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Roy Palmer 1.
Einer der bärtigen, eisengepanzerten Eindringlinge hob die Waffe, die die malaiischen Fischer als Feuerrohr zu bezeichnen pflegten. Er stieß mit dem hölzernen Kolben zu, und Otonedju, der Dorfälteste, hatte das furchtbare Gefühl, ein Wasserbüffel oder ein ähnlich großes Tier habe ihn in den Rücken getreten. Otonedju taumelte aus seiner Hütte. Vier, fünf unstete Schritte weit, dann strauchelte er und stürzte von dem flachen, überdachten Vorbau in den Staub. Obwohl er seine Hände vorstreckte, schlug er hart auf. Ein ächzender Laut der Qual und des Entsetzens löste sich von seinen Lippen. Die spanischen Soldaten eilten ihm nach. Aus allen Richtungen tauchten sie auf. Sie schienen überall zu sein und alles ihrer Willkür zu unterwerfen. Jeden Funken des Widerstandes brachten sie zum Erlöschen. Sie umringten Otonedju und schrien auf ihn ein. „Wo ist der Tiger?“ „Wo hält sich der Hund versteckt?“ „Rede, elender Bastard, oder du bist des Todes!“ Otonedju hörte durch ihr Gebrüll hindurch das Rufen der Frauen, Kinder und alten Leute des Dorfes. Nein, er gab sich keinen Illusionen hin. Die Spanier würden sie bei dem wilden Bestreben, das zu erfahren, was sie wissen wollten, nicht verschonen. Zuerst befragten sie die Männer, die die Spitze des Dorfes darstellten, dann die niedrigeren Chargen aus der Hierarchie der kleinen, fest zusammenhaltenden Gemeinschaft, die Krieger und die Fischer — zuletzt schließlich die Schwachen, Wehrlosen. Dennoch war Otonedju nicht gewillt, über irgendetwas Auskunft zu geben. Er wußte, was das Ziel der weißgesichtigen, schwarzbärtigen Männer mit den Brustpanzern und Eisenhelmen war. Doch selbst wenn sie ihn über die Ausbeute des Fischfanges der vergangenen Tage hätten aushorchen wollen, so hätte er ihnen kein Sterbenswörtchen darüber verraten. Schweigen war keine Notwendigkeit,
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sondern eine Tugend, und mit jedem Zugeständnis, das man dem weit überlegenen Gegner gewährte, verlor man einen Teil seiner Manneswürde. Otonedju fühlte sich von großer Ruhe erfüllt. Er trachtete davon zu kriechen, ein Stück weiter auf den rondellartigen Platz inmitten der Hütten des Inseldorfes zu. Ganz einfach nur, um dem Feind zu beweisen, daß er sich nicht fürchtete und seinen Stolz aufrechterhielt. Aber ein Fuß zuckte vor, ein Stiefel traf Otonedjus rechte Körperseite, und der alte Mann blieb unter großen Schmerzen liegen. Otonedju blickte durch wallende Schleier vor seinen Augen zu dem Stiefel. Der schwingende Fuß hatte sich wieder zu dem anderen, zweiten gesellt, und die Stimme, die zu dem Leib über den beiden gehörte, schrie noch einmal: „Rede!“ Otonedju verstand dieses spanische Wort, wenn er auch sonst nur noch ein paar Brocken von dem kannte, was die Männer sagten. Otonedju begriff, denn ihm war von Anfang an klar gewesen, wen diese Männer suchten und was sie vernichten wollten, doch er erwiderte nur ein Wort in seiner Sprache : „Stirb!“ Der Sprecher, ein hochgewachsener und ehrgeiziger Teniente namens Savero de Almenara, schaute auf und wandte den Kopf. „Der Dolmetscher soll kommen!“ rief er. „Ich glaube, dieser Kerl will sagen, was er weiß. Das würde uns viel Arbeit ersparen.“ Sofort näherte sich der Batak Siabu. Er hatte sich von den Fremden bekehren und überzeugen lassen, trug spanische Kleidung und tat alles, aber auch alles, um den Spaniern untertan zu sein. Otonedju hatte schon vor dem Auftauchen des Trupps von Siabu gehört, und er verachtete ihn aus tiefstem Herzen. Nichts war in Otonedjus Augen fluchwürdiger als das Verhalten eines solchen Überläufers und schäbigen Opportunisten. Siabu, der sich seines Ansehens bei den Eingeborenen durchaus bewußt war, kniete neben dem alten Mann nieder und sagte:
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„Also sprich. Erzähl uns, was du über den Tiger weißt, wo er sich aufhält. Wir wissen, daß er ein Versteck auf dieser Insel hat. Du kannst dir und deinem Stamm viel Ärger ersparen, wenn du mitarbeitest, Otonedju.“ Otonedju stemmte sich hoch, drehte sich und setzte sich auf den trockenen Untergrund. Es hatte den Anschein, als sei er geläutert und würde sich nun nicht mehr widerspenstig zeigen wie vorher, aber das war eine Fehldeutung seines Mienenspiels. „Mitarbeiten?“ wiederholte er in seiner Muttersprache. „Du wirst es nicht bereuen“, entgegnete Siabu. „Erkläre mir, um welche Art von Arbeit es sich handelt.“ Siabu glaubte, einen höhnischen Unterton aus den Worten des Dorfältesten zu vernehmen, aber er erwiderte trotzdem: „Das weißt du doch. Wir suchen den Tiger. Du kennst ihn.“ „Ja.“ „Gut. Ist er hier?“ „Ihr habt euch im Dorf umgesehen“, sagte Otonedju. „Ihr seid in unsere Hütten eingedrungen und habt keine Achtung gezeigt, vor keinem von uns. Habt ihr einen Tiger entdeckt?“ „Nein. Er muß sich irgendwo auf der Insel verkrochen haben“, sagte Siabu. „Wo?“ „Ein Tiger ist eine große, gefährliche Bestie mit vier Beinen und gestreiftem Fell”, sagte der alte Mann auffallend ruhig. „Ein solches Tier hat auf dieser Insel nie existiert. Hast du sonst noch Fragen, Verräter, den die Rache der Götter zerreißen wird?“ Siabu fuhr hoch. „Teniente, er hält uns zum Narren!“ schrie er in schlechtem Spanisch. „Und er beschimpft mich!“ „Die Dämonen des Wassers werden eure Schiffe verschlingen“, sagte Otonedju, und er spürte, wie ihn Genugtuung durchströmte. Sie war so groß, daß er sogar seine Schmerzen vergaß. „Ich bringe dich um!“ brüllte der Batak, immer noch auf spanisch, so daß Otonedju den Wortlaut nicht verstehen konnte.
