Nr. 2513
Christian Montillon
Der verborgene Hof Konfliktherd Mawego – Dron und Hasproner im Streit um eine Welt Auf der Erde und den zahlreichen Planeten in der Milchstraße, auf denen Menschen leben, schreibt man das Jahr 1463 Neuer Galaktischer Zeitrech nung – das entspricht dem Jahr 5050 christli cher Zeitrechnung. Seit über hundert Jahren herrscht in der Galaxis weitestgehend Frieden: Die Sternenreiche arbeiten zusammen daran, eine gemeinsame Zukunft zu schaffen. Die Kon flikte der Vergangenheit scheinen verschwun den zu sein. Vor allem die Liga Freier Terraner, in der Perry Rhodan das Amt eines Terranischen Residenten trägt, hat sich auf Forschung und Wissenschaft
konzentriert. Der aufgefundene Polyport-Hof ITHAFOR stellt eine neue, geheimnisvolle Trans port-Technologie zur Verfügung. Gerade als man diese zu entschlüsseln beginnt, dringt eine Macht, die sich Frequenz-Monarchie nennt, in diesen Polyport-Hof vor. Der Angriff kann zumin dest zeitweilig zurückgeschlagen werden. Während Perry Rhodan einem Hilferuf der Terra ner in das in unbekannter Weite liegende Stardust-System folgt, ist die Lage in der Milchstraße alles andere als sicher. In dieser Situation wird eine Entdeckung Ronald Tekeners von besonde rer Bedeutung: Es ist DER VERBORGENE HOF ...
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Aufzeichnungen des Sees zu exakt dem richtigen Zeitpunkt. Kein Gesicht hatte sich darin gespiegelt. Fakt. Ende. Keine Diskussion nötig. Betty Toufry. Homer G. Adams saß aufrecht im Bett. Allerdings hieß das noch lange nicht, dass Homer nicht auf einer anderen Ebene An Schlaf war beim besten Willen nicht zu denken, nachdem er sich einige Stun genau wusste, dass er Bettys Gesicht sehr den lang unruhig hin und her gewälzt wohl gesehen hatte, wenn auch nur für die Dauer eines allzu flüchtigen Moments. hatte; nun versuchte er nicht einmal mehr, innerlich Ruhe zu finden. Es war Phage, sein Gesprächspartner, bestä ohnehin zwecklos. tigte diesen Eindruck. Er war einer der Selbst die aktuelle Finanzberichte, die Vorsitzenden der Whistler-Company, ein er sich von der Zimmerpositronik vorle Mann, dessen nüchterner Beobachtungs sen ließ, vermochten ihn abzulenken. gabe man durchaus vertrauen konnte. Normalerweise fand er immer die eine Natürlich hatte er Betty nicht erkannt, oder andere Entwick wohl aber betont, dass lung, die ihn zumin sich ein Frauengesicht dest ärgerte – diesmal im Wasser gespiegelt Die Hauptpersonen des Romans: stand er allem gleich hatte. Konnte es sich Homer Gershwin Adams – Der Unsterbliche sieht alte gültig gegenüber. dabei nur um eine Bekannte wieder. Konnte es möglich simple Täuschung ge Ronald Tekener – Der Galaktische Spieler versucht einen Krieg zu verhindern und einen Polyport-Hof zu sein? Hatte in dem handelt haben? finden. goldenen Funkenre Homer glaubte das Rigutt Salm – Ein alter Dron weigert sich, sein Land gen im Residenzpark nicht. aufzugeben. Senego Trainz – Die Mikro-Bestie geht auf eine Erkun tatsächlich Betty Tou Ein Summton sirrte dungsmission. fry versucht zu mate durch Homers Schlaf Alemc Frofoc – Ein Dron versucht den legendären rialisieren? Hatte Ho zimmer. Eine Nach Smiler aufzuhalten. Schahid-Felah Arom-Neb-Luba Basba VI. – Der Han mer tatsächlich ihr richt von höchster delsbeauftragte der Hasproner auf Mawego begeg Gesicht in einer Spie Priorität ging ein, of net denkwürdigen Leuten anderer Völker. gelung auf den Was fenbar wichtig genug, sern des Residenzsees dass seine Mitarbeiter gesehen? es für nötig hielten, Sein Verstand sagte ihn aus dem Schlaf zu ihm, dass es undenkbar war. Betty war reißen; dass er ohnehin wach war, konn vor einer schieren Ewigkeit in der Super ten sie nicht ahnen. intelligenz ES aufgegangen. Die Telepa Per Sprachbefehl nahm der bucklige thin und Telekinetin des ersten Mutan Unsterbliche an. Eine Funkverbindung tenkorps konnte es einfach nicht gewesen baute sich auf. sein. »Homer, es ... es geht wieder los.« Das Es war ohnehin bizarr genug, dass auf war die Stimme eines seiner engsten Mit diese Weise irgendein Lebewesen den arbeiter in der Handelsorganisation Am Weg nach Terra finden sollte, als Zusam mandul-Mehan – derjenige, dem er auf menballung goldener Lichtfunken, wie getragen hatte, in puncto Funkenregen sie einst die BATTERIE des Nukleus der stets auf dem Laufenden zu bleiben und Monochrom-Mutanten verstrahlt hatte. alle Quellen anzuzapfen, die man nur an Aber eine alte Freundin und Wegbeglei zapfen konnte. terin, die seit Jahrhunderten nicht mehr Insofern erübrigte sich jede Nachfra lebte? ge, und doch wollte Homer jeden Irrtum Nein, es konnte nicht sein. ausschließen. Er wusste das. Die Logik gebot es. Je »Wovon sprichst du?« Er schwang die der Wissenschaftler würde es ihm bestä Beine aus dem Bett und griff nach Klei tigen. Es existierten außerdem Holo dern. Prolog Funkenregen (IV)
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»Ein neuer Funkenregen. Wieder im Residenzpark. Und stärker als zuvor.« Terras Finanzgenie schlüpfte schneller in die Kleider als je zuvor in seinem Le ben. Fünf Minuten ... er würde mindes tens fünf Minuten benötigen, um den Residenzpark zu erreichen. Es galt, keine unnötige Sekunde zu verschwenden. Es geschah erneut. »Betty«, flüsterte er. Sie versucht es wieder. 1. Notstand »Schau dir das an«, sagte Ronald Te kener. »Das sind keine Städte mehr, das sind Festungen.« Die PETRALONA, ein Beiboot der TRAJAN, stand im Orbit des Planeten, der das Ziel ihrer kurzen Reise darstellte. Auf Mawego hoffte Tek auf eine bedeu tende Entdeckung. Seiner Einschätzung nach standen die Chancen dafür ausge zeichnet – und meistens fuhr der Smiler gut damit, seinem Gefühl zu vertrauen. In dem kleinen Besprechungsraum am Rand der Zentrale musterten Tekener und sein kleiner Begleiter die Aufnahmen der Planetenoberfläche, die von den Or tern in Realbilder verwandelt wurden. »Es sind Festungen, die mir keinerlei Respekt einflößen.« Senego Trainz, der Anführer der Mikro-Bestien, schien den kantigen Geschützforts und hoch aufra genden Wällen keine Aufmerksamkeit mehr zu widmen, sondern betrachtete die Orterergebnisse, die in Form von Daten kolonnen über das kleine Display liefen, das er in der Hand hielt. »Wenn nötig, werden wir sie stürmen und zerstören.« »Nicht so voreilig! Sowohl die Dron als auch die Hasproner gehören zum Ga laktikum. Sie sind nicht unsere Feinde.« »Dann ist es also üblich, dass die Mit gliedsvölker des Galaktikums aufrüsten und Heerscharen von Soldaten auf Pla neten schicken, die weder zum einen noch zum anderen Sternenreich gehö ren?«
Humor, dachte Tek. Das ist eine Eigen schaft, die ich bislang weder bei Trainz noch bei irgendeiner anderen Mikro-Bes tie als besonders prägend ausgemacht habe. Er zoomte einen Teilbereich des Holos näher heran. Tatsächlich – er hatte sich nicht getäuscht. Eine ganze Armada voll ausgerüsteter Kampfgleiter parkte am Rand eines Wüstengebiets. »Sagen wir es so – ich komme mir nicht gerade vor, als blicke ich auf eine Welt, die zu einem friedlichen Sternenbund gehört.« Senego Trainz maß gerade einmal 22 Zentimeter; trotz seiner bulligen Statur und den drei glühend roten Augen im glänzenden Schädel, die ihn eindeutig als die Miniaturausgabe eines Haluters definierten, wirkte er alles andere als furchterregend. Beging jedoch ein Feind den Fehler, Trainz oder eine andere Mi kro-Bestie zu unterschätzen, konnte er dies sehr schnell mit dem Leben bezah len. Nicht umsonst hatten sie innerhalb der Terminalen Kolonne TRAITOR als »Assassinen des Chaos« einen furcht baren Ruf gehabt. Trainz’ rechte Schädelseite bestand – im Gegensatz zum sonstigen pech schwarzen Äußeren – aus schneeweißer Haut, die von nässenden Narben und Ge schwulsten bedeckt war. Auch die Glied maßen der rechten Körperhälfte waren von dicken Narben bedeckt. Ein einziger Blick genügte, um Trainz als Veteran zahlloser Kämpfe zu identifizieren. Wo und wie genau er sich die schrecklichen Verletzungen zugezogen hatte, darüber schwieg er. »Eine friedliche Welt«, sagte die Mi kro-Bestie, »um die sich sowohl Kampf schiffe der Dron als auch der Hasproner sammeln. Eine Aufrüstung ersten Grades wie aus dem Lehrbuch.« »Es ist bislang kein einziger Schuss gefallen. Und das wird es auch nicht.« Trainz tippte auf den Sensorfeldern des kleinen Displays. »Bist du dir sicher, Ronald Tekener?« Mit einem Schub sei nes Flugaggregats surrte er in die Höhe und landete auf der Armlehne von Teks Sessel. »Insgesamt sind am Systemrand
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mehr als eintausend Raumschiffe statio niert. Das genügt, um ganze Planeten zu zerbomben. Von Mawego würde nichts übrig bleiben, wenn ...« »Wir befinden uns mitten im Bereich des Galaktikums!«, entgegnete der Smi ler. »Weder die Dron noch die Hasproner werden hier einen Krieg beginnen. Sie liegen in einem Konflikt, sie plustern sich zu Drohgebärden auf – mehr nicht.« »Worum streiten sie sich? Etwa um diesen Planeten? Er ist unbedeutend. Für die Dron ein Ruheplanet für Veteranen. Die Hasproner haben einen Handelsbe auftragten geschickt, weil irgendwelche Waren ...« »Das ist mir bekannt!« Tek fixierte die kleinen Augen seines Gegenübers. »Ich habe die Daten über diesen Planeten ge nauso durchgeackert wie du.« Er war gelinde verwundert darüber, dass Trainz über die Hintergründe dis kutieren wollte; er war eine charisma tische Führerfigur für die Mikro-Bestien, und wenn nötig, plante er auch die De tails eines Kampfeinsatzes – aber allge meinpolitische Hintergründe zur Ge samtlage in der Galaxis gehörten nicht gerade zu seinen Stärken. Oder doch? Je länger der Smiler nach dachte, umso mehr wurde ihm bewusst, wie wenig er im Grunde genommen über Senego Trainz, den Anführer der wohl schlagkräftigsten Truppe im Dienst der USO, wusste. Das Rätsel um seine Ver letzungen und Narben bildete in dieser Hinsicht nur die Spitze des Eisbergs. »Sieh es als Herausforderung an«, schlug er vor. »Im besten Fall werden wir nicht nur diesen lokalen Konflikt been den, sondern zugleich das entdecken, weswegen wir die Reise hierher über haupt erst angetreten haben.« »Den Polyport-Hof, den du hier ver mutest.« »Den verborgenen Hof«, bestätigte Te kener. * »Den verborgenen Hof«, hörte Senego Trainz seinen Vorgesetzten sagen. Te
kener war derjenige, der bei dieser Mis sion den Oberbefehl innehatte, doch Trainz kam nicht umhin, eine gewisse Befangenheit bei dem berühmten Smiler festzustellen. Er verließ sich zu sehr dar auf, dass beide Seiten, die in diesem Son nensystem nahe davor waren, einen Krieg zu entfesseln, auf der Seite der Gu ten standen. Allerdings konnte die Mikro-Bestie nicht glauben, dass Tek derart naiv war – das Leben musste ihn längst eines Bes seren belehrt haben. »Warum beharrst du darauf, dass es nicht zu einer Eskala tion kommen wird?« »Aus einem einzigen Grund«, antwor tete Tekener. »Beide Völker können es sich nicht leisten, es sich mit dem Galak tikum zu verscherzen. Wer den ersten Schuss abgibt, wird als Kriegstreiber ge gen ein anderes Mitgliedsvolk gelten. Was ein Ausschluss aus der galaktischen Gemeinschaft für die Dron ebenso wie für die Hasproner bedeuten würde, kannst du dir selbst ausrechnen.« Das klang schon um einiges vernünf tiger. Trainz gab sich keinen Illusionen hin, was die wahre Natur jedes Wesens anging, gleich welchem Volk es ent stammte. Ausnahmen bestätigten dabei die Regel. »Wie beurteilst du dann, dass sowohl die Dron als auch die Hasproner dieses System zum Sperrgebiet erklärt haben?« Der Smiler zeigte sein Lächeln, das ihn geradezu sprichwörtlich berühmt ge macht hatte. Der Mikro-Bestie impo nierte es nicht sonderlich. Ebenso wenig wie die seit Teks Erkrankung an den Lashat-Pocken zurückgebliebenen Nar ben im Gesicht. Trainz wusste kaum et was über diese Krankheit, aber sie konn te wohl kaum dem standhalten, was er selbst erlebt hatte. Tekeners Narben oder seine eigene schwärende und nässende Schädelhälfte? Trainz müsste nicht lange überlegen, wenn er vor die Wahl gestellt würde. »Nun?«, fragte die Mikro-Bestie. »Es gibt nur einen Grund, Mawego zum Sperrgebiet auszurufen: Die beiden Völker wollen einen internen Konflikt
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klären, ohne das Galaktikum als Schiedsinstanz einzubeziehen. Denn da durch würde die Ursache des Konflikts an die Öffentlichkeit geraten, und genau das wollen sie offensichtlich verhin dern.« »Also ist es entweder für beide Seiten unangenehm, weil es sie in Misskredit bringen würde, oder es geht um etwas von großem Wert.« Tek zog die Nachbildung des Control lers der Klasse A, die er im Stützpunkt der TRAITOR-Marodeure auf Adeksion erbeutet hatte, aus der Tasche und drehte sie sinnend zwischen den Fingern. »Mei ne Nase sagt mir, dass es um einen Poly port-Hof geht.« Jenes Artefakt der Ordnungsmächte, das das Universum erschloss, wie es im Abschlussbericht über die Vorkommnisse auf Adeksion hieß. Trainz konnte die Be deutung dieses Fundes nicht genau ein ordnen. Er war innerhalb der Terminalen Kolonne erzeugt und aufgezogen worden, als Kämpfer gegen die Ordnungsmächte – und daher wusste er zumindest eines: Auch die Kosmokraten und ihre Diener verfügten über große Macht. Und letztlich ging es genau darum: um Macht. Die Dron und Hasproner sahen das nicht anders. Was wieder einmal sei ne Theorie bestätigte, dass sich der Fun ke des Krieges auf diesem Planeten sehr wohl entzünden konnte, auch wenn Te kener dies verneinte. So extensiv ver neinte, dass er sich damit wohl selbst davon überzeugen wollte. »Warum warten wir noch?«, fragte Trainz. »Wir müssen auf Mawego lan den.« »Es gibt nach wie vor keine Landeer laubnis.« »Und du willst tatsächlich warten, bis du eine offizielle Einladung in ein um kämpftes Sperrgebiet erhältst, in dem sämtliche Bewohner dieses Planeten ein Geheimnis vor deinen Augen verbergen wollen?« »Du hast recht. Wir haben lange ge nug Geduld demonstriert. Es wird Zeit zu handeln.« Tek erhob sich von dem Stuhl, der einige Zentimeter über den
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Boden rutschte und gegen die Wand stieß. Senego Trainz schwebte neben dem Terraner in Richtung der Tür, die den Be sprechungsraum mit der Zentrale der PETRALONA verband. »Was willst du tun?« »Stell dein Team zusammen. Euer Ein satz wird bald beginnen.« Die Tür glitt zurück. »Ich werde euch undercover auf den Planeten schicken. Du trägst die Verant wortung, dass euch niemand enttarnt und der Krieg am Ende doch noch be ginnt.« »Du hältst es also nicht für unmög lich?« Tekener schwieg. Und lächelte. * Mawego, die Hauptwelt des OtensosSystems, gehörte offiziell den Dron, al lerdings bestand die Mehrzahl der Bevöl kerung aus Haspronern. Tek diskutierte per Holofunk mit einem der Reptilienabkömmlinge, denen er zuletzt vor wenigen Tagen auf Adek sion begegnet war. »Es tut mir äußerst leid«, versicherte der Dron. Seine vorgezogene Schnauze blieb halb offen stehen und offenbarte ei nen Blick auf die stumpfen Kegelzähne. »Mir ebenfalls. Allerdings liegt mir ei ne Berechtigung des Galaktikums vor, eine Inspektion des Systems vorzuneh men.« Tek sandte das Dokument unver schlüsselt an seinen Gesprächspartner. »Dir dürfte bekannt sein, dass ich für die USO spreche und dass diese Organisati on dazu ermächtigt ist, im Namen des Galaktikums und seines Vorsitzenden Bostich ...« »Das ist mir bekannt«, unterbrach der Dron. »Und ich bedauere sehr, dass ...« »Wie war dein Name?«, fragte Tek. »Wie bitte?« »Dein Name.« »Alemc Frofoc. Ich bin erster Sekretär des Dron-Kommissars von Mawego«, fügte er etwas überheblich hinzu.
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Tek gab seiner Stimme jenen Hauch Arroganz, den er bei Arkoniden so oft wahrgenommen hatte, besonders jenen aus uraltem Adel. »Nun, Alemc Frofoc, erster Sekretär des Dron-Kommissars, du wirst mich entweder landen lassen oder ich werde mein Recht im Namen des Galaktikums und der USO mit Gewalt durchsetzen.« Der Halskragen des Dron vibrierte; per Funk wurde sogar ein leichtes Ra scheln der Hautlappen übertragen. »Bit te gedulde dich ein wenig. Der Kommis sar ist verhindert, wird aber bald ...« »Ich brauche den Kommissar nicht, wenn ich eine Genehmigung vorliegen habe. Oder schert sich etwa ein Dron darum, ob ein ...« Er dachte kurz nach; ihm fiel nur ein einziges auf Mawego hei misches Tier ein, von dem er in den Ak ten gelesen hatte. »... ein Cavan Einwän de gegen sein Vorgehen hat?« Nun stellte sich der Halskragen voll ständig auf – ein eigentlich ästhetischer Anblick durch die mosaikartig gemus terten Farben. In diesem Fall jedoch brachte es die Verärgerung des Dron auf den Punkt. »Ein gänzlich unpassender Vergleich. Außerdem muss ich dich leider korrigieren, was deine Auffassung der Rechtslage in diesem Fall betrifft.« So, musst du?, dachte Tek, schwieg je doch. »Da dieses Gebiet offiziell zur Sperr zone erklärt wurde und auf dem Planeten Notstandsgesetze gelten, ist deine Ge nehmigung wertlos, selbst wenn sie das Galaktikum ausgestellt hat. Sei versi chert, dass ich nicht einmal dem Vorsit zenden Bostich eine Landegenehmigung erteilen würde.« Bostich würde dich hinwegfegen, oh ne dass auch nur eine Spur von dir ir gendwo im Universum bleibt. Insofern konnte Frofoc froh sein, dass er es nicht mit dem arkonidischen Imperator, son dern »nur« mit dem galaktischen Spieler zu tun hatte. »Ich muss mich mit dem Komman danten meines Schiffes besprechen.« Ohne eine Antwort abzuwarten, kapp te Tek nach diesen Worten die Funkver
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bindung. Er trat bewusst forsch und un höflich auf. »Alles läuft genau nach Plan«, schick te er eine Funknachricht an Senego Trainz. »Die Dron sind berechenbarer, als ich annehmen durfte. Ihr steht be reit?« »Bereit.« »Es dürfte gleich so weit sein. Ver passt den Augenblick nicht. Und viel Glück.« »Glück wird nicht nötig sein. Eine Mi kro-Bestie brauchte sich nie auf bloßes Glück zu verlassen.« »Es kann nichts schaden«, versicherte Tek und nahm wieder Kontakt mit Alemc Frofoc auf. »Wir werden nun landen. Ma jor Toekbark Deerd gibt soeben den Be fehl.« »Du kannst nicht ...« »Ich kann sehr wohl.« Diesmal war es der Dron-Sekretär, der die Verbindung unterbrach. Seiner Mei nung nach war offensichtlich alles ge sagt. Genau wie Tek erwartet hatte, eröffne te die planetare Verteidigung das Feuer auf die PETRALONA. Und ebenso exakt wie vorausgesagt, wagten die Dron keinen direkten Angriff, der einen Affront ohnegleichen gegen die USO und das Galaktikum bedeutet hät te. Stattdessen explodierten Warnschüs se direkt vor dem Schiff. Die Energiemassen, die sich im All vor der PETRALONA austobten, genügten, um die geringe Streustrahlung der USODunkelkapsel zu verbergen, in der die Mikro-Bestien in dieser Sekunde aus schleusten. Senego Trainz und sein Team waren unterwegs. Bis zur Landung auf Ma wego würden nur wenige Minuten ver gehen. »Drossle die Fahrt wieder!«, rief Tek dem Piloten zu. Ein Sprachbefehl verband ihn mit Frofoc, der ein zufriedenes Echsengrin sen zeigte. »Du hast gewonnen«, sagte der Smiler. »Wir werden abwarten.« »Ich danke dir für diese vernünftige
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Entscheidung«, sagte der Dron. Er wirkte zufrieden. Ein zufriedener Narr. 2. Blut und Erde,
Sand und Schlamm
Das mitgebrachte Huqar-Gras ra schelte, und das Knacken, mit dem die äußere Hülle des Büschels zwischen sei nen Fingern brach, war Musik in Rigutt Salms Ohren. Rasch bückte er sich und atmete tief ein. Das Blut schien schneller durch seine Adern zu fließen, sein Verstand schärfer zu werden. Die Trockenheit in den Atem löchern schwand unter dem betörenden Duft. Er liebte das Huqar, wenn er auch die mystisch-meditierende Anwendung, die er als Sarkan-Kämpfer selbst jahre lang praktiziert hatte, inzwischen für unnötig und geradezu lächerlich hielt. Der Duft des Grases und mehr noch die Feuchtigkeit, die von der Hornschicht der Finger aufgenommen wurde, wirkten ohne jeden pseudoreligiösen Firlefanz. Ein Stimulanz war ein Stimulanz, unab hängig von der Intonation irgendwelcher Formeln. Wahrscheinlich war Rigutt einfach zu alt, um sich um etwas anderes zu küm mern als um sich selbst oder um sein Jungweib Karra. Mit welchen Methoden junge Dron-Soldaten zum Durchhalten im Kampf und zum Gefühl der großen Einheit für die Schlacht geführt wurden, war ihm seit Jahren völlig gleichgültig. Mochten die Ausbilder der Jungen mit psychologischen Tricks arbeiten; er hatte seine Schuldigkeit getan. Mit 249 Jahren lag keine lange Lebenszeit mehr vor ihm. Früher oder später würde es vorbei sein. Eher früher als später, wie er zu sa gen pflegte und dafür regelmäßig eine Schimpftirade seines Jungweibs einfing: »Du bist nicht wie die anderen! Dein Al ter erreicht kaum jemand! Du schlägst sie alle und wirst als der Älteste in die Geschichte eingehen!«
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Die Aussicht auf den Tod hielt für ihn keine Schrecken mehr bereit. Früher hatte er geradezu besessen an seinem Le ben gehangen, hätte alles dafür getan, es zu behalten und zu verteidigen. In den Lichtervakuolen von Lichar hatte er Krankheiten überlebt, die Dutzende an derer hinwegrafften. Inzwischen hatte er mehr gesehen und erlebt, als er jemals zu träumen gewagt hatte. Ein gewisser Überdruss erfüllte ihn, den nur wenige Dinge wenigstens zeitweise stillen konnten – Karra etwa oder ein gutes Bündel frisches HuqarGras. Eines allerdings ersehnte er, das weder Karra noch das Gras erfüllen konnten: das Verlangen nach Gerechtigkeit. Er war ein verdienter Veteran seines Volkes, und ihm gebührte – den Cavan darauf! – nun einmal Gerechtigkeit. Der Respekt vor ihm als ehemaligem DronSoldaten verlangte das. Und wenn sonst niemand dafür sorgen wollte, musste er die Dinge eben selbst in die Hand neh men. Achtlos ließ er das Huqar-Büschel fal len. Die Lust daran war ihm vergangen. Stattdessen ließ er den Blick über das Waffenarsenal schweifen. Es war nicht einfach gewesen, es hierher zu schaffen und gleichzeitig zu sichern; schließlich sollte es keinen spielenden Kindern in die Hände fallen. Wobei fast alle Kinder längst vom Planeten geschafft worden waren und die restlichen so nahe an der Frontlinie nichts zu suchen hatten. Frontlinie ... Jawohl, genauso war es, obwohl dieser Begriff nicht offiziell benutzt wurde. Es gab keinen Krieg, daher existierte keine Front. Das Einzige, von dem die Medien berichteten, waren planetare Notstands gesetze und das galaktische Sperrgebiet. Damit mochten sie vielleicht die ein facheren Gemüter täuschen, zumindest nach außen, aber nicht ihn. All diese unscharfen Worte, das nichts sagende Getue – seiner Meinung nach handelte es sich dabei um übelste Poli tik! Und damit konnte Rigutt Salm nichts anfangen.
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Früher war alles besser gewesen. Da hatte man die Sachen noch beim Namen genannt. Selbst in den Lichtervakuolen hatte man ihn nicht belogen, und als er wieder nach Dron zurückgekehrt war, hatten ihm die Mediker klipp und klar gesagt, dass er sterben würde. Das war inzwischen fast hundert Jahre her – bis lang hatte sich ihre Vorhersage nicht er füllt. Das Waffenarsenal lagerte in zwei großen Kisten, die Rigutt höchstpersön lich im Sand eingegraben hatte. Das war ein ausreichend gutes Versteck, denn niemand würde sich die Mühe machen, ausgerechnet dort nach etwas Wert vollem zu suchen. Bis vor wenigen Minuten waren die Deckel geschlossen und von zwanzig Zentimetern Sand bedeckt gewesen. Von warmem, wohltuend trockenem Sand. Zorn kochte in Rigutt hoch, wenn er daran dachte, dass die Hasproner diesen herrlichen Wüstenabschnitt – seinen herrlichen Wüstenabschnitt – in einen schlammigen Sumpf verwandeln woll ten. Sein Stützschwanz wischte über den Boden, peitschte die losen Huqar-Halme hinweg. Sie trieben einige Meter im lauen Wind, ehe sie sich auf der ewig öden, gelben Fläche eine neue Heimat suchten. Etwas Sand rieselte in die Waffenkiste, ohne indes den Feuerwaffen oder den Sprengsätzen schaden zu können. Er lauschte. Sie näherten sich. Er brauchte kein Ortungsgerät, um zu bemerken, dass die Sandkörner ganz fein vibrierten. In seiner Jugend, als er ganz auf sich allein gestellt gewesen war, hat te er gelernt, die Zeichen der Natur zu deuten. Noch waren sie weit genug entfernt. Dennoch sollte er allmählich damit be ginnen, die ersten Sprengminen zu plat zieren. Das Verteilungssystem mit dem maximalen Überraschungsfaktor hatte er längst errechnet. Rigutts Blick fing sich an einer der Präzisionsfeuerwaffen aus seiner Zeit als Leibwächter. Damals war er wegen sei
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ner Krankheit aus dem aktiven Kriegs dienst ausgeschieden. Diese Waffe schoss mit materiellen Projektilen, die eine erstaunliche Durch schlagskraft besaßen. Für viele stellte sie deshalb ein altertümliches, überholtes und unpraktisches Relikt dar. Von daher nutzten die Dron – wie fast alle Sternen völker – seit Generationen Energiewaf fen. So lautete die allgemeine Meinung. Aber sein Jungweib Karra stellte schließlich immer wieder fest, dass Ri gutt anders war als alle anderen Dron. Sie hatte recht. Wie meistens. Es war eine Freude, mit ihr zusammen zu sein. Immer wieder erquickte sie sein altes, müdes Herz. Wahrscheinlich war er nur wegen ihr noch am Leben und konnte für Gerech tigkeit sorgen. Er hatte es auf anderem Weg versucht, hatte Diplomatie ange wandt und Klage eingereicht. Doch dar um scherte sich ja niemand. Rigutt holte das Gewehr heraus. Ob wohl es klobig aussah, lag es federleicht in seiner Hand. Waffen wie diese ver dienten ihren schlechten Ruf nicht. Sie zu benutzen, war eine vergessene Kunst. Doch wer Waffen nur für den Krieg nutzte, wusste solche Kunst natürlich nicht zu schätzen. Er würde diese Waffe verwenden, um ein Zeichen zu setzen. Glaubten die Hasproner, tun zu kön nen, was immer ihnen beliebte? Sie waren Gäste auf dieser Welt. Gäste! Und was nahmen sie sich heraus, nur weil sie schon seit einigen Generationen auf Mawego lebten und den angesiedel ten Dron inzwischen zahlenmäßig über legen waren? Sie begannen, diese Welt nach ihren Vorstellungen umzuformen! Sie verschandelten die Weiten der Wüs ten mit Wasser und Morast. Offiziell behaupteten sie, es ginge um diese eine Pflanze, die nur auf Mawego gedeihe und die für sie so wichtig sei. Sie wollten sie angeblich kultivieren und großmaßstäblich anbauen. Lügner! In Wirklichkeit steckte etwas ganz an
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deres dahinter. Die Hasproner wollten den Dron rauben, was den Dron gehörte! Das allein war ihr Ziel, geboren aus purer Boshaftigkeit und der Gier, diesen Pla neten ihrem Reich einzugliedern, heim lich, still und leise, ohne Aufmerksam keit im Galaktikum zu wecken. Die Verantwortlichen dort konnte man allerdings wohl nur aus ihrem Dämmer schlaf wecken, wenn man während einer Vollversammlung eine Bombe zündete, am besten ganz nah bei diesem unsterb lichen Arkoniden-Imperator Bostich. Rigutt nahm einige Projektil-Patronen an sich. Kälte ging von ihnen aus; sie wa ren fast so lang wie seine Handinnenfläche und doch weniger als Halbfingerbreit. So lange sich offiziell niemand um sein Recht kümmerte, musste er es eben selbst in die Hände nehmen. Er war dazu bereit. Mit dem Gewehr zielte er auf einen der Huqar-Halme. Er lag halb von Sand be deckt schätzungsweise zehn Meter ent fernt. Ein Knall zerriss die erhabene Stille, die nur der leise Wüstenwind und das sanfte Schmirgeln von Sandkörnern störte. Das Projektil zerfetzte den Halm und bohrte sich tief in den Boden. Sand rutschte in das kleine Loch nach. In der Luft lag sekundenlang dieser unver gleichliche Geruch. Sollten sie kommen! Rigutt bedauerte lediglich, dass er sein Jungweib wohl nicht wieder sehen würde – aber was nö tig war, war eben nötig. Sie würde es ver stehen. Wahrscheinlich hatte sie seine Lüge ohnehin nicht geglaubt und wusste genau, zu welcher Mission er am Morgen aufgebrochen war. Du hast dich am Ende wohl doch ge täuscht, Karra, dachte er. Die 250 werde ich kaum mehr erreichen. Er legte die Waffe ab und begann da mit, die Bodenminen zu verteilen. * Durch die Glassitscheibe des Gleiters sah Schahid-Felah Arom-Neb-Luba Basba VI. die ersten Dünen auftauchen.
