Die phantastische Reise ins »Blaue Universum« Sie sind die ersten Menschen, die unsere Milchstraße verlassen – Aarn Mun...
107 downloads
641 Views
1MB Size
Report
This content was uploaded by our users and we assume good faith they have the permission to share this book. If you own the copyright to this book and it is wrongfully on our website, we offer a simple DMCA procedure to remove your content from our site. Start by pressing the button below!
Report copyright / DMCA form
Die phantastische Reise ins »Blaue Universum« Sie sind die ersten Menschen, die unsere Milchstraße verlassen – Aarn Munro, der Jupitergeborene, und die Erdenbürger Russ Spencer und Don Carlisle. Mit ihrem Raumschiff »Sunbeam« erobern sie den Weltraum. Sie erreichen fremde Galaxien, wagen den Sprung in den ParaRaum und dringen sogar in das »Blaue Universum« ein, einen Kosmos, der für Menschen verboten ist. Und dort, auf dem »unglaublichen Planeten«, bestehen die drei Wissenschaftler und Forscher aus dem Solsystem das größte Abenteuer ihres Lebens.
John W. Campbell Der Autor wurde am 8. Juni 1910 in Newark, New Jersey, USA geboren. Er studierte am Massachusetts Institute of Technology und an der Duke University Atomphysik und Technologie. 1937, als er sich als Verfasser von SFRomanen und Stories bereits einen Namen gemacht hatte, wurde er Herausgeber von ASTOUNDING SCIENCE FICTION (heute ANALOG), das er zu einem in der Welt führenden SF-Magazin machte und noch heute leitet.
JOHN W. CAMPBELL JR.
DER
UNGLAUBLICHE
PLANET
Utopischer Roman
eBook by »Menolly«
WILHELM HEYNE VERLAG
MÜNCHEN
Einleitung
Das Spencer-Forschungslaboratorium Nr. 6 war Aarn Munros Idee. Aarn Munro war der Direktor der Forschungsabteilung der Spencer-Rocket-Gesellschaft (Raketengesellschaft) und – beiläufig – Russ Spencers bester Freund. Russ Spencer war Konstrukteur des Raketenschiffs und Enkel des berühmten Russel Spencer, der vor einem Jahrhundert, 1979, die Rocket-Gesellschaft gegründet hatte. Ihm war es beschieden, den Traum zu verwirklichen, den sein Vater und Großvater vor ihm geträumt hatten: Ein Raketenschiff zu bauen, mit dem er die interplanetarische Reise unternehmen konnte, ohne die Kollision mit Meteoren befürchten zu müssen. Aarn Munros Vater hatte dem Vater des jetzigen Russ Spencer, Russel Spencer II, geholfen; er hatte an einem Kolonisierungsexperiment teilgenommen, und mit zwanzig anderen hatten die Munros auf dem Jupiter festgesessen. Die starke Schwerkraft des Jupiter hatte es den irdischen Raketen unmöglich gemacht, den Planeten nach der Landung wieder zu verlassen. Aarn Munro war dort geboren worden. Er war zwanzig Jahre alt, als er ein Schiff landen sah, das den riesigen Planeten auch wieder verlassen konnte. Der auf dem Jupiter Geborene, der durch die dort herrschenden harten Lebensbedingungen an Kraft und Geschwindigkeit übermenschlich geworden war, hatte dann an irdischen Universitäten studiert. Sein ungewöhnlich scharfer Verstand wurde bald offenbar, und nach abgeschlossenem Studium begann der
ungeheuer massige Wissenschaftler seine Arbeit bei der Spencer-Rocket-Gesellschaft. Es war zum großen Teil seinem Genie zuzuschreiben, daß die »Spencer-Rocket« die führende Stellung auf ihrem Arbeitsgebiet erreichte. Nach langen Untersuchungen, die einer Verbesserung der vorhandenen Methoden interplanetarischer Reisen dienten, begannen Munro, Spencer und ihr vertrauter Freund Don Carlisle, der Leiter der chemischen Forschungsabteilung der Spencer-Rocket-Gesellschaft, mit Aarns neuestem Schiffslaboratorium Nr. 6 Aarns drei größte Erfindungen zu testen. Der Antigravitator, der Transponstrahl und der Impulswellenantrieb sollten ihre erste Prüfung bestehen. Der Antigravitator ermöglichte die Arbeit ihrer »Aggie«-Spulen, welche die ungeheure Energie speicherten, die durch projizierte und gelenkte Transponstrahlen von der stärksten existierenden Energiequelle, der Sonne, gestohlen wurden, und die Impulswelle verschaffte ihnen den nötigen Antrieb. Von der Wellentheorie des Atoms hatte Aarn gelernt, wie man praktisch die Wellen erzeugen konnte, die in der Theorie als Impulswellen vorausgesagt worden waren. Wellen, die tatsächlich Impulse waren, wurden künstlich im Raum geschaffen. Im Weltenraum prüften sie ihr neues Schiff – mit voll geladenen Spulen –, und zum ersten Male in der Geschichte der Weltraumfahrten überschritten sie die Geschwindigkeit von zwanzig Meilen pro Sekunde um das Zweitausendfache. Vierzigtausend Meilen pro Sekunde! Ihr Schiff, offiziell Nr. 6, im vertrauten Kreis Sunbeam genannt, war gegen Gefahren durch drei Kraftfelder geschützt. Da war zunächst die magnetische Sphäre, die als Schicht des magnetischen Feldes jeglichen leitenden
Körper, der sich auf das Schiff zubewegte, zum Halten brachte. Da war ferner das Antischwerkraftfeld, welches die Tendenz hatte, jeden Körper, der nicht an sich schon gewichtlos war, abzustoßen. Und da war schließlich der Impulswellenapparat, der alles, was den Impuls des Schiffes hätte verändern können, abtrieb oder abschleuderte. Mit vierzigtausend Meilen pro Sekunde hatte die Sunbeam den konzentrierten Impuls eines größeren Planeten. Und mit vierzigtausend Meilen pro Sekunde stieß sie auf einen Planetoiden. Die magnetische Sphäre verwandelte die hunderttausend Tonnen Metall in Gas – aber es waren immer noch hunderttausend Tonnen vorhanden. Der Antigravitator stieß sie ab und griff auf den großen Speicher der Aggiespulen zurück; die Impulswellen griffen die Gasmassen heftig an und riefen die gespeicherte Kraft einer Sonne zu Hilfe. Die Struktur des Raumes wurde unter dieser gewaltigen Belastung aufgerissen, und sie wurden aus dem vierdimensionalen Raum in den fünfdimensionalen Pararaum geschleudert. Als sie aufwachten, befanden sie sich in einem anderen vierdimensionalen Raum mit Sternen riesigen Ausmaßes, in der Nähe einer Sonne von ungeheurer Größe, die hundertmillionenmal so stark strahlte wie ihre eigene Sonne. Diese Sonne Anrel schien bei einer Entfernung von einer Milliarde Meilen glühend heiß auf sie nieder. Sie stießen auf die Tefflaner und Magyaner, zwei sich bekämpfende Rassen des Sonnensystems, in das sie vorgedrungen waren, und sie schlossen sich den Magyanern an.
Sie stellten fest, daß die Magyaner in jeder Beziehung menschenähnlich waren, so vollkommen menschengleich, daß es fast unwahrscheinlich erschien, bis sie dann erfuhren, daß ihr Raumschiff nicht das erste war, das durch die Welträume geschleudert worden war. Auf dem Kontinent Mu hatten sich die Magyaner entwickelt und kämpften mit einer seltsamen Rasse gehörnter Lebewesen – anscheinend halb Mensch, halb Ziege –, den alten Teffhellani, die in den weiten Höhlen unter Mu lebten. Bei einem letzten Versuch, sie zu zerstören, errichtete der Kaiser Tsoo-Ahs von Mu zuerst starke Kolonien überall auf der Erde, baute Raumschiffe, die mit Kräften ausgestattet waren, welche die Höhlen zur See hin zu öffnen vermochten, und ließ ihre Kräfte frei. Das Wasser strömte herein, und Mu versank für alle Zeiten. Ein einziges der Raumschiffe der Teff-hellani jedoch entkam und zerstörte alle Magyanerschiffe mit einer Ausnahme. Die beiden überlebenden Feinde kollidierten während ihrer Schlacht im Raum gleichzeitig mit einem Planetoiden und wurden in diesen fremden Raum gestoßen. Die Passagiere jedes dieser beiden Schiffe hielten sich für die einzigen Überlebenden; jedes Schiff landete auf einem von den siebenundachtzig Planeten, die um Anrel kreisten. Sie bildeten den Kern einer zukünftigen Weltbevölkerung. Nach kurzem Kampf fielen die Bewohner Magyas in die Barbarei zurück. Jahrhunderte vergingen, und eine neue Zivilisation entwickelte sich. Der Weltraum wurde wieder neu erobert. Wieder stieß man mit den Teff-hellani zusammen. Beide Völker hatten etwa die gleiche Stufe in Wissenschaft und Technik erreicht. Für beide Rassen wurden Sagen, die nie verklungen waren, Wirklichkeit. Der
Krieg des instinktiven Hasses wurde weitergeführt. Eine Unzahl von Schlachten im Weltraum folgte, die mit der fast völligen Vernichtung der Magyaner und der vollständigen Zerstörung von Teff-El und seinen Bewohnern endeten. Die Sunbeam spielte in diesem interplanetarischen Krieg eine entscheidende Rolle. Nachdem schließlich in Magya die Ordnung wiederhergestellt war, bereiteten Aarn Munro, Russ Spencer und Don Carlisle die Rückkehr in ihren eigenen Raum vor. In der Luftschleuse der Sunbeam nahmen sie von Anto Rayl Abschied. »Der Apparat ist installiert, Anto Rayl«, sagte Aarn, »das Problem ist gelöst. Wir lassen dir das Gerät zurück. Wir müssen gehen. Unsere Heimat liegt auf der anderen Seite der Mauer, aber wir können ja nun beide diese Hindernisse überwinden – wir auf der Erde hoffen also, euch aus Magya bald zu sehen. Werdet ihr kommen?« »Ganz bestimmt kommen wir, Aarn Munro! Wir möchten die Alte Welt sehen, wo Menschen erzogen werden wie die, denen wir hier begegnet sind. Wir werden versuchen, euch nach eintausend Tagen zu folgen. Bis dahin also.« Anto Rayl winkte, drehte sich um und verschwand in der Eingangsluke einer großen glänzenden Metallwand, der Wand eines mächtigen Kriegsschiffes. Hinter ihm schloß sich die Luftschleuse.
Erstes Buch
Der unglaubliche Planet 1
»Fertig?« fragte Aarn Munro und schaute auf Carlisle und Spencer. Halb eifrig, halb bedauernd nickte der Ingenieur. Die drei wandten sich der großen Metallmasse des magyanischen Kriegsschiffes Tharoon Yal zu. Eine winzige Gestalt winkte abschiednehmend aus einer Luke in der mächtigen Wand. »Alles Gute!« rief Aarn. »Alles Gute für den Sprung von einem Weltraum zum anderen!« Spencer lächelte ein wenig unsicher. Das riesige Raumschiff dehnte sich plötzlich, wuchs ins Übergroße. Sie schienen sich ihm zu nähern. Instinktiv faßten sie fester zu. Dann entspannten sich ihre Muskeln. Der Weltraum war schwarz; die wunderbaren glänzenden Sonnen, die in Magyas Raum glühten, die Sterne, die diesen Raum zu einem sich nie verdunkelnden Vorhang machten, waren verschwunden. Ganz allmählich nur wurden Sterne, stecknadelkopfgroße Punkte nebligen Lichtes, sichtbar. Diese Sterne waren gigantische Körper, die wuchsen und dann wieder kleiner wurden. Der Wechsel war vollständig. »Wir sind da!« flüsterte Carlisle. Munro drehte die Sunbeam langsam, so daß jeder Winkel des Raumes sichtbar wurde. Nur hin und wieder war ein Stern zu sehen. Sie hatten den Raum gewechselt.
»Wo?« fragte Aarn spöttisch. »Ich kann Sol nirgendwo entdecken.« »Sind wir auch im richtigen Raum?« fragte Spencer. »Da du Augen hast zu sehen, weißt du genausoviel wie ich«, meinte Aarn. »Da ich aber nicht deine Kenntnisse habe, stimmt das nicht«, antwortete Spencer. »Ich bin Ingenieur. Ich habe den Apparat gebaut, den du haben wolltest. Deine Aufgabe ist es nun, zu wissen, wo wir sind.« Aarn lächelte gutmütig. »Ich mache mir genausoviel Sorgen, laß uns also nicht scharf werden. Ich glaube schon, daß dies der richtige Raum ist. Bedenke doch: Magya liegt in einem vierdimensionalen Raum, der von unserem eigenen Raum durch einen fünfdimensionalen Pararaum, in dem wir nicht leben könnten, getrennt ist. Aus unserem Raum kamen wir zufällig heraus, als wir jenen Planetoiden trafen und als unsere Kräfte sich gegen den Zusammenstoß wehrten. Dadurch wurde ein Weg geöffnet, und wir wurden hinausgeschleudert. In Magyas Raum konnten wir am leichtesten eindringen, und dank Magyas wirklich ungeheurer Sonne mit ihrer Anziehungskraft brachen wir an der Stelle in den Raum ein, wo vor uns die Magyaner eingebrochen waren. Wenn wir jetzt zurückkehren, müssen wir uns aus Magyas Raum herausheben und in einen anderen Raum einbrechen. Das ist schwerer – erfordert viel Kraft. Überdies haben wir keine Möglichkeit, uns den einen oder anderen Raum auszusuchen, außer mit Hilfe unserer Mathematik, die auf den alten magyanischen Zahlentafeln basiert, sowie durch Analyse unseres eigenen Raumes, die auf Messungen beruht, die wir während unseres Aufenthaltes auf der Erde gemacht haben. Es
besteht kaum die Wahrscheinlichkeit, daß es zwei identische Räume gibt. Ich glaube, wir sind in den richtigen Raum geraten – vielleicht nur nicht am richtigen Punkt. Überlege doch, die Berechnungen, von denen wir ausgingen, waren den Magyanern schon fast dreißigtausend Jahre bekannt. Wie viele Erdenjahre sind das?« Aarn zuckte die Schultern. »Wer weiß? Aber ich glaube doch, wir sind im richtigen Raum. Unsere Entfernung von der Erde ist nicht mehr berechenbar. Wir sind in den Welträumen verloren. Der Pararaum ist so ungeheuer, daß er Tausende von Welträumen umfaßt – aber selbst ein ziemlich unbedeutender kleiner Raum, wie dieser hier, hat einen Durchmesser von mehreren hundert Millionen Lichtjahren. Ich glaube, wir sind noch in der gleichen Milchstraße.« »Lieber Himmel!« seufzte Spencer. »Es geht uns genauso schlecht wie vorher.« »Wie können wir feststellen, wo wir sind?« fragte Carlisle gleichzeitig. »Ich habe eben darüber nachgedacht. Nehmen wir zunächst mal an, daß wir in der richtigen Milchstraße sind. Das heißt, wir hängen irgendwo an der Grenze einer Milchstraße; denn wären wir mittendrin, würde sie einen Kreis um uns bilden. Das Problem für uns ist nun, den genauen Punkt zu finden. Wenn wir in der richtigen Milchstraße sind, kann das nicht schwer sein, weil es immer noch Orientierungspunkte im Raum geben muß, die als Wegweiser dienen können, so daß wir schließlich Sol entdecken und direkt ansteuern könnten. Das ist nichts Unmögliches für uns, dank dem Geschwindigkeitseinfluß des Pararaumes können wir schneller sein als das Licht.«
»Welche Merkmale hast du im Raum?« fragte Carlisle. »Was wir brauchen, ist ein bekanntes Sternsystem, das weit genug entfernt ist, so daß unsere Bewegung in der Milchstraße sein Bild nicht bis zur Unkenntlichkeit verzerrt.« »Du meinst also die Sternsysteme, die nicht zu unserer Milchstraße gehören«, sagte Carlisle, der ihn verstand. »Eben die. Aber wir können das nicht selbst machen.« »Hm? Was hilft es uns dann?« »Wir müssen irgendwo in der Nähe eine Rasse finden – oder irgendwo in dieser Milchstraße – und ihr sagen, was wir brauchen. Wenn sie Teleskope und Fotografie kennen, werden sie Bilder haben, die wir mit unseren Platten hier in den Sternenkatalogen vergleichen können. Wir können dann einige sehr hervorstechende Nebel bestimmen.« »Haben wir Aussicht, einen bewohnbaren Planeten zu finden?« fragte Spencer. »Klar. Allein in diesem Teil der Über-Milchstraße gibt es annähernd dreihundert Millionen Sterne, und einer von je hunderttausend etwa hat ein System von Planeten, sagt man. Das bedeutet ungefähr dreitausend planetarische Systeme, und wir brauchen nur ein einziges«, sagte Aarn lächelnd. Spencer bemerkte: »Oder aber ungefähr ein Stern von einhunderttausend hat wahrscheinlich ein planetarisches System. Daher werden wir einen Planeten finden, vorausgesetzt, daß wir ungefähr einhunderttausend Sternensysteme untersuchen.« »Du könntest noch hinzufügen«, sagte Aarn fröhlich, »daß vielleicht einer von zehntausend solcher Planeten bewohnbar sein könnte und einer von diesen zehntausend
bewohnt sein wird.« »Das sieht also eigentlich nicht sehr vielversprechend aus«, bemerkte Carlisle. »Aber nicht so entmutigend, wie man denken könnte.« Bob Canning, der Elektroneningenieur aus Spencers Erdlaboratorium, der sie auf dieser Fahrt begleitete, erschien vorsichtig in der Tür. »Sind wir richtig heimgekommen, Herr Doktor? Ich habe die Sterne nicht wiedererkannt.« »Und ich hatte darauf gehofft, Bob. Ich habe sie auch nicht erkannt. Ich glaube, wir sind etwa zehntausend Lichtjahre von zu Hause entfernt«, antwortete Aarn. »Aber wir wollen uns fertigmachen zur Weiterfahrt. Behalten Sie die Schalttafel im Auge, und dann wollen wir auf einen Stern in der Nähe lossteuern und sehen, was dort zu sehen ist.«
2
»Was ist denn das?« fragte Carlisle unsicher. Aarn, Spencer und Bob arbeiteten eifrig an einem Etwas, das sie in der schon voll besetzten Kraftstation aufgestellt hatten. »Ich hoffe, daß es eine Art Fernrohr für zwanzig Meilen Umkreis ist«, erwiderte Aarn. »Nicht gerade ein Teleskop...« »Das habe ich auch nicht gedacht«, gab Carlisle zu. Es sah aus wie eine Schalttafel. Vier kleine Antischwerkraftfeld-Speicherspulen, Miniaturausgaben der riesigen »Aggie«-Spulen, die für die Speicherung der Schiffskraft verwendet wurden, waren am Sockel der Tafel angebracht. Ein gewöhnlicher Transponstrahlen-Apparat
vervollständigte die Anlage. »Er wurde für eine Umstellung der gewöhnlichen Transponstrahlen entworfen«, erklärte Spencer. »Während ihr schlieft hat Aarn ihn an den Rechenmaschinen berechnet. Unser gewöhnlicher Transponstrahl nimmt Kraft aus jedem elektrischen Feld auf. Wir haben ihn natürlich meistens verwendet, um Kraft aus dem elektrischen Feld der Sonne abzuzapfen, aber er kann jedes elektrische Feld anzapfen. Aarn hat ihn auf ein Anzapfen des elektromagnetischen Feldes der Lichtstrahlung umgestellt. Es ist eine Art Radioantenne, die wie ein sich schnell verbreitender Kegel arbeitet und alle elektromagnetischen Strahlen feststellen, gleichrichten und die Hälfte der Energie des Feldes auffangen kann. Aarn sagte, daß er dadurch eine Menge erfahren wird.« »Hmm – Licht wie eine Radiowelle auffangen. Warum?« Aarn antwortete ihm. »Ich kann ihn sehr leicht einrichten und dadurch Licht von irgendeinem Stern und seinem zugehörigen Sternengebiet aufnehmen. Auf diese Weise kann ich die Strahlung eines Sternes prüfen, wenn er ein Lichtjahr und mehr entfernt ist, noch dazu alle Einzelheiten auf das genaueste feststellen. Es gibt da gewisse Änderungen im Licht, aus denen man vielleicht Schlüsse ziehen kann. Nach dem erfolglosen Besuch von fünfzehn Sternen in den letzten fünf Tagen werde ich es allmählich leid, kreuz und quer durch den Weltraum zu jagen. Dieses Ding hier könnte uns weiterhelfen.« Sechs Stunden später war das Gerät fertig, und Aarn begann damit zu arbeiten. Er schaltete auf »Strom« und warf dann ein einzelnes
Relais heraus. Ein Netz von glühenden Transponstrahlen wurde erzeugt, und ein dumpfer Widerhall ging durch die Kraftstation, als der große Haupttransponapparat, durch das neue Gerät abgeändert, seine Arbeit aufnahm. Ein gewaltiger unsichtbar strahlender Kegel breitete sich im Weltraum aus. Schließlich hatte er seine Ausbreitungsgrenze erreicht, und der Sammelpunkt zeigte einen beständigen Wert an. Aarn las die Zahlen schnell ab, Spencer notierte sie. Fünf Minuten später befand sich die Sunbeam in dem seltsamen geisterhaften Dunkel, das immer herrschte, wenn sie mit Höchstgeschwindigkeit flog. Halbwegs in dem Pararaum, der fünften Dimension, in der die Entfernungen der vierten Dimension nichts mehr bedeuteten, halbwegs im normalen Weltraum, so daß sie Kontakt mit ihrer Umgebung behalten konnte, raste die Sunbeam dem Stern entgegen, den sie beobachteten. Nach wenigen Minuten stoppten sie ab, und Aarn widmete sich wieder dem Ablesen seiner Instrumente. Auf diese Weise erhielt er innerhalb einer Stunde alle Angaben über diesen besonderen Stern, die er benötigte. In einer weiteren halben Stunde hatte er die Resultate ausgerechnet und wußte nun bestimmt, daß keinerlei Planeten um diese Sonne kreisten. Schon nach der ersten Ablesung der Instrumente wurde der nächste Stern übergangen. Ein weiterer und noch ein weiterer folgten. Nach zwei Tagen schrie Aarn plötzlich triumphierend auf. Der Stern, den sie untersuchten, hatte Planeten – oder zum mindesten einen Planeten! Das Unglaubliche war Wahrheit geworden. In nur Tagen der Suche und Versuche hatten sie einen Planeten entdeckt!
»Was für ein Stern ist es?« fragte Carlisle. »Offengestanden, ich weiß es nicht. Er scheint vom Typ F0 und nicht auf dem Hauptzweig zu sein. Wahrscheinlich ist er mit Kapella zu vergleichen.« Die Sunbeam eilte auf die Sonne zu und legte in jeder Sekunde einen Weg von Lichtwochen zurück. Trotz dieser unmeßbaren Geschwindigkeit brauchten sie mehr als zwei Tage für den Flug. Am zweiten Tag sahen sie, wie das geisterhafte Bild der Sonne sich von einer verkrümmten Nadelspitze in eine verschwommene Scheibe verwandelte. Am äußeren Ende des Einflußbereichs der Schwerkraft dieser Sonne verlangsamten sie ihre Fahrt und glitten mehr und mehr in eine normale Geschwindigkeit. Sie hielten an und beobachteten das planetarische System etwas sorgfältiger aus näherer Entfernung. Sie sahen den seltsamen kleinen Planeten, der der sekundäre Strahler dieser neuen Sonne war. Er hatte knapp zweitausend Meilen Umfang, und er umkreiste in weniger als zehn Millionen Meilen Entfernung die glühende blauweiße Sonne, die sie als Tarns kennenlernen sollten. Im ganzen waren elf Planeten vorhanden. Neun bewegten sich in ziemlich normalen Bahnen. Der sechste, ein Riese mit einem Durchmesser von annähernd einer viertel Million Meilen, erregte sofort ihre Aufmerksamkeit. »Ein Ungeheuer«, sagte Aarn vergnügt und prüfte die Gravitationsfeldanalysen. »Und welche Laufbahn! Gravitationsfeld an der Oberfläche: 2,1 g. Sein Feld erstreckt sich über fast eine Milliarde Meilen, acht Monde – und der dort ist größer als Uranus! Ich wette, daß das ein richtiger Planet gewesen ist, der von dem großen Burschen dort gefangen wurde. Und schaut nur mal den äußersten
Satelliten hier an! Fünftausend Meilen Durchmesser – größer als Mars – und seine Laufbahn umkreist keineswegs jenen großen Planeten! Er hat eine eigene Laufbahn! Da muß sich irgend etwas ereignet haben – und ich wette, daß ich weiß, was! Etwas, was ungeheuer selten vorkommt...« Aarn verfiel in Schweigen und nahm neue Kontrollen an seinen eigenartigen Schwerfeldsonden und den Impulswellenanalysatoren vor. Er untersuchte aufs neue den verirrten Planeten, der sich jetzt durch eine Welt riesigen Ausmaßes drehte. Rasch las er die Ergebnisse seiner Messungen ab. »Seine Bahnebene ist um 134 Grad gegen die Ebene der anderen Planeten geneigt! Ein Wanderer, der gefangen wurde! Seht doch her – er hat einen Durchmesser von siebenundfünfzigtausend Meilen – seine Laufbahn bildet eine extreme Ellipse, die beim entferntesten Punkt um fast zehn Milliarden Meilen zurückweicht und sich dem großen Planeten dann wieder auf fünfzig Millionen Meilen nähert! Dieser Planet war frei und kam nur zufällig in dieses System hinein. Er hat das ganze Mondsystem in Unordnung gebracht und hat sogar den riesigen Planeten aus seiner Laufbahn herausgezogen und den Satelliten am äußersten Rand losgerissen. Dabei wurde die Wanderung des Planeten zum Stillstand gebracht!« Die Sunbeam schoß vorwärts, und der geisterhafte fremde Planet wurde schnell größer. Aarn hielt in einer Entfernung von zwanzig Millionen Meilen an und untersuchte ihn wieder mit seinem Teleskop. Klar und scharf erschien das Bild auf dem Schirm des Fernsehgerätes. »Ich habe kaum Hoffnung, daß wir dort Leben finden«,
bemerkte Aarn. »Der ist noch gar nicht aufgetaut. Seht die Eishauben – und diese Meere! Und schaut euch doch mal die seltsame Neigung der Achse an! Fast siebzig Grad. Wollen wir landen?« »Klar«, erwiderte Spencer. »Aber die Untersuchungen wirst du machen müssen!« Er zeigte auf den Gravitatometer. »Die Oberflächenschwerkraft beträgt 2,6 g.« Aarn grinste. »Mach ich! Schwächlinge seid ihr, ihr Erdbewohner!« Aarn Munro, der auf dem Jupiter Geborene, streckte den Arm aus, der dicker und gedrungener war als Spencers Schenkel. Der Arm gehörte zu einer Schulter, die so kräftig und muskulös war, daß sich der kurze mächtige Hals fast darin verlor. Aarn ballte die Faust und beugte den Arm und betrachtete das leichte Spiel der Muskeln und Sehnen. »Ich verweichliche – das kommt vom Leben auf einem so leichten Planeten wie unsere Erde oder Magya.« Von der Impulswelle getrieben, raste die Sunbeam wieder vorwärts. Als das Gravitationsfeld des Planeten auf das Schiff einzuwirken begann, zeigten sich automatisch neue Transponstrahlen. Man verlangsamte die Fahrt auf hundert Meilen. Schließlich hingen sie bewegungslos im Raum. Das Gravitationsfeld des Planeten wurde automatisch neutralisiert, während die innere, künstlich erzeugte Schwerkraft des Schiffes erdnormal gehalten wurde. Und dann erspähte Aarn das große Geheimnis Myrya. Er griff so fest nach Spencers Arm, daß der Erdenmensch vor Schmerz aufschrie. »Spence – Spence – Ruinen!«
Großartig und majestätisch lagen sie da im Schein der blauweißen Sonne. Schimmerndes Metall unter einer dünnen Schicht Asche. Große breite Alleen mit den Trümmern langsam verfallender Ruinen. Riesengroße Gebäude, ehrfurchterregend, wunderschön – aber die Dächer bröckelten ab. Eine Riesenstadt erstreckte sich eine Meile lang an der Seite eines großen Berges und reichte drei Meilen weit in ein Tal hinein. »Menschen!« sagte Carlisle atemlos. »Wie – wie alt ist die Stadt?« fragte Spencer benommen. »Millionen und aber Millionen von Jahren!« Aarn machte eine plötzliche Bewegung, und das Schiff schoß eilig auf die alte Stadt zu. Langsam sanken sie und landeten sanft auf dem halbverfallenen großen Platz der alten Stadt. Aarn stand auf und schaute aus der Luke. »Wie lange, o Herr, wie lange? Millionen von Jahren? Milliarden? Welche Rasse hat hier gelebt, gekämpft? Baute die Stadt und starb dann, als der Planet seine jahrhundertelangen Wanderungen begann?« Er hielt inne und runzelte gedankenvoll die Stirn. »Was ich nicht verstehen kann, ist die Staubschicht. Sie ist schwarz und sieht schmutzig aus. Das Pflaster scheint dazuzugehören. Aber woher kommt das? Es gab offensichtlich keine Verwitterung, woher kommt also dann der Staub?« Carlisle hatte sich auf praktische Art beschäftigt. »Sauerstoffgehalt etwa vier Prozent, Luftdruck ungefähr sieben Atmosphären.« »Großartig, gerade richtig«, nickte Aarn. »Gifte?« »Keine einfachen, und ich möchte auch bezweifeln, daß zusammengesetzte vorhanden sind. Ich habe eine unserer wenigen übriggebliebenen Mäuse 'rausgesetzt und es geht
ihr noch immer gut.« »Ich werde gleich mal 'rausgehen.« Schnell machte Aarn sich zurecht. Er legte eine Staubmaske an und trug ein kleines Gerät, das er erst kürzlich entwickelt hatte, einen Handaufzug, wie er es nannte. Es war die Miniaturausgabe eines Impulstriebgerätes mit stromspeichernden Aggregatspulen. Man konnte es in der Hand tragen und durch Daumendruck betätigen. Das würde ihn bereitwilligst hochheben. Er konnte nicht direkt damit fliegen, aber er konnte sich senkrecht damit in die Höhe heben. »Ich gehe mit«, kündigte Spencer plötzlich an. »Schätzungsweise kann ich's eine kurze Zeit lang aushalten.« Aarn betrachtete ihn nachdenklich. »Es wird ein schweres Stück Arbeit sein.« »Na, eine halbe Stunde werde ich es schon schaffen.« In fünf Minuten waren sie fertig. Vorsichtig ließen sie die neue Atmosphäre durch ihre Luftschleuse eindringen, um sich an den Druck zu gewöhnen. Gespannt und entschlossen stieg Aarn aus. Bis zur sichtbaren Oberfläche war es ein Sprung von zwei Fuß Höhe. Da Aarn an der Festigkeit der Oberfläche zweifelte, ließ er sich mit dem Handaufzug hinab. In der neutralen Zone, in der die Schwerkraft durch die künstliche Schwerkraft der Sunbeam neutralisiert wurde, verspürten sie ein eigenartiges, zerrendes Gefühl. Dann waren sie unten und versanken bis zum Knöchel in dem dicken aufgehäuften Staub. Aarn streckte sich voller Wohlbehagen und schaute mitleidig auf Spencer, der sich erschöpft bemühte, aufrecht zu stehen. Minuten vergingen, bis der
kleinere Mann seine erdgewohnten Muskeln einer Schwerkraft angepaßt hatte, die ihm ein Gewicht von vierhundert Pfund verlieh. Dann, endlich, gingen sie auf ein Gebäude zu. Aarn bewegte sich leicht und ohne jegliche Anstrengung. Sie näherten sich dem nächsten der großen Gebäude und spähten durch den großen Bogen hinein. Es war kalt hier, bitter kalt, und ein Strom eisiger Luft drang langsam nach außen. Im Sonnenlicht verwandelte er sich in kompakten, flockigen weißen Nebel. Aarn schaute flüchtig nach oben. Die Luft war klar und wolkenlos, die große Sonne funkelte hoch oben mit glänzendem blauweißem Licht, der Himmel hatte eine tiefdunkle Farbe mit einem Ton Grün darin. Keinerlei Anzeichen von Staub oder Nebel lagen in der Luft, die einzigen sichtbaren Wolkenspuren rührten von den umliegenden Gebäuden her. »Die sind noch nicht aufgetaut!« sagte Aarn leise. »Diese Welt kann nicht länger als wenige Jahre hier existieren!« »Jahre – würde es denn Jahre dauern, um das alles hier aufzutauen?« »Mehr noch. Es würde Jahre dauern, bis die enormen Luftmassen, die hier festgefroren sein müssen, sich erwärmen. Dazu kommt, daß diese übermäßig gefrorenen Felsen – und wahrscheinlich auch diese Gebäude – eine Art von Isolierung besaßen. Diese riesigen Gebäude – immerhin, Gebäude aus Metall vom Typ der Wolkenkratzer deuten auf eine hohe Zivilisation hin – und Metallgebäude müssen Hitzeisolierungen besitzen.« Aarn schritt durch den ungeheuren Bogen. Eine stattliche, düstere Halle empfing ihn. Riesige Säulen
strebten in das Halbdunkel empor und bildeten eine gewölbte und mit Bogen versehene Decke, die in dem aus wenigen zerbrochenen Fenstern eindringenden Licht kaum sichtbar war. Die Halle war mit Mosaik ausgelegt. »Spence – das alles war schon jahrhundertealt, als es verlassen wurde.« Aarn prüfte den Mosaikboden. Er stellte eine Landkarte dar, eine riesengroße Karte eines Kontinents, wahrscheinlich des Kontinents, auf dem sie gelandet waren. Sie war großartig angelegt, und er sah, daß man nicht einfache Kachelstückchen verwendet hatte, sondern vielmehr kleine Stäbchen, die nebeneinandergelegt worden waren, um ein bestimmtes Muster zu bilden. Obwohl der Boden jetzt zolltief abgetreten war, war das Muster noch vollkommen zu sehen. Seit dem Tag vor undenklichen Zeiten, an dem die Karte angelegt worden war, hatte man sie nicht verändert. Ein Dutzend Städte waren deutlich in dem Teil zu erkennen, den sie vom Eingang aus sehen konnten – eine der Städte jedoch, die offenbar im Herzen der Berge lag, war nicht in Kacheln ausgelegt. Sie war auf die Oberfläche des Mosaiks gezeichnet worden, und ein leuchtendroter Kreis umgab sie. Verschiedene Symbole und Buchstaben waren unterhalb des Kreises angebracht, und ein Pfeil deutete auf ihn hin. »Ihre letzte Zuflucht?« fragte Spencer leise. »Zweifellos. Wir werden dorthin gehen müssen. Ich habe Angst, hier zuviel Untersuchungen anzustellen. Ich weiß nicht, wodurch diese Gebäude zerstört wurden. Gewisse Dinge weisen auf ein Erdbeben hin – oder besser, ein Planetenbeben –, aber das erklärt noch nicht den Staub und die zerfallenen Dächer der Gebäude. Hast du bemerkt,
daß die unteren hundert Fuß etwa nicht wesentlich beschädigt wurden, während der obere Teil angefressen ist wie etwa von irgendeiner scharfen Säure? Es muß etwas gewesen sein, das aktiv war, während der Planet frei im Weltraum wanderte. Die gefrorene Atmosphäre hat den unteren Teil geschützt. Bestimmt waren's keine Meteore. Aber was?« Spencer schaute flüchtig auf die im Dunkeln liegende Decke. »Laß uns hier weggehen! Diese tote Stadt geht mir auf die Nerven, und ich habe Angst, daß irgendwas auf uns 'runterfällt.« »Du magst recht haben. Trotzdem – ich möchte die Stadt besichtigen.« Aarn wies auf den roten Kreis auf der Landkarte. »Ich könnte mir denken, daß das hochinteressant ist. Die Tatsache, daß die Stadt aufgemalt und nicht ausgelegt ist, deutet darauf hin, daß sie neu ist und in Eile erbaut wurde. Im Bewußtsein der herannahenden Gefahr müssen sie sich dorthin zurückgezogen haben. Warum sie das so angedeutet haben, weiß ich natürlich nicht. Möglicherweise sollte es ein Wegweiser sein für die Rasse, die sie irgendwann in der Zukunft einmal finden würde. Vielleicht haben sie auch Berichte hinterlassen, die leicht zu deuten sind. Gehen wir?« Zehn Minuten später dekomprimierten sie die Sunbeam, und eine Stunde danach flogen sie weiter und befanden sich auf der Suche nach jener anderen Stadt. Aarns sorgfältig gezeichnete Karte half ihnen dabei. Sie kreuzten langsam, waren sie sich doch über Richtung und Entfernungen nicht genau im klaren. Sie machten die große Bergkette ausfindig und dann die Stadt.
Wie festgeschmiedet saß Aarn für dreißig lange Sekunden an seinem Steuerpult. Männer, geschäftige Gruppen von Männern, arbeiteten dort unten. Maschinen schleppten Materialien. Die Stadt war lebendig! »Meine Güte!« flüsterte er schließlich. »Sie leben!« »Das – das ist doch unmöglich! Die da unten müssen von irgendeinem anderen Planeten sein.« Die Sunbeam sank. Unter sich bemerkten sie ein plötzliches Rennen. Ein halbes Dutzend Düsenflugzeuge mit kurzen dicken Tragflächen hoben sich graziös in die Luft. Sie kamen der Sunbeam näher, wurden aber durch den das Schiff umgebenden magnetischen Schutz vom Kurs abgelenkt. Dann wendeten sie, hielten mit dem Schiff Schritt und landeten schließlich auf einem breiten, offenen Raum am Rande der Stadt. Die Stadt lag eingebettet in einem großen Tal. Und an jedem Ende erhob sich ein titanenhaftes Gebäude aus Metall und Beton. Ein ungeheurer Damm schloß sie in einer großen, breiten Mulde ein. Das Rollfeld lag nahe dem Fuße des einen dieser unglaublich großen Dämme. »Werden wir landen?« fragte Spencer. »Ich habe den Eindruck, daß sie uns freundlich gesinnt sind«, meinte Aarn. Die Sunbeam ließ sich plötzlich und leicht herab und landete neben einem der Flugzeuge. So trafen Menschen zum erstenmal den Myryaner. Er war klein, aber so muskulös wie Aarn, mit breitem und angenehmem Gesicht und tiefbronzefarbener Haut. Eine Mähne von goldrotem Haar umgab den Kopf. Seine Ohren waren gewölbt und beweglich, die gesamte Körperstruktur war schwer, aber sonst war er durchaus menschlich – und schön. Jetzt zeigte sich ein Ausdruck neugierig
überraschten Interesses auf seinem Gesicht. Er schien von höchster Intelligenz. Das Auffallendste aber war ein Ausdruck inneren Friedens und gelassenen Glücks. »Seid willkommen, die ihr aus dem Nichts kommt«, sagte ein Etwas deutlich in Aarns Bewußtsein, während ein Mann draußen seine Aufmerksamkeit auf sich zog. »Wollt ihr herauskommen zu uns?« »Was?« Aarn war mehr als überrascht. »Spence – das ist Telepathie!« Innerhalb einer Sekunde war Aarn aufgestanden und eilte auf die Schleuse zu. Er sprang auf den Boden und landete sanft neben dem Schiff. Er schritt flink auf den Fremden zu und streckte ihm lächelnd und voller Freude seine Hand entgegen. »Ihr lebt!«. Der andere erwiderte das Lächeln, und irgendwie vermittelte er den Eindruck, als ob er auf etwas wartete. Andere Männer kamen auf sie zu, nahezu zweihundert. Dann fuhr ein niedriger, breiter und gewaltiger Wagen vor und hielt dicht bei ihnen. Zwei Männer stiegen aus. Der eine trug ein einfaches reinweißes Gewand, so weiß wie die Mähne seidigen Haares, die seinen Kopf und Hals bedeckte; der andere, in golddurchwirktem Gewand, war gekleidet wie der Mann, den Aarn zuerst gesehen hatte. »Willkommen ihr, die ihr aus dem Nichts kommt!« grüßte er, als er sich ihnen näherte. Der erste Mann war, immer noch lächelnd, zurückgetreten. »Kommt ihr von einem der Planeten unseres Systems? Mit unseren Teleskopen konnten wir keinerlei Hinweise auf Bewohner feststellen.« »Wir kommen von – irgendwo. Wir haben uns im Weltraum zwischen den Sternen verirrt. Aber ihr – ihr lebt!«
»Weltraum zwischen den Sternen – dem Raum zwischen den Sonnen? Dann kommt ihr von einer sehr entfernten Sonne – aber das kann ja nicht sein.« »Es ist aber so. Aber ihr – daß ihr lebt! Wie habt ihr das fertiggebracht?« »Einige von uns überlebten«, antwortete der Myryaner langsam. Aarn sah im Geist lange Reihen von weißgekleideten Gestalten, die leblos schienen, Reihe neben Reihe in einem unterirdischen Gemach, das in einen Fels hineingesprengt war und durch einige glühende Röhren erhellt wurde. »Ihr habt das vollbracht, was wir vergebens gesucht haben. Hätten wir es getan, hätten wir alle leben können. Leben und sterben. Vorbei.« Aarn konnte diese Zeitvorstellung nicht verstehen. Er begriff nur, daß sie über alles Maß hinaus ungeheuer war. »Seid ihr schneller als das Licht gereist?« »Ja, in gewissem Sinne. Wie eine Welt rund ist wie eine Kugel, so ist auch aller Weltraum rund in der vierten Dimension. Die Kugel des Raumes schwebt in einem größeren Pararaum. Wenn wir reisen, begeben wir uns in den Pararaum und an einem anderen Punkt wieder zurück in den vierdimensionalen Raum. Das ist keine Bewegung und es ist auch keine Geschwindigkeit. Und es heißt auch nicht schneller reisen als das Licht. Es ist einfach eine Entrückung. Wir verschwinden wir hören auf in diesem Raum zu existieren und treten anderswo wieder in Erscheinung.« »Deine Gedanken sagen mir nichts. Aber das ist jetzt auch nicht wichtig. Wir sind wieder sicher – wir haben eine Sonne. Von ihr werden wir nicht so bald weggerissen.« Spencer rief von der Sunbeam: »Aarn, hilf mir! Ich
möchte auch an der Unterhaltung teilnehmen.« Die Myryaner schauten neugierig auf die schlanke Gestalt in der Tür, drei Fuß hoch über dem Boden die Angst vor dem Sprung hatte. Aarn ging zu ihm und hob ihn schnell herunter. Zusammen kehrten sie zurück. »Wir kommen aus verschiedenen Welten des gleichen Sonnensystems«, erklärte Aarn. »Dieser Mann hier kommt von der Mutter Erde und ich von der größeren, schwereren Kolonialwelt. Mein Planet ist so groß wie eurer, seiner dagegen ist wesentlich kleiner.« »So bist du Aarn?« fragte der Weißhaarige. »Ich bin Karshan, von Myrya.« »Ich bin Aarn, vom Jupiter. Das hier ist Spencer, von der Erde.« Aarns Gedanken kehrten immer wieder zu dem Geheimnis zurück, das ihn am meisten beschäftigte. »Aber – wie konntet ihr denn leben?« »Wir lebten nicht. Wir starben und wurden wieder lebendig.« »Wie lange ist das her? Was ist eigentlich geschehen?« »Dein Gehirn kann meine Ausdrücke nicht übertragen, nicht in bezug auf Zeit. Aber du kannst folgendes verstehen: Als wir Shaln umkreisten, waren wir weit am Rand des Milchstraßensystems. An unseren Himmeln glühte nachts ein großes, breites Lichtband, glänzend wie eine Sonne. Zu gewissen Jahreszeiten erhellte es unsere Welt Tag und Nacht, aber sein Licht war kalt. Wir haben Bilder, die wir dir zeigen werden – vielleicht verstehst du es dann. Ich werde dir die Botschaften zeigen, die wir jedesmal, wenn wir erwachten, zurückließen. Du mußt dich allerdings üben, damit du sie verstehst.«
»Wie lange seid ihr denn hier?« fragte Spencer. »Habt ihr irgendwelche Fotos aufgenommen?« »Dreitausend Tage lang haben wir diese Sonne umkreist.« Das bedeutete also etwa sechs Jahre. »Natürlich haben wir Fotos aufgenommen, aber wir haben wenig daraus erfahren. Warum fragst du?« »Wir haben uns verirrt. Nur mit Hilfe von Fotos, die während einer Anzahl von Jahren gemacht sind, können wir unsere eigene Sonne finden«, erklärte Aarn. »Ich fürchte, ihr könnt uns da nicht helfen.« »Das fürchte ich auch. Wir hatten wenig Zeit für Studien. Es gab so vieles zu tun. Unser Los ist ein glückliches, aber selbst jetzt ist noch nicht alles vollkommen. Unsere Bahn ist außergewöhnlich unregelmäßig, und wir müssen für den langen langen Winter unsere Vorkehrungen treffen. Unsere Weit wird kalt sein, sehr kalt sogar; wir brauchen mehr als einhunderttausend Umdrehungen unseres Planeten, um zu einer kreisförmigen Laufbahn zu kommen.« »Da kann ich euch helfen«, sagte Aarn eifrig. »Zeigt mir einmal diese unglaublich alten Fotos und laßt mich mal eure Mechanismen untersuchen und eure Geschichte erforschen – dafür zeige ich euch dann, wie ihr euren Planeten in eine kreisförmige Bahn steuern könnt, die jede euch beliebige Größe hat – das kann mit fünf Umdrehungen geschehen. Ich werde euch zeigen, wie ihr genügend Wärme bekommen könnt, um euren Planeten zu erwärmen, selbst dann, wenn er am weitesten von der Sonne entfernt ist.« »Kennst du denn auch das Geheimnis von der Energie der Materie?« fragte Karshan eifrig.
»Ja und nein«, lächelte Aarn. »Wir nutzen einen Generator aus, der schon existiert: die Sonne. Wir zapfen ihre grenzenlose Kraftquelle an. Wir haben einen Strahl, der aus elektrischen Feldern Strom ableitet. Er verursacht elektrische Ströme entlang einer Linie im Raum, und daraus können wir jede beliebige Menge abzapfen. Ein Stern ist eine gärende Masse voll elektrischer Spannungen, und wir können uns Strom genug beschaffen, um hundert Welten aus ihren Bahnen abzulenken!« »Die Kraft der Sonne? Die Kraft von Tarns?« Karshan sagte es sowohl telepathisch als auch mündlich. »Wir haben unsere Sonne ›Tarns‹ – Hoffnung – genannt. Sie war für uns das Licht der Hoffnung. Wenn wir ihre Kraftquelle anzapfen können, sind wir tatsächlich gerettet. Aber wie kannst du einen so gewaltigen Körper wie unseren Planeten bewegen?« »Unser Schiff wird von einem Etwas angetrieben, das wie eine Schwingung ist und es doch nicht ist; es ist ausstrahlender Impuls. Damit werden Impulse in das Gefüge jeglichen Raumes gestreut, und wir können damit jeden Körper beschleunigen, den wir beschleunigen möchten. Das würde bei einem Körper von den Ausmaßen eures Planeten Jahre in Anspruch nehmen, aber wir würden es schaffen. Ich werde es euren Ingenieuren zeigen.« Eine halbe Stunde später kehrte Spencer widerwillig zur Sunbeam zurück, weil es ihm unmöglich war, die große Schwerkraft länger zu ertragen. Aarn ging mit Karshan zur Stadt. Der lange Tag von Myrya neigte sich dem Ende zu. Lange Röhren, die unter den Schnitzereien an den Gebäuden verborgen waren, erleuchteten die Straßen mit einem gelblichen Licht. Vereinzelte Lichter zeigten sich in
den Fenstern der halbentvölkerten Metropole. »Ich werde dich zu unserem zentralen Schlafraum führen«, sagte Karshan, als sie sich von dem Hauptplatz der Stadt abwandten. »Du wirst einer Gruppe von Männern begegnen, denen viel daran liegt, dich kennenzulernen. Physiker Chemiker, Ingenieure. Sie möchten gern unsere Probleme mit dir besprechen.« »Was habt ihr für eine Stromquelle?« sagte Aarn plötzlich. »Auch wir zapfen die Sonne an – allerdings indirekt. An einem sicheren Ort außerhalb der Stadt haben wir Apparate, die die strahlende Energie aufsaugen und sie auf eine Reihe von Fotozellen konzentrieren. Dort werden sie in elektrischen Strom umgewandelt. Unsere Stadt ist natürlich die einzige, der eine brauchbare Stromanlage geblieben ist; jetzt haben wir schlechten Strom. Keine unserer Maschinen kann nachts in Gang gehalten werden, es sei denn in dringenden Notfällen. Unser Licht ist nur beschränkt. Und das selbst bei unserer sehr kleinen Einwohnerzahl.« »Wie viele Einwohner habt ihr?« fragte Aarn. »Etwa zweitausend Männer und rund zweitausendzweihundert Frauen. Aus irgendwelchen Gründen überstanden die Frauen den Schlaf besser. Wir haben zu wenig Männer, um unsere Stadt wirklich ordentlich zu verwalten. Glücklicherweise haben wir Vertreter aller wissenschaftlichen Gebiete. So viele von uns sind gestorben. 789500 haben sich zum Schlaf niedergelegt. Mehr konnten wir nicht unterbringen, und nur wenige mehr wollten es überhaupt. Sie hinterließen uns Botschaften, als sie starben. Berichte darüber, was sich
ereignete. Nach unserem ersten Aufwachen fanden wir sie und brachten sie an einen sicheren Ort hier in Tarnsor. Wir werden sie dir ebenfalls zeigen. Die Sterbenden beerdigten die Toten. Wir, die wir lebten, mußten mehr als siebenhundertachtzigtausend unserer Gefährten beerdigen.« Karshan lächelte leicht. »Es hat uns nicht allzusehr bekümmert. Es ist schwer, selbst um die liebsten Menschen zu trauern, wenn ein wunderbarer, unglaublicher Traum zur Wirklichkeit wird. Wir sahen wieder eine Sonne. Viele von denen natürlich, die wieder erwachten, hatten keine Vorstellung von dem, was wir durchgemacht hatten. Einige andere wohl. Ich zum Beispiel. Dreimal vor diesem letztenmal wurde ich wach – und es war immer eine Enttäuschung. Du kannst dir wohl vorstellen, mit welcher Freude ich die Maschinen in Gang setzte, die alle meine Leute wecken sollten. Selbst als wir feststellen mußten, daß viele – fast alle eigentlich – nie wieder erwachen würden, triumphierten wir in dem Gedanken, daß der Mensch Raum und Zeit erobert hatte. Wir beerdigten sie dann einfach in den Gewölben, in denen sie so lange geschlafen hatten. Sie werden es niemals wissen.« Vor einem langgestreckten niedrigen Gebäude, dessen Räume fast alle erleuchtet waren, hielten sie an. Es gab vier Türen, durch die dauernd Menschen aus- und eingingen. »Das sind die Unterkünfte für die Unverheirateten«, erklärte Karshan. Sie gingen durch eine große, zentral gelegene Vorhalle, in der die Menschen es sich in Sesseln und auf Sofas gemütlich machen konnten. Alle Köpfe drehten sich nach ihnen um. Sie betraten einen Aufzug, der sie schnell in den
siebenten Stock hinauftrug. Ein kurzer Gang durch einen breiten Korridor brachte sie in den großen Hörsaal, in dem fünfzig Männer ihnen erwartungsvoll entgegensahen. Mit zwei Ausnahmen waren alle in die golddurchwirkten Gewänder der Stadtbewohner gekleidet. Zwei mittleren Alters trugen Gewänder in leuchtendem Weiß, wie Karshan. Aarn folgte den drei weißgekleideten Männern zum Podium am Ende des Saales. Karshan ging sofort zum Rednerpult und stand einen Augenblick schweigend da. Dann begann seine telepathische Mitteilung: »Männer! Ihr wißt, welch außerordentliches Ereignis eingetreten ist. Es scheint, als ob der Ewige Geist uns geprüft und für gut befunden hat; sicherlich hat Er uns zugelächelt. Aarn, der Mann von einer anderen Sonnenwelt, hat uns in diesem kritischen Augenblick die Lösung unseres schweren Problems gebracht. Es scheint, als ob unsere Eroberung der unerbittlichen Natur zum Abschluß kommen würde. Aarn bietet uns die Möglichkeit, Tarns auf direktem Wege anzuzapfen, durch einen Strahl mit leitender Kraft, dessen Wirkungsweise selbst ich als Astrophysiker kaum verstehen kann. Wie dem auch sei, er wird uns an einem Leitstrahl entlang Strom von der Sonne bringen. Damit dürfte das Kälteproblem für diesen Winter gelöst sein. Darüber hinaus aber hat er das Geheimnis der Bewegungsgesetze gelöst. Im Gegensatz zu Rashan benötigt er keinerlei Stützpunkt, um unsere Welt zu bewegen. Er kann die neue Bahn unseres Planeten zu einer kreisförmigen ändern oder uns doch zeigen, wie das gemacht wird. Die Ingenieure müssen es eben lernen. Es wird eine schwere Aufgabe sein – aber was bedeutet
ein solches Problem jetzt schon für uns?« Ein leises Lächeln ging wie ein Seufzer durch die Zuhörer. »Auf alle Fälle«, fuhr Karshan fort, »wird Myrya vollkommen bewohnbar gemacht werden. Aber Aarn hier hat sich im Raum verirrt. Er bittet uns, ihm zu helfen, Raumspuren zu finden, die ihm den Weg nach Hause anzeigen können. Seine Schwierigkeit besteht darin, daß er in kürzester Zeit die Sternsysteme außerhalb der Milchstraße bestimmen muß, die ihm bekannt sind. Wie das bewerkstelligt werden soll, weiß ich nicht. Ich bitte um Vorschläge in dieser Richtung und darum, daß diese Vorschläge telepathisch gemacht werden.« Es folgte eine Zeit angespannter Ruhe, eine Zeit des Nachdenkens. Schließlich erhob sich einer der Männer. »Ich kann nur einen Weg sehen – fotografische Darstellung des gesamten Himmels. Es ist dies eine Aufgabe, die wir unmöglich in weniger als zwei neuen Myryajahren bewältigen können. Mindestens eintausend Tage würden benötigt werden, um ein geeignetes Teleskop zu konstruieren, da wir im Augenblick keines haben. Weitere zwei Jahre – vielleicht sogar drei – würden wir brauchen, um die verschiedenen Himmel aufzunehmen. Ich fürchte, es wird technische Schwierigkeiten geben, mit denen wir nicht fertig werden. Dazu kommt, daß, wenn die Bahn unseres Planeten in Kürze geändert werden wird – und das muß sein –, man eine Zeitspanne von wenigstens zehn Umkreisungen wird einrechnen müssen, um die Schwingungen zur Ruhe kommen zu lassen und abzudämpfen sowie für die Berechnung der Störungen, die von anderen Planeten unseres Systems verursacht werden könnten.«
»Das war mir auch klar«, sagte Aarn und stand auf. »Ich weiß, daß es euch unmöglich ist, uns zu helfen. Wir werden zur Suche nach einer anderen Rasse aufbrechen, die glücklicher dran war als ihr. Ehe wir aber weggehen, werde ich euch einige Hinweise geben, die eure Arbeit, dieses System kartographisch festzulegen, beschleunigen wird. An erster Stelle sind natürlich Raumschiffe notwendig, die es euch ermöglichen, den Sprung von Welt zu Welt zu machen. Das zweite werden die Instrumente sein, durch welche ihr sofortige und genaue Angaben über die Schwerkrafts-Feldstärken jedes Planeten erhalten könnt, dazu Impulsmesser, um die entsprechende Bewegung zu messen. Schon jetzt – stelle ich fest – besitze ich genauere Einzelheiten über den Orbit eures Planeten als ihr selbst, und das verdanke ich eben jenen Instrumenten. Ich gebe euch, was wir haben. Als Gegenleistung würde ich gern die Geschichte eures unfaßlichen Überlebens hören.« Sechs Stunden später war eine Kommission von Ingenieuren und Physikern ernannt worden, die mit Aarn Munro und Russ Spencer die benötigten Apparate studieren sollte.
3
Tiefer und immer tiefer hinab ging Aarn mit Karshan in den soliden Granitfelsen. Schwachglühende Röhren erleuchteten den Schacht, als der kastenförmige Aufzug langsam an seinen Zahnrädern in die Tiefe rollte. Beißende Kälte durchdrang selbst die schweren Isolieranzüge, die die Männer trugen, sie wurde immer spürbarer, bis sie, als die Hälfte des Weges zurückgelegt war, die tiefste Temperatur erreichte und dann konstant blieb. Der Lift lief mit leichtem Rumpeln seiner gekuppelten Räder in den Gleisen, die in die Wand eingelassen waren. »Die Schienen sind wohl brüchig vor Kälte?« fragte Aarn. »Sie sind nicht kalt. Sie sind zugleich die Heizgeräte«, erklärte Karshan. »Wir lassen einen sehr starken Strom durch sie hindurchlaufen – der Motor des Wagens wird auch damit gespeist –, und es ist die einzige Möglichkeit zu verhindern, daß sie so spröde wie Glas werden.« »Ich hatte angenommen, es würde bei zunehmender Tiefe wärmer werden wie auf den meisten Planeten«, bemerkte Aarn. »Das war auch bei dem unseren so, als wir uns zum erstenmal zum Schlaf legten. Jetzt ist er zu alt.« »Zu alt?« Aarn verfiel in Schweigen. Die Erde war etwa zwei Milliarden Jahre alt, und ihre Oberfläche wurde durch die Radioaktivität der Gesteine erwärmt. Diese Radioaktivität würde noch für weitere Milliarden von Jahren weiterbestehen. Aber – Milliarden von Jahren! Dieser Planet war – zu alt!
Endlich hielt der Wagen. Ein in den Felsen gehauener Tunnel führte zur Rechten in einen sanften Bogen, der von langen orangeroten Lichtstäben erleuchtet wurde. Aarn fühlte die Wärme, die sie ausströmten, und stellte fest, daß in ihnen Beleuchtung und Heizung kombiniert waren. »Sind die immer in Betrieb?« »Ja – immer«, nickte Karshan. Der Weg machte wieder einen Bogen und führte in eine größere Kammer, von der drei Gänge ausgingen. Karshan hielt an und schlug schließlich den Weg zur Linken ein. »Ich werde dich zuerst zu dem Refugium führen. Dort bekommst du einen Begriff von den Betten, in denen wir lagen. Das ist der Raum, in dem die Wissenschaftler schliefen. Zehntausend lagen hier.« Sie betraten den Raum, ein riesiges Zimmer, das große Steinbehälter enthielt. Auf dem Boden eines jeden Behälters zeichneten sich die Abdrücke eines menschlichen Körpers ab. »Wir lagen dort. Das war meiner«, sagte Karshan. Der Behälter lag in der Nähe des Eingangs – einer aus einer Gruppe von sieben, die eng beieinanderstanden. Ein Zeichen war in den Boden geschnitten neben diesen Behältern. Das myryanische Symbol für die Zahl eins. »Ich war Nummer drei der Gruppe eins.« Schweigend zeigte Karshan den Weg zu einer Ecke des gigantischen Raumes. In einem Alkoven war eine vollständige Kraftstation aufgestellt. Riesige Oszillatorröhren waren sichtbar. »In jede dieser Röhren«, erklärte Karshan, »ist eine Spule aus schwerer Silberrohrleitung eingewickelt. Durch sie kann der Apparat einen machtvollen Hochfrequenzstrom hindurchsenden. Im Boden jeder
einzelner. Röhre ist eine mit gezackter Oberfläche versehene Elektrode, die die feste und flüssige Luft, die sie unvermeidlich füllen würde, verdampfen soll. Wir schliefen in besonderen Anzügen, die uns, wenn wir einmal warm waren und wieder erwachten, vor der Kälte schützen sollten. Sie enthielten Behälter mit Luft, die uns zwei Tage lang versorgen konnten. Wenn wir innerhalb dieser Zeit nicht zum Bewußtsein kamen... Siehst du, wir wußten seit fast zwei Generationen, was uns bevorstand. Ein Teil unserer Wissenschaftler arbeitete schwer daran, entweder Klarheit darüber zu bekommen, wie wir mit größerer Geschwindigkeit als der des Lichts durch den Raum fliehen könnten, oder das Geheimnis der Energie der Materie zu lüften. Andere wieder arbeiteten daran, Mittel zu finden, die uns die Kälte überleben ließen. Marlan fand das Geheimnis des Schlafes drei Generationen vor der Katastrophe. Wir setzten alle Hoffnung darauf. Wir erbauten die Stadt, immer mit dem Gedanken, daß solch ein Unternehmen Zeit kostete und daß unser Refugium hier aufgegeben werden könnte, wenn wir die anderen Geheimnisse entdeckten. Diese Kammern hier sind tief unter dem Fels der Stadt. Die Dämme – die sollten unsere Maschinen schützen. Dort oben hatten wir eine weite Bank von Fotozellen. Aber ich muß dir das der Reihe nach erzählen. Die Astronomen sahen und erkannten die Gefahr zuerst. Tharl, eine große rote Sonne, bewegte sich auf uns zu. Wir wußten das nicht, bis das Spektroskop erfunden wurde. Es war dann Jahre später, als wir erkannten, daß sie sich nicht nur auf uns zu, sondern sich direkt gegen uns bewegte. Unsere Sonne Shaln war ein normaler gelber Stern Wir
erkannten, was kommen würde. Unser Planet war gerade weit von seiner Sonne weg, und Tharl würde ganz in unserer Nähe vorbeiziehen. Es war eine furchtbare Zeit. Tharl glühte wie ein rotes Auge, und im Laufe unseres Lebens wuchs die Sonne unmerklich. In meiner Jugend war uns Tharl so nahe, daß ich sie durch ein kleines Teleskop beobachten konnte. Planeten waren nicht da. Unsere Bahn wurde schon beeinflußt, denn Tharl war gigantisch, und ihre Gravitationsarme hatten eine Reichweite von Hunderten von Milliarden von Meilen. Ungefähr zwei Lichtjahre, um genau zu sein. Ich studierte Astrophysik, und als ich noch ein junger Mann war, wurden dann die genauen Berechnungen aufgestellt. Einige glaubten, unsere Planeten würden in Tharl hineingeschleudert werden. Andere, daß Tharl uns einfangen würde. Wieder andere meinten, daß unsere eigene Sonne explodieren und uns mit einer Sintflut von Feuer vernichten würde. Endlich wußten wir es. Tharl würde in einer Entfernung von Hunderten von Milliarden von Meilen an uns vorbeiziehen. Myrya würde in einen sich stets vergrößernden Orbit von Shaln abgezogen werden, je näher Tharl kam, aber doch wieder so langsam, daß erst dann, wenn Tharl sich wieder fortbewegte, Myrya von Shaln frei würde. Tharl würde Myrya dann frei im Raum lassen. Alle Planeten, außer den beiden innersten, würden von Shaln losgerissen werden. Die drei äußeren Planeten des Systems würden in weit ausgedehnten, stark exzentrischen Bahnen mit Tharl verbunden bleiben. Wir und zwei weitere Planeten würden ganz einfach von beiden frei werden.
Unser Mondsystem von zehn Monden würde uns verbleiben und kaum gestört werden. Tarnsor – das Refugium – war fertiggestellt, und die Ingenieure begannen mit der größeren Arbeit unter und über der Stadt. Die Dämme wurden gebaut. Die Schächte wurden ausgegraben. Wir wußten, daß unsere größte Gefahr in zwei Dingen lag: in kosmischen Strahlen und Meteoren. Unser Wiedererwachen aber hing von den Maschinen ab, die wir an der Oberfläche lassen mußten. Wie aber, wenn ein Meteor sie traf, oder wenn die langsame Wirkung der kosmischen Strahlen sie zersetzte? Daher die Dämme. Wir selbst sollten in diesen tiefen Kammern schlafen. Marlan hatte ein System gefunden, das ich suspendiertes Lebendigsein nennen möchte. Konnte man einen besseren Konservator des Lebens finden als die absolute Kälte des Raumes? Fünfzig Jahre lang stellten die Menschen an sich selbst Versuche an, und immer wurden sie in ausgezeichneter Gesundheit wiedererweckt. Neunundsiebzig Kammern wurden eingerichtet, und in jeder konnten zehntausend Menschen untergebracht werden. Dies hier war der Raum der Wissenschaftler. Du siehst, was wir erhofften. Auf ihrer Wanderung durch grenzenlose Räume und endlose Zeiten würde Myrya irgendwann, irgendwo einmal auf das Schwerefeld eines Sternes stoßen, um ihn zu kreisen beginnen und wieder erwärmt werden. Wir hatten berechnet, daß einer von tausend Sternen Planeten hat.« »Einer von tausend! Wir rechneten einer von hunderttausend!« »Es stimmt schon, einer von tausend. Wir haben diese
Frage sehr gründlich untersucht.« Karshan machte eine kurze Pause. »Wir hofften, daß uns irgend so ein Stern fangen würde. Wenn uns die kosmischen Strahlen nicht zerstörten, hätten wir eine Chance. Viele wollten diese Überlegung nicht anerkennen. Das war auch besser, denn wir konnten uns sowieso nur eines kleinen Teiles aller Leute annehmen. Ich war ein Mann in den besten Jahren, als Shalt mehr und mehr in den Raum zurückkehrte und Tharl auf uns zuraste. Beide Sterne begannen weniger Wärme abzugeben. Überall in Myrya fühlten die Menschen den ersten eisigen Griff des ewigen Winters. Sie hatten tiefe Höhlen gegraben und sie mit Heizröhren versehen. Sie hatten große Energiekonzentratoren und verwendeten das Stromerzeugungssystem, das ganz Myrya vertraut war, für die Heizung und Beleuchtung ihrer Höhlen. Weißt du, sie waren überzeugt, daß, wohin auch immer der Planet wanderte, das glühende Gas der Milchstraße leuchten würde. Davon waren sie abhängig. Ihre Berechnungen zeigten, daß diese Energiequelle immer verfügbar sein würde. Wir aber wußten, daß ihre Berechnungen falsch waren. Komm, ich werde dir die Bilder zeigen.« Karshan führte Aarn zu dem Archivgewölbe, einem sehr großen Zimmer, das in den Felsen gemeißelt und mit zwanzig Fuß dickem Blei ausgelegt war. Aarn durchquerte einen engen gewundenen Gang in dem massiven Metallblock und kam zu einem Raum, in dem Dutzende von Heizstäben glühten, während eine gleiche Anzahl dunkel war. Hier war die Temperatur durchaus normal und erträglich.
»Der Raum hier ist stark isoliert«, sagte Karshan. »Wir unterhalten hier jetzt eine gleichmäßige Temperatur.« Er ging zu einem der großen Schränke und entnahm ihm eine Filmspule in einem Metallgehäuse. An der einen Seite des Raumes befand sich ein Projektionsapparat, während in der gegenüberliegenden Seite ein mit einer silberglänzenden Masse bedeckter Leinwandschirm aufgestellt war. »Diese Spule wurde kürzlich geöffnet und unserem Volk wieder gezeigt. Die anderen sind unter Heliumgas mit doppeltem atmosphärischem Druck versiegelt aufbewahrt.« Geschickt spannte er die Spule ein und berührte irgend etwas. Das orangefarbene Glühen der Heiz- und Leuchtstäbe wurde schnell dunkel, und Aarn stellte fest, daß die zuvor dunklen Stäbe nun warm waren. Dann zeigte sich plötzlich ein Bild auf dem Schirm. Über einem Horizont, von dem sich Bäume und wehende Pflanzen abhoben, erschien ein sternenbehangener Himmel – und eine riesige ausgedehnte Wolke von glühendem nebligem Licht. Tief am Horizont sah man eine rotglänzende Scheibe. »Tharl«, sagte Karshan kurz. »Und die Milchstraße.« Aarn empfand ein plötzliches Frösteln. Das war also der Himmel, den der Mann neben ihm gesehen hatte. Wie alt war dieser Mann? So alt wie die Milchstraße? Aarn schaute mit einem eigenartigen Gefühl des Unbehagens um sich. Diese Mauern aus Blei waren von Männern gebaut worden, die lebten, ehe die Sterne entstanden waren! Diese Welt war sogar älter als die Milchstraße! Es konnte nicht sein, war unmöglich, ausgeschlossen! Aarn blickte wieder auf die Leinwand. Jetzt sah er ein anderes Bild der
Milchstraße. Die flammende Wolke aus Gas wurde zu einer verstreuten Gruppe flammender Sterne. Schwach hörte er Karshans Stimme: »Hier ist der Himmel interessanter. Es gibt mehr Sterne und weniger formlose Wolke.« Aarn erschauerte. Weniger formlose Wolke – die noch ungeformte Milchstraße! »Das war der Himmel, aus dem die Kälte drang. Diejenigen die dagegen ankämpften, hielten es ungefähr zehntausend Tage aus. In Wirklichkeit lebten sie von der inneren Wärme des Planeten. Aber selbst diese Wärme erschöpfte sich schließlich, und der Frost begann einzudringen. Luft wurde zu einem Problem, denn sie war um diese Menschen herum zu Seen gefroren. Sie konnten ihre Höhlen nicht mehr verlassen. Wir warteten bis zu dem Tag, an dem der Planet kalt wurde. Wir hatten übergenug gefrorene Luft, um unser Verfahren zu beginnen. Schon lange zuvor, als die Kälte gerade einsetzte, hatten wir das Reservoir zwischen den Dämmen gefüllt und ließen nur einen Weg nach außen offen. Es nahm die Zeit einer ganzen Generation in Anspruch, die Lösung vorzubereiten. Wir hatten den unteren Damm, den oberen Damm und darüber das Staubecken. Darin waren Millionen und aber Millionen Kubikmeter der Lösung. Gesättigtes Bleinitrat. Eine Schicht legten wir über die Stadt und den röhrenartigen Tunnel, den wir an der äußeren Seite gebaut hatten. Natürlich war Kälte nötig, um die Lösung zum Gefrieren zu bringen. Wir ließen Schicht nach Schicht einströmen und jede Schicht einzeln gefrieren. So bauten wir nach und nach Schicht über Schicht bis schließlich über unseren Maschinen und der Stadt unserer Zuflucht ein Block aus
Eis und Bleisalzen lag, der eine halbe Meile dick war. Dann sprengten wir die unteren Tore und öffneten sie. Die Lösung war fest gefroren und floß natürlich nicht ab. Die Zeit verging, und als wir genügend flüssige Luft hatten, zogen wir uns zurück, und alle unsere Leute – mit Ausnahme der Wissenschaftler – wurden in Wannen flüssiger Luft zum Schlaf gelegt. Wir warteten, bis die zehntausend Tage vorüber waren, schließlich – schliefen wir ein. Der letzte Mann wurde mittels einer besonderen Maschine präpariert und an seinen Platz befördert.« Karshan machte eine Pause. Er hatte eine neue Spule aus dem Schrank genommen, eine Spule aus feinem Draht, und spannte sie nun in den Projektionsapparat Aarn zuckte plötzlich zusammen. Geistige Impulse kamen aus dem Apparat, Karshans eigene Impulse. »Dies ist Karshans Bericht von Myrya über das erste Erwachen. Unser wandernder Planet ist in die Nähe eines neuen Sterns gezogen worden. Die Anlage hat ausgezeichnet funktioniert Die Sonnenwärme hat das Große Siegel geschmolzen, und die Lösung ist durch die unteren Tore in das untere Staubecken geflossen. Die primäre direkte Fotozelle begann nach Freilegung zu arbeiten, und das Konzentratorfeld baute sich auf, bis es die Arbeit aufnehmen konnte. Das Uhrwerk zeigt, daß das Siegel vor dreitausend Tagen gebrochen wurde. Aber wir ziehen von der Sonne ab in den Weltraum hinein. Der Stern hat kein planetarisches System, und wir wurden nicht gefangen. Ich bin der dritte aus der ersten Gruppe. Zwei andere von den sieben meiner Gruppe erwachten, vier kehrten nicht zum Leben zurück. Wir haben sie entfernt.
Untersuchungen zeigen, daß wir nun diagonal durch den Rand der Milchstraße steuern, durch den dichtesten Sternensaum. Wir können wohl hoffen, daß wir bald ein zweitesmal in Sternnähe passieren. Die erste Passage war ergebnislos.« Eine lange technische Erörterung ihres Zustandes folgte, des Zustandes der Maschinen, die sie automatisch wecken sollten, und ein Bericht, daß alles mit ihnen in Ordnung sei. »Die beiden anderen Mitglieder der erwachten Gruppe sind ausgegangen, um Untersuchungen anzustellen. Das ist schwierig, denn unsere Welt ist bitterkalt. Wir sind gezwungen, in den Archivgewölben zu leben; es ist der einzige bewohnbare Ort. Die Nahrung ist ausreichend und gut.« In der Übertragung entstand eine kleine Pause, die wohl andeuten sollte, daß eine gewisse Zeit vergangen sei. »Die Forscher sind mit den Berichten derer, die versuchten, mit der Strahlung der Milchstraße zu leben, zurückgekommen. Sie hatten wenig Erfolg, und nach zwei Generationen kamen die letzten um. Die Körper der letzten Überlebenden fand man zusammengekauert in einer einzigen kleinen Höhle; sie hatten dort zur Erwärmung die Hitze des myryanischen Stromsystems benutzt. Die Anlage verfiel, da es ihnen unmöglich war, ihr die entsprechende Pflege angedeihen zu lassen und wohl auch als Folge der außerordentlich niedrigen Temperatur. Sie kann nicht mehr in Gang gebracht werden. Nur unsere Anlage arbeitet noch. Die Kälte wird intensiver. Die Lösung wurde in das obere Saugbecken gepumpt, und das Siegel wurde wieder angebracht. Die Luft beginnt sich zu kondensieren. Mit einiger Schwierigkeit ist es uns gelungen, auf dem Mount Klor ein Observatorium einzurichten; auch haben wir viele
Aufnahmen gemacht. Wir mußten uns dann zurückziehen, weil der gespeicherte Strom fast erschöpft ist und die elektrische Anlage nicht mehr arbeitet. Innerhalb der nächsten zweiundzwanzig Stunden werden wir in den Schlaf zurückkehren.« Schweigend führte Karshan eine Filmspule in die Kamera ein, und mit dem Bild, das an der Wand erschien, kamen aus der Maschine geistige Impulse als Abschluß. »Die radioaktiven Erze, die wir als Uhren zurückließen, zeigen uns, daß die Hälfte der Halbwertszeit des 92. Elementes vergangen ist« – und dann ein Zeitausdruck, der Aarn plötzlich verständlich wurde – »eine Zeitspanne von zwei und einer halben Milliarde Jahre.« Zur gleichen Zeit sah Aarn das Bild. Über einem Feld weißen Raumes von grenzenlosen Ausmaßen glühte eine schwache, winzige Scheibe. Eine weit entfernte Sonne. Kochende, dampfende Tümpel einer dunkelblauen Flüssigkeit lagen neben großen Mengen eines flockigen Schnees. Die groteske kriechende Gestalt eines Mannes bewegte sich in dem trüben Licht, eines Mannes in einem plumpen, ihn vor der Kälte schützenden Gewand. Die Szene wechselte. Ein tiefzerklüftetes Tal wurde von einem weißen Berg überragt, darüber stand der große ansteigende Bogen der Gaswolken-Milchstraße. Sie schien unverändert. Zweieinhalb Milliarden Jahre. Der Gedanke ließ Aarn nicht los. Und in dieser Zeit blieb die Milchstraße unverändert... Wie alt war Karshan? Das Bild verblaßte in dem Augenblick, als Aarn das tiefzerklüftete Tal als das Tal der Stadt erkannte. Aber es war mit einer ungeheuren weißen und festen Masse
angefüllt. Das Große Siegel. Wieder sandte der Apparat Impulse aus. »Dies ist Karshans Bericht von Myrya über das zweite Erwachen. Ich bin der dritte aus der ersten Gruppe. Einer noch ist mit mir erwacht, ein weiterer aus der zweiten Gruppe. Wir haben die anderen nicht gerufen. Drei genügen für die Arbeit. Myrya läuft in einer Entfernung von etwa einer Milliarde Meilen an einem riesigen roten Stern vorbei. Selbst bei dieser Entfernung wurde der Planet vollkommen von der Kälte befreit. Es existiert kein planetarisches System, und wir werden nicht gefangen werden. Die Passage wird ungefähr zweitausend Tage dauern. In dieser Zeit muß viel Forschungsarbeit geleistet werden, denn wir müssen versuchen, bessere radioaktive Erze zu finden. Die gereinigten Proben, die wir bei dem letzten Erwachen zurückließen, sind zu neunundvierzig Prozent umgewandelt worden. Das weist darauf hin, daß annähernd fünf Milliarden Jahre vergangen sind. Myrya hat sich wenig verändert. Die Städte sind nicht zerstört und fast unversehrt, abgesehen von den Schäden, die die schweren Stürme des Auftauens verursacht haben. Das Siegel wurde gebrochen, nachdem das Licht sechstausend Tage über Intensität 10 lag. Weitere eintausend Tage vergingen vor unserem Erwachen. Alle Apparate wurden in bestem Zustand vorgefunden. Die Lösung ist vom unteren in das obere Staubecken zurückgepumpt worden. Die Berechnungen und Beobachtungen des Observatoriums deuten darauf hin, daß sich in unserer Bahn eine schreckliche Änderung vollzogen hat. Jene
riesige Sonne hat ein Abweichen verursacht und mittels ihrer Eigenbewegung beschleunigt, so daß wir fast unmittelbar aus der Milchstraße hinausgeschleudert werden. Wenn nicht eine andere Abweichung eintritt, werden wir auf unvorstellbare Zeiten in den InterMilchstraßenraum wandern. Leichte, aber wahrnehmbare Veränderungen zeigen sich jetzt in der Zusammensetzung der Milchstraße. Es scheint, daß die zentrale Gaswolke zusammengeschrumpft ist und viele neue Sterne zu sehen sind. Der Sternensaum ist wesentlich breiter. Vielleicht ist es das beste, daß wir außerhalb kreisen; denn gelangten wir in die Gaswolke selbst, wäre unser Schicksal besiegelt. Myrya würde zum Kern einer neuen Sonne werden. Jetzt entfernen wir uns von diesem Stern. Die Lösung haben wir schon in das obere Staubecken zurückgepumpt. Dieses Mal wird es wohl eine schwere Zeit werden, fürchte ich, denn die enorme Strahlung dieser Sonne nimmt so langsam ab, daß unsere gespeicherte elektrische Energie vielleicht nicht ausreicht, bis wir wieder in den kalten Regionen sind, in denen wir in den Schlaf eingehen können. Wir haben ein neues radioaktives Material entdeckt, dessen Halbwertzeit zwanzigmal so groß ist wie die des Elementes 92. Wir kehren in den Schlaf zurück. Die Atmosphäre über uns ist noch nicht gefroren, aber unsere Energie ist erschöpft. Es ist uns gelungen, in den kalten Räumen der Schlafquartiere genügend gefrorene Luft herzustellen, um auch unsere Körper zum Gefrieren zu bringen. So werden wir einigermaßen gesichert sein. Eine Untersuchung der Schlafenden hat ergeben, daß viele von ihnen gestorben sind. Karshan vermutet zwei
Gründe. Viele überlebten vermutlich die Wirkung des Medikamentes nicht. Das konnten wir damals noch nicht wissen. Eine weitere Anzahl wird wahrscheinlich durch die atomzertrümmernden Strahlen aus dem Weltraum getötet worden sein. Selbst unter unserem Großen Siegel und eine halbe Meile tief im Felsgestein können diese Strahlen wohl tödlich gewirkt haben, wenn man die Zeitspanne berücksichtigt, die vergangen ist. Die Tatsache, daß ich Überlebender bin, schreibt Tharnsarn meiner besonderen Empfindlichkeit für die Wirkung der Medikamente zu und dem Umstand, daß ich während der Perioden des Erwachens die gesamte chemische Struktur meines Körpers erneuert habe, indem ich die zerstörten Atome durch neues Material aus meiner Nahrung ersetzte. Er sagt daß wir, die wir erwachen, eine bessere Chance haben, endgültig zu überleben. Unsere letzten Berechnungen verringern diese Chance auf ein Minimum. Wir sind nahe am Rand der Milchstraße. Und unsere parabelförmige Bahn wird uns weit in den Inter-Milchstraßen-Weltraum führen. Das ist das Ende des zweiten Berichtes. Wir sind für die Dauer von dreitausendzweihunderteinundzwanzig Tagen wach gewesen.« Aarn schöpfte Atem. Die Spannung war fast unerträglich! Karshan legte einen weiteren Bericht in den Apparat ein. »Der dritte Bericht Karshans von Myrya. Ich bin wiederum aufgewacht. Ebenso Tharnsarn. Aber erst, als die Gruppe siebenundzwanzig an die Reihe kam, konnten wir einen dritten Mann finden, der uns helfen sollte. Das Erwachen ging außerordentlich langsam vor sich.« Es
folgte ein Bericht, der ihren Zustand medizinisch erörterte. »Das Siegel war während einer unbekannten Zeitspanne der Hitze des neuen Sterns ausgesetzt und ist geschmolzen. Unsere Maschinen arbeiteten in vollkommener Ordnung. Noch ist die Zeit, die zwischen unserem letzten Erwachen und jetzt liegt, unbekannt. Chemische Analysen konnten in den gereinigten Mustern, die wir nach dem letzten Erwachen zurückließen, keine Spuren von Uran feststellen. Spektroskopische Untersuchungen zeigten schwache Linien. Die neuere radioaktive Verbindung ist noch leicht wirksam. Wir können das mit hochempfindlichen physikalischen Instrumenten feststellen. Weitere Untersuchungen ergaben keinerlei Radioaktivität auf dem Planeten. Marlar, der PhysikoStrahlungstechniker der Gruppe siebenundzwanzig, schätzt die abgelaufene Zeit auf annähernd vierhundert Milliarden Jahre.« Aarn schien plötzlich zu erstarren. Vierhundert Milliarden Jahre. Vierhundert Milliarden Jahre! Karshan war mehr als vierhundert Milliarden Jahre alt! Auf der Leinwand erschien ein Bild – ein Bild der Milchstraße, das über einer dampfenden, felsigen Landschaft, bar jeden Lebens, aufgenommen worden war. Eintönig fuhr Karshan in seinem Bericht fort. »Mancherlei deutet darauf hin, daß es riesige Brände gab, als die Welt auftaute. Ich nehme an, daß die lange Einwirkung der Strahlen aus dem Weltraum Millionen von Tonnen Felsen in Wasserstoff verwandelte, der mit dem Sauerstoff der Luft verbrannte. Unsere Atmosphäre ist in großem Ausmaß von Sauerstoff entleert. Die Städte sind verwüstet worden. Das Metall der Gebäude ist korrodiert,
brüchig und unzuverlässig. Stellenweise zerfällt es bei Berührung. Die äußeren Mauern sind durch die Stürme des Auftauens und durch Verbrennung niedergerissen. Mit Ausnahme von Tarnsor ist die Zerstörung vollständig. Selbst die Hügel sind eingeebnet worden. Die Zeit, die vergangen ist, ist unfaßbar. Die Milchstraße ist nicht mehr zu erkennen. Möglicherweise ist es eine andere Milchstraße, obwohl ich das bezweifle. Ich nehme an, daß wir in einer weiten Bahn außerhalb der Milchstraße kreisten und dann wieder in sie zurückkehrten. Vielleicht hat uns das gerettet. Weit außerhalb der Milchstraße müssen die Strahlen aus dem Weltraum schwach sein. Und trotzdem haben sie die gesamte Oberfläche unseres Planeten zerstört. Der Staub ist viele Fuß tief zusammengetrieben worden in Form von graubraunem Schlamm, der jetzt durch die anhaltenden Regenfälle naß ist. Und immer noch ist unsere Reise nicht zu Ende. Auf parabelförmiger Bahn bewegen wir uns um einen anderen Stern, einen blauweißen Riesen, der erschreckend heiß ist. Das Auftauen ist viel durchgreifender gewesen als in den früheren Fällen, und immer noch nähern wir uns dem Stern. Wir befürchten, daß es geradezu gefährlich werden wird, wenn wir bis in die Nähe von einer Million Meilen kommen.« Ein anderes Bild erschien, das bei einer grimmig flammenden Sonne aufgenommen war. Der funkelnde Felsen schimmerte in der Hitze. »Wir haben jetzt den Punkt erreicht, an dem wir der Sonne am nächsten sind. Auf eine Tiefe von einer halben
Meile ist alles getaut. Das Eis der Meere schmolz fast eine Meile tief, und die Wellen schlagen wütend gegen die Küste. Die Temperaturunterschiede zwischen den Polen und dem Äquator haben Zyklone verursacht. Tagsüber ist die Hitze unerträglich. Der Frost wurde sogar hinunter bis in unsere Schlafquartiere aus den Felsen vertrieben. Die Luft beginnt zu verdunsten. Wir haben Angst vor den Auswirkungen, die eintreten können. Sollte die ganze Luft verdunsten, wird man die Schläfer wecken müssen. Eine genaue Analyse der radioaktiven Proben veranschlagt die Zeit, die seit unserem Herausschwingen aus der Milchstraße vergangen ist, auf 454 bis 460 Milliarden Jahre. Wir können kein radioaktives Material finden, das wir hinterlassen können, wenn wir wieder in die Kälte hinaussteuern. Wir werden direkt auf das Zentrum der Milchstraße zugesteuert werden, einer Milchstraße, die weitgehend verändert ist, einer Milchstraße mit ungezählten Millionen von Sternen, wo einst nur eine glühende Gaswolke war – jedoch kann es lange dauern, bis wir wieder erwachen, und es hat, wie gesagt, den Anschein, als ob kein radioaktives Material mehr vorhanden sei. Wir sind der Ansicht, daß es auf dem ganzen Planeten nicht mehr als eine Tonne Uran gibt, und das ist vollkommen unzureichend. Unsere Welt ist zu kalt, viel zu lange kalt. Wir haben die Elemente überlebt. Und nur die leblosen Aschesubstanzen, die zu träge sind, um aktiv zu sein, sind übrig geblieben.« Und wieder ein anderes Bild. Das Bild eines sternenübersäten Nachthimmels mit großen, leuchtenden Sonnen im Schwarz des Weltraumes. Quer durch eine
ganze Seite des Himmels strebte ein riesiger Bogen verschwommenen Lichts aufwärts. Die Milchstraße. In ihrer Mitte glühte nur noch ein schwacher Gassaum. Und deutlich, klar und scharf sichtbar zeigten sich zwei große Sternenschwärme, die sich schon vollkommen geformt hatten und von dem Hauptkörper getrennt waren. Aarn hielt den Atem an – die Magalhãesschen Wolken als unabhängige getrennte Ganzheiten gesehen! Karshans Bericht ging weiter: »Wir weichen wieder in den leeren Raum zurück. In den Schlafhöhlen ist die Luft nicht vollständig verdunstet und kondensiert nun wieder schnell. Die Lösung wurde in das obere Staubecken zurückgepumpt und gefriert rasch. Wir stießen auf eine kleine Menge radioaktiven Materials. Mit unglaublicher Mühe und ungewöhnlich empfindlichen Instrumenten konnten wir ein kleines Vorkommen auf unserem Kontinent entdecken. Nachforschungen ergaben, daß Meteore gefallen waren, die eine geringe Menge dieses Materials enthielten. Dank unserer ausreichenden Stromversorgung konnten wir es extrahieren. Unglücklicherweise besteht es zum großen Teil aus Radium mit einem nur geringen Prozentsatz Uran sowie einer geringfügigen Menge der unbenannten radioaktiven Verbindung, die wir schon vorher festgestellt hatten. Wenn wir von dem unwahrscheinlichen Fall eines weiteren Meteors absehen wollen, ist unser Planet jetzt völlig erschöpft. Nicht die geringsten Anzeichen radioaktiver Elemente konnten lokalisiert werden, nur irreführende radioaktive Spuren, die von den Strahlen des Weltraums herrühren. Diese sehr begrenzte Menge ist alles, was wir finden
konnten. Wir dürfen aber wohl hoffen, daß sie ausreichen wird. Was die Meteore anbelangt, so war unser Großes Siegel eine unnötige Vorsichtsmaßnahme. In der endlosen Zeit von Myryas Wanderschaft sind nicht einmal ein Dutzend Meteore gefallen. Das Siegel aber schützte uns vor den Weltraumstrahlen. In den Höhlen derer, die von der Wärme der Milchstraße zu leben versuchten, fanden wir zersetzte Maschinen und zwar fast eine Viertelmeile unterhalb der myryanischen Inkrustation. Müssen wir ewig so weiterwandern? Werden wir schließlich die Milchstraße als Ansammlung erstorbener Sterne sehen, erwärmt vom Lichte irgendeiner sterbenden roten Sonne von winzigen Ausmaßen und unglaublicher Dichte? Eine einzige Hoffnung ist geblieben: daß wir an einer Sonne mit einem Planetensystem vorbeiziehen. Dazu müssen wir in die Nähe eines mächtigen Planeten kommen. Ein kleiner Planet könnte uns nicht einfangen und unsere Parabel in eine genügend kleine Ellipse verwandeln. Wir gehen wieder in den Schlaf ein. Unser Stern liegt weit hinter uns – ein blauweißer Lichtpunkt.« Ein letztes Bild erschien. In einem nur kleinen Himmelsausschnitt wurde die Milchstraße sichtbar. Ein intensiver blauweißer Stern erschien in der Mitte des Bildes. Und wieder war der Boden eine kristallene Wüste, wieder waren die Himmelskörper Sterne des offenen Weltraumes. Aarn schwieg, als Karshan noch eine weitere Drahtspule einlegte. Das Gerät gab triumphierende geistige Impulse aus. »Wir nähern uns einem weißen Stern großen Umfanges – einem Stern, der ein Planetensystem hat! Wir
haben vorsichtige Berechnungen angestellt. Innerhalb einer Million Meilen werden wir an einem Planeten vorbeiziehen, der dreimal so groß ist wie Myrya. Dieser wird uns bestimmt fangen und uns dazu noch in eine vernünftige Bahn lenken! Genaueres können wir nicht errechnen, denn der Planet ist Mittelpunkt eines rotierenden Systems vieler Satelliten. Die Auswirkungen sind unberechenbar – aber wir werden eingefangen werden! Das Siegel wurde gelöst, und der Strom der Zellbänke wird dazu verwendet werden, unsere Leute zu wecken. Sie müssen das sehen! Tarnsor ist in bestem Zustand. Die Gebäude werden von zwei Gruppen, die jetzt erwacht sind, vorbereitet und erwärmt. Der einzige Wermutstropfen im Becher der Freude ist, daß diese beiden Gruppen die einzigen von uns Wissenschaftlern sind, die das lange, lange Warten überlebten. Sie allein von den zehntausend, die in dieser einen Kammer in den Schlaf eingingen! Etwa fünftausend von unseren Leuten sind erwacht. In der kürzesten Entfernung ziehen wir nun an dem Planeten vorbei, der unser Retter sein wird. Der Gezeitendruck ist ungeheuer, doch haben wir nur geringe seismische Störungen bemerkt. Was uns noch alles bevorsteht, ehe wir unsere Bahn gefunden haben, läßt sich nicht voraussagen – aber wir sind gefangen worden! Wir haben wieder eine Sonne, wir gehören wieder einem planetarischen System an, nachdem wir insgesamt 473.375.500.000 Jahre herumgewandert sind! Der Mensch lebt wieder – die Rasse pflanzt sich fort – und die ganze Astronomie muß aufs neue erlernt werden!« Karshan drückte auf einen Knopf; die Spule, die er in
den Projektionsapparat eingespannt hatte, begann sich zu drehen, und auf einem schwarzen Hintergrund sah Aarn eine winzige Scheibe, die sich bewegte und ständig mit unterschiedlicher Geschwindigkeit von zehn Lichtpunkten umkreist wurde. Das System näherte sich schnell, wurde langsam größer, schwankte beim Näherkommen. Die Bahnen der zehn kreisenden Lichtpunkte dehnten sich sichtbar, besonders die des dritten bis achten. Der zehnte und äußerste schien sich langsam auf das Bild zuzubewegen. Die winzige Scheibe wurde größer und wanderte spiralförmig weiter, zeichnete sich klarer und deutlicher auf der Leinwand ab. Die Punkte wurden zu Scheiben verschiedener Größen, und schließlich verschwanden die äußeren am Rande der Leinwand. Nur der Planet selbst blieb übrig, bis er sich schließlich wieder entfernte. Und als die Satelliten wieder sichtbar wurden, drehten sie sich in seitwärts geneigten Bahnen. Der Planet war seitlich abgewandert – aber Myrya hatte er gefangen! Aarn drehte sich um und schaute Karshan mit seltsamer Ehrfurcht an. »Du... hast alles das gesehen?« Karshan lächelte. Sein breites, freundliches Gesicht zeigte Zufriedenheit. »Alles – und noch mehr. Aber ich bin doch nur ein Mensch. Ich habe deine Gedanken gefühlt. Ich bin keine Monstrosität. Ich schlief, und als ich erwachte, war die Zeit vergangen. Meinem Wissen entsprechend, bin ich kaum mehr als dreißigtausend Tage alt.« Aarn schüttelte sich leicht, dann lächelte auch er und streckte seine große breite Hand aus. »Du bist ein Mensch, Karshan, und gehörst einer Rasse an, die so unbeugsam entschlossen war zu leben, daß weder die Kälte noch die Strahlen des Raumes sie aufhalten konnten. Selbst die
radioaktiven Elemente starben – und ihr lebtet! Ich bin stolz darauf, dich kennengelernt zu haben.« Aarn zögerte kurz. »Habt ihr Duplikate der Aufnahmen, die wir zum Studium für unsere Wissenschaftler mit auf die Erde nehmen könnten? Und vor allem: Habt ihr je eine vollständige Sternenkarte angelegt, die uns trotz aller Ungenauigkeit einen Anhaltspunkt geben könnte für unseren Weg nach Hause? Wenn wir jetzt weggehen – werden wir für immer weggehen, denn wir hätten auch nicht die geringste Ahnung, wo ihr euch befindet, genausowenig, wie wir eine Ahnung haben, wo unsere Sonne ist.« Karshan nickte. »Haben wir. Wir haben dir Duplikate sowohl des Projektionsapparates wie der Spulen angefertigt. Wir dachten schon, daß ihr sie gern hättet. Und wir können so wenig tun als Dank für das vollere Leben, das ihr uns mit euren Erfindungen möglich macht.«
4
Das also ist ihre Geschichte. Spencer erhob sich und schaute aus dem Fenster des Pilotenraumes der Sunbeam. Das weiße Licht von Tarns schien auf die Felsen unter ihnen – und diese Felsen waren seltsam abgerundet und geformt. Nur am Fuß des Abgrundes, bei der Stadt selbst, waren sie scharf gekantet und zerklüftet. Tief in der großen Schlucht sah die Stadt aus wie eine glänzende Blase aus Metall. Die verfallenden Dämme standen gigantisch darüber. Männer und Frauen arbeiteten in dieser Stadt. Ein Raumschiff war im Bau, ein Riesending – dreihundert Meter im Durchmesser. Es wurde mit einer winzigen
elektrischen Anlage ausgestattet, die es langsam heben und senken würde. Die Wände waren kaum zwei Zoll dick, und die Bindebalken waren nur wie Telegraphendrähte. Es wurden auch noch sechs kleinere Schiffe gebaut, die mit mächtigen Maschinen für den Impulswellenantrieb ausgerüstet waren. Das größere Schiff sollte das Kraftwerk sein, das in einer Bahn gerade oberhalb der Atmosphäre um Myrya kreisen sollte. Es sollte derart orientiert werden, daß der Sonnenzapfstrahl, der von ihm ausging, einen geraden Weg zur Sonne haben würde. Es würde ein großes Ladewerk darstellen in dem riesige Aggregatspulen geladen werden sollten. Die kleineren Schiffe sollten die geladenen Spulen nach Myrya die entleerten zur neuen Ladung zurück zum Schiff bringen. Mit genügend Strom und mit den leistungsfähigen Aggregatspulen würde das ein wirtschaftliches Verfahren sein. Aber auch noch andere Arbeiten mußten getan werden. Kleine Schiffe vom Typ Sunbeam waren hergestellt worden, und schon erzeugten große Stampfpressen und automatische Maschinen allerlei Geräte. Diese Geräte wurden nach zwanzig Stationen verschickt, die mit ziemlicher Gleichmäßigkeit über den ganzen Planeten verteilt worden waren. Jede dieser Stationen befand sich in einer alten Stadt, wo man die zerstörten Gebäude abriß, um die Riesenmengen Metall zu bekommen, die man für die neuen Gebäude benötigte. Ungeheure Löcher, jedes fünf Meilen tief, wurden in die Felsenkruste des Planeten gebohrt nach Mustern der Sharltorpedos der Magyaner. Auf dem Boden jeder dieser Röhren war eine Projektionshaube, die die Impulswellen verteilen sollte, die Aarns Geräte produzierten. Dadurch
sollten die Impulswellen in den Tiefen Myryas verbreitet werden. Schrott, der auf dem Grund jeder Grube geschmolzen wurde, formte sich allmählich zu ungeheuren Stangen, die ein Teil des planetenverschiebenden Apparates werden sollten. »Jedenfalls ist das eine Angelegenheit weder von Tagen noch von Hunderten von Tagen«, hatte Aarn emphatisch erklärt. »Aber innerhalb zweier eurer Jahre sollte es euch gelingen, die Laufbahn eures Planeten so zu dirigieren, wie ihr ihn haben wollt. Inzwischen sollte es euch innerhalb von hundert Tagen möglich sein, die Achse des Planeten zu drehen, so daß sie vertikal zur Bahnebene liegt. Die vorrückende Wirkung der Nachtgleichen könnt ihr berechnen – das wird euch weiterhelfen. Aber laßt euch bitte Zeit! Wenn ihr das nicht tut, werden alle diese Anlagen einfach die Oberfläche eures Planeten wegreißen!« Der große Schiffsrumpf draußen auf dem riesigen Landeplatz füllte sich schon, und Spencer sah seinem Anwachsen gedankenvoll zu. »Bei all dem, was sie hinter sich haben, wird das Wenden ihres Planeten bestimmt eine Kleinigkeit für sie sein«, meinte er. Er schaute um sich. Diese Stadt war älter als die Sonne, die auf sie niederschien. Sie war älter als die Sterne, die nachts auf sie herableuchteten. Die Felsen dieses unglaublichen Planeten existierten schon, ehe die Sterne entstanden. Und die Männer, die an dem Schiff arbeiteten... einige von ihnen waren alt, als die Sterne jung waren und als die Milchstraße noch ohne Form war. »Wann gehen wir?« fragte er und wandte sich unwillkürlich erschauernd ab. »Es bleibt uns immer noch, unsere eigene Sonne zu finden.«
Aarn nickte langsam. »Es geht mir wie dir. Diese Felsen, diese Stadt, selbst diese Menschen... es ist schwer genug, das alles zu glauben. Wenn du aber darüber nachdenkst, wird es noch unglaublicher. Sie sind großartige Kerle – menschlich, freundlich – und doch haben sie mitangesehen, wie die Milchstraße alt wurde, wie die Sterne starben, und sie sahen den Tod selbst der Elemente ihrer Welt. – Du weißt besser als ich, wann es losgehen kann. Sind sie über alle technischen Fragen im klaren? Sie kennen sich in der Physik aus – den Rest können sie dazulernen. Sie sind geistig ungeheuer entwickelt.« »In etwa einer Woche werden sie über alle ingenieurmäßigen Schwierigkeiten hinweg sein«, sagte Spencer. Die Woche verging, und die Sunbeam erhob sich langsam, beinahe zögernd von dem Landeplatz bei der Stadt Tarnsor. Das Schiff war nicht allein – mit ihm stiegen zwei der gerade fertiggestellten Raumschiffe der Myryaner auf. Sie begleiteten die Sunbeam bis zur Grenze der zweitausend Meilen hohen Atmosphäre. Dann verschwand die Sunbeam mit einer Geschwindigkeit, die schneller war als die des Lichts. »Und doch, auf eine Weise tut es mir direkt leid, von ihnen fortzugehen«, sagte Spencer leise. »Denke doch nur einmal daran, wie völlig menschlich sie sind, und dann überlege dir, welch starken und unbezwinglichen Willen zu leben sie gezeigt haben! Sie haben eine Ewigkeit lang geschlafen und sind wieder zum Leben erwacht.«
Zweites Buch
Suche zwischen den Sternen 1
Aarn Munro wandte sich von dem ihm unvertrauten Anblick des Raumes ab, der auf den Schirmen der Sunbeam sichtbar war. »Wir müssen ein schwierigeres Problem als das der Myryaner lösen, und noch dazu in weniger als einem Vierteljahrhundert«, stellte er fest. »Wir müssen nicht nur ein planetarisches System finden, sondern ein bewohntes planetarisches System!« »Ich kenne aber jemanden hier in diesem Schiff, der eine ganze Anzahl hinkender Theorien über Planeten und planetarische Systeme hat«, bemerkte Spencer beiläufig. »Ein System auf je einhunderttausend Sonnen.« Aarn grinste. »Du täuschst dich, Bürschlein! Das war nicht etwa meine Theorie; ich habe nur die eines anderen wiederholt. Und vergiß doch bitte nicht, daß wir Sonnenmenschen keineswegs so viele Gründe hatten wie die Myryaner, planetarische Theorien zu studieren. Ihre Theorie schließt die unsere ein und fügt noch einen wichtigeren zweiten Grund für die planetarische Entwicklung hinzu. Durch Gezeiteneinwirkung und durch Friktion erzeugen Doppelsterne manchmal ein planetarisches System mit zwei freien Sternen. Das ist doch nicht meine Schuld.« »Und was hast du nun vor?« fragte Bob Canning.