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Das war auch nicht erforderlich. Der Dorfälteste konnte sich denken, was dem Batak vorschwebte, es gehörte keine besonders reiche Phantasie dazu. „Gut“, erwiderte der Teniente de Almenara in diesem Augenblick. „Ich überlasse den Kerl dir. Du weißt, wie du ihn zum Sprechen bringen kannst. Gibt er nach, läßt du ihn auspacken und erledigst ihn anschließend. Bleibt er störrisch, hältst du dich nicht mehr lange mit ihm auf.“ „Ich danke Ihnen, Teniente“, erwiderte Siabu. Er zog seinen Parang, ein kurzes, vorn breit auslaufendes und leicht gekrümmtes malaiisches Schwert. Es war das einzige Zeichen seiner eigentlichen Abstammung, mit dem er sich noch versah. Mit dieser Waffe wußte er ausgezeichnet umzugehen. Otonedju hatte bei früheren Stammesfehden ebenfalls den Parang führt und sich damit Respekt und Siege verschafft. Auch im Umgang mit dem Kris, dem schlangenförmig gewundenen Dolch, war er gut. Immer noch. Nur hatten ihm die Spanier seinen wertvollen, alten Kris abgenommen, als sie gelandet und in das Dorf eingedrungen waren. Mit vorgehaltenen Feuerwaffen war das keine Schwierigkeit gewesen. Scheinbar entrückt blickte Otonedju zu der Bucht unterhalb des Dorfes. Dort lagen die Schiffe, von denen aus die spanischen Soldaten übergesetzt waren, drei Dreimaster, dort, unter mildblauem Himmel auf silbrig glitzerndem Wasser. Nicht weit entfernt in seichteren Gefilden ragten die Bambusgestelle aus der See, mit denen sich die Eingeborenen ihren Fang zu sichern pflegten. Dort waren sie noch vor kurzem gewesen, um alles für die Nacht vorzubereiten, dort drüben jenseits des felsigen Ufers und der Landzunge, wo vor einer Stunde noch keiner von ihnen geahnt hatte, daß der Nachmittag das Böse, das vernichtende Unheil bringen würde. Dann waren die drei Schiffe plötzlich dagewesen, sehr nahe. Sie hatten sich um die Insel herumgeschlichen. Ihre Besatzungen hatten den Bewohnern des Dorfes nicht die Chance gelassen, sich
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zurückzuziehen. Kein Gedanke etwa daran, Körbe, Gitter und Reusen loszulassen und mit den Booten die Flucht zu ergreifen. Wie schnell hätten die Spanier ihre Beute zu Wasser gestellt. Ins Dorf hatten sich die Fischer zurückgezogen, und allein dies war in den Augen der Spanier ein halbes Schuldgeständnis. Der Teniente und die Soldaten wichen etwas zurück. Otonedju schien Siabu willenlos ausgeliefert zu sein. Aber dann, als keiner mehr damit rechnete - selbst der Batak nicht -, schnellte der alte Mann hoch. Er tat das erstaunlich flink und mit einer Gewandtheit, die man ihm gar nicht mehr zugetraut hätte. Eben das war es, was sich jetzt zu Siabus Nachteil entwickelte. Der Dolmetscher hatte nicht damit gerechnet, von dem Alten angesprungen zu werden. Otonedju hatte das Überraschungsmoment auf seiner Seite. Er schoß an der Gestalt des Bataks hoch, seine knochigen Finger packten das Handgelenk und die Hand, die das Heft das Parangs hielt. Ein Ruck, ein Schrei aus Siabus Mund, und Otonedju hatte ihm das scharfe Kurzschwert entrungen. Die Klinge zuckte durch die Luft. Der Batak reagierte jetzt. Er krümmte sich, verlagerte dabei das Körpergewicht nach hinten und versuchte, dem Bereich des Parangs zu entgehen. Es gelang nur ansatzweise. Der Parang zeichnete ein rotes Mal in Siabus Gesicht, quer über die Wange. Dann raste er über seine Schulter wie ein Dämon, der brennende Spuren sät. Brüllend ließ sich der Batak auf den Rücken fallen, Nur so rettete er sein Leben. Der Teniente hatte seine MiqueletschloßPistole gezückt, spannte den Hahn und legte auf Otonedju an. Die Musketen und Arkebusen der Soldaten hoben sich in Zielrichtung auf den alten Mann. Otonedju konnte bereits das tödliche, hohle Auge ihrer Mündungen sehen. Ein Schrei gellte durch das Dorf. Eine schöne junge Frau hatte ihn ausgestoßen Otonedjus Tochter.
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Otonedju ließ von dem Batak ab, obwohl er ihm, dem Verräter und verhinderten Mörder, gern das Herz durchbohrt hätte. Wieder schimmerte die Klinge in der Luft, dann, ganz unversehens, verließ das Heft des Parangs Otonedjus Hand. Ein Blitz zuckte über den Dorfplatz und traf den ungeschützten Hals eines Soldaten, der gerade mit der Muskete auf den alten Mann abdrücken wollte. Otonedju duckte sich und stürmte seiner Tochter entgegen, die von zwei Soldaten gehalten wurde. Der Parang steckte tief im Hals des Musketenschützen, der Mann sank zu Boden. Schüsse krachten. Der Teniente brüllte wie verrückt: Kugeln umzirpten Otonedju, trafen ihn aber nicht. Otonedjus Tat löste im Dorf eine Kette von Reaktionen aus. Krieger zückten ihre Waffen, die sie vor den Spaniern hatten verbergen können. Aus Verstecken, die die Eindringlinge noch nicht entdeckt hatten, brachen plötzlich die Gestalten junger Männer hervor. Im Nu tobte ein säbelndes, schrilles Inferno. Otonedjus Tochter riß sich mit der Wildheit eines verzweifelten, in die Enge getriebenen Raubtiers von ihren Bewachern los. Ehe die beiden Soldaten sie wieder packen konnten, hatte der Dorfälteste sie erreicht und warf sich ihnen ohne Waffe entgegen. Es wäre sein Ende gewesen, hätten nicht zwei junge Krieger in das Handgemenge eingegriffen. Die Männer, Frauen, Kinder und Greise des kleinen Fischerdorfes brachten es fertig, sich von der Übermacht zu lösen und die Flucht in den Urwald der Insel anzutreten. Sie entwischten den Schüssen, die ihnen nachpeitschten, den Piken und Speeren, die ihnen nachgeschleudert wurden. Kochend vor Zorn fuchtelte der Teniente Savero de Almenara mit seiner leergeschossenen Pistole in der Luft herum. Für einen Augenblick stand er unschlüssig. Dann wies er auf die leeren Hütten.