Trocken war es dort, trocken und heißer als überall sonst. Für einen Hasproner, der nicht mehr in der Blüte seiner Jahre und in der Kraft seiner Jugend stand, ei gentlich unerträglich. Aber ihm als Handelsbeauftragtem der Hasproner blieb nichts anderes übrig, als den Fortschritt der Umgestaltung persön lich zu inspizieren – oder in diesem Fall eben das Stocken der Bemühungen. Zu mal die Gesamtlage auf diesem Planeten immer angespannter wurde und niemand mehr Entscheidungen traf, ohne sich bei der übergeordneten Instanz abzusichern. Seit die Dron auf ihr Recht als eigent liche Besitzer des zu kultivierenden Landes pochten, hatte sich alles unnötig kompliziert. Dabei war alles seit vielen Jahren in den Großen Verträgen genau estens geregelt. Die Hasproner besaßen das Land in Erbpacht, und nirgends existierte eine Klausel, die sie daran hinderte, alles ein wenig wohnlicher zu gestalten. Schahid-Felah hatte anfangs großes Verständnis für die Echsenabkömmlinge gezeigt, war offen auf sie zugegangen und hatte tagelang fruchtlose Gespräche geführt. Und was hatte es genutzt? Nichts! Natürlich nicht. Der Verstand der Dron war so starr wie ihre Schuppen haut, ihr Horizont so beschränkt wie die Abwechslung auf diesem Planeten. Scha hid-Felah selbst hatte in seine Berichte geschrieben, dass die Dron nur zwei cha rakterliche Eigenschaften besaßen: Stur heit – und Sturheit. Wenn da nicht der Fund gewesen wä re, Schahid-Felah hätte längst die Emp fehlung ausgesprochen, Mawego trotz der idealen Bedingungen für die CadayuPflanze aufzugeben. Manchmal wünschte er, er hätte es dennoch getan. Alle Gedanken in dieser Hinsicht wa ren allerdings müßig; es war längst zu spät. Er selbst hatte den Fund gemeldet, wie es seine Pflicht gewesen war, und die Dinge hatten ihren Lauf genommen. Wo und wie eine undichte Stelle die Information auch zu den Dron hatte durchsickern lassen, wusste der Han
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delsbeauftragte nicht – die Verantwor tung für das gigantische Gebilde unter dem Wüstensand hatte er ohnehin längst an die Militärs abgegeben. Eine Sorge weniger. Eine auf einer allzu langen Liste. Der Gleiter erreichte den Rand der ersten Wüstendüne. Schahid-Felah stoppte, landete und gab dem Piloten den Befehl, die Ausstiegsluke zu öffnen. Mit einem Satz sprang er ins Freie. Es tat gut, sich ausstrecken und auf beiden Hufen stehen zu können. Er spürte den heißen Sand unter dem Horn und die drückende Hitze, wie sie durch sein Fell in die Haut biss. Sandkörner, aufgewirbelt durch den Gleiter, gerieten ihm in die Nase. Er nies te und schüttelte sich. Dieser Planet hat te ihm seine gute Laune geraubt. Bis vor Kurzem hatte sein größtes Pro blem darin bestanden, dass ihn seine Un tergebenen hinter vorgehaltener Hand Schuba nannten, statt seinen ehrenvollen Namen Schahid-Felah Arom-Neb-Luba Basba VI. vollständig auszusprechen. Dass er darauf bestand, hatte er eher als eine Art Scherz angesehen. Ein Vorge setzter brauchte seine Marotten, davon war er zutiefst überzeugt. Wenn er noch lange auf diesem Planeten bleiben muss te, würde diese Marotte aus verbitterter Griesgrämigkeit bestehen. Hinter ihm erstreckte sich auf einigen Kilometern morastiges Sumpfgebiet, das vor mehr als fünf Jahren angelegt wor den war, ehe die Umformung an anderer Stelle weitergeführt worden war. Im Übergangsgebiet vertrocknete die herr lich braune Erde längst wieder; spröde Risse zogen sich durch den Boden. Heiße Winde zehrten die Erde aus und vertrie ben sämtliche Insekten, die es vorzogen, ihre Brut in feuchteren Gebieten abzule gen. Der ewige Kreislauf. Vor dem Handelsbeauftragten lagen, so weit das Auge reichte, sandige Wüs tendünen. An den Anblick des ewigen, schmutzigen Gelbs würde er sich nie so recht gewöhnen. Sein Blick fand keinen Ankerpunkt; ihm wurde schwindlig. Lakusch-Zoham Tremal-Nu-Eztet Ku-
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las kam aus Richtung der Dünen auf ihn zu. Schahid-Felah war ihm bislang nicht begegnet, kannte aber sein Dossier bis in die letzten Einzelheiten. Ein Hasproner vergaß nie etwas, was er einmal gesehen hatte. In Hinblick auf die langwierigen, ermüdenden Gespräche mit den Dron konnte ihr eidetisches Gedächtnis manch mal ein einziger Gräuel sein. Schweiß lief über Lakusch-Zohams rötliches Gesicht und sammelte sich an den Wurzeln der beiden stark ausgebil deten beigebraunen Knochenkämme, die von den Dron gerne als Hörner bezeich net wurden. Schahid-Felah musste nur daran den ken, um wieder den alten Ärger in sich aufsteigen zu fühlen. Hörner! Welche Be leidigung! Die reptiloiden Widerlinge bezeichne ten die Hasproner als eine Mischung aus Terranern und Cavans, was unzutref fender kaum sein konnte. Weder hatte der haspronische humanoide Oberkörper etwas mit Terranern zu tun, noch glich ihr behaarter Unterleib dem eines der auf Mawego heimischen Reittiere. Manchmal wünschte er sich, er könne einem der im Orbit stationierten Kriegs schiffe den Befehl zum Angriff geben. Sollte doch diese ganze Welt im Krieg ver sinken, wie es nach einer unprovozierten Attacke zweifellos geschehen würde. Aber natürlich war ein solches Szena rio undenkbar. Nicht nur, dass SchahidFelah danach nie wieder als Handelsbe auftragter irgendeine Welt betreten dürfte, sondern augenblicklich seines Amtes enthoben werden würde – und ein Krieg würde überdies das Galaktikum und die USO auf den Plan rufen. Wenn jedoch die USO und das Galak tikum erst einmal von dem Fund er fuhren, würden sie Anspruch darauf er heben. Damit wäre das gewaltige Artefakt endgültig für die Hasproner verloren. Dann wäre es sogar besser, die Entde ckung mit den Dron zu teilen. Er verzog das Gesicht. Der bloße Ge danke schmerzte. »Ich danke dir für dein Kommen«, be grüßte ihn Lakusch-Zoham. »In meiner
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Eigenschaft als oberster Aufseher über das Hasproforming dieser Region möchte ich ...« »Lass die Förmlichkeiten!«, befahl Schahid-Felah. »Und wag es nicht, mich Schuba zu nennen.« Die Hufe seines Gegenübers rieben im Sand. »Es käme mir nie in den Sinn, Handelsbeauftragter.« »Hervorragend. Weswegen also hast du mich gerufen?« Das hellbraune, zottelige Fell klebte am Schädel des Aufsehers. »Wie dir wohl aufgefallen sein dürfte, habe ich die not wendigen Maschinen noch nicht vor Ort beordert.« Eine Tatsache, die man wohl kaum übersehen kann. Offenbar hatte er es mit einem Narren zu tun, der nur aufgrund guter Beziehungen diesen verantwor tungsvollen Posten einnahm. »Ich glaubte schon, du hättest sie in deiner Tasche versteckt«, sagte er ätzend. Das Scharren der Hufe beschleunigte sich, ein deutliches Anzeichen für die ex treme Nervosität seines Gegenübers. »Es gibt leider Schwierigkeiten, Handelsbe auftragter. Das Land hinter diesen Dü nen gehört einem alten Dron namens Rigutt Salm. Er hat Klage wegen Haus friedensbruch eingereicht und ...« »Ihm gehört gar nichts«, unterbrach Schahid-Felah barsch. »Er mag der Be sitzer sein, aber die gesamte Region ge hört dank des Erbpachtvertrages den Haspronern. Er kann uns die Umformung nicht verbieten, weil die Großen Verträge eine ganz klare Rechtslage schaffen.« »Er sieht es wohl anders, und im Sinne der allgemein angespannten Situation wäre ein Beitrag zur besseren Völkerver ständigung ...« Wieder ließ Schahid-Felah den anderen nicht ausreden. Wieso auch? Er hatte schon im Vorfeld gewusst, welche soge nannten Argumente der Aufseher vor bringen würde. Jedes einzelne Wort dieser Konversation hatte der Handelsbeauf tragte längst mehrfach in Gedanken durchgespielt. »Völkerverständigung? Mit den Dron?« Damit war für ihn alles Notwendige ge
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sagt. »Bring sofort die Maschinen hier her! Jede Stunde, in der die Arbeit stockt, ist eine Stunde, in der keine CadayuPflanze im Morast wächst!« »Aber ...« »Willst du abgelöst werden? Das ist kein Problem. Für dich gibt es sicher ei nen Platz als einfacher Soldat in einem der Kriegsraumer im Orbit. Es kostet mich nur einen einzigen Anruf, dir die sen kleinen Gefallen zu tun. Du musst nämlich wissen, dass die Dron ihre Kriegskasse auf viele Arten füllen. Ir gendwie müssen wir da mithalten, indem wir unser Heer ebenfalls vergrößern.« Wie nicht anders erwartet, resignierte Lakusch-Zoham. »Ich gebe den Arbeitern Bescheid.« * Der Funke des Kriegs schwebte über der durch Misstrauen und Neid ausge trockneten Welt. Nicht mehr lange, und er würde sich herabsenken und zu einem Feuer führen, das das ganze System erfassen würde. Das Lied der trockenen Erde, das die Dron sangen, vermischte sich mit dem Rhythmus der Feuchtigkeit und des Re gens, nach dem die Hasproner tanzten. Ist es nicht immer so, dass alle bedeu tenden welt- oder sogar galaxienerschüt ternden Ereignisse mit einer einzigen, unscheinbaren Entscheidung beginnen? Der Wächter Farganu des alten Haspro beschloss, nur kurz die Augen zu schlie ßen, und der Tempel der Ewigkeit wurde gestürmt. Der erste Dron legte sein Federkleid ab, das ihn durchs All getragen hatte, und tauchte in den Wüstensand, wo ihm die Hornschuppenhaut wuchs. Die Lotterie der Sternenmächte legte die Zahl der Haluter auf 100.000 fest, ein Ideal, dem dieses Volk aus mächtigen Wesen seither nachstrebt. Weil ihm die Hände schmerzten, erhob sich der Ur-Cheborparner auf die Hinter beine und ließ sich nach unten gebogene Hörner wachsen, um das Haupt wieder dem Boden zuzuneigen.
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Eva aß eine verbotene Frucht und wur de des Gartens Eden verwiesen. Ihr mögt nun einwenden, das alles seien Legenden, bloße Geschichten. Ich sage jedoch, dass sie mehr Wahrheit in sich tragen, als ihr euch vorstellen könnt. Eine Geschichte, meine Kleinen, ist oh nehin auf ihre Art von einer wichtigeren Wahrheit geprägt, als ihr glaubt. Aber bleiben wir nur bei historisch verbürgten Fakten. Aus welcher Welt stammte mein letztes Beispiel? Ach ja, Terra. Schauen wir dort in die Historie. Perry Rhodan entschied sich, die Ant wort auf die Dritte Ultimate Frage am Berg der Schöpfung nicht aufzunehmen. Was wäre wohl geschehen, hätte er sie gehört und den Kosmokraten zugetra gen, wie es dem Wunsch der Hohen Mächte entsprach? Und wo wir gerade von den Kosmo kraten sprechen: Was, wenn sie den hyper physikalischen Widerstand nie angehoben hätten und das »Leben an sich« nicht ein zuschränken in seiner Entwicklung? Oder was, wenn eine Superintelligenz zu dem Entschluss käme, es sei besser, sich weder der Ordnung noch dem Chaos zuzuwenden? Ich weiß nicht, ob ihr versteht, was ich meine, ihr lieben Kleinen. Aber wir brauchen gar nicht in solch großen Maßstäben zu denken. Was, wenn ihr euch entschieden hättet, nie meine Aufzeichnungen zu lesen? Ihr würdet nicht die Gedanken hegen, die euch ge rade durch den Kopf gehen. Würdet nicht wissen, was euer Vater euch mitteilen will. Also könnten meine Worte auch nicht euer weiteres Leben beeinflussen. Und ihr hättet nie erfahren, was damals auf Mawego wirklich geschah. Aus den Aufzeichnungen eines Dron 3. Drohung Oberst Senego Trainz hatte sich für ein kleines Einsatzteam entschieden. Das genügte, um unauffällige Ermitt
lungen auf dem Planeten anzustellen. In der USO-Dunkelkapsel hielten sich neben ihm selbst sein Stellvertreter Do ray Celvius und Khiz Turagga auf, der Spezialist für die medizinische Behand lung der Mikro-Bestien. Da Khiz nicht nur der einzige Bestien-Mediker, sondern auch ein herausragender Agent im Rang eines Oberst war, war die logische Wahl des dritten Mitglieds für das Team auf ihn gefallen. Die Dunkelkapsel maß etwa sieben Meter in der Länge und besaß eine ovale Grundform. Für sie zu dritt bot sie mehr als ausreichend Platz; sogar die dreifache Anzahl hätte in ihr nach Mawego vorsto ßen können. Das supratronische Feldtriebwerk brachte sie nach der geheimen Aus schleusung in nur dreieinhalb Minuten an ihr Ziel. Schon tauchte das kleine Fluggefährt, das vor einer zufälligen Or tung nahezu perfekt getarnt war, in die Atmosphärehülle des Planeten. Senego Trainz nutzte die Gelegenheit, das Einsatzziel ein weiteres Mal zu er läutern: »Wir beobachten und halten uns im Verborgenen. Nach Möglichkeit wird niemand auf dem Planeten bemerken, dass wir hier waren. Wenn es auf Ma wego einen verborgenen Polyport-Hof gibt, werden wir ihn ausfindig machen, Bildmaterial anfertigen und zur PETRA LONA weiterleiten. Ronald Tekener steht bereit und wird alles Weitere ver anlassen.« »Was, wenn wir den Hof besetzt vor finden?«, fragte Khiz Turagga. »Eine Eroberung mit Gewalt steht nicht zur Debatte. Weder die Dron noch die Hasproner gehören zu unseren Fein den. Sie sind Mitglieder des Galaktikums und werden damit, wie diese auch, von der USO geschützt.« Die Worte stießen Trainz selbst bitter auf. Klangen sie nicht genau wie die, für die er vor Kurzem Ronald Tekener insge heim getadelt hatte? Mit einem Mal glaubte er zu verstehen, was in seinem Vorgesetzten vorgegangen war. Manch mal musste man nur die Seiten wechseln, um eine neue Perspektive zu gewinnen.
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Die Bordpositronik meldete, dass die Dunkelkapsel bereits durch die untere Atmosphäre raste und gemäß der Pro grammierung automatisch nach einem Landeplatz in einsamer Gegend suchte. Doray Celvius ließ sich auf den Pilo tensitz im Zentrum eines der drei Hufei senpulte in der kleinen Zentrale fallen und übernahm die Steuerung, um die au tomatische Suche mit seinem Geschick zu ergänzen. Er gab den Befehl, die ak tuellen Orterbilder der Umgebung zu projizieren. Es dauerte nur Sekunden, bis er fand, wonach er suchte. »Ich gehe in einem der Wüstengebiete nieder, rund zweihundert Kilometer von der nächsten größeren Ansiedlung entfernt.« Wie immer klang seine Stimme ble chern. Mit geradezu traumwandlerischer Si cherheit landete sein Stellvertreter die Dunkelkapsel. Als Erster verließ Celvius das kleine Fluggefährt über die vierzig Zentimeter lange Rampe. Die Strahlen der Sonne brachten seine rötlich marmo rierte Schädelhaut zum Glänzen. Senego Trainz folgte unmittelbar. Die drei Mikro-Bestien standen wenig später im Wüstensand, in den sie bis über die Hälfte der stämmigen Beine einsanken. Extreme Hitze ging von ihm aus – nichts, was eine Mikro-Bestie beeinträchtigen könnte. Trainz warf einen letzten Blick zurück zur Dunkelkapsel. Er war die Wirkung der scheinbar glatten schwarzen Oberflä che gewohnt, die beim genaueren Hinse hen in Fraktale zerfiel und für ungeübte Augen einen unwirklichen Anblick bot. Im nächsten Augenblick verschwand die Kapsel; das Tarnfeld war wieder ak tiviert. Ein zusätzlicher Schutzschirm würde zuverlässig verhindern, dass ir gendjemand außer den Mikro-Bestien selbst nach einer zufälligen Entdeckung die Dunkelkapsel betreten oder sich dar an zu schaffen machen konnte. Er aktivierte das Flugaggregat seines Kampfanzugs und gleichzeitig den De flektorschirm. »Wir fliegen zunächst zum Rand der nächsten Ansiedlung.«
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Etwa zweihundert Kilometer Flug la gen vor ihnen; eine Strecke, für die sie nur wenige Minuten benötigen würden. Er gab ein moderates Tempo vor und durchdachte unterwegs ein weiteres Mal die vorliegenden Fakten. Unabhängig davon, ob sich auf Ma wego tatsächlich einer der mysteriösen Polyport-Höfe befand, ging auf diesem Planeten etwas vor. Warum sonst sollten sich Dron und Hasproner mit ihren Schiffen belagern und ständig weitere Ressourcen zusammenziehen? Dafür, dass sie nicht ausfochten, was es auszufechten gab, konnte es nach Trainz’ Meinung nur einen einzigen Grund geben: Beide Parteien wollten den Grund ihres Zwistes geheim halten. Insofern war es nur allzu verständlich, dass der PETRALONA keine Landeer laubnis erteilt worden war. Trainz be zweifelte allerdings nicht, dass Tekener früher oder später dennoch landen wür de, nachdem er schon dem Einsatzteam mit einem simplen Trick Zutritt ver schafft hatte. »Wir konzentrieren uns auf Hinweise darauf, was die Bewohner dieses Pla neten verbergen wollen«, instruierte er seine Begleiter. »Auffälligkeiten in grö ßerem Maßstab, ungewöhnliche Trup penbewegungen, speziell gesicherte For schungsstätten und Ähnliches. Wenn es tatsächlich einen Hof gibt, wird er wohl mit allen zur Verfügung stehenden Mit teln untersucht werden. Ob von den Dron, den Haspronern oder tatsächlich von beiden Völkern, wird sich dann zei gen.« »Dort vorne«, meldete sich sein Stell vertreter zu Wort. Trainz bemerkte im selben Augen blick, worauf Doray Celvius anspielte. Eine Geschützbatterie schwebte auf An tigravfeldern in geradezu gemächlichem Tempo über den Wüstensand, flankiert von sechs kleineren Gleitern. Die Mikro-Bestie führte eine rasche Ortung durch. Es handelte sich um haspronische Modelle, die je vier Solda ten Platz boten. Rasch wägte Trainz die Möglichkeiten
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ab. Sollte er diese zufällige Begegnung ignorieren oder zu einer ersten Erkun dung nutzen? Er entschied sich für die zweite Möglichkeit. »Annähern und landen«, rief er über Funk. »Verschaffen wir uns einen ersten Eindruck von diesem kalten Krieg.« * Zufrieden wartete Tekener ab. Senego Trainz und dessen Team waren inzwi schen zweifellos längst auf Mawego im Einsatz; nichts deutete darauf hin, dass die Mikro-Bestien in ihrer Dunkelkapsel entdeckt worden waren. Sie würden sich auf einer nahezu per fekt abgeschirmten Geheimfrequenz melden, sobald sie den verborgenen Po lyport-Hof entdeckt hatten – falls dieser überhaupt existierte. Noch basierte die Annahme, dass der Konflikt zwischen Dron und Haspronern letztlich wegen des Funds dieses Hofes auf Mawego entstanden war, auf reiner Spekulation. Irgendwo im Reich der Dron musste es allerdings einen solchen Hof geben; zumindest schien der Con troller der Klasse A, der erst den TRAI TOR-Marodeuren und dann Tek in die Hände gefallen war, dies zu beweisen. Ebenso war ein Notruf-Kode verein bart, falls die Mikro-Bestien in Schwie rigkeiten gerieten. In einem solchen Fall würde Tek die PETRALONA landen las sen, ohne auf Genehmigungen und Ähn liches zu achten. Momentan eilte er durch einen fast menschenleeren Korridor. Weil in der Zentrale der PETRALONA seine Anwe senheit jetzt nicht erforderlich war, hat te er beschlossen, seine speziellen Gäste an Bord aufzusuchen. Ob sich die Anwesenheit der beiden Mor’Daer und des Ganschkaren tatsäch lich als hilfreich erweisen würde, stand derzeit in den Sternen; Tekener hatte sie eher aus einem Bauchgefühl heraus mit in dieses Sonnensystem genommen. Auf Adeksion hatte die USO einen Stützpunkt der TRAITOR-Marodeure gestürmt, wo der Smiler den Controller
erbeutet hatte. Dieser wies die Spur nach Mawego und legte nahe, dass sich dort ein Polyport-Hof befand. Die sogenannten TRAITOR-Maro deure bildeten ein nicht zu vernachlässi gendes Problem innerhalb der Milch straße. Es handelte sich um von der abziehenden Terminalen Kolonne vor über hundert Jahren zurückgelassene Angehörige TRAITORS und deren Nach kommen, die sich in einem Bund zusam mengeschlossen hatten; diese Geächteten der Galaxis operierten von geheimen Stützpunktwelten aus und brachen im mer wieder zu Raubzügen auf. Neben den gut organisierten Maro deuren gab es allerdings überall in der Galaxis auch versprengte Zurückgelas sene, die auf einzelnen Welten Asyl er halten hatten. Die USO versuchte diese Versprengten aus zwei Gründen zu finden und in Ge wahrsam zu nehmen: Einerseits sollten sie sich nicht den Marodeuren anschlie ßen, andererseits durften sie nicht den TRAITOR-Jägern zum Opfer fallen, ei ner Gruppe von Extremisten, die die Überlebenden der ehemaligen Feindvöl ker gnadenlos töteten. Die Gesamtsituation war alles andere als einfach. Tekener selbst wusste nicht, wie er sie klären sollte. Er hatte einst in Hangay gemeinsam mit Dao-Lin H’ay in einer vergleichbaren Situation gewirkt. Es war dabei unter anderem um die Hauri gegangen, ehemals Diener des Hexameron und Feinde aller anderen Völker der riesigen Galaxis. Es war schwierig gewesen, Verständnis für die jeweils anderen zu wecken. Erschwert wurde dies dadurch, dass man keines wegs Völker überzeugen musste, sondern Individuen. Mit den von TRAITOR Zurückgelas senen verhielt es sich ähnlich. Bildeten sie eine Gefahr für Leib und Leben der Milchstraßenbewohner? Waren sie per se Feinde, nur, weil sie einem der Völker angehörten, die sich einst zur Terminalen Kolonne zählten? Viele der heute Lebenden hatten nie mals zu TRAITOR gehört, sondern waren
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Nachgeborene der zweiten oder dritten Generation. Durfte man sie dafür ver antwortlich machen, was ihre Vorfahren gewesen waren oder getan hatten? Nicht wenige Galaktiker argwöhnten, dass alle Kolonnenvölker automatisch auf der Seite der Chaosmächte zurück kehren würden, sollte TRAITOR erneut in Erscheinung treten; sie hielten sie für eine gefährliche Fünfte Kolonne. Nur die Zeit und ständiges tätiges Bei spiel sowie permanentes Verhandeln würden zur Klärung führen, so steinig dieser Weg auch sein mochte. Noch gab es keine Lösung. Ronald Tekener war erfreut gewesen, als sich ein Überläufer der Marodeure an die USO gewandt hatte, um Amnestie für die Zurückgelassenen zu erwirken, ein schließlich der Marodeure. Dieser Über läufer, ein Koda Aratier, hatte sehr ver nünftig geklungen, aber seine Ansicht stand leider nicht stellvertretend für die aller anderen. Eine Generalamnestie hielt Tekener, zumindest momentan, für undenkbar. Kein Gremium in dieser Galaxie würde sich dafür aussprechen. Und was die auf vielen Welten Versprengten anging, die meist heimlich unter der Bevölkerung lebten, von einzelnen Bewohnern ge deckt und beschützt, so stand wohl in jedem einzelnen Fall eine eigene Beurtei lung an. Wie im Fall der beiden Mor’Daer und des Ganschkaren, die Tek mithilfe der Mi kro-Bestien auf dem Planeten Zorbar II vor einer Attacke der TRAITOR-Jäger ge rettet hatte. Seitdem befanden sie sich unter dem Schutz der USO, niemand au ßerhalb wusste von ihrer Existenz. Monkey, der Lordadmiral der USO, hatte Tek freie Hand im Umgang mit ih nen gelassen. Der Smiler hatte sie an Bord der PETRALONA bringen lassen, weil er befürchtete, dass auch die Maro deure früher oder später auf Mawego auftauchten – immerhin wussten sie, dass ihnen mit dem Controller ein wert volles Artefakt in die Hände gefallen war. Da sie es von einer Dron-Handelska
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rawane erbeutet hatten, würde auch für sie die Spur in dieses Sonnensystem wei sen, selbst wenn sie von der Existenz des Polyport-Netzes nichts ahnten. Stellte sich nur die Frage, ob sie dieser Spur nachgehen oder sich lieber um ihre eige nen Belange kümmern wollten. Ein Techniker kam ihm entgegen; Tek grüßte beiläufig. Schon von fern sah er die beiden Wächter, die auf breiten Me tallstühlen an einem winzigen Tisch sa ßen und Karten spielten. Als Tek sich näherte, rafften sie die Karten zwar zusammen, wohl, um nicht den Eindruck zu erwecken, ihre Pflicht zu vernachlässigen, aber Teks geschultes Auge erkannte dennoch, womit sie sich die Zeit vertrieben hatten. »Gobi«, sagte er lässig. »Ein faszinie rendes Spiel. Durchschaubar, wenn man den Dreh einmal raus hat, aber durchaus kurzweilig.« Einer der beiden räusperte sich. »Ja ... wir ...« Tek sah keinen Grund, weshalb die beiden dauerhaft mit der Waffe im An schlag auf die Tür zielen müssten. Die drei Geretteten hatten nicht den Ein druck erweckt, besonders gefährlich zu sein; aber es waren Fremde, und er konn te sie nicht frei in der PETRALONA her umspazieren lassen. Er hatte versucht, ihnen das klarzu machen, und zumindest die Mor’Daer schienen seine Begründung nachvollzie hen zu können. Im Gegensatz zu dem Ganschkaren. »Ich gehe rein«, kündigte Tekener an. Die beiden Wachtposten bestätigten. Die beiden Mor’Daer, die Schlangen mit Menschenkörpern und überbreiten Schultern erinnerten, standen in der Mitte des wohnlich eingerichteten Raums. Ihre Gesichter waren von dem Eingang abgewandt und sahen eine ter ranische Trivid-Serie pseudodokumen tarischen Charakters, die in der Bord bibliothek abgelegt war. Der Ganschkare hingegen, ein Orni thoide, musterte den Neuankömmling interessiert. Eine Datenbrille trug er nicht, was ihn ein wenig fremdartig aus
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sehen ließ, so sehr war man an die op tische Einheit von Vogelkopf und Brille gewöhnt. »Wir haben hohen Besuch.« Der Ganschkare sprach akzentfreies Inter kosmo; sein Schnabel unterlegte die Worte mit einem rhythmischen Klap pern. Nun drehten sich auch die Mor’Daer um. Bei beiden hingen lange, dichte Haare über den spitz zulaufenden Schä del. Tek hatte nie gelernt, die Mimik die ser Wesen zu deuten – nach seiner Erfah rung deuteten die weit geöffneten Augen und das leichte Spitzen des Mundes al lerdings auf freudige Erregung hin. »Wir danken dir«, sagte der größere der beiden Schlangenköpfigen, dessen Kleidung weit weniger verschmutzt war als die des anderen. Über das Gesicht zog sich eine breite Narbe, vom Auge ausge hend über die schmalen Atemöffnungen bis zum Mund. »Ohne deinen Einsatz wären wir auf Zorbar II gestorben. Gleichzeitig bedauern wir zutiefst die Zerstörung, die wir über die Siedlung gebracht haben, in der man uns seit so vielen Jahren Asyl gewährt hat. Genauer gesagt, seit unserer Geburt. Unsere Er zeuger sind schon lange tot.« »Es wurde höchste Zeit, mit euch zu sprechen.« Die letzten Worte wirkten noch in Tekener nach – sie klangen so gar nicht nach dem Klischeebild, das in der Galaxis von den Mor’Daer verbreitet war. »Eigentlich hätte ich euch längst auf eine der geheimen Welten bringen lassen müs sen, wo ihr in Frieden leben könnt ...« »Du meinst: auf die ihr unseresglei chen abschiebt!«, korrigierte der Gansch kare ungnädig. Er saß auf einem Stuhl, die Arme auf den Lehnen abgelegt. Die Hautlappen der rudimentären Flügel hingen zu beiden Seiten hinab. Vor ihm auf dem Boden lag eine Feder, die sich offenbar von seinem Körper gelöst hatte. »Oder gefällt dir dieses Wort nicht, Ro nald Tekener, Stellvertretender Lordad miral der USO?« »Ich sehe, du weißt, wer ich bin.« Tek blieb gelassen. »Das, was du als abschie ben bezeichnest, dient zuvorderst der
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Sicherheit. Der Sicherheit der Galaxie ebenso wie eurer eigenen.« »Also gelten wir als Verbrecher, ob wohl wir nie etwas getan haben, das ge gen irgendein Gesetz eures teuren Ga laktikums wäre? Frag die Bewohner von Zorbas II, bei denen wir lebten. Sie ken nen uns besser als irgendjemand sonst. Und sie schützten uns nicht ohne Grund.« Tek erkannte überdeutlich die Bitter keit, die aus den Worten sprach. »Mir ist das Problem durchaus bewusst, und ich bin nicht euer Feind. Ich bin sogar nichts weniger als das.« »Er hat uns vor den Jägern gerettet«, betonte der Mor’Daer. »Und wir sollten ihm zumindest zuhören.« »Es bleibt uns wohl kaum etwas ande res übrig«, stieß der Ornithoide ätzend hervor. Ein Signal meldete Tek, dass jemand versuchte, ihn über den Armbandkom munikator zu erreichen. Ein beiläufiger Blick ergab, dass es sich um den Dron handelte, der ihm die Landeerlaubnis verweigert hatte. Er sollte nur warten, Tek würde sich beizeiten bei ihm mel den. »Ich möchte euch nur erklären, wes halb wir hier sind. Wir befinden uns im Orbit des Planeten Mawego«, sagte er. »Bei einer Aktion gegen einen Stütz punkt der TRAITOR-Marodeure er oberten wir etwas, das mutmaßlich von diesem Planeten stammt.« Er setzte die drei lückenlos ins Bild, soweit es möglich war, ohne in Bezug auf den Polyport-Hof allzu deutlich zu wer den; er sprach lediglich unbestimmt von einer Hinterlassenschaft. »Ich weiß, dass es mir nicht zusteht, etwas von euch zu erbitten ...«, begann er. »Sehr richtig!«, klapperte der Gansch kare. Einer der Mor’Daer – der Kleinere – brachte ihn mit einem Schlag auf den ver längerten Rücken zum Schweigen. »Er hat jedes Recht. Er hat uns gerettet.« »Und er bittet uns«, ergänzte der grö ßere Mor’Daer.