»Suchet, so werdet ihr finden – vielleicht«, antwortete Aarn. »Wir steuern in den Weltraum zurück, und dann fangen wir die ganze Geschichte wieder von vorn an. Nebenbei bemerkt, zielte ich auf das Zentrum der Milchstraße, als wir abfuhren. Wir können ebensogut in der richtigen allgemeinen Richtung anfangen. Kommt noch hinzu, daß man Planeten eben dort finden kann, wo die Sterne dichter sind.« »Mit Hilfe des Transpon-Sammelsystems?« »Nein – mit dem myryanischen Lichtsammler.« Aarn untersuchte die Sterne jetzt spektroskopisch und maß ihre Lichtintensität. In zwei Tagen überprüfte er zehn Sterne – mit negativem Ergebnis. Weitere zehn Sterne in weiteren zwei Tagen. Stern auf Stern wurde überprüft, und die Sunbeam eilte immer weiter auf das Zentrum der Milchstraße zu. Zwanzig Tage dauernder Suche, in denen ergebnislos geprüft wurde. Ein Monat – und kein planetarisches System! »Wie steht's mit dem Strom? Wäre es nicht an der Zeit einen Stern zu besuchen und welchen zu speichern?« fragte Spencer. »Spaßeshalber möchte ich mir gern mal einen aus der Nähe anschauen.« »Das wollte ich sowieso bald machen«, erklärte Aarn. »Wenn ich die Meßgeräte nochmal abgelesen habe, wollen wir zu dem Stern 'rauf, den ich die letzten fünfzehn Tage vor Augen hatte. Es ist ein cB8-Stern – das bedeutet, daß die Oberflächentemperatur so enorm ist, daß sie ein Wolframatom rösten würde. Will mir mal meine Zehen da oben wärmen.« Aarn las die Instrumente ab, und die Sunbeam nahm Kurs auf das riesige Juwel im Weltraum,
auf das Aarn hingewiesen hatte. Sie brauchten zehn Tage, um es zu erreichen. Es war ein großartiger Körper, ein Riesenmeer strudelnder violetter Flammen, ein von Licht umgebener Hochofen. Im Spektrum wurde die Strahlung rot. Ein weitreichender Lichtkranz von mehr als fünfundfünfzig Millionen Meilen ging von dem Stern aus, dessen äußerer Rand einem glänzenden scharlachroten Flammenkranz glich. Trotz der Entfernung von zehn Milliarden Meilen war die Hitze ungeheuer, und Aarn veranlaßte unverzüglich, daß Hilfsstrahlenschirme aus Glas angebracht wurden, die achtundneunzig Prozent der ultravioletten Strahlen ausschalteten. Trotzdem war ihre Haut am nächsten Tag rauh und wund von den ultravioletten Verbrennungen! Die Strahlung des Sternes lag fast gänzlich im violetten und ultravioletten Bereich. »Aarn scheint Energie für eine lange Fahrt zu speichern« bemerkte Carlisle. »Sucht er sich einen Stern aus, ist's gleich 'n richtiger!« »Bei dem Nebenfeld muß ich so nahe wie möglich herankommen«, gab Aarn zu. Die Sunbeam kam wieder auf volle Touren, und der Stern wurde geisterhaft schlank. Er dehnte sich aus wie ein aufgeblasener Ballon, fiel zusammen, als ob er angestochen worden wäre, und entschwand. Der Weltraum war vollkommen leer und dunkel. »Wir sind jetzt etwa zehn Millionen Meilen von ihm weg«, sagte Aarn, »und wäre nicht das Nebenfeld, wären wir in wenigen Sekunden geschmolzen gewesen. Praktisch sind wir innerhalb der Lichtkranzentladung, die zwar nicht besonders heiß ist – ausgenommen dann, wenn Strahlungen aus der Fotosphäre absorbiert werden.« Aarn handhabte die Steuerungen – und
plötzlich hing das riesenhafte Feuermeer dicht vor ihnen. »Puh! das sind doch nicht zehn Millionen Meilen!« schrie Carlisle. Die enorme Scheibe glühte heftig in trübem Violett und war mit Ausnahme einer winzigen Ecke über den ganzen sichtbaren Teil des Weltraums ausgedehnt. Aarn arbeitete mit großer Geschwindigkeit. »Doch – es stimmt. Der Kerl ist einfach von phantastischer Größe. Wir nehmen auf, was wir können, wenn der Strahl – ah!« Sie wurden fast taub von einem einzigen Donnerschlag der Transponstrahlen im Stromraum, die von außen aufgenommenen Strom in die Aggregatspulen leiteten. Aarn nahm einige Änderungen an den Steuerungen vor, aber es dauerte Sekunden, bis der Strahl sich beruhigte. Dann herrschte plötzlich Ruhe. Aarn machte noch eine Bewegung und beobachtete aufmerksam seine Skalen, als er fortfuhr zu sprechen: »Der ist fast so schlimm wie Anrel. Ich benutze das schwermagnetische Nebenfeld. Es verwandelt das elektrische in ein Gravitationsfeld und läßt Licht durch uns und das Schiff hindurchgehen, als ob wir nicht da wären.« Er machte eine kurze Pause. »Damit hätten wir wohl genug. Die Spulen sind bis zum äußersten geladen.« Das Meer von verschleierten violetten Flammen verlosch allmählich und verschwand plötzlich in unheimlicher Weise. Carlisle schaute Aarn zweifelnd an. »Wir gehen doch nicht zu dem blöden Cepheiden? Anrel war Cepheide, und den hast du doch zur Genüge untersucht.« »Ich habe ihn nicht untersucht. Die Magyaner haben das gemacht – und außerdem war das kein Cepheide. In
Magyas Weltraum hatten sie nie von solchen Sternen gehört. Ich habe ausreichendes Material über ihre Sonne, und die Astrophysiker können sich damit beschäftigen. Aber Material über einen echten Cepheiden habe ich nicht, und das ist einer, möchte ich fast sagen. Ich würde gern mal für eine Weile mit den Forschungen aufhören und nicht in alle Ewigkeit hinein nach unwichtigen und bedeutungslosen Sternen ausschauen.« »Ich widerspreche nicht – es war nur eine Frage«, sagte Carlisle hastig. Tag für Tag verging – der Cepheide wurde immer größer. Cepheidsterne sind stets außerordentlich groß, und der hier schien keine Ausnahme zu machen – bis Aarn bei seinen regelmäßigen Instrumentenkontrollen zu seiner Verwirrung entdeckte, daß es kein Cepheide war. Es war ein anderer Typ eines regelmäßig variablen Sterns. Sie legten Lichtjahre zurück, und das bedeutete Jahre der Strahlung, die sie studieren konnten. Allmählich nahm die Frequenz aller Perioden zu, offensichtlich mit beschleunigter Geschwindigkeit. »Der da«, sagte Aarn erregt, als das Licht eines fremden Sternes leuchtend in das Schiff strahlte, »wird wohl eine Nova werden. Wir sind aber zu nahe, um sehen zu können, wie er zur Nova wird. Wir sind jetzt nur ein halbes Lichtjahr entfernt.« »Werden wir in aller Sicherheit Untersuchungen anstellen können?« fragte Spencer zweifelnd. »Bestimmt. Wir können weit genug wegbleiben.« Sie kehrten in den Steuerraum zurück, und wieder schoß die Sunbeam vorwärts. Der Stern vor ihnen wurde größer, bis schließlich aus dem glänzenden Punkt eine glänzende
Scheibe wurde. Aarn begann seine Impulsmessungen. Langsam nahm sein Gesicht einen verwirrten Ausdruck an. »Die Instrumente weisen einen ungeheuren Drehimpuls nach. Um einen solchen Drehimpuls haben zu können, müßte sich ein Stern wie dieser ungefähr alle Viertelstunde um seine Achse drehen. Die einzige andere Erklärung...« Aarn arbeitete weiter, immer noch bestürzt. Und diese Bestürzung verwandelte sich allmählich in Überraschung. Schließlich lachte er in sich hinein. »Na, aber so was! Dieses elende Ding hat Planeten!« »Planeten! Ich sage nichts mehr!« Spencer lachte. »Da jagen wir kreuz und quer durch den Weltraum – und stoßen plötzlich mit der Nase drauf!« »Wieviel, Aarn?« fragte Carlisle. »Vier große Kerle.« »Wollen wir Untersuchungen anstellen?« fragte Spencer. »Selbstverständlich. Wir fangen mit Drei an – ist der nächste.« Mit Impulsantrieb schoß die Sunbeam vorwärts. In nur Minuten hatten sie eine Geschwindigkeit von zehntausend Meilen pro Sekunde erreicht. Drei kam näher und wurde größer. Aarn zog langsam den Antriebshebel zurück, und die Transponstrahlen erstarben. Planet Drei lag nun innerhalb einhunderttausend Meilen, und Aarn war mit einer zweiten Kontrolltafel beschäftigt. Ein winziges Ding, nicht größer als ein Straußenei, kam aus einer Seitentasche der Sunbeam heraus und eilte vorwärts – im Bruchteil einer Sekunde war es nicht mehr zu sehen. Ein Schirm wurde lebendig und zeigte das Bild des sich rasch vergrößernden Planeten.
Ein Meer erschien in der Dämmerung – groß und tiefblau – und das Ufer eines Kontinents, auf dem es gerade hell wurde. Es war früh am Morgen. Schnell dehnte sich das Land aus, und das Meer wurde unsichtbar. Aarns Investigator wurde langsamer, als sie die Peripherie der Atmosphäre erreichten. Aarn untersuchte jetzt die Instrumente unter dem Schirm. »Oberflächenschwere 1,58 mal Erdenschwere«, teilte er mit. Eine weite Küstenebene wurde sichtbar, ein riesiger ununterbrochener Wald. »Es muß da Tiere geben«, sagte Aarn, »bei all den Pflanzen...« Der kleine Investigator schlug größere und größere Kreise und heulte mit Hunderten von Meilen pro Stunde durch die Lüfte, so wie der winzige, aber mächtige Impuls ihn antrieb. Binnenland – durch den Kontinent. Einhundert – zweihundert... Aarn gab das Haltesignal, als das Bild einer Stadt auf dem Schirm sichtbar wurde! Ungefähr fünf Meilen vor dem Ziel hielt der Investigator an, wendete und kreuzte langsam zurück. Es war eine riesige Stadt, die sich da im grünblauen Sonnenlicht ausbreitete. Noch langsamer fiel der Investigator nach unten, bis er sich dem Mittelpunkt näherte. Allmählich vergrößerte sich die Szene, die Außenbezirke verschwanden vom Schirm, und der Mittelpunkt der Stadt wurde deutlicher. Wie schnelle Schatten wurden fliegende Körper sichtbar, und schließlich erschienen schwarze Ströme sich bewegender Bewohner. Mit nervenzerreißender Langsamkeit sank der Investigator. Die Maschine fiel plötzlich stärker ab, als Aarn ein Signal gab, und glitt schnell auf die Seite eines hochaufragenden Gebäudes zu. Bei etwa fünfhundert Fuß hielt sie ein und
schwebte bewegungslos. Aarn und seine Freunde starrten in Bestürzung hinunter. Da unten gab es zwei Arten von Lebewesen, die sich in vollkommener Freiheit mischten! Die eine Rasse waren zehn Fuß große Kreaturen die unbeschreiblich abstoßend aussahen. Sie waren dunkelgrün und glänzend und trugen ein Mittelding zwischen einer Toga und einem locker sitzenden Pyjama. Die Gesichter waren dreieckig, der Mund eine weite dreieckige Öffnung. Kleine, bewegliche, tassenförmige Ohren standen über diesem »Gesicht«, und große, runde, gelbliche Augen an der Grundlinie des gleichschenkligen Dreieckes vervollständigten das Bild. Die Oberfläche ihrer Körper und ihrer Gesichter war ein Netzwerk feiner, dunkelgrün glänzender Schuppen. Sie waren Reptilien – da gab es gar keinen Zweifel. Aber sie gingen aufrecht auf zwei langen, kräftigen Beinen und hatten außerordentlich lange und muskulöse Arme. Die anderen Lebewesen schienen ganz menschenähnlich zu sein. Der Körper war weniger untersetzt als der der Reptilien, und es sah fast aus, als ob sie Schwierigkeiten beim Gehen hätten. Ihre Größe war etwa fünf Fuß sechs Zoll, die Arme waren kräftig und völlig normal. Das Gesicht war breit und angenehm anzusehen, hatte aber einen ziemlich stumpfsinnigen Ausdruck. Männer wie Frauen waren mit einer Art Shorts bekleidet. Sie machten vielleicht ein Zehntel der Reptilbevölkerung aus. »Ich glaube, wir können es wagen, zu ihnen zu gehen. Was meinst du?« Aarn wandte sich an Spencer. »Warum nicht. Sie scheinen freundlich zu sein.« Die Sunbeam stürzte mit rasender Geschwindigkeit hinunter. Etwas außerhalb der äußersten Vorstadt lag ein
weites, parkähnliches Gelände, auf das Aarn nun zusteuerte. Aber er stoppte plötzlich ab, als er sah, wie ein riesiges eiförmiges Schiff sich neigte, um auf einem großen weiten Platz im Herzen der Stadt zu landen. »Da ist ja ein Landeplatz. Da wollen wir auch hin.« In Sekundenschnelle war die Sunbeam sanft gelandet, und aus einem der großen Gebäude, die den Platz umgaben, eilte in einem seltsamen Galopp ein Strom von Reptilmännern herbei. Unversehens hielten sie an und sahen ziemlich verblüfft und dumm aus, wie sie da vor der Sunbeam standen und sie mit ihren großen Augen anstarrten, wobei sich immerzu ihre Ohren bewegten. Schließlich kam einer, der eine gewisse Machtbefugnis zu haben schien, behutsam auf das Schiff zu und schaute durch das Kontrollfenster ins Innere. Er sah, daß Carlisle mit den atmosphärischen Tests beschäftigt war, daß Spencer ihn betrachtete und daß Aarn an der Kontrolltafel arbeitete. Plötzlich hörte man ein sausendes Wuuuuuschsch in der Luft, und der Offizier sprang zehn Fuß weit, als ein eiförmiges und silbriges Etwas durch die Luft auf das Schiff zuschoß. Der jupitergewohnte Aarn brachte es so schnell durch die Schleuse ins Innere, daß es in der Wand zu verschwinden schien. »Atmen können wir hier«, kündigte Carlisle schließlich an. »Aber frage mich nicht nach der Zusammensetzung! Die spektroskopische Arbeit überlasse ich dir, Aarn.« In verblüffend kurzer Zeit stellte dieser fest: »Sauerstoff – Helium – Stickstoff – Argon – Kohlenstoffdioxyd – Neon – Xenon und natürlich Wasser. Die sind gut versorgt mit seltenen Gasen!
Komm, gehen wir mal zu unserem grüngesichtigen Freund!« »Ich komme mit«, verkündete Canning und steckte seinen Kopf ins Zimmer, als Aarn und seine Freunde zur Schleuse hin aufbrachen. »Und ich mag auch nicht alleingelassen werden, Sir«, protestierte Martin, »die Krokodile da sind recht unangenehm aussehende Typen. Ich meine, es wäre sicherer, wenn wir zusammenblieben.« »Ist recht«, nickte Aarn, »du kannst mit uns kommen.« Sie gingen zur Schleuse, betraten die Kammer und ließen eilig Luft von außen ein, um ihren Druck dem äußeren anzugleichen – und gerade als Carlisle eine schnelle, halb vollendete Bewegung auf die Ventilsteuerung zumachte, sackten die fünf Sonnenmenschen lautlos zusammen. Sharblox, Offizier vom Dienst im Raumhafen von Karatawn, wartete gut fünf Minuten, ehe er eine weitere Bewegung machte. »Ich glaube«, sagte er endlich, »wir können jetzt ohne Gefahr unsere Untersuchungen anstellen. Offensichtlich sind sie in ihre Schleuse gegangen – sie zeigen keinerlei Anzeichen von Aktivität. Wahrscheinlich ist ihr Luftdruck niedriger als der unsere, und sie haben das ›Shalssa‹ selbst in sich eingesogen. Gut so. Es muß doch irgendeine Möglichkeit geben, von außen hineinzugelangen.«
2
Don Carlisle war der letzte, der aufwachte. Aarn schaute ihn an. »Es – es – Randit – Rausch...«, keuchte Carlisle. »Stimmt. Bißchen spät für eine Warnung«, antwortete Aarn leichthin. »Wir haben einen Fehler gemacht. Ganz natürlich – aber recht ärgerlich. Wir haben jetzt auf dich gewartet.« Carlisle setzte sich auf. Er befand sich in einem recht gemütlichen Zimmer, das spärlich mit sechs Pritschen aus Metall möbliert war. Dicht vor seinen Augen sah er ein langes, schmales Fenster, das in eine dicke Wand aus grauweißem Stein eingelassen war. Silbrige Stäbe waren vor dem Fenster angebracht, und nur durch die Zwischenräume sah man den seltsamen violetten Himmel. Eine lange, dünne Linie glänzenden grünlichen Sonnenlichtes fiel auf die eine Seite des Zimmers und über den Boden Auch diese Seite war aus grauweißem Stein, der sauber behauen und verbunden war. Carlisle drehte sich um und sah, daß die gegenüberliegende Zimmerseite aus festen, gut polierten Stäben eines silbrigen Metalls bestand, die in gefälligen Zwischenräumen mit horizontal verlaufenden Stäben verbunden waren. Jenseits bemerkte er zwei Angehörige der menschlichen Rasse, die sie zuvor schon gesehen hatten. Diese beiden sahen jedoch bedeutend intelligenter, wenn auch im Augenblick sehr niedergeschlagen aus. »Es ist kein Gefängnis – eher ein Quartier, eine Kaserne. – Unser kleiner Irrtum war, daß wir die Beziehung zwischen den Reptilien und den Menschenwesen für
Freundschaft hielten. Es sieht so aus, als ob die Seeset – unsere Reptilfreunde – die Tornaner – also die Menschenwesen – als nützliche Sklaven betrachten. Ich habe die Geschichte noch nicht ganz zusammen. Die Tornaner haben eine recht originelle Idee von logischer Wortanordnung. Ihre Gedanken sind ein herrlicher Mischmasch.« »Unser Schiff – ich habe das verdammte Zeug gerochen – ich konnte nicht mehr...« Carlisle richtete sich auf; er sah noch recht krank aus. »Ging mir genauso – nur dachte ich, es sei die Atmosphäre dieses verflixten Planeten.« »Ich zuerst auch – dann habe ich's erkannt. Das einzige Gas, das selbst bei starker Verdünnung noch einen unschädlichen Schock verursacht. Die verwenden es wahrscheinlich dazu, öffentliche Unruhen zu unterdrücken.« »Sklaven – nur Sklaven. Auf sie selbst wirkt es nicht.« »Sind wir – Sklaven?« Aarn nickte gemütlich. »Das denken sie jedenfalls.« Er blinzelte Carlisle zu, und schnell legte er seine beiden kraftvollen Hände um zwei der Gitterstäbe, und diese Stäbe knickten einige Zoll ein. Vorsichtig bog Aarn die Stäbe wieder zurecht. »Nur nachts zu machen. Wir gehen 'raus hier. Mart Toral, unser Freund hier, hat mir alles erklärt. Er sagt, daß wir's nicht schaffen, aber ich glaube doch.« Carlisle wandte sich den beiden Tornanern zu, die ihn durch das Gitter anstarrten. »Warum können wir nicht fliehen, wenn mein Freund aus dieser Zelle ausbrechen kann?« fragte er durch Telepathie. Der Grundgedanke, der Carlisle übertragen wurde, war,
daß es nur einen Ausgang gab, der von den Seeset schwer mit Gas und Sharls – einer Art tödlicher, flammenwerfender Handfeuerwaffe – bewacht wurde. Eine unüberwindliche Schranke. »Wenn wir an dem Gas vorbeikämen«, sagte Carlisle leise und suchte in seinen Taschen herum, »könnten wir auch an den Männern vorbeikommen.« Aus den Innentaschen seines Anzuges zog er sechs winzige schwarze Kapseln hervor. »Dunkelbomben!« Aarn unterzog seine eigenen Taschen einer schnellen Untersuchung. »Zwei«, seufzte er schließlich und holte zwei der winzigen Kapseln aus seiner Uhrtasche. »Was ist das?« fragte Mart Toral. »Dunkelbomben – zwei davon, und draußen wird im Umkreis von zwanzig Fuß tiefste Nacht herrschen – in dem Gang da würden es fünfzig Fuß sein. Seit Carlisle sie erfunden hat, schleppe ich sie mit mir 'rum.« »Ich habe keine«, sagte Spencer kläglich. »Immerhin – acht sollten genügen, wenn wir an dem Gas vorbeikönnen«, sagte Carlisle. »Welches Gas ist das genau?« Mart Toral erklärte. Es gab nur einen einzigen Ausgang. Er war niedrig, zweihundert Fuß lang und angefüllt mit einem schweren, schlaferzeugenden Gas. Den Seeset machte es nichts – aber die Tornaner schliefen einfach ein, wenn sie hindurchgetragen wurden; hindurchzugehen war ihnen ohnedies unmöglich. »Wir könnten den Atem anhalten und rennen«, schlug Aarn vor. »O nein – besondere Einrichtung, um das zu verhindern!« Mart Toral sagte es traurig. »Auf halbem
Weg ist eine Tür. Man braucht zwei Minuten, um sie von innen zu öffnen.« Carlisle schaute Aarn hilflos an. »Nicht einmal du kannst das, Aarn. Und wir bestimmt nicht.« »Aus dem Fenster können wir auch nicht springen – zweihundert Fuß hoch.« »Ich könnte kaum mehr als einen Plumpser von zehn Fuß aushalten bei dieser Schwere«, eröffnete Spencer. »Was sollen wir nur machen?« Auf dem Korridor war das Gleiten von Füßen zu hören, und die zehn Fuß hohe Masse eines Seeset erschien, der von zwei tornanischen Sklaven begleitet war. Jeder trug ein Tablett. Auf dem einen waren sechs Schüsseln, auf dem anderen zwei. Unter vollkommenem Schweigen wurden sie durch einen vergitterten Schlitz geschoben. Der Schlitz schloß sich, und die Männer zogen sich mit dem Seeset zurück. »Abendessen.« Aarn schnitt eine Grimasse. »Nicht mal genug für einen gesunden Vogel.« »Aber genug für einen gesunden Menschen. Du bist übergroß. Und ich bin hungrig«, sagte Spencer unfreundlich. Er wollte seine Portion in Angriff nehmen, aber Carlisle hielt ihn zurück. »Erst mal ein bißchen Chemie! Ich möchte Mart Toral verschiedenes fragen. Puh! – sie scheinen Salz als Hauptnahrungsmittel anzusehen.« Auf dem Tablett befand sich ein drei Zoll tiefes Fäßchen mit Salz. Mart Toral und sein Gefährte streuten bereits einen halben Teelöffel voll Salz über ihr Essen. »Mart Toral, was ist dieses weiße Zeug?« wollte Carlisle wissen. »Salz«, sagte Mart Toral mit offenem Erstaunen.
»Weißt du, aus welchen Elementen es zusammengesetzt ist?« »Allerdings. Kartalakordarfartalporn.« Er zögerte verwirrt. »Es gibt dreiundneunzig bekannte Elemente. Weißt du das?« »Oh – wir kennen nur einundneunzig. Ja, aber – oh, der Tisch! Das sind die Elemente –«, er zählte im Geiste mit, »– sechs – acht – und elf.« Carlisle übte sich in schneller geistiger Gymnastik. »Aha...« Er versuchte das Salz vorsichtig. »Einfaches Natriumkarbonat. Muß viel Karbonat enthalten, sonst hätte er Element eins mit aufgezählt.« Er sah zweifelnd aus. Und dann überzog sich sein Gesicht mit einem breiten Grinsen, als er auf die Wände der Zelle schaute. »Aarn – einen der Silberstäbe aus dem Fenster, das fällt am wenigsten auf!« Schweigend duckte sich Aarn, schnellte sich ab und sprang etwa fünfzehn Fuß hoch bis zu dem Fenster, ergriff mit seinen großen Händen einen Stab und war in zwei Sekunden wieder mit dem Metallstab auf dem Boden. »Gut«, sagte Carlisle und ging die Wand unter seiner Pritsche an. Unter den Stößen seines Stabes brachen Stücke aus dem Stein. Er untersuchte sie sorgfältig. Er kostete sie, arbeitete mit einem Stückchen Metall aus seinem Anzug daran herum und grinste noch breiter. »Mart Toral – wir frieren. Wir kommen von einem viel wärmeren Planeten, und die Kälte schwächt uns. Sag dem Seeset, ganz gleich wie, daß wir ein Feuer brauchen. Was bringen sie uns dann wohl?« »Wenn überhaupt, dann ein Holzkohlenfeuer.«
»Großartig. Mache dich an die Arbeit, und wenn sie uns auch noch Wasser bringen, können wir hier 'raus trotz ihrer kniffligen Tür! Los, kommt und kauert euch zusammen!« Gehorsam, aber zweifelnd, scharten sich die Sonnenmenschen zusammen, als ob sie sich aneinander wärmen wollten. Mart Toral brauchte eine halbe Stunde, bis er einen Seeset aufmerksam machen konnte. Als er erschien, sah der große Reptilmensch zornig auf Mart Toral und kam langsam näher. Plötzlich brach er in einen Schwall beinahe musikalischer Silben und Gutturallaute aus. Mart Toral antwortete in gleicher Weise. Der Seeset betrachtete die zusammengekauerten Fremdlinge und zischte scharf eine Verneinung. Mart Toral sprach wieder und länger. Schließlich kam eine gutturale Antwort, und der Seeset ging fort. Mart Toral wischte sich die Stirn. »Er wollte mir nicht glauben. Aber er bringt Feuer und Wasser. Ich sagte ihm, sehr reines Wasser, ohne Salz. Das Salz würde euch vergiften. War das richtig?« »Vollkommen richtig.« Eine Stunde später waren die metallenen Eßnäpfe geleert und das Salz verschwunden. Ein Tornanersklave wollte die Näpfe abholen. Jeder der Erdbewohner hatte in seinem Napf ein kleines Feuer und kauerte darüber. Mart Toral schickte den Sklaven fort. Kein Seeset erschien – aber eine halbe Stunde später kehrte der Sklave zurück und brachte einen Vorrat von Holzkohle für die metallene Feuerschale, die man ihnen gegeben hatte. Der Wasserbehälter stand in einer Ecke. Es wurde dunkel. Die Erdbewohner saßen über das rotglühende Feuer gebeugt. Die übrige Zelle war dunkel.
Mart Toral, dessen hochempfindliches Gehör hier von großem Wert war, hockte an seiner Zellenwand und lauschte auf Seesetfüße. Aarn saß nicht am Feuer. Er arbeitete mit einem Silberstab. Ein Viertel eines Blocks des ziemlich weichen Steins war verschwunden. Aarn wußte, was Carlisle jetzt brauchte. Die anderen vier bliesen abwechselnd in das kleine Feuer, ihr Atem ging schwer, und doch brannte das Feuer nicht zu heiß. Denn in dem Feuer waren kleine Stückchen des Steins – Kalziumkarbonat! – Kalkstein, der zu Kalziumoxyd verbrannt wurde. Carlisle hatte den ersten Teil seiner Arbeit beendet. Drei Näpfe waren mit einer Lösung konzentrierten Natriumkarbonats gefüllt. Zwei Stunden vergingen. Carlisle hatte mit einer Metallzange vorsichtig das heiß-rote Kalziumkarbonat herausgezogen und beiseite gelegt. Dann ließ er das abgekühlte Material in eine der Schüsseln fallen. Es dampfte, und der Dampf stieg zischend auf. Die Masse zerbröckelte rasch und tauchte sofort unter. Carlisle fügte einen weiteren Klumpen hinzu. Die Flüssigkeit kochte jetzt deutlich. In wenigen Augenblicken war die Reaktion beendet, und Carlisle prüfte das Ergebnis. Die Männer flüsterten leise. Sie wandten sich dem Feuer zu, um es durch anblasen in Gang zu halten. Stunden vergingen, und immer wieder zischte und kochte es in der Schale. Aarn zog sein Hemd aus, als er mit dem Auskratzen des Loches unter Carlisles Pritsche fertig war. Der große Steinblock war weg, sein Silberstab war zerbrochen. Sogar Aarns große Arme waren müde geworden, und er ruhte sich aus, während Carlisle die Arbeit beendete.
»In zwei Stunden wird es hell«, sagte Mart Toral endlich. »Noch zehn Minuten, dann bin ich fertig«, versprach Carlisle. »Was ist denn das, Erdenmensch?« fragte Mart Toral. Spencer antwortete: »Das sind Gasmasken. Carlisle weiß alles über euer Gas. Die Masken, die er macht, werden dieses Gas nicht wirksam werden lassen. Wenn du eine solche Maske trägst, atme durch sie ein – sie liegt ja über deinem Mund –, aber atme durch die Nase aus! Verstanden?« »Ah – ein großer Chemiker! In der Gefängniszelle ersinnt er Schutz – ja, ich verstehe. Wie ist euer Plan?« »Wir haben noch keinen«, erwiderte Aarn, »ausgenommen, daß wir die Stäbe hier niederreißen und sie als Waffe brauchen, daß wir Gasmasken als Schutz haben und uns im Schutz der Dunkelbomben verbergen können. Irgendwie werden wir uns in der Stadt verstecken und dann zu unserem Schiff zurückfinden. Dann – werden wir diesen Reptilien ein bißchen Respekt vor Fremdlingen beibringen.« »Ayhu – das bezweifle ich. Sie haben mächtige Schiffe, die das eure zerstören werden.« Mart Toral schüttelte den Kopf. Aarn lächelte. »Das werden wir sehen, wenn wir unser Schiff haben. Hast du eine Ahnung, wo es sein könnte?« »Ja – vielleicht. Weißt du, warum ich im Gefängnis bin?« »Wir hatten noch keine Zeit, uns darüber zu wundern« lächelte Aarn. »Ich war Spionagechef meines Volkes in dieser Welt.
Das haben sie herausbekommen. Ich und Thor Mant sind die einzigen Überlebenden. Ich bin seit ungefähr fünfzig Tagen hier und habe viel erfahren. Ich glaube, ich weiß, wohin sie dein Schiff bringen werden. Am Rand der Stadt haben sie eine große Schiffswerft.« »Du weißt den Weg dorthin?« »Natürlich.« »Dann gehen wir hin«, verkündete Aarn. »Ich bin fertig«, seufzte Carlisle und streckte sich. Er gab jedem einen Tuchstreifen, der in der Mitte verdickt war. »Bindet sie hinten am Kopf! Macht es lieber schon jetzt!« Die anderen folgten seinem Rat. Schweigend ging Aarn zu der vergitterten Tür ihrer Zelle, sammelte seine gewaltige Kraft und zog. Langsam gaben die schweren Stäbe der Tür nach, und schließlich konnte er zwei herausnehmen. »Das reicht«, beschloß er. »Sie sind kräftig.« Er hob einen auf. »Netter Prügel.« Dann bearbeitete er Mart Torals Käfig und brach spielend sechs leichtere Stäbe heraus. Voller Bewunderung sahen die Tornaner dem Spiel seiner Muskeln zu. »Nehmt jeder einen – das sind großartige Waffen.« Mart Toral befestigte geschwind seine Maske und übernahm die Führung. Eilig schritten sie in die gasgeladene Luft hinein. Es machte ihnen keine Schwierigkeiten! Sie fühlten nicht die geringste Benommenheit! In Sekundenschnelle hatte Aarn die Tür erreicht und drehte den großen Griff. »Keine Alarmvorrichtung?« fragte er Mart Toral. »Nein«, erwiderte der Tornaner. »Wozu auch? Es gibt kein Entweichen aus diesem Gefängnis, kein Entweichen aus der Stadt, geschweige denn von dem Planeten.«
Eine Ewigkeit schien vergangen, ehe ein schwaches Knacken verriet, daß die schwere Metalltür gelockert war. Aarn stieß zu – sie öffnete sich auf einen hell erleuchteten Gang, in dem bewaffnete Wachen auf merkwürdigen, einbeinigen Stühlen saßen. Im gleichen Augenblick warfen Aarn und Carlisle ihre Dunkelbomben. Unter schwachen Explosionsgeräuschen wurde das Licht schlagartig aus dem Gang ausgesogen. Aarn wirbelte seine schreckliche Kampfkeule von fast siebzig Pfund wie eine Rute in seiner Hand herum. Zweimal berührte sie Fleisch, das schreiend unter dem Schlag zusammenbrach. Neben sich hörte er ähnliche krachende Schläge. Irgendwo tönte ein metallischer Schrei. Und fast gleichzeitig stellte Aarn fest, daß sie außerhalb des Gebäudes waren. »Mart Toral!« rief er. Plötzlich fühlte er den Tornaner neben sich. »Ashur-hyal...« Der Tornaner ergriff seine Hand und zog. Eilig faßte Aarn Carlisle, und zusammen eilten sie voran. Nach Sekunden lichtete sich die Dunkelheit um sie, und sie bemerkten, daß sie in einem schwach erleuchteten Park waren. »Wir müssen Kleider finden«, sagte Mart Toral schnell. Seine Augen streiften suchend umher. »Ahhh...«, er lief plötzlich davon, Aarn dicht neben ihm. Spencer, Carlisle und die anderen warteten hinter den schützenden Büschen. Auf einem Pfad in der Nähe stießen sie auf fünf eilende, beladene Sklaven, die die einfache Kleidung ihres Standes trugen. In dreißig Sekunden war Aarn zurück – schon halb nackt
– und hatte die fünf Badehosen über dem Arm. Er verteilte die Kleidungsstücke. Vom Eingang des Gefängnisses her ertönten Geräusche. Spencer und Carlisle zogen ihre Kleider nur zögernd aus; in den kurzen Hosen kamen sie sich lächerlich vor. In weniger als einer Minute eilten sie weiter und folgten dem Tornaner. »Eure Farbe – aber wir können es nicht ändern«, war alles, was dieser sagte. Die Bewegung am Gefängnis wurde zu einer ruhigen, geordneten Suche. Irgend jemand trat in den Park ein. Es war eine Gruppe von zwei Seeset, die schwer bewaffnet waren. Aarn wartete, während die anderen durch die Schatten weitereilten. Sekunden später hatte er sie wieder erreicht mit zwei tödlichen Sharls in der Hand und einem Lächeln auf dem Gesicht. »Sie fielen über mich her«, erklärte er. »Und sie haben keinen Ton von sich gegeben.« »Wie geht man mit diesen Dingen um?« fragte Spencer. »Hier im Griff ist ein Knopf«, erklärte Mart Toral. »Drückt man darauf, wird die Energie frei. Sie ist bis auf eine Strecke des Sechsfachen meiner Größe wirksam. Darüber hinaus lähmt sie bis auf eine Entfernung, die zehnmal meine Größe beträgt.« »Wohin gehen wir?« »Durch Nebenstraßen in den am dichtesten bevölkerten Teil des Sklavenviertels. Wir werden hindurchwandern – und niemals mehr herauskommen. Das werden die Seeset feststellen.« »Freunde sind nützlich«, gab Aarn lächelnd zu. »Können sie uns färben?« »Wir haben nicht umsonst ein Spionagesystem hier«,
antwortete Mart Toral. Sie eilten durch enge Straßen. Eine Stunde später kamen sie in einen besser beleuchteten Bezirk und näherten sich hier einer SeesetPolizeipatrouille, zwei Riesen von Reptilien. »Mart Toral!« rief Aarn leise. Schnell erklärte er seinen Plan. Die Erdbewohner und der Jupitermensch blieben an einer Ecke zurück, und Mart Toral und Thor Mant gingen langsam auf die Seesetpatrouille zu. Einer der großäugigen Seeset sah sie, und sofort verschwanden die beiden aus seinem Gesichtskreis. Der Seeset sagte etwas zu seinem Begleiter und eilte auf sie zu. Hastig schlugen die Tornaner den umgekehrten Weg ein. Der Seeset rief sie in scharfem Ton an, aber Mart Toral und Thor Mant liefen nur noch mehr, und als der Seeset in einen schnellen, schwingenden Galopp fiel, rasten sie um die Ecke. Die Seeset folgten ihnen. Zwei ungeheuerlich kraftvolle Hände griffen nach den beiden Reptilien. Sie sanken geräuschlos zu Boden, mit gebrochenem Genick. »Ah, noch zwei Sharls!« freute sich Aarn. Er gab sie Mart Toral und Thor Mant, die beide am besten damit umgehen konnten. Sie eilten weiter. Weiteren Patrouillen begegneten sie nicht mehr. Dann führte Mart Toral sie durch einen Eingang, in dem sich Sklaven drängten; aber keiner schien sie zu beachten. Dumme, dumpfe Gesichter – und plötzlich sank schnell eine Maske, wurde wieder zurückgeschoben, und einer der starr aussehenden Tornaner glitt auf Mart Toral zu und führte ihn und seine Begleiter zu einem winzigen Schlafraum im fünften Stock. Zwei Schlafkojen gab es dort. In der einen schlief eine Frau. Sie erwachte bei ihrem Eintritt und setzte sich auf.
Ihr stumpfes dummes Gesicht war ärgerlich. Wieder fiel eine Maske, und die Lippen der jungen Frau bewegten sich froh überrascht – dann war das Gesicht wieder eine Maske. Aarn begann die telepathische Unterhaltung. »Kein Grund zu sprechen; wir können uns mit unserem Gehirn verständigen. Mart Toral wird zu euch reden, und ich werde wissen, was gesagt wird; ihr müßt nur eure Gedanken für mich denken.« »Wer seid ihr?« Die Lippen der Frau bewegten sich schweigend. »Ich komme aus einer fernen, viel größeren Welt. Jetzt allerdings – aus dem Gefängnis.« »Was wir brauchen, sind Farben«, warf Mart Toral ein. »Wir müssen nach Karatawn Tarnak gehen. Wahrscheinlich ist dort ihr Schiff.« »Dann sind das also die, die mit dem fremden Schiff angekommen sind?« fragte der Mann. »Ja freilich. Beeil dich!« Der Mann bewegte sich hastig. Von irgendwoher aus seiner Koje holte er eine kleine Maschine, die plötzlich zu summen begann. Winzige Funken schossen aus ihrer fünf Zoll großen Metallantenne. »Sie sperrt den gestrahlten Sehapparat der Seeset aus. Sie denken wohl, es sei ein normaler Maschinendefekt. Wenn sie nachschauen, finden sie eine durchgebrannte Sicherung. Für Karto hier bedeutet das Ärger – aber so ist der Dienst.« Aarn war tätig. Karto hatte eine komplette Reihe flüssiger Farben in kleinen Gummiflakons herbeigeholt, und Aarn rieb seine Haut ein. Die anderen machten es ihm nach. »Wir brauchen doch nicht zu warten – wir können sie
doch mitnehmen, was?« »Wenn du sie tragen kannst?« »Ich möchte gern etwa die halbe Stadt mitnehmen«, sagte Aarn grimmig. Fünf Minuten später hatten sie sich in zwei Gruppen geteilt. Toral führte die eine, die aus Aarn, Spencer, Carlisle und Thor Mant bestand. Die anderen kamen in kurzem Abstand hinter ihnen her. Inzwischen war Alarm gegeben worden, und die Seesetpolizei führte scharfe Kontrollen durch, die zum Auffinden der entwichenen Männer führen sollten. Eine Viertelstunde später tauchten die großen Luftschiffhallen von Karatawn Tarnak düster vor ihnen auf. Eine Anzahl heller Lampen brannte, und der Boden war von Licht überflutet. Mart Toral schaute fragend auf Aarn. »Du hast gesagt, daß du einen Zugang finden kannst.« »Aber sicher.« Aarn grinste gutmütig. »Über der Tür sind schwere Geschütze angebracht, die dich schon zum Halten bringen werden, wenn du in den Lichtschein kommst.« »Wer tut dort die Arbeit?« »Ahh – Seeset – für die niedrigen Posten haben sie aber Sklaven. Sie sind alle numeriert und werden fotografisch kontrolliert.« »Schicken sie je Boten aus?« »Selten.« »Und wenn sie es tun, wie machen sie es dann?« »Der Sklave – ein einzelner Sklave – nähert sich und trägt die Röhre mit der Botschaft vor sich her. Zwei Wachen kommen 'raus und nehmen sie ihm ab. Er geht dann sofort zurück. Hier soll nicht spioniert werden,
verstehst du?« »Hol mir irgendwas, das solch einer Röhre ähnlich ist, und gib mir noch etwas von dem Farbstoff...« Mart Toral stellte keine Fragen. Er verschwand und erschien nach zehn Minuten wieder mit einem kleinen Metallkanister, der leuchtendgrün angestrichen war. »Diese Farbe bedeutet, daß die Botschaft von größter Wichtigkeit ist, noch dazu von den Militärdienststellen«, erklärte er. »Es war das einzige, was meine Leute auftreiben konnten.« »Ausgezeichnet«, sagte Aarn. Er nahm eine Tube mit hellroter Farbe, und schon hatte er an seiner rechten Seite eine lange rote Wunde aufgemalt. »Wie heißt der Militärkommandant der Stadt?« »Sharblox«, antwortete Mart Toral, nachdem er sich mit Karto beraten hatte, »ist heute Kommandant.« Aarn brach aus der Seitenstraße, in der sie kauerten, aus. Der trübe Schein der rotbraunen Dämmerung beleuchtete seine Gestalt, als er auf die Tür der großen Luftschiffhalle zulief. Mit einer Hand hielt er seine rechte Seite, mit der anderen schwenkte er die Blechbüchse. Halb fiel er hin, kam wieder auf die Füße und stolperte weiter. Plötzlich erschienen zwei Seeset an der Tür, Sharls in der Hand, und beobachteten ihn. Einer zischte scharf. Aarn rannte einfach weiter. »Shar – Shar – blox...« Er fiel beinahe, als sie ihre Sharls senkten und einen halben Schritt vor der Tür nach ihm griffen. Das war ihr Fehler. Aarn war gebückt, als sie sich über ihn beugten. Wie Kolben in einem großen Motor schossen seine Beine nach unten, sein Körper nach oben. Im Aufstehen stießen seine Schultern die ahnungslosen Seeset ins Zwerchfell, und alle drei stürzten durch die offene Tür.
Mit einem Krachen schlug die Tür hinter ihnen zu. In jeder Hand einen Sharl, sprang Aarn auf. Zwei weitere Seeset eilten mit ihrem eigenartigen schnellen Galoppschritt auf ihn zu. Den Sharls in Aarns Händen entwich eine Flamme, ein züngelnder glühender, violettroter Strahl von dreißig Fuß Länge, der die Seeset hinwarf. Aarn hatte die Sunbeam erblickt und gesehen, daß Seesetingenieure an der noch immer verschlossenen Tür zur inneren Schleuse arbeiteten. Mit weiten Sprüngen jagte er auf das Schiff zu. In unerhört kurzer Zeit schleuderte ein lebendiger Tornado die Seeset aus dem Schiff. Ehe die Männer in dieser Abteilung der riesigen Schiffswerft die Störung merkten, hatte Aarn den Schlüssel in das Schleusentürschloß gesteckt und die Tür aufgerissen. Mit der eindringenden Luft wurde er hineingeschleudert; er sprang die kurze Treppe hinauf und erreichte die Steuerungstafel. Seine Finger flogen. Im Schiff wurden plötzlich Transponstrahlen lebendig. Wie eine riesenhafte Sense schnitt weißglühende heiße Zerstörung durch Karatawn Tarnak, als die Reiseaggregatspulen ihre Energie an einen langen Transponstrahl abgaben, der die gespeicherte Energie eines Sternes in einem Strahl von zehn Fuß Dicke freimachte. Glühende Trümmer blieben dort, wo diese Sense mähte, übrig. Der Strahl schwang von der Horizontalen ab und schoß blitzschnell durch das Dach und verschwand, als das Schiff gleichzeitig hundert Fuß abwärts sprang. Acht Männer jagten auf die noch offene Schleuse zu. »Mach die Tür hinter dir zu!« rief Aarn vergnügt. Noch waren es keine dreißig Sekunden, seit er sie verlassen hatte, und schon war Karatawn Tarnak ein halb
geschmolzener glühender Trümmerhaufen. »In dreißig Sekunden werden die Schlachtkreuzer hier sein. Flieh!« riet Mart Toral. »Noch nicht«, antwortete Aarn grimmig. Die Sunbeam stieg. Drei Strahlen schütteten weißglühende Zerstörung aus; aus drei Luken schossen Sharltorpedos auf das Zentrum von Karatawn, und während Carlisle sie abfeuerte, war Spencer mit den Bomben beschäftigt. Große, rasende Kugeln kristallisierten blauen Lichts – Kugelblitzentladungen –, die die großen Raumschlachtkreuzer zerstören sollten, züngelnde rote Hanteln magnetischer Kraft, die vier Fuß dicke Stahlpanzer in Fetzen zerrissen. Karatawn Tarnak war eine Ruine. Einige Klumpen zeigten an, wo Schlachtschiffe und Kreuzer gewesen waren. Dann schossen von irgendwoher sechs große Kreuzer mit dröhnendem Schwung nieder und steuerten auf die Sunbeam zu. »Ah«, seufzte Aarn glücklich. »Jetzt können wir endlich heimzahlen, was man uns angetan hat!« Eine gigantische rotviolette Flamme kam zischend auf sie zu... und tat ihnen keinen Schaden. »Beschleunigte Ionen«, murmelte Aarn. Der Bug des einen Kreuzers explodierte in Weißglut, als er von einem furchtbaren Transponstrahl getroffen wurde. In einer dreißig Fuß hohen Flamme verschwand das Schiff. »Sauerstoff in der Luft...« Aarn wandte sich einem anderen Schiff zu. Das erste brannte zehn Sekunden lang weiß, ehe es von Rot in Schwarz zerfiel. Inzwischen hatte Spencer es mit einer magnetischen Bombe bedacht. Ein anderes Schiff von den sechs wurde in einer elektrischen
Dauerentladung gebadet, nachdem es von drei Kugelblitzbomben nacheinander getroffen worden war. Ein drittes glühte innen hell auf und fiel mit berstendem Krachen zu Boden. Die noch fliehen konnten, flohen. Etwas anderes nahte. Es war so schwarz wie der Weltraum – ein unglaublicher Riese von einem Schiff. Ein Etwas, halb so groß wie die Sunbeam, schoß aus seiner Seite hervor, und aus seinem Schwanzende schossen Flammen. Es raste auf sie zu – und explodierte mit einer Erschütterung, die die S u n b e a m drei Meilen wegschleuderte, aber unverletzt ließ. »Das«, sagte Aarn, »ist ein Geschoß, das mit Vorsicht zu genießen ist! Man sollte ihm ausweichen. Jenes Schlachtschiff war ein erstklassiges Schiff der Serie!« Die Sunbeam wandte sich dem leeren Raum zu und hielt plötzlich in ihrem Kurs inne. Die Zeiger auf der Meßtafel pendelten um das Zwanzigfache ihres vorherigen Standes, und das Schiff kam zu einem vorübergehenden Halt. Dann pflügte es weiter. Alles in seinem Innern glühte in schwachem blauem Licht, die Luft fluoreszierte, und man vernahm ein eigentümliches Pfeifen. Das reflektierte Licht der glühenden Transponstrahlen drang in den Pilotenraum – aber man hörte keinen Ton, und Aarns Schrei war so tonlos wie im Weltraum. Die Sunbeam schaukelte dahin, und ihre drei Transponstrahlen richteten sich auf ein einziges Ziel. Der Bug des fremden Schiffes geriet in Weißglut. Aber das Schiff wankte nicht. Wie von Geisterhänden fühlte sich die Sunbeam plötzlich geschoben, als ihre magnetische Atmosphäre den Anstoß des Riesenschlachtschiffes verspürte. Aarn wurde blaß und drückte einen Knopf bis zum äußersten Anschlag. In
Sekundenschnelle war die Sunbeam in züngelnde blaue Flammen getaucht, die geräuschlos kamen und gingen und die sich bereit zu machen schienen, den mächtigen Bug des Schiffes anzugreifen. Viele kleine weißglühende Flammenherde waren zu sehen, als sich die verschiedenen Spielarten von Materialzerstörung auf dem schützenden Panzer magnetischer Kraft breitmachten. Die Sunbeam erzitterte gewaltig – dann zog sie langsam davon, als ob sie sich einen Weg durch dicken, klebrigen Teer bahnen müßte. Hinter ihr tauchte wie eine große schwarze Haube der Bug des Seeset-Schlachtschiffes auf. Er war vom Schiffsrumpf getrennt, und die Impulswellen rissen ihn hin und her. Mit großer Beschleunigung brauste die Sunbeam ab, nachdem ihre Kraft endlich den Anprall des Strahls überwinden konnte, der sie getroffen hatte. Das fremde Schiff sank zusammen wie ein angestochener Ballon, und der ganze Planet Darak verschwand plötzlich wie eine Kugel im Raum, als Aarn die Steuerung herumriß. »Süße, schwebende Satelliten! Euch Reptilien meine Entschuldigung! Das war wahrhaftig ein Schlachtschiff! Ich habe kein Verlangen mehr nach einer näheren Beobachtung! Mart Toral, was war das denn mit der Lautlosigkeit? Was es auch immer war – es hat den Strom schneller verbraucht als meine zerstörenden Transponstrahlen. Zwei Drittel unseres Stroms waren in fünf und einer halben Sekunde weg!« Mart Toral sah noch recht grün aus. »Nie zuvor haben weder ich noch einer der Unsrigen diesem Strahl entrinnen können.« »Ich glaube, ich weiß, was es ist.« »Na was denn?« fragte Spencer. »Die Tefflaner haben
uns nie so etwas gezeigt. Die Lautlosigkeit und das komische Flüstern waren grausig.« »Es war Anti-Impuls. Die Burschen sind den Impulswellen auf der Spur, aber sie sind an etwas Falsches geraten. Das ist wie ein grobes Netz. Das Schiff verfängt sich in den Maschen, aber die Menschen nicht. Das Resultat ist klar. Unser Impulsantrieb kämpfte natürlich dagegen an und verhinderte etwas Derartiges; aber sie haben sich wahrhaftig schwer dagegen gewehrt. Unsere automatischen Einrichtungen verhinderten daß wir viel Impuls verloren bevor ich nur die Chance hatte einzugreifen. Aber es war ein schweres Stück Arbeit für sie! Als ich dann auf volle Kraft schalten konnte, kamen wir los und sind mit einer Beschleunigung von zirka einer Million Schwerebeschleunigung abgebraust. Wir hatten keine Zeit aufzuheizen, so schnell rasten wir durch die Atmosphäre.« »Bringst du uns nach Cornal, unserem Planeten?« fragte Mart Toral. »Aber sicher. Deine Hilfe war ungemein wertvoll. Ich hätte nicht mehr tun können – außerdem hoffe ich, daß wir uns auch weiterhin gegenseitig helfen können. Ihr habt offenbar noch keinen Impulsantrieb auf euren Schiffen, auch habt ihr keine Waffen aus Strom die denen der Sunbeam gleichkommen, denn du hast ja nicht geglaubt, daß wir lebend durch den Angriff der Kreuzer hindurchkämen. Wir brauchen Informationen und zwar dringend. Können wir wohl einen Austausch machen?« »Wenn es in unserer Macht liegt, wollen wir gern alle Informationen, die wir geben können, gegen die Geheimnisse eures Schiffes tauschen«, erwiderte Mart Toral eifrig.
»Wir haben uns verirrt, und wir möchten nach Hause. Ich weiß aber nicht, wo unser heimatlicher Stern ist. Das Problem ist nun: Wie sollen wir ihn finden? Die einzige Möglichkeit ist, Sternkataloge zu benutzen. Wir haben Aufnahmen, die von unserem Planeten aus gemacht wurden. Was wir jetzt brauchen, ist ein kompletter Sternkatalog, der die äußeren Milchstraßensysteme – von eurem Planeten aus aufgenommen – zeigt.« Verwirrte Gedanken eilten durch Mart Torals Gehirn. »Was bedeutet dieses letzte? Ich kann es nicht verstehen.« »Oh...« Aarn schaute in äußerster Besorgnis auf Spencer. »Er weiß nicht, was ein äußeres Milchstraßensystem ist. Das bedeutet, daß sie keine so großen Teleskope haben, um den ganzen Sternenhimmel zu sehen.« »Eine äußere Milchstraße«, wandte er sich wieder an Mart Toral, »ist eine kompakte Gruppe von Sternen, die der großen Gruppe ähnlich ist, zu der diese Sonne gehört. Weißt du irgend etwas darüber? Oder eure Astronomen?« Mart Toral schaute Aarn mit plötzlich aufdämmerndem Verständnis an. »Ghthp kessiigg!« rief er aus und sprudelte einige absolut unverständliche Grunz- und Zischlaute heraus. »Die Seeset wissen darüber Bescheid und haben ausgezeichnete Bilder. So viel wissen wir von den Spionensklaven und den Colleges. Die Seeset haben uns gegenüber einen ungeheuren Vorteil. Unsere Städte liegen unter der Erde. Wir können keine Oberflächenfabriken besitzen, auch haben wir keinen Satelliten; Darak dagegen hat zwei. Auf dem größeren dieser Satelliten haben sie ein großartiges Observatorium errichtet. Wir haben zwar kleine Observatoriumsschiffe; die Astronomen sagen aber, sie
seien für wichtige astronomische Arbeiten gewisser Art praktisch nutzlos.« »Wahrscheinlich«, stimmte Aarn zu. »Wir haben keine großen Forschungen betrieben. Außerdem haben die Reaktionen von Torka naturgemäß unser ganzes Interesse in Anspruch genommen. Wenn die eigene Sonne jederzeit explodieren kann, verliert man das Interesse für entferntere Sterne, die man nicht erreichen kann.« »Hmm – auch eine Ansicht. Dann wißt ihr alles über die Labilität eurer Sonne?« »Wissen? Das ist ja die Ursache dieses Krieges gewesen«, brach der Tornaner los. »Die Seeset und die Tornaner waren Freunde, bis die Seeset vor etwa hundert Jahren plötzlich entdeckten, daß Torkas Fluktuieren zum Ruin führen müsse. Sie entdeckten weiter, daß ihr Planet fast völlig beseitigt werden würde, denn Darak würde ungeheuer heiß werden. Cornal würde sehr heiß sein – an der Oberfläche sicher unerträglich –, aber es dürfte möglich sein, das Leben in isolierten, gekühlten Städten unter der Erdoberfläche zu erhalten. Wegen der geologischen Bedingungen würde das nur an bestimmten Stellen möglich sein. Nur ganz bestimmte Gebiete würden für unterirdische Städte sicher sein. Beide Rassen würden da nicht Platz haben. Die Seeset haben sich entschlossen, als sie das erkannten, unsere Rasse umkommen zu lassen. Ursprünglich glaubten sie, daß ein plötzlicher und heftiger Angriff den größten Teil unserer Rasse umbringen würde. Sie wollten uns dann völlig entzivilisieren und zu ihrer Beute machen. Wir sollten Sklaven sein – dank ihrer Droge, die uns zu gedankenlosen Lasttieren machen würde
– und ihre Städte graben. Seht ihr, sie waren es, die Weltraumfahrten entwickelt hatten, und sie hüteten auch das Geheimnis der Atomenergie. Wir kennen es noch nicht. Der ursprüngliche Handelswettbewerb zwischen Raketenschiffen und ihren atomgetriebenen Schiffen war hoffnungslos; zudem hatten sie alle Raumschiffe. Sie kamen also in ihren zweiundzwanzig großen Passagier und Frachtschiffen und fingen den Krieg an. Zweiundzwanzig größere Städte und hundert Millionen Tornaner vernichteten sie, ehe wir überhaupt mit dem Widerstand beginnen konnten. Wir wußten, wohin sich ihre Schiffe weiter wenden würden – und bereiteten uns vor. Ihre Waffen waren damals nur Bomben, versteht ihr, Spreng- und Brandbomben. In geringem Maß haben sie auch Gas verwendet, hauptsächlich aber warfen sie Natriumbomben, die unsere Städte verbrannten. Löschen war nicht möglich. Die Feuer breiteten sich aus und töteten und zerstörten. Als sie sich der nächsten Gruppe von Städten zuwandten, lagen die Dinge anders. Vor jenen Tagen gab es keinen Tornanischen Bund. Wir hatten Hunderte von kleinen und großen politischen Bezirken, die ohne irgendwelche Bedeutung waren. Aber jeder glaubte, sein eigener Bezirk sei der wichtigste, und er sei von den anderen unterschiedlich. Bis die Seeset Brandbomben und Zerstörung regnen ließen. Da plötzlich entdeckten sie, daß sie alle miteinander Tornaner waren – besonders die kleinen Nationen. Über Nacht kam es zu einer Vereinigung. Da jede Nation, ob groß oder klein, ihre eigene Armee, Flotte und eigene Waffen hatte, schickten die großen Nationen nun alle ihre Waffen an die Plätze,
von denen man glaubte, daß sie das nächste Angriffsziel seien, und warteten. Die Seesetschiffe kamen. Sie griffen in schneller Folge die Bevölkerungs- und Zivilisationszentren an. Wir hatten einunddreißig Städte verteidigt. Die Seesetschiffe stießen nieder, um ihre Bomben abzuwerfen, und man mußte das in einigen Städten geschehen lassen, weil wir alle ihre Schiffe gleichzeitig zerstören mußten. Als dann alle Schiffe in Reichweite waren, fingen unsere Geschütze an zu sprechen. Innerhalb von fünfzehn Sekunden sanken die Schiffe zu Boden, und tornanische Truppen hatten in kürzester Zeit die Seeset im Innern vernichtet. Das war die erste Warnung über die Lage. Wir erhielten sie von tornanischen Sklaven, die sie an Bord hatten, und jeder einzelne von ihnen war so stumpf wie ein Tier ohne Verstand. Seit der Zeit –«, Mart Toral zuckte die Schultern«, – Krieg!« »Ihr seid gezwungen worden, unter die Oberfläche zu gehen, und die Seeset nicht?« »Es ist nicht nur eine Frage des Zwangs gewesen. Wir hatten die Absicht, das zu tun. Die Seeset wissen aber, daß ihre Welt zerstört werden wird, daher sind sie nicht an unterirdischen Städten auf ihrem Planeten interessiert. Unsere Städte sollten einem späteren Zweck dienen. Für eine sehr lange Zeit war das alles, was wir tun konnten um unsere Stellung auf unserem Planeten zu halten. Es dauerte Jahre, bis wir eine wirksame Raumflotte gebaut hatten. Der Akkumulator, unsere einzige wirksame Möglichkeit, elektrische Energie im Raum zu bekommen, ist mehr oder weniger jüngeren Datums. Die Seeset hatten Atommotoren verwendet, um ihre Waffen mit Strom zu
versehen, und als wir das erstemal unsere Akkumulatorenschiffe benutzten, haben wir sie in großer Anzahl getötet, weil die Schlacht nur kurz dauerte; unsere Akkumulatoren versorgten uns besser mit Strom als ihre Motoren. Aber kurz darauf hatten sie uns natürlich diese Erfindung gestohlen und verbanden sie dann mit ihren Antriebsmotoren.« Mart Toral dachte nach. »Wenn ihr einige Tage bei uns bleibt, werdet ihr wahrscheinlich eine Weltraumschlacht sehen.« »Was? Gibt es bei euch Schlachten nach gegenseitigem Abkommen und Vertrag?« fragte Aarn. »Nein«, lächelte Mart Toral, »es ist nicht ganz so. Nur werden die Seeset wohl jede Anstrengung machen, dieses Schiff, das sie so schwer geschlagen hat, zu zerstören, und – wenn das nicht geht – dann die tornanische Flotte, ehe sie ihnen dadurch Schaden zufügen kann, daß sie die Geheimnisse eurer Waffen in größeren und vielleicht mächtigeren Schiffen benutzt. Sie wissen doch, daß ihr mit einer Gruppe von Tornanern entkommen seid und nach Cornal fahrt. Das wird den Seeset nicht recht sein. Ich bin überzeugt davon, daß sie angreifen werden.« »Das«, sagte Aarn nach kurzen Überlegungen, »ist allerdings ein Gedanke, den man in Erwägung ziehen muß. Ich schlage vor, wir fahren so schnell wie möglich zu deinem Heimatplaneten und berichten deinen Leuten alles, was wir wissen. Ich habe da einige nützliche Dinge, die sie vielleicht gern verwerten möchten, ehe es losgeht.« »Zweifellos«, stimmte Spencer zu, »aber sie können es nicht. Dazu braucht man Zeit, und da die Seeset angreifen werden, um das zu verhindern, werden wir diese Zeit nicht haben.«
»Es hat keinen Zweck, sich aufzuhalten. Das ist doch Cornal, nicht?« fragte Aarn und wies auf den vierten Planeten des Systems, auf den er die Sunbeam zusteuerte. Gigantisch hing Cornal jetzt direkt vor ihnen. Mit dem Maximum an Beschleunigung hatte die Sunbeam die Entfernung in Minuten überwunden. Unerwartet schaukelte die Sunbeam leicht, als eine Reihe glänzender Feuerchen über sie hinwegschoß. Gleichzeitig ertönte ein seltsames schrilles Pfeifen, und Aarn warf das Schiff schnell um einige hundert Meilen zurück. »Krümelstrahlen – Mart Toral, hör mal, ist das eines von euren Schiffen?« »Ja, die Patrouille, von der ich euch noch berichten wollte. Natürlich hat sie angegriffen, als ihr erschient. Hat sie Schaden angerichtet?« »Nein – es war auf Stahlkristalle eingestellt, und dieses Schiff ist nicht aus Stahl. Aber könnt ihr diesen Strahl erzeugen?« »Ja, er ist eine Erfindung unserer Wissenschaftler. Aber auch die haben die Seeset gestohlen«, erwiderte Mart Toral traurig. »Hmm – was habt ihr als Gegenleistung gestohlen?« »Ihre Antriebscheiben«, lachte Mart Toral. »Das gleicht sich wohl aus. Meine Freunde da draußen versuchen wieder auf euch loszugehen! Was sollen wir tun?« Aarn begann wieder mit den Transponstrahlensteuerungen zu hantieren. Einige Sekunden lang arbeitete er geschickt daran herum und beobachtete seine Instrumente. Dann machte er mit einem Grinsen einige größere Einstellungsänderungen. »Das ist meine Antwort«, sagte er, »ich werde ihnen den Strom
entziehen!« Transponstrahlen heulten plötzlich in der Sunbeam auf; unsichtbare Strahlen griffen in den Raum hinaus und zapften den Strom ab, den die großen Akkumulatoren des Patrouillenkreuzers gespeichert hatten. Fünfzig Meilen entfernt hing der Kreuzer, völlig bewegungslos, und nur ein trübes rötliches Glühen ließ die wenigen Luken erkennen. Die Geschütze arbeiteten heftig, aber die Sunbeam steuerte ruhig in seine Nähe. Aus dem Lautsprecher kam ein Schnarren und Krachen als Aarn das Funkgerät anstellte. Schnell durchsuchte er die Wellenlängen, bis sich eine verständliche Stimme meldete und Mart Toral grinste erleichtert. »Sie rufen alle Schlachtschiffe und warnen sie. Er ist furchtbar zornig.« »Sprich ins Mikrophon«, sagte Aarn. »Sein Empfänger hat sicher die gleiche Wellenlänge.« Mart Toral begann zu sprechen: »Kreuzer Harun Tarl – Kreuzer Harun Tarl. Ich spreche von Bord des Soon-Baym. Mart Toral C-584 hier. Wir mußten euch den Strom wegnehmen, weil ihr uns beschädigt hättet. Mart Toral hier, mit Freunden. Ich verweise auf euren Kode. R – G – H, T – P – B, Q – D – K. Durch diese Männer von einem Planeten eines anderen Systems. Diese Lage im Kode nicht enthalten. B – K – L kommt ihr am nächsten.« Mart Toral drehte sich hastig zu den Sonnenmenschen. »Er glaubt mir nicht, fürchte ich.« »Das habe ich mir gedacht«, sagte Aarn.
3
Die tornanischen Patrouillen waren gut organisiert. Das Schlachtschiff war in einer Viertelstunde zur Stelle; den ganzen Weg über hatte der Kommandant ein Ferngespräch mit Mart Toral geführt und war schließlich davon überzeugt, daß die Sunbeam ein freundlich gesinntes Schiff war. Der Kommandant des Kreuzers aber war immer noch nicht überzeugt. Außerdem war er sehr zornig. Endlich aber beruhigte er sich, und als ihm Aarn über zwei ausgeworfene Kabel Strom zuführte, der die Akkumulatoren des Kreuzers wieder auflud, fühlte er sich etwas besser. Immerhin hatten einige der empfindlichen Hochspannungsgeräte erheblichen Schaden erlitten, und seine Leute waren noch mit dessen Behebung beschäftigt, als die Sunbeam hinter dem Schlachtschiff wegfuhr. »Wie hast du das nur gemacht, Aarn?« fragte Carlisle. »Und warum hast du das nicht schon vorher versucht?« »Einfach genug. Ich benutzte die Transponstrahlen so, wie sie benutzt werden sollen – um Strom aufzunehmen. Sie zogen die ganze elektrische Energie aus dem Schiff ab, und da seine Akkumulatoren nichts als Superkondensatoren sind, ist das Ergebnis klar.« »Aber warum hast du das nicht schon vorher als Waffe angewendet?« »Weil es als Waffe praktisch unwirksam gewesen wäre, wenn eine wirklich hohe Spannung – so um fünfzigtausend Volt herum – existiert hätte. Die Isolierung meines Transponapparates wäre dabei zerstört worden. Ich habe zuerst einen sehr schwachen Versuchsstrahl 'rübergeschickt und stellte dann fest, daß auf dem Schiff die Spannung
nicht stärker als zehntausend Volt war. Da ich damit fertig werden konnte, habe ich einfach noch einen Strahl nachgeschickt.« »Und nachdem das nun erledigt ist«, schlug Spencer vor, »laßt uns mal unseren Feldzugsplan für die Zukunft festlegen.« »Das ist leicht«, erwiderte Aarn. »Diese Tornaner sind interessante Leute – die Seeset haben Aufnahmen, die sind genau das, was wir brauchen – und ich hab's einfach satt, im ganzen Weltraum nach Planeten zu suchen. Einige haben wir gefunden, laßt uns also dem gütigen Gott danken und das holen, was wir brauchen! Diese Burschen können uns helfen, und wir können ihnen helfen. Gegenseitig zufriedenstellend.« »Darüber hinaus«, sagte Spencer mit betonter Unschuld, »besitzen sie das Geheimnis des Krümelstrahls, den sie gegen uns angewendet haben und von dem du nie erfahren hast, wie man ihn herstellt.« »Jawohl, mein lieber Spencer, jawohl«, grinste Aarn. »Abgesehen davon, müssen diese Burschen noch mehr interessante Dinge haben. Man soll lernen, wo man nur kann.« »Wenn wir landen, kämpfen wir auch mit ihnen«, bedeutete Spencer. »Wenn du nicht landen willst, können wir dir ein Schifflein bauen, und dann kannst du ein bißchen für dich den Weltraum nach Planeten absuchen«, lachte Aarn. »Du weißt genau, daß du landen möchtest!« »Nachdem auch das erledigt ist, erhebt sich die Frage: Geben wir ihnen den Geschwindigkeitsantrieb?« fragte Spencer. »Darüber hab' ich auch schon nachgedacht«, gab Aarn
etwas ernster zu, »und da er in einem Krieg auf viele Arten eine wirkliche Hilfe ist, fürchte ich, daß sie ohne ihn werden auskommen müssen. Ein Geheimnis wollen wir doch behalten. Dieser Planet ist schwer bedrängt; die brauchen Welten, die nicht in der Nähe einer Sonne liegen, die jeden Augenblick explodieren kann. Ich kann es ihnen wirklich nicht verübeln, daß sie uns nach Hause begleiten und einige unserer freien Planeten bewohnen wollen. Also, wir werden es einfach vergessen, ihnen den Geschwindigkeitsantrieb zu erklären.« »Sie werden aber die Apparatur sehen.« »Allerdings. Sie sind mit der Wissenschaft vertraut – und verstehen wirklich etwas; aber was sie kennen, liegt nicht in dieser Richtung. Mit dem fünfdimensionalen Pararaum sind sie keineswegs vertraut, folglich könnten selbst ihre findigsten Köpfe nichts lernen, auch wenn sie den Geschwindigkeitsantrieb auseinandernähmen und wieder zusammensetzten.« »Alles andere willst du ihnen erklären?« »Ja – es sieht so aus, als ob sie eine prächtige menschliche Rasse wären. Sie müssen nur eine kühlere Heimat haben.« Das Schlachtschiff war in die Atmosphäre von Cornal hineingekommen, und die Sunbeam folgte. Mart Toral und seine Begleiter waren vorübergehend in das Schlachtschiff umgestiegen, jetzt aber, als die beiden Schiffe niedergingen, signalisierte er, daß er auf die Sunbeam zurück wolle. »Wenn es euch recht ist«, sagte er, als er wieder in der Sunbeam war, »möchten wir, daß ihr uns zu unserem Hauptflugstützpunkt Sarna Tarn begleitet. Es ist der Sitz
des Vereinigten Rates und des Hohen Kommandos. Sie möchten natürlich mit euch sprechen und unsere Verträge erfahren.« »Uns ist es recht. Wir kommen nach«, stimmte Aarn zu. Der Eingang nach Sarna Tarn war ein großer Schacht, der in den festen, alten Felsen gesprengt war. Es war dies einer der Plätze, die geologisch gut herausgegriffen und die selbst vor den Beben sicher waren, die Cornal heimsuchen mußten, wenn die Meere einmal verdunstet waren. Der Schacht reichte etwa eine halbe Meile tief hinab. Darüber lagen bewaldete Ebenen, darunter war jahrhundertealter harter Fels, und tief drinnen lag die Stadt vergraben. Auf einer Seite war eine große Lichtung, die mit dunklen metallischen Dingen gepflastert war, die im Mondlicht glitzerten. »Eure Stromquelle?« fragte Aarn, als die Sunbeam ihrem riesigen Führer in die Höhle folgte. »Fotozellen, die Strom aus dem Sonnenlicht erzeugen. Dieses Feld ist ungewöhnlich groß – das größte auf Cornal. Es muß die Akkumulatoren der hier liegenden Schiffe laden und hat noch die schwere Aufgabe, die Maschinen zu betreiben.« »Ich werde euch eine bessere Stromquelle zeigen – die Sonne selbst. Ihr braucht nur wenige Wochen zur Einrichtung, und dann wird die Frage eurer Stromversorgung gelöst sein.« Sie waren nun in Sarna Tarn. Die Stadt war in sechs Haupthöhlen aufgeteilt, deren jede ein großes Industriezentrum war. In der einen hatten die Schlachtschiffe samt den Werkstätten ihren Platz, in einer anderen die Kreuzer, in einer dritten die Zerstörer und in
einer vierten die kleineren Schiffe. Die beiden anderen dienten der Produktion von Standardausrüstungen, wie zum Beispiel Akkumulatoren und Instrumenten sowie der Erzeugung und Umwandlung von Stahl. Die Sunbeam lag im Ankerraum der Zerstörer. In Begleitung von Aarn und Spencer ging Mart Toral zum Versammlungsraum des Vereinigten Rates. Ein Rollband führte sie durch einen langen, hell erleuchteten Tunnel in eine siebente, getrennt liegende Höhle. Es war dies die Abteilung Wohnung und Verwaltung. »Hier wird eine große Anzahl von Tornanern sein«, erklärte Mart Toral, »hauptsächlich Kommandanten und höhere Offiziere der Schlachtschiffe. Auch Jan Reys, Kommandant vom Dienst der Schlachtflotte und des Flaggschiffes unserer Linie, wird anwesend sein.« »Hmm – alle Würdenträger. Vertrittst du die Leitung der Abteilung Feindinformationen?« »Nnnnnein – nicht ganz. Meine Gruppe – und alle anderen Regierungsgruppen – sind dem Hohen Kommando unterstellt, das aus einem höheren Militärbeamten, einem Wissenschaftler und einem Hauptleiter der Produktion besteht. Man stellte fest, daß die Militärstreitkräfte sehr in Unordnung waren und von der Fabrikation Unmögliches verlangten. Zudem hatten sie die Notwendigkeit wissenschaftlicher Forschungen nicht restlos erkannt. Daher haben wir dieses Kontrollamt.« »Ich möchte nur wissen«, sagte Aarn lebhaft, »ob dich nicht etwas ganz Besonderes nach Darak gerufen hat. Du bist doch augenscheinlich eher ein Organisationstalent als ein Experte in der Sammlung von Informationen.« Mart Toral lächelte. »Du hast recht. Meine Gruppe hatte
erfahren, daß die Seeset an einer neuen wissenschaftlichen Entwicklung arbeiten. Es war nicht herauszubekommen, was es war, da habe ich es versucht. Ihr fandet mich dann im Gefängnis«, endete er. »Ich habe versagt.« Ein Strom uniformierter Offiziere eilte durch das Gebäude auf den großen Vortragssaal zu, als Aarn und sein Führer sich auf den Weg machten. Mart Toral führte die Sonnenmenschen durch eine kleine Seitentür, und sie fanden sich auf dem Podium des Saales. Etwa fünfzehn Tornaner saßen schon an einem großen Tisch, und dorthin führte sie Mart Toral. Das Publikum schwieg, und Mart Toral begann zu sprechen. »Meine Herren! Dies sind die Männer, von denen ich gesprochen habe. Sie gehören einem anderen System an, einer anderen Sonne. Durch Zufall landeten sie auf Darak, wurden sofort gefangengenommen und in das KaratawnGefängnis gebracht, in dem ich eingesperrt war, um die Verhandlungen abzuwarten.« Schnell gab er einen knappen, klaren Bericht all dessen, was sich während ihrer Flucht ereignet hatte. Eine mehr oder weniger technische Beschreibung von Aarns Waffen folgte wenigstens soweit es deren Wirkung betraf. Dann erhob sich Jan Reys. »Dein Bericht«, begann er, »war kurz, aber vollständig, Mart Toral. Einer meiner Leute, Tarno Par, Kommandant des Schlachtkreuzers Harn Tarl, hat etwas zu berichten.« Der Schirm eines Fernsehgerätes wurde hell, und auf ihm war der Kommandant der Kreuzerpatrouille, welcher der Sunbeam begegnet war, zu sehen. Schnell erzählte er, was ihm passiert war. Der Kommandant vom Dienst erhob sich wieder. »Ich
denke, das Hohe Kommando wird mit mir der Meinung sein, daß die Seeset nach einer solchen Behandlung durch dieses Schiff sofort angreifen werden, um damit zu verhindern, daß wir alle unsere Schiffe mit diesen todbringenden Waffen ausrüsten.« Die Männer am Tisch nickten. »Mart Toral, was konntest du über die neue Erfindung der Seeset in Erfahrung bringen?« »Wenig mehr als das, was wir schon wissen. Zum Nutzen der hier versammelten Schiffskommandanten möchte ich sagen, daß man annehmen kann, daß die Seeset eine neue Waffe oder die Möglichkeit einer solchen entwickelt haben. Es ist ein Spiegel, der jedwede gewöhnliche elektromagnetische Strahlung zwischen der Infrahitze und dem Ultraviolett reflektieren kann. Es war schwer, das zu erfahren. Unmöglich aber war es, herauszubekommen, wie es gemacht wird.« Aarn stieß einen überraschten Pfiff aus, und Mart Toral wandte sich zu ihm. »Weißt du etwas darüber?« »Nur eins, Mart Toral, und das wird nicht viel helfen. Ich habe immer behauptet, daß eine Strahlenzerstörung durch Anwendung reiner Energie unmöglich sei, weil das für den Sender zerstörender wirkt als für den Empfänger. Ich nehme das zurück. Nach dem, was du eben sagst, könnte ich einen zerstörenden Energiestrahl herstellen.« »Wie?« fragten Mart Toral und der Kommandant der Wissenschaft gleichzeitig. »Indem ich vor einem paraboloidförmigen Kraftspiegel irgendeine Art von intensivem Wärmezentrum anbringe. Daraus muß sich zwangsläufig ein Lichtbündel von bisher unerreichter Intensität ergeben. Da der Strahl eine
Energiekonzentration haben soll, dem nichts Festes Widerstand leisten kann, darf der Lichtbogen nicht zwischen festen Elektroden liegen. Ich würde vorschlagen, zwei Ionenströme hineinzuschießen, die sich im Zentrum des Spiegels treffen. Die festen Ionenquellen lägen dann außerhalb, und wenn die Ionen sehr hoch geladen werden, könnte die Reaktion unerhört stark sein.« »Ich möchte berichten«, unterbrach Mart Toral, »daß einer unserer Leute an der Tarkass-Universität von Darak von der Produktion fünffach ionisierten Stickstoffes berichtet hat. Ich hielt das für absolut unwichtig.« »Ich denke, so würde die Sache gemacht werden: Der hochionisierte Stickstoff würde abgefeuert werden und einem oder mehreren Strömen von – Elektronen begegnen. Das Ergebnis wäre eine Energiequelle von unglaublicher Intensität. Die Strahlung läge natürlich zum großen Teil im Ultraviolett, aber die konzentrierte Energie, die dadurch frei wird, wäre sicherlich ausreichend, um einen gefährlichen zerstörenden Hitzestrahl zu erzeugen. Da überdies der größte Teil der Energie im Ultraviolett liegt, wäre es praktisch unmöglich, sie zu reflektieren, wie es bei der sichtbaren Strahlung wäre.« »Haben sie«, so fragte Jan Reys, »schon Schiffe mit dem neuen Gerät ausgestattet?« »Sie haben eifrigst daran gearbeitet«, erwiderte Mart Toral. »Bis jetzt sind aber nur zwei Schiffe völlig damit ausgerüstet. Zwei weitere sind in der Werkstatt zur Montage. Man stellte fest, daß das Gerät so ungeheuer viel Strom verschlingt, daß die Bauart der Schiffe großen Änderungen unterworfen werden muß.« »Werden sie den Angriff aufschieben, um zunächst diese beiden Schiffe fertigzustellen?« fragte Jan Reys.
»Keinesfalls. Dazu benötigen sie nochmals zwei Wochen. Sie werden mit den beiden schon fertigen Schiffen angreifen.« »Wie lange brauchen sie«, fragte Aarn, »um bis auf fünf Millionen Meilen an diesen Planeten heranzukommen?« »Drei Tage; zwei Tage davon – wie wir – für die Mobilmachung. Es wird ein schwerer und erbitterter Kampf werden. Wenn die Seeset es in der Hand haben, wird es eine Entscheidungsschlacht werden.« Stunden der Besprechung folgten, denn alle militärischen, wissenschaftlichen und produktionsmäßigen Fragen mußten erörtert werden. Allmählich bekamen Aarn und Spencer ein klareres und besseres Bild von den tornanischen Verhältnissen. Maschinen waren hier bis ins letzte entwickelt worden. Dort, wo Generation nach Generation Kriege führen muß, sind die Maschinen eine dringende Notwendigkeit. Die Maschinenproduktion der Erde wurde bei weitem übertroffen. »Meinst du nicht, daß sie mit diesen Maschinen einige Transponapparate anfertigen können?« fragte Spencer. »In zwei Tagen? Gewiß – eine Nachahmung, die wahrscheinlich mehr Frühzündungen als Zündungen erzeugt. Die Maschinen sind in Ordnung, aber die Männer, die sie in Betrieb setzen, sind's nicht. Sie sind nicht geschult. Die Zeit ist zu knapp. Nein, sie müssen mit dem kämpfen, was sie haben. Wir wollen ihnen helfen und mehr können wir für sie nicht tun.«
4
Aarn Munro wandte sich von den Steuerungen ab und schaute Carlisle an. »Nein, sie haben kein Detektorgerät. Nur ihre Sehkraft. Das ist der Hauptgrund für ihre Sternwarteschiffe. Die sind die ganze Zeit über draußen, und keine Flotte kann den Planeten verlassen, ohne daß die Beobachter sie entdecken.« »Bei einer solchen Entfernung ist ein Schiff ein recht kleines Ding«, entgegnete Carlisle. »Und wenn sie es nicht sehen?« »Das passiert ihnen nicht, weil ihre Teleskope ausdrücklich für diesen Zweck gebaut sind. Sie können sogar einen Zerstörer entdecken, von einem eine halbe Meile langen Schlachtschiff ganz abgesehen. Dazu kommt, daß sie im allgemeinen wissen, wann eine Schlacht beabsichtigt ist. Du mußt bedenken, daß die Mobilmachung für eine allgemeine Schlacht den Einsatz von annähernd einer Million Männer bedeutet. Die Tornaner und die Seeset haben je etwa siebzig Schlachtschiffe, einhundert Kreuzer und fünfhundert Zerstörer. Dazu noch ganze Flotten kleiner Ein-Mann-, Zwei-Mann-, Drei-Mann- und Zehn-Mann-Erkundungsflugzeuge. Fast fünftausend. Ein Schlachtschiff benötigt eine Besatzung von dreitausend Mann, ein Kreuzer etwa fünfzehnhundert und ein Zerstörer rund fünfhundert Mann. Wenn alle Schiffe eingesetzt werden, was natürlich selten der Fall ist, da einige davon ja immer zu Reparaturen oder zum Umbau in den Werften sind, so bedeutet das, daß insgesamt rund sechshundertdreißigtausend Mann auf den Schiffen sind.