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„Anzünden“, stieß er keuchend hervor. „Alles niederbrennen!“ * Von kristallklarer Bläue war der Himmel über der „Isabella VIII.“. Er schien hier höher als anderswo zu sein, und auf unerklärliche Weise schien man der überirdischen Bestimmung näher zu sein. „So klar und heiter war die Luft nur in Peking“, sagte Ben Brighton auf dem Achterdeck der großert Galeone. „Dabei befinden wir uns hier in den Tropen.“ Hasards Finger lösten sich von der FiveRail. Er drehte sich zu seinem ersten Offizier und Bootsmann um. „Du darfst nicht die Jahreszeit vergessen, Ben. Der Frühling beginnt gerade erst, außerdem haben wir Wind aus Nordosten.“ „Ja, vielleicht weht. er von Korea und dem Gelben Meer herüber. Alles in allem scheint ein ruhiger Törn vor uns zu liegen, bis wir den Indischen Ozean erreichen.“ Hasard musterte Ben nachdenklich, bevor er antwortete. „Sag mal, glaubst du wirklich, daß die Malakkastraße so friedlich und paradiesisch ist? Bist du allen Ernstes davon überzeugt?“ „Na, Sturm scheint uns jedenfalls nicht bevorzustehen.“ „Davon spreche ich auch nicht.“ Ben kratzte sich am Hinterkopf, wobei sich seine Mütze ein wenig tiefer in die Stirn schob. „Also schön, ich geb’s zu. Es ist nicht alles Gold, was glänzt. Und wir sind schon in viele paradiesische Gegenden geraten, die sich dann als wahre Hölle entpuppt haben. Am besten sage ich gar nichts mehr.“ Big Old Shane war zu ihnen getreten. „Nach Borneo, nach diesem elenden, von Kopfjägern verseuchten Kalimantan, kann uns so leicht nichts mehr erschüttern.“ Auch Old Donegal Daniel O’Flynn, der gerade aus Richtung Heck anmarschierte und sich erstaunlich geschickt auf seinen Krücken über Deck bewegte, pflichtete dem bei. „Praktisch bedeutet das, daß wir uns von dem guten Wetter und den feinen
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Windverhältnissen nicht verblenden lassen dürfen“, sagte er mit säuerlicher Miene. „Hinter jedem In-. selchen, auf das wir von jetzt an stoßen, können Kannibalen, Kopfjäger oder irgendwelche Freibeuter lauern. Oder Dons.“ „Meinetwegen, aber hör mit den Kopfjägern auf“, erwiderte Ferris Tucker. „Von denen habe ich gründlich die Nase voll, und ich kriege immer so ein merkwürdiges Jucken am Hals, wenn ihr die Hundesöhne erwähnt.“ Er rieb sich tatsächlich am Hals — was einige Heiterkeit bei den Männern hervorrief. Keiner von ihnen dachte mit Begeisterung an Kalimantan zurück. Nach dem Abenteuer in Manila, nach mehr als tausend Meilen Törn, nach Stürmen, Kalmen, hundert Entbehrungen hatten sie im März 1585 endlich die große Insel erreicht und sich dort etwas mehr erhofft als nur menschenfeindliche Umgebung und mörderische Gefahren, die im Verborgenen lauerten. Aber sie hatten die bittere Realität hinnehmen müssen. Zunächst hatte sich Kalimantan als gänzlich ungeeignet zum Proviant- und Wasserfassen erwiesen. Undurchdringliche Mangrovendickichte überwucherten die Ufer, dahinter erstreckten sich feuchtheiße Urwälder, scheinbar bis ins Unendliche. Der Seewolf war mit seiner „Isabella“ weitergesegelt und hatte auf diese Weise das Dorf entdeckt, das zu sehen er sich im nachhinein nie wieder gewünscht hätte. Offensichtlich panikartig waren die eingeborenen Dajaker vor ihnen geflüchtet — und zu spät hatten die Männer der Galeone die Fallen gewittert: getarnte Gruben, Fallnetze, Würgeseile und aus den Palmenwipfeln niederfallende Bambusgitter. Nur mit Mühe hatten sie sich wieder freikämpfen können. Hasard zuckte mit den Schultern. Warum noch darüber herumgrübeln? Vermeiden ließen sich solche unliebsamen Begegnungen nun einmal nicht, man mußte immer darauf vorbereitet sein. Deswegen war er auch froh, wenn seine Männer ihre gesunde Skepsis beibehielten.
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Er stieg auf das Quarterdeck hinunter und suchte das Ruderhaus auf. Hier stand Pete Ballie in Gesellschaft all der Karten, die der Seewolf seit Formosa und den Philippinen an der Rückwand des Decksgebäudes festgepinnt hatte. Ausgezeichnete Karten waren das. Ohne sie wäre Hasard auf die Straße von Malakka gar nicht aufmerksam geworden. Er warf einen prüfenden Blick auf den Kompaß, nahm seine Hilfsmittel für die Navigation zur Hand und stellte noch einmal die Position fest. Dann verglich er die Position mit dem Kurs, den er auf den Karten abgesteckt hatte. Soweit es die Berechnung der Route und deren Einhaltung betraf, verlief alles genau nach Plan. Eine der Karten hatte Hasard von Sun Lo, dem Mönch von Formosa, als Geschenk erhalten. Die anderen hatten ihm die Spanier in Manila „ausgehändigt“, höchst unfreiwillig allerdings. Sie mußten noch immer eine Höllenwut auf ihn haben, und sie würden alles daransetzen, ihn wieder zu stellen. Vorläufig allerdings hatten sie den Anschluß verloren. Die Spur der „Isabella“ verschwand für die Verfolger irgendwo zwischen den Sunda-Inseln. Die Chance, daß sie ihn wiederfanden, war äußerst gering. Genauso gut konnten sie nach der bekannten Nadel im Heuhaufen suchen. Hasard hätte sie herausfordern „oder ihnen irgendwo eine Falle stellen können. Aber er war nicht scharf darauf, die Kriegsschiff-Verbände von Manila wiederzutreffen. Früher oder später würden sich die Dons ohnehin wieder präsentieren, wenn auch mit anderen Schiffen, in Form anderer Gesichter, anderer Taktiken und Hinterhältigkeiten – er rechnete damit, sie noch vor dem Erreichen des Indischen Meeres wiederzusehen. Ohne die Karten, soviel stand fest, hätte Hasard sich statt durch die Malakkastraße eher durch jene Passage getastet, die zwischen den Inseln Sumatra und Java lag. „Na ja“, sagte der Seewolf. „So ein großer Umweg wäre das eigentlich auch nicht gewesen, Pete.“
