed in Trier evolved into a wine cellar in the course of centuries. Our foundation dates back to 1804, the Napoleonic era. Today, it employs 500 people, only ten of whom are involved with wine; the rest, with social work. Nevertheless, our little wine estate enjoys special status, not least because it helped make our foundation well-known around the world. We export our wines to Asia, American, England, and Scandinavia. Apprenticeships at our estate are highly sought-after, particularly by aspiring wine makers from America and Japan.”
86 | 87
Mosel-Saar-Ru wer
Weingut Van Volxem Roman Niewodniczanski
„Ich mag den Begriff Vertrauen. Viele meiner Kollegen sprechen von Nähe und von Image, wenn es um ihre Weine geht. Eines der imageträchtigsten Weingüter übernommen zu haben war für mich persönlich nicht wichtig. Ich möchte, dass ich ein Weingut führe und für eine Sache verantwortlich bin, der die Leute blind vertrauen können. Dass ich mit unserem Wein etwas herstelle, das die Menschen zu einem Lächeln verführt, und sie sagen: ‚Dieser Wein hier im Glas, der macht Spaß!‘ Mein Wein soll ein liebenswerter, inspirierender Begleiter sein, der die Leute auch ein wenig verführt. Das ist mein Traum.“ “I like the concept of ‘faith’ or ‘trust’ – although many of my colleagues more often mention ‘acceptance,’ ‘recognition’ or ‘image’ when talking about their wines. It wasn’t particularly important to me to have taken over a wine estate that has a tremendously positive image. I’d rather think that I run a wine estate and stand for something in which people can have blind faith. That the wines I produce tempt them to smile and say: ‘The wine in this glass is really a pleasure to drink.’ My wines should be irresist ible, inspirational partners with a seductive touch. That’s my dream.”
Mosel-Saar-Ru wer
88 | 89
Weingut Dr. Heinz Wagner Christiane Wagner
„Ich habe 2009 mein Studium in Geisenheim abgeschlossen, bin nach Hause gegangen und direkt ins Geschehen eingestiegen. Im Weingut bin ich großgeworden. Ich war als Kind bei Kundenproben dabei, bin im Keller mit dem Roller herumgefahren. Trotzdem war es für mich sehr aufregend, als ich zum ersten Mal die Verantwortung für die Ernte übernahm und schließlich die ersten Trauben in die Presse fielen. Ein extrem spannender Moment war es für mich, die Jungweine meines ersten eigenen Jahrgangs zu verkosten. Es war ein Top-Einstieg. Mein Vater sagte, Moste dieser Qualität hätte er in den vergangenen 50 Jahren nicht geerntet. Man wird ja von Kollegen und Journalisten beobachtet, und hätte ich zur Premiere einen Loser-Jahrgang verarbeiten müssen, wäre das schwierig gewesen. Doch besser hätte ich nicht starten können. Künftig will ich weder die Qualität der Weine noch den Stil meines Vaters verändern: elegant, filigran und ein bisschen verspielt. Ich werde diese Tradition weiterführen.“ “In 2009, I finished my viticultural studies in Geisenheim, headed for home, and immediately began working at my family’s estate. I grew up there. As a child, I was at tastings with customers, and rode around in the cellar on a scooter. Despite being so familiar with the estate, it was quite exciting for me the first time I took responsibility for the harvest and the first grapes were finally put in the press. I was extremely nervous when I first sampled the young wines of my debut vintage. I was lucky to start ‘at the top.’ My father said he hadn’t seen musts of such high quality in the past 50 years. If I’d had to work with grapes from a poor vintage, it would have made my premiere very difficult. After all, everyone’s watching you, be it colleagues or journalists. I have no plans to change either the quality of the wines or the style my father produced: elegant, filigree, and perhaps a bit playful. I’ll continue this tradition.”
90 | 91
Mosel-Saar-Ru wer
Weingüter Geheimrat J. Wegeler – Gutshaus Bernkastel Dr. Tom Drieseberg „Die Weingüter Wegeler gehörten seit Ende des 19. Jahrhunderts zur Sektkellerei Deinhard, die im Eigentum der Familie Wegeler war. 1997 übernahm Henkell schließlich Deinhard. Die Weingüter wollte mein Schwieger vater daraufhin verkaufen. ‚Innerhalb eines Jahres werden die Führungspersonen in Rente gehen, und ich habe den Betrieb nie selbst geführt. Wer soll’s machen?‘ sagte er uns an einem Freitagabend. Am Sonntag haben wir ihn angerufen: ‚Wir machen’s‘. Dieser Augenblick zählt für mich zu den Sternstunden meines Lebens. Es war eine total irrationale Entscheidung. Meine Frau Anja Wegeler und ich hatten gute Positionen in der Industrie – und keine Ahnung, was auf uns zu kommen würde. Aber wir liebten Wein. Uns war klar: Unser Leben würde sich grundlegend ändern. Das ist geschehen. Die Güter haben überstanden, dass Wein dilettanten wie wir die Geschäfte übernommen haben. Wir konnten leicht alte Zöpfe lösen, neue Ideen einbringen, ohne die Tradition zu beschädigen. Heute stehen wir besser da als jemals zuvor.“
“The Wegeler family owned the Koblenz sparkling wine house Deinhard until 1997, when it was acquired by the Wiesbaden conglomerate Henkell. At that time, my father-in-law decided to sell the Wegeler wine estates, which had belonged to Deinhard since the end of the 19th century. He reasoned that within a year, the estate managers would be retiring, and having never managed the estates himself, he wondered who could or would. This conversation took place on a Friday evening. On Sunday, we phoned him and said that we would do it. This moment was one of the decisive turning points in my life. It was a totally irra tional decision. My wife Anja Wegeler and I had good business jobs – and no idea of what awaited us. But we loved wine. We knew that our lives would radically change. And they did. The estates survived, even though they were now being oper ated by wine dilettantes like us. We had no prob lems cutting ties with the old and introducing new ideas, but always with a respect for tradition. Today, we’re better off than ever.”
Mosel-Saar-Ru wer
92 | 93
Weingut Dr. F. Weins-Prüm Bert Selbach
„Die Familie meines Vaters hat seit 350 Jahren mit Wein zu tun, mit klassischen Lagen in Wehlen, Ürzig und Graach. Im Kerngebiet der Mosel. Aus meinem Wohnzimmer schaue ich zur Zeltinger und zur Wehlener Sonnenuhr. Ich aber bin Seiteneinsteiger. Vom Schreibtischjob in den Weinbau – das war nicht so leicht. Mein Einstiegsjahrgang 1978 war wegen des Wetters eine Katastrophe. 3 000 Flaschen habe ich gefüllt, den Rest im Fass verkauft. Mein Riesling liegt mindestens zwei Monate im großen Fass aus altem rheinischen Holz. Viele Weine von Mosel und Saar, die nur im Stahltank erzeugt wurden, finde ich austauschbar. Muss aber jeder selbst wissen, wie er seine Weine ausbaut. Ich bleibe meiner Linie treu. Seit 30 Jahren. Ich muss nicht jedem Trend hinterherrennen.“
94 | 95
Mosel-Saar-Ru wer
“My father’s family had been involved with wine for 350 years in classic sites in Wehlen, Ürzig, and Graach. All in the heart of the Mosel. And from my living room, I can look across the river at the Sonnenuhr sites of Wehlen and Zeltingen. But I had pursued another career path. It wasn’t easy for me to switch from a desk job to winegrowing. I began in 1978. The weather was a catastrophe that year. I only bottled about 2 000 liters, or ca. 3 000 bottles; the rest was sold in cask. My Riesling ages at least two months in large old casks made of Rhenish oak. I think that a lot of Mosel and Saar wines produced only in stainless steel are nondescript. But to each his own in deciding how to make wine. I’ve remained true to my principles. For 30 years. I don’t feel the need to follow current trends.”
96 | 97
M ittelrhein
St. Goar
Mittelrhein
98 | 99
M ittelrhein
Rieslingreben, die Schieferhänge mit ihren sonnenverwöhnten Weingärten und der imposante Strom: Am Mittelrhein fügen sich diese Aspekte zu einer atemberaubenden Landschaft, die den Begriff „Rheinromantik“ geprägt hat. Der obere Teil des Mittelrheins, zwischen Bingen und Koblenz, mit seiner großen kulturellen und landschaftlichen Vielfalt und Schönheit wurde 2002 von der UNESCO zum Weltkulturerbe erklärt. Nur wenige Weinregionen der Welt haben diese Würdigung erhalten. Der Weinbau im 465 ha großen Anbaugebiet, an beiden Seiten des Rheins gelegen, ist von Steillagen geprägt. An den Hängen erheben sich zwischen den Rebzeilen mächtige Burgen und Schlösser.
Riesling grapes, steep slate slopes with their sun-drenched vineyards, and the imposing river. Collectively, these elements form the breathtaking landscape of the Mittelrhein, and gave rise to Rhine romanticism. Thanks to its cultural diversity and beauty, the Upper Middle Rhine Valley between Bingen and Koblenz was named a UNESCO World Heritage site in 2002. It is one of the few wine regions in the world to have received this honor. The region’s some 465 ha (ca. 1,140 acres) of vines are cultivated on both sides of the Rhine. Mightly castles lie in the midst of vines and/or crown the vine-clad slopes.
Boppard Hamm
Die Weinreben stehen, steil dem Rhein zugeneigt, vor allem auf Devonschiefer-Verwitterungsböden. Die einzigartige feinfruchtige Nachhaltigkeit der Weine ist bestechend. Umso interes santer, wenn man die mannigfaltigen Bodencharaktere von Quarzit, Bimseinlagerungen, Rotschiefer oder Devonschiefer in den einzelnen Bereichen berücksichtigt. Viele Sonnentage, mediterrane Temperaturen und die regulierende Oberfläche des breiten Flusses lassen am Mittelrhein terroirgeprägte und elegant-feinduftige Weine wachsen. Der Mittelrhein – eine Weinkultur von großer Vielfalt und Schönheit.
Deeply rooted primarily in weathered Devonian slate, the vines soar upward from the banks of the Rhine at a steep angle to the river. The wines fascinate with their distinctive, long-last ing, fine fruitiness, and are all the more interesting when one considers the great variety of rocky deposits in the soils of individual parcels: quartzite, pumice stone, and red slate. Lots of sunny days, Mediterranean temperatures, and the tempering affects of the water’s broad surface enable growers here to produce terroir-driven, elegant wines with a fine fragrance. The Mittel rhein: a model of wine culture’s great diversity and natural beauty.
Bacharach
M ittelrhein 100 | 101
Weingut Bastian Friedrich Bastian
„Der Beruf des Winzers war in dem Plan vorgesehen, den andere für mich gemacht haben – aber nicht in meinem eigenen. Nach meiner Winzerlehre bin ich weggezogen und habe Musik studiert. Ich absolvierte eine klassische Gesangsausbildung und arbeitete am Theater. Während des Studiums bin ich aber immer wieder nach Hause zurückgekehrt, und zwischen diesen Polen habe ich viele Jahre gelebt. Nach der Abschlussprüfung an der Münchener Musikhochschule ging ich schließlich zum Wein zurück, doch das Singen begleitet mein Leben. Wir organisieren Konzerte im Weingut. Zudem haben wir ein musikalisches Weinprobenprogramm arrangiert und dramatisiert, das ich singe. Ich arbeite dabei mit einem Pianisten und meiner Freundin zusammen, die auch Sängerin ist. Musik ist ja wie Wein: Ein großer Riesling ist wie eine Mahler-Symphonie. Dort liegen viele Schichten übereinander, in denen es überall und immer wieder Neues zu entdecken gibt. Andere Rieslinge sind glasklar und fein strukturiert – wie eine Cello-Sonate von Bach.“ “Others assumed that I would become a full-time wine-grower, but that wasn’t in my game plan. After doing my viticultural training, I moved away and studied music. I completed a program in classical voice and opera stud ies and worked in the theater. Yet, I also went home on a regular basis to make wine. I lived between these two poles for many years. However, after my final exams at the ‘Münchener Musikhochschule,’ I finally opted for wine, although singing will always be part of my life. We conduct concerts at the wine estate. In addition, we’ve arranged and dramatized a musical wine tast ing in which I sing. I work with a pianist and my girlfriend, who is also a singer. Music is like wine: a great Riesling is like a Mahler symphony, replete with many layers in which there’s always something new to discover, over and over. Other Rieslings are crystal clear, with a very fine structure – like a cello sonata by Bach.”
M ittelrhein 102 | 103
Weingut Toni Jost – Hahnenhof Peter und Cecilia Jost
Peter Jost „Ein sehr wichtiges Jahr war für mich 1989. Ich habe meine ersten eigenen Trocken-
beerenauslesen produziert – aus gleich drei Lagen und dazu in absoluter Top-Qualität. Das gab es nie mehr wieder.“ Cecilia Jost „In diesem Jahr habe ich erstmals bei der Ernte geholfen. Ich und meine ältere
Schwester haben die Beeren der Trockenbeerenauslesen am Küchentisch einzeln selektioniert. Wir waren so stolz, bei der Ernte richtig mitmachen zu dürfen. Es war das Größte für uns!“ Peter Jost „Cecilia und ich haben nun dieselbe Ausbildung. Allerdings liegen fast 40 Jahre
dazwischen. In dieser Zeit hat sich viel getan. Tradition, Eingefahrenes, Erfahrenes, Erprobtes werden durch ihr Wissen und ihre Ideen hinterfragt.“ Cecilia Jost „Trotz vieler Ideen und neuer Ansätze muss ich mich manchmal zurückbesinnen
auf die Frage: Was können wir wirklich gut?“ Peter Jost „Wir pflegen einen positiven innerfamiliären Wettbewerb. Daran ziehen wir uns
gegenseitig hoch.“ Peter Jost “The year 1989 was very important to me. I produced my very first Trocken beerenauslese – from three sites and in absolutely top quality. That has never happened again.” Cecilia Jost “This was the first year that I helped with the harvest. My older sister and I carefully selected the individual berries for the Trockenbeerenauslese on the kitchen table. We were so proud to really take part in the harvest. It was the greatest thing for us.” Peter Jost “Cecilia and I have both had the same viticultural training. Of course, mine was 40 years ago. Since then, much has changed. Her knowledge and her ideas will question tradi tion, well-worn paths, experience, and the tried-and-true.” Cecilia Jost “In spite of many ideas and new approaches, I sometimes have to think back and ask myself: what can we really do well?” Peter Jost “At our estate there’s a positive competitve spirit within the family. It enables us to take each other up a notch.”
104 | 105 M ittelrhein
Weingut Lanius-Knab Jörg Lanius
„Unser Wein ist geprägt durch seinen Standort, durch seine Umgebung, das Kleinklima und durch uns Menschen, die den Wein machen. Deshalb ist es mein Anspruch, das Besondere und Unverwechselbare in die Flasche zu bringen. Wer einen Wein aus unserer Lage Oelsberg trinkt, sollte auch den Oelsberg im Glas schmecken. Dieses Aromenspiel, dieser Charakter, darf auf der ganzen Welt nicht mehr zu finden sein.“
“Our wine is stamped by its site, its surroundings, the microclimate, and the people who make it. My goal, then, is to bottle something special and unmistakable. Anyone who drinks a wine from our site Oelsberg should also be able to taste Oelsberg in the glass...its interplay of aromas, its character should not be able to be found anywhere else on earth.”
M ittelrhein 106 | 107
Weingut Matthias Müller Matthias Müller
„Unten im Tal liegt die Stadt, dort sind Menschen, fahren Schiffe, Busse, die Eisenbahn – und ganz oben, im Steilhang des Bopparder Hamm, bekomme ich von all dem geschäftigen Treiben nichts mit. Hier erlebe ich die Natur ganz nah: Ich habe einen Arbeitsplatz mit Pano ramablick, ich kann die Landschaft sogar riechen! Es ist der beste Ort, um meiner inneren Ausgeglichenheit nachzuspüren. Ich arbeite hier oben zwar alleine, bin aber niemals einsam. Denn der Fluss ist Leben. Seit ich Winzer bin, gehört auch der Keller zu einem meiner liebsten Arbeitsplätze. Meine Leidenschaft ist der Riesling. Ich liebe seine Säure und Fruchtigkeit. Er hat Temperament und ist so lebendig wie der Fluss, an dem er wächst.“
108 | 109 M ittelrhein
“The town, the people, and passing ships, busses, and trains are all on the move down below in the valley; up here on the heights of the Bopparder Hamm’s steep slopes, there’s not a trace of this bustling activity. Here, I’m close to nature; I have a panoramic view from where I work; I can even smell the landscape! It’s the best place to experi ence a sense of inner harmony. Although I’m all alone up here, I’m never lonely. The river is alive. Since I’ve been a vintner, the cellar is also one of my favorite places to work. Riesling is my pas sion. I love its acidity and natural fruitiness. It’s as lively as the river next to which it grows.”
Weingut Ratzenberger Jochen Ratzenberger
„Ich hätte mir früher nie vorstellen können, wo ich in den vergangenen zehn Jahren meine Weine vorstellen durfte: im Auswärtigen Amt, bei Botschaftsempfängen, im Ausland, in vielen Konsulaten, bei der UNO in New York, beim Abschied von Bundespräsident Herzog, sogar bei Premieren bekannter Kinofilme. Die viele Arbeit und die Liebe, die ich über mehr als zehn Jahre in meinen Beruf gesteckt habe, trägt nun Früchte. Unsere Weine sind gesellschaftsfähig geworden. Ich kann das oft gar nicht glauben. Diese Anerkennung ist ein schönes Gefühl.“ “Ten years ago, I never would have dreamed of where all I would be presenting my wines in the years to come. In Germany: at the State Department, ambas sadors’ receptions, the farewell ceremony for president Herzog, and even at film debuts; abroad: at many consulates and the UNO in New York. I’ve worked hard and with a great deal of passion as a wine-grower for more than a decade and it’s showing results. Our wines have won respect. Often, I can’t believe it. This recognition gives me a good feeling.”
M ittelrhein 110 | 111
112 | 113 R heingau
Schloss Johannisberg
Rheingau
Bei Wiesbaden ändert der Rhein seine Süd-Nord-Richtung sanft gen Westen. Es ist seine einzige größere Richtungsänderung auf dem Weg von der Schweiz in die Nordsee. An den nach Süden gerichteten Hängen wachsen Weine, die seit Jahrhunderten begehrt sind. Doch erst der Riesling hat den rund 3 100 ha großen Rheingau mit seinen über 2000 Jahren Weintradition weltberühmt gemacht. Die Region mit dem weltweit höchsten Rieslinganteil erstreckt sich 40 Kilometer weit in einem schmalen Band entlang des Rheins und folgt noch ein Stück dem Main bis hinter Hochheim.
The Rhine interrrupts its journey from Switzerland to the North Sea only once, when it makes a broad bend at Wiesbaden, where it flows from east to west for some 30 km (20 miles) before its next bend at Rüdesheim, where it resumes it northerly course. Vines have long been cultivated on the south-facing slopes of the northern riverbank, nestled between the Rhine and the pro tective forests of the Taunus Hills. With the advent of Riesling, the region achieved world fame. Nearly 80% of its 3,100 ha (some 7,700 acres) are planted with Riesling – a record among wine regions worldwide. The region’s easternmost vineyards overlook the Main River; the western most extend from Rüdesheim to Assmannshausen and Lorch.
Schloss Vollrads
R heingau 114 | 115
Im Süden begrenzt der Rhein die einzigartige Kulturlandschaft mit ihren Baudenkmälern, im Norden ist es das schützende Taunusgebirge. Vor zehntausenden bis zu vielen Millionen Jahren entstanden die Gesteine des Rheingaus: Quarzit und Schiefer, kiesige, sandige und tonige Meeressedimente sowie Löss. Diese Vielfalt prägt die Terroirs, auf denen der Riesling seine Kraft entfaltet. Langlebigkeit, Eleganz und Würze, Duft und Delikatesse prägen die trockenen ebenso wie die edelsüßen Weine, deren beste bei Auktionen höchste Preise erzielen.
The Rheingau’s cultural landscape is rich in historical buildings and monuments that provide unique settings for festivals, tastings, and auctions. Its geological history is millions of years old, during which its diverse soils developed: quartzite and slate; loess; and gravelly, sandy, and clay sediments of the Mainz Basin, a prehistoric sea – soils that mark the terroirs in which Riesling thrives. The wines: elegant, fragrant Rheingau Rieslings of great finesse and longevity, whether dry or lusciously sweet. The finest fetch tremendous prices at auction.
Hochheim
R heingau 116 | 117
Weingut Fritz Allendorf Ulrich Allendorf
„Der Spätburgunder braucht viel Zeit. Er ist erst mal ganz in sich gekehrt, da darf man ihn im Fass auch nicht anrühren. Später muss man ihn immer mal aufwecken, indem man die Hefe wieder durchrührt. So reift er langsam. Man muss viel Vertrauen in diesen Wein haben, ihm lange Leine lassen, auf seine Fähigkeiten vertrauen. Das unterscheidet ihn vom Weißwein. Unseren Riesling lassen wir während seiner im Vergleich kurzen Entwicklung nicht aus den Augen. Wenn’s gilt, sind die Nächte lang. Die Trockenbeerenauslese schaffe ich mir zur Not auch ins Schlafzimmer, um die Gärung im Blick zu behalten.“
118 | 119 R heingau
“Spätburgunder needs lots of time. It’s quite withdrawn at first, and you should just leave it alone in the cask. Later, you have to wake it up over and over by stirring the lees. This way, the wine develops slowly. You have to have lots of trust in the wine and give it leeway. White wines are a different matter. They develop relatively fast. During this phase and until bottling, we constantly monitor our Riesling wines, even if it means right through the night. If need be, I’ll even bring a Trockenbeerenauslese into the bed room so that I can keep an eye on fermentation.”
Wein- und Sektgut Barth Norbert und Christine Barth
„Seit dem Jahr 1999 produzieren wir einen Riesling im Barrique. Vorher hieß es in Fachkreisen, Riesling sei dafür nicht geeignet. Chardonnay und Weißburgunder – das passt, aber doch kein Riesling! Es reizt uns sehr, so etwas zu hinterfragen. Also haben wir eine Riesling Auslese hoher Qualität in einem neuen Barrique vergoren und ein Jahr reifen lassen. Wir haben daraus einen Wein erhalten, der einzigartig in seiner Art ist. Mittlerweile ist diese Auslese zum Liebling vieler Kunden geworden. Sie öffnen ihn meist zu besonderen Anlässen oder Speisen.“ “We’ve produced a barrique-aged Riesling since 1999. In the past, experts claimed that these small barrels were not suitable for Riesling. For Chardonnay and Weissburgunder – OK, but not Riesling. I found it quite challenging to question this position. So, we fermented a high-quality Riesling Auslese in a new barrique and left it in the barrel for one year. The result: a highly unique wine. In the meantime, this Auslese has become many a customer’s favorite wine. They usually serve it with a meal or on a special occasion.”
R heingau 120 | 121
Diefenhardt’sches Weingut Peter Seyffardt
„Meine Ausbildung zum Weinbauingenieur begann in Südafrika. Auf Koopmanskloof, einem Weingut mit 700 ha Rebfläche. Dort war ich für die Weinbereitung verantwortlich und konnte wertvolle Erfahrungen sammeln. Nach meinem Weinbaustudium in Geisenheim führte mich mein Weg nach Argentinien. Das Erlernen fremder Sprachen und der Umgang mit fremden Kulturen hat mich nachhaltig geprägt. Nach meinen Lehr- und Wanderjahren habe ich das Weingut von meinen Vorfahren übernommen. Und es ist mir eine Herzens angelegenheit, die Arbeit mehrerer Generationen mit Erfolg weiterzuführen – für meine Kinder. Trotz der großen Erfahrung im Weinbau gibt es einen Moment im Jahr, der immer wieder spannend für mich ist: das Abpressen der ersten Trauben im Herbst. Es ist meine erste rationale und emotionale Wahrnehmung des neuen Jahrgangs. In diesem Augenblick verdichtet sich die Entscheidung, wie es in der Lese und mit dem künftigen Wein weitergeht.“ “My training as a viticultural engineer began in South Africa. At Koopmanskloof, a wine estate with 700 hectares (1,730 acres) of vines. I was responsible for wine making, and was able to gain valuable experience. After my viticultural studies in Geisenheim, I headed for Argentina. Learning foreign languages and dealing with different cultures left its mark on me. After years of training and traveling, I took charge of my family’s estate. It’s dear to my heart to successfully carry on the work of many generations – also for my children. Despite my extensive experience, there’s one moment every year that is always full of suspense for me: when the first grapes are pressed in autumn. It’s my first rational and emotional perception of the new vintage. And it is in this moment that my perceptions crystallize into a decision on how to proceed with the harvest and the young wines thereafter.”
122 | 123 R heingau
Weingut August Eser Désirée Eser
„Ich bin eine waschechte Rheingauerin und leite unser Weingut in zehnter Generation, als erste Frau an der Spitze. Schon als Kind war ich im Weingut immer dabei. Heute bereise ich die Welt, um unsere Weine zu präsentieren – zugleich erfüllt mich auch die Arbeit im Weinberg und im Keller. Als Sternzeichen Widder kann ich eben nicht still sitzen. Aber unseren Weinen lasse ich viel Zeit zur Entwicklung. Wir bauen zu 90 Prozent Riesling und 10 Prozent Spätburgunder an. Unsere Weinberge umfassen 10 ha. Sie verteilen sich jedoch auf 17 Einzellagen in acht Gemeinden des Rheingaus. Das ist sehr arbeitsintensiv, doch die Ergebnisse sind faszinierend: Wir können zeigen, wie unterschiedlich Riesling aus dem Rheingau schmecken kann. Vom Rüdesheimer Bischofsberg übers Oestricher Lenchen bis zur Steillage Rauenthaler Rothenberg haben wir alle Riesling-Facetten im Keller.“ “I’m a native of the Rheingau through and through. I’m the tenth generation of my family to run the estate, and the first woman to do so. Even as a child, I was always in on everything at the estate. Today, I travel the world over to pres ent our wines – but my work in the vineyard and in the cellar is no less satisfy ing. I’m an ‘Aries’ and as such, I simply can’t sit still. But I do give our wines plenty of time to develop. Riesling accounts for 90 percent, Spätburgunder ten percent, of our ten hectares (25 acres) of vines. That doesn’t sound very large, but we have holdings in 17 individual sites in eight Rheingau villages. It’s very labor-intensive, but the results are fascinating. We’re able to show how diverse a ‘Rheingau Riesling’ can be. From Rüdesheimer Bischofsberg in the west, to Oestricher Lenchen in the heart of the region, and Rauenthaler Rothenberg in the east, we have every facet of Riesling in our cellar.”
R heingau 124 | 125
Weingut Friedrich Fendel Paul Peter und Walter Hetzert
Paul Peter Hetzert „Wir sind Landwirte, die Reben anbauen, und keine Fabrikan-
ten, die eine Industrieproduktion betreiben. Wir füllen nicht mit dem Wasserschlauch einen Tank, geben ein paar Zutaten hinzu – und am nächsten Tag kann man Wein abfüllen. Wir leben in einem 365 Tage dauernden Kreislauf. Denn wir wollen das, was die Natur geschaffen hat, bestmöglich in die Flasche bringen. Ohne dass es in der Verarbeitung zu Qualitätseinbußen kommt.“ Walter Hetzert „Schnellschüsse sind in unserer Arbeit weder gewollt noch mög-
lich. Wenn ein Jahrgang ausverkauft ist und die neuen Weine im Keller reifen, dann bringen wir sie erst in die Flasche, wenn sie fertig sind, und nicht, weil jemand drängelt. Unsere Kunden vertrauen unserem Etikett. Wir wollen sie nicht enttäuschen. Manchmal müssen wir schon mal sagen: Das war’s für dieses Jahr. Man muss auch Nein sagen können. Wir haben eine große Verantwortung.“ Paul Peter Hetzert “We’re farmers who grow grapes, and not manu facturers involved in industrial production. We don’t fill a tank with a hose, add a few ingredients – and voila! – the next day, we can bottle a wine. We live in a cycle of 365 days. Our goal is to take what nature has created and bottle it in the best condition possible. Without compromising quality dur ing vinification.” Walter Hetzert “Haste is neither possible nor desirable in our work. If a vintage is sold out and the new wines are still developing in the cellar, they won’t be bottled before they’re ready, regardless of outside pressure to bottle earlier. Our customers have faith in our label. We don’t want to let them down. Sometimes we simply have to say ‘that’s it for this year’ – you have to learn to say no. We have a great responsibility.”
126 | 127 R heingau
Weingut Joachim Flick Reiner Flick
„2003 haben wir eine Monopollage kaufen können, den Wickerer Nonnenberg. Dieser Weinberg ist 1281 erstmals urkundlich erwähnt und war 500 Jahre im kirchlichen Besitz. Als wir ihn kauften, übernahmen wir fast 50-jährige Reben. 2004 war unser erster Jahrgang. Die Trauben sahen sensationell gut aus, als wir sie sehr spät lasen. Ich hatte eine genaue Vorstellung davon, wie dieser Wein schmecken würde. Schöne Primäraromen, gelbe Früchte, Pfirsich hatte ich erwartet. Als ich den Jungwein probierte, war ich verzweifelt. Er schmeckte mir gar nicht: grün, pfeffrig und nach Kräutern. Nicht opulent. Da habe ich erst richtig begriffen, was Terroir bedeutet. Wenn ich heute diesen 2004er öffne, schmeckt er etwas nach gelben Früchten und Birne, ist duftig und sehr opulent. Er hat sich unglaublich entwickelt. Ich kann mich mit einer dieser Flaschen den ganzen Abend beschäftigen. Mit jedem Schluck entwickelt er sich neu. Das ist für mich der spannendste Moment, den ich in meinem Beruf erlebe. Mit dem ersten Schluck trinke ich einen anderen Wein als beim letzten.“
“In 2003, we became the sole owners of the site Wickerer Nonnenberg, which was first docu mented in 1281, and owned by the church for 500 years. When we bought it, we acquired vines that were nearly 50 years old. Our first vintage was 2004. The grapes looked absolutely sensa tional during our late harvest. I could clearly imagine how this wine would taste. I expected beautiful primary aromas, yellow fruit, peaches. But the first tasting baffled me. I didn’t care for the taste at all – it was green, peppery, and herbal. Not opulent. It was at that point in time that I truly comprehended what terroir was all about. When I open a bottle of that 2004 vintage today, it’s somewhat reminiscent of yellow fruit and pear; aromatic; and opulent. Its development has been incredible. I can spend an entire eve ning concentrating on this wine. It continues to develop with every sip. That’s the most fascinat ing aspect of my profession – with every new sip, I’m drinking a completely different wine.”
R heingau 128 | 129
Weingut Alexander Freimuth Alexander und Karin Freimuth
Alexander Freimuth „Im Mai steht die ganze
Familie mit den Vögeln auf. Wir gehen alle ganz früh raus in die Weinberge. Ich mache meine Handarbeit, es klingelt kein Telefon, auch sonst erzählt einem niemand etwas ins Ohr. Diese Tage genieße ich sehr. Die Arbeit ist monoton, man arbeitet sich langsam von Trieb zu Trieb voran. Das macht den Kopf frei. Wenn gegen 9 Uhr die anderen aufstehen und frühstücken, machen wir Siesta. Genug gearbeitet für heute. Das ist ein tolles Gefühl.“ Karin Freimuth „Ich arbeite meist zu Hause und
gehe nicht so viel raus. Es ist aber sehr befriedigend, in den Weinbergen zu sein. Wenn die Arbeit im Frühjahr erledigt ist, weiß man: So, das war’s jetzt für ein Jahr. Die Triebe kommen raus und wachsen. Wunderschön. Es ist aber auch so: Wenn bei 30 Grad Hitze im Schatten die ganze Familie raus muss, um notfallmäßig den Wein zu retten, ist das nicht romantisch. Dann ist es einfach nur anstrengend.“
130 | 131 R heingau
Alexander Freimuth “In May, the entire family gets up with the birds. We all go out into the vineyards very early in the morning. I do my manual work. No phone is ringing, nor does anyone else have something to say. I truly enjoy these days. The work is monotonous, and I slowly work my way from vine to vine. It clears your head. When the others are just get ting up and having breakfast at 9 o’clock, we take a siesta. We’ve worked enough for the day. That’s a great feeling.” Karin Freimuth “I mostly work at home and don’t go out too much. But it is very sat isfying to be in the vineyards. And when the springtime work has been completed, one knows that ‘that was that’ for the year. The young shoots start to emerge and grow. It’s wonderful. On the other hand, it’s not roman tic when it’s 30°C (86°F) in the shade and the whole family is needed in the vineyards to ward off a potential emergency to save the crop. That’s simply exhausting.”
Weingut der Forschungsanstalt Geisenheim Prof. Dr. Monika Christmann „Wir sind eine Forschungseinrichtung, die Studenten ausbildet, und zugleich ein Weingut, das kommerziell arbeitet. Das ist weltweit einzigartig. Unsere Forschung hat das Ziel, die Qualität zu optimieren und gleichzeitig die heute eingesetzten Techniken zu reduzieren. Wir lehnen moderne Methoden nicht ab. Im Gegenteil. Wir untersuchen aber, ob das Traditionelle in allen Bereichen immer das Richtige ist – oder ob es bessere Methoden gibt. Wir wollen Alternativen anbieten. Für mich persönlich bedeutet Wein eine Verbindung aus Essen, Kultur, Lifestyle, netten Menschen und Landschaft. Das verbindet. Ich habe lange in Kalifornien gearbeitet, bin heute beruflich viel in der Welt unterwegs – und kenne überall nette Menschen. Lieber Gott, danke, dass ich nicht im Rindfleisch-Business gelandet bin.“ “We’re a research and teaching institute as well as a wine estate that operates as a commercial enterprise. This is a combination that’s unique in the world. Our research focuses on optimizing quality and at the same time, we seek to reduce the technology being used in cellars today. We don’t reject modern methods. On the contrary. Yet, we examine whether traditional methods are actually the best or are there better methods. We want to offer alternatives. For me personally, wine means a combination of food, culture, lifestyle, wonder ful people, and landscape. That creates a rapport. I worked in California for a long time and today, my job takes me to many parts of the world. I know nice people everywhere. I thank God that I didn’t end up in the beef industry.”
R heingau 132 | 133
Weingut Jacob Hamm Karl-Heinz Hamm
„Für mich ist ökologischer Anbau mehr als eine Glaubensfrage. Ich bin überzeugt, auf diese Weise besseren Wein zu produzieren. Anfang der 70er-Jahre habe ich einen Steilhang in der Lage Dachsberg umgestellt. Von nun an hatte ich viel Arbeit, die Erntemenge wurde klein – aber ich staunte über die gute Qualität der Trauben. Aber erst einige Jahre später habe ich Wege gefunden, durchgängig ökologischen Anbau mit rationeller Arbeitsweise zu verbinden. Ich verwende teils selbst gebaute Geräte, die abenteuerlich aussehen, aber gut funktionieren. Denn als Ökowinzer muss man für dasselbe Ergebnis doppelt so viel arbeiten. Doch man erhält viel mehr: Die Rebstöcke sind nun robust und widerstandsfähig. Über die Jahre sind die Trauben immer besser geworden, mein Riesling ist intensiver, aromatischer und dichter als früher geworden. Der Boden ist im Wein schmeckbar. Wer den Unterschied zwischen Treibhaustomaten aus Holland und den aus dem eigenen Garten kennt, weiß, was ich meine.“ “Ecological viticulture is more than a question of faith for me. I’m simply con vinced that I can produce better wines this way. In the early 70s, I converted from conventional to organic methods on a slope in the Dachsberg site. That marked the beginning of lots of work, and yields were small – but I was amazed at the high quality of the grapes. It was only several years later that I first found ways to pursue ecologically friendly viticulture with more efficient methods of working. I’ve even built some of my own equipment – it might look strange, but it works really well. As an organic wine-grower, you have to work twice as long to get the same results. Yet, the returns are greater: the vines are now robust and more resistant to disease and vine pests. Over the years, the grapes have improved, and my Rieslings have become more expressive, aromatic, and com pact than they were before. They better reflect their terroir. Anyone who appre ciates the difference between tomatoes grown in Dutch greenhouses and home grown tomatoes knows what I mean.”
134 | 135 R heingau
Weingut Prinz von Hessen Donatus Prinz von Hessen
„Das Weingut gehört seit 1957 zu meiner Familie. In den 90er-Jahren hatten wir schwierige Zeiten zu bewältigen – die Qualität entwickelte sich schwankend, sogar ein Verkauf stand zur Diskussion. Doch wir beschlossen zu investieren. In diesem Prozess reduzierten wir Flächen, die nicht genug Qualität versprachen, und modernisierten den Keller. 2007 produzierten wir erstmals einen Riesling mit dem ungewöhnlichen Namen Dachsfilet. Wir verarbeiten dazu nur die besten botrytisfreien Trauben aus den ältesten und steilsten Parzellen des Winkeler Dachsbergs auf ebenso ungewöhnliche Weise: Sie vergären zu Beginn vier bis sechs Tage auf der Maische und werden abgepresst. Danach wird der Gärprozess im Stahltank zu Ende geführt. Mit dieser klassischen Rotweinmethode entsteht ein Riesling, mit dessen Aromen wir uns der DNA der großen Rebsorte ein Stück nähern wollen. Er ist mein liebster Wein: elegant, tiefgründig und facettenreich.“ “The estate has belonged to my family since 1957. In the 90s, we had to cope with difficult times – quality fluctuated, and there was even talk of selling the estate. Yet, we decided to invest in it. This meant parting with holdings that had little quality potential, and modernizing the cellar. In 2007, we launched a Ries ling with the unusual name ‘Dachsfilet.’ We selected only the finest, botrytisfree grapes from the oldest and steepest parcels of the site Winkeler Dachsberg, and processed them in an unusal manner: first, they fermented four to six days on the skins; then they were pressed; and finally, they completed fermentation in stainless steel tanks. By using this traditional method of red wine production, we hoped the benefits of skin contact would yield a more aromatic Riesling. It’s my favorite wine: elegant and complex; a wine of great depth.”
R heingau 136 | 137
Weingut Hupfeld – Königin Victoriaberg Wolfram und Henning Hupfeld Wolfram Hupfeld „Ich bewirtschafte in Oestrich-Winkel 7 ha, mein Bruder Henning
in Hochheim 5. Jeder hat seinen eigenen Weg, aber die Richtung ist dieselbe. Wir stehen nicht in Konkurrenz zueinander. Im Gegenteil: Wir verkaufen unsere Weine gemeinsam in unserer Vinothek in Oestrich. Auch Jungweinproben machen wir stets gemeinsam. Hier sagen Henning und ich uns vorbehaltlos die Meinung. Da fallen klare Worte.“ Henning Hupfeld „Was die Sache dabei spannend macht: Wir probieren unsere Weine
immer blind und niemand weiß, welche die eigenen sind. Meist ziehen Wolfram und ich als neutrale Instanz noch einen dritten und vierten Weinkenner hinzu, damit wir nicht zu sehr im eigenen Saft schwimmen.“
Wolfram Hupfeld “I cultivate seven hectares (17 acres) in OestrichWinkel; my brother Henning, five (12) in Hochheim. We each go our own way, yet in the same direction. We don’t compete with one another. On the contrary: we both sell our wines at our Vinothek in Oestrich. Our annual vintage tasting is also always a joint presentation, during which we can didly say what we think. We don’t mince words.” Henning Hupfeld “To add a bit of suspense, we always taste the wines blind and no one knows whose wine is whose. We usually ask a neutral third and fourth party to join in so we have some outside input.”
138 | 139 R heingau
Domäne Schloss Johannisberg Christian Witte
„Wir haben nur einen Weinberg – den Johannisberg, eine Monopollage. Wir haben eine einzige Rebsorte – Riesling. Das wird so bleiben. Wir wissen, dass keine andere Rebsorte hier besser gedeihen würde. Die Fässer in unserem historischen Keller lassen wir aus dem Holz des eigenen Waldes herstellen. Die Bäume wachsen auf demselben Boden wie unsere Reben. Darin lassen wir unseren Riesling vergären. Doch Tradition heißt für mich nicht, altmodisch zu sein. Wir können ja nicht behaupten, dass wir den besten Wein der Welt machen, wenn wir nicht wissen, wie der Rest schmeckt. Und wie der entsteht.“ “We have only one vineyard – Johannisberg, a solely owned site. We have only one grape variety – Riesling. This won’t change. We know that no other varietal can thrive as well here. We use the wood from our own forest to produce the casks in our historical cellar. The trees grow in the same types of soil as our vines. Our Rieslings ferment in these barrels. I don’t feel that tradition means old-fashioned. We can’t claim to produce the best wines in the world if we don’t know how the others taste. And how they’re produced.”