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Tek atmete erleichtert aus. »Es ist auch nur eine Option für den Fall der Fälle«, sagte er hastig. »Falls sich die TRAITORMarodeure einmischen ...« »Du brauchst uns als Lockvögel«, sagte der Ganschkare und klang verbit tert. »Gegen solche, die uns ähneln und die von euch verfolgt werden. Ihr ver folgt unsere Völker und wir sollen euch dabei helfen.« »Ganz so ist es nicht«, schränkte Te kener ein. »Die TRAITOR-Marodeure sind Verbrecher, und nur als solche ver folge ich sie. So, wie ich alle Verbrecher zur Strecke bringen werde, die den Frie den unserer Milchstraße stören.« Der größere Mor’Daer trat vor. »Alle kennen deinen Namen, Ronald Tekener. Du bist ein Unsterblicher und die Gala xis, in der wir geboren wurden, ist auch deine Heimat. Wir werden dir helfen, sie zu bewahren und zu schützen. Mich ver bindet nichts mit den Marodeuren. Nur weil sie teilweise meinem Volk entstam men, bedeutet das nicht, ich würde mich mit ihrem Tun oder ihren Zielen identi fizieren. Ich bin vor 69 Jahren geboren worden. Meine Erzeuger starben so früh, dass ich mich nicht an sie erinnern kann. Ich weiß jedoch, wer mich auf Zorbar II großgezogen hat. Wenn ich mich jeman dem zugehörig fühle, dann den Bewoh nern dieses Planeten. Sie waren freund lich zu mir und haben mich gelehrt, was richtig und was falsch ist.« »Mich ebenso«, bestätigte der zweite Mor’Daer. »Der Terminalen Kolonne TRAITOR sind wir nie begegnet. Wir ge hören nicht zu ihr. Wir haben nichts mit ihr zu schaffen.« »Ihr seht, was ihr davon habt und wie uns in dieser Galaxis begegnet wird«, wandte der Ganschkare ein. »Für sie sind wir die Bösen, weil wir so aussehen, wie wir aussehen. Ich für meinen Teil sehe keinen Grund, dieses Vorurteil, das sie ohnehin hegen, nicht zu bestätigen.« Entweder sind sie alle drei gute Schau spieler, dachte Tek, oder man kann ihnen mangelnde Ehrlichkeit nun wirklich nicht zum Vorwurf machen. »Ich habe eine bessere Idee als den Kö
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der für Marodeure zu spielen, die wo möglich nicht kommen werden. – Du hast uns von dem Konflikt der beiden Völker auf diesem Planeten berichtet«, sagte der erste Mor’Daer. »Dron und Hasproner. Offenbar mangelt es zwi schen ihnen an Verständigung. Wenn du es zulässt, können wir dir helfen.« 4. Sand und Schlamm,
Blut und Erde
Rigutt Salm umklammerte die Waffe und wartete ab. Er war zufrieden. Zumindest über die Verteilung seiner Bodenminen. An der Gesamtsituation hatte sich auch in der letzten Stunde nichts geändert, und so würde es wohl bis zum bitteren Eklat bleiben. Er war zu allem bereit. Bereit zu kämpfen, zu siegen oder zu sterben. Einer musste Widerstand leis ten! Einer musste sich erheben gegen die Ungerechtigkeit! Je länger er im Wüstensand saß, sich an den Strahlen der Sonne und dem Ge schmack der kleinen Körner erfreute, die der Wind in seinen halb geöffneten Mund trieb – je länger er das Leben einfach ge noss, umso deutlicher formte sich eine Gestalt vor seinem inneren Auge: Die oberste Hornschicht glänzte blass braun, viel heller als bei jedem anderen Dron, den Rigutt im Verlauf seines lan gen Lebens gesehen hatte. Durch ihre Krankheit verlor diese Dron am Tag mehr als zwanzig Hornschuppen, aber sie wuchsen in verblüffender Geschwin digkeit nach. Der kleine genetische De fekt verlieh den Augen nicht die übliche grüngelbe Farbe, sondern ließ sie rund um die fast kreisrunde tiefschwarze Pu pille braun schimmern, von silbrig-grau en Sprenkeln durchsetzt. Karra, sein Jungweib ... sie war tat sächlich einzigartig. Sie nur zu sehen, eine Freude. In dieser Situation an sie zu denken, eine Qual. Von Atemzug zu Atemzug vermisste er
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sie mehr, und je mehr sie ihm fehlte, des to stärker wurde das Verlangen, die Bo denminen wieder einzusammeln, das Waffenarsenal zu verschließen und sein Zuhause aufzusuchen. Aber das durfte er nicht! Der Gerechtigkeit musste Genüge ge tan, den Haspronern ihre Grenzen auf gezeigt werden! Was bildeten sich diese Faune eigentlich ein? Sie kamen auf sein Land und wollten es in eine wider wärtige Schlammlandschaft verwan deln? Er hatte sie nie gemocht. Von Anfang an nicht. Sie waren kleine, schwächliche Gecken, und die meckernde Sprechweise spottete jeder Beschreibung. Das war ei ner denkenden, intelligenten Kreatur einfach nicht würdig. Den ganzen Tag saßen sie vor Positro nik-Terminals und kamen ihm manch mal selbst wie lebende Positroniken vor, wie unnatürliche Mischwesen, so sehr waren sie mit ihrer Technologie verbun den. Natürlich hatte Rigutt Salm nie aktiv etwas gegen die Hasproner unternom men. Sie hatten ihre guten Seiten, das musste er ihnen widerwillig zugestehen. Beispielsweise zahlten sie für die Erb pacht eine Menge Geld, was für einen nicht unbeträchtlichen Wohlstand der Dron auf Mawego sorgte. Auch Rigutt selbst hatte eine gewal tige Summe erhalten; und er wollte sich nichts vormachen: Wer wusste schon, ob Karra ausgerechnet ihn ausgewählt hät te, wenn er nicht reich gewesen wäre? Liebe war schließlich nur die eine Sa che, und selbst am Ende seines Lebens wusste Rigutt nicht, ob er überhaupt an eine Emotion wie diese glauben sollte. Wenn es sich überhaupt um eine Emotion handelte und nicht um ein Gemisch aus zahllosen Faktoren, von denen Geld nur einer war. Vielleicht einer der bedeu tenderen, aber dennoch nicht der ent scheidende. Aber Vermögen hin, Armut her – die Faune hatten einfach nicht das Recht, die natürliche Erscheinungsweise dieses Planeten zu vergewaltigen! Und schon
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gar nicht das Stückchen des Planeten, das eigentlich ihm gehörte, das man ihm zugesprochen hatte für seine Ver dienste als Soldat und für die Krank heit, die er infolgedessen erleiden muss te. Die Hasproner verschandelten diese Welt nicht nur, sie bedrohten die Exis tenz aller Dron auf ihr. Dabei befand sich Mawego länger im Besitz seines Volkes, als Rigutt Salm denken konnte. Sogar länger als die Zeit, in der sein Vater und dessen Vater ihren ersten Atemzug ge nommen hatten. Und nun kamen die Faune daher, fügten dem verschlammten Sand Humus und Bakterien hinzu und schufen aus der Herrlichkeit der Natur einen Sumpf, der so übel stank, dass sich kein anständiger Dron darin suhlen würde. Ein derartiges Vorgehen ließ er sich nicht länger gefallen! Er hatte bislang nichts unternommen, weil er an die Idee des Galaktikums geglaubt hatte. Alle Völker der Milchstraße waren Brüder ... Wie sehr ihn diese Phrasen anwiderten! Irgendwo hörte die Bruderschaft schließ lich auf. In diesem konkreten Fall war das ge nau in dem Moment geschehen, als die elenden Faune die Wüste bewässerten und sie in schlammige Seen verwandel ten. Damit verhöhnten sie nicht nur die Dron, sondern auch die Ewigen, die Ma wego so geschaffen hatten, wie es der Ordnung der Dinge entsprach. Und nicht zuletzt verhöhnten sie da mit ihn. Rigutt musste sich eingestehen, dass gerade das am allerschlimmsten war, auch wenn er sich im Grunde sei ner Seele für dieses Empfinden schämte. Immerhin brachte er den Mut auf, of fen dazu zu stehen. Anders als etwa die verlogenen selbstherrlichen Köpfe, die an der Spitze der Hierarchie standen und der Klage wegen Hausfriedens bruch, die ein kleiner Dron an sie rich tete, nicht die nötige Bedeutung zukom men ließen. Warum sollten sie schließlich darauf achten, ob das Leben eines Ri gutt Salm zerstört wurde oder nicht?
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Sie hatten ja offensichtlich Besseres zu tun. Sie würden aufmerken, wenn an die sem Tag die Sonne unterging. Die Minen waren gesetzt, die Waffe schussbereit. Alles würde so kommen, wie es kommen musste. Rigutt wusste genau, welche Konse quenzen sein Handeln nach sich ziehen würde. Er war lange genug Soldat gewe sen. Ein toter Hasproner, eine zerstörte Maschine ... das würde einen Gegen schlag der Faune nach sich ziehen. Und dieser wiederum eine Reaktion der Dron, die dann ebenfalls die Waffen sprechen lassen würden. Die Situation auf Mawego war so an gespannt, dass ein Funke genügte, alles zu entzünden. Rigutt hatte Sorge dafür getragen, dass es weitaus mehr als nur einen Funken gab. * Es würde noch etwa dreißig Minuten dauern, bis die Maschinen an die Arbeit gehen konnten. Schahid-Felah AromNeb-Luba Basba VI. war überzeugt da von, dass nun auch ohne ihn alles seinen Gang nehmen würde. Seine Anwesenheit in der Wüste war nicht mehr erforder lich. Ein letztes Mal schärfte er dem obers ten Aufseher Lakusch-Zoham ein, sich unter keinen Umständen von der Erfül lung seiner Aufgabe abhalten zu lassen, dann begab er sich auf den Weg zurück zu seinem Gleiter. Lange genug hatte er unter sengender Sonne in dieser elenden Sandwüste ge standen. Er sehnte sich nach der klima tisierten Kabine und vor allem danach, diesen elenden Sand aus seinem Fell zu spülen. Sollten andere die Drecksarbeit erledigen. Drecksarbeit. Schahid-Felah kam nicht umhin, diesen Gedanken amüsant zu finden. Die Dron würden das wahr scheinlich genauso beurteilen; in etlichen förmlich eingereichten Protestschreiben bezeichneten sie den Lebensschlamm als
Dreck. Ihnen fehlte jedes Verständnis für die feinere Lebensart. Unterentwickelt waren sie, plump und primitiv, wie von Echsenabkömmlingen ohnehin nicht anders zu erwarten. Sie lebten ihr heißkaltes Leben und verstan den nichts vom Wichtigeren. Dass einige von ihnen sogar unter besonderen Um ständen in Kältestarre verfielen, bewies, dass ihr Geist nicht in der Lage war, über den Körper zu triumphieren. Gerade stieg der Handelsbeauftragte in seinen Gleiter, als er aus dem Inneren auch schon einen Warnton vernahm. »Akustische Anzeige!«, rief er der Po sitronik zu. »Alarm beenden!« »Die automatischen Scans haben me tallische Ortungen im Wüstensand we nige Kilometer voraus ergeben«, ertönte die wohlmodulierte Stimmausgabe. »Verteilungsmuster, Größe und energe tische Signaturen lassen mit einer Wahrscheinlichkeit von mehr als 98 Prozent auf Waffentechnologie schlie ßen.« Schahid-Felah ließ sich ermattet in den Pilotensitz sinken. »Art der Waf fen?« »Bodenminen nach einfachem Verteil muster, ein gesammeltes Arsenal am Scheitelpunkt des Musters. Dort lagern neunzehn einzelne Handfeuerwaffen.« Warum? Warum nur? Nun würde er diesen Einsatz nicht wie geplant durch führen können. »Gesetzt den Fall, eine der Bodenminen würde explodieren. Wie groß ist die Wahrscheinlichkeit einer Kettenreaktion?« »Nicht gegeben. Ebenso wenig würde das Arsenal in Mitleidenschaft gezogen werden.« Also saßen wohl ein oder mehrere Dron wie eine tralotische Wespe sicher im Auge des Infernos. Dass sie dumm ge nug waren, davon auszugehen, dass ihre Minen nicht entdeckt wurden, über raschte Schahid-Felah nicht. Die Dron waren plumpe Kreaturen, die kaum wussten, was eine Positronik war und welche Möglichkeiten sie bot. Geschwei ge denn, dass sie in der Lage waren, po sitronisch zu denken. Schahid-Felah
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würde nie verstehen, wie sie überhaupt Raumfahrt entwickelt hatten. Er setzte eine Funknachricht an Lakusch-Zoham ab, dass mit dem Beginn der Arbeiten auf jeden Fall gewartet werden solle, bis er sich wieder bei ihm meldete. Danach betrachtete er die Orteranzei gen und entwickelte einen Plan. »Starten!«, befahl er und steuerte den Gleiter in Richtung des Waffenarsenals. Er überflog in wenigen Metern Höhe die Bodenminen und ließ sich eine Aufnah me des Gebiets anzeigen. Mit aller Deutlichkeit erkannte er, dass nur ein einziger Dron neben den ge bunkerten Schusswaffen stand. Für sich selbst nannte er ihn die Wespe und lan dete in weniger als hundert Metern Ent fernung hinter ihm. Kaum sprang er ins Freie, rannte die Wespe auf ihn zu, wie nicht anders zu er warten gewesen war. Das Einzige, mit dem Schahid-Felah nicht gerechnet hatte, war die Waffe, die auf seinen Kopf zielte. So wahnsinnig kann er doch nicht sein, dass er vollkommen unprovoziert feuert, dachte er noch. Dann gellte der Lärm des Schusses. * Ich sagte euch doch, dass es manchmal nur einer unbedachten Handlung bedarf, um eine Katastrophe auszulösen. Das mag euch schockieren, ihr lieben Klei nen, aber wenn man es genau betrachtet, muss diese Handlung nicht einmal unbe dacht, sondern kann sehr wohl überlegt sein. Manchmal entstammt sie einem bösar tigen Bewusstsein, manchmal ist derje nige auch zutiefst davon überzeugt, das Richtige zu tun. Zu anderen Zeiten wie derum geschieht es einfach nur aus purer Dummheit heraus. Oder es ist ein bloßer Zufall. Es gibt unendlich viele Möglich keiten. Aber schon mehr als einmal hat es ei nen Krieg gegeben, weil ein einziges Le bewesen starb.
So? Der Tod eines einzelnen Lebewe sen erscheint euch nicht banal genug? Ihr denkt, das passt nicht in meine Bei spielliste? Da habt ihr zwar recht, aber ihr solltet dennoch über den Unterschied zwischen einem und einer Milliarde Toten nachdenken. Das wollt ihr nicht? Euch wird übel, wenn ihr darüber nachdenkt? Nun, ich habe nie behauptet, dass es einfach für euch werden würde. Aber ihr habt euch nun einmal auf die Reise ein gelassen, die euch in meine Gedanken führt. Nun müsst ihr bis zum bitteren En de dabeibleiben. Was soll man also tun? Lieber ein Toter als eine Milliarde? Ist der Verlust eines Lebens zu verschmerzen, wenn dafür viele gerettet werden? Das habe ich nie gesagt. Ich habe euch nur einen Dankanstoß gegeben, meine Lieben. Die Schlussfolgerungen müsst ihr selbst ziehen. Verzeiht mir, ich bin eben ein alter Narr. Wenn auch nicht ganz so sentimental, wie ich mich meis tens gebe. Ein wenig Schauspielerei ist dabei. Es hat Vorteile, müsst ihr wis sen. Ich habe seit meiner Kindheit mehr erlebt, als ihr euch vorstellen könnt. Das hat mir unter anderem einige unbequeme Wahrheiten offenbart. Manches hätte ich lieber nie erfahren. Aber es lässt sich nicht ändern. Irgendwann gelangt die kindliche Naivität an ihr Ende, und man chen Dron wird mehr Durchblick zuteil als anderen. Aber ich bin vom Thema abgekom men. Kehren wir nach Mawego zurück. Der Lauf der Geschichte dieses Planeten ist gerade an einem ersten Höhepunkt ange langt. Ihr solltet genau darauf achten, wie es weiterging, und daraus eure Leh ren ziehen. Wovon sprach ich vorhin? Der Funke des Krieges ...! Was glaubt ihr? Was kann ein einziger Schuss aus einer antiquier ten Projektilwaffe verändern? Aus den Aufzeichnungen eines Dron
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5. Der Fund Ronald Tekener dachte über das Hilfs angebot nach, das ihm von dem Mor’Daer unterbreitet worden war, während er zu rück zur Zentrale der PETRALONA ging. Neben den konkreten Details, die der Mor’Daer ihm genannt hatte – nur unter brochen von spöttischen und zynischen Kommentaren des Ganschkaren –, über raschte Tek immer noch die schlichte Tatsache, dass die beiden Mor’Daer überhaupt zu einer solchen Hilfeleistung bereit waren. Versprachen sie sich etwas davon? Konnte man es auf eine egoistische Mo tivation zurückführen? Oder wollten sie tatsächlich nur ihren guten Willen de monstrieren, wie sie sich den Anschein gaben? Tek erschrak über sich selbst. War es für ihn so unwahrscheinlich, dass einer aus den Völkern TRAITORS einfach nur freundlich sein wollte? Hatten ihn seine Erfahrungen tatsächlich so negativ ge prägt, dass er allem und jedem zunächst einmal misstrauisch gegenüberstand? Er lächelte unwillkürlich, als er den Fehler in diesem Gedankengang erkann te. Er misstraute nicht etwa allem und jedem – sondern nur denjenigen, bei de nen seine Erfahrung ihn lehrte, dass Misstrauen angebracht war. Da er jedoch bereit war, Risiken einzu gehen, hatte er den Mor’Daer grundsätz liche Offenheit signalisiert. Sollte sich also tatsächlich die von den beiden Schlangenwesen prophezeite Situation ergeben, würde er sie sofort zu Hilfe ru fen. Ob ihr Einsatz etwas zu ändern im stande war, stand auf einem anderen Blatt. Noch war es nicht so weit. Zuvor galt es, Probleme ganz anderer Art zu bewäl tigen. In der Zentrale grüßte er kurz Major Toerkbark Deerd und gab ihm zu verste hen, dass er vom Kontaktversuch seitens des Dron auf Mawego wusste. »Dieser Alemc Frofoc soll sich nur
nicht einbilden, dass ich springe, wenn er pfeift.« Deerd zeigte ein mildes Grinsen. »In etwa dasselbe habe ich ihm bereits zu verstehen gegeben und ihm angekündigt, dass du dich melden wirst, sobald es dei ne Zeit erlaubt.« »Ich werde ihn anfunken. Mal sehen, ob er inzwischen verständiger geworden ist.« »Ihm muss klar sein, dass er uns nicht ewig von einer Landung abhalten kann.« »Inzwischen hatte er Zeit, Vorberei tungen zu treffen, um auch weiterhin ge heim zu halten, was er vor uns verbergen wollte. Vielleicht genügt ihm das.« Schließlich wusste er nichts von den drei Mikro-Bestien, deren Erkundungsmissi on längst lief. »Ich werde jedenfalls ein wenig Druck auf ihn ausüben. Es wird sich zeigen, wie widerstandsfähig er ist.« Sollten Senego Trainz und sein Team nicht ohnehin fündig werden, würden sie sich die Handlungen seitens der Dron direkt nach dem Landeversuch der PE TRALONA genauer anschauen – welche Anweisungen vom zentralen Raumhafen aus hatten zu welchen Truppenbewe gungen oder sonstigen Besonderheiten auf dem Planeten geführt? Hatte Alemc Frofoc tatsächlich gewisse Vorkehrungen getroffen? Tek gab Deerd ein Handzeichen und baute die Holo-Funkverbindung zu Fro foc auf. Dieser nahm das Gespräch sofort an. Ehe der Dron ein Wort sagen konnte, ergriff Tekener das Wort. »Ich war unab kömmlich. Bist du dir inzwischen darü ber bewusst geworden, dass die Berufung auf diffuse planetare Notstandsgesetze nicht ausreicht, einen USO-Raumer nicht nur am Landen zu hindern, son dern ihn auch noch tätlich anzugrei fen?« Frofoc ließ sich nicht einschüchtern. Sein reptilienartiges Gesicht blieb völlig unbewegt. »Du verkennst die Situation. Du wolltest widerrechtlich landen, sodass eine Reaktion von unserer Seite nötig er schien und wir gezwungen waren ...«
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»Verzichten wir auf spitzfindige Re den«, verlangte der Smiler. »Wir wissen beide, was sich abgespielt hat, auch wenn keiner von uns es vor dem anderen zuge ben will. Das sollte genügen.« Vor allem, weil Tek es eben ein wenig besser wusste, wenn er an den Einsatz der Mikro-Bestien dachte. Oder hat Alemc Frofoc etwa auch ei nige Trümpfe im Ärmel und wähnt sich mir deshalb überlegen? Möglicherweise gestaltete sich dieses Spiel weitaus komplizierter, als es den Anschein erweckte. »In meiner Eigenschaft als Sekretär versuche ich nach wie vor den DronKommissar zu erreichen«, erklärte Fro foc. »Was dir seltsamerweise nicht ge lingt.« »In der Tat.« Tek vermochte nicht zu beurteilen, ob die Antwort spöttisch gemeint war oder ob sich Frofoc tatsächlich darüber wun derte, seinen Vorgesetzten nicht ausfin dig machen zu können. »Dann schlage ich vor, dass du mich als Zeichen deines guten Willens landen lässt und ich mich umgekehrt bereit erkläre, zunächst die PETRALONA nicht zu verlassen.« »Ein akzeptabler Vorschlag.« Diplomatie, dachte Tek. Er mochte die heuchlerisch aufgesetzte Freundlichkeit nicht, die meistens dahintersteckte. Ob wohl sie, das ließ sich nicht leugnen, hin und wieder zum Ziel führte. Keine zwanzig Minuten später setzte die PETRALONA auf. Für das Beiboot der TRAJAN, einen Leichten Kreuzer der DIANA-Klasse von hundert Metern Durchmesser, stand ein weiträumig ge leertes Areal des Raumhafens zur Verfü gung. Angesichts der Tatsache, dass so viel Platz bei Weitem nicht nötig gewe sen wäre, ahnte Tek, was als Nächstes geschehen würde. Er täuschte sich nicht. Kaum war das letzte Triebwerk abgeschaltet, kaum ruhte das Schiff als metallener Koloss auf den Landestützen, legte sich ein Fes selfeld über die PETRALONA. »Sie setzen außerdem Traktorstrahlen
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ein«, meldete Major Toekbark Deerd. »Wir können das Schiff nicht mehr vom Fleck bewegen. Zumindest nicht ohne den Einsatz von Gewalt. Unsere Waffen sind nach wie vor einsatzbereit.« Der Smiler blieb in dieser Hinsicht zu versichtlich. »Das wird sicher nicht nötig sein.« Weitaus weniger Gelassenheit legte er an den Tag, als er direkt darauf eine er neute Holo-Verbindung zu Alemc Frofoc aufbauen wollte, aber statt des Sekretärs ein Dron im Bild erschien, den er nie zu vor gesehen hatte. »Raumhafensicherheit«, meldete sich dieser und sandte einen Kode, der diese Behauptung beweisen sollte. Tek warf keinen Blick darauf. »Ich fordere, dass du augenblicklich die Trak torstrahlen löst.« »Es handelt sich um eine Standard prozedur bei Schiffen, die nicht den Maßstäben der planetaren Notstandsge setze entsprechen. Darunter fallen ...« »Lass mich raten«, unterbrach Tek in einem Tonfall, der keinen Zweifel an sei ner Entrüstung ließ. Innerlich amüsierte ihn das Ganze. Dennoch wünschte er sich, er könne den Platz mit Senego Trainz tauschen und endlich aktiv wer den. »Darunter fallen sämtliche Schiffe, die nicht den Dron gehören?« »So ist es. Eine eingehende Prüfung deines Schiffes namens ...«, ein kurzes Zögern, als wisse der Dron nicht haarge nau, wie der Name lautete, »... PETRA LONA wird deshalb nötig sein. Die ent stehenden Unannehmlichkeiten sind leider unvermeidbar. Bitte zeig dich ko operativ und unterstütze den Einsatz trupp, den ich in dein Schiff schicke. Er ist bereits unterwegs. Wegen deines Sta tus als stellvertretendem Lordadmiral der USO habe ich dieser Angelegenheit höchste Priorität zugeordnet.« Da bin ich mir ganz sicher, dachte Tek. »Es wird also nicht lange dauern«, ver sicherte der Dron. »Du wirst mir ganz genau zuhören«, verlangte der Smiler. »Die Sonderrechte der USO als autarke und autonome Or
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ganisation des Galaktikums untersagen dir die Anwendung planetarer Gesetzge bung, auch wenn du die Raumhafensi cherheitsbehörde vertrittst.« Tek würde nicht zulassen, dass jemand einen Fuß in die PETRALONA setzte, um zu spionieren. Allerdings musste er Frofoc Respekt zollen – der Sekretär hatte eine simple Methode gefunden, Tek einerseits zu be sänftigen, weil er ihn landen ließ, und ihn andererseits weiterhin hinzuhalten, indem er ihm diese Sicherheitsprüfung auf den Hals hetzte. »Das werde ich prüfen«, kündigte sein Gesprächspartner an. »Selbstverständ lich halte ich meinen Einsatztrupp so lange zurück.« »Selbstverständlich. Und nun wirst du mich mit dem Dron-Kommissar oder sei nem Sekretär verbinden.« »Ich wüsste nicht, was dem im Wege steht.« Das Hologramm flackerte und fiel in sich zusammen, um sich sofort wieder neu aufzubauen. Alemc Frofoc setzte gerade ein Ge tränk ab, als habe Tek ihn bei einer ge mütlichen Mittagspause gestört. Nichts als Schauspielerei, davon war der Smiler überzeugt. Wahrscheinlich war jeder einzelne Muskel in Frofocs Leib ange spannt und zitterte vor unterdrückter Nervosität. »Du hast Probleme?«, fragte der Se kretär. »Falsch.« Tek stand auf und begann eine Wande rung durch die Zentrale; der Holosensor folgte ihm, sodass dem Gesprächspart ner stets ein Bild seiner Umgebung prä sentiert wurde. »Du hast Probleme.« »Davon ist mir nichts bekannt.« »Ich führe einen Auftrag des Galakti kums aus. Wenn du mich weiterhin be hinderst, werde ich dich an höchster Stelle melden. Nicht nur Lordadmiral Monkey steht bereit, eine ganze Flotte in dieses Sonnensystem zu schicken. Dann ist es endgültig vorbei mit deinem Ge heimnis.« »Geheimnis? Wovon redest du?«
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»Keine Spielchen mehr«, forderte Tek. »Die Situation auf Mawego ist heikel. Unsere Gäste, die Hasproner, erweisen sich momentan fast als ... nun, als Inva soren. Die Notstandsgesetze dienen dem Schutz beider Völker. Ich würde dir nie mals böse Absichten unterstellen, Ro nald Tekener, aber eine Einmischung der USO könnte fatale Folgen nach sich zie hen.« Für dich ganz bestimmt. »Wenn du nicht mehr zu bieten hast, werde ich eine vorbereitete Nachricht absenden.« Tek zog einen kleinen mathematischen Rechner aus einer Tasche – simple Tech nologie für einfachste Kalkulationen. Er ging jedoch davon aus, dass Frofoc noch nie ein Gerät in diesem terranischen De sign zu Gesicht bekommen hatte und deshalb auch seinen Zweck nicht kannte. »Ein Knopfdruck genügt. Was glaubst du, wie lange die Hyperfunknachricht zur Zentrale der USO unterwegs ist?« Der Dron schnappte nach Luft, der rudimentäre Halskragen geriet in flat ternde Bewegung. »Da niemand weiß, wo sich diese Zentrale ...« »Schluss jetzt! Lass das Fesselfeld und die Traktorstrahlen löschen. Ich verlasse das Schiff. Umgehend.« Die kleinen Arme hoben sich. »Ich ... ich werde sofort den Kommissar verstän digen. Ich bin nicht befugt, derlei Ent scheidungen ohne seine Zustimmung zu fällen.« »Ich denke, dein Vorgesetzter ist mo mentan unerreichbar?« »Er befindet sich in einer äußerst wichtigen Sitzung. Da ich sowohl dich als auch dein Anliegen ebenfalls als äu ßerst wichtig einordne, werde ich meinen Ermessensspielraum nutzen und ihn kontaktieren. Er wird sich so schnell wie möglich bei dir melden.« »Ich will es hoffen!« Tek kappte die Holo-Funkverbindung. Wenn es nun noch bald eine Nachricht von Trainz und seinem Team gab, war dieser Tag glatt gerettet. *
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Sechs Fluggefährte. In jedem saßen vier Hasproner. Vierundzwanzig potenzielle Feinde, falls es zu einer offenen Auseinanderset zung kam. Zwar wollte Senego Trainz diese um jeden Preis vermeiden, aber man wusste nie, wie sich die Dinge ent wickelten. Zwei Dutzend Hasproner, sechs Kampfgleiter und eine desaktivierte, transportable Geschützbatterie. Das sollte für drei Mikro-Bestien in voller Montur kein nennenswertes Problem darstellen. Viel schwieriger würde es werden, so zu erkunden, dass sie nicht entdeckt wurden. Die auf einer quadratischen Platte von zwanzig Metern Seitenlänge montierte Geschützbatterie schwebte auf einem Antigravfeld. Die verhältnismäßig star ke Bewachung zeigte, dass man wohl mit Zwischenfällen durch die Dron rechnete. An drei Kampfsoldaten von je nur etwa zwanzig Zentimetern Größe dachte si cherlich niemand. Vielleicht bot gerade die desaktivierte Batterie den besten Ansatzpunkt. Trainz befahl seinen beiden Begleitern, auf Ab stand zu bleiben. Er wollte allein auf Er kundung gehen. Doray Celvius bat darum, unauffällig in der nahen Stadt Nachforschungen an stellen zu dürfen. Trainz sah keinen Grund, diese Aufteilung des Teams nicht vorzunehmen. Notfalls konnte er auch allein mit den Haspronern fertig werden oder zumindest fliehen. Sie vereinbarten, dass Khiz Turagga als Eingreifreserve für sie beide dienen sollte; im Fall eines Notrufs konnte der Bestien-Mediker binnen Sekunden bei Trainz sein, aber auch die Stadt in weni ger als zwei Minuten erreichen. Im Schutz des Deflektorfeldes raste der Anführer des Einsatzteams näher an den Konvoi heran, tauchte unter den Gleitern hindurch und zischte knapp am Rand des Antigravfeldes wieder in die Höhe, das nur als wesenloses Wabern op tisch erkennbar war. Der Wüstensand blieb unter ihm zu
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rück. Die Geschützbatterie ragte etwa vierzig Meter auf – für die Mikro-Bestie immerhin die zweihundertfache Körper höhe. Senego Trainz war jedoch weitaus größere Gebilde gewohnt. Vorbei an Bergen aus Metall erreichte er einen Abstrahldorn, der das Zentrum dieser gewaltigen Waffenanlage bildete. Er hielt inne, sah sich um. Offenbar hat te niemand seine Annäherung bemerkt. Die Reise durch die Wüste ging unverän dert weiter. Er passierte Konverter und Aggregat blöcke. Nicht dass er etwas über haspro nische Waffentechnologie wusste, aber dieser Koloss schien nach einer äußerst simplen Methode konstruiert worden zu sein, dessen Struktur er auf den ersten Blick durchschaute. In einen Leitstand war eine Arbeits konsole integriert. Umgeben von mo mentan schwarzen Bildschirmen und Holo-Aussparungen, konnten von die sem zentralen Platz aus die verschie denen Waffenrohre gesteuert werden. An einer Grenze oder gar im Gebiet des Feindes stationiert, würde diese Waffeneinheit einigen Schaden anrich ten. Allerdings basierte die Konstrukti on wohl auf diversen psychologischen Einschätzungen über das Wesen der Dron und sollte den Gegner einschüch tern. So aufschlussreich eine weitere Ana lyse möglicherweise sein könnte, Trainz war nicht auf diese Mission gegangen, um die Kriegstechnologie und die Tak tiken der Hasproner zu beurteilen. Er landete auf dem Leitstand und entnahm seinem Kampfanzug einen energetischen multivariablen Koppler. Er brauchte nicht lange, um einen Zu gang zu finden, an den sich das formbare Material anpassen ließ. Wie gut, dass es Schnittstellen gab, die der Koppelung von Kampfrobotern dienten. Trainz verband die Anzugsteuerung mit der Positronik der Geschützbatterie und gab winzigen energetischen Input. Zu wenig, um nach außen hin aufzufal len; genügend jedoch, um auf den Spei cherkern zugreifen zu können.