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„Was denn, Sir?“ „Die Selat Sunda. Die Sunda-Straße.“ „Bestimmt nicht.“ „Dann frage ich mich, welchen Vorteil wir jetzt gewinnen.“ Pete stülpte die Unterlippe vor und blickte voraus. „Wahrscheinlich ist es der bequemere Törn. Und das ist doch sehr wichtig für uns.“ „Möglich, daß wir auch um ein paar Erfahrungen reicher werden, die uns die Sunda-Straße nicht bietet.“ Old O’Flynn war Hasard nachgestakt, er schaute zum Ruderhaus herein und grinste. „Du hast ja auch einen ganz schönen Sarkasmus am Leib“, meinte er. Hasard begegnete seinem Blick. „Mußt du denn immer alles negativ auslegen?“ „Du kennst mich doch.“ Hasard lachte. _Donegal, du bist wirklich unverbesserlich. So wie du die Dinge siehst, erreichen wir Old England sowieso nie wieder, oder?“ „Nun fang du nicht auch noch an“, entgegnete der knorrige Alte wider Erwarten. „So ein Miesmacher bin ich ja nun auch wieder nicht. Wenn wir nicht auf Grund laufen, von einem Sturm zerschmettert werden, ersaufen, an einer Seuche krepieren oder von den Dons massakriert werden – dann laufen wir garantiert heil und unversehrt die Heimat an.“ „Aha. Sag mal, was hältst du davon, wenn wir die Spanier unterwegs wieder um einige ihrer Reichtümer erleichtern? Wäre das nicht nach deinem Geschmack?“ erkundigte sich der Seewolf. „Klar“, erwiderte O’Flynn. Dann pochte er jedoch mit einer seiner Krücken auf die Decksplanken. „Nur einen Haken hat die Sache. Wir liegen schon zu tief. Unsere Lady hat ihren Bauch schwer vollgeladen und geht mit einem Riesenschatz schwanger. Wenn du noch mehr dazu lädst, säuft sie glatt ab und überläßt uns den Haien zum Fraß.“ Sie grinsten sich an, und auch Pete Ballie fing an zu lachen. Die Stimmung an Bord war ausgezeichnet, und das war die wichtigste Voraussetzung für ein
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harmonisches Leben auf See, wenn alles ruhig verlief und Langeweile sich einzustellen drohte. Stürme und Kämpfe schmiedeten die Männer so fest zusammen wie nie, aber wenn allzu lange Stille und Müßiggang herrschten, wurde die Crew leicht mürrisch. Dann war es gut, zu flachsen und zu unken und von Dear Old England zu reden, als läge sie nicht Tausende von Meilen entfernt, sondern gleich hinter der nächsten Ecke. Carberry, seines Zeichens Profos und unumschränkter Herrscher über die Kuhl, hatte seine ureigene Art, den Gegebenheiten zu begegnen. Wenn so ein „Schlabbertörn“ gefahren wurde wie heute, ließ er entweder die „Isabella“ von vorn bis achtern aufklaren, brüllte die Crew an, daß die Schotten aus ihren Fassungen zu fallen drohten, brachte Sir John, dem karmesinroten Aracanga, neue Unanständigkeiten bei oder gab seine ewigen Kalauer zum besten. Hätte man ihn wegen dieser allenthalben bekannten Geschichten als schrullig bezeichnet, wäre er sofort explodiert. Keiner sollte es sich einfallen lassen, Edwin Carberry, den Zuchtmeister und Hüter der Borddisziplin, zu kritisieren oder gar zu beleidigen. Die Bande hatte zu kuschen und ergebenst zu lauschen, wenn Carberry sein Seemannsgarn spann. So dachte er jedenfalls. Dem Äquator waren sie jetzt wieder nahe, wie Carberry nach eingehendem Studium der Karten im Ruderhaus festgestellt hatte. Obwohl der Monatserste verstrichen war, konnte man durchaus noch jemanden in den April schicken. Zweifacher Anlaß für den Profos also, nach einem willfährigen Opfer Ausschau zu halten. Carberry schritt nicht, er stapfte über Deck. Sein Blick verharrte auf Bill. Der Schiffsjunge schickte sich gerade an, in den Großmars aufzuentern. Dort sollte er den Ausguck Bob Grey ablösen. Carberry stoppte den Moses. „He!“ rief er. „Bill, komm mal her, Söhnchen!“ Er blieb mit gegrätschten Beinen stehen und glich die Schiffsbewegungen aus. Als Bill, der
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schon nach den Luvhauptwanten gegriffen hatte, sich jetzt umdrehte und anmarschierte, setzte Carberry seine bedeutungsvollste :Miene auf und sagte: „Hör zu, halte nach den Wegweisern Ausschau, die uns die Richtung zum Äquator zeigen, verstanden?“ „Mister Carberry“, erhob Bill einen schwachen Einwand. Der Profos ließ sich nicht bremsen. „Wir sind jetzt nahe dran, und du kriegst was hinter die Löffel, Söhnchen, falls du die Hinweisschilder verpennst, die überall in der See aufgestellt sind“, fuhr er fort. Bill nahm seinen ganzen Mut zusammen. „Mister Carberry, ich habe meine Äquatortaufe schon hinter mir.“ „Wie? Was? Als ob ich das nicht wüßte. Halt den Mund und rede nur, wenn du gefragt wirst.“ Carberry holte zu einem schwungvollen Vortrag über den Zaun aus, durch den der Verlauf des Äquators rund um die Erde gekennzeichnet war, über das Gatter, das hier ganz aus Bambusrohr gearbeitet war und das man erst durchbrechen mußte, um auf die andere Seite zu gelangen. Aber Bill holte ganz tief Luft und rief: „Also nein, bei allem Respekt, auf die Geschichten falle ich nicht mehr herein. Tut mir leid, Mister Carberry. Bitte mich abmelden zu dürfen.“ Der Profos war richtig erschüttert. Eine Weile stand er finster schweigend da, und Bill befürchtete schon das Schlimmste. Dann sagte Carberry aber nur: „Also gut, hau ab, mein Sohn.“ Bill kehrte zu den Luvwanten zurück und kletterte in den Webeleinen hoch, froh, einem brüllenden Donnerwetter des Profos’ entgangen zu sein. Sir John ließ sich auf der Profosschulter nieder, aber sein Herr scheuchte ihn weg. „Verschwinde, du Schnarchhahn“, fuhr er den bunten Vogel an. „Sieh zu, daß du Land gewinnst.“ Wirklich, um Carberrys Stimmung war es jetzt nicht mehr zum besten bestellt. Er trat zu dem jungen Dan O’Flynn, der sich gerade auf dem Rand der Kuhlgräting niedergelassen hatte.