R heingau 140 | 141
Weingut Johannishof Johannes Eser
„Sich mit nur einer Rebsorte, dem Riesling, in seiner ganzen Tiefe auseinanderzusetzen, das ist für uns das ganz große Spannungsfeld unserer Arbeit. Rheingau ist Riesling. Wir verfügen über ganz unterschiedliche Böden, die dem Riesling verschiedene Facetten und seinen Charakter schenken. Unsere Weine zeigen dem Rest der Welt, wo der Ursprung des Rieslings liegt.“ “Dealing with only one grape variety, Riesling, in all its complexity is what makes our work such a great challenge. The Rheingau is Riesling. The soils of our vineyards are extremely varied, and each type of soil lends Riesling a different character and nuances. Our wines show the rest of the world where the true origins of Riesling lie.”
142 | 143 R heingau
Weingut Jakob Jung Alexander Johannes und Ludwig Jung
Alexander Johannes Jung „Man findet zu jedem
Anlass den passenden Wein: zu einem geselligen Mittagessen, einem einfachen Abendbrot, einem Menü im Sternerestaurant oder zum Feierabend auf der Couch. Es muss nicht immer ein besonderes Ereignis geben, um ein Glas Wein zu trinken. Der Wein selbst ist der Anlass und ein Teil unseres Lebens. Wir genießen ihn nicht nur zu besonderen Ereignissen.“
Alexander Johannes Jung “There’s a right wine for every occasion: a sociable lunch; Ludwig Jung „Ja, zum Essen ein gutes Glas Wein, das a simple evening meal of cold cuts and cheese; a multi-course feast at a gourmet restaurant; or gehört einfach zu unserer Kultur. Doch die lässt sich an evening on the couch. There doesn’t always nicht einfach so weitergeben. Die muss man selbst have to a special reason in order to enjoy a glass of wine. The wine itself is an ‘occasion’ erleben, so wie hier bei uns in der Region. Vor allem and an integral part of our lives.” der Rheingau hat viel zu bieten an alten kulturellen Ludwig Jung “Yes, a good glass of wine with Stätten, in denen unsere Weinkultur entstanden ist. a meal is simply part of our culture. But it’s not something that can just be passed on. You Aus dieser Region stammen auch die heute üblichen have to experience it for yourself, the way we Begriffe wie ‚Kabinett’ und ‚Spätlese’. Wenn man wie do here in our region. The Rheingau, in par ticular, has a wealth of time-honored cultural ich hier aufgewachsen ist, nimmt man diese Kultur sites in which our wine culture developed. This wie mit der Muttermilch auf.“ region is also the home of the historical con cepts – and ensuing designations – Kabinett and Spätlese that are still in use today. This culture is ingested like ‘mother milk’ by anyone who grows up here.”
R heingau 144 | 145
Weingut Graf von Kanitz Sebastian Graf von Kanitz
„Die Lorcher Krone, unsere älteste Lage, neigt sich steil direkt zum Rhein. Der Boden ist hier sehr tiefgründig, manche Reben sind über 50 Jahre alt. Man blickt auf das Rheintal, die umliegenden Burgen des Weltkulturerbes und auf die übrigen Lagen unseres Weinguts. Hier denke ich immer wieder daran, wie es gewesen sein muss, als mein Vorfahre, der Freiherr vom und zum Stein, gemeinsam mit Goethe durch die Weinberge spaziert ist und Riesling probiert hat. Ein wunderbarer Platz, ein Ort der Erinnerungskultur.“
“Lorcher Krone, our oldest vineyard, slopes steeply toward the Rhine. The soils here are very deep; many vines are more than 50 years old. The vine yard affords a view of the Rhine Valley, the neighboring castles of the world heritage site, and the other vineyards of our estate. Time and again I’ve wondered what it must have been like when my ancestor, Freiherr vom und zum Stein, together with his friend Goethe, strolled through the vineyard and sampled Riesling. It’s a wonderful place, a scene of memory culture.”
146 | 147 R heingau
Weingut August Kesseler August Kesseler
„2005 wurden unsere Weine vom renommierten Wine Advocate zum ersten Mal in den USA gewürdigt. Den 2002er Assmannshäuser Höllenberg Spätburgunder trocken hat Robert Parker mit 94 Punkten bewertet – es war der erste deutsche Rotwein, der eine so hohe Punktzahl erhielt. Er ist zugleich der beste Wein, den ich gemacht habe. Er hat alles, was einen großen Spätburgunder auszeichnet: Frucht, Säure, Eleganz und vor allem – Kräuter. Über zwei Jahre lang wurde dieser Wein in einer New Yorker Weinbar ausgeschenkt. Für 50 Dollar pro Glas.“
“In 2005, our wines were first mentioned in Robert Parker’s renowned publication The Wine Advocate. Parker rated the 2002 Assmannshäuser Höllen berg Spätburgunder trocken with 94 points – it was the first German red wine to ever achieve such a high rating. At the same time, it’s the best wine I ever made. It has everything that makes for a great Spätburgunder: fruit, acidity, elegance and above all, an herbal note. For more than two years, this wine was served at a fashionable New York wine bar. For 50 dollars per glass.”
R heingau 148 | 149
Weingut Baron Knyphausen Gerko Freiherr zu Knyphausen
„Im Jahr 1969 übernahm ich das Weingut. Eine meiner ersten Entscheidungen war es, wieder einen Teil des Kellers abzutrennen und als Schatzkammer neu einzurichten. Mit dem Ende des Zweiten Weltkriegs zog die US Army in den Rheingau, wir mussten unser Gut verlassen. Als wir zurückkehren konnten, waren die Flaschen mit vielen Jahrzehnte alten Weinen in der alten Schatzkammer geleert. Aber so ist der Lauf der Welt. Ich habe damals begonnen, ein neues Archiv aufzubauen, auch für die nächste Generation. Als Traditionalist würde ich mich dennoch nicht bezeichnen. Wein war in meinem Leben einfach immer da. Er hat mich geprägt, ist für mich ein Lebens-Essential. Ich schaue immer etwas erstaunt, wenn ich im Kühlschrank mal eine Flasche Bier entdecke.“
150 | 151 R heingau
“I took charge of the estate in 1969. One of my first decisions was to set up part of the cellar as a treasure chamber again. At the end of World War II, the U.S. army occupied the Rheingau and we were forced to leave our estate. When we were able to return, the bottles of wine spanning decades, long stored in the old treasure chamber, had been emptied. At that point in time, I began to build up a new wine library to hand down to future generations. Nevertheless, I wouldn’t call myself a traditionalist. Wine has always sim ply been a part of my life. It’s left its mark on me, and is an essential part of my lifestyle. I’m always a bit taken aback when I discover a bottle of beer in the refrigerator.”
Weingut Robert König Robert König
„Wir produzieren vor allem Spätburgunder. Da blicken alle nach Burgund. Aber ehrlich: Nach meiner Erfahrung wird dort auch nur mit Wasser gekocht. Ich habe Kollegen im Beaujolais, die haben vor einigen Jahren unsere Arbeit lächelnd betrachtet und gedacht: ‚Na, lass diese Deutschen halt Pinot Noir machen, sie werden schon sehen, was dabei herauskommt.‘ Mittlerweile liegen wir qualitativ zwei Nasenlängen vor ihnen. Beim Bewirtschaften der Weinberge, der Kultivierungstechnik, der Ertragsstabilität, aber auch in der Kellerwirtschaft haben wir viele dortige Güter abgehängt. Schließlich hat unser Betrieb eine uralte Tradition mit dieser Sorte. Ich selbst habe im Alter von 14 Jahren meinen ersten Weinberg bepflanzt und mit 16 Jahren meinen ersten Wein produziert.“ “First and foremost, we produce Spätburgunder. Yes. All eyes turn to Burgundy. But in all honesty, they have no magic formula. I have colleagues in Beaujo lais who up until a few years ago looked at our work with a pitying smile and thought: ‘Oh well, let those Germans tinker with Pinot Noir. They’ll see what comes of it.’ In the meantime, we’re qualitatively ahead by at least a nose. In terms of vineyard maintenance and methods of cultivation, yield stability, and cellar technology, we’ve left many a Burgundian estate in the dust. In any case, our estate’s tradition with this varietal goes back a long way. I myself planted my first new vineyard when I was 14, and made my first wine at 16.”
R heingau 152 | 153
Weingut Peter Jakob Kühn Peter Jakob Kühn
„Wir betreiben ökologischen Weinbau, weil wir das Weinmachen im ursprünglichen Sinn begreifen. In unseren Produkten haben Aromen aus der Industrie und Chemie nichts zu suchen. Ich will keinen Wein, der nach Duschgel riecht. Durch den Sinneseindruck, der den Leuten mit künstlichen Aromen suggeriert wird, geht die Ursprünglichkeit unseres Geruchs- und Geschmacksempfindens verloren. Doch es ist nicht einfach, diese Botschaft zu vermitteln: Wenn einer
“We practice organic viticulture because we view unserer Weine neben einem ‚Bananenwein‘ steht, der ange- winemaking in the original sense of the word. Aromas concocted by the industrial or chemical reichert ist mit Aromen von Banane, Ananas, Pfirsich und branches have no place here. I don’t want a wine that smells like shower gel. People sub Aprikose oder anderen typischen Aromen von Zuchthefen, jected to the sensory impressions of artificial kommt ein Wein, der nach Trauben schmeckt, nicht dagearomas lose their natural sense of smell and taste. It’s not easy to get this message across. gen an. Der originäre Geschmack wird in Verkostungen When compared with a ‘banana wine’ that’s gerne als ‚untypisch‘ oder ‚fehlerhaft‘ beanstandet. Das ist been ‘enriched’ by the aromas of banana, pine sehr schade. Deshalb versuche ich Samenkörnchen zu säen. apple, peach, and apricot or one of the other typical aromas of cultured yeast, a wine like Das scheinbar ‚Untypische‘ soll zum Nachdenken anreours that tastes and smalls like grapes doesn’t go down well. Its authentic flavors and aro gen. Denn das ‚Untypische‘ ist der Ursprung. So schmeckte mas are criticized in tastings as being ‘atypi Wein früher und so wurde er gemacht: mit seinen eigenen cal’ or ‘faulty.’ That’s really a shame. I’m try ing to ‘plant little seeds’ by encouraging people Hefen. Nicht mit einem der rund 300 künstlich hergestell to really think about these seemingly atypical ten ‚Entwicklungshelfer‘.“ characteristics – actually, the way wine used to taste and smell; the way it used to be made, with its natural yeasts. Not with one of the nearly 300 artificially produced.”
154 | 155 R heingau
Weingut Künstler Gunter Künstler
„Ich liebe das Komponieren von Wein. Abends, wenn die Mitarbeiter Feierabend haben, gehe ich alleine in den Keller. Ich lege gute Musik in die Stereoanlage ein und bewege mich von einem Fass zum anderen, von einem Tank zum nächsten und probiere. Ich lasse den Tag ausklingen und mache mir Gedanken, was ich geschaffen habe. Ich arbeite, versuche etwas besser zu machen und entspanne dabei völlig. Im Keller spüre ich gar keinen Druck.“ “I love to create wine compositions. In the evening, when the employees have all gone home, I go into the cellar, all alone. I put on some good music and go from cask to cask, tank to tank, and sample the wines. I let the day come to an end, and reflect on what I’ve created. I work, and try to create something better. It’s completely relaxing. In the cellar, I’m not under any pressure.”
R heingau 156 | 157
Weingut Lorenz H. Kunz Michael Kunz
„Einer meiner Lieblingsweine ist unser 2007er Mittelheimer St. Nikolaus Riesling Spätlese feinherb. Bis heute entwickelt er sich, geht immer noch weiter und weiter. Es ist ein Wein mit einer sehr hohen Dichte und riesigem Extraktgehalt. Die hohe Restsüße und die knackige, typisch Rheingauer Säure befinden sich in Harmonie. Zu so einem Wein muss ich nichts erzählen, der stellt sich selbst vor. Ohne Worte. Ich bin sehr stolz darauf, diesen uralten Weinberg besitzen zu dürfen. Die Reben sind 40 bis 50 Jahre alt. Wir wollen sie noch lange erhalten.“
158 | 159 R heingau
“One of my favorite wines is our 2007 Mittel heimer St. Nikolaus Riesling Spätlese fein herb. Even today it continues to develop, and there’s no end in sight. It’s an extremely firm wine with an enormous extract content. The high residual sugar and crisp, typical Rheingau acidity are well-balanced. There’s really little to say about such a wine – it speaks for itself. Without words. I’m very proud and privileged to own this venerable old site. The grapes are 40 to 50 years old. We want to preserve them for a long time to come.”
Weingut Hans Lang Hans Lang
„Wir sind eines der ganz wenigen Güter im Rheingau, die neben Riesling auch Weiß-, Grau- und Spätburgunder anbauen. Das ist Teil meiner Tradition, denn ich habe meine ganze Lehrzeit in Baden verbracht. Das hat mich geprägt. Als mein Vater starb, habe ich die ersten Grau- und Weißburgunderreben gepflanzt. Dennoch bleibt der Riesling meine Lieblingssorte. Der gehört einfach in den Rheingau und ist so vielschichtig wie keine andere Sorte.“
“We’re one of the very few estates in the Rhein gau that cultivates Pinots (Weissburgunder, Grauburgunder, and Spätburgunder) in addi tion to Riesling. That’s part of my tradition, since I did all my viticultural training in Baden, and that left its mark. When my father died, I planted the first Pinot Blanc and Pinot Gris vines. Nevertheless, Riesling has always been by favorite varietal. It simply belongs in the Rheingau and no other grape variety can match its tremendous complexity.”
R heingau 160 | 161
Freiherr Langwerth von Simmern Georg Reinhard Freiherr Langwerth von Simmern
„Ich führe unsere 500-jährige Familientradition fort. Ursprünglich stamme ich aus Hannover. Doch wie mir erzählt wurde, habe ich als kleiner Knirps hier in Eltville, im damaligen Weingut meines Onkels, das Laufen gelernt. Nun habe ich an diesem traumhaften Fleck mit meiner Frau Wurzeln geschlagen. Am liebsten bin ich draußen in den Weinbergen. Das, was uns der Weinberg schenkt, können wir nur veredeln. Es macht mir am meisten Freude zu sehen, wie es draußen vorangeht. Ich habe das Glück, dass meine Familie schon sehr lange im Rheingau beheimatet ist und unterschiedliche Weinberge besitzt, die die Generationen vor mir über Jahrhunderte erworben haben. So erreichen mal Weine der einen, mal der anderen Lage schöne Auszeichnungen.“
162 | 163 R heingau
“I’m carrying on a 500-year-old family tradition. I’m orginally from Hannover, but they tell me that it was here in Eltville, at my uncle’s wine estate, that I took my first steps as a tot. Now my wife and I have put down roots here in this absolutely beautiful place. What I like most is being out in the vineyards. We can only refine what these vine yards give us. Most of all, I like to see how things are progressing outside. I’m lucky that my family has lived in the Rheingau so long, and has hold ings in so many different vineyards – acquired by my ancestors over the course of centuries. The wines are award-winning, sometimes from this site, sometimes another.”
Weingut Josef Leitz und Weingut Erbslöh Johannes Leitz „Als Kind musste ich sehr früh raus in die Weinberge, ob ich wollte oder nicht. Ich musste einfach. Winzer zu werden war damals nicht grade mein Wunschberuf. Dennoch übernahm ich 1985 den Betrieb von meinem Vater. Bei null. Die Weinskandale hatten die Branche erschüttert, und die Weinfans entdeckten die Neue Welt. Niemand wollte meinen Riesling haben. 1990 wurde unser Gut fast zeitgleich von einem Amerikaner und einem Engländer entdeckt. Die beiden kauften zehn
“As a child, I was sent out to the vineyards quite early, whether I wanted to go or not. No getting around it. At the time, becoming a wine-grower größerte ich den 2,5 ha Betrieb. Heute bewirtschaften wir wasn’t exactly my idea of a dream job. Neverthe less, I took over the estate from my father in 1985. 40 ha. Mit 30 Jahren begann ich zu reisen, um meinen At a real low point. The wine scandals had deeply Wein im Ausland zu verkaufen. Viermal im Jahr bin shocked the wine business, and wine enthusiasts ich für mehrere Wochen in der ganzen Welt unterwegs. had discovered the New World. No one wanted my Riesling. In 1990, our estate was discovered by an Auf diesen Reisen habe ich meinen Beruf von einer ganz American and an Englishman at about the same time. The two of them purchased our entire pro anderen Seite kennen- und zu schätzen gelernt – heute duction for ten years. In 2000, I began to enlarge liebe ich ihn und kann mir keinen schöneren Beruf our 2.5 ha (six acres) of vineyard holdings. Today, we cultivate 40 ha (99 acres). When I turned 30, vorstellen!“ I started traveling to sell my wines abroad. Four times a year I’m on the road for several weeks in all parts of the world. It was during these trips that I saw my profession in a completely different light and came to appreciate it. Today, I love being a wine-grower and can’t imagine a more reward ing profession.” Jahre lang unsere gesamte Ernte. Ab dem Jahr 2000 ver-
R heingau 164 | 165
Weingut Georg Müller Stiftung Peter Winter und Alf Ewald
Peter Winter (Inhaber) und Alf Ewald (Gutsverwalter, Kellermeister)
„Wir haben einen gemeinsamen Liebling: Den 2007er Hattenheimer Hassel, eine trockene Riesling Spätlese. Das Faszinierende an diesem Wein ist seine absolute Reinheit. Er ist klar, fehlerfrei und hat einfach alles, was ein großer Riesling braucht. Das Faszinierende an diesem Wein ist, dass es ihm gelingt, Leute, die eigentlich keinen Wein mögen, vom Genuss zu überzeugen. Nur gut, dass wir von diesem Jahrgang die stattliche Menge von 20 000 Liter erzeugen konnten. Dieser Ausnahmewein, der uns unter anderem Gold bei der Bundesweinprämierung und auf der Hong Kong Wine Challenge einbrachte, benötigte keine Schönung. Wir haben ihn kontrolliert vergärt, filtriert und sehr lange reifen lassen – erst im Mai wurde er abgefüllt. Er ist ein Geschenk der Natur im Glas.“ Peter Winter , proprietor, and Alf Ewald , estate manager and cellar master “We both love the same wine: a 2007 Hattenheimer Hassel, a dry Riesling Spätlese. What’s fascinating about this wine is its purity. It’s crystal clear, a picture of perfection, and has everything that a truly great Riesling needs. It also has an intriguing appeal: even people who don’t really like wine find this wine a pleasure to drink. How fortunate that 2007 was a good-sized vintage: we were able to produce a considerable quantity (20,000 liters) of this wine. Among other things, this exceptional wine took gold at Germany’s national wine competition and at the Hong Kong Wine Challenge. The wine didn’t need to be clarified. After a carefully controlled fermentation, it was filtered and then left to mature for several months – we didn’t bottle it until May. When poured, it’s like having a gift of nature in your glass.”
166 | 167 R heingau
Weingut Dr. Heinrich Nägler Tilbert Nägler
„Wenn der Hänger mit den Trauben in den Hof rollt, ich sie ansehe und probiere – das ist für mich der schönste Moment des ganzen Weinjahres. Da kann ich zum ersten Mal feststellen: So wird die Weinqualität sein. Das kann ja man nicht vorhersehen. Man schmeckt das Aroma, das man später im Wein findet. Sind die Rieslingtrauben gelb, zu grün oder sind sie mit Fäulnis behaftet? Wenn sie schön goldgelb sind, dann lacht mein Herz. Ich weiß nun: Aha, das war’s. Oder besser: Aha, das wird’s! Ich arbeite das ganze Jahr für diesen einen, kurzen, schönen Moment. Diesen Augenblick, die eigenen Trauben im Hof stehen zu sehen, kann mir niemand nehmen.“ “When the trailer with the grapes rolls into the courtyard, and I see them and taste them – that’s the most beautiful moment of the entire growing season for me. Then I can really determine what the quality of the wine will be like. You don’t know before then. You can literally taste the aromas that will come out later in the finished wine. Are the Riesling grapes yellow or too green or infested with mold? If they’re a nice golden yellow, then my heart sings. Now I know: aha, that’s it. Or better said: Aha, that’s what will be! I work the entire year for this one wonderful little moment. The moment when I can see that my grapes are in the courtyard. No one can take that away from from me.”
R heingau 168 | 169
Weingut Detlev Ritter und Edler von Oetinger Achim von Oetinger „Ich will die alten Wege nicht verlassen, aber dennoch mein Weingut behutsam modernisieren, um nach vorn zu gehen. Wir haben als erster Betrieb im Rheingau unsere Weine mit Schraubverschluss versehen. Ich wollte einfach keine Korken mehr. Mein Vater hat damals deswegen drei Wochen lang nicht mehr mit mir gesprochen. Er dachte, es wäre unser Ruin. Aber schon im ersten Jahr akzeptierten das 95 Prozent unserer Kunden. Ich muss Neues einfach ausprobieren, kann nicht nur die Theorie studieren und mich einlesen. Klar, so ist mir auch manches ziemlich schiefgegangen. Aber Spaß gemacht hat es immer. Und meistens hat es funktioniert.“ “I don’t want to abandon familiar paths, nevertheless I’m cautiously modernizing my wine estate in order to move forward. We were the first estate in the Rheingau to use screw caps. I simply didn’t want to use corks any longer. When I did this, my father didn’t speak to me for three weeks. He thought this would be our ruin. But even in the first year, we had a high level of acceptance. I can’t just study theories and read up on things – I have to try them out. Of course, I’ve made some mistakes. But it’s always been fun. And usually, things work out just fine.”
170 | 171 R heingau
Weingut Prinz Fred Prinz
„Ich liebe es, im Winter zu arbeiten. Ich genieße die völlige Ruhe, am besten nach dem ersten Schnee. Mit den Arbeiten, die ich in dieser Zeit mache, kommt eine innere Zufriedenheit. Ich genieße diese Momente, die Ruhe und die Natur. Wenn die Ernte eingebracht ist und im Keller gärt, dann kommt erst mal ein Bruch. Die gewaltige Anspannung lässt nach. Man fällt in ein Loch. Und beginnt, Ruhe zu finden. Die Kräfte richten sich nach innen. Wie draußen in der Natur.“
“I love to work in the winter. I enjoy the complete peace and quiet, particularly after the first snow fall. The tasks I accomplish during this time are personally satisfying. I enjoy these moments, the tranquillity, and nature. When the crop has been brought in and is fermenting in the cellar, there’s an initial break. Like falling into a hole. The enor mous tension lets up. Inner strength begins to renew, for man and nature alike.”
R heingau 172 | 173
Weingut Querbach Peter Querbach
„Ich habe mich durch das Weinbaustudium nicht verderben lassen. Hätte ich das erlernte Wissen eins zu eins im Betrieb angewendet, wäre unser Wein heute zwei Klassen schlechter. Das Handwerk ist nur die Eintrittskarte in den Beruf. Das Entscheidende aber ist das Feeling. Daher finde ich den Begriff ‚Weinmacher‘ sehr gut. Er muss das Gesamtkonzept überblicken. Er ist der Macher, der alle Disziplinen verzahnt, um am Ende guten Wein zu produzieren.“
174 | 175 R heingau
“I didn’t let my viticultural studies put a damper on my work at the wine estate. Had I put into practice everything I was taught, our wines would be far worse today. Wine making is a trade in which handcrafting is essential...and that’s only the admission ticket. What really counts is feeling. As such, I find the term ‘winemaker’ perfectly OK. The winemaker must have an overview of the complete concept. He or she is the per son who has to dovetail all the disciplines required to ultimately produce good wine.”
Schloss Reinhartshausen Walter Bibo
„Wein ist wie ein Kind. Als Winzer begleitet man seinen Wein von der Geburt über die Jugend ins Erwachsenenalter, manchmal bis ins Alter hinein. Es ist derselbe Prozess, den man an sich selbst erlebt, nur ist er meist kürzer. Unsere Trockenbeerenauslesen können allerdings so alt wie ein Mensch werden und auch im hohen Alter höchsten Spaß bereiten. Die Momente eines Wein-Lebens sind niemals wiederholbar. Das macht das Weinmachen zu einer Herausforderung: Mit jedem Jahr beginnt etwas ganz Neues. Es lässt sich nicht kopieren. Wein ist damit auch eine Selbsterfahrung.“ “Wine is like a child. As a wine-grower, one accompanies his or her wine from its birth through its youth to adulthood, and sometimes even beyond, to a ripe old age. It’s the same process that we experience ourselves, only it’s usually shorter. In terms of longevity, though, our Trockenbeerenauslesen can certainly match that of any human being and still offer great pleasure at an advanced age. The moments of a wine’s life can never be repeated. That’s what makes wine making such a challenge – with each vintage, something new begins. It can’t be imitated. As such, wine evokes self-awareness.”
R heingau 176 | 177
Weingut Balthasar Ress Christian Ress
„Im September 2009 feierten George Bush, Michail Gorbatschow und Helmut Kohl im Berliner Luxushotel Adlon den 20. Jahrestag des Falls der Mauer. Dabei wurde eine unserer 1989er Oestricher Doosberg Spät lesen geöffnet. Wir hatten den Wein damals ‚Die Mauer fällt‘ genannt und ein Künstleretikett mit einer Zeichnung der drei Politiker vor der eingerissenen Mauer verwendet. Er wurde für das Jubiläumsdinner ausge-
“In September 2009, George Bush, Mikhail wählt, weil die Veranstalter erfahren hatten, dass Helmut Gorbachev, and Helmlut Kohl celebrated the 20th anniversary of the fall of the Berlin Wall Kohl diesen Wein sehr bald nach der Veröffentlichung at the luxurious Adlon Hotel in Berlin. On this occasion a bottle of our 1989 Oestricher Doos kennengelernt und ihn über Jahre im Weingut nachberg Spätlese was opened. It was a wine that bestellt hatte. Mein Vater hatte am 9. November 1989 we had originally named ‘The Fall of the Berlin Wall’ and an artist label was commissioned. A beschlossen, als er während einer Verkostung vom second label, designed in 2009, depicted the Fall der Mauer erfuhr, die noch hängenden Trauben three politicians in front of the partially dis mantled wall. The wine was selected for the der Spätlese für eine besondere Gedenk-Edition zu anniversary dinner because the organizers had verwenden. So ist dieser Wein ein kleiner Teil eines learned that Helmut Kohl became acquainted with it shortly after the wall was torn down, ganz großen Ereignisses unserer Geschichte geworden.“ and for years thereafter reordered it from our estate. During a wine tasting on 9 Novem ber 1989, my father learned that the wall was coming down and he decided to use the Spät lese grapes still on the vine for a special com memorative edition of wine. As such, this wine became a little part of a major event in our history.”
178 | 179 R heingau
Domänenweingut Schloss Schönborn Paul Graf von Schönborn
„Seit 650 Jahren ist meine Familie in der Land- und Forstwirtschaft tätig und baut Wein an. Sie lebte viele Jahrhunderte lang hier am Rhein. Bereits 1349 ist der Besitz von Weinbergen urkundlich belegt und im 17. und 18. Jahrhundert kamen Lagen hinzu, die uns noch heute gehören und zu den besten des Rheingaus zählen. So verfügen wir über eine große Schatzkammer mit sehr alten Beständen. Die weltweit ältesten Flaschen eines trinkbaren Weißweins liegen noch dort, es ist Johannisberger vom Gräflich Schönborn’schen Eigenbau des Jahrgangs 1735. Im Jahre 1987 wurde eine dieser Flaschen für eine Rekordsumme versteigert. Beim Umkorken haben wir den Wein verkostet: Er erinnerte ein wenig an Sherry, zeigte Frucht, war noch immer intensiv aromatisch. Diese Tradition zu bewahren heißt für mich nicht nur zurückzublicken. Meine Familie und ich sind weltoffen, sprechen viele Sprachen und wohnen und arbeiten in ganz Europa. Eine meiner Devisen: Man sollte stets für Neues offen sein, um das Alte zu bewahren.“ “My family has been involved in agriculture and forestry, and cultivated vines, for 650 years. For many centuries, they lived here along the Rhine. The fact that they owned vineyards was documented as long ago as 1349, and in the 17th and 18th centuries, new vineyards were acquired that we still own today. They number among the finest in the Rheingau. As such, we have a large treasure chamber that houses a collection of very old wines. The world’s oldest bottles of white wine still fit for drinking are lying there, a Johannis berger from ‘Gräflich Schönborn’schen Eigenbau’ from the 1735 vintage. In 1987, one of these bottles was auctioned for a record sum. We tasted the wine when it was recorked: it was a bit reminiscent of sherry; it had fruit; and still had an intensive aroma. To me, preserving this tradition is more than merely looking back at the past. My family and I are cosmopolitan, speak many lan guages, and live and work throughout Europe. One of my mottos is: one should always be open to something new, in order to preserve the past.”
R heingau 180 | 181
Weingut Josef Spreitzer Bernd und Andreas Spreitzer
Bernd Spreitzer „Es ist sehr positiv, dass wir als Brüder zusammen arbeiten. Wir treiben
uns gegenseitig an. Wenn einer mal weniger Energie hat, kommt der andere und sagt: ‚Komm, auf geht’s!‘ Wir haben theoretisch getrennte Arbeitsbereiche. Jeder weiß, wo er morgens hinzugehen hat, aber im Lauf des Tages kommen wir so oder so zusammen.“ Andreas Spreitzer „Unsere Weine probieren wir immer zu dritt. Unser Vater spielt beim
Verkosten eines neuen Jahrgangs eine wichtige Rolle. Manchmal ist er das Zünglein an der Waage. Meistens fallen unsere Entscheidungen aber drei zu null aus. Diese jungen Weine zu verkosten – das ist meine liebste Tätigkeit. In unserer Küche stehen verdeckt 20 filtrierte Jungweine auf dem Tisch, um herauszufinden: Wie sind sie geworden? Welcher ist der Beste? Das finde ich einfach spannend.“ Bernd Spreitzer “We mutually benefit from working together as brothers. We urge each other on. When one of us runs out of energy, the other comes along and says ‘Come on … let’s get going.’ Theoretically, we are each responsible for separate tasks, and we know just where to go every morning. But in the course of the day, we inevitably end up together, one way or another.” Andreas Spreitzer “We always sample our wines as a trio. Our father plays an important role when we’re tasting a new vintage. Sometimes he’s the ‘tongue’ that tips the scale, but usually our impressions are unanimous. Sampling these young wines is my favorite activity. In our kitchen, there are 20 filtered young wines standing side by side, covered, on the table, so we can determine … how did they develop? … which is the best? I find it simply fascinating.”
182 | 183 R heingau
Hessische Staatsweingüter Kloster Eberbach Dieter Greiner „Unser Betrieb ist fast 900 Jahre alt. Wir sind seit über fünf Jahrhunderten das größte Weingut im deutsch sprachigen Europa. Tradition ist die Grundlage unseres Handelns, die Geschichte das Fundament. Dennoch muss man in der Zeit leben und arbeiten, in der man lebt. Wir machen aber auch immer wieder Weine mit traditionellen Methoden jenseits des Zeitgeistes. Trockenbeerenauslesen zum Beispiel. Edelsüße Weine sind eine uralte Klostertradition, sie sind ein Kulturgut. Wir haben lange Erfahrung mit traditioneller Produk-
“Our estate is nearly 900 years old. We’ve been the largest wine estate within German-speak ing Europe for more than 500 years. Tradition is Wir verfügen über eine riesige Schatzkammer mit einithe basis of our actions; history, its foundation. Nevertheless, we live and work in the present. gen zehntausend Flaschen. Die älteste Flasche stammt Yet we still continue to produce wine according aus dem Jahr 1706, ab Mitte des 19. Jahrhunderts reito traditional methods that are timeless. Trocken beerenauslese, for example. Lusciously sweet hen sich die Jahrgänge in ununterbrochener Reihenwines are an ancient monastic tradition, a cul folge. Wir können nachvollziehen, wie sich Weine beitural asset. From our extensive experience with traditional production, we can derive valuable spielsweise aus extremen Wettersituationen über die insight. We have an enormous treasure cham Jahrzehnte entwickelt haben. Uralte Tradition und wertber with tens of thousands of bottles. The old volles Erfahrungswissen kommen direkt zueinander. Das est dates from 1706; as of the mid-19th century, there’s an uninterrupted sequence of vintages. unterscheidet uns stark von den anderen Gütern.“ This enables us, for example, to see how wines produced in vintages subject to extreme weather conditions have developed over decades. Age-old tradition and know-how in tandem. It’s an asset clearly sets us apart from other estates.” tion und können daraus wertvolle Erkenntnisse ableiten.
R heingau 184 | 185
Schloss Vollrads Dr. Rowald Hepp
„Mich fasziniert an meinem Beruf, dass ich in drei aufeinanderfolgenden, sich nie wiederholenden Kreisläufen arbeite. Der erste ist der Zyklus der Weinberge. Im Winter scheinen sie nahezu tot zu sein, in der Blüte zeigen sie ihre volle Vitalität. Erst mit der Lese endet er. Anders als im Ackerbau folgt nun der zweite Zyklus: Die Verarbeitung des Mostes zu Wein. Nun laufen Prozesse ab, die sich zwar wissenschaftlich zum Teil erklären lassen, die man aber nicht bis ins Letzte steuern kann. Wenn die Gärung des Mostes dem Ende entgegengeht, kann ich sehen, ob dem pubertierenden Jungwein die Anlagen und Charakterzüge erwachsen sind, die ihn später zu einer Weinpersönlichkeit reifen lassen. Der dritte Zyklus ist die Vermarktung, der Kontakt zu den Menschen. Diese Zyklen starten jedes Jahr aufs Neue, und jedes Mal verlaufen sie anders. Es gibt keinen Gewöhnungseffekt.“ “What fascinates me about my profession is the fact that my work takes me through three consecutive, but never repetitious, cycles. The first involves the vineyards. In winter, they seem nearly dead; during blossoming, they show their full vitality – a phase that only comes to an end with the harvest. Viti culture, unlike general farming, involves a second cycle: vinifying the must into wine. During this phase, many processes take place that can scientif ically be explained to some extent, but can’t completely be controlled down to the last detail. When fermentation is nearing an end, I can see whether a pubescent wine possesses the nature and characteristics that will enable it to develop into a true wine personality. The third cycle involves marketing, the contact with people. Every year these cycles begin anew, and every year they take their own course. There’s never a dull moment.”
186 | 187 R heingau
Weingüter Geheimrat J. Wegeler Dr. Tom Drieseberg
„Inspiration bekomme ich vor allem von emotional geprägten Menschen, die einfach Spaß am Wein haben. Durch sie habe ich beispielsweise verstanden, dass wir uns selbst manchmal zu wichtig genommen haben. Denn wir machen Wein, der für sich selbst spricht. Unser Geheimrat J ist der dafür bekannteste. Er ist zwar vielschichtig und komplex, aber ganz simpel zu verstehen. Ohne Präsentation und Analyse. Trinken. Punkt.“
“I’m particularly inspired by emotionally driven people who simply enjoy wine. Thanks to them, I’ve learned that we sometimes took ourselves too seriously. After all, we produce wine that speaks for itself. Our ‘Geheimrat J’ is probably the best example. Despite its complexity, it’s actually quite accessible and easy to understand. Without fancy presentations and analyses. Simply drink and enjoy. Period.”
R heingau 188 | 189
Weingut Robert Weil Wilhelm Weil
„Für eine 1999er Kiedricher Gräfenberg Riesling Trocken beerenauslese Goldkapsel haben wir im Jahr 2000 einen Versteigerungspreis von 5 800 Mark je Flasche erzielt. Das war ein Weltrekordpreis für einen Wein aus aktuellem Jahrgang und für unser Weingut eine großartige Wertschätzung. Für eine 1921er Kiedricher Berg Auslese haben wir sogar 20 000 Mark bei einer Versteigerung bei Christie’s erreichen können. Doch sich auf solchen Erfolgen auszuruhen, entspricht nicht meinem Fühlen und Denken. Es sind für mich einzelne Ergebnisse, die wichtig für unser Weingut sind, die Schlagzeilen in den Medien
“In 2000, we fetched 5,800 Marks per bottle at auction for a 1999 Kiedricher Gräfenberg Riesling produzieren. Das ist alles gut und schön. Doch die EinTrockenbeerenauslese. It set a world record price zelleistung halte ich für nicht entscheidend. Das, was für for a wine from a current vintage, and was a tre mendous expression of esteem for our wine estate. mich zählt, ist das Ganze. Ein Mosaik ist nur dann schön, For a 1921 Kiedricher Berg Auslese we were even wenn wirklich jeder einzelne Stein sorgfältig gesetzt ist.“ able to achieve 20,000 Marks at a Christie’s auc tion. But to rest on the laurels of such successes is not my style. To me they’re individual achieve ments that produce headlines in the media, and that’s important for our estate. It’s all fine and good, but I don’t feel that individual achievements are decisive. What counts is the ‘whole.’ A mosaic is only beautiful once every individual stone has been set.”
190 | 191 R heingau
Domdechant Werner’sches Weingut Dr. Franz Werner Michel und Catharina Mauritz
Dr. Franz Werner Michel „In meinem früheren Beruf als Geschäftsführer des
Deutschen Weininstituts habe ich mich 35 Jahre lang um den Export deutscher Weine gekümmert. Da ist es naheliegend, es im eigenen Gut ebenfalls zu tun. So klein unser Weingut ist, so exportorientiert arbeiten wir. Bis zu 70 Prozent unserer Ernte verkaufen wir in 25 Staaten der Erde. Das hat zur Folge, dass ich selten Feierabend habe: Vor 18 Uhr brauche ich meine kalifornischen Partner nicht anzurufen, und in Hongkong muss ich vor 11 Uhr sämtliche Besprechungen erledigt haben.“ Catharina Mauritz „Wir sind ein winzig kleiner Global Player. Das Verkaufsteam
besteht aus meinem Vater, mir, und einer Halbtagssekretärin. Unsere globale Erfahrung ist: Die Weinwelt ist wie eine große Familie. Trotz aller Unterschiede haben viele Mitglieder dieselbe Wellenlänge. Die Weinbranche ist ein menschlich sehr angenehmer Wirtschaftszweig.“
Dr. Franz Werner Michel “In my former position as the managing director of the German Wine Institute I was responsible for promoting German wine exports for 35 years. I’m still involved with exports, but now it’s for my own estate. Despite the small size of our estate, we’re extremely export-oriented. We sell up to 70 percent of our production in 25 coun tries around the world. This makes for interesting working hours: from Germany, I can’t call my trading partners in California before 6:00 p.m., and in Hong Kong, all discussions have to be finished by 11:00 a.m.” Catharina Mauritz “We’re a microscopic global player. Our sales team consists of my father, me, and a part-time secretary. From our global experience we’ve learned that the world of wine is like one large family. Many of the ‘family’ members are on the same wavelength, despite all their differences. The wine business is a very humane, pleasant business to be in.”
R heingau 192 | 193
194 | 195 Nahe
Schlossböckelheim Kupfergrube
Nahe
Das Anbaugebiet Nahe nimmt mit rund 4 200 Hektar flächenmäßig zwar nur einen kleinen Anteil der deutschen Rebfläche ein, jedoch zählt es aufgrund der geologischen Vielfalt seiner Böden zu den interessantesten Regionen. Die Weinberge erstrecken sich vom südlichen Rand des Rheinischen Schiefergebirges bis in die romantischen Nahe-Seitentäler mit steil aufragenden Felsformationen und sattgrünen Hügeln. Der nahe Hunsrück schützt die Reben vor Kälte und extremen Niederschlägen. Das gut ausbalancierte Klima lässt hier exzellente Rieslinge, Weiß-, Grau- und Spätburgunder gedeihen.
With its 4 200 ha (10 300 acres), the Nahe is one of Germany’s smaller regions, yet one of the most interesting thanks to its geological diversity. The vineyards stretch from the southern edge of the Rhenish slate mountains into the Nahe’s romantic side valleys marked by bizarre rock formations and lush, green hills. The Hunsrück Hills afford the vines protection from cold winds and excessive rainfall. In all, Rieslings as well as red and white Pinots thrive in the wellbalanced climate.