Außerdem werden noch Leute für die Bodenmannschaften und die Versorgungsschiffe benötigt. Wenn die Schlachtflotte ausläuft, sind da natürlich eine Menge unbewaffneter und ungepanzerter Zufuhrschiffe, Akkumulatorenschiffe für die Erkundungsflugzeuge, Zerstörer, Reparatur- und Mutterschiffe dabei. Die Gesamtzahl der Männer im Dienst liegt nahe bei siebenhunderttausend, wenn die tornanische Flotte startet. Das gleiche gilt für die Seeset. Wenn eine so große Menge von Menschen in Bewegung gesetzt wird, gibt es natürlich Komplikationen, die sich von den Spionen nicht verbergen lassen. Aarn wies mit dem Arm auf die Fenster und den sternenübersäten Weltraum. Nicht weit entfernt von ihnen sah man eine scheibenförmige Ansammlung, die aus mehreren hundert Erkundern und verschiedenen Zerstörern bestand. Etwas weiter weg war eine andere Scheibe – Seesetschiffe. »Laß uns ihnen entgegenfliegen und den kleineren Schiffen ein bißchen den Mut abkaufen! Das würde die Moral der Seeset sicher durcheinanderbringen!« schlug Spencer vor. »Das können wir machen«, nickte Aarn. »Unser gespeicherter Strom reicht für mehr als das.« Von etwa dreißigtausend Schwerkräften getrieben, schoß die Sunbeam vorwärts; in einer Sekunde hatte sie eine Geschwindigkeit von einhundertfünfundsiebzig Meilen pro Sekunde erreicht, in zwei Sekunden dreihundertfünfzig Meilen pro Sekunde. Aarn stoppte die Geschwindigkeit fast unverzüglich ab. Sie waren schon mitten unter den Zerstörern der Seesetflotte. Wahrscheinlich waren die
Kapitäne der Zerstörer fassungslos – für den Augenblick! Die drei Transponstrahlenquellen der Sunbeam arbeiteten auf vollen Touren. In dreißig Sekunden präziser Arbeit hatte Aarn fünfundzwanzig Zerstörer vernichtet. Inzwischen verminderten die Zerstörer ihre sehr beachtliche Höchstgeschwindigkeit, und die Schlachtschiffe hielten ihr sehr beachtliches Maximum. Aarn manövrierte die Sunbeam flink in ihre Ausgangsstellung zurück. Klugheit galt mehr als Mut, wenn zehn oder zwölf Riesenschlachtschiffe in Sicht kamen! In ungefähr einer halben Stunde war das kurze, heftige Geplänkel der beiden kleineren Flotten, der Erkunder, vorüber. Die Tornaner hatten gesiegt dank Aarns wildem Angriff auf die Seesetflotte. Die tornanische Erkundungsflotte hing wie eine Wolke über dem Schlachtenraum und beobachtete jede einzelne Bewegung eines jeden Schiffes und berichtete fortlaufend jede mögliche Entwicklung, die eine verborgene Bedeutung haben könnte. Die Kreuzer kamen ins Gefecht, kämpften kurz und verbissen und gaben den Platz frei. Ihre Pflicht war, die einzelnen Schlachtschiffe niederzumachen. Die zogen sich zurück, als die Riesentiere – die SuperGroßkampfschiffe – majestätisch zum Gefecht antraten. Die Sunbeam wartete. Sie war etwa einhunderttausend Meilen vom Schlachtfeld entfernt und beobachtete ungestört mit gespanntester Aufmerksamkeit. Die Flotten hatten die gleiche Stärke; rund fünfzig Schiffe bildeten eine Scheibe, oder genauer gesagt, eine Halbkugel. Aarn bemerkte aber sofort, daß die Seeset zwei ihrer Schiffe
getrennt davon einsetzten – Schiffe, die offenbar ausgezeichnet und noch dazu besonders groß waren. Mart Toral, der ihnen als Verbindungsoffizier Dienste leistete, schaute diese beiden durch sein Teleskop aufmerksam an. »Schiffe vom Typ Seegh. Das Neueste und Beste, was sie haben. Nur zwei sind mit den neuen Geräten versehen. Es müssen diese beiden sein.« »Ich möchte wetten, sie warten ab, um zu sehen, ob eure Schiffe auch irgendeine besondere Ausrüstung haben – irgend etwas Neues«, sagte Aarn verständnisvoll. »Wahrscheinlich.« Die Schlacht nahm ihren Anfang. Spencer bewegte sich ruhelos auf seinem Sitz. »Tun wir denn überhaupt nichts?« wollte er wissen. Aarn lächelte leicht. »Wir tun ja schon was. Wir warten. Wir warten genauso lange und noch etwas länger als die neuen Seesetschiffe.« Auch Mart Toral lief unruhig umher. Plötzlich erglühte die ganze Länge eines tornanischen Schlachtschiffs in schwachem Blau. Mart Toral erstarrte, und Aarn arbeitete hastig an seinen Instrumenten. Sekundenlang glühte das Schiff, bis plötzlich auf einem in der Nähe liegenden Seesetschlachtschiff ein stärkeres Licht erschien, worauf ebenso plötzlich das blaue Glühen verschwand. »Sie haben seinen Projektor getroffen«, sagte Mart Toral. »Selbst diese Strahlen können die riesige Masse eines Schlachtschiffes nicht ohne weiteres anhalten. Es werden viele getötet worden sein, denn es kann ja nicht die ganze Mannschaft Rettungsgürtel tragen!« Ungefähr eine halbe Stunde verging. Ein tornanisches
Schlachtschiff war von einem der enormen Torpedos getroffen worden, einem Torpedo von der halben Größe der Sunbeam. Ein großes Loch war in die Seite des Schiffes gerissen worden. Schwere Geschosse waren in den zertrümmerten Panzer eingedrungen und hatten diesen Teil des Schiffes zu Pulver werden lassen. Der Schaden wurde aber durch die vier Zoll dicken Stahlpanzerschotte begrenzt gehalten. Der übrige Teil des Schlachtschiffes kämpfte so heftig wie zuvor weiter. Einer Reihe kleiner Torpedos gelang es schließlich, das Schiff in zwei Teile zu zerschneiden. Die Seeset waren befriedigt. Die beiden Schiffe begannen plötzlich in den Vordergrund zu kommen. Ein Pfad öffnete sich durch die Halbkugel, und die beiden Schiffe kamen vorwärts bis zum Rand des Gefechtsplatzes. Sowie sie sich näherten, konzentrierten alle tornanischen Schiffe ihr Feuer auf sie. Aarn, der weit vom Schauplatz entfernt war, seufzte und zeigte auf seine Instrumente. »Sie haben das auch. Magnetische Sphäre«, erklärte er Mart Toral. »Jegliches Material, das du hinausschickst, wird abgestoppt, wenn nur ein Körnchen Metall darin enthalten ist. Sag ihnen, sie sollen eine Anzahl Schlammtorpedos aus Holz machen und für die Sprengkapseln Preßstoff oder Faser verwenden!« Mart Toral murmelte in sein Mikrophon. Kaum hatte er damit begonnen, als die beiden Schiffe heftig ins Gefecht kamen. Mit schmerzlichem Schrecken wendeten sich die Sonnenmenschen von ihren Schirmen ab. Einhunderttausend Meilen von ihnen entfernt waren die zerstörenden Hitzestrahlen der Seeset in Anwendung gebracht worden. Ein Teil der Strahlung wurde vom Bug
des angegriffenen Schiffes reflektiert, und selbst da war die Strahlung so unerträglich durchdringend, daß die Sonnenmenschen sekundenlang geblendet waren. Aarn erholte sich als erster. Als sie wieder aus dem Fenster schauten, hatten sie Schutzschirme angelegt. Der Angriff richtete sich auf zwei tornanische Schiffe; ihr Bug zersprang in der ungeheuerlichen blauweißen Hitze, und man sah langsame Gasexplosionen. Plötzlich schien eine große glänzende Flamme sich wie eine Feder aus dem einen Schiff herauszuwölben, die sich schnell verbreitete. »Durchgeschlagen!« stieß Aarn hervor. »Und doch hat der Bug eine Panzerung von zehn Fuß!« Plötzlich wurde die Kampffläche vor ihnen größer und kam mit wachsender Geschwindigkeit auf sie zu. »Nicht«, protestierte Mart Toral heftig. »Im Bruchteil einer Sekunde wären diese dünnen Wände verschwunden!« Aarn lächelte und verlangsamte die Fahrt. »Wir wollen uns nicht auf sie verlassen«, lächelte er. Die Sunbeam, die immer noch eine Geschwindigkeit von hundert Meilen pro Sekunde hatte, schoß durch die äußere Linie des Kampfgebietes und war plötzlich mitten drin, nahe einem der riesigen neuen Schiffe. Aarn begann zu arbeiten. Alle drei seiner großen Transponstrahlen griffen hinaus, und gleichzeitig sprengten die Transpons im Schiff die Luft von ihrem Wege weg, als sie je rund fünfzig Milliarden PS auf das Seesetschiff schleuderten. Im Bruchteil einer Sekunde begann der große Stahlbug zu glühen und brannte bald heftig. Der weißglühende Punkt verlagerte sich und setzte sich auf dem Ultraviolettstrahlprojektor fest. Zur gleichen Zeit überschüttete Spencer den weißglühenden Panzer mit
seinen leuchtenden, wie Hanteln geformten magnetischen Bomben, die große Stücke Metall wegrissen und mit Energieauslösungen explodierten. Carlisles Thermitbomben – Thermit, in dicken Graphit gepackt, der allein dieser blauweißen Wucht widerstehen kann – brannten Löcher in die Panzerung und Sharltorpedos aus synthetischem Plastik heulten mit Ultraschallgewalt, die das Metall zersetzte. Der Seeset wandte jetzt seine Aufmerksamkeit der Sunbeam zu. Einen Augenblick lang konnte er sie nicht entdecken, denn das Schiff war unsichtbar. Dann aber zeigten ihm seine Instrumente den Standort an, und seine beiden großen Strahlen glitten auf ihn zu. Die Luft in der Sunbeam glühte bläulich, und ein merkwürdig grauenhaftes Murmeln machte sich bemerkbar, als der Antiimpulsstrahl den Impulswellenantrieb der Sunbeam bekämpfte. Dann traf sie der ultraviolette Strahl – und passierte das Schiff ohne ihm etwas anzutun. Die Sunbeam war mit einem Schild jenes eigenartigen Feldes umgeben, das Aarn entwickelt hatte, um der Sonne so nahe wie möglich kommen zu können; das Feld wandelte elektromagnetische Strahlung in gravitomagnetische um. Etwa sieben Sekunden lang kämpften die wütenden Strahlen am Projektor des Seesetschlachtschiffes, der in dickem Metall vergraben lag, das schon allein wegen seiner Dichte Widerstand leisten konnte. Dann riß urplötzlich eine schwere Explosion den Bug des Seesetschiffes auf. Die Transponstrahlen bohrten schnell weiter, in Sekunden durch alle Schotte. Aarn bewegte sich rasch, als Spencers letzte magnetische Bombe den vorderen Maschinenraum des
Seesetschiffes in Schrott verwandelte. Das zweite strahlenversehene Seesetschiff war jetzt dicht vor ihnen, und seine Strahlen richteten sich auf die Sunbeam. Aarns Transpons bohrten den ultravioletten Projektor an, der sich erfolglos gegen ihn wandte. Methodisch attackierten Spencers magnetische Bomben den Projektor der Seeset, er ließ Schwerkraftbomben los, die mit krachender Energie im Herzen des Schiffes explodierten. Die Luft in der S u n b e a m war plötzlich mit einem knirschenden Murmeln erfüllt, das blaue Licht wurde zu wehendem Feuer, das aus jedem zugespitzten Gegenstand an der Tafel schoß, und die dahinterliegenden Transpons überfluteten die Pilotenkabine mit einer fürchterlichen Glut. Aarn sah grimmig aus; er änderte einen seiner Transponstrahlen und prüfte mit seinen Instrumenten. Plötzlich heulte es wieder auf – ein großes Seesetschlachtschiff entschwand den Blicken, als seine Lichter erloschen. Aarn hatte den Strom des Angreifers gestohlen. Doch schon kam wieder ein Antiimpulswellenstrahl und noch einer von den nahegelegenen Schlachtschiffen, und die Sunbeam schien langsamer zu werden. Aarn verlagerte seine Auffangtranspons auf ein anderes Schiff, und sofort ließ die Anspannung nach. Eine schwere Explosion bedeutete ihm, daß seine Transpons endlich an den Ultraviolett-Projektor des Seesetschiffes herangekommen waren. Die Sunbeam kämpfte sich durch irgend etwas Dickes, Klebriges hindurch; sie versuchte, der Hölle dieser Schlacht zu entkommen. Von überall her eilten Antiimpulswellenstrahlen auf sie zu, als die Seeset ihre
Rache nehmen wollten. Aarns drei Transpons waren eifrig dabei, von einem Schlachtschiff nach dem anderen den Strom abzuleiten. Für etwa eine volle Sekunde war die S u n b e a m verhältnismäßig frei von Antiimpulswellenstrahlen. Sofort trug die gewaltige Kraft ihres eigenen Antriebes sie aus der Gefahrenzone heraus. Mart Toral tat einen langen Seufzer. »Ich verstehe das einfach nicht. Es war doch eine große Schlacht, und es hätte nicht viel gefehlt, dann hättet ihr sie nicht gewonnen. Stimmt's?« »Jawohl«, sagte Aarn verbissen. Die Sunbeam trieb nun dahin. »Es hätte nicht viel gefehlt und der Impulsantrieb hätte versagt.« Die Tornaner kämpften mit aller Macht und bedrängten die Seeset schwer. Die Kreuzer beendeten das Zerstörungswerk an den stromlosen Schlachtschiffen, während die tornanischen Schlachtschiffe in den Rest der Seesetflotte hineinfuhren. »Hört das nie auf?« fragte Spencer. »Soll die Schlacht solange dauern, bis die eine oder andere Seite vernichtet ist?« »Wohl kaum«, erwiderte Mart Toral. »Die Seesetschiffe sind schneller als unsere; doch augenblicklich sind wir im Vorteil. Sieh doch – sie ziehen sich zurück! Ach hätten wir nur Schiffe, die in der Lage wären, sie zu überholen, damit wir jetzt die Schlacht zu Ende führen könnten – jetzt, wo wir ihnen überlegen sind! Aber so ist es immer; das ist entmutigender als eine Niederlage. Schon zweimal hatten wir die Chance, sie zu vernichten – und jedesmal entkamen sie dank ihrer größeren Geschwindigkeit.« »Warum sind ihre Schiffe schneller?« fragte Carlisle.
»Sie haben doch den gleichen Antrieb wie ihr.« »Richtig, aber sie können unterwegs Strom erzeugen, und wir nicht. Daher können wir ihnen nicht nach Darak folgen.« Die kurze verderbenbringende Schlacht war zu Ende. Mit Maximalgeschwindigkeit kehrten die Seesetschiffe nach Darak zurück und benutzten dabei ihre Antiimpulswellenstrahlen, um jedes tornanische Schiff, das mutig genug war, ihnen zu folgen abzuwehren. Allmählich flogen sie davon; ihre Kreuzer führten kurze Gefechte zu ihrem Schutz, und die Zerstörer und Erkundungsflugzeuge formierten sich hinter ihnen. Die Tornanflotte wartete geduldig und sammelte mit magnetischen Traktoren die Trümmer auf Nachschub- und Schlachtschiffen, Trümmer, die sie mit nach Cornal nehmen wollten zum Bau neuer Schiffe. Ein guter Teil dieser Trümmer stammte von Seesetschiffen – einige Millionen Tonnen Stahlpanzerung. Wie immer, war es ein trauriger Triumph, denn auch fünf tornanische Schiffe waren vernichtet. Insgesamt hatten fast fünfundzwanzigtausend Menschen in dieser kurzen und verhältnismäßig unbedeutenden Schlacht ihr Leben gelassen.
5
Mart Toral schien erschöpft, als er sich Aarn wieder zuwandte. »Du bist unermüdlich! Wenn nur unsere Männer so wie du arbeiten könnten, dann wäre diese große Aufgabe wohl zu Ende zu führen.« Er sah sich in der riesigen Werkstatt um. Drei große tornanische Schlachtschiffe lagen da; durch die Schleusen strömten
Männer ein und aus, schleppten gewaltige Mengen von Material hinein und brachten große Mengen von Abfall heraus. Es waren vier Wochen darüber vergangen, seit Aarn und Spencer die Aufgabe in Angriff genommen hatten, ihre Geräte hier auf Cornal zu produzieren. Fünf Tage lang hatten die tornanischen Maschinen die Musterstücke der großen Aggregatspeicherspulen hergestellt, Monsterspulen, so groß wie ein kleines Haus, die für die Schlachtschiffe bestimmt waren. Auch kleinere Muster wurden hergestellt; Spulen, die so groß waren wie ein Erkundungsschiff für fünf Mann Besatzung, wurden in den Kreuzern installiert. Eine weitere Maschine produzierte Spulen in der Größe eines Menschen für die Zerstörer. In der Zwischenzeit hatten Ingenieure und Wissenschaftler an einem Problem gearbeitet, das individuelle Aufmerksamkeit verlangte. Eines der Nachschubschiffe war aufgerissen worden, und sein gesamtes Innere wurde neu gebaut. In knapp vier Wochen war das Schiff mit einem Riesen-Transponstrahlenapparat und den neuen riesigen Aggregatspulen ausgestattet worden. Heute sollte es in den Cornalschen Orbit fliegen und eine Riesensonde aussenden, um Torka – die Sonne – zu erreichen und dadurch die Energie für eine im Krieg befindliche Welt beizuschaffen. Transponapparate für Schlachtschiffe wurden in schnellem Tempo hergestellt, wodurch ein großer Teil der Arbeitskräfte des Planeten gebunden war. Seit der Schlacht hatten nicht einmal die beschädigten Schiffe repariert werden können. Aarn schaute sich um und grinste ein wenig erschöpft. »Ich bin auch rechtschaffen müde, Mart Toral. Und jetzt habe ich noch eine Menge Forschungsarbeit zu tun. Dabei
fällt mir ein: Sind eure Leute fertig mit den Apparaten für die Sunbeam?« »Ja, mit dem Krümelprojektor und der Gegenwehr. Wir warten nur noch auf deine Instruktionen.« »Gut, ich werde das morgen erledigen. Ich denke, ich habe alles für euch hier zum Anlaufen gebracht.« »Hast du, Aarn, alles! Wir können das nie gutmachen.« »Oh, wird schon werden, verlaß dich drauf«, grinste Aarn. »Das Schiff, das ihr zu bauen euch bereiterklärt habt, ist eine ganz hübsche Form des Gutmachens. Spencer schätzt, daß es auf der Erde seine zwanzig Millionen wert sei. Und – oh – ein Grund, weswegen ich noch hier bin, ist, daß ich nun noch andere Dinge entwickeln möchte. Endgültig geplant. Etwas, was Carlisle mir zeigen will. Da wir grade davon reden – er erwartet mich – wollt ihr nicht mitkommen, du und Spencer?« Auf einem Rollweg gelangten sie zum Hauptquartier der Sonnenmenschen auf Cornal. Es standen zwei komplett eingerichtete Laboratorien zur Verfügung, ein chemisches für Carlisle und ein physikalisches für Aarn. In wenigen Minuten waren sie dort und fanden Carlisle bei einer telepathischen Unterhaltung mit einem tornanischen Chemiker. Die beiden erhoben sich, als Aarn, Spencer und Mart Toral eintraten. »Wie steht's mit dem jüngsten Kind deines Köpfchens?« erkundigte sich Aarn. »Etwas Neues aus der Chemie, möcht' ich wetten!« rief Spencer. »Na ja, es stimmt und stimmt nicht«, lächelte Carlisle und ging zu seinem Arbeitstisch. Mit einem Reagenzglas, das mit einer klaren Flüssigkeit gefüllt war, kehrte er
zurück. »Neu – stimmt's oder stimmt's nicht?« fragte Spencer. »Chemie«, erwiderte Carlisle und reichte Aarn die Probe. Aarn betrachtete das Glas abwägend, entkorkte es schließlich mit Carlisles Zustimmung und schnupperte daran. »Es sieht aus, riecht und fühlt sich an wie gewöhnliches Wasser.« »Wiederum – stimmt und stimmt nicht. Es ist Wasser, reines Wasser, enthält weder chemische Gifte noch Bakterien. Und ist trotzdem kein gewöhnliches Wasser!« »Deuteriumoxyd, Schwerwasserstoffoxyd! Schweres Wasser! Wasserstoff mit dem Atomgewicht zwei!« rief Aarn. »Ich glaubte, daß man Monate dazu braucht, um einen Deuterium-Separator einzurichten und in Gang zu bringen«, warf Spencer ein. »Stimmt«, gab Carlisle zu, »auf der Erde. Aber hier sind wir auf Cornal, und aus irgendwelchen Gründen enthält das Wasser sehr viel schweren Wasserstoff. Zudem habe ich einige von Aarns Geräten benutzt, um den leichten vom schweren Wasserstoff zu trennen. Einen verbesserten Massenspektrographen.« »Und was ist das, wenn man fragen darf?« »Ein normales Wasserstoffatom«, erklärte Aarn, »hat die Masse eins und die Ladung eins – das heißt der Kern, das Ion, das Proton. Nehmen wir einmal an, daß wir aus einem Ionenrohr einen Strom Ionen herausschießen und sie durch ein elektrisches Feld in ein starkes Magnetfeld fliegen lassen. Das Magnetfeld hat die Neigung, sie zu trennen und sie nach einer Seite abzulenken, weil sie elektrische
Ladungen in einem Magnetfeld bewegen. Nehmen wir aber an, daß dieser Strom aus gemischten Wasserstoffionen besteht, von denen einige schwer und einige normal sind. Das schwere Wasserstoffion hat eine Masse von zwei und eine Ladung von eins. Auf ein Deuteron, das sich im Magnetfeld bewegt, wirkt wegen der gleichen Ladung dieselbe Kraft wie auf ein Proton, das sich gleichschnell im selben Feld bewegt, nur hat das Deuteron das Zweifache an Masse zu bewegen, und dadurch wird die Bahn des normalen Wasserstoffes schärfer gekrümmt werden. Also wird es stärker auf die Magnetkraft reagieren. Ich nehme an, das, was Carlisle macht, läuft darauf hinaus, einen Strom gemischten Wasserstoffes in solch ein Gerät hineinzusenden, ihn dann zu trennen und auf diese Art aus der einen Röhre den schweren, aus der anderen den leichten Wasserstoff herauszubekommen.« »Diese Entdeckung scheint dich ungeheuer zu freuen. Warum?« »Sie bedeutet, daß ich einen wirklichen Vorrat an Neutronen erhalten werde. Neutronen haben das Gewicht von Wasserstoff, und durch Beschuß verschiedener Substanzen mit Deuteronen erhält man die ergiebigste Neutronenquelle. Du siehst doch ein, daß Neutronen wichtig sind. Ich kann sie gerade jetzt gut gebrauchen. Sie – oh, ich möchte gern einige Experimente machen.« Aarn grinste. »Carlisle – kannst du das Zeug in größeren Mengen herstellen?« »Wenn du willst. Aber – du mußt mir helfen, einen Apparat zu konstruieren, Spence. Und Mart Toral, du müßtest wohl einige deiner Leute bitten, uns dabei zu helfen.«
Mart Toral stöhnte. »Ihr Sonnenmenschen scheint keine Ahnung davon zu haben, daß auch Arbeit Grenzen haben kann. Ich wüßte nicht, wie wir das bewerkstelligen sollten.« Aarn lächelte grimmig. »Du mußt einen Weg finden! Es wird sich mehr als bezahlt machen, Mart Toral. Und – ich habe euch eine kleine Freude vorenthalten, die ich nun verteilen will. Kommt mit zur Sunbeam!« Er stieg in das Schiff und führte sie den Weg zum Steuerraum. Nachdem er sich an seine Steuerungen gesetzt hatte, bediente er einen kleinen Schalter, schaute auf einen Tisch voller Notizen und stellte vorsichtig eine Nummernscheibe ein. Dann begann er an den üblichen Steuerorganen zu hantieren. Im Fernsehgerät erschien ein Bild, das sich langsam drehte, bis es farbig und zugleich beständig wurde. Es war der Anblick der Höhle, in welcher die Sunbeam lag, aber das Bild bewegte sich. Nun erschien die Sunbeam selbst auf dem Schirm und dann die Steuerungsfenster. Aarn zeigte aus dem Fenster hinaus, und Mart Toral schaute mit verblüffter Überraschung auf ein kleines, schwarzes, eiförmiges Gebilde, das dort schwebte. »Bei den Planeten, was ist das?« fragte der Tornaner. »Ein Mitglied unseres privaten Spionagesystems«, erklärte Aarn. »Es sieht alles, hört alles, weiß alles – und verrät nichts. Es kann ungesehen an Stellen eindringen, durch die kein Mann hindurchkann. Es kann sich in einer dunklen Ecke verstecken und sich lautlos bewegen. Und...« Aarn bediente einen Schalter, der den Fernsehschirm dunkel werden ließ. Dann wurde er wieder hell und beleuchtete eine seltsame Szene, die doch die gleiche war. Nur war sie jetzt dadurch eigenartig beleuchtet, daß alle
Schatten ausgeschieden waren. Männer, die draußen vorbeigingen, leuchteten wie sich bewegende glühende Fackeln. »Es kann in sogenannter absoluter Dunkelheit sehen. Es kann mittels strahlender Hitze sehen.« Er berührte einen anderen Knopf, und aus dem Lautsprecher hinter dem Fernsehschirm kamen Geräusche und Stimmen von draußen. »Es ist schneller als ein Erkundungsflugzeug. Paßt auf!« Plötzlich stürzte sich der »Spion« ins Freie über der verborgenen begrabenen Stadt und sauste in den leeren Weltraum. Mit ungeheurer Geschwindigkeit durcheilte er die letzten Grenzen der Atmosphäre und schoß den Patrouillenerkundern entgegen, die um Cornal herumlungerten. In Sekunden begann seine Geschwindigkeit nachzulassen, und der Patrouillenkreuzer erschien im Bild. Der »Spion« beschnupperte ihn leicht und stoppte plötzlich, sein Auge auf die eine Luke gerichtet. Da drinnen arbeiteten Männer an der Hauptschalttafel für das Beleuchtungssystem. Mart Toral schaute mit einem Ausdruck heftigsten Neides auf den Schirm. »Mein Spionagesystem ist ein Nichts gegen nur eines dieser Dinger da! Du meine Güte – mit ihm könntet ihr ja unsere sämtlichen Geheimnisse erkunden!« Aarn hielt den »Spion« zurück, als er antwortete: »Er gehört euch – wenn ihr ihn nachbauen wollt. Ihr werdet sehen, daß es eine ziemliche Arbeit ist, ihn in Mengen herzustellen, und früher oder später werden die Seeset ja doch einen entdecken, und das Geheimnis ist keines mehr. In der Zwischenzeit aber kann man sie mit Sprengkörpern und Aggregatspulen zum Zerstören laden. Mit diesen
kleinen Dingern kann man ein Dutzend wichtiger Produktionsstätten vernichten – nur – sie müssen erst fabriziert werden.« »Das ist ja mit allem so«, seufzte der Tornaner bedauernd. »Ich werde mein möglichstes tun, um eine Fabrikation dieser Dinger in Gang zu bringen.« »Wenn du gleich damit anfangen willst, tu's, aber wenn du warten kannst, kann ich dir etwas zeigen, das dich mehr als nur ein bißchen interessieren wird. Ich gehe an einen Ort, wo du noch nie gewesen bist.« Wortlos schnallte Mart Toral seinen Rettungsgürtel fester und setzte sich auf seinem Sitz zurecht. Aarn warf die Kontrollsteuerung zurück, so daß sie die Maschinen der Sunbeam wieder in Gang brachte, und in wenigen Minuten erhob sie sich in den Raum. Als sie die Atmosphäre hinter sich ließen, schaute Aarn ein wenig unsicher auf Mart Toral. Dann sagte er: »Mart Toral, ich habe da noch etwas, das ich dir noch nicht vorgeführt habe, jetzt aber benutzen werde. In eurem Krieg ist es nicht von Bedeutung. Ein solch komplizierter Apparat ist dazu nötig, daß ich gar nicht erst versuchen will, ihn dir zu erklären. Wir sind nun außerhalb dieser Atmosphäre. Torka liegt direkt vor uns. Jetzt...« Torkas flammende Scheibe wurde neblig, sie torkelte und schien größer zu werden. Schneller und schneller wuchs sie. Etwa dreißig Sekunden vergingen, und dann nahm Aarn einige Einstellungen vor. Der Schleier verschwand, und Torka war dicht vor ihnen – in gigantischer Größe. Die schreckliche Hitze der Sonne durchströmte den Steuerraum mit solcher Macht, daß die Temperatur in Sekunden mächtig anstieg. Die Männer fühlten, wie die Hitze ihre
Haut verbrannte. Mart Toral schnappte überrascht nach Luft. »Bei Torka – du bist schneller hierhergekommen als das Licht! Du vermagst eine Geschwindigkeit zu erreichen, die so groß ist, daß du in Sekunden eine Entfernung überbrückst, für die das Licht Tage braucht!« »Anders wäre es nie möglich gewesen, euren Planeten zu erreichen«, sagte Aarn ruhig, und die Sunbeam schoß wieder vorwärts und ließ Torka als neblige Scheibe hinter sich. »Unsere Wissenschaftler hatten das zwar erraten«, erwiderte Mart Toral, »aber daß die Geschwindigkeit so groß ist, ahnen sie nicht!« Torka wurde plötzlich undeutlich, als Aarn den Strahlungsschutz einschaltete. Immer noch wuchs Torka. Die großen Flammen schienen halbwegs nach ihnen zu greifen, als Aarn endlich anhielt. Dann steuerte er mit normalem Antrieb noch näher heran! Spencer schaute Aarn überrascht an. »Kannst du das aushalten? Ist das Gravitationsfeld nicht gefährlich?« »Dies ist die einzige Möglichkeit, das zu bekommen, was ich brauche«, erwiderte Aarn, als die Sunbeam immer noch näher heranfuhr. Ein titanenhaftes, bauchiges Flammenmeer raste auf sie zu, und die Männer umfaßten ihre Stühle fester. Die Sunbeam erschauerte, und mächtige Transponstrahlen umschlossen sie mit einer weiten blauen Glut. Dann hielten sie an. Die Sunbeam zitterte heftig, und plötzlich war sie von einem weißglühenden Flammenbelag umgeben, der sie vollständig einhüllte und mit stürmender gasartiger Kraft bedrängte – ein mächtiger Tornado von fünfzig Meilen pro Sekunde. Verbissen richtete Aarn seinen Transponstrahlensamm
ler auf das Herz Torkas und suchte Strom, um seine abnehmenden Reserven aufzufüllen. In nicht mehr als zwei Sekunden donnerten die Transpons wieder, als der Strom zugeführt wurde. Die Sunbeam kämpfte sich weiter. Die Hitze da draußen schien ihr nichts auszumachen. »Warum wird es nicht heißer?« fragte Spencer. »Impulswelle und Schwerefeld verbinden sich, um einen wirklichen Kontakt zu verhindern. Die Strahlung wird noch zum größten Teil verwandelt. Ich lasse gerade genug eindringen, um die Sicht zu behalten – etwa ein Zehntausendstel von einem Prozent.« Die Sunbeam bewegte sich wieder vorwärts. Die Transpons brachten genügend Energie ein, die ihr weiterhalf. »Wo halten wir denn?« fragte Spencer. »Wenn meine Instrumente mir zeigen, daß ich weit genug gegangen bin. Wir sind fast an diesem Punkt angelangt.« Die Sunbeam erschauerte heftig, und besorgt entlastete Aarn seine Steuerungen. Trotz der außerordentlichen Empfindlichkeit der Impulswellenneutralisierer vibrierte sie noch immer. Die glühende Brandung der Flammen tauchte den ganzen Weltraum in ein unerträgliches gleißendes Licht. Aarns gespannte Augen klebten geradezu an den Instrumenten; ängstlich beobachteten ihn die anderen. Die Sunbeam begann sich hin und her zu werfen, und die überlasteten Transpons dröhnten ohne Unterlaß. Aarns Gesicht verdüsterte sich plötzlich, als er sich einem sich langsam bewegenden Indikator zuwandte, einem Thermographen, der die steigende Temperatur der wenigen metallischen Teile an den Antriebsstromkreisen
der Sunbeam registrierte. Spencer erhob sich hastig und ging in den Stromraum. Die Transponstrahlen waren flammendblau, so intensiv blau, wie er es noch nie gesehen hatte. Den Raum erfüllte eine Masse von sich windenden, flackernden, blauen Säulen: Transponstrahlen, die Strom von Torka abzogen. Spencer kontrollierte die verschiedenen Meßgeräte und sah, wo die Schwierigkeit lag. Die mechanische Kühlanlage, die das Metall in solchen Notfällen kühlen sollte, war überbelastet. Das Schiff erhitzte sich, erhitzte sich gefährlich, und das Kühlsystem versagte bei der immer geringer werdenden Differenz zwischen der Temperatur der ausstrahlenden Spulen und der Luft des Schiffes. Das Wasser hatte schon zu kochen angefangen; dabei sollte es doch um die zu kühlenden Spulen herum gefroren bleiben! Spencer rannte in die Kombüse hinunter und kehrte kurz danach mit etwa fünfzig Pfund Eis zurück. »Ich habe den ganzen Eisvorrat gebraucht, Aarn. Du tätest vielleicht gut daran, umzukehren.« »Gute Idee, Spence! Bin mehr als drei Minuten und fünfundvierzig Sekunden bei vollem Strom gewesen. Wenn nicht das Gas mit fast fünfzig Meilen pro Sekunde an uns vorbeiströmte, könnten wir uns mit dem Anker, den ich da habe, nicht einmal bewegen.« Ein kurzes Lächeln lief über sein Gesicht. »Der Affe hat seine Faust im Topf, und in der Faust hat er eine Banane – und er hat nicht die Absicht, diese loszulassen, und wenn er den ganzen verdammten Topf dazunehmen müßte!« »Was, zum Teufel, hast du vor?« Aarn lachte. »Ich nehme ein Stück von dieser Sonne mit nach Hause!«
»Du nimmst ein Stück der Sonne mit?« fragte Spencer. »Tjawoll – ah – es geht los...« Aarn sagte nichts mehr. Unter ihnen war etwas losgebrochen; denn plötzlich schien der Tornado zu erstarren, kehrte sich langsam von ihnen ab, und sie fuhren weg von diesem Ort. – »Und ich habe meine Banane noch!« lachte Aarn triumphierend. Minute für Minute erkämpfte sich die Sunbeam ihren Weg aus dem Flammenmeer, das sie umgab. Aarn war glücklich. Er lachte in sich hinein und schaute Spencer von der Seite an. »Spence, ich denke nicht gern darüber nach, was uns dieser Strom bei den Preisen auf der Erde gekostet hätte! Ich habe Strom abgezogen, so viel meine Transpons nur fassen konnten, so viel der Impulswellenantrieb vertragen, die Spulen speichern, die gravitomagnetische Schalung aushalten und mein Zugstrahl aufnehmen konnten! Alle drei Zapfstrahlen auf voller Intensität!« Spencer betrachtete die weiß-heiße Masse, die sie schleppten. »Nachdem du nun den Bären beim Schwanz hast, was machst du mit ihm?« erkundigte er sich. »Ich weide ihn aus und wähle das, was ich will.« »Nach dem, was ich jetzt erlebt habe, halte ich alles für möglich!« sagte Mart Toral und wischte sich das Gesicht ab. »Ich habe gesehen, wie das Unmögliche möglich wurde!« »Halb soviel, Mart Toral, halb soviel«, erwiderte Aarn ernsthafter. »Ich habe immer noch eine Menge zu tun. Ich muß mein Material aussuchen und es etwa fünfzig Millionen Meilen weit schleppen bis dahin, wo ich damit arbeiten kann.« »Wie lange brauchen wir dazu?« fragte Spencer.
»Ich denke, etwa drei Stunden.« Drei und eine halbe Stunde später stoppte Aarn die Sunbeam. Die gravitomagnetische Schalung war entspannt worden. Torka war jedoch immer noch eine große Scheibe, und ihre seltsame Last glühte zornig orangerot mit einer Temperatur von einigen tausend Grad. Aarn machte sich unverzüglich an die Arbeit und baute neue Felder auf, die er sorgfältig entwarf. »So – nun los, Carlisle, schau dir das mal an! Das hat wahrscheinlich deinen Plan durchkreuzt, möcht' ich meinen. Ich habe hier mehr als fünfhundert Millionen Tonnen Materie – und jede Unze davon ist ionisiert. Nun paß auf...« Aus der zusammengepreßten, eng gebundenen Materie schoß plötzlich eine ungeheure Eruption empor. Aarn hatte sie stundenlang durch seine enorme Kraft in Schach gehalten. Nun schoß sie durch eine Lücke, die er freigegeben hatte, schoß hervor mit der unberechenbaren Stärke des frei gewordenen Drucks, eines Drucks, der auf Torka erzeugt worden war. Der Flammenstrom krümmte sich plötzlich, flackerte eigenartig, und ein Teil schien sich um sich selbst zu winden und bildete ein neues Zentrum, das kleiner und kälter war. Der größte Teil kehrte sich um, machte eine halbe Wendung, entkam jedoch, flammte erneut auf und dehnte sich aus – und begann den langen, langen Weg nach Torka zurück. »Es tut's«, freute sich Aarn. »Es geht, Carlisle! Ich bekomme ihn – den Atomspektrotrenner gigantischen Ausmaßes –, nehme Atome auf, von denen keines unter der Ordnungszahl einhundert liegt!« Carlisle war überrascht und betrachtete das schnell dunkler
werdende Zentrum. »Einhundert! Das ist ja noch unbekannt, von dem Atomgewicht ganz abgesehen!« »Auf Planeten gibt es das nicht – aber in einem Kernreaktor, der so groß und stark ist, kann eine Menge möglicher Ereignisse Wirklichkeit werden. Diese Superatome sind durch Synthese entstanden. So darf uns im Ergebnis das niedrige Atomgewicht nicht überraschen. Jetzt kühlt sich diese Materie durch Ausdehnung ab.« Als die Ionen entwichen, ging die Kühlung mittels Expansion schnell vonstatten, und Aarn trieb einen wärmenden Transponstrahl hinein. Sein eigenes Schiff brauchte fast keinen Strom, da sie beinahe bewegungslos blieben. So jagte er den überflüssigen Strom in die kochende Masse, steigerte damit schnell die Temperatur und verstärkte die Ionisierung. Diese Arbeit dauerte mehr als vier Stunden. Schließlich ruhte aber doch eine große kalte Kugel Materie in den Strahlen, während gleichzeitig eine Kaskade flammender Atome Millionen Meilen nach Torka zurückfiel. »Ich wünschte, ich könnte jetzt gleich mit der Bearbeitung dieses Zeuges da anfangen«, rief Aarn, als er mit vollen Spulen die Masse glitzernder metallischer Substanz in den Bereich seiner Kräfte zog und sich auf die Heimfahrt machte. Torka tauchte unter in Nebel, der Weltraum änderte sich, selbst die Sterne bewegten sich langsam, als die Sunbeam auf das schnell sich nähernde Cornal zueilte. Eine Stunde später lag die Sunbeam an ihrem Ankerplatz. In einer weiteren halben Stunde hatten Arbeiter unter Aarns Anleitung die fünfzig Pfund erkaltete
Materie losgelöst und in ein großes Bleigehäuse gelegt. Den Rest nahm Aarn mit auf eine verlassene Insel weitab von jeder Stadt. Die Strahlen dieser Masse überschwerer Elemente waren durchdringend und todbringend. In dieser so sorgfältig abgetrennten Masse gab es vielleicht ein Promille leichter, bekannter Elemente. Da gab es Radium in einer Menge, die größer war, als die Tornaner je gesehen hatten. »Ich mache mich an die Arbeit«, sagte Aarn entschlossen, als sie landeten. »Ich möchte wissen, was ich da mitgebracht habe. Carlisle, wenn du willst, kannst du fünf Pfund von dem Zeug haben – du könntest alle darin vorhandenen chemischen Elemente und ihre Eigenschaften bestimmen. Wahrscheinlich wirst du feststellen, daß noch einige fehlen. Gasförmige Substanzen, die entwichen sind – aber die bekommst du dann in dem Maße, wie andere, schwerere zerfallen, um sie zu bilden. Und – achte bitte auf folgendes: Es werden zahlreiche Elemente der gleichen chemischen Eigenschaften vorkommen, die aber verschiedene Atomgewichte haben. Nimm diese Isotope sorgfältig heraus, ja? Einige der Physiker hier sollen dir einen sehr starken Massenspektrometer montieren. Und – kümmere dich um die Anlage für schweres Wasser! Wieviel hast du davon fertig? Ich brauche alles, was du hast, um anfangen zu können.« Eine Stunde später war Aarn in seinem Labor. Einige tornanische Physiker waren gerufen worden sowie Techniker für die physikalischen Geräte. Alle halfen ihm. Es dauerte fast drei Stunden, bis Aarn den anderen das Montieren der benötigten Apparate so weit erklärt hatte, daß sie mit der Arbeit beginnen konnten. Dann zog er sich
mit seinen Notizbüchern Tafeln und Daten in den Berechnungsraum zurück, den die Tornaner ihm eingerichtet hatten und in dem die Rechenmaschinen aus dem Sunbeam-Labor aufgestellt worden waren. Inzwischen hatten Carlisle und Spencer tornanische Hilfe bekommen und machten sich an die Konstruktion des Massenspektrometers. Im Verlauf von fünf Tagen entstand ein seltsamer Apparat – als aber Carlisle ihn in Betrieb nahm und von der Sunbeam Strom anzapfte, weil der tornanische Strahl noch nicht »hereingekommen« war, arbeitete das Gerät. Sie sammelten die getrennten Wasserstoffisotope und lagerten sie in Tanks. Aarn lebte noch zurückgezogen, doch hatte er eine Nachricht geschickt, daß Spencer Pläne für das neue Schiff entwerfen solle. Die Tornaner hatten eingewilligt, einen Kreuzer zu bauen. Aarn wollte aber einen Superkreuzer daraus gemacht haben, sein eigenes privates Kriegsschiff. »Es sieht so aus«, hatte er ironisch gesagt, als man ursprünglich den Bau besprach, »als wäre uns ein Schlachtschiff nützlicher als ein Laboratorium. Wenn wir also diese Chance haben, wollen wir sie auch voll ausnützen.«
6
»Mart Toral«, sagte Spencer, »Aarn hat sich endlich bereiterklärt, seinen Freunden mitzuteilen, woran er gearbeitet hat. Ich kann mir denken, daß euer Rat Interesse daran haben wird, wie Aarn seine Zeit – und euer Geld verbraucht hat.«
Mart Toral lachte. Aarn überhörte ihre Bemerkungen, als er die Freunde in sein Labor führte. »Was hast du nun geschaffen?« fragte Carlisle. »Das hier«, erwiderte Aarn. Er hob einen winzig kleinen, beinahe runden Klumpen Materie hoch, eine Kugel, nicht größer als eine Walnuß. Er glitzerte weiß, am äußeren Ende war er spiegelnd und farbloser als Silber. Kupfer ist rötlichgolden; Chrom verbreitet ein bläuliches Licht. Das hier war weiß, klar wie ein Spiegel. Aarn hielt den kleinen Klumpen auf Armeslänge von sich. Carlisle war nicht aufmerksam. Er streckte seine Hand aus und beachtete nicht, daß Aarns großer Arm anschwoll und seine Muskeln wie Ketten über Schulter und Arm spielten. Aarn ließ die Metallkugel in die wartende Hand fallen, aber die kleine Kugel wischte Carlisles Hand mühelos beiseite und fiel zu Boden. Mit hartem Krachen schlug sie auf den Stein auf, und von dem Stein flogen kleine Stückchen weg. »Geliebte Satelliten, was ist denn das?« fragte der Chemiker atemlos und bückte sich, um die Kugel aufzunehmen. Das Ding blieb liegen, wo es hingefallen war. Carlisle versuchte es noch einmal, versuchte schließlich, es mit dem Fuß zu bewegen. »Oh, das wiegt ja mindestens eine halbe Tonne!« »Nicht ganz – nur etwa achtzig Pfund«, erwiderte Aarn. »Aber was – bei der Milchstraße – ist es denn?« »Ich habe beschlossen, es Resistium zu nennen. Es schmilzt bei ungefähr fünfundzwanzigtausend Grad Celsius. Hohe Dichte, das heißt etwa siebenhundertundfünfzig. Dehnungsfestigkeit etwa
fünfundneunzigmal so groß wie bei wirklich gutem Panzerstahl. Es besitzt die eigenartigste Kristallstruktur, die ich je gesehen habe; die Kristalle sind wie Spiralfedern geformt. Das Geheimnis der Elastizität einer Substanz liegt immer in der Form der Kristalle. Deshalb auch zerstört der Krümelstrahl ein Metall – er zerkrümelt die Kristalle. Nebenbei bemerkt, dieses Ding hier kann er nicht zerstören.« »Aber was ist es denn nur? Eines der neuen schweren Elemente? Ist es nicht radioaktiv?« wollte Carlisle wissen. »Nein. Ich habe es hergestellt. Und außerdem ist es chemisch nicht angreifbar. Fluorin wird abgestoßen. Aqua regia hat keinerlei Einfluß. Selbst Selensäure, in der sich Gold und Platin auflösen, läßt Resistium unverändert. Es ist ziemlich stabil.« Aarn lächelte. »Aber ihr ahnt nicht, wie sehr. Ich kann es überhaupt nicht angreifen. Atommäßig gesehen, ist Resistium eine Struktur aus Neutronen, Protonen und Negatronen. Das Negatron erhielt ich aus den schweren Elementen, die ich der Sonne entrissen habe. Im ganzen hat das Resistium, viertausendzweihundertfünf Kernteilchen. Sein Atomgewicht ist viertausendzweihundertsieben, denn es hat zwei Hüllenprotonen.« »Hüllenprotonen?« »Im Kern steckt ein Überfluß an Negatronen, und sie laden ihn natürlich negativ. Das Gesamtatom enthält keine Elektronen. Das ist der einleuchtendste Grund, den ich kenne, warum die normalen chemischen Reaktionen versagen.« »Und welchen Gebrauch willst du davon machen?« fragte Mart Toral.
»Armer Mart Toral«, seufzte Aarn. »Es ist wirklich ein Jammer, daß man's ihm sagen muß! Ich brauche etwa fünftausend Tonnen von dem Zeug – um den Kreuzer damit zu überziehen. Das bedeutet: Apparate für eine Massenproduktion. Aber bedenkt doch nur, was es sonst noch heißt! Mach mal ein Geschoß hiervon...« »Das habe ich befürchtet«, sagte Mart Toral mit einem gespielten Seufzer. »Ich weiß einfach nicht, woher die Leute nehmen, die das alles machen sollen.« »Sage deinen Leuten ganz einfach, daß ich weiß, wie man euren Kampf zum Ende bringen kann!« »Was! Du kannst diesen Krieg zu einem Ende führen?« »Ja – und nein. Du hast mir einmal erzählt, daß es, selbst wenn ihr die Seesetflotte völlig zerstören würdet, keinen Zweck hätte, weil ihr Darak mit seinen planetarischen Verteidigungen nicht angreifen könnt, und daß die Seeset einfach eine andere Flotte bauen würden.« »Ja, allerdings – so sieht unser Problem aus. Ich kann auch nicht erkennen, daß man es lösen kann. Es sei denn durch eine Naturkatastrophe.« »Haargenau so«, sagte Aarn ruhig. »Da werden wir eben mal eine Katastrophe ein bißchen vor der Zeit verursachen. Dann ist der Krieg zu Ende.« Mart Toral fiel in sein Entsetzen zurück. »Was! Die Explosion beschleunigen?« »Klar. Der einzige Weg, zu einem Ende zu kommen, ist, das Ende herbeizuführen. Und je eher dieses Ende kommt, desto endgültiger wird es sein. Es geht um die Frage, wer Cornal haben soll, wenn die Sonne explodiert. Jetzt gehört es den Tornanern. Wenn sie also jetzt explodiert, ist diese Frage für alle Zeiten beantwortet. Es ist der einzige Weg,
dieses Problem aus der Welt zu schaffen.« »Wir wollen aber nicht, daß Torka explodiert«, sagte Mart Toral atemlos. »Natürlich nicht. Die Seeset aber wollen es noch viel weniger. Und ob ihr es nun wollt oder nicht – sie wird explodieren. Ihr könnt den Lauf der Dinge nicht aufhalten – aber ihr könnt ihn beschleunigen. Dann wäre der Krieg zu Ende.« »Nun – dein Verstand – deine Logik sind vollkommen. Aber, mein Lieber, ich mag das nicht! Sage es dem Rat, sage es dem Hohen Kommando – ahhh...« In eisernem Schweigen saßen der Hohe Rat und das Hohe Kommando beisammen; auf den Gesichtern lag ein Ausdruck von verwirrtem Erstaunen. »Aber – beim Ewigen Gehirn – ihr könnt das doch nicht ernst meinen!« stieß der weißhaarige Vorsitzende hervor. Aarn lächelte leicht. »Ich fürchtete, daß euch mein Vorschlag wie der eines Irren vorkommen würde – deshalb habe ich ihn so einfach und kühn wie möglich vorgetragen. Bedenkt zuerst einmal, daß ich die Explosion Torkas beschleunigen kann! Dann laßt uns betrachten, wie schlecht Cornals Resistenz gegen diese Explosion sein wird! Cornal wird heiß werden, unsagbar heiß. Wie eure Männer schon errechnet haben, wird die Oberflächentemperatur am Äquator – ich meine den Sonnenäquator – bis zum Schmelzpunkt für Blei steigen, und eure einzige Hoffnung war, daß ihr irgendein System der Kühlung finden würdet. Ihr wußtet natürlich, daß die Seeset sich mit dem gleichen Problem befassen müssen,
wenn sie Cornal erobern. Haben sie schon einen Weg gefunden, mit dem Problem fertig zu werden? Wir wissen das nicht, aber – ich habe einen Ausweg!« »Du hast einen Weg gefunden, wie man den Planeten kühlen könnte?« fragte der Wissenschaftsrat. »Wie denn?« »Ich habe nicht gesagt, daß ich einen Planeten kühlen kann. Das geht über mein Vermögen. Aber ich kann euch zeigen, wie ihr eure Städte kühlen könnt.« »Es wäre aber trotzdem unmöglich, zu leben! Der Sauerstoff in der Luft wird erschöpft sein und die Luft in einem Maße vergiftet, daß wir sie mit unseren Rektifikatoren nicht reinigen können. Unsere Absorptionsmittel würden in wenigen Tagen unwirksam werden.« »Carlisle sagte mir, daß eine Verbrennung von pflanzlichen Stoffen und Humus draußen stattfinden und daß der Sauerstoff auf etwa ein Prozent sinken wird. Habt ihr Pläne, um dem zu begegnen?« »Nein«, unterbrach ihn der Rat unsanft, »wir hatten keine Pläne zur Kühlung des Planeten. Bis heute. Was hat es für einen Zweck, auszurechnen, welchen Problemen wir noch gegenüberstehen werden? Wie willst du denn die große Menge Luft reinigen, die wir zur Erhaltung unserer Leute brauchen?« »Draußen in der Atmosphäre gibt es genügend Sauerstoff – aber es wird gebundener Sauerstoff sein. Es wäre notwendig, diesen Sauerstoff zu extrahieren. Und unser Carlisle hat einen Weg hierfür gefunden. Es wird sehr viel Strom dazu gebraucht – aber den werden wir ja haben.« »Was? Kann dein Stromstrahl in dieser Flammenhölle
arbeiten?« »Nein, das ist unmöglich. Keine von Menschen erfundene Maschine könnte das wohl; denn die Kraftfelder, die in jener Explosion wüten, werden über alles Verstehen gehen.« »Wie können wir dann den benötigten Strom bekommen?« »Aus der Hitze, die eure Städte bedroht!« warf Aarn ein. »Was?« keuchte der Rat. »Wie willst du das denn machen?« »Wärme ist Energie. Euch bereitet das Übermaß an Energie Kopfzerbrechen und keineswegs der Mangel! Den Transponstrahl habe ich euch gezeigt, nicht aber den Strahl, den die Myryaner, von denen ich euch erzählt habe, bei ihrer Sammlung von Energie benutzten. Er ist dem Transponstrahl ähnlich, hat aber folgenden Vorteil: Er ist kein leitender Strahl, an dem entlang elektrische Felder agieren können, sondern ein leitender Strahl, der den Raum lichtüberdurchlässig macht. Ich habe ihn ausprobiert und festgestellt, daß er die Eigenschaft hat, die Lichtgeschwindigkeit örtlich um fast zehn Prozent zu erhöhen. Die Strahlung von den erhitzten Mauern eurer Städte würde sich in diesem Strahl genauso konzentrieren lassen wie Licht. Was mir vorschwebte, war eine Reihe dieser Sammlerstrahlen, die ihre Energien auf eine Resistiumkugel konzentrieren und sie zu einer blauweißen Temperatur erhöhen. Bei dieser Temperatur strahlt das Resistium nicht wie ein weißer Körper, sondern beinahe ausschließlich in Blauviolett mit wenig Rotanteilen, so daß es tiefblau erscheint. Eure Fotozellen sind fast zu fünfundneunzig Prozent wirksam, und wenn wir einen
solchen Resistiumstrahler im Brennpunkt einer ellipsoiden Fotozellenkammer haben, werden volle fünfundneunzig Prozent der einfallenden Strahlung aufgefangen werden. Ich bin davon überzeugt, daß ich auf diese Art die tatsächliche Temperatur der Mauern dieser Stadt auf mehr als einhundert Grad unter Null herabmindern kann. Ich könnte euch einfrieren lassen! Und die Gesamtheit der Wärmeenergie, die von oben her durch die Felsen eindringt, könnte als leicht verfügbarer elektrischer Strom absorbiert werden. Er würde eure Luftrektifikatoren betreiben wie auch eure Elektrolyseanlagen.« »Ich – ich kann das gar nicht als Ganzes erfassen, wenn ich auch eine Ahnung davon habe.« »Aber«, kündigte Aarn an, »ehe wir diese Explosion verwerten können, müssen wir die Seesetflotte völlig vernichten und ich versuche euch zu zeigen, daß, wenn ihr die Katastrophe auslösen könnt, die Schlacht beendet sein wird.« »Das gebe ich zu«, nickte der Kommandant, »aber du hast uns immer noch nicht gesagt, wie wir uns in unseren Städten erhalten sollen.« »Diese Stadt hier liegt weit im Süden des Sonnenäquators – wie alle die Städte, in die ihr euch zurückziehen wollt. Nur die Bergbaustädte und ähnliche Industriezentren wurden innerhalb der Äquatorzone gebaut, denn ihr habt schon lange erkannt, daß dies das am schlimmsten betroffene Gebiet sein wird. Hier aber wird die Temperatur gemäßigt sein. Wie ich schon sagte, kann ich euch zeigen, wie ihr diese Hitze überstehen könnt. Carlisle hat das Luftproblem gelöst.« Nun erhob sich Carlisle und beschrieb in seiner kurzen
knappen Art seinen Plan. Er schloß: »Ich besitze kleine Modelle der gesamten Apparate, die ich vorführen kann.« Ein tornanischer Chemiker, Marn Fasi, erhob sich. Er hatte mit Carlisle an der Entwicklung dieser Apparate gearbeitet. Und er bestätigte schnell – auch durch Zeichnungen –, was Carlisle gesagt hatte. Dieser Mann, der ihre eigene Sprache sprach, ein Mann ihres eigenen Volkes, überzeugte die Mitglieder des Tornanischen Rates. Sie entschlossen sich. Sie würden ihre Sonne zum Explodieren bringen! Im Laufe einer Woche merkte Spencer, daß in den Werkstätten ein neuer Ton herrschte. Das Wissen um das endgültige und absolute Ende dieses anscheinend endlosen Konfliktes genügte schon, um die Stimmung zu bessern. Riesige Schlachtschiffe wurden umgebaut. Kreuzer wurden hergestellt, zwei Stück pro Woche, und fast jeden Tag wurde ein Zerstörer fertig. Spencer arbeitete mit einer anderen Mannschaft. Er, Spencer, und Aarn widmeten ihre ganze Kraft der Fertigstellung der großen Hochöfen und der neuen Anlagen, die Resistium in großen Mengen herstellen sollten. Aarns privater Schlachtkreuzer wuchs und wuchs. Er sollte mit Tragbalken und Platten aus einer Berylliumlegierung versehen werden, wie die Sunbeam sie hatte. Seine Hülle würde aus Resistium bestehen. Aarn arbeitete an den Resistiumhochöfen. Der letzte Innenbelag war eingeführt, nur die Einstellungen mußten noch berichtigt werden. Aarn schloß seine Hand über einem schweren Schalter und betätigte ihn. Relais donnerten, und die Höhle erhellte sich plötzlich im Licht des Glanzes der Transponstrahlen.
Für den Augenblick luden sie die Aggregatspeicherspulen. »Nehmt euch vor der Strahlung in acht!« rief Aarn. Schnell schaltete er die Stromkreise ein. In der großen Masse des Resistiumhochofens heulte es auf. Das Dröhnen verstummte, als die letzten dünnen Spuren von Luft im Ofen zu protonischen Fragmenten explodierten und verbraucht wurden. Dann erschien langsam – wie eine große Lampe, die sich zur Weißglut erhitzt – ein dumpfes Glühen in dem dicken Hochofenfenster. Das Glühen schwankte, nahm zu, verschwand dann wieder vollständig und wurde schließlich bei Erreichung des vollständigen Ausgleichs hart und heftig. Ein glänzender Kreis ultrablauen Lichtes zeichnete sich auf der gegenüberliegenden Wand ab. Langsam rückte Aarn eine Rheostatsteuerung vor. Minuten vergingen. Minuten der Spannung. Plötzlich trat etwas in Aktion, eine Tür öffnete sich, und ein weißglühender Barren von etwa zwei Fuß Länge und vier Zoll Breite schoß heraus und fiel heftig auf die schwere Unterlage. Spontaner Beifall brach aus. Die Arbeit war getan! Der erste Barren! Dem ersten folgte ein zweiter, dem zweiten ein dritter, vierter, fünfter, ehe nur der erste in ein Gußbett eingeführt worden war. Dann wurden noch bevor der Tag sich neigte, Werkzeuge angefertigt und endlich Walzen gegossen, die das unglaublich widerstandsfähige Resistium bearbeiten konnten. Die erste Platte von einhalb Zoll Dicke wurde gekühlt, als die Schicht die Tagesarbeit beendete. Die Arbeit an der Hülle des neuen Schiffes hatte begonnen. Mit dieser Arbeit vertraute Männer hatten mit erstaunlicher
Geschwindigkeit die Hülle des neuen Schiffes hergestellt. In vier kurzen Wochen hatten die Riesenmaschinen in Cornal die notwendigen Materialien produziert. Die Hülle war fertig, die Berylliumplatten waren angeschweißt, und man war dabei, die äußeren Resistiumplatten anzubringen. Auf der Erde wäre ein Arbeitstempo, wie es die Tornaner erreichten, unmöglich gewesen, denn die Erde war kein Planet, der seit drei Generationen auf höchste Kriegstouren eingestellt war. Was auf der Erde ein Jahr gedauert hätte, wurde hier in einem Monat vollendet. Aarn hatte seine Forschungsarbeit wieder aufgegeben, um die Apparate und Stromtafeln zu installieren. Aber bald schon hielt er inne – weil ihm eine Idee kam, die Aufmerksamkeit verlangte. Er schloß sich in seinem Labor ein. Mit einem Atommotor kam er wieder zum Vorschein. Einem Motor nach dem Muster der Magyaner, aber wesentlich verbessert. Zuerst zeigten sich weder Spencer noch Carlisle davon beeindruckt. Der Motor war groß, niedrig und gedrungen und sah aus wie der Rumpf einer Ultrastromrakete, abgerundet und fest. Zwei Transponsammler waren daran montiert, ein mehradriges Kabel führte davon zur Stromtafel und ein kleinerer Gaszylinder war am Unterteil des Motors befestigt. »Meine Güte –«, rief der Ingenieur, »der sieht aber ganz anders aus! Die Magyaner hatten Quecksilberkessel nötig wohingegen du direkt elektrischen Strom zu bekommen scheinst und die Turbogeneratoren nicht brauchst.« »Stimmt«, lächelte Aarn. »Die Gruppe von Aggregatspulen da drüben brauche ich, um euch zu zeigen, wieviel Strom dieses kleine Ding hergeben wird. Paßt auf...!« Aarn trat an die Schalttafel. Seinen schnellen
Bewegungen konnte man nicht folgen, aber das Ergebnis war eine rapide Entwicklung von Transponstrahlen, die die Aggregatspulen mit dem neuen Generator verbanden – dann ein plötzliches leises Zischen, und ein Ausbruch von wallender Hitze aus den intensiven Transponstrahlen! Stumm deutete Aarn auf die Instrumente. »Liebe Satelliten! Eine halbe Milliarde Pferde!« Spencer war starr vor Staunen. »Und das ist ein Atommotor?« »Jawohl«, sagte Aarn und stellte ihn ab. »Einfach ein Atommotor. Dieses Baby kommt in mein neues Schiff.« Die Arbeit an dem neuen Schiff wurde fortgesetzt. Es war ein ausgewachsener Kreuzer von fast zwölfhundert Fuß Länge. Ein langer viereckiger Schacht lief durch seine Mitte und darin waren alle Räume untergebracht. Der große Hohlraum außerhalb dieses Schachtes war mit Luft und Wassertanks, luftrektifizierenden Apparaten, Transponröhren und dem Wichtigsten – der gigantischen Menge der Aggregatstromspulen – ausgefüllt. Die Spitze des Schiffes war ungeheuer stark gepanzert. Die riesigen Tragbalken aus Berylliumlegierung stützten die undurchdringbare Resistiumspitze, die ein Fuß dick war. Dahinter lagen die Wohn- und Ruheräume, die Halle und die Bibliothek, dann kamen die einzelnen Kabinen der Männer. Auf dem halben Weg zwischen Schiffszentrum und Bug lag der Hauptsteuerraum. Er hatte keine direkte Sicht, aber die Fernsehvorrichtung zeigte auf riesigen Schirmen an den Wänden genau und bildgetreu, was sich draußen abspielte. Von innen schien das Schiff aus klarem Glas zu sein, so gut konnte man nach jeder Richtung hin Ausschau halten. Das Schiff näherte sich der Vollendung, als Mart Toral
alle Sonnenmenschen bat, ihn in einem der schnellen Erkundungsflugzeuge zu begleiten. Es war ein Mutterschiff für Investigatorgeräte. »Wir glauben, daß wir Sternkarten ausfindig gemacht haben – aber wir können sie nicht bekommen.«
7
Darak lag dreiviertel Millionen Meilen »unter« ihnen. Daraks zweiter Satellit, Dar-tan – ein Körper aus Felsen und unfruchtbarer Lava mit fünfzehnhundert Meilen Umfang – hing fünfundsiebzigtausend Meilen von ihnen entfernt. Selbst aus dieser Entfernung konnte man vier Observatorien erkennen, dazu eine Anzahl von Forts, von denen jedes mit einer großen Metallmauer und kraftvollen Verteidigungsanlagen umgeben war. »Das«, erklärte Mart Toral und deutete auf Dar-tan, »ist einer der Gründe, weswegen wir aufgehalten werden. Sie haben dort überempfindliche Geräte zur Ortsbestimmung, mit denen sie uns schon entdeckt haben. Ein kleiner DreiMann-Erkunder kann herankommen; aber alles, was größer ist, wird gesehen und von den planetarischen Verteidigungsforts vernichtet.« »Welche Arten von Verteidigungsmitteln besitzen sie dort? Den neuen Strahl?« »Sogar noch weiterentwickelt, wie ein unvorsichtiger Erkunder entdeckt hat. Auch besitzen sie einen Radioheizstrahl, der so gewaltig ist, daß selbst ein Schlachtschiff ihn nicht neutralisieren kann. Das sind die wichtigsten Verteidigungsmittel. Ihr Suchgerät arbeitet auf elektrostatischen und magnetischen Grundlagen; aber sie
haben auch ein Ultrakurzwellennetz, das sehr leicht durcheinandergebracht werden kann.« »Was ist das?« fragte Carlisle. »Radar«, sagte Aarn kurz. »Wie können dann die kleinen Schiffe herankommen?« »Es gelingt ihnen nicht immer«, erwiderte Mart Toral. »Wenn sie aber an die Grenzlinie zwischen den Feldern zweier Stationen kommen, verursachen sie verhältnismäßig wenig Störung, weil schon so viele Störungen von Torka kommen. Die Lösung des Problems ist ein kleines Schiff, das so wenig reflektiert, daß die normale Sternstörung von Torka diese verbirgt. Aber selbst dann wird ein besonderes, eigenartiges Schiff benutzt. Es hat ziemlich breite Metallflügel, die die Wellen reflektieren, und diese Flügel rotieren langsam und ungleichmäßig. Die entstehende Radaranzeige schreiben sie dann den Sternstörungen zu. Wenn sie ihren Instrumenten glauben so kann es sich aber ebensogut um ein kleines Einmannschiff wie um einen Zerstörer zweiter Größe handeln.« »Hmmm – interessant«, murmelte Aarn. »Aber wir sind wohl am Ziel. Was hast du mir also zu zeigen?« In ihrer Nähe befand sich ein anderes kleines Schiff, eine Art Patrouillenschiff. Mit einem kleinen, monochromatischen Blinker signalisierte es eifrig zu ihnen hinüber. »Welle 184–65«, sagte der tornanische Pilot. »Einstellen!« kommandierte Mart Toral. »Nun paß auf – es ist uns gelungen, eine Beobachtungsmaschine in das Hauptobservatorium hineinzuschmuggeln. Dort ist jetzt Ruhezeit, und nur drei Mann haben Wache. Ich glaube, daß ich dir etwas Brauchbares zeigen kann.«
Der Schirm leuchtete auf. Das Gebäude bestand aus Metall, und schwere Metallbögen wölbten sich zu einer metallenen Decke hin. Die eigenartige Bildausleuchtung ließ darauf schließen, daß hier reine Wärmesicht angewendet wurde, und irgendwo am Ende eines Korridors mußte eine Wärmequelle sein. Der Raum kam näher, und sie sahen einen sehr schwach glühenden Seeset. »Kaltblüter«, flüsterte Mart Toral. »Er hat in der Nähe der Heizanlagen gesessen.« Der Seeset ging vorbei in einen Gang zur Rechten. Ihr Blickpunkt verlagerte sich, als der Investigator dem Seeset in den großen Raum folgte. Ein gigantisches Teleskop bohrte seine Nase durch das Metalldach, das mittels eines Quecksilberniveaus luftdicht gemacht war. Der Seeset ging durch den Raum und prüfte den Apparat, der an einer großen Röhre befestigt war. Er hatte einige Lichter angedreht, und die Szene war nun etwas heller beleuchtet. Der Seeset wendete sich um und ging fort. Vor ihm verließ der Investigator den Raum, schlüpfte durch die Tür, wanderte durch einen neuen Gang und hielt vor einer verschlossenen Tür an. Nun steuerte der tornanische Pilot den Investigator. Mit großer Geschicklichkeit ließ er den kleinen Apparat fallen, nach einem Haken am Türschloß greifen und hochsteigen. Die Tür öffnete sich langsam und wurde dann von der kleinen Maschine wieder geschlossen. Der Raum war warm, aber offensichtlich war lange niemand darin gewesen, denn die Temperatur war so gleichmäßig, daß kaum Wärmestrahlung vorhanden und es fast unmöglich war, irgendwelche Gegenstände zu unterscheiden. Aus dem Investigator kam ein Strahl, der einen Punkt an der Decke beleuchtete. Dieser Fleck
erwärmte sich schnell, und das Glühen wurde stärker. Nach dreißig Sekunden war der Raum in der strahlenden Wärme sichtbar, und doch hätte kein Seeset, der ihn betrat, die Strahlung entdecken, noch hätte er sie von außen sehen können. In dem Raum standen Regale über Regale, die mit Fotoplatten, Aufnahmen von jedem Teil des Himmels, angefüllt waren. »Oh – genau das, was ich brauche!« stöhnte Aarn. »Aber es würde eine Woche dauern, bis man dieses Material gesichtet hätte, und dann wäre ein Frachter nötig, der das alles zur Prüfung abtransportieren könnte. Haben sie nicht irgendwo etwas Konzentrierteres und leichter Bewegliches?« »Haben sie – auf dünnen Metallblechen. Ätzungen auf Blechen aus einer besonderen Silber-Gold-Legierung.« Während Mart Toral sprach, bewegte sich der Investigator. Er wanderte Reihe um Reihe der katalogisierten Platten entlang, bis er zu einer Bibliothek großer Bücher kam. Jedes Buch war mit Nummer und Art des Inhalts registriert. »Unsere Astronomen und Philologen haben einige Wochen lang an diesem Problem gearbeitet – mit Hilfe dieser Investigatoren«, erklärte Mart Toral. »Sie haben festgestellt, daß die Sternkarten nach verschiedenen Gesichtspunkten katalogisiert sind: planetarische, Nahsterne, Fernsterne und Arbeiten über die InterMilchstraßen. Außerdem ist jeder Typ noch einmal spektroanalytisch niedergelegt. Die Astronomen sagen, daß du beide Arten brauchst.« »Sie haben recht – beides – und alle die Astronomen
noch dazu. – Wie steht's mit einer Außenansicht der Befestigung?« fragte Aarn. »Sofort«, antwortete der Pilot und stellte seine Geräte um. Nun übernahm das andere Schiff die Steuerung des Investigators im Fort. Der neue Investigator lag zwischen den Felsen draußen verborgen. Torka schien blau und heiß auf die zerklüftete kleine Welt herab. Riesig groß hing Darak am Himmel. Und immer näher kam die schwere Metallmasse des Forts. Es sah aus wie eine große Halbkugel, die fest auf einer ebenen Unterlage aus gegossenem Felsen kauerte. Nichts konnte sich ihm nähern, ohne entdeckt zu werden. Auf den Wällen des Forts standen einige kleine Scheinwerfer. Es gab verschiedene Luken und eine gesicherte Schleusentür, die groß genug war, einen Zerstörer einzulassen. Aarn schaute sie lange Zeit an. Schließlich: »Könnten Investigatoren die Türen von innen öffnen?« »Jaaa – aber nicht, ohne das ganze Fort zu alarmieren und alle benachbarten Forts dazu.« »Wo ist der Teil, in dem sich der Raum befindet, in den wir schauten?« »Ungefähr hier.« Der Pilot deutete auf den entsprechenden Teil des Forts. »Der Wall besteht aus Achtfußstahl. Dann kommt eine Schicht von Räumen – in der Hauptsache Vorratsräume, dann die Observatoriumsräume und dann im Herzen des Forts die Hauptverteidigungsanlage. Wir haben nie etwas über ihre Bauweise gewußt, bis die Investigatoren hineingelangten.« »Aha – ich glaube, wir müssen uns unseren eigenen Weg da hineinbahnen.« »Hineinbahnen!« sagte Mart Toral atemlos. »In das Fort
einbrechen und wieder heil herauskommen? Sie würden dich zu Tode strahlen, sobald sie dich entdecken würden!« »Das mögen sie denken. Wetten, daß sie nicht einen Floh töten könnten, der auf dem Wall des Forts landete?« »Nein – wahrscheinlich haben sie nichts, was ihre eigenen Wälle treffen könnte – aber sie würden den Floh bestimmt vernichten, wollte er versuchen zu entfliehen!« »Auch das ist etwas, was sie denken«, grinste Aarn. »Ich denke das nicht!« »Wie dem auch sei – kein Schlachtschiff könnte durch diesen Stahlwall von acht Fuß hindurchbrechen!« »Ich möchte mich nicht noch einmal wiederholen. Ich habe an etwas gearbeitet, das vielleicht eine Antwort auf dieses Problem sein konnte. Um zu tun, was ich tun muß, brauche ich zwei Schiffe: einen der neuen ZehnmannErkunder und einen Zerstörer. Gefahr besteht für die beiden nicht.« Wieder in Cornal, brauchten sie zwei Tage, um die Schiffe so auszustatten, wie Aarn es haben wollte. Er ließ den Zehnmann-Erkunder nach seinen Angaben abändern. Dabei installierte er noch einige andere Geräte, riß die Aufenthaltsräume heraus, dazu den größten Teil der Decks, und ersetzte sie durch eine beträchtliche Menge von Aggregatspeicherspulen. Das Ergebnis war, einen Stromvorrat speichern zu können, der ein Schlachtschiff in Gang halten konnte. Der Zerstörer erhielt einige neue, ungeheuer mächtige magnetische Geräte und ein elektrisches Feldstörgerät... »dessen Zweck es ist«, schloß Spencer seine Erklärung, »eine solche Unruhe in den Feldern zu produzieren, daß
kein Elektromagnetfeldgerät darin nur einen Zehnmannkreuzer erkennen könnte.« Verschiedene tornanische Arbeiter fanden sich ein. Ein »Kurbler« – ein kleines Impulsschiff mit baumelnden Ketten und Haken, das einer der Männer führte – trug ein vierschrötiges, massives Gerät. Es war ein kleiner viereckiger Kasten, den ein kurzer, beweglicher Zylinder überragte. Darunter befanden sich kompliziert angeordnete Apparate, die von dunklem Metall umschlossen waren und vorn eine kleine Schalttafel besaßen. Ein zweiter »Kurbler« trug ein komplettes kleines Transponprojektorgerät. »Das ist also der ›tragbare‹ Apparat, den du haben wolltest. Wie im Namen der Planeten willst du ihn denn tragen?« fragte Spencer. »Dort werde ich keinen ›Kurbler‹ brauchen. Du weißt doch, daß die Schwerkraft ein Achtel der hiesigen ist. Ich denke, daß ich ganz gut damit fertig werde. Er enthält ziemlich viel Resistium, und dadurch ist er ein bißchen schwer geworden!« Spencer schüttelte den Kopf. »Ein bißchen schwer! Er wiegt sicher fünf Tonnen!« »Zehn«, verbesserte Aarn. Am nächsten Tag fuhren sie los. Sie nahmen einen Vorrat an Dunkelbomben mit und hatten sich selbst mit dem Raumpanzer versehen, den Aarn für das neue Schiff entworfen hatte. An ihren Hüften hingen zwei pistolenähnliche Waffen. Ihre Helme hatten keine Augenlöcher; sie waren aus Resistium gefertigt, das so dünn war, daß sie nur wenige Pfund wogen, und das doch so stark war, daß kein von Menschen geführter Schlag sie
zertrümmern konnte. Im Innern der Helme waren kleine Fernsehapparate angebracht, die durch Wärmestrahlen eine Sicht auch dann ermöglichten, wenn andere dank der Dunkelbomben in völliger Finsternis waren. Die von Impulswellen getriebenen Schiffe erreichten ihren Standort nach zwei Stunden. Zwei Millionen Meilen von Dar-tan entfernt hielten sie an, und Mart Toral hatte eine letzte Besprechung mit Aarn. Dann verließ das kleine Schiff seinen Begleiter, und der Zerstörer nahm unverzüglich seine Arbeit auf. Ungeheure Magnet- und Elektrofelder begannen ihre unregelmäßigen Schwingungen. In jedem Fort auf Dar-tan beobachtete man die Instrumente, deren Zeiger von einem Ende der Skala zum anderen ausschlugen und schwankten. Man stellte den Zerstörer fest, konnte aber nicht entdecken, was er trieb. Zur Sicherheit wurde eine Schlachtflotte ausgesandt. Aarns Erkunder entschwand der Sicht der Männer auf dem Zerstörer und raste mit Hunderten von Meilen pro Sekunde vorwärts. Nach einer Million Meilen war er nicht mehr zu sehen. Viel schneller als das Licht eilte er auf den Satelliten zu. Kein Radarnetz faßte ihn weil die Radiowellen nicht schneller als das Schiff selbst eilen und sein Kommen ankündigen konnten. Mit dem Einfühlungsvermögen in die Steuerung, das nur ein Jupitermensch besitzt, beobachtete Aarn die ungeheuerliche Ausdehnung des Satelliten. Bei eintausend Meilen Abstand von Dar-tan änderte er mit einem Ruck die Einstellung der Steuerorgane. Die kleine Maschine kam fast unverzüglich zum Stillstand – aber verharrte in der Interdimension! Wie es sein mußte, um diese Interdimension zu halten, war der Erkunder schneller als
das Licht; aber er flog in einem unvorstellbar weiten Kreis im Pararaum. Seine Geschwindigkeit im normalen Raum war ungefähr gleich Null. Da er aber nicht im normalen Raum war, wirkte er nicht auf das Radar ein, und es entstanden nur leichte magnetische und elektrische Störungen. Die ungeheuren Felder, die der Zerstörer erzeugte, verwischten sie. Das Schiff bewegte sich wieder vorwärts – mit Hunderten von Meilen pro Sekunde –, stoppte, fuhr wieder an und landete etwa zwanzig Fuß vom Wall des Forts entfernt! Aarn war mit einem Satz draußen. Es wurde ein magnetisches Feld aufgebaut, das in das Metall der Festung griff und ihm bei der Ankerung behilflich war. Es lag wie eine Hülle in achtzig bis hundert Fuß Entfernung um das Schiff; hier konnte Aarn sich frei bewegen. Spencer, der seine Rolle kannte, öffnete die Schleusen. Aarn ging zu seinem »tragbaren« Apparat, befestigte seine großen Arme in den dafür vorgesehenen Einschnitten und arbeitete sich unter der Last von mehr als einer Tonne Metall über den ausgelegten Laufsteg. Er trug einen Raumpanzer. Das Schiff war luftleer, so daß ihn kein Schleusenmanöver hinderte. Spencer folgte ihm mit dem leichten Transponapparat. Mit erstaunlicher Schnelle hatte Aarn ihn auf- und eingestellt, während Spencer wieder zum Schiff zurückkehrte. Er warf ein Relaisschwungrad aus und wartete. Vergebens trafen Geschosse und Strahlen den Fels am Rande des Lavafeldes. Wütend und hilflos feuerte das Fort auf das Schiff, das sich unverschämterweise an seine Füße schmiegte. Dann fegte eine Anzahl kleiner Schiffe um die Ecke der Festung. Spencer schickte einen Transponstrahl
aus dem Erkunder, der durch die von Aarn montierten gigantischen Spulen versorgt wurde. Es regnete Trümmer. Die Schiffe waren vom Typ der Ein- und ZehnmannErkunder, die als Verbindung der Vorwerke untereinander gedacht waren. Offensichtlich waren Zerstörer unterwegs, aber ihr Weg war lang. Aarn war wachsam und beschäftigt. Plötzlich begann der Transponstrahlprojektor seine Arbeit: Er zapfte Strom vom Schiff ab, um ihn in den neuen Apparat zu leiten. Der kurze Zylinder schwang herum und richtete sich auf das Fort. Ein leicht bläulicher Strahl schoß heraus in dem kleine funkelnde Lichter schwebten. Er berührte bleistiftgroß die Mauer der Festung, und die Transpons flackerten und glühten. Dann riß eine Explosion ein handgroßes Loch in die Mauer – durch acht Fuß Metall hindurch! Ruhig rückte Aarn seinen kleinen Zylinder weiter. Der vom Strahl getroffene Fleck wurde zu einem Meer von Flammen. Eine anhaltende schreckliche Explosion sprengte und verbog die ungeheuren Metallplatten und riß sie auf wie verbrauchte Feuerwerkskörper. In fünfundvierzig Sekunden schwang ein zehn Fuß großer Zapfen verbrannten Metalls heftig zur Seite, rollte vor einem schrecklichen Druck nach außen strömender Luft einher. Aarn stellte den Strom ab, klammerte sich an seinen verankerten Projektor und wartete. Nach wenigen Sekunden hörte die Strömung auf. Aarn stellte fest, daß sein Strahl auch die innere Mauer der nächsten Schicht Räume erreicht hatte. Er trat ein und fand sich – wie erwartet – in dem Raum, der direkt neben dem Observatorium-Katalograum lag. Eine Tür verband diese beiden Räume, aber sie hatte sich automatisch geschlossen,
als die Luft herausdrängte. Aarn zog die beiden Handwaffen aus seinen Taschen und befestigte sie an den Schlössern, die auf dieser Seite nutzlos waren. Ein Strom schwach sichtbarer blauer Kugeln drängte aus der einen Waffe hervor; eine Reihe schwachroter Funken flog aus dem Zwillingslauf der anderen. Und auf der Metalltür erschien ein weißglühender Ring, der wuchs und in Funken explodierte, als das Metall durchgeschmolzen war. Aarn verschob seinen Zielpunkt, die geschmolzene Stelle bewegte sich, und schließlich erreichte sie die Klinke. Die Tür flog auf. Ein neuer Windstoß schoß heraus. Aarn ging vorsichtig weiter. Plötzlich drangen zehn mit Raumpanzern bekleidete Seeset auf ihn ein. Ihre Sharls flammten, als sie ihn sahen, und in Sekundenschnelle wurde Aarn zu einem wandelnden Turm strudelnder, zischender Flammen. Die Ionen der Sharls wurden von seiner eigenen magnetischen Feldsphäre gefangen. Er feuerte mit beiden Waffen, und der Weg wurde in einer Hölle explodierenden Feuers frei. Aarn ging eilig in den Observatoriumsraum. Er wußte, daß die Seeset Schwierigkeiten haben würden, den Raum zu betreten, weil die automatischen Schlösser den Eintritt verwehren würden, bis der Luftdruck zu beiden Seiten gleich war. Zweimal machte er den Weg bis zu den schweren dicken Büchern, bis er bei der Rückkehr eine große Anzahl Seeset aus einer gesprengten Tür dringen sah. Zwei von ihnen rollten eine leichte Feldkanone zwischen sich, und als Aarn erschien, brachte ihn eine Explosion roten heißen Metalls zu Fall. Es war ein Supermaschinengewehr, das Einzollgeschosse abfeuerte. Die strudelnden Sharlionen
blendeten Aarn, und so feuerte er blindlings in die Seeset hinein und beobachtete, wie die Ionen sich allmählich verringerten, als der Strom seiner magnetischen Bomben sie hinwegsaugte. Der Metallhagel ging weiter, bis ihm eine heftige Explosion, die selbst im Semivakuum zu hören war, ankündigte, daß er ein gut Teil aufgeholt hatte. Jetzt konnte er seine Feinde undeutlich erkennen und besser zielen. Es wurden weniger und weniger, und als die magnetischen Bomben mehr und mehr der glühenden blendenden Ionen wegfegten, war es ihm möglich, den Raum zu verlassen. Wieder ging er vorwärts. Noch zweimal den gleichen Weg, dann waren die restlichen Bücher in seinem Schiff verstaut. Die Räume, die Aarn sich erkämpft hatte, waren von den Seeset nicht mehr betreten worden. Am nahen Horizont aber tauchte eine Zerstörerflotte auf, gerade in dem Moment, als er die letzte Last Bücher ablegte. Die gedrungene Mündung seines Projektors richtete sich aufwärts, und die ganze Kraft seines peitschenden Strahls wehte um das Führerschiff. Fast gleichzeitig explodierte ein Zerstörer mit unfaßbarer Heftigkeit. Weitere drei folgten. Die restlichen vier wendeten und flohen eilig. Aarn schaute um sich und brachte den Transponapparat in das Erkundungsschiff. Dann sandte er eine Flut magnetischer Bomben aus, die die massige Strahlkanone in Trümmer verwandelte. Das Erkundungsschiff schoß aufwärts und verschwand. In wenig mehr als zwei Sekunden erschien es neben dem Zerstörer – zwei Millionen Meilen von Dar-tan entfernt. Irgendwo hinter ihnen versuchten tödliche Strahlen wütend, das unverschämte kleine Schiff einzuholen. Aber
vergeblich. »Es war ein Jammer«, seufzte Aarn, »daß ich den Projektor opfern mußte, aber es ging einfach nicht anders. Es blieb mir nicht genug Zeit, ihn vor dem Herankommen der Schlachtschiffe in Sicherheit zu bringen, und die Schiffe waren zu mächtig, als daß man ihnen mit dem kleinen Ding hätte zu Leibe gehen können.« »Was, zum Teufel, war es denn nur? Es hat das Fort aufgerissen, als ob es eine Sardinenbüchse wäre.« »Stahlexplosion – Superkrümler – wie du es nur nennen willst. Kurz gesagt, es vollbringt die sehr wünschenswerte Tat, die Kohäsionskräfte der Atome in Stahl wirkungslos zu machen. Es wandelt Stahl zu einem Gas um – mit einem Druck von vierzigtausend Atmosphären –, und es gibt nichts, was ihm Einhalt gebieten könnte. Ich gebe zu, daß die Schaffung eines plötzlichen Drucks solcher Größenordnung gewissermaßen beunruhigend ist!« »Geliebte Satelliten! Und ob!« Minuten später rasten Zerstörer und Erkunder mit der höchsten Geschwindigkeit auf Cornal zu.
8
»Das einzige, direkte Ergebnis unserer Expedition wird ein weiterer Angriff der Seeset sein«, sagte Spencer kläglich. »Kann man ihnen das verübeln?« lächelte Aarn. »Ist doch recht ärgerlich, wenn ein schlachtschiffsicheres Fort von einem kleinen Erkunder in Stücke gerissen wird.« »Na, ich muß schon sagen, ich habe genug davon, dieses Laboratorium noch mal in eine Schlacht mitzuschleppen. Zudem haben wir doch wohl auch alles, was wir damit
erreichen wollten, erreicht.« Die Sunbeam paßte nicht in die tornanische Flotte. Diesesmal sollten die beiden Flotten nur zehn Millionen Meilen von Cornal entfernt aufeinanderstoßen. Die Argumentation der Tornaner war logisch. Ihre Schiffe waren jetzt an Geschwindigkeit weit überlegen – soweit sie mit Impulsantrieb ausgestattet waren. Aber sie hatten nur fünfzehn derart ausgerüstete Schlachtschiffe. Das Hohe Kommando hatte beschlossen, zu warten, bis die zornig angreifenden Seeset in Schlagweite von Cornal und weit von Darak entfernt wären, ehe die Schlacht anfangen sollte. Diesesmal sollten sich keine Schiffe von Darak retten können! »Die Erkunder fangen an«, sagte Carlisle. Eine Wolke winziger Erkunderschiffe, die von der Sunbeam aus kaum zu sehen waren, flog zum Angriff, dem Scharmützel vor der Schlacht. »Die tornanischen Schiffe sind weit überlegen, nicht?« »Das ist die Frage«, seufzte Mart Toral. »Die Seeset haben auch etwas. Wir wissen noch nicht genau, was. Dann haben sie den tödlichen Ultrastrahl jetzt sogar auf ihren kleinen Schiffen.« Wie auf ein Signal hin brach die ganze Wolke kleiner Schiffe plötzlich in ein heftig flammendes Licht aus. Transponstrahlen stürzten sich wütend gegen die Seesetschiffe und wurden mit einem kaum erträglichen Licht beantwortet. Alle Erkunder waren schnell, beweglich und kraftvoll. Aber für diesen Konflikt waren und konnten sie nicht schnell genug sein. Und da sie so klein waren, konnten sie unmöglich gepanzert werden. Zwei über der
Kontrolltafel angebrachte Lautsprecher begannen gleichzeitig zu dröhnen. Das Geplänkel der Erkunder hatte keinen Sinn. Die Kommandanten riefen ihre Schiffe zurück. Zum ersten Male sollte es weder für die Tornaner noch für die Seeset eine Erkunderflotte geben. Die Zerstörer versuchten es gar nicht erst, eine Schlacht zu beginnen; sie hatten gegenseitig den größten Respekt voreinander. Schnell bildeten die Flotten ihre Formationen neu; Kreuzer, Zerstörer und alle kleineren Schiffe wichen zurück und überließen es den Schlachtschiffen, den Anprall des Kampfes auszuhalten. Tödliche Waffen gegen nahezu unverletzbare Panzerplatten! Die tornanische Flotte bildete jetzt anstatt der Halbkugelformation einen großen Ring, und hinter dem Zentrum befand sich ein Keil von zwanzig Schiffen. Vorsichtig und langsam näherten sich die beiden Flotten einander. Auf einmal stürzten die zwanzig tornanischen Schiffe mit einer Geschwindigkeit von fast zwanzig Meilen pro Sekunde aus dem Keil vorwärts. Unverzüglich konzentrierte sich der Antiimpuls der Seeset auf die heranstürmenden Schiffe, und diese wurden in großen Kaskaden blauer Flammen abgedrängt, als titanenhafte Impulsantriebe – zu einer Einheit gepreßt – sie zur Seite schleuderten. In zwölf Sekunden hatte sich die tornanische Flotte geordnet und zielte mit tödlicher Genauigkeit auf die mit Lichtprojektoren ausgerüsteten Seesetschiffe. Auch jetzt waren diese noch nicht alle damit versehen, aber trotzdem griffen sie nun ihrerseits an. Die Seeset hatten aus dem Angriff der Sunbeam gelernt. Die Projektoren explodierten nicht mehr so leicht. Der seltsame Kraftspiegel kam aus der Wand des Schiffes
hervor, bedeckte sie in einem Umkreis von fünfzehn Fuß und drehte selbst die Transponstrahlen ab. Aber auch die Tornaner hatten gelernt. Ihre zwanzig Schiffe hatten einen seltsamen Bug. Eine Schicht aus einer metallischen Verbindung mit großer fotoelektrischer Kraft und einem günstigen Schmelzpunkt war den Strahlen und dem Angriff direkt ausgesetzt. Was nicht abgelenkt werden konnte, konnte absorbiert werden. Das ultraviolette Licht wurde in Strom verwandelt und wandte sich gegen die angreifenden Schiffe zurück. Minute für Minute rasten die beiden Streitkräfte gegeneinander. Ein Sharltorpedo verursachte das erste Verhängnis. Irgendwie unterminierte er den großen schützenden Spiegel eines Seesetschiffes über dem Projektor der ultravioletten Strahlen. Im Nu explodierte der Spiegel zu einem Nichts, die große Bughaube war zertrümmert, und ein titanischer Transponstrahl durchbrach mit mörderischer Zerstörungskraft Wand um Wand im Innern des Schiffes. Die Seeset wendeten, stürzten seitwärts und rückwärts. Vier weitere Schiffe vereinten sich, um ihren Rückzug zu decken und um ihrerseits den Angreifer zu attackieren. Der fotoelektrische Schutz war nicht unbegrenzt wirksam und begann sich langsam zu erschöpfen. Die hinter ihm liegende Panzerung begann weich zu werden, gab nach – und löste sich auf. Nicht nur eines, alle tornanischen Schiffe wurden schwächer. Den Seeset ging es kaum besser. »Bald wird eine vollständige Streitmacht versagen«, bemerkte Aarn. »Sie haben eine Waffe in Reserve«, sagte Mart Toral eilig.
»Ist sie denn fertig? Das weißt du nicht.« »Sie haben angegriffen!« »Aber...« Aarn hielt ein. Die Frage war schon beantwortet. Zwei der Seesetschiffe gebrauchten eine neue Waffe. Etwas, das auf die Entfernung aussah wie eine grüne im Raum schwebende Wolke. Sie schwebte schnell und direkt auf die tornanischen Schiffe zu. Und während dieses Vorganges saugte sie die Transpons auf! »Jetzt sind wir dran!« stieß Aarn aus. Die Sunbeam schoß vorwärts. Die Kampffront wurde größer und entschwand ihrem Gesichtskreis. Die tornanischen Schiffe änderten ihre Position, als das kleine Schiff in sie hineinflog. Die Sunbeam war unsichtbar; aber beide Parteien wußten daß sie da war. Die tornanische Flotte warf ihren Impulswellenschild um sie, um ihr zu helfen. Die Sunbeam machte eine kleine Pause, während sie vor den Antiimpulsstrahlen durch die vereinigte tornanische Flotte geschützt war. Eine Anzahl magnetischer Bomben erregte unliebsame Aufmerksamkeit, als sie sich gegen das nächste Schiff wandten und ungeheuerliche Energien große Metallteile aus dem Schiffsbug herausdrehten und herausrissen. Mit Hilfe der Transponstrahlen der anderen Schiffe drangen sie geschwind ein; dann berührte ein Transponstrahl leicht den Projektor, und mit einem Schlag war es dunkel. Etwas Grünes, Halbkugelförmiges schwebte leicht gegen die Sunbeam. Spencer warf diesem Ding eine dumpfrote magnetische Bombe entgegen. An einem Ausbruch flammendroter Energie explodierte die Bombe – und wurde sanft von der grünen Halbkugel eingehüllt, die nun zu einer Kugel wurde. Allmählich verblaßte das grüne Ding und
verschwand. Aarn wies hinaus. Eine lange Reihe dieser grünen Dinger schwebte ihnen mit täuschender Langsamkeit entgegen. Ein Transponstrahl schoß aus dem Schiff. Und wieder warf sich den grünen Dingern flammende Energie entgegen und wurde fast unmerklich von ihnen aufgezehrt, wie auch das Schiff von ihnen aufgezehrt wurde. Es schien sich schneller zu bewegen, von der Energie des Strahles angezogen. Aarn hielt an. Die grünen Dinger kamen ständig näher. Ein schrecklicher Regen magnetischer, elektrischer und Schwerkraftbomben warf sich ihnen entgegen, als Spencer sich schnell ans Werk machte. Aarn war mit dem Ablesen seiner Instrumente beschäftigt. Er runzelte die Stirn und schien nicht mehr zu sehen, was sich draußen ereignete. »Sie sind in den Impulswellenschutz der Flotte eingedrungen«, verkündete er. »Verdammt noch mal, sie haben ein Loch hineingerissen!« »Was?« »Teufel! Halt sie zurück, gefälligst!« sagte Aarn und schaute auf. »Sie sind in der magnetischen Sphäre!« »Ich kann nichts tun, Aarn. Wenn einer zerstört ist, scheint er eine Lücke zurückzulassen, in die sofort ein anderer einrücken kann. Und nicht mal eine Schwerkraftbombe kann in diese Lücke eindringen – sie wird einfach im gleichen Moment zurückgeworfen!« »Sie sind in die magnetische Sphäre eingedrungen und fressen sich durch! Wir müssen weg hier!« Aarns Finger flogen über die Steuerungstafel. Die Sunbeam bewegte sich nicht! »Sie haben sich in dem magnetischen Feld verstrickt und halten uns so fest wie ein Anker. Wenn ich das Magnetfeld
abstelle, sind wir frei.« »Wenn du das Magnetfeld abstellst«, bemerkte Spencer ruhig, »wird uns das augenblickliche materialzerstörende Bombardement in etwa fünf Sekunden in unsere Einzelteile zerlegen. Wir müssen um Hilfe rufen.« Etwa eine halbe Meile entfernt hatte ein großes tornanisches Schlachtschiff einen Sieg errungen. Sein Feind floh mit einem zertrümmerten Bug. Mart Toral ergriff das Mikrophon, in das er schnell hineinsprach. Der mächtige Sender der Sunbeam wandte sich über den Kampfplatz hinweg und erhielt Antwort aus den Tiefen des großen Schlachtschiffes. Unverzüglich bewegte es sich seitwärts auf das kleine unsichtbare Schiff zu, legte sich vor die Sunbeam um sie abzuschirmen. Aarn unterbrach sein magnetisches Feld kurz und versuchte die Sunbeam rückwärts abtreiben zu lassen. Sie bewegte sich nicht. »Die halten das verdammte Ding jetzt auf seinem Platz!« sagte er resignierend. Mart Toral signalisierte weiter. Ein anderes Seesetschiff war aufgerissen worden, und damit war wieder ein tornanisches Schiff frei. Weiter unten aber wurde ein tornanisches Schiff geschützt, als es in den Hintergrund abdrehte. Die grüne Stange der Raumtassen hatte sich der Sunbeam genähert. Aarn erhob sich und zog schnell einen Raumpanzer an. Spencer folgte seinem Beispiel, und in wenigen Sekunden hatten sich alle umgezogen. Mart Toral sprach immer noch in sein Mikrophon. Sofort drehten zwei tornanische Schlachtschiffe ab. Aus dem ersten Schiff schoß plötzlich etwas Kleines und Dunkles heraus, das mit unglaublicher Geschwindigkeit bis auf etwa hundert Fuß neben die Sunbeam raste. Dann ertönte ein Zischen in der
Luft, dem ein Dröhnen folgte. Der Klang der Transpons der Sunbeam erstarb in einem Vakuum. Plötzlich war ein abgerundetes grünes Etwas zu sehen, das mit stetiger Gefräßigkeit die Steuerungstafel des unterlegenen Schiffes vertilgte. Seine dumpfe grüne Oberfläche pulsierte langsam, als es durch weitere grüne Raumtassen verstärkt wurde. Schnell stopfte Aarn eine Anzahl von Dingen in seine Tasche, als er den Korridor hinunter auf die Schleuse zueilte. Spencer hatte sie schon geöffnet, als er ankam. Carlisle war der letzte. Er stolperte plötzlich, als die künstliche Schwerkraft der Sunbeam versagte, mit doppelter Kraft wiederkehrte und dann völlig aussetzte. »Magnetische Sphäre mit voller Stärke.« Die Stromanlagen in den Räumen dröhnten mit aller Kraft, und vier schwere Gestalten eilten aus der Schleuse der Sunbeam heraus. Zehn Sekunden später standen sie in der Schleuse des kleinen Schiffes, das sie befreit hatte. Nach dreißig weiteren Sekunden landeten sie in einem Schlachtkreuzer. Ihr Befreier brachte sie schnell zu einem Sehschirm, stellte ihn ein, und sie sahen, daß der Bug der Sunbeam verschwunden und die Sunbeam selbst nur noch eine seltsam gerundete, formlose grüne Masse war. »Das war ein sehr teures Schiff für die Seeset!« sagte Aarn. Ein Bote in Uniform erschien. »Der Kommandant bittet um die Ehre, euch auf der Kommandobrücke zu sehen«, sagte er respektvoll. Die Gesellschaft bewegte sich zu dem Aufzug. Eine Anzahl Offiziere saß vor den verschiedenen Melde- und Sehschirmen. Der Kommandant begrüßte sie
und wies hinaus. Die Seesetschiffe zogen sich allmählich zurück. Die äußere, zweite Schlacht ging zu Ende. »Wieder mal ein unentschiedenes Spiel, fürchte ich. Wir haben mehr Schiffe zerstört als umgekehrt – aber wir können ihre neue Waffe nicht bekämpfen. Sie frißt sich ihren Weg überall hindurch.« »Im Moment noch«, sagte Aarn. »Aber nicht mehr lange.« »So hast du Hoffnung, dem Einhalt zu gebieten?« »Ich habe eine Analyse der Bestandteile ihrer neuen Waffe. Meine Notizbücher und Berechnungsstreifen habe ich bei mir«, erwiderte Aarn und zog die Bücher aus der Tasche seines Raumpanzers. »Im Augenblick: ein Unentschieden. Aber das nächstemal: Niederlage für die Seeset!«
9
»Es ist wirklich ein wunderschönes Schiff«, stimmte Aarn zu »aber das heißt nicht, daß ich froh wäre, die Sunbeam verloren zu haben.« Mart Toral schaute sich in dem großen Stromraum des fast vollendeten Schiffes um. Trotz der mächtigen Apparate war noch viel Platz vorhanden, ebenso in dem zweiten Stromraum. Er wußte, daß Aarn Platz frei ließ für zusätzliche Geräte, die noch konstruiert und dann montiert werden würden. Die Sunbeam war schnell allzu vollgestopft gewesen, da man immer mehr Anlagen installiert hatte. Dieses Schiff hier, ein regelrechter Kreuzer, hatte genügend Raum. »Wie willst du das Schiff nennen?« fragte er plötzlich.