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„Jetzt wird der Bengel auch schon frech“, sagte Carberry verdrossen. „Das hat er von dir gelernt. Seit du nur noch selten als Ausguck oben im Mars hockst, läßt die Disziplin zu wünschen übrig. Eines Tages stauche ich euch Kakerlaken alle zusammen, daß euch Hören und Sehen vergeht.“ Dan hatte den Dialog zwischen Carberry und dem Schiffsjungen natürlich verfolgt. Ihm lag schon eine spöttische Erwiderung auf der Zunge, aber dann sagte er sich, daß man’s nicht übertreiben solle. „Ed“, entgegnete er daher beinah sanft. „Laß doch. Bill ist dabei, sich zum vollwertigen Decksmann zu mausern. Gerade du hast ihn doch sonst immer unter deine schützenden Fittiche genommen.“ „Meine was? Der Teufel soll den Burschen holen.“ „Na ja. Jedenfalls mußt du verstehen, daß Bill an deine haarsträubenden Schauermärchen nicht mehr glauben will.“ Der Profos wollte einen lauten Fluch loslassen, aber Dan redete weiter, ehe er dazu kam: „Außerdem – wir berühren den Äquator sowieso nicht. Es erübrigt sich also, davon zu sprechen. Wir segeln knapp nördlich an ihm vorbei, bevor wir durch die Straße von Malakka stoßen. Erst später, in der Indischen See, werden wir ihn wohl überqueren.“ „O’Flynn, du Schlauberger“, sagte der Profos. „Du hältst dich wohl für oberklug, was, wie?“ Sie hätten sich jetzt doch gestritten, wenn sich Bill, der Bob abgelöst hatte, nicht aus dem Großmars gemeldet hätte. Klar drang seine Stimme aufs Deck hinunter. „Land in Sicht! Steuerbord voraus!“ 2. Nach dem Verlassen Borneos war es wirklich der erste Zipfel Erde, den die Seewölfe wiedersahen. Sie traten ans Schanzkleid ihres Schiffes, hoben Kieker vor die Augen und hielten mit gemischten Gefühlen Ausschau. Hasard stand am Steuerbordschanzkleid im vorderen Bereich des Achterdecks. Er ließ
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das Spektiv sinken und sagte zu Ben, Ferris und Shane, die sich hinter ihm befanden: „Kein Festland, eine Insel, wie ich erwartet habe. Die Angaben auf den Karten erweisen sich wieder als ausgesprochen präzise.“ „Wir haben also den Kepulauan Riau vor uns?“ fragte Ferris Tucker. „Ja, den Riau-Archipel.“ Hasard nahm noch einmal das Spektiv zu Hilfe und präzisierte dann: „Es muß sich um eine der kleineren, am weitesten nach Osten versetzt liegenden Inseln handeln.“ „Wir laufen sie nicht an?“ Ben Brighton warf Hasard einen Seitenblick zu. „Ich habe es nicht vor. Haben wir Proviant- oder Trinkwasserprobleme, Ben?“ „Zur Zeit nicht.“ „Fast in der ganzen Malakkastraße befinden sich Inseln“, sagte der Seewolf. „In den nächsten Tagen haben wir also noch ausreichend Gelegenheit, uns an Land die Beine zu vertreten.“ „Sir!“ schrie Bill plötzlich. „Auf der Insel sehe ich etwas, das — ich glaube, das ist Feuer!“ „Ich ziehe dir die Haut in Streifen ab, wenn du dich nicht klarer ausdrückst, du karierter Decksaffe!“ brüllte Carberry von der Kuhl. Hasard schaute noch einmal durch sein Spektiv, konnte im Rund der Optik aber keinen Feuerschein erkennen. „Der Junge täuscht sich“, murmelte er. „Vielleicht hat ihn irgendein Sonnenreflex irritiert.“ Bill meldete sich jetzt aber wieder: „Sir, da brennt was ab, ich sehe es ganz deutlich!“ Hasard begab sich daraufhin auf die Kuhl, steckte das Spektiv weg und enterte selbst in den Großmars auf. Er kletterte zu Bill hinter die Segeltuchverkleidung der großen Plattform, spähte mit dem Glas nach WestNord-West und bestätigte Sekunden später: „Es stimmt, Bill. Der Brand scheint am Leeufer der Insel entfacht worden zu sein, also im Südwesten. Daher konntest nur du ihn von deinem erhöhten Standort aus sehen.“
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„Ja, Sir“, antwortete der Junge aufgeregt. „Was hat das Feuer zu bedeuten?“ Der Seewolf beobachtete unverwandt die Flammen, die einen wabernden Teppich über die Konturen der Insel legten. Er wußte sich selbst noch keinen Reim auf die Erscheinung zu bilden, hatte aber bereits beschlossen, die Sache nicht unbeachtet zu lassen. Welche Ursachen mochte es für den Brand geben? Selbstentzündung? Nein, der tropische Regenwald war so feucht, daß jede Glut, die der Sonnenglast eventuell hineinfraß, sofort wieder erlöschen mußte. Hatten Eingeborene das Feuer gelegt, um Teile der Flora abzufackeln, um vielleicht Lichtungen zu schaffen, auf denen sie neue Häuser bauen und Pflanzungen einrichten konnten? Hasard hielt auch das für sehr unwahrscheinlich. Meistens gaben sich die Eingeborenen mit dem zufrieden, was sie ihrer Umgebung so abgewinnen konnten, und mit dem Feuer scherzten sie auf keinen Fall. Was den Anbau von Früchten und Gemüse betraf, würden die Inselbewohner dafür keinesfalls einen Kahlschlag schaffen, denn sie waren mit Sicherheit Fischer, allenfalls noch Jäger. Menschen schienen aber auf jeden Fall die Urheber der Feuersbrunst zu sein. Hasard erinnerte sich daran, daß Sun Lo, der Mönch von Formosa, ihm über gewisse Riten der Malaien berichtet hatte, bei denen Feuer eine wesentliche Rolle spielte. Auf Bali, einer Insel weiter im Osten, sollten Tote beispielsweise an hölzernen Tiersymbolen aufgehängt und dann verbrannt werden, wobei es seltsamerweise sehr lustig zuging. Fand dort, auf dem kleinen Eiland, ein derartiger Ritus statt? Für die Seewölfe wäre es kein Grund gewesen, sich die Angelegenheit aus der Nähe zu betrachten. Die Eingeborenen wollten bei einem solchen Zeremoniell gewiß nicht gestört werden. „Möglich, daß es sich um Lagerfeuer handelt, Sir“, sagte Bill. „Am helllichten Tag? Kaum. Außerdem lodern die Flammen zu hoch.“ Der Seewolf senkte das Spektiv. „Irgendetwas stimmt da nicht, und ich würde einiges darauf