Traisen Bastei
Nahe 196 | 197
198 | 199 Nahe
Die Reben stehen an der unteren Nahe meist auf Quarzit und Schiefer; an der mittleren Nahe auf Porphyr, Melaphyr und Buntsandstein, dazu finden sich bei Bad Kreuznach Verwitterungs böden aus Sandstein, Löss und Lehm. Die Bodenstruktur der oberen Nahe ist wiederum von Schiefer, Quarzit und Sandstein geprägt. In diesen Regionen entstehen brillante, langlebige Weine mit feiner Würze, Frucht und nachhaltiger Mineralität. Was deutschen Wein berühmt gemacht hat – an der Nahe kann man es schmecken.
Quartzite and slate predominate in the lower Nahe; porphyry, melaphyre, and colored sandstone in the central valley, including weathered sandstone, loess, and loam near Bad Kreuznach; and slate, quartzite, and sandstone in the upper Nahe. From these diverse soils come brilliant, longlived wines with a fine spiciness, fruit, and lasting mineral tones. All that has made German wine famous can be tasted in the Nahe.
Dorsheim Goldloch
Weingut Dr. Crusius Dr. Peter Crusius
„Beim Weißburgunder habe ich eine Richtung herausgearbeitet, die völlig eigenständig ist und unser Terroir abbildet. Diese Stilrichtung ist zunächst in meinem Kopf entstanden. Ich habe über 20 Jahre lang an diesem Stil gearbeitet und ihn weiterentwickelt. Die Natur hat mich genau da hingeführt, wie ich es mir vorgestellt habe. Das gibt mir eine ganz persönliche Zufriedenheit.“
200 | 201 Nahe
“With Weissburgunder, I worked out a style that is completely independent and that truly reflects our terroir. It was an idea I toyed with at first. In the meantime, I’ve spent 20 years refining and further developing this style. Mother Nature led me precisely to the point that met my expectations. This has given me great personal satisfaction.”
Schlossgut Diel Armin und Caroline Diel
Armin Diel „Der Jahrgang 1990 spielte für mich eine Schlüsselrolle.
Nachdem wir in den 80er-Jahren ausschließlich trockene Weine abgefüllt hatten, bescherte uns die Natur damals erstmals auch eine Reihe feinfruchtiger Prädikatsweine. In den Folgejahren entwickelte sich ein Weinstil, der von manchem als burgundisch bezeichnet wurde. Im Fokus standen Weine, die zugleich konzentriert und gehaltvoll waren. Nachdem Caroline von ihren Lehr- und Wanderjahren nach Burg Layen zurückkehrte, zeigen die Rieslinge aus den Dorsheimer Spitzenlagen noch mehr Mineralität und Eleganz. Es ist unser Anliegen, die Typizität unserer Weine feinfühlig zu perfektionieren.“ Caroline Diel „Bevor ich 2006 nach Hause kam, konnte ich in
Deutschland, Österreich, Frankreich und Neuseeland wertvolle Erfahrungen sammeln und meinen Horizont erweitern. Gleich im ersten Jahr übernahm ich die Verantwortung für die Traubenlese, und die fiel nach starken Regenfällen Ende September ziemlich hektisch aus. Für den Pinot Noir, der meinen Namen trägt, entrappten wir erstmals die Trauben von Hand und vergoren die Maische in einem offenen Holzbottich. Der Wein hat sich wunderbar entwickelt! Besonders wichtig ist mir, dass sich das jeweilige Terroir in den Weinen widerspiegelt. Es macht mich glücklich, wenn Weinkenner sagen: ‚Klar, das ist ein Riesling aus dem Burgberg vom Schlossgut Diel‘.“
Armin Diel “Vintage 1990 played a key role in the future of our estate’s portofilio. During the 80s, we exclusively produced dry wines. In 1990, for the first time, Mother Nature blessed us with a series of Prädikat wines with a fine fruitiness. In the years that followed, a wine style developed that some described as being Burgundian. The focus was on wines that were both full-bodied and concentrated. Since Caroline has returned to Burg Layen after years of training and traveling, the Rieslings from our top sites in Dorsheim are even more elegant and richer in minerals. Our goal is to subtly perfect the typicity of our wines.” Caroline Diel “Before returning home in 2006, I was able to broaden my horizons and gain valuable experience in Germany, Austria, France, and New Zealand. In my very first year, I assumed responsibility for the harvest. It was fairly chaotic, thanks to heavy rain in late September. For the Pinot Noir that was to bear my name, we stemmed by hand for the first time, and fermented the mash in open wooden vats. The wine developed beautifully! It was especially important to me that each wine reflect its particular terroir. I’m happy when connoisseurs confirm this with remarks like: ‘It’s clearly a Schlossgut Diel Riesling from the Burgberg site.’”
Nahe 202 | 203
Weingut Dönnhoff Helmut und Cornelius Dönnhoff
Helmut Dönnhoff „Unser bester Weinberg, die Hermannshöhle, ist nicht nur eine
legendäre Lage mit einer langen Geschichte. Von dort aus habe ich einen wunderbaren Blick ins Tal. Im benachbarten Felsenberg dagegen ist es romantischer. Dort steht unser Felsentürmchen: ein kleines Schlösschen, erbaut an einer äußerst reizvollen Stelle. Hier kann man wunderbar die Abendsonne genießen und träumen. Dort ist für mich die Vergangenheit spürbar, und mir wird bewusst, dass meine besten Weine von Reben stammen, die mein Vater oder mein Großvater gepflanzt haben. Wenn ich an die Lebensdauer der Reben denke, die ich heute pflanze, weiß ich: Die besten Weine daraus werden wohl nach meiner Zeit produziert werden.“ Cornelius Dönnhoff „Diese Weine werde ich ernten und habe dann vielleicht die
gleichen Gedanken wie mein Vater. Mein Vater und ich sind Individualisten. Ich arbeite auch sehr gerne im Keller. Dort kann ich in Ruhe meine Ideen verwirklichen.“ Helmut Dönnhoff “Our best vineyard, Hermannshöhle, is a legendary site with a long history. From its heights, I have a wonderful view into the valley. The neighboring site, Felsenberg, is more romantic. On a charming spot in the midst of the vines, there’s a little castle, the Felsentürmchen – a perfect place to enjoy the last rays of sun, or simply dream. Here’s where I sense the past and realize that my best wines come from vines planted by my father or grand father. When I think about the life span of the vines I plant today, I know that they will yield the finest wines well after my time has come.” Cornelius Dönnhoff “I’ll harvest those wines some day, and perhaps my father’s thoughts will run through my mind. My father and I are individiual ists. I really enjoy working in the cellar, where I can take the time to put my own ideas into practice.”
204 | 205 Nahe
Weingut Emrich-Schönleber Frank Schönleber
„Die Zeit zwischen Mitte Oktober und Anfang November ist für mich besonders faszinierend. Nun beginnen die Moste sich in Wein zu verwandeln, der spezielle Geschmack des Jahrgangs nimmt ganz langsam Gestalt an. Ich bin oft erstaunt, welch starke Wein-Charaktere sich hier schon in den ersten Tagen zu entwickeln beginnen. Wenn ich dann mit meinem Vater über den Verlauf der Gärung spreche, fallen unsere Einschätzungen meist sehr ähnlich aus. Glücklicherweise stimmen unsere Ansichten über Qualität überein und wir haben die gleichen Vorstellungen, wie ein Schönleber-Wein schmecken soll. Wenn ich etwas an unserem Weinstil ändern sollte – ich wüsste nicht recht, was. Das Leichtfüßige, Verspielte unserer Weine ist uns beiden sehr wichtig.“ “I find the time between mid-October and early November particularly fascinating. It’s when the grape musts begin to turn into wine and the special aromas of a vintage slowly begin to take shape. I’m often astonished that the wines can start to develop such pronounced characteristics even in the first days of their lives. When my father and I discuss how fermentation is proceeding, our impressions are usually quite similar. Fortunately, we also share the same views about qual ity and about how a Schönleber wine should taste. I see no need to make any changes in our wine style. We both treasure the lighthearted, playful nature of our wines.”
Nahe 206 | 207
Gut Hermannsberg Jens Reidel, Oliver Müller, Karsten Peter
Jens Reidel „In unserer Schatzkammer hängt der alte preußische Adler aus den Zeiten, als das Gut noch
eine Staatsdomäne war. Die bewegte Geschichte von Gut Hermannsberg, seine Tradition, das Potenzial der Lagen sowie die wunderschöne Lage an der mittleren Nahe und das Gutshaus inmitten der eigenen Weinberge: All das macht dieses Gut so einzigartig. Zudem habe ich in dieser Region einige Jahre meines Lebens verbracht und habe an diesem Ort nun meine Wurzeln geschlagen. So eine Konstellation findet man nur einmal.“ Karsten Peter „Jeder Weinberg hat seine eigenen Bedürfnisse. Als Kellermeister habe ich zwar eine
Idee, wie mein Wein sein soll, aber letztlich gibt der Weinberg vor, wie man zu handeln hat und wie man den Wein während des Ausbaus begleitet. Die Natur macht alles richtig. Man muss nur die richtigen Schlüsse aus ihren Vorgaben ziehen. Wer dabei am wenigsten Fehler macht, produziert guten Wein.“ Oliver Müller „Wenn man keinen guten Wein produziert, kann man im Verkauf wenig erreichen.
Wenn man tollen Wein hat, aber in der Außendarstellung nicht gut ist, wird man auch wenig erreichen. Ich will das, was die Natur erschafft, transportieren und in Sprache oder Bilder übersetzen. Das genügt.“ Jens Reidel “The old Prussian eagle still hangs in our treasure chamber – a reminder of the days when the estate was a state-owned domain. The eventful history of Gut Hermannsberg, its tradition, the potential of its sites, the estate manor in the midst of its own vineyards, as well as the overall beautiful setting in the heart of the Nahe Valley all make the estate so unique. While I’ve spent several years of my life in the region, I’ve decided to put down roots right here. It’s a constellation found only once in a lifetime.” Karsten Peter “Every vineyard has its own needs. As the cellar master, I might have an idea of how I’d like my wine to turn out, but in the end, the vineyard dictates what needs to be done and what approach to take as a wine develops. Nature calls the shots – you simply have to heed them and draw the right conclusions. He or she who makes the fewest mistakes produces good wine.” Oliver Müller “If you don’t produce good wine, you won’t go far in sales. Those who produce good wine, but don’t present it well, won’t go far either. My goal is to use words or graphics to convey what nature created. That suffices.”
208 | 209 Nahe
Weingut Kruger-Rumpf Georg und Stefan Rumpf
Stefan Rumpf „Ich liebe die Abwechslung in meinem Beruf. Ich
könnte mir nie vorstellen, nur der Verkäufer zu sein, nur der Keller meister oder nur der Mann im Weinberg. Ich liebe die Kombination aus allen drei Bereichen. Wo ich wann bin, das bestimme nicht ich, sondern die Jahreszeit. Im Herbst bin ich meist im Keller. Da ist es mir egal, wie viele Stunden ich arbeite und dass ich abends todmüde ins Bett falle. Das macht mir einfach Spaß – ebenso wie der Zeitpunkt, an dem unsere Weine so klar sind, dass man sie richtig probieren kann. Ich liebe es, wenn die Weine aufgereiht in unserer Probierstube stehen und ich schauen kann, wohin sie sich entwickeln.“ Georg Rumpf „Im Hintergrund gibt mir mein Vater noch immer
ein wenig Rückhalt. Sehr froh über seine Unterstützung war ich bei meiner ersten eigenen Lese. Da fällt man sofort ins kalte Wasser. Entweder du schwimmst dann oder du gehst unter. Das Schwimmen hat gut geklappt. Wer behauptet, die erste Lese sei ein Kinderspiel, der übertreibt. Ich finde es wunderbar, dass die Weinlese nie zur Routine wird. Irgendetwas ist immer anders, kommt ungeplant dazwischen oder entwickelt sich viel besser als erwartet. Mittler- weile bin ich ein recht versierter Schwimmer geworden.“
Stefan Rumpf “I love the diversity of my profession. I could never imagine being only the salesman or only the cellar master or only the one tending the vines. I love the combi nation of all three realms. The timing of my whereabouts depends on the season of the year. In autumn, I’m mostly in the cellar. I work as long as it takes, even if it means fall ing into bed dead tired. I simply enjoy it – just as much as the point in time when the wines are clear enough to really sample them. I love it when the wines are set up in a row in our tasting room and I can see the direction in which they’re developing.” Georg Rumpf “My father’s still there in the background offering support. I was especially grateful for this during the first harvest on my own. It’s like being thrown into cold water. Sink or swim. I managed to swim pretty well. Anyone who claims that the first harvest is child’s play is exaggerating. I think it’s wonderful that the harvest is never a routine. There’s always something different or some thing unexpected happens or things go better than expected. In the meantime, I’ve become a fairly experienced swimmer.”
Nahe 210 | 211
Weingut Prinz Salm Constantin Prinz zu Salm-Salm
„Heimat – das sind meine Familie und Wallhausen. Unsere beste Lage ist der Wallhäuser Johannisberg, der sehr steil ist und aus Rotem Schiefer besteht. Wo sein Hang ausläuft, beginnt Wallhausen, und man sieht unser Schloss, in dem vier Generationen unter einem Dach leben: meine Großeltern, meine Eltern, mein Bruder, ich mit meiner Frau und meiner Tochter. Unser Wohnzimmer liegt genau über dem Gärkeller und der Schatzkammer. Ich blicke oben vom Johannisberg in den Garten meiner Großeltern, sehe auf der Westseite uralte Rebstöcke. In dieser Richtung schaue ich bis nach Bad Kreuznach und in die Rheinebene. Die Winzer im Ort, die Weinberge, der Wald, das Schloss, das Dorf: Alles, was mir lieb ist, kann ich von dort aus sehen. Mit neun Jahren bin ich mit einem Erwachsenen im Auto die steile Serpentinenstraße hinunter nach Wallhausen gefahren und habe gerufen: ‚Das ist der schönste Ort der Welt!‘ Ich lebe dort wirklich sehr, sehr gerne.“ “My family and Wallhausen – that’s ‘home’ to me. Our best site is Wallhäuser Johannisberg, a very steep vineyard of red slate. Its slope tapers off at the edge of Wallhausen, and our castle comes into view. Four generations live here under one roof: my grandparents, my parents, my brother, and my wife, daughter, and I. Our living room lies directly above the fermentation cellar and treasure chamber. From the heights of Johannisberg, I can see my grand parent’s garden, and to the west, ancient vines. It’s a view that extends all the way to Bad Kreuznach and the Rhine plain. In fact, everything that I love, can be seen from here: the local growers, the forest, the castle, the village. One day, during a downhill ride on the winding road into Wallhausen, I cried out: ‘That’s the most beautiful place on earth!’ – I was nine years old at the time. My feelings haven’t changed. It’s my home.”
212 | 213 Nahe
Weingut Schäfer-Fröhlich Tim Fröhlich
„Ich bin des Öfteren in Österreich, habe dort viele Freunde und Bekannte. Wir tauschen uns aus über unsere Weinstile und Weinbautechniken. So ein lockerer Austausch untereinander ist wichtig. So sehe ich, wie unter ähnlichen Anbaubedingungen mit anderen Ansätzen in die gleiche Richtung gedacht wird. Das finde ich inspirierend. Anfang der 90er-Jahre reiste ich das erste Mal nach Österreich. Damals beeindruckten mich vor allem die Winzer kollegen in der Wachau mit ihren top-trockenen Smaragdweinen. Dort war man gedanklich viel weiter als wir. Denn meine Freunde verwendeten nur die allerbesten Trauben für die trockene Produktion, sie verringerten deutlich die Erträge und haben der Natur mehr freien Lauf gelassen. Das war für mich ein Schlüsselerlebnis und hat mein Selbstverständnis als Winzer geprägt: Ich muss spüren und wissen, wo und wie meine Reben wachsen. Ich kann nur große Weine machen, wenn ich im Weinberg arbeite.“ “I’m in Austria fairly often, where I have many friends and acquaintances. We enjoy informally exchanging views on our wine styles and viticultural condi tions – it’s important. Our thinking and wine-growing conditions are similar, yet our approaches are different. I find it inspiring. My first trip to Austria was in the early 90s. I was particularly impressed by my colleagues in the Wachau and their top, dry Smaragd wines. They were far ahead of us in their thinking. For example, my friends used only the very best grapes to produce dry wines; they considerably lowered yields; and they gave nature more free rein. It was a key experience for me and stamped by self-image as a wine-grower. I have to sense and know where and how my grapes grow. I can only make great wines through my work in the vineyard.”
Nahe 214 | 215
Weingut Tesch Dr. Martin Tesch
„Wir sind spezialisiert auf trockenen Riesling, und unser bekanntester Wein ist der Riesling Unplugged, der nur 2 Gramm Restzucker enthält. Entstanden ist er Ende der 90er-Jahre. Damals kamen Techniken nach Deutschland, die für die Hitze der Neuen Welt entwickelt worden waren. Dadurch hat sich der Weinstil verändert: fruchtiger und schrittweise immer süßer. Das war für mich seltsam. Ein Riesling braucht Ecken und Kanten, manchmal sogar Gräten. Das ist nicht ‚easy drinking‘. Also hatten wir die Idee, die Rohware Riesling einfach unverändert abzufüllen. Keine Eiche, kein Chaptalisieren, gar nichts. Sein Erfolg hat das ganze Weingut verändert. Für viele Leute war das aber ein Schock: ein deutsches Traditionsgut, ein englisches Rock-’n’-Roll-Wort, ein Bauhaus-Etikett in schwarz. Doch es war gut, es zu machen. Heute sind 90 Prozent meiner Ernte trockener Riesling.“
“Dry Riesling is our specialty, and our best-known wine is ‘Unplugged,’ a Riesling with only two grams of residual sugar per liter. It was created at the end of the 90s. Back then, winemaking techniques designed for the warm climates of the New World had made their way to Germany, and with them, a gradual change in wine style to sweeter and sweeter wines. I found that strange. A Riesling wine needs rough edges, sometimes even sharp edges. It’s not ‘easy drinking.’ So, we came up with this idea of simply bottling our Riesling in its ‘raw’ state. No oak, no chaptalization, nothing. Its success turned our estate upside down. For many, though, it was a shock: one of Germany’s traditional wine estates, an Englishlanguage rock-and-roll term, a Bauhaus-style label in black. But it was a good idea to do this. Today, 90 percent of my production is dry Riesling.”
216 | 217 Nahe
218 | 219 R heinhessen
Siefersheim Heerkretz
Rheinhessen
Nierstein Roter Hang
220 | 221 R heinhessen
Sanftes Hügelland, steile Terrassen und der Rhein prägen Deutschlands größtes Anbaugebiet. Rheinhessen verfügt über rund 26 500 Hektar Rebland, das an seiner Nord- und Ostseite vom Rhein eingefasst wird. Die Nahe markiert die westliche Grenze, der Süden und Südwesten geht ohne Hindernis über in die Pfalz. Die Niersteiner Lagen mit ihren Rheinterrassen erbringen exzellenten Riesling. Hier befindet sich mit der Glöck auch die älteste Lage Deutschlands, die bereits 742 n. Chr. urkundlich erwähnt wurde.
Rolling hills, steep terraces, and the Rhine mark the landscape of Germany’s largest wine- growing region. The region’s ca. 26 500 ha (nearly 65 300 acres) of vineyards are bordered by the Rhine to the north and east; the Nahe River in the west; and in the south, Rheinhessen seamlessly adjoins the Pfalz. The Rhine terraces of Nierstein are known for excellent Riesling. This is also the home of “Glöck,” Germany’s oldest documented vineyard site (AD 742).
In den drei rheinhessischen Bereichen Bingen im Nordwesten, Nierstein im Nordosten und Wonnegau im Süden gedeihen neben Riesling vor allem Silvaner, Müller-Thurgau sowie bester Grau- und Spätburgunder. Auch im landwirtschaftlich geprägten Hügelland mit weiten Aus blicken entstehen vor allem auf den kalkhaltigen Terroirs Weine von hoher internationaler Reputation. Die Böden der Region zwischen Rheinufer und weitem Hügelland bestehen aus Löss, Sand, Mergel, Kalkstein, Ton, Rotliegendem, Braunerde, Quarz und Porphyr. Sie alle geben dem Wein einen individuellen Charakter. Seine rheinhessische Tradition verleugnet er dennoch nie.
In addition to Riesling, Müller-Thurgau as well as excellent Pinot Gris and Pinot Noir thrive in all three districts of the region (Bingen in the northwest; Nierstein in the northeast; and Wonnegau in the south) – as does Rheinhessen’s traditional varietal Silvaner. Particularly the chalky terroirs in the vast expanses of rural, hilly countryside around Alzey yield wines of high international standing. This area extending from the hills to the banks of the Rhine boasts a broad range of soils: loess, sand, marl, limestone, clay, Rotliegend, brown earth, quartz, and porphyry. These varied soils, inherent to the region’s terroirs, contribute to the individual character of traditional Rheinhessen wines.
Worms Liebfrauenstift Kirchenstück
R heinhessen 222 | 223
Battenfeld Spanier Hans Oliver Spanier
„Ich habe mit 19 Jahren meinen ersten Wein, einen Riesling, produziert. Damals hatte ich das Gefühl: Dein Weg wird noch sehr weit sein. Ich hatte die Qualität klar im Kopf, aber noch nicht in der Flasche. Es dauerte über 15 Jahre, um meinen Stil zu finden. Denn ich wollte Dinge tun, die außergewöhnlich sind. So entwickelte sich die Erkenntnis, dass Frucht nur Schein vermittelt, und dass das Sein des Weins vom Stein her kommt. Ich will nichts Gefälliges, nichts Langweiliges machen. Mein Wein braucht Ecken und Kanten, auch wenn ihn die Öffentlichkeit nicht versteht. Er darf nie so schmecken wie einer, den es bereits gibt. Das ist mein Antrieb. Ich habe mit 3,5 ha Weinbergen in mise rablem Zustand angefangen. Ich musste mir ihre Quali- tät hart erarbeiten. Ich war besessen von besten Lagen. Nun habe ich meinen Stil gefunden. Doch das Potenzial des Wonnegaus ist noch nicht ausgeschöpft. Da ist viel mehr drin. Weinmachen ist wie ein Mosaik. Ein paar Steinchen fehlen immer.“
“I produced my first wine, a Riesling, when I was 19 years old. Back then I had the feeling that there was a long way to go. I knew what I wanted to achieve but wasn’t yet able to express my vision of quality in the bottle. It took me 15 years to find my style, for I wanted to accom plish something exceptional. I came to realize that fruit imparts only an illusion; the soul of a wine comes from stone. I don’t want to pro duce something non-descript or boring. My wine needs rough edges, even if the public doesn’t understand. It should never taste like some thing that already exists. This is my incentive. I started out with 3.5 hectares (ca. 8.5 acres) of run-down vineyards. I had to work hard to get them into shape. I was obsessed with top sites. In the meantime, I’ve found my style. The full potential of the Wonnegau district has yet to be tapped. It has latent wealth. Winemaking is like a mosaic. A few stones have yet to be found.”
R heinhessen 224 | 225
Weingut Brüder Dr. Becker Lotte Pfeffer-Müller und Hans Müller
Hans Müller „Als wir uns fürs Weinmachen entschieden haben, war das die Begeis-
terung für eine Lebensform. Die Liebe zum Wein kam bei uns in dem Moment, als wir damit lebten, als wir unseren ersten Wein gemacht haben.“ Lotte Pfeffer-Müller „Das Weinmachen hat mich schon als Schülerin fasziniert.
Während der Lese habe ich oft den Unterricht geschwänzt, weil ich lieber zu Hause helfen wollte. Als ich dann die erste Anerkennung für meine biologisch angebauten Weine bekam, fand ich das wunderbar und dachte mir: ‚Toll, dass ich mit Wein zu tun habe und nicht mit Kartoffeln.‘ Denn vor meinem Studium in Geisenheim habe ich eine Agrarlehre gemacht und wollte Landwirtin werden.“ Hans Müller “When we made the decision to become winemakers, it was our enthusiasm for a way of life. Our love of wine came to us just at that point in our lives when we made our very first wine.” Lotte Pfeffer-Müller “Winemaking fascinanted me even as a school girl. During the harvest, I often played hooky because I was more inter ested in helping out at home than in going to school. When I first received recognition for my organic wines, I thought it was simply wonderful and said to myself: I’m so glad that I’m involved with wine and not potatoes. How ironic … before my viticultural studies in Geisenheim, I had done an agricultural apprenticeship and wanted to be a farmer.”
226 | 227 R heinhessen
Weingut K. F. Groebe Friedrich Groebe
„1988 habe ich meine erste Trockenbeerenauslese gemacht. Sie hatte alles, was ein konzentrierter Wein braucht. Aber es fehlten die animierenden Aromen. Auch nach zwei Jahren war der Wein noch immer völlig verschlossen. Da hatte ich ihn schon abgeschrieben. Zehn Jahre später besuchte mich ein schwedischer TV-Journalist. Dieser fragte mich am Ende des Drehtags, der mit einer Weinprobe endete, ob ich auch einen edelsüßen Wein hätte. Da fiel mir mein 88er wieder ein. Ich erzählte von meiner großen Enttäuschung im Keller, was meinen Besucher neugierig machte. Also holte ich eine Flasche – und der Wein war grandios! Das war ein wunderbares Erlebnis: mein erster Jahrgang, ein kratzbürstiger Jungwein, der mich zehn Jahre später völlig überraschte. Denn er hatte sich zu einem absoluten Ausnahmewein entwickelt. Das war wie beim hässlichen Entlein, aus dem ein schöner, stolzer Schwan wird.“
“In 1988, I made my first Trockenbeerenauslese. It had everything a concentrated wine needs. But it lacked a lively aroma. Even two years later, the wine was still completely closed. I had already written it off. Ten years later, a Swedish TV jour nalist visited me. At the end of a day of filming, which had officially concluded with a wine tast ing, he asked whether I had a lusciously sweet wine. The only thing that came to mind was the wine of 1988. In the cellar, I told him how dis appointed I was with that wine … this, of course, piqued his curiosity. So, I fetched a bottle – and the wine was superb! What a wonderful expe rience: my first vintage, a brusque young wine that completely surprised me ten years later. In the meantime, it had developed into an abso lutely exceptional wine. It was comparable with an ‘ugly duckling’ that had grown into a beauti ful, proud swan.”
R heinhessen 228 | 229
Weingut Gunderloch Agnes Hasselbach
„Im Jahr 1970 feierten meine Großeltern goldene Hochzeit. Zu diesem Anlass holten sie zwei Flaschen einer 1921er Rothenberg Trockenbeerenauslese aus dem Keller. Als die Gäste gegangen waren, durften wir Teenager die Reste aus den Flaschen probieren. Es war der erste Jahrgang, den meine Großeltern gemeinsam ausgebaut hatten. Mich faszinierte es sehr, dass ein Wein, der fast 50 Jahre alt war, noch so wunderbar geschmeckt hat. Noch heute kann ich mich genau an diesen Geschmack erinnern, habe ihn auf der Zunge. Dieses Schlüsselerlebnis hat mich damals dazu veranlasst, mich intensiv mit Wein zu beschäftigen. Heute ist er mein Beruf. Mein Mann und ich leiten das Weingut in fünfter Generation.“
230 | 231 R heinhessen
“In 1970, my grandparents celebrated their golden wedding anniversary. To celebrate the occasion, they fetched two bottles of a 1921 Rothenberg Trockenbeerenauslese from the cellar. When the guests had left, we teenagers were allowed to taste what was left in the bottles. It was the first vin tage that my grandparents had produced together. I was quite fascinated that a wine nearly 50 years old still tasted so wonderful. Even today I can remember this taste precisely … it’s still on my tongue. This crucial event was the impetus that led me to become completely involved with wine. Today it’s my profession. My husband and I are the fifth generation of the founding family to run the estate.”
Weingut Gutzler Michael Gutzler
„Seit ich sechs Jahre alt war, wollte ich Winzer werden. Es war mein Kindheitstraum. Mit elf Jahren durfte ich im Keller am Wein riechen und ein wenig probieren. Mit 15 Jahren begann ich, mich ernsthaft mit Wein zu beschäftigen. Seit damals gehe ich gern und oft zu Proben. Schon als Jugendlicher habe ich ziemlich gezielt verkostet. Um viel kennenzulernen, meinen Erfahrungsschatz zu erweitern. So habe ich den Pinot Noir lieben gelernt und mich darauf spezialisiert. Riesling zu machen ist spannend, aber der Pinot Noir gelingt mir einfach besser. Mein bislang bester Wein ist der 2007er Morstein Spätburgunder Großes Gewächs. Er ist ein typischer Pinot Noir, aber mit Herz und Seele. Er hat eine feine Säure, vielfältige Frucht aromen, Gewürznoten, er ist dicht, komplex und sehr konzentriert. Er altert perfekt. Besser geht’s für mich nicht. Und es ist der beste Wein aus dem Geburtsjahr meines Sohnes.“ “I wanted to be a wine-grower since I was six years old. It was my childhood dream. When I was eleven, I was allowed to smell the wines in the cellar and sample a bit. At age 15, I had my first serious encounters with wine. Since then, I’ve enjoyed going to tastings often. Even as an adolescent I tasted wine very deliberately. I wanted to become familiar with as much as possible, broaden my overall experience. This is how I came to love Pinot Noir and specialized in it. Making a Riesling wine is fascinating, but I feel I’m more successful with Pinot Noir. Up to now, my best wine is a 2007 Morstein Spät burgunder Grosses Gewächs. It’s a typial Pinot Noir, but with heart and soul. It has a fine acidity, a wealth of aromas, and spicy notes. It’s compact, complex, and very concentrated. It’s aging beautifully. Can things get any better? It is also the finest wine of the vintage in which my son was born.”
R heinhessen 232 | 233
Weingut Keller Klaus-Peter und Julia Keller
Klaus-Peter Keller „Wenn ein richtig großer Wein im Glas ist, entsteht nach dem
ersten Schluck eine lange Stille. Denn er berührt die Menschen. Man muss das Erlebnis verarbeiten, bevor man anfängt zu sprechen. Einem großen Wein kann man mit Worten nicht gerecht werden.“ Julia Keller „Die jungen Weine im Keller probieren wir alle zusammen. Drei Genera
tionen – die Großeltern, die Eltern und wir beide – bestimmen gemeinsam, was aus ihnen werden soll. Alle verkosten, alle sagen ihre Meinung, alle entscheiden mit. Unser zwölfjähriger Sohn arbeitet mit einer kleinen Korbpresse nun an seinem dritten Jahrgang. Seine ganze Schulklasse kommt mit 24 Kindern zum Ernten, er presst den Most – und dann gibt’s für alle Traubensaft zu trinken.“ Klaus-Peter Keller “When a truly great wine is poured, there’s a long pause after the first sip. Then it reaches out to people. You have to digest that first moment before saying a word. Even so: words cannot do justice to a fantastic wine.” Julia Keller “We sample all of the young wines in the cellar together. Three generations – our grandparents, parents, and my husband and I – jointly taste, share opinions, and decide how to proceed. Our twelve-yearold son, who works with a little basket press, has already been involved during three vintages. His entire school class of 24 all come to help harvest; our son presses the grapes; and everyone gets a glass of fresh grape juice.”
234 | 235 R heinhessen
Kühling-Gillot Carolin Spanier-Gillot
„Wir verstehen uns als Steinwein-Produzenten. Wir wollen den Stein, auf dem die Reben gewachsen sind, in den Wein bringen. Unsere Kunden sollen eine Flasche aufmachen und Rheinhessen schmecken. Das ist mein wichtigstes Ziel.“
“We like to think of ourselves as producers of ‘stone’ wines. We strive to convey the distinctive aromas imparted by the stones in the soil to the finished wine. Our customers should open a bottle and clearly taste Rheinhessen. That’s my most important goal.”
R heinhessen 236 | 237
Weingut J. Neus Ulrich Burchards
„Der Begriff Jahrhundertjahrgang trifft für mich auf unseren Spätburgunder des Jahres 2003 zu. Viel Alkohol, wenig Säure – das ist nicht das, was man für Weißwein braucht. Es macht aber den Rotwein aromatisch stark und haltbar. 2006 haben wir das 125-jährige Bestehen unseres Weinguts gefeiert. Den Jubiläumswein, in limitierter Auflage mit nummerierten Flaschen, haben wir aus dem besten Fass des Jahres 2003 gefüllt. Ich fühlte
“If I were asked to name a ‘vintage of the century,’ mich dabei meinem Urgroßvater verpflichtet, dem Grün- our 2003 Spätburgunder would come to mind. Considerable alcohol and little acidity are not the der des Guts. Er hat das Gut mit seinen Händen erbaut, hallmarks of a good white wine, but they make for a particularly aromatic red wine with aging hat gewaltige Gewölbekeller unter allen Gebäuden potential. We celebrated the 125th anniversary of errichtet und sie miteinander verbunden. Einfach be- our wine estate in 2006. For our jubilee wine we selected the best cask of vintage 2003 and bottled eindruckend. Wie dieser Wein.“ it as a limited edition of numbered bottles. I felt obligated to my great-grandfather, the founder of our estate, to do so. He had built the estate with his own two hands, including huge vaulted cellars beneath every building, yet connected with one another. Truly impressive. Like this wine.”
238 | 239 R heinhessen
Weingut Rappenhof Klaus Muth und Karin Brückner-Muth
„Der Ursprung unseres Winzerhofs geht auf das Jahr 1604 zurück. Unter unseren Vorfahren befanden sich auch namhafte Kommunal- und Landespolitiker. Aber neben unserer Familientradition war uns eines immer sehr wichtig: Wir achten den Boden, von dem wir leben und der uns ernährt. Deshalb bewirtschaften wir ihn so, dass es ihm gut geht. Denn dann geht es auch uns Winzern gut. So schlicht und einfach lautet die Philosophie unserer Arbeitsweise, und die wollen wir auch an unsere Kinder Alexander und Elisabeth weiter geben. Wir beide möchten gute Vorbilder sein – als gegenwärtige Generation und als Eltern, aber auch als Winzer im Umgang mit dem Wein. Schließlich ist er eines der wertvollsten Geschenke, die die Natur uns überreicht.“ “The origin of our wine estate goes back to 1604. Numerous ancestors were also highly regarded local and state politicians. In addition to our family tradition, one thing has always been especially important to us: we treat our soils with great respect. They are the source of our living, our means of support. As such, we cultivate them in a manner that fosters their wellbeing. If the soils are in good shape, then so are we wine-growers. That’s our modus operandi in a nutshell, and a philosophy that we want to pass on to our children Alexander and Elisabeth. As the current generation, we want to be good role models, both as parents and as wine-growers, in the way we deal with our surroundings. After all, our soils are one of the most precious gifts Mother Nature has bestowed on us.”
R heinhessen 240 | 241
Rheingraf – Weingut Villa Sachsen Felix Prinz zu Salm-Salm „Mein Lieblingswein ist der Riesling Alte Reben vom Binger Kirchberg. Die Lage am bekannten Rochusberg neigt sich östlich in Richtung Ingelheim – ein prachtvoller Platz, mit Blick auf Rheingau, Rheinhessen, die Nahe und die Pfalz. Der Wein steht qualitativ zwischen Großem Gewächs und Ortsriesling. Er entsteht seit 2007 aus 47 Jahre alten Rebstöcken, einfach so, ohne besonderes Zutun. Diesen Wein könnte ich stundenlang trinken. Er ist sehr gehaltvoll, sehr reif, mit gut integrierter Säure. Nach zehn Minuten ist er noch immer am Gaumen zu schmecken. Ich erkenne ihn sofort am typischen Geruch, den er schon bei der Gärung entwickelt. Im Keller finde ich den Gärtank der alten Reben blind, nur mit der Nase. Er ist eben anders.“ “My favorite wine is a Riesling Alte Reben (mature vines) from the site Binger Kirch berg. This vineyard on Rochusberg hill faces east toward Ingelheim – a splendid spot with a view of the Rheingau, Rheinhessen, Nahe, and Pfalz regions. Qualitatively, the wine lies somewhere between a Grosses Gewächs and a regional Riesling. Since 2007, it’s been produced from 47-year-old vines … simply as is, without any particular efforts. I could drink this wine for hours. It’s quite full-bodied, very mellow, and has a well-integrated acidity. I instantly recognize it from its typical aroma, which already starts to develop during fermentation. In the cellar, I can find the tank in which the ‘Alte Reben’ are fermenting just by smell. It’s simply different.”
242 | 243 R heinhessen
Weingut St. Antony Felix Peters
„In Frankreich habe ich gelernt, dass ein Wein ‚equilibré‘ sein muss, ausbalanciert. Er darf nie zu fett oder zu dünn sein, immer in allen Aspekten gut balanciert. Die großen französischen Winzer betonen das alle, wenn man mit ihnen verkostet. Da können wir uns in Deutschland noch viel abschauen. In meiner Arbeit ist das ein sehr wichtiger Aspekt geworden – beim Riesling vom Roten Hang im neuen Stil von St. Antony ebenso wie bei Heyl zu Herrnsheim und beim Spätburgunder, der nach meiner Ansicht im internationalen Spitzensegment eine Riesenchance besitzt. Unser Riesling ist durch spontane Gärung, nachhaltige Aromen und angenehme Säure für sehr viele Menschen interessant, obwohl er niemals beliebig schmeckt. Wir werden zudem ein elegantes, optisch anspruchsvolles Gutsgebäude vom international renommierten Stararchitekten Alejandro Aravena aus Chile bauen lassen. Es wird viel passieren.“ “In France I learned that a wine must be ‘équilibré’ or well balanced. Neither too fat nor too lean. Always well balanced, in every aspect. The finest French vintners all emphasize this when you sample wine with them. We growers in Germany still have much to learn. This has become a very important consideration in my work – with Riesling from the Roter Hang (‘red slope’) in the new-style wines of the St. Antony and Heyl zu Herrnsheim estates; and with Spätburgunder, which in my opinion has tremendous international potential in the premium segment. Our Riesling is distinctive, yet accessible – and therefore, attractive to many people. Its appeal derives from spontaneous fermentation, long-lasting aromas, and pleasant acidity. We have lots of plans for the future, including the construction of elegant, visually stunning facilities designed by the inter nationally renowned star architect Alejandro Aravena of Chile.”
R heinhessen 244 | 245
Staatliche Weinbaudomäne Oppenheim Otto Schätzel „Großherzog Ernst Ludwig von Hessen und bei Rhein ließ unsere Domäne 1895 als Vorbild-Betrieb gründen. Er hat einst gesagt: ‚Habe Ehrfurcht vor dem Alten, aber Mut, das Neue frisch zu wagen.‘ Diesen Satz halte ich in meiner Arbeit noch heute für extrem wichtig. Denn wir müssen stets versuchen, die Tradition und die Innovation zu vernetzen. Wir verfügen beispielsweise über die 2 ha große Lage Niersteiner Glöck. Es ist die älteste urkundlich belegte Lage Deutschlands, die bereits im Jahr 742 erstmalig erwähnt wurde. Die lange Geschichte des Weinbergs alleine ist aber kein Privileg. Es entfaltet erst seine Wirkung, wenn wir aus diesem besonderen Weinberg aus Rotliegendem und hellsandiger Lössauflage einen wirklich außergewöhnlichen Wein produzieren. Daher wächst in der Niersteiner Glöck neben Scheurebe und Gewürztraminer auch Riesling an uralten Reben. Daraus entsteht eines unserer besten Großen Gewächse.“
246 | 247 R heinhessen
“Our domain was founded as a model estate in 1895 by the grand duke Grossherzog Ernst Ludwig von Hessen und bei Rhein. He once said: ‘Have respect for the past, but the courage to try something new.’ I still think this is wise advice and apply it to my work today. I feel we con stantly have to try to create a network between tradition and innovation. We’re the sole owners of the two-hectare (5-acre) site Niersteiner Glöck, for example. It is the oldest documented vineyard of Germany, first mentioned in 742. Yet, the site’s long history alone does not make it special. Its true potential first unfolds when we produce a truly exceptional wine from the site’s Rotlieg end soils topped by a layer of light-colored sandy loess. As such, we cultivate not only Scheurebe and Gewürztraminer there, but also very old Riesling vines, from which we produce our finest Grosse Gewächse.”