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Die automatischen Dechiffrierer tra ten in Aktion. Schon Sekunden später empfing die Mikropositronik des Kampfanzugs die ersten Daten. Offenbar war das Steuer system dieser Waffeneinheit ebenso nachlässig gesichert wie die Batterie an sich. Die Hasproner fühlten sich ungefähr det. Trainz konnte ihnen deswegen nicht einmal Vorwürfe machen. Sie rechneten nur mit Angriffen der Dron, denen nicht die gleiche Hightech zur Verfügung stand wie der USO. Und erst recht dachten sie nicht an Mikro-Bestien, die auf Kampf anzüge der Terminalen Kolonne zurück greifen konnten. Schon die ersten Daten versprachen, einen Volltreffer gelandet zu haben: Es waren Positionsangaben, an der diese Geschützbatterie zum Einsatz kommen sollte. Eine exakte Darstellung der Um gebung und der Winkel, in der mit DronWaffenlagern zu rechnen war, folgte. In diesem Augenblick wurde der Mi kro-Bestie klar, dass diese Waffentech nologie speziell für diesen Einsatz kons truiert worden war. Ein Abgleich mit dem Kartenmaterial des Planeten, das routinemäßig in den Speicher des Kampfanzugs eingelesen worden war, ergab, dass sich der Ein satzort mitten im Nichts der Wüste be fand. Die nächsten Städte lagen mehr als zweihundert Kilometer entfernt; die zu Sumpflandschaften umgeformten Land schaftsteile der Hasproner endeten knapp fünfzig Kilometer entfernt. Alles in allem handelte es sich um ei nen Flecken Wüste wie jeder andere auch. Und doch ballten sich dort Waffen und Heerlager der Dron und der Haspro ner. Senego Trainz fragte sich, ob es sich um einen unglaublichen Glückstreffer handelte oder ob er überall auf entspre chende Truppen- und Waffenbewe gungen gestoßen wäre. Der Speicherinhalt der Geschützbatte rie war rasch ausgelesen. Eine komplette Kopie lagerte nun in Trainz’ An zugpositronik. Das genügte. Er entkop
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pelte sich wieder und schwebte in die Höhe. Fast erwartete er einen Angriff durch die haspronischen Gleiter, doch er konn te sich unbehelligt zurückziehen. Kaum bei seinem Artgenossen Khiz Turagga angekommen, ging eine Nach richt von Doray Celvius ein. »Ich habe Hinweise auf eine nahezu hermetisch abgeriegelte Region inmitten der Wüstendünen entdeckt. Ein eigent lich völlig unbedeutender Landstrich, der sowohl von Dron als auch von Haspronern extrem gesichert wurde und der ein Zentrum der allgemeinen Auf rüstung bildet.« Trainz musste nicht nachschauen, um zu wissen, auf welches Gebiet die Koor dinaten verwiesen, die seinem Stellver treter in die Hände gefallen waren. Er beorderte Doray zurück. »Wir haben ein neues Ziel«, sagte er. Zwischenspiel: Funkenregen (V) Vier Minuten. Homer G. Adams hatte es in genau vier Minuten und vierzig Sekunden geschafft, den Residenzpark zu erreichen. Allerdings war er bei Weitem nicht der Einzige. Hunderte hielten sich im früh morgendlichen Zwielicht auf der ausge dehnten Grünfläche auf, an deren Rand er stand. Er entdeckte Terraner, einen Arkoniden, zwei Blues. Neben ihnen ein pflanzenartig aussehendes Wesen, das sich auf luftigen Wurzelgeflechten zu schnell bewegte, um keine Intelligenz zu sein. Außerdem einen Zaliter, wenn er sich nicht täuschte. Sie alle lagen unter einem golden fun kelnden, sich ständig neu bildenden Schleier. Auf der Sichtscheibe seines Gleiters, der nur dank seiner generellen Spezial genehmigung in den Park hatte vordrin gen können, verpufften Funken wie Re gentropfen. Nur dass sie zu winzigen Kristallen aus Energie zerstoben, die sich ins Nichts verflüchtigten.
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Homer schaute auf die Anzeige seines Mini-Orters. Nichts. Es war, als sei das Phänomen gar nicht vorhanden, und doch spielte es sich zwei felsfrei vor seinen Augen ab. Der Ausstieg des Gleiters ließ sich problemlos öffnen. Frische, feuchte Luft wehte herein, wie morgendlicher Nebel, der von der Rasenfläche auf stieg. Homer Gershwin Adams, der biolo gisch Älteste unter den Unsterblichen, stieg aus und erinnerte sich daran, wie es vor Kurzem gewesen war, als er schon einmal zufällig Zeuge dieses Funkenre gens geworden war. Aber war es tatsächlich zufällig gewe sen? Eigentlich konnte er nicht daran glauben. Der Boden war nass und aufgeweicht und gab unter seinen Füßen nach. Feuch tigkeit drang durch das dünne, halb offene Material der Schuhe. Ein aufge schreckter Käfer krabbelte davon. Homers Haut prickelte. Ihm war, als würde sich der Zeitablauf verlangsamen, damit seine Sinne übersensibel auf jeden Reiz reagieren konnten. Ein Feuerwerk explodierte in seinen Sehzellen. Schall wellen trugen noch die entferntesten Ge räusche zu ihm. Er kostete diesen Moment aus, in dem sich das gesamte Universum nur auf ihn konzentrierte. Einen kostbaren Moment lang fühlte er sich der Essenz allen Le bens nahe. Der Hauch großer Bedeut samkeit streifte ihn. Dieser Moment ist mehr, dachte er. Mehr als menschliche Sinne erfassen konnten. Langsam streckte er die Hand aus, als ein Funke besonders nahe an ihn heran schwebte. Er fing ihn auf. Goldenes Licht tanzte auf dem Muster aus tief eingegrabenen Linien, umfloss das blaue Adernetz. Während er die Hand zu sich zog, ver sickerte das Licht. Ein Verlustgefühl breitete sich in ihm aus, für das es weder Anlass noch Ursa che gab. Er hob den Blick und meinte
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noch immer, die Funken in Zeitlupe fal len und treiben zu sehen. Die Welt war ein goldenes Meer. Homer G. Adams schmeckte die her ben Düfte der Kräuter, die am Ufer des Residenzsees wuchsen. Dort, wo er Betty Toufrys Gesicht gesehen hatte. Als wären seine Sinne tatsächlich übernatürlich geschärft, hörte er die Stimme eines der zahlreichen Besucher des Parks. Wo kamen sie zu dieser extrem frühen Morgenstunde überhaupt alle her? Trieb das Phänomen sie aus allen Ecken Terranias an diesen Ort? »Das ist Homer Adams! Die Funken ... er zieht sie an!« Eine weitere Stimme, die einer Frau, mit arkonidischem Akzent: »Sie treiben zu ihm wie Regen im Wind.« Homer sah sich um, entdeckte schloh weiße Haare, hüftlang. Sie fielen über Schultern und Hüfte. Regen im Wind, dachte er. Goldschla gende Funken aus der Ewigkeit. Licht boten aus einer anderen Ebene der Exis tenz. Sie trieben zu ihm? Er zog sie an? Konnte das tatsächlich sein? Ereignete sich das Phänomen ein zweites Mal ausgerechnet im Residenz park, weil es auf der Suche nach ihm war? Weil es vielleicht einen Anker in der Realität benötigte, wie es ihn zuletzt eben genau an dieser Stelle gefunden hatte? Es ... oder nicht besser sie? »Betty!«, rief er und störte sich nicht daran, ob jemand ihn hörte und sich wunderte. Würden sie einen der relativ Unsterblichen für verrückt halten? Es war ihm gleichgültig. Der Augenblick der seltsamen Klar heit all seiner Sinne verging. Die Zeit schien wieder schneller zu laufen, im normalen, angestammten Rhythmus dieses Universums. Homer roch nur noch die feuchte Erde, durchmischt mit sei nem eigenen Schweiß. Die Worte der Parkbesucher verschwanden im Gemur mel vieler Stimmen. Genau das Gegenteil seines vorherigen Empfindens überwältigte ihn nun. Hatte
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er eben noch geglaubt, die ganze Welt ströme intensiver als je zuvor auf ihn ein, so isolierte er sich nun von seiner Umge bung. Er blendete alles aus, konzentrierte sich nur noch auf eines: auf die Funken. Auf die Botschaft, die in ihnen steckte. Die Präsenz. Homer war nicht mehr einer von vie len Besuchern. Es gab keine Bäume und Pflanzen mehr. Lediglich vor ihm, weit entfernt und doch alles überragend, blühte die gewaltige Stahlorchidee der Solaren Residenz. Nur sie. Und er. Und die Funken, die er anzog wie ein Magnet Eisenspäne. Welches Bild mochte sich einem Beob achter bieten? Homer G. Adams, unter seinem Buckel gebeugt, die Augen weit geöffnet, die Hände unwillkürlich auf sein Brustbein gelegt, wo unter der Haut der Zellaktivatorchip saß ... Er stand im Zentrum eines Orkans aus goldenen Funken, der immer schneller um ihn kreiste, der sich verdichtete zu schmutzig braunen, fast schwarzen Fle cken ... genau wie es schon einmal ge schehen war. Diesmal ging alles schneller. Aus den lichtlosen Ovalen, die die Funken fraßen und ein Loch in die Wirklichkeit stanz ten, schoben sich formlosen Tentakeln gleich Gliedmaßen. Sie nahmen Kon turen an, Arme, Beine, sogar Finger, die sich beugten und streckten, schwarz und dunkel, leer und doch mit verzweifelter Stofflichkeit. Aus der Schwärze quoll die Farbe menschlicher Haut. Zwei Gestalten schwebten vor Homer. Ihre Gesichter waren verzerrt, von Schmerzen entstellt. Sie krümmten ihre Körper, schoben ihm die Finger als zitternde Klauen entge gen. Adams wankte auf die beiden zu. Er empfand keine Angst. Wieso auch? Er musste helfen, musste den beiden alten Freunden beistehen, auch wenn sie noch nicht völlig hier waren, sondern umriss haft blieben.
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Durch die Leiber schimmerte das Gras. Ein Vogel flog hinter ihnen vorü ber, und die Schwingen zerfaserten den halbstofflichen Leib. In den Gestalten bildeten sich nun endgültig vertraute Gesichtszüge aus. Homer stockte der Atem. Dies war wohl der Beweis, dass er die Besucher anzog. Bildete der Zellaktivatorchip, jenes Geschenk der Superintelligenz ES, ei nen Anker für sie? Es konnte nicht an ders sein, denn ES musste die beiden Gestalten gesandt haben. Das erklärte die Verbindung. ES schickte sie, denn beide waren als Altmutanten vor langer Zeit in der Superintelligenz aufgegan gen. Eine Frau, scheinbar ewig jung. Tele kinetin und Telepathin. Betty Toufry. Und ein japanischer Mann, ein Sug gestor und Telepath. Kitai Ishibashi. Die beiden schwebten, wanden sich vor Schmerzen, die Augen schrecklich leer. Homer erreichte sie, streckte zit ternd die Hand aus. Längst gab es nur noch rund um ihn den goldenen Funken fall, nirgends mehr sonst. Sie sausten in die ätherischen Gestalten, wurden Teil der beiden Menschen. Menschen? Homer berührte Kitai, seine Finger spitzen tauchten in die golden-dunkle Substanz des Leibes. Ein Zittern durch fuhr ihn. »Wo ist Perry Rhodan?«, rief Kitai Ishibashi. Sein Mund formte die Worte, die Augen waren in diesen Sekunden le bendig. Homer zog die Hand etwas zurück, diejenige von Betty streifte ihn. Die Här chen stellten sich auf den Fingergelen ken, es knisterte, und ein Funken sprang ins Nichts. »Wo ist Perry Rhodan?«, fragte auch sie. Sein Zellaktivator pochte. Augen blickten ihn aus ferner Vergan genheit und doch aus dieser Sekunde an. Die Tür ins Gestern stand offen. Wo ist Perry Rhodan?, dachte er. Und
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ehe seine zitternden Lippen eine Ant wort formen konnten, war es vorbei. Betty Toufry und Kitai Ishibashi zer regneten zu goldenen Funken, die im Bo den versickerten. Homers Hände sanken hinab. Die Luft roch frisch, nach einem neuen Tag. Einem Tag voller Erinnerungen. 6. Sand und Erde,
Blut und Schlamm
Rigutt Salm konnte sich selbst nicht erklären, warum er im letzten Augen blick den Lauf des Projektil-Gewehrs zur Seite zog. Irgendetwas am Gesichts ausdruck dieses Hasproners, dieses mickrigen Fauns, irritierte ihn. Er fällte die Entscheidung im Bruch teil einer Sekunde, und sie rettete seinem Gegenüber das Leben. Vorerst. Das Projektil streifte den linken Kno chenkamm und schlug einen Splitter da von ab: Ein seltsames, hohl klingendes Geräusch, das sich mit dem Knall des Schusses vermischte. Die Bocksbeine knickten ein, der Hasproner warf sich mit einem Aufschrei zu Boden, was selbstverständlich viel zu spät gewesen wäre. Eine Kugel oder ein Strahlerschuss waren immer schneller als das Opfer. Dennoch versuchte es nahezu jeder, auf den gefeuert wurde. Rigutt selbst wäre es wohl nicht anders ergangen. Oft genug hatte er schon vor dem Schuss die Entschlossenheit des Feindes in dessen Haltung gesehen, hatte die Bewegung der Finger beobachtet oder auch nur ge spürt, mit jenem Instinkt, der sich nur im Augenblick höchster Gefahr meldete. Auf diesem Weg hatte ihm mehr als ein mal eine Ausweichbewegung tatsächlich das Leben gerettet. Der alte Dron ließ das Gewehr sinken und ging einen Schritt auf den Haspro ner zu. Ein dünnes Rinnsal Blut, kaum wahr
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nehmbar, rann von dem Knochenkamm. Soweit es Rigutt bekannt war, überzog diesen komplett eine dünne, ledrige Haut, die zumindest rudimentär durch blutet wurde. Den Beweis dafür sah er unmittelbar vor sich. »Steh auf!«, forderte er. »Ich werde dir nichts tun.« Sand rieselte von dem zotteligen Fell, als sich der Hasproner erhob. Die Beine zitterten. »Du hast geschossen.« Eine überflüssige Feststellung, die wohl der Erregung des anderen zuzu schreiben war. »Aber ich habe dich nicht getötet, ob wohl ich es eigentlich wollte. Du bist zu mir gekommen. Warum?« »Um mit dir zu reden. Bist ... bist du ...«, der Hasproner schien nachzuden ken, »... Rigutt Salm?« »Du kennst mich?« »Ich bin der Handelsbeauftragte der Hasproner für diesen Planeten. Ich führe auch die Oberaufsicht über die Umfor mung. Selbstverständlich kenne ich dich. Du hast dich an alle Instanzen gewandt, weil du der Eigentümer dieses Stücks Land bist.« »Sehr richtig, mir gehört dies alles hier, und ich werde ...« »Es gehört meinem Volk, denn du hast es uns in die Erbpacht gegeben.« »Ich habe kein Interesse an spitzfindigen Diskussionen über den Unter schied zwischen Eigentum und Besitz.« Rigutt spürte Ärger in sich aufsteigen, und seine Rechte krallte sich fester um den Griff des Gewehrs. Der Faun war offenbar ein guter Be obachter. »Leg die Waffe weg!« »Warum?« »Du hast mich einmal fast erschossen, und ich lege ...« »Warum vergewaltigt ihr diesen Pla neten?« Schweißtropfen sammelten sich auf dem Gesicht des Hasproners, liefen über die Haut und versickerten im Fell. »Die Cadaju-Pflanze wächst nur auf Mawego. Sie ist ein Kind dieser Welt, und wir ver schaffen ihr die Bedingungen, die sie be
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Christian Montillon
nötigt. Von einer Vergewaltigung kann also kaum die Rede sein.« »Sie wächst nicht umsonst nur an den Ufern des Meers.« »Der Anbau ist nicht nur aus wirt schaftlichen Gründen für mein Volk un ermesslich wichtig. Ihr Dron könnt nicht einmal ansatzweise verstehen, welche Bedeutung diese Pflanze für uns Haspro ner besitzt.« Rigutt Salm wandte sich um. »Folge mir!« »Wohin?« »In die Richtung, aus der deine Ma schinen anrücken werden. Ich will, dass du es mit eigenen Augen siehst.« * Schahid-Felah fragte sich, ob man in diesem Fall wohl tatsächlich von der Richtung sprechen konnte, in der sich die Maschinen sammelten. Denn es handelte sich ebenso um die Richtung, in der die Minen im Sand verscharrt lagen. Ohne ein Ortungsgerät war der Han delsbeauftragte nicht in der Lage, die lebensgefährlichen Stellen exakt zu lo kalisieren. Der Wind musste jede optisch wahrnehmbare Spur im Sand längst ver weht haben. Einerseits sagte er sich, dass der ver rückte Dron ihn nicht töten wollte – sonst hätte er ihn vor wenigen Minuten er schossen oder könnte jederzeit das Ge wehr heben, das er lässig wie ein Acces soire bei sich trug. Doch andererseits vermochte wohl kein Hasproner die Logik eines Dron zu verstehen. Außerdem war sich SchahidFelah ganz und gar nicht sicher, ob dieser Rigutt Salm vielleicht dumm genug war, selbst auf eine seiner Minen zu treten. »Was genau willst du mir zeigen?«, fragte der Handelsbeauftragte. »Dreh dich um und blick zurück auf den Weg, den wir gegangen sind.« Er konnte nichts Bemerkenswertes entdecken. Ihre Spuren zogen sich etli che Meter weit durch den unerträglich trockenen und heißen Sand. »Dies ist meine Welt«, sagte der alte
Dron. »Bald wird nichts mehr an sie er innern. Euer Sumpf wird an ihre Stelle treten.« Schahid-Felah war müde, einfach nur müde. Es war ein Fehler gewesen, über haupt mit einem Dron vernünftig reden zu wollen. Warum störten sich diese stei fen Schuppenkerle überhaupt an den paar Litern Wasser, die die Arbeiter in diese öde Gegend gossen und sie damit zu einer Zone des Lebens machten? »Wir planen nicht einmal zehn Prozent der Landoberfläche umzuformen«, er klärte er. »Dein Volk nutzt diesen Platz ohnehin nicht. Weniger als die Hälfte dessen, was noch immer in der Urform vorliegt, wenn wir alle Arbeiten abge schlossen haben, werdet ihr zum Wohnen benötigen. Das Hasproforming ist außer dem nicht dauerhaft. Der alte Zustand kann wiederhergestellt werden.« Schahid-Felah langweilte sich selbst bei diesen Worten. Als ob es darum gin ge! Die Cadaju-Pflanze mochte tatsäch lich großen Wert für die Lebensart der Hasproner besitzen, eine Lebensart, die sie sich keinesfalls von den Dron vor schreiben lassen würden – aber der Fund, davon war Schahid-Felah zutiefst über zeugt, war noch ungleich bedeutender. Davon ahnte dieser alte Narr nichts. Ihm ging es nur um sein eigenes, be quemes Leben. Wie beschränkt doch sein Horizont war. Im Grunde bemitleidens wert wie jeder einzelne Dron. Der Fund ... Nun, da der erste Schreck darüber verging, dass er fast ermordet worden war, drängte sich die Erinnerung an die ungeheuerliche Entdeckung im Wüstensand wieder in Schahid-Felahs Gedanken. Hier wie dort zeigte sich die Sturheit und der Egoismus der Dron. Im Grunde genommen drehte es sich um nichts an deres – wie bei diesem kleinen Problem mit Rigutt Salm deutlich wurde. Der Fund lag auf einem Gelände, das eindeu tig den Haspronern zustand, weil sie es in Erbpacht genommen und gut dafür bezahlt hatten. Wozu wurden Verträge ausgestellt, wenn nicht dazu, dass sie auch in schwie
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Vor wor t Guten Tag, der Con in Garching hat dazu geführt, dass dieses Mal keine Online-Meldungen vertreten sind. Ich hatte ein fach genug Magazine und Fanzines im Koffer, als ich Bayern verließ. Ich hoffe, dass der – endlich doch – heiße Sommer nicht dazu geführt hat, dass ich allzu viele Tippfehler eingebaut habe (oder vielleicht sind es meine tränenumflorten Augen ob der Einstellung von PERRY RHODAN-Action). Euer Hermann Ritter
Nachrichten Empfehlung des Monats: Abenteuer & Phantastik 65 Hier ist mal wieder ein schönes Heft aus dem Hause Nautilus. Die Abenteuer & Phantastik 65 erfreut mit ganz vielen Beiträgen, die gut recherchiert und gut dargeboten sind. Der Bericht über den »G.I. Joe«-Film erinnert mich daran, dass nun bald alle Helden meiner Kindheit verfilmt sind. Einige der Filme aus dem Arti kel »Cthulhu auf Zelluloid« kenne ich dank Mitautor Robert Vogel schon, aber sein Lob ist nicht übertrie ben. Bei den »Pulps« haben mir besonders die farbigen Re produktionen der Titelbilder gefallen, genauso wie es bei »Pulp im Film« die Fotos sind, die Erinnerungen hochkommen lassen. Ob der Vergleich zwischen Ro bert E. Howards »Conan« und Fritz Leibers »Fafhrd und der graue Mausling« gerechtfertigt ist, wage ich zu bezweifeln, der Artikel darüber war aber sehr lesbar. Neben den vielen Rezensionen hat es mir besonders die kleine Artikelserie über Zeitreisen angetan, die gut geschrieben und inhaltlich erschöpfend war. Das Heft kostet am Kiosk 4,50 Euro. Herausgeber ist der Abenteuer Medien Verlag, Rostocker Straße 1,
Vierwöchentliche Beilage zur PERRY RHODAN-Serie. Ausgabe 436
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20099 Hamburg (im Internet unter www.abenteu ermedien.de). Beobachtungen Manchmal ist der fandom observer wie eine Zeitreise, so auch der aktuelle fandom observer 242. Natürlich findet sich ebenso Aktuelles wie eine Besprechung zu PERRY RHODAN 2500 und ein Foto-Rückblick auf den GarchingCon. Aber dann gibt es den Fanzine-Rückblick, hier unter anderem auf Klaus N. Fricks Sagittarius 1. Aber wer kennt noch »Die Mädchen aus dem Weltraum« mit »Winnetou«-Darsteller Pierre Brice? Und die Filme, die unter »Science Fiction im deutschen Tonfilm« darge stellt werden, haben Hans Albers oder Harry Piel in der Hauptrolle. Großartig nostalgisch! Herausgeber ist Martin Kempf, Märkerstraße 22, 63755 Alzenau (E-Mail
[email protected]). Ein Heft kostet zwei Euro inklusive Porto. Express Die Zusammenlegung mit dem Envoyer hat dem Spielxpress 20 gut getan. Dazu kommt, dass man sich Mühe gegeben hat, in dieser Jubiläumsausgabe so viel wie möglich unterzubringen. Es ist gelungen. Das farbige Cover ist von Larry Elmore. Er ist auch mehrmals Thema in diesem Heft, so in dem Artikel »Wie das Bild entsteht ...« und in dem farbigen Poster in der Heftmitte. Eine Seite behandelt das Brettspiel »Axis & Allies«. Der Titel »Oldies« weist auf das Alter dieses Spiels hin, das aber immer noch Spaß macht (wie ich aus stunden langer Aufmerksamkeit bezeugen kann). Eine Bücherübersicht widmet sich dem Thema »Phan tastisches China«, dem Rollenspiel-Miterfinder Dave Arneson wird ein sehr schöner Nachruf gewidmet. Fandom-Altgestein Karl-Heinz Zapf betreut die Sparte der Live-Rollenspiele, man schaut unter anderem auf »25 Jahre BattleTech« zurück und veröffentlicht Gruß adressen zum Jubiläum. Der aktuelle »Star Trek«Spielfilm führt dazu, dass dieses Phänomen mehrdi mensional behandelt wird (Miniaturen, Brettspiele, Hintergrund, Bücher, Computerspiele, Sammelkarten spiele und Cons). Ein wunderschönes Heft!
Die Redaktion liegt bei Bernhard Koller (E-Mail bern
[email protected]). Ein Heft kostet 3,90 Euro, ein Jahresabo kostet 19,50 Euro inklusive Ver sand. Der Herausgeber ist der Verein Spiel & Presse, Hackingerstraße 30/23/R3, A-1140 Wien (im Inter net unter www.spielxpress.com). Fiktionen Der Band 2500 – Die fiktive Zukunft der Menschheit war zum Jubiläumsheft PERRY RHODAN 2500 nicht pünktlich erschienen, sodass ich ihn nicht auf dem GarchingCon kaufen konnte. Amüsiert habe ich mich, das gebe ich zu, aber im Grunde sind es nur drei Per sonen, die hier veröffentlichen. Fairerweise sollte ich anmerken, dass ich eine der drei Personen bin und das ich die Beiträge der dritten Person nicht gelesen habe, weil ... na ja, weil. Trotzdem: ein schön gemachtes Buch, mit vielen Informationen für Einsteiger, aber wenig wirklich »Neuem« für den treuen Fan. Schön gemacht, das gebe ich zu. Kaufzwang? Nein. Gut im Regal? Ja. Herausgeber ist Michael Haitel, Ammergauer Stra ße 11, 82418 Murnau am Staffelsee. Das Buch er schien bei »Books on demand« und ist im Internet sowie bei örtlichen Buchhändlern unter der ISBN 978 3-8391-1442-1 für 25,90 Euro bestellbar. Flieger Der Flieger 56 ist Dieter Steinseifers Beitrag zur Sci ence-Fiction-Amateurpressegruppe FAN. Also enthält er Diskussionsbeiträge und Besprechungen zu den Beiträgen der anderen. Das ist immerhin schon Dieters 289. Fanzine! Ein Preis ist nicht angegeben; auf Anfrage erhält man meist ein Fanzine von Dieter zugeschickt. Herausge ber ist Dieter Steinseifer, Dr.-Geiger-Straße 1, 83022 Rosenheim. Kartons Das PR Paper 1 der PERRY RHODAN FanZentrale kann ich schlecht beurteilen, weil ich die »Praetoria« aus Pappe nicht zusammengebaut habe. Aber es sieht beeindruckend aus, übersteigt aber meine Bastelfä higkeiten maßlos. Ein Preis ist nicht angegeben. Herausgeber ist die
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PERRY RHODAN FanZentrale e.V., c/o Achim Ha vemann, Harlingen 119, 29456 Hitzacker (im Inter net unter www.prfz.de). Leichtigkeiten In der Light-Edition (www.Light-Edition.net im Inter net) erschien jetzt Zero 0 mit dem Titel »Der Phoenix«. Enthalten sind »Aleph und Tendo« von Werner M. Hö bart und die Bonusstory »Moraht-Thems Vermächt nis« von Rüdiger Schäfer. Das Heft ist reich illustriert; besonders schön ist das farbige Backcover von Gab riele L. Berndt und Lothar Bauer. Obwohl mich beide im PERRY RHODAN-Kosmos angesiedelten Ge schichten nicht vom Hocker gerissen haben, sind sie solide erzählt. Sehr gut gefallen haben mir die Illustra tionen und das Cover von John Buurman. Zero 1 nennt sich »Letzter Flug der AMAZONE«. Das Cover ist von Gabriele Scharf, die Beiträge zur Ge schichte sind von Simone Schubert, Irene Salzmann, Gabriele Scharf, Werner M. Höbart und Frank Zeiger. In der Reihe Neo erschien Neo 4 namens »Lockruf der Freiheit«. Enthalten ist eine Geschichte mit vier Kapi teln von Thorsten Maentel, G. H. Johannsen, Thorsten Maentel und Werner M. Höbart. Die Bonus-Story ist von Werner M. Höbart. In der Heftmitte befindet sich ein farbiges Poster von Alexander Kofler. Ich weiß zwar nicht, was es darstellen soll, aber es ist schön anzu sehen. Was hier positiv auffällt, sind die hervorragenden Illus trationen, unter anderem von Georg Joegens, Christoph Anczykowski, Alfred Kelsner und Andreas Adamus. Die Light Edition ist ein gemeinsames Projekt von Light-Edition, SFC Universum, SFC Stardragons, dem ATLAN Club Deutschland, der PRC-ARGEFestak, PROC, Valongatu und der PERRY RHODAN FanZentrale e.V. Herausgeber ist der Verlag Achim Havemann, Postfach 1107, 29452 Hitzacker (im Internet unter www.ahavemann.de). Ein Heft kostet drei Euro plus Porto. Nostalgien Inzwischen gibt es Capricornus 1 als PDF. Wie schreibt der Herausgeber Michael Fritzsche selbst: »Das Inter esse an alten Fanzines in digitaler Form nimmt zu. Daher habe ich begonnen, mein Fanzine Capricornus aus den Jahren 1968–70 ins Netz zu stellen.«
Erschienen ist dieses Heft 1968 – hey, da war ich noch
nicht einmal im Kindergarten! Wundervoll sind Artikel
wie »Science Fiction in der Beatmusik« und die zeit
genössischen Rezensionen.