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verwetten, daß unsere lieben Freunde, die Spanier, die Hände im Spiel haben. Weißt du was? Ich bin neugierig.“ „Das heißt ...“ „Wir laufen die Insel an und sehen nach, wer das Freudenfeuer angezündet hat - und warum.“ Hasard richtete sich auf, beugte sich über die Großmarsumrandung und teilte den von unten heraufblickenden Männern seine Anweisungen mit. Carberry ließ die Schoten noch etwas dichter holen, und Pete Ballie bewegte das Ruderrad. Die „Isabella VIII.“ luvte an und fuhr, mit Steuerbordhalsen und auf Backbordbug liegend, hoch am Wind auf Kurs West-Nord-West auf die Insel zu. Hasard harrte im Großmars aus und ließ das Feuer nicht mehr aus den Augen. * Die Soldaten hatten auch die letzte Hütte in Brand gesetzt, und der Teniente Savero de Almenara schritt vor der glutigen, heißen Flammenwand dem zehn Mann starken Trupp entgegen, der die Dorfbewohner in den Inselwald hinein verfolgt hatte. Ein Sargento war der Anführer des Trupps. Etwas außer Atem meldete er dem Teniente „Nichts, nichts und wieder nichts. In dem verdammten Dschungel verliert sich jede Spur. Mag der Teufel wissen, wohin sich dieses Drecksvolk verkrochen hat.“ „Wir finden es heraus“, sagte de Almenara gepreßt. „Wir kriegen diese Bastarde, das schwöre ich euch - bei meiner Ehre.“ Er war ein, echter Hidalgo, der Abkömmling einer verarmten Adelsfamilie andalusischen Geblüts, und in Sachen Stolz und Ehrgeiz schlug sein Herz besonders hoch. „So groß ist die Insel nicht“, erklärte er. „Wir stöbern sie auf, alle, und dann gnade ihnen Gott!“ Er wandte sich mit geballten Händen der Bucht zu. Das Dorf lag schätzungsweise zwanzig Fuß über dem Meeresspiegel und war von den malaiischen Fischern klugerweise auf einer Anhöhe errichtet worden, damit die Flut den Hütten nichts anhaben konnte und
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man etwaige Angreifer schon von weitem sichten konnte. An diesem Nachmittag hatte der Vorteil, von einem erhöhten. Punkt auf die See zu blicken, den Eingeborenen allerdings nichts genutzt. Der Teniente de Almenara sah sich vor die unerfreuliche Aufgabe gestellt, den Kommandanten des Verbandes über den Mißerfolg der ersten Verfolgung zu unterrichten. Hatte der Comandante Arturo Diaz Escribano schon bei der gelungenen Flucht der Dorfbewohner getobt, so würde er jetzt zweifellos mit de Almenaras Degradierung drohen und einen Heidentanz veranstalten. De Almenara biß sich auf die Unterlippe. Er wußte, daß er beobachtet wurde. Der Kommandant und die Kapitäne der beiden anderen Schiffe rührten sich nicht von den Achterdecks ihrer dickbäuchigen Galeonen. Sie hielten ihre Fernrohre unablässig auf das Dorf gerichtet und hatten natürlich verfolgt, wie der Sargento mit seiner Gruppe zurückgekehrt war. Jetzt verlangten sie näheren Aufschluß über den Verlauf der Aktion. De Almenara handelte gewissermaßen unter dem Zwang der Situation. Wären die Dinge etwas anders verlaufen, hätte er dem Kommandanten keineswegs über jeden seiner Schritte Meldung erstatten müssen. So aber ... Abwartend schaukelten das Flaggschiff „Santissima Madre“, die „Santa Barbara“ und die „San Juan“ auf den kleinen Wellen der Bucht. Ihre hölzernen Leiber und Masten schienen eine Botschaft zu dem Teniente herüberzuschicken: Versager! Versager! De Almenara haßte sie plötzlich, diese Schiffe. Und er verfluchte den Auftrag, der ihn auf diese elende Insel geführt hatte. „Isla de la mierda“, fluchte er, stampfte mit dem Fuß auf und drehte sich sodann zu einem seiner Untergebenen um. „Vorwärts, lauf zu den Booten, laß dich zur ,Santissima Madre’ übersetzen und teile dem Comandante mit, daß wir die Eingeborenen aus den Augen verloren
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haben - daß wir aber den ganzen Urwald abbrennen und sie wie die Füchse ausräuchern werden, ver- standen?“ „Si, Senor“, erwiderte der Soldat und rückte ab. Savero de Almenara suchte unterdessen mit dem Blick Siabu, den Batak. Der hockte drüben, am Beginn der felsigen Landzunge, und ließ sich vom Feldscher der „Santa Barbara“ verarzten. Tiefe Schnitte hatte ihm Otonedju mit dem Parang beigebracht. Siabu hatte ziemlich viel Blut verloren, saß mit verzerrter Miene da und war bleich unter seiner braunen Hautfarbe geworden. Der Teniente verspürte nicht das geringste Mitleid mit ihm. Seiner Meinung nach trug der Batak die Schuld daran, daß der Dorfälteste sich überhaupt hatte befreien können. Und erst Otonedju hatte ja den Widerstand der anderen Krieger entfacht. De Almenara wollte Siabu aufscheuchen und zu sich beordern. Er suchte nach einer Möglichkeit, seine Wut an jemandem auszulassen, und der eingeborene Dolmetscher schien das richtige Objekt dafür zu sein. Doch in diesem Augenblick sichtete de Almenara das fremde Schiff. Siabu und der Feldscher konnten es nicht sehen, weil sie ihre Gesichter dem Teniente zugewandt hielten. Die Soldaten um de Almenara waren zu sehr mit dem Betrachten des knisternden Feuers beschäftigt, um der See ihre Aufmerksamkeit zu widmen - und in der Bucht wurde man des Schiffes schon gar nicht gewahr, weil die felsige Landzunge den Ausblick auf den heranrauschenden Segler versperrte. So war der Teniente der einzige, der das Herangleiten der großen Galeone mit den überhohen Masten und den auffallend niedrigen Aufbauten bemerkte. Savero de Almenara hätte den Melder. der in diesem Moment in eins der am Ufer liegenden Beiboote stieg, stoppen können, um die Nachricht über das Auftauchen des Schiffes an ihn weiterzugeben. Aber es gab einen direkteren Weg, die
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Verbandsführung über die Neuigkeit zu unterrichten. Der Teniente hob einfach nur beide Hände und gab ein Zeichen zur „Santissima Madre“ hinüber. Arturo Diaz Escribano registrierte die Gebärde. Überrascht zog er die Augenbrauen hoch. Eine Galeone im Süden, hatte der Teniente signalisiert. Wer? Der Kommandant erwartete keine Verstärkung, keinen Besuch. Er war an diesem Morgen mit klaren Anweisungen aus Bengkalis auf Sumatra ausgelaufen und hatte auch zwischenzeitlich keinen Hinweis darüber erhalten, daß irgendein spanisches Schiff mit seinem Verband zusammentreffen solle. Sein Mißtrauen war geweckt. „Das Großsegel setzen“, befahl er. Der Zuchtmeister auf der Kuhl gab den Befehl an die Mannschaft weiter, und sofort stürzten alle auf ihre Stationen. Die „Santissima Madre“ war nicht in der Bucht vor Anker gegangen, Escribano hatte mit dem Schiff beweglich bleiben wollen, um den Landtrupp gegebenenfalls durch das Feuer der Kanonen unterstützen zu können. So drehte die Galeone jetzt ihren Bug nach Süden, legte sich platt vor den Wind und verließ langsam die Bucht. Auf diese Weise glitt die Landzunge an den Spaniern vorbei, und die Aussicht öffnete sich ihnen auch auf jenen Bereich, der hinter dem felsigen Auswuchs der Insel lag. So entdeckten auch sie nun den großen Dreimaster, der hart am Wind liegend an den pfeilförmigen Bambusgestellen im Wasser vorbeizog, die die Malaien zum Fischfang benutzten. Das Schiff ließ die leichten Boote der Eingeborenen Steuerbord achteraus liegen, sie begannen im Kielwasser der Galeone zu tanzen. Als das Schiff sich anschickte, die Landzunge zu runden, hatte der spanische Kommandant die Flagge von Kastilien und Leon in seinem Großtopp entdeckt. Der Ausguck im Hauptmars der „Santissima Madre“ rief eine gleichlautende Meldung.