Weingut Wagner-Stempel Cathrin und Daniel Wagner
„Den richtigen Moment für die Ernte zu finden ist eine Mischung aus Erfahrung und Gefühl. Man beobachtet permanent den Reifezustand der Trauben, den Wetterbericht und den Himmel. Man denkt, sieht und fühlt. Vor der Ernte muss ich zwei Wochen in den Urlaub fahren, damit ich mit Lockerheit in die Ernte gehen kann. Denn ich neige dazu, so spät es irgend geht zu ernten – auch von leicht überreifen Trauben, aber ohne Fäulnis. Das gefällt mir am besten. Der perfekte Erntezeitpunkt für die Großen Gewächse ist für mich gekommen, wenn das Laub gelb wird, die Stiele verholzen, die Trauben von goldgelb ins Bräunliche, Violettfarbene übergehen und die Schalen beginnen aufzureißen. Da spielen zwei, drei Tage eine große Rolle. Man darf zur Ernte nicht verkrampfen, nicht hektisch werden. In der Ruhe liegt die Kraft.“
“It takes a mixture of experience and feeling to find just the right moment to begin picking. You’re constantly checking ripeness levels and weather forecasts, and casting an eye to the sky. You have to think, see, and feel. I have to take a couple of weeks of vacation before the har vest so that I’m relaxed enough to tackle it. I tend to harvest as late as possible – even if the grapes are slightly overripe, but not infested with mold. That’s what I like most. I know that the perfect moment for the Grosse Gewächse has come when the foliage turns yellow, the stems become woody, the grapes turn from golden yellow to a brownish, violet color, and and the skins begin to split open. At that point, two or three days play a big role. And during the harvest, you can’t tense up or let things get hectic. In calmness lies the key to strength.”
R heinhessen 248 | 249
Schloss Westerhaus Johannes Graf und Ivonne Gräfin von Schönburg-Glauchau
Johannes Graf von Schönburg-Glauchau „Das Kosten der fast reifen, später
ganz reifen Trauben vor und bei der Lese ist für mich ein paradiesisches Gefühl. Ich bin jedes mal unendlich traurig, wenn sich die Lese dem Ende neigt. Nur die Premiumflächen unserer Monopollage Schloss Westerhaus tragen dann noch Trauben. Alle anderen Flächen der Umgebung sind längst abgeerntet. Das ist, als wenn man seinen Weihnachtsbaum abschmückt und alles wieder wegpackt.“ Ivonne Gräfin von Schönburg-Glauchau „Eiswein zu produzieren ist für mich
ein prickelnder Moment, weil man gleich das Ergebnis schmecken kann. Wir haben zuletzt am vierten Advent unseren Eiswein geerntet. Bis die ersten Tropfen aus der Presse liefen, vergingen gefühlte Ewigkeiten. Ich war sehr nervös, ob alles klappen würde. Beim Kosten lief der Wein wie Öl den Gaumen entlang. Unglaublich schön. Pures Adrenalin.“ Johannes Graf von Schönburg-Glauchau “Sampling the nearly ripe, and later, fully ripe grapes before and during the harvest gives me a heavenly feeling. Every year I’m so very sad when the harvest is nearing an end. The only grapes still on the vine are in the finest parcels in our solely owned site Schloss Westerhaus. All the others in the surrounding area have been picked. It’s a bit like taking down the decorations from the Christmas tree and packing them away.” Ivonne Gräfin von Schönburg-Glauchau “I find Eiswein production a very exciting moment because you can taste the results immediately. We har vested the grapes for our most recent Eiswein on the last Sunday before Christmas. It seemed like an eternity before the first drops ran out of the press. I was quite nervous and wondered if everything would go well. As I tasted it, it was like oil coating the palate. Unbelievably beautiful. Pure adrenaline.”
250 | 251 R heinhessen
Weingut Wittmann Philipp Wittmann
„Ein großer Wein braucht innere Dichte. Das hat nichts mit Opulenz und Volumen zu tun, sondern mit der perfekten Komposition aus Frucht, Struktur, Frische, Salzigkeit und Kühle. Unsere besten Lagen wie der Westhofener Morstein stehen auf Kalkstein, der die salzigen Komponenten hervorragend ausprägt. Ganz besonders mag ich die weniger warmen Jahrgänge, in denen wir dennoch gesunde Trauben geerntet haben. Diese Weine haben eine wunderbare Finesse und Eleganz ausgeprägt. Ich nenne sie ‚nordische Weine‘, weil sie – wie skandinavisches Design – ihre Größe aus Klarheit, Geradlinigkeit und Eleganz beziehen. 2001 war für mich der erste Jahrgang, in dem ich das Gefühl hatte: Ja, so will ich Wein haben. Diesen Weg bin ich weiter gegangen. Mir hilft dabei sehr, dass wir seit 1990 biologisch arbeiten. Aufgrund dieser Anbauweise prägen unsere Reben die mineralischen Komponenten mit den Jahren immer besser und feiner aus. So kann ich diesen Weinstil weiter kultivieren.“
“A great wine needs an inner firmness. It has nothing to do with opulence and volume, but rather with a perfect combination of fruit, structure, freshness, saltiness, and understate ment. Our best sites, such as Westhofener Mor stein, consist of limestone, which is reflected in the salty components of the wine. I partic ularly like years that are cool, yet still enable us to harvest healthy grapes. These wines have a wonderful finesse and elegance. I call them ‘Nordic’ wines because like Scandina vian design, their tremendous character is marked by clarity, linearity, and elegance. For me, 2001 was the first vintage in which I had the feeling that I had finally produced the style of wine I was aiming for, and I continued on this path. We’ve cultivated our vines organi cally since 1990, which also helps me achieve my goal. It fosters the expression of a wine’s mineral components, with more refinement and definition from year to year. This is a wine style I can develop further.”
R heinhessen 252 | 253
254 | 255 Pfalz
Birkweiler
Pfalz
Weinland, Urlaubsland, Genießerland. Die Pfalz ist mit knapp 23 500 ha und 323 Einzellagen das zweitgrößte Anbaugebiet Deutschlands. Es zieht sich 85 Kilometer weit von Schweigen an der Grenze zu Frankreich nach Norden bis nach Bockenheim nahe Worms. Der Pfälzer Wald im Westen ist die Verlängerung der französischen Vogesen. Er schützt die Reben vor Regen und Kälte. Das fast mediterrane Klima und die reizvolle Landschaft mit vielen Fachwerkdörfern spiegelt sich wider in der Lebensart der Pfälzer durch unverkennbar französischen Einschlag.
A paradise for vines, vacations, and gourmets alike. With nearly 23 500 ha (ca. 58 000 acres) of vines and 323 individual vineyard sites, the Pfalz is Germany’s second largest wine-growing region. It extends 85 km (some 50 miles) north from the French border at Schweigen to Bocken heim, not far from Worms. The vineyards lie adjacent to the protective Pfälzer woods of the Haardt Mountains, an extension of the Vosges range in France, which check wind and rain. The region has an unmistakable French touch with its nearly Mediterranean climate, charming landscape dotted by villages full of half-timbered houses, and the Pfälzers’ own joie de vivre.
Bad Dürkheim
Pfalz 256 | 257
Der Riesling, der auf etwa 5 500 ha wächst, ist die wichtigste Rebsorte der VDP-Betriebe. Die Böden am Haardtrand, dem Übergang von der Rheinebene zum Pfälzer Wald, bieten mit ihrer geologischen Vielfalt beste Voraussetzungen für diese Rebsorte. Die Reben wachsen dort auf Buntsandstein-Verwitterungsböden, Schiefer, Basalt, Muschelkalk und Rotliegendem. Sie alle prägen den Riesling auf ganz eigene Weise. Aber auch die Burgundersorten Weiß-, Grau- und Spätburgunder haben in diesem Gebiet eine ebenso große Tradition und Qualität wie duftender Gewürztraminer, Muskateller und eleganter Silvaner.
Nearly one out of four vines in the Pfalz is Riesling, which is also the most important variety for VDP estates. The Rhine plain between the foothills of the Haardt and the river itself pro vides optimal conditions for grapes, not least thanks to its geological diversity: weathered colored sandstone, slate, basalt, shell-limestone, and Rotliegend. In its own way, each lends a distinctive note to Riesling. Other traditional, high-quality varietals in the Pfalz include the Pinots (Weissburgunder, Grauburgunder, and Spätburgunder); fragrant Gewürztraminer and Muskateller; and elegant Silvaner.
Haardtgebirge bei Maikammer
Pfalz 258 | 259
Weingut Acham-Magin Anna-Barbara Acham und Vinzenz Troesch
Vinzenz Troesch „Wie meine Frau hatte auch ich von Kindesbeinen an mit Wein zu tun,
sollte aber auch etwas Solides lernen. Doch mein Traum war das Weinmachen. Wir beide haben uns gefunden und uns gemeinsam das Weinmachen angeeignet, in Seminaren und über Abendstudien. Es war keine leichte Zeit, doch wir sind noch immer mit großer Leidenschaft dabei. Von Jahr zu Jahr wurden wir selbstbewusster und haben vor sechs Jahren den Schritt gewagt, auf ökologischen Weinbau umzustellen. Das war für uns eine klare Konsequenz aus unserer Arbeit.“ Anna-Barbara Acham „Mit dem ökologischen Gedanken haben wir auch die Qualität in
den Vordergrund gestellt. Denn ich muss ja keine Sandalen tragen, um ökologischen Weinbau zu machen. Ich muss schauen, wie ich am besten mit der Natur arbeiten kann. Das war ein langer und harter, aber ein guter Weg.“ Vinzenz Troesch „Nun blüht und lebt es in unseren Weinbergen. Du musst mit deinen
Weinbergen reden, mit Herz und Gefühl dabei sein. Dann machst du auch guten Wein.“ Vinzenz Troesch “Just like my wife, I have been involved with wine since childhood, but I was also supposed to study something ‘sensible.’ Neverthess, my dream was winemaking. We found each other and acquired our winemaking knowledge in seminars and at night school. Times haven’t always been easy, but we’re still very passionate about making wine. From year to year, we gained self-confidence, and six years ago, we ventured converting to organic viticulture. This was a clear consequence of our work.” Anna-Barbara Acham “Our switch to organic viticulture was also part of our increased focus on quality. Long gone are the days when ecological agriculture was often associated with ‘nature freaks’ clad in sandals. I have to see how I can best work in harmony with nature. It was a long and arduous road, but the right one.” Vinzenz Troesch “Everything is now so vibrant in our vineyards. You have to talk to your vineyards, be invovled with heart and soul. Then you can also make good wine.”
260 | 261 Pfalz
Weingut Geheimer Rat Dr. von Bassermann-Jordan Ulrich Mell und Gunther Hauck Ulrich Mell „In unserem Betrieb spielt der Riesling die wichtigste Rolle. Mit 85 Prozent
ist er unsere Hauptrebsorte, der Rest sind Burgunder. Das gibt uns die Richtung vor. Wenn man überwiegend eine Rebsorte produziert, ist deren Vielfalt wichtig. Von leichten Weinen – feinfruchtig und belebend -, die meist innerhalb eines Jahres getrunken werden, bis zu terroirbetonten Weinen, die wir nachhaltig im klassischen Stil ausbauen, die in Ruhe reifen und mit Ehrfurcht genossen werden.“ Gunther Hauck „In unserem Keller lagern alle Jahrgänge ab 1880 bis heute. Die großen
Jahrgänge davor reichen zurück bis zum Jahr 1811. Das Weingut Geheimer Rat Dr. von Bassermann-Jordan steht seit Jahrunderten für feinste Weinkultur. Gerade deshalb haben unsere Weine eine treue Fangemeinde, nicht nur in Deutschland.“ Ulrich Mell “Riesling is the most important grape at our estate. It’s our main varietal, planted in 85 percent of our vineyard area; the rest of our vines are Pinots. These determine our direction. If you concentrate primarily on one varietal, it’s important to show its diversity. Our portfolio ranges from light wines – stimulating, with a fine fruitiness – that are usually consumed within a year of bottling, to terroir-driven wines produced in a taditional style: longlasting wines that mature in peace and are enjoyed with awe.” Gunther Hauck “Every vintange from 1880 to the present lies in our cellar. The great vintages of earlier years even go back to 1811. Weingut Geheimer Rat Dr. von Bassermann-Jordan has stood for the epitome of wine culture for centuries. This is one reason why our wines enjoy such a loyal following, not only in Germany.”
Pfalz 262 | 263
Weingut Friedrich Becker Friedrich und Friedrich Wilhelm Becker
Friedrich Becker „Meinen ersten Schluck Wein habe ich im Alter von sechs Jahren mit
meinem Großvater getrunken. Das war in den 40er-Jahren. Wir haben uns damals einen Hering geteilt. Er bekam das vordere Stück, ich das hintere mit dem Schwanz dran. Dabei ließ er mir einen Schluck Wein im Glas, den ich dazu getrunken habe. Es war für mich eine Ehre, mit ihm zu essen – und dann auch noch seinen Riesling austrinken zu dürfen.“ Friedrich Wilhelm Becker „Wein ist kein Genussmittel, er ist ein Lebensmittel. Er
hat sehr viel mit dem Leben zu tun. Vor allem bei uns in der Pfalz. Wein trinken bedeutet für mich, eine andere Einstellung zu den Dingen zu haben. Wein genießen muss man sich aber schon erarbeiten. Und es muss einem jemand zeigen, welcher wirklich gut ist. Nur so kann man einen eigenen Geschmack entwickeln. Das ist ein stetiger Entwicklungsprozess, der sich immer wieder verändert.“ Friedrich Becker “I had my first sip of wine with my grandfather. I was six years old. That was in the forties. We had shared a herring. He got the front part, I got the end with the tail. As we were eating, he left a little bit of wine in his glass and gave it me. I drank it with the fish. It was an honor for me to eat with him – and then be allowed to finish up his Riesling.” Friedrich Wilhelm Becker “Wine is not a luxury item, it’s part of life. It has much to do with lifestyle. Particularly in the Pfalz. People who drink wine and those who enjoy wine have different attitudes. Enjoying wine is something you acquire. And someone has to show you what’s really good. It’s the only way you can develop your own taste. It’s a process that never ceases to evolve and is constanty being refined.”
264 | 265 Pfalz
Weingut Bergdolt – Klostergut St. Lamprecht Rainer Bergdolt „Mein Bruder Günther und ich führen das Klostergut St. Lamprecht in der achten Generation. Unser Großvater Friedrich gehörte zu den Pionieren des Qualitäts weinbaus in der Pfalz. Wir, die achte Generation, haben das Gut durch unsere Weißburgunderweine geprägt. Einen Teil unserer Weiß- und Rotweine bauen wir seit 1985 im Holzfass aus. Damals experimentierten wir mit drei nagelneuen Barriquefässern – mehr Fässer erlaubte unser Vater nicht. Daraus produzierten wir unseren ersten Weißburgunder Barrique. Doch die Holznoten überlagerten alle anderen Aromen. Ab 1990 funktionierte die Sache gut. Heute bauen wir etwa 10 Prozent unserer Weißweine im Holz aus – in großen Fässern in Kombination mit Stahltanks. Wir machen schließlich Terroirwein, keinen Holzhammer. Die Mineralität unserer kalkreichen Kirrweiler Weinberge und der drei Duttweiler Lagen vertragen nur einen Hauch Holz. Genau diese Liaison macht unsere Weißburgunder so unverwechselbar.“
“My brother Günther and I are the eighth gen eration of our family to run the Klostergut St. Lamprecht estate. Our grandfather Fried rich was one of the Pfalz’s pioneer vint ners with a quality-oriented approach. We, as the eighth generation, have made our mark at the estate with our Weissburgunder wines. We’ve vinified and aged a portion of our white and red wines in oak casks since 1985. Back then, we experimented with three brand-new barriques – our father put the kabosh on buying more. We made our first Weissburgunder barrique wine, but all other aromas were overwhelmed by the wood. As of 1990, though, things went well. Today we produce about ten percent of our white wines in oak – large casks in combination with stainless steel tanks. All of our wines are ter roir-driven, but without a ‘sledgehammer’ approach. The mineral-rich wines from our chalky vineyards in Kirrweiler and our three sites in Duttweiler can only stand a hint of wood. But it’s precisely this fine liaison that makes our Weissburgunder so unmistakable.”
Pfalz 266 | 267
Weingut Bernhart Gerd Bernhart
„Der Jahrgang 1996 war ein Schlüsselerlebnis für mich. Damals habe ich meine erste Ernte gemacht, und sie war die einzige, die ich gemeinsam mit meinem Bruder erleben konnte. Denn ein Jahr später hat er einen anderen Betrieb übernommen. Zuvor war ich in der Ausbildung und nur wenig zu Hause. Er hatte seit Ende der 80er-Jahre das Weingut geführt. In diesem Jahr hatte ich gemeinsam mit ihm die Verantwortung. Mein Bruder hat mir in dieser kurzen Zeit das Fingerspitzen gefühl für die Böden und Lagen vermittelt. 1996 war zudem ein besonderes Jahr, einer der besten Jahrgänge der vergangenen Jahrzehnte. Und wir erlebten den Durchbruch. Mit dem Spätburgunder dieses Jahres haben wir den Rotweinpreis der Zeitschrift Vinum gewonnen. Von dieser Ernte reden mein Bruder und ich heute noch gern. Und bis heute steht dieser 96er Spätburgunder als Spitzenwein da.“
268 | 269 Pfalz
“The year 1996 was decisive for me. I had just done my first harvest, and it was to be the only one that I would be able to do with my brother. Just a year later, he took over another estate. Before then, I was a student and seldom at home. He had managed the estate since the end of the 80s. In 1996, I joined him in assuming responsibility. During this brief period of time, my brother had given me a feel for the soils and vineyards. That year was also a very spe cial vintage, one of the best of the past decade. And we experienced a breakthrough. Our 1996 Spätburgunder won the German red wine prize sponsored by the wine magazine Vinum. My brother and I still fondly remember that vintage. And to this day, that 1996 Spätburgunder is still a top-notch wine.”
Weingut Josef Biffar Lilli Biffar-Hirschbil
„Unsere Familie betreibt seit 1879 das Weingut sowie seit 1890 eine Manufaktur für kandierte Früchte und Ingwerspezialitäten, die heute zu den letzten in Europa zählt. Diese Kombination ist im Übrigen einzigartig. Daher bieten wir besondere Weinproben zusammen mit unseren Confiserie-Spezialitäten an, weil diese so gut zusammenpassen: Rieslinge und Weißburgunder bieten schöne Ingweraromen, die wir mit unseren Ingwerstäbchen kombinieren. Früchte wie Kirschen oder Erdbeeren kann man gut mit passenden Rotweinen genießen. Und Ananas oder eine kandierte Orangenscheibe passt toll zur Riesling Auslese. Doch es gibt zwischen den beiden einen Unterschied: Unsere Weine sind langlebiger. Junge Besucher sind oft völlig überrascht, wie frisch und offen sich acht Jahre alte Rieslinge präsentieren. Oft ist das Gesicht der Weine im Alter so viel schöner als man es je erwartet hätte. Das macht mich ein wenig ehrfürchtig.“
“Our family has operated a wine estate since 1879, as well as a manufactory for handmade confec tionery and candied fruit and ginger since 1890 – the latter, one of the last of its kind in Europe today. This unique combination enables us to offer wine tastings that show the best of both worlds. They so beautifully complement one another. The hint of ginger on the nose of some Rieslings and Weissburgunders, for example, pairs well with our candied ginger sticks. The aromas and flavors of cherries or strawberries are wonderfully enhanced by certain red wines. And pineapple or candied orange slices are simply delicious with a Riesling Auslese. Yet, there is a marked difference between these two worlds: our wines have more aging potential. Young visitors are often astounded by how fresh and appealing eight-year-old Rieslings can be. Often, the face of a mature wine is much more beautiful than one would have ever expected. It’s something I think about in awe.”
Pfalz 270 | 271
Weingut Reichsrat von Buhl Stefan Weber und Christoph Graf
Stefan Weber „Seit zehn Jahren arbeiten wir zusammen. Bislang war 2009 unser bester
Jahrgang. Wir hatten keine Schwierigkeiten in der Vegetationsperiode, wurden nicht gebeutelt von Hagelschlägen oder anderen Naturkatastrophen. Wir hatten einen hohen Ertrag und einen goldenen September. Ein perfektes Jahr für uns als Trocken- und Einzellagenspezialisten.“ Christoph Graf „Ja, 2009 war wirklich einzigartig. Die Weine sind von sehr hochwertiger
Güte. Was will man als Winzer mehr, als einen gesunden Ertrag und allerbeste Qualität?“ Stefan Weber „Der Tag unseres Herbstabschlusses wird mir unvergessen bleiben. Nach-
dem unsere Leute die letzten Reben gelesen hatten, haben sie die beiden Traktoren mit Blumen geschmückt. Mit den ‚Triumphwagen‘ sind sie dann stolz ins Weingut hineingefahren. Das wurde zuvor noch nie gemacht. Dieser Moment war ergreifend. Vom Erntehelfer bis zum Gutsdirektor, von uns allen fiel die Spannung ab und eine unbändige Freude kam auf. Denn wir alle spürten: Das wird ein großer Jahrgang.“ Stefan Weber “We’ve worked together for ten years. Vintage 2009 was our best to date. We had no difficulties during the growing season, and were neither pelted with hail nor sub jected to other natural catastrophes. We had a large crop, and enjoyed a ‘golden’ September. As specialists in dry wines with site-specific traits, it was a perfect year for us.” Christoph Graf “Yes, 2009 was really one of a kind. We can already see that the wines are of very high quality. What more could a wine-grower want than a healthy crop and the very finest quality?” Stefan Weber “We duly celebrated the harvest finale. I will never forget the final day of picking. After our team had picked the last grapes, they decorated both tractors with flowers before leaving the vineyards. Then, in their ‘triumphal chariots’ they proudly proceeded to the estate’s courtyard. This had never been done before. It was a moving moment. From the har vest workers to the director of the estate – there was an enormous feeling of relief, followed by unbridled joy. We all seemed to sense that this would be a truly great vintage.”
272 | 273 Pfalz
Weingut Dr. Bürklin Wolf Bettina Bürklin-von Guradze
„Unser Familiengut besitzt eine 400 Jahre alte Weinbautradition. Schon seit Generationen haben wir uns dem Riesling verschrieben: Die ererbten Ressourcen zu würdigen und für meine Kinder und Kindeskinder zu erhalten – das ist meine Leidenschaft. Dass wir uns ab und an auch anderen Rebsorten widmen oder eine Cuvée machen, ist eine Randerscheinung. Die unglaubliche Nachhaltigkeit und das große Reifepotenzial des Rieslings faszinieren auch mich. Deshalb ist mein oberstes Gebot so schlicht wie konsequent: Unserer Familientradition folgend, erzeugen wir Spitzenrieslinge im Einklang mit der Natur. Deshalb bewirtschaften wir seit 2005 unsere gesamte Weinbergsfläche biologisch-dynamisch. Nur so gelingt es, die ganze Vielfalt und Tiefe des Terroirs in unseren Rieslingen widerzuspiegeln.“ “Our family can look back on a 400-year-old viticultural tradition. We’ve been devoted to Riesling for generations. I am extremely grateful for these inherited resources and strive to preserve them for my children and their children. Now and then we cultivate other varietals or make a cuvée, but these are marginal diversions. I, too, am fascinated by the unbelievable longevity and aging potential of Riesling. As such, my top priority is simple and consistent with our family tradition: to produce top-quality Rieslings in harmony with nature. Since 2005, we’ve cultivated all of our vineyards biodynamically. It’s the only way to produce Rieslings that reflect the entire diversity and depth of our terroirs.”
Pfalz 274 | 275
Weingut A. Christmann Steffen Christmann
„Ich lebe und arbeite in der Pfalz an einem für Riesling wunderbaren Schnittpunkt: Es ist kalt genug, damit er Eleganz und Mineralität ausprägt, und warm genug, um Komplexität und Fülle zu erreichen. Ich empfinde es als großes Glück, in den Ersten Lagen wie dem Königs bacher Idig einen Riesling produzieren zu können, dessen Stil ich selbst auch am meisten mag: subtil, mineralisch, aber zugleich ohne harte Komponenten. Diese Weine repräsentieren aber nicht meinen persönlichen Weinstil. Es ist der Stil meiner Weinberge. Der Winzer besitzt für mich dieselbe Funktion wie der Tonarm bei einem Schall plattenspieler: Er wandelt die Struktur der Schallplatte in elektrische Ströme um, damit man die Musik hören kann. Und ich will den Weinberg mit all seinen Eigenheiten, seinem Boden, seinem Mikroklima, im Wein schmeck- bar machen. Ich bin nur der Übersetzer meiner Lagen. Der biodyamische Anbau ist für mich eine ganz wichtige Voraussetzung, damit das gelingen kann.“
276 | 277 Pfalz
“I live and work in the Pfalz, where natural factors interface that enable Riesling to thrive: it’s cool enough for it to achieve elegance and a mineral-rich character; warm enough for com plexity and volume. I feel extremely fortunate that in top sites, such as Königsbacher Idig, I’m able to produce a style of Riesling that I love most: subtle, rich in minerals, with well-inte grated components. These wines, however, don’t represent my personal wine style, but rather that of my vineyards. I view the wine-grower as having the same function as the pickup arm of a record player that converts the structure of the record into electronic waves that enable us to hear music. I want my wines to reflect the taste of the vineyard with all its traits, its soil, its microclimate. I am merely the ‘interpreter’ of my sites. Biodynamic viticulture is of para mount importance in achieving this goal.”
Weingut Fitz-Ritter Johann Fitz
„Unsere Familie macht Wein in der neunten Generation. Als Jugendlicher habe ich das als große Erwartungs haltung empfunden. Überall Historie, überall schwebten die Ahnen. Ich habe erst mal Abstand gesucht und bin für acht Jahre nach Kalifornien gegangen, habe dort Wirtschaft studiert und im Vertrieb eines Technologieunternehmens gearbeitet. Erst als meine Eltern akzep-
“Our family is the ninth generation to produce wine. As a teenager, I had the feeling that I was expected to carry on as the tenth generation. ich frei von Druck darüber nachdenken. Ich konnte mich Historical traditions and ancestors were omni present. I needed some time out and ended up in nicht einfach an den gedeckten Tisch meiner Eltern California for eight years, where I studied eco setzen. Das hat mich nach Hause zurückgebracht. Mit nomics and worked at a technology company. It was only after my parents had accepted the fact vollem Herzblut. Heute sehe ich unsere lange Tradition that I was not going to take over the estate that als Bereicherung.“ I could actually consider it as an option, with out feeling under pressure. I couldn’t simply sit down at a table already laid by my parents. That’s what brought me home. With a passion. Today, I see our long tradition as an asset that has enriched my life.” tierten, dass ich den Betrieb nicht übernehme, konnte
Pfalz 278 | 279
Weingut Knipser Stephan, Volker und Werner Knipser
„Mitte der 80er-Jahre haben wir mit dem Ausbau im Barrique begonnen, den Rotwein anteil erhöht und bei Neupflanzungen auch auf internationale Rebsorten wie Cabernet Sauvignon, Merlot und Cabernet Franc gesetzt. Dafür wurden wir zunächst belächelt und behandelt, als hätten wir nicht alle Tassen im Schrank. Denn ‚Franzosen‘ galten als ‚untypisch für die Pfalz‘. Doch wir haben uns nicht beirren lassen. Und heute gelten wir als Barrique-Pioniere in der Pfalz. Das ist schon ein kleiner Triumph für uns.“ “In the mid-80s, we began aging our wines in barriques; increased our cultivation of red varietals; and when planting new vines, we also focused on international varietals, such as Cabernet Sauvignon, Merlot, and Cabernet Franc. At first, we were ridiculed and treated as though we had a screw loose. ‘French varietals’ were not considered ‘typical’ of the Pfalz. But we took it in stride, and today, we’re viewed as ‘barrique pioneers’ in the Pfalz. A small triumph for us.”
280 | 281 Pfalz
Weingut Koehler-Ruprecht Bernd Philippi
„Ich arbeite nicht nur in der Pfalz, sondern auch in Frankreich, auf Mallorca, in Portugal und Südafrika und ernte fünfmal pro Jahr. Mit 23 Jahren, direkt nach dem Studium, bin ich in die USA gegangen. Dort habe ich das einzige Weingut im Umkreis von 500 Kilometern geleitet. Da war niemand, den man fragen konnte: Wie geht das? Handys gab’s noch keine. Nur ein, zwei Mal im halben Jahr habe ich nach Hause telefoniert. So habe ich das Improvisieren gelernt. Zwölf Jahre blieb ich dort, und diese Zeit hat mich geprägt. Später ging ich für Beratungs projekte nach Chile und Argentinien. Und immer weiter. 24 Jahre lang habe ich beispielsweise die Regierung von Madeira beraten und war fünfmal pro Jahr dort. Das ist immer von selbst gelaufen. Ich arbeite nie mit komplizierten Verträgen. Für mich ist es einfach: So wie ich es sage, wird’s gemacht. Trotzdem habe ich viele Offerten abgelehnt, etwa nach Saudi-Arabien oder in den Kaukasus zu gehen. Ich habe wenig Zeit, führe ein bewegtes Leben. Und ich habe bislang keinen einzigen Tag bereut.“ “I don’t work only in the Pfalz, but also in France, Mallorca, Portugal, and South Africa, and oversee five harvests a year. At age 23, right after my studies, I went to the USA, where I ran the only wine estate within a radius of 500 kilometers (just over 300 miles). There was no one to ask how to do this or that. There were no cell phones back then. Once, maybe twice, every six months I called home. In short: I learned to improvise. I stayed there for twelve years, and it left its mark on me. Later, I took on consulting projects in Chile and Argentina. And so it was. My sphere of activites continued to widen. For 24 years, I was a consultant to the government of Madeira and traveled there five times annu ally. Things pretty well ran on their own. I never work with complicated contracts. For me: my word is a pledge that I’ll keep. Nevertheless, I’ve had to turn down many offers, in Saudi-Arabia or in the Caucasus, for example. My time is limited, yet I lead an exciting life. I have never regretted a single day.”
Pfalz 282 | 283
Weingut Philipp Kuhn Philipp Kuhn
„Die Philosophie, guten Wein zu machen, habe ich von meinem Vater über nommen. Es war mein Ziel, wie er Winzer zu werden – aber ein bisschen besser. Daran habe ich nun 17 Jahre lang gearbeitet. Mein Weg, der zu einem guten Wein führt, ist allerdings ein anderer als der meines Vaters. Als ich den Betrieb übernahm, habe ich alles von Grund auf verändert. Ich habe Rebsorten herausgenommen, die ihm lieb waren, und Sorten gesetzt, die Vater gar nicht kannte – beispielsweise Chardonnay. Alles, was blieb, waren seine alten Rieslingstöcke.“ “Like my father, I wanted to become a wine-grower, but perhaps a little bit better. ‘Producing good wine’ is another goal we had in common, and I’ve strived to achieve that goal for 17 years, although the path I’ve followed varied from that of my father. When I took charge of the estate, I fundamentally changed nearly everything. I had certain varietals pulled up that he was fond of and replaced them with varieties that he never knew – such as Chardonnay. The only thing that remained intact were his mature Riesling vines.”
284 | 285 Pfalz
Weingut Herbert Meßmer Gregor Meßmer
„Wäre ich nicht Winzer geworden, hätte ich einen musikalischen Beruf gewählt, etwa Pianist oder Dirigent. Klavier und Saxofon spiele ich sehr gern und singe in einem Chor. Ich lasse meine Weine zudem im Keller rund um die Uhr beschallen, vor allem mit Mozart und Bach. Ein MP3-Player spielt dazu etwa 15 Stunden Musik ab, denn sie soll sich nicht jede Stunde wiederholen. Auf die Lautstärke kommt es dabei nicht an, sondern ausschließlich auf die Schwingungen der Schallwellen. Die Grundlage dieses Vorgehens ist die Bioresonanz. Ich bin sicher, dass unsere Weine damit ein bisschen runder und harmonischer werden. Beweisen kann ich nicht, dass es funktioniert. Wir tun das auch nicht, um Marketing damit zu machen – sondern ausschließlich aus Überzeugung. Ich kann mir gut vorstellen, im Weinkeller auch klassische Konzerte zu veranstalten.“
“If I hadn’t become a wine-grower, I would have chosen a profession in music, such as a pianist or conductor. I love to play the piano and saxophone, and I sing in a choir. In the cellar, I provide my wines with non-stop music, particularly, Mozart and Bach. An MP3 player provides ca. 15 hours of music with out repeating itself every hour. The volume of the music is unimportant; the vibration of the sound waves is all that matters. This proce dure is based on bioresonance. I’m convinced that it helps our wines become rounder and more harmonious. I can’t prove that it works. We do this out of conviction, not as a market ing gimmick. I call well imagine conducting classical concerts in the cellar, too.”
Pfalz 286 | 287
Weingut Theo Minges Regine Minges
„2007 war für uns ein so großartiges Jahr, dass wir es mit etwas Besonderem krönen wollten. Wir haben in einer Parzelle die Trauben ganz lange hängen lassen und die schönsten selektiert. Den Most haben wir spontan vergoren und 18 Monate unberührt und ungeschwefelt auf der Hefe liegen lassen. So hatte der Wein genug Raum und Zeit, sich zu entwickeln. Als wir ihn erstmals probierten, schmeckten wir die Wärme, die goldenen Trauben, die Reife – und dabei eine tolle Frische. Die Energie der Natur war pur vom Weinberg ins Glas gekommen. Er war aber noch nicht recht zugänglich. Als meine Schwester eine Froschkönig-Figur mitbrachte, verglichen wir beide miteinander: Der Frosch und der Wein müssen noch wachgeküsst werden. Am Abend zeichnete ich einen Froschkönig und ließ das Blatt fahrlässigerweise im Wohnzimmer liegen. Mein Vater sagte am nächsten Morgen: ‚Den Namen und ein Etikett haben wir ja jetzt: Froschkönig Spätlese 2007. Wir können also füllen.‘ Dieser Wein verkörpert unsere puristische Art, Wein zu machen.“ “Because 2007 was such a tremendous year for us, we wanted to crown it with some thing special. In one parcel, we left the grapes on the vine for a long time and selected only the finest. We let the must ferment spontaneously. Untouched and unsulfured, we left it on the lees for 18 months. This gave the wine sufficient time and space to develop. The first time we sampled the wine, we could taste the warmth, the golden grapes, the ripeness – in addition to a wonderful freshness. It was as if the pure energy of nature had gone directly from the vineyard into the glass. Yet, the wine was still somewhat closed and we didn’t know quite how to describe it. Then my sister pointed to a little statue of the “Froschkönig” (Frog Prince/Grimm’s fairy tale) that she had once put in our tasting room. It was the perfect comparison: we agreed that like the frog, the wine was still waiting to be awakened with a kiss. That evening, I made a sketch of the frog king and carelessly left the drawing in the living room, where my father found it. The next morning he announced that we now had a name and label for the wine – Froschkönig Spätlese 2007 – and bottling could begin. This wine pretty well sums up our ‘puristic’ approach to winemaking.”
288 | 289 Pfalz
Weingut Georg Mosbacher Sabine Mosbacher-Düringer
„Ich bin in unserem Familienweingut aufgewachsen. Als ich noch ein Kind war, hat mir mein Vater immer erzählt, dass er in meinem Geburtsjahr eine Auslese für mich, seine älteste Tochter, gemacht hat. Er versprach mir: ‚Dein Wein wird so lange im Keller reifen, bis du voll jährig bist.‘ So geschah es auch: An meinem 18. Geburtstag haben wir den Wein dann verkostet. Das war zugleich mein erstes Glas Wein – ‚mein‘ Wein, eine 64er Riesling Auslese. Sie schmeckte köstlich. Vielleicht auch, weil mich diese Geschichte so faszinierte. Neun Jahre später, zu meiner Hochzeit, öffneten wir wieder einige Flaschen meines Geburtsjahrgangs. Er hatte sich hervorragend entwickelt: wunderbares Goldgelb, intensive Nase, groß artiges Säurespiel. Er ist mein ganz privater Jahrgang.“
“I grew up at our family’s wine estate. When I was still a child, my father always told me that he had produced an Auslese for me, his eldest daughter, during the year I was born. He prom ised me that the wine would remain in the cellar until I came of age. And so it was: on my 18th birthday, we sampled the wine. At the same time, it was also my first glass of wine – ‘my’ wine, a 1964 Riesling Auslese. It tasted delicious. Perhaps, too, because the story fasci nated me so much. Nine years later, at my wed ding, we opened a few more bottles of my birth day wine. It had developed marvelously: it was a wonderful golden yellow, with an intense nose and a tremendous play of acidity. It’s my very personal vintage.”
Pfalz 290 | 291
Weingut Mugler Susanne und Harald Mugler
„Unser Weingut befindet sich mitten im geschichtsträchtigen Kern von Neustadt-Gimmeldingen. Wir wollten nicht einfach irgendwo auf der grünen Wiese eine hochmoderne Produktionshalle hinstellen. Wir betreiben das ursprüngliche Handwerk dort, wo auch schon unsere Väter ihren Wein gemacht haben. Die Beschaffenheit der alten Gebäude erschwert so manchen Arbeitsablauf. Doch wir möchten eben keine seelenlosen Weine produzie-
“Our wine estate is located in the heart of a little wine village steeped in history, Neustadtren, sondern Weinkultur erlebbar machen. Frei nach dem Gimmeldingen. We didn’t want to simply set up Motto: Ein guter Wein braucht einen guten Weinberg in an ultramodern production facility somewhere out in the countryside. We’re carrying on tra ausgezeichneter Lage und mit bester Behandlung. Dieses ditional craftsmanship where our forefathers Credo pflegen wir seit Generationen. Das ist wie bei einem produced their wine. Even though the layout of the old buildings does not make for the most Staffellauf: Im Moment tragen wir den Stab, eines Tages efficient workplace, it’s a setting that’s in line werden wir ihn an unsere Kinder weiterreichen.“ with our philosophy. We don’t want to produce ‘soulless’ wines, but rather to make wine culture come to life – according to the motto that good wine needs a good vineyard in an excellent site and the best treatment possible. This has been our maxim for generations. It’s like a relay race: the baton in is our hands at the moment, but one day we’ll hand it over to our children.”
292 | 293 Pfalz
Weingut Müller-Catoir Philipp David Catoir
„Unser Weingut ist eines der ältesten der Pfalz und seit 1744 in Familienbesitz. Ich führe das Gut nun in der neunte Generation und das macht mich stolz. Denn Tradition kann man nicht kaufen, sie muss über viele Jahrzehnte und Generationen hinweg mit Mühe und Ausdauer erarbeitet werden. Tradition lehrt auch Bodenständigkeit. Dazu gehört, dass wir unsere Preise nicht übermäßig erhöhen, wenn unsere Rieslinge international prämiert werden. Wir legen Wert auf ein faires Preis-Leistungs-Verhältnis und einen treuen Kundenstamm. Mit unseren Kunden verkoste ich Weine gern im ‚Herzstück‘ unseres Guts, dem Probierraum – ein Raum aus der Gründerzeit, der seither nicht wesentlich verändert wurde: Die Szene rund um den Weingenuss zieren die Stuckdecke und Porträts meiner Ahnen schmücken die Wände. Dieser Ort strahlt eine besondere Ruhe aus. Dort spüre ich am intensivsten meine Wurzeln.“ “Our wine estate is one of the oldest in the Pfalz and has been in the family since 1744. I’m the ninth generation to run the estate, and it makes me very proud. After all, you can’t buy tradition, it’s something that develops over many decades and generations, and requires considerable effort and perserverance. Tradition also teaches us the value of remaining down to earth. That means, for example, not inordinately increasing our prices after one of our Rieslings has won an inter national award. We value a fair price-performance ratio and loyal customers. I enjoy tasting wines with our customers in the ‘heart’ of our estate, the tasting room – a period room dating from the Wilhelminian era. It has hardly changed since: the stucco ceiling is adorned with scenes depicting the pleasures of wine; portraits of my ancestors line the walls. It’s a haven of peace … and where I have the greatest sense of my roots.”
Pfalz 294 | 295
Weingut Münzberg – Lothar Keßler & Söhne Rainer Keßler
„Ich arbeite mit meinem Bruder zusammen, seit ich denken kann. Ich bin vier Jahre älter als er. Wir entscheiden alles gemeinsam, haben einen sehr ähnlichen Weingeschmack. Was uns zusammenhält ist aber mehr als der Familiensinn. Uns verbindet der Ehrgeiz, nicht mittelmäßige, sondern hervorragende Weine zu erzeugen. Man muss immer an sich arbeiten, jedesmal weiter an der Qualitätsschraube drehen. Immer etwas besser werden. Nur so wird’s was.“
296 | 297 Pfalz
“I’ve worked with my brother since we were little. I’m four years older. We decide everything together, and have very similar tastes when it comes to wine. But what keeps us together is more than a sense of family. It’s our common ambition to pro duce outstanding, rather than mediocre, wines. You constantly have to try to improve, to ratchet up quality another notch. Always become a bit better. That’s the only way we can reach our goal.”