Irgendwie ... goldig.
Im Internet findet man das Heft unter http://nl.xeu.
de/j.cfm?i=379365&k=153661.
Perspektiven Hinter der Handlung her hinken die Rezensionen für PERRY RHODAN 2451 bis 2471 in der aktuellen PER RY RHODAN Perspektive 93. Dafür bietet das Heft den ersten Teil eines Interviews mit Dirk Schulz zu PERRY RHODAN als Comic bei »Splitter«. Die Rezensionen in der PERRY RHODAN Perspektive gehören immer noch zu den besten, aber eine etwas zeitnähere Besprechung wäre mir lieber. Ein Heft kostet drei Euro plus Versand. Herausgeber ist Achim Havemann, Harlingerstraße 119, 29456 Hitzacker (E-Mail
[email protected]). Sternentor Der Doppelband Stargate 53/54 bietet zwei Ge schichten von Wilfried Hary, nämlich »Der Alte Feind« und »Der große Coup«. Im Bonusbeitrag »Wie es dazu kam, dass Wilfried Hary die Erde retten musste ...« geht es um eine Story von Wilfried Hary im PERRY RHODAN-Universum, die unter anderem in einer SOL erschien. Nette deutsche Science Fiction. Der Doppelband kostet 6,90 Euro. Herausgeber ist Hary Production, Canadastraße 30, 66482 Zwei brücken (im Internet unter www.HaryPro.de). Unternehmen Diese Dokumentation zum »Unternehmen Pestilon« in einem Paradise Spezial ist eigentlich ein Fanzine über einen vergessenen PERRY RHODAN-Fanfilm. Taucht der Begriff »PERRY RHODAN-Fanfilm« ir gendwo auf, so denkt man üblicherweise an das Filmprojekt »Der Einsame der Zeit« aus den 70er Jahren, an dem immer noch gearbeitet wird. Es gab allerdings ein weiteres Projekt von PERRY RHODANFans, die sich unter dem Motto »Wir haben kein Geld und keine Mittel, aber viel Fantasie und Mut« an einen
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Film gewagt haben, damit aber nie fertig wurden. Der Initiator des Films mit dem Titel »Unternehmen Pestilon« hieß Sven Knüppel; er wurde inzwischen zum Filmprofi und betreibt eine Filmproduktionsfirma in Hamburg (im Internet unter www.gula-mons.de). Al lerdings sind ihm seine »Jugendsünden« auf keinen Fall peinlich, und er war sofort bereit, über alte und neue Zeiten zu erzählen. Aus diesem Material machten Kurt Kobler und andere Aktivisten des Terranischen Clubs Eden (TCE) ein Sonderheft. Es präsentiert Fotomaterial und Doku mente über diesen vergessenen Fanfilm. Enthalten sind zahlreiche Set- und weitere Fotos, Auszüge aus dem Drehbuch und ein längeres Interview mit Sven Knüppel über die Dreharbeiten und seine heutigen Filmprojekte. Das entstandene Fanzine im Format DIN A4 umfasst 36 Seiten und kostet fünf Euro. Dazu kommen noch die Versandkosten. Das aktuelle Paradise 76 ist das interne Fanzine des TCE. Großartig ist die Werbung für die »Piratenjagd vor Somalia«, wobei hier wohl ein realistischer Hintergrund vorhanden ist. Es gibt einen mit Fotos reich illustrierten Beitrag zum DortCon, Neuigkeiten aus der Szene, den ersten Teil eines Berichtes über Piraten-Bücher, Infor matives zu »Stargate Atlantis« und dem neuen »Star Trek«-Film. Das Heft kostet 4,50 Euro plus 1,20 Euro Versandkosten. Es ist im Jahres-Abonnement (vier Ausgaben) für 16 Euro erhältlich. Unter dem Titel Mord an Bord wurden auch die Sieger storys des Wettbewerbs »in memoriam Peter Terrid« veröffentlicht. Herausgekommen ist ein hübsches Ta schenbuch mit einem schönen Cover von Alexander Braccu. Das Vorwort erklärt die besonderen Umstände dieses Bandes, das Nachwort erinnert kurz noch ein mal an PERRY RHODAN-Autor Peter Terrid und zeigt ein Foto von seinem Grab. Die Geschichten sind alle sehr gut, sie erinnern an den
zehnten Todestag des beliebten Autoren und sollten mit maximal 27.000 Zeichen eine Episode um die Kri minalistin Lhoreda Machecoul beschreiben. Besonders gut hat mir der vierte Platz gefallen, eine Kurzge schichte von Norbert Kurz. Aber noch mehr die Sieger story von Dieter Bohn, eigentlich alle vertretenen fünf Geschichten machen Spaß beim Lesen. Das Buch umfasst 80 Seiten und ist für den Preis von 6,50 Euro zu beziehen. Zu beziehen ist all dies bei Kurt Kobler, Feuerwerk straße 44, 46238 Bottrop, über die Homepage des Clubs www.terranischer-club-eden.com oder per E-Mail (
[email protected]). Zukunft Thema der Future Magic 64 sind Zwerge. Es finden sich Geschichten und Artikel, unter anderem von Fred H. Schütz und Eva Kalvoda. Dazu kommen Nachrufe (David Carradine und J. G. Ballard) sowie Leser briefe. Wie immer eine gute Mischung; das bunte Titelbild zeigt zwar einen roten Drachen und keinen Zwerg, ist aber trotzdem sehr schön. Kontakterin des herausgebenden SFC Stardragons ist Eva Kalvoda, Kundratstraße 20/8/25, A-1100 Wien (per E-Mail
[email protected]). Die Clubmagazine zusammen kosten im Jahr 18 Euro.
Impressum Die PERRY RHODAN-Clubnachrichten erscheinen alle vier Wochen als Beilage zur PERRY RHODAN-Serie in der 1. Auflage. Anschrift der Redaktion: PERRY RHODAN-Clubnachrichten, Pabel-Moewig Verlag KG, Postfach 2352, 76413 Rastatt. Bei allen Beiträgen und Leserzuschriften behält sich die Redaktion das Recht auf Bearbeitung und gegebenenfalls auch Kürzung vor; es besteht kein Anspruch auf Veröffentlichung. Für unverlangte Einsendungen wird keine Gewähr übernommen.
Der verborgene Hof
rigen Zeiten galten? Dennoch bean spruchten die Dron den Fund für sich. Sie waren sogar in ihn eingedrungen und hatten gerüchteweise ein Gerät entwen det. Rigutt Salm blieb stehen, bückte sich und kniete sich dann in den Sand. Er streckte die kleinen Arme, wühlte die Hände unter die Oberfläche. Wehrlos, dachte der Handelsbeauf tragte. Er ist wehrlos. Jetzt könnte ich ihm seine Waffe entreißen und ihm den Schrecken heimzahlen. Ein einziger Schuss, und auch das Problem seines un sinnigen Widerstands wäre gelöst. Die Vorstellung war verführerisch. Mit etwas Glück würde niemand von dem Vorfall erfahren. Eine im Sand ver scharrte Leiche, die schon morgen von den Maschinen zerkleinert und Teil des neuen Sumpfes werden würde. Fast hatte er die Entscheidung gefällt, schon zuckte seine Hand, als der Dron zu reden begann. Schahid-Felah hielt es für sinnvoll, erst einmal zuzuhören. »Ich spüre die Vibrationen im Sand. Sie werden immer stärker. Eure Maschi nen rücken an.« »Wir werden uns nicht aufhalten las sen. Dir wird kaum entgangen sein, dass es an anderen Stellen dieses Planeten wichtigere Probleme gibt, um die wir uns vorrangig kümmern müssen. Auch ich als Handelsbeauftragter werde dort ge braucht. Ich werde nun zurückkehren, diesen Bauabschnitt offiziell freigeben und dann zu einem Treffen mit eurem Dron-Kommissar fahren. Ganz recht, Jallal Qan erwartet mich. Er ist nämlich im Gegensatz zu dir zu Gesprächen be reit.« »Aber nicht zu Gesprächen um mein Land! Du kannst ihn nicht mit mir ver gleichen.« In der Tat, das kann ich nicht, denn er weiß, worum es in diesen Tagen wirklich geht. »Ihr seid beide Dron.« »Das ist auch die einzige Gemeinsam keit zwischen ihm und mir.« »Sie genügt.« Schahid-Felah wies auf die weite, von Dünen durchsetzte Ebene und entschloss sich, schonungslos die
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Wahrheit zu sagen. »Ich weiß, dass du dort Bodenminen verteilt hast. Bitte ent ferne sie. Wir können sie orten und ent schärfen, du wirst uns damit also ohne hin keinen Schaden zufügen.« Er konnte die Worte förmlich hören, die dem alten Dron auf der hornigen Zunge lagen: Sie könnt ihr entschärfen, aber mich nicht. Doch Rigutt Salm schwieg. »Ich kehre nun zurück«, kündigte der Handelsbeauftragte an. »Dir bleibt gera de genug Zeit, ebenfalls zu gehen. Es wä re die richtige Entscheidung.« »Wer bist du, dass du glaubst, mir sa gen zu können, was richtig und falsch ist?« »Ich bin Schahid-Felah Arom-NebLuba Basba VI.« Damit war alles gesagt. Er achtete sorgsam darauf, den Weg zurück neben dem alten Dron zu gehen und ihm keinen Augenblick lang den Rücken zuzuwen den. Man konnte nie wissen. Kurz darauf stieg er ungehindert in seinen Gleiter und steuerte ihn zurück zu dem Ort, an dem Aufseher Lakusch-Zo ham wartete. Er würde schon bald zu rückkehren zu dem verrückten Vete ranen, zu der Wespe, und diese Sache mit allen Mitteln zu Ende bringen. Wahrscheinlich würde Salm die Initi ative ergreifen. Er würde es bis zum Äu ßersten treiben. Und dann, in Notwehr, konnten sie sich seiner entledigen, ohne dass es den ganzen Planeten in einen Krieg stürzen würde. Eine genaue Doku mentation der Geschehnisse würde Kom missar Jallal Qan überzeugen und den Vorfall in diplomatischen Kanälen ver siegen lassen. So finden alle Probleme am Ende ir gendeine Lösung, dachte Schahid-Felah zufrieden. Schon bald würde er diesen Auftrag als erledigt betrachten und den Hexenkessel Mawego verlassen können. Die Bauarbeiten würden dann nie manden mehr stören, um den Fund muss te sich das Militär kümmern ... wunder bar. Mitten in seine Gedanken hinein mel dete die Positronik den Eingang einer
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Christian Montillon
Nachricht höchster Priorität: Ein USOSchiff war unter widrigen Umständen auf Mawego gelandet. * Es war eine dieser Entscheidungen, die den Lauf einer ganzen Welt verän derten. Ein Schuss, dicht am Schädel vorbei, nur eine kaum merkliche Verletzung – oder ein toter Hasproner. Ihr könnt einwenden, dass diese Ent scheidung alles andere als den Lauf der Welt veränderte, weil in diesem Moment alles genauso geblieben ist wie zuvor ... aber ich will euch zwei Dinge zu beden ken geben. Zum einen ist die Geschichte der Welt Mawego damit längst nicht am Ende an gelangt, nicht einmal jener Teil, der von einem alten Veteran und einem Handels beauftragten handelt, die ein seltsames Schicksal in einem namenlosen Teil der Wüste zusammenführte. Vom eigenar tigsten und bemerkenswertesten Part habe ich euch allerdings bisher nichts berichtet. Zum anderen frage ich euch, woher ihr so genau wisst, dass alles beim Alten blieb? Vielleicht hat sich der Lauf der Dinge sehr wohl geändert. Könnte es der Welt Mawego nicht vor herbestimmt gewesen sein, dass Scha hid-Felah Arom-Neb-Luba Basba VI. in einer Wolke aus Blut zurückgeschleudert wird? Dass seine Leiche gefunden wird? Dass die über die Grenzen des Zumutba ren aufgerüstete Welt im Feuer von Ver geltung und Gegen-Vergeltung, von At tentat und Krieg untergeht? Wer vermag das schon zu sagen? Kennt ihr das Schicksal so genau und wisst ihr, dass es nicht geändert werden kann, wenn jemand nur den Willen und Mut dazu aufbringt? Möglicherweise ist all dies sogar ge schehen, in einer anderen Realität, einem anderen Universum, das dem unseren so sehr ähnelt, sich aber in einem einzigen Punkt unterscheidet – in jenem flüch tigen Moment, als ein alter Dron sich
entschließt, den Lauf seines Gewehrs ein wenig zur Seite zu schwenken. Wie wird dieses alternative Universum in einem Jahr aussehen? Tobt dann der Krieg zwischen den Sternenreichen der Dron und der Hasproner auf vielen von ihnen besiedelten Welten? Und ein Jahr zehnt später? Wird der ganze Sternenbund des Galaktikums zerrissen, weil zwei sei ner Mitgliedsvölker sich gegenseitig aus löschen und immer weitere Völker und Geheimdienste in das Chaos zwischen den Sternen hineingerissen werden? Möglicherweise erhebt sich in diesem Paralleluniversum genau im Jahr 1500 NGZ symbolträchtig der unsterbliche ar konidische Imperator Bostich samt sei ner geretteten Flotte aus den Trümmern und schwingt sich zum Herrscher der ge samten Galaxis auf. Die Reste einstiger Großmächte zermalmt er unter seinen Füßen, und der Glanz von Arkons Ruhm und Ehre erstrahlt über der ganzen Milchstraße. Wer weiß, ob weitere 500 Jahre später nicht ein gewisser Perry Rhodan nach seinem jahrhundertelangen Exil in An dromeda an der Seite eines Dienervolkes der Kosmokraten, das durch die Zerstö rung des mehrdimensional funkelnden Psi-Juwels Sol auf den Plan gerufen wur de, in seine Heimatgalaxis zurückkehrt und Bostich vom Thron fegt? Ihr könnt es euch nicht vorstellen? Und doch kann all das von einer ein zigen, winzigen und scheinbar unbedeu tenden Entscheidung abhängen. Deshalb, meine lieben Kleinen, solltet ihr genau zuhören, was ich euch jetzt sa ge. Ihr seid unendlich wichtig, jeder von euch, und jeder Tag, jede einzelne Minu te ist von ebenso gewaltiger Bedeutung wie das Werden und Vergehen von Ster nen in Äonen. Aus den Aufzeichnungen eines Dron 7. Aufgebot Die Gegend war nahezu hermetisch abgeriegelt. Die Geschützbatterie der
Der verborgene Hof
Hasproner würde sich harmonisch in das Gesamtbild einfügen, wenn sie ihr Ziel erreichte. Senego Trainz fixierte die Orteranzei ge, die in den nachtblauen Kampfanzug integriert war. »Es wird nicht einfach sein, an unser Ziel vorzustoßen.« Khiz Turagga, der Bestien-Mediker, schwebte direkt neben seinem Anführer einige Meter über dem Wüstensand. »Unser Vorteil liegt darin, dass niemand mit uns rechnet.« Trainz überprüfte die Einsatzbereit schaft seiner Kampfmontur. Der Tarnund Antiortungsschirm war, genau wie bei seinen beiden Begleitern, längst ak tiviert. Nun gab die Mikro-Bestie den Befehl, den Helm, der gegenwärtig als Folie im Halsrandkragen ruhte, durch statische Entladung zu entfalten. Der Helm schloss sich lückenlos mit leise schmatzendem Geräusch. Der Systemcheck ergab keinerlei Män gel. »Schutzschirm aktivieren.« Zufrieden wandte sich Trainz an seine beiden Begleiter. »Ihr seid bereit?« Beide bestätigten. Doray Celvius schwebte aus größerer Höhe herab. Von ihrem erhöhten Standpunkt aus konnten die Mikro-Bestien den speziell gesicherten Bereich gut überblicken. Einige Tausendschaften Soldaten und Kampfgleiter waren um ein Gebiet sta tioniert, das bei einer Kantenlänge von etwas mehr als fünf Kilometern grob dreieckig geformt war. Dron und Haspro ner besetzten jeweils eine Seite des Drei ecks; die dritte teilten sie sich. Wo die beiden Völker zusammentra fen, war der geradezu groteske Auf marsch auf die Spitze getrieben. Ge schützforts und energetische Trennwände wechselten sich ab, Kampfroboter bil deten eine geschlossene Phalanx. An der zweiten Front, der Spitze des imaginären Dreiecks, sah es nicht anders aus. Bei diesem Anblick wunderte es Senego Trainz nicht mehr, dass sie so schnell auf Hinweise gestoßen waren, die an diesen Ort führten. Ein solcher Aufmarsch hinterließ zwangsläufig Spuren.
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Es erklärte sich nun von selbst, warum die Dron mit allen Mitteln die Landung der PETRALONA hatten verhindern wollen. Trainz fragte sich allerdings, ob den Bewohnern dieser Welt nicht klar sein musste, dass sie die Entdeckung des unter dem Wüstensand verborgenen Po lyport-Hofes – wenn es sich um einen solchen handelte – nicht auf Dauer ge heim halten konnten. Im Luftraum über dem fraglichen Ge biet patrouillierte eine Unzahl an FlugKampfrobotern. Das Einsatzteam war noch nicht nahe genug heran, um mit bloßem Auge Details erkennen zu kön nen, die Ortung ergab jedoch zwei gänz lich unterschiedliche Baureihen, die wie derum in verschiedene Typen unterteilt waren. Trainz vermutete, dass es sich um Mo delle der Dron und der Hasproner han delte, was die grundlegenden Unter schiede erklärte. Wahrscheinlich wollten beide Völker auf diese Weise dafür Sorge tragen, dass das jeweils andere keinen Vorteil gewann. Die Roboter hielten sich alle unterhalb einer gewissen Höhenlage, die im Zen trum des Dreiecks achtzig Meter betrug und zu den Rändern hin kontinuierlich absank. Über ihnen spannte sich eine Schutzkuppel in der Art einer Arena. Im Inneren dieser Arena standen laut der Orterzählung im Wüstensand wei tere sechshundert Roboter. Einige be wegten sich mit mittlerer Geschwindig keit. »Die Roboter verteilen sich nicht gleichmäßig«, stellte Doray Celvius fest. »Sie konzentrieren sich auf sechs Punkte. Wo sie sich nicht direkt bei den jewei ligen Ballungszentren befinden, patrouil lieren sie zwischen ihnen. Lasst euch ihren Weg anhand der energetischen Restsignaturen anzeigen.« Senego Trainz erteilte der Mikro-Po sitronik den entsprechenden Befehl. Auf seinem Orterbildschirm erschien ein zu nächst verwirrendes Muster, das Dorays Behauptung zweifelsfrei bewies, wenn man es erst einmal durchschaute. »An einem dieser sechs Punkte werden
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wir fündig«, gab sich der Bestien-Medi ker überzeugt. »Worum, glaubst du, han delt es sich?« »Spekulationen sind müßig«, meinte Trainz. »Wir werden eindringen und vor Ort Nachforschungen anstellen.« »Uns bleiben zwei Möglichkeiten«, konstatierte sein Stellvertreter Doray Celvius. »Die energetische Schutzkuppel beginnt den Orterergebnissen nach di rekt am Boden und setzt sich nicht un terirdisch fort. Wir können uns also ins Innere graben oder versuchen, an einer unbeobachteten Stelle eine Strukturlü cke zu schalten und auf diesem Weg ein zuschleusen.« Trainz wägte kurz die Alternativen ab. Beides erschien möglich, ohne ent deckt zu werden, weil das Gebiet zu groß war, als dass die Soldaten oder Ro boter es komplett durch direkte Beob achtung abdecken konnten. Sie waren zusätzlich auf Ortung und Scans ange wiesen, um potenzielle Eindringlinge zu entdecken. Die Anzugstechnik würde den Vorstoß des Einsatzteams ausrei chend tarnen. »Wir durchbrechen die Arenakuppel in möglichst großer Höhe an einem wenig frequentierten Punkt!«, befahl er. »Ein Einstieg über den Boden würde verräte rische Spuren im Sand hinterlassen, die zufällig entdeckt werden können. Pas sieren wir jedoch über eine Strukturlü cke, wird sich diese hinter uns wieder schließen, ohne dass jemand darauf auf merksam werden könnte.« Er markierte die bestmögliche Stelle im aktuellen Verteilungsmuster der Ro boter und sendete die genaue Position an Doray und Khiz. »Fragt sich nur, ob es überhaupt ge lingt, eine Strukturlücke zu schalten«, wandte der Bestien-Mediker ein. Derlei Bedenken hegte Senego Trainz nicht. »Die verwendete Technologie ist vergleichsweise primitiv. Das beste Zeit fenster im Bewegungsmuster an der be zeichneten Stelle endet in weniger als vier Minuten. Brechen wir auf!« *
»Eine Funknachricht«, meldete der Servo. Ronald Tekener hatte sich nach der Ankündigung, dass Dron-Kommissar Jallal Qan baldmöglichst anrufen würde, in seine private Kabine zurückgezogen. Für einige Minuten hatte er sich ausstre cken und ungestört nachdenken wollen; inzwischen waren fast zwei Stunden ver gangen. Aus der Ruhe seiner Kabine heraus hatte er inzwischen weitere Vorkeh rungen getroffen. Während er die Nach richt annahm, fragte er sich, wer ihn wohl zu erreichen versuchte. Er hoffte auf Senego Trainz‘ kodierte Botschaft oder auf Kommissar Qan – wurde jedoch enttäuscht. Eine rein akustische Verbindung bau te sich auf. Der Holobild-Übermittlung hatte Tek grundlegend widersprochen, solange er sich in seinem Privatbereich aufhielt. »Es tut mir leid, dich enttäuschen zu müssen«, hörte er Alemc Frofocs unsicher klingende Stimme. Der Dron versuchte zwar, seine Aufregung zu verbergen, doch es gelang ihm nur unzureichend. Der Smiler wappnete sich auf einen weiteren verbalen Schlagabtausch. Eine erneute Verzögerung würde er nicht hin nehmen. Nun würde sich zeigen, ob seine Vorbereitungen nötig gewesen waren. »Ich habe den Dron-Kommissar erwar tet.« »Er lässt sich entschuldigen.« »Also genießt mein Anliegen offenbar nicht ganz die Priorität, die du mir zuge sichert hast.« Tek erhob sich, strich seine Kleidung glatt und suchte die Hygiene zelle auf. Das Gespräch würde er auch von dort aus fortführen können. Die Kabinen positronik schaltete automatisch die ent sprechenden Akustikfelder frei. Er ließ sich Wasser über die Hände laufen und rieb sich anschließend über das Gesicht. Kühle Tropfen rannen über den Nasen rücken und platschten zurück ins Be cken; einer sammelte sich, wie so oft, in der Kuhle der Lashat-Narbe über der Oberlippe.
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»Die Verbindung ist undeutlich«, sagte Frofoc. »Ein Rauschen scheint ...« Tek grinste. »Keine Ausreden! Kannst du mir eine konkrete Uhrzeit nennen, wann der Kommissar zu sprechen ist?« »Jallal Qan ist verhindert und ...« »Er wird ja nicht permanent verhin dert bleiben.« Dem Smiler kam es ganz so vor, als wäre der Dron-Kommissar auch für Frofoc unauffindbar. Ihm sollte es egal sein, mit welchen organisato rischen Problemen die Echsenabkömm linge zu kämpfen hatten. »Ich akzeptiere keine weiteren Verzögerungen und wer de nun mein Schiff verlassen.« »Die Raumhafensicherheit muss ...« »Wage es nicht«, unterbrach Tekener kalt, jedes einzelne Wort betonend, »mir ein Team an Bord zu schicken. Keiner deiner Männer wird einen Fuß in diesen USO-Raumer setzen, hast du verstan den?« Er konnte förmlich sehen, wie sich Frofoc wand. Manchmal war es eben doch von Vorteil, die geballte Macht der United Stars Organization hinter sich zu wissen. Und genau das würden Frofoc und die Dron bald am eigenen Leib zu spüren bekommen. Ohne eine Antwort abzuwarten, un terbrach Tek die Verbindung. Noch in der Kabine stieg er in einen SERUN, ak tivierte allerdings keine einzige Funkti on. Er nahm Verbindung zu Major Toek bark Deerd auf und teilte ihm mit, dass er die Probe aufs Exempel machen und das Schiff verlassen würde. »Bereite alles Weitere vor.« Der Kommandant der PETRALONA bestätigte. »Es kann sich nur um Minu ten handeln. Ich stehe bereits in Kon takt.« »Sie sollen auf ein Zeichen von mir warten. Du wirst es für mich weiterlei ten, wenn es so weit ist?« »Mit Vergnügen.« Zufrieden verließ Tek seine Kabine und suchte einen der Hauptkorridore auf. Dort stieg er auf ein Laufband, das ihn binnen zweier Minuten zu einem An tigravschacht brachte, über den er eine Ausgangsschleuse erreichte.
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Dort stieg er auf eine Ein-PersonenPlattform und programmierte den Be fehl, das Schiff zu verlassen. Die Wand vor ihm schob sich zur Sei te und gab den Blick auf den Raumha fen frei. In einiger Entfernung stand ein weiteres Schiff von der Größe eines mittleren Beiboots, im Unterschied zur PETRALONA jedoch kein Kugel raumer. Dahinter und zu beiden Seiten erstreckten sich kilometerlange Flach bauten. Wesentlich interessanter waren die zehn Gleiter, die vor der PETRALONA in der Luft hingen und ihre Bordwaffen auf das Schiff richteten. Tek ließ sich nicht einschüchtern, sondern schwebte mit der Plattform in die Tiefe. Im Schatten seines 100-Meter-Raumers landete er schließlich. Schwebepanzer zischten von der Sei te heran. Mindestens zwei Dutzend Dron nahmen ihn mit Strahlern ins Vi sier. Er war überzeugt, dass keiner von ihnen feuern würde – nicht auf einen offiziellen Gesandten des Galaktikums und stellvertretenden Lordadmiral der USO. Auf diesem Planeten mochte einiges vor sich gehen, was die Dron ebenso wie die Hasproner mit aller Kraft geheim halten wollten ... aber es gab einen ge waltigen Unterschied zwischen Drohge bärden und tatsächlicher Auseinander setzung. In einem offenen Gleiter raste eine Ge stalt auf ihn zu, die kurzen Arme leicht erhoben, das Reptiliengesicht ange spannt. Der Gleiter stoppte direkt vor dem Smiler. Der Insasse befand sich auf Au genhöhe mit ihm. »Lass uns eine gütliche Einigung finden«, bat Alemc Frofoc. Ehe er ausgesprochen hatte, sauste ein zweiter Gleiter heran, in ihm ein wü tender Dron, der einen Handstrahler auf Tek richtete. Einer mehr oder weniger, was macht es für einen Unterschied?, dachte Tek und blieb völlig gelassen. »Geh sofort zurück in dein Schiff!«,
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forderte der Abgesandte der Raumha fensicherheit, der es nie für nötig gehal ten hatte, seinen Namen zu nennen. Tek warf einen beiläufigen Blick auf die Anzeige seines Armbandkommuni kators. Es war so weit. »Mit Vergnügen«, sagte er zur Verblüf fung der beiden Dron. Sie starrten ihm fassungslos hinterher, wie er wieder in die Höhe schwebte. »Jetzt«, gab er das verabredete Signal an Major Deerd, der es wiederum an den Piloten der TRAJAN weiterleitete. Die sem stand ein waghalsiges, aber genau berechnetes Manöver bevor. In der Schleuse der PETRALONA würde Tek vor den Nebenwirkungen sicher sein, weshalb er der Aufforderung nur allzu gerne Folge geleistet hatte. Es dauerte nur etwa eine Minute, bis die ersten Vorboten spürbar wurden. Wind pfiff über den Raumhafen. Die Temperatur stieg sprunghaft an. Die Schleusenwand war offen, wobei der Durchgang durch ein Energiefeld gesi chert wurde, sodass Tek das Geschehen gut beobachten konnte. Über den beiden offenen Gleitern der Dron schloss sich flirrend ein Schutz schirm. Die Windstärke nahm in Se kundenschnelle zu. Funken flogen, als die Gleiter zur Seite gedrückt wurden und die Haltestützen über den Boden schrammten. Im Hintergrund flüchteten einzelne Dron, warfen sich ebenfalls in geschlos sene Fahrzeuge oder rannten davon, oh ne innezuhalten. Auf den gesamten Raumhafen, so weit Teks Auge blickte, fiel kein einziger Son nenstrahl mehr. Der stählerne Körper der TRAJAN warf seinen gewaltigen Schatten über alles. Die TRAJAN war ein riesiger Kugel raumer, das Flaggschiff der USO, ein Ul traschlachtschiff der GALAXIS-Klasse. Seine Masse von mehr als anderthalb Milliarden Tonnen entfachte beim Her anrasen einen Orkan, der flüchtende Dron von den Beinen riss, obwohl das Schiff etliche hundert Meter über der
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Planetenoberfläche stoppte – genau in dem Abstand, der auf dem Raumhafen zwar Eindruck machte, aber keine grö ßeren Schäden anrichtete. Mit Ringwulst durchmaß der Gigant weit mehr als drei Kilometer; wer nun nach oben schaute, sah nichts als Metall. Vielleicht fürchteten die Dron, das Ende wäre gekommen und die TRAJAN würde sie unter sich zermalmen, doch in keinem Augenblick bestand echte Gefahr. Die ionisierte Luft, die das Bremsma növer in der Atmosphäre zum Glühen brachte, kühlte sich bereits stark ab, ehe sie zwischen die Gleiter und Gebäude fuhr. Als der Orkan nachließ, desaktivierte Tek das Schutzfeld über der Schleusen öffnung und schwebte wieder in die Tie fe. Er nahm Funkverbindung zu Frofoc auf. »Mein Flaggschiff ist eingetroffen«, stellte er völlig unnötigerweise fest. »Möglicherweise überdenkt ihr die Situ ation?« Die Holoverbindung zeigte den Sekre tär des Kommissars, dessen Kegelzähne aufeinandermahlten. »Der ... der Kom missar hat in wenigen Minuten einen Gesprächstermin mit dem Handelsbe auftragten der Hasproner für diesen Pla neten. So steht es zumindest im offizi ellen Terminplan.« »Im Terminplan«, wiederholte Tek läs sig. »Es wäre mir eine Ehre«, versicherte Frofoc, »dich zu dem Treffen zu begleiten und dem Kommissar vorzustellen.« 8. Blut und Schlamm,
Sand und Erde
Huqar-Gras. Rigutt Salm dachte an Huqar-Gras. Warum nur trug er kein einziges Büschel mehr bei sich? Es würde ihm helfen, zur Ruhe zu kommen. Der Besuch dieses Fauns namens Schahid-irgendwas hatte ihm das innere Gleichgewicht geraubt. Seitdem fand er keinen Frieden mehr.