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Escribano, ein mittelgroßer Mann mit pechschwarzem, dichtem Haupthaar und einem ebenso dunklen und prachtvollen Knebelbart, blickte zu seinem Bootsmann. „Das scheint ein Handelsfahrer zu sein“, sagte er. „Entweder braucht er unsere Hilfe, oder er ist von weitem auf das Feuer aufmerksam geworden und nähert sich aus Neugierde. Ich glaube, wir können ihn unbesorgt heran lassen.“ „Mich überrascht die seltsame Bauweise des Schiffes“, erwiderte der Bootsmann. „Neue Schiffstypen entstehen, und das Mutterland schickt uns Segler in die Kolonien herüber, über deren Aussehen wir nur staunen können“, meinte Escribano. „Ich schätze, wir haben es mit einer Galeone zu tun, die unterwegs nach Manila ist. Daß wir in Bengkalis nichts von ihr erfahren haben, liegt wahrscheinlich daran, daß sie erst heute morgen -nach unserem Auslaufen - dort vorbeigesegelt ist. Meines Erachtens könnte sie die Vorhut eines ganzen Verbandes darstellen, der noch vor Termin die Malakkastraße erreicht hat.“ Der Bootsmann zuckte mit den Schultern. „Wie Sie meinen, Comandante. Ich finde nur, das Ganze ist etwas zu vage ausgedrückt - mit Verlaub gesagt.“ Escribano verzog den Mund. „Das verbitte ich mir. Ich weiß, Sie denken an Piraten, aber weder die malaiischen Freibeuter noch die Seeräuber anderer Nationalitäten verfügen in diesen Gewässern über so große und so hervorragend in Schuß gehaltene Schiffe. Das kann nur ein echter Spanier sein.“ Soviel Überzeugung hatte der Bootsmann nichts entgegenzusetzen. Er schaute nur unausgesetzt zu dem fremden Schiff hinüber, während der Kommandant aus den Toppen der „Santissima Madre“ signalisieren ließ, der große Dreimaster solle mit verringerter Fahrt in die Bucht einlaufen und sich auf Rufnähe dem Flaggschiff nähern. Der Bootsmann grübelte nach, wo er schon einmal von einem außergewöhnlichen Schiff mit überhohen Masten hatte reden hören.
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Zweifellos in Bengkalis. Aber Bengkalis war ein winziger Hafen und ziemlich verlorener Posten auf einer Rieseninsel, die gerade erst richtig erschlossen würde, und viele Dinge, die beispielsweise in Manila als Botschaften verfaßt wurden, drangen nur unvollkommen bis dorthin. So kam der Batelero trotz allen Nachsinnens nicht darauf, daß man es bei dem Fremden mit Spaniens Feind zur See Nummer eins zu tun haben könnte, mit einem gewissen Philip Hasard Killigrew. * Hasard war wieder aus dem Großmars abgeentert. Er hatte genug gesehen und gab jetzt die letzten Kommandos an Carberry, Ben Brighton, Ferris Tucker, Shane und Dan, die alle erforderlichen Vorbereitungen für die bevorstehende Zusammenkunft betrafen. Heimlich und in aller Stille wurde zum Gefecht gerüstet. Als die „Isabella“ langsamer werdend auf das Flaggschiff zusteuerte, war jedes Geschütz an Oberdeck fix und fertig geladen. In den Kupferbecken glühte das Holzkohlenfeuer, jeder Mann stand auf seinem Posten. Die Galeone, die soeben die Inselbucht verlassen hatte, schien das Flaggschiff des Dreierverbandes zu sein. Hasard blickte mit dem Spektiv zu dem imposanten Zweidecker hinüber und zählte die Stückpforten. Es waren zwölf. Vierundzwanzig Kanonen führte der Segler also, und sicherlich handelte es sich um 17-Pfünder-Culverinen, keine leichten Kaliber. Den Namen des dickbauchigen Schiffes vermochte der Seewolf nun auch zu lesen: „Santissima Madre“: Er blickte nach rechts in die Bucht und taxierte auch die beiden anderen, etwas kleineren Galeonen. Je sechzehn Geschütze trugen sie auf ihren Decks, hinzu gesellten sich jeweils zwei DemiCulverinen beziehungsweise Minions in Bug und Heck. Bei seiner raschen Kopfrechnung kam der Seewolf auf insgesamt 64 Geschütze —
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gegen die sechzehn Culverinen und vier Drehbassen der „Isabella“. Ein gewaltiges Mißverhältnis, aber Hasard hielt an seinem Vorhaben fest. Als er festgestellt hatte, daß ein Eingeborenendorf in hellen Flammen stand und Bill die Schiffe der Spanier gesichtet hatte, hatte der Seewolf einen geradezu unnachgiebigen Drang verspürt, den Dingen auf den Grund zu gehen. Was war das? Ein Vergeltungsakt? Eine Strafexpedition? Was war mit den Menschen des Dorfes geschehen? Eiskalt hatte es Hasard überrieselt. Er konnte nicht ignorieren, was auf dieser Insel geschah, dazu hatte er sich bereits zu sehr engagiert. Einfach weiterzusegeln, das lag nicht in seiner Art. Sein Verlangen nach Gerechtigkeit war stärker als jede andere Erwägung. Er hatte die Bambusgestelle, die Reusen und Körbe im Wasser gesehen, die offensichtlich in panischer Flucht im Stich gelassen worden waren. Die Eingeborenen hatten sich auf den nächtlichen Fischfang vorbereitet, waren dabei jedoch von den Spaniern gestört worden. Nichts hatte Hasard daran hindern können, nun auf Teufel komm raus und mit aller Dreistigkeit in die Bucht zu segeln. Es gehörte Kaltblütigkeit dazu, sich als Spanier auszuweisen — früher war das einfacher gewesen, aber inzwischen war die Kunde vom Seewolf, der auf allen Weltmeeren Beute riß, bis in die entferntesten Winkel gedrungen, und auch die „Isabella“ wurde immer bekannter. Hasard setzte also sehr hoch. Jeden Augenblick konnten ihn die Feinde entlarven und das Feuer eröffnen. Hasard zweifelte nicht daran, daß alle drei Galeonen gefechtsklar waren. Die „Santissima Madre“ hatte ihr Großsegel wieder aufgegeit. Sie drehte bei, um die „Isabella“ zu empfangen. „Verdammt noch mal“, sagte Ben Brighton neben Hasard. „Ich frage mich, was für einen Willkommensspruch die für uns bereithalten. Vielleicht ist das Ganze sogar eine Falle.“