Weingut Pfeffingen – Fuhrmann-Eymael Jan Eymael
„Langlebigkeit und Beständigkeit sind mir in meiner Arbeit sehr wichtig. Ich will nicht Trends und Moden folgen. Ich setze lieber auf Dinge, die sich im Betrieb womöglich zu Anfang sehr schwierig gestalten, aber auf Dauer eine Eigenständigkeit in den Wein bringen. Das ist zwar der steinige Weg – aber auf Dauer das bessere Konzept. Ohne diesen Ansatz wäre beispielsweise niemals unsere kristall klare, intensive Scheurebe Spätlese in dieser hohen Qualität entstanden. Sie erhält Top-Bewertungen, was für diese Sorte ja eher nicht üblich ist.“
“Longevity and consistency are very important to me in my work. I’m not interested in trends or what’s in vogue. I place more value on things that lend a wine originality in the long run, even though it might possibly mean much more work at first. The “path of least resis tance” is easier than the stony path I’ve chosen, but the latter is the better concept in the long term. Without this approach, for example, we never would have been able to produce a crystal clear, concentrated Scheurebe Spätlese of such high quality. It’s received top ratings, which is fairly unusual for this grape variety.”
Pfalz 298 | 299
Weingut Ökonomierat Rebholz Birgit und Hansjörg Rebholz
Hansjörg Rebholz „Unser Familienweingut basiert auf einem Generationenvertrag. Unsere
Familiengeschichte reicht bis ins 16. Jahrhundert zurück.“ Birgit Rebholz „Deshalb ist es uns wichtig, dass unsere drei Kinder schon früh vermittelt
bekommen, was auf sie zukommt. Sie sollen sehen, wovon wir leben und was bei der Arbeit wichtig ist. Daher sind sie auch bei Präsentationen oft dabei. Der Wein muss ja nicht nur in die Flasche gefüllt, sondern auch verkauft werden.“ Hansjörg Rebholz „Dazu gehört auch zu vermitteln, dass wir uns dabei mit ganz unter-
schiedlichen Menschen auseinandersetzen. Ich habe beispielsweise vor einigen Jahren den damaligen Außenminister Joschka Fischer kennengelernt. Er lud mich und einige VDP-Kollegen ein, ihn mit einem Dutzend Wirtschaftsleuten nach New York zu begleiten. Wir sind mit der Staatsmaschine geflogen und haben eine Weinprobe über dem Atlantik organisiert. Das war eine ganz besondere Erfahrung für mich, den Winzer aus Siebeldingen in der Pfalz.“ Hansjörg Rebholz “Our family wine estate has been handed down from generation to generation. Our family history dates from the 16th century.” Birgit Rebholz “This is why it’s important to us that our three children learn early on what to expect. They should see how we make our living and what’s important in our work. Therefore, they’re often with us at presentations. There’s more to being a wine-grower than merely making and bottling wine. It has to be sold, too.” Hansjörg Rebholz “We also have to teach them that our work involves dealing with all sorts of people. A few years ago, for example, I met Joschka Fischer, secretary of state at the time. He invited me and a few VDP colleagues to accompany him and a dozen business people to New York. We flew in an official government plane and conducted a wine tasting over the Atlantic. That was quite an experience for me, just a wine-grower from Siebeldingen in the Pfalz.”
300 | 301 Pfalz
Weingut Karl Schaefer Nana und Job von Nell
Job von Nell „Wir leben in Berlin und haben oft darüber gesprochen, dass es ein Traum wäre, einmal das
Weingut zu übernehmen. Doch das hatte keinen Bezug zur Wirklichkeit. Nun ist der Traum wahr geworden.“ Nana von Nell „Bis zum Ende der 90er-Jahre war Karl Schaefer eines der führenden Pfälzer Riesling-
Güter. Da wollen wir wieder hin. Zudem habe ich ein persönliches Ziel: In meiner Heimat Bad Dürkheim werden hervorragende Weine produziert. Wir möchten helfen, diese Region noch mehr in den Fokus der Weinwelt zu rücken.“ Job von Nell „Das Weingut wurde 1843 gegründet und verfügt über fünf Lagen mit ganz unterschied-
lich geprägten Böden. Alle Weine sind aus Tradition trocken – knochentrocken. Denn so ausgebaut gibt der Riesling den Charakter seiner Lage eindrucksvoll wieder. Er ist orchestriert durch Vergärung im Großen Holzfass, Terrassenlagen und uralte Reben. Der Duft ist sofort erkennbar, mit einer feinen Salzigkeit.“ Nana von Nell „Dieser Charakter hat das Weingut Karl Schaefer einst berühmt gemacht. Nun wollen wir
den schlafenden Riesen wecken.“ Job von Nell “We live in Berlin and often discussed what a dream it would be to purchase the wine estate someday. That wasn’t realistic at the time. But now, our dream has come true.” Nana von Nell “Until the late 90s, Karl Schaefer was one of the leading Riesling estates of the Pfalz. We want to revive that standing. In addition, I have a personal goal. In my hometown of Bad Dürkheim, excellent wines are produced, but perhaps not getting the attention they deserve from the wine world. We’d like to help esteem for this region.” Job von Nell “The wine estate was founded in 1843, and has holdings in five sites with quite different types of soil. Traditionally, all the wines have been vinified dry – bone dry. This is the style that enables Riesling to impressively reflect the character of its origin. It’s orchestrated by fermentation in large oak casks, terraced sites, and very mature vines. Its aroma, with its fine saltiness, can immediately be recognized.” Nana von Nell “This is the character that once made Weingut Karl Schaefer famous. We’d like to awaken this sleeping giant.”
Pfalz 302 | 303
Weingut Georg Siben Erben Andreas Siben
„Meine Vorfahren kamen aus Holland und haben im Jahr 1710 in Deidesheim mit dem Weinbau begonnen. Ich führe das Gut nun in der zehnten Generation. Schon als Jugendlicher wusste ich, dass ich das Erbe meiner Vorfahren fortführen möchte. Meine Geschwister haben andere Berufe ergriffen, aber ich als der Mittlere von uns dreien habe gesagt: ‚Ja, ich mache weiter.‘ Ich habe nicht freitagmittags Feierabend. Als Winzer habe ich keinen Vollzeitjob, das ist eine Lebensaufgabe. Wenn ich in unserer Großen Gewächslage Deidesheimer Grainhübel stehe und die Deidesheimer Kirche sehe, hinüberschaue zu unseren anderen Lagen, den Kieselberg, zum Paradiesgarten und weiter Richtung Süden zum Ruppersberger Reiterpfad, dann bestätigt das meine Entscheidung. Mein Großvater und mein Urgroßvater haben auch schon dort gestanden und sich so wie ich Gedanken über unseren Wein gemacht.“ “My ancestors came to Deidesheim from Holland. In 1710, they started culti vating vines. I’m the tenth generation to run the estate. Even in my youth, I knew that I would carry on the legacy of the founding family. My siblings pursued other careers; I opted to become a wine-grower. I don’t call it a day after lunch on Fridays. As a wine-grower I don’t have a full-time job – it’s a calling. When I’m standing in the site from which we produce our Grosses Gewächs – Deidesheimer Grainhübel – and see the local church, and look over toward our other sites, Kieselberg, Paradiesgarten, and to the south, Ruppertsberger Reiterpfad, it confirms my decision. My grandfather and great-grandfather once stood here, too … also thinking about their wine.”
304 | 305 Pfalz
Weingut Siegrist Bruno Schimpf
„Der Winzer hat seine Werkstatt im Freien. Wir müssen mit der Natur, der Witterung, dem Vegetationsverlauf leben. Bei uns in der Pfalz ist der Einfluss des Jahrgangs deutlich größer als in anderen Anbaugebieten der Welt, in denen Wein im Wortsinn gemacht wird. In Kalifornien ist alles möglich. Bei uns nicht. Ich will den Jahrgang schmecken. Und wenn er mehr Säure hat, dann hat er sie eben.“ “A wine-grower’s workshop is in the open air. We’re subject to the whims of nature, the weather, and the growing season. Here in the Pfalz, the influence of vintage conditions is considerably greater than in other wine-growing regions of the world, where wine is literally ‘made.’ In California, everything is allowed. Not so in Germany. I want to be able to taste the distinctive character of a vintage. And if some years are more acidic than others, then so be it.”
Pfalz 306 | 307
Weingut Dr. Wehrheim Karl-Heinz Wehrheim
„In meiner besten Lage Mandelberg habe ich das Gefühl einer unglaublichen Harmonie zwischen den Reben und dem Terroir. Ich habe dort einen gesunden Boden aus Muschelkalk, gesunde Pflanzen, gesunde Tiere und am Schluss kommt der Mensch, der darin arbeitet und Wein produziert. Der Mandelberg ist für mich ein Abbild von Nachhaltigkeit, denn genau so soll ihn die nächste Generation erhalten. Während meines gesamten Berufslebens hat der Weißburgunder von dort einen exzentrischen Duft und ein ganz eigenes Profil entwickelt. Jahr für Jahr.“ “In my best site, Mandelberg, I sense an unbelievable harmony between the grapes and terroir. There are healthy soils of shell-limestone, healthy flora and fauna, and finally, the human element, that works within this setting and produces wine. For me, Mandelberg is a model of sustainability, and the next generation should inherit it in precisely this state. During my entire career, the Weissburgunder from this site has had an eccentric fragrance and a very distinctive profile. Year after year.”
308 | 309 Pfalz
Weingut von Winning Stephan Attmann
„Ich bin als Genießer zum Winzer geworden. Während meines Studiums der Betriebswirtschaft und Politik wurde mir klar: Nicht die Wissenschaft, sondern der Wein ist meine wahre Leidenschaft. Nach dem Diplom habe ich den Schritt gewagt, meine Passion zum Beruf zu machen und ging bei Joachim Heger am Kaiserstuhl in die Lehre. Nun leite ich das Weingut von Winning, ehemals Dr. Deinhard, eines der renommiertesten Weingüter in der Pfalz. Dieser Beruf macht mich glücklich. Denn als Winzer erlebe ich das intensivste Genussmittel, das es gibt. Wein ist einzigartig in seiner Komplexität.“
“I’m a bon vivant who became a wine-grower. During my studies in management science and politics, it dawned on me that my true passion was for wine, not for these fields. After gradu ation I ventured turning my passion into a pro fession, and did an apprenticeship at Joachim Heger’s estate in the Kaiserstuhl district of Baden. Now I run Weingut von Winning, for merly Dr. Deinhard, one of the most renowned wine estates of the Pfalz. This profession makes me happy. As a wine-grower, I’m involved first hand with the most profound epicurean delight of all. Wine is unique in its complexity.”
Pfalz 310 | 311
312 | 313 Franken
Klingenberg Schlossberg
Franken
314 | 315 Franken
Der Main, der Silvaner, der Muschelkalk. Diese drei Elemente charakterisieren das rund 6 000 ha große Weinland Franken seit vielen Jahrhunderten. Die Tradition der Region ist in prächtigen Bauten wie der Würzburger Residenz noch heute zu besichtigen. Sie setzt sich auch in der Bocksbeutel-Weinflasche fort, an der Frankenwein sofort erkennbar ist. Der saftige Silvaner hat ihn berühmt gemacht. Doch in besten Lagen wachsen ebenso bester Riesling, Spätburgunder, Rieslaner, Scheurebe und Müller-Thurgau. Die Weine sind meist trocken ausgebaut – auch das hat dort Tradition.
The viticultural tradition of Franken, a region of some 6 000 ha (nearly 15 000 acres), has been closely tied to the Main River, Silvaner, and shell-limestone for many centuries. It is a region known for splendid art and architectural gems, such as the Würzburger Residenz, which are well worth a visit. Franken wines are instantly recognizable thanks to the distinctive, flagonshaped Bocksbeutel. Juicy Silvaner wines are the region’s hallmark and source of its fame. Excellent Riesling, Spätburgunder, Rieslaner, Scheurebe, and Müller-Thurgau are also produced from the finest vineyard sites. Most of the wines are vinified dry – also a tradition here.
Iphofen
Das Herz Frankens ist das Maindreieck, das sich von Escherndorf, Volkach und Nordheim nach Süden über Sulzfeld bis nach Frickenhausen am Main entlangzieht und sich von dort nach Nordwesten über Sommerhausen, Randersacker, Würzburg bis Thüngersheim erstreckt. Hier prägt Muschelkalk die Weine, während die Reben im weiter westlich gelegenen Mainviereck, am Rand des Rhein-Main-Gebiets, auf Lehm und Buntsandstein stehen. Am Ostrand, nahe des Steigerwalds, finden sich vor allem Gipskeuper und Mergel. Opulent oder geradlinig, subtil oder barock: Der Frankenwein ist so vielfältig wie die Landschaft, in der er wächst.
The heart of the region is the Maindreick, a district that takes in Escherndorf, Volkach, and Nordheim on the “Main loop” and runs southward to Sulzfeld and Frickenhausen on the Main, and northwest of there, to Sommerhausen, Randersacker, Würzburg, and Thüngersheim. Shelllimestone soils predominate. In the Mainviereck to the west, on the edge of the Rhein-Main region, the grapes thrive in loam and colored sandstone, while the soils in the eastern portion of Franken, near the forested hills of the Steigerwald, are primarily colored marl and gypsum marl. Whether opulent or straightfoward, subtle or baroque: Franken wine is as diverse as the landscapes in which its grapes grow.
Würzburg Innere Leiste
Franken 316 | 317
Weingut Johann Arnold Johannes Arnold
„Neben meiner Verantwortung im Betrieb arbeite ich als Lehrer in der Berufsschule, um junge Winzer auszubilden. Ich unterrichte Weinbau und Kellertechnik. Meine Kollegen gehen nach der Arbeit auf den Hochstand und schießen Wildschweine, ich gehe seit 14 Jahren in die Schule. Ich bekomme immer wieder E-Mails von ehemaligen Schülern, etwa aus Australien und Neuseeland. Einer hat mir geschrieben, er habe kürzlich in Dänemark ein Weingut eröffnet. Es ist erfüllend zu sehen, dass ich den Schülern etwas mitgeben kann. Nun machen sie Weine, die manchmal besser sind als meine eigenen. Das ist meine Passion.“ “In addition to my responsibilities at the estate, I work as a teacher at the vocational school to train young wine-growers. I teach viticulture and cellar technology. After work, my colleagues go to a lookout platform to shoot wild boar; my hobby for the past 14 years has been the school. Time and again I receive e-mails from former students, even from Australia and New Zealand, for example. One wrote me that he recently set up a wine estate in Denmark. It’s satisfying to see that I’m able to give the students something for their future. Now they’re making wines that are sometimes better than my own. That is my passion.”
318 | 319 Franken
Weingut Wilhelm Arnold Bruno und Diana Arnold
„Unser Silvaner Großes Gewächs wurde beim Internationalen Silvaner Wettbewerb 2009 Sieger in der Premium-Kategorie. Darauf sind wir sehr stolz. Bei uns steht der Silvaner an erster Stelle – er ist schließlich die Rebsorte der Franken. Als Zweites folgt die Scheurebe. Ihre Säure ist so wunderbar elegant und lebendig. Unsere Weißweine lassen wir langsam und kühl vergären, sie bleiben lange auf der Hefe. Das verleiht ihnen Komplexität. Durch die Reife im Edelstahltank bekommen sie einen feinfruchtigen Charakter.“ “Our Silvaner Grosses Gewächs won the ‘premium’ category prize at the Silvaner Forum’s biennial, international Silvaner competition in 2009. We’re very proud of this. Silvaner is top priority at our estate – after all, it is the grape of Franken – followed by Scheurebe. Its acidity is so wonderfully elegant and lively. We ferment our white wines very slowly at cool temperatures, and they remain on the lees for a long time. This lends them complexity. Aging in stainless steel helps them develop a fine fruity character.”
Franken 320 | 321
Weingut Bickel-Stumpf Reimund und Matthias Stumpf
„Im Jahr 1993 war in Franken ein klassisches Silvaner-Jahr. Damals haben wir aus unserer Toplage Kapellenberg einen hervorragenden Silvaner produziert. Dieser Wein war zehn Jahre später einer der Referenzweine für die zukünftigen Großen Gewächse in Franken. Auch anhand dieses Weins wurde die Frage geklärt: ‚Wie soll ein Großes Gewächs vom fränkischen Muschelkalk schmecken?‘ Denn eine Lagenklassifikation gab es damals in Franken noch nicht. Der 1993er Kapellenberg Mönchshof ist auch heute noch ein großartiger Wein, den man wunderbar genießen kann.“ “In Franken, 1993 was a classic Silvaner year. We produced an excellent Silvaner from our top site Kapellenberg back then. Ten years later, this wine was one of the benchmarks used as the Grosses Gewächs concept was being developed in Franken. It also served as an example of how a Grosses Gewächs grown in Franconian shelllimestone should taste, since today’s classic point of reference – the vineyard clas sification – was not yet in place in Franken. Even today, the 1993 Kapellenberg Mönchshof is a grand wine that offers great enjoyment.”
322 | 323 Franken
Bürgerspital zum Heiligen Geist Robert Haller
„Meine Vision ist es, den perfekten Wein zu finden. Aber Wein ist der Mode, gastronomischen Trends und unserem persönlichen Geschmacksempfinden unterworfen. Das alles verändert sich. Den perfekten Wein werde ich daher wohl nie erreichen. Aber dieses Ideal brauche ich als Antrieb. Es müssen viele Dinge zusammenkommen, um einen großen Wein entstehen zu lassen. Das ist aber kein Wein, der 98 Prozent aller Weinkonsumenten schmeckt, sondern einer, der auf seine Weise extrem ist. Ich kann mir einen großen Wein ohne Ecken und Kanten gar nicht vorstellen.“ “My vision is to find the perfect wine. Yet wine is subject to vogue, dining trends, and our personal taste. All of which is constantly changing. As such, my vision will probably remain unfulfilled. Nevertheless, I need this ideal as an incentive. Many components must come together to produce a truly great wine. It’s not a wine that appeals to 98 percent of all wine drinkers, but rather a wine that in its own way is extreme. I can’t imagine a great wine without rough edges.”
Franken 324 | 325
Fürstlich Castell’sches Domänenamt Ferdinand Erbgraf zu Castell-Castell und Karl-Heinz Rebitzer
Ferdinand Erbgraf zu Castell-Castell „Das Jahr 2009 war für das Haus Castell ein besonderer
Jahrgang: das 350-jährige Bestehen unseres Schlossberg Silvaners. Weil dies unser Jubiläumsjahrgang war, wurde im Weinberg und im Keller mit noch größerem Ehrgeiz gearbeitet. Denn wir wollten zeigen, was geht.“ Karl-Heinz Rebitzer „Wir haben den Nachweis in unseren Archivunterlagen, dass die erste Silvanerrebe
in Deutschland 1659 hier auf Castell angepflanzt wurde. Deshalb war 2009 nicht nur wegen der hervorragenden Lese von besonderer Bedeutung für uns, sondern auch als Geburtstagsjahr.“ Ferdinand Erbgraf zu Castell-Castell „Ein Höhepunkt war unsere internationale Silvanerver
kostung. Wir degustierten 30 Weine von 1915 bis 1999. Dieses einzigartige Spektrum hat selbst renommierte Verkoster wie Jancis Robinson, Yumi Tanabe und David Schildknecht sehr beeindruckt.“ Karl-Heinz Rebitzer „Diese Verkostung lehrte uns, dass Silvaner großes Reifepotenzial besitzt und wir
uns noch mehr um diese Rebsorte kümmern müssen. Der Silvaner ist ein heimlicher Star, der noch entdeckt werden will.“ Ferdinand Erbgraf zu Castell-Castell “The year 2009 was a special year for the House of Castell: it marked the 350th year of our Schlossberg Silvaner. Because it was our anniversary vintage, we gave it our all in the vineyard and in the cellar. We wanted to show just what we could achieve.” Karl-Heinz Rebitzer “We have documentary proof in our archives that Germany’s first Silvaner vines were planted here in Castell in 1659. As such, 2009 was not only particularly important to us because it was an excellent vintage, but also because of its significance as an anniversary year.” Ferdinand Erbgraf zu Castell-Castell “One of the year’s highlights was our Silvaner tasting. We sampled 30 wines from 1915 to 1999. Even renowned critics, such as Jancis Robinson, Zumi Tanabe, and David Schildknecht, were very impressed by such an unparalleled spectrum of Silvaners.” Karl-Heinz Rebitzer “This tasting taught us that Silvaner has tremendous aging potential, and that we really must devote more attention to it. Silvaner is a well-kept secret just waiting to be discovered.”
326 | 327 Franken
Weingut Michael Fröhlich Michael Fröhlich
„Schon mein Urgroßvater hat Weinbau betrieben. Als ich zur Einschulung nach meinem Berufswunsch gefragt wurde, lautete meine Antwort kurz und knapp: Winzer. Da kannte ich schon als Sechsjähriger kein Wenn und Aber. Als ich vor 25 Jahren meinen Vater ablöste, war der Einstieg für mich als junger Weinmacher unkompliziert. Ich hatte unbeackertes Neuland vor mir, konnte mich austoben und musste keine ‚alten Zöpfe‘ übernehmen. Denn mein Vater war in der Genossenschaft und arbeitete ausschließlich als Traubenerzeuger. Ich habe dann ein Weingut aus unserem Betrieb gemacht – ein klassischer Generationswechsel, aber auf neuer Ebene.“ “My great-grandfather was a wine-grower. On my first day of school, when asked what I wanted to be when I grew up, my answer was short and sweet: a wine-grower. Even as a six-year-old there were no ifs, ands or buts about it. When I took over from my father 25 years ago, getting started as a young winemaker was uncomplicated. I was breaking new ground, could sow my wild oats, and inherited no relics from the past. Why? Because my father was a member of the cooperative and grew grapes. Period. I turned our farm into a wine estate. A classic changing of the guard, but on a new level.”
Franken 328 | 329
Weingut Rudolf Fürst Paul Fürst
„Um einen guten Wein auszubauen, gibt es nicht viele Möglichkeiten. Er ist ein Natur produkt. Unsere Grundlage. Ich mache also einfach das, was für den Wein am besten ist. Und wenn die Traube gut ist, wird auch der Wein gut. Am Tag der Ernte weiß ich genau, welchen Schatz ich in den Händen halte. Im Ausbau dürfen dann einfach keine Nachlässigkeiten entstehen. Der Weinberg und die erzeugten kleinbeerigen, gesunden und vollreifen Trauben, darauf liegt der Fokus.“ “There are few means available to make a good wine. It’s a product of nature. That’s our fundamental principle. I simply do what’s best for a wine. And if the grapes are good, then the wine will also be good. On harvest day, I know precisely what a treasure I’m holding in my hands. In winemaking, then, you simply have to be meticulous.”
330 | 331 Franken
Weingut Glaser-Himmelstoß Monika und Wolfgang Glaser
„Wir gehören in Franken zu den ganz wenigen Gütern, die jährlich eine große Süßweinkollektion produzieren. Süßweine sind unsere Leidenschaft geworden. Denn in den beiden Lagen Dettel bacher Berg-Rondell und Nordheimer Vögelein können wir sie in einer Qualität erzeugen, wie man sie dort niemals vermuten würde. An der Kuppe der steilen Lagen geht immer Wind, der die Trauben im Herbst ganz langsam und gesund eintrocknen lässt. Wie in Sauternes – eine perfekte Voraussetzung! Wir lesen Riesling, Silvaner und Scheurebe auch für die trockenen Weine bis zu dreimal. Dabei lassen wir gesundes Lesegut hängen, damit es eintrocknen kann. Nicht alle Parzellen eignen sich, doch mit den Jahren haben wir ein gutes Gefühl entwickelt, wo es gelingt. Von Botrytis befallene Trauben werden beim Lesen nicht auf den Boden geworfen. Wir entsorgen sie weit weg vom Weinberg, damit sich die Essigsäurebakterien dort nicht vermehren. Am liebsten öffnen wir unsere Edelsüßen zu Dessert und Käse im gutseigenen Restaurant. Mit den richtigen Zutaten ist das einfach eine perfekte Kombination!“ “We’re one of the very few estates in Franken that produces a large collection of sweet wines every year. Sweet wines have become my passion. In our sites Dettelbacher BergRondell and Nordheimer Vögelein I can produce them in a quality that one would never expect. The rounded hilltops of the steep sites are always windy, which enables the water content of the grapes to slowly and healthily evaporate in autumn. As in Sauternes – a perfect prerequisite! We make up to three rounds through our Riesling, Silvaner, and Scheurebe vines during the harvest, for both dry and sweet wines, whereby we leave healthy bunches hanging so they can dry up. This doesn’t work in all parcels, but over the years, I’ve developed a good feeling for where it succeeds. Botrytis-infected bunches are not merely discarded. We dispose of them far from the vineyards to prevent the spread of acetic acid bacteria among the vines. We really enjoy opening one of our lus ciously sweet wines to serve with dessert and cheese in our estate’s restaurant. With the right ingredients, it’s simply a perfect combination.”
Franken 332 | 333
Weingut Bernhard Höfler Bernhard und Edeltraud Höfler
Bernhard Höfler „Von der besten Lage unseres denkmalgeschützten Weinbergs aus, dem
Michelbacher Apostelgarten, kann ich den Großen und Kleinen Feldberg im Taunus sehen, außerdem die Skyline von Frankfurt. Der Blick reicht über die gesamte Mainebene. Dort erzeugen wir unser Großes Gewächs, einen Riesling. Am Abend haben wir dort bis zuletzt Sonne, während die Umgebung längst im Schatten liegt. Der Glimmerschiefer ist dann ganz warm. Er liegt hier in großen Halden, die über die Jahrhunderte aufgeschüttet wurden. Man spürt die Luftzirkulation. Am Apostelgarten kann jeder auf seine Weise meditieren. Mit den Eidechsen, den vielen Tieren, den Vögeln.“ Edeltraud Höfler „Wir brauchen nicht die Weite anderer Weinbauregionen, sondern lieben
das klar gegliederte, vom Wald eingefasste Tal. Man kann nur wirklich guten Wein erzeugen, wenn man auf sich bezogen ist. Und nicht dauernd nach draußen schaut. Ich bin in Michelbach geboren. Ich kenne den Wald, den Weinberg und seinen eigenen Geruch. Das macht seinen Reiz aus. Oft denke ich: Ich müsste bei uns mal Urlaub machen.“ Bernhard Höfler “I can see the highest points of the Taunus Hills, as well as the sky line of Frankfurt/Main, from finest parcel of the Michelbacher Apostelgarten, a vineyard under historical preservation status. It also affords a splendid view of the entire Main River plain. This is where the Riesing grapes for our Grosses Gewächs grow. The site captures the last rays of the sun in the evening, long after the surrounding area lies beneath shadows. By then, the mica schist is quite warm. It lies here in large piles that built up over the centuries. You can feel the air circulating. In the Apostelgarten, everyone can meditate in his or her own way … with the lizards, the fauna, the birds.” Edeltraud Höfler “We don’t need the vast expanses that are found in other winegrowing regions. We love our valley, which is ringed by forests and clearly structured. You can only make really good wine when you feel a kinship with where you are. I was born in Michelbach. I know the forests, the vineyards, and their scents. That’s what makes it charming. I’ve often thought that I really should take a vacation here.”
334 | 335 Franken
Weingut Juliusspital Würzburg Horst Kolesch
„Das Weingut Juliusspital ist 434 Jahre alt und hat einen zusammenhängenden Weinbergsbesitz in den gleichen Parzellen, etwa am berühmten Würzburger Stein. Unsere Großen Gewächse sind empfindsam wie Diven: Sie bringen außergewöhnliche Leistung, sind aber hochsensibel und sehr anspruchsvoll im Umgang. Ich kenne daher alle Parzellen unserer 21 Weinbergslagen gut, dazu alle 220 Holzfässer mit ihren Eigenarten. Wir wirtschaften nachhaltig, und dies bedeutet für uns viel mehr als für andere Unternehmen. Wir verbin- den Ökonomie, Ökologie und die Verantwortung für den Menschen. Das alles tun wir ja, um einen sozialen Zweck zu erfüllen: Zur Stiftung gehören beispielsweise ein Krankenhaus, eine Palliativstation, eine Kranken- und eine Altenpflegeschule, Armenspeisungen, eine Kirche und ein Seniorenstift.“ “The Juliusspital estate is 434 years old and has continuously owned top parcels in famous vineyards, such as Würzburger Stein, since its founding in 1576. Our Grosse Gewächse are as sensitive as a diva. They bring forth exceptional results, but demand considerable attention. I’m personally familiar with all the parcels of our 21 vineyard sites as well as the distinctive features of all 220 wooden casks. We operate accord ing to the principles of sustainability, and this is more important to us than to other enterprises. We combine economics and ecology with a responsibility to society. We do all of this to fulfill a social purpose: a hospital, a palliative ward, a nursing and geriatric nursing school, a center to feed the poor, a church, and a nursing home are all part of the charitable foundation to which our estate belongs.”
Franken 336 | 337
Weingut Fürst Löwenstein Carl F. Erbprinz zu Löwenstein
„Im Jahr 1609 wurde unser Weingut in Franken gegründet, 1702 der erste Silvaner am Homburger Kallmuth gepflanzt. 1875 erwarb Fürstin Sophie dazu das Rheingauer Gut mit besten Lagen in Hallgarten. Tradition kann allerdings erdrücken, wenn man sich nicht davon frei macht. Man muss wissen, woher man kommt – und wohin man gehen will. Daher haben wir uns in Franken und im Rheingau von Randlagen getrennt, die nicht unserem Qualitätsanspruch entsprachen. Das 400 Jahre im Familienbesitz befindliche Gutsgebäude in Kreuzwertheim geben wir auf. Wir ziehen nach Kleinheubach ins Schloss meiner Eltern. Dort erwecken wir den un- genutzten Marstall von 1720 mit Kreuzgewölbe und hohen Sandsteinsäulen zu neuem Leben. Die Wände sind 1,20 Meter dick. Neben dem Schloss entsteht ein modernes Gebäude nur aus Holz für Kelterei, Lager und Büros. Ich will so zwischen Tradition und Moderne eine neue Balance finden – oder besser, einen Spagat machen: Wir tun das seit 400 Jahren, aber nun ein wenig anders.“ Carl Friedrich Prinz zu Löwenstein verstarb während der Produktion des Buches bei einem tragischen Unfall.
“Our wine estate in Franken was founded in 1609; the first Silvaner was planted in the site Homburger Kallmuth in 1702; and Princess Sophie purchased the Rheingau estate and excellent vineyards in Hall garten in 1875. Tradition can be limiting, though, without an open mind. You have to know where you’re coming from – and where you want to go. Therefore, we’ve parted ways with marginal sites in Franken and the Rheingau that don’t meet our quality standards. We’re giving up the estate build ing in Kreuzwertheim, although it’s been owned by the family for 400 years. We’re moving to my par ent’s palace in Kleinheubach, where we will breathe new life into the former stables from 1720, with their vaulted ceilings, high sandstone columns, and meter-thick (nearly four-ft-thick) walls. Next to the palace, a modern building is being constructed entirely out of wood to serve as a press house, warehouse, and offices. I want to harmonize the traditional with the contemporary – it’s a balanc ing act, but we’ve done it for 400 years … this time, though, in a somewhat different manner.” During the production of this book, Carl Friedrich Prinz zu Löwen stein was killed in a tragic accident.
338 | 339 Franken
Weingut Roth Gerhard Roth
„1974 habe ich den Betrieb gegründet und sofort begonnen, ökologisch zu arbeiten. Damals gab es noch keinen Markt für Ökowein, es war mir aber ein Bedürfnis, so zu arbeiten. Ich fühle mich der Natur sehr verbunden. Heute spricht man vom Weinmacher, und dahinter steht, dass der alles mit dem Wein machen kann. Ich bin froh, dass ich das nicht sein muss. Wir vergären spontan und zwingen den Wein nicht in eine Richtung, die heute als richtig gilt. Ich lasse den Jahrgängen und Gegeben heiten ihren Lauf.“
“I founded the estate in 1974 and immediately began to to cultivate my vines organically. There really wasn’t a market for organic wines back then, but I felt compelled to work this way. I feel a great rapport with nature. Today, every one talks about ‘winemakers’ – as though these ‘makers’ can do whatever they want with the wine they are ‘making.’ I’m glad that I don’t share this philosophy. Our grape musts ferment spontaneously and we don’t force our wines into a direction that’s considered to be ‘correct’ or fashionable at the moment. I let the wines of each vintage take their own course.”
Franken 340 | 341
Weingut Johann Ruck Johann Ruck
„In unserer Lage Iphöfer Kalb hatten wir 1986 auch die Sorte Huxelrebe stehen. Eigentlich ist sie gräuslich: Sie riecht wie Rasierwasser, die Stöcke tragen verrückt große Mengen. Ich überlegte lange, was ich daraus machen könnte. Ich habe die Trauben erst mal hängen lassen, und so ernteten wir eine Trockenbeerenauslese mit fast 300 Grad Oechsle. Die habe ich, ganz klassisch, im Barrique vergoren. Nach einem halben Jahr habe ich probiert, nach neun Monaten erneut – der Wein wurde jedes Mal schöner. Ein tolles Bouquet, das ohne das Holz störend wirken würde, die breiten Schultern aus beinahe 300 Grad Oechsle und dazu ein gewaltiger Extrakt. Es war der beste Wein meiner Winzerlaufbahn. Auf die Rückseite des Etiketts habe ich feine Spätlese geschrieben. Denn so hat mein Großvater seine besonderen Weine bezeichnet. Nach diesem Wein fragen Kunden noch heute. Ein paar Flaschen liegen noch im Keller – aber die gebe ich nicht her. Mein Herzblut gilt diesen Weinen, die tiefer gehen, die unverwechselbar sind.“ “In 1986, we had Huxelrebe grapes growing in our site Iphöfer Kalb. They’re actually pretty awful: the wines reek of aftershave lotion, and the vines are unbelievably prolific. I thought long and hard about what to do with them. First, I simply left the bunches hanging on the vine. As a result we harvested a Trockenbeerenauslese with nearly 300 degrees Oechsle. I fermented the grapes quite traditionally in barriques. After six months, I tasted the wine; then again, after nine months – and each time the wine tasted better. It had a wonderful fragrance, yet it would have been off putting without the influence of the wood or the breadth provided by the high must weight and powerful extract. It was the best wine of my wine-growing career. On the back label I wrote ‘feine Spätlese,’ just as my grandfather had done for his special wines. Customers are still asking for that wine today. A couple of bottles are still in the cellar – but I’m not parting with them. My heart and soul go into these wines. They’re so distinctive and have such depth.”
342 | 343 Franken
Weingut Horst Sauer Horst und Sandra Sauer
Horst Sauer „2009 war für uns ein ganz außergewöhnlicher, sehr emotionaler Jahrgang, weil
die Witterung super war und nach unserer Baumaßnahme endlich alles richtig gut funktioniert hat. In den vergangenen zehn Jahren wollten wir achtmal auswandern. Es ist jedes Mal ein Abenteuer mit dem Wetter! Wir arbeiten das ganze Jahr hart im Weinberg, geben unser Bestes – und im Herbst stellt sich ein Wetter ein, das diese Qualität wieder infrage stellt. Das tut uns unglaublich weh. 2009 sind unsere Reben mit einer gewaltigen Energie in den Herbst gegegangen. Das hat unser Winzerherz glücklich gemacht. Wir mussten uns nicht mit stressigem Wetter auseinandersetzen, sondern konnten unsere Konzentration ganz auf die Trauben richten.“ Sandra Sauer „Wir wollen unseren Kunden bei der Verkostung der Weine nicht vorschreiben,
was sie schmecken sollen. Im Gegenteil: Sie sollen eine eigenständige Sensorik entwickeln. Sie erzählen uns, was sie schmecken und empfinden. Wir warten auf ihre Reaktion, auf das, was der Wein mit ihnen macht. Wir beobachten ihre Mimik, hören auf ihre Kommentare. Der Kunde gibt uns so eine ehrliche Rückmeldung, ob wir unsere Arbeit gut gemacht haben.“ Horst Sauer “For us, 2009 was a thoroughly extraordinary, very emotional vintage. The weather was superb and after our construction project, everything finally functioned well. During the past ten years, we thought about emigrating eight times. The weather is such a challenge every year! We work hard in the vineyards the entire year, give our all, and in autumn, a weather pattern sets in that puts all our quality-oriented efforts in question. It’s incredibly painful. At the start of the harvest in 2009, our grapes were enormously vibrant. As wine-growers, it did our hearts good. We didn’t have to cope with weather-related stress, and could completely focus on the grapes.” Sandra Sauer “During a tasting, it’s not our place to impose our perceptions of a wine on our customers. On the contrary: we want our customers to feel free to develop their own sensory impressions about what they’re sampling. They share their feelings and tell us what they taste. We wait for their reaction, how they respond to the wine. We watch their facial expressions, listen to their comments. They’re providing us with honest feedback that lets us know whether we’ve done our job well.”
Franken 344 | 345
Weingut Rainer Sauer Helga und Rainer Sauer
„Seit 1979 führen wir das elterliche Weingut, das Trauben an die Genossenschaft lieferte. Wir begannen jedoch, unseren eigenen Wein auszubauen, eine kleine Revolution für die Eltern. Heute bewirtschaften wir 11 ha, davon 3,7 ha in der Steillage Eschendorfer Lump, eine unserer Spitzenlagen. Seit 2007 steht uns Sohn Daniel zur Seite. Er zettelte einen kleinen Aufstand an, als er als frisch diplomierter GeisenheimAbsolvent einen Teil des Lumps nach seinen Ideen ausbaute – ganz anders als wir es bisher gemacht haben: Er unterzog die Maische einer fünftägigen Kaltmazeration. Neben den für unseren Silvaner klassischen Aromen von gelben Früchten zeigte dieser Wein deutlich mehr Eleganz und Exotik. Zudem bestand unser Sohn auf eine schwarze Schlegelflasche anstelle des traditionellen Bocksbeutels und auf den Namen Freiraum. ‚So kann kein Frankenwein heißen und auch nicht aussehen‘, sagten wir, aber ließen ihn gewähren. Zum Glück! Denn Daniels Freiraum ist heute einer unserer Spitzenweine – ein gelungenes Teamwork zweier Generationen. Denn wir haben unserem Sohn stets den Freiraum gelassen, seine eigenen Ideen und Vorstellungen einzubringen und zu verwirklichen.“ “We’ve run our parent’s estate since 1979. They had always delivered their grapes to the coop erative; we began to produce the wines ourselves – a novelty in the eyes of our parents. Today, we cultivate 11 hectares (27 acres), 3.7 hectares (9 acres) of which are in the steep site Eschen dorfer Lump, one of our top vineyards. Our son Daniel has worked with us since 2007. As a graduate fresh out of Geisenheim, he provoked a small uproar when he decided to do his own thing with a portion of the grapes from Lump – by letting the must undergo a five-day cold maceration – something we had never done before. In addition to our Silvaner’s classic aromas of yellow fruit, this wine had decidedly more elegance and something exotic about it. He also insisted on bottling it in a black flute rather than the traditional Bocksbeutel, and naming it ‘Freiraum,’ meaning ‘leeway.’ We told him that no Franken wine could be named or bottled like that … but we let him have his way. And what luck that we did. Daniel’s ‘Freiraum’ is one of our top wines today and an example of successful teamwork between two generations. We’ve always given our son leeway to add his input and realize his own ideas.”
346 | 347 Franken
Weingut Egon Schäffer Egon Schäffer
„Zu meiner Philosophie gehören richtig trockene Weine. Ich arbeite ausschließlich mit Spontangärung, und wenn die Gärung eines Weins dabei mittendrin stehen bleibt, lasse ich ihn so, wie er eben ist. Früher hätte ich alles daran gesetzt, ihn doch noch durchgären zu lassen. Heute nicht mehr. Ich lasse meine Weine so werden, wie sie werden wollen.“ “Bone-dry wines are part of my philosophy. I let all of my wines ferment spontaneously, and if fermentation comes to a standstill, I leave the wine as it is. In the past, I would have done anything possible to have helped the wine completely ferment. I don’t do this anymore. I let my wines develop according to their own will.”