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Die völlige Gelassenheit, mit der er dem Tod ins Auge geblickt hatte, war verschwunden. Sosehr er es auch ver suchte, er konnte sie nicht wiederfinden. Noch immer dürstete ihn nach Gerech tigkeit und spürte das Verlangen, den Haspronern die Grenzen aufzuzeigen ... aber dieses Gefühl überstrahlte nicht mehr alles andere. Es musste zu viele Dinge aufgeben, um dieses einen Triumphes willen; ein Tri umph, der zwar gewaltige Folgen nach sich ziehen würde, der aber dennoch et was Schales mit sich brachte. Lange dachte Rigutt darüber nach, worin dieser schale Beigeschmack bestand, aber er fand die Lösung nicht, obwohl sie manch mal greifbar nahe vor ihm zu liegen schien. Er konnte sich ohnehin nicht gut kon zentrieren. Seine Atemöffnungen waren spröde, ausgetrocknet und rissig. Die Sandkörner in der Luft, sonst wohltuend rau, schmerzten bei jedem Atemzug. Seine Nervosität nahm konti nuierlich zu, jede einzelne Hornschuppe schien zu jucken. Von derlei Symptomen hatte er schon gehört – Entzugserscheinungen bei über mäßigem Huqar-Genuss. Manche Jungen litten darunter, eine ganze Militäreinheit sollten sie einst das Leben gekostet ha ben. Davon konnte in seinem Fall jedoch keine Rede sein, er war stets verantwor tungsbewusst mit den Grasbüscheln um gegangen. Die ätherischen Wirkstoffe hatten seinen ganzen Körper und die in neren Organe gestärkt – von der posi tiven Auswirkung auf die Verflechtung der unbewussten Nervenzellen im Ge hirn völlig abgesehen. Es ist die innere Unruhe, die die Scheinsymptome hervorruft, erkannte er. Die Angst vor dem Tod. Aber wieso? Warum gerade in dieser entscheidenden Phase des Unterneh mens? Bis vor wenigen Stunden war er abso lut überzeugt gewesen, richtig zu han deln. Er hatte Abschied genommen und stand für die Sache der Gerechtigkeit
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ein. Für sich und für sein Volk, wie er es viele Jahre lang als Soldat getan hatte, nur dass es an diesem letzten Tag auf völ lig andere Weise geschah. Der Gedanke an sein Jungweib Karra ging ihm nicht mehr aus dem Kopf. Er sah sie vor sich, die braunen Augen über den hellen, ausgeblichenen ... »Nein«, rief er in die Einsamkeit, griff nach dem Projektil-Gewehr und ging ei nige Schritte. Er schwenkte den Lauf, zielte auf imaginäre Punkte am Horizont und zwang sich auf diese Weise zur Kon zentration. »Es hat sich nichts geändert! Die Wahrheit ist noch immer die gleiche und wird es immer bleiben.« Sein letztes Wort verhallte, der Wüs tenwind nahm es mit sich. Der Sand vibrierte. Die einzelnen Körner bereiteten sich auf ihren letzten Tanz vor. Sie kamen. Die Hasproner. Die Feinde. Der Handelsbeauftragte setzte seine Ankündigung in die Tat um. Selbstver ständlich hatte Rigutt die Bodenminen nicht entfernt. Die Faune konnten die Positionen also genau bestimmen? Soll ten sie doch. Sie würden die Bomben nicht entschärfen können, ohne sie zu zünden. Es würde also ein hübsches Feuerwerk geben, weithin sichtbar, sein Signal an die Welt, seine Botschaft, die die Faune für ihn hinausschrien: Seht her, ihr Dron, das ist das Werk der Hasproner, und am Ende töten sie einen von uns. Denn Rigutt Salm würde diesen Platz, sein Land, nicht eher verlassen, bis sie ihn ermordet hatten. Vielleicht würden sie es wie einen Unfall mit einer ihrer riesigen Maschinen aussehen lassen. Möglicherweise würden sie ihn in einer verschlammten und zu Moor perver tierten Parzelle versinken lassen, auf dass seine sterbliche Hülle nie wieder die Wärme der Sonne und die Hitze des Windes fühlte. Der Moment der Unsicherheit verging. Rigutt schüttelte die Schwäche ab, die
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ihn fast vom Weg abgebracht hatte; er fand zu seiner Mission zurück, zu seiner Aufgabe, die im Kosmos seit jeher für ihn vorherbestimmt war. Das Verlangen nach Huqar verging. Karras Bild stand vor seinem inneren Auge, aber es weckte keine wehmütigen Gefühle mehr, sondern verstrahlte nur den Glanz ihrer Schönheit und Anmut. Er glaubte sie riechen zu können. Ein Gleiter tauchte am Horizont auf. Ein zweiter. Und hinter ihnen materialisierten die gigantischen Umrisse der Maschinen aus dem Dunst aus Sand, den sie vor sich em porwirbelten. Ihre Messer und die Ener gie der Laser wühlten sich in die Ober fläche des Planeten, verdampften und zerstrahlten Mawegos Masse und berei teten sie zusammen mit Wasser, Bakte rien und Humuserde wieder auf, um sie als schlammige Erde zurückzuwerfen auf die Planetenoberfläche. Rigutt musste es nicht mit eigenen Au gen sehen. Er wusste alles über diesen Prozess, vor allem, dass er ihn nicht än dern konnte. Zumindest nicht auf di rektem Weg. Bei den beiden Gleitern handelte es sich um rundum geschlossene Modelle. Der alte Dron hatte auf ein offenes Mo dell gehofft oder dass eine der Formungs maschinen zuerst kommen würde. Dann hätte er mit der Projektil-Waffe einen sauberen Schuss auf den Steuer-Arbeiter setzen können. Für einen geschlossenen Gleiter jedoch taugte sie nichts. Er legte sie zurück ins Arsenal, ließ den Blick langsam über die anderen Waf fen schweifen und zog schließlich den stärksten Strahler heraus; ein Modell, das ausschließlich in der besten Fabrik der Heimatwelt gefertigt wurde. Punktgenauer Beschuss würde die Hülle des Gleiters durchdringen und den Innenraum in eine tödliche Falle ver wandeln. Ob und wie viele Hasproner er tatsächlich traf, würde er zwar mögli cherweise vor seinem Tod nicht mehr er fahren, aber das ließ sich nicht ändern. Ein kleiner Preis angesichts des großen Nutzens.
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Die Gleiter stockten und blieben in der Luft stehen, zu weit entfernt für gezielten Beschuss. Rigutt musste noch warten. Er atmete die heiße, trockene Luft. Welche Wohltat! Im nächsten Augenblick raste ein na delfeiner roter Laserstrahl aus der Un terseite des Gleiters. Einen kaum wahr nehmbaren Moment lang zerschnitt er den Himmel wie ein Skalpell die Haut, dann krachte der Donner einer Explo sion. Feuer wallte auf, aus dem dunkler, na hezu schwarzer Rauch quoll. Der Sand erbebte unter seinen Füßen; Rigutt spür te die letzten Ausläufer der Druckwelle. Die Bodenminen! So also wollten die Hasproner dieses Problem lösen ... Sie planten die Minen nacheinander zur Explosion zu bringen. Schon zuckte der zweite Laserstrahl in die Tiefe, zer fetzte erneut eine Detonation einen Teil seines Landes. Rigutt Salm sah Feuer und Rauch und davonwirbelnden Sand. Er blieb stehen, völlig ruhig, die Waffe im Anschlag. Ein Veteran vor seinem letzten Schuss, mitten in einer unterge henden Welt ... * Die Nachricht über das gelandete USO-Schiff erwies sich als weniger ka tastrophal, als es zunächst den Anschein erweckt hatte. Schahid-Felah hatte inzwischen die Information erhalten, dass die PETRA LONA von den Dron auf dem Raumha fen festgehalten und die Besatzung am Aussteigen gehindert wurde. Dies war einer der seltenen Fälle, in denen sich die Echsenabkömmlinge tatsächlich als nützlich erwiesen. Außerdem handelte es sich bei dem USO-Schiff um ein recht kleines Beiboot mit nur wenigen Mann Besatzung. Scha hid-Felahs Wissensstand war alles ande re als brandaktuell, doch für ihn zählte nur eines: Er hatte den Auftrag erhalten, bis auf Weiteres die Umformung des
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Landes voranzutreiben. Und genau das plante er zu tun. Die Maschinen rollten, Millionen Ku bikmeter Sand waren bereits neu gestal tet worden, ein perfektes, schöpferisches Werk von höchster Eleganz. Der weitere Prozess von Zersetzung und Neuordnung würde noch einige Zeit in Anspruch neh men. Der Handelsbeauftragte steuerte per sönlich einen der beiden Gleiter, die vor den Maschinen flogen und dafür sorgten, dass es zu keinen unvorhergesehenen Schwierigkeiten kam. In diesem Fall hieß das nichts anderes, als die Bodenmi nen des verrückten Dron zur Explosion zu bringen. Detonation um Detonation erklang unter ihnen und schickte Feuer und Rauch empor. Die Sichtscheibe des Glei ters war längst mit einer dicken Schicht schmierigen Rußes bedeckt. Es störte den Hasproner nicht weiter, da er ohnehin ei nen automatischen Kurs programmiert hatte, der sein Fluggefährt über den ver grabenen Minen stoppen und einen ge zielten Laserschuss abfeuern ließ. Die Bordpositronik meldete den Ein gang einer Nachricht höchster Priorität. Er glaubte seinen Augen nicht zu trauen, als er den Absender erkannte: Jallal Qan, der Dron-Kommissar, der wichtigste Verwalter des gesamten Planeten! Was wollte Qan zu dieser frühen Stun de von ihm? Ein rascher Blick auf den Chronometer ergab, dass er sich nicht täuschte – bis zu dem am Abend anbe raumten Treffen blieb noch einige Zeit. Er aktivierte die Verbindung. »Schahid-Felah Arom-Neb-Luba Bas ba VI.« Immerhin erwies ihm der Dron die Ehre, mit seiner knarrenden Stimme, die an das Knirschen ausgetrockneter Hölzer erinnerte, seinen vollen Namen auszusprechen. »Du wirst von dem Schiff der USO gehört haben.« »Ein Beiboot mit kleiner Besatzung. Ich bin sicher, deine Leute können ...« »Du weißt nicht, dass das Flaggschiff der USO eingetroffen ist? Die TRAJAN steht wenige hundert Meter über dem Raumhafen.«
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Das war nicht mehr und nicht weniger als eine Katastrophe. Noch während Schahid-Felah nach Worten rang, fuhr der Dron-Kommissar fort. »Wir beide sind die wichtigsten Ver treter unserer Völker. In dieser Stunde der Not müssen wir uns vereinen. Euer Umformungsprojekt muss zur Ablen kung der Besucher dienen.« Im ersten Moment glaubte er sich ver hört zu haben. Ein Bündnis? Mit den Dron? Und ausgerechnet den größten Streit punkt im Konflikt ihrer Völker wollte der Kommissar ausnutzen, um daraus Nutzen zu ziehen? Den ehemals größten Streitpunkt, ver besserte er sich selbst in Gedanken. Denn als weitaus bedeutender hatte sich mitt lerweile der Fund des gigantischen Arte fakts erwiesen. Schahid-Felah wollte nichts übereilen und versuchte, das Gespräch auf unver fängliches Terrain zu lenken. »Unser Treffen findet erst in sechs Stunden statt.« »Sei vernünftig. Ich habe meinen Ter minkalender geändert und es für sofort eingetragen. Ich bin bereits unterwegs zu deiner Position. Wir müssen uns bespre chen. Sofort!« Der haspronische Handelsbeauftragte stoppte die automatische Zerstörungsse quenz. Wie würde es Jallal Qan wohl ge fallen, in einen völlig zerstörten Ab schnitt der Wüste zu gelangen, in dem es aussah, als habe dort ein Krieg getobt? »Wir können uns in der Stadt treffen«, schlug er hilflos vor. »Ich bin bereits unterwegs«, wieder holte der Kommissar und unterbrach die Verbindung. Ausgerechnet hier, dachte SchahidFelah. Wo zu allem Überfluss dieser alte Veteran in seinem Irrsinn noch immer darauf lauert, seine selbstzerstörerische Aktion zu starten. Aber er konnte es drehen und wenden, wie er wollte – es war tatsächlich nötig, zum Schein mit den Feinden zu koope rieren, um noch größeres Übel abzuwen
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den. Er konnte nur hoffen, dass Rigutt Salm so lange stillhielt. * Ihr habt nun gelernt, von welch großer Bedeutung ihr für den Lauf der Welt seid, weil jede eurer Entscheidungen wichtig ist. Vielleicht wird einer von euch tat sächlich die Geschichte eines ganzen Planeten ändern oder gar die der gesam ten Galaxis. Doch das ist das Schicksal der Wenigs ten. Diese Wenigen werden von anderen oft bewundert, weil sie glauben, sie seien so viel strahlender als sie selbst. Einige versuchen, sich im Glanz dieser ver meintlichen Helden zu sonnen, als könnten sie dadurch wahre Größe gewin nen. Hört genau zu, was ich euch sage, ihr lieben Kleinen. Denjenigen, die über Hunderte, Tausende oder Millionen an dere bestimmen, ist ein schweres Los zu teil geworden. Was aussieht wie reine Herrlichkeit, ist oft von Leid und persön licher Not bestimmt. Doch was ist mit all den anderen? Mit der Masse aller Lebewesen? Mit uns?, mögt ihr fragen. Ihr seid nicht weniger kosmisch bedeutend als die strahlenden Helden der Historie. Wenn ihr etwas von dem, was ich euch heute erzähle, mitnehmt, dann dies. Ihr seid genauso wichtig. Auch wenn es nicht so aussieht, als würden eure Entschei dungen die Welt beeinflussen, tun sie das vielleicht doch. Auf mehr oder weniger direkte Weise. Ein alter Dron, der sich entscheidet, nicht zu schießen. Ein haspronischer Handelsbeauftrag ter, der in der Stunde der Not zur Koope ration bereit ist, um größeres Übel abzu wenden. Lebewesen, die an einem namenlosen Fleck in der Wüste zusammengewürfelt werden für einen Augenblick, der sie für immer verbinden wird. Sie waren nicht die Einzigen an jenem Tag auf Mawego. Andere waren bereits unterwegs, Intelli genzwesen aus verschiedenen Völkern.
Und seht ihr auch, wie die Entschei dungen von außen beeinflusst werden können? Überlegt nur. Die Ankunft der TRA JAN. Ein verschobener Termin. Schon diese beiden externen Faktoren basieren wiederum auf Entscheidungen Einzel ner, die das Leben anderer beeinflussen, bis am Ende exakt jene Situation ent steht, die notgedrungen entstehen muss. Das Spiel des Lebens setzt sich aus vielen Komponenten zusammen. Nur die wenigsten dieser Komponenten können wir bestimmen. Andere kommen auf uns zu, wir müssen auf sie reagieren und in unser Sein einbeziehen, wenn wir über leben wollen. Und das wollen wir doch, oder? Selbst der alte Dron vor seinem Waffen arsenal wollte es, wenn er es sich auch nur manchmal eingestand – in jenen Mo menten, die er für seine schwachen Au genblicke hielt, die aber in Wirklichkeit diejenigen waren, in der er die größte Stärke bewies. Rigutt Salm. Ich habe den Namen lan ge nicht mehr ausgesprochen, ihr lieben Kleinen. Ihr könnt euch nicht vorstellen, welche Erinnerungen er weckt. Doch nun wird es Zeit, dass ich euch das Ende der Geschichte berichte. Ma wegos Schicksal hing am seidenen Fa den, und die Spieler kamen aus allen Richtungen. Einer von ihnen sollte eine besondere Rolle einnehmen, doch davon ahnte er noch nichts. Dieser eine war ein Mor’Daer. Aus den Aufzeichnungen eines Dron 9. Unerwartete Entdeckungen »Wie lange noch?«, zischte Senego Trainz. Wenige Meter unter ihnen näherten sich haspronische Kampfroboter auf ih ren Routinewegen bedrohlich. Sie wür den die drei Mikro-Bestien unter ihren Tarnschirmen zwar nicht entdecken können, wohl aber die energetischen Ma
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nipulationen, mit denen Doray Celvius versuchte, eine Strukturlücke in den Kuppelschirm zu schalten. »Fast geschafft.« Ein kurzes Sirren, schrill und hoch, dann flimmerte ein kreisförmiger, etwa einen halben Meter durchmessender Be reich des ansonsten völlig durchsichtigen gigantischen Schutzschirms in sattem Rot. Wiederum einen Augenblick später flackerte nur noch ein schmaler Bereich rings um die Fläche, während im Inneren jede Farbe verblasste. Nichts schien sich dort verändert zu haben, doch Dorays zufriedene Worte bewiesen das Gegenteil: »Die Struktur lücke wird nur wenige Sekunden stabil bleiben.« Ehe das letzte Wort gesprochen war, tauchte er – noch immer unsichtbar für jeden Beobachter – durch den Schirm ins Innere der Kuppel. Khiz Turagga und Senego Trainz folgten. Untereinander konnten sich die Mikro-Bestien sehen, da sie speziell jus tierte Brillen trugen. Die interne Funk verbindung war perfekt nach außen ab geschirmt. Über ihnen erlosch das rote Flim mern. Der Anführer der Mikro-Bestien warf einen raschen Blick auf die Anzeige sei nes Miniorters. Sämtliche Kampfroboter in der Umgebung hielten ihren ursprüng lichen Kurs bei; es schien, als sei das Ein dringen der Mikro-Bestien nicht bemerkt worden. Gemeinsam sanken sie langsam einem der sechs Sammelpunkte am Boden ent gegen, die von den Robotern besonders umlagert wurden. Trainz blickte erneut in die Höhe und erkannte den verhäng nisvollen Fehler, der ihnen unterlaufen war. Ein haspronischer Kampfroboter kam ihnen hinterher. Die Hülle mit den beiden Handlungsarmen glänzte blau grau. Zusätzlich ragten Laser-Ab strahldorne direkt aus den Seiten der Schädelsektion. Der Kurs der Kampfmaschine glich sicher nicht zufällig dem der Eindring
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linge, zu sehr wich er von der üblichen Route ab. Schnelles Handeln war gefragt. Noch hatte die Einheit ihre Entdeckung viel leicht nicht weitergemeldet, weil sie die Unstimmigkeit, die ihre Sensoren be merkt hatten, überprüfen wollte. Trainz fällte augenblicklich eine Ent scheidung. Den Roboter auszuschalten, wäre ihm ein Leichtes, aber das genügte nicht. Der Vorfall durfte keine Aufmerk samkeit auf sich ziehen oder zumindest nicht den Rückschluss auf Eindringlinge zulassen. Also musste alles wie ein tech nischer Defekt wirken. Es gab nur eine Lösung. Trainz gab Vollschub auf das Flugaggregat und jagte der Maschine entgegen. Im Bruchteil ei ner Sekunde wandelte er seinen Körper strukturell um, sodass er die Stärke und Festigkeit von Terkonitstahl annahm. Über diese Fähigkeit verfügte jede Mi kro-Bestie, genau wie ihre großen Eben bilder, die Haluter. Senego Trainz jagte mit ausgestreck ten Armen voran in den Roboter und durchschlug glatt dessen Steuerzentrum. Nun würde er sicher keine Botschaft mehr weitergeben. Mit dieser Blitzattacke schaltete Trainz die Einheit ohne energetische Streustrahlung aus. Zusätzlich trieb er das Wrack des Roboters durch den Schwung der Attacke nach oben. Keine Sekunde später schmetterten Metall und zerstörte Technologie in den Kuppel schirm. Trainz selbst drehte im letzten Augenblick ab und brachte sich außer Reichweite. Über ihm funkelte und flirrte es. Über schlagsblitze zuckten über den Schirm und krachten in den metallischen Leib, der von den energetischen Rückkopp lungseffekten beinahe vollständig zer fetzt wurde. Trümmerteile regneten in die Tiefe und prasselten in den Wüsten sand. Niemand würde feststellen können, dass der Roboter schon vor dem Zusam menstoß mit den Energien des Schirms außer Gefecht gesetzt worden war. Mit etwas Glück würde der Vorfall als Fehler
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des Roboters behandelt werden – zumin dest so lange, wie sich die drei MikroBestien unter der Kuppel aufhielten und Nachforschungen anstellten. Mit etwas Glück, wiederholte Trainz seine eigenen Gedanken und erinnerte sich an den letzten Wortwechsel mit Ro nald Tekener, ehe sie zu ihrer Mission aufgebrochen waren. Offenbar musste er in Zukunft darauf achten, nicht zu viel von der terranischen Denkweise zu über nehmen. Dutzende Roboter strebten den Bruch stücken am Boden entgegen. Trainz’ Positronik fing etliche Funk sprüche auf, die er ignorierte. Einen po sitiven Nebeneffekt hatte die Unruhe – die nächstgelegene Sammelstelle war unvermittelt weniger dicht belagert. Die drei Mikro-Bestien zögerten keine Sekunde. Sie rasten im Schutz der Un sichtbarkeit weiter und erkannten schon bald, worum es sich bei den Sammelstel len handelte, um die man die Sandschicht abgetragen hatte. Breite Einstiegsluken boten Zugang zu Schächten, die steil in die Tiefe führ ten. »Wir gehen durch«, funkte Trainz. Ohne ihre Geschwindigkeit zu brem sen, ließen sich die Mikro-Bestien an den Kampfrobotern vorbei in das gähnende Loch fallen. Die Abschirmung der TRAI TOR-Kampfanzüge war so perfekt, dass sie nicht als Eindringlinge wahrgenom men wurden. Erst unter der Erde bremsten die drei ihren rasenden Flug ab. Sie schwebten in einem nach unten geneigten Korridor. Die Wände bestan den aus grauem Metall, gingen nach et wa fünfzig Metern in schwarzes Gestein über, durch das sich grünliche Kristall adern zogen. Plötzlich brachten Trainz’ automa matische Ortungsscans unerwartete Ergebnisse. Offenbar verhinderte ein bislang unbekannter Einfluss eine An messung von außerhalb. Nun jedoch war klar zu erkennen, dass sich unter halb des Korridors gewaltige Metall massen über mehr als fünf Kilometer
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Länge erstreckten. Das gigantische Ge bilde wies eine Dicke von einigen hun dert Metern auf. Trainz war keineswegs überrascht, dass diese Masse eine grob dreieckige Form bildete. Sie entsprach in etwa dem Bereich, der oberirdisch von den Dron und Haspronern abgeriegelt wurde. Die Anzeige offenbarte sechs Korri dore ähnlich denen, die von der Metall masse ausgehend durch Gestein und Sand an die Oberfläche des Planeten führten. Die Eindringlinge erreichten das Ende des Korridors. Vor ihnen weitete sich ei ne unterirdische Halle – oder eine Höhle, die fast aussah, als sei sie auf natür lichem Weg entstanden. Feuchtigkeit sammelte sich auf der nur etwa drei Meter hohen Decke und tropfte auf den Boden, der aus einem ei genartig spiegelnden Material bestand. Trainz und sein Team schwebten nach wie vor. Vom Korridor aus erstreckten sich in beide Richtungen unregelmäßig geformte Gesteinswände, die sich erst leicht, dann immer stärker krümmten und so eine halbkreisförmige Höhlenflä che bildeten. Das Spiegelmaterial am Boden war allgegenwärtig, in der Mitte der Höhle ragte es in Form einer schlanken Säule in die Höhe und vereinte sich mit der De cke, von wo aus es sich zu einem feinen, spinnennetzartigen Geflecht verästelte. Vorsichtig ging Trainz tiefer. Im Boden spiegelten sich sowohl die Decke als auch die Säule; die Eindringlinge selbst blie ben dank der Deflektorschirme unsicht bar. Aus dem gläsernen Grund strömte auch das matte Licht, das die Höhle er füllte. Die Mikro-Bestie setzte auf, bereit, so fort wieder abzuheben. Doch nichts ge schah. Das Glasmaterial trug wie sta biler Boden. Obwohl es durchsichtig schien, verwehrte es den Blick auf das, was darunter lag. Erst als Trainz eine genauere Muste rung vornahm, erkannte er, dass sich der Boden in zahllose trapezförmige Seg mente unterteilte. Die Fugen zwischen
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den Segmenten waren teilweise so fein, dass man sie kaum wahrnehmen konn te. »Zeichnet alles auf!«, befahl er. »Längst geschehen«, sagte sein Stell vertreter. Trainz bückte sich, schob seine Finger in eine der breiteren Fugen. Sie tauchten hinein wie in Gelee. Er konnte sie biegen, das Glassegment von unten umklam mern und anheben. Der Stabilität des Gesamtgebildes entstand dadurch kein Schaden. Ein Durchgang in noch tiefer gelegene Bereiche entstand, ins Herz des kilome tergroßen Metallkolosses. Diese eine Klappe genügte, die Mikro-Bestien pas sieren zu lassen. Für Dron, Hasproner oder auch Terraner hätten mehrere ne beneinanderliegende Segmente geöffnet werden müssen. Die drei Mikro-Bestien tauchten tie fer. * Es war genauso gekommen, wie die beiden Mor’Daer es ihm prophezeit hat ten. Ronald Tekener stand nicht nur ein Treffen mit dem Dron-Kommissar bevor, sondern auch mit dem haspronischen Handelsbeauftragten. Er würde sich also bald sowohl einem Dron als auch einem Hasproner gegen übersehen, erbitterten Feinden, die ein ander verachteten und deren vollkom men verschiedene Ansichten ihren Konflikt als unlösbar erscheinen ließen. Tek hatte sich von Alemc Frofoc aus erbeten, noch einmal in die PETRALO NA zurückkehren zu dürfen, um zwei Begleiter auszuwählen. Das lag wenige Minuten zurück. Der Smiler suchte die beiden Mor’Daer und den Ganschkaren auf. »Es ist so weit. Wenn ihr dazu bereit seid, würde ich mich über eure Hilfe sehr freuen. Eu re Botschaft wird mir zweifellos helfen können, zum Ziel zu gelangen.« »Wir sind bereit«, versicherte einer der Mor’Daer. Die langen Haare hingen wirr um den Schlangenschädel. »Du wirst
bald sehen, dass wir Versprengten nicht nur eine Last für die Völker des Galak tikums bilden.« »Und das wiederum hoffe ich.« Der Smiler legte zwei sandfarbene Umhänge auf den Boden. »Zieht sie an. Ich möchte, dass man euch erst am Ziel erkennt.« »Eine Maskerade mittels eines Um hangs?«, spottete der Ganschkare, der sich nach wie vor uneinsichtig zeigte. »Etwas Moderneres hat die USO nicht zu bieten?« »Nicht, solange es nicht nötig ist«, stellte Tek klar. »Ein Stück Stoff erfüllt in diesem Fall denselben Zweck wie ein Verzerrerfeld.« Und außerdem, fügte er in Gedanken hinzu, geht mein Vertrauen doch nicht so weit, dass ich Wildfremden unsere High tech zur Verfügung stelle. Widerspruchslos legten die schlangen artigen Wesen die Kutten an und schlugen die Kapuzen über die dichten Haare. Schatten fiel auf die Gesichter. Die Dron würden sie nicht als das er kennen, was sie waren, schon gar nicht, weil sie nicht damit rechneten, jemals wieder Mor’Daer gegenüberzustehen. Zwar war dieses Volk dank der grauen haften Geschehnisse um die Besetzung der Milchstraße auf nahezu allen Welten zu trauriger Berühmtheit gelangt, doch dieses Kapitel gehörte der Vergangenheit an. »Um eines klarzustellen«, sagte Tek. »Ihr seid nach wie vor in der Schutzhaft der USO – oder wie immer ihr selbst das nennen wollt.« »Wir werden nicht fliehen«, versicher te einer der Maskierten. »Es würde für uns keinen Vorteil bedeuten.« Gemeinsam verließen sie die PETRA LONA. Tek konnte nur hoffen, dass sich Kom missar Jallal Qan und der haspronische Handelsbeauftragte für die Botschaft der Mor’Daer als empfänglich erweisen würden. Wenn sich auf diese Weise der Konflikt auf diesem Planeten lösen ließ, war ein bedeutendes Nebenziel erreicht. Der Po lyport-Hof besaß zwar ungleich größere
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Bedeutung, aber um diesen mussten sich momentan noch Senego Trainz und sein Einsatzteam kümmern. Gerade in dem Moment, als sie aus schleusten, ging die Botschaft ein. * »Um wen handelt es sich bei deinen Begleitern?«, fragte Alemc Frofoc aus dem geöffneten Einstieg des Vier-Per sonen-Gleiters heraus. »Das tut nichts zur Sache.« Tek bedeutete den maskierten Mor’Daer einzusteigen und folgte über die wenigen Trittstufen. Ein herber Geruch ging von seinen beiden Begleitern aus, der sich in der kleinen Kabine jedoch bald verlor, als sich Teks Geruchssinn daran gewöhnte. In der größeren Zelle war es ihm nicht aufgefallen. Der Dron-Sekretär akzeptierte die Anonymität der Begleiter ohne weitere Nachfragen. Offenbar hatte er genug von den Machtspielen mit dem berühmten galaktischen Spieler. Vielleicht hakte er auch nur deshalb nicht nach, weil er über keinerlei Handhabe verfügte, einen hochrangigen Abgesandten der USO zu überprüfen – den stellvertretenden Si cherheitsbeauftragen des Galaktikums, um genau zu sein. Als solcher verfügte Tek über allerlei Privilegien. Der Gleiter hob ab und flog in gemäch lichem Tempo über den Raumhafen. »Ich hoffe«, sagte Tek süffisant, »dein Gleiter hat durch den kleinen Orkan, den die Ankunft der TRAJAN ungewollt ver ursacht hat, keinen Schaden genom men.« »Keineswegs«, versicherte Frofoc ton los. Durch die Sichtscheibe erkannte Tek nicht nur die PETRALONA, sondern auch einen Teil der gewaltigen unteren Rundung des Ultraschlachtschiffs der USO. Vorbei an den flachen Gebäuden am Rand des Landefelds, gelangten sie schließlich auf freies Gelände und be schleunigten. Tek dachte über die ersten Holobilder
nach, die ihm von Doray Celvius auf ei ner gesicherten Frequenz geschickt wor den waren – Aufzeichnungen einer halb kreisförmigen Höhle mit spiegelndem Boden. In der kurzen Begleitbotschaft war ihm versichert worden, dass bald weiteres Material folgen würde. Frofoc stellte den Gleiter auf Autopi lot und wandte sich seinem prominenten Gast zu. »Ich kann den Kommissar noch immer nicht erreichen, aber er hat seinen Terminplan vor weniger als zwei Stun den geändert, ohne mich in Kenntnis zu setzen. Er muss sich demnach gerade bei einem Treffen mit dem haspronischen Handelsbeauftragten befinden, an einem Ort in der Wüste, an dem die Umfor mungsarbeiten vorangetrieben werden. Wenn wir ankommen, erlaubst du bitte, dass ich kurz allein mit ihm spreche. Ich muss den Kommissar auf deine Ankunft vorbereiten.« »Selbstverständlich«, stimmte Tek zu. Wahrscheinlich passt dir der Ort dieses ominösen Treffens nur allzu gut, weil er sich weit von dem Polyport-Hof entfernt befindet, den ihr vor mir verbergen wollt. Der weitere Flug verlief ohne Zwi schenfälle. Der Dron versuchte nicht, die Identität von Teks Begleitern zu enthül len; im Gegenzug übte Tek keinen wei teren Druck auf den Sekretär aus. Frofoc wirkte überaus erleichtert. Wahrscheinlich sehnte er sich danach, die Verantwortung endlich an Kommis sar Qan abgeben zu können. Als sie sich ihrem Ziel näherten, er kannte Tek einen Flammenpilz am Hori zont. Er hatte mit vielem gerechnet, aber nicht damit, mit einer Explosion begrüßt zu werden. 10. Endspiel Es wurde dunkler, je tiefer sie kamen. Weder Senego Trainz noch einer seiner Begleiter benötigte Helligkeit, um sich orientieren zu können. Dank der Anzug orter konnten sie sich auch in völliger
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Dunkelheit ein nahezu perfektes Bild ih rer Umgebung machen. Dennoch schaltete Trainz eine in den Kampfanzug integrierte Lampe an. »Laut der Ortungsergebnisse liegt die Bodenfläche dreihundert Meter tiefer«, meldete Khiz Turagga. »Sie scheint aus einer nahezu endlosen Ebene oder be sonderen Auffälligkeiten zu bestehen.« »Unter uns liegt eine gigantische Hal le von etlichen Quadratkilometern Grundfläche und mehreren hundert Me tern Höhe«, ergänzte Doray Celvius. »Ein dreieckiger Grundschnitt, gerade Wände wie bei einer gewaltigen Box. Scheint leer zu sein.« »Abwarten«, meinte Trainz. »Zwar zeigt mein Orter ebenfalls nichts an, aber wir werden uns etwas genauer umsehen müssen, ehe wir endgültige Festlegungen treffen.« »Ich orte sehr wohl etwas«, warf Tu ragga ein. »Am Rand der Halle, uns ge genüber. Drei gewaltige, säulenartige Aufbauten, die fast bis zur Decke ragen, die an dieser Stelle nach oben gewölbt ist.« Mit einem Mal empfing der Anführer der Mikro-Bestien außerdem eine große Anzahl passiver energetischer Signa turen, die sich überall in der Halle ver teilten. Ihre Emissionen waren so gering, dass er zunächst nicht darauf aufmerk sam geworden war
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Weniger als einen Meter über der Grundfläche stoppten die Eindringlinge ihren Sinkflug. Die Lampen rissen scharf konturierte, winzige Bereiche der Umge bung aus der allgegenwärtigen Dunkel heit. Wieder schien die Bodenfläche selbst am auffälligsten zu sein. In dieser Halle bestand sie im Gegensatz zu der Schleu senhöhle, wie Trainz sie für sich nannte, aus einem grellgrünen Metall, das der Ortungsanalyse nach extreme Festigkeit aufwies. Langsam schwebten die Mikro-Besti en weiter. Nach etwa einem Dutzend Me tern änderte sich die Färbung des Bodens und ging fließend in ein erst dumpfes, dann geradezu leuchtendes Rot über. »Zwanzig Meter vor uns. Dort ist et was!« Doray klang überrascht. Schon wollte Trainz ihn für die un konkrete Art seiner Meldung tadeln, als er selbst entdeckte, worauf sein Artge nosse anspielte. In der ewigen Weite der Ebene ragte ein flacher Bau auf, monoton und eintö nig, ein Schuppen, der wirkte, als ducke er sich, um nicht entdeckt zu werden. Die flachen Wände bildeten einen eintönigen grauen Fleck über dem leuchtend bunten Boden. Das Gebäude maß etwa drei auf zwei Meter bei einer Höhe von nur fünfzig Zentimetern.