Aarn schaute auf Spencer und Carlisle. »Ich hatte vor, es ›Sunbeam II‹ zu nennen«, antwortete er, »aber vielleicht tue ich's doch nicht. Laß mich mal überlegen! Wie wär's mit ›Nova‹? Zu Ehren von Torka, die eine Nova werden soll.« »In Ordnung!« rief Carlisle aus. Die Nova wurde nicht offiziell getauft; denn aus der Arbeitshöhle kam ein plötzlicher Alarm, der Aarn selbst anging. Ein Summerzeichen zeigte an, daß er in Höhle III, wo die Kreuzer gebaut wurden, dringend gebraucht wurde. »Schwierigkeiten!« seufzte er. Einen Augenblick lang stand er bewegungslos, dann grinste er breit. »Die Nova startet!« Schnell eilte er zu der Steuerungstafel im Kontrollraum. Mit plötzlichem tosendem Dröhnen wurden die großen Transpons des neuen Schiffes lebendig. Die vollendete Stromapparatur der Nova begann ihre Tätigkeit. Innerhalb fünfzehn Sekunden schlug das Herz des Kreuzers. Die geladenen Aggregatspulen wurden mit dem zweiten Netz der Transponstrahlen verbunden, und das Schiff war startbereit. Aarn ging in den Hauptstromraum, wo schon Spencer und Carlisle waren, und auch Mart Toral folgte. In Sekunden waren die Schirme erleuchtet, die Wände der Höhle bewegten sich, so daß der große Korridor direkt vor ihnen lag. Der Korridor war in ein grünes Licht getaucht, das die Leuchtröhren in der Decke überstrahlte. Aus Höhle III schlug die Strahlung grün, bösartig und stark heraus. Aarn drehte das Schiff in die gähnende Öffnung und stieß einen
verhaltenen Ruf der Überraschung aus. Drei Kreuzer wurden neu gebaut, drei andere repariert. Der nächstliegende der neuen Kreuzer war erst ein halbfertiger Rumpf. An seiner Seite aber lag ein zerbrochener Ladekran, eine Masse zersplitterten Metalls, die in grünem Feuer glühte. Etwas Wehendes, beinahe kalt Leuchtendes – eine schreckliche grüne Strahlung, die Hitze entfachte – strömte heraus, ein Grün, das mit glänzendem Blau und dumpfem Rot untermischt und an einzelnen Stellen mit dunklen, mattglühenden roten Flecken von heißem Metall bedeckt war. »Was ist denn passiert?« schrie eine Stimme aus der N o v a . Tausend Gehirne antworteten in einem Durcheinander von Erwiderungen, die sich um drei wesentliche Tatsachen rankten. Ein Ladekran war zerbrochen. Durch sein Versagen war ein Atomgenerator von fünfhundert Tonnen auf den felsigen Boden gefallen, das grüne Feuer war plötzlich ausgebrochen, und jeder Mann hatte Deckung gesucht. Einigen war das aber nicht gelungen, und andere, denen es gelungen war, schlugen in grauenvollen Schmerzen um sich. »Gammastrahlung!« rief Aarn. »Geht hinter die Resistiumplatten, hinter Atomgeneratoren oder sucht Schutz hinter den Kreuzern!« Aarn beschäftigte sich mit seinen Instrumenten. Allmählich erschien ein Ausdruck intensiven Interesses auf seinem Gesicht. »Du liebe Milchstraße! Da haben wir aber einen Fund getan! Glückszufall – unerhörtes, kaum zu fassendes Glück! Fortuna ist uns einmal gut gesinnt!« »Gut gesinnt?« Mart Toral schluckte. »Gut? Wenn ein halbes Hundert Männer tot oder im Sterben liegt?«
»Ja – gut gesinnt! Schau her, Freund, schau her und denke mal nach.« Aarn zeigte auf eine Tafel mit Instrumenten, die Mart Toral so wenig sagten wie ein englisch gedrucktes Buch. »Kannst du das abstoppen?« fragte Mart Toral, der an das Praktische dachte. »Oh – stoppen. Natürlich – ich glaube wenigstens, daß ich es kann. Laß sehen – Wasser – nein – Sand – nein...« »Es ist also nicht einfach ein Feuer, das du mit Wasser oder Sand löschen kannst?« fragte Spencer in tiefem Erstaunen. »Ja und nein.« Aarn grinste und wandte sich energisch seinen Steuerungen zu. »Es könnte durch Wasser gelöscht werden, wenn das Wasser Wasser bliebe, und Sand würde es löschen, wenn er schmelzen würde. Ich habe etwas Besseres...« Die Nova flog durch die Gänge zurück. Aarn steuerte die schwere Masse des Schiffes mit sicherem und gewandtem Griff. Es wurde an seinen Liegeplatz zurückgebracht, wo die großen Resistiumhochöfen und der Generator für schweres Wasser sowie die Berylliumhochöfen und der Negatronextraktionsapparat aufgestellt waren. Zwei Impulstraktorstrahlen brachen hervor, und etwa zweitausend Tonnen Berylliumbarren erstanden plötzlich. Auf der anderen Seite des Platzes schwebten ein halbes Dutzend schwach leuchtender Metallbarren aus Sonnenelementen aufwärts. Die Nova bewegte sich mit ihren beiden Lasten langsam zur Höhle III zurück. Aarn steuerte sofort auf eine Stelle direkt über dem Feuer zu. Sein Schiff war vor der kurzwelligen tödlichen Strahlung durch seinen Resistiumrumpf geschützt. Zuerst ließ er
schwerfällig die glühenden Barren fallen und verstreute sie über den Höhlenboden. Der grüne Schein hatte sich vergrößert und begann schon die Wände des Kreuzers mit einer dünnen Schicht zu überziehen. Plötzlich erschien ein Hauch von Blau, der schnell über das Netzwerk aus Metall lief und das Feuer auf alles übertrug, was auf seinem Weg lag, zuerst auf eine schwere Silberleiter. Dann zerstob er in ein heftiges blendendes Violett, das sich ein Dutzend Fuß weit in der ihn umgebenden Luft verbreitete, als es auf einen schweren Platin-Stromkreisunterbrecher prallte. Aarn hob auf dem Traktorstrahl einen seiner Schwermetallbarren hoch, der beim Fallen von den anderen abgesondert worden war. Der Barren schlug einen Bogen und fiel lärmend auf den grünen Schein. Augenblicklich flammte ein so blendendes, überwältigend glänzendes Licht auf, daß das Skelett des Kreuzers zu einem Riesenschatten auf den Höhlenwänden wurde; der grüne Schein wurde verdrängt und verschwand in einem Violett. Zweitausend Tonnen Berylliumbarren überschütteten das Zentrum des grünen Scheins, und ein Transponstrahl erhitzte es zur Weißglut mitsamt den betroffenen Teilen des Kreuzers. Der Transpon verging, und auch der grüne Schein war fort! Nur die reine, blendende Hitze blieb übrig. Mart Toral stieß einen Seufzer der Erleichterung aus. »Es ist gelöscht – aber nun sage mir doch im Namen der Planeten, was es war?« »Unsere neue Waffe – neue Bomben. Welchem Zufall wir das verdanken!« »Gut. Ich nehme an, es ist eine Waffe, eine Bombenwaffe. Aber welcher Art?« fragte Spencer sanft.
»Wir suchen Informationen, keine Freudenrufe!« »Der Atomgenerator brach auf und gab ein Feld frei, das ich untersuchen muß und das auf irgendeine Weise eine langsame ›Atomfäulnis‹ in Gang brachte: Atomzerfall. Umwandlung unter Energiefreigabe. Eigenartigerweise erhält ausgerechnet diese Art des Zerfalls das Feld, das ihn verursacht. In beschränktem Maße muß in Radium etwas Ähnliches vorgehen. Der Vorgang war der, daß das Feld entstand; Wolfram und Molybdän begannen zu zerfallen, das Eisen schwächte den Vorgang ab, das Chrom hatte die Neigung, Energie zu absorbieren. Der Rest reichte aber zur Erhaltung des Feldes aus. Die silberne Flugzeugleiter geriet in Brand, und das Feuer sprang wie verrückt weiter. Platin, ein noch schwereres Element, explodierte. Jener Schwermetallbarren, den ich zum Prüfen auflegte, flammte erschreckend auf. Das leichte, stark absorbierende Beryllium schwächte und absorbierte, wodurch dem Feuer Einhalt geboten wurde. Aber – seht ihr ein, was wir mit Bomben aus diesem Material anfangen können, wenn wir Schwerelementbarren als Anfangstreibstoff nehmen in Verbindung mit einer Explosionsladung, die das Ganze streuen soll?« »Die Antwort auf die grünen Raumtassen!« rief Mart Toral. »Richtig. Ich werde mich zunächst an diese Arbeit machen – und dann gehe ich an die Sternkarten, die wir erbeutet haben.«
10
Die Hochschule für Astronomie hatte an Aarns Forschungen mitgearbeitet. Eines der schwierigsten Probleme bildete die genaue Koordinierung der Daten mit Aarns eigenen Platten und mit den Richtlinien aus Cornal. Es war kein leichtes Problem die Bewegungen Dar-tans, des Nebensatelliten, auszuschließen, die genauen Datenplatten, die die Seeset gesammelt hatten, trugen aber viel zu seiner Lösung bei, nachdem sie schließlich übersetzt worden waren. Dann ergab sich die ungeheure Aufgabe, die Platten zu untersuchen, um wenigstens zwanzig Sternennebel zu finden, die sowohl der Seeset wie der Erdastronomie bekannt waren. Es bedeutete, daß sehr detaillierte Sternenkataloge sorgfältig geprüft werden mußten. Glücklicherweise waren alle wichtigen Papiere aus der Sunbeam entfernt worden, als man auf Cornal die Laboratorien einrichtete, so daß keine wichtigen Tafeln verlorengegangen waren. Astronomiestudenten der höheren Semester übernahmen den größten Teil dieser mühsamen und zeitraubenden Aufgabe. Nachdem Teilidentifizierungen fertig waren, setzten sich die Doktoren an die Arbeit. Schließlich mußten genaue Messungen vorgenommen werden. Dann kam das fast noch schwierigere Problem der mathematischen Rückverfolgung bis zur Erde an die Reihe und am Ende das Problem, Berechnungen anzustellen, um die Lage der Erde von Cornal aus zu bestimmen. Während dieser Zeit montierte Aarn einen kompletten Apparat zum Abwurf von grünen Atomzerfallbomben in der Nova; jede Einzelheit des Schiffes war fertiggestellt. Es
war mit Vorräten versorgt und für die Sonnenmenschen »häuslich« eingerichtet worden. Aarn hatte es sechs Stunden täglich ganz und gar für sich allein. Er wollte eine »anständige« Schwerkraft haben – und bei einer künstlichen Schwerkraft die das Zweieinhalbfache derjenigen der Erde war, führte Aarn hier seine Laboratoriumsarbeiten durch. »Anscheinend planst du für das nächste Mal eine richtige Schlacht«, sagte Spencer und lächelte. »Die nächste Schlacht«, sagte Aarn ernst, »wird von ausschlaggebender und endgültiger Entscheidung sein. Diesesmal haben die Tornaner eine ganze Schlachtflotte, die vollkommen in der Lage ist, die Seeset an Schnelligkeit zu übertreffen.« »Wann wird die Schlacht beginnen?« »Die Tornaner haben die Absicht, diesesmal den Anfang zu machen – in genau ein und einer halben Woche.« Die eineinhalb Wochen vergingen langsam. Die letzten Vorbereitungen an der Schlachtflotte waren beendet. Vorräte waren eingelagert, die Atomzerfallgeschosse, mit denen jedes Schiff ausgestattet war, waren eingesetzt. In gedrängter Formation erhob sich die tornanische Flotte und mit ihr, im Kreuzergeschwader, flog die Nova. Ihre Mannschaft bestand aus sechs Personen, denn Mart Toral war wieder bei ihnen. Jedes Schiff hatte Impulsantrieb und hätte die Fahrt in wenigen Stunden machen können; aber sie flogen in langsamem Tempo, so daß sie fast fünf Tage brauchten. Die Seesetstreitkräfte sollten Zeit haben, sich zu sammeln. Die Seeset sammelten sich aber nicht. Das tornanische
Kommando beobachtete mehr und mehr beunruhigt seine Schirme und Teleskope. Die Seesetwerkstätten waren voller Leute; das hastige Arbeiten dauerte fort – aber die Seesetflotte blieb am Boden, ausgenommen eine Patrouille, die kaum fünftausend Meilen von dem Planeten entfernt war. Sie zogen vor, nicht zu kämpfen. »Es sieht so aus«, entschied Aarn, »als ob sie heute noch nicht ganz auf die Schlacht vorbereitet wären. Wollen wir nicht lieber an einem anderen Tag kommen?« »Das ist das erstemal, daß sie einen Kampf verweigern«, sagte Mart Toral voller Sorge. »Ich glaube, es ist auch das erstemal, daß ihr annehmt, ihr könntet sie völlig auslöschen.« »Es ist aber nicht das erstemal, daß sie das dachten«, meinte Spencer. »Was sollen wir nur tun? Mit jedem Aufschub nimmt ihre Stärke zu. Wir sind schon so nahe an dem Planeten wie möglich, wir müssen ja an die planetarischen Verteidigungsmittel denken. Schon haben sie eine Woche länger Zeit gehabt zur Vorbereitung als wir; wir müssen sie dazu bringen, daß sie heute kämpfen.« »Gut – also dann los!« rief Aarn. In Schlachtordnung hing die tornanische Flotte nun fast drei Millionen Meilen von Darak entfernt und wartete voller Hoffnung auf einen Angriff. Die Nova, die sich in der Mitte der Flotte befand, leuchtete weiß in ihrem Panzer. »Haben deine Investigatoren oder die Spione etwas Neues über die planetarischen Verteidigungsmittel auf Darak in Erfahrung bringen können?« fragte Aarn. »Nein – aber bedenke doch, daß sie nichts wirklich Neues nötig hatten bei ihren Ionenstrahlen in der Luft, den
Antiimpulsstrahlen und den verschiedenen Zerstörungsmitteln, die sie schon besitzen. Jener Lichtstrahl ist ein Super-Superlichtstrahl, hinter dem ein planetarisches Stromsystem steckt.« »In dem Fall«, entschied Aarn, »will ich sehen, daß ich sie hervorlocken kann.« Die Nova startete und flog schneller als Licht auf Darak zu. Aarn wollte Feindseligkeiten provozieren. Innerhalb von Sekunden tauchte die Nova durch den äußeren dünnen Bereich der Atmosphäre, bis Aarn sie plötzlich auf normale Fahrt zurückwarf. Nun befand er sich tief über einem großen Wald. Endlich – so niedrig, daß die großen Verteidigungswerke vor ihm und er vor ihnen verborgen war. Die Nova bewegte sich immer noch in einem so gewaltigen Tempo, daß kein Richtgerät ihr bei diesem verhältnismäßig schnurgeraden Weg hätte folgen können. Trotz des schützenden Einflusses des Impulswellenapparates erwärmte sich der Resistiumrumpf leicht, als sie mit fast fünfzig Meilen pro Sekunde durch die Luft brauste. Knapp eine Meile über der Planetenoberfläche ließ die Nova von ihrem sprunghaften Sturzflug ab und schoß mit fast einer halben Meile pro Sekunde über den Wald hin. Urplötzlich – so schien es – tauchte eine Stadt auf den Schirmen auf. Aarn brachte die Nova völlig zum Halten; aus ihrem Bug strömte konzentrierte Zerstörung: starke Sharltorpedos, die die Eingeweide des Planeten mit kreischendem Ultraschall zerstörten, wirbelnde Hanteln magnetischer Kraft und blauglühende elektrische Bomben sowie drei schreckliche Transponstrahlen, die an dem großen überdachten Gebiet rissen und zerrten, das die
Konstruktionsstätte beherbergte. Das Dach der Halle und die Seiten aus dünnem Metall vergingen wie Seidenpapier in einer Gebläseflamme. Die Konstruktionshalle wurde zu einem Inferno der Energien, eine bebende, dröhnende Masse kristallisierten Lärms und Lichts. Ein halbfertiger Kreuzer schwankte willenlos auf und nieder. Zwei der vier Schlachtschiffe schaukelten und schlingerten unter der Wucht des Angriffs. Die anderen zwei hoben sich leicht, drehten sich in genauer Koordinierung; ungeheure Lichtstrahlen schossen los – und verschwanden auf halbem Weg. Aarn drehte ab und verschwand, so schnell wie er gekommen war. Halb um den Planeten herum stoppte er wieder über der großen Zerstörerbasis der Seeset. Zwanzig Minuten später stieß die Nova erneut zur Flotte die vor Darak lag. Die Zerstörerbasis war auf der sich drehenden Globuskarte von Darak nichts als ein weißer Lichtpunkt. Mart Toral wandte sich mit einem kleinen erleichterten Lächeln Aarn zu. »Der Kommandant läßt sagen, daß endlich Zeichen einer Mobilisierung deutlich zu erkennen sind.« »Die Sonnenmenschen lassen sagen«, erwiderte Aarn ernsthaft, »daß, wenn dieses, was eben geschah, sie nicht mobil gemacht hat, es nichts gibt, was die Mobilisierung zuwege gebracht hätte.« Zwei Tage vergingen, bis die Seesetflotte langsam von Darak aufstieg. Viel Arbeit war in diesen zwei Tagen geleistet worden. In drei Millionen Meilen Entfernung begann das
Unternehmen. Die Erkunder und Zerstörer wurden fast sofort zurückgeworfen. Die Kreuzer kämpften eine Stunde lang – und die Seesetkreuzer wichen zurück, als die mächtigen Rümpfe der Schlachtschiffe auftauchten. Die tornanischen Kreuzer zogen sich hinter die erste Linie der tornanischen Schiffe zurück und warteten darauf, einzuspringen und die verwundete Beute zu beunruhigen. Die Nova ging mit der ersten Reihe der Schlachtschiffe vor. Sofort wurde sie das Ziel vieler Schiffe, die heftig den schnellen Überfall der Nova wettmachen wollten. Lichtstrahlen von Millionen von Pferdekräften drangen auf die Nova ein und gingen, ohne sie zu verletzen, durch sie hindurch. Plötzlich erzitterte die Nova heftig unter der wachsenden Stärke des Stahlexplosionstrahles, dann herrschte absolute Stille, als sich die großen Antiimpulsstrahlen der Seeset in sie verbissen. Die Nova war von einem Kranz blauen Feuers umgeben. Aus einem halben Dutzend von Seesetschiffen strömten Unmengen von Raumtassen heraus, die sich eifrig den tornanischen Schiffen und der Nova zuwandten. Ruckweise wurden sie abgebogen, drehten sich und strömten in vollkommen leere Stellen im Vakuum des Raumes, ergossen sich hinein und – hindurch. Verschwendet. Aus der Nova schwebte eine wunderbare violette Kugel hervor bewegte sich plötzlich unter einem Impulswellendruckstrahl und schoß dann mit unerhörter Geschwindigkeit auf das am nächsten befindliche Seesetschiff zu. Beim Anprall wurde die violette Kugel zu einem flammenden Regen, der sich schnell auf das Schiff und seine nächsten Nachbarn ergoß. Das Violett verwandelte sich in glänzende, leuchtendgrüne Feuer, die
sich verbreiteten, bis das Schlachtschiff aussah, als sei es mit grüner Farbe gestrichen. Nur die Fenster aus Quarz blieben klar. Die stählernen Verschlüsse der Luken fielen ab, weil ihre Klampen von dem Atomzerfall betroffen wurden. Heulende Granaten krachten durch die spröden Quarzfenster. Im Innern des Schiffes blieben die Männer im luftleeren Raum, ihre Raumpanzer schützten sie. Der grüne Zerfall fraß sich um die geöffneten Fenster herum, glänzende violette Flammen beleuchteten die dunkel gewordenen Steuerungsräume. Die Silberkabel und die Platinrelaiskontakte flackerten in schnellem Atomzerfall auf. An den Silberkabeln entlang breitete sich die Krankheit in den Maschinenräumen, in den Generatoren und den Akkumulatoren aus. Die Seesetschiffe benutzten gigantische Quecksilberdampfkessel, die durch Atomspaltung erhitzt wurden. Der grüne Zerfall ereilte auch sie und fraß sich durch die Stahlwände, bis sie explodierten. In knapp zwanzig Minuten war alles zu Ende. Vier Seesetschiffe waren von den Atomzerfall verbreitenden Bomben getroffen worden. Vier solcher Denkzettel waren genug. Drohend ragte ein großes Schlachtschiff aus dem Weltraum unmittelbar vor der Nova auf, es war von dem grünen Atomtod übersät, aber immer noch gefährlich. Aarn drückte auf eine Taste. Einen Moment lang geschah nichts. Dann aber spaltete sich der Bug des Schlachtschiffes, Tausende von zerbrochenen Teilchen flogen heraus und kamen glühendheiß in der magnetischen Sphäre zum Stillstand. Die Explosion pflanzte sich mit großer Geschwindigkeit über die leichteren Schotte fort, man
bemerkte eine Anzahl lautloser, stoßweiser Explosionen, die das Schlachtschiff zurückwarfen und in seiner ganzen Länge aufrissen. Plötzlich war es in violette Flammen gehüllt, die aus dem Übergreifen des Atomzerfalls auf die geplatzten Quecksilberkessel entstanden waren. »Eins für uns!« rief Aarn aus. Die Sunbeam würde gerächt werden. Aarn drehte sich um. Ein tornanisches Schiff wurde hart von einem Seeset bedrängt, der sowohl Lichtstrahl- wie Raumtassenapparatur hatte. Weiß glühte ein Loch im Bug des Tornaners. Aarn arbeitete schnell. Das Seesetschiff schwankte plötzlich unter dem schrecklichen Einfluß der Stahlexplosion. Mit einem Ruck drehte Aarn ab, als zwei tornanische Kreuzer herbeischossen, um das bedrängte Seesetschiff zu verfolgen. Die Bomben und Torpedos des tornanischen Schiffes konnten noch losgelassen werden. Ein Schlammtorpedo zerplatzte klebrig und knallte schwer in den vorderen Maschinenraum des Seesetschiffes. Aarns Transponstrahl zerrte an dem Lichtprojektor eines Seesetschiffes. Als Antwort schickte dieses einen Strom grüner Tassen aus, denen Aarn eine Ablenkungsbombe in den Weg schickte. Sie sammelten sich zu einem dicken Bündel und verschwanden. Die Nova enteilte und griff heftig von der anderen Seite an. Ein Strom von Spencers Atomzerfallbomben flammte auf und verschwand in weißglühendem Staub, als die kleinen Lichtstrahlen sie mit erstaunlicher Genauigkeit dirigierten. Ein Sharltorpedo wurde in Richtung gebracht und zermalmte den Bug des Seesetschiffes. Aarn lächelte. Spencer hielt den Feind voll beschäftigt. Carlisles Thermitbomben, Sharltorpedos und pulverige
Gasbomben machten den Seeset schwer zu schaffen. Aarn wandte sich wieder seinen komplizierten Tafeln zu, stellte sie ein und schaltete langsam eine Steuerung. Er hatte eine Idee. Gut geschützt lag tief im Herzen des Seesetschiffes der Maschinenraum. Eine Anzahl großer Akkumulatoren stand an den Wänden. Die Mitte des Raumes wurde von einer Batterie von sechs enormen Quecksilberkesseln ausgefüllt. Sie wurden sorgfältig von den Ingenieuren beobachtet; augenblicklich arbeiteten sie bei einhundertfünfzig Prozent maximal. Auf dem darüberliegenden Gitterboden stöhnten schwer die großen Turbogeneratoren. Auch sie waren überlastet. »Maschinenraum. Der Kommandant möchte wissen, ob ihr Maschinendefekt habt? Soweit er feststellen kann, geht viel Strom hinaus, aber es kommt keiner nach«, sagte eine Stimme aus dem Lautsprecher. Der Chefingenieur sah von seiner Kontrolltafel auf. Er bewegte seinen Mikrophonschalter und sprach. »Brücke. Wir arbeiten bei einhundertfünfzig Prozent Normalleistung und können darüber hinaus nichts aus den Kesseln mehr herausholen. Wie, es ist...« Er hielt inne und starrte um sich, denn mit einem fürchterlichen Brummen hatten seine Generatoren und Turbinen zu arbeiten aufgehört. Um ihn herum standen die Maschinen still, die Ventilatoren, Luftrektifikatoren und Pumpen. Und mit einem Male blies das Sicherheitsventil brüllend Quecksilberdampf ab. Gebannt beobachtete der Seesetingenieur das langsame Anschwellen der großen Gußstahlplatten, die sich mächtig dehnten. Er fragte sich,
wie lange das wohl dauern würde. Das Sicherheitsventil war geöffnet, aber es diente eigentlich nur dazu, im Notfall Quecksilberdampf abzulassen, nicht aber dazu, eines anderthalbfachen Druckes Herr zu werden. Das Atomfeuer würde noch drei Minuten brennen. Der Stahl dehnte sich so langsam, daß der Seesetingenieur sehen konnte, wie Oxyd und Farbe flockenweise absprangen. Die Männer um ihn herum schienen erstarrt. Einer hatte zum Schritt angesetzt, als wollte er sich in Sicherheit bringen. Mit einer schnell aufsprühenden Flamme zersprangen die stählernen Kesselplatten... Die Stahlwand des Schiffes barst auseinander, und das Schlachtschiff zerfiel in drei Teile, als die vorderen Maschinenräume und die beiden Kesselräume explodierten... »Der Antiimpulsstrahl kann noch mehr als nur ein ganzes Schiff zum Halten bringen«, sagte Aarn. »Ich dachte mir, daß die Kessel platzen würden.« Aarn stellte fest, daß die Seesetflotte zerstreut war und sich in wilder Flucht zurückzog. Die Schlacht hatte sich in eine Anzahl kleiner Scharmützel aufgelöst wobei auf jeden Seeset zwei tornanische Schiffe kamen. Ein langer Strom von Nachschubschiffen schlug die Richtung nach Cornal ein, durch große Mengen verbogenen und glühenden Metalls hindurch. Die Seesetschiffe wurden von den starken Impulswellentraktorstrahlen wild hin und her gezerrt. Mit Transponstrahlen wurden die gefangenen Schiffe zerstört, hier und dort auch mit dem Stahlexplosionsstrahl. Die Schlacht war zu Ende.
11
Die Werft, auf der die Nova hergestellt worden war, war immer noch ein Zentrum intensiver, gewaltiger Arbeit. Die Kreuzer und Schlachtschiffe wurden von einem Arbeitsstab repariert, wohingegen die Zerstörer und Erkunder als solche zu bestehen aufhörten. Sie wurden in eine neue Art von Nachschubschiffen verwandelt, Schiffe, die nur zwei Zoll dicke Stahlwände und ganz leichte innere Stützen hatten. Sie waren mit Impulswellen-Antriebsmotoren und mit Antischwerkraftspulen ausgestattet, so daß sie allen Anforderungen gewachsen waren. Sie waren nicht bewaffnet, doch mit riesigen Aggregatspulen versehen. Cornals Arbeitskräfte wurden einer größeren Aufgabe zugeführt. Die Hälfte der tornanischen Flotte kreuzte dauernd um Darak, gerade über den planetarischen Verteidigungen. Darak besaß wieder eine tüchtige, wendige Patrouillenflotte – aber die Mannschaft waren Tornaner. Seit der letzten Schlacht wagte auch nicht ein Seesetschiff seine Nase in den Weltraum zu stecken. Die patrouillierenden Tornaner hatten den Seeset das Leben zur Hölle gemacht; sie warfen Sharltorpedos ohne Raketen oder Triebkraft ab, die durch Antischwerkraftgeräte an einem zu schnellen Fallen gehindert wurden. Besonders auf der Nachtseite kamen einige durch. Der Erfolg war notwendigerweise armselig, aber die Seeset wußten niemals, wann die Chance den Tornanern günstig war und ein heulender, splitternder Sharltorpedo in das Herz einer Stadt geworfen wurde. Aus einer Höhe von einhunderttausend Meilen oder mehr kann ein Bombenabwurf nicht genau sein, nicht einmal, wenn
eine ganze Stadt die Zielscheibe bildet. Immerhin zerriß es die Arbeiten auf Darak. Es konnte keine neue Flotte gebaut werden. Inzwischen bereitete man sich auf Cornal für den Höhepunkt vor, den Aarn geplant hatte. Der Schrott aus der letzten Schlacht wurde zu einer neuen Flotte von Nachschub- und Frachtschiffen umgewandelt. Sie waren so groß wie Schlachtschiffe, aber weniger gepanzert. Eine ungeheure Anzahl Arbeitskräfte war damit beschäftigt, Hunderte der myryanischen Strahlensammler herzustellen und aufzubauen. Sie änderten das Gesicht ihrer Städte, indem sie Gebäude zum Teil abbrachen und die Mauern nahezu einebneten. Andere wieder installierten neuartige Schleusen, bohrten große Tunnel dicht unter der Oberfläche, und wo es möglich war, verbanden sie Stadt mit Stadt. Die Resistiumanlage stellte mit größter Geschwindigkeit das seltsame Metall her, das den benötigten Rückstrahl für die Kühlmaschinen liefern sollte. Große elektrische Werke wurden gebaut, um die neuen Spannungen zu bewältigen. Trotz allem würde man zwei Monate brauchen. Das war jedoch für diese Aufgabe eine unglaublich kurze Zeit; nur eine Welt, die seit mehr als zwei Generationen bis zum Äußersten auf Kriegsproduktion eingestellt war, konnte das vollbringen. Nach Ablauf eines Monats war die Hälfte der Arbeit getan. Auch die neue Flotte war fertig. Die künstliche vorzeitige Zündung der gewaltigen Sterneruption sollte in Angriff genommen werden. Tagelang waren die neuen Nachschubschiffe in den Weltraum hinausgeströmt nach dem entfernten Ranlor, dem Planeten Eins. Sie waren auf
der heißen Kugel gelandet und stellten im Schutz der myryanischen Sammlerstrahlen ihre Apparate auf. Schlachtschiffe hatte sie begleitet. Planet Eins war nicht groß. Er maß kaum dreitausend Meilen im Durchmesser; die neuen Nachschubschiffe, Schlachtschiffe und Kreuzer waren in kurzen Abständen auf dem Planeten gelandet. Aarns Plan war beinahe soweit vollendet, daß er durchgeführt werden konnte. Die Nova war unterwegs. Die Hoch schule für Astronomie befand sich an Bord der Cornal, bereit, die kommenden Ereignisse einer genauen Prüfung zu unterziehen. Da verursachten die Seeset eine Ablenkung. Die tornanische Patrouille, die um Darak kreiste, schickte Botschaften über eine bestehende Gefahr, Botschaften, die infolge der langsamen Wanderung des Lichts in diesem Sonnensystem mit Stunden Verspätung ankamen. »Seeset-Superschiff aus den unterirdischen Werkstätten aufgetaucht! Man berichtet, es sei von ungeheurer Größe. Fünf Schlachtschiffe konzentrieren sich auf dieses Schiff.« Wenige Minuten später: »Neues Schiff, durch Impulswellensystem getrieben! Mit magnetischer Sphäre gepanzert, die alle unsere wichtigen Waffen unwirksam macht. Auch mit Antischwerkraftgeräten ausgerüstet. Aggregatspulen-Stromspeicherungssystem ebenfalls darauf entdeckt. Schlachtschiff Thor Manti durch BleistiftKrümelstrahl zerstört. Stahlexplosionsstrahl wirkungslos. Name des Superschiffs D a r a k . Atomzerfallbomben unwirksam; vergehen fast augenblicklich. Schlachtschiff Ran Saro durch kombinierten Krümel- und Lichtstrahl vernichtet. Transponstrahlen gegen Darak unwirksam. Magnetbomben durch magnetische Sphäre abgelenkt.
Elektrische Bomben unwirksam. Schwerkraftbomben offensichtlich ohne Wirkung – explodieren im Vakuum in harmloser Weise. Traktor- und Druckstrahl gegen Impulsantrieb wirkungslos. Werden von neuartigen Bomben angegriffen. Blieben jedoch in unserer magnetischen Sphäre. Strahlen wirken in Gammaregion intensiv, dringen mit gefährlicher Wirkung durch Stahlwände – wir brennen! Ionisierung im Schiff...« Die Nachricht brach ab. Wie eine Eule schaute Aarn auf Mart Toral. »Euer Spionagenetz hat versagt«, sagte er. »Ich würde zu einem eiligen Rückzug unserer Flotte raten. Unsere Nachschubschiffe werden ein Nichts für sie bedeuten – trotzdem sollte es ihnen gelingen, sich mit ihrem Superantrieb in Sicherheit zu bringen. Ich werde in der Nova Untersuchungen anstellen. Ich glaube, ich werde unseren ›Freund‹ auf seinem Weg nach hier stellen können.« »Und die Bleistift-Krümelstrahlen?« fragte Spencer. Aarn sah ihn beinahe schmerzerfüllt an. »Mein Junge, darauf habe ich nun schon seit Monaten gewartet. Das habe ich auch. Im vergangenen Monat entwickelt! Die Abwehr dagegen habe ich schon in die Nova einbauen lassen. Keine Zeit, sie auch auf den anderen Schiffen zu installieren!« Mart Toral hatte schnell gesprochen. Die Schiffsflotte stieg schon von Ranlor auf. Aarn setzte die Nova in Gang und flog von dem Planeten ab. In geisterhaften Bildern entschwand der rote, heiße Planet, als das Schiff die Lichtgeschwindigkeit überflügelte. Auf halbem Weg fiel Aarn in normale Geschwindigkeit zurück und begann seine Untersuchungen. Etwa einhunderttausend Meilen hinter ihnen kreuzte die
Darak durch den Weltraum. Offenbar war sie ein sehr schnelles Schiff. Die Nova begann die Verfolgung. Nach etwa fünfzehn Minuten konnte man die wahre Größe der Darak bestimmen. Sie war siebentausendfünfhundert Fuß lang und hatte einen Durchmesser von achthundert Fuß. »Das ist eine ganze Flotte in einem Stück!« rief Aarn aus. Die Nova, die ohne Lichter flog, war von der Darak aus gesehen fast unsichtbar. Aarn arbeitete eine Zeitlang sorgfältig mit seinen Instrumenten und nahm sehr genaue Messungen vor. Schließlich warf er einen sehr kleinen, eigenartigen Torpedo aus. Er war ein vollständiges Raumschiff en miniature, das über eine äußerst komplizierte Reihe von Steuerungen verfügte. Es würde keinerlei Zerstörung anrichten und zudem vollkommen vernichtet werden. Jedoch nicht, so hoffte Aarn, bevor es seinen Weg durch die Schutzschirme der Darak gemacht hatte. Es traf zuerst das Antischwerefeld. Sehr empfindliche Apparate bauten ein Gegenfeld auf, das vollkommen mit demjenigen der Darak übereinstimmte, und das Schiff flog weiter. Es erreichte die magnetische Sphäre. Der Apparat analysierte sie, glich seine Steuerungen an, so daß die Felder sich aufhoben. Es traf das Impulswellenfeld. Im Nu verlangsamte es seine Geschwindigkeit und paßte sich genau der Darak an. Dann kroch es langsam weiter. So langsam, daß es das eigene Feld der Darak nicht mehr störte, als es der Lichtdruck der großen Sonne tat. Es brauchte beinahe zwanzig Minuten, bis es die Seite des Schiffsrumpfes berührte. Dann aber brach ein Strom von heißem Thermit aus, und sofort stieg aus der Wand des Riesenschiffes Dampf auf.
Auf der Nova hatte Carlisle alles sorgfältig beobachtet. Ein automatisches Gerät hatte ebenfalls Beobachtungen angestellt. Und als der glühende Dampf aufstieg, waren zwanzig spektroskopische Messungen und Fotografien gemacht worden. »Es ist eine Berylliumverbindung mit einem kleinen Prozentsatz von Kupfer, Eisen, Mangan und Vanadium, und ich glaube, etwas Aluminium, obwohl ich natürlich das mit dem Eisen und Aluminium nicht sicher sagen kann. Bei uns ist zuviel davon frei. Aber bestimmt sind da drüben mindestens neunzig Prozent Beryllium.« »Hmmm – klar, daß das den Atomzerfall hemmte. Auslöschte eigentlich! Ich glaube, der da drüben sucht uns – ja – und hat uns gefunden!« Die Darak hatte sich gedreht und verlangsamte ihre Fahrt. Auch die Nova drehte ab, blieb aber außer Reichweite. Allmählich nur ließ Aarn die Darak näher kommen. Das Seesetschiff eröffnete das Geplänkel mit seinem Lichtstrahl. Aarn zog die Augenbrauen hoch. Plötzlich hörte man das zermürbende Geflüster des Antiimpulsstrahles. Von überallher leuchteten blaue Feuer auf. »Das habe ich erwartet«, sagte Aarn. »Das stimmt völlig mit seiner Größe überein. Auch versucht er einen Strahl anzuwenden, der verschiedene kleinere Stärken hat. Na – mal sehen, wie seine Motoren sind!« Aarn bewegte sich und beobachtete kurz seine Instrumente. »Seine Ventilatoren und dergleichen habe ich zum Stillstand gebracht, aber das hat er vermutet und seine Impulswellenintensität erhöht, um meiner Arbeit gewachsen zu sein. Das wäre das. Nun wollen wir mal – he – nicht so schnell!«
Die Darak war mit Impulsantrieb ausgerüstet. Sie schoß mit erschreckender Beschleunigung auf die Nova zu. Aarn machte sich eilig an die Arbeit und hatte in wenigen Sekunden einen Haken geschlagen, um die Entfernung aufrechtzuerhalten. »Die tornanischen Schiffe hatten zwar schon einen unverstellbaren Explosionsstrahl, aber ich glaube, meiner ist besser.« Aarn arbeitete bereits mit dem Notizbuch neben sich. In etwa zehn Sekunden war es soweit; die Darak hatte unterdessen vergebens versucht, näher an die ausweichende N o v a heranzukommen. Aarn hatte nun einen Berylliumexplosionsstrahl, der neu auf die andere Kristallstruktur der Berylliumverbindung eingestellt war. Er probierte ihn aus. Sofort bebten die Instrumente heftig, und ein flammender Punkt schoß und spritzte über die Wände der Darak. »Ha – er hat tatsächlich Verteidigungsfelder! Aus! Mein Freund, die Reptilien haben wahrhaftig allerlei Verstand! Jetzt erwarte ich bald einen Explosionsstrahl!« Aarn grinste begeistert und setzte sich bequemer in seinem Sitz zurecht. Schnell verband er alle seine Aggregatspulen miteinander, und bei voller Kraft der Generatoren ließ er einen Zwillingsstrahl konzentrierter Transponkraft los. Die ganze Oberfläche der D a r a k flammte auf – aber die Energieentladung fand nicht tatsächlich auf dem Seesetschiff statt, sondern auf einer transponähnlichen Schicht, die dicht über seinen Metallwänden lag. Spencer versuchte es mit einer Serie verschiedenartiger Bomben – aber vollkommen ergebnislos. Die Darak versuchte, die Nova zu erreichen.
Die Nova hatte ihren Antiimpulsstrahl eingeschaltet, der aber bei dieser Entfernung nicht wirkte. Die Antiimpulswelle verging plötzlich, und als das Geräusch ihres Arbeitens von neuem hörbar wurde, brach auch das krachende Dröhnen der Transpons wieder aus. Die Nova taumelte unter dem Einfluß eines schrecklichen Traktorstrahles. Sie zitterte ein wenig und hielt ihm dann stand. Eine fließende violettblaue Flamme schoß schnell an ihr vorbei und verschwand in Richtung der Darak. Aarn antwortete mit einem Druckstrahl. Der Traktor wurde scharf abgelenkt. Plötzlich hörte die Nova auf, der Darak auszuweichen, und eilte mit der ganzen Kraft ihrer Impulswellen auf diese zu. In weniger als drei Sekunden standen sich beide Schiffe regungslos auf zehn Meilen Entfernung gegenüber – der tausend Fuß große Kreuzer und das ein und eine halbe Meile lange Schlachtschiff. Mit aller ihm zur Verfügung stehenden Macht setzte Aarn seinen Beryllium-Explosionsstrahl in Tätigkeit. Die Darak verteidigte sich aufflammend. Nichts ereignete sich. Eine vollständige Anordnung von Verteidigungsstrahlkegeln schützte die Darak. Aarn versuchte es mit direkter, konzentrierter Transponenergie. Es schien der Darak nichts auszumachen. Ihr Lichtstrahl drang in die Nova und ging, ohne Schaden anzurichten, durch sie hindurch. Wie am laufenden Band strömten die Raumtassen in Dutzende von Anziehungszentren, die Aarn um sich errichtet hatte; die glühenden Gammastrahlbomben schwebten auf ihn zu und verfingen sich in seiner magnetischen Sphäre – aber ihre Strahlen hielten an der Resistiumoberfläche inne.
Dann – züngelte eine gasartige Flamme hervor, die mit erschreckender Schnelligkeit die zehn Meilen Entfernung durcheilte. Offensichtlich war es ein Ionenrekombinationszentrum mit unglaublicher Hitzeentwicklung. Aarn zog sich hastig um einige hunderttausend Meilen zurück, und das gerade in dem Augenblick, als die volle gewaltige Kraft des Traktorstrahls aus naher Entfernung nach ihm greifen wollte. Schneller als das Licht entwand sich die Nova seinem Zugriff. Nach fünf Sekunden eilte die Nova wieder zum Angriff vor – diesesmal mit einer neuen Reihe von »Augen« ausgestattet, ebenso mit einer magnetischen Hülle, die besonders weit in den Weltraum hinausreichte. Die magnetische Sphäre der Darak wurde davon berührt, als sie in Stellung ging. Wieder leckten die Flammen hervor – und breiteten sich über den ganzen Weltraum aus, als die noch unverbundenen Ionen schnell auf eine Seite des Magnetfeldes abgelenkt wurden. Der Traktorstrahl packte diesesmal die Nova sofort. Die Darak wollte kein weiteres Ausweichen mehr. Als Antwort dröhnte die Nova auf, erzitterte, bewegte sich langsam auf die Darak zu und stoppte, als Aarn den Traktorstrahl mit seinem eigenen Druckstrahl ausschaltete. Wieder und wieder wich der Traktorstrahl zur Seite, wenn der Druckstrahl tätig wurde. »Periode gegenseitiger Prüfung«, freute sich Aarn. »Wir haben doch einen gewissen Ruf. Das – da ist er!« Der Krümelstrahl war in Tätigkeit getreten, ein bleistiftdünner Strahl mit schrecklicher, treibender, krümelnder Strahlung. Seine Energie war so ungeheuer, daß er als reiner Hitzestrahl gearbeitet hätte, wenn nicht die Krümeltätigkeit
die Kristalle von vornherein in Pulver verwandelte. Er spritzte, bog und wand sich, flackerte auf der Resistiumwand der Nova. Wieder war das Resistium weißglühend, widerstand aber der Temperatur. »Schön – nun dürften wir uns im klaren sein, was sie alles haben. Ich möchte nur wissen, ob sie – ja, sie haben's!« »Schwerkraftbomben!« stöhnte Spencer, als das typische Glühen der Schwerkraftenergiebomben sichtbar wurde. »Und wir haben nichts zur Abwehr!« Dem glühenden Feld der Konzentrationsenergie folgten weitere fünfzig, die auf sie zueilten, ohne auf Widerstand zu stoßen. »Falsch«, sagte Aarn, »wir haben was! Paß auf!« Die Schwerkraftbomben kamen näher – sie gelangten in das Antischwerefeld der Nova, kamen dann in das Magnetfeld – und als sie hier eintraten, krümmten sie sich augenblicklich zu einer seltsamen, verzerrten, glutlosen Masse, verlängerten sich in paradoxer Art und wurden zu magnetischen Bomben, die sich prompt in der magnetischen Sphäre auflösten. Der Bombenhagel hörte auf, als die Seeset bemerkten, wie sie harmlos verschwanden. Die Nova zog sich zurück. »Was hast du erfahren?« fragte Mart Toral ängstlich. »Dreierlei. Keines eurer Schlachtschiffe kann an die Darak 'ran. Wir können nicht zu lange hierbleiben, denn allmählich würde sie uns fertigmachen. So wie es jetzt steht, können wir ihr nicht das geringste anhaben. Keine einzige unserer regulären Waffen ist ihr gewachsen. Und doch müssen wir etwas unternehmen, und zwar schnell, weil ich Planeten gegen Asteroiden wetten möchte, daß sie
an einem weiteren solchen Schiff bauen – und wahrscheinlich dabei noch Verbesserungen anbringen. Ich wüßte da etwas – aber ich möchte es nicht anwenden. Ob sie wohl die Antischwerkraft selbst entwickelt haben, oder haben sie ein Schiff gekapert?« »Sie fingen einen Investigator ab«, gab Mart Toral zu. »Sie hatten sich darauf eingerichtet – wir wußten nicht, daß es eine Falle war. Sie hatten einen offenen Raum geschaffen, und den hatten sie insgeheim mit einem Netz von Drähten durchzogen. Sie hielten eine Konferenz darin ab. Mehrere. Wir schmuggelten einen Investigator hinein – da schalteten sie den Strom in den Drähten ein, und der ganze Mechanismus wurde völlig lahmgelegt. Wir konnten nichts dagegen tun.« »Aha – das macht es leichter. Das mußte ja früher oder später mal der Fall sein. Ich fürchtete schon, daß sie sie selbst erfunden hätten.« »Was ist denn das, was du nicht anwenden willst?« fragte Spencer. »Etwas, was ich nicht nehmen kann«, erwiderte Aarn, »weil ich nicht weiß, wie ich ihm Einhalt gebieten kann. Ich habe es ausprobiert, aber ich kann die ganze Sache nicht abstoppen. Geht durch Resistium und zerstört Metall; der myryanische Sammler macht ihm nichts aus; selbst die Unsichtbarkeit ist zwecklos. Ich kann's nicht anwenden!« Über ihnen tauchte Cornal auf. »Planetarische Transpons können aber doch dieses Monstrum zum Halten bringen.« »Was gibt es denn, das sogar Resistium zerstört?« fragte Carlisle überrascht. Aarn lächelte. »Ich habe das Ding hier in unserem Schiff angebracht«, grinste er. »Für den Notfall. Ich habe aber
nicht die leiseste Absicht, es gegen den Feind einzusetzen, und zwar aus dem einfachen Grund, weil ich von der anderen Seite her nicht mit ihm umzugehen weiß. Ich könnte jetzt sofort das Seesetschiff dort durchschneiden, als wenn es aus Käse wäre. Ich weiß, daß sie nichts haben, sich zu wehren. Aber ich will es nicht einsetzen, weil es sich vielleicht gegen uns zurückwenden würde. Wenn die Seeset ein Abwehrmittel hätten und wir nicht, könnten sie die tornanische Flotte in kürzerer Zeit auslöschen, als man zu einem Flug von Cornal nach Darak braucht.« »Geliebte Satelliten, was ist denn das?« Aarn grinste. »Ich werde euch das Ding in Tätigkeit zeigen.« Die Nova wendete und raste schneller als das Licht durch das weite Sonnensystem nach Planet Sieben, einem Stück Felsen von hundert Meilen Durchmesser, der sich Milliarden von Meilen von Torka entfernt drehte und so weit abseits lag, daß er selbst bei der großen Explosion kalt und gefroren bleiben würde. Minuten vergingen, bevor Aarn das winzige Sternchen im Weltraum gefunden hatte. Dann tauchte es auf. Ein Berg von zerklüfteten, geborstenen Felsen und geädertem Metall. »Hier will ich das Ding mal ausprobieren, denn die Seeset können uns wahrscheinlich nicht sehen, und wenn es doch so wäre, könnten sie bei dieser Entfernung keinerlei Analysen vornehmen. Aber denke daran, Mart Toral, ich werde es nicht einsetzen im Falle äußerster Not. Es ist zu gefährlich.« »Paßt auf«, sagte Aarn, »es dauert nur eineinviertel Sekunden!« Kurze Zeit stand der Schauplatz sichtbar auf den Schirmen. Dann sah man ihn nur noch in Gedanken – und
in die gesprengten Felsen geschrieben. Eine Säule von blauem, perlenartigem Licht, undurchsichtig und wirbelnd, die selbst im Weltraum zu sehen war – eine Säule von zwanzig Fuß Durchmesser, die fest aussah und sich doch wie ein Milchglaspfeiler eilig drehte, griff von der Nova aus nach dem Planetoiden. Während ein und einer halben Sekunde verlängerte sich die Säule und durchdrang dabei die Masse von Felsen und Metall, während die Nova plötzlich von dem kleinen Sternenkörper weggewirbelt zu werden schien. Dann war alles vorbei. Durch den ganzen Planetoiden war ein sauberes, leicht ovales Loch gebohrt worden. Die Seiten waren poliert und glatt und dabei doch zerklüftet und mit Kerben bedeckt. Die zerklüfteten Oberflächen waren glatt und dunkelrot glühend. Es sah nicht aus, als sei viel Energie angewandt worden. Und doch – durch den Weltraum entschwebte eine große, sich ausdehnende Säule aus Gas. »Du könntest aber doch wenigstens sagen, inwiefern das Ding gefährlicher ist für den Projektor als für das Ziel selbst. Wie bringst du es zum Entstehen, wenn du es dann nicht aufhalten kannst? Woraus ist der Projektor gemacht?« »Resistium-Flugzeugspanten«, rief Aarn scherzend, »die in weniger als einem Zehntausendstel einer Sekunde in dem Strahl verschwinden würden. Halte den Mund jetzt – ich bearbeite noch etwas anderes! Etwas, mit dem ich umgehen kann!«
12
»Hast du jetzt auch den Bleistift-Krümelstrahl? Glaubst du, daß er ihnen etwas anhaben kann?«
»Nein«, erwiderte Aarn. »Was ist deine andere Waffe? Werde ich nun etwas über ihre ganze Wirksamkeit erfahren? Ich nehme an, es ist eine Art Ionenschußwaffe.« »Endlich kommst du darauf«, grinste Aarn. »Carlisle wird mehr wissen.« »Ich sah, wie du den Wassertank montiert hast und auch das schwere Wasser. Nach den bisherigen Erfahrungen möchte ich sagen, daß du mit Neutronen arbeiten willst.« »Stimmt. Eigentlich Deuteronen. Die schweigende Kugel! Weder vom elektrischen Magneten, noch vom Schwerefeld aufzuhalten. Vom üblichen Impulswellenfeld nur leicht beeinflußbar – Felder, wie die Seesets sie haben.« »Kann sie einen Berylliumpanzer von zehn Fuß durchdringen?« fragte Spencer. »Das scheint mir eine recht schwierige Sache zu sein – und Beryllium ist ein leichtes Atom.« »Es bietet reichlich Widerstand – aber wir haben ja viel Kraft.« »Das haben sie auch«, meinte Mart Toral traurig. »Das andere Schiff, von dem du schon sprachst, ist aufgetaucht. Es ist die Torka. All unsere Schiffe sind erledigt worden, mit Ausnahme des Stromschiffes, das den Transponstrahl nach Torka selbst aufrecht erhält. Das ist nicht beschädigt worden. Es wurde nur ein einziges Mal angegriffen und richtete die volle Kraft des Haupttranspons auf die Darak. Der Transponschutz konnte nicht die ganze Energie einer Sonne fassen, und zudem strömte die gestreute Energie in allen Richtungen so schnell aus, daß die Wände glühendheiß waren, als sie sich davonmachte. Wir können
nichts tun – und sie bauen sicher eiligst mehrere solcher Schiffe. Früher oder später werden sie die Abwehrmittel des Stromschiffes stören. Dann werden wir fast ohne Strom dastehen. Unsere kleinen Fotozellen würden praktisch nutzlos sein. Wir haben jedoch alle Aggregatspulen auf dem Planeten geladen. – Wie lange brauchst du, um mit deiner Waffe fertig zu sein?« »Noch zwei Tage, denke ich. Die Arbeit ist nicht leicht. Aber – ich verspreche euch, daß ihr damit zufrieden sein werdet. Für euch – ist das eine außerordentliche Waffe.« Der Versuchstag ging zu Ende; es war der fünfte Tag seit dem Erscheinen der Darak. Die beiden Seeset hingen drohend vor Cornal. Offensichtlich warteten sie auf Verstärkung und darauf, daß sie sich zusammenschließen konnten, um den Faden zu durchschneiden, der den Strom von Torka nach Cornal fließen ließ. Selbst für diese beiden Superschiffe war es eine zu schwere Aufgabe, allein zum Angriff überzugehen. Der zweite Tag kam – und verging. Aarn war noch nicht fertig. Wenn dieser Apparat auch eiligst konstruiert wurde, so mußte es doch mit einer Sorgfalt geschehen, die eine gesicherte Handhabung von zweiundeinhalb Millionen Volt erlaubte – hinter denen noch die ganze peitschende Kraft eines angespannten Atomgenerators stand. Ein kleiner Kurzschluß – und fünfhundert Millionen Pferdestärken würden fröhlich diesen Pfad entlangeilen. An diesem Tag startete ein Nachschubschiff – für besonders hohe Geschwindigkeit gebaut – von Cornal mit einem kompletten Satz Apparate zum Aufstellen auf dem Stromsatelliten, um ihn gegen die Seesetschiffe
abwehrfähig zu machen. Dieser Stromplanet glich einem voll ausgerüsteten Schlachtschiff, abgesehen von Aarns Neutronwaffe. Am dritten Tag war Aarn soweit. Die Nova startete von Cornal. Zehn Meilen über der Oberfläche hing sie, und Aarn beobachtete interessiert die beiden Superschiffe. »Nicht nur Schwesterschiffe«, überlegte er, »sondern siamesische Zwillinge. Irgendwie muß ich sie auseinanderbringen. Schau sie dir nur an, wie sie da hängen und uns beobachten! Wenn sie sich klar wären, daß sie unsere schwere Transponabwehr auch nicht eine Minute aushalten könnten! – Aber, wie zum Teufel, soll ich sie auseinanderbringen! Mit beiden auf einmal kann ich nicht fertig werden.« »Wahrscheinlich sind sie nicht genau gleich, Aarn. Selbst Schwesterschiffe, die nach gleichen Plänen gebaut sind, weisen immer noch kleine Unterschiede auf. Meinst du nicht, daß diesen Schiffen auch verschiedene Aufgaben zugeteilt sind?« »Ich meine«, sagte Mart Toral zögernd, »wir könnten vielleicht einen Teil der Flotte als Lockmittel benutzen, um ein Schiff abzulenken, oder sie beide so in Anspruch nehmen, daß du mit ihnen fertig werden kannst.« »Sie würden einige Tausend deiner Leute erledigen«, meinte Aarn und schüttelte den Kopf. »Zweifellos könnten wir die Schiffe in diesem Fall zerstören, aber nur mit einem Verlust von Hunderten von Menschenleben. Das ist ein Mittel, das wir nicht anwenden wollen. Ich werde zuerst die andere Waffe anwenden. Es gibt – eine – Möglichkeit – die ich versuchen könnte.« Aarn schaute gedankenvoll auf Mart Toral. Dann wandte er sich seinem Funkgerät zu,
drehte daran herum und empfing schließlich eine Folge verstümmelter Laute: Unterhaltung auf den Schlachtschiffen der Seeset. »Wirst du daraus klug?« fragte Aarn Mart Toral. »Aber sicher. Sie haben ganz offen Seethani gesprochen, seit sie diese neuen Schiffe gebaut haben. Bei den alten Schiffen gebrauchten sie einen Kode, aber jetzt kümmern sie sich nicht mehr darum«, sagte er bitter. »Einfaches Seethani – kannst du das denn sprechen?« »Ja – mit einem ganz entsetzlichen Akzent. Meine Stimmbänder sind anders als ihre, sie würden das sofort bemerken.« »Oh – das ist noch die Frage. Laß uns mal sehen!« Aarns Gesicht erhellte sich bei diesem Hoffnungsstrahl. Schnell gab er Carlisle Instruktionen. Carlisle ging in einen der Vorratsräume der Nova und kehrte mit zwei Apparaten zurück, die sie von Myrya mitgebracht hatten. Er verband sie eilig mit den Stromanschlüssen unterhalb der Steuerungstafel und installierte sie nach Aarns Anweisungen. Carlisle und Spencer legten Kopfhörer an. Die Nova stieg auf. Sie schoß durch die Atmosphäre, und in dem Augenblick, als sie durch die Heavisideschicht hindurch war, begann Aarn seine Tätigkeit. Zuerst schickte er einen mächtigen Strahl breiter Funkstörung aus. Auf jeder Wellenlänge unterhielt Aarn eine dröhnende magneto-elektrische Störung, die wie das Dröhnen und Krachen südpolarer atmosphärischer Geräusche klang. Die Seeset versuchten sofort, wieder miteinander in Verbindung zu kommen. Dann schickte Aarn eine wesentlich kräftigere, fächerförmige Störungswelle aus. Die beiden Seesetschiffe
waren vielleicht fünfzigtausend Meilen voneinander entfernt, und nun fiel der dünne Fächer direkt zwischen sie – eine überlagernde Frequenz – die ihre Verbindungen vollständig unterbrach. Mart Toral begann, in den neuen ultrastarken Sender der Nova zu sprechen. Mit leiser, undeutlicher Sprache redete er in Seethani, so verstellt und verwischt, daß es fast nicht zu erkennen war. Die atmosphärische Störung, die Aarn bewirkte, trug noch zu diesem Verwischen bei. – Majestätisch drehte die riesige Darak ab und schoß eilends auf den fernen Planeten zu, dessen Namen sie trug. Die Torka hing regungslos an ihrer alten Stelle. Innerhalb von drei Sekunden war die Darak im Weltraum nicht mehr zu erkennen. Aarn wartete noch weitere vierzig Sekunden, dann ging er gemächlich auf die Torka zu. »Darak kommt zurück«, warf Spencer ein. Mit größter Geschwindigkeit eilte die Nova nun vorwärts. In drei Sekunden war sie neben dem großen Rumpf der Torka. Ungeheure Ströme konzentrierter Energie griffen wütend das Schiff an. Der Krümelstrahl flammte blauviolett auf der Resistiumhülle, und im Innern des Schiffes flüsterten und rauschten die Antiimpulsstrahlen. Ein titanenhafter Traktorstrahl griff nach ihnen, als der Antiimpuls fast unverzüglich abstarb. An Bord der Nova dröhnten die Transpons unter dieser Belastung. Aarn saß regungslos an seinen Steuerungen und beobachtete ein kleines, neu montiertes Instrument. Der Bug der Nova zeigte direkt auf den breiten Schiffsschnabel der Torka, schwebte dabei aber langsam rückwärts. Die Lichtstrahlen der Torka blieben stehen, von Aarns
Bewegungen aufgehalten. Dann entschlüpfte der Traktorstrahl und blieb aus. Die Nova konzentrierte sich auf das letzte Achtel der gewaltigen Länge der Torka, als die Darak ins Blickfeld schoß. Aarn drehte die Nova auf die Darak zu und vergaß anscheinend die Torka, deren Strahlen weiter im Raum brannten – ohne Richtung, wild durcheinander. Mit der Wut eines Geprellten griff die Darak an. Sie war in eine Falle gegangen, ihr Kommandant wußte das jetzt und griff mit verzweifeltem Haß an. Die Spitze der Nova war auf das große Schiff gerichtet, und als die Darak ihre wilden Energien auf das kleine Schiff wendete, hing die Nova anscheinend teilnahmslos da und drehte sich langsam. Kein Strahl, keine Energie kam als Antwort. Nur ein leichter, kräuselnder Kegel glühenden Lichts durchbrach langsam die Länge des großen Schiffes, und wo er durchging, schienen die Strahlen steif und unbeweglich zu werden. Der glühende Kegel erreichte das Heck, und die Darak bewegte sich genauso teilnahmslos wie die Torka. Aarn sandte einen mächtigen Traktorstrahl nach ihr aus. Er wurde kaum abgewehrt. Kein Druckstrahl trieb ihn zur Seite, und langsam kam das Schiff von seiner wilden Flucht nach Cornal ab und drehte sich in einem Kreis, wobei seine Strahlen noch flammten. »Es ist erledigt«, sagte Aarn ruhig. »Sie sind alle tot!« sagte Mart Toral atemlos. »Das – habe ich nicht erwartet!« »Neutronen werden eigentlich nur von leichten Elementen gebremst. Beryllium hielt eine Menge ab – aber nicht genügend. Tierisches Protoplasma besteht fast
ausschließlich aus den leichtesten der Elemente, insbesondere Wasserstoff. Die hochgeschwinden Deuteronen, die ich ausschickte, wurden zum Teil durch das Beryllium aufgehalten und erzeugten Neutronen – und die Neutronen gingen weiter. Viele von ihnen drangen durch die Berylliumwände. Nur wenige gingen durch das lebende Protoplasma hindurch, das so reich an Wasser und Wasserstoff ist, aber das genügte. Der Flut der Neutronen, die wir ausschickten, konnte kein Lebewesen standhalten. Das Schiff konnte ich nicht stoppen, wohl aber die Seeset an Bord. Die Strahlen brennen vielleicht noch ein oder zwei Tage. Dann werden sie vergehen, wie auch die magnetische Sphäre und die Impulswellen. Dann können eure Schiffe sich mit ihnen befassen. In der Zwischenzeit sollte veranlaßt werden, daß einige Schlachtschiffe herkommen und sie überwachen. Ihr werdet jegliches Geheimnis der Seeset von diesen Schiffen erfahren können. Alles an Bord ist in bester Verfassung, ausgenommen die Seeset selbst.« »Wie haben die telepathischen Geräte auf die Seeset gewirkt?« fragte Mart Toral neugierig. »Du hast eine Botschaft gesendet, ihre Ohren hörten etwas; einen nicht zu erkennenden, verschwommenen Laut. Das einzige, was sie verstanden, war, daß es Seethani war, aber die telepathischen Geräte sandten ihnen gleichzeitig Instruktionen. Ihr Gehirn und ihr Ohr arbeiteten zusammen, um sie glauben zu machen, daß sie wirklich Instruktionen erhielten. Der Kommandant der Darak dachte, er empfinge eine Botschaft von patrouillierenden Schlachtkreuzern, die näher bei Darak waren. Der Kommandant der Torka glaubte, daß ihm der Kommandant der Darak befahl, zu
bleiben, wo er sei, und unser Schiff aufs Korn zu nehmen, während die Darak das andere beobachten wollte.« »Wie konntest du denn erraten, daß der Kommandant der Darak berechtigt war, der Torka den Befehl zu geben, hierzubleiben?« »Rangvorrechte! Die Torka und die Darak waren Schwesterschiffe – so kann man immerhin sagen. Dennoch konnte ich annehmen, daß der Mann, der die Darak kommandierte die Priorität besaß. Die Darak würde das Schiff des höchsten Kommandierenden sein, wahrschein lich des höchsten der ganzen Streitmacht; denn andere Schlachtschiffe waren nicht da, die meisten Schlachtschiff kommandanten getötet worden.« »Warum hast du nicht nur telepathische Geräte verwendet?« »Würdest du einem Befehl glauben, der plötzlich aus dem Nichts in deinem Gehirn auftaucht? Du würdest wissen wollen, woher er kommt. Na – tatsächlich schoß er ihm nur durch den Kopf, aber er hat geglaubt, er hörte ihn.« »Werden wir unsere Arbeit wie geplant fortführen?« fragte Mart Toral. Aarn nickte. »Und dabei Darak scharf beobachten. Ich schlage vor, ihr forscht nach, wo diese Superschlachtschiffe gebaut wurden, und sorgt dafür, daß der betreffende Platz unbewohnbar gemacht wird.«
13
Ranlor war endlich von der Flotte übermächtiger Kreuzer, Schlacht- und Nachschubschiffe umgürtet. Auch ein Transponschiff lag dort, das einen gigantischen Strahl nach
Torka unterhielt und dessen Strom mit Hunderten von kleineren Strahlen jedes der Schiffe auf Ranlor umspannte. Alle nahmen nun ihre Tätigkeit auf. Ihre gespeicherte Energie, die ganze Energie, die sie von Torka holten, sollte jetzt Verwendung finden. Langsam entwickelte sich ein ungeheures Antischwerefeld um Ranlor, und gleichzeitig verlagerte sich die Laufbahn des Planeten mehr und mehr nach Torka zu. Die Astronomen hatten reichlich mit den Berechnungen der verlagernden Kräfte zu tun, als das Schwerefeld das Gewicht des Planeten wandelte; die kombinierte Kraft der großen Schiffe drehte den kleinen Planeten gegen die Sonne, wobei die Trägheit der Kreisbewegung als Triebkraft benutzt wurde. Tag für Tag ging dieser Prozeß weiter, und Milliarden Pferdekräfte wirkten dauernd auf ihn ein. Der Planet kühlte jetzt unter dem Schutze des myryanischen Sammelstrahls, der die Schiffe sicherte, ab. Woche um Woche verging. Nach drei Wochen war die Bahn des Planeten so dirigiert worden, daß sie direkt auf das Herz der gigantischen pulsierenden Scheibe ausgerichtet war. Gleichzeitig erfuhr man aus Cornal, daß die myryanischen Strahlensammler zum Schutz der Städte aufgestellt worden waren. Für die Fertigstellung der elektrolytischen Geräte würde man noch einen Monat benötigen. Nach viereinhalb Wochen verließ die Flotte Ranlor. Die Nova mit zwei Astronomieschiffen blieb auf dem ausreißerischen Planeten zurück. Die Oberfläche glühte immer noch mit starker Hitze, und über allem ragte die überdimensionale blauweiße Flammenscheibe auf. Ranlor drehte sich nun zum ersten Male sichtbar; denn die Gezeiteneinwirkung hatte seine Axialrotation schon
lange abgeschwächt, so daß ein Jahr das gleiche für ihn bedeutete wie ein Tag. Jetzt, wo er direkt auf Torka zusteuerte, wurde seine Rotation offenbar. Unglaublich zerklüftete, rauhe Felsen der Nachtseite verlagerten sich und krachten, um schließlich in lautlose Bahnen zu fallen. Die letzten Schiffe verließen den Planeten und kehrten nach einem veränderten Cornal zurück, nach einer Welt, die darauf vorbereitet war, das Explodieren einer Sonne zu überstehen. Es war eine Welt, die voller Spannung wartete. Darak dagegen war eine kochende Masse von Seeset, die wütete und tötete. Einige Schiffe waren übriggeblieben, und um diese drehte sich der Tumult. Die Schiffe waren überbelastet und vollgepfropft worden. Die bevorzugten Seeset waren nach einem der vier winzigen Planetoiden aufgebrochen, die in ungeheuren Entfernungen von Torka kreisten. Sie hofften, daß sie dort die Katastrophe überleben würden. Mit Krümelstrahlen wurden die Planetoiden ausgehöhlt und mit einer dünnen, luftdichten Metallwand umgeben. Möglicherweise konnte ein Zehntel der Bevölkerung von Darak dort dichtgedrängt untergebracht werden. Die Platten, die Aarn in Dar-tan erbeutet hatte, waren geprüft, katalogisiert, ausgemessen und mit den Erdplatten verglichen worden. Das Problem war endgültig gelöst; man hatte Sols Standort bestimmen können. Es war ein schwacher, kaum sichtbarer G-0-Stern, der etwa dreihundert Lichtjahre entfernt war. Die Nova war klar zum Start und für ihre lange Reise beladen worden, Aarn aber verzögerte die Abreise noch, um die letzte Katastrophe abzuwarten. Mit einer Langsamkeit, die majestätisch wirkte, näherte
sich Ranlor seinem Untergang. Allmählich stieg die Temperatur. Ranlor wurde zu einer Masse kochenden, drückenden Gases. Flammen züngelten gierig nach dem Planeten und fielen zurück. Ungehindert ging Ranlor seinen Weg. Als ein dunkler Punkt gegen die unglaubliche Hitze Torkas kroch er auf seiner Bahn weiter. Zehn- – zwanzig- – fünfzig- – hunderttausend Meilen. Dann verschwand der schwarze Punkt, und ein riesenhafter Sonnenfleck erschien. Irgendwo weit darunter entzog der kalte, eisige Planet Wärmeenergie den heißen Gasen und kühlte sie auf solche niedrige Temperaturen, daß nicht nur ihre kernnahen, sondern auch ihre Außenbahnen von Elektronen besetzt wurden und sich die Röntgenstrahlung in ultraviolette wandelte. Ein furchtbarer, saugender Zusammenbruch nahm seinen Fortgang. Noch immer hielt die gewaltige Energie des Antischwerkraftfeldes Ranlor zusammen. »Dieses Feld«, sagte Aarn, »wird nicht zusammenbrechen, bis Ranlor das aktive Herz Torkas erreicht hat. Ranlor ist viel kompakter als jene Gase, und sein Impuls wird ihn hineintragen, während die Kondensierung der Sternmaterie ihn tiefer und tiefer hineintreiben wird und ihn größer und größer werden läßt. Allmählich wird sich das Feld ausbreiten, und Ranlor wird dann explodieren.« Am vierten Tag war der regelmäßige Pulsschlag Torkas verändert. Er flatterte, war rauh. Am fünften erreichte er seinen Höhepunkt, verharrte flatternd eine Zeitlang dabei, dann nahm die Strahlung wieder leicht zu. Am siebten Tag war die Geschwindigkeit dieser Zunahme ungeheuer. Man sah, wie Torka sich ausdehnte. Sie war noch glänzender
jetzt als früher, und sogar noch blauer. Sie nahm mit einer Geschwindigkeit zu, die eine gewaltige Eruption innerhalb des Sternes bedeutete. Schneller, als sich Schallwellen bewegen, sprang die Explosivkraft aus Torkas Herz heraus. Von Stunde zu Stunde konnte man die Veränderungen feststellen. Am achten Tag begann die Oberfläche die schreckliche Explosivtätigkeit anzuzeigen. Sie wölbte sich heraus, dann hob sich ihre Gesamtheit, und nur die schnelle Ausdehnung der Flammen verhütete, daß sie aufriß. Mit einer Geschwindigkeit von fast dreitausend Meilen in der Sekunde griffen die ungeheuren Flammen nach Marnol, dem Planeten Zwei. Am zehnten Tag wurde Marnol von den Flammen erfaßt, und die ganze Atmosphäre des Planeten flackerte auf. Innerhalb von fünfzehn Minuten war Marnol in ein Flammenmeer getaucht, das sich auf dreihunderttausend Meilen erstreckte und dessen Zunge fünfzigtausend Meilen hoch war. Die Flammen beugten sich, brachen von Torka los und schlossen Marnol ein. Zwölf Stunden später schossen neue Flammen nach Marnol, und der Planet fiel seitlich auf Torka zu. Zwei Tage später wichen die Flammen, die noch größer waren als beim ersten Male, nach Torka zurück. Marnol war verschwunden, er war nur mehr ein Teil der strömenden Materie, die auf die schnell sich erweiternde Torka zurückfiel. Die Oberfläche hatte die frühere Bahn von Ranlor erreicht. Darak war ein toter Planet. Ein dünner Nebel umkreiste ihn noch, ein Nebel, der aus den verschwundenen Meeren, die heiß auf den erhitzten Felsen kochten, entstanden war.
Der Boden rauchte, als sein Humus oxydierte. Es gab keinen Regen, nur die ungeheure, stetige Verdunstung der Meere. Schwere Stürme peitschten die dampfende Oberfläche. Als die stürmenden Winde und die großen, wirbelnden Wolken, aus dem Dampf der sterbenden Meere von Cornal entstanden, die Sicht von dem Planeten aus unmöglich machten, hatte der Rauch an der Äquatorlinie aufgehört. An seiner Stelle erschien ein schwaches Glühen. Wenig außerhalb der alten Bahn von Ranlor hörte Torkas Erweiterung auf. Dann wurde es heißer und heißer. Die schnelle Ausdehnung hatte sich zu einem fast gelblichen Zustand abgekühlt. Dann erhitzte sich Torka wieder zu einer bläulichen Farbe als Folge der furchtbaren Kräfte, die sich tief im Innern auszugleichen versuchten. Als Aarn sich zur Abfahrt entschloß, waren Cornals Meere verschwunden. Das Experiment war in sein Endstadium eingetreten. Torka würde so auf Jahre hinaus brennen, um dann schließlich in einen neuen und stabilen Zustand zu gelangen. »Deine Kühlungssysteme arbeiten großartig«, sagte er zu Mart Toral, »ihr werdet das Leben erträglich finden – weitaus erträglicher als bei den dauernden Angriffen der Seeset. Jedenfalls, ihr wißt, woran ihr seid. Ich habe eine andere Pflicht zu erfüllen – ich muß nach Hause fahren.« Ihr Abschied vollzog sich in der gekühlten, unterirdischen Stadt, in der die Nova gebaut worden war. Eine große Menge Tornaner beobachtete sie durch die Luftschleusen – sie entschwanden den Blicken und stießen in den Weltraum. »Und was könnte diese Pflicht, die du erwähntest, anderes sein, als ein ebenso wichtiger Bürger da unten auf
der Erde zu werden wie ich?« fragte Spencer. »Ein so bedeutender Mann auf der Erde zu werden wie Anto Rayl, statt im Weltraum verloren zu sein, wie wir es waren. Er sagte, daß sie einen Trip von Magya zur Erde innerhalb des nächsten Jahres machen würden. Ist es dir klar, daß fast achteinhalb Monate vergangen sind? Ich muß von der Erde aus Berechnungen anstellen und Anto Rayl benachrichtigen.« Mit einer Geschwindigkeit, die geringer war als die des Lichtes, näherten sie sich dem Sonnensystem mit ihrem Impulswellenantrieb. Irgendwo zwischen Neptun und Uranus begegneten sie einem schlanken, schnellen Schiff, das etwa achthundert Fuß lang und gut ein Drittel kleiner war als die Nova. Es hatte einen glitzernden Stahlrumpf und trug die Bezeichnung »I.C.C.256«. Darunter standen die Insignien des Interplanetarischen Rates. Ein Funkstrahl kam über den Standardnachrichtenweg im Lautsprecher der Nova an. »Haltet zur Untersuchung! Befehl des Interplanetarischen Rates. Welches Schiff, woher kommt es?« Aarn lächelte leicht, als er eine Nachricht hinübersandte. »Freund, dieses Schiff ist die Nova und kommt von so weit her, daß ich dir's nicht einmal erklären könnte. Zufälligerweise bin ich Aarn Munro, bei mir sind Russel M. Spencer und Donald G. Carlisle. Wir haben das erste Impulswellenschiff ausprobiert und kamen, wie ihr wohl wißt, nicht zurück. Wie ich sehe, hat noch ein anderer dasselbe getan, und mit Erfolg, wie ich feststelle. Wie lange sind wir eigentlich vermißt?« »Spencer – Munro – Carlisle...« Der Stimme am anderen Ende schien es an Luft zu fehlen. Dann wurde sie überraschend hart. »Unmöglich.