Franken 348 | 349
Weingut Schmitt’s Kinder Karl Martin und Martin Johannes Schmitt
„2009 wurden wir zum zweiten Mal in Folge auf der International Wine and Spirit Competition in London zum ‚German Wine Producer of the Year‘ gekürt. Der entscheidende Wein in der Endrunde war unsere 2005er Pfülben Riesling Beerenauslese. Einer der besten Weine, die wir je gemacht haben. Da hat alles gestimmt: Von perfekten, schön eingetrockneten Rosinen bis zu einer völlig gesunden Botrytis. Im Weinberg war alles perfekt – das findet sich auch in diesem Wein wieder: eine unheimliche Dichte, eine tolle Mineralik und Säure, ein perfektes Süße-Säure-Spiel. Dass unsere Arbeit gleich mit zwei hoch dotierten Auszeichnungen honoriert wurde, war ein unbeschreibliches Gefühl.“
350 | 351 Franken
“In 2009, for the second year in a row, we were named ‘German Wine Producer of the Year’ at the International Wine & Spirit Competition in London. The decisive wine in the final round was our 2005 Pfülben Riesling Beerenauslese. It is one of the finest wines we’ve ever made. Every thing was just right, from the perfect, beauti fully dried-up berries to the completely desirable botrytis. And this perfection in the vineyard is reflected in the wine. It’s an incredibly compact wine with a wonderful acidity and mineral tones. The interplay of sweetness and acidity is ideal. To have received two such highly esteemed hon ors for our work was an indescribable feeling.”
Weingut Graf von Schönborn Paul Graf von Schönborn
„Unser Weingut Graf von Schönborn Schloss Hallburg liegt fast wie ein französisches Chateau inmitten von 30 ha Rebfläche. Meiner Familie gehört das Gut seit 1806, das sind mittlerweile mehr als 200 Jahre. Vom Schloss aus hat man einen fantastischen Blick auf unsere Monopollage, den steilen Schlossberg, der in südwestlicher Richtung direkt ans mittelalterliche Schloss angrenzt. Die Keuperböden neigen sich 20 bis 40 Prozent. Die Reben werden durch den Wald an der Kuppe und eine uralte Mauer geschützt. Die Hallburg ist für mich ein Ort, an dem nicht nur ich mich zu Hause fühle, sondern auch der fränkische Wein ein Zuhause gefunden hat. Es ist die Einheit des Weins mit seiner fränkischen Kulturlandschaft. Wer einmal vom Schloss hinab in die Reben geblickt hat, versteht, warum der Wein so schmecken muss, wie wir ihn produzieren.“ “Our wine estate, Weingut Graf von Schönborn Schloss Hallburg, lies in the midst of 30 hectares (74 acres) of vines, much like a French château. My family has owned the estate since 1806, or for more than two centuries. From the castle there’s a fantastic view of our solely owned, steep site Schlossberg that is directly adjacent to the south west side of the medieval castle. The marly soils slope 20-40 percent. The forested hilltop and an ancient wall help protect the grapes. Hallburg is not only a place where I feel at home, but also where Franken wine has found a home … where wine and its living cultural landscape are at one. Anyone who has had a look at the vines from the castle ‘knows’ why the wine tastes the way we produce it.”
Franken 352 | 353
Weingut Gregor Schwab Thomas Schwab
„Unsere besten Weine wachsen am Thüngersheimer Johannisberg. Die Böden dieser Lage bestehen aus einer einzigartigen Gesteinsmischung: Muschelkalk und Buntsandstein. Normalerweise liegen die Schichten untereinander – in Thüngersheim stoßen sie aber zusammen und prägen in unterschiedlichen Anteilen unseren Wein. Wir produzieren Riesling und vor allem Silvaner. Denn das ist Wein Frankens, der vor allem am Johannisberg hervorragend gedeiht. Aus dieser Sorte produzieren wir dort auch unser einziges Großes Gewächs. Ich finde, eine Spitze genügt. Als ich 1990 den Betrieb von meinen Eltern übernahm, habe ich einen großen Wandel eingeleitet: konsequente Ertragsreduktion für bessere Weine. Das hat auf Anhieb funktioniert. In Zukunft will ich Flächen, die beispielsweise mit Kerner bestockt sind, durch Silvaner ersetzen. Meine Arbeit wird von zwei Aspekten bestimmt: die Fokussierung auf Silvaner. Und auf noch mehr Qualität.“
354 | 355 Franken
“Our best wines are from the Johannisberg site in Thüngersheim. Its soils consist of a unique mixture of stones: shell-limestone and colored sandstone. Normally, they’re stacked in layers; in Thüngersheim, they collide with one another and leave their mark on our wine in varying proportions. We produce Riesling, but Silvaner is foremost. It is the grape of Franken, and it truly thrives in the Johannisberg site. This is the appellation from which we produce our only Grosses Gewächs, a Silvaner. One really top wine is enough. When I took over operations from my parents in 1990, I introduced a major change: consistently lower yields to produce bet ter wines. It worked right from the start. In the future, I plan to replace the parcels planted with Kerner, for example, with Silvaner. Two factors are decisive for my work: the focus on Silvaner, and achieving even higher quality.”
Weingut Zur Schwane Eva Pfaff-Düker und Ralph Düker
Ralph Düker „Meinen ersten bewussten Schluck Wein habe ich wegen der netten Frau neben mir getrunken. Da
war ich schon über 20 Jahre alt. Nach diesem Schluck ersetzte ich das Bier sehr schnell durch immer bessere Weine. Die Liebe zum Genuss verbindet uns bis heute. Dem Wein haben wir uns mit Haut und Haar verschrieben.“ Eva Pfaff-Düker „1996 haben wir unseren ersten gemeinsamen Jahrgang gemacht. Wir haben damals den
Betrieb übernommen und erstmal alles komplett umgekrempelt. Im Keller war die Technik viel zu traditionell, zu unbeweglich, zu unkreativ.“ Ralph Düker „Das Herz hat gefehlt, um einem Wein einen Schliff mit der richtigen Idee zu geben. Außerdem
haben wir parallel ein neues Weingut gebaut, das architektonisch sehr außergewöhnlich gestaltet ist.“ Eva Pfaff-Düker „Im Jahr darauf haben wir die Weinstilistik so verändert, wie wir uns das vorgestellt haben.
Den leichteren Weinen haben wir sehr mutig fruchtige Komponenten zugefügt, bei den großen Weinen sehr restriktiv gearbeitet. In Franken wird der Wein oft sehr traditionell gesehen. Deshalb war das ein richtig großer Schritt.“ Ralph Düker “The first sip of wine that I actually remember was because of the nice woman sitting next to me. I was already more than 20 years old. After that sip, better and better wines quickly replaced beer. Our love of pleasure binds us to this day. We’re totally committed to wine.” Eva Pfaff-Düker “In 1996, we produced our first vintage together. The estate had just been handed down to us and the first thing we did was to turn everything upside down. The cellar techniques were far too traditional, too rigid, too unimaginative.” Ralph Düker “Something was missing. The wine was still a bit rough. At the same time, we were busy building a new wine estate with an architecturally unusual design.” Eva Pfaff-Düker “The following year, we completely changed our wine style and began to produce wine the way we thought was best. The lighter wines were vinified to bring out their forthright, fruity aromas. We let the premium wines take their own course and interfered with as few cellar techniques as possible. This was quite a big step, especially in Franken, where there are a lot of conservative views about wine.”
Franken 356 | 357
Weingut Schloss Sommerhausen Martin Steinmann
„Schloss Sommerhausen feiert 2010 sein 575. Bestehen. Der älteste Weinberg, oberhalb des Orts, stammt von 1147. Ich bin die elfte Generation, die das Weingut führt. Es war für mich logisch, dass ich Winzer werde. Ich kann mich nicht erinnern, dass es eine bewusste Entscheidung war. Meine Eltern haben nie Druck ausgeübt, ich wollte eben einfach nichts anderes werden. Obwohl ich ein vom Silvaner geprägtes Gut leite, ist meine heimliche Liebe der Riesling. Das hat viel mit meinem ersten Schluck Wein zu tun: Ich war vier Jahre alt und bekam von meinem Vater einen kleinen Schluck Riesling Trockenbeerenauslese des Jahres 1976, einem großartigen Ausnahmejahrgang. Sie war so toll süß und fruchtig, das hat mich damals völlig fasziniert und offenbar bis heute geprägt. Ich kann mich noch heute gut an das Weinglas in der Hand meines Vaters erinnern.“
358 | 359 Franken
“In 2010, Schloss Sommerhausen celebrates its 575th birthday. The oldest vineyard – situated above the village – dates from 1147. I’m the 11th generation to run the estate. I always knew I would become a wine-grower. I don’t recall ever having made a conscious decision to do so. My parents didn’t put me under any pres sure; I simply didn’t want to do anything else. Although Silvaner is the hallmark of our estate, my secret love is Riesling. That’s doubtlessly related to my first sip of wine: when I was four years old, my father gave me a little sip of a Riesling Trockenbeerenauslese from the excep tional and tremendous 1976 vintage. It was so wonderfully sweet and fruity. It completely fascinated me at the time, and obviously left its mark to this day. Even today I can well remember that wine glass in my father’s hand.”
Staatlicher Hofkeller Würzburg Michael Jansen
„Als Gutsdirektor des Staatlichen Hofkellers leite ich einen der schönsten Weinkeller der Welt. Er birgt einmalige, historische Schätze. Wenn unsere Holzfässer reden könnten, hätten sie viel zu berichten: von Fürstbischöfen, Königen und Kurfürsten, von Missernten, von Jahrhundertjahrgängen, Kriegen und klugen Kellermeistern. Einer von ihnen soll den Wein des legendären 1540er Würzburger Stein während des 30-jährigen Krieges vor den Schweden gerettet haben, indem er ihn in Glasballons füllte und diese vergrub. 140 Jahre später barg man den Weinschatz und füllte ihn in ein eigens dafür gefertigtes Fass. Das Schwedenfass ist das bekannteste des über 4 500 Quadratmeter großen Kellers. Unser ‚Weinkulturerbe‘ befindet sich direkt unter der Würzburger Residenz, einem UNESCO-Weltkulturerbe. Die Kelleranlage ist jedoch kein Museum. Einst vom weltberühmten Barock-Baumeister Balthasar Neumann als ‚vorzüglicher Weinkeller‘ für den Fürstbischof von Schönborn erbaut, beherbergt sie heute modernste Kellertechnik. Dort lagern nun die vinologischen Schätze der Gegenwart.“ “As the director of this estate, I’m in charge of one of the world’s most beautiful wine cellars. It houses unique, historical treasures. If our wooden casks could speak, they’d have much to tell about prince bishops, kings, and electors; crop failures and vintages of the century; wars; and wise cellar masters. One of them is said to have saved the legendary 1540 Würz burger Stein from the Swedes during the Thirty Years’ War by filling it in glass balloons and burying them. Some 140 years later, this treasure was recovered and placed in a cask espe cially made for it, the so-called ‘Swedish cask,‘ the most famous in the vast cellars (4 500 sq. meters, nearly 48 500 sq. ft). This legacy of wine culture lies directly beneath the Würzburger Residenz, a UNESCO World Heritage site. Their fame notwithstanding, the cellars are not a museum. Originally built as an ‘exquisite wine cellar’ for the Prince Bishop von Schönborn by the world-renowned master architect Balthasar Neumann, today the cellars are home to stateof-the-art cellar technology. Within their walls lie the wine treasures of today.”
Franken 360 | 361
Weingut der Stadt Klingenberg Helmut Stark-Nothhelfer
„Arbeiten und zugleich entspannen – das gibt’s nur im Winzerberuf. Der Rebschnitt ist für mich eine der schönsten Arbeiten. Die Ruhephase der Natur überträgt sich dann auch auf mich. Jeder einzelne Rebstock ist für mich eine Persönlichkeit, in die ich mich jedes Jahr neu eindenke, bevor ich die Schere ansetze. Formal ist die Arbeit immer gleich – aber jeder Rebstock wächst anders und benötigt daher andere Schnitte. Könnten drei kundige Menschen einen Rebstock schneiden, würde das Ergebnis jedes Mal etwas anders aussehen.“ “To work and relax at the same time – that’s something only a wine-grower can do. I think pruning vines is one of the nicest tasks. I’m filled with the peace of nature’s dormant phase. To me, every individual vine is a personality that must be reassessed every year before I set forth with my shears. Theoretically, the work is always the same – but each vine grows differently and thus needs to be pruned differently. If three experts were to prune the same vine, the results would vary somewhat each time.”
362 | 363 Franken
Weingut Am Stein, Ludwig Knoll Ludwig und Sandra Knoll
Sandra Knoll „Wir verstehen uns als Genuss
vermittler. Unsere Kunden sollen nicht nur den Wein als Solitär wahrnehmen, sondern ihn in all seinen Facetten bei einem guten Essen genießen. Der Wein zeigt seine Wahrheit erst in Kombination mit den passenden Speisen. Das geht in Deutschland genauso gut wie in der Toskana oder im Piemont.“ Ludwig Knoll „Es gibt einen engen Zusammenhang
zwischen der persönlichen Entwicklung des Winzers und der Entwicklung seiner Weine. Sie hat viel mit der eigenen persönlichen Reife zu tun. Die Ästhetik eines Weins lässt sich nicht auf den Geschmack reduzieren. Dazu gehört auch seine Geschichte und die Lebensart des Produzenten.“
Sandra Knoll “We’d like to think of our selves as ‘purveyors of pleasure’. Our custom ers should not just enjoy our wine per se, but rather experience all of its aspects with a good meal. Wine really opens up only when it’s enjoyed with compatible food. That’s true in Germany as well as in Tuscany or Piedmont. Ludwig Knoll “There’s a close tie between the personal development of a wine-grower and that of his or her wines. It has a lot to do with one’s own maturity. The aesthetics of a wine can’t be reduced to taste alone. It also depends on its development and the lifestyle of the producer.”
Franken 364 | 365
Weingut J. Störrlein und Krenig Armin Störrlein und Martin Krenig
Martin Krenig „Manche Methoden muss ich als Winzer
einfach selbst erproben. Bei vielen Dingen aber kann ich auf die Erfahrung meines Schwiegervaters Armin zählen. Das ist schön. Mittlerweile sind wir drei Generationen unter einem Dach. Zu meiner Hochzeit mit Christiane, Armins Tochter, haben wir gemeinsam einen Hochzeitswein gemacht. Davon sind noch 300 Flaschen übrig. Die werden wir im ‚verflixten siebten Jahr‘ aus dem Keller holen.“ Armin Störrlein „Den Nachnamen meines Schwieger
sohns in unseren Gutsnamen aufzunehmen war mir wichtig. Das kennzeichnet doch die neue Generation. Als Älterer kann ich von den jungen Leuten lernen. Denn ein Familienbetrieb profitiert nicht nur von der Tradition, sondern auch von neuen Ideen. Die Seele unseres Weinguts bin ja nicht ich alleine, sondern wir alle, die hier miteinander arbeiten und leben. Und wenn ich ein wenig Ruhe brauche, steige ich hinunter in unseren Weinkeller. Dort gehe ich von Fass zu Fass, verkoste die Weine und frage sie in Gedanken: Wie war eure Laune das letzte Mal – und wie zeigt ihr euch wohl heute? Dieses kleine Ritual genieße ich.“
366 | 367 Franken
Martin Krenig “As a wine-grower, there are many techniques that I simply have to try out for myself. But there are many things where I can count on the experience of my father-in-law Armin. I’m fortunate to have his support. In the meantime, we’re three generations under one roof. For my wedding with his daughter, Christiane, we produced a wedding wine together. We still have 300 bottles of it in the cellar. When we reach the ‘seven-year itch,’ we’ll open one.” Armin Störrlein “It was important to me to incorporate my son-in-law’s name into that of our estate. It marks a new genera tion. As an elder, I can learn from younger people. After all, a family operation doesn’t just profit from tradition, but also from new ideas. I alone am not the ‘soul’ of the estate, but rather all of us who live and work here together. And when I feel the need for a bit of peace and quiet, I retreat into our wine cellar. I go from cask to cask, sample the wines, and mentally ask them: ‘How was your mood the last time I tasted … and what’s your mood like today?’ I enjoy this little ritual.”
Weingut Weltner Paul Weltner
„Heute ist es Mode, Weine mit jungen, frischen Aromen anzubieten. Aber es gibt da noch so viel anderes! Das entsteht im Weinberg und durch die Lagerung. Wegen ein wenig Reife eines älteren Weins würde nicht mal mein kleiner Finger zucken. Wenn diese Noten gut ins Aroma eingebaut sind, in die Frucht und den Körper, ist das doch klasse. Man muss Wein aber erst schätzen lernen, um sich diesem Aspekt des Genusses öffnen zu können. Unsere gereiften Großen Gewächse können als Essensbegleiter beim Hauptgang problemlos neben einem guten Rotwein bestehen.“ “Today it’s fashionable to produce wines with young, fresh aromas. But there are so many other options! They result from vineyard site and aging. I certainly wouldn’t twinge if a wine has some maturity on the nose. If these aging tones are well integrated into the aromas, the fruit, and the body of a wine, that’s great. Of course one must first learn to appreciate wine in order to be open to this pleasurable aspect of a wine. Our mature Grosse Gewächse can easily stand up to a good red wine with the main course of a meal.”
Franken 368 | 369
Weingut Hans Wirsching Dr. Heinrich Wirsching
„Zum Deutschlandbesuch des Papstes im Jahr 1980 kamen 100 000 Menschen nach Alt ötting. Ich durfte dem Heiligen Vater einige ausgesuchte Weine übergeben und sogar mit ihm kurz darüber sprechen. Das war für mich großartig. Zur folgenden Messe waren alle am Altar sehr nervös und so geschah es, dass ein Ministrant den Kelch mit dem Messwein umstieß. Der Kantor, den ich kannte, hatte die Situation sofort erfasst, ging zu meinem hinten abgestellten Geschenkkorb und zog kundig die beste Flasche heraus. Er öffnete sie und goss den Wein in den Kelch. So wurde dieser Wein zum Messwein – für eine Messe des Papstes! Die Begebenheit kam an die Öffentlichkeit, und von nun an hatte ich einen Papstwein gemacht.“ “When the pope visited Germany in 1980, 100,000 people came to Altötting. I had the privilege of presenting the Holy Father with a few selected wines, and I could even briefly discuss them with him. For me, that was quite an experience. At the mass that followed, everyone at the altar was very nervous, and so it happened that a server inadvertently knocked over the chalice with the communion wine. The cantor, whom I knew, immediately realized what had happened, went over to my gift basket, and quickly pulled out the best bottle. He opened it and poured it into the chalice. That’s how the wine became the altar wine – for a mass conducted by the pope! The incident and the producer of a ‘wine for the pope’ received considerable publicity.”
370 | 371 Franken
Weingut Zehnthof Ulrich und Wolfgang Luckert
„Wir beiden Brüder bewirtschaften gemeinsam in Sulzfeld die Lagen Maustal und Cyriakusberg, insgesamt rund 13,5 ha. Unser Weingut ist ein Großteil unseres Lebens. Für uns ist es unvorstellbar, etwas anders zu machen als Wein. Was uns dabei besonders fasziniert: Die Handschrift, die von un- seren Weinbergen und unserer Familie stammt, tritt im Wein mehr und mehr zutage. Wir entfernen uns zunehmend vom Mainstream und bilden immer stärker einen ‚Luckert-Charakter‘ aus. Seit wir auf ökologischen Weinbau umgestellt haben, ist die Mineralität unserer Weine wesentlich ausdrucksstärker geworden. Die Lagen kommen viel mehr zum Ausdruck als noch vor fünf oder sechs Jahren. Wie wir mit dem Wein in den Reben und im Keller umgehen ist eindeutig zu schmecken. Außer der Kunst gibt es wohl keinen anderen Beruf, in dem man sich selbst so intensiv verwirklichen kann.“
“We brothers jointly cultivate about 13.5 hectares (33 acres) in the sites Maustal and Cyriakus berg in Sulzfeld. Our estate is an integral part of our lives. In fact, we can’t imagine doing any thing other than making wine. We’re especially fascinated to see that the signature of our vine yards and our family has become more visible. We’ve increasingly departed from the mainstream and developed a more pronounced ‘Luckert’ pro file. Since we converted to organic viticulture, the mineral character of our wines has become con siderably more expressive, and site-specific traits more striking than they were five or six years ago. Our work in the vineyards and in the cellar can clearly be tasted in the wine. Few other pro fessions – except, perhaps, the fine arts – enable one to find such so much personal fulfillment.”
Franken 372 | 373
374 | 375
Sachsen / Sa ale
Schloss Proschwitz
a ale - Unstrut
Dresden
376 | 377 Sachsen/Saale-Unstru t
Sachsen Die Weine aus dem nordöstlichsten Anbaugebiet Europas sind echte Raritäten. Denn Sachsen verfügt nur über rund 450 ha Ertragsfläche, deren Weine bei Bewohnern und Gästen der reizvollen Region sowie der umliegenden Städte wie Dresden und Meißen sehr begehrt sind. Die mit Bruchsteinmauern terrassierten Steillagen prägen den Weinbau an den steilen Hängen des Elbtals mit Böden aus Granit- und Granitporphyr-Verwitterungen, Lehm, Löss und Sandstein. Riesling, Weiß- und Grauburgunder sowie Spät- und Frühburgunder und Traminer erreichen hier besondere Komplexität und Größe. Über 20 Rebsorten gedeihen in Sachsen, darunter der nur hier angebaute Goldriesling. Die glanzvolle Vergangenheit ist mit historischen Schlössern, verträumten Winzerhäusern, Wein bergskirchen und traditionsreiche Schänken sehr präsent. Das Klima ist kontinental, und rund 1 600 Sonnenscheinstunden pro Jahr schaffen beste Bedingungen für das gute Ausreifen der Trauben. Die Kühle der Nacht sorgt für Komplexität und Spritzigkeit.
Sachsen The wines from Europe’s northeasternmost wine region are true rarities. After all, Sachsen has fewer than 450 ha (ca. 1 140 acres) of productive vines, and its wines are highly sought-after by the local population and visitors alike. There’s much to see, from ancient hill side castles and vintners’ huts to splendid baroque palaces and gardens – all bear witness to a glorious past. The vineyards, many of which are terraced with quarry stone walls, extend from southern Dresden to slightly north of Meissen along the steep slopes of the Elbe River. Soils of granite and weathered porphyry predominate, often covered by deposits of loam, loess, and sandstone. Particularly in good years, Sachsen’s red and white Pinots, Traminers, and Ries lings can show remarkable complexity and depth. Goldriesling, a Riesling-Muscat crossing, is a specialty grown only in Sachsen. The continental climate and some 1,600 hours of sunshine annually enable grapes to develop the aromas of fully ripened fruit. Cool nights foster com plexity and crispness.
Freyburg / Unstrut
378 | 379 Sachsen/Saale-Unstru t
Saale-Unstrut Das nördlichste Qualitätsanbaugebiet Europas liegt an den Hängen von Saale, Unstrut und der Ilm. Hier im Süden Sachsen-Anhalts und in Thüringen, wo der 51. Breitengrad verläuft, waren einst über 10 000 ha bestockt, heute sind es noch knapp 700 ha. An den Hängen der schmalen, sacht dahinziehenden Flüsse entstehen auf Muschelkalk, Buntsandstein, Lösslehm und Kupferschiefer duftige Silvaner, kraftvolle Weißburgunder, aber auch mineralische, finessenreiche Rieslinge und Rotweine wie der Spätburgunder. Insgesamt sind an Saale und Unstrut über 30 Rebsorten zu Hause. Weinbau ist hier seit über 1 000 Jahren belegt. Noch heute ist die Landschaft zwischen Streuobstwiesen und grünen Flussauen geprägt von uralten Trockenmauern, steilen Terrassen, idyllischen Weinbergshäuschen sowie Burgen und Schlössern.
Saale-Unstrut Europe’s northernmost wine-growing region for quality wine production straddles the 51st degree of latitude between Leipzig and Weimar. In the mid-16th century, there were some 10,000 ha (ca. 24,700 acres) of vines in the greater area; today, the region’s 700 ha (ca. 1,700 acres) are cultivated on the slopes that line the gently flowing waters of the Saale, Unstrut, and Ilm rivers. Shell-limestone, colored sandstone, loess-loam, and copper schist soils bring forth fragrant Silvaner, powerful Weissburgunder, and mineral-rich Rieslings of great finesse, as well as red wines, such as Spätburgunder. The first documented mention of viticulture here dates from AD 998. To this day, the landscape between green, riverside pastures and orchard meadows is marked by ancient dry stone walls, steep terraces, idyllic vintners’ huts, and numerous castles.
Weingut Lützkendorf Uwe Lützkendorf
„Ich stamme aus einer sehr alten Winzerfamilie. Ohne zu ahnen, dass ich diese Ausbildung später privat einsetzen werde, habe ich in der ehemaligen DDR Getränketechnologie mit Spezialisierung auf Wein, Sekt und Spirituosen studiert. Ich wäre wohl Technologe in irgendeiner volkseigenen Weinkellerei geworden. Gott sei Dank kam alles anders: 1991 erhielten wir unsere Rebflächen zurück und konnten wieder ein eigenes Weingut aufbauen. Das war mit viel Schweiß verbunden. Denn unsere Rebflächen, die meine Familie 1959 als Musterweinberg an den DDR-Staat übergeben hatten, waren völlig heruntergewirtschaftet: Die Böden waren ausgemergelt mit einem Humusgehalt von unter einem Prozent. Wir haben viel Zeit und Arbeit investiert, bis sich die Böden wieder regeneriert hatten. Umso stolzer waren wir, dass wir 1996 im Gault Millau als bestes Weingut im Osten der Republik gelistet wurden und fünf Jahre später unser 2000er Riesling Großes Gewächs in Singapur beim ‚Wine Style Asia Award‘ Gold und Platin gewann.“ “I come from a very old family of wine-growers. Prior to reunification, I studied beverage technology, specializing in wine, sparkling wine, and spirits, and probably would have ended up as a technician in some state-owned winery. I had no way of knowing that I would later put my training to use on a private basis. Thank heavens things turned out as they did. In 1991, our vineyards were returned to us, and we were able to set up our own wine estate. It involved a lot of hard work. Our vineyards were in top shape when they were taken over by the state in 1959. Some 32 years later, they were completely run down and the soils were exhausted – the humus content was less than one percent. We invested considerable time and effort to regenerate them. We were all the more proud in 1996, when the Gault Millau guide listed our estate as the best in the former east, and five years later, when our 2000 Riesling Grosses Gewächs took gold and platinum in the competition ‘Wine Style Asia Award’ in Singapore.”
Sachsen/Saale-Unstru t 380 | 381
Weingut Pawis Bernard Pawis
„Meine Eltern gründeten 1990 als Hobbywinzer mit nur einem halben Hektar Anbaufläche in den Freyburger Ehraubergen das wahrscheinlich kleinste Weingut Deutschlands mit angebundener Straußwirtschaft. Für meine Eltern war klar: Der Sohn lernt Weinbau. Während Schulfreunde zum Baden gingen, musste ich mit der Hacke in den Weinberg. Doch mit den Jahren habe ich das Weinmachen lieben gelernt. Seit 1998 führe ich Vaters Weingut und bewirtschafte 12 ha Reb fläche. Vor fünf Jahren haben wir das historische Klostergut Zscheiplitz erworben, von Grund auf saniert und einen Keller angebaut. Dabei habe ich auch selbst die Ärmel hochgekrempelt. Das irritierte manche Gäste, als der Gutsbesitzer vor ihnen stand – wie ein verschwitzter Handwerker. Die waren enttäuscht, dass ich nicht sonntags durch die Weinberge reite.“
382 | 383 Sachsen/Saale-Unstru t
“In 1990, my parents, part-time growers at the time, founded what was probably Germany’s smallest wine estate, with just over an acre of vines and a little wine pub in the Ehrau Hills near Freyburg/Unstrut. They simply assumed that their son would also be a wine-grower. While my schoolfriends went swimming, I had to go work in the vineyards with a pick ax. Yet over the years, I came to love winemaking. I’ve run my father’s estate since 1998, and cultivate 12 hectares (about 30 acres) of vines. Five years ago, my wife and I purchased the historical Zscheiplitz mon astery estate; thoroughly renovated it; and built a cellar. I rolled up my sleeves and did much of the work myself. Some visitors were visibly dis appointed when they came face to face with the owner, a sweaty workman … rather than someone out riding through the vineyards on Sundays.”
Weingut Schloss Proschwitz – Prinz zur Lippe Dr. Georg Prinz zur Lippe „Mein Familienzweig war bereits im 18. Jahrhundert in Sachsen als Unternehmerfamilie ansässig. Doch 1945 wurden wir enteignet. Kurz nachdem 1989 die Mauer fiel, sagte mein Vater: ‚Wir werden nichts zurückbekommen, die großen Vermögen wird der Staat behalten. Ich habe dir eine Liste der Unternehmen aufgestellt, die früher uns gehört haben. Schau, ob du Chancen siehst, etwas zurück-
“My branch of the family had already settled in Sachsen in the 18th century. In 1945, the entre preneurial family was expropriated. Shortly after Wochen durch Sachsen gefahren. Doch Tag für Tag musste the Berlin Wall came down, my father told me that we would never recover our vast properties … ich feststellen, dass die Chancen sehr gering waren. Am the state would keep them. He had prepared a letzten Tag kam ich nach Proschwitz, dem ältesten Weinlist of all that we once owned, and asked me gut Sachsens. Als ich oben auf dem Proschwitzer Weinberg whether I thought there was any chance of buy ing something back and restoring it. I spent two stand und über die Weinhänge des Elbtals schaute, habe weeks traveling through Sachsen, and day after day, came to the conclusion that chances were ich den Entschluss gefasst, unser Weingut zurückzukauslim. The final day of my trip I came to Prosch fen. Mein Vater hielt mein Vorhaben für verrückt: Denn witz, Sachsen’s oldest wine estate. As I stood at die Weinberge und Gebäude mussten zurückgekauft, alles the top of the house vineyard and gazed at the vine-clad slopes lining the Elbe Valley, I made up saniert und eine neue Kellerei errichtet werden. Ich wagte my mind that I would repurchase our wine estate. At first, my father thought this was a crazy idea das Risiko, habe meine Karriere als Unternehmensberater since the vineyards and buildings would have to an den Nagel gehängt und mich an die Arbeit gemacht – be bought back and totally renovated, and a new winery would have to be built. I took the risk, Jahre harter Knochenarbeit. Umso mehr Freude macht es gave up my career as a management consultant, mir nun, unserem Gut zusammen mit meinen Mitarbeitern and got down to work. Although it took years of hard work, it was extremely rewarding to have wieder zu neuer Blüte verholfen zu haben.“ helped our estate and my team prosper again.” zukaufen und wieder aufzubauen.‘ Daraufhin bin ich zwei
Sachsen/Saale-Unstru t 384 | 385
Weingut Klaus Zimmerling Klaus Zimmerling
„Manche Winzer veranstalten Kunstausstellungen auf ihrem Weingut. Für uns gehört die Verbindung von Kunsthandwerk und Weinmachen zum Leben. Denn meine Frau ist Bildhauerin. Ob draußen auf dem Weingut, im Degustationsraum oder im Keller – überall sieht man die Handschrift meiner Frau, der polnischen Bildhauerin Malgorzata Chodakowska. Auch auf den Etiketten: Jeder Jahrgang erhält ein eigenes Etikett mit dem Abbild einer eigens von ihr dafür gefertigten Skulptur. Deshalb kommen nicht nur Weinliebhaber, sondern auch Kunstfreunde und Sammler zu uns nach Dresden. Mancher dieser Gäste leistet sich gleich ein oder zwei Kisten unserer Weine mit den Künstleretiketten – die jeweilige Skulptur zum Jahrgang käme ihn allerdings ein bisschen teurer.“ “Many wine-growers stage art exhibits at their estates. For us, the combination of art and winemaking is part of our life. My wife is a sculptress, the Polish artist Małgorzata Chodakowska. Whether outdoors at the estate or in the tasting room or in the cellar – my wife’s signature is everywhere. Also on our wine labels. Every vintage receives its own label depicting a sculpture she created just for that purpose. As a result, not only wine enthusiasts visit us in Dresden, but also art lovers and collectors. Many of these guests take the opportunity to purchase one or two cases of our wines with artist labels – a vintage sculpture itself, however, would cost a bit more.”
386 | 387 Sachsen/Saale-Unstru t
388 | 389 W ürttemberg
Fellbach Lämmler
Württemberg
Weingenuss gehört zu Württemberg wie das Landeswappen mit den drei Hirschstangen der jahrhundertelang herrschenden herzoglichen Familie. Lemberger und Trollinger haben hier eine fast ebenso lange Tradition wie der Weinbau selbst. Wein wächst auf rund 11 500 ha zwischen der Tauberregion bis nach Tübingen auf unterschiedlichen Keuperformationen und Muschelkalkinseln am mittleren Neckar. Das Herz der Region schlägt zwischen Stuttgart und Heilbronn, in dem sich der größte Teil der Rebflächen befindet, sowie im südlich von Stuttgart gelegenen Remstal.
The pleasure of wine is as much a part of Württemberg as its coat of arms bearing three stags’ antlers, the emblem of the long-reigning house of the Dukes of Württemberg. The majority of its 11 500 ha (28 400 acres) of vineyards lies between Stuttgart and Heilbronn in the central Neckar Valley – the heart of the region – and in the Rems Valley due east of Stuttgart; vines are also planted in the area between the southern Tauber Valley and Tübingen. The soils consist of various keuper (colored marl) formations and islands of shell-limestone.
Felsengärten in Hessigheim
W ürttemberg 390 | 391
392 | 393 W ürttemberg
In Württemberg gedeihen neben dem Riesling auch Spätburgunder, Lemberger und der Schwarzriesling. Die hochkomplexen Cuvées haben der langen Rotweintradition ein neues Gesicht verliehen. In den klimatisch gut geschützten Spitzenlagen wachsen feinste Rotweine, die internationale Reputation erreicht haben. Der Riesling, die wichtigste weiße Sorte der Region, ist geprägt von einem feinen Schmelz und runder Balance, wodurch sie sich von anderen Anbaugebieten deutlich unterscheidet.
Lemberger and Trollinger have been at home in the region almost as long as grapes have been cultivated here. Spätburgunder, Lemberger, and Schwarzriesling (Pinot Meunier) also thrive here. Most of Germany’s Pinot Meunier is planted in Württemberg. Traditionally known for its red wines, the region has gained new standing with its highly complex red cuvées. Riesling is the leading white variety. It yields wines that are distinctively more mellow and rounded in character than its counterparts in other German wine-growing regions.
Neipperg
Weingut Graf Adelmann Michael Graf Adelmann
„Mir liegt die Regionalität am Herzen. Doch es stört mich nicht, wenn Leute unsere Roten mit Rotweinen vergleichen, die sie aus anderen Teilen der Welt kennen. Mir geht es um die Klassifikation, die unausgesprochen stattfindet. Wenn jemand sagt: ‚Den hätte ich blind für einen süd lichen Rhone-Wein gehalten‘, werde ich nicht in Deutsch tümelei verfallen. Wir haben einiges eingeführt, das damals pure Provokation bedeutete: Wir waren der dritte Betrieb in Deutschland, der seine Weine im Barrique ausbaute. Das haben wir anfangs exzessiv betrieben, aber nach zwei Jahren gemerkt, dass wir damit wortwörtlich auf dem Holzweg waren. Fehler gehören zum Geschäft und zum Experimentieren. Man soll sie nur nicht teuer verkaufen. Wir waren auch eines der ersten Weingüter, die Cuvées gemacht haben. Die haben für uns heute noch eine besondere Stellung. Wir wollen aber keine franzö sischen Weine kopieren. Das funktioniert nicht. Wir lassen uns inspirieren.“
“Regionality lies close to my heart. It doesn’t disturb me when people mentally compare our reds with those they know from other parts of the world...or even if they openly say they would have thought the wine was from the southern Rhône if they had tasted it blind. I’m not offended by such candid remarks, nor do I react as a ‘German’ or ‘Swabian’ chauvin ist. Over the years, we’ve introduced a number of things that have sparked provocation. We were the third estate in Germany, for example, to age our wines in barriques. We overdid it at first, but after two years, we literally realized that we were barking up the wrong tree...with ‘too much tree.’ Mistakes are par for the course when one experiments; you have to take them in stride. We were also one of the first estates to produce cuvées. They still enjoy special sta tus in our portfolio. We might be inspired by our French counterparts, but we’re not out to copy them. That doesn’t work.”
W ürttemberg 394 | 395
Weingut Gerhard Aldinger Gert Aldinger
„Die Weinbautradition unserer Familie reicht bis ins Jahr 1492. Die Jahrhunderte haben gezeigt, dass jede Generation ihre Herausforderungen meistern muss, ihre Entwicklungsphase hat und dass man nach vorn schauen muss. Auch wenn das manchmal mit Rückschlägen verbunden ist. So gab es im Juni 2000 einen Hagelschlag. Dadurch habe ich an einem einzigen Nachmittag von meiner 20 ha großen Rebfläche 16 ha Rebgut verloren. Bei einer solchen Niederlage nach vorne zu blicken
“Our family’s viticultural tradition dates back to to 1492. Over the centuries, every generation has had to deal with challenges, has experienced man die Familie als starken Rückhalt, um so eine Situastages of development, and has had to look for ward. Even if it sometimes meant coping with tion zu verkraften. Doch dieser Tag zeigte mir, dass wir setbacks. So it was in June of 2000, thanks to a Winzer viel bewirken können, aber völlig machtlos sind, hail storm. In just one single afternoon, I lost my crop in 40 of my nearly 50 acres of vines. Whew! wenn die Natur in unser Tun eingreift. Die besten VorIt’s not easy to look forward when you have to haben können binnen kürzester Zeit zunichte gemacht swallow such a financial blow. Here, you really have to count on your family’s moral support to werden. Seit jenem Ereignis weiß ich: Ich kann aufstesee through such a calamity. But that day also hen, wenn ich am Boden liege. Im Jahr darauf produziere showed me that although we wine-growers can achieve many things, we’re completely helpless ich vielleicht wieder Weine, die Preise gewinnen oder bei when Mother Nature takes its course. The best Wettbewerben ganz oben stehen. Also stehe ich auf und intentions can be annihilated within moments. mache weiter – für mich und für die nächste Generation.“ Since then, I’ve come to realize that I can pick up the pieces and start anew, even when I’m at rock bottom. Maybe the next year I’ll once again pro duce wines that win prizes or number among the best in competitions. So, I pull through and carry on – for myself and for the next generation.” muss man finanziell verkraften können. Auch braucht
396 | 397 W ürttemberg
Weingut Graf von Bentzel-Sturmfeder Kilian Graf von Bentzel-Sturmfeder „Ich habe 2001 das Weingut von meinen Eltern übernommen. In meiner Familie war vor mir niemand Winzer, seit drei Generationen hat keiner mehr in Württemberg gelebt. Als mein Vater das Gut verkaufen wollte, konnte ich das nicht akzeptieren, schließlich gehört der Betrieb seit 600 Jahren der Familie. Nur deswegen habe ich mich dem Winzerberuf genähert – und dabei hat mich die Lei- denschaft gepackt. Den Weinbau habe ich in Württemberg während meiner Lehrzeit zwischen 1989 bis 1991 kennengelernt. Petrus, Latour und Margaux habe ich stets gerne verkostet – aber diese Weine waren Galaxien von meiner Arbeit entfernt. Ein Wein, der mich nachhaltig beeindruckt hat, war aber die 1997er Lemberger Spätlese trocken vom Schlossgut Hohenbeilstein. So eine Qualität müsste auch bei uns möglich sein, dachte ich. Heute versuche ich, das Gut wieder in die Liga zurückzuführen, in die es für mich gehört. Wenn mir mein Vater beim Verkosten schelmisch und auf in keinster Weise sattelfestem Schwäbisch sagt: ‚Des het i jetzt net denkt‘ (Das hätte ich jetzt nicht gedacht), und mir dabei einen Klaps auf die Schulter gibt, ist es das höchste Lob. Dann weiß ich: Die Richtung stimmt.“
“In 2001, I took charge of the estate from my parents. No one in the family had been a winegrower before; no one had lived in Württemberg for three generations. When my father wanted to sell the estate, I simply couldn’t accept it … after all, it had been in the family for 600 years. This was the only reason I opted to become a vintner – and in the process, I was enthralled by passion. I became acquainted with viticulture in Württemberg during my studies between 1989 and 1991. I had regularly enjoyed tasting Petrus, Latour, and Margaux – but these wines were galaxies away from my work. But one wine left a lasting impression on me, a 1997 Lemberger Spätlese trocken from Schlossgut Hohenbeilstein. It made me think that it must be possible for us to achieve such high quality, too. Today, I’m try ing to return the estate to the league in which I think it belongs. When my father tastes my wine and mischievously – in attempted dialect – says ‘I would never have believed it’ and slaps me on the back, it’s the highest praise. Then I know I’m headed in the right direction.”