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Eine Türöffnung, in ihrer Größe gera dezu für die Mikro-Bestien geschaffen, gähnte ihnen entgegen. Trainz durchflog sie. Das Innere des kleinen Gebäudes wies keinerlei Unterteilungen auf; Ein richtungsgegenstände gleich welcher Art fanden sich nicht. Im Unterschied zum Äußeren waren die Innenwände wie der Boden mit leuchtend bunten Farben ge strichen. Der Eindruck des Gestrichenen ent stand, weil an einigen Stellen die Farbe abblätterte und darunter ein sattes Bern steingelb erschien. Der Anführer der Mikro-Bestien ver ließ das Gebäude wieder. »Völlig leer«, setzte er seine Begleiter knapp in Kennt nis. Gemeinsam flogen sie zur gegenüber liegenden Seite der gewaltigen unterir dischen Halle, dorthin, wo Turagga die säulenartigen Aufbauten geortet hatte. Unterwegs entdeckten sie weitere der flachen Schuppenbauten. Die Säulen erwiesen sich als vier ge kreuzte, leuchtend blaue Röhren von je fünfzig Metern Dicke und 610 Metern Länge. Sie ragten in einem flachen Win kel vom Boden auf, insgesamt erstreck ten sie sich gut zweihundert Meter in die Höhe und erreichten damit die halbe Höhe der Hallendecke. Dennoch wölbte diese sich in diesem Bereich zusätzlich noch weiter nach oben. Auf den ersten Blick konnte Trainz diesem Gebilde keinerlei Bedeutung zu ordnen. Sie fertigten Holo-Aufnahmen an, als sie Geräusche vernahmen. Die Ortung ergab, dass sich aus einem der sechs Kor ridore einige Hasproner näherten. Trainz hatte sich ohnehin gewundert, das Inne re des Artefakts völlig verlassen vorzu finden. »Rückzug!«, befahl er. Sie hatten ge nug gesehen. * Das Feuer der Explosion loderte nur kurz auf und verwandelte sich in wal lende Schwaden aus schwarzem Qualm.
Sand spritzte zur Seite und trieb in Wol ken davon, ehe er sich wieder absetzte. Tek war zu weit entfernt, um Einzel heiten erkennen zu können. »Was geht dort vor sich?« Alemc Frofoc versicherte, dazu nichts sagen zu können. Es gehöre jedenfalls nicht zum normalen Hasproforming, das in dieser Gegend durchgeführt wurde. Der Gleiter flog in raschem Tempo weiter, setzte nur knapp eine Minute spä ter zur Landung an. Die Befürchtungen des Smilers, mitten in einen Krieg zu ge raten, erfüllten sich glücklicherweise nicht. Stattdessen standen zwei Dron und ein Hasproner heftig diskutierend ne beneinander. Eines der Echsenwesen trug eine klobige Handfeuerwaffe in einem Gürtel, der sich um die Körper mitte schlang. Frofoc landete. »Ich bitte euch noch einmal, kurz abzuwarten. Ich werde, so schnell es geht, zurückkehren.« Er schwang sich aus dem Gleiter. Der Smiler nutzte die Gelegenheit und widmete sich sofort der neuen Nachricht, die exakt zum Zeitpunkt der Explosion eingegangen war. Wie erhofft, enthielt sie weitere Holo-Aufnahmen, die die MikroBestien im Polyport-Hof angefertigt hat ten. Neben einem farblosen, winzigen Ge bäude auf einer bunten Bodenfläche be kam Tek auf diese Weise ein Gebilde aus vier gekreuzten riesigen Röhren zu Ge sicht. Vergleichbares war ihm aus den Informationen bekannt, die Bully der USO hatte zukommen lassen – dabei musste es sich um die sogenannten Trans ferkamine des Hofs handeln. In der Nachricht kündigten die MikroBestien die Rückkehr zur PETRALONA an und teilten mit, dass sie nicht enttarnt worden waren. Also konnten weder der Dron-Kommissar noch der Hasproner wissen, dass Tek inzwischen Beweise für die Existenz des Polyport-Hofes vorla gen. So sprang der Smiler äußerst zuver sichtlich ins Freie, als der Dron-Sekretär zurückkehrte.
Der verborgene Hof
Die Hitze der Wüste schlug ihm entge gen. Trockener, heißer Wind trieb Sand körner gegen seine Beine. Nach seinem Geschmack handelte es sich um alles an dere als einen gastlichen Ort; die Sumpf landschaften der Hasproner, die er aus Berichten kannte, schienen ihm jedoch auch nicht einladender. Frofoc führte Tek zu einem der beiden Dron und stellte ihn als Kommissar Jallal Quan vor. Dieser entschuldigte sich mit knarrender Stimme für die Unannehm lichkeiten, die Tek bedauernswerterwei se aufgrund einer Kette unglücklicher Zufälle hatte erleiden müssen. Der Smiler zeigte sich keineswegs ver söhnt, sondern kündigte mit diffusen Worten ein mögliches Nachspiel als un ausgesprochene Drohung an. Es konnte nicht schaden, wenn der andere ihm et was schuldig blieb. »Zur Sache«, sagte er dann. »Als offi zieller stellvertretender Sicherheitsbe auftragter des Galaktikums kann ich Aufrüstung und Vorbereitung zu einem Krieg, wie sie auf diesem Planeten von zwei Mitgliedsvölkern des Galaktikums betrieben wird, nicht dulden. Ich verlan ge eine Erklärung.« Der Hasproner hatte bislang einige Meter Abstand gehalten. Nun eilte er herbei. Das zottige Fell seines ziegenar tigen Unterleibs war dunkel von Schweiß. »Ich darf mich vorstellen. Handelsbeauf tragter Schahid-Felah Arom-Neb-Luba Basba VI. Ebenso wie mein Kollege Kommissar Qan vom Volk der Dron möchte ich aufs Entschiedendste wider sprechen. Von Vorbereitungen zu einem Krieg kann keine Rede sein.« Der Dron beeilte sich zuzustimmen. »Es entstanden lediglich ... Unstimmig keiten über den Umfang der Maßnahmen, mit denen die Hasproner die Umformung des Wüstengebiets in Sumpflandschaft vorantreiben. Genau deshalb findet unser aktuelles Treffen statt. Wir werden diese Unstimmigkeiten beseitigen und zu einer gütlichen Einigung gelangen.« »Und wir freuen uns«, versicherte Alemc Frofoc, der noch immer bei der kleinen Gruppe stand, »dass du als un
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abhängiger Beobachter an diesem Tref fen teilnehmen kannst, Ronald Tekener. So können alle Missverständnisse ausge räumt werden.« Von derartiger Heuchelei ließ sich Tek nicht beeindrucken. Den unabänder lichen Beweis dafür, dass es den beiden Völkern um etwas völlig anderes ging, trug er in Form von Holobildern im Speicher seiner Anzugpositronik bei sich. Ehe er etwas erwidern konnte, kam der dritte Dron, eine alte, leicht gebeugte Gestalt, mit schlurfenden Schritten nä her. Er hatte sich bislang im Hintergrund gehalten. Tek wusste nichts über ihn – außer, dass er eine Feuerwaffe bei sich trug. Als der alte Dron zu sprechen begann, fragte sich der Smiler, ob er die Auffüh rung eines bizarren Theaterspiels beob achtete. »Ich bin Rigutt Salm, wie du vermut lich weißt. Ich danke dir, dass du als Ab gesandter der USO auf meine Klage auf Hausfriedensbruch reagierst.« Klage auf Hausfriedensbruch? »Deswegen bist du ja wohl gekom men«, sagte Rigutt. »Um die elenden Faune endlich in ihre Grenzen zu wei sen.« »Halt dich zurück!«, forderte der haspronische Handelsbeauftragte. »Dei nen Fall werden wir intern klären.« »Das könnte dir so passen! Ronald Te kener persönlich kümmert sich um mein
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Recht. Du hast wohl Angst, dass er dir das Fell abschabt und dich zur Trock nung aufhängt, was?« Die Aggression, die in der Luft lag, konnte Tek geradezu körperlich spüren. In den nächsten Minuten erfuhr er mehr über die Rechtslage des alten Rigutt Salm, über vergrabene Boden-Minen und über Erbpacht-Verträge, als ihm lieb war. Schahid-Felah betonte erneut, dass es auch in diesem Fall lediglich um den An bau der Cadaju-Pflanze ging. »Die spezifische Hyperstrahlung der Sonne dieses Systems ist einmalig in der Galaxis und lässt die Cadaju-Schößlinge im Sumpf perfekt gedeihen. Die Vermeh rungsrate dieser kostbaren Pflanze über trifft sämtliche ausgelagerten Zuchtbe dingungen bei Weitem. Nicht nur, dass das Mark der Halme für ein glänzendes Beinfell und gesteigerte Potenz sorgt, es führt eindeutig zu einer kräftigen und belebenden Wirkung des gesamten Orga nismus über viele Stunden hinweg, ohne die negativen Auswirkungen berau schender Drogen zu zeigen. Die wirt schaftliche Bedeutung für mein Volk ist eminent.« Rigutt Salm zog unvermutet die Feu erwaffe. »Und dafür vergewaltigt ihr diesen Planeten?« Als würde er sich plötzlich eines Besseren besinnen, blick te er Tek an und ließ die Waffe wieder verschwinden. »Doch nun ist ja die USO vor Ort und wird für Gerechtigkeit sor gen.« »Meine beiden Begleiter werden mehr zur Klärung der Situation beitragen können als ich«, kündigte Tek an und gab den beiden Mor’Daer im Gleiter das ver abredete Zeichen. Er war gespannt, wie die Dron und der Hasproner auf die Ent tarnung reagieren würden. Schon auf dem Weg schlugen die Mor’Daer die Kapuzen zurück. Rigutt Salm schrie leise auf. »TRAI TOR-Schweine!« Im selben Augenblick riss er die Waffe heraus und feuerte. Selbst Tekener wur de von dieser impulsiven Handlung völ lig überrascht.
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Ein peitschender Knall. Ein Mor’Daer schrie und taumelte rückwärts. Vor seiner Schulter sprühte eine Wolke aus Blut. * Dies war die Sekunde, in der die Situ ation eskalierte. Ein Missverständnis, nicht mehr. Man gelnde Information oder eine falsche Einschätzung der Lage. Ronald Tekener hatte die Wirkung des Anblicks eines Mor’Daer auf einen Kriegsveteranen ge waltig unterschätzt. Vielleicht lag es daran, dass Rigutt Salm zu diesem Zeitpunkt nicht mehr er selbst war und seine Gefühle nicht mehr kontrollieren konnte. Möglicherweise hätte er zu jeder anderen Zeit ebenso re agiert – wer vermag das zu sagen. Nicht mal ich, ihr lieben Kleinen. Na türlich habt ihr es längst durchschaut, nicht wahr? Ihr seid meine klugen Kin der, klug wie eure Mutter Karra. Ich selbst bin dieser Rigutt Salm, euer alter Vater. Nach diesem verhängnisvollen Tag habe ich meinen Namen geändert. Die USO ermöglichte mir dies, ebenso wie sie mir eine neue Parzelle Land zur Verfü gung stellte, auf der ich mit Karra ein neues Leben beginnen konnte. Die Mor’Daer haben keine Anklage gegen mich erhoben, sondern im Gegenteil dar um gebeten, dass ich straffrei bleiben solle. Damit setzten sie ein Zeichen, das auf dem ganzen Planeten die Runde machte. So führe ich auf meine alten Tage ein neues Leben auf einer fremden Welt. Fast blind bin ich, doch ihr bringt noch einmal Licht in meine Existenz, genau wie eure Mutter es jeden Tag vermag. Und die Cadaju-Pflanze, die tatsächlich eine er staunliche Wirkung hat, auch auf uns Dron. Wer hätte gedacht, dass von den Haspronern etwas Gutes kommen könnte? Vielleicht hat Karra recht und ich er reiche tatsächlich das 300. Lebensjahr. Freuen würde es mich – es gibt so viel an
Der verborgene Hof
euch, das ich beobachten möchte. Viel leicht sehe ich eines Tages sogar eure ei genen Kinder. Aber lasst mich ein letztes Mal nach Mawego zurückkehren, zu jenem Augen blick, an dem die Wirklichkeit geboren wurde. Eine einzige Entscheidung kann das Schicksal eines ganzen Planeten verän dern. So sagte ich es euch. Genau das geschah, als ich mich entschied, den Mor’Daer zu erschießen. Es geschah im pulsiv, ohne nachzudenken, doch das än derte nichts an den Konsequenzen. Nur fielen diese ganz anders aus, als ich es ursprünglich beabsichtigte. Aus den Aufzeichnungen eines Dron 11. (Miss)verständnis Der Mor’Daer schrie. Er stürzte in den Sand, der sich unter seinem Rücken schnell blutig färbte. Tek riss dem Alten die Waffe aus der Hand und warf einen kurzen Blick dar auf. Es war ein Modell, das Projektile verschoss. Wahrscheinlich hatte eine Kugel die Schulter des Mor’Daer glatt durchschlagen. Es galt, keine Zeit zu verlieren. Der Smiler schwang die Waffe und schmet terte den Griff gegen Rigutt Salms Schlä fe. Der Dron taumelte zur Seite, Tek schlug ihm die Handkante gegen den schuppigen Hals. Das dürfte genügen, den Alten in eine Ohnmacht zu schi cken. Im Augenwinkel beobachtete er, wie der Attentäter reglos zusammensackte. »Besorgt mir einen medizinischen Notfallkoffer!«, herrschte er die anderen an und stürzte zu dem Mor’Daer. Dieser hatte bereits das Bewusstsein verloren. Die Blutlache um seine Schul ter im Sand vergrößerte sich bedenklich schnell. Offenbar war eine wichtige Ader verletzt worden. Der zweite Mor’Daer zerriss bereits die Kutte und die Unterkleidung über der Wunde. Gemeinsam drehten sie den
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Verletzten auf die Seite, damit Tek die Wunde genauer in Augenschein nehmen konnte. Wie erwartet, hatte das Projektil den Körper komplett durchschlagen. We nigstens notdürftig säuberte Tek die sandverschmierte Verletzung. Er presste Fetzen des Kuttenstoffs auf die Ein- und Austrittswunde, um den Blutverlust zu verringern. Rasch saugte sich dieser not dürftige Verband voll. Zu Teks Erleichterung brachte Alemc Frofoc tatsächlich einen Notfallkoffer aus dem Gleiter. Ohne ein weiteres Wort zu verlieren, ging der Dron an die Ar beit – er konnte die medizinischen Hilfsmittel seines Volkes am besten an wenden. Ein Gel stillte die Blutung, ein aufge sprühter Verband verschloss die Wund ränder. Nach der Injektion eines Schmerzmittels entspannte sich der in der Ohnmacht verkrampfte Mor’Daer sichtlich. »Du wirst ihn zur PETRALONA brin gen!«, befahl Tek dem Dron-Sekretär. »Dort übergibst du ihn dem Bord-Medi ker.« Alemc Frofoc bestätigte. Gemeinsam trugen sie den Verletzten zum Gleiter. Zurück blieben Tek, der zweite Mor’Daer, Kommissar Qan und der haspronische Handelsbeauftragte – so wie der ohnmächtige Attentäter Rigutt Salm. Gemeinsam standen sie in einem na menlosen Abschnitt der Wüste. Am Ho rizont zeichneten sich die gewaltigen Umrisse der Maschinen ab, die zur Um formung der Landschaft dienten. »Ihr werdet mir nun genau zuhören«, sagte der Mor’Daer. »Die Reaktion des Dron auf unseren Anblick hat genau ge zeigt, was ein Missverständnis bewirken kann. Wir sind nicht eure Feinde. Der Krieg gegen TRAITOR ist lange vorüber. Euer Verständnis von meinem Volk ist völlig falsch. Seht euch an, was möglich ist – Mor’Daer arbeiten mit der USO zu sammen.« Es ist in der Tat unfassbar, dachte Tek. Wenn es sich auch um einen absoluten
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Ausnahmefall handelt. Dennoch gibt es wohl Hoffnung. Er erinnerte sich an die Worte des Ko da Aretiers, der ihm als Sicherheitsbe amtin auf Adeksion erschienen war. Der Überläufer der TRAITOR-Marodeure hatte eine düstere Vision der Verbohrt heit und Befangenheit der Völker dieser Galaxis gezeichnet – das Bild verstockter Völker, die nicht in der Lage waren, auf einander zuzugehen, gefangen in grund legender Ablehnung der jeweils ande ren. Was soeben geschehen war, bewies diese Annahme ebenso, wie sie sie wider legte. Ein blindwütig auf einen Mor’Daer feuernder Kriegsveteran – und ein Mor’Daer, der versuchte, anderen ein Bild von einer gelungenen Völkerver ständigung zu zeichnen. »Ebenso«, fuhr der Mor’Daer fort, »ist es auch möglich, dass Dron und Haspro ner eine Einigung finden. Euer Konflikt ist nicht unlösbar. Wendet euch von eu rem verblendeten Egoismus ab und ver sucht, den anderen zu verstehen. Ich bin ein Mor’Daer, und doch bin ich nicht das, was ihr in mir sehen wollt. Vielleicht bin ich eine Ausnahmeerscheinung, mögli cherweise aber auch genau das, was in jedem Einzelnen meines Volkes verbor gen liegt.« Er drehte sich um und schritt in die Wüste hinaus. In einiger Entfernung setzte er sich in den Sand und schaute in Richtung der Maschinen, Tek und den anderen den Rücken zugewandt. Der Smiler wusste, dass sich nach die ser Rede das Problem zwischen Dron und Haspronern nicht in Luft auflösen wür de. Wenn jedoch ein Anfang der Verstän digung zwischen diesen Völkern gemacht war, hatte sich der Einsatz der Mor’Daer tatsächlich gelohnt. Die letzten Minuten bewiesen, welches Potenzial in den ehemaligen TRAITORAngehörigen und ihren Nachfahren steckte. Nicht jeder würde zu derartiger Zusammenarbeit bereit sein, doch das Verhalten dieser beiden Mor’Daer stellte einen Lichtblick dar. Zugleich jedoch bewies das Attentat
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des Dron, dass die Galaxis offensichtlich nicht reif für eine tiefgreifende Verände rung in der Aufarbeitung der Vergangen heit mit der Terminalen Kolonne war. Zu tief saß die Erinnerung an TRAITORS entsetzlichen Untaten. Rigutt Salm bil dete in dieser Hinsicht ganz sicher keine Ausnahme. Tek fragte sich, was aus dem alten Dron wohl werden sollte. Seine Tat konnte nicht ungestraft bleiben. Wie dem auch sei – zunächst galt es, wich tigere Dinge zu regeln. Er aktivierte die Holo-Wiedergabe der Aufnahmen und präsentierte die Aufnahmen, die die Mi kro-Bestien geschickt hatten. Ein Truppenlager in der Wüste. Ein Aufmarsch von Kampfrobotern. Eine Höhle mit spiegelndem Boden. Ein gewaltiges Kreuz aus Röhren in einer gewaltigen Halle. »Damit sind wir wohl beim Kern der Sache«, sagte der Smiler und lächelte. * »Es hat auf Dauer wohl nicht gut ge hen können«, meinte der Hasproner. »Das Artefakt steht allerdings meinem Volk zu, unabhängig davon, ob du es ent deckt hast oder nicht.« »Irrtum«, wandte Kommissar Qan ein. »Dieser Planet gehört uns.« »Das Fundgebiet steht uns dank des Erbpachtvertrages zu! Also fällt das Ver wertungsrecht an uns, zumindest für die Dauer der Pacht. Also für mehrere Gene rationen.« »Das Artefakt ist kein Teil des Miet vertrags!« »Still!«, forderte Tek. »In diesem Fall ist die Sicherheit der Milchstraße be troffen. Hiermit stelle ich Mawego un ter die direkte Aufsicht des Galakti kums.« Der Hasproner scharrte unruhig mit den hinteren Beinen. »Wir werden Rechtsmittel gegen diese Entscheidung einlegen!« Ein kurzer Blick des Dron-Kommis sars, ein bizarrer Augenblick der Einheit zwischen diesen unversöhnlichen Fein
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den. »Eine Gemeinschaftsklage unserer beiden Völker, um genau zu sein.« Das darf nicht wahr sein. Tek wusste nicht, ob er lachen oder weinen sollte. »Das steht euch frei. Die endgültige Klä rung wird allerdings einige Zeit in An spruch nehmen. Bis dahin ordne ich hier mit eine Zwischenlösung an. Euch ist sicher das kleine Haluter-Problem be kannt, mit dem das Galaktikum zu kämpfen hat?« »Haluter-Problem?«, fragte Qan un gläubig. »Nach dem Abzug der Terminalen Ko lonne hatten sich nur noch exakt 51.302 Haluter auf Halut eingefunden. Da dieses Volk bekanntlich stets eine Gesamtbe völkerung von 100.000 Individuen an strebt, sind in den letzten hundert Jahren zahlreiche Nachkommen geboren wor den. Die meisten halten wenig von der Zurückhaltung ihrer Eltern. Sie drängen in das Galaktikum oder werden auf an dere Weise aktiv.« Tek machte eine um fassende Handbewegung. »Auf Mawego werden sie eine interessante Aufgabe vorfinden. Sie sind jung, tatendurstig,
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dynamisch und aufgrund ihrer Jugend gewissermaßen Traditionsbrecher, bei Weitem nicht so abgeklärt wie die er wachsenen Haluter. Ich werde dafür sor gen, dass bis zur endgültigen Klärung Tausende junger Haluter auf Mawego Wachdienst leisten. Sie werden eure Zi vilisation ein wenig ... nun, durcheinan derwürfeln, aber ...« »Wir verzichten auf Rechtsmittel«, un terbrach der Dron. »Die haspronische Plage genügt gerade.« »Haluter«, ergänzte Schahid-Felah. »Die sind schlimmer als Dron!« Tek amüsierte sich königlich, als er daran dachte, was die beiden wohl sagen würden, wenn sie wüssten, dass die In formationen über den verborgenen Poly port-Hof von den Miniatur-Ausgaben der Haluter stammte. »Dann sind wir uns einig. Da mir die Position des Artefakts bekannt ist, werde ich ein Team aus der TRAJAN dorthin beordern. Ihr werdet dafür sorgen, dass eure Soldaten und Einheiten aus dem be treffenden Gebiet abgezogen werden. Ich gebe euch genau acht Stunden Zeit. Alles
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Weitere liegt nun in der Verantwortung des Galaktikums.« Er würde nicht nur einen Teil der Flotte nach Mawego beordern, sondern auch den Chefwissenschaftler des Ga laktikums informieren, den weißen Ha luter Blo Rakane. Zweifellos würde sich dieser mit Freuden dem neu entdeckten Polyport-Hof widmen. Zwar war der Hof inaktiv und möglicherweise beschä digt, doch immerhin befand sich ein Controller der Klasse A im Besitz der USO. Keine schlechten Aussichten. Den Dron würde keine andere Wahl bleiben, als abzurüsten, ebenso wenig den Haspronern. Im anderen Fall wür den sie den Planeten verlassen müssen, womit keiner Partei geholfen war. Wäh rend die Echsenabkömmlinge sich in den Sanddünen sonnten und die Hasproner auf anderen Planetenteilen die Cadaju-Pflanze anbauten, konnte die Erforschung des Polyport-Hofs be ginnen. In einiger Entfernung saß die einsame Gestalt des Mor’Daer in der Gluthitze und schaute nachdenklich über die Wei te der Wüste. Epilog
Funkenregen (VI)
Wo ist Perry Rhodan? Diese Frage ging Homer G. Adams nicht aus dem Kopf. Betty Toufry und Kitai Ishibashi, die beiden Freunde aus alter Zeit, hatten sie gestellt, noch während sie sich vor Schmerzen krümmten und im Resi denzpark zu materialisieren ver suchten. Was hatte das zu bedeuten? Wie war es möglich, dass Altmutanten in stofflicher Form in einem goldenen Funkenregen erschienen? Betty war ebenso wie Kitai vor einer Ewigkeit in der Superintelli genz ES aufgegangen – in ES, das sich aus der Milchstraße zurückgezogen hat te, nachdem es vielen Millionen Terra nern die Auswanderung in die Fernen
Stätten des Stardust-Systems ermög licht hatte. Nichts passte zusammen. Und doch lagen Homer dieses Mal unerschütter liche Beweise vor, dass die Freunde aus der Vergangenheit tatsächlich aufge taucht waren. Dutzende von Zeugen hat ten sie ebenfalls gesehen. Homer hielt sich in seiner Büroflucht in der Solaren Residenz auf. Draußen in Terrania war längst der Tag angebrochen. Eine schlaflose Nacht lag hinter dem Finanzgenie, doch diese würde er dank des Zellaktivators problemlos wegstecken können. Zu viele Fragen gingen ihm durch den Kopf, als dass er nun Schlaf nachholen könnte. Eine Alarmmeldung auf höchster Si cherheitsstufe ging ein. Binnen einer Se kunde wurde ein Notfallprotokoll ausge löst. Homer sprang auf, starrte durch das Fenster ins Freie, über die Weiten des Residenzparks. Der bläulich transparente Paratron schirm der Residenz hatte sich aktiviert und überwölbte die gewaltige Stahlor chidee. Nun gellte der Alarm durch jeden ein zelnen Raum. Homer berührte die Sensortaste des Kommunikationspults, das augenblick lich eine Verbindung zur Sicherheitsab teilung aufbaute. »Was ist los?«, fragte er das Abbild eines Mannes, der hektisch in sein MultiKom-Headset sprach. Der Mann zögerte einen Augenblick, schien erst dann zu bemerken, dass eine Kommunikations-Sichtverbindung be stand. »Keine akute Gefahr. Kein Grund zur Besorgnis. Der Paratronschirm wur de aus reiner Routine aktiviert. Über dem Atlantik ist es zu einem unerklär lichen Phänomen gekommen. Da nie mand weiß, wie es einzuordnen ist, wur de das Standardsicherheitsprotokoll für die Residenz ausgelöst.« »Ein weiterer Funkenregen?« Kaum hatte Homer die Worte ausgesprochen, wurde ihm klar, dass es sich darum wohl kaum handeln konnte. Ein erneuter Fun
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kenfall hätte nicht diese Reaktion ausge löst. »Eine riesige Nebelkuppel mitten über den Fluten«, stellte der Sicherheitspos ten klar. »Eine bislang undurchsichtige, gewaltige Erscheinung ist aus dem Nichts aufgetaucht.« Er zögerte kurz, lauschte konzentriert in den Headset. »Ich erfahre gerade, dass sich die Nebelkuppel wieder aufgelöst hat. Sollte sie nicht erneut materialisie ren, wird der Alarmzustand beendet.« Homer bedankte sich und beendete die Verbindung.
Eine Nebelkuppel über dem Atlantik. Ein Funkenregen, in dem Altmutanten unter Qualen zu materialisieren ver suchten und nach Perry Rhodan fragten. Eine Unzahl von Fragen stellte sich, auf die es wohl nur eine ebenso unvoll ständige wie unbefriedigende Antwort gab: All das stand irgendwie in Zusam menhang mit der verschwundenen Su perintelligenz ES. Homer Gershwin Adams spürte etwas, das aufgrund der perfekten Umgebungs kontrolle eigentlich nicht möglich war: Er fror ...
ENDE
Der Konflikt zwischen Dron und Haspronern scheint dank der Autorität der USO beigelegt. Das Phänomen der Polyport-Höfe wird die Milchstraße aber wohl noch eine Weile beschäftigen. Im Roman der nächsten Woche befasst sich Arndt Ellmer mit ITHAFOR und dem Galaktikum. Er erscheint als Band 2514 unter dem Titel EIN FALL FÜR DAS GALAKTIKUM
PERRY RHODAN – Erbe des Universums – erscheint wöchentlich in der Pabel-Moewig Verlag KG, 76437 Rastatt. Internet:
www.vpm.de. Chefredaktion: Klaus N. Frick, Postfach 2352, 76413 Rastatt. Titelillustration: Dirk Schulz. Innenillustration:
Dirk Schulz/Horst Gotta. Druck: VPM Druck KG, 76437 Rastatt, www.vpm-druck.de. Vertrieb: VU Verlagsunion KG, 65396
Walluf, Postfach 5707, 65047 Wiesbaden, Tel.: 06123/620-0. Marketing: Klaus Bollhöfener. Anzeigenleitung: Pabel-Moewig
Verlag KG, 76437 Rastatt. Anzeigenleiter und verantwortlich: Rainer Groß. Zurzeit gilt Anzeigenpreisliste Nr. 34. Unsere Roman
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mung des Verlages. Für unverlangte Manuskriptsendungen wird keine Gewähr übernommen.