Sie starben vor dreieinhalb Jahren.« Die I.C.C.256 war plötzlich in einem kombinierten Traktordruckstrahl gefangen, der entworfen war, um solche Angelegenheiten wie Seeset-Superschlachtschiffe zu behandeln. Um ihn herum wirbelte ein kreisendes Magnetfeld in Richtung Erde, und die beiden Schiffe schossen vorwärts. Aarns große Augen funkelten vor verhaltenem Humor. »Ich möchte wohl wissen, was die I.C.C. sich dabei gedacht hat?« Der Kreuzer hörte plötzlich auf zu kämpfen. Transpons griffen wütend nach der Nova und flackerten um Aarns Abwehrkonduktor-Schutzvorrichtung. »Mit so einem Spielzeug könnt ihr unsere äußere Hülle nicht weich machen, nicht einmal, wenn ich euch ließe.« Aarn teilte das dem Kreuzer freundlich mit. »Versucht es noch einmal!« Verschiedene Arten der Materialzerstörung regneten über die N o v a hin. Die meisten blieben in der äußeren magnetischen Wand stecken, außer einer Art jedoch, der es gelang, einzudringen. An der Resistiumwand gab es eine heftige, aber harmlose Explosion. Dann folgte HitzestrahlRadiofrequenzenergie. Aarn neutralisierte sie. »Sehr hübsch, Kapitän! Aber ich muß schon sagen – der alten Erde würde es schlecht ergehen, wenn die Burschen, mit denen wir uns 'rumschlagen mußten, ihr plötzlich einen Besuch abstatten würden. Jetzt nehmt einmal den Planeten da hinten weg!« sagte Aarn und nahm einen Traktorstrahl auf. »Erstens mal braucht ihr bessere Transpons.« Unter Aarns Strahlen platzte der Planetoid zu weißglühendem Gas. »Zweitens braucht ihr andere Bomben, wie zum Beispiel eine Schwerkraftbombe. – Wollen wir's
zusammen machen, Spencer?« Die Schwerkraftbombe explodierte im Gebiet des gasförmigen Planetoiden und saugte unverzüglich die fliegenden Moleküle auf zu einem Sphäroid. »Und weiter würde eine dieser Raumtassen alles verschlingen, was ihr sonst noch habt.« Eine Seeset-Raumtasse schwebte grün und feindselig auf und verschwand, nachdem sie einen großen Bissen Materie verschluckt hatte. »Ich werde euch sogar meine beste Waffe zeigen.« Für eine Zehntelsekunde tastete sich der milchige, schillernde Strahl vor, und der Planetoid wurde zu einer klaren glänzenden Gaswolke, die nicht einmal eine Schwerkraftbombe wieder hätte verflüssigen können. »Mit anderen Worten«, schloß Aarn, »wir sind Freunde und riesig froh, euch und die Erde wiederzusehen.«
Drittes Buch
Das unendliche Atom Einleitung Ängstlich schaute Zhi Athron, der Centaur, auf den westlichen Himmel. Er war bedrohlich schwarz; am ganzen Himmel, im Westen, Norden und Süden leuchteten schwach und verschleiert nur zwei Sterne sowie die punktgroße Scheibe eines Planeten – und dann die allgegenwärtigen, ewig drohenden Meteore. Fünf leuchtende Schweife waren nun am Himmel zu sehen – jetzt sieben – zwölf – vier – einige waren immer dort. Es würde fast unmöglich sein, das Licht des Schiffes zu entdecken, auf das er wartete. Der große, matt schimmernde Rumpf des Expeditionsschiffes ragte vor ihm auf dem Feld auf; im Licht unzählbar vieler Sterne am östlichen Himmel, wo die Schwarzen Nebel das Licht noch nicht verwischt hatten, schien er silbrig. Eine lange Reihe Sklaven trug Körbe mit Vorräten in das Schiff; einige von ihnen bedienten Krane, die riesige Kisten und Fässer mit Nahrungsmitteln bewegten. »Web Thorn hat noch zehn Minuten Zeit«, sagte hinter ihm eine leise Stimme. Zhi Athron drehte sich um und sah die verschwommenen Umrisse des Chefingenieurs, Tha Yory. »Ich vermute, er wird sie noch ganz in Anspruch nehmen.« »Das wird er, der arme Kerl«, lächelte Zhi Athron. »Es
wird schwer sein, Shalmar Aien zu verlassen – noch dazu für fünfundzwanzig Jahre.« »Mir kommt es unrecht vor. Shalmar Aien ist genausogut seine Gefährtin und seine Liebste, wie es jede freigeborene Frau wäre – aber nur weil sie eine befreite Sklavin ist, wurde er eingezogen.« Zhi Athron fuhr sich mit den Händen durch seine steife, eisengraue Mähne und nickte. »Aber es ist nötig gewesen. Jeder, der sich dieser Pflicht entziehen wollte, hätte eine Sklavin finden und zu seiner Frau erklären können, wenn man das erlaubte. Fünfundzwanzig Jahre sind eine lange Zeit – und doch ist es weniger als ein Zwanzigstel eines Durchschnittslebens. Ich sah neunzehn solcher Zeitspannen kommen und gehen. Vierhundertundsiebenundsiebzig Jahre.« »War die Welt damals sehr viel anders?« fragte der jüngere Chefingenieur und schaute zu dem glänzenden Himmel auf. »Eigentlich nicht so sehr – oder doch, vielleicht war sie doch anders. Die Schwarzen Nebel haben sich in all den Jahren so allmählich ausgedehnt und mehr und mehr den Himmel verdunkelt, daß wir uns dieser Ausdehnung nicht mehr erinnern können. Als ich geboren wurde, war nur der Westen dunkel. Auch die Sonne war damals nicht so heiß. Sehr selten nur sah man mehr als zwei Meteore in einer Minute. Die Lage veränderte sich so allmählich...« »Ich wüßte gern, ob das Ende noch vor meinem Tod kommt.« »Das weiß niemand. Die direkte Schwerkrafteinfluß sphäre der Sonne reicht ein halbes Lichtjahr in die Schwarzen Nebel hinein, um jene ionisierten Teilchen
abzuziehen; die dadurch erreichte Konzentration breitet die Störung ein halbes Lichtjahr weiter aus. Milliarden Tonnen solcher Teilchen fallen tagtäglich in die Sonne – jedes Teilchen ist so winzig, daß es dem bloßen Auge nicht sichtbar ist. Millionen Tonnen dieser Teilchen werden täglich auf die Planeten fallen, wenn wir in das Herz der Schwarzen Nebel hineinkommen. Die Sonne wird an Masse zunehmen und heißer brennen, die Planeten werden auch an Masse zunehmen und in ihrer Laufbahn langsamer werden, wenn sie durch die Widerstand leistende Materie schweben. Schließlich wird sich alles zu einer einzigen leuchtenden Kugel vereinigen. Irgendwann einmal wird sie vielleicht wieder in Bewegung gesetzt werden – und damit würde dann ein neues planetarisches System geboren. In der Zwischenzeit aber sollten wir unser möglichstes tun, ein anderes System zu finden. Sind die Vorräte bald alle verladen? Wir müssen in einer Stunde fort.« »Ja«, murrte der Ingenieur. »Sieh dir's nur an – zwölfhundert Fuß lang. Eine halbe Million Tonnen. Unseren Strom bekommen wir durch den Transponstrahl, der jede Sonne anzapfen kann, also ist es unnötig, Treibstoff mitzuschleppen. Angetrieben werden wir durch Impulswellen und brauchen daher keine Raketentreibstoffe mitzunehmen. Wir rektifizieren die Luft und benutzen sie wieder; wir gewinnen Wasser zurück, haben also keine großen Wasservorräte nötig. Und trotzdem kann ich keinen anständigen Vorrat an Ersatzteilen mitnehmen. Und ich brauche sie. Schau dir doch die Bande Theoretiker an, mit der ich arbeiten soll! Für Navigationszwecke muß ich mich auf Astronomen verlassen. Forschungsstipendiaten für
Physik arbeiten als Elektriker. Chemische Genies als Rektifizierungstechniker Zwei Labormechaniker als Techniker für Reparaturen. Sieh dir nur an, wie diese Mannschaft Material vergeudet – und keinerlei Ersatz, um diese Vergeudung gutzumachen! In diesem großen Weltraum – und wir haben vor fünfundzwanzigtausend Lichtjahre weit von zu Hause wegzugehen!« Zhi Athron lächelte. »Tut mir leid, Tha Yory. Es geht nicht anders. Unsere Schiffe haben schon vor langer Zeit alles im Umkreis von zweitausend Lichtjahren erforscht. Wir wissen, daß wir für die Planeten Sternennahpassagen brauchen, und die kommen nur dort vor, wo die Sternfelder dicht sind, in der Nähe des Herzens der Milchstraße. Um einen Bereich von fünfundzwanzigtausend Lichtjahren zu erforschen und all die Sterne zu erkunden, sind fünfundzwanzig Jahre das mindeste, das weißt du auch. Du kannst an den Nahrungsmitteln Abzüge machen und dafür mehr Ersatzteile mitnehmen – aber was nützt dir ein großartiges Schiff, wenn du verhungerst?« »Weiß ich – weiß ich«, stöhnte der Ingenieur. »Aber sie hätten uns mehr Raumkenner mitgeben können, und weniger Theoretiker.« »Ganz meine Meinung«, gab Zhi Athron zu, »aber die Herrscher haben wahrscheinlich all das in Betracht gezogen, und von den achtundsiebzig Expeditionen, die ausgesandt wurden, sind zweiundsiebzig zurückgekommen.« »Das wird bei dieser Expedition nicht der Fall sein«, sagte Tha Yory. »Ich fühle das.« Er verfiel in grimmiges Schweigen. »Web Thorn ist...« Zhi Athron erstarrte plötzlich. Eine
tief dröhnende Sirene setzte ein; der Ton stieg, und je höher er stieg, um so dunkler wurde Zhi Athrons Gesicht. Höher – ein titanischer Meteor unterwegs – höher – dann brach sie mit drei kurzen schrillen Tönen ab. »Der Westen...« keuchte er. »Web Thorn muß von Westen kommen...« Zhi Athron schaute auf zu dem verschwommenen westlichen Himmel – ein Licht, das sich bewegte – dann war alles in einem plötzlichen, zunehmenden starken Glühen untergegangen – ein ungeheures Glühen, das direkt auf sie zukam, eine titanische, berstende Flamme, von der Hitze auszuströmen begann. Das Schiff und die große Konstruktionshalle leuchteten in diesem Glühen auf. Die Sklaven, die das Schiff beladen hatten, schrien und riefen. Sie rasten, um Schutz zu suchen, und die letzten Vorratskisten fielen unbeachtet zu Boden. Das Dröhnen der in Aktion tretenden Transponstrahlen tönte aus der Schleuse des Schiffes, die ankernden Traktorstrahler traten plötzlich in Aktion als Zhi Athron und Tha Yory auf das Schiff zueilten. Die Hitze hatte zugenommen und war unerträglich. Eine ungeheure, welterschütternde Explosion warf sie flach zu Boden, und der ganze Planet erbebte. Noch brennender wurde die Hitze und stärker die Blendung. Ein neuer Laut war zu hören, ein schrilles, schreiendes Dröhnen. Dumpfe Blitze schossen aus den sich schnell sammelnden Wolken hervor. Braun und blau geschlagen erhoben sich die beiden und liefen weiter. Dann wölbte sich der Boden in erschreckender Weise, er bebte und spaltete sich vor ihren Füßen. Man hörte das Einstürzen eines Gebäudes, das
starke Glänzen ließ einen Augenblick nach und kehrte dann wieder. Nun kam der Wind. Mühsam hielten sie sich auf den Füßen und eilten auf das Schiff zu, das mattrot leuchtend vor ihnen auftauchte. Um sie herum tobte ein kalter, unbeständiger Wind. In weiter Entfernung hörten sie das dumpfe Stöhnen eines aufkommenden Sturmes. Ein neuer Stoß griff sie an, schlug böse in ihre Gesichter und wehte Zhi Athrons graue Mähne steil über seinen Kopf. Tha Yory war etwas schneller als der ältere Zhi Athron. Sie sahen, wie vor der dumpfroten Glut des Westens die großen Bäume sich plötzlich in einer Welle beugten, die mit wachsender Geschwindigkeit auf sie zueilte und von einem steigenden Dröhnen begleitet war. Wie Streichhölzer wurden die Bäume geknickt und in die Luft geworfen. Zhi Athron warf sich eine Sekunde, ehe der Sturm ihn traf zu Boden. Tha Yory lief weiter – und taumelte plötzlich zurück, schlug mit Armen und Beinen um sich, als der Wind über ihn dahinfuhr und mit dröhnendem Krachen tobte. Ein brennendheißer, Blasen erzeugender Sturm peitschte sie erbarmungslos. Der Rasen unter ihren Füßen hob und senkte sich. Grimmig streckte Zhi Athron seine beiden mächtigen Arme aus und stemmte seine Beine in den weichen Boden, als Tha Yory rückwärts auf ihn zuflog. Er fing ihn auf und wäre beinahe mit ihm davongetragen worden, bevor es dem Chefingenieur gelang, Boden zu gewinnen. Dann erkämpften sie sich mühevoll den Weg auf die dem Wind abgewandte Seite des Schiffes zu, das nun trotz der Traktorstrahlverankerung im mächtigen Sturm hin- und herschwankte. Irgendwo gegen Westen zu
kreischte eine Konstruktionshalle, als ihre Bauhölzer auseinanderfielen, in die Luft stiegen und unmittelbar auf den mächtigen metallenen Schiffsrumpf zuflogen. Für den Bruchteil einer Sekunde hörte man den Aufprall, dann fing der Wind diesen Laut und die fliegenden Hölzer auf und trug sie hoch über den Köpfen der am Boden kauernden Gestalten davon. »Ich sagte es dir –«, schrie Tha Yory, und seine Stimme versank im Wind, der ihm die Worte aus dem Mund riß, »diese Expedition – war verurteilt...« Zhi Athron konnte nichts hören. Er mühte sich ab, vorwärts zu kommen. Sie keuchten schwer, als sie die Leeseite des Schiffes erreichten. Plötzlich fiel heftiger Regen, ein heißer Regen, der ihre Haut zerkratzte wie Sandkörner. Sie bluteten aus hundert Stellen, als sie in den Windschatten des Schiffes kamen und, nach Luft schnappend, in das Semivakuum des bebenden, angespannten Fahrzeugs gerieten. Nicht ein Fetzen Kleidung bedeckte mehr ihre Körper, nur hier und dort hatte ein fester Metall- oder Ledergürtel standgehalten. Eine Schleuse wurde geöffnet, und sie kletterten schnell hinein. Blitzartig schloß sie sich, und sie befanden sich wieder unter normalem Druck von einer Atmosphäre. Zhi Athron rannte in den Steuerungsraum; als er eintrat, hörte er einen Radiobericht: »... von fünfundsiebzigtausend. Landete etwa fünfundachtzig Meilen vom Weltraumhafen Tharcool entfernt, einhundertundvierzig Ost von Dargath. Im Umkreis von dreißig Meilen brennt das Holz und...« Zhi Athron drehte an den Skalenscheiben. Ein Ruf ging aus – eindringlich. Und noch einer, dreißig Sekunden lang rief er, lauschte dann für dreißig Sekunden – rief dreißig Sekunden – »Er ist tot«, seufzte der alte Kapitän. »Web
Thorn muß fast unverzüglich von dem Ding da getroffen worden sein...« Tha Yory stand hinter ihm. »Und in fünfundvierzig Minuten starten wir. Wir müssen sofort Signale geben, daß man uns einen anderen Ersten Assistenten schickt.« Zhi Athron schüttelte langsam den Kopf. »Nein«, sagte er entschieden, »es würde zwecklos sein und – grausam. Shalmar Aien hat ihren Gefährten verloren – an die Expedition, so glaubt sie. Er ist tot, nutzlos gestorben. Außerdem könnten wir keinen Ersten Assistenten in dieser kurzen Zeit finden. Wir müssen es ohne ihn schaffen.« Tha Yory stöhnte. »Von vierzig Mann ist einer tot, ehe wir überhaupt weg sind. Und nun bleiben uns nur sieben Weltraumexperten, sieben fähige Raumarbeiter. Gut – es wäre grausam. Und ein weiterer guter Raumexperte würde in diesem Schiff umkommen. Dieses Schiff wird nie zurückkehren.« Der Weltraum war mit Zehntausenden von Sternen übersät, mehr, als ein Auge zu fassen vermochte. Direkt vor ihnen blendete sie ein Stern mit seinem grünlichen Glanz. Nar Arlon schaute ihn finster an. »Der da«, sagte er endlich, »wird der siebentausendachthundertundsiebenund fünfzigste Stern sein, den wir untersuchen. Untersuchungen auf weite Entfernung rechne ich dabei nicht mit, schließe auch alle Doppelsterne und Variablen, alle Riesen und Zwerge aus. Elf und ein halbes Jahr auf Reisen schneller als das Licht – von Stern zu Stern jagen wir durch den Weltraum. Eine kurze hektische Zeit von Glück und Prüfung, Forschung und Studium, dann eilen wir zum nächsten Stern für weitere Untersuchungen, für weitere
Ladungen von Strom, um die nächste Sonne zu erreichen. Elf und ein halbes Jahr von zu Hause fort. Meine ältesten Kinder werden sich inzwischen verheiratet und eigene Kinder haben. Noch nicht einmal die Hälfte unserer Fahrt ist vorüber.« Zhi Athron schaute seinen Ersten Assistenten fest an. »Das muß nicht sein, Nar Arlon. Es könnte sein, daß dieser Stern derjenige ist, der uns mit äußerster Geschwindigkeit zur Heimreise veranlassen wird, mit der Nachricht, daß ein planetarisches System gefunden worden ist, ein planetarisches System, auf welches deine Kinder und Kindeskinder ziehen können, um ihr Leben in Sicherheit zu verbringen.« »Jawohl – und vielleicht stellen wir dann fest, daß die Expedition, die in dem Jahr, als wir wegfuhren, heimkam, diese Nachricht schon gebracht hat und daß die Kinder und Kindeskinder bereits auf einem anderen Planeten sind.« »Hat Bar Scorth seine Entfernungsberechnungen geschickt?« fragte der Kapitän und wechselte das Thema. »Ja, Sir. In etwa einer Stunde werden wir das planetarische System erreichen.« Zhi Athron nickte schweigend und ging in den Stromraum zurück. Tha Yory arbeitete an den kleinen Drehbänken auf der einen Seite des Raumes unter viel Fluchen mit einem Labormechaniker zusammen. »Du Narr! Siehst du denn nicht, daß das ein umgekehrtes Muster ist? Kannst du nicht behalten, daß, was hier eine Erhöhung ist, im Metall eine Vertiefung sein wird? Ah – man zeige mir, wie man mit einer Maschine arbeitet, damit ich dir dein Handwerk beibringen kann. Muß ich denn nicht nur die Muster, auch noch die Metalle machen?« Tha
Yory hielt inne, als Zhi Athron lächelnd erschien. »Er findet diese Arbeit schwieriger, Tha Yory, weil er gewöhnt ist, nach Musterzeichnungen zu arbeiten.« »Aber diese fehlermachende Kreatur kann nicht nach Mustern schneiden, und ich kann keine Pläne zeichnen, und auch niemand anders kann es, soweit ich das übersehen kann.« »Was ist das für ein Teil? Haben wir so viele Störungen gehabt, daß wir unsere Ersatzteile schon alle verbraucht haben?« »Nein«, erwiderte Tha Yory, »aber wie sich das für einen guten Ingenieur gehört, habe ich die Absicht, meinen Vorratsraum so zu erhalten, wie er ist, solange ich eine Belegschaft habe, die noch nicht einmal den Unterschied zwischen den theoretischen Grenzen und dem Sicherheitsfaktor kennt. Ich arbeite an einigen weiteren Ersatzteilen, die zu schwer waren zum Mitnehmen, als wir fortgingen, die wir aber jetzt in den geleerten Vorratsräumen unterbringen können.« »Aha, darum hast du also die Tonnen meteorischen Materials 'reingeschleppt, als wir auf dem Stern da hinten haltmachten«, nickte Zhi Athron. »Und worauf hast du es besonders abgesehen?« »Ersatzteile für den Schnellantrieb. Wir haben dafür nur fünf verschiedene Teile – wenn irgendein Unfall sie zerbrechen würde und dazu die Werkstatt vernichtete, wären wir restlos verloren. Wenn sich das zwischen den Sternen ereignete, kämen wir niemals nach Hause zurück, wenn wir nicht einen Vorrat Metall hätten, der wesentlich größer ist als der, den wir haben. Und noch etwas, Zhi Athron – ich fühle es – jeden Tag
fühle ich es –, wir werden nie nach Hause zurückkehren. Aber ich muß doch weiterhin alles versuchen.« »Es ist dumm, Tha Yory, so zu denken. Seit elf Jahren sagst du das nun – und nichts Schlimmeres ist uns passiert, als daß ein Zylinder in dem Luftrektifizierer geplatzt ist.« »Wir haben noch dreizehneinhalb Jahre vor uns«, erwiderte Tha Yory. »Wir nähern uns einer anderen Sonne, Tha Yory. Bereite dich auf entsprechende Anweisungen vor!« Zhi Athron kehrte in den Steuerungsraum zurück. Innerhalb einer Stunde hatte die Sonne so an Umfang zugenommen daß ihre Hitze im Schiff zu spüren war. In etwa zwei Milliarden Meilen Entfernung verlangsamte das Schiff sein Tempo auf weit weniger als Lichtgeschwindigkeit. Dann machten sich die Astronomen und die Physiker an die Arbeit. In kürzester Zeit konzentrierte sich das Dutzend Instrumente des Schiffes auf den Stern. Die Rotationsgeschwindigkeit wurde bestimmt, die Entfernung, der Spektraltyp, die Oberflächentemperatur, und schließlich kamen sie mit ihren Ergebnissen in den Steuerungsraum. Für die endgültigen Untersuchungen wurden die großen Motoren des Schiffes mitbenötigt. Zuerst wurde die Gravitometersonde vorbereitet, dann wurde das Antischwerkraftfeld des Schiffes abgeändert und Stückelungen vorgenommen und zum Schluß der Impulsmeter in Betrieb gesetzt. Fünf geschäftige Minuten lang arbeiteten die Rechenmaschinen – dann ertönte plötzlich ein ungläubiger Freudenschrei. Der Stern mußte Planeten beträchtlicher Größe haben! Der Drehimpuls der Sonne war wesentlich
größer, als er nach den übrigen Daten hätte sein sollen, wenn sie nur allein gewesen wäre. Eifrigst arbeiteten sie an ihren Instrumenten, und in weiteren zwanzig Minuten waren nicht nur neun Planeten festgestellt worden, sondern auch Anzeichen irgendwelcher anderer planetarischer Körper oder zusätzlicher Planetenschwärme vorhanden. Ein planetarisches System war gefunden worden! Vielleicht waren sie die erste aller Expeditionen! Mit intensiver Konzentration arbeiteten die Physiker und Astronomen am Gravitometer, Impulsmeter und an den Teleskopen. Dies waren die geeignetsten Instrumente, um Sternbahnen aufzuzeichnen und die Masse zu bestimmen. Anschließend würde man wirkliche Besichtigungen der Planeten vornehmen. Und dann – heimwärts! Sie schwebten in die ekliptische Ebene des neu entdeckten Systems, während ihre Impulswellenenergien im Impulsmeter arbeiteten und ihre Antischwerkraftspulen, die das Schiff von der Anziehung der Sonne frei machten, ausgeschaltet waren. Nur der Magnetschutz umgab sie, und aller Augen schauten fasziniert auf die Daten, die jetzt entdeckt wurden. Ein plötzliches, unglaubliches Aufleuchten – ein peitschender Knall, schärfer als der eines Gewehrs – ein Dröhnen und ein Luftstoß – das Geklirr der Schottüren... Dann absolutes Schweigen. »Ein Steinmeteor –«, keuchte der Chefphysiker, »ein Steinmeteor – kein Metall – hat den Magnetschirm durchschlagen – kein Impulswellenfeld, kein Antischwerefeld...« Ein lautes Stimmengewirr ertönte, bedrückt und entsetzt. Ein Unfall – Zerstörung im
Augenblick des Triumphes. »Ruhe!« schrie Zhi Athrons mächtige Stimme. »Ruhe, ihr Narren! Hört mir zu! Bar Scorth – die Notgarnituren! Thon Ralt – die Pumpen! Scol Rano, prüfe die Akkumulatoren!« Zhi Athron saß schon an den Steuerungen. Mit einer Bewegung seines mächtigen Arms schob er die verwirrten Wissenschaftler zur Seite. Zweihundert Jahre im interplanetarischen Dienst hatten ihn auf Notfälle vorbereitet. Sein geübtes Auge eilte über die Instrumente hin, und im nächsten Augenblick hatte sein Gehirn alles erfaßt. Bar Scorth erschien mit einer Notgarnitur. Schon begann die Luft dünn zu werden, als die Pumpen anfingen, sie aus den Vorratstanks zu ersetzen. Zhi Athron zwängte sich in den Raumanzug und ging dann mit zwei anderen des Stammpersonals von Raumexperten zu den Schotts des Stromraumes. Sie waren geschlossen. Hier war die Panne. Widerstrebend öffnete sich die Tür, als Zhi Athron ihre Steuerung bediente. Durch die beiden Schlitze in den Wänden des Stromraumes entwich die Luft kreischend. Drei reglose Gestalten lagen auf dem Boden. Zhi Athron beugte sich über die eine von ihnen. Mit Hilfe eines anderen Raumexperten trugen sie den Mann schnell in die Vorderquartiere, dann wurden die beiden anderen geholt. Das Schott schlug wieder zu, und die vier Raumexperten waren in dem luftlosen Stromraum, während sich die Wissenschaftler um die bewußtlosen Männer bemühten. In wenigen Minuten begannen die drei sich wieder zu bewegen. Zhi Athron begann seine Arbeit im Stromraum. Nach seinen Angaben befestigten sie die großen
Leckdichtungsplatten an ihrem Platz. Ein von Hand betriebener Transponprojektor wurde in die HauptStromspeicherungslinien eingehängt, dann schweißte ein flammender Bleistift die Flecke mit Weißglut fest. In zwei Minuten wurden die Schottüren wieder geöffnet und Luft in den abgedichteten Stromraum eingelassen. »Wo ist Tha Yory?« fragte Zhi Athron. »Tha Yory – ich sah ihn – hinfallen«, sagte eine keuchende Stimme. »Er stand in der Nähe der Meteorenbahn – die Luft – trieb ihn hinaus.« Zhi Athron stöhnte. »Unser einziger praktischer Ingenieur. Kommt – ihr Physiker müßt uns nun sagen, welchen Schaden wir erlitten haben.« Er selbst wußte es nur zu gut. Er konnte die Apparate sehen und die fast runden Löcher, die der Meteor gerissen hatte. Mit eintausend Meilen Geschwindigkeit pro Sekunde war er so sauber durch alle Maschinen geschlagen, daß nur geschmolzene abgerundete Ecken zurückgeblieben waren. Er war durch eine eierschalendünne Glasröhre geflogen und hatte ein Loch mit abgeschwächten Kanten verursacht. Und – er war durch den Schnellantrieb und durch die Impulsantriebsteuerung durchgeschlagen. Das berichteten auch die Physiker, und noch eine Tatsache mehr. Der Meteor war zerbrochen; wahrscheinlich war ein Splitter direkt in der Antischwerkraftspule explodiert. »Das heißt also«, sagte Zhi Athron grimmig, »daß wir ohne Strom sind?« »Ja«, erwiderte der Physiker. »Nun gut, dann müssen wir zuerst den Impulsantrieb in Ordnung bringen. Kommt!«
Das war leicht gesagt. Es gab zwar Ersatzteile, die Physiker kannten theoretisch den ImpulswellenantriebApparat auf das genaueste, sie hatten die letzten elf Jahre daran gearbeitet – nur war alle diese Tätigkeit unter der fähigen Leitung Tha Yorys geschehen. Und Tha Yory lebte nicht mehr. Nicht umsonst hatte Zhi Athron zweihundert Jahre mit der Arbeit an Raumschiffen verbracht. Aber selbst mit seinen Erfahrungen konnte er ihnen nur wenig helfen. Auch gab es keine Ersatzteile für den Schnellantrieb und nichts, was auch nur im entferntesten an eine Raum-Antischwerkraftspule herangereicht hätte – eine Ersatzspule, die einen Durchmesser von dreißig Fuß haben müßte! Traurig probierten sie den Impulsantrieb aus. Er lief schwach, aber zum mindesten reichte es für die nächsten Bedürfnisse ihrer Arbeit aus. Das Schiff startete mit verlangsamter Geschwindigkeit zu einem Planeten, dem dritten, auf dem die Temperatur und die Lebensmöglichkeiten vielleicht erträglich waren. Im Weltraum manövrierte das Schiff einigermaßen gut; erst als sie nahe an den Planeten herankamen, erkannten sie die Bedeutung des Verlustes der Antischwerkraftspule. Das Schiff trieb unter dem Impulswellenapparat dahin. Er war dazu bestimmt, es mit peitschender Geschwindigkeit, die millionenmal so groß wie die Beschleunigung der Schwerkraft des Planeten war, vorwärts zu stoßen. Das schlimmste aber war, daß sie einen kleinen Fehler gemacht hatten, einen Fehler, den sie nicht feststellen konnten, der jedoch eine Ungenauigkeit von vielleicht zehn Prozent des Antriebs bewirkte. Sie hatten geerdet, um die Stromleitungen abzusichern, aber die Erdleitung glühte
weiß innerhalb eines Augenblicks, und die Hitze schmolz sie. Nur je zwanzig Sekunden konnten sie den Antrieb benutzen. In einzelnen Stufen verlangsamten sie das Schiff und manövrierten es auf diese Art zu dem Planeten. Hier standen sie vor der Aufgabe, mit ihren defekten Apparaten zu landen. Zhi Athron selbst saß an den Steuern. Mit immer noch fast dreißig Meilen pro Sekunde näherten sie sich dem Planeten. Verzweifelt verstärkte Zhi Athron die Impulswellen, aber die Erhitzung zwang ihn, nachzulassen. Die ersten dünnen Spuren der Atmosphäre waren kalt und erhitzten das Schiff dennoch, auf Zhi Athrons Anweisung hin wurde der Stromraum von Lebewesen freigehalten, und nur die Maschinen blieben zurück. Der Raum wurde geöffnet, die Schleusen und die Ventile wurden geöffnet. Dünne, schneidende Stöße eines unglaublichen Sturms wehten herein. Unter seiner Einwirkung kühlte der Stromraum aus, und Zhi Athron konnte mehr Strom entnehmen. Sie fegten um den Weltkörper und verlangsamten ihre Fahrt mehr und mehr, bis es dem Schiff gelang, tiefer zu gehen, wo dichtere Luft die Maschinen schneller kühlte. Zhi Athron steuerte das Schiff abwärts. Während er manövrierte, arbeiteten die Chemiker eifrig mit der Luft, deren Eigenschaften sie bestimmen wollten. »Wasserstoff – freier Wasserstoff und Sauerstoff in explosiver Mischung«, berichtete der Chefchemiker. »Es muß jedenfalls sehr viel Sauerstoff vorhanden sein, wenn er so hochprozentig darin enthalten ist.« Zhi Athron sagte nichts, als er weiter abwärts glitt. Die Geschwindigkeit betrug immer noch eine Meile pro Sekunde, als sie auf eine Höhe fielen, wo der
Luftwiderstand wie eine mächtige Bremse wirkte. Unter ihnen strömte dumpfgrüngraues Wasser, dem eine große silbrige Wolkenbank folgte. »Die Luft kann man atmen!« rief ein Chemiker. »Öffnet alle Luken!« sagte Zhi Athron kurz. Ein neuer, kräftigerer Luftstrom kam herein, Luft, die dünn und beißend kalt war und die seltsame nasse und würzige Gerüche mit sich brachte. Es war natürliche Luft, nicht die immer wieder erneuerte Luft, die sie während der letzten elfundeinhalb Jahre inhalieren mußten. Sie fröstelten unter den Luftstößen; dann waren sie plötzlich geblendet und naß und kalt, als das Schiff eine riesige Wolke durchpflügte. Zhi Athrons Gesicht spannte sich, als er blindlings Bremskraft anlegte. Das Schiff wurde langsamer, und aus dem geschlossenen Schott des Stromraumes fühlten sie eine wärmende Hitze dringen. Ein Echolot wurde in Betrieb gesetzt, und Zhi Athron betrachtete seine Messungen mit Mißtrauen. Wie war die Schallausbreitung in dieser Luft? Sie zeigte eine Höhe von drei Meilen – das genügte nicht für ihre Sicherheit. Verzweifelt gab er Strom, um das Schiff zu plötzlichem Halten zu bringen. Und gleichzeitig ertönte von hinten ein schreckliches Dröhnen. Die reparierte Maschine versagte völlig, als Zhi Athron ungläubig die Nadel des Höhenmessers fast über der Nullstelle hängen sah. Er spannte seinen Körper und beugte seine Knie in Erwartung des Stoßes... Der Fahrtwind hatte aufgehört als sie anhielten. Nun kam ein neuer Wind, und die Wolken eilten in wogenden Mengen an ihnen vorüber. Einen Moment lang wurde es klarer, dann schlug strömender Regen auf das Schiff – und unter ihnen tauchte zerklüftetes Geröll
auf. Mit einem welterschütternden Getöse schlugen eine halbe Million Tonnen Metall, Glas und Kunststoff auf die festen Granitfelsen auf. Das Schiff wurde breitgeschlagen und platzte wie eine überreife Frucht. Zweiundzwanzig Gestalten krochen daraus hervor. Zhi Athron führte die kleine Gruppe der Überlebenden. Hinter ihm gingen die fünf am Leben gebliebenen Raumexperten, den Schluß bildeten die verzweifelten Wissenschaftler. »Es wird Nacht«, sagte einer der Astronomen mit hoffnungsloser Stimme. »Können wir wohl in diesen Trümmern Schutz und Wärme finden?« »Wie lange dauert hier die Nacht?« fragte Zhi Athron. »Ich weiß nicht genau, ungefähr neun bis zehn Stunden.« »Regnet es hier immer?« »Nein – das Klima dürfte unserem sehr ähnlich sein. Man kann es zwar nicht sagen; denn wir haben auch Wüsten, in denen es nie regnet, und Tropengebiete, wo es jeden Tag regnet. Aber finden wir in dem Schiff wohl etwas Wärme?« Zhi Athron untersuchte sorgfältig den Rumpf. »Die Speicherbank der Vorwärtsstromspule dürfte unversehrt geblieben sein. Vielleicht finden wir einige Heizkörper.« Sie durchsuchten das zerschlagene Schiff und sammelten die notwendigsten Dinge. Drei von ihnen kletterten vorsichtig in die rückwärtige Hälfte des Schiffes und brachten mit Hilfe von Seilen und Kabeln einen Ofen und einige Kisten mit Lebensmitteln zurück. Man fand geladene Spulen, Heizkörper und einen Raum, der nur in der Decke einen leichten Riß hatte. Auch der anstoßende Raum war unversehrt. Ein von Hand zu betreibender
Transpon-Apparat wurde gefunden, man schnitt die Scheidewand heraus und schweißte die Risse zu. Der Ofen wurde aufgestellt und eine Mahlzeit bereitet. Es war nun Nacht, und immer noch strömte der Regen. Bei Tagesanbruch hatte sich der Himmel aufgeklärt, und die Scheibe der Sonne wurde sichtbar. Als die Sonne höher stieg, wurde das Land grün, und die warmen Strahlen verjagten das Frösteln der Nacht. Die zweiundzwanzig, die das erste Morgengrauen in einer wilden und unfreundlichen, einer vollkommen fremden Welt begrüßten, waren eine trostlose, hoffnungslose Gruppe, die neben dem geborstenen Schiff stand, das sie durch unzählige Lichtjahre des Weltraums getragen hatte. Um sie herum waren nichts als unfruchtbare, zerklüftete Granitfelsen. Unter ihnen: ein undurchdringlicher Wald. Dann – bewegte sich etwas! Etwas in ihrer Nähe, und als sie sich erstaunt umdrehten, sahen sie ein seltsames Geschöpf um eine Felsecke verschwinden. Sofort eilten fünf der Jüngeren hinter ihm her, noch ehe Zhi Athrons Warnung sie abhalten konnte. Im Galopp sprengten sie um den Felsen herum, um zu sehen, wie das seltsame Geschöpf mit einer überlegenen Geschwindigkeit und Geschicklichkeit den Berg hinuntereilte, bis es schließlich zu einer Schlucht kam, wo der zerklüftete, aber ebenere Boden es ihnen ermöglichte, es einzuholen. Ein seltsames Geschöpf, das ihnen wild entgegentrat – mit einem Werkzeug – einer Waffe! Schnell wurde es von zweien entwaffnet, und sie brachten es zu der Gruppe zurück, die ihnen zugeschaut hatte. Ein seltsames Geschöpf! Es hatte nur vier Glieder: Zwei
Arme, ganz wie ihre eigenen; aber der Körper war ein gerader, ovaler Zylinder und von nur zwei Beinen getragen. Die Beine waren fast genau wie die Arme, abgesehen davon, daß sie länger, stärker und dicker waren. Auch der Kopf war fast genau wie der ihre, rund, mit zwei Augen, einer Nase, die klein und gerade war, einem Mund, zwei Ohren, von denen eines an jeder Seite des Kopfes saß. Das Gesicht war das vollkommene Ebenbild ihres eigenen! Aber es hatte nur oben auf dem Kopf Haare, nicht eine Mähne, die sich halb über den Hals bis auf die Schulter ausbreitet. Zhi Athron starrte dieses Geschöpf an. »Was ist denn das für ein Ding?« keuchte er. »Es muß intelligent sein.« »Das ist es!« rief einer, der es mit eingefangen hatte. »Es hatte eine scharfe metallische Schneide – Bronze, möchte ich fast sagen.« Er strich über eine lange Wunde an seinem Schenkel, aus dem das Blut auszuströmen begann. »Und er hat Kleider – wahrscheinlich auch andere Werkzeuge.« »Waren noch andere von dieser Art da?« »Wir sahen niemand.« »Ayhu – stelle ihn auf die Füße, daß wir ihn sehen können, und stelle dich neben ihn!« Da standen sie nun nebeneinander. Yal Dorn und das Geschöpf dieser Welt. Yal Dorn wog siebenhundertund fünfzig Pfund, sein Gewicht war auf vier mächtige Beine verteilt, die in merkwürdig kleinen Füßen – unglaublich flinken Füßen jedoch – endeten. Diese Füße trugen ihn in dreißig Sekunden eine Meile weit, wenn er wollte. Sein Vorderkörper bog sich machtvoll aufwärts, um den mächtigen Kopf und die breiten, muskulösen Schultern zu tragen. Zwischen den Mittelgliedern war seine Brust tief
und breit, zwischen den Mittel- und den Hintergliedern lag der breite, horizontale Rücken, der mit geschmeidigen Muskeln versehen war. Unter den lose sitzenden Kleidern lag das Haar auf seinem Rücken glatt und glänzend tiefbraun. Im ganzen maß er etwas fünfeinhalb Fuß. Das seltsame Geschöpf aber war unter seiner Bekleidung aus irgendeinem rauhen, halbgegerbten, stinkenden Leder fast völlig frei von Haaren. Es stand senkrecht auf seinen Hinterbeinen und hielt mit Geschicklichkeit das Gleichgewicht. »Erstaunlich!« rief Rath Duro, der Biologe. »Es hat sich offensichtlich auf einer ganz anderen Linie entwickelt.« Zhi Athron schüttelte den Kopf. »So ein spindeldürres Ding. Und so große, unbeholfene Füße!« »Wahrscheinlich kann er nicht schnell laufen«, bemerkte ein Physiker. »Mit solchen schweren, großen Füßen am Ende der Beine muß doch die Pendelbewegung sehr langsam sein.« Auf einem benachbarten Felsen erschien noch ein Geschöpf. Ein Geschöpf, das weiß und sehr behaart war, ein kleines Geschöpf von etwa drei Fuß Höhe, das ein Paar scharfer Hörner trug. Sofort jagte Yal Dorn ihm nach, mit ihm ein halbes Dutzend andere. Nach hundert Metern blieben sie mit offenem Mund stehen und schauten auf das kleine Tier. Wenn der Gefangene schon geschickt gewesen war – die Geiß hier hatte Flügel! Sie balancierte auf Felsen, kaum vier Zoll groß, sprang auf andere, die mehrere Fuß weit entfernt lagen, und rannte mit einer Geschicklichkeit, die der ihren fast gleichkam, über die Ebene. Dröhnendes Gelächter rief die betrübten Jäger zurück. »Es scheinen nicht alle diese Geschöpfe so langsam zu
sein«, lachte Zhi Athron, als sie niedergeschlagen zurückkehrten. Ihr Gefangener sah, daß jetzt seine Chance gekommen war. Dieses Mal stieg er hinauf. Er erklomm eine Felswand mit einer Geschicklichkeit, die der Bemühungen der schwereren Centauren spottete. In wenigen Sekunden hatte er die Spitze erreicht, duckte sich hinter einen Felsen – und war außer Sicht. Zhi Athron schaute ihm ein wenig kummervoll nach. »Zum mindesten war er bis zu einem gewissen Grad intelligent. Wir müssen mit diesen Geschöpfen Kontakt bekommen, wenn wir irgend etwas unternehmen wollen.« Man hatte den größten Teil der Apparate aus dem Werkstattmaschinenraum herausbringen können und die Maschinen in einem der reparierten Räume wieder aufgestellt. Für die Physiker war ein Büro eingerichtet worden, für die Astronomen ein Laboratorium. Eine Anzahl der zweibeinigen »barbarischen« Männer wurde in der Nähe nach Anweisungen eines der Chemiker beschäftigt. Sie errichteten einen Hochofen, in dem man Metall schmelzen wollte. Eine andere Gruppe stellte eine Gußform her. An den Zeichentischen des Büros arbeiteten vier Centauren. Zhi Athron stand auf der einen Seite und sprach mit einem jungen Barbaren. Man hatte seine stinkende Hülle entfernt und durch einige Kleider, die aus Gewändern der Centauren gemacht worden waren, ersetzt. Zhi Athron verließ seinen Platz, als einer der Astronomen ihn rief. Die Ratschläge des alten Raumschiffskapitäns wurden bei einer technischen Frage
benötigt. Endlich konnte Zhi Athron zu der Gruppe der Physiker weitergehen. »Glaubt ihr, daß ihr es schaffen werdet?« fragte er. »Aber sicher. Es ist ein sehr empfindliches Instrument.« »Habt ihr genau berechnet, wie lange es dauern wird?« fragte Zhi Athron. Der Physiker zuckte die Schulter. »Unmöglich. Es ist eine Frage des Stroms. Je mehr Strom wir zur Verfügung haben für den Aufbau der Geschwindigkeitsfelder, um so schneller werden wir ans Ziel kommen. Durch diese dicke Atmosphäre hindurch können wir die Sonne nicht anzapfen. Wir haben nur noch den Strom in den Speicherspulen. Mehr als sechs Monate sind schon vergangen, und dieser Strom nimmt langsam und unaufhörlich ab. Vier Speicherbänke sind zerstört. Es gibt eine äußere Grenze für unseren Strom, und in der Zwischenzeit müssen wir auf diesen Strom zurückgreifen für die Transponschweißer, die Schneidemaschinen und – für die Gußarbeiten. Ich kann nicht absehen, wieviel übrigbleibt. Wenn alles gutgeht, müßte das Schiff die Fahrt in fünfzehn Jahren machen können. Ein Gegenrettungsschiff könnte den Weltraum in fünf Tagen durcheilen.« »Hm – so werden mindestens fünfzehn Jahre vergehen? Immerhin, gar nicht mal so schlimm. Ihr alle seid jung, und ich bin so alt, daß Zeit mir wenig bedeutet. Wie lange werdet ihr mit der Konstruktion zu tun haben?« »Wir beeilen uns – es sollte nicht länger als ein Jahr dauern, selbst wenn man unsere schlechten Werkzeuge in Betracht zieht.«
»Sind die Ah-kaan-Sklaven nicht nützlich?« »Doch, bei schwerer Arbeit. Aber sonst nicht«, erwiderte der Physiker und warf einen zornigen Blick auf die arbeitenden Männer an dem an Gestalt gewinnenden Schmelzofen. »Sie sind intelligent, sogar sehr. Mir scheint, ihr Gehirn arbeitet genauso scharf wie unseres, nur ist es natürlich nie geschult, nie angeregt worden. Der Junge da, mit dem ich eben sprach – ich werde mich etwas um ihn kümmern. Vielleicht kann ich ihm ein bißchen Wissenschaft beibringen und dafür von ihm mehr über die seltsamen Geschöpfe erfahren. Wenn unsere Leute wirklich kommen, werden die Ah-kaans sicherlich nützliche Sklaven sein. Für manche Aufgaben dürften sie besser als unsere eigenen Sklaven sein. Sie sind leichter und geschickter.« Der alte Centaur trottete langsam fort. Er hörte das sanfte Feilen der metallschneidenden Werkzeuge, die die empfindlichen Teile ausschnitten. Es war eine große Aufgabe. Er würde es selbst kaum für möglich gehalten haben, daß man eine Maschine herstellen konnte, die sich selbst erhielt und mit Strom versorgte und auch noch in der Lage war, sich Tausende von Lichtjahren durch den Raum zu ihrem Heimatstern zurückzuführen. Ein Stern, der so weit entfernt lag, daß man ihn tatsächlich nicht sehen konnte! Die Astronomen und Physiker aber hatten ihn überzeugt, daß sie es könnten, und er hatte eifrig sein Protokoll über die Reise geschrieben, die Metallseiten seines Logbuches hinzugefügt und alles in den Metallkanistern versiegelt, die sie ihm zur Verfügung gestellt hatten. Jetzt führte er ein weiteres Protokoll über diese Leute hier. Wenn die Zeit gekommen war, würde er
es abschicken. Die Luft war bitterkalt; das sanfte Weiß des Schnees war zertrampelt und grau geworden. Den alten Zhi Athron erquickte die willkommene Hitze des Schmelzofens, als er da stand und die Männer und Centauren an dem großen Tiegel arbeiten sah. Hunderte von Pfund Silber wurden geschmolzen, um dann in Barren gegossen und zu Draht gezogen zu werden, den sie für die Antriebsspulen des kleinen Schiffes brauchten. Bis auf diese Spulen war nun alles fertiggestellt. Sie hatten achtzehn Monate – nicht zwölf – dazu benötigt, sie hatten den Winter gesehen, kalt und naß, und den Sommer, der ihm mit seiner Hitze gefolgt war. Und nun war es wieder Winter. Sie benutzten nicht mehr die Strahlenheizkörper des Schiffes zu ihrer Erwärmung. Sie lebten noch in den Metallräumen, die teilweise gegen die Kälte isoliert waren. Jetzt lieferten kleine Holzkohlenfeuer die nötige Wärme. Man ging äußerst sparsam mit den Spulen um, jedes einzelne Watt Energie würde man brauchen. Sie arbeiteten mit höchster Schnelligkeit; denn man brauchte aber Tausende Watt, um dieses Metall zu schmelzen und es heiß und flüssig zu halten, und jede Sekunde bedeutete eine schwere Belastung für ihre Spulen. Man hatte das Metall aus zerstörten Spulen des alten Schiffes geholt, zerbrochene, zackige Stücke, die von den Sklaven in Brocken geschlagen wurden, die leichter zu schmelzen waren. Es war chemisch reines Silber, das nicht durch die Gase der Holzkohlenfeuer verunreinigt werden durfte, sonst hätten sie Holzkohle zum Schmelzen benutzt. Jetzt glühte das Metall weiß, und Zhi Athron schaute zu,
wie der funkelnde Strom plötzlich aus dem Stich schoß, in die vorbereiteten Barrenformen. Sofort wurde es mit Zangen gepackt und zu der wartenden Ziehmaschine geschleudert. Ehe es abkühlen konnte, war es um mehrere Größen dünner gezogen worden. Das Weitere konnte man in erkaltetem Zustand ziehen. Die leisen, scharfen Kommandos der Centauren machten wenig Geräusch. Das Sprudeln und Dröhnen der Transpons, die ihre glühende Hitze in das Metall ergossen, übertönte alles. Langsam aber wurde Zhi Athron auf einen heftigen Wortwechsel aufmerksam. Er schaute auf. Zwei Ah-kaan-Sklaven beschimpften sich gegenseitig. Diese männlichen Ah-kaans neigten sehr zum Streiten. Zhi Athron ging um den großen Ofen herum und wollte ihnen Einhalt gebieten. Ganz plötzlich aber begannen sie zu kämpfen, sich zu schlagen, miteinander zu ringen. Der eine war ein großer, roher Kerl, der andere war kleiner, mit einem scharfgeschnittenen Gesicht. Urplötzlich griff der große Kerl mit einem Wutschrei heftig an. Der kleine Kerl war klug. Er hatte den Großen zum Angriff gereizt. Mit unglaublicher Beweglichkeit sprang er zur Seite, duckte sich – und der Größere taumelte nach vorn; erschrocken schrie er auf, als der große glühende Ofen vor ihm auftauchte – ein schriller Schrei des Entsetzens und des Schmerzes kam von seinen Lippen, während er über den niedrigen Rand in die geschmolzene Metallmasse stürzte... Eine Eruption von ungeheurer Heftigkeit folgte, brennendes, glühendes Metall strömte aus, als der Körper des Mannes in Dampf verwandelt wurde. Zwei Centauren fielen schreiend nieder, zehn Pfund schwere Kugeln des
glühenden Materials übersprühten sie. Die übrigen standen vor Schreck erstarrt. Dann stöhnten sie dumpf auf: das Silber war unverwendbar – es war verunreinigt! Der kleine Kerl erzitterte, als er ihre harten, zornigen Augen sah. Um Gnade schreiend, lief er davon, während drei Centauren ihn verfolgten. Die Transpons waren abgestellt, als sie ihn zurückbrachten; denn dieses Silber war ja nun wertlos. Es war heißer Sommer, und die erbarmungslose Sonne von Thesaly strahlte auf die arbeitenden Frauen nieder. Es waren fünfzig. Fünfzig junge Frauen, die ihre groben Hämmer im Takt schwangen. Zwei Centauren bewachten die Zugänge zu dem Camp in den Bergen. Sie hielten kleine Transponpistolen in der Hand, und ihre Augen blickten wachsam. Die Ah-kaans hatten die Festnahme ihrer Frauen sehr verübelt. Aber die Centauren weigerten sich, noch einmal Vertrauen zu den streitbaren, zänkischen Männern zu haben. In ihrer Behandlung der Sklaven waren sie nicht mehr freundlich wie früher. Über diese gefangenen Frauen übten sie eine harte, gewalttätige Herrschaft aus. Sie mußten jetzt Schildwachen aufstellen; denn die Männer umkreisten zornig das Lager und suchten eine Chance, hineinzugelangen, einen Centauren zu töten und sich mit einer der Frauen fortzustehlen. Zhi Athrons Gesicht hatte neue Furchen bekommen. Der junge Ah-kaan, für den er sich interessiert hatte, war nun das einzige männliche Wesen im Lager, ein unterwürfiger, erschreckter Mann, der Zhi Athron die Lage tagtäglich mehr bewußt werden ließ.
Zhi Athron war sich im klaren, daß er nie seinen Heimatplaneten, Äon, wiedersehen würde. »Das ist das Ende«, hatte Kal Pola gesagt, als der Chefphysiker in den verdorbenen Tiegel mit Metall geschaut hatte an dem Tag, als der kleinliche Streit der beiden Sklaven ihre Hoffnungen vernichtet hatte. »Wir müßten einen neuen Kessel schmelzen.« »Das Schiff könnte wohl jetzt die Reise nicht machen?« fragte Zhi Athron. »Es könnte, und es kann. Aber es wird dann mindestens einhundertundfünfzig Jahre dauern. Wir werden kaum Strom genug haben, um Geschwindigkeitsfelder zu errichten, und ganz sicher reicht er nicht aus für eine wirklich hohe Geschwindigkeit. In drei Monaten können wir neues Silber schmelzen, es gießen und die Spulen bauen. Dann«, hatte er bitter hinzugefügt, »können wir uns hinsetzen und ein halbes Leben lang – zweihundert Jahre mehr als siebzigtausend Tage – auf die Botschaft warten, daß wir nach Hause zurückkehren können.« »Das werden wir auch. Es bleibt uns nichts anderes übrig.« Endlich war es fertig. Das klare Licht des halben Mondes lag silbrig und durchsichtig auf den rauhen Metallwänden, und die Sterne blickten darauf nieder. Die glänzenden, fremden Sterne. Achtzehn Centauren und sechzig menschliche Wesen schauten zu, wie Kal Pola und Kwal Tass die endgültigen Einstellungen vornahmen. Hars Forth benutzte seine Tafeln, als das Bildnis eines Sterns langsam über den Fernsehschirm glitt. Kwal Tass richtete sich auf, nur Kal Pola blieb sitzen. Endlich stand auch er aufrecht,
mit einer baumelnden Litze in der Hand. Er trug sie hinüber zu dem Fernsehschirm und beobachtete aufmerksam, wie der gleitende Stern sich auf den winzigen Punkt des Fadenkreuzes zu bewegte. Langsam kam er näher. Dann – berührte er den Punkt. Sofort drückte Kal Pola auf einen kleinen Knopf, und das zehn Fuß lange Kurierschiff stieg plötzlich auf, und die baumelnde Litze löste sich aus der Steckdose. Gerade und stetig stieg es auf, wendete und gewann schnell Fahrt. Innerhalb von Sekunden war es den Blicken entschwunden. Langsam wandten sich die Centauren ab und gingen zusammen fort. Hoffnungslose Ergebenheit schien sich in ihnen einzunisten eine Mattigkeit, die auch den Physiker befiel, als er die wenigen übriggebliebenen Instrumente zusammentrug, um sie mit in die Ruinen des Schiffes zu nehmen, das ihre einzige Heimstatt war. Zhi Athron näherte sich ihm und nahm einen Teil der Apparate. »Wie werden sie das Kurierschiff finden, wenn das System erreicht wird?« »Automatischer Sender«, erwiderte Kal Pola teilnahmslos. »Er wird beginnen zu senden, wenn das Schiff seinen Bestimmungsort erreicht – innerhalb einer halben Milliarde Meilen von der Sonne entfernt. Senden auf dem Notband. Irgend jemand wird es hören. Dreißig Stunden lang wird er funken. Sie werden es finden. In einhundertundzweiundvierzig Jahren.« Er lachte hart, schallend, bitter. »Ich werde dann zweihundertundzwölf Jahre alt sein – wenn ich noch lebe. Die Hälfte meines Lebens ist vorbei.« »Nimm einmal an, daß sie das System bereits verlassen haben?«
»Das wird nicht der Fall sein. Wenn sie wirklich in dem Jahr, als wir weggingen, aufgebrochen sind, würde es doch dreihundert Jahre dauern, bis alles beendet ist, und solange das System besteht, werden sie Beobachter dort lassen.« Langsam und teilnahmslos ging Kal Pola dahin. All diese Zeit, die vor ihm lag! Und keine Arbeit mehr – nur noch warten. Einhundertundzweiundvierzig Jahre auf die Befreiung aus dieser barbarischen Welt der Wilden warten. Zhi Athron stieg langsam bergan. In letzter Zeit wurden seine Muskeln recht steif, und er war froh um die Hilfe des grauhaarigen Menschen an seiner Seite, des jungen Ah kaan, den er vor vierzig Jahren, als sie landeten, zu seinem Begleiter gemacht hatte. Er kam jetzt selten in die Berge hinauf. Für den fünfhundertunddreißigjährigen Centauren mit der weißen Mähne war es eine mühsame Kletterei. Seine früheren Begleiter sahen ihn nicht gerne. Eine Schildwache rief sie an, als sie sich der verrosteten Metallwand näherten, eine Schildwache, die mit undeutlicher Stimme Ah-kaan sprach. »Ich bin es, Chiron«, erwiderte der alte Centaur in der gleichen Sprache. Seine Stimme war klar, wenn auch ein wenig sorgenvoll. Der da in das helle Licht des Vollmonds trat, war kaum als der junge Kal Pola von vor knapp vierzig Jahren zu erkennen. Sein Gesicht war eingefallen und fleckig, das Gesicht eines Centauren, der eher vierhundertundvierzig als einhundertundzehn Jahre alt war. Die Augen waren blutunterlaufen und böse. Die seltsamen Speisen und Getränke der Ah-kaans hatten die Mannschaft ruiniert. Alkohol. Die Chemiker kannten ihn als Äthylhydroxyd. Man hatte festgestellt, daß die
Eingeborenen ihn mit Vergnügen tranken. Ein Versuch – ein zweiter. Es war nicht nur ein Stimulans für die Centauren. Es war ein tödliches Rauschmittel, das auf sie tausendmal so stark wie auf die Menschen wirkte. Kal Polas Gesicht und sein schlappes, glanzloses Fell erzählten eine ganze Geschichte. Die Centauren liefen im Sommer wie die meisten Eingeborenen ohne Kleider, und nun fiel das Mondlicht auf ein fleckiges, stumpfes Fell anstatt auf eines, das von Jugend und Gesundheit glänzte. »Du hast dich verändert, Kal Pola«, sagte Chiron traurig. »Du auch, alter Narr«, erwiderte der ehemalige Physiker. »Was suchst du hier?« »Etwas, das dir nichts bedeutet, einige Bücher. Ich hätte gern das medizinische Handbuch des Schiffes. Der Sohn meines Freundes hier lernt Chirurgie und Chemie. Ich denke, er könnte diesen Ah-kaans viel helfen. Auch habe ich immer hartnäckigere Gerüchte von einer viel höheren Zivilisation im Süden gehört. Ist denn niemand da, der mir helfen und mich begleiten würde?« »Nein, niemand«, gab Kal Pola kurz zurück. »Hole deine Bücher und gehe! Und deinen Ah-kaans könntest du sagen, daß wir noch fünf Sklavinnen brauchen. Wenn sie sie schicken – in Ordnung. Wenn nicht, müssen wir sie uns holen.« Der alle Centaur nahm einen Weg quer über das Plateau. Er fand das Buch noch in der Kabine, die gegen Luft und Feuchtigkeit versiegelt und verschlossen war. Die Hauptbücherei war nicht mehr vorhanden. Traurig machte sich Chiron an den Abstieg, von seinem grauhaarigen Begleiter gestützt. »Meine Rasse ist jung, und das Warten über anderthalb
Jahrhunderte war zuviel für sie. Und dazu noch euer Alkohol. Ich werde das Befreiungsschiff nicht mehr erleben. Und ich bin überzeugt, daß auch keiner von ihnen das erleben wird. Vielleicht ist es besser so. Sie würden den Völkern meiner Welt eine Gefahr sein, in dem Zustand, in dem sie sich befinden, und mit den Geschichten über die seltsamen Getränke, die sie gefunden haben.« Nur zwei Leidtragende standen neben dem rohen Erdhügel. Kalter Regen fiel, und die anderen, die geholfen hatten, den schweren Körper herzubringen, waren sofort wieder umgekehrt. Einundzwanzig Erdhügel lagen da, die älter waren als dieser hier, und dahinter lag eine Menge rostigen Metalls, das kaum von den eisengeröteten Felsen zu unterscheiden war. Der eine der beiden Trauernden war grauhaarig, der andere ein junger Mann in der Blüte seiner Jahre. Lange schaute der ältere seinen Begleiter an. »Du hast einen Geist zerbrochen, mein Sohn.« Der andere nickte. »Ich weiß, daß du nur daran dachtest, bei der Eroberung zu helfen – eine Hilfe im voraus. Er aber hatte ein anderes Ziel, als er dich in Chemie unterrichtete. Ihm war es keine Waffe, sondern ein Heilfaktor. Daß du daran denken würdest, jenes unlöschbare Feuer zu entwickeln... Er lehrte meinen Großvater, meinen Vater, als er jung war, mich und dann dich. Er hoffte, daß seine Lehren sich verbreiten würden. Er wußte, daß unser Volk intelligent ist; aber er irrte, leider, wenn er dachte, daß es diese Intelligenz für aufbauende Dinge anwenden würde. Vor einhundertundacht Jahren landete er auf diesem Berg, und er verbrachte seine ganze Zeit damit, daß er versuchte, uns
zu helfen. Es war zuviel, daß du seine Lehre in eine Waffe, die verletzen kann, verwandelst. Und seine Begleiter waren gestorben, gehaßt und von allen verachtet. Nur wir hörten auf ihn. Du hast deinen Generälen das Geheimnis des Unlöschbaren Feuers beigebracht, lehre sie nun auch die Wissenschaft der Medizin! Deinen Kindern aber erzähle die Geschichte von Chiron, daß sie diese zu ihrer Zeit denen weitergeben können, die nach ihnen kommen werden.« Sie kehrten dem Berg den Rücken. Der junge Mann litt echten, tieferen Kummer als sein Vater; denn er war für Chirons Tod verantwortlich – Chiron, der allein und ohne Hoffnung in dieser fremden Welt gelebt hatte, wo alle, bis auf ein knappes halbes Dutzend, ihm mit Verachtung begegnet waren. Der junge Mann wurde alt, und seine Kinder erfuhren die Geschichte, und diese wurden wieder alt, und was sie behielten davon, gaben sie ihren Kindern weiter. Die ihrerseits aber waren nicht so sorgfältig in ihrer Wiedergabe; denn es gab mancherlei Aufregungen, und der alte Vater hatte vielleicht unrecht gehabt. Die »Zeit der Ankunft« war vorüber, und kein Schiff war aus dem Nichts gekommen, um Chirons Bericht zu bekräftigen. Und abgesehen davon rasten die Achaer gen Süden, und das Unlöschbare Feuer fegte die zivilisierteren Minonans vor ihnen her. Allmählich sollten die Achaer sich ansiedeln und mit den Minonans vermischen, und nach ihnen sollten die Dorier kommen, sich ihrerseits vermischen, und daraus sollte das Griechentum erwachsen. Das Unlöschbare Feuer
sollte als Griechisches Feuer bekannt werden, die einzige überlebende Spur der Lehren Chirons, das für ihn den Tod bedeutet hatte. Aber im Laufe der Zeit sollte auch das verlorengehen und erst Jahrhunderte später von Archimedes wieder entdeckt werden; es sollte eine römische Flotte verbrennen und die griechische Stadt Syrakus auf Sizilien angreifen. Danach aber würde es nur noch die alten Geschichten über die Centauren, halb Pferd, halb Mensch, und über Chiron, den Lehrer, geben. Dor Starl beugte sich tiefer über den Lautsprecher des Funkgeräts, um das schwache Signal erkennen zu können. Schließlich wandte er sich um und rief Garth Shoal, einen jüngeren hellhörigen Centauren. »Garth Shoal – komm einmal her, ich glaube, ich höre einen Notruf!« Garth Shoals trabende Füße kamen eilig näher. »Was? Einen Notruf? Aber – wir sind doch jetzt in diesem Gebiet des Weltraums allein – das letzte Schiff verließ uns vor fast zwei Jahren, und ein Ersatz ist nicht vor vier Jahren zu erwarten.« Hastig trat er zu dem Instrument und lauschte gespannt. Verwischt und fast unkenntlich im Lärm der schwärmenden winzigen Meteoriten, die das Magnetfeld des Schiffes berührten, hörten sie einen Notruf. Als der Alarm einsetzte, übernahm Garth Shoal die Instrumente und stellte sie ein. Sorgfältig maß er die Winkel aus, denn das Schiff eilte mit einer halben Million Meilen in der Sekunde vorwärts. Die Signale nahmen ständig an Stärke zu. Nun waren sie deutlich zu hören. Garth Shoal keuchte, als die Signale verständlicher wurden. »Geister des Weltraums – es ist Expedition Neunundsiebzig! Vor
hundertunddreiundvierzig Jahren haben sie Äon verlassen – drei Jahre bevor Zweiundfünfzig die Nachricht von der Entdeckung des Malcansystems heimbrachte!« Eine halbe Stunde später suchten die Centauren mit gespannten Gesichtern den Weltraum ab. Die Zeichen waren jetzt deutlich – eigentlich müßten sie in der Nähe des Schiffes sein –, als Garth Shoal sagte, daß ihre Deutlichkeit nachließe, der Strom des Schiffes versage. So nahe – und doch konnten sie die Felder des Schiffes nicht entdecken! »Sie können nicht leben, wenn ihr Magnetschild versagt. Was kann ihnen nur fehlen – warum können sie nicht Strom von der Sonne abzapfen?« fragte der besorgte Dor Starl rhetorisch. Er machte eine fragende Gebärde. »Hier – sieh doch – wir sind an ihnen vorbeigefahren!« Der Mann an den Instrumenten schrie es in erstaunter Verwirrung, »Ihr Feld ist winzig!« »Zurück – sucht sie!« befahl Dor Starl. Aber obwohl sie in der Nähe der Rufe waren, brauchten sie zehn Minuten, bis sie das Schiff fanden; es war ein winziges Ding! Nicht mehr als elf Fuß lang! Vorsichtig fingen sie es mit einem Traktorstrahl und drückten es langsam durch ihren magnetischen Schirm. Vorsichtig wurde es durch die Schleuse gezogen, und als die Tür geschlossen war, kamen mit Ausnahme der beiden Posten alle herein. Dor Starl hielt sie an, als ein langsames, stetiges Zischen aus der Metallhülle ertönte. Dann ging er aufatmend vorwärts. »Es kann kein Leben mehr darin geben – die Luft zischte hinein. Es war luftleer gewesen. Protokolle – Daten – die Geschichte ihres Unglücks...«
Die Lukentür war bald gefunden, ein ungeschickt geschnittener Verschluß, der schlecht paßte und an dem Feuchtigkeit und Kohlendioxyd aus der Luft kondensierten. Ein Mechaniker öffnete ihn vorsichtig, zwei Physiker schauten hinein und stießen einen überraschten Pfiff aus. »Wunderbar – großartiger Mechanismus – hat sich selbständig durch das Nichts zu unserem System gesteuert...« Ein Astronom gesellte sich zu ihnen und betrachtete die winzigen, empfindlichen Maschinen aus Silber und geformtem Stahl und Glas. »Wunderschön gefertigt – wunderschön! Seht doch nur – Kanister mit den Botschaften!« Sie wurden vorsichtig entfernt, und die Mechaniker an Bord öffneten sie mit feinen Metallsägen. Sorgfältig wurden die Platten herausgenommen... Mit einer gewissen Trauer schaute Dor Starl zurück in den Weltraum. Er zählte nur zweihundertelf Jahre, und das alte System lag nicht so tief in seinen Gedanken verwurzelt, wie es hätte sein können. Aber immerhin... Die Sonne, auf die er zurückschaute, war ein ganz anderer Stern als die Sonne, deren Licht seine Augen zuerst gesehen hatten. Das war ein immenser, blauweißer Riese gewesen, der mit heftiger Intensität strahlte, eine große, nach einer Seite hängende Sonne, die nun schon hinter Tausenden und Zehntausenden von Lichtstunden verdämmerte, als das Schiff auf Tosk zu floh und auf den Stern Malc dieses neuen Systems. Dor Starls fünfzehnjährige Wache unter dem zusammenbrechenden System der alten Welten war nun zu Ende gebracht. eine
neue junge Mannschaft in dem Entlastungsschiff würde vielleicht weitere fünf Jahre beobachten... Dor Starl fühlte sich jedoch recht befriedigt; denn er besaß viele Protokolle von ungeheurem Wert, einschließlich des sehr wichtigen Dokumentes, das von Kal Pola unterzeichnet war und des Logbuches von Zhi Athron. Ein weiteres planetarisches System stand ihnen zur Verfügung! Es war, so sah er ein, nicht direkt wichtig. Die ganze Rasse war während der letzten anderthalb Jahrhunderte tätiger gewesen, als je ein Centaur es für möglich gehalten hätte. Zunächst einmal die Nachricht von der Entdeckung des Malcansystems mit dem planetarischen System von Tosk: – Sor-osk und Al-osk. Dann kam plötzlich der sehr viel stärkere Fall von Meteoren, der innerhalb eines Jahrzehnts begonnen und sie zu einer wesentlichen Änderung ihrer Pläne gezwungen hatte. Aus dem Vorhaben, allmählich umzuziehen, hauptsächlich im Zuge einer Baueinstellung auf Äon und einer langsamen Bebauung und Einwanderung nach Tosk, war statt eines geordneten Rückzuges wegen der plötzlichen Zunahme der Meteore eine wilde Flucht geworden. Schiff nach Schiff schwankte in den Raum, bis zum äußersten beladen. Schiff nach Schiff raste durch die zwölftausend Lichtjahre nach Malc und wieder zurück, schleppte auf dem Hinweg Centauren und kehrte leer zurück. Das Volk, Protokolle, Maschinen, Laboratorien und Fabriken. Ganze Gebäude waren auseinandergenommen, mit Impulswellenantrieb und Geschwindigkeitsfeldern versehen und auf die Reise geschickt worden. Alles geschah in wilder Hast – Familien wurden getrennt, Protokolle verstreut und verlegt –, keiner wußte genau, wie viele Schiffe unterwegs
verlorengegangen waren. Aber Dor Starl fühlte sich des Willkommenseins gewiß. Die beiden neuen Planeten, jeder von der Größe Äons, waren bei weitem nicht übervölkert. Viel Arbeit lag noch vor ihnen, ehe man dem Gedanken an eine weitere Kolonisierung Raum geben konnte. Ein Hilfsschiff mußte sofort abgesandt werden. Nur sieben Tage später rückte das Observatoriumsschiff langsam in das Malcansystem vor. Malc leuchtete klein und rot, ein schwächlicher, kleiner Stern der Spektralklasse M-5. Seine Größe war plus 10, ein siebentausendstelmal so hell wie der Stern, von dem die dem Verderben geweihte Expedition, die die Torpedobotschaft abgeschickt hatte, berichtete. Und doch war man zufrieden, denn es handelte sich um zwei Planeten, auf die das Schiff nun zusteuerte, die in einer Entfernung von der Sonnenoberfläche von nur anderthalb Millionen Meilen kreisten. Diese Zwillingswelten von Tosk waren die neue Heimat der Centauren. In einem großen Weltraumhafen auf Al-osk, dem Hauptplaneten, landete das Observatoriumsschiff in der Nähe der neuen, noch im Aufbau begriffenen Stadt Äon, die zu Ehren des nicht mehr bestehenden Planeten so genannt worden war. Äon wuchs schnell – in den fünfzehn Jahren der Wache im alten System hatten sehr bemerkenswerte große Veränderungen stattgefunden. Man spürte noch die Merkmale eines ungestümen Baufiebers. Eine Delegation von Wissenschaftlern holte das Schiff ab, aber selbst sie schien wenig Zeit zu haben. Dor Starl wurde von der einen, sein Erster Assistent von der anderen Gruppe mit Beschlag belegt. Die kostbaren
Botschaftenzylinder wurden den entsprechenden Behörden zugeleitet. Da Dor Starls Pflicht im Hinblick auf den Botschaftenzylinder erfüllt war und er sehr interessante und wichtige eigene Daten über den endgültigen Zusammenbruch des alten Systems hatte, als es unter dem Hagel von Milliarden Tonnen von Meteoren zusammengefallen war, überließ er den Zylinder mit der Botschaft den Händen der zuständigen Behörden. Dabei vergaß er beinahe, was sich immerhin erst vor fast vier Jahren ereignet hatte, ehe er nach Malc und Tosk zurückkehrte. Und weil die zuständigen Behörden außerordentlich stark damit beschäftigt waren, wichtige und verwickelte Akten zu ordnen, und weil die Beamten, in deren Dienstbereich diese Botschaft gehörte, schwer unter Druck saßen, ordneten sie die Metallbogen sehr korrekt ein und schickten den zuständigen übergeordneten Behörden eine Aktennotiz. Und irgendwo beim Umlauf über all die zuständigen und schwer überlasteten Beamten wurden diese Notizen als erledigt gekennzeichnet und abgelegt. Und innerhalb von vierzig Jahren nach Zhi Athrons Tod erinnerte sich nicht ein lebender Kopf im ganzen Universum an das Schicksal der Expedition, die den Weltraum durchkreuzt hatte und so unheilvoll erfolgreich beim Auffinden eines planetarischen Systems gewesen war. Die Vertreter der Toskarregierung von Al-osk schleuderten den rebellischen Sor-oskans drohende Worte entgegen.
»Die Pionierväter«, donnerte Shar Talkon, »errichteten in den neuen Welten die alte Regierung. Und sie errichteten sie auf Al-osk. Es ist rebellisch und anti-sozial, auch nur einen Moment lang zu fordern, ja nur daran zu denken, daß Sor-osk der Sitz der Regierung der Welten sein sollte...« »... aber vernünftig«, unterbrach Kwal Tenth beißend. »Sor-osk ist deutlich als Sitz der Weltregierung gedacht. Zweifellos waren die Pionierväter große Männer, wir streiten das nicht ab. Aber dem Größten von uns unterläuft in der Eile einmal ein Irrtum. Und wenn er wirklich Größe hat, wird er versuchen, diesen Irrtum zu berichtigen. Die Väter wußten, daß Al-osk die größere Welt ist – und so errichteten sie hier die Hauptregierung. Aber praktisch gesehen ist Al-osk nicht mehr die größere Welt – zwei Drittel seiner Oberfläche sind Wasser, wohingegen Sor osk, wenn es auch an Umfang kleiner ist, ein weit größeres Gebiet nützlichen Landes umfaßt. Darüber hinaus, als unsere Völker auszogen, richteten sie sich in der Welt jeweils ein, wo das Leben leichter war, wo das Leben zum mindesten erleichtert werden konnte. Wie euch wohl bekannt ist, hatte Sor-osk am Ende des ersten Jahrhunderts nach Äon eine Bevölkerung von fünfhundertdreiundfünfzig Millionen, am Ende des zweiten Jahrhunderts nach Äon aber achthundertneunzig Millionen, und heute, im sechsten Jahrzehnt des dritten Jahrhunderts nach Äon, beträgt sie eine Milliarde zweihundert Millionen. Aber bis heute ist die Bevölkerungszahl von Al-osk auf nur vierhundertachtzehn Millionen gestiegen. Und ihr wagt immer noch zu behaupten daß die Fehler, die die Pionierväter in ihrer Hast und vieler; Arbeit gemacht haben, auf Dauer weiterbestehen sollen!«
»Es war kein Fehler!« schrie Shar Talkon. »Sie sahen in Al-osk nicht den gegenwärtigen, sondern den zukünftigen, den dauernden Wert. Wir haben Wasser. Wir wissen es, und es ist unser großes Plus. Wasser – viel Wasser, das jede Meile unseres Planeten fruchtbar macht. Wir können heute eine Bevölkerung erhalten, die zwanzigmal so groß ist wie die, deren ihr euch rühmt...« Shar Talkons Rede donnerte weiter. Sie hatte keine Wirkung; denn schon bildete sich auf Sor-osk die sor-oskanische Regierung. Beamte wurden gewählt und der Grund für ein Jahrhundert bitterer Handels- und Wirtschaftskämpfe gelegt, die, wie es den Anschein hatte, die Toskarrasse für alle Zeiten in zwei Teile spalteten. Dann folgte ein Jahrhundert nachlassender Bitterkeit, als eine neue Generation heranwuchs, die die Teilung als gegeben hinnahm, und die späteren folgten langsam diesem Beispiel. Als weitere fünfhundert Jahre vergangen waren, lebten Sor-osk und Al-osk jeder für sich, unabhängig voneinander, doch waren sie der gleichen Tradition verbunden. Als man das Jahr tausend nach Äon schrieb – nach der von den Toskars noch immer beibehaltenen Zeitrechnung von Äon –, begingen die fünfdreiviertel Milliarden auf Sor osk und die viereinhalb Milliarden auf Al-osk gemeinsam das große Jubiläum. Zweitausend nach Äon kam, und wieder hielten die beiden befreundeten Welten, die eine mit vierzehn Milliarden siebenhundert Millionen und Al-osk mit dreizehndreiviertel Milliarden gemeinsame Feiern ab. Dreitausendfünfhundert nach Äon kam und verging.
Nun aber kämpfte auf Sor-osk eine Bevölkerung von neunundzwanzig Milliarden Toskars um ihre Existenz während auf Al-osk nur fünfzehn Milliarden in aller Gemütlichkeit lebten. Als der große Aufbau beendet war und die frisch hergekommenen Toskars um die Erhaltung ihres Besitzes kämpften, hatte man die alte Wissenschaft der Pionierväter weitgehend vergessen. An abseitsliegenden Dingen hatten sie wenig Interesse, wie zum Beispiel an Astronomie, reiner Physik und Chemie. Sie degenerierten langsam, bis die wichtigeren und dringlicheren Lebensaspekte plötzlich wieder in ihr Blickfeld rückten. Zweitausend Jahre lang hatte ein allmähliches Absteigen stattgefunden, bis der Standard eines bequemen Lebens erreicht wurde. Die Toskars hatten die Maschinen, die sie brauchten; sie waren verbessert und vereinfacht worden, so daß man keinerlei Ärger damit hatte. Diese Art zu leben hielt tausend Jahre an. Dazu kamen sehr langsame Fortschritte, die für die Erhaltung des Wissensstandards notwendig waren. Die Toskars hatten nie großen Wert auf mündliche Überlieferung gelegt, geschriebene Protokolle ließen sich soviel leichter studieren. Fast gleichzeitig mit ihrer Erfindung kam man von mündlichen Protokollen ab. Die unvermeidlichen langsamen Veränderungen in der Sprache hatten verheerend gewirkt. Die metallenen Platten und Bogen, die zu Äons Zeiten üblich gewesen waren, hatten den leichter zu beschreibenden chemischen Bogen Platz gemacht, die aus einem undurchsichtigen, biegsamen Material organischer Natur gefertigt wurden, zäh, mit einfachen Farben leicht zu beschreiben. Die Wissenschaftler hatten davor gewarnt, die Philosophen
daran Kritik geübt; aber die Leute hatten sie benutzt. Die Wissenschaftler hatten genauestens vorausgesagt, was damit geschehen würde. Dreitausendfünfhundert Jahre waren vergangen. Die Metallbogen blieben intakt, dauerhaft, fest, leserlich und leicht zu handhaben. Aber keiner im ganzen Toskarsystem konnte sie lesen. Im Laufe von dreitausendfünfhundert Jahren hatten sich langsam Veränderungen in die Sprache eingeschlichen, die die Toskars auf Sor-osk gezwungen hatten, sich einer anderen Sprache zu bedienen, wenn sie sich mit den Toskars auf Al-osk unterhalten wollten. Das schlimmste aber war, daß die Protokolle aus der Zwischenzeit auf dem verderblichen Papier und auf ähnlichem Material verschwunden waren. Man kannte die ursprüngliche und die jetzige Sprache, aber man hatte keine Möglichkeit, die Veränderungen zurückzuverfolgen. Und im Jahre dreitausendfünfhundert nach Äon machte sich auch niemand viel Gedanken darum. Nur auf Sor-osk begann man sich Gedanken zu machen. Für alle Zeiten hing Al-osk in den Himmeln. Der Handel wogte hin und her, und die beengten, unterernährten Sor oskans mußten schwer für ihre wenigen Produkte arbeiten. Al-osk hatte vor Jahrhunderten bereits seine Bevölkerung weit unter dem Sättigungsgrad beschränkt, so daß das Volk gut genährt war und genügend Raum hatte. Wäre es ihnen möglich gewesen, des alten Shar Talkon Sprache zu lesen, würden sie wohl mit ihm übereingestimmt haben, daß Al osks Wasser keine große Bedrohung bedeutete, denn jeder Quadratmeter Boden auf Al-osk war ein Garten, der von einer Sonne, die ihnen nun weiß erschien, erwärmt wurde. Sor-osk begann Einwanderer nach Al-osk zu schicken. Und Al-osk erließ Beschränkungen, denn seine
Bevölkerungszahl war auf einen bestimmten Punkt fixiert. Wenn Sor-oskans zugelassen werden sollten, durften die Al-oskans keine Kinder mehr haben. In aller Stille begann man in Sor-osk mit Untersuchungen der alten Wissenschaft, und allmählich arbeitete man eine Möglichkeit aus, in das jahrhundertealte Dunkel der Sprachveränderungen einzudringen. Da man auf Al-osk nicht dumm war, fingen sie auch dort mit kleinen Untersuchungen an. Vielleicht waren die Sor-oskans ernsthafter in ihrer Forschung. Vielleicht waren die Al-oskans nicht so scharfsinnig als Folge des leichteren Lebens in ihrer Welt. Im Jahre 3597 nach Äon begann Sor-osk einen Krieg mit Al-osk, und nach drei Tagen war dieser Krieg beendet. In den nächsten Jahren wanderten zweieinhalb Milliarden Sor-oskans nach Al-osk. 4024 begann Al-osk einen Krieg gegen Sor-osk; man hatte auf Al-osk gelernt, die alte Wissenschaft zu studieren, und war auf den Gedanken gekommen, daß die alte Wissenschaft nicht das einzige war, was man kennen mußte. Das Resultat war, daß mehrere hundert Sor-oskan-Kreuzer, die gesamte Schlachtflotte und eine Sor-oskan-Stadt in einem wundervollen, opalisierenden Strahl verschwanden. In elf Monaten wanderten zweieinhalb Milliarden Sor-oskans eiligst nach Sor-osk zurück und drängten sich auf dem überfüllten Planeten zusammen. Die Kriege hatten jedoch eine gewisse Erleichterung gebracht, denn in nur elf Tagen Krieg war fast eine halbe Milliarde Bewohner umgekommen. Vielleicht sagte das den Sor-oskans zu. Sie entdeckten ein Mittel, den opalisierenden Strahl der Al-oskans zu
überwinden, und bereiteten einen neuen Angriff mit eben diesem Strahl und dem Abwehrmittel vor. Al-osk kündigte an, daß es über eine neue interessante Waffe verfüge, und Sor-osk gab den Plan auf. Doch hielt Sor-osk es für nötig, die Schlachtflotte als Schutz gegen Piraten der Weltraumwege auszubauen. Seit man festgestellt hatte, daß Karn, der nächste Planet im Inneren des Systems von Malc, zum Teil bewohnbar war und daß Kartak, der nächste Planet aus dem äußeren System, einige Kohlevorkommen besaß, bestand ein ziemlich reger interplanetarischer Handel. Kartak hatte eine Temperatur von zweihundert zehn Grad unter Null, er kreiste in einer Entfernung von drei Millionen zweihundertachtundvierzigtausend Meilen von der roten Sonne Malc entfernt und war ewig gefroren. Abgesehen von einem Bergbaulager, konnte man ihn für die Dauer nicht bewohnbar machen, weil die Wärme des kleinen Sterns rapide abnahm. Während man auf Sor-osk immer noch Schlachtschiffe zum Schutze des Handels baute, konstruierte Al-osk neue, schwergepanzerte, ungeheuer starke Schiffe, die über mächtige Strahlen verfügten. Wohlverstanden, es waren keine Schlachtschiffe. Nein, sie sahen nur aus wie Schlachtschiffe und waren sogar gepanzert. Sie waren für einen anderen Zweck bestimmt. Aus dem Asteroidengürtel, der fünf Milliarden Meilen von Malc entfernt war, sollten sie Eisen sammeln. Sor-osk wies darauf hin, daß ein einziges dieser dreiundvierzig Schiffe in einer Woche einen Jahresbedarf der Industrie Al-osks decken könne. Al-osk produzierte seine Flotte, die Eisen sammeln sollte, und Sor osk verstärkte die Schutzmaßnahmen gegen das Piratentum.
Sharson, ein junger Student der Naturwissenschaften war eifrig mit einem Protokoll beschäftigt, das er entdeckt hatte, ein regelrechtes, wissenschaftliches Protokoll, das unter alten offiziellen Dokumenten aus der Zeit der beginnenden Zivilisation auf Al-osk begraben gelegen hatte. Interessiert betrachtete er die alten metallenen Bogen sowie eine beigelegte Protokollkarte, die in der Ecke, in der hätte stehen sollen: »behandelt«, keinerlei Vermerk trug. Neugierig prüfte er, ob das Protokoll die Namen irgendwelcher anerkannter Forscher jener Zeit aufwies. Er fand verschiedene Unterschriften – »Zhi Athron« und »Kal Pola« und andere mehr. Zuerst las er die Metallbogen, die nach dem alten Kalender sorgfältig datiert waren, und als er die kurzen täglichen Eintragungen überflog, tauchte langsam ein Bild des Lebens und Treibens auf einem der fast sagenhaften Expeditionsschiffe vor ihm auf. Es gab nur wenige Protokolle wie dieses hier. Aber daran dachte er nicht, als er Stunde um Stunde die anschauliche lange Geschichte las. Dann stieß er auf eine kurze Eintragung von solch ungeheurer, unfaßbarer Wichtigkeit, daß er einen Ruf des Staunens ausstieß und minutenlang die gleiche Stelle wieder und wieder las. »An diesem Tag«, las er, »in der siebenten Stunde der zweiten Zeitgrenze, zeigten Untersuchungen mit dem Impulsmeter und dem Gravitometer, daß die erwähnte Sonne ein ausgedehntes und großes planetarisches System hat. Unsere Suche war erfolgreich. Der zweite, dritte und vielleicht auch der vierte Planet dieses Systems werden gut für uns geeignet sein, sagt Twal. Wir setzen unsere Untersuchungen fort.« Sharson wandte sich langsam wieder seiner Lektüre zu.
Durch all die Jahrhunderte hatte dieses Manuskript unter verstaubten Akten gelegen. Und die Wissenschaft hatte gelehrt, daß im ganzen Universum kein weiteres planetarisches System bekannt sei und daß es wahrscheinlich auch keines gäbe! Wie hatte man dieses so ungeheuer interessante Dokument nur übersehen können? Schnell las er weiter, las von dem tragischen Ende des Schiffes, seiner Strandung auf dem dritten Planeten, von der Botschaft, die man in einen Torpedo einschloß, von dem Unfall der streitenden Sklaven... Und aus den beigefügten offiziellen Dokumenten erfuhr er die Tragödie der Beamtenmißwirtschaft die diese jahrhundertealte Geschichte eines Abenteuers, einer Suche und eines Schiffbruches in der Unendlichkeit des Weltraumes für Jahrtausende vergraben hatte, und – von einem anderen planetarischen System! Sharson schaute eifrig auf den grauhaarigen Al-oskanKreuzerkapitän. »Können wir starten?« »Ja – mit drei Kreuzern und einem Schlachtschiff als Eskorte bis zur Grenze unseres Systems. Ich halte es zwar immer noch für Schwindel«, brummte der Kapitän, »aber – wenn Karthlon Befehle empfängt, gehorcht er ihnen.« Das Schiff machte eine leichte Bewegung, und man hörte das ansteigende Summen der Transponstrahlen. Langsam stieg der Kreuzer auf und verharrte dann einige Sekunden, bis das Schlachtschiff und die beiden anderen Kreuzer ihm folgten. Dann schoß er aus der Atmosphäre und, einmal im Weltraum, aus dem System heraus. Eine Stunde, nachdem er Tosk verlassen hatte, flog er mit seinen Geschwindigkeitsfeldern. Zwei Stunden später war der rote
Stern Malc ihrer Sicht entschwunden, und wesentlich schneller als das Licht schossen sie durch den interstellaren Raum auf einen Stern der Spektralklasse G0 zu, der ihnen als klar, sehr glänzend und von hartem Blau erschien und der siebenhundertfünfzig Lichtjahre von Malc entfernt war. Voller Eifer beobachtete Sharson, wie dieser Stern von Stunde zu Stunde klarer auf den Schirmen zu sehen war. Ein Stab von Astronomen war schon damit beschäftigt, alte Fotografien und neue, eben gemachte, zu überprüfen. Die Spannung wuchs, als man feststellte, daß die Bilder übereinstimmten. Das jahrhundertealte Dokument hatte die Wahrheit berichtet.
1
Russ Spencer, Präsident und Eigentümer der Spencer Rocket Corporation und der Heavy Machinery Corporation, schaute auf, als es an die Tür klopfte. Lächelnd trat Don Carlisle ein. »Hallo, Don«, sagte Spencer und legte seine Papiere aus der Hand, »wie üblich, ist Aarn noch nicht hier.« »Um was dreht es sich denn diesmal?« »Ich weiß es auch nicht genau«, erwiderte Spencer. »Ich weiß das ja nie. Ich glaube, es handelt sich um die MagyaExpedition. In letzter Zeit hat er seine Berichte in Ordnung gebracht – ich glaube, er weiß nun alles, was zu wissen nötig ist.« »Hat lange genug gedauert. Die werden fort sein, ehe er hinkommt.« »Er sagte, das würde nichts ausmachen, weil Anto Rayl ja mit den anderen zusammenkommt und sie
Expeditionsastronomen bei sich haben. Im übrigen, Aarn hat ihnen ja einen Sternenkatalog dagelassen; wenn sie also aus dem anderen Weltraum kommen und feststellen, daß sie nicht im richtigen Winkel unseres Weltraums sind, werden sie wohl umkehren und auf Aarn warten. Er sagt aber auch, daß die Zeitrechnung dort eine andere ist. Na, wie es auch sei, er mußte die Daten zusammenbringen, und das braucht nun mal Zeit.« »Es ist aber nicht alles, womit er sich beschäftigt hat. Ein Trupp seiner auserwählten Mannschaft arbeitet auf der Nova; sie überholen die Apparate.« »Das brauchst du mir nicht erst zu sagen«, stöhnte Spencer. »Ich muß das nämlich bezahlen. Die Schwermetallgesellschaft hatte gerade einen neuen Vorrat an Resistium angelegt und eine Menge Aufträge auf Resistium erhalten – da kommt Aarn seelenruhig an und requiriert den ganzen Vorrat.« Carlisle lachte gefühllos. »Wozu braucht er es denn?« »Lach du nur! Diesmal trifft's dich nämlich auch, denn du bist ja zu einem Drittel an der Schwermetall beteiligt. Ich weiß nicht, wozu er das Zeug braucht. Wahrscheinlich für irgendeinen neuen Apparat für die Fahrt nach Magya. Das erstemal benutzen wir die Kollisionsroute – aber selbst wenn ich mir einen Asteroiden pflücken kann, habe ich keinerlei Sehnsucht nach dem System.« »Was ich weiß ist, daß er wie wild daran arbeitet, ein Abwehrmittel gegen seine unbesiegbare Waffe zu finden. Es ist klar, daß er sie verwenden möchte, und doch weigert er sich, weil sie so stark ist, daß nicht einmal er damit fertig wird. Vielleicht braucht er das Resistium zu diesem Zweck.«
»Ich wüßte zu gerne, was er macht. Etwas weiß ich aber auch, und er hat keine Ahnung, daß ich das weiß. Vielleicht vermutet er es, vielleicht nicht. Nämlich, wie man schweren Wasserstoff aus jedem beliebigen Element, auf das er trifft, machen kann.« »Ich wünschte, er...«, Spencer hielt inne, als er Aarns Stimme hörte. »He, Spence, mach mal auf!« Voller Neugierde erhob sich Spencer und öffnete die Tür. Draußen stand Aarn, ungeheuer kräftig. Sein breites, intelligentes Gesicht lächelte. Spencer schaute ihn einige Sekunden an, dann wich die Neugierde in seinem Gesicht langsam einem Ausdruck von Ärger. »Seit wann«, fragte er sarkastisch, »ist ein Gorilla vom Jupiter zu schwach, sich die Tür selbst zu öffnen? Ich dachte, du hättest die Hände voll.« Aarns Lächeln vertiefte sich. Langsam senkte sich sein Blick auf seinen gewaltigen Arm. Der Arm des Jupitergeborenen war dicker als Spencers mächtige Schenkel, und die kräftigen Muskeln waren deutlich sichtbar. Aarn Munro schaute auf. Er schien seinen Freund nicht an-, sondern durch ihn hindurchzusehen. »Entschuldige – ging nicht. Ich erkläre dir's später. Ich habe noch mehr, was ich mit dir besprechen möchte.« Spencer machte Platz. Aarn kam in den Raum herein und schritt langsam auf die rückwärtige Seite des Schreibtisches zu. Spencer setzte sich wieder und deutete auf einen Stuhl. »Hallo, Carlisle – kann die Konferenz schon anfangen?« »Jawohl – wie üblich, kommst du wieder zu spät.« »Ich werde versuchen, das wiedergutzumachen. Ich habe
alle Daten für die magyanische Fahrt beisammen. Ich möchte gern morgen starten, wenn ihr es einrichten könnt. In diesem Fall würden wir Anto Rayl treffen, ehe er Magya verläßt.« »Setz dich doch und mach dir's bequem! – Wie lange werden wir fortbleiben?« fragte Spencer. »Etwa vier bis sechs Wochen. Ich möchte den Magyanern ein gut Teil der Informationen aus unseren tornanischen Erfahrungen übermitteln. Das dauert zwar eine gewisse Zeit, aber sie brauchen diese Hilfe jetzt. Wahrscheinlich ist ihre Atmosphäre dank dem tellanischen Katalysator noch genauso verunreinigt wie damals, als wir sie verließen.« »Setz dich doch endlich, du machst mich nervös!« Spencer wiederholte seine Bitte. »Ich käme gerne früher zurück. Bedenke bitte, daß die Spencer Rocket während unserer ersten Fahrt zwar ganz gut floriert hat, daß es aber bei der Schwermetall anders ist. Sie ist keine alte Firma und verlangt ein gut Teil Beachtung, die ich ihr höchst persönlich zu geben vorhabe. Das Personal ist noch nicht so eingearbeitet wie das der Rocketgesellschaft.« »Tut mir leid – ich möchte mich noch nicht setzen, warum, sage ich dir später. Wir werden aber vier bis sechs Wochen brauchen – kannst du es nicht einrichten?« »Hm, wenn es sein muß. Was hast du dir eigentlich gedacht, als du unser ganzes Resistium einfach mit Beschlag belegt hast? Du hättest mir wenigstens einen Ton darüber sagen können. Ich hatte der Systemic Chemicals zwanzig Tonnen davon für die Reaktions-Destillierapparate versprochen.« »Ich brauchte es sehr eilig. Weißt du, es dauerte so
lange, bis die Datentafeln, die ich nötig hatte, durchkamen, ich hatte noch einige andere Untersuchungen angestellt, und dann kam einfach alles zusammen. Nun bin ich sozusagen fertig. Wir können also morgen weg?« »Ich kann«, nickte Carlisle. »Ich könnte bis acht Uhr abends soweit sein«, entgegnete Spencer. »Geht das?« Aarn nickte. »Na, dann werde ich mal ins Labor zurückgehen. Bis nachher.« Aarn wandte sich um. Er ging direkt in Richtung auf sein Labor zu, das ungefähr sieben Meilen entfernt lag, und nicht etwa auf die Tür zu. Das schien ihn aber nicht zu stören; denn er wanderte ganz einfach durch die isolierte Metallwand, verblaßte auf dem bunten Metall und verschwand. Langsam erhob sich Spencer von seinem Stuhl. »Projektion!« keuchte er. Dann sank er in den Stuhl zurück und starrte auf die Stelle, wo Aarn verschwunden war. Sanft erklang Aarns Stimme aus der Luft in seiner Nähe. »Hübsches Paar, ihr zwei! Ihr solltet euch sehen, Spence, und du, Carlisle! Eines schönen Tages werdet ihr eure Kiefer einfach verlieren, wenn ihr sie nicht fester einhängt. Ich bin im Labor, wenn ihr mich braucht.« Spencers offener Mund klappte zu. Schuldbewußt schaute er zu Carlisle hinüber. Carlisles Mund hatte sich ebenso schnell geschlossen, und nun starrte er Spencer an. Ohne ein Wort sprangen sie beide auf, rasten zur Tür, den Korridor entlang, zu Spencers leichter Luftmaschine. Kaum war Carlisle drinnen, als der Impulsantrieb das winzige Ding mit einer Geschwindigkeit von fünfhundert Meilen je Stunde in die Luft schleuderte. Fast unmittelbar nach dem Start landeten sie bei Aarns Laborgebäude.
Spencer sprang heraus und rannte zum Eingang; Carlisle folgte ihm auf den Fersen. Sogar im äußeren Labor konnten sie Aarns bellendes Gelächter hören – das Gelächter des Jupitermenschen erschütterte das kleine Gebäude. Ohne sich um den grinsenden Canning und Aarns andere Assistenten zu kümmern, steuerten die beiden direkt auf Aarns Tür zu... und blieben unvermittelt stehen. Aarn stand in der Tür – nicht im Türeingang, sondern in der Tür selbst. Er lachte noch immer und wischte sich die Tränen aus den Augen. »Zwei Köpfe und nur ein Gedanke (falls ihr überhaupt noch denkt), zwei Herzen und ein Schlag«, wandelte Aarn das Zitat ab. »Wolltet ihr mich sehen?« »Nein, fühlen«, gab Spencer kurz zurück. Seine tastende Hand griff nach Aarns Zwerchfell – und mit geringfügiger Anspannung griff er mitten hindurch. »Spence, das ist unhöflich«, ermahnte Aarn. »Sei doch nicht so persönlich! Du spielst in meinen Eingeweiden 'rum!« »Eingeweiden! Teufel noch mal!« Spencer öffnete die Tür und ging durch Aarn hindurch. Im inneren, etwas kleineren Labor stand Aarn der Tür gegenüber. Spencer betrachtete ihn und dann sein Bild durch das er gerade hindurchgegangen war. Über diesem Bild war Carlisle zu sehen, der es mit kritischen Blicken prüfte. »Einfach vollkommen«, sagte der Chemiker. »Vollkommen in der Färbung, selbst in der Realistik der Erscheinung.« »Es ist realistisch, Carlisle, wenigstens teilweise«, sagten die beiden Aarns gleichzeitig. »Komm doch 'rein!« Aarn beugte sich vor und berührte eine Kontrollvorrichtung
auf einer ziemlich komplizierten Tafel in seiner Nähe. Der zweite Aarn verschwand in einem leichten, wirbelnden Nebel. »Was ist denn das nur? Dreidimensionales Fernsehen?« fragte Spencer interessiert. »Was für ein Fund!« »Es ist kein Fernsehapparat, sondern ein Telatoskop. Schau mal da auf die Werkbank 'rüber!« Aarn hatte eine Anzahl alter Geräte zu einem Haufen auf den Boden gefegt und so auf der unaufgeräumten Werkbank einen Platz von etwa zwei Quadratfuß geschaffen. Auf diesem Viereck erschien ein vollkommenes Bild von Spencers Büro, das er verlassen hatte, und von Teilen der benachbarten drei Räume. Spencer konnte sehen, wie seine Sekretärin in einem der Zimmer mit einem Mann verhandelte, und hörte deutlich ihre Stimmen. Die Bilder waren knapp vier Zoll hoch, aber in jedem kleinsten Detail der Farbe, Form und Bewegung absolut vollkommen. »Was ist ein Telatoskop?« fragte Spencer. »Das hier!« grinste Aarn. »Schön und gut. Wo wird der Sender aufgestellt, oder brauchst du mehrere, um all diese Räume zu erfassen? – Aber du kannst ja sogar in das Innere der Wände sehen! Wo ist das verdammte Ding?« »Es hat keinen Sender nötig, es fängt kein Licht auf und hat unbegrenzte Reichweite. Irgendwelche Wünsche, was ihr sehen wollt?« »Kein Sender! Unbegrenzte Reichweite! Kannst du Denver bekommen?« »Reicht dir Neu-Denver?« fragte der Physiker und stellte die Kontrollvorrichtung ein. Ein Nebel bildete sich
plötzlich über der Szene, wirbelte kurz darüberhin und klärte sich dann. Nun war eine Kugel zu sehen, dunkel und gefleckt, die etwa achtzehn Zoll Durchmesser hatte. Sie drehte sich sehr langsam, mit einer Stetigkeit und Unvermeidlichkeit, die ihr etwas Majestätisches verlieh. An dem einen Ende der Achse war ein unregelmäßiger, weißlicher Flecken, am anderen Ende ein kleinerer zu erkennen. »Mars«, sagte Carlisle erstaunt. »Neu-Denver auf dem Mars – kannst du bis dahin gelangen?« Mars explodierte plötzlich, nur ein winziger Ausschnitt des Planeten war sichtbar und setzte sich auf der Bildmitte fest. Eine Stadt mit Miniaturgebäuden, Miniaturstraßen und Spielzeugmaschinen, die durch die Luft flogen, war zu sehen. Eine große, breite Allee führte quer über das Bild von ihnen weg. »Die Allee der Planeten!« rief Spencer aus. »NeuDenver auf dem Mars – das ist von hier einhundertundzehn Millionen Meilen! Mann, Mann, was für eine Erfindung!« »Ich glaube, ich sagte schon, daß die Reichweite dieses Dinges unbegrenzt ist«, sagte Aarn Munro ruhig. »Wenn ihr gern etwas sehen wollt, was ein bißchen weiter weg ist – das hier werdet ihr natürlich nicht erkennen, aber...« Die Nebel wirbelten wieder auf; diesmal dauerte es länger, bis sie verschwanden, und die beiden Männer beobachteten in großer Spannung. Plötzlich wurde der Nebel wie von innen her mit hellem Sonnenlicht beleuchtet, klar, blauweiß. Die Nebel verschwanden völlig, und über der Bildmitte war eine winzige, unerträglich glänzende Kugel zu sehen, die kaum ein viertel Zoll Durchmesser hatte, aber mit blendendem,
durchdringendem, blauweißem Licht strahlte. Und weit draußen am äußeren Ende des Feldes war ein Lichtpunkt, der mit derselben unerträglichen Helligkeit leuchtete, kleiner als ein Nadelkopf und nur durch seinen enormen Glanz zu erkennen. »Sirius«, sagte Aarn leise. »Sirius und sein Begleiter. Möchtet ihr den Begleiter näher sehen?« Als Sirius verschwand, kam der Lichtpunkt plötzlich in den Mittelpunkt. Er dehnte sich schnell zu einer Kugel, die so groß war, wie Mars gewesen war, eine Kugel, die mit solch bösartiger Hitze glühte, daß die Bank knisterte und rauchte, obwohl sie aus Schiefer war, und daß die Männer zurücktraten, als die Strahlung sie traf. Aarn verkleinerte die Intensität schnell. Sie konnten den Punkt durch ein Stück geschwärzter fotografischer Platte betrachten, wie er immer noch blauweiß, unglaublich blendend und glänzend war, und sahen die kochenden Flammen, die wirbelnden Tornados, die Sternpunkte. »Nette Art, sich im Winter zu wärmen, nicht?« sagte Aarn zufrieden. »Haben Sie einen Stern im Haus? Erlauben Sie uns Sie mit Sternenwärme auszustatten! Wärmen Sie Ihr Heim mit den Feuern des Sirius oder Antares, oder wenn Sie in einem kalten Klima leben, versuchen Sie SDoradus!« »Du meinst – daß man – die Sterne – jeden beliebigen Stern – als Kraftquelle benutzen kann?« »Ach, ganz so meinte ich das nicht – obwohl man es natürlich könnte. Es ist aber noch nicht anwendbar. Man könnte so viel Kraft bekommen, wie man wollte, weil die Energie praktisch unbeschränkt wäre, wenn man einen Stern wie S-Doradus nimmt, den ich auswählen konnte,
nachdem ich erst einmal die Koordinaten gefunden hatte. Nur könnte man diese Energie nicht günstig verwenden; denn Fotozellen wären bei solchen Intensitäten nicht wirksam genug, und zudem nehmen sie zuviel Platz in Anspruch. Die anderen Zweige dieser Entwicklung sind in der Praxis augenblicklich wertvoller. Obwohl ich glaube, daß es vollkommen möglich und auch vernünftig wäre, ein Bild wie das des Sirius zum Beispiel zu benutzen, um einen Garten oder einen öffentlichen Raum zu beleuchten und zu erwärmen.« »Ich sehe, wie Spencer Rocket um drei Aufträge kommt. Die großen Observatorien hatten große Aufträge auf Investigatorschiffe erteilt, die die Sterne direkt beobachten sollten; das war eine Folge unserer Freigabe der Daten, die du mitgebracht hast.« »Als ob ich das nicht wüßte!« lachte Aarn. »Man hat mich auf alle mögliche Art einen Narren genannt, daß ich keine besseren Prüfungen vornahm, als wir dort waren. Schön, mit dem hier können sie jeden Stern direkt ins Laboratorium hereinbringen und ihn unters Mikroskop legen.« »Aber – du hast uns noch nicht gesagt, wie es funktioniert«, warf Carlisle ein. »Nein, habe ich das nicht? Ganz einfach. Spence, du weißt doch, was eine Impulswelle ist?« »Nein«, sagten Spencer und Carlisle gleichzeitig. »Ich glaube, du weißt es auch nicht«, fügte Spencer hinzu. »Na ja, alles weiß ich auch nicht. Aber ich weiß genug, um sie zum Antreiben eines Schiffes zu gebrauchen. Ich weiß, daß eine der Ableitungen der Wellentheorie des Atoms gezeigt hat, daß Impuls und kinetische Energie als
Wellenformeln ausgedrückt werden können. Und ich habe herausgefunden, wie man diese Wellen produzieren kann. Als nützliches Mittel, um in einem Schiff Impuls mit direkten Reaktionen auf den Weltraum zu erzeugen, war das in Ordnung. Aber bedenkt, daß diese Wellentheorie des Impulses nichts als ein Ableger der Haupttheorie über das Atom war. Also habe ich diesmal wieder am Anfang begonnen und am Atom gearbeitet. Und das hier ist das Resultat. Ihr wißt, daß die Wellentheorie besagt, daß jedes Teilchen Materie, Elektron, Proton und was weiß ich alles, tatsächlich unendlich ist – es ist ein System von Wellen, deren Amplituden sich automatisch im ganzen Weltraum aufheben, ausgenommen in dem einen winzigen Fragment der Unendlichkeit von dem wir annehmen, daß sich dieses Teilchen darin befindet. Effektiv, so sagt die Wellentheorie, ist das lediglich jener winzige Punkt, wo das große, sich ins Unendliche ausdehnende Wellensystem nicht interferiert und in seiner Wirkung gleich Null wird. Was würde sich nun ereignen, wenn man künstlich diese Aufhebung stören würde? Nehmt einmal an, das Atom sei ein Teil von Neu-Denver auf dem Mars. Ein Teil seiner Wellen erstreckt sich bis zu uns. In diesem Teil des Weltraums heben sie sich auf, folglich ist das Atom nicht hier. Aber – wenn ich die Interferenz künstlich vermindere, dann ist das Atom in dem Ausmaß, wie sie nicht stattfindet, hier!« »Großartig – dann sind also sogar die chromatischen Gruppen der Farben da, so daß du die Färbung und dergleichen ohne jede Mühe erhältst.« »Richtig – und es kommt noch ein Vorteil hinzu. Als wir
uns Neu-Denver ansahen, lag es im Sonnenlicht. Aber ich kann euch Honolulu zeigen. Bitte...« In wenigen Sekunden erschien die Inselstadt in vollkommener Verkleinerung auf der Spitze der Tafel. Und – war deutlich und hell sichtbar. Hier und da glühten winzige Lichter, in der Luft und zu Lande blitzten Lichter sich bewegender Maschinen, und es schien doch, als ob dieses Miniaturbild dessen nicht bedürfe. »Ihr seht«, erklärte Aarn, »daß diese Bilder reell sind, sie existieren in der Tat. Sie werden dann sichtbar, wenn ich Licht auf sie fallen lasse. Wie dunkel also die dargestellte Szene auch tatsächlich sein mag, wenn ich es wünsche, erscheint sie voll erleuchtet, und beleuchtet oder nicht, wenn ich sie nicht beleuchte, ist sie dunkel.« »Und das«, sagte Carlisle entschieden, »ist wichtiger als alles, was du vorher getan hast, nicht?« Aarn lachte leise. »Carlisle, es tut mir leid, dich enttäuschen zu müssen, aber das stimmt nicht. Denke einmal über das System nach, das ich verwende, um diese Bilder produzieren zu können, und du wirst einsehen, daß es nur eine andere Abteilung, ein anderer Ableger der Haupttheorie des Atoms ist.« »Willst du damit sagen, daß das noch nicht alles ist?« fragte Spencer überrascht. »Soweit es sich um die Physik handelt, ist das gar nichts. In der Praxis hat dieses Ding hier schon Bedeutung, aber für die Physik stellt es nichts weiter dar als einen Wegweiser an einer Kreuzung. Seht ihr denn nicht, wohin es uns führt?« Carlisle erfaßte es plötzlich. »Oh – wenn du nun umgekehrt eine partielle Aufhebung erreichen kannst –
oder gar völlige Interferenz?« Aarn nickte. »Schau da 'rüber, Carlisle! Das Ding da hält diesen Apparat jetzt in Schwung.« Er zeigte auf einen kleinen, würfelförmigen Kasten, dessen Seiten etwa achtzehn Zoll lang waren. Daraus hervor griffen zwei Transponleitstrahlen auf die HauptaggregatspulenSpeicherungsbank. Verständnislos schaute Spencer von dem Physiker auf den schwarzen Kunststoffkasten. »Völlige Interferenz? Was ist das?« »Was es ist? Benutze mal dein Köpfchen! Was wird passieren, wenn du die Wellen, die ein Atom sind, sich völlig aufheben läßt? Nicht nur hier aufhebst, sondern überall?« »Das Atom – das Atom bestünde nicht!« »Richtig. Zerstörung der Materie und Freigabe der Energie, die ihr entspricht. Wenn du in deiner Maschine die Wellen eines Atoms völlig aufhebst, dann existiert das Atom nirgends mehr.« Aarn schritt zu dem kleinen schwarzen Kasten und öffnete die Seite. Eine Anzahl Wählscheiben auf einer Tafelseite betätigte die Kontrollvorrichtungen. Als er das Kästchen öffnete, war die Maschine an der Arbeit. Sie sahen aufgehäufte winzige Spulen und Bauteile, die in einer großen Glasröhre angeordnet waren. Durch ein kleines Loch kam offenbar Luft aus dem Zimmer in sie herein als feiner Strahl, der ionisiert wurde, sich ausdehnte und sich dann durch ein gespaltenes, schwarzes Loch in den Weltraum hinauszuwinden schien. Weder Licht noch Materie trat aber durch die Öffnung aus. Nur ein seltsames Zucken des ihn umgebenden Lichtes bewies die Tätigkeit. »Das ist das Ding, das die Arbeit leistet und wo alles
sich ereignet. Die schwarze Öffnung da ist der effektive Schauplatz der Wirksamkeit. Auch Licht wird hier zerstört, da Licht in ähnlicher Weise durch die seltsamen Pararaumwellen dargestellt wird. Materie – in anderen Worten Energie –, wenn sie in Strahlung umgewandelt wird, stellt einfach für diese Wellen eine andere Bedingung her, so daß sie zu einer vorwärtsbewegenden Spitze wird, anstatt ein stationärer, nichtaufgehobener Punkt zu bleiben. In diesem Zustand kann sie nicht sein, ohne sich zu bewegen. Das Maß des Vorrückens ist genau das Quadrat des Maßes des Vorrückens der Hauptwellen, die sich ansammeln oder aufheben, um Licht zu erzeugen. Nebenbei bemerkt ist dieser kleine Trick, sowohl Materie als auch Licht zu zerstören, auch noch in anderer Beziehung bedeutungsvoll, wie ich euch später zeigen werde. Aber – seht ihr nun ein, wozu ich Resistiumvorräte brauchte, Spence? Ich hatte eine Menge Apparate herzustellen. Ich habe auch eine Schutzvorrichtung angefertigt für die Waffe, von der ich euch erzählt habe und die ich euch vorführte, kurz ehe wir die Tornaner verlassen hatten.« »Vielleicht bist du dann so freundlich und erklärst uns, was das war!« »Aber sicher, Spence, ganz sicher«, grinste Aarn. »Es war ein – na, ich will's euch demonstrieren. Ich habe einen Apparat hier aufgestellt. Hier ist ein Musterprojektor.« Der Musterprojektor bestand aus zwei Teilen, eigentlich aus dreien: aus einem Gehäuse, das durch Transponleiter mit einem silbernen ellipsoidförmigen Reflektor verbunden war, und darüber, ungefähr achtzehn Zoll weit entfernt,
eine zylindrische Röhre von etwa ein Fuß Länge und ein Fuß äußerem Durchmesser deren lichte Weite aber fast der Öffnung des ellipsoidförmigen Reflektors, sechs Zoll, gleich war. Das Ganze war durch Transponstrahlen mit der Hauptaggregatspulen-Speicherungsbank des Laboratoriums verbunden. »Das Ellipsoid ist natürlich einfach ein Projektor. Es ist Silber – aber schaut euch mal den damit verbundenen Apparat an! Er ist in gewissem Sinn das von den Seeset erfundene Spiegelfeld mit Transponspeisung«, erklärte Aarn. »Was ist das?« fragte Carlisle, »ich verstehe immer noch nicht.« »Also – es basiert auf der Tatsache, daß der Umstand, ob eine Substanz ein guter Reflektor ist oder nicht, oder ein guter Sender der Lichtwellenlängen oder nicht, von der Molekularstruktur abhängt. Weiter gilt, daß die Molekularstruktur des Silbers, genauer gesagt, sein Kristallbau, einen ausgezeichneten Reflektor abgibt. Die Molekularstruktur des Silbersulfids ist dagegen ein sehr schlechter Reflektor. Das zeigt, daß die Kräfte, die das Licht zurückprallen lassen, durch die ziemlich schwachen Molekularkräfte bedingt sind. Das Feld, in das ich das Silber bringe, ist ein Feld, das sich aus den drei bekannten und möglichen Feldern zusammensetzt, aus dem Magnetfeld, dem Gravitationsfeld und dem elektrischen Feld, und zwar in einer Weise, daß das Licht abprallt. Es ist einfach eine Superglanzwirkung. Es bindet die Elementarzellen des Silbers künstlich in eine vollkommenere reflektierende Oberfläche, als üblicherweise vorhanden.
Ich könnte Chrom oder Stahl oder Resistium verwenden, wenn ich wollte. Eine Zeitlang dachte ich an Resistium, dann fand ich aber, daß Silber ein viel besserer Leiter elektrischer Ströme ist, und auch ein besserer Wärmeleiter. Trotz der wesentlich größeren Wirksamkeit dieses Systems müssen wir noch die Absorption berücksichtigen; ich muß also die Kühlung in Betracht ziehen. Hier ist der Projektor. Ich benutze ein Ellipsoid, weil diese Form den vollkommensten und homogensten Strahl gibt. Es entsteht fast keinerlei direkte Strahlung, die nicht reflektiert und parallel mit der Strahllinie angeordnet wird. Ein Ellipsoid hat zwei Brennpunkte. Der Strahlungspunkt ist der eine Brennpunkt, und der andere wird zum Brennpunkt aller gestrahlten und gespiegelten Energie. Das ist dann der Fokus einer der Kraftlinsen, wie ich sie in den kleinen Investigator-Fernsehgeräten verwendet habe. Folglich bekomme ich die gesamte Strahlung in einem Strahl. Täte ich das nicht, so würde die Ausdehnung des Strahles die Neigung haben, diese Röhre hier zu erreichen und sie zu erhitzen. Das ist der erste Schritt. Ein Strahl ausstrahlender Energie. Es ist ein reiner Energiestrahl, verhältnismäßig harmlos – so daß ich, und jeder andere, damit umgehen kann. Der nächste ist, Gift hineinzubringen. Ich ›verderbe‹ diesen Strahl. Das ist die Aufgabe dieser Röhre hier. Der Strahl gewöhnlichen ultravioletten Lichts geht so weit – und die Röhre ändert die elektromagnetische in eine entsprechende Frequenz von gravito-magnetischer Strahlung um. Es entsteht eine Schwingung zwischen dem Gravitations- und Magnetfeld anstelle des elektrischen und
des Magnetfeldes. Er verdirbt ganz von allein. Weil gravitations magnetische Strahlung sich automatisch vereinigen wird, ziehen sich die Schwerefelder gegenseitig an. Als Ergebnis werden die UV-Photonen angezogen, verschmelzen – und erscheinen schließlich als ein neues, einzelnes Photon, wenn die Sättigung erreicht ist. Und diese äußersten Photonen – ich nenne sie Ultras – sind außerordentlich unangenehme Kunden. Erinnert euch mal daran, daß die gravitomagnetische Strahlung so sanft durch die Materie hindurchgeht, daß sie diese nicht im geringsten beeinflußt. Bliebe es bei g-mStrahlung, würde es zu nichts taugen. Aber die Photonen verbinden und vermehren sich, wie ich schon sagte, und sie werden so groß und so mächtig, daß sie nicht gravitomagnetisch bleiben können und wieder elektromagnetisch werden. Aber – jetzt sind sie für jegliche Materie Gift, noch dazu katalytisches Gift. Seht her!« Aarn schaltete den vielbestaunten Apparat ein. Das Versuchsobjekt war eine Resistiumplatte, ein viertel Zoll dick. Zuerst war der Strahl nur reiner ultravioletter Strahl. Er verursachte einen unglaublich intensiven Lichtfleck, der das fast unschmelzbare Resistium auf eine Temperatur von Tausenden von Graden erhitzte. »Nebenbei bemerkt, ist eine Umwandlung der Materie in Energie die Quelle der Energie. Sie ionisiert den Sauerstoff und den Stickstoff der Luft«, fügte Aarn hinzu. »Das ist gewöhnliche UVStrahlung. Jetzt füge ich ›Gift‹ hinzu. Den Haltemechanismus habe ich aufgestellt.« Aarn drehte eine Kontrollvorrichtung – und der intensiv ionisierende Strahl verschwand sofort. Er hatte sich vorher
fünfundzwanzig Fuß durch das Laboratorium erstreckt, aber jetzt war er nur noch auf achtzehn Zoll – vom Projektor bis zur Röhre – vorhanden. Etwa fünfzehn Fuß weit kam nichts aus der Röhre. Dann griff ein verschwommener, perlartiger Glanz, schillernd und glitzernd, der mit sanften blauen Flammen, die aufwärtsleckten, brannte, nach der Resistiumplatte. Unverzüglich verschwand das Resistium, das künstliche Element, das Aarn aus Negatronen, Neutronen und Hüllenprotonen anstelle der Elektronen geschaffen hatte, in sprudelnden krachenden Entladungen. »Resistium«, bemerkte Aarn, »ist eigentlich nicht geeignet für eine solche Prüfung, da es einen eigentümlichen Aufbau hat. Eisen dagegen...« Aarn warf einen losen Bolzen in den Strahl. Mit einem leichten Knall der blauen Flamme war er verschwunden. »Das also ist's!« rief Spencer aus. »Warum war es so schwer zum Stillstand zu bringen und wie bist du dann schließlich doch dahintergekommen?« Aarn stellte seinen Apparat ab. »Die Art, wie ich es gemacht habe, erklärt, warum so schwer damit umzugehen ist. Ich kann es, weil im Endeffekt das Ultraphoton so gewaltig wird, daß es nicht g-m-Strahlung bleiben will. Wenn nun das g-m-Feld nichts damit anfangen kann, dann gibt es kein Hindernis. Der myryanische Sammelstrahl konzentriert Licht und selbst Röntgen- und Gammastrahlen. Aber diese hier nicht. Diese Ultras gehen einfach vorbei. Offensichtlich nützt uns ein g-m-Feld gar nichts. Ich kam schließlich darauf, weil drei Zusammensetzungen von Feldern möglich sind.