W ürttemberg 398 | 399
Weingut Dautel Ernst Dautel
„1986 haben wir mit dem Barrique-Ausbau angefangen. Der Start war recht holprig, wir mussten ja erst lernen, damit umzugehen. Viele dachten, das Barrique wäre ein Zauberfass: Man tut etwas Mittelmäßiges hinein und holt etwas Großes heraus. Doch das Gegenteil stimmt. Wer Mittelmaß ins Fass bringt, holt etwas unterhalb des Mittelmaßes heraus. Der Jahrgang 1990 war für uns ein Meilenstein. Wir haben verstanden, dass man etwas Exzellentes ins Fass bringen muss, um etwas Großes zu bekommen. Das ist uns in diesem hervorragenden Jahr gelungen. Es war der Durchbruch unseres Rotweins.“ “We began working with barriques in 1986. Things were pretty shaky in the beginning; we first had to learn how to deal with them. Many thought that a barrique was a magic cask: you could fill it with a mediocre wine and it would be transformed into something grandiose. But just the opposite is true. If something mediocre goes in, something medi ocre comes out. Vintage 1990 was a milestone for us. We finally realized that you have to fill the cask with an excellent wine in order to produce truly great wine. We succeeded in doing so in that outstanding year. It was a breakthrough for our red wines.”
400 | 401 W ürttemberg
Weingut Drautz-Able Monika und Markus Drautz
Monika Drautz „Wenn ich einen hervorragenden Wein aus unserem Keller öffne, ist mir die
Verbindung zum Weinberg besonders wichtig. Wir haben zum Beispiel die ganz besondere Lage Scheuerberg, von dessen Gipfelkreuz ich sehr weit ins Land schauen kann. Da hat man das Gefühl, die Welt liegt einem zu Füßen. In diesem Weinberg wächst auch noch ein besonders guter Wein, unser Großes Gewächs vom Spätburgunder. Und den kann ich nun trinken. Ich kann so nachvollziehen, was aus diesen Trauben dieses Weinbergs geworden ist.“ Markus Drautz „Im Keller liebe ich das Cuvetieren. Es ist dieser wichtige Moment vor der
Abfüllung, der entscheidet, wie der Wein in der Flasche schmeckt. Das Cuvée ist eine Kunst. Das Ausgangsmaterial, die einzelnen Partien, sind zwar recht ähnlich, aber in welchem Verhältnis sie schließlich auf die Flasche gezogen werden – das macht den großen Unterschied aus.“ Monika Drautz “When I open a bottle of outstanding wine from our cellar, my relationship with the vineyard is especially important. For example, we have a very special site, Scheuerberg. From the cross on the summit of the vineyard, there’s a panoramic view that gives you the feeling that the world’s at your feet. We have an especially good wine from this site, a Spätburgunder Grosses Gewächs. And I helped make it. And now I can drink it. And I can really understand just what the grapes of this site have yielded.” Markus Drautz “I love making cuvées in the cellar. It’s this important moment before bottling that determines how the wine in the bottle will taste. A cuvée is a little work of art. The raw material and the individual components are quite similar, but what proportion they’ll finally assume in the bottle – that’s what makes the big difference.”
W ürttemberg 402 | 403
Weingut Jürgen Ellwanger Jörg und Felix Ellwanger
„Für die Zukunft unserer Weine wünschen wir uns, dass künftige Käufergenerationen viel Spaß am Wein haben. Wenn ein 25- oder 30-Jähriger zu uns kommt und uns eine Kiste Wein oder nur eine Flasche abnimmt – die Freude ist die gleiche. Die junge Generation hat vielleicht noch nicht das Geld. Aber das Bewusstsein für guten Wein ist viel ausgeprägter als früher. Wir sind noch aufgewachsen mit dem schwäbischen Kunden, der seinen Trollinger als Literwein möglichst günstig einkauft. Doch die kommende Käufergeneration stellt viel höhere Ansprüche.“ “For the future of our wines, we hope that the next generation of consumers will really enjoy drinking wine. When a 25- or 30-year-old comes to our estate, we’re happy whether they purchase a case or a bottle of wine. Younger people don’t always have the money for more, but their appreciation for a well-made wine is definitely more pro nounced today than in the past. We still grew up with the typical Swabian customer who’s looking for the most economical liter-bottle of Trollinger. The new generation has much higher expectations.”
404 | 405 W ürttemberg
Weingut Karl Haidle Hans Haidle
„Das Jahr 2000 war für unseren Riesling ein ganz schweres Jahr, aber ein besonders erfolgreiches. Mit diesem Jahrgang habe ich beim Pro-Riesling-Wettbewerb 2002 den Ehrenpreis für die höchstbewertete Riesling- Kollektion gewonnen. Ich war der erste und bisher einzige Winzer aus Württemberg, der diesen Preis bekommen hat. Das war für mich ein wirklich besonderer Moment – vor allem, weil der Jahrgang ja so schwierig war. Württemberg wird in Deutschland nicht mit großem Riesling verbunden. Die berühmten RieslingGüter, die bei diesen Wettbewerben sonst immer vorn sind, haben alle mitgemacht. Aber ich war vorn. Wir sind in Württemberg also gar nicht so schlecht.“
“Vintage 2000 was extremely difficult, but quite successful, for our Rieslings. I won the Pro Riesling competition in 2002 for the topscoring Riesling collection of that demand ing 2000 vintage. I was the first and only wine-grower from Württemberg to have ever received this award of honor. That was really a special moment for me – above all, because it had been such a challenging year. Württem berg is not viewed as a source of Germany’s finest Riesling. All the famous Riesling estates that usually numbered among the winners participated in this competition. But I won. Württemberg growers aren’t so bad after all.”
W ürttemberg 406 | 407
Schlossgut Hohenbeilstein Hartmann Dippon
„Wie man sehen kann, bin ich ein Genussmensch. Genießen geht nicht ohne Wein. Ich versuche mit dem Erbe meines Vaters und meinen eigenen Ideen in unserem Familienweingut meine Auffassung von Genuss umzusetzen. Dazu gehören für mich vor allem unverfälschte Aromen. Ich will nicht, dass man die Sinne einem industriell vorgegaukelten Allerweltsgeschmack überlässt. Dazu muss man neue, eigene Wege gehen. Zum Beispiel wollte ich 1979 ein Fässle in Frankreich kaufen, nachdem ich in Kalifornien bei einem Winzer gearbeitet hatte, der ausschließlich im Barrique ausbaute. Das wollte ich auch. Doch mein Vater sagte: ‚Junge, bischt verrückt, ein roter Württemberger is doch viel zu leicht‘. Damals habe ich mir die Idee aus reden lassen. Doch als ich 1987 auf ökologischen Weinbau umstellen wollte, habe ich mich durchgesetzt. Auch damit stieß ich zunächst auf Unverständnis, Freunde und Kollegen bedauerten mich regelrecht. Doch in den letzten Jahren erlebe ich, dass Kollegen anrufen und um Rat fragen. Das tut gut. Denn es hat 20 Jahre gedauert, bis mir mein Umfeld bestätigte: ‚Hartmann, deine Entscheidung war richtig!‘ “
408 | 409 W ürttemberg
“As you can see, I thoroughly enjoy good food. Wine is an equally important component of this pleasure. In combining the legacy of my father with my own ideas at our family wine estate, I try to put my perception of pleasure into practice. This starts with pure, unadulterated aromas – and precludes subjecting the senses to a commer cialized, run-of-the-mill product that claims to offer pleasure. It requires a willingness to tread new ground. In 1979, for example, after having worked with a vintner in California who aged all his wines in barriques, I wanted to try it, too … and thus, wanted to purchase a ‘little’ cask in France. My father thought I was crazy. He felt a red ‘Württemberger’ was much too light to stand up to barrique aging. Back then, I let myself be talked out of it. But when I wanted to convert to organic viticulture in 1987, I stood my ground. This, too, was met with resistance at first. My friends and colleagues all felt truly sorry for me. Yet, in recent years, colleagues have asked me for advice. That makes me feel good. It took 20 years for me to win their acceptance: Hartmann, you made the right decision!”
Weingut Fürst Hohenlohe Oehringen Kraft Fürst und Kraft Prinz zu Hohenlohe Oehringen
Kraft Fürst zu Hohenlohe Oehringen „Wir sind
sehr traditionsbewusst, haben aber manches begonnen, was uns andere später nachgemacht haben. So haben wir den ersten trockenen Weißwein in Württemberg produziert, einen Riesling. Wir haben einen sorten- und lagenreinen Sekt produziert, den es damals ebenfalls noch nicht gab. Wir waren zudem die Ersten in Württemberg, die Rotwein im Barrique ausgebaut haben. Unser Betriebsleiter Siegfried Röll, der heute die Verantwortung für die Weine trägt, hat das Weingut zu dem gemacht, was es heute ist. Ich habe ihm die Verantwortung übergeben, als er noch sehr jung war. Er hat bei uns die Kinder vieler Inhaber von VDP-Betrieben ausgebildet, die mittlerweile selbst Weingüter führen.“ Kraft Prinz zu Hohenlohe Oehringen „Das Wein-
gut zählt zu den ältesten Familienunternehmen Deutschlands. Unser Weinberg ist seit 1253 in Familienbesitz. Seit diesem Jahr sind wir ein Wirtschaftsunternehmen, das Wein verkauft und von Beginn an unter demselben Namen geführt wird. Mein Vater führt den Betrieb in der 26. Generation, ich bin die 27. Generation, und meine Söhne werden die 28. Generation sein.“
Kraft Fürst zu Hohenlohe Oehringen “We are great traditionalists, but we have also done many new things that others have done later, fol lowing in our footsteps. We were, for example, the first to produce a dry white wine in Württemberg, a Riesling. We produced a varietal, single-site Sekt (sparkling wine) – something that had never existed before. We numbered among the first in Württem berg to produce wine in barriques. Our estate man ager, Siegfried Röll, who is responsible for the wines today, made our estate what it is today. I turned over responsibility to him when he was still quite young. At our estate, he has trained many of the children of VDP members, who in the meantime run wine estates themselves.” Kraft Prinz zu Hohenlohe Oehringen “The estate numbers among the oldest family wines estates of Germany. Our vineyards have been in our possession since 1253. As of 2010, we’re an enter prise that sells wine under both my name and that of my father. My father is the 26th generation of the founding family; I represent the 27th; and my sons will be the 28th.”
W ürttemberg 410 | 411
Weingut des Grafen Neipperg Karl-Eugen Erbgraf von Neipperg
„Bis heute beschäftigt mich ein Wein meiner Kindheit, der Jahrgang 1959. Das war der erste Jahrgang, den ich bewusst erlebt habe. Mein Vater war beeindruckt von den hohen Mostgewichten, heute würde man eher sagen: Die Trauben hatten eine perfekte physiologische Reife. Das war damals aber noch nicht wichtig. Schließlich schob mir mein Vater eine alte elektrische Wäscheschleuder ins Kelterhaus. Ich tat den ganzen Tag nichts anderes, als die Kämme mit den übrigen Trauben auszuschleudern, um daraus noch einige Liter Most zu gewinnen. Ich war auf jeden Liter stolz, den ich herausgeholt habe. Der Wein dieses Jahrgangs lässt sich noch heute hervorragend genießen. Jedesmal, wenn ich eine Flasche öffne, denke ich daran, dass ich einige Tropfen im Glas haben könnte, die ich damals aus den Stielen geschleudert habe.“ “To this day I have been preoccupied with a wine from my childhood. It’s from the 1959 vintage, the first vintage that I really remember. My father was impressed with the high must weights. Today one would probably say the grapes had reached perfect physiolog ical ripeness. But back then, that wasn’t so important. In the end, my father pushed an old electric spin dryer into the press house. The entire day I did nothing but centrifuge the pomace clinging to the stems to extract the last little bit of juice and win a few extra liters. I was proud of every liter gained. The wine of that vintage still offers great pleasure. Every time I open a bottle, I can’t help but think that some of the drops in my glass just might number among those I was able to glean from my day of centrifuging.”
412 | 413 W ürttemberg
Weingut Schnaitmann Rainer Schnaitmann
„Als Student habe ich immer Wein aus meiner Region mit zur Fachhochschule nach Geisenheim genommen. Doch bei unseren Blindproben landeten die Württemberger meist auf den letzten Plätzen. Da habe ich mir gedacht: ‚Unsere Weine sind ehrlich, aber ihnen fehlt die Spitze. Wir nutzen das Potenzial nicht, wir brauchen mehr Qualität.‘ Also machte ich mich an die Arbeit, probierte mich in alten, wiederentdeckten und neuen Rebsorten. Mit meinem ersten eigenen Jahrgang 1997 reduzierte ich den Ertrag meines Vaters auf ein Drittel. Zudem habe ich mich nicht nur auf regionale Traditionsreben wie Trollinger und Lemberger verlassen. Ich habe von Anfang an auch auf Spätburgunder, Riesling und Sauvignon Blanc gesetzt. Rebsorten, die man nicht unbedingt aus Baden-Württemberg erwartet. Nun wird unser Spätburgunder Junge Reben in einem der besten Restaurants in San Francisco ausgeschenkt.“ “When I was a student at the viticultural school in Geisenheim, I always had some wines on hand that I had brought from my region to sample with friends. Unfortunately, dur ing our blind tastings, the Württemberg wines almost always ended up in last place. This was food for thought...our wines are honest, but lacked the crowning touch; their poten tial was untapped; and we needed better quality. I set to work by tasting ancient, rediscov ered grape varieties as well as new varietals. During my first vintage back home in 1997, I reduced yields to a third of my father’s typical crop. I also didn’t rely only on the tradi tional, regional varieties such as Trollinger and Lemberger. Right from the start I focused on Spätburgunder, Riesling, and Sauvignon Blanc – varietals not necessarily associ ated with Baden-Württemberg. In the meantime, our Spätburgunder ‘Junge Reben’ (young vines) is poured in one of the finest restaurants in San Francisco.”
W ürttemberg 414 | 415
Staatsweingut Weinsberg Dr. Günter Bäder
„Als Leiter der Weinbauschule und Forschungsanstalt besteht meine Aufgabe darin, die deutsche Weinbautradition zu bewahren. Andererseits steht Weinsberg seit Jahrzehnten für die Weiter- entwicklung der gesamten Branche. Wir sind der ‚Eye-Opener‘. Wir beobachten, was in der internationalen Weinwelt geschieht, damit wir entscheiden können, ob wir diese Wege mit- gehen wollen oder nicht. Dazu gehört die Erprobung neuer internationaler Rebsorten ebenso wie die Weiterentwicklung traditioneller Rebsorten und deren Klone. Seit dem 19. Jahrhundert züchten wir Reben. So haben wir beispielsweise 1929 die Rebsorte Kerner vorgestellt und in den 50er-Jahren den Dornfelder – die erfolgreichste deutsche rote Rebsorte der vergangenen 20 Jahre. 1999 führten wir interessante neue Rotweinrebsorten ein, die überwiegend CabernetBlut in sich tragen und sich bestens für hochwertige Cuvées eignen. In der Rebzüchtung denken wir 30 bis 80 Jahre im Voraus.“ “As the director of the the state viticultural school and research institution, my job is to preserve Germany’s viticultural tradition. At the same time, Weinsberg has been concerned with the further development of the entire industry for decades. The news we disseminate to growers often comes as a revelation to them. We observe what’s going on in the international world of wine so that we can decide whether or not this might be a path for us to follow. This includes trials with new international grape varieties as well as the ongoing development of traditional German varietals and their clones. We’ve been breeding grapes since the 19th century. In 1929, for example, we introduced the grape Kerner, and in the 50s, Dornfelder, the most successful German red grape variety of the past 20 years. In 1999, we launched an interesting series of new red varietals, primarily offspring of Cabernet, that are ideal for high-quality cuvées. In the field of grape breeding, we have to think thirty to eighty years ahead.”
416 | 417 W ürttemberg
Weingut Wachtstetter Rainer Wachtstetter
„Im Frühjahr 2001 habe ich mit vier gleichaltrigen Winzer kollegen die Gruppe Junges Schwaben gegründet. Dabei geht es uns um Freundschaft, Offenheit, Zusammenhalt und ehrlichen Erfahrungsaustausch. Das gemeinsame Ziel unserer Winzerarbeit ist es, die Qualität zu unserer Maxime zu machen und dabei authentische, unverwechselbare Weine zu erzeugen.“
“Four wine-growing colleagues who are my age, and I founded the ‘Junges Schwaben’ (Young Swabia) group in spring 2001. Friend ship, frankness, team spirit, and an honest exchange of ideas inspired us to join forces to pursue a common goal as young wine-grow ers: to make quality our tenet and in doing so, produce authentic, unmistakable wines.”
W ürttemberg 418 | 419
Weingut Wöhrwag Hans-Peter Wöhrwag
„Der Stil des eleganten Moselrieslings hat mich für unsere Weine geprägt. Der erste Riesling Goldkapsel aus unserem ersten, eigenverantwortlichen Jahr 1993 hat uns große Aufmerksamkeit gebracht. Ein eleganter, schlanker Riesling aus Württemberg? Den gab’s vorher nicht. Er macht heute ein Drittel unserer Produktion aus. Ich habe diesen Charakter deshalb so an- gestrebt, weil ich den Moselriesling so liebe. Für uns gehört Tradition daher nicht zu den ersten zehn Stichworten, wenn wir uns selbst beschreiben. Wir haben uns von alten Traditionen gelöst, um für uns vorwärtszukommen. Tradition ist positiv, sie hemmt aber auch. Oft ist sie nur ein anderes Wort für Selbstverliebtheit. Wir wollen lieber lebendig und offen sein. Die Weinwelt wandelt sich ja auch ständig. Trotzdem vergessen wir nicht, wo wir herkommen.“ “The style of an elegant Mosel Riesling is what shaped my thinking for our wines. During the first vintage we did on our own, 1993, our first Riesling Goldkapsel attracted considerable attention. An elegant, delicate Riesling from Württemberg? This was unprecedented. Today, it accounts for one third of our production. I tried so hard to achieve this character because I love Mosel Rieslings so much. So, when we describe ourselves, ‘tradition’ does not number among the top ten key words. We’ve cut ties with old traditions in order to move forward. Tradition is positive, but it can also be confining. Often, it’s just another word for narcissism. We’d rather be dynamic and open. The world of wine is constantly changing. Neverthe less, we don’t lose track of our heritage.”
420 | 421 W ürttemberg
Weingut Herzog von Württemberg Michael Herzog von Württemberg
„Unser Betriebsleiter stammt aus Neuseeland. Er ist seit knapp zwei Jahren dabei, hat viele neue Ideen mitgebracht und sie gleich umgesetzt. Wir sind Teil einer sehr, sehr alten Familientradition – aber wir sind sehr offen. Wenn man diese Eigenschaft nicht hat, geht gar nichts. Vor allem im Weinbau. Ich stamme aus einer Familie, die seit 900 Jahren Weinbau betreibt. Damit es immer weitergehen kann, muss man innovativ sein. Und vor allem offen für Neues.“ “Our estate manager is from New Zealand. He’s only been with us for about two years, but he brought along lots of new ideas that he immediately put into practice. We’re part of a very, very old family tradition – but we’re very open. Without this trait, nothing works well. Above all, in wine-growing. I come from a family that has produced wine for 900 years. In order to keep this going, you have to be inno vative. And above all, open to new ideas.”
W ürttemberg 422 | 423
424 | 425 Baden
Kraichgau
Baden
Baden ist ein Wein-Universum. Mehr als ein Drittel der knapp 16 000 ha großen Rebfläche ist mit Spätburgunder bestockt, dazu kommen Grau- und Weißburgunder – zusammen machen die drei Sorten mehr als die Hälfte aller gepflanzten Reben aus und erreichen in besten Lagen international gewürdigte Qualität. Aber auch Riesling und Silvaner gedeihen ganz hervorragend. Die Region erstreckt sich wie ein schmales Band über 400 Kilometer entlang der oberrheinischen Tiefebene bis zur Schweizer Grenze. Dabei sind die Weinberge durch die Gebirgszüge von Odenwald, Vogesen und dem Schwarzwald bestens gegen Kälte geschützt. Das Klima ist so mediterran wie die Kultur und Lebensart. Schließlich ist Baden die wärmste und sonnenreichste Region Deutschlands – der Regen aus den Gebirgszügen versorgt die Reben dennoch mit ausreichend Wasser. Eine perfekte Symbiose.
Baden is a wine universe. More than a third of its nearly 16 000 ha (ca. 39 300 acres) are planted with Spätburgunder; together with Grau- and Weissburgunder, Pinots account for more than half of all vines. Those from top sites are qualitatively on a par with their international counterparts. Riesling and Silvaner also thrive here. The region’s slim strip of vines stretches some 400 km (ca. 250 miles) from the upper Rhine plain to the border with Switzerland. Baden is Germany’s warmest and sunniest region, with a climate as Mediterranean as its culture and lifestyle. Thanks to the forested hills of the Odenwald, Vosges, and Black Forest, the vineyards are well-protected from cold winds, yet supplied with sufficient rainfall. A perfect symbiosis.
Kaiserstuhl
Baden 426 | 427
Die Landschaften sind so unterschiedlich wie die Terroirs, die den Wein prägen: Da ist die Ortenau zwischen Rheinauen und Schwarzwaldbergen im Süden, der hügelige Kraichgau, die mächtige Vulkankuppe des Kaiserstuhls, der Bergrücken des Tunibergs, die Täler und Wein bergsterrassen des Breisgaus, das Markgräflerland an den idyllischen Ausläufern des Schwarz walds sowie die Hänge und Ufer des malerischen Bodensees. Im Norden dagegen reicht das Weingebiet von Heidelberg an der badischen Bergstraße bist nach Tauberfranken am Ufer des Mains. So unterschiedlich wie die reizvollen Landschaften sind auch die Böden, die den Weinen ihren Charakter verleihen: Moränenschotter, Kalk und Muschelkalk, Keuper, Ton und Mergel, Lössablagerungen, vulkanische und Granitverwitterungsböden. Diese so verschiedenen Terroirs, das milde Klima und die große Sortenvielfalt machen Baden zum Land der ganz großen Weinentdeckungen.
The landscapes are as varied as the terroirs that stamp the character of the wines. In the north, vineyards extend from Tauberfranken, not far from the banks of the Main, to Heidelberg on the Badische Bergstrasse and the hilly Kraichgau district. Further south, between the Black Forest and Rhine meadows, lie the Ortenau district and terraced valleys of the Breisgau district. The ridges of the Kaiserstuhl (an extinct volcano) and Tuniberg (chalky hills covered with loess) draw near the Rhine. Baden’s southernmost vineyards are in the foothills of the Black Forest in the Markgräflerland district and on the slopes overlooking picturesque Lake Constance. The mild climate, its varietal makeup, and diverse soils – glacial deposits (moraine), limestone and shell-limestone, colored marl, clay, loess deposits, weathered granite, and soils of volcanic origin – make Baden a “land of great wine discovery.”
Tuniberg
Baden 428 | 429
Weingut Bercher Arne und Martin Bercher
„Der 2007er Burkheimer Feuerberg Spätburgunder Großes Gewächs entstammt dem ersten Jahrgang, den wir gemeinsam geerntet haben. In diesem Superjahrgang haben wir den Familienbetrieb von unserem Vater in der Zehnten Generation übernommen. Was für ein Start! Der Feuerberg ist eine reine Süd- und Hanglage, die aus schwerem, schwarzem Vulkan verwitterungsboden besteht – eine Seltenheit, auch am Kaiserstuhl. Wenn man auf dem Feuerberg steht, nach Süden blickt und der Südwestwind einem ins Gesicht bläst, dann ist das wie im Traum. Der Blick reicht bis in den Schweizer Jura und man fühlt die Glut des Kaiser stuhls förmlich unter den Füßen. Das alles prägt diesen Spätburgunder. Er balanciert die Kraft des Vulkanbodens mit der Eleganz seiner dunklen Frucht. Er spiegelt auch die Erfahrung unserer Vorfahren wider; denn man kann noch so lange auf die Weinbauschule gehen – so einen Wein zu machen lernt man dort nicht. Dieser Spätburgunder ist daher nicht nur der erste gemeinsame, sondern zugleich der beste Wein, den wir je gemacht haben.“ “The 2007 Burkheimer Feuerberg Spätburgunder Grosses Gewächs was the first wine we produced together. And during this super vintage, we took over the family estate from our fathers, the 10th generation to do so. What a start! Feuerberg is a south-facing, sloping site that consists of heavy, black, weathered volcanic soil – seldom found in the Kaiserstuhl district or elsewhere. To stand at the top of Feuerberg and look southward, with the southwest wind blowing in your face, is like being in a dream. The view takes in the Swiss Jura and you can literally feel the warmth of the Kaiserstuhl beneath your feet. These elements of nature all left their mark on this Spätburgunder. It balances the power of the volcanic soil with the elegance of its dark fruit. It also reflects the expe rience of our fathers and grandfathers. Regardless of how long you attend viticultural school – that’s not where you learn how to make a wine like this. This wine is not only the first we produced together, but also the best wine we ever made.”
430 | 431 Baden
Weingut Blankenhorn Roy Blankenhorn
„Wein ist mein Leben. Ich liebe den Weinberg, die Weinbergsarbeiten, die Weinwerdung, den Keller, den Duft, das Produkt, den Beruf. Das ist Bestimmung und das Schönste, was mir passieren konnte: als fünfte Generation in eine Winzerfamilie hineingeboren zu sein. Es ist zwar ein Kraftakt, unser denkmalgeschütztes großes Anwesen mit einem landwirtschaftlichen Produkt zu erhalten, zumal mein Mann einen anderen Beruf hat, er ist Kinderarzt. Aber mein Leben mit und um den Wein herum ist unvergleichlich. Das habe ich schon als Kind genossen. Als ich noch klein war, brachte mich mein Vater gelegentlich zum Kindergarten. Kurz vor dem Ziel kam dann manchmal sein Vorschlag, noch schnell nach den Reben zu sehen. Dieses kleine Ritual habe ich genossen. Ich liebte es, mit meinem Vater durch die Weinberge zu gehen. Diese wunderbaren Erinnerungen gehören mit zu den Gründen, warum ich unser Weingut unbedingt erhalten wollte. Diese Spaziergänge habe ich auch mit meinen Kindern gemacht und werde sie mit meinen Enkelkindern wieder tun.“ “Wine is my life. I love the vineyard, tending vines, making wine, the cellar, the smells, the product, the profession. To be the fifth generation born into a wine-grower’s family was my destiny and the most wonderful thing that could have happened to me. Maintaining the post house, which is on the historical preservation list, and the large grounds of an estate dealing with an agricultural product is quite a feat, particularly since my husband is a pedi atrician, not a wine-grower. But dedicating my life to wine is beyond comparison. I already enjoyed it as a child. Now and then my father would bring me to kindergarten, but shortly before arriving, he often suggested that we first have a quick look at the grapes. I loved this little ritual and walking through the vineyards with him. These wonderful memories are among the reasons why I wanted to keep the estate, no matter what. I made the same walks through the vineyards with my children and will do so with my grandchildren, too.”
Baden 432 | 433
Weingut Freiherr von und zu Franckenstein Stefan Huschle „Seit 2008 bin ich Pächter des Weinguts Freiherr von und zu Franckenstein. Wegen des Gutsnamens geht mancher davon aus, dass ein Adeliger das Weingut leitet. Ein solches Missverständnis ereignete sich in einem Restaurant in der Nachbarschaft, als eine Familie am Nebentisch einen unserer Rieslinge bestellte. Der sechsjährige Sohn schaute neugierig aufs Etikett und fragte seinen Papa, wie denn der ‚Herr Freiherr von und zu Franckenstein‘ wohl aussehen mag. Da gab ich mich lachend zu erkennen und die Eltern sagten: ‚Kompliment für den guten Wein!‘. Eine solche Bestätigung ist für mich das Größte. Damit weiß ich: Ich kann was. Nicht etwa, weil ich einen gefälligen Wein mache, sondern weil wir unseren eigenen Stil pflegen. Unsere Rieslinge vom Berghauptener Schützenberg beispielsweise sind unverwechselbar: sehr feinfruchtig, sehr mineralisch, mit würzigen Kräuternoten. Sie prägen sich durch den Gneis aus – ein Boden, der in der Ortenau selten ist.“
434 | 435 Baden
“I’ve leased the estate since 2008. Many assume that the estate is actually managed by its baronial owners. This was the case at a local restaurant, when a family at a table next to ours ordered one of our Rieslings. The six-year-old son had a look at the label and, full of curiosity, asked his father just what this baron actually looked like. I broke into laughter and introduced myself, upon which the parents complimented me on the good wine. I find such an acknowledgement really great. It lets me know that I can accomplish something special – not because I can pro duce a ‘palatable’ wine, but because we fos ter a distinctive style. Our Rieslings from the site Berghauptener Schützenberg, for example, are unmistakable: mineral-rich wines with a fine fruitiness and spicy herbal notes. The gneiss soil, seldom found in the Ortenau dis trict, leaves its mark on the wines.
Weingut Dr. Heger Joachim Heger
„Wein ist ein Mysterium. Wenn ich in meinem Keller Wein aus einem größeren Fass in zwei kleine umlege, entwickelt jeder der beiden Weine seine eigene Persönlichkeit, obwohl sie aufgrund der Analyse identisch sein müssten. Ich beschäftige mich seit 30 Jahren mit Wein und habe gelernt, dass es Dinge gibt, die jenseits von Statistiken, Analysen und Berechnungen liegen – und unerklärbar bleiben. Wenn man einmal mit einem Wein großen Erfolg hatte, versucht man natürlich, die Parameter herauszufinden, die dafür verantwortlich sind. Aber es gelingt nur sehr selten, diesen komplexen Prozess zu reproduzieren. Jeder Jahrgang ist ein neues Abenteuer, ein Satz mit neu gemischten Karten. Deshalb werde ich auch nach all den Jahren noch nervös: Etwa vier Wochen vor der Weinlese fängt es an zu kribbeln.“ “Wine is a mystery. In my cellar, when I transfer wine from one barrel into two smaller casks, each wine develops its own personality, although analytically, they should be identical. In the 30 years in which I’ve dealt with wine, I’ve learned that some things lie beyond statistics, analyses, and calculations – they’re simply a mystery. When a specific wine turns out particularly well, it’s natural to try to determine what made it happen. But very seldom is it possible to reproduce such a complex process. Every year is a new adventure, a different deck of cards. That’s why even after all these years, I still get nervous: about four weeks before the harvest begins, I get butterflies in my stomach.”
Baden 436 | 437
Weingut Reichsgraf und Marquis zu Hoensbroech Adrian Graf von Hoensbroech „Meine Familie hat seit 600 Jahren mit Wein zu tun, aber mein Vater war der erste, der ihn produziert hat. 1968 hat er sich im Kraichgau niedergelassen, das Gut gibt es seit 1978. Nach meinem Studium bin ich zunächst nach Argentinien gegangen, habe danach in Spanien, Ungarn und Bolivien gearbeitet. Mein Vater hatte mir gesagt: ‚Der Kraichgau ist eine der besten Weingegenden der Welt!‘ Geglaubt habe ich ihm nicht. Aber nachdem ich die Welt gesehen habe, muss ich gestehen: Er hatte recht. Für unsere Weine, vor allem die Burgundersorten, ist die Region begnadet. Auch das hat mich bewogen, zurückzukehren. Obwohl ich die Großstadt brauche, denn ich habe lange in Buenos Aires gelebt. Nur Weinberge um mich herum, das ist nicht gut für meinen Gemütszustand. In Ungarn habe ich ein 200 ha großes Gut geleitet. Da fragte ich mich: ‚Wo sollst du nach so einer Erfahrung noch hingehen?‘ Da ich verstand, dass es etwas anderes ist, wenn man einen Wein macht, auf dem der eigene Name steht. In Argentinien habe ich den Most, der hereinkam, so designt, dass er dem Geschmacksbild der Verbraucher entsprach. Heute ist jeder Wein, der mein Gut verlässt, ein Unikat.“ “My family has been involved with wine for 600 years, but my father was the first to actually make wine. He settled in the Kraichgau district of Baden in 1968; the estate was founded in 1978. After my studies, I went to Argentina, then I worked in Spain, Hungary and Bolivia. My father had told me that the Kraichgau was one of the world’s finest locations for winegrowing. I didn’t believe him. But after my travels abroad, I had to admit that he was right. For our wines, particularly the Pinots, our region is truly blessed. And that prompted me to return home, even though I need the hustle and bustle of a large city. I had lived in Buenos Aires for a long time. I couldn’t imagine being surrounded by nothing but vines. In Hungary, I had managed a 200-hectare (ca. 500-acre) estate. At some point, I asked myself where I could go from there? I finally understood that it’s one thing to make a wine that bears your name, and something completely different to simply fashion a wine tailored to the taste of the average consumer – as I had done in Argentina. Today, every wine that leaves my estate has a unique character.”
438 | 439 Baden
Weingut Bernhard Huber Bernhard Huber
„Mein Herzblut hängt am Spätburgunder. Bei uns in Malterdingen gibt es eine über 700 Jahre alte Spätburgundertradition. ‚Malterdinger‘ – so hieß der Spätburgunder im frühen Mittelalter im süddeutschen Raum, wie noch heute in alten Weinlexika nachzulesen ist. Diese besondere Tradition, die auf die Zisterziensermönche zurückgeht, ist der Grund für meine Begeisterung. Ich träume davon, dass diese alte Bezeichnung irgendwann wieder ins Bewusstsein der Weinliebhaber kommt.“ “My heart and soul are devoted to Spätburgunder. It has been cultivated here in Malterdingen for over 700 years. In the early Middle Ages, Spät burgunder was known as ‘Malterdinger’ in southern Germany, and is referred to as such in old reference books on wine. This special tradition, which can be traced back to the Cistercian monks, is the reason for my enthusiasm. I dream of the day when wine enthusiasts might once again become familiar with the old designation.”
Baden 440 | 441
Weingut Andreas Laible Andreas und Andreas Christian Laible
„Unseren größten Erfolg hatten wir mit unserem 1998er Riesling Spätlese trocken, den wir bei Best of Riesling, dem internationalen Wettbewerb des rheinland-pfälzischen Weinbauministeriums, eingereicht haben. Unser Wein hat 1 700 Mitbewerber aus aller Welt aus dem Rennen geworfen und wurde Sieger. Der weltbeste Riesling kam aus der Ortenau! Das war ein Aha-Erlebnis für viele, die dachten: ‚Ein Riesling aus Baden? So was gibt’s doch gar nicht!‘ Das sorgte auch in der Region für Verblüffung. Der rheinland-pfälzische Minister hat den Wettbewerb ins Leben gerufen – und dann gewinnt ausgerechnet ein Badener. Darauf sind wir noch immer stolz. Obwohl wir mittlerweile mit mehr als 700 Goldmedaillen bei Landes- und Bundesweinprämierungen das am häufigsten prämierte Gut in Baden-Württemberg sind.“ “We experienced our greatest success with our 1998 Riesling Spätlese trocken, which we entered in the international competition ‘Best of Riesling’ sponsored by the wine ministry of the state of Rheinland-Pfalz. Our wine put 1,700 competitors from around the world out of the running, and was the winner. The world’s best Riesling came from the Ortenau district! That was an ‘aha experience’ for many who asked them selves – a Riesling from Baden? No way! It even caused astonishment in Baden. And of all things: Rheinland-Pfalz sponsors a competition and a wine from Baden wins. We’re still proud of that even though we’ve won more than 700 gold medals in state and national competitions in the meantime, and we’re the estate with the highest number of awards in the state of Baden-Württemberg.”
442 | 443 Baden
Weingut Lämmlin-Schindler Gerd Schindler
„Sonntagmorgens laufe ich mit meiner Frau und dem Hund durch die Rebhänge unserer Lagen des Mauchener Sonnenstücks und des Mauchener Frauenbergs. Von der höchsten Stelle aus schauen wir hinüber ins nächste Tal und auf unseren Hausberg, den Blauen. Der 1 200 Meter hohe Berg gehört zur Vorbergzone des Schwarzwalds. Nach Westen hin kann ich in die Rheinebene und herüber bis ins Elsass zu den Vogesen blicken. Egal, zu welcher Jahreszeit, dieses kleine Ritual gibt mir das Gefühl von Heimat.“
“Sunday mornings, I go running with my wife and dog through our vineyards ‘Mauchener Sonnenstück’ and ‘Mauchener Frauenberg.’ From the highest point, we can look over to the next valley and see our landmark mountain, the ‘Blauen.’ At a height of nearly 1 200 meters (ca. 3 900 ft), it belongs to the foothills of the Black Forest. To the west, I have a view of the Rhine Rift Valley and over to Alsace and the Vosges. Regardless of the season, this little rit ual makes me feel at home.”
Baden 444 | 445
Weingut Schloss Neuweier Jürgen Güntert und Alexander Spinner
Alexander Spinner (Kellermeister) „Der schönste Augenblick für mich ist ein
Herbsttag, an dem ich im Keller bin und das Licht ausmache. Dann stelle ich mich oben auf die Galerie und höre unter mir dem Glucksen und Gluckern der Gärung zu. Das ist wie Musik in meinen Ohren, einfach wunderbar.“ Jürgen Güntert (Betriebsleiter) „Das fasziniert mich ebenso. Wir vergären unsere
Weine sehr langsam. Vor allem am Anfang und am Ende der Gärung ist das wie ein kleines Konzert. Wir nennen es eine ‚Gärgas-Meditation‘, weil das Zuhören in diesen Phasen so wunderbar entspannend ist.“ Alexander Spinner (cellar master) “The moment I enjoy most is on an autumn day, when I’m in the cellar and turn out the light. Then I go up to the gallery and listen to the gurgling and blub blub of fermentation. It’s music to my ears, simply wonderful.” Jürgen Güntert (estate manager) “It fascinates me, too. We ferment our wines very slowly. Particularly the beginning and end of fermentation sound like a little concert. We call it ‘fermentation gas meditation’ because listening to these stages of fermentation is so wonderfully relaxing.”
446 | 447 Baden
Weingut Salwey Konrad und Wolf-Dietrich Salwey
„Ohne mein Bauchgefühl würde mir in meiner Arbeit etwas Entscheidendes fehlen. Es funktioniert für mich nicht, rein analytisch an eine Problemlösung im Weinberg oder im Keller heranzugehen. Denn jede Entscheidung stellt sich ja erst in der Zukunft als richtig oder falsch heraus. Meinen ersten Jahrgang im Betrieb habe ich, vom Studium geprägt, ganz rational im internationalen Stil ausgebaut. Doch die Weine schmeckten ähnlich, ich fand sie ziemlich langweilig. Beim Jahrgang 2004 beschloss ich, sämtliche Rotweine spontan zu vergären. Das war eine Bauchentscheidung, denn Erfahrung hatte ich damit noch keine. Was habe ich damals an mir gezweifelt! Erst nach der Lagerung im neuen Barrique zeigte sich das Ergebnis: sensationell! Die Weine waren hochkomplex und wunderbar lebendig! Seit 2007 vergäre ich auch alle Weißweine spontan. Intuition ist für mich wichtiger als alle fachlichen Empfehlungen und Analysen. Ich bin kein Besserwisser. Aber anders kann ich nicht arbeiten. Und trotz allem ist der Erfahrungsschatz meines Vaters der wertvollste Pool aus dem ich schöpfen kann.“ “Without my gut feeling, something decisive would be missing in my work. Tackling a problem in the vineyard or cellar on a purely analytical basis doesn’t work for me. You never know if a decision was right or wrong until some point in the future. During my first vintage at the estate, fresh out of school, I very rationally vinified the wines in an international style. Yet, they all tasted similar, and I found them rather boring. With the 2004 vintage, I decided to let all red wines undergo spontaneous fermentation – based on a gut feeling, since I lacked experience. Oh! All the self-doubt back then. It was only after aging in new barriques that I could see the results: sensational! The wines were extremely complex and wonderfully vibrant. Since 2007, I’ve let all the whites ferment spontaneously, too. To me, intuition is more important than any professional recommendations and analyses. I’m not a know-it-all. But I can’t work otherwise. Yet having said all of the above, my father’s wealth of experience remains my most valuable resource.”