Printed in Germany. September 2009.
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Kommentar Schnapszahl einmal anders – PRK Nr. 555 Jubiläen verleiten leicht zu einem mehr oder weniger verklärten Rückblick. Nostalgische Gefühle, aber auch der obligatorische Seufzer darüber, wie schnell die Zeit vergeht, gehören wohl irgendwie ebenfalls dazu. Ich je denfalls stellte mir unter anderem die Frage, ob ich nun »nur« 35 oder schon 36 oder gar 37 Jahre »dabei« bin – und fand mich unversehens in einer Recherche In eigener Sache wieder ... Geboren im Jahr, als der erste PERRY RHODAN-Roman erschien, und aufgewachsen mitten in der Zeit des Wett rennens zum Mond, zuvor hinsichtlich Science Fiction und allem, was damit zusammenhängt, schon »angefixt« durch die bei der Oma gesehene Erstausstrahlung von »Raumpatrouille Orion«, war für mich ein weiterer wich tiger Meilenstein das Erscheinen von ZACK im April 1972. Die beiden ersten Nummern (17 und 18) hatte ich ver passt, wenngleich zeitnah von meinem Cousin ausgelie hen bekommen, doch ab der Nummer 19 war ich dabei. Es war damals mein erster richtiger Einstieg ins Comic lesen. Von wenigen Ausnahmen einmal abgesehen, stan den Comics bis dahin nicht auf meiner Liste. Keine Ah nung, warum genau – sei es, weil das Taschengeld nicht reichte, sei es aus anderen Interessen. Mit ZACK eröffne te sich eine ganz andere Welt – und doch dauerte es son derbarerweise eine ganze Weile, bis ich über diese Comics hinaus den Horizont abermals erweiterte. Ich weiß heute leider nicht mehr, ob es noch 1972, im Verlauf von 1973 oder gar erst Anfang 1974 war – ins Auge gestochen sind mir jedenfalls irgendwann in dieser Zeit bei einem »Umtausch-und-Wiederverkaufs-Händ ler« 25er-Bündel von Heften mit bemerkenswerten Titel bildern. Es war natürlich PERRY RHODAN, die Titelbilder jene von Johnny Bruck, aber das wusste ich damals nicht. Ganz im Gegenteil: Nach dem Kauf eines Stapels war ich im ersten Moment sogar enttäuscht, keine Co mics erwischt zu haben, sondern Romane mit ganz viel Text. Obwohl die Nummern ziemlich durcheinanderge würfelt waren, gab es – neben den Titelbildern – einen weiteren besonderen Reiz: In einigen Heften waren Riss zeichnungen abgedruckt, und das wiederum »passte« genau zu jemandem, der selbst Raketen, Mond- und Marsstationen und dergleichen »entworfen« und ge zeichnet hatte. Nach aufsteigenden Nummern sortiert, ergab sich, dass die niedrigste des Stapels PR 15 war – »Die Spur durch
Raum und Zeit« somit mein erster gelesener PR-Roman. Verstanden habe ich damals zwar wenig, aber der Rest hatte genau die Faszination, die zum »weiteren Anfixen« reichte: Da war vom Galaktischen Rätsel die Rede, von Atlantis, von der Suche nach der Welt des Ewigen Lebens; es gab eine Zeitreise, riesige Raumschiffe, Mutanten mit besonderen Gaben und, und, und ... Ich las also weiter, und weil die Lücken zwischen den Hef ten recht groß waren, stand fortan mindestens einmal wöchentlich der Kauf eines weiteren 25er-Stapels an so wie, als die zwangsläufig doppelten Hefte zu zahlreich wurden, der Rückverkauf und das gezielte Suchen nach fehlenden Nummern. Beim Rückblick ist durchaus peinlich, dass ich damals gar nicht erkannte oder überhaupt auf die Idee kam, dass PERRY RHODAN ja weiterhin Woche für Woche erschien. Irgendwie hatte sich wohl im Hinterkopf »antiquarisch« gleich »Serie eingestellt« oder etwas in die ser Art festgesetzt. So also füllte ich die Lücken, las mich durch die säuberlich gestapelten Hefte und verpasste zwangsläufig den »offiziellen Einstieg« in die laufende Handlung etwa zu PR 570, PR 600 oder PR 650 ... Zweifellos mit ein Ausschlag, mich »endlich umzuorien tieren«, war dann eine Änderung der nach wie vor gesam melten ZACK-Comics: Im Frühjahr 1974 (die Internetre cherche ergab, dass es Nr. 18/1974 war, erschienen am 25. April 1974) wurde dort vom bisherigen festen Um schlag auf einen »schlabberigen« umgestellt. Ich sammel te zwar noch einige Zeit weiter, aber der dünne Umschlag sowie die abnehmende inhaltliche Qualität führten schließlich zum »Ende dieser Beziehung« ... Und PERRY RHODAN? Nun ja, es dauerte bis Ende Okto ber 1974, bis ich dann (endlich!) ganz erstaunt die aktu elle Neuerscheinung mitbekam und mit PR 687 »Begeg nung im Chaos« (nomen est omen?) auch in die laufende Serienhandlung einstieg. Bezogen auf den Einstieg wer den es Ende 2009 also 35 Jahre PERRY RHODAN-Direkt lesen sein. Dass es mit PR 700 und dem dort erschie nenen ersten PR-Computer von Kurt Mahr eine weitere faszinierende Ergänzung der Hefte gegeben hatte, sei nur am Rande vermerkt – zumal ich nicht im Entferntesten auf die Idee gekommen wäre, dass ich später diese Rub rik einmal fortführen darf und mit dem hiermit vorlie genden 555. »Schnapszahl-Beitrag« ein weiteres Jubilä um erreicht habe ... Rainer Castor
Leserkontaktseite Liebe Perry Rhodan-Freunde, ein paar frohe Meldungen kann ich euch diese Woche
präsentieren.
Mit dem 6. Band »Sprung ins Jenseits« von Achim Meh
nert ging im August der Monolith-Zyklus bei den ATLAN-
Taschenbüchern zu Ende. Die Erfolgsgeschichte im Verlag
Fantasy Productions (FanPro) wird fortgesetzt.Ab Oktober
erscheinen im gewohnten zweimonatigen Rhythmus die
Romane der Trilogie »Höllenwelt«. Band 1 trägt den Titel
»Rhaens Ruf« (ISBN: 978-3-89064-197-3) und stammt
aus der Feder von Rüdiger Schäfer. Der Leverkusener
Autor hat bereits mehrere ATLAN-Romane geschrieben
und ist ein profunder Kenner des Arkoniden.
Die sauguten Titelbilder stammen auch beim neuen Zy
klus wieder von Arndt Drechsler. Auf www.fanpro.de
könnt ihr euch schon mal einen Eindruck verschaffen.
Ebenfalls bei FanPro gibt es neue Zeitabenteuer des Arko
niden, der einst auf der Erde strandete und mehr oder
minder unauffällig an der Entwicklung der Menschheit bis
in unsere heutige Zeit mitarbeitete. Hans Kneifel, der Alt
meister und Atlan-Spezialist schlechthin, schreibt die
Romane des Kreta-Zyklus, von dem bereits die ersten
beiden Bände erschienen sind.
Mai 2009 / Kreta-Zyklus 1: »Lotse im Sandmeer« (ISBN:
978-3-89064-188-1);
Juli 2009 / Kreta-Zyklus 2: »Insel der Winde« (ISBN:
978-3-89064-195-9).
In Vorbereitung: Kreta-Zyklus 3 »Das schwarze Schiff« (ISBN:
978-3-89064-196-6,) ebenfalls von Hans Kneifel.
Der Arkonidenhäuptling spielt auch in den aktuellen Heftro
manen eine Rolle, ab Band 2515.
Jetzt aber flugs zum Highlight der kommenden Woche.
In den Heften 2514 bis 2516 gibt es einen neuen Bas
telbogen, und zwar einen Schlachtlicht-Raumer der
Frequenz-Monarchie. Ich wünsche euch schon mal viel
Spaß beim Schnipseln und Kleben. Wer den ersten Bo
gen verpasst, muss sich mit einem halben Schlachtlicht
begnügen.
Widmen wir uns zunächst aber euren Beiträgen zur
aktuellen Handlung, bevor wir die LKS einem guten
Zweck zur Verfügung stellen und sie mit einer Autoren-
Rubrik beschließen, die man unter der Schlagzeile »Was
macht eigentlich Autor XY gerade« zusammenfassen
könnte.
Kürzlich in diesem Universum Rudolf Bauer,
[email protected] Den Band 2500 hat Frank Borsch klasse geschrieben. Nun halte ich Nummer 2501 in Händen und muss mal wieder meine Meinung loswerden, hauptsächlich in Bezug auf das geänderte Outfit von PR. Gleich aufgefallen ist mir das etwas silbern verstärkte Logo auf der Titelseite. Der Name »Perry Rhodan« macht sich sehr gut.Auch der neue Schriftzug ist zeitgemäß. Den letzten Schritt, auch den Roman selbst in diesem Stil zu drucken, habt ihr wohl noch gescheut. Macht aber nix, denn dann gibt es eine klare Abgrenzung zwischen Roman und »Beiwerk«. Was mir am meisten gefällt, ist die Seite 3. Diese Umstel lung wertet den »Vorspann« meines Erachtens erheblich auf, lässt es doch zu, die Hintergrundgrafik beim Zyklus wechsel entsprechend anzupassen. Gut finde ich, dass der Kopf von PR beibehalten wurde. Ich kann mich noch gut erinnern, wie damals – nach Band 1300 – heftigst diskutiert und gestritten wurde, als ihr ihn radikal verändert habt. Der Verlag gab dann vier Vorlagen zur Abstimmung, und der »alte« Kopf von PR wurde trotz Modernisierung beibe halten. Mich hat der neue Look überzeugt. Eine Anmerkung noch zum neuen Zyklus. Über hundert Jahre sind vergangen. Ich hoffe, wir erfahren noch, wie es der einen oder anderen lieb gewonnenen Person aus dem Negasphären-Zyklus ergangen ist (zum Beispiel Dr. Indica). Keine Sorge, wir gehen hin und wieder auf Personen und Ereignisse aus der Vergangenheit ein. Andre Tertling,
[email protected] Irgendwie fehlen mir die Worte. 2500 Bände – so lang sam, aber sicher sind die üblichen Gratulationsfloskeln abgenutzt. Auf jeden Fall ist es toll, dass es PR immer noch gibt. Ich kaufe weiterhin fleißig die Romane. Leider komme ich mit dem Kaufen der »Spin-offs« nicht nach, aber ich tue, was ich kann. Alf Heyer,
[email protected] PR-Band 2504 von Leo Lukas ist ein Roman, wie ich ihn mir wünsche. Fantasievolle Darstellungen der FremdvolkPersonen; eine herrlich überzogen dargestellte Figur des
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Görn Exiffele Barost und – mit einem lauten Auflachen begleitet meinerseits beim Lesen des Namens der pracht vollen Raumjacht MYTHENTÜTE. Herrlich! Was wohl der Name »Görn Exiffele Barost« bedeutet, wenn es denn einen Bezug gäbe? Leo hat’s auch gut verstanden, mit seinem Roman die PR-Historie voranzubringen. Im Epilog »Der Held« kam es mir gelegentlich so vor, als ob hier eine Art Gucky als herausragendes Exemplar seiner Gattung (Munklu) ent stehen könnte. Zum ersten Mal überhaupt lasse ich mich hier zum Spe kulieren verleiten: Da der Munklu dem Erscheinungsbild des Terraners ähnlich sieht und auch Andromeda und die menschenähnlichen Tefroder in Rainers Kommentar er wähnt waren, könnte ein Zusammenhang bestehen. Mach doch mal ein paar Vorschläge, was der Name alles bedeuten könnte. Leo prämiert dann die beste Version. Michael Eichhorn,
[email protected] Nach längerer Pause mal wieder ein Leserbrief von mir anlässlich des neuen Zyklus. Ich feiere damit mein kleines »900-Hefte-am-Stück-Jubiläum«. Erst mal vielen Dank für die tollen Storys und Charaktere im beendeten Zyklus. Da war unglaublich viel Potenzial drin, ihr konntet gar nicht alles ausnutzen. Besonders gefallen haben mir die Geschichten um Atlan und die Su che nach der Transmitterstraße sowie der Showdown in Hangay mit so vielen kosmischen Momenten. Um Norman tut es mir leid, den ich bis aus den »Normi nator-Zwischenfall« immer als erfrischend lustig empfun den habe, und ganz besonders um die Ritteraura Perrys. Rein inszenatorisch war das ein interessanter Schachzug von euch. Wenn man mal betrachtet, wie oft die Aura Perry geholfen hat, befürchte ich allerdings, dass die große Kosmo kraten-Mythologie darunter leiden wird. Gespannt bin ich auf den Verbleib der JULES VERNE. Ich habe sie als neues Flaggschiff schätzen gelernt, was durch die Kosmokratentechnik noch verstärkt wurde. Schön ist der zeitliche Abstand zum neuen Zyklus, diese 100 Jahre Frieden, wie Mondra sie sich gewünscht hat. Das bringt die Geschichte weiter, vor allem nachdem in so kurzer Zeit der Menschheit so viel widerfahren ist. Allerdings habe ich mich gewundert, dass am Beginn von Band 2500 davon die Rede ist, dass sich die Menschheit noch lange nicht von TRAITOR erholt hat. Bedenkt bitte, wie lange 100 Jahre sind und was man in
Friedenzeiten alles schaffen kann (den psychologischen Teil mal außer Acht gelassen, da haben wir hier in Deutschland ja viel Erfahrung mit). Bedenke bitte, wie aufwendig im Zeitalter der behinderten Raumfahrt das interstellare Aufräumen ist. TRAITOR war eine Bedrohung, die tiefe Wunden hinterlassen hat, ich denke da vor allem an die Ressourcenwelten und die Ka binette für VULTAPHER. Der Satz im Roman 2500 ist aber auch ein Hinweis auf Kommendes. Der Roman der ver gangenen Woche trug dann auch den Titel »Die TRAITORMarodeure«. Dr. Gerhard Kohlegger,
[email protected] Der Zyklusauftakt für den Stardust-Zyklus liest sich sehr vielversprechend. Eine Handlungsebene wurde ja schon sehr stark vorgezeichnet. Ich hätte nicht geglaubt, dass euch wieder so ein fulminanter Beginn gelingt wie die letzten drei Male. Die sich abzeichnende Handlung klingt wieder neu, ab wechslungsreich (auch für Altleser) und – wieder – nach mehr erstklassiger SF-Unterhaltung einmal pro Woche. Danke sehr! Und bitte weiter so! Roman,
[email protected] Als Erstes möchte ich den kreativen Autoren,Titelbild- und Risszeichnern und der Redaktion herzlich zum 2500. PER RY RHODAN-Roman gratulieren. Ich lese die Serie seit 1978, als ich vom Weihnachtsmann den vierten Silber band »Der kosmische Lockvogel« geschenkt bekam. Seitdem bin ich jede Woche dabei, bin langjähriger Besu cher des PERRY RHODAN-Stammtischs Mannheim und schreibe heute meine erste Leser-E-Mail. Ein großer Fan bin ich von den Lemurern. So verschlang ich die Heyne-Taschenbücher und las begeistert den Handlungsabschnitt mit den Sonnentransmittern, und das trotz des – in meinen Augen – farblosen Atlan. Ich hoffe, dass die Hinterlassenschaften der Lemurer, geheime und verborgene Stationen, Sonnentransmitter, Halbraumtechnik und Situationstransmitter im neuen Stardust-Zyklus eine Rolle spielen und nicht gleich wieder verschwinden. Ebenso würde ich gern erfahren, ob das von Perry ange dachte Transmitternetz in den letzten 100 Jahren ausge baut wurde, in welchem Zustand sich der TERRANOVASchirm befindet, ob der Sonnentransmitter in der Eastside gefunden wurde, wie es bei den Posbis und den anderen Völkern in der Milchstraße aussieht. Und ich würde gern
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mehr über den aktuellen Status im Sternenozean und im Arphonie-Haufen wissen. Die Friedensfahrer und Kantiran haben eine neue Aufgabe außerhalb der Handlung und bleiben hoffentlich lange außen vor. Zum aktuellen Heft 2500: Mir ist sofort das überarbeitete Design des PERRY RHODAN-Logos aufgefallen. Über mei ne vielen Leserjahre hinweg wurden daran immer wieder Veränderungen vorgenommen, die ich immer begrüßt habe. Besonders gefallen mir jetzt die inverse dritte Seite und die Überarbeitung der Leserkontaktseite. Alles macht auf mich einen modernen und frischen Eindruck. Mit dem Stardust-Zyklus und der Auswanderungsge schichte ist euch meiner Meinung nach ein großer Wurf gelungen. Diesen Handlungsabschnitt habe ich in der Erstauflage und in den PERRY RHODAN-Extras begeistert gelesen und warte nun wöchentlich auf den nächsten Roman. Gespannt bin ich, wie Uwe Anton die Exposé-Arbeit erle digen wird. Wird es bemerkbare Änderungen im Hand lungsablauf geben? Im Aufbau des Zyklus? Wie wird er neue Ideen einbringen? Als Leser wünsche ich mir weiterhin viele Rätsel, die Per ry und Co. lösen. Etwas mehr Technik und etwas mehr Science Fiction. Weniger Fantasy. Und wieder ein PCSpiel. Und natürlich weiterhin viele spannende Romane, sodass es bei uns am Stammtisch in Mannheim viele interes sante Diskussionen geben wird. Wir hoffen, dass wir im laufenden Zyklus wenigstens ei nen Teil deiner Wunschliste abarbeiten können.Was Uwes Arbeit angeht: Durch den Tod von Robert Feldhoff ist sie nicht leichter geworden. – Uwe, wenn du das liest: Sobald sich alles eingespielt hat, darfst du diesen Leserwunsch gern erfüllen und die Fragen beantworten, ein bisschen aus dem Nähkästchen plaudern von den Schwierigkeiten nach der Übernahme der Exposéarbeit, von den Purzel bäumen ... Für einen guten Zweck Werner,
[email protected] Heute wende ich mich mit einem kleinen oder großen Anliegen an dich, je nachdem. Geboren bin ich 1967, mithin 42 Jahre alt. Auf die in ge wissen Kreisen mit dieser Zahl verknüpfte Weisheit warte
ich immer noch vergeblich, die Geheimnisse des Lebens und des Universums und des ganzen Restes haben sich mir bislang nicht erschlossen. Beruflich bin ich in der früher »EDV«, modern »IT« genann ten Branche unterwegs und arbeite nach einigen anderen Anstellungen mittlerweile 11 Jahre bei einem namhaften, aber krisengeschüttelten Mittelständler in der Software entwicklung. Inzwischen aus gesundheitlichen Gründen nur noch in Teilzeit. Meine chronische Erkrankung begann in der Zeit, als ich den M-87-Zyklus las. Seit einigen Jahren leide ich nun also schon unter Multipler Sklerose, auf Medizinerdeutsch eine »Encephalitis disseminata« mit einem »primär chro nisch progredienten« Verlauf, also ohne Schübe, stattdes sen mit einem fortlaufend sich verschlechternden Krank heitsbild. Mal geht es besser, mal schlechter, und gelegentlich bleibt es mit etwas Glück über einen länge ren Zeitraum stabil. Es fällt mir bis heute nicht leicht zu akzeptieren, dass die Medizin des 21. Jahrhunderts im Gegensatz zum Per ryversum machtlos ist, weder Ursachen noch Heilung kennt; aber allmählich gelingt es mir relativ gut (mal bes ser, mal schlechter), damit umzugehen. Der Erfolg der verordneten Therapien ist zweifelhaft. Erfreulicherweise ermöglichen mir die Behandlungen zumindest derzeit, weiterhin zu Fuß unterwegs zu sein, obzwar je nach Tagesform mit einem Limit von 50 bis 500 Metern und jetzt auch häufiger mit einem Stock. Aber genug davon, ich will hier nicht meine ganze Krank heitsgeschichte ausbreiten.Vor allem soll das kein Klage lied werden. Schließlich geht es mir um etwas anderes. Neben der unveräußerlichen Heftsammlung befinden sich auch die Silberbände 1 bis 100 in meinem Besitz. Ich habe sie alle im Lauf der Jahre geschenkt bekommen oder käuflich erworben. Diese Bibliothek der Silberbände möchte ich veräußern, und zwar, wenn möglich, nur in einem Paket an einen einzigen Käufer. Die Bücher sind durchweg in einem guten, altersgemäßen Zustand; bei spielsweise stammt Band 1 tatsächlich aus dem Erschei nungsjahr 1978. Bei einer Handvoll Büchern ist die blaue Prägung auf dem Buchrücken leicht verschrammt; es gab damals zeitweilig Produktionsmängel, wenn ich mich recht entsinne. Besonders bei den Nummern 10 bis 30 wurde anschei nend mindere Papierqualität verwendet, außen an den Kanten ist das Papier erkennbar vergilbt. Ein paar Bücher – ich müsste erst nachsehen, welche – enthalten auf ei-
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ner der Innenseiten eine persönliche Widmung des Schenkenden. Alle Bücher sind zum Schutz in nichtklebende, problemlos abnehmbare Klarsichtfolie gepackt. Diese Bücher möchte ich in Art einer Versteigerung an den Höchstbietenden abgeben. Der Erlös kommt der NathalieTodenhöfer-Stiftung zugute. Frau Todenhöfer, Tochter eines bekannten Politikers und Verlagsmanagers, ist bereits sehr jung an MS erkrankt. Die Stiftung soll MS-Patienten Anschaffungen ermögli chen, die über die medizinischen Leistungen hinausgehen und entweder zweckmäßig sind oder ein Stück der ver loren gegangenen Lebensfreude vermitteln können. Mehr darüber: www.nathalie-todenhoefer-stiftung.de Als Mindestgebot für alle 100 Bücher schweben mir 250 Euro vor. Bei einem angemessenen Höchstgebot lege ich noch das fünfbändige PERRY RHODAN-Lexikon drauf, 1991 erschienen. Es ist mir bewusst, dass es viele andere schlimme Krank heiten gibt; der Vorschlag, für diese Stiftung zu spenden, entstand ausschließlich aus meinen privaten Erfahrungen und bedeutet keinerlei Wertung. Einhundert Bücher sind etwas schwierig mit der Post zu versenden. Sollte sich ein Abnehmer finden, dann stünde ich unvermittelt vor einem organisatorischen Problem. Ideal wäre jemand aus dem Großraum München, was ein unglaublicher Zufall wäre. Ich bin sicher, es findet sich im Raum München oder Ober bayern/Allgäu jemand, der die Bücher bei dir abholt. Dei ne Bescheidenheit im Bezug auf das Mindestgebot ehrt dich. Das wären pro Buch 2,50 Euro, also fast geschenkt. Ich drücke dir die Daumen, dass das Höchstgebot deutlich darüber liegt.
Was macht eigentlich MMT gerade? MMT? Wer diese längst gebräuchliche Abkürzung noch nicht kennt – gemeint ist Kollege Michael Marcus Thurner. Man munkelt, dass diese Abkürzung schon in der öster reichischen Ausgabe des Duden steht. Der Wiener Kollege träg’s mit Fassung. Von Michael erscheint gerade dieser Tage ein SF-Roman im Heyne Verlag, der den Titel »Turils Reisen« trägt. Im vierwöchentlich erscheinenden, von Hubert Haensel zu sammengestellten PERRY RHODAN-Report wird Michael demnächst ein bisschen was zu diesem Buch schrei ben. MMT gehört seit Neuestem aber auch zu den zwit schernden Zeitgenossen. Er twittert und berichtet dort über seine Arbeit am aktuellen Roman der Serie »Elfen zeit«. Sobald er seinen nächsten PERRY RHODAN-Roman schreibt, wird er live von seiner Arbeit berichten. Er zwitschert unter folgender Adresse: http://twitter. com/MMThurner. Fundsache Manfred H. Rückert,
[email protected] Gerade habe ich Band 2500 gelesen. Der Roman gefällt mir gut, ist halt ein typischer Frank Borsch. Auf Seite 5 (letzter Absatz rechts unten) ist mir ein Um rechnungsfehler aufgefallen. Da berichtet Mondra Dia mond: »Terrania City ist keine dreitausend Jahre alt.« Die Geschichte spielt im Jahr 1463 NGZ (umgerechnet 5050 n. Chr.). Terrania City wurde aber am 19. Juni 1980 umbenannt (vorher hieß die Stadt wenige Jahre lang Ga lakto City), also ist die Stadt nun 3070 Jahre alt. Wo du recht hast, hast du recht.
Zu den Sternen! • Euer Arndt Ellmer • VPM • Postfach 2352 • 76413 Rastatt •
[email protected] Impressum Alle abgedruckten Leserzuschriften erscheinen ebenfalls in der E-Book-Ausgabe des Romans. Die Redaktion behält sich das Recht vor, Zuschriften zu kürzen oder nur ausschnittsweise zu übernehmen. E-Mail- und Post-Adressen werden, wenn nicht ausdrücklich vom Leser anders gewünscht, mit dem Brief veröffentlicht.
Glossar Dron Die Dron sind zweigeschlechtliche, eierlegende Reptiloide, die an etwa zwei Meter große Tyrannosaurier erinnern und bis zu 250 Jahre alt werden können. Die braunschwarze Hornschicht der Oberhaut ist durchsetzt von Hornplätt chen und kleinen Hornschuppen. Ein rudimentär vorhan dener Halskragen wird von strahlig gestelltem Knorpel gestützt und kann ausgebreitet werden, wobei er dann an den Rändern ausgezackt ist und fein beschuppt, mosaik artig orange, rot, stahlblau und braun gezeichnet. Dron halten sich gern in Wüsten aus grau-gelbem Sand auf, durchsetzt mit kargen Pflanzen und Schlammtüm peln, und schlafen in Felsspalten. In ihren Raumschiffen und Gebäuden wird das oft nachgebildet. Sie nehmen gern entspannende Sandbäder und lieben Huqar-Gras, das halmweise zwischen zwei Fingern zerrieben wird und dabei einen betörenden Duft verströmt, der die Sinne schärft und die Entschlusskraft steigert. Dron sind stolz, kriegerisch, meist energisch und zupa ckend bis hin zu einer aggressiven Grundhaltung. Sie betonen mit ihrer Kleidung zudem das martialische Ge habe. Bei den Dron galt früher das Recht des Stärkeren, dieses Recht nötigt ihnen auch heute noch Respekt ab. Dron: Uqurado-Föderation Die Heimatwelt der Dron ist Dron, der achte von 23 Pla neten der Sonne Dorgshi (31.295 Lichtjahre von Sol, 23.090 Lichtjahre von Arkon und 15.459 Lichtjahre von Haspro entfernt). Dron ist eine Welt seichter Binnen meere, großer Dschungel, riesiger Steppen und Gebirge. Fünf Monde umkreisen den Planeten. Das Dorgshi-Sys tem bildet den Kern der Uqurado (»Lehren des Großen Uqur«)-Föderation, einem nach dem Ende der MonosHerrschaft langsam gewachsenen Zusammenschluss der von Dron besiedelten Welten, die weiterhin über eine gewisse Eigenständigkeit verfügten. Politische Intrigen im Inneren sowie die expansive Politik des Kristallimperiums verhinderten, dass zunächst mehr als 20 Sonnensysteme zur Uqurado-Föderation gehörten. Mit dem Hyperimpedanz-Schock von 1331 NGZ ging al lerdings ein Ruck durch die Dron. So kam es, dass im Jahr 1344 NGZ zur Uqurado-Föderation 129 Welten in 98 Sonnensystemen gehörten. Im Juni 1346 NGZ nahm eine Delegation der Dron an der Geheimkonferenz der Galaktiker in Aarus-Jima teil, in deren Verlauf das (Neue) Galaktikum gegründet wurde. Nach dem Abzug der Terminalen Kolonne TRAITOR und der offiziellen Bestätigung des Galaktikums am 1. Janu ar 1350 NGZ gehörten die Dron mit zu den energischsten Befürwortern.
Anfang 1463 NGZ gehören in einem Kerngebiet von an nähernd 3000 Lichtjahren Durchmesser insgesamt 1223 besiedelte Planeten in 1098 Sonnensystemen zur Uqu rado-Föderation, die somit problemlos als sehr starke Mittelmacht eingeschätzt werden kann. Hasproner Die etwa 1,40 Meter großen Hasproner können rund 300 Jahre alt werden und sehen aus wie die Faune der ir disch-griechischen Mythologie. Während der Oberkörper größtenteils dem menschlichen ähnelt – allerdings au ßergewöhnlich muskulös und mit vierfingrigen Hän den –, ist die untere Körperhälfte mehr ziegenähnlich, von dunkelbraunem, zotteligem Fell bedeckt, und endet in gespaltenen Hufen. Am Kopf gibt es keine Hörner, wohl aber auf dem von dunkelbraunem, schulterlangem und zotteligem Fell be deckten Schädel zwei beigebraune Knochenkämme, die aus der Distanz für Schafs- oder Ziegenhörner gehalten werden können. Hasproner sind im Allgemeinen ironisch, spritzig, lebenslustig, haben ein recht lebhaftes Verhal ten; beim Sprechen mischt sich mitunter ein »Meckern« in die hellen Stimmen. Alle Hasproner haben ungewöhnliche mathematische Fähigkeiten und eidetische Gedächtnisse; wirkt gleich zeitig als natürliche Mentalstabilisation. Durch diese Talente sind sie sehr gefragt auf Planeten, auf denen positronische Technologie zu teuer ist. Hasprotagar (= Reich der Hasproner) Hasprotagar (»Reich der Hasproner«) liegt in der North side der Milchstraße. In den Jahren nach der MonosHerrschaft bis zu Beginn des 14. Jahrhunderts NGZ wuchs ihr Sternenreich auf 69 Welten in 52 Sonnensys temen an. Parallel dazu gab es eine besondere Form der »Auswanderung« – nahezu auf allen wichtigen Welten lebten und arbeiteten Hasproner, wobei die besonders hohe Zahl auf Planeten in der näheren Nachbarschaft des Hasprotagar fast schon einer »gezielten Unterwande rung« glich. Nach dem Hyperimpedanz-Schock breitete sich Haspro tagar weiter aus und zählt im Jahr 1350 NGZ 222 Welten in 191 Sonnensystemen. Anfang 1463 NGZ erreicht das haspronische Sternenreich auf der Höhe der galaktischen Hauptebene einen Durchmesser von rund 7000 Licht jahren; insgesamt gehören 1118 besiedelte Planeten in 1022 Sonnensystemen dazu, sodass es – wie der wenig geschätzte Nachbar in Gestalt der Uqurado-Föderation der Dron – problemlos als sehr starke Mittelmacht ein geschätzt werden kann.