Elektromagnetisch, wie normales Licht – diese Ultras, gravitomagnetisch, wie das Feld, das sie bildet – und die letzte und schwerste, elektrogravitisch. Nun sagt mir mal, welche ›Welle‹ kennt ihr, die alle drei Felder in sich vereinigt?« »Impulswellen«, entgegnete Spencer. »Stimmt. Impulswellen. Also – elektrogravitische Strahlung und elektromagnetische Strahlung verbinden sich und erzeugen die Impulswelle. Das war alles, was ich machen mußte – elektrogravitische Strahlung herstellen. Und das war eine Aufgabe! Ich hatte ein noch ziemlich unwirksames System entwickelt, aber das habe ich schließlich mit Widerwillen aufgegeben. Aber jetzt kann ich alle meine Waffen verwerten, und ich habe eine Art von Defensivapparat mehr.« »Gibt es noch irgendwas, das du uns zeigen willst?« fragte Carlisle unschuldig.
2
Die Nova lag zur Abfahrt bereit. Sie war als Superkreuzer konstruiert, eine zwölfhundert Fuß lange tödliche Kampfmaschine. »Wo ist der Ultrastrahlprojektor?« fragte Spencer, als er sich das schmucke Schiff betrachtete. »Ich sehe keine neuen Strahlenluken.« »Es sind keine nötig. Überlege doch nur, in einem bestimmten Abstand über der Konversionsröhre wird der UV-Strahl in einen Ultrastrahl umgewandelt! Bis zu diesem Abstand ist er nur ein g-m-Strahl und kann als solcher harmlos alles durchdringen. Der Projektor ist
gerade innerhalb der Wand, und der Strahl schießt direkt hindurch und heraus. Seid ihr alle fertig?« »Ich hoffe es. Hat Martin meinen Kram hergebracht?« »Ja, der größte Teil ist im Labor«, sagte Aarn gelassen. »Ich habe ihm gesagt, daß du nicht all die Kleider brauchst. Du wirst nicht lange wegbleiben, und wir vergaßen, an einen Kofferraum zu denken, als wir dieses Ding hier bauten.« Brummend folgte Spencer Carlisle und Aarn in das glänzende Schiff. Die Schleuse, ein großer Resistiumblock, öffnete sich leicht, als sie sich ihr näherten, und Canning lächelte auf sie herab. »Die alte Mannschaft«, nickte Aarn. »Aber einiges Zusätzliche für das Schiff hier.« Sie traten ein, gingen durch die innere Schleusentür in den Hauptgang und wandten sich nach rechts in den Bug. Durch den Aufenthaltsraum gelangten sie in das chemische Laboratorium, dann in den Berechnungsraum und das physikalische Labor und schließlich in den großen vorderen Stromraum. »Das sieht ganz anders aus«, sagte Spencer und blickte sich um. Der Steuerraum erschien ihnen noch mehr verändert. Aarn setzte sich sofort an die Steuerungen. Dann hörte man ein leichtes Summen, als die Transpons Strom in den Antischwerkraftapparat leiteten. Sanft erhob sich die Nova von ihrem Ankerplatz und schwebte unter dem leichtesten Impulswellenantrieb aus der großen Halle heraus. Nun fiel die Erde unter einer plötzlichen, stoßenden Beschleunigung zurück, und in weniger als drei Sekunden eilten sie durch
die Atmosphäre. Aarns fliegende Finger brachten das Schiff mit wunderbarer Genauigkeit zu dem angegebenen Platz. Nur auf dem Jupiter geübte Muskeln konnten sich bei solcher Beschleunigung bewegen. Aarn hielt an und schaute auf den Zeitmesser. Unter einem Druck seiner Finger erweiterte das Telatoskop plötzlich seine Reichweite, und der gesamte Bereich der kleineren Planeten erschien; die Sonne war ein glühender Ball, und vier Planeten umkreisten sie langsam. »Ich hoffe«, sagte Carlisle, »daß du mehr Glück entwickelst, Magya zu finden, als du bei der Suche nach der Erde hattest, als wir das letztemal durch den Pararaum kreuzten.« »Ich glaube schon«, erwiderte Aarn lächelnd. Er warf ein kleines Schloß herum. Ganz plötzlich dröhnte das Schiff unter titanischen Kräften. Der Weltraum spannte sich unter den enormen Kräften – öffnete sich – die Nova fiel in den fünfdimensionalen Pararaum zwischen den vierdimensionalen Universen. Vollkommene Dunkelheit senkte sich auf die Nova herab. Strahlung und Licht hörten auf. Absolutes Schweigen. Dann stieg allmählich ein geisterhafter Nebel auf, und plötzlich kamen Strahlen und Licht wieder. Das lärmende Schreien der Transpons erstarb zu einem Flüstern, und die Nebel lösten sich auf. Aarn grunzte und zeigte auf das Telatoskopgerät. In ihrer Nähe brannte gigantisch eine Flammenkugel von vier Fuß Durchmesser in furchtbarer violetter Hitze. Die Vorwärts-Fernsehschirme auf der Wand waren blank, schwankende Platten violetter Farbe, die flackerten und schmolzen. »Fotozellen sind überbelastet. Wir müssen
etwa eine Milliarde Meilen von Anrel entfernt sein, und wenn man bedenkt, daß Anrel fünfhundert Millionen Durchmesser bei einer Oberflächentemperatur von über zehntausend Grad hat, ist das viel zu nah.« Aarn machte sich an die Arbeit, und plötzlich schwankte das Telatoskopbild und schrumpfte zusammen. Aarn betrachtete es mit einem väterlichen Lächeln. »Ich wollte wissen, ob es noch arbeitet, wenn wir schneller als das Licht sind. Wir haben etwa tausendmal die Geschwindigkeit des Lichtes. Ich weiß nicht, welche Geschwindigkeit jene Telatoskopwelle hat.« »Gut, aber wo ist Magya?« Spencer deutete auf das Telatoskop. Aarn lachte. »Langsam, mein Freund, langsam! Du verlangst zuviel. Es sollte dir doch nur die kleineren Planeten des Sonnensystems zeigen, in einer Reichweite von etwa zweihundert Millionen Meilen. Beim Hindurchfliegen habe ich einige Berichtigungen gemacht, aber immerhin, Anrel ist eine und eine viertel Trillion Meilen von Magya entfernt. Bei einer solchen Weite müßte das Telatoskop, wollte es den ganzen Weltraum zeigen, Magya zu einem unsichtbaren Nadelkopf verkleinern. Jetzt«, fügte er hinzu, »werde ich zur Beobachtung anhalten.« Die Nova, die halb im Pararaum gewesen war, wo Entfernungen im fünfdimensionalen Raum bedeutungslos und Hypergeschwindigkeiten möglich sind, fiel in den normalen Weltraum zurück und verlangsamte ihre Fahrt. Anrel befand sich jetzt in einem angenehmeren Abstand von rund einer Trillion Meilen. Noch immer war die gigantische Sonne bei dieser Entfernung so heiß, wie es die
Sonne in der Sternenbahn der Venus ist. Auf dem Schirm erschien sie als glänzende, flammende violette Scheibe, und auch die anderen Sterne dieses Raumes waren sichtbar, da die fotoelektrischen Zellen nicht mehr überbelastet waren. Mit seinen zahllosen Myriaden von Sternen allererster Größe schien dieser Weltraum in einem festen Vorhang von Flammen zu glühen. Hier und dort entdeckte man einen noch helleren Superriesen im Dunkel des entfernten Weltraumes. Gegen einen solchen Hintergrund waren Planeten nicht zu erkennen. Aarn stellte sein Telatoskop neu ein, bis nur noch die inneren Planeten Anrels zu sehen waren. In einem Kreis von einer Milliarde Meilen wurden sechs Planeten aus Anrels Familie von siebenundachtzig größeren Planeten sichtbar, sechs glühende Lichtpunkte, die neben Anrel über das Telatoskop schwebten. »Hm – erkennt ihr sie?« fragte Aarn. »Natürlich nicht. Du hast die Tafeln, was?« »Ja, wollen mal nachsehen.« Aarn zog aus einem Regal unter der Steuerungstafel ein dünnes Buch von Metallblättern hervor und verglich es mit seinen Diagrammen und Tabellen. »Ich kann immer noch nicht geläufig Magyanisch lesen«, sagte er mit einem Seufzer. »Komm und hilf mir!« In etwa fünfzehn Minuten hatten die beiden die verschiedenen inneren Planeten festgestellt und identifiziert. Dann berechneten sie mit Hilfe der Tabellen die Zeit ihrer Abwesenheit von Magya zu etwa elf Monaten nach magyanischer Zeitrechnung. Das heißt, an die zweihundertdreißig magyanische Tage; das magyanische »Jahr« war etwa neunzigtausend Erdenjahre.
»Und nun, wo ist Magya?« fragte Carlisle. Aarn wandte sich wieder den Steuern zu. »Müßte etwa hier sein...« Das Bild auf dem Telatoskop verschob sich, und einige Sekunden lang wirbelten die Nebel auf. Dann wurde es stet – sechs Zoll von der Mitte schwamm eine acht Zoll große Kugel. In ihrer Nähe kreisten zwei kleinere Kugeln mit kaum wahrnehmbarer Bewegung. Auf der gefleckten Planetenkugel waren ein Dutzend winzige, heftig glühende Punkte zu sehen. »Magya!« rief Spencer. »Du kannst die Transponlichtbogen-Werke sehen, wie sie immer noch die Salpeterverbindungen aus dem Meer in die Atmosphäre zurück verbrennen.« Plötzlich verschob sich das Bild; sie waren in einer großen unterirdischen Stadt. Ein Dutzend gigantische metallene Schiffsrümpfe ragten vor ihnen auf; darüber befand sich eine große, hell erleuchtete Höhle, in der Gestalten herumschwärmten, die alle menschliche Merkmale aufwiesen. Plötzlich raste die Nova schneller als das Licht auf den Planeten zu. Innerhalb von Minuten wuchs der winzige Lichtpunkt der Magya zu einer Scheibe an, nahm zu und wurde schließlich zu einem Planeten. Bei zweihunderttausend Meilen Entfernung fiel Aarn in normale Geschwindigkeit. Mit Impulsantrieb eilte er näher. Plötzlich ertönte das Funkgerät über Spencers Tafel. »Halt! Welches Schiff, und woher? Wartet Untersuchung ab!« »Die magyanische Patrouille!« sagte Aarn. »Wo ist sie?« In Sekundenschnelle funktionierte das Telatoskop, und das Schiff vor ihnen wurde in zwanzigtausend Meilen Entfernung sichtbar. Aarn grinste glücklich, als er an die
Arbeit ging. Anto Marth, Kommandeur des Patrouillenkreuzers, schaute besorgt durch sein Teleperiskop nach dem entfernten Schiff. Es war seltsam, sehr schlank und von gewaltiger Bauart. Das Metall, das es bedeckte, war fremd – es hatte keine Antwort gegeben, obgleich genügend Zeit vergangen war. »Fremdling«, rief er scharf in sein Mikrophon. »Halte an zur...« Anto Marth hielt mitten im Wort inne, sein Mund stand vor Erstaunen offen. »Habt ihr gerufen?« rief eine Stimme in vollkommenem Magyanisch. Die Stimme ertönte aus einem Brustbild eines Mannes. Er hatte ein breites, dunkles Gesicht und lachte freundlich. Er hatte einen sehr kurzen Hals und ungeheure, breite Schultern mit großen Muskeln. Anto Marths Ausdruck eines vollkommenen Erstaunens verwandelte sich urgeschwind in den ungläubiger Freude. »Aarn Munro!« keuchte er. »Aarn Munro vom Alten Planeten!« »Stimmt, Aarn Munro und Freunde. Du bist doch Anto Marth, nicht? Vetter von Anto Rayl?« »Ja, Kommandant! So seid ihr zurückgekehrt? Was ist passiert? Warum kommt ihr denn mit solch einem mächtigen Kriegsschiff zurück?« Anto Marth war plötzlich beunruhigt. Ausnahmsweise herrschte Friede auf Magya, nachdem ganze Generationen die verhaßten Tefflaner bekämpft hatten. Gab es nun Krieg im anderen Weltraum? »Nur zufällig, Anto Marth«, lachte Aarn. »Wir sind gekommen, um Anto Rayl zu sagen, daß die Datentafeln falsch sind. Er ist doch noch nicht weg?« »Nein, aber alle Vorbereitungen zum baldigen Aufbruch sind getroffen – das Schiff soll in fünfzehn Stunden starten!«
»Dann wollen wir uns beeilen. Er wird im Weltraum verloren sein, wenn er mit den falschen Daten losfährt.« Erst zwei Stunden später war es Aarn und den anderen möglich, mit Anto Rayl allein zu sprechen. Zuerst hatte es ein eiliges, aber freudiges, offizielles Wiedersehen gegeben. Magya begrüßte glücklich die Männer, die so viel für sie getan hatten. »Und nun«, sagte Anto Rayl endlich und schaute sie mit seinen scharfen, goldgesprenkelten grauen Augen an, »kann ich euch persönlich willkommen heißen. Was ist das für ein Wunderschiff, mit dem ihr gekommen seid? Habt ihr eure Welt wiedergefunden?« »Wir haben sie erreicht – aber nicht, ehe wir nicht eine andere, seltsame Rasse in unserem eigenen Weltraum fanden, die Teleskope hatten und Platten, die uns die äußeren Milchstraßensysteme zeigten und die Raumspuren, die uns nach Hause führen konnten. Diese Rasse hat unser neues Schiff gebaut, weil wir ihnen in ihrem Kampf geholfen haben. Wirklich«, Aarn lachte, »es schien, daß wir mit solcher Leichtigkeit in Ungelegenheiten hineinrutschten, daß wir zu dem Entschluß kamen, ein Schlachtschiff sei eher das Richtige für uns als ein Laboratorium. Abgesehen davon – unsere alte Sunbeam wurde zerstört. Und als wir wieder zu Hause waren, beschlossen wir, hierher zurückzukehren, um euch bei eurer Fahrt behilflich zu sein. Dazu haben wir euch Verschiedenes mitgebracht, das euch bei der Vernichtung der letzten Tefflaner von großem Nutzen sein wird – und gegen die Salpeterreaktion.«
»Auch wir haben viel getan«, sagte Anto Rayl. »Es ist uns in unseren Städten verhältnismäßig gut gegangen, seit der Katalysator zerstört war, der bewirkte, daß Stickstoff und Sauerstoff aus der Luft verbrannten. Aber auch das, was wir immer vorhatten, haben wir getan. Wir haben auf dem Planeten Sharlon eine große Kolonie errichtet. Und dort haben wir keine Luftsorgen. – Aber was habt ihr uns denn mitgebracht?« »Die Energie der Materie«, erwiderte Aarn. »Die Transponstrahlen, die ihren Strom von Anrel abzapfen, sind lästig wegen der Tagesumdrehung der Planeten. Für planetarische Zwecke wird euch diese Energie sehr nützlich sein!« »Die Energie der Materie! Das allerdings!« Aarn hatte von einem kurzen Aufenthalt auf Magya gesprochen, während die Magyaner den Umgang mit den von Aarn entwickelten neuen Apparaten erlernen sollten. Aber es wurde dann doch ein Aufenthalt von sechs Wochen. Die Städte mußten mit Material für die Produktion der Materiemotoren versorgt und die ersten Motoren gebaut werden, ehe Aarn weg konnte. In der Zwischenzeit wurde er mit den hundertfünfzig alten magyanischen Wissenschaftlern bekannt, die die Reise nach dem anderen Weltraum unternehmen sollten, und nach der Alten Welt, der Mutterwelt Erde, von welcher vor urdenklichen Zeiten die Magyaner gekommen waren. Diese Männer waren die Vertreter von Magya, die auf der Erde die alte Geschichte ihrer Rasse studieren sollten. Die Reise sollte in einem großen neuen Schlachtschiff unternommen werden, der Sarn Magya; es war das letzte
Schlachtschiff, das hergestellt worden war, ehe der tefflanische Feind endgültig besiegt wurde. Jetzt aber wurde die Sarn Magya mit allen neuen Geräten, die Aarn entwickelt hatte, ausgerüstet und zusammen mit der Nova bereitete sie sich auf die Rückreise vor. Zusammen stiegen die beiden Schiffe von Magya auf. Eine Flotte kleinerer Fahrzeuge begleitete sie, um die Abfahrt zu beobachten. Die Zuschauerflotte hielt an, als sie eine halbe Milliarde Meilen von Magya und zwanzigtausend Meilen von den größeren Maschinen entfernt war. Ihnen erschien es, als rasten die Schiffe ganz plötzlich hintereinander fort. Sie verschwanden in unendlicher Entfernung – oder unendlicher Kleinheit – irgendwie konnten die Beobachter den Unterschied nicht mehr feststellen.
3
Die Männer im Schiff erlebten einen Augenblick der Leere und Dunkelheit. Ein scharfer Ruck – und dann lösten sich die Nebel auf. Diesesmal waren Aarns Daten korrekt. In vierhundert Millionen Meilen Entfernung schien Sol hell und klar. Die Magyaner schauten interessiert um sich und wunderten sich über diesen winzigen Weltraum mit winzigen Sonnen. Die Sterne waren so klein! Der Weltraum öde, dunkel und schwarz! Selbst die Sonne, die alte Sonne, war ein schwaches und kraftloses Gebilde, wenn man sie neben dem Titanen betrachtete, den sie »die« Sonne nannten. Und die Planeten! Sie waren zusammengedrängt wie
Küken, die hinter der Henne herliefen! Sie waren... Urplötzlich ertönten warnend alle Alarmgeräte auf der großen Sarn Magya; automatisch traten alle Schutzanlagen in Tätigkeit. Irgendwo aus dem Weltraum heraus tauchte eine große, milchig schimmernde Säule auf, berührte die Nase des Schiffes, und in dem Moment, als seine großen Schutzenergien in Tätigkeit traten, wurde die Schiffsnase – ein zehn Fuß großer Zapfen aus festem Metall – weich, zerlief und flammte in glänzendem Glas auf... Aarn wurde der vollkommen unerwarteten Bedrohung zur gleichen Zeit gewahr. Ein schrecklicher stechender Strahl gleicher Art griff nach ihm – und erstarb kurz vor ihm, als die automatische Verteidigung auf dem kleineren Schiff mit größerer Geschwindigkeit wirksam wurde. Aarn brummte – und handelte. Fast zur gleichen Zeit bemerkte er die angreifenden Schiffe und sah, wie das große Schlachtschiff in seiner Nähe plötzlich in unendliche Kleinheit – oder Entfernung versank. Die Angreifer waren Kreuzer, schlank und mächtig. Und einer von ihnen schoß plötzlich mit ungeheurer Beschleunigung auf die Sarn Magya hinunter – und verschwand zusammen mit dem Kriegsschiff! Aarn war zu sehr beschäftigt, um zu beobachten. Das Telatoskop war in Betrieb, und er wußte, daß vier Schiffe, die alle so groß wie sein eigenes waren, ihn umdrängten. Und alle griffen sie ihn nun mit großer Wildheit an. »Feinde – hier!« sagte Spencer atemlos. »Ist dies das Sonnensystem?« »Ja«, brummte Aarn zerstreut, »die Erde wird angegriffen! Beeile dich – sie tun's auch!« Schon explodierte in ihren Schutzschirmen ein Schauer
von Magnet-, Elektro- und Schwerefeldbomben. Plötzlich kamen aus allen Schiffen die milchigen Ultrastrahlen hervor. Die Transpons der Nova spannten sich und dröhnten, als ihre Impulswellen angegriffen wurden. Aarn löste seinen eigenen Ultrastrahl aus, einen schrecklichen, mächtigen Strahl, der mit gewaltiger Energie das nächstliegende Schiff angriff – und schon war das feindliche Fahrzeug von Feuer bedeckt. Aarn gab einen leisen Ausruf von sich und steigerte seinen Strom bis zur äußersten Belastungsgrenze – er brauchte einen weiteren Ultrastrahl. Wie ein ausgelöschtes Licht versagte die Abwehr des feindlichen Schiffes, und in einer Gasexplosion verschwand es. Aarn wandte seine Aufmerksamkeit einem anderen Schiff zu. Ein gigantischer Transponstrahl dröhnte jetzt aus dem feindlichen angreifenden Schiff. Durch die Lichterscheinung war Aarn wie geblendet, denn seine eigene Schutzverschalung dämpfte den Transpon in einer ungeheuren Flamme von einer halben Meile Länge. Das Telatoskop aber zeigte, daß seine Strahlen präzise ein weiteres Schiff angriffen. »Er macht sich gar nichts aus meinen Kraftbomben«, sagte Spencer ruhig. »Ich will mal die Stahlexplosion versuchen, und die übrige Auswahl.« »Die Stahlexplosion brauchst du nicht zu versuchen. Er probiert sie nämlich an uns aus. Was bedeutet, daß er sie aufhalten kann«, keuchte Aarn. »Versuche den Atomzerfall...« Aarn war mit etwas Neuem beschäftigt. Aus der Nova strömten grünglühende Atomzerfallbomben, Bomben kontrollierter Atomzersetzung, die sich langsam durch jegliches Element, das schwerer war als Eisen,
hindurcharbeiten würden. Und – etwa tausend Fuß vor dem feindlichen Schiff zergingen sie. »Gamma – Gamma wie aus Tonnen Radium!« rief Aarn aus. »Sie verwenden eine Gamma-Explosionsbombe – sie ist so mächtig, daß sie die Resistiumverschalung erhitzt.« »Sie haben sich zurückgezogen«, erwähnte Carlisle. »Mein Materienzeug hat gar nichts genützt; sie haben jedenfalls auch alles, was wir haben!« »Nein, das stimmt nicht! Sie haben nämlich vor ihrem eigenen Gamma Angst! Darum sind sie abgezogen. Ich werde...« Aarn verfolgte das am nächsten liegende Schiff. Zehn gewaltige Gammabomben, die in der magnetischen Atmosphäre der Nova lagen, wurden zurückgeschickt. Mit höchster Geschwindigkeit wollte das feindliche Schiff fliehen, aber die Nova blieb ihm auf den Fersen – und plötzlich bemerkte Aarn, daß das Schiff steuerlos war. »Das konnten sie nicht aushalten. Punkt eins. Wo ist das andere Paar...« In sicherer Entfernung verfolgten die beiden anderen Schiffe sie. Sie wandten alle Waffen, die sie hatten, gegen die Nova. In der Nähe des Uranus hielt die Nova an. Aarn griff zu einer anderen Waffe, mehr zur Probe als mit Hoffnung auf Erfolg. Der Neutronstrahl, ein Strahl aus Neutronen, der durch fünf Fuß Beryllium hindurchschießen würde... »Abgestoppt – ich möchte wetten, daß sie dazu Wassertanks haben. Na, noch mal einer...« Es war der grüne Terror, den die Seeset erfunden und der von Aarn verbessert worden war. Die grünen Raumtassen, übergesättigte Raumfelder, die keine Waffe, kein Schutzschirm aufhalten konnte. Aus der Nova
schossen lange Ströme dieser Raumtassen hervor – und einige wurden aufgehalten. Der Rest drang weiter vor. Bomben, Strahlen, Zerstörung... »Meine Freunde, ihr kennt diese Dinger nicht«, sagte Aarn grimmig. »Nun paßt mal auf...« Es kam, wie Aarn es erwartet hatte. Erst ließ eines, dann das andere Schiff die seltsamen grünen Dinger sich in seinem schützenden Magnetschirm festsetzen. Die Raumtassen bissen sich in das Magnetfeld hinein, hielten an und blieben dort. Wütend griffen die Schiffe nun die grünen Raumtassen an und ließen die Nova in Ruhe. Aarn attackierte sie nicht, aber er schickte mehr von diesem grünen Terror los. »Sie versuchen, wegzukommen«, sagte er befriedigt. Er griff nach den Telatoskopsteuerungen, um einen Blick in das Innere der feindlichen Schiffe zu werfen – und zog seine Hand mit einem Ruck zurück. Ein neues Ding tauchte aus den Nebeln auf, die sich am Rand des Instrumentenfeldes gebildet hatten. Ein gigantischer Schatten. Ein ausgewachsenes Schlachtschiff. Aarn wandte sich wütend den Steuerungen zu. »Gebt acht da unten!« rief er. Ein gewaltiger Strom Raumtassen strömte gleichzeitig heraus. Eine ganze Wolke. Aber dieses Schiff hatte von seinen gefallenen kleineren Brüdern gelernt. Aufmerksam wich es den Raumtassen aus. Aarn löste immer mehr Raumtassen aus. Das feindliche Schiff tanzte, sprang und versuchte auszuweichen. Vier ungeheure Ultrastrahlen waren dauernd auf die Nova gerichtet. Aarns Gesicht war bleich vor Anspannung. »Das – können wir – unbegrenzt aushalten – dank der Materienenergie«, sagte er grimmig.
Seine eigenen Ultrastrahlen konzentrierten sich auf das einsame Riesenschiff. Der Form nach war die Nova ein Kreuzer – aber in Wirklichkeit war sie ein superkonzentriertes Schlachtschiff. Die Materiemotoren, die nur durch die Leitfähigkeit der Transpons begrenzt waren, bekämpften die Ultras. Sie würden nie nachlassen. Das ganze Gebiet wurde von Gammastrahlen überflutet; aber das künstliche Metall Resistium, das nur aus Negatronen, Protonen und Neutronen bestand, war so konzentriert, daß selbst diese intensiven Strahlen sofort gestoppt wurden. Aarn hörte auf, grüne Raumtassen herzustellen. Sein Feind wich ihnen aus, und sie benötigten ungeheuer viel Energie. Er konnte diese besser für andere Arten der Betätigung benutzen. Die großen Ultrastrahlen, die unabhängig von ihren eigenen MaterienenergieGeneratoren arbeiteten, rasten und tobten durch den Weltraum und bestürmten den großen flammenden Schild des Kriegsschiffes mit seinen viertausend Fuß Länge. »Ich«, sagte Spencer leise, »bin fertig. Alles hat er zum Stillstand gebracht. Krümelstrahl – Stahlexplosion – alles.« »Ich möchte gerne wissen, wie er das letztere ohne Resistium fertigbringt«, sagte Aarn. »Der Krümler ist nicht so besonders gut; aber wirf mal alle Kraft, die du der Stahlexplosion geben kannst, gegen ihn! Sieh mal zu, ob du durchkommst!« Neue intensive Strahlung stürmte gegen die Energiewände des feindlichen Kriegsschiffes an. Aber sie kam nicht durch. Aarn brummte bitter. »Ich kann ihm einfach nicht beikommen. Wir haben keine Materiestromkreise und müssen die Energie dieser riesigen
Aggregatspulen unterhalten. Ich mußte sogar schon Strom von den hinteren Materienenergie-Generatoren benutzen. Er kann nicht einbrechen – bis er – ha – noch so ein Schlachtkahn – es ist Anto Rayl!« Aus dem Nichts war plötzlich ein gewaltiges Ding aufgetaucht. Etwas, das so gewaltig war wie ihr Riese von Angreifer. Dieses Ding spuckte Ultras und verschiedene Vernichtungswaffen gegen einen winzigen fliehenden feindlichen Kreuzer aus. Die Magyaner sahen, wie das größere Schlachtschiff gegen die Nova kämpfte, und wandten ihm augenblicklich ihre tödlichen Waffen zu, während der Kreuzer mit undichten Schirmen floh – ein beschädigtes Schiff, ein halbes Wrack! Bei dem ersten unerwarteten Angriff war die Nase der Sarn Magya abgerissen worden. Für das Schlachtschiff bedeutete das nicht viel. Der Riese bohrte sich mit tödlicher, konzentrierter Kraft in das feindliche Schlachtschiff hinein. Der Feind mußte unverzüglich seine Strahlen einziehen, um diesem zusätzlichen Angriff standzuhalten. Plötzlich war sein Ultraschirm leck geworden – unter einem von Aarns Strahlen flammte das Schiff in leichter, sich verschiebender Umwölkung auf. Es wechselte den Platz, schmolz, taumelte und verschwand! Aarn arbeitete mit unglaublicher Schnelligkeit. Das Telatoskopfeld erweiterte sich ungeheuer, fing einen vorbeischießenden Blitz auf, konzentrierte sich darauf und hielt ihn fest, als die Nova mit einer Geschwindigkeit, die die des Lichtes bei weitem übertraf, dem fliehenden Feind nacheilte. Fünfzigtausendmal so schnell wie das Licht – und doch gab das Telatoskop das Bild getreu wieder. Aarn schaute kurz auf einen anderen Teil des Schirmes. Ein
weiteres Riesenschlachtschiff erschien – Anto Rayl mit der Sarn Magya folgte ihm. Der Feind floh schneller, offenbar erstaunt, daß man sein Tempo einhalten konnte. Beim Achtzigtausendfachen der Lichtgeschwindigkeit hatte er wohl seine Maximalgeschwindigkeit erreicht. Behutsam stellte Aarn eine automatische Steuerung ein, die den Feind überholen und festhalten würde. Er brauchte drei Minuten, um sich in Stellung neben das Schiff zu bringen. Dann hielt Aarn unsicher und zögernd inne. »Jetzt hast du ihn gefangen – was wirst du nun machen?« fragte Carlisle. »Ich weiß es nicht«, gestand Aarn, »bei dieser Überlichtgeschwindigkeit kann ich ihn nicht angreifen, es sei denn...!« Plötzlich arbeitete Aarn an Spencers Tafel. Dieser lehnte sich zurück, als Aarns lange Arme geschickt manövrierten. Schließlich stellte er das Steuer auf seine äußerste Grenze ein. »Wir werden sehen...« Er bediente noch eine letzte Auslösevorrichtung. Unverzüglich raste aus der Seite der Nova ein Ding hervor, das vielleicht die Größe eines Golfballs hatte und in Richtung auf den beschädigten Feind zueilte. Einige Fuß weit schoß es mit einer Geschwindigkeit dahin, die es zu einem lodernden, rötlichen Streifen machte. Dann – schien es plötzlich nur so dahinzukriechen. Noch weitere fünf Fuß etwa – und wieder raste es und wurde größer, bis es einen Durchmesser von zehn Fuß erreicht hatte. Auf einmal war es verschwunden wie ein zuckender Blitz und endete in einer gigantischen Energieexplosion. Automatische Kontrollvorrichtungen stoppten die Nova. Aarn hatte die Nova fünf Meilen vor den Feind kriechen
lassen. Jetzt lag das feindliche Schiff vielleicht tausend Meilen weit hinter ihnen, regungslos, seine Lichter blinkten und veränderten sich schnell, wurden plötzlich trübe, dann wieder hell und blieben so. Mit Impulswellen jagte Aarn zurück. Etwa drei Lichtjahre hinter ihm lag das Sonnensystem. Das feindliche Schiff war nun nahe und kämpfte verzweifelt. Heftig mischte sich die Nova ein. Alle Ultras flammten, und die Raumtassen strömten ab. Anton Rayl auf der Sarn Magya erschien plötzlich auf dem Schirm. Da der Fremdling zum Halten gebracht worden war, hatte Anto Rayl das Ziel überrannt und mußte zurück. Nun griff auch er in den Kampf ein. Zwei Minuten später hielten die beiden eine Konferenz ab. Sie waren umgeben von Protonen, die einmal das Metall des feindlichen Schiffes gewesen waren. »Du hast mir ein herzliches Willkommen versprochen, Aarn«, sagte Anto Rayl ein wenig sarkastisch. »Ein herzliches Willkommen und eine friedliche Alte Welt, in der keine tefflanische Rasse den interplanetarischen Handel und Austausch stören würde.« Aarn lachte. »Tut mir leid, Anto Rayl! Es war wirklich nicht meine Schuld. Einen solch warmen Willkommensgruß hatte ich nicht beabsichtigt. Ich werde wohl ziemlich schnell zurück zur Erde müssen. Es wäre wohl besser, wenn ihr noch für kurze Zeit nach Magya zurückkehren würdet, bis wir hiermit fertig geworden sind. Seid ihr schwer beschädigt?« »Natürlich nicht. Sie haben nur die Nase bekommen, die metallene Rammhaube und die ersten fünfzig Fuß der Kammern. Nur Messehallen und leere Quartiere. Niemand
wurde verletzt, und die Schotte schlossen sich wie üblich. Wir waren nur erstaunt und blieben aus Sicherheitsgründen zurück. Anscheinend war eines eurer Willkommkomitees zu nahe und wurde von uns mit davongetragen. Als wir in einem anderen Weltraum ankamen, war es bei uns, und so fingen wir ein Gefecht an; und hast du nicht gesehen, verschwand der Kerl. Wir dachten, er würde zurückkehren, und gingen ihm nach, um euch zu Hilfe zu kommen. Wie es schien, hatte er gerade eine Geschwindigkeit erreicht, die größer war als die des Lichts, und als wir zurückfuhren, haben wir ihn irgendwie mitgeschleppt. Was mit ihm geschehen ist, habe ich nicht beobachten können – ich ging auf den dicken Kerl los, mit dem du 'rumgespielt hast. Was ist denn dir passiert?« »Nicht viel. Unsere kleineren Schirme und Dinge traten schneller in Aktion...« »Du meinst, eure besser konstruierten Apparate reagieren schneller«, unterbrach Anto Rayl. »Na ja zuerst machte er uns nichts, und wie du wohl siehst haben die Kerle schlechtere Abwehrschirme als wir. Ihre Kreuzer haben wir schnell untergekriegt, und die Raumtassen haben ihnen auch zugesetzt, bis sie gelernt hatten, ihnen auszuweichen. Dann tauchte der große Kerl auf – und wir waren euch für eure Hilfe sehr dankbar. Wir werden uns sofort auf die Erde zurückbegeben müssen – ich habe das Gefühl, als ob sie uns treffen möchten. Und ihr steuert am besten nach Magya zurück. Wenn wir die Lage geklärt haben, komme ich sofort wieder zu euch.« Sanft klang Anto Rayls Lachen durch das Mikrophon. »Sag mal, Aarn, welche Abwehrmittel hat die Erde?«
»Warum? Ich weiß es nicht. Natürlich hatten sie Patrouillenflotten, um nur mal eines zu nennen. Einige dieser Patrouillen besaßen alle Geräte, die wir haben, mit Ausnahme des Telatoskops. Als ich wegfuhr, wurden gerade die Ultrastrahlapparaturen eingebaut. Einige der großen Patrouillenschiffe sind ausgewachsene Kreuzer.« »Wieviele habt ihr davon?« »Etwa zwanzig«, sagte Aarn grimmig. »Als wir weggingen.« »Und wieviele, glaubst du, haben sie jetzt? Ich denke, ich kann dir diese Frage beantworten. Nicht – ein – einziges – verdammtes Schiff. Aarn, noch hat Magya die großen Werke betriebsfähig, die unsere Fünftausend-Fuß-Schlachtschiffe, die Zwölfhundert-Fuß- und die schweren Fünfzehnhundert-Fuß-Kreuzer herstellten. Die Werke, die Zerstörer produzierten, sind auf Handelsschiffe umgestellt. Magya besitzt eine Flotte von vierundfünfzig sehr gut ausgerüsteten Schlachtschiffen. Es fehlen ihnen zwar noch einige Geräte, aber nur sehr wenige. Wir haben einhundertvier schwere und einhundertzwölf leichte Kreuzer, dazu sechshundertzweiundvierzig Zerstörer. Aarn, als Magya von ihrem alten Feind, den Tefflanern schwer bedrängt wurde, kamst du zu uns und machtest es möglich, daß wir den Feind vernichten konnten. Er war der gemeinsame Feind unserer gleichen Rasse. Du glaubst doch nicht einen Augenblick lang, daß Magya diese große Kriegsflotte untätig liegen lassen wird, wenn die Erde um ihr Leben gegen eine solche Übermacht kämpft und dabei vielleicht überwältigt wird? Ich kehre zurück, Aarn. Wir wollen unverzüglich mit der
Fertigung neuer Strahlenapparate beginnen. In etwa einer Stunde werde ich dich in der Nähe der Stelle, wo wir zuerst durch die ›Mauer‹ kamen, treffen.« Die große Sarn Magya verblaßte plötzlich und verschwand. Aarn hatte keine Gelegenheit, auch nur ein Wort zu sagen. Er drehte sich langsam um und schaute Spencer an. »Spence – der Mann ist – oh, er ist ein MENSCH, und alle seine Leute sind MENSCHEN – Menschen unserer eigenen Rasse! Ich bin riesig froh, daß sie zu uns gehören... Wir sollten uns beeilen, auf die Erde zurückzukommen.« Schneller als das Licht schoß die Nova zurück in das Sonnensystem. In einer Entfernung von dreihunderttausend Meilen von der Erde hielt Aarn vorsichtig an und arbeitete am Telatoskop. Der Mond war unverändert. Große Höhlen und Löcher waren zu sehen, Verunstaltungen durch Ultrastrahlen. Und im Zentrum jeder dieser Narben war ein glühendes Metallgewölbe, es waren die Patrouillenstationen auf Luna. Man sah auch glühend rote Punkte, die wütend zischten. Die Erde hatte einige Narben. Eine einzige schien ernsthafter Art zu sein, es war wie ein weggemähter Raum quer durch das kaum besiedelte Arabien hindurch bis zum Roten Meer. Kleinere, weniger bedenkliche Narben aber bedeckten fast jeden der fünf Kontinente. Nirgendwo bemerkte man Schiffe, die um die Erde zogen. Wohl aber stellte Aarn mit grimmigem Interesse fest, daß ein halbes Dutzend neuer Monde die Erde umkreiste, kleine Monde von etwa fünf bis zehn Meilen Durchmesser. Und jeder dieser Monde war der Mittelpunkt arbeitender Handelsschiffe und einiger Patrouillenschiffe.
Ein anhaltender Strom von Schiffen eilte hin und her. Wie es schien, machte die große Transponstation auf Luna Überstunden. – Durch das Sonnensystem erstreckte sich ein neuer, riesiger Strahl – ein großer Kerl, der bis über Jupiter und Uranus hinausreichte und in der Nähe des weit entfernten Pluto endete. Eine Weile betrachtete Aarn dieses Bild. Langsam lief ein Lächeln über sein Gesicht. Sorgfältig schaute er auf seine Instrumente, dann mit scheinbarer Entrüstung auf Spencer. »Spence – gib mal acht! Beobachte mal die unglaubliche Frechheit dieses Feindes, der unsere Sonne benutzt, um uns zu bekämpfen! Da muß irgendwas geschehen, das geht zu weit.« Aarn steuerte die Nova näher an den großen Strahl heran. Als er abstoppte, hatten sie sich ihm auf etwa eintausend Meilen genähert und beobachteten nun das langsame, rhythmische Schwingen der gigantischen Stromleitung, die in mächtigen Wellen Strom von der Sonne brachte, von dem Stromzentrum des Systems, um den Eindringlingen auf dem entfernten Pluto die Maschinen zu speisen. Sorgfältig beobachtete Aarn den Vorgang, dann lächelte er. »Das geht zu weit. Ich habe vor kurzem etwas gelernt, das vielleicht...« Neugierig schaute Spencer zu, wie Aarn an den Transponwaffen-Kontrollvorrichtungen arbeitete. Aarn schaute auf den Zeitmesser und schaltete seine Steuerung ein. Nicht das geringste ereignete sich. Die Transpons der Nova griffen aus und berührten den gigantischen Strahl, der den Eindringlingen Strom für Kriegszwecke zuleitete –
doch erhielten sie weder Strom, noch gaben sie welchen frei. An dem Strahl war nicht die geringste Veränderung zu bemerken. Mit gespanntem Gesicht beobachtete Aarn den Zeitmesser. Die Erregung schien zu wachsen, je mehr Sekunden vorüberrückten. »Ich wünschte«, sagte er, »das das Anrel wäre, in mancher Beziehung. Es würde lange dauern – aber bei ihm brauchte ich mich nicht um die Labilität zu kümmern, wie hier.« »Was machst du denn?« fragte Carlisle ärgerlich. »Es scheint nicht viel dabei 'rauszukommen.« Aarns Lächeln schien ein wenig grimmig, als er antwortete. »Nicht viel. Warte noch ein bißchen!« Aarn zog die Steuerung zurück. »Mein Problem, Carlisle, besteht darin, daß unsere Sonne so labil ist. Eine zu schwere Anspannung kann sie nicht aushalten.« »Was?« rief Spencer. »Eine zu schwere Spannung kann sie nicht aushalten! Lieber Gott, Mann – was hast du gemacht?« »Warte sechs Stunden oder auch mehr. Wir gehen jetzt auf die Erde. Zuerst...« Das Telatoskop trat wieder in Tätigkeit. Vermittels Uhrwerkantrieben stellte Aarn vorsichtig Kontakt mit der Erde her und schließlich mit den Werkstätten der SpencerRocket-Gesellschaft. Die Werkstätten waren überfüllt. Spencer blieb der Atem weg, als er die Heere von Menschen sah, die unter großen Scheinwerfern mit höchster Schnelligkeit arbeiteten. Es war dort unten Nacht, aber die Arbeit wurde mit dem Mut der Verzweiflung weitergeführt. Ein großes gewölbtes Gebäude war errichtet worden, offensichtlich in aller Hast,
aus dem seltsame, häßliche Schnauzen herausstachen. Eine riesenhafte Aggregatspulenbank in rohem Gehäuse stand auf der einen Seite, und darüber befand sich eine Garnitur von acht der größten Materienenergie-Motoren, die Spencer je gesehen hatte. »Hm – haben gute Arbeit geleistet. Das sind die Motoren Typ K-6, für die ich die Pläne zurückließ«, sagte Aarn ruhig. »Sie haben wahrhaftig die Schiffswerft gut geschützt. Bei einer solchen Verteidigung dürfte selbst eine Schlachtflotte wie die von den Ausmaßen der Magyaner nichts ausrichten. Ich will mal versuchen, Scott zu erreichen.« Scott war Aarns Erster Laboratoriumsdirektor. Aarn fand ihn schließlich in der Nähe einer Gruppe von Verteidigungsmotoren; er beriet sich gerade mit sechs oder sieben anderen Männern. Aarn projizierte sein Bild. Es war ein bißchen schwankend, aber gut genug, um erkennbar zu sein. »Oh Scott – fleißig? Ich möchte gern mit Ihnen sprechen.« »Munro«, keuchte der überraschte Mann. »Dr. Munro – Gott sei Dank, daß Sie wieder da sind! Wo stecken Sie denn? Um Himmels willen, kommen Sie doch! – Die Erde hat noch nie einen Menschen so sehr gebraucht wie Sie. Sie sind der einzige im ganzen System, der etwas von Kriegen im Weltraum von solchen Ausmaßen versteht. Dr. Munro – die Erde ist von Ungeheuern angegriffen worden – von Centauren! Sie haben...« »Ja, auch mich haben sie angegriffen. Vier Kreuzer und ein Schlachtschiff. Ich habe das Kompliment zurückgegeben. Aber ich dachte, ich wollte Ihnen
wenigstens ein Zeichen geben, damit Sie nicht Ihre beachtlichen planetarischen Abwehrmittel auf mich loslassen. Sagen Sie doch bitte Kommandant Barret, er möchte seinen Stab hierherbringen! Ich habe wirkliche Hilfe für ihn dabei – viel mehr, als Sie denken würden. Die ganze magyanische Flotte ist auf dem Weg hierher! Eine Flotte von Fachleuten, und sie haben versprochen, uns mit allen Möglichkeiten, die sie haben, zu helfen. Geben Sie Bescheid, daß man die Nova passieren läßt. Sie wird vier Lichter haben, ein ultraviolettes, eines aus der Natrium-D-Gruppe und ein Kalzium-K-Licht; das vierte ist infrarot. Das scheint mir eine gut zu unterscheidende Kombination zu sein. Ich werde in sieben Minuten durchkommen. Läßt Ihnen das genug Zeit?« »Ja – gewiß«, antwortete Scott, und schon rasten drei Männer in der Uniform der Planetarischen Patrouille auf den Eingang des rauhen Forts zu. Sieben Minuten und dreißig Sekunden später langte die Nova an ihrem regulären Liegeplatz in der Nähe der Spencer-Rocket-Werft an. Im Nu war ein Schwarm von Männern unter dem Befehl von vier Abteilungsvorarbeitern um sie herum. Fast zur gleichen Zeit erschien Scott an der Schleuse. Als Aarn sie für ihn öffnete, rief er hinein: »Dr. Munro – welche Dienstleistungen benötigen Sie als erstes für die Kriegsvorbereitungen?« »Gar nichts, Scott. Das hier wurde ja als Superschlachtschiff gebaut.« »Wie ich sehe, haben Sie in dem Kampf keinen Kratzer abbekommen.« »Haben Sie noch nicht entdeckt«, fragte Aarn grimmig,
»daß man in einer Schlacht im Weltraum nie einen Kratzer bekommt? Man wird vernichtet – oder man bleibt unversehrt. Wenigstens ein Schiff von der Größe eines Kreuzers.« »Die Patrouille ist aber verletzt worden. Die erste Warnung, die wir erhielten, war die unterbrochene Botschaft von einem der kleinen Kreuzer aus der Nähe des Neptun.« »Wer sind die Eindringlinge? Ich hatte noch keine Gelegenheit, sie zu sehen. Ich nehme an, Ihr Telatoskop war in Betrieb. Wo sind sie – was haben sie alles besetzt?« »Glücklicherweise nicht sehr viel«, seufzte Scott. »Sie wußten nicht, was uns zur Verfügung stand, sie errichteten zuerst einen Stützpunkt und stellten später Untersuchungen an. Während sie sich einen Stützpunkt schafften, besorgten wir uns auch einen. Sie sind in der Nähe des Pluto – wahrscheinlich haben Sie gesehen, wie ihr Transponstrahl Strom von der Sonne leitet.« »Hm«, sagte Aarn lächelnd, »das haben wir.« »Nachdem sie sich ihren Stützpunkt auf Pluto geschaffen hatten, verteidigten wir die uns wichtigsten Planeten. Die vier äußeren haben wir aufgeben müssen, auf den Jupitermonden konnten wir eine Anzahl Forts errichten, wie auch auf den Marsmonden, und auch hier auf der Erde ist allerhand geschafft worden. Die Centauren begannen dann, die Jupitermonde anzugreifen, als sie an eine Stelle kamen, wo Sonnenzapfer nicht gebraucht werden können – hinter dem Jupiter. Sie haben sich getäuscht – alle Forts besitzen Materiemotoren vom Typ K-6. Bis jetzt haben wir nur fünf Schlachtschiffe gesehen,
und wir nehmen an, daß das alles ist, was sie haben.« »Dann haben sie also jetzt vier«, bemerkte Aarn. »Anto Rayl und die Nova haben eines erledigt.« »Sie haben aber eine Menge Leichte Kreuzer, vergleichbar mit Ihren Beschreibungen und Fotografien der magyanischen Leichten Kreuzer. Diese Flotte konnte unsere planetarischen Verteidigungen nicht angreifen und mußte abziehen. Aber es ist ihnen gelungen, eigene planetarische Verteidigungen aufzustellen. Sie haben tatsächlich zehn Asteroiden aus dem Asteroidengürtel abtransportiert und lassen sie in einem Irrgarten von Bahnen um Pluto kreisen. Sie sind befestigt worden – wir haben die Anregung befolgt und desgleichen getan. Sie haben unsere gesehen? Sie sind noch im Bau. Sie – sehen Sie doch – die Sonne...!« Die ganze Erde war plötzlich dunkel. In diesem Gebiet war es noch kaum dämmerig, aber nun hatte sich die rötliche Scheibe der Sonne verdunkelt. Irgend etwas brachte die Sonne fast zum Verlöschen! Sol kämpfte und zerrte an der bedrückenden Kraft. Deutlich erkennbar dehnten sich große Sonnenflecken mit einer Geschwindigkeit aus, die Hunderte von Meilen pro Sekunde betragen mußte. Zwei lange Minuten währte das grauenvolle Dunkel. Dann war es so schnell, wie es gekommen war, vergangen. Aber nun glühte die Sonne blauweiß, heißer und stärker als jemals zuvor. Aarn schien über die Verdunklung nicht weiter verwundert, Obwohl er aufmerksam zuschaute. Plötzlich wandte er sich dem Telatoskop zu. Der Sonnenball erschien und wurde künstlich abgeblendet, so daß man ihn beobachten konnte. Er war blau und von weitaus größerer
Hitze als normal. Sie sahen, wie draußen die Männer Schutz vor den glühenden Strahlen suchten. Das Telatoskop zeigte eine Sonne, die an tausend Stellen mit großen bösartig aussehenden Flecken beleckt war. Schweigend beobachtete Aarn Minute um Minute das Bild. Dann seufzte er erleichtert auf. »Na – das wäre in Ordnung. In etwa einem Jahr wird alles ich abgeschwächt haben. Hat keinen Schaden angerichtet. Die Flecken beginnen schon zusammenzufallen...« »Aber Aarn – wodurch kam denn das, im Namen der Planeten?« rief Spencer. »Das werden wir später sehen. Sagen Sie, Scott, haben Sie Kommandant Barret verständigt?« »Wieso – ja, natürlich.« Der verwirrte Physiker riß seine Gedanken zusammen. »Natürlich, ich habe ihn verständigt. Er müßte bald hier sein. Er war in einer Konferenz des Internationalen Verteidigungsausschusses. Er sagte, er würde die Herren mitbringen.« Aarn brach unvermittelt in Lachen aus. »Der Internationale Verteidigungsausschuß! Scott, das ist großartig! Das ist endlich ein internationales Komitee, das eine Angelegenheit richtig zu Ende führen m u ß. Wenigstens einmal einer der internationalen Ausschüsse der Erde, der nicht all seine Zeit verschwendet, um neue Termine zu erlangen. ›Das muß getan werden – also vollbringen wir's – und diskutieren wir dann die Angelegenheit später‹. Das ist der Geist dieses internationalen Komitees.« »Ich glaube, da kommen sie«, sagte Scott, der zum Fenster hinausgeschaut hatte. »Sollen wir zu ihnen gehen?«
»Nein, es ist besser, sie kommen hierher. Ich will sie bitten, mit mir eine kleine Reise zu machen. Dies hier ist das einzige Schiff, das diese Fahrt machen kann.« Der Ausschuß bestand aus zehn ältlichen Zivilisten, vornehm aussehenden alten Herren. Ihr Führer war Kommandant Barret. Aarn Munro trat ihm an der Schleusenöffnung entgegen. Kommandant Barret blieb stehen und schaute in die scharfen Augen des Jupitermenschen. Langsam glitt ein Lächeln über sein hageres Gesicht. »Dr. Aarn Munro? Mit der Figur kann es wohl niemand anderes sein.« »Stimmt, Kommandant Barret!« Sie tauschten einen festen Händedruck. Zwei Männer, in deren Händen das Schicksal des Planeten lag, schauten sich prüfend an. »Ich fürchte, Sie sind ein schwer bedrängter Mann, und ich danke Ihnen für die Ehre, daß Sie zu mir gekommen sind, statt mich bitten zu lassen, Sie aufzusuchen. Seien Sie versichert, daß das seinen Grund hat!« »Das glaube ich Ihnen. Es ist nur recht für den Schüler, zu seinem Lehrer zu kommen, denn ohne Zweifel sind Sie in der Kriegführung solchen Ausmaßes der Meister. Ich habe niemals so sehr meine Unfähigkeit verspürt. Ich bin in einer Schule erzogen worden, wo man Kriegführung gegen Piraten und Schmuggler lehrte, aber nicht gegen große Schlachtflotten. Wie ich höre, haben Sie dem Feind schon gegenübergestanden – das ist also mindestens Ihr Gebiet.« Aarn lächelte. »Wohl möglich – wenn ich sie aus dem von ihnen besetzten Gebiet des Weltraums von einigen Milliarden Kubikmeilen verjagen wollte. Der Krieg im Weltraum ist erstaunlich endgültig in seiner Vernichtung. Aber – kommen Sie in unser Schiff! Ich möchte Sie gern
mit den anderen Herren bekannt machen und auch gern die Herren Ihrer Begleitung kennenlernen.« Eine halbe Stunde später stieg die Nova von der Erde auf. Alle Männer, die mit Kommandant Barret gekommen waren, befanden sich an Bord, dazu der Kommandant selbst und Aarn mit seinen Leuten. Die Nova ließ die Erde schnell hinter sich und eilte ihrer Begegnung mit dem magyanischen Schiff entgegen, irgendwo weit draußen im Weltraum. In zehn Minuten hatten sie das Ziel erreicht und kurz danach ragte die Sarn Magya, das neue große Schlachtschiff, überraschend neben ihnen auf. Canning übernahm die Verantwortung für die Nova, und die anderen begaben sich auf das große magyanische Schiff. Mit ungeheurem Erstaunen betrachteten die Erdenmenschen das riesige Schiff, eine Stadt, die im Weltraum schwebte. Hinter den vier Fuß dicken Metallwänden lagen die vielerlei Maschinen und Apparate für eine Kriegführung größten Ausmaßes – dazu die Menschen, die sie bedienten. Die vollkommen menschlichen Magyaner, menschlich, weil sie Menschen waren, der andere Teil der menschlichen Rasse, der seit den Tagen, da der alte Kontinent, den wir als Mu kennen, im Pazifik versunken und verschwunden war, nicht mehr auf der Erde lebte. Anto Rayl begrüßte sie. Außer ihm waren fünf der zehn Mitglieder des Hohen Kommandos von Magya zugegen. Feierlich wurden sie an Bord willkommen geheißen. Dann machten sie sich mit der Tüchtigkeit einer lang erprobten Kriegsmaschine an die Arbeit des Planens. Karth Maryl, der Oberste des magyanischen Hohen
Kommandos, sagte: »Es ist undenkbar, daß wir Ihnen nicht helfen sollten. Das ist offensichtlich einmal die erste Prämisse. Nun lassen Sie uns überlegen, was wir tun können! Es liegt auf der Hand, daß die magyanische Flotte so schnell wie möglich durchkommen muß. Seit die Tefflaner vernichtet sind, haben wir zwar die Arbeiten an der Flotte größtenteils eingestellt, aber wir werden sie nun mit höchster Eile für diese neue Schlacht der neuen Waffen aufrüsten. Ich schlage vor, daß eine Anzahl Ihrer Leute zu uns kommt, um bei den Konstruktionen zu helfen, und daß Ihre enorme Produktion nicht auf die Erzeugung von Kriegsschiffen selbst, sondern auf die Maschinen zum Herstellen von Kriegsschiffen umgestellt wird. Dazu ist sie wohl besser eingerichtet.« Drei Stunden lang wurde die Besprechung fortgesetzt. Einzelheiten wurden besprochen, Möglichkeiten berechnet. Plötzlich erschien ein anderes magyanisches Riesenschiff geheimnisvoll neben der Sarn Magya. Anto Rayl lächelte. »Die Tarth Magya – unser Schwesterschiff.« Im Verlauf von zwei Stunden erschien wieder ein Schiff Und kurz danach tauchten Schiffe der Eindringlinge auf, zwanzig Kreuzer, die von drei Schlachtschiffen angeführt wurden. Wie Aarn befohlen hatte, verschwand die Nova und fiel in den magyanischen Weltraum zurück. Die Sarn M a g y a folgte ihr, bis Aarn, Spencer und Carlisle übergestiegen waren. Dann kamen beide wieder zurück. Die magyanischen Schlachtschiffe behaupteten sich. Ihre neuen Ausrüstungen funktionierten großartig. In dem Augenblick, als die beiden Schiffe erschienen, war die Schlacht schon entschieden. Alle Strahlen der N o v a
konzentrierten sich plötzlich auf den am nächsten liegenden Kreuzer, und mit Hilfe der Materienenergie zertrümmerten sie in Sekunden den Schirm des Schiffes. Schnell wendete die Nova – und ein weiterer Kreuzer war erledigt. Und noch einer... Die Nova vernichtete noch einen weiteren, diesesmal mit Aarns Raumtassen. Dann waren keine Kreuzer mehr in der Nähe, die man hätte angreifen können. Sie waren geflohen und ließen ein zerstörtes Schlachtschiff und sieben verfallene Kreuzer zurück. Am Ende der Schlacht schaute Aarn gedankenvoll auf seinen Zeitmesser. Dann stellte er sein Telatoskop auf das Beratungszimmer der Sarn Magya ein. Sein Bild erschien und sprach. »Ich glaube, ihr werdet in Kürze in der Nähe des Pluto etwas sehr Interessantes sehen können. Ich rate, mindestens eine Million Meilen entfernt zu bleiben und zu beobachten.« Die N o v a verschwand. In Minuten hatte sie den Außenposten des Systems erreicht. Selbst aus einer Million Meilen Entfernung waren die Werke der Centauren zu erkennen. Zehn große Asteroiden kreisten um den Planeten; von einem dieser Asteroiden griff ein großer Strahl nach der Sonne und zapfte den Strom ab, den die Kriegsmaschine der Eindringlinge benötigte. Auf dem Planeten erhoben sich drohende Befestigungen. Die Sarn Magya stellte über den Funk Fragen, als sie neben der Nova erschien. Aarn gab keine Antwort, er lächelte nur in die Fernsehscheibe hinein. Spencer antwortete verärgert: »Er hüllt sich in Schweigen, will nichts sagen – nur – ooooooh.« Aarns »Etwas« ereignete sich.
Dort, wo der Stromsatellit der Eindringlinge schwebte und wo der große Transponstrahl endete, der nach der Sonne griff, gab es eine Explosion. Im kaum wahrnehmbaren Bruchteil einer Sekunde wurde der Stromsatellit zu einer enormen, sich immer weiter ausdehnenden Wolke aus tiefviolettem Gas, die unvermittelt sich veränderte und in tausend verschiedenen Spektralfarben aufflammte. Die daraus hervorgehende Energie schien zuzunehmen mit jeder Sekunde, und eine große, heftige Flamme schoß auf, ein Strahlungsquell, der so unerhört intensiv war, daß nichts im ganzen Universum ihm hätte widerstehen können. Von Pluto aus gesehen ging der Stromsatellit im Augenblick der Explosion durch die Sonne hindurch; der ungeheure Energiestrahl stürzte durch die unendlich heißen Gase hindurch, die einmal ein Planetoid gewesen waren, und sprühte große Vernichtung über den gefrorenen Planeten. Unter diesem Schlag explodierte die Oberfläche Plutos mit einem plötzlichen Ausbruch von ultraweißglühendem Gas, der sich mit riesiger Geschwindigkeit in den Weltraum fortpflanzte. Die gewaltige Säule erstarrter Strahlungsenergie dehnte sich jetzt im Umkreis von fast fünfhundert Meilen rasend aus. Es hatte den Anschein, daß diese schreckliche Flamme befreiter Energie, die größer war als das menschliche Begriffsvermögen fassen konnte, stundenlang erhalten blieb. Langsam nahm sie zu, dehnte sich weiter und weiter aus, bis die ganze, der Sonne zugewandte Seite des Pluto grauenhaft in ihr aufflammte. Schließlich erglühten zwei der Planetoidforts, die weit von den Planeten weg sich drehten, weiß auf, blieben aber geschmolzene Tröpfchen
Materie, da die verminderte Intensität der ausgedehnten Flamme sie nicht mehr zum Verflüchtigen bringen konnte. Für Sekunden starrten die Männer in den beiden Schiffen schweigend auf das sich ihnen bietende Bild. Pluto, der Herr der Äußeren Dunkelheit, der kalt war, glühte auf der einen Seite mit einer feindlichen, unerträglichen Flamme violetten Lichts. Pluto besaß eine große, sich dehnende Atmosphäre von weißglühendem Gas, eine Flamme, die an den Rändern langsam blau brannte und um die äußeren Ränder des gefrorenen Planeten kroch und das plötzliche und schreckliche Tauen verursachte. Schon beim ersten Strahl der dünnen blauen Flamme verflüssigten sich die großen Gletscher zu Strömen und verschwanden in der plötzlich heißen Atmosphäre. Aarn war der erste, der sprach. »Das ist eine Basis, die sie nicht mehr benutzen werden. Sie haben eine ganze Serie von planetarischen Forts verloren. Hübsches Schauspiel, was?« »Gott im Himmel – ja!« keuchte Spencer und brach das ehrfurchtsvolle Schweigen. »Was, im Namen des Systems, hat das bewirkt? Ich hätte nicht gedacht, daß so viel Strom vorhanden wäre.« »Ich war's«, gab Aarn bescheiden Antwort. »Ich habe das mit meinem kleinen Beil gemacht, habe ihre Telegraphenlinie angezapft und Dynamit in ihren Treibstofftank getan. Mit anderen Worten – ich habe einen besonderen Strahl losgelassen, den ich in ihren Transpon hineinmanipuliert habe – und bewirkte so den Kurzschluß!« »Und ein Kurzschluß in einem Transpon«, sagte Spencer
sanft, »ist das Zeichen für unendlichen Strom. Das andere Ende dieses Strahles war mit der Sonne selbst in Verbindung. Das hat also die Sonne verdunkelt. Große Milchstraßen – kein Wunder, daß das Ding in die Luft ging! Mindestens fünfzig Prozent aller unfaßbaren Energien der Sonne – In einem Strahl konzentriert!« »Der Strahl brach allerdings zusammen«, sagte Aarn in leicht enttäuschtem Ton, »als an diesem Ende die Stromzentrale in die Luft ging. Wenn sie standgehalten hätte – dann hätte er wahrscheinlich ein Loch durch Pluto hindurchgebohrt.« Spencer schnaubte. »Ein Loch hindurchbohren – ihn einfach aus dem System herausjagen! Wie lange hast du den Strahl kurzgeschlossen?« »Zwei Minuten. Ich glaubte, es wäre für längere Zeit nicht sicher genug. Die alte Sonne befindet sich in der Nähe des Randes der G-0-Linie, und sie hätte dadurch ganz und gar labil werden können. So wie es jetzt ist, wird sie wohl für ein bis zwei Jahre leicht schwankend sein.« »Zwei Minuten – und Sol gibt Energien frei mit etwa vier Millionen Tonnen pro Sekunde. Nehmen wir mal an, daß Pluto nur ein Viertel der Strahlen bekäme. Das wären – einhundertzwanzig Millionen Tonnen Strahlungsenergie! Da ist es ein Wunder, daß überhaupt noch was von dem Ding da ist!« »Nein, eigentlich nicht! Der größte Teil der Energie wurde in den Weltraum hinausgestrahlt, mußt du bedenken. Außerdem mußte eine sehr große Menge von Materie umgewandelt werden. Huuu – ich sehe, der Feind ist verärgert.« Der Feind kam heraus. Die Übriggebliebenen segelten
von der dunklen, geschützten Seite des Pluto ab. Sie griffen aber nicht an, sondern jagten auf den Neptun zu. »Sie haben auf dem Neptun einen weiteren Stützpunkt« sagte Kommandant Barrets Stimme im Lautsprecher. »Sie können doch nicht das gleiche noch einmal tun – oder...?« »Ich fürchte nein. Das war eine einmalige Sache. Zufällig benutzten sie eine Sondertype des Transpons, der beide Stromrichtungen gleichzeitig aufnimmt. Wie das gemacht wird, habe ich kürzlich herausgefunden, aber ich sah auch die Schwierigkeiten. Das hat gewisse Vorteile, denn eine kleinere Anordnung kann mehr Strom leiten. Aber – der andere Bursche könnte ja das System für uns kurzschließen.« »Können sie das gleiche auch unseren Strahlen tun?« fragte Carlisle. »Nein, aus dem gleichen Grund, warum wir es bei ihnen nicht wiederholen können. Sie werden einen pulsierenden Strahl benutzen, der die beiden Polungen getrennt aufnimmt und also nicht kurzgeschlossen werden kann. Eine Art Wechselstromangelegenheit. Nicht einmal das, es ist eine Reihe von getrennten Stromwellen, von denen nicht zwei miteinander verbunden sind, so daß kein Kurzschluß verursacht werden kann. Einesteils ist das bedauerlich; denn dank der Materienenergie können wir ohne Strahlen auskommen, aber sie nicht.« »Es sieht aber doch so aus, als ob wir sie recht bald loswürden, und das ist immerhin ein Trost. Wenn die magyanische Flotte durchkommt, obwohl sie jetzt stark im Nachteil ist, weil die Planetoidforts fehlen und der Stützpunkt nicht fertig ist, müßte es ein leichtes sein, die Kerle fortzujagen.«
»Das glaube ich nicht, Spence«, sagte Aarn nüchtern. »Ich möchte wetten, daß das nur eine Avantgarde war, die das neue Gebiet erschließen sollte. Ich habe einfach das Gefühl daß jede Rasse mit solchen Waffen alles daransetzen wird, diese zu verwerten, und daß sie auch die Schiffe hat, die sie transportieren können. Denk doch nur mal an alle die Kämpfe, in die wir geraten sind, ehe wir das Zeug entwickelt hatten, über das wir jetzt verfügen!« »Dann glaubst du also, daß sie eine größere Flotte haben als die, die wir bisher gesehen haben?« »Ich weiß das sogar, Spence, ich weiß, daß das der Fall ist.«
4
Endlich war das Sonnensystem zu einer politischen Einigung gekommen. Soweit die Planeten in Betracht kamen, war das nicht schwierig, wobei unter Planeten die Planetenkolonien Mars, Jupiter, die Jupitersatelliten und Venus zu verstehen waren. Die Erde selbst war das Problem. Jahrhunderte hindurch hatten die Völker an ihrer kleinlichen Unabhängigkeit festgehalten Die Fragen, die Europa Jahrhunderte hindurch Kummer bereitet hatten – Frankreichs ewiger Wunsch nach »Sicherheit«, Rußlands empfindliche »Souveränität« –, standen immer noch der Vereinigung aller Erdnationen entgegen. Als die enorme Größe der Unannehmlichkeiten zuerst offenbar wurde, hatten England und seine Kolonien, die Vereinigten Staaten und Deutschland fast unverzüglich ihre vereinten Kräfte der zentralen Gewalt der Planetarischen Patrouille unterstellt, die die einzige Organisation war, die über
erfahrene Weltraumkämpfer verfügte. Die Daten und Berichte, die Geschichten und Bilder, die Aarn und Spencer der Planetarischen Patrouille übermittelt hatten, als sie von ihrer unfreiwilligen Fahrt zurückgekehrt waren, hatten einen unschätzbaren Wert in diesen ersten Tagen des Krieges. Die Heavy-Metals-Gesellschaft hatte schon mit der Produktion der neuen Materienmotoren sowie mit der Herstellung einiger Telatoskope begonnen. Sie wurden sofort beschlagnahmt. Die Maschinenproduzenten waren auf die Produktion derjenigen Maschinenteile umgestellt worden für die sie am besten eingerichtet waren, und die Zahl der produzierten Motoren war ständig im Steigen begriffen. Aggregatspulen und Transponstrahlen-Apparate wurden bei höchster Produktionsrate in unbegrenzten Mengen bestellt. Klarer denn je zuvor hatten die Planeten des Systems erkannt, daß ein Krieg nicht ein Kampf der Menschen und Maschinen war, sondern eine Produktionsschlacht. Und der Feind war ihnen offensichtlich ein gut Teil voraus. Dann kamen Magyas Angebote. Und Magyas Schiffe. Das Wesentlichste dabei war, daß Magyas Produktionsapparat ein Wirtschaftssystem darstellte, das nicht nur auf Jahre, sondern während mehrerer Generationen auf Kriegsproduktion eingestellt war. Die Magyaner kannten die Geheimnisse und Einzelheiten der Kriegsproduktion so genau wie keine andere Erdenrasse. Die Erde hatte einen Krieg der Maschinen und der Produktion in einem solchen Ausmaß noch nie erlebt. Jeder Staatsmann auf der Erde, jeder Staatsmann im System hätte allgemeine Regeln aufstellen können – aber eine
allgemeine Regel nützt nicht viel. Es war die Vielfalt und Größe der Einzelheiten, die nie zuvor berechnet worden waren und denen sie sich nicht ganz gewachsen fühlten. Magya kannte alle diese Einzelheiten, alle Gesetze und Bestimmungen, die befolgt werden mußten. Und was von besonderer Bedeutung war sie besaßen die notwendige physikalische Einrichtung, die riesigen Produktionsstätten, um die großen Schlachtschiffe herzustellen. Nach der Vernichtung des Stützpunktes auf Pluto war der Feind weggefahren, und Magya konzentrierte sich während der folgenden zwei Wochen auf das enorme Problem, zwei Welten in zwei verschiedenen Welträumen zu einer einzigen Produktionsmaschine zu verbinden. Magyanische Schlachtschiffe wurden umgebaut, um die interdimensionalen Fahrten durchführen zu können, und ehe diese Zeit vergangen war, hatten alle magyanischen Schlachtschiffe diese Fahrt wenigstens einmal gemacht, ebenso ein großer Teil der Kreuzer und alle Nachschubschiffe. Ein Nachschubschiff brachte magyanische Techniker und Wirtschaftsorganisatoren mit. Die Rückfahrt machte es beladen mit gelernten und ungelernten Arbeitern aus dem Produktionsheer der Erde. Die Schiffsbaustätten auf Magya waren wieder in Betrieb. Männer von der Erde und der Venus arbeiteten dort. Magyanische Piloten bildeten Männer vom Jupiter in der Führung der großen Schlachtschiffe aus. Jeder Jupitermensch konnte in solcher Arbeit seine Aufgabe sehen; denn diese Männer, die von einem Planeten kamen, dessen Schwerkraft mehr als zweimal so groß war wie hier, konnten sich – geradeso wie Aarn – mit doppelter Geschwindigkeit bewegen und beschleunigen lassen. Sie
waren ausgezeichnete Piloten. Aarn war sehr beschäftigt. Der einzige Mann im ganzen Universum, der fähig war, Aarns Pläne so umzuwandeln, daß ihnen auch die anderen Ingenieure folgen konnten, war Spencer, und er war dauernd in Aarns Begleitung. Mit ungeheurer Eile mußten riesige Fabrikanlagen gebaut werden. Zwar war das Problem der Massenproduktion groß, aber das Problem äußerster Genauigkeit war ebenso wichtig. Es gab einfach nicht genügend Männer, die in der Lage waren, die exakte Arbeit der Instrumentenherstellung zu verrichten. Magya wurde das Produktionszentrum für die eigentlichen, massiven Schiffsrümpfe, die Erde das der Materienmotoren, der Telatoskopapparate und der Instrumente. Etwas, was ihnen vielleicht Sorge hätte machen können, bedeutete ihnen nun nichts mehr: Es war ausreichend Metall vorhanden. Die magyanischen Nachschubschiffe, auf denen große Impulswellen-Traktorstrahlen arbeiteten, schleppten Millionen Tonnen von Nickelstahl-Asteroiden herbei. Der mächtige Anrel lieferte die nötige Energie, um es zu schmelzen, zu formen und in die dicken Metallplatten von fünf Fuß zu walzen, in die Träger und Balken, die Wände und Türen. Aber auch zehn große Resistiumhochöfen wurden auf Magya errichtet. Die äußere Haut der Schiffe sollte aus Resistium, dem von Aarn erfundenen künstlichen Metall, bestehen. Es würde die Gammastrahlen der Centauren auf der Oberfläche völlig unwirksam machen. Resistium wurde aus Neutronen, Negatronen und Protonen hergestellt. Neutronen wiederum wurden aus
schwerem Wasser und schwerem Wasserstoff mit dem Atomgewicht zwei gemacht. Negatronen konnte man nur auf einer Sonne finden, Protonen waren leicht aus Wasserstoff herzustellen. Die Resistiumverkleidung der Nova war auf Cornal, dem Planeten der Tornaner, angefertigt worden, wo schwerer Wasserstoff in großen Mengen vorhanden war. Hier auf Magya gab es nicht viel, ebensowenig wie auf der Erde. »Das ist ein Problem, das wir sofort lösen müssen – aber – ich glaube, ich weiß wie«, antwortete Aarn auf Spencers Fragen. »Überlege mal, das Neutron ist eine Art negatives Ding, nicht nur in elektrischer, sondern auch in grammatikalischer Beziehung. Es ist nicht geladen, es ist nicht leicht zu kontrollieren, es ist eine Menge von Dingen nicht. Das Wichtigste: Es ist nicht aktiv. Und nicht reaktiv. Hat natürlich genügend Energie, aber die ist völlig gebunden. Ich hab' so eine Idee, daß man es leicht anderswo finden kann. Was nun die Negatronen betrifft – Anrel wird viel mehr Negatronen enthalten als die alte Sol oder sogar Torka, wo wir unseren ersten Vorrat holten. Du mußt bedenken, daß Negatronen auf Planeten selten sind, so selten, daß sie praktisch gar nicht existieren, weil Planeten aus inaktiven Elementen bestehen; aber weiß Gott – Anrel ist gewiß nicht weitgehend daraus gemacht. Anrel ist ein einziger riesenhafter dröhnender Hochofen von superaktiver und überhitzter Materie. So ist es ganz natürlich, daß Anrel reich ist an Negatronen und Positronen. Es wird eine gute Vorratsbasis sein. Die Sterne dieses Weltraums sind aber nicht reich an Neutronen. Das Neutron ist in besonderem Maße inaktiv.«
»Wenn Anrel unsere Negatronquelle ist, dann müssen wir eine Fahrt dorthin unternehmen«, erwiderte Spencer. »In etwa einem Tag werden die Hochöfen fertig sein, und dann brauchen wir die Rohmaterialien. Aber wie steht es mit Neutronen?« »Die bekomme ich«, lächelte Aarn. »Und wenn ich auch vorhatte, noch einige Forschungen anzustellen, werde ich doch sofort die Fahrt nach Anrel machen, um diese Materialien zu holen. Willst du mitkommen?« Eine halbe Stunde später jagte die N o v a durch die brennende tödliche Atmosphäre Magyas hindurch und hinaus in den freien Weltraum. Die Nova zielte auf Anrel, und plötzlich wurde der große Stern verschwommen, als das Schiff, um Geschwindigkeit zu bekommen, halb in den fünfdimensionalen Raum tauchte. In einem so gewaltigen System war selbst die enorme Geschwindigkeit des Lichtes so klein, daß es Tage der Reise brauchte, um von Magya nach Anrel zu gelangen. Die N o v a überwand die Entfernung in Minuten. Als sie näher und näher herankamen, wurde die ungeheure Strahlung immer unerträglicher. Aarn bediente eine Schaltung, und große Relais donnerten los. Rasch wurde Anrel unklar. Die Nova war von einer Schicht von Kraft umgeben, die das anfallende elektromagnetische Licht mitsamt der Hitze in eine durchdringende gravitomagnetische Strahlung umwandelte, die ungehindert durch das Schiff hindurchging, ohne es zu erhitzen oder sonstige Einwirkung zu haben. Nur ein winziger Bruchteil des Lichtes wurde eingelassen, so daß sie sehen konnten. Näher und näher schoß die Nova heran und fiel erst bei
einer Entfernung von weniger als zehn Millionen Meilen in den normalen Raum zurück. Fünfhundert Millionen Meilen gegenüber füllte Anrel nun den ganzen Himmel aus, eine riesige Fläche wehender blauvioletter Flammen. Riesige Flammenmeere schienen ihnen dreihunderttausend Meilen entgegenzuschlagen, Flammenmeere, die eine Welt hätten verhüllen und zu Gas auflösen können. Die Nova zog ungehindert weiter. Dahinziehende Elektronen, die aus dem riesigen Hochofen herausgeschleudert worden waren, bildeten ein widerstandsfähiges Medium. Eine ganze Schicht dieser Elektronen verdunkelte die direkte Lichtsicht. Aarn schloß seine Lichtschutzverschalung. Dann verließ er sich ausschließlich auf das bewährte Telatoskop. In der Nähe einer ungeheuren Flamme schien die Nova wie ein kleiner dunkler Splitter. Mit ihrem Impulsantrieb glitt sie immer näher heran, bis sie schließlich davon eingehüllt war. Die Nova erdröhnte mit plötzlichen wilden Energien, als ihre Transponstrahlen dem Antrieb Strom in größeren Mengen zuführten. Aarns Finger flogen über die Steuerungen. Man hörte ein erneutes Aufkreischen, als er seine Transponauffangstrahlen ausschickte, um mit ihnen Strom von der Sonne zu sammeln. Die Lichtschutzverschalung öffnete sich wieder ein wenig. Auf den Schirmen zeigte sich eine einzige große, violette Flammenhülle, die an der Nova vorüberraste, eine weißglühende Wand, die leicht über die Oberfläche der Magnet- und Antischwerefelder, die das Schiff schützten, dahinglitt. Der äußere Resistiummantel glühte schwachrot, aber die kühlenden Strahlen aus dem Innern des Schiffes absorbierten die Energie und transformierten sie in
elektrischen Strom. »Das ist weit schlimmer«, sagte Aarn grimmig, »als Stoff von der Sonne Torka zu nehmen.« Er machte eine Pause und ließ seine Finger eilig über die Steuerungen laufen. »Ich werde tiefer gehen müssen – dieser Vorsprung da scheint mir recht unbequem für uns zu sein –, sonst verbrauche ich damit allen Strom, den ich nötig habe.« Hartnäckig verfolgte das Schiff seinen Weg. »Jetzt sind wir fast zweihundertfünfzig Meilen tief drin«, sagte Aarn endlich. Carlisle runzelte unbehaglich die Stirn. »So tief! Mit dieser Entfernung wären wir halbwegs im Zentrum unserer Sonne. Wie können unsere Felder diesem Druck denn standhalten?« »Es gibt – keinen«, erwiderte Aarn ruckartig. »Das ist wie Alice im Wunderland. Du mußt tüchtig laufen, um auf dem Platz, an dem du bist, stehenzubleiben. Der Lichtdruck ist so ungeheuer, daß er dem inneren Druck der Gase mehr als nur entgegenwirkt. Er stirbt ab – weil er ungefähr im Gleichgewicht ist. Wir wollen uns jetzt beeilen.« Als sie am unteren Ende des Vorsprungs ankamen, hatte sich dessen Bewegung sichtlich verlangsamt. Sie waren nun in die Region gekommen, in der der normale Schwerkraftzug den Auswärtsdruck des Lichtes übertraf. Gleich darauf begann der Geschwindigkeitsanzeiger von fünf, wo er einige Sekunden stehengeblieben war, auf zehn, dann auf hundert und schließlich auf einhundertfünfzig zu steigen. Mit einhundertfünfzig Meilen pro Sekunde schossen sie zu Anrels Herz! »Wie bringst du das fertig?« fragte Spencer. »Mit einer solchen Geschwindigkeit durch die Materie eines Sterns zu
eilen!« Aarns Lächeln war grimmig. »Warum denn nicht? Bist du dir klar, daß ich etwa drei Quadrillionen Pferdekräfte benutze? Und daß die Atmosphäre eines Sternes ein vollkommeneres Vakuum ist, als der Mensch je schaffen könnte? Wir werden jedoch bald anhalten müssen. Der einzige Grund, warum ich auch jetzt noch, wo der Druck zunimmt – weil Anrels Oberflächenschwere fast das Zweihundertvierzehnfache der Erde beträgt – vorwärtskomme, ist, daß die Felder die Spannung aufnehmen. Ein Magnetfeld kann man nicht komprimieren, das ist so. Aber sehr bald werde ich auf zerstörende Felder stoßen, die die meinen niederreißen werden.« Aarn war bereits auf diese Felder gestoßen. Es schien, als ob die Nova augenblicklich in Protest kreischte und schrie. Das Schiff blieb fast stehen und schüttelte sich. Aarn zog sich auf einen gewissen Abstand zurück, bis die Nova wieder ein wenig zur Ruhe kam. Dann setzte das heulende Dröhnen der Strahlen ein. Die mächtigen Traktorstrahlen der Nova griffen tief in das Herz des Sterns, wohin weder das Schiff noch Materie dringen konnte. »Wir sind jetzt etwa sechshunderttausend Meilen eingedrungen«, sagte Aarn. »Die Strahlen reichen noch eine halbe Million weiter.« Für eine Zeitlang dauerte der grimmige, lärmende Kampf im Innern des Schiffes fort. Aarns Gesicht wurde langsam sorgenvoll, als er auf seine Instrumente schaute. Er seufzte. »Ich kann sie nicht hochbringen. Meine Strahlen öffnen sich, wenn ich sie belaste. Spencer, wirf einige Antischwerebomben 'rein um...« Schnell las er die
Koordinaten ab. Dem schon vorhandenen Dröhnen gesellte sich ein neuer Ton zu, ein periodisches Dröhnen und Krachen der Transpons. Wieder begann die Nova zu schwanken, als mit Hilfe der Bomben, die Anrels Herrschaft über die Materie brechen sollten, die Strahlen zugriffen, zerrten und mit mächtiger Anspannung das Schiff langsam zurückzogen. Fast eine Stunde verging, dann erschien auf den Schirmen ein Lichtpunkt, der noch um vieles leuchtender war als die flammende Fotosphäre selbst. Er überstrahlte sogar jene glänzende Oberfläche, die tatsächlich zweimal so strahlend war wie die sichtbare Oberfläche Anrels, da sie hier nicht durch die darüberliegende »revertierende Schicht« verdeckt war. Das war nicht einfach fotosphärische Materie, es war Materie aus dem unglaublich heißen strahlenden Herzen des Sterns; dies kam nicht aus der Ausströmungsoberfläche, wo Anrels überflüssige Hitze ausgestoßen wurde, sondern von dem energieerzeugenden Teil selbst, in dem die Materie in strahlende Energie umgewandelt wurde. »Das«, rief Aarn aus, »ist so heiß, daß Röntgenstrahlen ausbrechen! Ich hoffe, daß sich all die Mühe bezahlt macht.« Er beobachtete die Schirme jetzt aufmerksamer als seine Instrumente. Sie blieben ständig in einer Position, der Grenze ihrer Fahrt. Das unglaublich grelle Licht von ihrer Verschalung weißglühender Materie blieb nicht ganz beständig. Kleine örtliche Unregelmäßigkeiten ermöglichten die Feststellung, daß es immer noch rückwärts eilte. Als die Nova gestartet war, hatte sie sich gedreht, und das bedeutete, daß sie immer noch gegen den
Widerstand der mehr oder weniger unveränderlichen revertierenden Schicht kämpfte. Aarn konzentrierte sich mehr und mehr. Die Fahrt des Schiffes schien jetzt sehr langsam, und er schaute häufig auf den Geschwindigkeitsanzeiger. Die Verlangsamung war einem tatsächlichen Nachlassen ihrer Geschwindigkeit zuzuschreiben. Würden sie ihre schwer erkaufte Last abwerfen müssen? »Wir sind praktisch zum Stillstand gebracht, sozusagen. Die Geschwindigkeit ist auf eine Meile pro Sekunde gefallen.« »Ich würde das nicht Stillstand nennen«, rief Carlisle aus. »Und doch würdest du es so nennen«, verbesserte ihn Spencer, »wenn du daran denken würdest, daß wir noch etwa dreihunderttausend Meilen vor uns haben. Ich persönlich bin nicht darauf vorbereitet, die nächsten vier oder fünf Tage in solcher Lage zu verbringen. Die Nova arbeitet unter einer fast zweihundertprozentigen Überlastung, und das hält nicht mal sie auf die Dauer aus.« »Abgesehen davon, läßt die Geschwindigkeit immer noch nach«, sagte Aarn verdrießlich. Er schaute auf die Schirme und schrie freudig auf – die Materie draußen war fast zur Ruhe gekommen. Das bedeutete, daß sie die untere Seite des Vorsprunges erreicht hatten, die sie herausfegen würde, ohne daß sie selbst sich anstrengen müßten. »In Ordnung – nun schaffen wir es«, sagte er. Aber es dauerte doch noch eine Stunde, bis es soweit war. Dann wurden sie beinahe aus Anrel herausgeschleudert, mitsamt ihrer Ladung gestohlener Materie, als sie schließlich in die großen Schwingungen
des Vorsprunges hineingerieten. Die großen Energien der Nova arbeiteten, der Stern selbst half ihnen, so daß sie in weniger als einer Stunde aus dem Stern und in drei weiteren Stunden aus dem Vorsprung heraus waren. Dann aber mußten sie ihre Last Stunde um Stunde in den Weltraum hinausziehen, wo sie sie bearbeiten konnten. Bei einhundert Millionen Meilen begann Aarn damit und ließ den Druck frei, der die superweißglühende Masse zusammenhielt und aus einem blendenden Lichtbogen schoß ein großer langer Strom des Stoffes heraus. Ein Magnetfeld griff nach den enteilenden Ionen, fing sie ein und wirbelte sie je nach Masse und Ladung durcheinander. Ein gigantischer Massenspektrometer. In einer Stunde hatte er mehr als die Hälfte der Materie bearbeitet und in sein Feld eingeschlossen, um Druck und Ionisierung zu erhalten. Nach drei Stunden war er fertig, und eine große Kugel aus den superschweren Elementen, die er benötigte, schwebte auf seinen Strahlen, während eine enorme Kaskade der gewöhnlichen Elemente zurückschwebte. Aarn schaute stolz auf das Ergebnis seiner Arbeit. »Wir dürften ungefähr fünf Millionen Tonnen dieses Stoffes hier haben! Fünf Millionen Tonnen Elemente über Atomnummer 100. Das bedeutet genügend Negatronen für ein halbes Dutzend ausgewachsener Schlachtschiffe.« »Ich brauche aber noch Neutronen«, erinnerte Spencer. »Du sollst sie haben.« Aarn war nun damit beschäftigt seine Felder für die Rückfahrt aufzustellen. Die Masse der Materie wurde nahe an die Nova herangebracht und so ausgeweitet, daß die Felder des Schiffes sie beeinflussen konnten. Dann eilten sie mit ihrer geraubten Materie nach Magya.