Baden 448 | 449
Weingut Konrad Schlör Konrad und Monika Schlör
Konrad Schlör „Der Jahrgang 1997 war für uns die Initialzündung. Wenige Tage vor dem Lesebeginn bin ich beim Wandern gestürzt und habe mir den Fuß gebrochen. Sechs Tage Krankenhaus. Meine Frau organisierte die Lese alleine, und ich musste erst Bettruhe halten, danach hinkte ich auf Krücken herum.“ Monika Schlör „Von Kellertechnik habe ich keine Ahnung. Wie die Pumpen und Pressen funktionieren, weiß ich noch weniger. Also stand ich im Keller und habe mit meinem Mann im Krankenhaus telefoniert, was zu tun ist. Er hat’s erklärt, und ich hab’s gemacht.“ Konrad Schlör „Aus dieser Situation haben wir einen fantastisch schönen Spätburgunder produziert, einen für uns ganz außergewöhnlichen Wein. Beim deutschen Rotweinpreis haben wir damit den zweiten Platz belegt. Das war für unser Gut der Durchbruch schlechthin. Jahrelang hatten wir uns gefragt: Wie kriegen die anderen so tolle Rotweine hin? Nun waren wir ganz plötzlich vorn. Wahnsinn!“ Monika Schlör „Na, ich habe damals wohl alles richtig gemacht.“ Konrad Schlör “Vintage 1997 was an inspiration for us. A few days before the harvest began, I fell during a hike and broke my foot. Six days in the hospital. My wife single-handedly organized the harvest; the doctor ordered bed rest for me. Later, I could hobble around on crutches.” Monika Schlör “When it comes to cellar technology, I haven’t a clue. I know even less about how pumps and presses work. There I stood, in the cellar, and phoned my husband in the hospital to find out what to do. He explained; I followed his instructions.” Konrad Schlör “Under these challenging circumstances we produced a fantastic Spätburgunder – for us, a truly exceptional wine. We entered it in the German red wine competition and took second place. That was the absolute breakthrough for our estate. For years we had been asking ourselves what others did to produce such great red wines. And suddenly, we were put on the map. Amazing!” Monika Schlör “I guess I did everything right after all.”
450 | 451 Baden
Privatweingut H. Schlumberger Ulrich Bernhart
„Unser Heimatdorf Laufen liegt direkt am Rand des Schwarzwalds. Es sind keine 500 Meter, und mit vielen steilen Steigungen beginnt der Wald. Direkt unterhalb des Waldrands haben wir einen schönen Wingert in der Lage Altenberg. Es ist ein wunderbares Terroir mit kargem Kalksteinboden, auf dem fantastischer Grauburgunder und sogar Riesling wachsen. Der ist selten in Südbaden. Ich stamme aus der Pfalz und bin mit Riesling groß geworden, daher ist das ein wichtiger emotionaler Faktor für mich. Man blickt auf die Rheinebene, die Vogesen, die Schweiz. Herrlich. Ich nehme eine Flasche Wein, einen Korkenzieher, ein Glas und meinen Hund mit. Sonst nichts und niemanden.“ “Our wine village Laufen lies directly on the edge of the Black Forest. It’s but a stone’s throw to where the forest and its many steep slopes begin. Directly below the edge of the forest lies our beautiful vineyard Altenberg. It’s a wonderful terroir with barren, chalky soils on which fantastic Grauburgunder and even Riesling grow. That’s seldom found in southern Baden. I’m originally from the Pfalz and grew up with Riesling, which is why this is an important emotional factor for me. From here one has a view of the Rhine plain, the Vosges, and Switzerland. It’s wonderful. I bring along a bottle of wine, a corkscrew, a glass, and my dog. Nothing more and nothing less.”
Baden 452 | 453
Weingut Seeger Thomas Seeger
„In unserer Lage Herrenberg bearbeite ich eine sehr kleine Parzelle, vielleicht 500 Quadratmeter groß. An zwei Seiten ist sie von Obst- und Gartengrundstücken begrenzt. Direkt nebenan stehen Kirschbäume. Besucher fragen oft, wo denn die Weinberge seien? Ich sage: Da oben am Hang. Dann suchen sie, schauen noch mal hin und entdecken sie. Im Frühjahr blühen dort die Kirschbäume wunderschön, die Besitzer arbeiten ökologisch, und so sind wichtige Rückzugsräume für Vögel und Insekten entstanden. Meine allerbesten Lagen stehen in so einer gemischten Kulturlandschaft. Einige der besten Rotweinlagen Deutschlands sind an der Badischen Weinstraße von Obstgrundstücken und Feierabendgärten umgeben.“
454 | 455 Baden
“I cultivate a very small parcel within our site Herrenberg – perhaps no larger than 500 sq. meters (ca. 600 sq. yards). It’s bordered by fruit trees and garden plots on two sides. And directly adjacent there are cherry trees. Visitors often ask where the vineyards are. I tell them they’re up on the slope. They look at the slope, have another look, and discover the vines. In spring, the cherry trees are so beautiful when they blossom. The owner works ecologically, and thus created an important habitat retreat for birds and insects. My very best sites lie within such a diverse, living cultural landscape. Some of Germany’s finest red wine sites are on the Baden Wine Road, surrounded by orchards and private little gardens.”
Staatsweingut Freiburg und Blankenhornsberg Bernhard Huber „Als ich in den ersten Tagen als Geschäftsführer die Lagen am Blankenhornsberg kennenlernte, hatte ich das Gefühl, der Herrgott hätte diese Landschaft mit dem Schnitzmesser für den Weinbau geformt. Ich arbeite nicht nur auf dem Weingut, sondern ich lebe auch dort, und zugleich bin ich Herbergsvater. Denn der Betrieb ist nicht nur Forschungsstätte und Weingut. Im angeschlossenen Internat wird Winzer nachwuchs ausgebildet, und ich bin die für die Schüler verantwortliche Aufsichtsperson. Zuvor habe ich in Freiburg gewohnt und im anderen Betrieb des Guts gearbeitet. Die beste Lage dort ist der Schlossberg am Schwabentor, mittendrin in der Stadt. Ich bin Weißburgunder-Fan, weil diese Sorte so filigran und elegant ist. Es ist zudem erstaunlich, wie lange sich diese Weine halten. Wenn sie zehn oder 15 Jahre alt sind, schmecken sie frisch, fein und rund. Man kann Haltbarkeit ja beim Weißwein nicht planen. Ich liebe beispielsweise den 1994er Doktorgarten Weißburgunder, der schmeckt noch immer ganz wunderbar. Er hat Reife und zugleich die so typische Geschmacksfülle des Kaiserstuhls.“ “During my first few days as managing director, when I became acquainted with the Blankenhornsberg vineyards, I had the feeling that God literally carved this landscape for viticulture. I not only work here, at what is both a wine estate and research institute, but also live here. I’m also the guardian of the boarding school next door and the person in charge of the students, the next generation of winegrowers. Before this, I lived in Freiburg and worked at the estate’s other operation there. Its best vine yard is Schlossberg, near the old town gateway Schwabentor, right in the heart of the city. I’m a fan of Weissburgunder because of its filigree and elegant nature … and astonishing longevity. Even when they’re 10 to 15 years old, the wines still taste fresh, fine, and mellow. You can’t estimate the life span of a white wine. I’m particularly fond of the 1994 Blankenhornsberger Doktorgarten Weissburgunder, which still tastes wonderful. It’s mature, and still shows the Kaiserstuhl’s typical wealth of flavors.”
Baden 456 | 457
Weingut Stadt Lahr – Familie Wöhrle Markus Wöhrle
„Wir sind ein reiner Familienbetrieb. Meine Eltern arbeiten im Weingut, außerdem meine Frau und ich. Angestellte haben wir nicht. Ich bin seit 2001 dabei. Zuvor habe ich vier Jahre beim Weingut Müller-Catoir mit Hans-Günter Schwarz, einer Legende des deutschen Weins, zusammen gearbeitet. Wir haben keine strenge Arbeitsteilung, wer für was zuständig ist. Ich habe lediglich ein wenig mehr Anteil am Weinausbau, mein Vater ist etwas mehr draußen im Weinberg. Wir entscheiden aber alle Dinge gemeinsam, alles wird mit allen besprochen. Wir arbeiten seit 20 Jahren ökologisch. Mein Vater hat diese Arbeitsweise eingeführt, und ich werde sie fortsetzen.“ “We’re a family operation. My parents work at the estate, with me and my wife. We don’t have any employees. I’ve been on board since 2001. Before then, I spent four years working at Weingut Müller-Catoir/Pfalz with Hans-Günter Schwarz, one of Germany’s truly legendary winemakers. We don’t have a strict rule about who does what. I’m probably a bit more involved with winemaking, while my father spends more time out in the vineyards. But we all decide everything together and discuss everything with one another. We’ve practiced ecologically friendly viticulture for 20 years. My father made the transition to this mode and I will follow in his footsteps.”
458 | 459 Baden
Weingut Stigler Regina und Andreas Stigler
Andreas Stigler „Wir lieben das gute Essen und den dazu passenden Weine. Unsere Weine sind
mineralisch, geradlinig, elegant und harmonieren dadurch hervorragend zu vielen Speisen. Aber ganz ehrlich: Man kann sie mit viel Spaß auch einfach mal ‚wegzischen‘.“ Regina Stigler „Mein Mann hat ein bewundernswertes Weingedächtnis. Auf den Regalen in seinem
Weinlabor sammelt er als Erinnerungsstück Flaschen, die eine Geschichte erzählen können. Wenn ich bei einem Glas ‚Pinöle‘, so sage ich zum Pinot, über ‚meine‘ Geschichte nachdenke, muss ich noch heute herzhaft darüber lachen: Als kleines Mädchen musste ich mit meiner Mutter immer in Großvaters Reben, obwohl ich viel lieber mit meinen Freundinnen gespielt hätte. Deshalb habe ich mir in Kindertagen geschworen: ‚Du heiratest niemals einen Winzer!‘. Doch es kam eben anders.“
Andreas Stigler “We love good food and the wines to go with it. Our wines are rich in minerals, straightforward, and elegant – well-suited to accompany many dishes. But quite honestly, they’re also a great pleasure to simply enjoy on their own.” Regina Stigler “My husband has an amazing ‘wine memory bank’. On the shelves of his wine lab he collects bottles as souvenirs of wines with a history. When I think back on ‘my history’ over a glass of Pinöle (my jargon for Pinot), I have to laugh. When I was a little girl, I always had to accompany my mother to my grandfather’s vineyards, although I would much rather have played with my girlfriends. I swore I would never marry a wine-grower. But things turned out otherwise.”
Baden 460 | 461
Wein Aromen und 3-Sterne
462 | 463
Riesling trocken zu Rotbarbe mit Tomatengelee von Harald Wohlfahrt Deutscher Riesling eignet sich meiner Ansicht nach sehr gut zu Fischgerichten. Das liegt an seinen saftigen Aromen nach grünen Äpfeln, Zitrusfrüchten und seiner eleganten Säure sowie ausgeprägten Mineralität. In diesem Gericht harmonieren die Aromen und die Säure der Tomaten mit dem Pfirsicharoma und der eleganten Säure des Rieslings ganz ausgezeichnet. Die Süße der Rotbarbe und die fruchtigen Komponenten des Rieslings gehen ebenfalls eine sehr schöne Verbindung miteinander ein. Die einen Hauch salzige Mineralität des Weins setzt den zarten, süßlichen Aromen des Gerichts außerdem einen sehr schönen Kontrast entgegen.
Riesling dry Red Mullet with Tomato Jelly German Riesling is in my view particularly suited for fish dishes. This is because of its juicy aromas of green apples, citrus fruit, its elegant acidity and characteristic min eral notes. For this dish the aromas and the acidity of the tomato are harmoniously balanced with the peach notes and elegant acidity of the Riesling. The sweetness of the red mullet and the fruity components of the Riesling complement each other beauti fully. A fine contrast is created by the hint of salt in the mineral notes of the Riesling and the subtly sweet aromas of the dish.
464 | 465
Harald Wohlfahrt
„Große Nachfrage nach hochwertigem deutschen Wein“ „Deutsche Weine haben nicht nur national, sondern auch international an Anerkennung gewonnen und ihre Position gestärkt. Diese Entwicklung hat sich auch auf meine Vinothek ausgewirkt, die die Weine für meine Restaurants in der Traube Tonbach beherbergt: Durch die größere Nachfrage unserer Gäste an qualitativ hochwertigen deutschen Weinen haben wir immer mehr deutsche Weine auf der Karte. Ich persönlich bin ein Fan von Weiß- und Grauburgunder – und diese Vorliebe findet sich auch auf unserer Weinkarte wieder. Das Besondere an den deutschen Weinen ist, dass sie sehr stark das Anbaugebiet und das dortige Terroir charakterisieren.“ “Great demand for high quality German wine” “German wines have not only nationally but also internationally gained hugely in reputation and have consolidated their standing. This development has also had an effect on the Vinothek which holds the wines for my restaurant in the ‘Traube Tonbach’: because of the increasingly growing demand of our guests for high quality German wines, our wine list holds a much larger number of German wines. Personally I am a fan of Weiß- and Grauburgunder and this preference is mirrored in our wine list. The forte of the German wines is that the growing area and its specific terroir strongly contribute to the character of the wine.”
466 | 467
Riesling halbtrocken zu Schwertmuschel, Eismeergarnelen, Fenchelvinaigrette, Fenchelsand von Nils Henkel Das milde, ätherische Aroma der Fenchelvinaigrette sowie das fein-nussige Aroma der Schwertmuschel benötigen vor allem einen charakterstarken, feinmineralischen Riesling. Die halbtrockene Variante ist dafür die richtige Wahl: Er ergänzt den nussigjodigen Charakter sowie den zarten Anis-Ton des Gerichts mit Noten von reifen Aprikosen und Äpfeln. Die Mineralität des Weins ist für dieses Rezept besonders wichtig, denn sie verleiht ihm die nötige Struktur, um zu bestehen. Die feine Restsüße kon trastiert das zarte Aroma des Gerichts, ohne jedoch so süß zu sein, dass sie es überdeckt. Dieser halb trockene Riesling sollte zudem nicht plump und breit, sondern eher mit einer fein ausgewogenen Säure ausgestattet sein.
Riesling semi-dry Razor Clam, North Atlantic Prawns, Fennel Vinaigrette and Fennel Sand Both, the mild etheric aroma of the fennel vin aigrette as well as the subtly nutty aroma of the razor clam require above all a fine mineral Riesling, full of character. The semi-dry variant is here the right choice: it adds notes of ripe apricots and apples to this dish with its nutty iodine character and its gentle aniseed notes. The mineral character of the wine is particu larly important for this recipe, because it lends structure to it, without which it could not stand on its own – for itself. The wine’s fine residual sweetness contrasts the gentle aroma of the dish, though without being too sweet so that the dish would be dominated by it. This semi-dry Riesling should not be plump and broad but finely balanced in terms of acidity.
468 | 469
Nils Henkel
„Qualitätsbewusstsein ist essenziell“ „Der deutsche Wein hat in den letzten Jahren auch in anderen Ländern für Furore gesorgt. Das haben wir der deutlich gestiegenen Qualitätswahrnehmung der letzten sieben, acht Jahre zu verdanken – vielerorts durch die VDP-Winzergeneration initiiert. Das neue Qualitätsbewusstsein und der Sinn für nachhaltigen Weinbau ist ein Prozess, der noch nicht weit verbreitet ist. Aber er ist essenziell. Ich bin sicher, dass da noch viel Potenzial nach oben ist. Auf unserer Karte im Gourmetrestaurant Lerbach führen wir momentan unter rund 1 000 Positionen etwa 600 deutsche Weine. Allen voran Riesling und Spätburgunder im gehobenen bis zum Premium- Segment. Die von uns ausgesuchten Weine passen perfekt zu unserem Küchenstil. So finden wir vor allem im Riesling und in dem einen oder anderen Weißburgunder und Silvaner passende Weine für unseren Stil. Es geht um Eleganz, Tiefe und Eigenständigkeit auf höchstem Niveau.“ “The Awareness of quality is essential” “German wines have created a furore – even outside Germany. The reason for this is the mark edly increased awareness of quality over the last seven, eight years – which was initiated in many places by the current generation of VDP vintners. The new awareness of quality and the striving for sustainable wine making is part of a process that does not yet have a broad basis – but it is essential. I am sure that there is quite a potential left for further scaling up … Our wine list in the ‘Gourmetrestaurant Lerbach’ holds currently 600 German wines out of 1 000 overall, lead by Riesling and Spätburgunder from the higher price segment to the pre mium segment. The wines we have selected match the style of our kitchen perfectly. Particu larly the Riesling and some Weißburgunder and Silvaner are perfect partners for our cooking style, which is about elegance, depth and autonomy on the highest level.”
470 | 471
Riesling edelsüß zu Erdbeer-Jogurette von Sven Elverfeld
Dieses Rezept kombiniert die intensive Fruchtsüße von Erdbeeren mit den feinherben Noten von Kakao und Schokolade sowie der frischen Cremigkeit von Sahne, Crème double und Joghurt. Vor allem durch den Zuckeranteil und das Erdbeeraroma ist es nicht ganz leicht, das Dessert mit einem Wein zu kombinieren. Eine der wenigen Möglichkeiten ist ein fein gereifter, restsüßer Riesling. Sein Aromenspektrum reicht von Karamell und Honig über reife Pfirsiche, Walnüsse, Quittengelee bis zu saftigen Rosinen. Diese komplexe Süße unterstützt die Fruchtsüße und ergänzt hervorragend auch die dunklen Noten des Kakaos. Die feine Säure unterstützt zudem die Frische und kontrastiert die Cremigkeit der Erdbeer-Jogurette.
Riesling noble sweet Strawberry Jogurette This recipe combines the intense fruity flavor of strawberries, the bitter sweet notes of cocoa and chocolate with the fresh smooth ness of cream, double cream and yoghurt. However, because of the high sugar level and the strawberry aroma, it is not easy to find a perfectly matching wine for this dessert. One of very few possibilities is a subtly ripe Riesling with residual sweetness. Its spec trum of aromas holds caramel and honey, peach, walnut, quince jelly and juicy raisins. This complex sweetness supports the natural fruit sweetness and complements the creami ness of the strawberry Jogurette.
472 | 473
Sven Elverfeld
„Wir entdecken gern unbekannte Winzer“ „Unser Sommelier Jürgen Giesel hat in den letzten Jahren viele unbekannte Winzer, Regionen und Rebsorten aus aller Welt intelligent in die Weinkarte integriert. Hierdurch hebt sich unsere Karte mit 1 200 Positionen von der Masse ab. Darin befinden sich zahlreiche deutsche Gewächse sowie Weine aus Österreich und der Schweiz. Neben Weinen aus der Alten Welt listen wir auch interessante Weine aus der Neuen Welt. Um den Weinkeller des Aqua im Wolfsburger Ritz-Carlton immer wieder mit interessanten Gewächsen zu ergänzen, fährt Jürgen Giesel am liebsten direkt zu den Winzern. Dabei entdeckt er oft Weine und Regionen, die von anderen Weinkarten fast verschwunden sind. Und er legt viel Wert auf Details: Geschichte, Winzer, Traube, Boden und Aromen. Besonders in der Geschichte eines Weins spürt man den Geschmack des Jahrgangs. Mit dieser besonderen Vorliebe führen wir unsere Gäste nicht nur an die passenden Speisenbegleiter heran, wir können sie so auch mit überraschenden Anekdoten rund um den Wein überraschen. Ich persönlich trinke gern gute Rheingau-Rieslinge. Denn sie erinnern mich an meine erste Commis-Stelle in der Gutsschänke Schloss Johannisberg.“ “We like to discover unknown vintners” “In a smart move our sommelier Jürgen Giesel has added to the wine list over the last couple of years many unknown vintners, regions and grape varieties from all over the world. This makes our list of 1 200 wines different from most others. On it one finds many fine German wines as well as wines from Austria and Switzerland. Apart from wines from the Old World we also list interesting wines from the New World. In order to be able to complement the list with unusual wines, Jürgen Giesel goes and visits the wine makers. In doing so he often discovers wines and regions, which have disappeared from other wine lists. And he attaches great importance to detail: history, wine maker, grape, soil and aroma. Particularly in the history of a wine one can feel the taste of a vintage. With this special preference we carefully introduce our guests to these matching companions of fine dining and it allows us to surprise them with unexpected anecdotes from all over the world. I personally love to drink good Rheingau Riesling, because they remind me of my first post as a chef de commis in the ‘Gutsschänke Schloss Johannisberg’.”
474 | 475
Silvaner trocken zu geeister Beurre blanc mit Imperial Kaviar von Juan Amador Der trockene Silvaner bietet zarte Eleganz, intensive Mineralität und milde Säure sowie Aromen nach Melone, rotem Apfel, Sauerteigbrotrinde und Wal nüssen. Das Aroma des Kaviars von Jod, salziger Brise und Meer verbindet sich in ganz wunderbarem Kontrast mit den Weinaromen. Bei diesem Rezept ist vor allem ein Wein mit einer feinen, milden Säure wichtig, sonst werden die Kaviararomen von ihm angegriffen. Wir arbeiten dabei aber auch mit Pumper nickel und Walnussöl sowie mit reduziertem Weißweinessig – diese Aromen und diese feine, fruchtige Säure finden sich auch in diesem Silvaner wieder.
Silvaner dry Iced Beurre blanc with Imperial Caviar The dry Silvaner is subtly elegant, has intense mineral notes, a mild acidity and aromas of melon and red apple, of the crust of sourdough bread and walnuts. The caviar aroma of iodine, salty breeze and sea blends wonderfully into the con trasting wine aromas. For this recipe it is particularly important to choose a wine with fine gentle acidity, otherwise it could attack the caviar aromas. We use for this recipe also pumpernickel and walnut oil as well as reduced white wine vinegar – these aromas and the fine fruity acidity is also to be found in this Silvaner.
476 | 477
Juan Amador
„Ein Quantensprung in der Entwicklung des deutschen Weins“ „In der Entwicklung des deutschen Weins gelang in den letzten Jahrzehnten ein qualitativ riesiger Sprung. Hier bietet sich mittlerweile ein großes Spektrum an Stilen und Aromen. Im Weißweinbereich beispielsweise braucht man eigentlich keine Weine mehr aus dem Ausland. Auch bei der Auswahl meiner Rotweine ziehe ich einem Bordeaux oder Burgunder lieber Weine aus Baden, Franken und aus der Pfalz vor. So finden sich auf meiner Weinkarte beispielsweise Spätburgunder von Knipser und Philippi. Früher waren auf meiner Weinkarte fast nur die klassischen Franzosen vertreten, insgesamt hatte ich bis zu sieben Länder gelistet. Heute gibt es bei mir nur noch Weine aus meinem Heimatland Spanien und aus meiner zweiten Heimat: aus Deutschland. Der Umfang ist aber nicht weniger geworden. Denn meine Weinkarte ist nun stärker regional ausgerichtet: Ich wurzele in der Tiefe und suche in den hiesigen Regionen nach jungen, kreativen Winzern, die auch Weinkenner noch überraschen.“ “A Quantum Leap in the Development of German Wine“ “The development of German wine over the last few decades has resulted in a quantum leap in quality. German wine nowadays shows a broad spectrum of styles and aromas. Regarding white wines – one actually doesn’t need to go for other wines than German ones. Even when it comes to selecting red wines, I prefer wines from Baden, Franken or the Pfalz to a Bordeaux or a Bur gundy. In my wine list there are, for example, Spätburgunder by Knipser and Philippi. Whereas in the past I had mostly listed the classic French wines, and overall there were up to seven countries on the list. Today I have only wines from my home country Spain and from my second home country: Germany. Despite this, the number of wines on the list has not decreased, and it has become more regional: I put the roots deeper in the ground and search the German regions for young, creative wine makers who can still hold a surprise for the connoisseur.”
478 | 479
Weißburgunder trocken zu Cannelloni vom rohen Kalbsfilet mit Thunfischtatar von Helmut Thieltges Ich habe mit dieser Kombination des Weins und meinem Cannelloni-Rezept versucht, besonders die Aromen von Kräutern und die würzigen Komponenten des Weins zu unterstreichen. Denn auch mein Rezept lebt von genau diesen Bestandteilen, etwa dem Koriander und dem Wasabi. Außerdem unterstreicht die feine Cremigkeit des Weißburgunders die Aromen der Zwiebelcreme und der Thunfischmayonnaise in diesem Rezept. Auch die dezenten Aromen von Zitrusfrüchten finden sich zugleich im Wein und im Gericht. Das erzeugt eine perfekte Balance der Aromen.
Weißburgunder dry Raw Calf Fillet Cannelloni with a Tartare of Tuna With this combination – wine and cannel loni recipe – I intend to emphasize the herb aromas and the tangy constituents of the wine. Because my recipe bustles exactly around these constituents – for example coriander and wasabi. Furthermore the fine creaminess of the Weißburgunder under lines the aromas of the cream of onion and the tuna mayonnaise in this recipe. Also the subtle citrus aromas are to be found as well in the wine as the dish. This creates a perfect balance of aromas.
480 | 481
Helmut Thieltges
„Wir wollen den Weinbau unserer Region unterstützen“ „In den letzen zwei Dekaden konnte ich eine sehr positive Entwicklung des deutschen Weins feststellen. Es wurde zunehmend auf Qualität Wert gelegt. Die intensive Arbeit der deutschen Winzer und des VDP hat dazu beigetragen, dass Gewächse aus Deutschland längst auch weit über die Landesgrenzen hinaus bekannt sind. Wir haben zahlreiche internationale Gäste und stellen immer häufiger fest, dass die Nachfrage nach deutschem Wein immer größer wird: Viele unserer Gäste, die zuvor überwiegend französische Weine getrunken haben, lassen sich mittler weile sehr gern mit deutschen Gewächsen überraschen. Diese sehr positive Entwicklung hat auch unsere Weinkarte verändert. Denn wir wollen der erhöhten Nachfrage nachkommen, aber zugleich unseren Gästen interessante Entdeckungen präsentieren. Wir bieten sehr viele Weine von der Mosel, Saar und Ruwer an. Zum einen deshalb, weil wir den Weinbau in unserer Region unterstützen wollen, und zum anderen, weil ich selbst ein sehr großer Fan dieser Weine bin. Ich bin sicher, die deutschen Winzer und der VDP sind auf dem richtigen Weg.“ “We want to support wine growing in our region” “Over the last two decades I noted a very positive development of German wine. Quality has become ever more important. The hard work of the German vintners and the VDP has contributed to the fact that first class wines from Germany have become well-known far beyond the borders of the country. Many of our guests come from abroad and we note increasingly often that their desire for German wine is growing. Many of those who previously used to drink mostly French wines easily allow them selves to be happily surprised by German wines. This very positive development has brought changes to our wine list, since we are responding to this increased demand, and at the same time aspire to offer our guests something interesting to discover. We hold many wines from the Mosel, Saar and Ruwer regions, on the one hand because we want to support wine growing in our region and on the other hand because I am a great fan of these wines. I am sure that the German wine makers and the VDP are on the right path.”
482 | 483
Grauburgunder trocken zu jungem Gemüseacker mit pochierten Wachteleiern, mariniertem Thunfisch und Balsamicovinaigrette von Klaus Erfort Es sind vor allem die verschiedenen Aromen der Gemüsesorten, die das Aromenspektrum dieses Gerichts prägen, verbunden mit den intensiven Noten von Thunfisch, Trüffel, einer Vinaigrette aus altem Balsamico. Der Wein muss dieses weite Aromenspektrum aufgreifen und harmonisch ergänzen. Wir haben uns für einen Grauburgunder trocken entschieden, weil er ähnliche Aromen von Nuss und Champignon mitbringt, aber auch Frische durch Noten von reifer Birne, Orange und Grapefruit. Er ist zart und säurearm genug, um die Aromenvielfalt von Roter Bete, Perlzwiebel, Rucola, Trüffel, getrockneten Oliven und grünem Spargel nicht zu beeinträchtigen, aber kräftig genug, um von diesen Aromen auch nicht bei seitegeschoben zu werden.
Grauburgunder (Pinot Gris) dry Field of Young Vegetables with Poached Quails’ Eggs, Marinated Tuna and Balsam Vinegar Vinaigrette The spectrum of aromas of this dish mainly comes from the different flavors of the veg etables, combined with the intense notes of tuna, truffle and vinaigrette of aged balsam vinegar. The wine has to be able to pick up this wide spectrum of aromas and to harmo niously complement it. We have decided for a dry Grauburgunder, because it displays similar aromas of nuts and champignons, but also the fresh notes of ripe pear, orange and grapefruit. It is subtle and so little acidic that it doesn’t compromise the variety of aromas of beetroot, pickling onion, rocket, truffle, dried olives and green asparagus; though it should be strong enough not to be pushed aside by these aromas.
484 | 485
Klaus Erfort
„Weine aus Deutschland haben einen Imagegewinn erfahren“ „Eine innovative VDP-Winzergeneration hat für Bewegung gesorgt: Mit ihren Ideen und ihrem Streben nach Perfektion haben sie bemerkenswerte Spitzenerzeugnisse hervorgebracht, die weltweit Beachtung finden. Das Ergebnis ist ein deutlicher Imagegewinn, den Weine aus Deutschland in den letzten zwanzig Jahren erfahren haben. Das gilt nicht nur für die bekannten guten deutschen Weißweine. Auch immer mehr Rotweine aus Deutschland stoßen in der Fachwelt auf ein positives Echo. In unserer Weinkarte haben deutsche Weißweine traditionell ihren festen Platz. Bedingt durch die exzellente Qualität, kamen in den letzten Jahren auch einige Rotweine hinzu.“ “Wines from Germany have improved their image” “An innovative generation of VDP vintners has caused a stir: with their ideas and their striving for perfection they have produced remarkable top quality wines, which have attracted worldwide attention. This has lead to an improved image, which German wines have generated over the last twenty years. This is not only true for the well known Ger man whites, because an ever larger number of German red wines receive praise from the experts. German white wines have traditionally been part of our wine list, but due to their excellent quality, a number of reds have been added to our list.”
486 | 487
Gewürztraminer edelsüß zu gebratenem Täubchen aus dem Elsass mit Kräuterravioli, geschmorter Keule, Taubenklein und Gänsestopfleberemulsion von Claus-Peter Lumpp Die feine Süße der Gänsestopfleberemulsion, die mildwürzigen Noten des Taubenjus und die zarten Geflügel aromen benötigen einen Wein, der diese Noten unterstützt und trägt. Hervorragend ergänzt ein trockener Gewürztraminer die Komposition. Seine Aromen von Honig, Rosen, Gewürzen und reifen Birnen passen genau in dieses Aromenspektrum. Die Süße von Honig und Birne sowie Marzipan und sogar Bitterorange verstärken die feinen Noten der Gänsestopfleber, die Gewürznoten tragen Kräuterravioli und das gebratene Täubchen. Vor allem die gute Balance von Süße, Mineralität und Säure sind bei der Auswahl wichtig. Zu viel Säure würde die zarten Noten zerstören, zu wenig Mineralität würde ihn belanglos süß schmecken lassen. Bringt er diese Balance aber mit, fügt er sich perfekt in dieses Aromenspektrum ein. Als Alternative ist ein Traminer trocken eine gute Wahl. Seine Aromatik ist recht ähnlich, allerdings mit mehr mineralischen Komponenten, dafür ohne Honig- und Marzipannoten.
Gewürztraminer noble sweet Roast Pigeon from the Alsace with Herb Ravioli, Braised Leg, Giblets and Foie Gras Emulsion The fine sweetness of the foie gras emulsion, the refined aromatic foul notes require a wine that reinforces these notes and sustains them. A superb complement for this composition is a dry Gewürztraminer. Its aromas of honey and pear, marzipan and even bitter orange amplify the fine notes of the foie gras, the aromatic notes stem from the herb ravioli and the roast pigeon. Particularly important for the choice of the wine here is the fine balance of sweetness, mineral notes and acidity. Too much acidity would destroy the fine notes, too weak mineral notes would render the wine into something insignificant sweet. If the wine, however, unfolds this balance then it is the perfect wine that blends itself in this spectrum of aromas. A good choice as an alternative would be a dry Traminer. Its aromas are fairly similar, though with more mineral components, and without notes of honey and marzipan.
488 | 489
Claus-Peter Lumpp
„Deutsche Weine können sich mit internationalen Spitzenstandards messen“ „Das Hochpreissegment, auf dem sich eine stattliche Reihe deutscher Winzer etablieren konnten, ist ein wichtiges Indiz dafür, dass deutsche Weine in den vergangenen 20 Jahren in eine höhere Liga aufgestiegen sind: Ihre Weine können sich qualitativ ohne weiteres mit internationalen Spitzen standards messen. Das Qualitätsbewusstsein deutscher VDP-Winzer spiegelt sich auch in unserer Weinkarte wider. Unser Sommelier Jürgen Fendt hat sich schon immer dafür stark gemacht, die sehr guten und besten Weine der Region auf der Karte zu haben. Seine Auswahl orientiert sich an den gebotenen und gewachsenen Qualitäten sowie an der Nachfrage unserer Gäste. Wenn ich privat Wein trinke, bevorzuge ich weiche, runde und ‚mollige’ Spätburgunder aus Baden.“ “German wines can compete with international top standards” “The fact that a formidable number of German wine makers have established themselves at the high price end is an important indicator that German wines have reached a different league over the last 20 years. Their wines can easily compete with international top standards of quality. This awareness of quality by German VDP vintners is reflected in our restaurant’s wine list. Our sommelier Jürgen Fendt has always supported putting the very good and best wines from the region on the wine list. His selection is based on the qualities that are on offer and that the wine year has produced, as well as what our guests demand. Whenever I drink wine in private I prefer a soft, round and plump Spätburgunder from Baden.”
490 | 491
Spätburgunder trocken zu Wildhasenrücken mit Wintertrüffeln gratiniert Sauce Rouenaise und Gänseleber-Palatschinken von Joachim Wissler Der Wildhasenrücken lässt sich in vielerlei Hinsicht mit Weinen aus dem deutschen Repertoire begleiten. Hervorragend passt dazu ein trockener Spätburgunder, der mit seinem runden Tannin und seinen Aromen nach Johannisbeeren, Sauerkirschen, Himbeeren, reifen Feigen, Gewürznelken und Rauch vom Holzfeuer das Gericht wunderbar trägt. Besonders interessant fände ich es auch, eine sehr gereifte Riesling Spätlese dazu zu kombinieren. Die Süße ist perfekt verwoben, die
Spätburgunder dry Saddle of Hare with Winter Truffels au gratin, Sauce Rouenaise and Foie Gras Pikelets
The saddle of hare is in many ways the per fect companion to German wines. It goes Richtung und die geschliffene Säure gibt dem Gericht particularly well with a dry Spätburgunder with characteristic rounded tannins and noch eine besondere Facette hinzu. Moselrieslinge aromas of currents, morello cherries, rasp aus Jahren wie 1971 und 1976 sind eine Offenbarung berries, ripe figs, cloves and wood smoke which support the dish wonderfully. How im Spiel mit Wildgerichten wie in diesem Rezept. Ich ever, I find the idea rather interesting to finde es schade, dass diese Weine etwas aus der Mode combine the hare with a very ripe Riesling Spätlese. The sweetness perfectly interwo gekommen sind. ven, the aromas all of the perfectly match ing earthy spectrum and the sparkling acid ity adds an extra facet to the dish. Mosel Rieslings such as those of 1971 and 1976 can be a revelation when combined with game dish, such as this one here. It is a somehow a shame that these wines have gone out of fashion.
Aromen gehen in eine wunderbar passende, erdige
492 | 493
Joachim Wissler
„Durch die neue Winzergeneration ist ein Imagewandel gelungen“
„In den letzten 20 Jahren hat eine neue Winzergeneration das Ruder übernommen – mit einer deutlichen Ausrichtung auf Qualität und Nachhaltigkeit. Durch Studien- und Lehrjahre im Ausland haben die Jungen enormes Wissen mitgebracht. Ihr ‚Blick über den Tellerrand‘ hat der deutschen Weinlandschaft viele neue Facetten gegeben und den Weinbau nachhaltig ver bessert. Noch nie war es so einfach, in allen Preisklassen klare, qualitativ hochwertige Weine aus Deutschland zu kaufen. Durch den Enthusiasmus der neuen Winzergeneration ist auch ein Imagewandel gelungen. So war es in einem Gourmetrestaurant vor 20 Jahren noch üblich, den Schwerpunkt der Weinkarte auf Frankreich zu legen. Heute ist das kaum noch vorstellbar. In unserem Restaurant haben wir die Auswahl an deutschen Gewächsen sehr überlegt erweitert und wollen die verschiedenen Facetten der unterschiedlichen Lagen und den Charakter der Jahrgänge in unserer Weinkarte abbilden. Finesse ist für mich die Stärke des deutschen Weins.“ “The new generation of wine makers has successfully changed the image of German wine“ “Over the last 20 years a new generation of wine makers has taken the lead – and has concentrated on quality and sustainability. The young generation has brought back from their studies and time abroad a wealth of knowledge –their ‘looking beyond their noses’ has added new aspects to the German wine community. It has effectively improved wine making. Up to now it has never been this easy to buy clearly high quality German wines in all price categories. Due to the enthusiasm of the new generation of wine makers the image of German wines has successfully changed. For example, 20 years ago it was normal to put the main focus of a wine list on France. Today this is unimaginable in German restaurants we have considerably extended the range of our wines and wish to reflect the different facets of the different sites and characters of vintages in our wine lists. In my view, refinement is the strength of German wine.”
494 | 495
Lemberger zu Rinderschulter 60 Stunden sanft gegart von Christian Bau Besonders bei einem gerbstoffreichen und nach haltigen Lemberger mit würzigen Röstaromen, Zimt, Gewürznelken und Kirsche bedarf es eines kräftigen Fleischgerichts. Es muss einerseits rustikal genug sein, um seine Aromatik zu unterstützen – andererseits aber so intensiv sein, damit es von den Wein aromen nicht dominiert wird. Dieses Rezept findet so eine schöne Balance der kraftvollen Aroma komponenten aus dem Lemberger und den sanftwürzigen Fleischaromen.
Lemberger Shoulder of Beef, gently cooked for 60 hours Particularly Lemberger rich in tannins and with a long finish, spicy toast aromas, cinna mon, clove and cherry, requires a robust meat dish. It has to be rustic enough in order to bolster the aromas of the wine – but it also has to be intense enough not to be dominated by the aromas of the wine. This recipe balances the powerful aromas of the Lemberger and those of the smooth spicy meat.
496 | 497
Christian Bau
„Das Qualitätsbewusstsein zählt!“
„Was heutzutage zählt, ist wieder ganz klar die Qualität. Ich denke, dass deutsche Winzer längst auf einem guten Weg sind, an das Renommee vergangener Tage anzuknüpfen. Auf unserer Weinkarte setzen wir seit jeher auf Weine aus den bekannten deutschen Weinbauregionen. Wir haben viele erstklassige Winzer und vorbildliche Betriebe in unserem Land. Da ist es schwer, sich festzulegen. Doch eine gewisse Vorliebe für badische Burgunder und große Rieslinge von Mosel-Saar-Ruwer ist schon bei uns vorhanden. Unsere nationalen und internationalen Gäste schätzen die Auswahl an deutschen Weinen sehr. Daneben führen auch die klassischen und großen Weine aus Frankreich. Einerseits setzen wir bewusst auf Altbewährtes, andererseits verschließen wir uns aber auch nicht den interessanten Trends. Hier ist Bemerkenswertes in Deutschland zu beobachten: Die neue Winzergeneration hat ein hohes Qualitätsbewusstsein, ein sensibles Gespür für das Terroir und einen Sinn für Nachhaltigkeit entwickelt. Zudem ist die Nachfrage nach anspruchsvollem Wein in der Bevölkerung höher denn je. Wie sich der Weinbau jedoch in Bezug auf klimatische Veränderungen entwickeln wird, bleibt abzuwarten.“ “What counts is the awareness of quality” “What counts today is quality – and that is so without question. I think that German wine makers are about to pick up the reputation that German wine had in former times. The wine list in our restaurant has always had a focus on wines from the well-known German wine regions. There are so many first class vintners and exemplary wineries in this country. It is almost difficult to make a commitment. However we hold a certain love for Burgunder wines from Baden and great Riesling from the MoselSaar-Ruwer area. Our national and international guests very much appreciate our choice of German wines. In addition we also offer classic and great French wines. On the one hand we emphasize clearly on tradition and on the other hand we have an open mind towards interesting trends. In Germany something remarkable can be observed: the new generation of wine makers has developed a strong awareness of quality, a very sensitive feel for terroir and a sense for sustainability. Furthermore, the demand from the public for sophisticated wines has never been stronger. However we will have to wait and see how wine growing develops along with our changing climate.”
498 | 499