5
Spencer blieb in Magya. Er hatte sehr viel Arbeit, nicht nur mit den Resistiumhochöfen, die jetzt ihrer Fertigstellung entgegengingen, sondern auch mit der sehr viel drängenderen Arbeit, die großen neuen MaterienenergieSchlachtschiffe zu entwerfen. Die magyanischen Ingenieure waren in den Grundproblemen des Entwurfes von Schlachtschiffen viel erfahrener als er. Doch fiel ihm die Aufgabe zu, die grundlegenden Pläne so umzugestalten, daß die neuen Stromquellen, die vielerlei Waffen, die Aarn seit Cornal konstruiert hatte, und die entsprechenden Abwehrmaschinen berücksichtigt wurden. Aarn war, wie er versprochen hatte, fortgefahren, um Neutronen beizuschaffen. Er war mit der N o v a aufgestiegen von Magya und anscheinend verschwunden. Aarn blieb nicht lange in diesem Weltraum. Seit er den Vorrat Schwermetalle von Anrel zurückgebracht hatte war er viele Stunden an den Berechnungsmaschinen beschäftigt. Eine halbe Million Meilen von Magya entfernt stellte er seine Steuerungen sorgfältig ein und warf den letzten Schwenkhebel herum. Unter dem Dröhnen der Transpons wurde der Weltraum diesig, die blendenden glänzenden Sterne wirbelten umher und wurden zu einem Nebel – verschwanden und verschmolzen mit den wenig hellen Sternen unseres Weltraums. An Spencers Stelle begleitete ihn Canning. Er schaute um sich – und sah dann Aarn unruhig an. »Dr. Munro – Sie haben die Sonne verpaßt!« Aarn schaute gleichgültig auf den Schirm. Der Weltraum war der übliche, aber Sol war nicht da. Statt dessen gab
eine winzige Kugel ein schwaches, verschwommenes Licht ab. Aarn beobachtete sie interessiert und begann langsam zu grinsen. Er drehte sich nach dem ziemlich entsetzten Canning um. »Nein, habe ich nicht«, freute sich Aarn. »Das ist die alte Sol.« Er deutete auf den Stern, der auf dem Schirm als ein einfacher G-0-Stern erster Größe erschien. Canning schaute ihn zweifelnd an. »Wenn das stimmt, dann ist er sehr weit von uns weg. Aber selbst dann – wie können Sie das wissen – das da hinten ist ein anderer G0.« »Hm...«, sagte Aarn und betrachtete sorgfältig den Schirm. »Ich glaube, das ist Prokyon A. Von hier kann man Prokyon B nicht sehen. Es könnte aber auch Centauri sein. Aber das da ist bestimmt unsere Sonne. Sehen Sie doch...« Das Telatoskop trat in Aktion. Schneller als das Licht fing es die entfernte Sonne ein – und es war die Sonne für alle Menschen ihres Systems. Innerhalb von Sekunden schwebte zu Cannings Freude das Sonnensystem mit erkennbaren Planeten über das Telatoskop. »Aber wie konnten Sie sie nur verpassen?« fragte Canning. »Ist Ihnen je eingefallen, daß ich sie ja absichtlich verpassen konnte?« grinste Aarn. »Ich steuerte auf diesen Stern zu – und habe ihn auch gut getroffen.« »Was für ein Stern ist es?« »Van Maanens Stern. Oberflächentemperatur siebentausend Grad oder so ähnlich, Strahlung etwa ein Sechstausendstel der Strahlung der Sonne. Durchmesser etwa siebentausendfünfhundert Meilen!« »Hm – dicht, nicht? Woraus besteht er?« »Hoffentlich aus Neutronen. Deshalb sind wir nämlich
hier«, erwiderte Aarn. Das Telatoskop hatte die Szene verändert, und die N o v a schoß nun mit hoher Geschwindigkeit in den normalen Weltraum. Mit erstaunlicher Schnelligkeit wurde der Stern größer. Bald verlangsamte Aarn die Fahrt, als selbst dieser schwache Stern intensive Hitze und Licht abzugeben begann. Hier gab es kaum Vorsprünge, nur einen sehr geringen Hof, und keine Planeten. »Auf dem Kerlchen da ist eine reizende OberflächenSchwerkraft«, sagte Aarn leise und wies auf seinen Gravitometer. Da dieser Stern etwa achtundsiebzigmal soviel wie die Sonne wog, war er rund zweihundertfünfzigtausendmal so massig wie die Erde – und kleiner als sie! Diese enorme Dichte der Materie bedeutete eine Oberflächen-Schwerkraft die Aarns Instrumente, die besonders für das Ablesen stellarer Schwerkraft konstruiert waren, fast bis zum äußersten Ausschlag herumriß – zweihundertsechzigtausendmal die Oberflächen-Schwerkraft der Erde! Eine Tasse Wasser würde hier einhundertdreißigtausend Pfund wiegen. Aarns Gewicht wäre hier dreitausendsiebenhundertfünfzig Tonnen! »Ich muß Berichtigungen vornehmen«, beschloß er und schaute sorgfältig auf seine Instrumente. »Wir wußten vorher nie, was die Masse dieses Dinges war. Jetzt aber, wo ich sie kenne, kann ich sagen, daß die Effektivtemperatur zwar siebentausend Grad ist, die eigentliche Temperatur aber etwa bei einundzwanzigtausend Grad liegt. Das ist der Tatsache zuzuschreiben, daß die enorme Oberflächen-Schwerkraft das Licht fast zum Stillstand bringt. Und die, mein Junge, würde sogar die Nieten unserer Resistiumhaut erweichen.«
»Wie, zum Teufel, wollen Sie denn hier irgend etwas unternehmen?« fragte Canning. »Wir können da doch gar nicht nähergehen.« »Warum denn nicht? Ich möchte das mehr als je zuvor. Unsere Aggregatspulen können das überwinden.« »Sie werden ausbrennen«, erklärte Canning entsetzt. »Sie werden nicht ein Erg Energie enthalten. Das ist nämlich der springende Punkt. Sie ebnen den Weltraum und heben die Energie, die die Sonne konzentriert hat, auf und zwar da, wo sie gerade sind.« »Dieses Schiff«, sagte Canning, »wiegt dreiviertel Millionen Tonnen selbst auf der Erde. Das wären hier sechstausendundfünfundzwanzig mal zehn hoch zehn. Diese Zahlen sind wahrhaftig astronomisch.« »Sie werden einige wunderbare Effekte sehen«, gab Aarn zu. Die Nova ruhte nun, ihre Antischwerespulen neutralisierten den schrecklichen Gravitationsdruck des Sternes. Da sie jedoch immer noch fast zwei Millionen Meilen von dem Stern entfernt waren, betrug die Schwerebeschleunigung nur etwa das Sechsfache der Erde, so schnell verminderte sie sich – nach dem Gesetz mit dem umgekehrten Quadrat der Entfernung. Aarn schaute mit Interesse auf einen seiner Schirme. Über der unglaublich massiven kleinen Sonne war das übliche Sternenfeld. Aarn zeigte es Canning und warf die Nova um eine Million Meilen auf die eine Seite. Das Sternenfeld schien sich zu krümmen und zu winden, ganz neue Stellungen der Gestirne ergaben sich, die Sterne verlagerten sich um volle Grade aus ihren früheren Positionen. »Wie ich schon sagte, reizende OberflächenSchwerkraft. Hat das Licht einfach in eine Sternenbahn
gezogen. Wissen Sie...«, Aarns Augen leuchteten in einer Weise, die Canning kannte und fürchtete, »ich meine, ich sollte mal ein Kunststückchen probieren. Ist ganz sicher...« Die Nova bewegte sich plötzlich wieder ungeheuer schnell. Canning schauderte, als er die Kraft des Antischwerefeldes hörte, die, allein von den Aggregatspulen aufgewendet, die Nova gestützt hatte. Aarn nahm der Nova diese Stütze weg. Und die Impulswellen trieben sie direkt auf van Maanens Stern zu, mit einer Geschwindigkeit, die mit Exponentialverlauf anstieg. Canning stöhnte und wurde ein wenig bleich. Aarn steuerte die Nova in eine außerordentlich exzentrische Sternenbahn hinein, die einfach die Oberfläche des Sternes streifen mußte! »Canning«, befahl Aarn eifrig, »gehen Sie hinten in das physikalische Labor, und arbeiten Sie an einigen Routineprüfungen! Prüfen Sie die Induktivität der FünfzigMillihenry-Spule mit der Kapazitätsmeßbrücke! Stellen Sie einen Standard-Synchronmotor auf und einen Generator, und passen Sie auf, was sich ereignet – nehmen Sie Chronometer und elektrolytische Zelle als Normale – benutzen Sie keinerlei Magnete als Normale bei magnetischen Messungen!« Zögernd ging Canning zurück, immer noch ein wenig weiß im Gesicht. Aarns eifrige Augen blieben keinen Moment ruhig. Er hatte jetzt allen Strom abgestellt, und die Nova war ein freifallender Körper: hätte sie keine eigene künstliche Schwereanlage besessen, wäre alles in ihr gewichtlos gewesen. Mit der wachsenden und kolossalen Kraft seiner Schwerkraft zog van Maanens Stern sie an. Langsam sah Aarn sich gezwungen, seine
Lichtschutzverschalung auf der einen, der Sonne am nächsten liegenden Seite des Schiffes auszuwerfen. Das Licht fing an, Streiche zu spielen. Als sie näherkamen, wurde die verdeckte Sonne sehr groß. Nur das Telatoskop blieb unbeeinflußt und verzeichnete die genauen Entfernungen – sie flogen in nur sechshundert Meilen Höhe über die Oberfläche von van Maanens Stern hinweg! Das Schiff bewegte sich jetzt mit einer furchtbaren Geschwindigkeit, die die Entfernung in viel kürzerer Zeit bewältigte, als selbst der schnelle Jupitermensch sich hätte bewegen können. Aber Aarn wußte sehr gut, daß die gigantischen Kräfte jetzt so vollkommen ausgeglichen waren, daß nichts Geringeres als ein kleinerer Planet die Nova aus ihrer sicheren Bahn hätte ablenken können. Als sie unter der Weltraumanspannung dieser enormen Größe einkreisten, eilten Aarns Augen mit wunderbarer Schnelligkeit umher. Sterne, deren Licht durch das enorme Feld abrupt eingezogen wurde, wechselten ihren Platz und erschienen als Beugungsbilder, bis diejenigen sichtbar wurden, die einen Viertelkreis weiter um den seltsamen Stern liefen. Die vertraute Nova schien sich zu beugen und zu winden unter diesen seltsamen Weltraumbedingungen. Die Ecken wurden zu Vertiefungen verbildet, die Schalttafel verdrehte sich in grotesker Weise. Nur das Telatoskop blieb unverändert, da es in einem Weltraum operierte, der dem augenblicklichen noch übergeordnet war. Am Telatoskop erkannte Aarn den wahren Stand der Dinge. Plötzlich hörte er hinter sich einen Schrei, den Canning ausgestoßen hatte – dann ein wildes Gelächter. Man hörte eilige Schritte über die Decks laufen, und Aarn erhob sich
mit einer unglaublich leichten und schnellen Bewegung von seinem Platz. Wie ein Irrer lachend, kam Canning auf ihn zu, in seiner Hand hielt er einen schweren, kupfernen Prüfstab, und vor Lachen konnte man nicht verstehen was er sagte. Aarns Bewegungen waren fast unsichtbar, so schnell waren sie. Der Jupitermensch mit den ungeheuren Muskeln, der sich so schnell bewegte, daß ihm erdgeübte Augen nicht folgen konnten, schlüpfte unter dem fallenden Stab durch und schnappte Canning. Vorsichtig hielt er ihn an Armen und Beinen fest. Mit der Stärke eines Irren schlug Canning um sich, aber der Griff des Jupitermenschen lockerte sich nicht. Aarn schaute ihn unentwegt an und drehte Cannings Gesicht dem seinen zu. »Canning«, rief er, »nun hör aber auf, du Narr!« Etwas in dieser Stimme, die das harte Kommando gab, vielleicht auch ein Etwas in Aarns Gehirn, das von den Meistern der Telepathie auf dem weit entfernten Planeten Myrya geschult worden war, brachte Canning zur Besinnung. Canning schüttelte sich heftig, schluchzte ein- oder zweimal auf und straffte sich, um in Aarns breites, sympathisches Gesicht zu sehen. Aarn lächelte ihn an. »Hat Sie wohl gepackt, Canning? Es sah aber auch ein bißchen merkwürdig aus, was? Welche Resultate haben Sie bekommen?« »Das war es ja gerade – die Resultate – es gab gar keinen Sinn darin – alle Gesetze waren umgestoßen – nicht einmal eine Wheatstonebrücke hielt ein vernünftiges Gleichgewicht. Nichts arbeitete. Die Standardzellen hielten nicht einmal ihre eigene Spannung. Dann schienen die
Wände sich nach innen zu biegen, der Boden hob sich, die Bank wurde zu einem Bogen, und alles fing an, nach oben, auf die Spitze des Bogens zuzugleiten.« »Hm – ich habe selbst auch einige Ablesungen vorgenommen. Ich muß aber erst einmal zu meinen Steuerungen zurück und diese Bahn verlassen.« Aarn kehrte zu seinen Steuerungen zurück, die nun wieder ganz normal arbeiteten, denn die schnelle Nova war weit weggerast, und die Gesetze des normalen Weltraums hatten wieder Gültigkeit. Transpons arbeiteten schwer, als der Strom in das Haupt-Antischweregerät zurückgepumpt wurde, und der Impulswellenantrieb stoppte die Bewegung des Schiffes. Nach einem Augenblick erhob Aarn sich wieder und ging zu den Registrierinstrumenten im Stromraum. Von einem Instrument nach dem anderen hob er die Gehäuse ab und untersuchte die seltsamen Aufzeichnungen. Ein neues Gerät, das er erst kürzlich aufgestellt hatte, war am interessantesten – ein Apparat, der vermittels eines Telatoskopbildes eines glühenden Lichtes registrierte und der daher von den merkwürdigen Feldern unberührt geblieben war. Aarns Augen weiteten sich langsam vor Erstaunen. »Einsteins Gravität – die kosmische Konstante, bei allen Heiligen!« Minutenlang stand Aarn in schweigender Konzentration. Schließlich zuckte er die Schultern und ging zu seinen Steuerungen. »Wir haben noch eine andere Aufgabe zu erfüllen.« Wieder eilten sie auf van Maanens Stern zu; diesmal langsamer und ohne sichtliche Anstrengung und ohne die seltsamen Auswirkungen, die sie zuvor bemerkt hatten, weil jetzt die großen Antischwerespulen diese Wirkungen
abdämpften. Stetig kamen sie näher. Der Lichtschutzschirm war so eingestellt worden, daß nur die kleine Menge Licht, die Aarn zum Sehen brauchte, eindringen konnte. Bösartiges, unerträglich extremes violettes Licht war um sie herum. Hier war die Atmosphäre nicht vakuumnah. Selbst der enorme Lichtdruck dieses unglaublich heißen Sternes konnte die unheimliche Anziehung von zweihundertfünfzigtausend Erdschwerkräften nicht überwinden. Aarn drückte die Nova nieder, fast eine halbe Meile hinunter in den kochenden Kessel einer unerhörten Flamme. Seine Gesichtszüge spannten sich, als er die Instrumente ablas. »Das ist genug für das.« Dröhnende Transpons stimmten ihm zu. Sie speisten die Felder, die enorm intensiven Felder, die allein das metallene Schiff vor der Last der Gase schützten. Aarn ließ seine großen Traktorstrahlen frei. Ein leises Lachen entschlüpfte ihm. »Ich kann den Stoff nicht mal erschüttern – und der Strahl ist halb zerstreut, ehe er nur hundert Meilen weit draußen ist. Ich werde hier nehmen, was ich kriegen kann, und nicht, was ich haben möchte.« Wieder und wieder mußte Aarn es versuchen, bis endlich seine Transpons dröhnten und seine Strahlen sich als Antwort darauf bewegen konnten. Dann begann der grimmige Kampf um das Lösen dieser Materie. Seine Strahlen konnten nur eine Tiefe von zehn Meilen mit Erfolg durchdringen! In den flammenden Riesen Anrel, der millionen- und abermillionenmal aktiver war als dieser winzige Stern, hatten sie fast eine halbe Million Meilen hinabgereicht! Es dauerte drei Stunden, bis Aarn seine Last auf die
Oberfläche des Sternes Bezogen hatte, und dann weit genug von diesem weg, damit er sie prüfen konnte. Er lachte, und Canning starrte ihn erstaunt an. Am Ende der Strahlen, in die Hunderte von Milliarden Pferdekräften hineingesteckt worden waren, hing eine Masse von vielleicht zehn Fuß Durchmesser eine kleine Masse, die kaum so groß war wie ein privates Wellenauto zum Gebrauch auf der Erde. »Ist das alles, was Sie bekommen haben?« Canning schaute verblüfft. »Kommentar überflüssig, bitte«, lachte Aarn. »Lassen Sie uns zunächst einmal untersuchen! Sehen Sie die Farbe?« »Es ist so heiß, daß ich nicht sehen kann, ob es heißer ist als der Stern oder nicht.« »Hm – es ist ziemlich violett – und auch aktiv. Versucht den Strahl zu zerstören!« »Wieviel wiegt alles?« »Viel – das ist alles, was ich bisher sagen kann. Es ist ziemlich konzentriert.« Nach einhundert Millionen Meilen hielt Aarn an, um die Masse zu untersuchen. Die Ablesungen am Gravitometer, gegen seine Zugablesungen abgewogen, brachten schließlich des Rätsels Lösung. Aarn schaute Canning dumm an. »Mein Freund, Sie haben ja keine Ahnung! Das hat einen Radius von zehn Fuß. Das heißt etwa viertausend Kubikfuß, und jeder Kubikfuß von dem Zeug wiegt einfach fünfhundert Tonnen. Ich will sagen natürlich, hat eine Masse von fünfhundert Tonnen. Weil jeder Kubikfuß, auf den die reizende kleine Schwerkraft des Sternchens im
Westentaschenformat eingewirkt hat, einundeinviertel hundert Millionen Tonnen wog. Also war die Gesamtlast, gegen die die Nova an mußte, etwa fünfhundert Milliarden Tonnen. Lächeln Sie nicht höhnisch, mein Bürschchen, über den Brosamen, den wir dem Baby da entrissen haben! Der grimmige Tod hielt niemals mit einer Gravitationsbeschleunigung von acht Millionen Fuß pro Sekunde im Quadrat an.« Aarn schaute seinen »Brosamen« mit erhöhtem Respekt an. »Vielleicht«, gab er zu, »habe ich einen Fehler gemacht, daß ich einen so kompakten Stern vornahm!« Canning starrte auf das blau-heiße Ding, das an den Strahlen hing. »Das wiegt fünfhundert Milliarden Tonnen. Du meine Güte!« sagte er mit verwunderter, halb erstickter Stimme. Das kleine bißchen Materie wog fast soviel wie ein kleinerer Planet! Aarn war beschäftigt. Mit größter Sorgfalt prüfte er das Spektrum. Dabei wuchs sein Mißfallen. »Wie ich vermutete, besteht das Zeug aus etwa fünfzig Prozent Neutronen. Aber ich hatte nicht damit gerechnet, daß jedes Kilogramm Neutronen sechzig Tonnen wiegt. Wir brauchen mehr – ob...« Aarn wurde wieder geschäftig. Mit ihrer enormen Kraft zogen die Traktorstrahlen an dem Ding. Aarn brauchte eine Viertelstunde, um es in eine Sternenbahn einzufügen. Dazu benötigte er die Hilfe einer Anzahl von Antischwerebomben, sowohl um das Gewicht zu reduzieren als auch um es in Form zu halten. Es strahlte jetzt seine Hitze aus; aber die Masse war so groß, daß selbst bei dieser Temperatur Stunden vergehen würden,
bevor der Stoff erstarren konnte. Als die Bahn endlich festgelegt war, kehrte Aarn zu dem Stern zurück und begann in einer Entfernung von einhunderttausend Meilen – auf seinen Antischwerefeldern schwebend – mit neuen Operationen, Anstatt sich in die planetengroße Sonne hineinzuvertiefen, griff er diesmal nur kurz mit seinen Traktorstrahlen zu, nahm einen kleinen Bissen und schleppte verhältnismäßig leicht eine Kugel von zwei Fuß ab. Unter dem Gedröhn der Transponstrahlen der Nova beschleunigte er alles in eine Bahn, die es allmählich nach außen schleuderte, eingehüllt in ein Antischwerefeld. Mehrere Stunden lang ließ er automatische Steuerungen diesen Vorgang wiederholen, während er die herausgeschleuderten Brocken auf anderen Strahlen sammelte und sie seiner Kollektion hinzufügte. Langsam, aber stetig wurde diese zu einer Kugel von weiß-heißer Materie mit einem Durchmesser von hundert Fuß. Dann verließ Aarn den Stern. Die N o v a stöhnte, als sie die gewaltige Last ultrakonzentrierter Materie beschleunigen und sie völlig aus dem Feld des Sternes freiziehen mußte. Mit annehmbarer Schnelligkeit nahm das Feld ab, und in einer Entfernung von fünfhundert Millionen Meilen kreuzte Aarn in Anrels Weltraum hinüber. »Ich wäre nie in der Lage, das Ding da aufwärts in unseren Weltraum zu ziehen«, deutete er an. »Nur weil in Anrels Weltraum Dinge, die in den fünfdimensionalen Pararaum geworfen wurden, natürlicherweise leichter werden, nur deshalb kann ich es schaffen.« Selbst so waren ihre Konstanten genau. Zwei Stunden
später schwebte die Nova mit ihrer schwer gewonnenen Last in eine Bahn bei Magya. Ein Kreuzer stieg von Magya auf, und Spencers Stimme erklang im Radio. »Wo seid ihr denn die ganze letzte Woche gewesen? Wir fingen schon an, uns um euch Sorge zu machen.« »Woche?« wiederholte Aarn. »Ich habe – du meine Güte! Jetzt weiß ich, was es war. Waren wir eine volle Woche weg?« »Sechseinhalb Tage«, erwiderte Spencer. »Was war denn los? Die Resistiumhochöfen sind in Betrieb genommen worden und wir fragten uns, ob ihr untergegangen wärt.« »Nein, wir nicht, wohl aber unsere Zeitmessung. Ich ging wegen meiner Neutronen zu einem Super-SuperSonderstern.« Ein Lichtfinger wies auf Aarns Sammlung. Spencers Stimme antwortete geringschätzig: »Es sieht wahrhaftig nicht so aus, als ob ihr da viel Erfolg gehabt hättet.« Aarn lachte leise. »Nur etwa zehn Quadrillionen Tonnen. Ich war dort, wo die wirkliche Schwerkraft ist – einhunderttausendmal so groß wie die meines Heimatplaneten.« »Einhunderttausendmal Jupiters Schwerkraft? Sag mal, was für eine Art Stern war denn das? Der muß ja eine Milliarde Meilen Durchmesser haben.« »Hat er nicht«, erwiderte Aarn. »Er befindet sich nur wenige Lichtjahre von der Erde entfernt und ist kleiner als diese. Van Maanens Stern. Nun paß auf, ich werde die Last die ich mitgebracht habe, mal freigeben. Kann dein Schiff damit fertig werden?«
»Es kann«, sagte Spencer betont. »Ist ein neuer Schiffstyp, neu hergerichtet, um Materie von Anrel zu holen. Es kann mit allem fertig werden, mit dem die Nova fertig wird.« Aarns gesammelte Materie war endlich abgekühlt. Sie war nun erstarrt, und als Aarn die Kräfte, die er verwendet hatte, abzog, hing sie kalt, dunkel und glänzend da. Sie war stumpf silbern, die Oberfläche mit Reif bedeckt, der von dem geringen Maß an Freiheit, die dem Kristallisierungsprozeß in Aarns Feldern zugestanden worden war, herrührte. Aarn stellte sein Telatoskop auf Spencers Steuerraum ein. Pilot des Schiffes war ein junger Magyaner, Spencer bediente die Strahlsteuerungen. Grinsend beobachtete Aarn, wie Spencer nachlässig einen Strahl bei geringem Strom anstellte. Die Materienmasse, kaum einhundert Fuß im Durchmesser, hätte nach Spencers Meinung unter dem Antrieb dieses Strahles nach vorn springen müssen. Sie bewegte sich nicht einmal. Spencer runzelte die Stirn und gab mehr Strom. Die Masse schien keine Notiz davon zu nehmen. Spencer stellte mehr und immer mehr Strom an, und der einzige sichtbare Effekt war, daß er die Stirn immer mehr runzelte. Aarns Lachen unterbrach ihn. »Lach du nur über meine Ladung! Sie hat etwa vierzig Prozent Neutronen und wiegt fünfhundert Tonnen pro Kubikfuß.« »Ich bitte ergebenst um Entschuldigung, Aarn! Ich glaubte, unsere Hochöfen würden in zwei Stunden damit fertig sein. Sie werden zwei Monate damit zu tun haben.« »Werden sie«, stimmte Aarn zu. »Und Spence – die ersten zwei Monate könntest du dazu benutzen, um mir ein Schiff zu bauen. Du könntest dein Gehirn mal Überstunden machen lassen, um verschiedene Pläne für mein Schiff
auszuprobieren. Ich brauche ein Superschlachtschiff.« »Mit welchem Recht verlangst du ein privates Schlachtschiff in so einer Zeit?« meinte Spencer. Aarn grinste breit. »Ich habe Gründe – gute Gründe. Aber es hat keine große Eile. Ich möchte sowieso noch etwas mehr arbeiten. Du sagst, ich wäre eine Woche weggewesen, und das bedeutet, daß sich da hinten in unserem Weltraum etwas ereignet haben muß. Was?« »Nichts – nur laufen alle die kleinen Nationen auf der Erde wie wild herum. Die großartige alte nationalistische Idee scheint einen schweren Tod zu sterben! Es trifft sich nur gerade so, daß überall auf der Erde alles von einer Reihe magyanischer Ingenieure und Wirtschaftsplaner übernommen worden ist, die einfach nicht begreifen, was eine Nation ist. Wenn die dann sagen: ›Tun Sie dieses oder jenes‹, dann bedeutet das, daß es sich um etwas handelt, was unbedingt getan werden muß, wenn man sich noch danach sehnt, in diesem Tal der Tränen, oder wie du es nennen willst, weiterzuleben. Und logischerweise verlangt man auch von dir, das zu tun. Das Letzte, was sie sich geleistet haben, war etwas, was kein europäischer Staatsmann sich hätte erlauben dürfen. Sie haben die Hälfte aller Bergleute aus Europa weggenommen und sie in allen möglichen Teilen der Erde angesiedelt. Europa ist voll von einer Menge fast wertloser Bergwerke aller Art die in Betrieb gehalten wurden, damit jedes kleine Ländchen mit einer Stahlmauer umgeben werden kann. Die Magyaner haben Europas Weizenanbau in weitem Maße stillgelegt, eine ganze Anzahl von Fabriken in Europa herausgerissen und nach amerikanischem Muster wiederaufgebaut und die Hälfte
der chinesischen Bevölkerung hier auf Tharnt angesiedelt. Sie haben da eine Kolonie eingerichtet – nebenbei: unterirdisch – und lassen die Chinesen an Dingen arbeiten, die Kulis verstehen können. Bis Magya mit der alten Erde fertig ist, haben sie die einzelnen Nationen so durcheinandergemischt, daß sie sich nicht mehr bekämpfen können, weil ein großer Teil eines jeden Volkes in einem anderen Land sitzt. Den größten Teil der Facharbeiter haben sie in Amerika, England und Deutschland eingesetzt; die Chemiker sind zur Hälfte in Amerika, zur Hälfte in Deutschland beschäftigt; in Australien siedeln sie eiligst Farmer aus allen Teilen der Welt an. Ehe ein Volk einem Plan auch nur zustimmen kann, ist er schon durchgeführt worden. Diese Magyaner haben Tempo!« Aarn schrie plötzlich vor Lachen. »Das kann ich mir vorstellen! Was müssen die Diplomaten nur für Zeiten durchmachen mit den magyanischen Produktionsingenieu ren!« »Du erfaßt die Lage nicht, lieber Freund – du siehst die Hauptsache nicht. Die magyanischen Produktionsingenieure haben aber auch nicht das geringste mit den Diplomaten zu tun. Zusammen mit den Erdgeologen, Ingenieuren und Produktionsfachleuten arbeiten sie alles aus. Sie benutzen ihre großen Frachter, um das Material zu verteilen, und fliegen derart hoch und landen so fix und formlos, daß die Zollverwaltungen ihre Bemühungen als zwecklos aufgegeben haben. Die verschiedenen Regierungen sind nun dabei, die Zölle ›für die Dauer des Notstandes‹ aufzuheben.« »Ach, welch ein Segen«, seufzte Aarn. »Und was tut
sich auf Mars und Venus und Jupiter?« »Nicht viel. Eine ganze Anzahl Erdbewohner sind in einige der Bergwerke auf Mars und Venus geschickt worden. Bessere Maschinerie soll auf dem Jupiter installiert werden. Das wird aber erschwert durch die Tatsache, daß nur solche hirnlose Gorillas wie du die hohe Schwere dort auf die Dauer ertragen können. Sie erforschen die Planeten mit dem Telatoskop.« »Na – was suchen sie denn? Welche Elemente? Wo bekommen sie das Eisen her?« »Darüber habe ich auch schon nachgedacht, Aarn. Eisen und einiges andere – kommt alles von den Sonnen – Anrel und Sol. Sie suchen nach Chrom, Wolfram, Platin.« »Sollten es mit van Maanens Stern versuchen. Der ist wahrscheinlich geladen mit schweren Elementen. Sie wissen schon, wie sie dorthin kommen können. Carlisle, ich hätte gern, daß Sie mir helfen. Ich werde Ihnen einige Informationen geben, und dann können Sie allein weitermachen. Ich habe noch einige persönliche Arbeiten durchzuführen.«
6
Der Plan sieht ja ganz nett aus«, sagte Carlisle und betrachtete die Zeichnungen, an denen Aarn und Spencer arbeiteten, »aber für eine fertige Zeichnung sind da noch eine Menge leerer Stellen.« »Erstens einmal sind sie nur halb fertig«, sagte Aarn, »und dann warte ich auf Ihren Bericht. Zum zweiten lassen wir Platz frei für Verbesserungen, könnte man sagen.« »Könnte man«, stimmte Carlisle gedankenvoll zu.
»Nach den Zahlen da sollte man annehmen, daß das Teufelsding eine Meile lang wäre. Bis jetzt sind davon drei Viertel gezeichnet. Da bleibt noch genug Platz ›für Verbesserungen‹, man könnte noch einen Gebäudeblock einer Stadt eintragen. Welcher Art sollen die Verbesserungen sein?« »Dieser leere Raum ist nicht zusammengefaßt, wie Ihre Analyse annimmt. Er ist verstreut. Ein gut Teil davon befindet sich in dem Gebiet, das Telatoskopapparaturen, Waffen- und Schirmräume enthält, und ein Teil ist hier, dort und überall. Sie können feststellen, daß ich überall Aggregatspulenbänke im ganzen Schiff angebracht habe, dazu mehrere Dutzend Materieenergieanlagen en miniature – nebenbei bemerkt, ist jede einzelne ein bißchen größer als die Originalanlage auf der Nova – und auch fünf getrennte Steuerzentralen.« Aarn machte eine Pause. »Ich möchte nicht vom Thema abkommen – aber sind Sie gekommen, um Bericht zu erstatten?« »Welchen Zwecken soll der übrige Raum dienen?« »Apparate, die ich noch plane und an denen ich für die nächste Zukunft auch arbeiten werde. Ich habe die Ehre, Ihnen mitzuteilen, daß ich während der letzten drei Wochen meinen Kopf an der härtesten Steinwand im Universum angeschlagen habe – in allen Universen, um es genau zu sagen – und versucht habe, das anscheinend Unlösbare zu lösen. Waren die letzten Zahlen, die ich Ihnen gab, Ihnen nützlich?« »Hm – hier ist etwas Neues. Versuchen Sie es!« Carlisle übergab Aarn eine eigenartige Dose aus Bakelit, auf der eine Reihe Spulen montiert waren. Der Deckel konnte geöffnet werden, und als er es tat, sah Aarn ein Stück roh
geformter, gezackter Metallplatten. Das Metall war von herrlicher saphirblauer Farbe; man konnte es für Glas halten, hätte es nicht den seltsamen, typisch metallischen Glanz und Schimmer gehabt und wäre es nicht undurchsichtig gewesen. »Ich gebe zu, daß es hübsch ist«, sagte Aarn feierlich. »Schmeckt es gut?« »Hm – habe ich noch nicht versucht, ich könnte mir aber denken, daß es ein wenig schwer im Magen liegt. Auch ein bißchen unverdaulich. Ich wollte es in einem kleinen Gepäckwagen hierherbringen, aber Marth Lano hat dieses kleine Gehäuse dafür entworfen. Heben Sie das Zeug mal hoch!« Aarn griff in den Kasten und berührte die seltsam verdrehte Spannung eines Antischwerefeldes, die seine Hand abstieß. »Wie kann ich das? Wie stellt man dieses Feld ab?« »Stellen Sie den Kasten erst einmal hin! Sie mögen zwar ein Kerl mit animalischen Kräften sein, jedoch kein menschlicher Ladebaum. Das da sind etwa fünfundvierzig Kubikzoll Zeug.« Aarn setzte den Kasten auf die Bank und stellte dann das Antischwerefeld ab. Die solide Metallbank krachte heftig. »Klingt schwer«, bemerkte er. Er konnte nun leicht hineingreifen und versuchen, seine Finger unter das Stück Metall zu zwängen. Er drückte heftiger. Mit der gewaltigen Kraft seiner beiden Hände konnte er es endlich ein wenig hochheben, beide Hände unterschieben und es auf die Bank neben dem Kasten legen. Selbst seine Riesenarme mußten sich unter dem Gewicht dieses anscheinend so unbedeutenden kleinen Stückes gewaltig anstrengen. Aarn
grunzte anerkennend. »Es ist schwer, Carlisle.« »Ich könnte antworten, daß Sie mehr Kraft haben, als ich dachte«, grinste sein Freund bewundernd. »Bei dem Angriffswinkel – es wiegt ein bißchen unter einer halben Tonne! Dichte etwa Siebenhundertsechzig. Es gibt noch keine Instrumente, die das messen könnten. Aber Ihre Theorien waren goldrichtig. Es machte genau das, was Sie voraussagten.« »Was ist es denn?« fragte Spencer und sah es mit großem Interesse an. »Irgendein neues Ultraelement?« »Resistium ist der Wasserstoff der Ultraelemente. Der Kern aus Protonen, Elektronen und Negatronen mit einem Hüllenproton. Ich schlug Carlisle, unserem Chemiker und Metallurgen, vor, er sollte seine Metallurgie an einigen Ultraelementen versuchen und sehen, was dabei herauskäme. Was taten Sie?« »Ich versuchte Ultrahelium, und das verdammte Zeug war tatsächlich gasartig!« rief Carlisle aus. »Es benahm sich wie ein Gas, jedenfalls, aber was für ein Gas! Dichte mehrere Male die des Platins – und gasartig! Ich versuchte Ultralithium und so weiter, bis ich schließlich etwas Ultraberyllium herstellte. Ich nehme an, so würde man es nennen. Immerhin, es wurde mit vier Hüllenprotonen gemacht. Feines, stabiles, starkes Zeug. Meine Resistiumwerkzeuge versagten. Ich versuchte dann, höher zu gehen. Sie haben von unserer Explosion gehört? Das war Ultrasauerstoff. Diese verdammten Ultraelemente sind keineswegs leblos, wenn auch ihre Reaktionen eigenartig sind. Durch Zufall bekam ich Ultrawasser, weil ich dummerweise Resistiumkammern benützte, um das Zeug herzustellen. Komisch – das Zeug ist eine Flüssigkeit mit
einer annehmbar niedrigen Temperatur – um dreitausend Grad Celsius herum. Ich kann es kaum erwarten, damit zu arbeiten. Weil ich aber mein wissenschaftliches Interesse praktischen Erwägungen opfere, versuchte ich einiges andere. Da ich an mein Pech mit dem Sauerstoff dachte, habe ich nicht erst versucht, mit Ultrafluor herumzuspielen, weil das Ultrahelium gasartig war. Dafür konnte ich keine Kammer machen. Die Entwicklungsarbeiten habe ich weggelassen und kam bis zum Ultramagnesium. Das ist der Erfolg: Das verdammte Zeug wurde schwieriger und schwieriger zu bearbeiten – und schwerer und schwerer. Magnesium besitzt zwölf Hüllenelektronen – dieses hier hat zwölf Hüllenprotonen, und das bedeutet ein Atomgewicht von ungefähr vierundzwanzigtausend. Leicht schwankend. Ich gab es auf. Keines dieser Dinger hatte wesentlich günstigere Eigenschaften als das Resistium, wenn auch Ultraberyllium etwas besser war und nicht unmöglich schwer in seiner Herstellung. Dann versuchte ich es mit einer Verbindung. Ich hatte Resistium, Ultrawasserstoff, Ultralithium und Ultraberyllium. Aarn, da gibt es etwas, an das Sie nie gedacht haben. Wo liegt der Schmelzpunkt für reines Glyzerin?« »Meinen Sie das Eutektikum? Ich kenne das Paradoxon – Glyzerin, rein, schmilzt bei zweiundsechzig Grad über Null Fahrenheit, und Wasser bei zweiunddreißig Grad plus, doch wird es als Frostschutzlösung in den Laboratorien verwendet, weil die Mischung bei achtunddreißig Grad unter Null gefriert. Eutektische Mischungen haben immer einen tieferen Gefrierpunkt als irgendeine ihrer
Komponenten.« »Ah – nicht immer. Natrium und Kalium, bei Raumtemperatur keine Flüssigkeiten, bilden eine eutek tische Mischung, die flüssig ist. Ähnlich Ultrawasserstoff, Schmelzpunkt fünfundzwanzigtausend Grad Celsius, Ultra lithium, Schmelzpunkt neunundzwanzigtausend und Ultra beryllium, das bei plus vierundvierzigtausend Grad schmilzt – sie bilden eine wunderschöne, saphirblaue eutektische Mischung, die bei plus Vierundsiebzigtausend schmilzt. Negative eutektische Mischung.« Aarn pfiff leise vor sich hin. »Wie reizend! Wie, zum Teufel, konnten Sie das verschmelzen?« Carlisle lachte. »Ich fordere Anerkennung für eine neue Überraschung – sie werden diese sehr schnell bei einer Reihe von Hochöfen anbringen. Ich habe mir ein Stück aus dem Herzen Anrels in mein Telatoskop geholt, und dieses Durium – so nannte ich die Verbindung – schmolz wie Wasser.« »Das stimmt«, sagte Spencer. »Aarn will das Telatoskop, an dem wir arbeiten, für ähnliche Zwecke verwenden. Zeig's Ihnen später! Weiter.« »Na, das wäre so ziemlich alles. Abgesehen davon, daß ich feststellte, daß ich es zur Erreichung größerer Härte mit Wärme behandeln konnte. Elastizitätsmodul etwa acht Millionen. Die Hitzebehandlung erfolgt jedoch bei einer Temperatur von nur vierundsechzigtausend. Ich glaube nicht, daß jemand diesen Härtegrad angreifen kann.« »Ich würde gern ein wirklich hartes Ultrametall machen« seufzte Aarn. »Eisen oder Wolfram.« »Das würde hart genug sein«, gab Carlisle sauer zu, »es herzustellen. Es würde Ihnen ins Gesicht explodieren.« »Wahrscheinlich«, lächelte Aarn. »Sie sagen, das
Ultramagnesium war radioaktiv?« »Ja – und es gab Positronen ab!« »Da müssen Sie eine Menge Neutronen darin gehabt haben. Man kann sie natürlich nicht aus einem künstlichen Metall ausschalten – man braucht sie. Man könnte es später aber mal versuchen. Welche anderen Eigenschaften hat dieses Zeug? Können Sie es herstellen?« »Es ist nicht wesentlich schwerer herzustellen als Resistium und es reagiert eigentümlich auf elektrische Ströme. Es – es scheint sie abzulenken. Deshalb hätte ich gern, daß Sie damit arbeiten.« »Hm – interessant. Werde ich machen«, stimmte Aarn zu. »In der Zwischenzeit sind hier die Daten, auf die wir gewartet haben. Mit Spencers Hilfe werde ich noch einige Prüfungen hiermit vornehmen. Veranlassen Sie die Magyaner, hier mit der Herstellung anzufangen, und morgen sollen sie einen Flug auf die Erde unternehmen und einige Datenbogen zur Überarbeitung für die Schwermetallorganisation machen.« Für den Rest des Tages überprüften der Physiker und der Ingenieur die Eigenschaften des Metalls vom maschinenbaulichen Standpunkt aus und im Hinblick auf das neue Schlachtschiff. Dann nahm Aarn es in Beschlag, während Spencer Zahlen über das Schiff ausarbeitete, um Berechnungen und Beobachtungen zu machen, die sich auf die Interferenz bezogen, die im Mechanismus des Schiffes verursacht werden könnte. Das Durium beeinträchtige den Stahlexplosionsstrahl, der die molekularen Bande zwischen den Stahlkristallen löste und das Metall bei einem Druck von Tausenden von Atmosphären in Gas verwandelte, und auch einige andere Waffen in dem Resistiumrumpf der
Nova. Wenn das Durium so unterschiedlich wirkte, mußte man Abänderungen treffen. Durium reagierte auf die meisten Kräfte günstig – es konnte fast überall das Resistium ersetzen. Aber – elektrischer Strom verursachte eigenartige Erscheinungen. Legte man an beide Seiten einer Platte eine elektrische Spannung floß über die Zuführungen kein Strom. Er floß nicht gradlinig. In einer dünnen Platte drehte er sich um neunzig Grad, in einer dickeren Platte um einen entsprechend größeren Winkel, und je nach Stärke und Frequenz des Stromes war es möglich, auf einem einzelnen Draht etwas wie einen Kurzschluß zu haben! Aarn setzte sich sofort ernsthaft an die Arbeit. Er glühte die Platte aus und arbeitete mit der Hitzequelle von Anrels flammendem Herzen, die er durch das Telatoskopbild erhielt. Die charakteristischen Eigenschaften waren vollkommen verändert. Nach Carlisles Methoden behandelte er sie auf verschiedene Art mit Wärme. Er goß sie in eine hauchdünne Platte und versuchte schließlich, sie herauszunehmen, mußte dabei aber entdecken, daß sie wie ein Stück frischen und aktiven Gummis reagierte. Sie dehnte sich bis zur elastischen Grenze und sprang mit dem Ton eines auf einen Amboß aufschlagenden schweren Hammers sofort zurück. Dehnte man sie noch weiter, änderte sie ihre Form nicht. Sie brach. Sie konnte weder geschmiedet noch gewalzt, noch gezogen werden, wenn sie einmal mit Hitze behandelt worden war. Wenn sie ausgeglüht war, konnte man sie bearbeiten. Endlich schien Aarn befriedigt und wandte sich wieder seinen Berechnungen zu, an denen er gearbeitet hatte. Am nächsten Tag kehrten die drei in der Nova in das
Sonnensystem zurück. Anto Rayl war jetzt dort und hatte Besprechungen mit den Festungsbauingenieuren und den Beamten der Schwermetallgesellschaft. Aarn setzte Spencer, Canning und Carlisle auf der Erde ab und verließ sie mit der N o v a , ohne sein Ziel bekanntzugeben. Innerhalb einer Woche nach dem ersten Angriff waren in allen Observatorien der Erde mächtige Telatoskope aufgestellt worden. Man hatte das getan damit die Astronomen, die sich am besten auf eine systematische Untersuchung des Universums verstanden und die kleinen Zeichen erkennen konnten, die ein planetarisches System andeuteten, nach der Heimat der Centaurenrasse forschten. Sie versuchten es, aber sie waren nur Menschen. Ihr Leben lang hatten diese Männer mit ihren Teleskopen gearbeitet und immer wieder aufs neue gehofft, das Dunkel, das die Sterne umgab, zu erhellen. Sie hatten versucht, ein letztes Lichtphoton zu erhalten, das das Spektrum dieses oder jenes Sternes ein wenig klarer machen würde, so daß sie wenigstens annähernd erfahren könnten, wo, wie und was der Stern war und wie er sich bewegte. Das optische Bild der Sterne bedeutete ihnen so wenig, es war so unzureichend, daß sie durch teuer errungene Erfahrungen und mit Hilfe einer großartigen Mathematik ihre Erkenntnisse zu erweitern suchten. Das war so seit den Zeiten, als Galilei zum erstenmal sein winziges Teleskop auf den Jupiter eingestellt hatte – und so lernten sie es, die Geschichte eines Sternes aus dem Spektrogramm abzulesen. Ehe man das Telatoskop erfand, hatten sie, wie es schien, jegliche Information aus dem
Spektrum herausgepreßt. Vor dem Jahre 1950 waren sie in der Lage gewesen, zu sagen, wie groß der Stern war, wie heiß, wie weit entfernt; sie kannten die Richtung seiner Bewegung, die Schnelle seiner Umdrehung, seine Form, seine Dichte, ob er einen Begleiter hatte oder nicht, und tausend andere Dinge mehr – sie wußten das nicht durch das Bild des Sternes, sondern erfuhren diese Einzelheiten aus seinem Spektrum. Diesen Männern, die aus grimmer Notwendigkeit und aus dem nagenden Hunger nach Wissen all diese Informationen aus den schwachen, verworrenen Linien auf ihren Platten gepreßt hatten – gab man nun Telatoskope. Sterne, die großen, unglaublichen Superriesen, blauweiß und mit unfaßbaren Energien, wurden vollkommene Arbeitsmodelle in ihren Laboratorien. Mit absoluter Leichtigkeit konnte man sie mit dem Mikroskop, mit dem Hochauflösungsspektroskop, mit Kamera und Lineal nach Wunsch und Willen untersuchen. Kleine, unglaublich dichte Sterne, wie brennende Kohle so rot, hunderttausendmal dichter als Platin, geheimnisvoll und in ihrer Undeutlichkeit ungesehen – diese Sterne lagen auf ihren Laboratoriumstischen. Das Herz selbst und der innerste Kern der Sonnen des Weltraums lag offen für ihre Instrumente da. Jeder Stern des Universums war bereit, untersucht zu werden. – Sie erblickten den seltsam geheimnisvollen inneren Aufbau der Cepheidvariabeln und sahen, wie der Heizer des Kosmos in regelmäßigen Abständen sie fütterte, die großen unregelmäßigen Variabeln wie etwa Mira, mit dreihundert Millionen Meilen Durchmesser und dünn wie das seltenste Vakuum, das der Mensch je erzeugt hat.
Sie untersuchten die Sterne der Himmel, um die Sonne zu finden, die die Rasse der Centauren erwärmte. Zweifellos hatten sie den Willen, gerecht zu sein und ihrer Pflicht zu genügen; aber solchen Männern bedeutet das Wissen im Abstrakten mehr als das ihnen abwegige Ding, das als Tod durch kosmische Strahlen und Auflösung in einer starken Energieflamme bekannt ist. So untersuchten sie das Universum und dehnten ihre Arbeit immer weiter aus; sie gingen vorsichtig zu Werke und benutzten all ihren Verstand und ihr Gefühl. Und weil es nicht im Bereich der Vernunft liegt, daß eine Sonne der Spektralklasse M-5 und der absoluten Größe plus Zehn ein planetarisches System erwärmen konnte, und weil es ein sehr trüber, roter Stern, noch dazu ein ganz uninteressanter war, wurde der Stern, der der feindlichen Rasse als Malc bekannt war, nicht beschrieben oder untersucht. Sie sahen weder das seltsame planetarische System noch die Doppelwelten Sor-osk und Al-osk. Und sahen nicht die großen Arbeiten, die dort vorgenommen wurden.
7
Sie erschienen, sie wurden einfach im Weltraum, wo vorher nichts gewesen war. Wie Lichter, die in schneller Folge lebendig werden, tauchten drei riesige Schlachtschiffe auf, dann nach einer Pause einundzwanzig gigantische grausilberne Formen, grimmig, unheimlich ruhig. Um sie herum entstanden einhundertvierundsiebzig Schwere Kreuzer, dann zweihundertdreiundzwanzig Leichte Kreuzer und eintausend Zerstörer. In vollkommenen Formationen fegten sie unverzüglich
auf das Sonnensystem zu. Die sieben fertiggestellten Schlachtschiffe stiegen von der Erde auf, und die magyanische Flotte sammelte sich eilig, als sie durch den Weltraum jagte, um an der Verteidigung teilzunehmen. Die Schlacht, die die Wiedererstellung eines Stützpunktes im Sonnensystem verhindern sollte, würde nun beginnen. Die Flotte der Centauren flog auf den Neptun zu. Sie konnten nicht hoffen, Pluto als Stützpunkt zu benutzen, denn der große Planet glühte noch immer leicht rot von der Wirkung der Energien, in die er zwei lange Minuten hindurch getaucht worden war. Neptun und sein Mond waren ihr Ziel. Schneller als das Licht drängten sie auf ihn zu. Die menschlichen Flotten jagten auf, ihnen entgegen. In der Größe der Flotten bestand keine sehr große Ungleichheit. Magya besaß rund fünfzig riesige Schlachtschiffe, die Erde bis jetzt sieben. Das Schlachtschiff ist die absolute Grundlage jeglicher Kriegführung; nur das Schlachtschiff kann die Angriffe aller anderen Schiffstypen zerschlagen. Die vereinigte Flotte verfügte über annähernd fünfzig Schlachtschiffe. Fünf blieben als Verteidigung der Nachschublinien auf der Erde zurück, fünf lagen auf Magya bereit für den unwahrscheinlichen Fall, daß der Angriff auf irgendeine Art Magya selbst erreichen würde. Und doch – die Centauren waren der menschlichen Flotte in bezug auf die Division der Schweren Kreuzer weit überlegen. Zehn Schwere Kreuzer können ihrerseits sogar ein Schlachtschiff erledigen. Eineinhalb Millionen Meilen von Neptun entfernt warteten die Flotten. Zuerst gingen die Zerstörer vor, um den Feind zu erkunden. Jede Flotte verbarg sorgfältig ihre
neuen Erfindungen, es sei denn, der Feind kannte sie schon. Aber – die Centauren waren über alle Erdwaffen orientiert. In weniger als dreißig Sekunden zogen sich die Centaurenzerstörer zurück, soweit sie noch beweglich waren. Grüne Kugeln von tödlicher Kraft nagten langsam, zermürbend an den zersprungenen Rümpfen der anderen. Hier und da war ein Schirm unter der neutralisierenden Wirkung der Strahlen leck geworden und eine zersetzende Atombombe eingedrungen, die das Schiff in einer mächtigen Flamme verzehrte. Zornig schossen die Leichten Kreuzer vor, um den Zerstörern der menschlichen Flotte den Weg zu versperren. Zu Tode getroffen, flohen sie vor den glühenden, bösartigen grünen Kugeln aus übersättigtem Raum, die aneinanderstießen und die Kreuzer zur Reglosigkeit verankerten. Hilflos gefangen, sandten sie große Energiestrahlen aus – und mußten sehen, wie die kleinsten Kreuzer, die von Aarns so unendlich besseren Schutzschirmen geschützt wurden, zwar glühten, aber doch davonkamen. Die bösartigen Hitzestrahlen, die unsichtbar waren, berührten sie nicht. Ungeheure Transpons erloschen im selbstverursachten Kurzschluß. Hier und da glühte ein Zerstörer rot auf und zerbarst in flammender Weißglut. Die Centauren verschwendeten keine Zeit mehr. Langsam rumpelten die großen Schlachtschiffe an. Jetzt gab es keine schnelle, zupackende Bewegung mehr, trotz des Antriebssystems waren sie zu groß, um wendig zu sein. Als die beiden Schlachtschiffflotten, durch die Schweren Kreuzer verstärkt, zum Angriff übergingen, zogen sich die Zerstörer hastig zurück. Im weiten Umkreis versuchten die
Zerstörer, die leichten Schiffe des Feindes zu erreichen, die jetzt hinter der Kampflinie hin und her schossen. Aarn war nicht da. Niemand wußte, wohin er gegangen, noch warum er gegangen war noch wann er zurückkehren würde. Spencer und Carlisle, die – seit die Nova verschwunden war – hilflos den erdverbundenen Befehlen des Kommandostabes verpflichtet waren, schauten von der Erde aus der Schlacht durch ihre Telatoskope zu. »Sie verwenden ihre Gammabomben noch nicht«, bemerkte Carlisle. »Sie fürchten sich davor – wenn sie in Schlacht formation kämpfen, können sie sie nicht anwenden.« Anto Rayl war bei ihnen – er hatte seinen Platz auf der Sarn Magya aus diesem Grund aufgegeben. Jetzt lächelte er. »Das ist alles in Ordnung. Wir werden sie bald anwenden.« Noch während er sprach, verbreitete sich eine schwache Glut in dem Teil des Raumes, in dem die Schlacht stattfand. Eine leichte Schattierung des Dampfes, der von den gesprengten Schiffen aufstieg, bewies die Ionisierung. Gamma – tödliche, schreckliche, durchdringende Gammastrahlen – die aus verzögerten Explosionsatom bomben frei wurden. Grimmig verharrten die Schlachtschiffe der Centauren auf ihrem Posten, als die leichten Schiffe und selbst die Kreuzer die Flucht ergriffen. »Die Panzerung der Schlachtschiffe ist stabil genug, um selbst das zu überstehen.« Spencer machte eine Pause. »Ich wüßte gern, was sie noch für Überraschungen haben.« »Haben sie denn welche?« fragte Carlisle. »Sie müssen welche haben – oder sie wären nicht sofort
zurückgekommen. Ah – der Bursche da hat eins zuviel abbekommen.« Ein großes Centaurenschlachtschiff versuchte plötzlich mit aller Macht, den großen, zupackenden grünen Feldern zu entkommen. Die schwärmten jetzt eilig umher, dehnten sich aus, setzten sich fest, verzehrten das, was sie packten. Ein halbes Dutzend kleiner Schiffe flog von der Seite der größeren auf und zog sich mit Gedankenschnelle auf nahe liegende Schiffe zurück. Die anderen – wie Motten im Griff eines Titanen – verschwanden, als ob sie keinerlei Schutz hätten, als die unfaßbaren Transpons der kämpfenden Schlachtschiffe sie für den Bruchteil einer Sekunde trafen. Plötzlich regte sich Spencer. Er setzte sich an ein zweites Telatoskop, dessen Konstanten er vorsichtig einstellte. Die wirbelnde Dämmerung auf dem Schirm klärte sich. Sie befanden sich im Herzen eines riesigen Schlachtschiffes – im Steuerungsraum. Spencer betätigte eine Kontrollvorrichtung, die die Szene auf dem Schiff automatisch eingestellt ließ. Einige Dutzend Centauren waren dort und arbeiteten aufmerksam und emsig an ihren Instrumenten. Man hörte das stetige Summen leiser Stimmen, vom Schlachtschiff selbst jedoch nur ein leises Dröhnen. Spencer konnte ihre Worte nicht verstehen, aber er lächelte leicht. »Unsere Philologen beginnen ihre Sprache zu entziffern, habe ich gehört – mit Hilfe der Platten, die sie das letztemal zu fassen bekamen. Ich wüßte gern, was sie sagen.« Aber das war nicht der Grund weshalb er sich an sein Gerät gesetzt hatte. Er lächelte grimmig, als er plötzlich einen Blick in ihren Maschinenraum werfen konnte. Ein Dutzend Centauren bemühte sich, in die automatischen
Ausgleichsstromkreise eine neue Röhre einzusetzen. Es gab drei Stromkreise gleicher Art, die sich automatisch umschalteten, wenn einer davon versagte. Spencer betrachtete eingehend die Konstruktion ihrer Röhren. Er pfiff leise. »Sie verwenden nicht so hitzebeständiges Material – das ist ein Nickel-Chrom-Heizdraht, den sie da haben. Sie täten besser dran, Molybdän zu benutzen.« »Haben vielleicht keins«, meinte Carlisle. »Schau mal, ob sie sonst was Neues haben!« »Wie kann ich denn – ich weiß ja nicht mal Bescheid wenn ich das alte Zeug sehe! Sie machen die Apparate anders. Selbst wenn sie die gleiche Wirkung haben, sieht es unseren Dingern vielleicht gar nicht ähnlich.« Dabei sprang er eilig von einem Teil seines Gerätes zum anderen. Auf der einen Seite erschien plötzlich ein großes und grünes Ding, das Bild verkrümmte sich mächtig, schien auf eine Seite zu entweichen und ganz in Grün getaucht zu sein. Spencer pfiff leise. »Das übersättigte Feld bringt sogar das zum Stillstand!« Sekundenschnell suchte er ein anderes Schiff. Draußen konnten sie sehen, wie das Grün sich über die Oberfläche ausbreitete. Ein kurzer Blick zeigte ihnen, daß die Centauren in geordneter Formation zu entfliehen versuchten. Dann – wurden alle die winzigen fliehenden Schiffe zu weißglühendem Gas. Von den schweifenden Transpons oder Ultras gefangen, verschwanden sie. Spencer schaute ins Herz eines Schiffes, und seine Augen waren ungeheuer gespannt. Eine Gruppe Centauren war angstvoll um einen Apparat versammelt und beobachtete ihn. Röhren, gigantische Dinger von zehn Fuß Länge, wurden langsam warm. Selbst in der Luft war eine
Spannung zu spüren. Spencer sprach voller Erregung. »Es ist – wie ein Antriebsapparat – der übliche Antrieb, aber mit kinetischem und Impulsantrieb verbunden und – ich kann den Impuls – nicht sehen – es ist doch ein Projektor!« Eine scharfe Stimme war zu hören. Ein Ingenieur warf einen Öldruckschalter ein. Ungeheure Transpons flammten auf, und der Apparat schien sich zu spannen, selbst das Telatoskopbild krümmte sich leicht, als die enormen Spannungen zu einem plötzlichen Höhepunkt kamen. Dann fiel ein automatischer Öldruckschalter ab – und die Spannung hörte auf. Zur gleichen Zeit schrie Anto Rayl, der den anderen Schirm betrachtete, entsetzt auf. Die gigantische Sarn Magya explodierte plötzlich sekundenschnell und wurde zu ultramikroskopischem Staub, die unerhörte Stärke ihres Rumpfes zerbarst im Bruchteil einer Sekunde. »Mein Schiff...«, keuchte Anto Rayl leise. »Mein Gott!« Spencer wurde lebendig. Er griff zum Telefon, und seine dringenden, gebieterischen Forderungen, vielleicht auch sein Name brachten es fertig, eine Verbindung mit dem Vereinigten Kommando herzustellen. Spencer tobte am Telefon: »Es bedeutet Selbstmord, jetzt zu kämpfen – sie können nicht das geringste ausrichten – sie sind völlig hilflos – es ist kinetische Energie ohne Impuls! Kinetik ohne Impuls – es gibt nichts, was dem Widerstand leisten könnte!« Anto Rayl hatte die Sterne im Telatoskop. Spencer sah, daß man dieses Bild auch im Hauptquartier einschaltete, und er verließ das Telefon. »Das ist Unsinn – kinetische Energie – ohne Impuls!« keuchte ein Kommandant auf Venus. »Beide setzen sich zusammen aus Masse und
Geschwindigkeit!« Verschiedene Magyaner waren anwesend. Nun nahm Martal Harnat den Platz des Venuskommandanten ein, Martal Harnat, der Kommandant beider Flotten. »Warum sagen Sie, daß das unmöglich ist? Mir klingt das falsch«, sagte er. Spencer erwiderte schnell: »Masse – Geschwindigkeit sind beide enthalten – aber Impuls verlangt den ersten Vektor – MV –, und kinetische Energie verlangt den zweiten Vektor – 1/2 MV2 . Impuls ist also vektoriell – kinetische Energie als skalares Produkt nicht! Sehen Sie denn nicht ein, das System gewinnt Energie, aber keinen Impuls. Folglich muß das System auseinanderfliegen, um dem Impulssatz zu genügen und das Quadrat der Geschwindigkeit zu erhöhen – die kinetische Energie zu erhöhen! Die Teile enthalten mehr kinetische Energie – aber das System hat keinen größeren Impuls! Das ist die einzige Möglichkeit, der Lage gerecht zu werden – erhöhte kinetische Energie – keinen Impuls.« »Was können wir denn tun? Sie haben zwei weitere Schiffe vernichtet...« »Es ist zu schnell – zu tödlich –, lassen Sie sie tun, was sie wollen – wir müssen ihnen den Neptunstützpunkt abtreten.« »Aber so sagen Sie, was können wir denn machen? Warum nur den Neptun? Warum können sie nicht bis zur Erde selbst weitergehen – diese Strahlen auf die Erde lenken?« Spencer schnaubte. »Sie haben nicht genug Strom, um den Planeten auch nur im geringsten zu stören. Sie könnten nicht mal den Staub aufwirbeln. Die Energie muß über die
ganze angegriffene Masse verteilt werden, und die verdammte Flotte könnte uns nichts anhaben.« Der Befehl ging hinaus. Schneller als das Licht zog die Flotte sich aus der unmöglichen Schlacht zurück. Innerhalb von Sekunden hatten die Centauren Mars umringt, den Neptun am nächsten liegenden Planeten, die anderen Planeten waren auf der entgegengesetzten Seite des Systems. »Wo steckt denn nur Aarn?« fragte Carlisle leise, als Spencer die Szene im Telatoskop abschaltete. »Persönlich würde ich es als Erleichterung empfinden, wenn er in dieser Lage bei uns wäre.« »Hm – ich auch«, sagte Spencer und beschäftigte sich weiter mit dem Telatoskop. Triumphierend, ohne auf Gegenwehr zu stoßen, ließ sich die Centaurenflotte auf Neptun nieder. Wie Spencer wohl bemerkt hatte, hatten sie nicht die Absicht, die Erde sofort anzugreifen. Schon hatten sich Hunderte von Schlachtschiffen auf dem Parssalplateau, weitere hundert in dem Harmanbassin niedergelassen. Schon arbeiteten Maschinen und Centauren, um einen Stützpunkt zu schaffen. Mit zornigen, funkelnden Augen schaute Spencer zu. Es gab nichts, was er dagegen hätte unternehmen können. Und doch drehte er an seinem Telatoskop, bis er wieder den seltsamen Teil des Apparates sah, den er früher schon erblickt hatte. Er schaute ihn eine Zeitlang kritisch an und seufzte schließlich leise. »Wahrscheinlich könnte ich so ein Ding auch machen, selbst ohne Aarns Mathematik, aber ich brauche einige Mathematiker der Systeme, die mir helfen müßten. Dann könnten wir ihn verdoppeln, aber...« »Sie sind schon dabei«, unterbrach ihn Anto Rayl. Er
schaute in ein anderes Telatoskop und beobachtete verschiedene Dutzend Männer, die sorgfältig in einem Raum voller Telatoskope arbeiteten. »Sie haben einen ganzen Stab von Ingenieuren, Metallurgen, Zeichnern und Mathematikern an die Entwürfe gesetzt. Und«, er lächelte ironisch, »die Centauren freuen sich, daß sie eine Waffe mehr haben, die die Erde nicht besitzt!« »Es wird uns nicht viel helfen, wenn wir sie haben«, sagte Spencer sauer, »weil sie natürlich auch über die Abwehrmittel verfügen. Und wir nicht. Aber wir werden sie auch noch bekommen«, setzte er nachdenklich hinzu. »Ich glaube – die Antwort ist ziemlich einfach – ziemlich klar – aber wie wollen wir die mathematischen Faktoren bekommen...«, er machte eine Pause. »Zum Teufel mit Aarn!« sagte er hoffnungslos. »Ich kann mit dem Stoff nicht fertig werden. Wahrscheinlich muß ich es einem anderen Kerl übertragen...«
8
Genau vier Tage später war das erste der Abwehrgeräte in einem Schlachtschiff eingebaut. Es war eigentlich ziemlich einfach, denn der KE-Strahl brauchte nur mit den Impulswellen verbunden zu werden, um ein leicht zu behandelnder Traktorstrahl zu sein. Wie man sich gedacht hatte, verhielten sich die Centauren auf dem Neptun still, und während dieser vier Tage wurde heftig gearbeitet. In unglaublich kurzer Zeit waren riesige Hochöfen und Maschinen, die man in Einzelteilen von dem Heimatplaneten hergebracht hatte, aufgestellt worden und liefen mit höchster Leistung. Schon
hatte eine riesige Transponstrahl-Anlage einen großen, wölbenden Strahl eingesetzt, der sich über Milliarden von Meilen erstreckte, um von der Sonne die für die Arbeit benötigten Energien herzuleiten. Es braucht wohl kaum gesagt zu werden, daß dieser Strahl gegen Kurzschluß gesichert war, wie Aarn es schon einmal mit einem anderen Strahl gemacht hatte. So arbeiteten die beiden Rassen, verhältnismäßig friedlich, unter den Bedingungen eines erzwungenen Waffenstillstands und. bereiteten sich auf den nächsten Kampf vor. Auf der Erde wurden die Verteidigungsarbeiten beschleunigt, und die magyanischen Sachverständigen setzten die Produktionskräfte ohne großen Widerstand ein. Auf Magya produzierten die riesigen Schiffswerften eine große Anzahl von Zerstörern, und die Riesenrümpfe der Schlachtschiffe wuchsen langsam. In einer großen Höhle, tief unter Magyas Oberfläche, begann ein eine Meile langes Gebilde Gestalt anzunehmen, ein Gebilde von wunderbarem, saphirenem Blau. Die großen I-Träger, zehn Fuß im Querschnitt, wurden an ihren Platz geschweißt und dann hitzebehandelt. Die Arbeit nahm friedlich ihren Fortgang. Und dann – fuhr Magya in plötzlichem Erschrecken zusammen. Fünf Millionen Meilen von dem Planeten entfernt erschien eine Flotte von zwanzig Schlachtschiffen der Centauren! Im Hauptquartier brach eine völlige Verwirrung aus. Es war nicht das erstemal, daß Magya eine feindliche Kriegsflotte zu sehen bekam. Die Magyaner mußten nicht erst groß instruiert werden, um zu kämpfen. Sie besaßen
noch alte Pläne, die für den Kampf gegen die Tefflaner angefertigt worden waren. Zunächst einmal besaßen sie noch die planetarischen Festungen und zwei befestigte Monde. Dazu kamen noch die TransponlichtbogenStationen, mit denen die Oberfläche des Planeten gespickt war. Sie hatten die großen Lichtbogen benutzt, um die Salpetersäure in den Meeren zum Verschwinden zu bringen. Vielleicht erwarteten die Centauren nicht, daß die Magyaner so gut vorbereitet waren. Jedenfalls war es ein schwerer Fehler, bis auf Millionen Meilen an den Planeten heranzukommen. Normalerweise ist ein Transponstrahl als Waffe nur bis zu zehntausend Meilen wirksam. Was ihren Strahlen an richtungweisender Kraft fehlte, ersetzten die Magyaner durch Vitalität. Zweihundertsiebenundachtzig Stationen auf dem Planeten selbst stellten ihre Strahlen in allgemeiner Richtung der Flotte ein. Dadurch wurde Hitze frei – Hitze, ganz allgemein. Trillionen Kilowatt Wärmeleistung flackerten um die Flotte. Zuerst bekümmerte das die Schlachtschiffe nicht sonderlich, aber in wenigen Sekunden wurde es für die kleinen Schiffe vollkommen unerträglich. Sie flohen. Die titanenhaften Transponstrahlen der beiden Mondbefestigungen mischten sich nun auch ein. Die Centaurenflotte zog sich unverzüglich zurück. Sie verschwanden bis auf einhundert Millionen Meilen, schneller als das Licht. Dort hingen sie nun, um abzuwarten. Die beiden Monde machten sich an die Arbeit. Da sie Befestigungen waren, hatten die Magyaner sie nie veralten lassen. Sie verfügten über Grünfeldapparaturen, wie kein
Schiff sie tragen konnte. Grünfelder mit einem Durchmesser, der ungefähr der Länge eines Fünfzig-MannErkunders gleich war. Unglücklicherweise war ihre Geschwindigkeit etwas niedriger als die des Lichts – aber sie hatten eine Reichweite von einhundert Millionen Meilen. Unterstützt von einigen Schwerkraftbomben, nahmen sie die Arbeit auf und suchten Opfer. Eines der zwanzig Schlachtschiffe wurde vernichtet. Nacheinander kreuzten siebenunddreißig Schlachtschiffe aus dem Weltraum der Erde herüber, um Magya zu helfen. Nur vier von ihnen besaßen Defensivmaschinerien, außerdem zwei Kreuzer. Für einen Angriff war das eine recht unzulängliche Flotte. Die Centaurenflotte hatte jetzt offensichtlich bestimmte Pläne. Sie startete nach dem Planeten Starth. Starth, Nummer 77 aus Anrels Familie von siebenundachtzig größeren Planeten, war der Magya am nächsten liegende Weltkörper in diesem System der weiten Entfernungen. Er lag nur drei und eine halbe Milliarde Meilen entfernt. Magya und die menschlichen Flotten hatten das Vergnügen, hilflos zuzusehen, als die Centauren auf Starth einen Stützpunkt errichteten. Ihr erstes war, den Transponstrahl auf seine lange Reise nach Anrel zu schicken, um Strom zu holen. Es würde lange dauern, bis er Anrel erreichte; Anrel war Hunderte von Milliarden Meilen entfernt. Inzwischen machten sie sich mit ihrem gespeicherten Strom an die Arbeit. Und fast zur selben Zeit begannen sie die gleichen Arbeiten auf dem Neptun. Durch KE-Strahlen geschützte Schiffe starteten nach den Planetoidgürteln. Anrel sowohl wie Sol hatten solche Gürtel. Aber im Sonnensystem war
es bequemer, und sie holten mehr und kräftigeres Material ab. In Anrels System mußte mit dem Schneller-als-LichtAntrieb transportiert werden, denn die Entfernungen waren für normales Traktorschleppen zu groß. Es kam auf das gleiche heraus. Im Laufe eines Tages hatten sie ein halbes Dutzend Asteroiden annehmbarer Größe, die ihre Stützpunktplaneten umkreisten. In zwei Bahnen wurden die Asteroiden miteinander verschmolzen, um einen neuen und größeren Mond zu erhalten. Sie wurden zu einem großen, hohlen Fort zusammengeschweißt, mit Metallwänden, die eine halbe Meile dick waren. Das war die Arbeit der Kreuzer, während die KE-bewehrten Schlachtschiffe mehr Material herbeischafften. Da hingen nun die Flotten der Menschenrassen, denen es unmöglich war, in eine Nähe von einer Million Meilen zu kommen, während die unüberwindlichen Verteidigungen aufgebaut wurden. Die KE-Abwehr wurde eilig vorangetrieben – aber die Centauren wußten das. Auch sie beeilten sich. Sie konzentrierten sich auf die Bewegung der Asteroiden. Sie schoben Dutzende pro Tag an andere Plätze. Und da ein Asteroid ganz allgemein nichts weiter ist als eine feste Masse sehr hochwertigen Panzerplatten stahls, eine hervorragende Nickel-Stahl-Verbindung, bauten sie ein hübsches kleines Befestigungssystem auf. Spencer beobachtete im Telatoskop, wie die Centauren die riesigen Dinger mit großen Maschinen zusammen stellten, die von dem geheimnisvollen Heimatplaneten der Centauren mit großen Frachttransportern hergebracht wurden. Die Schiffe wurden einfach. Sie kamen nicht, sie erschienen.
»Sie sind gute Ingenieure«, sagte er verdrießlich. »Jene verdammten Dinger werden beinahe, aber nicht völlig unbezwingbar sein!« Spencer hatte die Antwort gefunden. Der bittere Ausdruck seines Gesichtes machte einer wilden Befriedigung Platz. »Es gibt nur eines, was diese Eindringlinge zermalmen kann!« Auch Anto Rayl hatte die Lösung gefunden. »Ma kanee«, sagte er leise. Ma-kanee war der Mond, den die Magyaner auf Teff-El, ihren alten Feindplaneten, heruntergeworfen hatten. Die Forts waren uneinnehmbar, weil sie viel zu groß waren, als daß ein Schiff sie hätte angreifen können. Schön – aber es gab Dinge, die größer waren als sie! »Was für Monde haben wir denn, die wir verwenden könnten?« »Hier haben wir einen wunderschönen kleinen Mond, Sir« sagte Spencer voller Freude. »Er kreist um den Planeten Mars – ein kleiner Satellit, das heißt, wir können ihn sehr schnell von dem Planeten freibekommen. Er hat einen Durchmesser von etwa zwanzig Meilen und ist sehr, sehr uneben.« »Wir haben noch den größten Teil der Antriebsmaschinen, die wir benutzten, als wir Ma-kanee gegen Teff-El verschoben. Die können wir in wenigen Wochen wieder in Gang bringen...« »Dann lassen Sie uns gleich mit der Arbeit beginnen!« Spencer erhob sich, während er sprach. »Wir wollen in das Hauptquartier gehen. Sie dürften dort interessiert sein...« »Könnten die Centauren uns in irgendeiner Weise daran hindern, den von Ihnen erwähnten Mond zu erreichen? Zum Beispiel mit ihren KE-Strahlen?« »Keinerlei Aussicht – Mars ist bis an die Zähne
bewaffnet – und tatsächlich der Kriegsgott. Es wird ganz einfach sein...« »Es wird mindestens drei Monate dauern, bis wir die Apparate aufgestellt haben.« Das Hohe Kommando war sehr erfreut über den Vorschlag. Im Laufe eines Tages wurde der gewaltige Apparat, der auf dem Siebenhundert-Meilen-Mond Ma kanee sichergestellt war, zur Aufstellung auf Phobos auf der Erde umgeladen. In stetiger hartnäckiger Arbeit wuchs der Kranz der Planetoidenmonde um den Neptun herum. Es würde ein gewaltiges Stück Arbeit bedeuten, die Centauren zu vertreiben. Und immer noch arbeiteten ihre Schlachtschiffe, die mit KE-Strahlen ausgestattet waren, ungehindert weiter, denn die Menschenwesen hatten die große Aufgabe, all ihre Schiffe für den Endkampf neu auszurüsten, noch nicht beendet. Man konnte die Schiffe gar nicht so schnell ins Dock bringen, denn alle oder fast alle großen Produktionsstätten waren mit dem Neubau von Schiffen beschäftigt. Und dann – kehrte Aarn zurück. Sein Schiff erschien aus dem Nichts, einhundert Millionen Meilen von der Erde entfernt, und signalisierte seine Landung. Als man die N o v a erkannt hatte, schoß sie mit gewaltiger Geschwindigkeit herab und landete wieder in der Nähe der Forschungsstätten Spencers. Spencer war auf dem Rollfeld, um Aarn zu begrüßen, und zusammen mit Carlisle und Anto Rayl trat er in die Nova ein, sobald Aarn die Schleuse für sie öffnete. Es war einige Tage mehr als zwei Wochen, seit Aarn sie verlassen hatte. Aber sie waren starr vor Verwunderung,
als sie den Jupitermenschen anschauten. Er sah regelrecht dünn aus und unglaublich abgehärmt. Er war erledigt, absolut erschöpft. Seine tiefliegenden Augen hatten einen wilden, seltsamen Blick. Müde winkte er ihnen zu. »Hallo Spence! Die Centauren sind wieder da, wie ich sehe. Wie haben sie es denn diesmal angestellt?« »Großer Gott, Aarn, was hast du denn gemacht? Du siehst aus, als hätte jemand versucht, dich in einen Strich zu verwandeln. Die Centauren hatten eine neue Waffe – explosive Strahlen, die keiner von unseren Apparaten zum Stehen bringen konnte. Haben vier Schlachtschiffe vernichtet.« Aarn lächelte müde. »Sie hatten – Kinetische-EnergieStrahlen, nehme ich an. Natürlich. Wir haben aber auch schrecklich lange gebraucht, bis wir darauf kamen...« Sein Gesicht veränderte sich, es wurde noch müder und seine Stimme klang heiser, als er das erwähnte. »Ich habe – da draußen – daran gedacht. Dort – denkt man an solche Sachen. Ihr habt Abwehrmittel, hoffentlich?« »Einige der Schiffe, ja. Man stattet sie für eine Leistungsschlacht aus. Die Centauren machen Mondforts aus Planetoiden. Planetarische orbitale Forts. Wir wollen wenigstens ihren Schiffen gleichkommen, und zwar so bald wie möglich – aber man wird mit den Schlachtschiffen nicht so schnell fertig.« Aarns Lachen klang hohl. »Wollt ihr sagen, daß zehn Schiffe fertig sind? Ja? Gut! Sagt dem Kommando, sie sollen sie herschicken! Ich werde ihre Schiffe zurückhalten, wenn ich zehn Schlachtschiffe haben kann zur Verstärkung. Ich habe eine Waffe, die sie niemals haben werden, bei allen Zyklen des Weltraumes! Ich – ich
wurde fast verrückt, als ich sie erfaßte – und ich hatte das Telatoskop... Macht euch 'ran, Anto, ja? Ich bin – müde. Drei – drei Monate, wo ich war – nach meiner Zeit. Ich habe nicht geschlafen. Das scheint man dort nicht zu brauchen. Aber jetzt – bin ich ziemlich fertig. Und ich muß das verdammte Ding noch machen. Laßt mich ein bißchen ausruhen! Ich brauche auch etwas zu essen. Schick mir Martin, Spence – ja, bitte?« Fast brach Aarn auf seinem Stuhl zusammen, als Anto Rayl fortging, um die Verbindung mit dem Hauptquartier des Kommandos aufzunehmen. Mit großer Verwunderung in den Augen ging Spencer auf die Suche nach Martin, dem Butler-Kammerdiener-Koch. Noch nie, seit er ihn kannte, hatte Spencer Aarn auch nur annähernd so müde gesehen. Aarn war übermenschlich an Stärke, an geistiger und körperlicher Beweglichkeit – und übermenschlich in dem, was er aushalten konnte. Und nun – war er nichts als eine erschöpfte Hülle! In zehn Minuten war Spencer zurück, und Anto kam fast zur gleichen Zeit. Anto war es, den Aarn zuerst ansprach. »Was sagen sie?« »Sie glauben deinem Wort, Aarn, du wußtest, daß sie das tun würden. In etwa einer Stunde, sobald die Männer zusammen sind, starten zehn Schiffe und siebenundzwanzig ausgerüstete Kreuzer und zweihundert Zerstörer.« »Gut. Ich nehme jetzt ein Bad.« Aarn erhob sich und ging auf sein Zimmer zu, er schwankte vor Müdigkeit. Spencer lief in den Stromraum hinüber, um nachzusehen, ob er Aarns neuen Apparat zu Gesicht bekäme.
Er sah ihn. Er stand direkt in der Mitte des Raumes und erdrückte den Materiemotor, der groß vor ihm aufragte. Spencer schaute den Apparat nur einmal an und fühlte, wie eine Übelkeit von ihm Besitz ergriff. Der Apparat bestand aus Winkeln und Flächen und Oberflächen. Die Winkel waren aber nicht, wie Winkel sein sollen. Die spitzen Winkel waren stumpf, und die stumpfen Winkel – Winkel dieser Art waren noch von keinem Geometer benannt worden. Und die Flächen? Es waren wohl Flächen, aber sie waren gebogen. Sie waren nicht nach außen und nicht nach innen gebogen – aber in einer fürchterlichen, unbeschreiblichen Art und Weise drehten und wanden sie sich. Spencer kehrte in den Steuerungsraum zurück und setzte sich. Unklar nur und verworren wurde er sich der geistigen Qualen Aarns bewußt. Aarn sagte, er sei drei Monate fort gewesen. Das wies auf einen anderen Weltraum hin. Jenes – Ding in dem Stromraum deutete etwas an, das das normale Fassungsvermögen überstieg. Spencer konnte sich nicht mehr daran erinnern, weil er dieses Ding geistig nicht erfassen konnte. Von Natur aus war das menschliche Gehirn nicht dafür geschaffen. Vage wunderte er sich, wie Aarn es hatte fassen, er wunderte sich, wie er das Ding hatte bauen können. In drei Viertelstunden kehrte Aarn zurück. Er hatte gegessen und gebadet, aber er war immer noch über alle Maßen erschöpft. Nur sein eiserner Wille hielt ihn aufrecht. »Sind die Schiffe bereit?« fragte er Anto Rayl. »Sie haben sich beeilt. Sie sind bereit zum Start. Sie möchten wissen, was du hast, damit sie es kopieren können. Mach die Pläne fertig!«
Aarn brach in ein hohl klingendes Gelächter aus. »Kopieren? Pläne? Sage ihnen, sie sollen in die Hölle gehen und die Linien von des Teufels Hörnern beobachten! Wenn sie die nachmachen können, können sie vielleicht nachmachen, was ich habe. Sage ihnen, sie sollen Bilder davon machen! Sage ihnen, daß ich jetzt die Pläne nicht kenne. Sage ihnen – oh, geh hin und schau es dir an!« Aarn ließ sich an den Steuerungen nieder. Verwundert ging Anto Rayl in den Steuerraum zurück. Dreißig Sekunden später kehrte er wieder. Sein sonst gebräuntes Gesicht war blaß, und seine Augen hatten einen eigenartigen Blick. Schweigend nahm er das Telefon des Schiffes auf und sprach einen Moment später mit dem Sekretär des Hohen Kommandos. »Anto Rayl. Ich möchte berichten, daß ich Aarns Maschine gesehen habe. Sie kann nicht kopiert werden. Pläne? Nein. Es gibt keine Pläne. Dafür gibt es keine Pläne. Beschreiben? Hach – hm – ich bin menschlich – die Maschine nicht. Sie kann nicht kopiert werden. Jetzt – jetzt, wo ich sie nicht vor mir sehe, möchte ich glauben, es gibt sie gar nicht. Wiederholen Sie doch nicht immer ›Wir brauchen Pläne!‹ Begreifen Sie: Was auch immer sie ist, was auch immer sie tut, sie tut es, und auf der Erde wird nie etwas Ähnliches hergestellt werden. Stellen Sie Ihr Telatoskop einmal darauf ein!« Aarn grinste boshaft. »Das Telatoskop – es wird sie sehen, jawohl, und ihnen sagen, daß sie blau wie Durium und scharlachrot ist – das ist Ultraschwefel, Carlisle – und graugrün, das ist Ultramagnesiumkarbid. Aber es wird ihnen nicht sagen können, was es ist.«
Die Nova stieg auf. Sie stieg von der Erde auf, und hinter ihr folgte in bestimmten Abständen die Flotte. Aarn arbeitete am Telatoskop, aus irgendeiner verborgenen Energiereserve brachte er die Kraft auf, mit der ihm üblichen Schnelligkeit zu arbeiten. Dann steuerte die Nova auf die Planetoiden zu. Die Flotte folgte ihr – sie wurde von Piloten gesteuert, die wie Aarn auf dem Jupiter geboren waren. Drei Schlachtschiffe der Centauren waren da und vier große Transporter. Sie schleppten mehrere Milliarden Tonnen Planetoiden. Die Schlachtschiffe drehten abrupt bei, als die N o v a auftauchte. Sie waren hier nicht beweglich – aber auch die menschliche Flotte nicht. Diese blieb nun zurück, da sie nicht in der Lage war, sich durch die Asteroiden hindurchzumanövrieren, wie es der relativ kleinen Nova möglich war. Die Centaurenschiffe drehten und richteten ihre vereinigten Strahlen auf diesen anmaßenden Schweren Kreuzer. Die KE-Strahlen. Als Spencer einen Strom der tödlich-grünen Felder ausschickte, tanzten sie davon. Aarn lachte leise. »Tu das nicht, Spence! Das ist nur Energieverschwendung. Sie können uns mit ihren Strahlen nichts anhaben...« So war es. Die Nova wehrte die Strahlen ab. Aarn erklärte es sprunghaft. »Unsere Abwehr basiert auf Durium – nicht das, was ihr benutzen müßt, fällt mir dabei ein. An dieses hier würdet ihr nicht denken. Nur – dort draußen, wo ihr alles über Durium verstehen könnt und auch warum es solch eigenartige elektrische und magnetische Eigenschaften hat. Auch gravitische, was das anbetrifft. Wie es auch sei – unsere Waffe ist die Kosmische
Konstante.« Aarn wandte sich nun um. Von irgendwoher, von überallher aus dem Schiffskörper kam ein seltsames Vibrieren. Es war weder Geräusch noch Licht, noch war es störend. Es war in weitem Maße anregend – aber es war kein Vibrieren, wie die Menschen es bisher gekannt hatten. Es nahm kurz an Intensität zu – dann schien es zu platzen, und aus der Spitze der N o v a flog die KosmischeKonstante-Bombe heraus. Sie hatte eine unendlich größere Geschwindigkeit als das Licht. Aber ihre Wirkung auf das menschliche Auge war seltsam. Sie sah schwarz aus, schwärzer als der Weltraum. Sie berührte die Spitze eines Centaurenschlachtschiffes, und das Schlachtschiff wurde schwarz. Unterwegs passierte sie verschiedene Schichten von Abwehrschirmen und absorbierte sie, als sie aber das Schiff berührte, blieb sie stehen. Zweihundert Fuß der Schiffsspitze verschwanden in dieser Schwärze, wurden dann allmählich noch einmal grau, und das dumpfe, puderartige Grau breitete sich für einen kurzen Moment lang weiter aus. Das graue Pulver, das einmal eine zehn Fuß dicke Stahlpanzerung gewesen war dehnte sich mit erschreckender Schnelligkeit aus. Innerhalb von Sekunden traf es die Schirme der Nova, und das Schiff wurde dadurch leicht erschüttert. Eine zweite Bombe wurde ausgeworfen. Es gab weder ein Aufblitzen noch ein Geräusch. Nur die flüchtige Dunkelheit und den sich ausbreitenden grauen Staub – dann waren keine Centaurenschiffe mehr zu sehen, denn sie rasten ihrem Stützpunkt zu. Aarn verfolgte sie. Er holte sie ein, als sie in der Nähe des Neptun stoppten, und vollendete die Vernichtung eines Schlachtschiffes, ehe es sich in Sicherheit bringen konnte.
Drei dieser Bomben jagte er auf den Planeten, dann traf ihn ein Transpon, und irgendwie wurden die Bomben abgestoppt, indem sie den Transpon aufsaugten. Aus dem ganzen Sonnensystem erschienen plötzlich während mehrerer Sekunden Schiffe in der Nähe des Neptun. Die Centauren wurden zurückgerufen, denn die Arbeit war getan. Sie wußten nun, daß die menschlichen Flotten eine Waffe besaßen, gegen die sie nicht kämpfen konnten. Die Centaurenflotten wurden eingekreist. Würdevoll stiegen die zehn großen Schlachtschiffe auf und umgaben Neptun. Kreuzer und Zerstörer stellten sich in Formationen um den Planeten herum auf. Die Nova hing in der Nähe des Neptun, und die Centaurenflotte konnte sich nicht rühren, es sei denn innerhalb des Schutzes der riesenhaften planetarischen Verteidigungssysteme. Eine halbe Stunde später war die Centaurenflotte im magyanischen Raum eingedämmt. Aarn hatte geschwiegen, während diese Arbeit vor sich ging. Nun stellte er eine Frage. »Haben sie den Heimatplaneten der Centauren gefunden?« »Nein«, erwiderte Spencer. »Das ist unmöglich. Wir können den Schiffen nicht folgen, denn sie verlassen diesen Weltraum und gehen in irgendeinen der hundert möglichen Welträume im Pararaum.« Aarn blinzelte aus müden, brennenden Augen. »Wir werden ihnen folgen müssen. Wenn wir sie nicht angreifen, werden sie uns niemals in Ruhe lassen. Ich muß nun bald schlafen. Aber du hast ja die Waffe gesehen. Es ist die Kosmische Konstante in Aktion. Es ist etwas Neues – es ist nicht vierdimensional, es ist einfach eine geringfügige fünfdimensionale Verdrehung im
Weltraum. Normalerweise wirkt sie nicht, weil sie schwach ist. Nur bei sehr großen Entfernungen wird sie aktiv, weil da die Auswirkungen der vierdimensionalen Krümmung der Schwerkraft fast gleich Null sind. Diese Bomben sind eigentlich diese fünfdimensionale Verdrehung in isolierter und kondensierter Form. Es war sehr schwer, dahinterzukommen – selbst hier. Weißt du – das Beste unserer einfachen Mathematik ist nur vierdimensional, genau wie unsere Geometrie. Ich mußte eine neue Mathematik und Geometrie erfinden, weil – vierdimensionales Zeug es nicht schafft. Es – scheint fünfdimensional zu sein. Vielleicht – ist es sogar irgendein Schlüssel – zum Pararaum. Die Bomben sind eine konzentrierte Form dieser besonderen Verdrehung; sie stellen die isolierte Kosmische Konstante dar. Reine Abstoßung. Kein Atom kann widerstehen. Eigentlich bewirkt sie zwei Dinge; jedes Atom stößt jedes andere Atom ab. Im Grunde genommen ist gar nicht viel Energie dazu nötig – es – es scheint...« Aarn wurde schweigsam. »Was?« fragte Spencer. »Jenseits des Gesetzes der Erhaltung der Energie«, erwiderte Aarn. »Oder vielleicht gehorcht sie irgendeinem höheren Erhaltungsgesetz. Ich habe sie reichlich ausprobiert dort draußen in der Nähe jener dunklen Sterne. Das – war ein ziemlich grausiges Laboratorium. Frage einmal Canning nach seinen kurzen Erfahrungen! Die Gesetze der Optik haben keine Gültigkeit, und die Gesetze der Geometrie sind anders. Siehst du, als mir zuerst der Gedanke an diese Sache kam, hatte ich eine Menge Schwierigkeiten – ziemlich unfaßbar.« Er schaute seinen
Freund sonderbar an, ehe er fortfuhr: »Ich kann es dir nicht erklären – ich kann es auch jetzt nicht verstehen. Ich könnte es jetzt nicht machen. Mein Gehirn kann es nicht eigentlich erfassen. Gerade vor einigen Minuten habe ich es mir angeschaut – Du – kannst es auch, wenn du willst. Es ist im Stromraum I. Schau es dir an – ich sage dir dann, wann und wo ich es gemacht habe.« Schweigend ging Carlisle fort. Da, auf dem Boden des Stromraumes – war etwas. Etwas Dickes, Massiges kauerte da. Und es war – falsch. Da gab es seltsame Höcker, die nach innen gebogen waren und doch hervortraten, und da waren einige Platten, die verdreht waren. Sie waren nicht nach oben nicht nach unten, nicht nach rechts und nicht nach links verdreht – und doch – irgendwie waren sie verdreht. Er kehrte in den Steuerraum zurück und glaubte die unerträgliche geistige Tortur zu verstehen, die Aarn bei der Herstellung durchgemacht hatte, denn er war ja auch Mathematiker. Es war kein Ding, das menschliche Augen sehen sollten – sicherlich war es nichts, das das menschliche Gehirn erfassen konnte. »Ziemlich eigenartig, nicht? Jetzt weiß ich wirklich nicht mehr, wie ich es gemacht habe. Ich folgte einigen Berechnungen, zu denen ich – angeregt wurde, als ich es konstruierte. Es ist aus Durium, Resistium und etwas Ultraschwefel. Nebenbei bemerkt, Carlisle, habe ich das gemacht, weil ich mußte, und weil es dort, wo ich war, möglich war. Es ist jetzt stabil wegen einiger Felder, die ich in dem Ding angebracht habe. Ich kann auch die Radioaktivität zum Stillstand bringen. Es ist ein vollkommener Isolator. Ich verwendete Durium, weil seine
elektrischen Eigenschaften so sonderbar sind...« Aarn hielt inne und runzelte die Stirn. Mit besorgtem Ausdruck schaute Spencer ihn an. Aarn war unglaublich verstört. Plötzlich schaute Aarn auf, einen Ausdruck der Überraschung in seinen tiefliegenden Augen. »Ich wußte, warum sie – dort waren. Jetzt kann ich mich nicht mehr daran erinnern. Ich wußte alles über das Durium und wieso es sich so benahm. Und ich habe damit gerechnet. Dann habe ich versucht, das Ding zu machen, aber es ging nie so, wie ich es wollte; denn der Apparat war immer falsch, obwohl ich ihn richtig zusammensetzte. Schließlich mußte ich das Telatoskop benutzen, und wenn ich von den Instrumenten etwas ablas, zeigte das Telatoskopbild immer etwas ganz anderes. Da hinten wußte ich auch, warum das so war, da hinten, in der Nähe von S. F-R 237. Das ist ein toter Stern – hat einen Durchmesser von einer halben Million Meilen – Oberflächenschwerkraft von ungefähr 1,7 Megagrav – das ist eine Einheit, die ich definiert habe – Millionen Erdschwerkraft. Kurz und gut – ich goß diese Platten. Ich fand auch ein Werkzeugmetall, das sie schneiden konnte – du hast ja gesehen, daß sie maschinell hergestellt sind, Spence. Ich habe sie mit einem Ultrakarbid hergestellt. Zur Bildung dieses Karbids benötigte ich zwanzig Millionen Grad Celsius, die als elektrischer Schmelzofen wirken mußten. Aber es war schwer. Es schnitt Durium wie Käse. Ich mußte ein Kraftfeld benutzen, um es zu halten und anzutreiben, weil ich keine Metallmaschinen machen konnte, die der Anspannung des Schneidens standgehalten hätten, selbst wenn das Durium gekühlt war. Ich mußte einige Teile herstellen, als sie hart
waren.« Spencer unterbrach ihn. »Hast du geschlafen, Aarn?« »Nein – das braucht man dort nicht. Es scheint einen irgendwie anzuregen. Auch die Zeit schien verbogen zu sein – meine Schiffschronometer zeigten dreieinhalb Monate an. Aber diesmal beobachtete ich das Telatoskopbild des Laborzeitmessers hier auf der Erde. Ich versuchte auch den zweiten Zeiger im Auge zu behalten – aber er bewegte sich so langsam, daß ich es müde wurde. Na ja, ich habe das Zeug geschnitten und das Telatoskopbild beobachtet. Im Telatoskop sahen die Platten und Dinge falsch aus – genauso, wie es hier der Fall ist. Aber damals wußte ich warum und wußte, daß sie in Ordnung waren. Und als sie fertig waren, habe ich sie montiert. Dann habe ich das Ding ausprobiert. Es arbeitete, und ich maß alle Teile, und immer war ein Zehntel eines Prozents der Masse verloren. Es wurde nicht als Energie freigegeben, selbst wenn die Spaltungsenergie berücksichtigt wurde. Es war – weg. Aber ich erfaßte dort die Idee der KE-Strahlen – und – etwas – etwas Wichtiges, das ich jetzt vergessen habe. Etwas, an das man in unserer Art Weltraum nicht denken kann, nur dort, wo der Weltraum nicht der gleiche ist und die Winkel anders sind und wo andere Gesetze und Geometrie angewendet werden müssen.« Einen Augenblick lang schaute er zu Spencer auf. »Dort wußte ich für eine kurze Zeit die vollständige Antwort auf die Frage nach der Energie der Sonnen. Jetzt kann ich mich daran nur so weit erinnern, daß ich weiß – sie ist unerschöpflich. Sie wird auf ewig da sein. Sie war ja auch schon ewig vorhanden. Es gibt da gewisse Zyklen – das
heißt das Ausdehnen und das Zusammenziehen. In jenen höheren Welträumen bestehen andere Gesetze der Erhaltung – im Pararaum zum Beispiel; sie heben alle unsere Voraussagen über ein totes Universum auf. Die ›toten Sonnen‹ sind genauso latent – sie speichern jetzt ihre Energie bis zur Zeit der nächsten Phase. Wenn die Ausdehnung den Grenzwert erreicht, der gegeben ist – gegeben ist – durch... Ich habe es vergessen. Ich hatte es an den Maschinen ausgearbeitet, aber irgendwie haben sich die Walzen verschoben als ich die Felder dort verließ. Kurz und gut, eine ungeheure Kontraktion folgt auf die Expansion, und dann fängt es wieder von vorn an. Wie bei den Cepheidvariabeln – sie haben viel Ähnlichkeit – auch sie sind durch den Ausdruck, den ich eben erwähnte, begrenzt. Ihre enorme Dichte und die Wirkungen der Kosmischen Konstante in ihrem Inneren bewirken, daß sich diese Aktion bei ihnen alle paar Tage wiederholt anstatt alle hundert Quintillionen Jahre. Aber es gibt dort etwas sehr Wichtiges – etwas über das Telatoskop, das es ermöglicht, Bilder zu projektieren...« »Das kann nicht sein, Aarn«, sagte Spencer sanft, »weil du es ja jetzt schon kannst.« »Das schon, aber nicht weit – nur wenige Meilen im Höchstfalle, und dann sind sie noch schemenhaft. Und – das war's gar nicht, glaube ich. Ich wußte es – ich wußte es – dort draußen. Es war etwas unendlich Wichtiges. Etwas...« Seine so unsagbar müde Stimme schien auszulöschen, und einen Augenblick lang sank der ganze Körper zusammen, so daß Spencer auf ihn zusprang. Dann, plötzlich, wich Spencer entsetzt zurück, erstarrte
vor Erstaunen. Vor seinen Augen verdrehte und wand sich Aarns mächtiger Körper, seine Augen öffneten sich und waren auf einmal glänzend und wach, aber entsetzlich verändert. Ein matter Glanz lag in ihnen, eine furchtbare, befehlende Gewalt, und in dem ganzen Körper war etwas Gespenstisches: Er war mißgestaltet, und durch Kleider und Fleisch hindurch erblickte Spencer flüchtig die knochige Skelettstruktur des Körpers – Spencer atmete schwer. Aarn sprach, und als sich seine Kiefer bewegten, schienen sich die Knochen in gekrümmten Winkeln zu verzerren. Leise und zufrieden lachte er: »Ah – ja – so leicht! Ich muß dorthin zurückkehren. Carlisle, du mußt mit mir kommen und mir mit der Mathematik helfen, und du, Spencer, bei den Apparatkonstruktionen. Es muß sehr schwieriges Zeug sein, aber du wirst mit dem Ingenieurkram besser fertig als ich. Es ist mir jetzt klar, was ich nötig habe. Ich kann es verstehen. Es muß Bilder projizieren und Wellen, die unendlichen, alles erreichenden Materiewellen aufheben. Ihr seht – ihr könnt verstehen – oder könnt ihr nicht? Die Wellen sind überall, folglich müssen wir natürlich Erfolg haben. Es ist sehr einfach. Selbst mit einem kleinen Apparat von so geringer Reichweite.« Aarn griff nach dem kleinen Apparat auf dem Seitengestell, seine unfaßbar häßlich verbogenen Hände griffen ihn und hoben ihn hoch. »Ich drehe es um siebenundvierzig Grad – ungefähr so – dann müssen die Stromkreise...« Unvermittelt fiel er in seinen Sitz zurück, und wieder ging eine Welle der Veränderung durch ihn hindurch – umgekehrt jetzt. Er wurde wieder normal. Aber
– er hatte das kleine Gerät um siebenundvierzig Grad verdreht. Seine Augen öffneten sich wieder, trübe und unendlich müde. Er gab das Ding, das er hielt, frei, mit einer Grimasse des Entsetzens. Er schaute es einen Augenblick lang an – und plötzlich schlief er tief. Lange Zeit herrschte Schweigen, dann sprach Spencer. »Stelle die Schwerkraft ab, Carlisle, und lege ihn in seine Koje! Ich werde – das – wegtun.« Es war kein Telatoskop mehr. Er legte eine Schutzhülle um das unmögliche Gerät und hob es hoch. Seine Finger kribbelten, als sie die Erhebungen berührten, die ausgehöhlte, konkave, scharfwinkelige und doch flache Vertiefungen waren.
9
Einige Minuten lang schaute Aarn das Ding an, dann wandte er den Blick ab. »Ich soll das gemacht haben? Wahrscheinlich. Aber ich weiß wahrhaftig nicht, wie. Ich muß allerdings dorthin zurückkehren, und ich denke, ihr müßt mich begleiten. Ich kann mich jetzt an nichts mehr erinnern. Ich könnte den Apparat nicht einmal reparieren, wenn er versagte. Aber jetzt, nachdem ich geschlafen und gegessen und wieder geschlafen habe, fühle ich mich wieder wie ein Mensch. Gehen wir an die Arbeit! Haben sie die Heimatwelt der Centauren feststellen können?« »Nein«, erwiderte Spencer, »es ist ihnen nicht gelungen. Es gibt so ungeheuer viele Sonnen, und keine, die sie bisher gefunden haben, hat bewohnte Planeten. Sie haben wohl zwei weitere planetarische Systeme entdeckt – und
dabei unsere Freunde, die Tornaner, aufgestöbert. Aber keine Centauren. Ob es überhaupt noch eine Möglichkeit gibt, sie zu finden?« »Wahrscheinlich nicht. Das einzige, was wir tun können ist, ihnen nach ihrem Zuhause zu folgen.« »Nein, das können wir eben nicht. Wir haben es versucht. Es geht nicht. Wir können nicht einmal richtig an eines ihrer Schiffe herankommen, denn wenn es eines unserer kleinen Schiffe ist, zerstören sie es vor der Durchquerung, und wenn es ein großes Schiff ist, machen sie die Überfahrt nicht. Sie tauchen aus diesem Weltraum in einen anderen fünfdimensionalen Raum hinein und kehren zu ihrer eigenen Sonne zurück. Es ist wahrhaftig eine schnellere und leichtere Methode als jede andere, und es ist unmöglich, ihnen zu folgen.« »Hm –«, sagte Aarn grimmig. »Es war unmöglich, ihnen zu folgen. Wir müssen es trotzdem machen. Ich habe eine Menge von dem, was ich da draußen lernte, vergessen, aber nicht alles. Und ich weiß, daß ich da draußen ganz deutlich die Wechselbeziehung des vierdimensionalen Raumes mit dem fünfdimensionalen erkennen konnte. Und ich versichere euch mein kleiner Schatz da hinten mit den schielenden Winkeln arbeitet im fünfdimensionalen Raum; was auch immer sie versuchen werden, mein kleines Ding da braucht nicht in vier Dimensionen zu arbeiten, sondern nur zu versuchen, in die fünfte zu folgen. Es wird sich darin halten können und kann ihnen überallhin folgen, durch welchen Weltraum sie auch gehen mögen. Ich kann – nein, ich tue es nicht! Ich muß ihrem Kurs mit einer Kosmischen-Konstante-Bombe folgen, und die wird ihr Schiff zerstören genau in dem Augenblick, in dem es in
dem anderen Weltraum wieder wirklich wird. Die KKBomben haben im Pararaum keinen Einfluß auf ein Schiff, aber im anderen Weltraum müssen sie doch anhalten, um wieder zu landen. In diesem Moment wird die KK-Bombe sie einholen.« »Das ist schön und gut. Wir haben nichts dagegen, wenn du eine Reihe weiterer Centaurenschiffe vernichtest. Du mußt einfach einem dorthin in den anderen Weltraum folgen und später dann ein anderes einholen, das in diesen Weltraum zurückkehrt.« »Hm – ich glaube, das kann ich schaffen. Aber sie scheinen es sich angewöhnt zu haben, in jedem zweiten Weltraum zu landen, irgendwo, und das würde für mich eine ganze Unendlichkeit bedeuten, die ich suchen müßte, ehe ich finde, wo ihr Schiff startet und in diesen Weltraum zurückkehrt.« »Warte doch, bis sie zwei zur gleichen Zeit hierherschicken! Wäre das nicht eine Möglichkeit?« fragte Carlisle. »Tun sie das denn überhaupt?« fragte Spencer. Zum erstenmal sprach Anto Rayl. »Ja, ich habe es gesehen. Ihre Transporter sind häufig von Schlachtschiffen begleitet, wenn sie eine besonders wichtige Ladung herbringen.« »Warten wir also ab!« entschied Aarn. »Ich will sowieso noch schauen, was ich in meinen Notizen finden kann.« Fünf Tage hingen sie vor dem Neptun und warteten. Die Streitkräfte der Centauren verstärkten sich. Der Kreis ihrer planetoiden Befestigungen wurde gründlich ausgerüstet. Weitere Transponstrahlen begannen nach der Sonne zu greifen, um sich direkt mit Strom zu versorgen, statt den
Hauptstrahl von den Neptunstationen anzuzapfen. Immer nur ein Schiff allein machte die Durchquerung von und nach dem weit entfernten Malc, landete mit wichtigen Ladungen von Geräten – und immer noch wartete Aarn. Gemeinsam arbeiteten die drei Aarns Notizen durch. Die meisten hatte er mittels Telatoskops auf Filme aufgenommen – diese waren gut zu lesen; andere aber hatte er mit Bleistift in Bücher eingetragen, und die unheimlich winkelige Wirrnis war unmöglich zu entziffern, sie strengte nur die Augen bis zum Bersten an. Die Bogen der Buchstaben verschwanden geheimnisvoll in das Papier hinein, um dann ganz plötzlich auf der anderen Seite des Blattes wieder zu erscheinen. Als sie die Rückseite eines Buches durch Dämpfen lösten, stellten sie fest, daß die Notizen, die dort standen, auf der auf den Einband aufgeklebten Seite fortgesetzt waren. Verzweifelt gaben sie diese Arbeit auf, denn sie erkannten, daß diese Notizen nur dort draußen leserlich sein würden. Am fünften Tag erhob sich ein Transporter vom Neptun, den großen, grausilbernen Rumpf eines Schlachtschiffes neben sich. Unverzüglich setzte sich Aarn ans Steuer. Die beiden Riesenschiffe stiegen, bis sie eine viertel Million Meilen von dem Planeten entfernt waren, immer innerhalb des schützenden Walles, den die Planetoidbefestigungen gewähren konnten. Dann schrumpften sie rasch zur unendlichen Kleinheit zusammen, die das Charakteristikum der Bewegung im Pararaum ist. Aarn rührte sich leicht in seinem Sitz. Die Schiffe waren fast verschwunden, als eine KK-Bombe mit ihrer täuschenden Geschwindigkeit sich loslöste. Dann heftete sie sich an das Schlachtschiff, das im Verschwinden
begriffen war. Gleichzeitig schwankte die Nova aus Sympathie mit; ein Dutzend Zeiger verfielen in neue Lagen, und Relais klopften metallisch. Die N o v a veränderte ihre Position, und Neptun, die Erde, das Sonnensystem verschwamm um sie – und entschwand. Ganz unerwartet hatten sie die Durchquerung vollzogen. Licht, weitreichendes, azurblaues Licht strömte durch die Luken ein. Aarn erstarrte mit angespannten Nerven, als die Nova sich um ihre Achse drehte. Dann stockte ihm der Atem. Ganz in der Nähe, weniger als einhundert Meilen entfernt, befand sich das Schlachtschiff der Centauren. Es verschwand, als sich die KK-Bombe hinein- und hindurchfraß. Auch das Transportschiff verschwand. Auf irgendeine Weise hatte sich die KK-Bombe bei der Durchquerung des Pararaumes verdoppelt! Und weit, weit entfernt schienen drei riesenhafte blaue, Sonnen. In diesem Weltraum waren nur drei Sonnen sichtbar. Davon abgesehen, gab es anscheinend weder Planeten noch gasförmige Nebel. Der ganze Weltraum schien aus klarem, unendlich durchsichtigem Licht zu bestehen. Sie waren in das Blaue Universum hineingekommen. »Hua – he, was gibt's? Blau! Licht im leeren Raum! Es scheint sich bis zur Unendlichkeit auszudehnen!« sagte Spencer atemlos. »Andere Gesetze«, sagte Aarn leise. »Andere Charakteristika des Raumes. Oder – unendliches Alter. Vielleicht haben die Sonnen dieses Raumes ihre ganzen Energien in Licht blaues Licht zerstreut, und nur dieses ist geblieben, um für alle Zeiten durch den Weltraum zu wandern.« »Aber diese drei Sonnen dort – so dicht beieinander.«
Während er sprach, erschienen sie im Telatoskop. Aarn zuckte leicht zusammen, als er die Bilder anschaute, zollgroße, feurige blaue Kugeln. »Sie sind riesenhaft«, sagte Aarn, »jede einzelne ist so groß wie Anrel selbst.« Eine von ihnen bildete den Mittelpunkt und dehnte sich schnell aus. Dann sahen sie den ersten Feuerplaneten. Er war weiß weiß von der glühenden Hitze, die er von der nahen ungeheuren, blau-heißen Sonne erhielt. Schnell änderte Aarn das Bild des Telatoskops. Die neun Feuerplaneten wurden sichtbar, einer nach dem anderen, wie sie um die riesigen blauen Sonnen kreisten. Carlisle war mit den Impulsmeßgeräten beschäftigt. Schließlich sagte er: »Aarn – dieses Ding ist nicht wirklich. Es kann nicht wirklich sein. Es ist zu vollkommen. Es ist – es ist ein Problem der Mathematik, das ausgearbeitet und zur Illustration aufgestellt worden ist, so wie diese Drahtkäfige, die man macht, um den Studenten die Hyperbel zu zeigen. Aarn – diese drei Sterne sind auf ein Prozent genau von der gleichen Masse. Sie kreisen so umeinander, daß jeder genau an einer Ecke eines gleichschenkligen Dreiecks liegt. Jeder jener drei Planeten, der um jeden der drei Sterne kreist, umkreist ihn in genau der gleichen Bahn, jeder jagt den anderen wie die hölzernen Pferdchen auf einem Karussell. Die drei Spitzen eines gleichschenkligen Dreiecks – das ist eine der spezifischen Lösungen des Problems der drei Körper. Eine der einfachsten und frühesten, die klassische Lösung. Man kann in einem multiplen Sternsystem Planeten, Satelliten haben, die nur unter gewissen Bedingungen unveränderlich sind. Es gibt ›verbotene‹ Sternbahnen, genau wie es ›verbotene‹
Elektronenbahnen im Bohrschen Atommetall gibt. Sie können um einen der Sterne des Systems kreisen in einem so kurzen Abstand, daß sie praktisch von den anderen unbeeinflußt bleiben. Oder sie können um das gemeinsame Schwerkraftzentrum des Systems kreisen in einer solchen Entfernung, daß die Bewegungen der Sterne des Systems sie praktisch unbeeinflußt lassen. Aber sie können nicht zwischen diesen Grenzfällen kreisen. Jetzt – Aarn, stelle das Telatoskop mal auf etwa 356-27-453 ein!« Aarn änderte die Einstellungen. Eine Welt schob sich in ihr Blickfeld. Eine große, runde Welt, schräg an einer Seite des Telatoskops. Sie war vollkommen rund, eine vollkommene Kugel, und sie war ohne irgendwelche bestimmte Züge, eine blaue, waagerechte Ebene. Aarn war verblüfft. »Ich kann die Oberfläche nicht sehen«, sagte er leise. »Das ist nicht die Oberfläche – das ist die Oberfläche eines Schirmes, den das Telatoskop nicht durchdringen kann!« Während er sprach rückte das Bild näher, dehnte sich schnell aus, schreckte plötzlich zurück, und die unbestimmbare Oberfläche funkelte mit winzigen saphirenen Edelsteinen, die kamen, glühten und vergingen. Das Telatoskopbild drehte und wand sich und schien plötzlich weit weg zu sein. Aarn änderte die Einstellungen. Ungeheures Interesse verzog und spannte sein Gesicht. »Sie können das Telatoskop stoppen. Ein Stern kann das nicht, nicht einmal ich kann das.« »Doch, du kannst es, Aarn«, sagte Spencer. »Die Grünen Felder werden sie aufhalten. Und – kannst du diesen ablenkenden Schirm analysieren?« »Nein. Jetzt nicht. Ich kann nur sagen, daß er von fünfdimensionalen Merkmalen aufwärts reicht. KK
Bomben würden ihn spalten, glaube ich, aber ich möchte niemanden verärgern, der solch einen Schirm schaffen kann. Für normales Licht und Wärme ist er völlig durchsichtig. Ich glaube...« Aarns Gedanken verloren sich. Carlisle schrie ein warnendes Wort. Anto Rayl bewegte sich plötzlich auf seinem Platz und drückte auf einen Schalter. Ein titanenhafter Transpon sprang auf das Ding zu, das aufgetaucht war. Es hatte einen Durchmesser von einer halben Meile, war blau, klar und durchsichtig, ausgenommen in der Mitte, wo sich ein großer dunkelroter Lichtfleck spreizte und wand. Er bestand aus einer unzählbaren, unerratbaren Menge von winzigen, dunkelroten Fasern, die sich in glänzendem, glühendem Licht durch die saphirene Strahlung der größeren Lichthülle hindurchwanden. Der Transpon traf ihn und eilte ungehindert, unwirksam durch ihn hindurch. Fast zur gleichen Zeit löste Spencer seine Sammlung von Waffen aus – aber alle waren unwirksam. Ein winziger kleiner dunkelroter Faden kam plötzlich auf die Nova zu, wurde zu einem ein Fuß dicken Seil, und als es gerade das Schiff zu berühren schien, schreckte es zurück krümmte sich doppelt und wurde tiefviolett. Hastig schnellte es zurück. »Impuls –«, sagte Aarn. Ein heftiger Traktorstrahl trieb auf das Ding zu, und die zarten dunkelroten Fäden wurden violett und erbebten. Das Ding tanzte und sprang, seine saphirene Substanz verbog und dehnte sich, zog sich zusammen, und langsam wich die violette Farbe auf den großen dunkelroten Knoten im Zentrum zurück. Plötzlich strömten kalte weiße Flammen aus ihm heraus, spülten gegen den Impulswellenstrahl und gegen das Schiff. Die
weiße Flamme berührte die Nova, und unvermittelt flammte der äußere Rumpf in unglaublicher Weißglut auf; er wurde zu einer nicht mehr erfaßbaren Temperatur erhitzt, und das eigenwillige fast nicht zu schmelzende Resistium explodierte in kleinen langsamen Dampfwölkchen. »Großer Gott!« rief Anto Rayl aus, »was ist das für ein Ding – kochendes Resistium!« »Kraft – lebende, bösartige Kraft!« keuchte Aarn. Er war schon tätig. Die Grünen Felder bewegten sich langsam nach außen, wandten sich gegen die weiße Flamme und tranken sie ein. Die unglaubliche Schlagfackel verblaßte plötzlich. Grüne Felder sanken in die Flamme und verschwanden in Bruchteilen von Sekunden. Langsam arbeiteten sie sich auf das Ding zu. Eines der Felder erreichte es schließlich und prallte zurück! Es steuerte auf die Nova zu! Da man das Grüne Feld nie unter Kontrolle halten konnte, bedeutete es eine ernste Bedrohung. Aarn jagte ein Dutzend anziehende Zentren hinaus, um es hereinzuziehen, unterbrach seine Projektion der Grünen Felder und fegte die Nova aus der Gefahrenzone heraus. Schneller als das Licht überholte die Nova die Grünen Felder. Aber das Ding folgte ihnen! Und so plötzlich, wie das erste erschienen war, entstanden eine Reihe weiterer neben der Nova. Tiefrote Fäden kamen hervor, vereinigten sich miteinander, und in einem Tausendstel einer Sekunde befand sich die Nova in einem weiten Netz herrlich glühender, fußdicker, dunkelroter Seile. Abrupt stoppte die Nova ihre Flucht. Der Pararaumantrieb versagte! Mit weißem Gesicht stellte Aarn ihn ab und warf die Impulswellen auf Maximalstärke an.
Die großen Seile um das Schiff wurden rotviolett, krümmten und drehten sich – aber sie hielten stand! Sie glühten noch intensiver; noch mehr dieser Dinge gesellten sich den Kameraden zu – immer mehr, bis das Blaue Universum von ihren rotglühenden Seilen übersät war. Die Nova bewegte sich wieder, aber nicht mit eigener Kraft! Schneller als das Licht begann das Schiff auf die dreifachen Sonnen zuzuschießen. »Es sieht so aus, als verlangten sie nach uns«, sagte Carlisle. »Wie wäre es mit den KK-Bomben?« »Ich habe Angst vor ihnen. Sie werden uns aus diesem Weltraum herausfegen, wenn ich sie aus der Nähe anwende«, erwiderte Aarn. Er stellte die Kontrollen ein. »Ich möchte wissen, was sie von uns wollen – was sie tun werden. Sie handeln, als wären sie intelligente Kräfte!« »Unangreifbare Kräfte«, meinte Spencer gespannt. »Das ist nicht meine Meinung. Ich glaube, sie besitzen die gleiche allgemeine Grundlage wie die Telatoskopwellen. Offensichtlich leben sie auf diesen Feuerplaneten! Wenn sie uns dorthin bringen wollen...« »Dann wäre das also der Grund für den telatoskopischen Schirm über jener Welt, die wir so gerne gesehen hätten! Es ist ein Beweis gegen diese Dinge!« »Dann gibt es dort eine andere Rasse. Ich möchte gerne wissen, was...«, begann Aarn. Und hielt in tiefer Verwunderung inne. Ein großer, dunkelroter Knoten war kräftig purpurfarben geworden, bog sich und wurde runzelig – und noch einer – und wieder einer. All die saphirenen und dunkelroten Dinger erloschen und schrumpften in ihm zusammen. Die Nova summte und dröhnte und wisperte mit schwachem häßlichem
Gemurmel. Das gegenüberliegende Ende des grünlichen Strahls erlosch, als die Blaue Welt, die sie entdeckt hatten, zur gleichen Zeit hinter dem undurchdringlichen blauen Schirm verschwand. Aarn bewegte sich. Er bediente einen Schalter, und hinter ihnen dröhnten mächtige Transpons protestierend auf. Sanft, mit dem schwachen Pfiff einer zerplatzenden Seifenblase, schwebten die schwarzen KK-Bomben aus dem Schiff heraus, durch das Blaue Universum hindurch und berührten das letzte der Dinger. Wie eine erloschene Kerze verpuffte es, und sein Glanz war augenblicklich vergangen. Gleichzeitig änderte sich der grüne Glanz, schwang herum und konzentrierte sich auf die KK-Bombe, von der er eingesogen wurde. Das zappelnde, widerliche Violett der Dinger veränderte sich, wurde wieder tiefrot, als seien sie von einer Spannung befreit. Dann eilten sie plötzlich zurück, und die roten Fäden webten und schwebten und zappelten umher. Sie verfielen aber den KK-Bomben und waren augenblicklich verschwunden. »Das sind vierdimensionale Gefüge – die fünfte Dimension verursachte sozusagen Kurzschluß«, sagte Aarn. Plötzlich wurde die Nova von irgend etwas erfaßt. Von etwas, das eine gewaltige Kraft hatte, und einen Augenblick lang schwamm das Schiff unklar in dem Blauen Universum während die riesigen drei Sonnen ins Ungeheure wuchsen und dann in Schwärze tauchten. Absolutes Dunkel sank herab, nur hier und dort leuchteten einige weit entfernte Sterne. Aarn schluckte. »Sie – sie wollen uns dort nicht haben«, sagte er respektvoll. »Ich wüßte gern, Carlisle, ob meine ironische Bemerkung nicht
doch wahr sein könnte! Ob deine kühne Spekulation nicht eine Tatsache ist! Ob es vielleicht ein synthetisches Universum war! Wer sie auch immer sein mögen, dort auf dem geschützten Planeten, sie wollten uns nicht haben, und sie wollten uns auch kein Leid antun. Daher – haben sie uns 'rausgeworfen!« »Wo sind wir denn?« fragte Anto Rayl. »In irgendeinem anderen All. In welchem? Ich weiß es nicht. Nicht in unserem und nicht in eurem. Aber wir können das unsere sehr bald finden, denn die Umgebung ist uns ja bekannt.« Wieder schwebte die Nova im Unklaren, die entfernten Sonnen wurden plötzlich groß und verschwanden dann für einen Augenblick. Sol schien enorm und strahlend. Auf der einen Seite schwebte die Venus in etwa zehn Millionen Meilen Entfernung, auf einer Seite der Sonne wurde die vertraute Erde sichtbar. »Eines Tages«, sagte Aarn leise, »eines Tages, wenn alles dies hier erledigt sein wird und wenn ich die Saphir haben werde – denn so werde ich das neue Schiff nennen –, werde ich in das Blaue Universum dort zurückkehren.«
10
Selbst auf der Oberfläche des riesigen Satelliten ragte das blaue, zylinderförmige Juwel, das in Anrels weißem Licht saphirblau erschien, ungeheuer groß auf. Es war fast vollendet, so vollendet jedenfalls, wie das menschliche Gehirn es jetzt und an diesem Ort schaffen konnte. Klein und silbern lag die Nova neben dem immensen Rumpf der neuen Saphir. Die Festreden waren fast zu Ende, und die
der Gäste von der Erde waren die längsten und trockensten gewesen. Die magyanischen Ingenieure und Physiker, deren Aufgabe es gewesen war, den Bau des Schiffes so schnell wie möglich zu vollenden, hatten wenig zu sagen. Der Magyanische Rat, der die Hauptarbeit bei der Unterstützung dieses Baues getan hatte, hatte noch weniger zu sagen. Die Gäste von der Erde die fast gar nichts damit zu tun gehabt hatten – die meisten von ihnen sahen das Schiff zum erstenmal –, hatten ungeheuer viel zu sagen. Aarn, Carlisle, Spencer und Anto Rayl hatten einige Worte in der Öffentlichkeit gesprochen und unterhielten sich nun privat, während der Präsident der Vereinigten Staaten der Erde lang und laut redete. »In etwa einer Stunde starten wir, nicht?« fragte Aarn. Anto Rayl schaute mißvergnügt auf den Präsidenten der Vereinigten Staaten der Erde. »Ich nehme an, du kennst ihn besser als ich. Was die Magyaner betrifft, können wir jetzt losfahren. Wohin gehen wir denn, wenn wir losgehen?« »Versuchsfahrt. Die Nova kommt mit, für den Notfall. Sie wird auch mit den Hauptleitungen des großen Schiffes als Reservestromaggregat verbunden werden. Wenn wir allerdings wirklich die Hilfe der Nova brauchten, wäre sie nur von geringem Nutzen bei der geringen Stärke, die sie hat. Aber – die Versuchsfahrt ist nicht viel mehr als eine Formalität. Dann noch – die unangenehme Aufgabe, nach dem toten Stern zu gehen: Er ist sogar noch schwerer als der, den ich das letztemal aufgesucht habe. Die Astronomen auf der Erde haben ihn durch Absuchen mit den Telatoskopen finden können. Dort werden wir etwa zwei bis drei Wochen Erd- und Magyazeit bleiben.« »Was hast du denn dort alles zu tun?«
»Ich weiß es nicht«, sagte Aarn unbehaglich. »Ich denke immer noch an das schreckliche Ding, in das ich mein Telatoskop verwandelt habe. Es gibt etwas, was ich da draußen tun muß, abgesehen von der klar vor Augen liegenden Aufgabe den Apparat für die Kosmische Konstante herzustellen. Was es auch immer war, was ich versuchte, als ich mein Telatoskop so verdreht hatte, ich muß es einfach herausbekommen und es dann herstellen. Vielleicht, wenn ich dort draußen lange genug nachgedacht habe – dieses Mal noch mit euch zusammen –, habe ich dann, wenn ich zurückkomme, noch eine Idee von alledem.«. Anto Rayl nickte. Er schaute den kolossalen Rumpf an. Viertausenddreihundertachtzig Fuß war er lang. Der Durchmesser des Mittelschnittes betrug zweitausenddrei huntertzehn Fuß. Eine solche Größe war nur durch die enorme Stärke des Duriums möglich, kein anderes Material hätte eine solch konzentrierte Masse tragen können. Im Verhältnis zu der Größe war nicht viel freier Raum an Bord. Die Saphir war fast ganz vollgepfropft, aber in ihrem Herzen befand sich ein großer Raum, der größer war als ein Bürogebäude mit vier Stockwerken, leer und bereit den Apparat aufzunehmen, den Aarn in den grauenvoll intensiven Gravitationsfeldern der Supersterne aufstellen mußte. Es vergingen noch zwei Tage vor der endgültigen Abfahrt des Schiffes. Aarn Munro, Spencer, Carlisle und Anto Rayl, auf dessen Anwesenheit Aarn bestanden hatte, waren Passagiere und Mannschaft zugleich. Mehr benötigte man nicht trotz der kolossalen Größe des Schiffes. Automatische Steuerungen überwachten es, automatische
Kontrollen, aus Telatoskopen gebildet, die von den Feldern, in die das Schiff bald geraten würde, unbeeinflußt blieben. Wirksam kämpfen konnte das Schiff mit so geringer Bemannung nicht, aber dies war ja aller Voraussicht nach auch keine Reise, auf der gekämpft werden sollte. Herrlich blau, majestätisch und riesig groß stieg die Saphir auf. Als sie Magyas Weltraum durchschnitten hatte, verschwand sie in den Weltraum der Sonne, aber ihre Fahrt ging nicht zur Erde, sondern zu einem neuen Stern, einem Stern, der im Durchmesser so klein war wie Mars, aber fünfzehnmal so schwer wie die Sonne! Bei zwanzig Millionen Meilen Entfernung machte Aarn halt. Die Felder fingen an, intensiv zu werden. Aus dieser Nähe glitzerte der Stern weiß, glänzendweiß, und heiß. Dann rückte die Saphir näher. Langsam, sehr langsam, während die Männer zusahen, wie die Winkel und Bogen ihrer Kabinen sich aus ihrer Form drehten und wanden, sich praktisch aus dem Raum herausdrehten. Bei einer halben Million Meilen hielten sie an. Spencer beantwortete Aarns Frage. »Ich persönlich glaube – das reicht etwa – diese Portion. Es ist ziemlich unangenehm.« Er schaute um sich in einer Kabine, die unheimlich verbogen, unheimlich fremd und doch vertraut war. »Ob deine Notizen hier wohl leserlicher sind?« Aarn schaute nach draußen und erhob sich. Er lächelte leicht, und das seltsame Licht war wieder in seinen Augen. »Nicht schlecht. Ich fange wieder an zu denken«, sagte er leise. »Ich glaube, die Notizen kann man nun besser lesen.« Er holte die Notizbücher hervor und legte sie auf den Rechentisch, während die anderen um ihn herumstanden.
Die Bogen der Schrift waren seltsam, unförmig. Die Buchstaben waren gebrochen, tauchten in unmöglicher Weise durch die Seiten hindurch in andere Seiten hinein und kehrten in einer vollkommenen Schleife wieder. Als Spencer das sah, schmerzten ihn die Augen, und er hatte das Gefühl, als ob sein Kopf bersten würde. Er schaute weg. »Lege sie noch beiseite, Aarn!« keuchte er. Aarn lachte leise und entzückt. »Nein, Spence, nein. Ich kann sie jetzt verstehen. Plötzlich habe ich alles gesehen. Ich kann sie jetzt ganz leicht lesen. Sieh – folge dieser Bleistiftspitze!« Er ergriff einen Bleistift und folgte langsam der Linie eines Buchstabens. Dann tauchte er plötzlich in und durch das Papier – und war doch auf der Oberfläche dieser Seite! Und als das geschah – knackte es in Spencers Gehirn, ein Schnitt ein enthüllender Knacks – und ganz unvermittelt waren die Seiten einfach und verständlich. Er keuchte leise. Ungewiß, mit immer noch verwunderten Augen, schaute Carlisle zu. Er fühlte eine schreckliche, verrückt machende Anspannung in den Augen; aber wie Spencer Aarn beim Nachziehen der Buchstaben zuschaute, kam es wie eine Erleuchtung über Carlisle und auch er sah. Die angespannten Augen wurden klar, und er lachte leise, gerade als Anto Rayls Keuchen in dem seltsamen Raum zu hören war. Spencer schaute auf. Auch er sah jetzt den Raum. Er sah und verstand und kannte die Geometrie dieses Ortes, und mit Leichtigkeit erkannte er, warum das Ding war, wie es war. Aarn lächelte. »Ich werde mal nach dem KosmischenKonstante-Apparat in der Nova sehen«, verkündete er.
Spencer begleitete ihn. Nach einer halben Stunde kamen sie zurück. Das gleiche Ansehen einer seltsamen, ruhigen Macht war um ihn, das Aarn jetzt einzuhüllen schien. In den Händen trug er den Telatoskopapparat, den Aarn an jenem Tag in der Nähe des Neptun verdreht hatte. Als Carlisle den Apparat anschaute, erlebte sein Gehirn einen weiteren seltsamen Übergang, während seine Augen Spencers Händen folgten, die einen der grausigen, verwickelten Vorsprünge zu liebkosen schienen. Er verstand. »O ja – ich glaube, ich verstehe, was du meintest –, das Atom ist unendlich!« Dann erschauerte er plötzlich. »Aarn, es wird nirgends mehr eine Sicherheit geben, wenn das da existiert.« Aarn wandte sich ihm zu. Einen Moment lang ruhten seine Augen auf Carlisle, und in diesen Augen sah Carlisle etwas, das ihn ernüchterte und beruhigte. »Ich werde es tun, Carlisle. Zunächst aber müssen wir näher an den Stern herangehen. Ich glaube, er wird uns jetzt nicht stören, denn wir haben uns angepaßt. Vorher, sogar damals, als ich den Kosmischen-Konstante-Apparat machte, habe ich mich nicht angeglichen, folgte lediglich der Mathematik, die diesem Weltraum angepaßt war. Dieses Ding wird getan werden, und dann wird es den Centauren leichter sein, mit sich und uns in Frieden zu leben.« Die Saphir bewegte sich noch näher an den riesigen Zwerg heran. Ohne Antischwerefelder kreiste das Schiff in seltsamen, korkenzieherartigen Bahnen um den unglaublichen Stern. Und die Wände verdrehten und veränderten sich, und alle Dinge im Schiff wurden anders. Seltsamerweise aber erschien das den Männern im Schiff ganz normal.
Aarn schaute wieder auf den Telatoskopapparat und auf Carlisle. Auf ein Stückchen Papier zeichnete er eine Figur auf, in dem Papier und durch das Papier hindurch, und Carlisle sah ein Atom und wußte, warum es sich verband, um Wasser oder Tetrachlorkohlenstoff oder Methan zu bilden und sah auch, warum es unter einer Elektronenbeschießung Röntgenstrahlen abgab und erkannte, daß es in seiner Größe unendlich war. Zusammen mit Aarn begann er die Berechnungen, während Spencer und Anto Rayl die Maschinen bauten und, unter gelegentlichen Hinweisen von Aarn oder Carlisle, Ultraelemente herstellten und sie zu Platten und Formteilen machten. Die Tage vergingen. Spencer schmiedete seine unglaublichen Werkzeuge, die das Innere einer versiegelten Kugel aus reinem Durium aushöhlen und große Elektroden aus Ultraberyllium, das mit Ultraschwefel isoliert war, hineinbringen sollten. Dann kam das Herstellen des Apparates selbst, der in dem großen leeren Raum, der dafür vorgesehen war, aufgestellt werden sollte. Und für diesen Bau wurden die Tonnen Material, die sie mitgebracht hatten, um ihn herzustellen, verwendet und weiterer Raum dadurch frei. Schließlich war der neue Apparat fertig. Er besaß eine Empfangsbühne, die so groß war wie ein Ballsaal, aber wesentlich höher, und geräumig genug, um einen Leichten Kreuzer zu beherbergen. Die gigantischen Röhren und Spulen, die die Anlage mit Strom versorgten, waren so verzerrt und verdreht wie das menschliche Gehirn es nur hier fassen konnte, wo der Weltraum selbst verzerrt und verzogen war.
Als der Apparat kurz vor der Vollendung stand, kam Aarn dessen Berechnungen endlich fertig waren, und schaute ihn an. »Er ist sicher«, sagte er ruhig und wandte sich zu Carlisle und Spencer und Anto Rayl. »Ich hätte ihn nicht gemacht wenn ich nicht gewußt hätte, daß er sicher ist. Kein Gehirn das nicht diese Erfahrung gemacht hat, wird ihn nachahmen können. Und dank unserer Analyse des Schirmes des Blauen Universums wird kein Mensch in der Lage sein, ihn zu sehen. Dieses Schiff ist gegen das Telatoskop geschützt. Sollten sie den Apparat doch entdecken, können sie unmöglich auch einen bauen, es sei denn, daß sie hierherkommen. Und nur ein durch und durch vollkommenes Gehirn kann sich hier einfügen. Einer, der geistig schon etwas verdreht ist, ehe er hierherkommt, wird hier hoffnungslos und absolut umgeworfen werden – wird seine eigene Vernichtung verursachen. Der Apparat wird sicher sein.« »Wie können wir ihn aber ausprobieren?« »Dazu besteht eigentlich keine Notwendigkeit, aber wir wollen uns darum später kümmern. Ich meine, es wäre das beste, wir machen alles fertig und kehren zurück. Wieviel Zeit ist auf der Erde vergangen?« Aarn schritt zu dem Tisch, auf dem der kleine Telatoskop-Zeitapparat aufgestellt war. Auf seinem Schirm hielt er automatisch das Bild einer einfachen, elektrischen Kalenderuhr fest, die ungezählte Septillionen von Meilen entfernt auf der Erde sich befand. Aarn schaute und – fuhr zurück. »Spencer – Carlisle, Anto Rayl!« rief er heftig. »Seht...« Sie sahen. Dort, wo die kleine Uhr hätte stehen sollen, war eine Menge rauchenden, zersplitterten Holzes und
Metalls. Heiße rötliche Flammen tanzten auf. Aarn schaltete den Tonschalter ein, und man hörte das heftige Knistern des Feuers. Das Knistern des Feuers – und eine etwas mechanische Stimme, die aufgeregt und angespannt rief: »Aarn Munro, Aarn Munro, kehre zurück! Kehre sofort zurück! Die Centauren haben mit uns gemacht, was du mit Teff-El gemacht hast; sie werfen die Planetoidforts auf die Erde. Zwei Drittel des Weges haben sie schon, und unsere Schlachtschiffe können sie nicht aufhalten. Kehre zurück!« Eine kurze Pause, ein metallisches Klicken – dann ertönte wieder die Botschaft: »Aarn Munro, kehre zurück!« Aarn stellte den Tonschalter ab, und das Feuer brannte lustig auf der kleinen Bühne. Als er es gedankenvoll betrachtete, erschien eine Hand und fügte ein zerbrochenes Stückchen Holz und ein bißchen Teer hinzu, das einen Moment lang aufrauchte, dann, sah man nur noch schwarzen Rauch. »Ein kluger Gedanke! Und so ungefähr der einzige Weg, wie sie mit mir in Berührung kommen konnten. Ich – möchte gern wissen...« Versonnen schaute er den fast vollendeten Apparat an und lächelte still vor sich hin. »Ich weiß einen Weg, wie wir ihn großartig prüfen können, Spence«, sagte er lächelnd. »Wir werden die Fertigstellung ein bißchen beschleunigen müssen. Hier ist ja doch der einzige Platz, wo wir daran arbeiten können. Also, laßt uns weitermachen! Es hat keinen Zweck, daß wir zurückkehren, ehe wir dieses Ding hier fertig haben.« Sie begannen mit ihrer Arbeit, und Aarn lächelte, als die gigantischen Elemente des Apparates in die richtige Lage geschmiedet und verbolzt wurden.
11
Marl Thorn, Kommandant der Vereinigten Streitkräfte, schaute auf das Telatoskop und biß sich auf die Lippen. Die Arbeit an den großen Befestigungen wurde mit äußerster Kraft vorwärtsgebracht; auf der anderen Telatoskopbühne aber waren zwölf riesengroße, annähernd kugelförmige Metallmassen zu sehen, die sich stetig und unerbittlich vorwärts bewegten und sich sehr langsam umeinander drehten. Ein Schwarm menschlicher Schlachtschiffe hing respektvoll dreihunderttausend Meilen von ihnen entfernt und überschüttete sie mit jeder Art Zerstörung. Die größten Transpons, die sie herstellen konnten, wurden auf dem Transponleitwall der großen Forts vernichtet. Die Planetoidforts, die die Menschen vorbereitet hatten, waren noch nicht entwickelt genug, um wirksam eingreifen zu können. Auf der einen Seite schleppten ein halbes Dutzend Schlachtschiffe und eine große Flotte aus Leichten und Schweren Kreuzern eine riesige Metallmasse mit einem Durchmesser von fast fünfzig Meilen ab. Hunderte von gewaltigen Impulswellen-Traktorstrahlen vereinigten sich, um diese Masse mit höchster Beschleunigung in die richtige Lage zu bringen. Marl Thorn und sein Stab schauten gespannt zu. Unter den Centaurenforts, die auf die Erde zutrieben, entstand eine leichte Bewegung. Ihre Masse war enorm, und selbst die gigantischen Antriebsmotoren in ihnen reichten kaum aus ihnen eine große Beschleunigung zu übertragen. Darüber hinaus stießen die Schlachtschiffe, die um sie herum waren, sie mit allen Druckstrahlen, die sie
aufbringen konnten, an. Die Metallmasse, die von der Erdflotte geschleppt wurde und die ständig an Impuls zunahm, schien eine tödliche Bedrohung für sie. Vielleicht – vielleicht konnte man irgendeinen wirksamen Schlag inszenieren. Die Forts der Centauren schienen zu einer Art zufriedenstellender Einigung gekommen zu sein – zur Bestürzung der Menschen machten sie keinen weiteren Versuch, der Metallmasse auszuweichen! Diese nahm schnell an Geschwindigkeit zu, und schließlich ging die abschleppende Flotte ihr in einer Entfernung von einer viertel Million Meilen hastig aus dem Weg. Die Masse bewegte sich jetzt mit gut dreißig Meilen pro Sekunde. Selbst in diesem Fall blieben noch zwei Stunden. Die Schiffe arbeiteten jetzt mit den weniger wirksamen Druckstrahlen. Die Forts benutzten einfach Traktorstrahlen. Alle Forts auf der einen Seite arbeiteten mit Druckstrahlen, alle Forts auf der anderen mit Zugstrahlen. Trotz der Versuche der Schlachtschiffe, die Metallmasse zu lenken, wurde es langsam klar daß die halbe Hoffnung in Wirklichkeit keine Hoffnung war. Die große Masse des Planetoiden ging harmlos durch das Zentrum der Formation der Forts hindurch. Dann schlossen sie sich wieder in ihren unbarmherzigen Bahnen zusammen. Drei Tage vergingen, und der Stab beobachtete grimmig, wie die Forts näher rückten. Dann, am dritten Tag, kamen sie in eine Entfernung von einer viertel Million Meilen vom Mond. Endlich war es der Erde möglich, mit wirksamen Waffen zu antworten. Transpons. Einfach reine, brutale Energie. Jetzt war nicht die Zeit für die Feinheiten neuer Waffen;
jeder hatte alle Fähigkeiten des anderen, und jetzt hatte jeder alle Macht des anderen. Die Transpons des Mondes und der Erde selbst schossen hervor, Transpons, die größer waren, als sie selbst die Forts bewältigen konnten. Ihre reine, flammende Energie hielt die Forts in Schach. Aber – die Forts konnten eine weit größere Energiekonzentration aushalten als die Erde. Luna konnten sie ausweichen, indem sie auf die abgelegene Seite der Erde gingen. Und von dort schickten sie, was sie konnten, an Strahlen aus, und zwar aus einer solch nahen Lage, wie sie es eben selbst noch mit einiger Sicherheit ertragen konnten. Die Erde war ungeheuer groß. Man brauchte eine riesige Menge Energie, um ihre Temperatur merklich zu verändern; während aber die Forts eine Temperaturänderung von einhundert Grad aushalten konnten, war es der Erde nicht möglich, den vierten Teil dieser Veränderung ohne schwerwiegende Folgen zu ertragen. Langsam, langsam wurde die Temperatur der Erde in die Höhe getrieben. Es gab große Schirme auf der Erde, die sie gegen die tödlichen Strahlen schützten. Aber es gibt nichts, was das Vorhandensein reiner Energie aufhalten kann, und wenn Energie existiert, muß irgend etwas sie binden. Die Erde absorbierte die Energie, absorbierte sie tonnenweise, und langsam stieg die Temperatur an. In der nördlichen Hemisphäre, wo Winter war, bedeutete das schweres Tauwetter; im Süden, wo Sommer war, eine fürchterliche Hitzewelle. In den Tropen, wo es sowieso schon heiß war, wurde das Leben unerträglich. Fünf Tage, nachdem die Forts ihre Stellung vor der Erde bezogen hatten, war die Temperatur im Durchschnitt um
elf Grad gestiegen. Kein großer Anstieg – und doch bedeutete er unsagbare Qualen. Er bedeutete Überschwemmungen, als die großen Gletscher schmolzen und der Boden plötzlich zu weichem Schlamm wurde. Er bedeutete überall auf der Erde Tornados, die sich unter dem schnellen Temperaturanstieg bildeten. Und am fünften Tag stürzte ein völlig verwirrter Bote in das Büro des Stabes herein. »Kommandant! – Kommandant! Dr. Munro hat geantwortet – er... Die letzte Botschaft, die wir ausschickten – ›Sie werden dringend gebraucht‹ – und plötzlich sagte seine Stimme direkt neben mir: ›Das sehe ich. Behalten Sie die Ruhe! Ich werde bald dort sein. Inzwischen wollen wir mal das dumme kleine Feuer löschen. Es muß ja mein ganzes Laboratorium verpesten.‹ Und – auf einmal war das Feuer verschwunden! Das Feuer und ein Stück des Pultes!« Marl Thorn und seine Generale sprangen auf. »Halten Sie den Mund und kommen Sie mit!« sagte der Kommandant kurz, als er den Korridor entlangeilte. Er hatte die Hälfte des Korridors hinter sich, als ein zweiter Bote hereinstürzte. »Kommandant!« rief er dringend, »Kommandant! Der Untersuchungskommissar MacMarlin möchte Ihnen über die neueste Entwicklung berichten. Die Centaurenforts scheinen Schwierigkeiten zu haben, und es wurden Befehle erlassen, daß sie sich sofort zurückziehen sollen!« Marl Thorn blieb stehen und schaute langsam den Boten an. »So«, sagte er. Immer noch schaute er den aufgeregten Boten an, der aus Aarns Laboratorium gekommen war. »Ich glaube, ich verstehe«, nickte er. »Worin besteht die Schwierigkeit, von der sie betroffen sind?«
»Schauen Sie in die Telatoskope – schauen Sie in irgendeines der Forts hinein!« rief der Bote aus. »Ich kann es nicht erklären, aber Teile ihres inneren Mechanismus verschwinden einfach!« Marl Thorn kehrte in sein Büro zurück. Sein Kameramann hatte das Telatoskop schon auf das Innere eines der Forts eingestellt. Auf den Stromraum. Er sprang auf, als Marl Thorn eintrat. »Sir, es tut sich was«, begann er. »Jawohl«, sagte eine andere Stimme. »Es wird aber jetzt aufhören, bis ich ein bißchen näher bin. In der Zwischenzeit ziehen sich Ihre Feinde zurück.« »Aarn Munro!« Marl Thorn seufzte erleichtert. »Das habe ich mir gedacht.« Eine halbe Stunde später erschien die Saphir zwischen der Erde und dem Mond. Aarn Munro saß am Steuer seines mächtigen Schiffes, das mit einer Waffe ausgerüstet war, wie sie nie zuvor jemand gesehen hatte, eine Waffe, der absolut nichts widerstehen konnte, die Waffe der Waffen. Vor ihm, im Telatoskop, war der Steuerungsraum des am nächsten liegenden Centaurenforts zu sehen. Der Kommandant arbeitete, stellte seine Stromkreise selbst ein, und der kleine Raum war mit den großen Centauren überfüllt. Offensichtlich waren alle Offiziere im Dienst. Aarn beobachtete und folgte mit feinster Genauigkeit den Bewegungen des Centaurenkommandanten. Mit einer endgültigen, trotzigen Geste schickte der einen kräftigen Transpon auf die Saphir los. Die automatischen Kontrollen zerstörten den Strahl unverzüglich, so daß er einfach in ein Loch schwarzen Weltraums verschwand, ohne daß sich irgendeine Wirkung zeigte.
Gerade als der Centaurenkommandant einen großen Kontrollhebel ergreifen wollte, der die Kraft des Transpons steigern sollte, machten Aarns Finger eine kleine Bewegung. Und vor den erstaunten Augen des Centauren schmolz der Kontrollarm langsam weg, wurde verschwommen, durchsichtig, bis er schließlich mit einem leichten Puffen einströmender Luft verschwand. In der Saphir, hinten in dem großen Raum, den Aarn freigelassen hatte, als er seinen neuen Apparat aufstellte, ertönte ein schwerer, metallischer, dumpfer Knall. Aarn lächelte grimmig. Der Centaur streckte die Hand aus und griff sprachlos durch die Lücke, wo der Hebel gewesen war. Die Offiziere starrten ihn an, und ein Strom von Worten floß aus seinem Mund. Die gesamte Steuerungstafel wurde verschwommen, durchsichtig und verschwand. Plötzlich sprach der Kommandant. Die Männer eilten zu neuen Stationen, und schwerfällig versuchte das Fort, Geschwindigkeit zu gewinnen und zu entkommen. Und als es sich mit seinem Riesenrumpf methodisch drehte, ertönte das leise Puffen einströmender Luft. Mit jeder leisen Explosion erschien außerhalb des Forts irgendein massives Apparatestück. In fünfzehn Minuten hatte das wesentlich erleichterte Fort rapide Geschwindigkeit gewonnen. Es war jeglicher Bewaffnung und Abwehrausrüstung entblößt worden. Als Aarn mit der Saphir auf der Erde landete, befanden sich alle Forts auf dem Rückzug. Marl Thorn und sein Stab gesellten sich zu dem Schiff, gingen an Bord und begrüßten Aarn. Als Marl Thorn ihm gegenüberstand, hielt er inne und schaute ihn eingehender an. Langsam schlug
der alte Magyaner die Augen nieder. Aarns graue Augen schienen zu glühen, und Aarn erkannte zum erstenmal, daß er nicht länger so wie die anderen Menschen war. Marl Thorn konnte nicht in diese tiefliegenden grauen Augen sehen. In diesen Augen lag ein Verstehen, ein Verstehen, das dem aller Menschen um zehntausend Jahre voraus war. Endlich sprach Marl Thorn. »Sie haben den Feind geschlagen Dr. Munro. Für die Dauer?« »Ja, Kommandant Marl. Für die Dauer. Er verfügt über nichts, was der Waffe, die wir nun besitzen, widerstehen könnte, und ich sehe auch keinerlei Möglichkeit, daß die Centauren diese Waffe entwickeln. Was nun diese Waffe angeht, so besteht keinerlei Notwendigkeit, sie zu vervielfältigen und die anderen Menschen wissen zu lassen, was sie ist. Es ist zu gefährlich. Es ist eine einfache Weiterentwicklung des Telatoskops, die allerdings nur verständlich ist durch eine Kenntnis der Physik im fünfdimensionalen Raum. In ihrer Wirkung ist sie eine Umkehrung des Telatoskopprinzips. Dem Anschein nach heben wir einige der sich unendlich ausdehnenden Atomwellen nicht auf an dem Punkt, wo wir uns befinden, um in verminderter Intensität das Atommuster zu reproduzieren, das wir zu untersuchen wünschen. Die Waffe ist nichts weiter als ein Gerät, das die Materiewelle durch Interferenz aufhebt, und zwar an dem Platz, an dem das Atom ist. Am sichersten ist es, wenn man dem Atom gestattet, sich neu zu gestalten – das heißt, sich eine neue, nicht aufgehobene Position aufzubauen – an anderer Stelle. Aber es ist ebenso einfach, seine Energie völlig freizugeben. Mit dieser Waffe kann ich die Energie eines jeden Atoms irgendwo in diesem Weltall freilassen
oder jede Materie, die irgendwo im Universum sich befindet, an diesen Punkt heranbringen und das Atom veranlassen, dort aufhören zu sein, wo es sich befand. Verstehen Sie seine Kräfte?« »Undeutlich«, seufzte Marl Tharn. »Sie möchten nicht, daß irgend jemand den neuen Apparat sieht? Oder würden Sie bei uns eine Ausnahme machen?« Aarn lächelte. »Tausende haben ihn schon gesehen. Die Luft um uns herum ist lebendig mit TelatoskopFinderwellen. Zweifelsohne haben sie ihn gesehen – und haben sich eiligst abgewandt. Haben Sie schon versucht, ins Innere des Schiffes zu schauen?« »Ja – und das Bild schreckte zurück.« »Das ist der einzige Schutz für die Waffe. Das Telatoskop kann sich der Reichweite dieses Feldes nicht nähern. Es ist eine Struktur, die der der KosmischenKonstante-Bomben sehr ähnlich ist; sie baut sich auf aus den fünfdimensionalen Konstanten und macht die Atomanordnung der Saphir unfaßbar. Praktisch ist es ein Raum an sich mit keinerlei äußeren Gravitationswirkungen. Ich habe diesen Schild örtlich abgeschwächt, um den Zugang möglich zu machen.« »Dürfen wir den Apparat sehen?« Schweigend führte Aarn sie durch das Schiff in den großen Mittelraum. Geräte häuften sich an den Wänden und stiegen hoch bis auf zweitausend Fuß hinauf, daß sie fast außer Sicht waren. Als sie eintraten, lag direkt vor ihnen ein Haufen Schrott. Ein Stapel verschiedener Abfälle, Eisen, Kupfer, Wolfram, Glas. Er war fünfzig Fuß hoch und bedeckte zehntausend Quadratfuß. Abfall. Zum alten Eisen geworfene Teile der Bewaffnung der Forts.
Aber zuerst sahen ihre Augen das nicht. Sie sahen den Berg aus Röhren und Platten und Spulen. Seltsame Dinger. Augenverzerrende Dinger. Dinger, auf die Aarn und Spencer und Anto Rayl voller Stolz und Verständnis schauten: fließende, elegante – aber unmögliche – Krümmungen. Die Augen der anderen schmerzten und spannten sich bei diesem Anblick. Marl Thorn beruhigte seine Augen, indem er auf den Schrottstapel blickte. »Ihr habt alles das gemacht?« fragte er. »Wenn man die geeigneten Werkzeuge und unbegrenzte Strommengen hat, ist es nicht schwierig«, erwiderte Aarn. »Da draußen. Jetzt – ich glaube, ich könnte es wiederholen.« Marl Thorn schaute ihn einen Augenblick lang an. »Ja« sagte er endlich, »Ich glaube, Sie könnten es.«
12
Aarn schaute auf den Neptun hinab. Mächtige, gewellte Ebenen gefrorener Luft, mächtige Gletscher aus gefrorenem Kohlendioxyd, dazu die gigantischen Werke der Centauren. Da unten arbeiteten sie eifrig, um den Planeten in Form für einen Angriff auf die Saphir zu versetzen. »Sie würden immer noch kämpfen«, nickte Aarn. Die Saphir eilte stetig näher und näher an die großen Forts auf dem Planeten heran. Jäh schien die ganze Welt in eine Flamme von Transpons, Ultras und gigantischen Bomben getaucht zu sein, die auf das große blaue Schiff zielten. Transpons, Ultras, Bomben – sie alle verschwanden ohne
irgendwelche sichtbare Wirkung: unverletzt schwebte die Saphir dahin. Allmählich, als das Schiff näher kam, zeigten sich winzige Fünkchen eines weicher. violetten Lichts, wenn Bombe oder Strahl verschwanden, und sie wurden stärker, als der Angriff noch konzentrierter wurde. Bei zehntausend Meilen war die Saphir mit einem Netz von weichen violetten Fünkchen bestreut, die kamen, verschwanden, erstarben und wieder ersetzt wurden. Die ganze Offensivkraft des Kriegsplaneten schlug mit zorniger Majestät auf das Schiff ein – und verschwand in sanftem, violettem Leuchten. »Gibt es eine Grenze für seine Leistungsfähigkeit, Aarn?« fragte Anto Rayl. Aarn nickte. »Es gibt immer eine Grenze. Selbst die Spannung, die der Weltraum aushalten kann, ist begrenzt. Die Grenze liegt enorm hoch; auch mit dem, was wir hier haben. Unsere äußere Angriffsfläche ist von bestimmter Größe, und die kleine Schaustellung violetter Flamme bedeutet einen gewissen Grad der Anspannung, wo die Wirkungsfläche mit Energiekonzentration überschwemmt wird.« »Energie kann nicht zerstört werden, aber wo geht sie hin?« »Energie kann zerstört und sie kann geschaffen werden. Das Gesetz, das du erwähntest, findet nur in diesem Weltraum Anwendung; wenn wir die Betrachtungen aus anderen Welträumen hineinbringen, besonders die des Pararaums dann ist dieses Gesetz ohne Bedeutung, so sinnlos, wie wenn man sagen würde, daß die Geschwindigkeit des Lichtes nicht übertroffen werden
kann, und diese Feststellung nicht durch ›in diesem Weltraum‹ näher bestimmen würde. Die Energie dort wird, soweit dieser Weltraum betroffen ist, zerstört. Sie wird absolut wirkungslos; aus diesem Weltraum heraus. Ich bekämpfe sie nicht, ich zerstöre sie. Aus diesem Grunde ist das neue System dem alten so unendlich überlegen. Ich werde in diesem Weltraum einige Energie schaffen. Sie wirklich schaffen. Das macht das Gerät R-438-21. Sieh zu!« Urplötzlich erschien über einem der Forts eine schwarze, alles absorbierende Kugel. Ein Transponstrahl, der durch den Weltraum auf die Saphir zuschoß, beugte sich, griff um sich und verschwand in der schwarzen Kugel. Einen Moment, ehe er sie jedoch berührte, sprangen weiße Flammen aus der Kugel auf. Wie eine langsam fallende Kaskade aus reiner, schneeweißer Flamme strömte Energie aus. Sie ergoß sich aus der Kugel heraus und eilte auf das Fort hinunter. Aarn war jetzt in keiner Weise durch solche Umwege wie Motoren und Umformer beschränkt. Er formte nicht die Energie der Materie in Strahlung um. Nach einem höheren Gesetz als irgendein Gesetz dieses Weltraums schuf er Energie, reine Energie, ohne Form. Und den Gesetzen des Weltraums gehorchend, suchte sie Form. Sollte es Aarns Wille sein, war sie unendlich in Menge und Maß. In langsamen Bändern floß sie auf das Fort hinunter, eine Wand wankender, formloser Energie. Ein Teil davon nahm die Gestalt von strahlendem Licht an und wurde sichtbar. Ein Teil gewann Form als Hitze und war fühlbar. Ein Teil wurde Materie und Substanz, die glühte. Der
größte Teil traf auf das Fort auf und nahm Gestalt an als kinetische Energie schwirrender Gasmoleküle. Im Tausendmillionstel einer Sekunde verschwand die hundert Fuß dicke Metallmauer des Forts als unsichtbares, heißes Gas. Benötigte Pferdestärken? Der Begriff der Leistung hatte keine Bedeutung. Es war geschaffene Energie. Nicht freigegeben, noch umgeformt, sondern geschaffen aus dem formlosen, zeitlosen, gesetzlosen Weltraum. Da Leistung Zeit einschließt und diese Energie weder Zeit noch die Gesetze der Zeit kannte, war sie unendlich an Pferdestärken, Zeit und Ausmaß. Auf dem Neptun rührten die Centauren sich wieder. Sie strömten in ihre Schiffe, und verschwanden unvermittelt in unendliche Entfernung – oder unendliche Kleinheit. Spencer schaute fragend auf Aarn, der langsam nickte. Er deutete auf den neuen Apparat, der vor ihm ruhte. Drehscheiben, deren Zuleitungen sich wanden, drehten und ins völlige Nichts verschwanden, begannen in Bewegung zu geraten, ruhten einen Moment und bewegten sich dann wieder. Sie kehrten auf Null zurück und wiederholten exakt das Ganze. Plötzlich schien Aarns Körper sich zu verschieben, zu verdrehen und unbeschreiblich verkehrt zu werden. Mit einem seltsamen Verstehen, das ihn verwirrte, schaute Spencer diesem Wechsel zu und stellte auf einmal fest, daß die Schiffskabine um ihn herum sich veränderte, während Aarn wieder normal zu werden schien. Aarns Gedanken erreichten ihn, seltsamerweise direkt, ohne die Vermittlung des Tones. »Du bist mir gefolgt«, sagte Aarn. »So«, sagte Spencer und blickte um sich. »Ich dachte, daß das sein müsse.« Er schaute durch die Wände des
Schiffes nach draußen. Zwischen ihm und dem Weltraum lagen fünfzehn Fuß saphirblauen Duriums; aber als er sich bewegte – verrenkte er seinen Hals? –, sah er die Duriumwände plötzlich weich gerundet und fest – unter sich? um sich herum? – und er schaute darüber hinaus und darüber hinweg. Auf dem Neptun lag ein großer Geleitzug offen da, der beladen war mit zappelnden, schnell sich sammelnden Centauren. Er sah über die Wände hinaus, sah die Centauren und über sie hinaus. Es waren lediglich Linienzeichnungen, doch erkennbar, und sie waren ihm so nah, wie er es nur wünschte. Als er seine Aufmerksamkeit auf Aarns Bemerkung hin auf einen einzelnen in dem Steuerraum konzentrierte, sah er diesen sich bewegen, und jäh schien das Centaurenschiff feste Gestalt anzunehmen; er wußte, es hatte sich in den fünfdimensionalen Pararaum hinein begeben. Dann schrumpfte es wieder in der Entfernung. In bezug auf das Schiff hatte er seine teleskopische Kraft verloren. Gleichzeitig sah er plötzlich – wie durch eine Luke –, wie das Blaue Universum das Centaurenschiff umgab; dann konnte er wieder in das Innere des Schiffes blicken. Er sah, wie der Centaurenkommandant seine Steuerungen neu einstellte und sich bewegte. Das Blaue Universum entschwand, als das Schiff fest wurde. Plötzlich schwand es in unendliche Entfernung dahin, und er verlor es aus dem Blickfeld. Die festen Duriumwände der Saphir ragten schützend um ihn auf. Er seufzte tief und schaute auf Aarn. Aarn saß neben ihm, normal, greifbar real. »Ich sah seine Einstellungen. Die Instrumente zeigten sie jedenfalls an; es ist jetzt leicht, seine Position zu verstehen.
Wollen wir gehen?« »Wie steht es mit den restlichen Centauren hier auf dem Neptun?« fragte Anto Rayl. »Und denen in Magyas Universum?« Aarn rührte sich, glitt zur Seite und wurde verbogen. Einen Augenblick lang schienen sein Kopf und seine Schultern unwesentlich, unwirklich, dann war er jählings wieder normal. »Sie verlassen jetzt Magyas Universum. In das Blaue Universum und heim. Sie verlassen Neptun so schnell wie möglich. Es ist nicht nötig, ihnen noch mehr Kummer zu bereiten. Eine Drohung in ihrem Zuhause wird ihren Abzug mehr beschleunigen als irgendeine Kampfhandlung hier.« Anto Rayl nickte. Unvermittelt verschwand der Planet unter ihnen in nebliger Expansion. Einen Moment lang flutete das seltsame blaue Licht des Blauen Universums herein, die riesigen dreifachen Sonnen glühten, und die Blauen Welten erschienen in weiter Entfernung. Eine ganze Weile schaute Aarn sie sehnsüchtig an. Dann rührte er sich wieder. Vor ihnen erschien Malc. Trüb, rot, winzig. Seine Planeten, die fast so massiv wie Malc selbst waren, reichten weit in den Weltraum hinein. Und das zweifache planetarische System von Tosk kreiste wie eine langsame Hantel knappe anderthalb Millionen Meilen von Malc entfernt. Selbst Aarn schnaufte vor Überraschung. »Kein Wunder daß das den Astronomen entgangen ist! Ein so kleiner, so absolut gewöhnlicher und so trüber Stern.« »Was willst du tun, Aarn?« »Tja –« Aarn lächelte. »Vergeßt nicht, ich könnte den
Planeten dort auseinandernehmen und ihn an irgendeiner anderen Stelle wieder zusammensetzen, wenn ich genügend Zeit hätte. Mit der Anlage, die Energie schafft, müßt ihr wissen, bin ich in keiner Weise eingeschränkt. Sie übertrifft jedes Gesetz, das diesem Weltraum bekannt ist. Wir kennen ihre Grenzen, wissen aber, daß sie in Ausdrücken dieses Weltraums nicht auszudrücken sind. Aber...« Ein glückstrahlendes Lächeln ging über Aarns Gesicht. Spencer wußte, daß es eine wunderbare vollständige Idee für eine geeignete Strafe bedeutete. »... zuerst muß ich mit ihren Kommandanten in Berührung kommen.« »Wie?« wollte Anto Rayl wissen. »Die Gedankenprojektoren«, erwiderte Aarn. »Erinnerst du dich, wie ich dir von den Myryanern auf dem Unglaublichen Planeten und von ihrem telepathischen System erzählt habe? Wie wir den Gedankenprojektor benutzten, um jene siamesischen Zwillingsschiffe da draußen bei Cornal zu trennen? Ich werde ihn wieder gebrauchen – und das andere Ding, für das wir keine Sprache haben.« Aus der N o v a brachten Aarn und Spencer den Gedankenprojektor und stellten ihn auf, und Spencer übernahm Aarns Platz an den Hauptsteuerungen. Die leichte Kappe des Projektorapparates auf dem Kopf, stand Aarn auf der Projektionsplattform des Telatoskopgerätes, und auf seinen Wink projizierte Spencer dieses Bild über fünfhundert Millionen Meilen durch den Weltraum nach Al-osk. Einen Moment später machte Aarn ein anderes Zeichen, und die Bildprojektion wurde aufgelöst. Aarn setzte die Kappe ab und schüttelte den Kopf. »Sie
sind gar nicht mal eine schlechte Sorte. Ich habe natürlich nur den großen Masseneindruck vieler Gehirne diesesmal aufgenommen, und zwar zwei gesonderte, gegensätzliche Eindrücke. Es gibt da zwei Welten, müßt ihr wissen. Die eine, die ein wenig größer ist und im wesentlichen eine Oberfläche aus Wasser hat, ist gerade richtig bevölkert. Die kleinere aber ist unerhört überbevölkert. Sie führten Kriege um dieses Problem. Bekämpften sich gegenseitig. Dann erfuhren sie aus irgendeinem alten Bericht von unserem System – und daher der Angriff. Sie brauchen Raum. Mit Raum können wir ihnen dienen – wir haben bereits andere planetarische Systeme gefunden. Und – ich habe so das Gefühl – ja, mit den Apparaten, die wir haben, könnten wir auch eines machen. Zuerst aber werde ich ihnen eine Stunde Unterricht in menschlicher Macht erteilen, werde sie lehren, daß die Menschen ein Schild tragen: IN RUHE LASSEN: SCHLECHTE MEDIZIN!« sagte Aarn grimmig. »Ich werde ihnen mal ein Beispiel von Strafe und brutaler Gewalt zeigen, das sich ihrer Rasse durch fünfzig Generationen hindurch einprägen wird. Ich werde ihnen etwas geben, das Respekt vor den Menschen von jetzt an zu einem Rassenmerkmal machen wird. Und nun – als Anfang, sendet meine Projektion...« Aarn duckte den Kopf, und sein ganzer Körper änderte sich in grausiger Weise, und der Mechanismus, auf dem seine Hand lag, verdrehte sich. Aarn verschwand, aber seine Gedanken blieben klar und bildgleich da. Spencer verstand. In einer großen Halle auf Al-osk standen zehn Minuten später dreiundzwanzig Centauren um einen Tisch herum. Einundzwanzig trugen lose Zivilkleidung, einundzwanzig
Centauren mit eisengrauen Mähnen. Ihr Fell war fleckig, ihre Muskeln vom Fett verweichlicht, ihre Figuren beleibt. Einer stand allein auf einer Seite, er war jung; sein Fell war dunkel und glänzend vor Gesundheit, seine Flanken mit den kräftigen Muskeln steckten in der Uniform der Toskarflotte. Ein anderer, derb, mit noch harten und festen Muskeln und nur leicht ergrauter Mähne, stand neben ihm. »Aber Gar Thalt, was ist das für eine Waffe? Wie arbeitet sie? Du sagst, die Dinge lösen sich auf – und weiter nichts. Warum lösen sie sich auf? Hast du so wenig Verstand, daß du gar nichts darüber ausfindig machen kannst? Warum haben wir dir denn Wissenschaftler mitgegeben, wenn nicht für solche Angelegenheiten?« fragte Mar Porn, der Vorsitzende des Vereinigten Rates. Der junge Centaur erwiderte: »Was kann ich mehr sagen? Ich habe nicht die leiseste Idee, wie und warum die Dinge so verliefen, wie sie es taten. Keines meiner Instrumente hat auch nur aufgezuckt. Vielleicht kann Thal Roo eine bessere Antwort geben.« Der derbknochige, graumähnige Wissenschaftler der Expedition erwiderte: »Ich habe nicht das geringste hinzuzufügen. Was es sein kann, weiß ich nicht zu sagen, nur daß es uns um zehntausend Generationen voraus ist. Ganz durch Zufall verfolgte ich ein bestimmtes Gravita tionsexperiment, als die Schwarzen Bomben zuerst angewendet wurden – und habe einen gewissen Schlüssel dadurch, daß mein empfindlicher Apparat völlig zerstört wurde. Sie waren in ihrem Wesen gravitorisch, obwohl gegen die Schwere. Sie...« Der Rat unterbrach ihn. »Antischwerebomben? Die haben wir schon seit einer halben Generation«, sagte er
zornig. »Ja – und mehr«, gab der Wissenschaftler zurück. »Daher waren sie nicht Antischwerkraft. Sie haben etwas mit dem zu tun, was wir in der Wissenschaft für ein Gravitationsphänomen halten, von dem ich aber jetzt weiß, daß es das nicht ist. Mit anderen Worten, sie haben ein Prinzip angewandt, von dem ich aber auch nicht die geringste Ahnung hatte. Dann wurde mein gleicher Apparat, der neu entworfen und wiederhergestellt war, noch einmal zerstört, als die Forts auf zwei Milliarden Meilen Entfernung hin ausgehöhlt wurden! Das ist nicht alles. Gar Thalt ist ein guter Kapitän, aber er weiß nichts von der Wissenschaft. Er hat das Wichtigste vernachlässigt. Die Flammenmauer. So haben die Krieger es genannt. Dieser weiße schwankende Vernichtungswall war nicht Flamme. Ich beobachtete das und beobachtete es sehr sorgfältig, und ich sage Ihnen: Das war Energie.« Er machte eine Pause, wartete auf eine Frage. Als keine kam, schaute er die Räte voller Abscheu an. »Sie fragen nicht einmal, was für eine Art Energie? Das wäre eine natürliche Frage. Ich kann nur soviel sagen, es war keine Form der Energie! Es war nicht Hitze, noch war es Strahlung oder irgendeine andere Form der Energie – es war formlose, freie Energie! Und –«, er sprach so leise, daß sie ihn kaum verstehen konnten, »ich kann mir nur einen Weg vorstellen, um freie, formlose Energie zu bekommen, die weder durch Schirm noch durch Feld abgelenkt oder gestoppt werden kann, die beide ja eine Form verlangen. Diese – Energie – war – geschaffen –!« »Na ja – können wir mit unseren Motoren nicht Energie
schaffen?« fragte ein dicker Rat. Der Wissenschaftler brach zusammen. »Puh!« sagte er. »Ich gehe – Gar Thalt, Sie tun mir leid.« Er drehte sich um und trottete aus dem Raum. Und dann hielt er ein, als wäre er von einem körperlichen Schlag getroffen worden, als ihn ein ungeheurer geistiger Eindruck erreichte. »Halt, Wissenschaftler!« Er drehte sich um seine eigene Achse. Die Räte wurden aufmerksam, standen aufgeregt auf ihren Hinterbeinen. In der Mitte des großen beflaggten Bodens stand eines der zweibeinigen Geschöpfe aus dem anderen System. Wieder kam der geistige Eindruck. »Wissenschaftler, komm zurück! Vielleicht kannst du diesen hier erklären, was ich nicht erklären kann. Ich bin gekommen, um mit eurer Rasse einen Friedenspakt zu schließen.« Der alte Centaur blickte um sich und sah Aarn – Aarn, untersetzt, dick, ungeheuer kraftvoll. Dann schaute er in Aarns breites Gesicht, das seinem so ähnlich war, und langsam senkte er die Augen vor den tiefliegenden grauen Augen des Menschen. »Arrah – Sie sind es! Haben wir denn zwei Rassen und nicht eine bekämpft? Sie wissen Dinge – Arrah – ich sagte, Sie seien uns um zehntausend Generationen voraus. – Schaut, ihr Narren, und seht es ein!« Der Weltraumkapitän schaute einen Moment lang hin. Er blickte in die unendlich scharfen Augen, in das kraftvolle Gesicht des Menschen, und dann wieder in die Augen, und verschwommen fühlte er, daß seine Arbeit getan sei. Er, der voller Ehrfurcht, voller Fragen in die Unendlichkeit geschaut hatte, durch die er seinen Weg
machen mußte, er, der für Momente die Geheimnisse des Blauen Universums gesehen hatte, der den Titanen der Sonnen, Anrel, geschaut hatte, blickte nun auf Aarn und erkannte in ihm ein Verstehen, ein Wissen, das alles das umfaßte und alle Wechselbeziehungen kannte. Er blickte weg. Die Räte schauten. Er war ein untersetztes Geschöpf, so klein und unfertig. Und er war allein hier. Auf irgendeine Art war es ihm möglich gewesen, hereinzukommen. »Wie ist er hierhergekommen?« wollte Mar Porn wissen. »Mit welchem Recht bist du gekommen?« fragte er Aarns Bild. »Ich kann mit Ihnen sprechen«, sagte er endlich zu dem Wissenschaftler. »Lassen Sie uns Frieden schließen! Sie können es mit diesen hier ordnen, ich mit meinen politischen Führern zu Hause. Auf meinem Planeten ist viel Schaden angerichtet worden, ebenso auf den anderen unserer beiden Systeme. Wir können keinen Schadenersatz von Ihnen verlangen, denn es gibt nichts, was wir nicht viel einfacher aus eigener Kraft selbst erhalten. Sie können nichts für uns tun. Aber jedes Kriegsschiff, alles, was zu einem Krieg gehört, jedes Fort und jede Angriffs, und Verteidigungswaffe in diesem System müssen zerstört werden. In einem gewissen Maße können Sie bauen, aber das wird sich alles auf die Ausrüstung einer Polizeistreitmacht beschränken. Wir besitzen die Mittel jedes Verbrechen, jede unrechte Tat, jeden falschen Gedanken zu entdecken. Es besteht keine Notwendigkeit für eine große Polizeimacht. Und es wird keinen Krieg mehr geben.
Das geschieht einfach, weil es für Ihr Volk das beste ist damit Sie die Menschen nicht noch einmal angreifen. In Berücksichtigung Ihres tatsächlichen Bedarfs an Raum werden wir eines von drei Dingen tun: ein neues planetarisches System für Sie finden oder selber erschaffen – oder die Größe und Stärke Ihrer Sonne vergrößern, bis sie mehrere der Planeten Ihres Systems bewohnbar macht. Ich sage Ihnen, diese Dinge können wir tun, das erste innerhalb einer Woche das zweite innerhalb von zehn Tagen – und das letzte werden wir innerhalb von zehn Stunden tun, wenn Ihre Räte sich bis dahin nicht entschlossen haben, auf unsere Bedingungen einzugehen.« Sehr langsam wurde Aarn breiter, verschwommen, durchsichtig, bis er zu einem Nebel wurde, der die dreißig Fuß hohe Decke erreichte. Dann war er verschwunden. Der alte Wissenschaftler wandte sich an die Räte. »Hat seine Botschaft Sie erreicht?« »Absurd!« keuchte Mar Porn. »Absolut unmöglich! Sind wir denn Narren, daß wir unsere Welt ihrer Waffen entblößen? Wie sollten wir solchen Unsinn glauben – ›ein neues planetarisches System finden oder erschaffen – die Größe und Kraft Ihrer augenblicklichen Sonne vergrößern‹! Nicht einmal einen Fuß weit könnte die mächtigste Maschine, die je gebaut wurde, einen Planeten bewegen – ganz abgesehen davon, daß man einen erschaffen könnte!« Unter seinen lauernden Lidern warf Thal Roo ihm einen langen Blick zu. Endlich sprach er. »Er sagte, daß er diese Dinge tun könnte. Ich will nicht mit Ihnen streiten. Aber ich habe in seine Augen gesehen und weiß, daß er an das, was er sagte, glaubt – und weil er nicht mit seiner Zunge,
sondern vermittels des Gehirns sprach, und weil ich sehr aufmerksam zuhörte, habe ich mehr verstanden. Er erwartet nicht, daß Sie seine Bedingungen annehmen, er glaubt nicht daran, daß Sie das tun; denn er fühlt, daß die Toskars eine Strafe verdient haben, und er will Vergeltung üben für den Schaden, der über seine Welten gebracht wurde. Er fühlt, daß Sie ihm nicht glauben und daß Sie seine mehr als anständigen Bedingungen nicht annehmen – wenn man seine Macht berücksichtigt, wird Tosk und seine Bewohner – wenn die zehn Stunden vergangen sind, gestraft. Er hat natürlich recht. Sie sind Narren. Sie werden mich hierfür ins Gefängnis werfen, aber es bedeutet nicht viel für mich, denn innerhalb zwölf Stunden werde ich frei sein. Aus einer Entfernung von Tausenden von Millionen Meilen hat er die Forts ausgehöhlt. Er kam bis auf wenige tausend an den ersten Stützpunkt heran, während wir ihm alles, was wir hatten, entgegenschleuderten – Kräfte, die groß genug waren, um einen kleineren Planeten zum Verdunsten zu bringen, haben auf seinem Schiff nur schwache Fünkchen erzeugt. Seht ihr denn nicht, ihr Idioten, daß er von dort, wo sein Schiff zweifelsohne jetzt ist, diese Dinge, von denen er spricht, einfach losreißen und uns ohne die geringsten Schwierigkeiten erledigen könnte?« – Thal Roo hatte vollkommen recht. Eine halbe Stunde später lehnte er seinen ermüdeten Körper gegen die versperrten Gitter eines Gefängnisses und schaute gedankenvoll auf die große, weiße Scheibe der Sonne Malc, die nur eineinhalb Millionen Meilen entfernt war. Neun Stunden und dreißig Minuten später erschien Aarn wieder in dem Beratungszimmer. Einundzwanzig Räte
standen oder saßen um den Tisch herum. Sie fuhren zusammen, als er so plötzlich erschien. Aarn schaute sie fest an. »Sie glauben mir nicht, nicht wahr? Ihr Wissenschaftler hatte recht. Er ist tüchtiger, als ich glaubte annehmen zu dürfen. Sie wurden zweimal gewarnt. Sie weigern sich, nicht wahr?« Stolz richtete sich Mar Porn empor. »Lernen Sie eines Kriegers Lektion, Sie Geschöpf mit nur einem halben Körper! Ein Toskar gibt sich nicht geschlagen, ehe er nur zu Kämpfen beginnt. Erst jetzt haben Sie unser System entdeckt; unsere Schiffe sind nur vorübergehend aus Ihrem System vertrieben worden, und Sie verlangen, daß wir unsere Waffen, unsere Welten Ihnen übergeben sollen!« Langsam erschien auf Aarns Gesicht ein Lächeln. »Beobachten Sie Ihre Sonne!« sagte er und verschwand langsam. Die Saphir war unbelästigt geblieben. Mit einem grimmigen Lächeln wandte Aarn sich Spencer zu. »Und nun an die Lektion, die kein Toskar je vergessen wird! Sie werden nicht wissen, wie ich das mache.« An Bord dieses Schiffes hörte man keine Transpons. Energie wurde geschaffen, formlose Energie, unendlich an Menge und Maß, wo es nötig war. Es entwickelte sich ein Feld, ein enormes Feld mit drei Kanälen. Ein sehr kleiner Kanal endete auf der Telatoskopbühne der Saphir. Ein anderer jedoch griff nach einem Stern, fand und hielt ihn, den mächtigsten, glühenden Stern dieses ganzen Universums – soweit es bekannt –, den unglaublichen Stern S-Doradus. Bei einer Oberflächentemperatur von einigen
fünfundsiebzigtausend Grad Celsius und enormer Größe gab er etwa fünfmillionenmal soviel Licht und Hitze ab wie Malc – völlig im ultravioletten Band, weit über die Sicht der Centauren hinaus. Der letzte Kanal konzentrierte sich auf Malc. Aarn begann sein Feld aufzubauen. Langsam änderte sich das dumpfe Rot Malcs, sehr langsam, so daß es ein etwas helleres Rot wurde. Gleichzeitig stellte Aarn in der Nähe des Sternes ein ungewöhnlich großes Feld freier Energie auf, und zwar auf der dem Tosksystem zugewandten Seite. Auf zehn Millionen Meilen Entfernung hin war die schwankende Mauer aus weißer Flamme dem bloßen Auge leicht erkenntlich; auf eineinhalb Meilen war es eine riesige Energiewand. Obgleich Malc größenmäßig zu den kleinen Sternen zählte, war er an Kraft dieser kleinen Energieflamme unendlich überlegen und konnte sich daher nicht merklich erhitzen. Und doch – Malc wurde heißer. Aarn stellte tatsächlich allmählich um Malc herum ein Bild des S-Doradus auf! Ein Bild des Sternes, das mehr und mehr Ausstrahlungen aussandte. Mehr und mehr überflutete die Ausstrahlung das schwache Licht des kleinen Malc, bis das Licht, das auf Tosk fiel, nicht mehr rot, sondern weiß, dann allmählich blau war und die sanften wärmenden Strahlen ihrer Sonne zu schrecklichen Blasen verursachenden Schmelzflammen wurden. Aus seiner Gefängniszelle schaute ein alter Centaur heraus Sein Gesicht war bleich, und seine Augen waren vor Entsetzen geweitet, als er sah, wie der träge, kleine Malc aus einem schwachen, verschwommenen Ding zu einem schrecklich flammenden, rasenden Hochofen wurde, und das in der Zeit von zwei Stunden. Protuberanzen, etwas,
was man an Malc nie gekannt hatte, breiteten sich aus, leckende Flammenzungen, die so tief im Violett lagen, daß der Centaur sie nicht gut wahrnehmen konnte. Seine Augen schmerzten, als er versuchte, das weißglühende Monstrum anzusehen. Er zitterte, während er in eine dunkle Ecke seiner Zelle zurückkehrte. Er fürchtete für seine Welt. Die dunkle Zellenecke wurde hell und heller im Licht der zunehmenden Sonne. Das vermischte Licht begann seinen Augen wehzutun, seine Haut brannte von der Hitze, und von draußen hörte er das immer lauter werdende Stöhnen der Furcht. Und ein noch tieferes Stöhnen – ein brummendes Poltern und ein schrilles, scharfes Pfeifen. Und wieder erschauerte er. Der Wind schwoll an. Heiß und trocken wirbelte er durch das offene Fenster herein und zerzauste die Mähne des Alten. Ein launenhafter Windstoß. Das grausige Sonnenlicht wurde immer heftiger, und die Stelle, auf die das Sonnenlicht fiel, strahlte nun eine brennende Hitze aus. Er hörte ein leises, scharfes Klappern, und ein Steinsplitter fiel heraus. Der alte Wissenschaftler trottete hin und hielt seine Hand direkt in das Licht. Er zog sie sofort wieder zurück und schüttelte sie. Er hatte das Gefühl, als habe man ein großes Brennglas davorgehalten! Die trabenden Füße waren nun ruhiger geworden. Hin und wieder hörte man das Aufschlagen galoppierender Füße vorbeieilen dann stoppte der Galopp mit einem lauten Ausruf. Dann ein Fall – ein Schrei des Schmerzes, wenn das Fleisch auf den glühenden Boden aufschlug – dann ein langsam verebbender Schrei. Und der Wind begann zu stöhnen. Er nahm an Stärke zu
– das Stöhnen wurde zum Heulen. Jäh wanderte eine Wolke über den Fleck aus tödlichem Sonnenlicht, und der Centaur fühlte seine Haut prickeln: Das mußten Strahlungsverbrennungen sein. Verschwommen hörte er aus weiter Ferne das mächtige, tiefe Dröhnen der Transponstrahlen, dazu das leise Zischen der großen Magnet- und Schwerkraftbomben – und er lachte. Er fragte sich, worauf seine Leute zielten. Die zunehmende Sonne? Die wankende Mauer aus formloser Energie, die sie aufschlucken und dem Vorrat zufügen würde, den sie an die schrecklich zunehmende Sonne lieferten? Nach einem Moment war die Wolke weg, und der Wissenschaftler sah, daß die Form der Schatten auf dem Boden sich änderte. Er stellte sein dünnes Metalleßgefäß in den Lichtstrahl, und aus der Größe des Schattens stellte er fest, daß die Sonne größer und heißer geworden war. Und der Wind heulte immer weiter. Er kreischte staubbeladen um die Fensterbrüstung – ein Schmelzofen, der ihn zu ersticken drohte. Er goß Wasser in eine Schüssel, tauchte ein Handtuch ein und drückte es gegen seine Nase. Plötzlich ertönte ein gewaltiges Zischen, der Himmel verdunkelte sich – und strömender Regen ergoß sich auf den Boden, um sich sofort in Dampf zu verwandeln und zurückzuprallen. Das dauerte zehn Minuten – die Temperatur sank – und stieg sofort wieder mit einem unerträglichen Feuchtigkeitsgehalt an. Seine Flanken bebten. »Bei allen Göttern – wenn er uns nicht bald Hilfe gewährt, sind wir nicht mehr fähig, seine Bedingungen anzunehmen! Kann er denn diese angeschwollene Sonne
wieder so schnell eindämmen, wie er sie aufblasen konnte? Oh, ihr Götter, was können wir, die wir ihn verstehen, tun?« stöhnte der Centaur. »Viel«, sagte die vertraute geistige Stimme. Der Centaur drehte sich eilig um. Gedrungen und kraftvoll stand Aarn vor ihm. »Die überschüssige Hitze der Sonne wird bald abgeleitet sein. Die Planeten allerdings werden nicht so schnell abkühlen, denn sie haben sehr viel Energie absorbiert. Sie werden sofort befreit werden. Gehen Sie und sehen Sie zu, was Sie mit Ihrem Volk tun können! Der dritte Planet außerhalb Ihres Planeten wird so weit zu einer Sonne gemacht werden, daß Sie nicht vergessen, daß ich noch in der Nähe bin. In zwei Tagen werde ich zurückkehren. Bis dahin werde ich mich damit beschäftigen, die Anlagen der Forts zu entfernen.« Aarn verschwand, und mit ihm die große vergitterte Tür und ebenso der feste Stein der äußeren Mauer. Wie der Centaur so zögernd dastand, hörte er, wie in weiter Ferne die donnernde Stimme eines großen Transponprojektors in einem klingenden Kreischen erlosch – und darauf folgte ein schreckliches Dröhnen und das Geklapper fallenden Metalls. Aarn hatte den Projektor eine Viertelmeile in die Luft gehoben und dann heruntergeworfen – eigentlich hatte er ihn zerstört, ihn eine Viertelmeile höher neu geschaffen und ihn dann freigelassen. Der alte Wissenschaftler sah, wie das unerträgliche Licht schnell am Himmel erstarb. Er konnte daraus jedoch nicht viel entnehmen, denn schwere Wolken waren da, und ein fürchterlicher Regen kam mit dem Wind in einem Winkel von weniger als zwanzig Grad heruntergeströmt.
Er trat heraus. Der vom Wind getriebene Regen schlug auf ihn ein, peitschte ihn grausam, wie er seine ganze Welt und sein ganzes Volk peitschte.
13
Malc glühte in einem rötlichweißen Licht, das die Augen der Toskars als intensiv blau sahen und das für sie auf ihrem wie einem Ofen geheizten Planeten ungeheuer heiß war. An ihrem nächtlichen Himmel schien eine neue Sonne, der dritte Planet, weißglühend-blau für Aarn, für die Toskars fast unsichtbar blau. »Du hast das Bild völlig entfernt, und doch ist Malc noch immer mehr als heiß!« sagte Carlisle langsam. »Aber nicht unerträglich heiß. Ich konnte die Hitze, die die Sonne aus dem Bild absorbierte, nicht entfernen, noch die Hitze abziehen, die Malc aus der Weißen Flamme absorbiert hat. Es wird sie nicht belästigen, und in sechs Monaten wird sie wahrscheinlich nachlassen. Wir wissen ja, daß die rote Zwergsonne eigentümlich unveränderlich ist. Ich beschäftige mich mit einem anderen Problem. Ich habe ihnen Planeten versprochen. Ihre Welten sind von Waffen entblößt. Sie würden es nicht wagen, noch einmal an einen Angriff auf die Menschen zu denken. Noch auf Wochen hinaus werden ihre Welten von Stürmen geschüttelt werden, wie dieser Planet sie nie gekannt hat. Denn die Seite, die im Tageslicht lag, als ich das Bild projizierte, ist viel zu heiß und sucht einen Ausgleich mit der Nachtseite. Ich glaube, ich werde Planeten erschaffen.« Aarns
Augen glühten vor intensivem Nachdenken, und langsam stahl sich ein Lächeln auf seine Lippen. »Das wird uns helfen. Sie werden es nicht verstehen.« Der Telatoskopschirm wurde trübe, tanzende Punkte verschoben sich und schienen unter Aarns Behandlung zur Ruhe zu kommen. Sterne. Alle Sterne aus diesem Gebiet des Weltraums. Und in der Mitte der Bühne schien Malc verschwommen rötlichgelb. Vielleicht fünfzehn Lichtjahre entfernt leuchtete ein anderer Stern unklar, rötlich, allerdings kein Zwerg, sondern ein Überriese, ein Stern der Antaresklasse, der von der Erde so weit entfernt war, daß er keinen Namen trug und nicht klassifiziert war, außer, daß er auf fotografischen Platten als ein verschwindend kleiner, kaum sichtbarer Punkt festgehalten war. Dieser Punkt trat plötzlich in den Mittelpunkt, und die Saphir setzte sich in Bewegung, steuerte auf ihn zu und blieb in seiner Nähe hängen. Unter Aarns Händen regten sich ein Dutzend Instrumente, kamen zum Stillstand und zeigten an. Eine halbe Stunde lang prüfte Aarn den Stern, sondierte tief in seinem Inneren, las die Größen der Impulse seines Systems ab und erkannte, daß er keine Planeten besaß, nur eine kleine Familie von wandernden, gefangenen Kometen, große Mengen von Meteorstaub, die in ziellosen Bahnen um ihn herumwanderten, gelegentlich abwichen und auf den Stern herunterfielen. »Ein steriles System«, sagte Aarn. »Wir werden es lebendig machen. Ich möchte gern – aber es wird schwer sein, das Volk abszusondern. Wie – die lebendigen Kräfte – aber das umfaßt Pflanzen. Leben im Meer. Makroskopische Tiere – ah – Pflanzen – und mit der Auswahl durch Telepathie...«
In verwundertem Schweigen schaute Spencer auf Aarn. Dann wurde ihm allmählich Aarns gigantischer Plan klar, und der Atem stockte ihm. »Hol den alten CentaurWissenschaftler!« schlug er plötzlich vor. Aarn nickte bestätigend. »Gute Idee. Machen wir.« Das Schiff schien plötzlich in einer Welle von Strom zu pulsieren, der Telatoskopschirm wurde schnell nebelig und beruhigte sich, als Aarn seine Aufmerksamkeit auf die Telepathiegeräte konzentrierte. Ein Konferenzraum wurde sichtbar, eine Anzahl ängstlicher Räte, einige wenige Wissenschaftler, und der alte Thal Roo. »Wollt Ihr Vernunft annehmen?« fragte der alte Wissenschaftler leise. »Soll noch mehr geschehen, um euch davon zu überzeugen, daß ihr ihn nicht verstehen könnt? Ihr seid beunruhigt. Es hat keinen Zweck, daß ihr versucht, ihn zu vernichten; der Versuch käme einem Selbstmord gleich, und er will uns keinen Schaden zufügen, glaube ich.« »Die Sonne – die Sonne – selbst jetzt ist die Luft noch zum Ersticken. Er könnte das wiederholen! Wie können wir uns schützen?« »Gar nicht – und damit habt ihr's!« schnappte der alte Thal Roo. »Wartet also! Er wird mit weiteren Instruktionen zurückkehren.« »Mit weiterer Vernichtung!« jammerte der Rat. »Narr, Feigling, mach dich von deiner Furcht frei. Er wird uns nicht vernichten. Hätte er das gewollt, würde er diesen Planeten erhitzt haben – und nicht den dritten. Er wird zurückkehren und wieder zu uns sprechen.« »Ich bin zurückgekehrt«, sagte Aarn. Die anderen Wissenschaftler zuckten zusammen. Sie schauten auf Aarn
und in seine Augen und traten zwei Schritte zurück, als er langsam näher kam. »Ich will euch Planeten erschaffen. Fünf von euch will ich mitnehmen, damit sie zusehen können. Ich werde eure Planeten in der Nähe einer riesigen roten Sonne erschaffen einer Sonne mit einer Farbe wie die eures Malc – nur ist sie unendlich größer. Euch wird sie zwar gleich erscheinen. Wer von euch ist Astronom? Er soll vortreten.« Zwei aus der Gruppe folgten der Aufforderung. »Und wer von euch ist Astrophysiker?« Beide blieben an ihrem Platz stehen. »Gut. Wer von euch beschäftigt sich mit der Waffenphysik und der Physik der Energiequellen?« Thal Roo und noch ein Centaur traten vor. »Gut!« sagte Aarn und wandte sich an den Obersten der Räte. »Auch Sie werden mitkommen. Nun passen Sie einmal auf!« In dem Zimmer des Rates erschien ein telatoskopisches Bild des umgebenden Weltraums. In der Mitte sah man Malc, an einer Seite die neue Sonne. »Sehen Sie – das ist Malc. Kennen Sie diese Sonne hier?« »Aragantor!« riefen die Astronomen wie aus einem Munde. »Das ist Ihre neue Sonne. Denken Sie daran. Die fünf, die ich gewählt habe, mögen sich hier in der Mitte des Raumes versammeln.« Thal Roo trat eifrig vor. Die Astronomen betrachteten das wunderbare Bild des Weltraums, die mächtigen Sterne und schimmernden Punkte, die in der Luft schwebten – und ohne ihre Augen von diesem Bild zu lassen, traten sie zögernd zu Thal Roo. Der Waffenphysiker schaute aus dem Fenster auf die zerrissenen Erdhügel, auf das glühende, zerbrochene Metall, die zerstörten Waffen – eifrig gesellte
er sich zu den anderen. Der Rat aber galoppierte auf die Tür zu. Ein heiserer Schrei der Furcht gurgelte aus seiner Kehle. Thal Roo schaute ihm nach. »Nehmen Sie uns allein mit, Mensch des Verstehens; vor Furcht würde er doch nichts sehen.« Aarn lachte leise, als die vier Wissenschaftler nicht mehr dem Fliehenden nachschauten, sondern auf Aarn blickten. Sie schauten ihn an – und für einen unendlich kleinen Augenblick krümmte und wand sich Aarns Körper, und diesen unendlich kleinen Augenblick lang spürten sie einen schrecklichen quälenden Schmerz, so als ob jedes Atom in ihnen sich spaltete – dann stand Aarn ruhig vor ihnen, und der Schmerz war verschwunden. Das Beratungszimmer war verschwunden. Metallwände ragten auf, Metall von einer Farbe, die ihre Augen anstrengte und die doch grau aussah – mit einer Farbtönung, die sie nicht verstehen konnten. Über ihnen glitzerte ein Stern, eine kleine rötliche Sonne. Eine Scheibe von einer angenehmen »weißen« Farbe. »Aragantor!« riefen die Astronomen wie aus einem Mund. »Ist die Entfernung für Ihre Planeten so richtig?« fragte Aarn. »Aragantor hat die gleiche Oberflächentemperatur wie Malc – wie Malc sie hatte, richtiger gesagt. Wenn die sichtbare Scheibe des Aragantor die gleiche ist wie die sichtbare Scheibe von Malc, wird die Entfernung richtig sein. Wir sollten das mehr aus der Nähe sehen«, sagte der Astronom. »Aber ich habe keine Instrumente!« »Was brauchen Sie? Welches kleine Instrument? Denken Sie nach!« befahl Aarn.
Dann rührte Aarn sich eilig und stellte viele Stromkreise auf seiner großen Kontrolltafel zusammen und verband sie untereinander. Undeutlich schwankte etwas in der Luft, ein Instrument; dann explodierte es plötzlich in einer sprühenden, funkelnden, lautlosen Flamme, und der Astronom stieß einen Laut der Überraschung aus. »Denken Sie, denken Sie scharf!« sagte Aarn. »Wenn Sie sehen, wie die Teile sich formen, berichtigen Sie Ihre Gedanken, und der betreffende Teil wird sich umgehend selbst berichtigen.« Wieder dachte der Astronom, und ein Ding aus Metall, aus Kristall und Linsen und Winkeln formte sich, krümmte sich floß dahin und brach jäh in ein Nichts zusammen. »Was fehlt Ihnen denn?« fragte Aarn. »Die Linse – die Meßziffer der Strahlenbrechung«, jammerte der Astronom. »Halt«, sagte Aarn, »ich weiß jetzt, was Sie brauchen.« Er änderte seine Einstellungen, das Instrument tauchte wieder auf, festigte sich, hielt. Es war scharf und präzise in der Linienführung. Eine Skala wurde sichtbar, mit feinen, scharfen Linien – verschwand wieder. »Stellen Sie sich die benötigten Einheiten auf der Skala vor!« sagte Aarn. Der Astronom folgte seinem Geheiß. Dann war ein leichtes Puffen von Hitze und blauem Licht da, weiß, wie ein schwankender, zerfließender Kristall. Das Instrument sank plötzlich aus der Luft nieder, und Aarn drehte sich schnell um und fing es auf. Er reichte es dem Astronomen. »Können Sie es brauchen?« Der Centaur drehte und wendete es, und sein Gesicht war seltsam ausdruckslos, als er es prüfte »Arragh – kann
ich es brauchen?« Er betrachtete die Linsen und flüsterte leise: »Sie sind mathematisch genau. Das Ding ist nicht von einer Maschine hergestellt, es wurde erträumt, und die Träume waren mathematische Formeln.« Er hob das kleine Instrument sorgfältig vor seine Augen, schaute auf die rote Scheibe und lächelte sanft. – »Wir brauchen rund fünfzehn Sekunden mehr.« In zehn Minuten war die Saphir in Stellung. »Ich habe weder Zeit noch Lust, eure Planeten vollkommen zu machen. Wie ihr gebaut habt, so sollen sie sein, weder besser noch schlechter. Sie werden die Wunden tragen, die euch daran erinnern sollen, daß eure Rasse die meine angegriffen hat – und es ist das beste, wenn das nicht wieder vorkommt. Sehen Sie!« Die Astronomen und Wissenschaftler hielten den Atem an. Dort draußen schwebten Sor-osk und Al-osk, in jeder Einzelheit vollkommen, wie das Telatoskop sie zeigte. Und – es waren Bilder in voller Größe. »So«, sagte Aarn ruhig. »Hier sind eure Planeten. Da sind die Gebäude, die Wohnzentren, alles, wie es auf euren eigenen Planeten ist – nur fehlen noch die Bewohner. Ich werde euch zurückbringen und euch sofort Hilfskräfte schicken, damit nicht unkontrollierte Maschinen sich selbst Schaden zufügen. Ich werde diese anhalten, bis eure Flotten sie erreicht haben und kontrollieren können. Ich werde warten, bis sie sich den Planeten nähern. Dann kehre ich in meine eigene Welt zurück. – Nehmen Sie das Instrument mit!« Wieder fühlten die Centauren den seltsamen Schmerz, und jäh befanden sie sich wieder in dem Beratungszimmer. Mit weißen Gesichtern sanken sie
zu Boden. Thal Roo faßte sich zuerst. »Er hat die Planeten gemacht – diese unsere Planeten – mit allen Maschinen, Bauten, allen Dingen, die wir kennen. Auf jenem fremden Planeten werde ich mein eigenes Haus, mein eigenes Zimmer, meine eigenen Kleider vorfinden. Nur das Volk hat er nicht neu erschaffen. Wie? – Ich weiß es nicht. Geht – schickt die Flotten aus – die Maschinen müssen kontrolliert werden. Er wartet.« Als Thal Roo auf das wundervoll vollkommene Instrument in seiner Hand schaute, stellte Aarn das Bild ab. Auf der Saphir reckte sich Aarn. »An die Arbeit!« »Aber das sind doch – telatoskopische Bilder«, sagte Anto Rayl verwirrt. »Jetzt sind sie wirklich.« Aarn setzte sich wieder und schaute hinaus. Sor-osk und Al-osk schwebten reglos draußen. »Sie sind telatoskopische Bilder; aber alles in ihnen, was Betätigung suchte, fehlt. So gibt es dort keine Centauren. Und ein Telatoskopbild ist eine Art grundlegendes Muster für ein Atom – eine Art Skelettrahmen, unausgefüllt, unvollständig.« Aarn lächelte und legte die Hand auf eine seiner Steuerungen. »Theoretisch gesehen, ist es ohne Grenzen. Ich glaube, ich werde es einmal prüfen.« Er stellte das Steuer bis zum Äußersten ein. Plötzlich drehte sich das Universum, und eine Welle der Übelkeit überfiel sie und verging. Einige Minuten später zuckte der mächtige Stern unter diesem Einfluß zusammen, und im gleichen Augenblick barst der gesamte Weltraum in weiße Flammen. Weiße, durchsichtige, fließende Flammen. Aarn stellte die Steuerungen ab, und seine Instrumente
schwiegen. Direkt vor der Saphir schwebten Sor-osk und Al-osk, zwei Riesenwelten. »Der ganze Weltraum muß das gespürt haben – undenkbare Quintillionen Tonnen Materie – Masse – eigentlich Energie, die sich aus der formlosen Weißen Flamme nach der Skelettstruktur dieser Atome herauskristallisierte. Jetzt aber sind sie. Vollendet – bereit, bewohnt zu werden. Und die Flotte kommt auch. Wir wollen gehen!« Die Saphir bewegte sich, schob sich verschwommen für einen Augenblick hin und her und entschwand der Sicht der sich rasch nähernden Centaurenflotte. Und die Männer in der Saphir schauten heraus, in das Blaue Universum und auf die drei riesigen Sonnen. »Jetzt müssen wir nach Hause gehen«, sagte Aarn leise. »Aber eines Tages – bald...« Das Blaue Universum verschwand von der Telatoskopbühne, an seiner Stelle ragte groß die Erde auf.