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Ein gebranntes Kind scheut das Feuer. Aber Hasard war in dieser Beziehung unverbesserlich — und das mußte er auch sein, denn sonst hätte er sein Dasein als Korsar der englischen Königin aufgeben müssen. Was bedeutete es schon, daß ein vorwitziger Portugiese ihnen auf einer Insel nördlich von Formosa eine Falle gestellt hatte, aus der sie fast nicht mehr entkommen wären? Der Einfallsreichtum des Gegners wuchs, aber kein Seewolf entzog sich der Gefahr, die er ansatzweise vor sich wittern mochte. Die „Isabella“ lief auf Rufweite an die „Santissima Madre“ heran. Hasard ließ in den Wind drehen, dann trat er an das Backbordschanzkleid des Achterdecks und gab sich zu erkennen. „Capitan Vicente Buendia mit der ,Alaria`!“ rief er zum Achterdeck des Flaggschiffs hinüber. „Was ist hier los? Brauchen Sie unsere Hilfe?“ „Hier spricht der Comandante Arturo Diaz Escribano“, tönte es in genauso geschliffenem Spanisch zurück. „Ich bin der Befehlshaber dieses Kriegsverbandes und empfehle Ihnen dringend, sich wieder zurückzuziehen, Senor.“ „Warum?“ Hasard kletterte auf das Schanzkleid und hielt sich an den Besanwanten fest. „Sprechen hier gleich die Kanonen? Fliegen die Fetzen? Ist das wirklich möglich?“ „Sie sind entschieden zu naseweis, Senor!“ Hasard konnte sich ein grimmiges Lachen gerade noch verkneifen, als der Kommandant das sagte. Aus schmalen Augen spähte er zu dem schweren Kriegssegler hinüber und erkannte den betreßten, Anführer auf dem Achterdeck. Schwarzbärtig und in stolz erhabener Pose, so präsentierte sich der Kommandant. „Verzeihen Sie mir meine Neugierde!“ rief der Seewolf. „Aber es ist schon einige Zeit her, daß wir mit Landsleuten zusammentrafen.“ „Woher kommen Sie?“ „Aus der Indischen See.“ Hasard wußte, daß er sich jetzt aufs Glatteis begab. Jeden
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Augenblick konnte er ausrutschen, weil der Kommandant über den Verkehr spanischer Schiffe in der Straße von Malakka wahrscheinlich gut unterrichtet war. Also mußte Hasard etwas tun, um das Gespräch von Bord zu Bord in andere Bahnen zu lenken. „Fast wären wir unterwegs überfallen worden, aber das steht auf einem anderen Blatt!“ „Was, von Piraten etwa?“ „Richtig. Wir konnten ihnen davonsegeln. Aber was wird hier gespielt, Comandante?“ „Wir sind hinter einem üblen Freibeuter von Malakka her, einem Kerl, der ‚Tiger von Malakka` genannt wird. Er soll sich mit seiner Meute auf dieser Insel oder in der Umgebung versteckt halten, nachdem er vor kurzem einen unserer Verbände vor Sumatra überfallen hat“, antwortete der spanische Kommandant. „Hier, in diesem Dorf soll er sein?“ „Ja. Aber wir haben ihn vergeblich gesucht.“ „Er ist entwischt?“ „Die Eingeborenen wollten nicht preisgeben, ob der Hund wirklich hier gelandet sei“, entgegnete Arturo Diaz Escribano. „Deshalb wissen wir nicht, wo wir nach dem Tiger forschen sollen. Die Malaien, diese verfluchten Bastarde, stecken alle unter einer Decke und halten zusammen wie Pech und Schwefel.“ Hasard solidarisierte sich innerlich mit den Fischern des Dorfes. Was sollte sie denn dazu bewegen, sich ihrer Gesinnung nach auf die Seite der Spanier zu schlagen? Überall, wo die neuen Herren der Welt landeten, verstanden sie sich nur auf eines: zu morden, zu plündern und zu brandschatzen. Überdies trachteten sie fanatisch und unerschütterlich danach, alle „nackten Wilden“ zu bekehren. „Haben Sie die Wilden getötet?“ erkundigte sich Hasard. Wieder spürte er dieses eiskalte, widerwärtige Rieseln auf dem Rücken. „Nein, sie sind uns entwischt!“ schrie der Kommandant. „Wie die Aale sind sie meinen Leuten unter den Fingern weggeglitten, bevor diese sie richtig
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aushorchen konnten. Aber das werden die elenden Hunde bereuen. Das Dorf haben wir angesteckt — jetzt kämmen wir die ganze Insel ab und schaffen reinen Tisch!“ Escribano hatte sich immer mehr in Erregung gesteigert. das Ganze zehrte offensichtlich erheblich an seinen Nerven. Hasards Züge hatten sich verhärtet. Aus Wut über den Mißerfolg wollten sich die Spanier an den unschuldigen Inselbewohnern rächen. Das sah ihnen ähnlich! Natürlich war Hasard bewußt, daß nicht alle Spanier Schurken waren, aber die Kategorie, die er hier vor sich hatte, zählte zu den übelsten, grausamsten. „Welches ist Ihr Heimathafen, Capitan Buendia?“ wollte der Kommandant jetzt von ihm wissen. „Welches ist Ihr Ziel, und welche Ladung befördern Sie?“ „Viele Fragen auf einmal“, murmelte der Seewolf. „Aber ich werde sie dir gebührend beantworten, Don Felipe.“ Laut erwiderte er: „Das kann ich Ihnen nur in einem Gespräch unter vier Augen mitteilen, Comandante. Bitte haben Sie Verständnis dafür. Ich werde jetzt übersetzen, Ihnen eine Visite abstatten und Ihnen alles persönlich erklären, was Sie zu erfahren wünschen.“ Ben Brighton schaute seinen Kapitän ziemlich verdattert an. Nicht wegen der gedrechselten Redeweise, die dieser an den Tag legte, sondern wegen des Vorhabens. Ben kam aber nicht dazu, seine Einwände zum Ausdruck zu bringen. „Soll das heißen, daß Sie in geheimer Mission unterwegs sind?“ schrie Escribano vom Achterdeck seiner „Santissima Madre“. „Si, Senor“, antwortete Hasard. „Ich erwarte Sie, Buendia!“ Hasard sprang vom Schanzkleid aufs Deck und wandte sich sofort seinen Männern zu. „Ben, du übernimmst das Kommando über die ‚Isabella’. Wenn es richtig losgeht, knöpfst du dir die beiden anderen Galeonen vor, verstanden?“ „Aye, Sir.“ „Shane, Blacky, Dan und Sam Roskill begleiten mich als Rudergasten im Boot.“
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„In Ordnung“, sagte Big Old Shane. „Ed, du kannst das Boot abfieren lassen.“ „Hol’s der Henker“, ertönte Carberrys Stimme auf der Kuhl. „Das nenne ich den Teufel am Schwanz ziehen.“ „Sei doch still“, zischte Dan O’Flynn. „Willst du, daß die Dons dich hören? Wenn du schon herumbrüllst, dann wenigstens auf spanisch.“ „Eines Tages“, sagte der Profos so freundlich wie ein hungriger Hai, „eines Tages ramme ich dich wegen deiner vorlauten Klappe ungespitzt in die Kuhl, du verlauster Floh.“ * Hasard hatte auf der Heckducht des Bootes Platz genommen und bediente die Ruderpinne. Über Shanes, Blackys, Dans und Sams Köpfe weg hatte er einen phantastischen Ausblick auf die Galeone „Santissima Madre“, ein Meisterwerk spanischer Schiffsbaukunst. Im Dahingleiten der Jolle stufte er das Flaggschiff als der 300-Tonnen-Klasse zugehörig ein. Das Schnitzwerk und die goldenen Verzierungen der Achterpartie konnte er nur bewundern, aber man mußte den Spaniern vorwerfen, daß sie es immer noch nicht gelernt hatten, ihren Seglern eine schlankere, flachere Form zu geben. Dadurch wären die Schiffe schneller und beweglicher geworden. Aber der Trichter, mit denen man es den Dons ins Hirn hätte eingeben können, mußte erst noch erfunden worden. Sie betrachteten ihre Galeonen in erster Linie als Transportmittel für Gold, Silber, Diamanten, Soldaten und Passagiere. Es wurde viel dafür getan, die Schiffe so voll wie möglich zu stopfen, nichts aber für den Fortschritt in der Konstruktion. „Eines Tages werden diese dicken Kästen mit dazu beitragen, daß Spanien als Weltmacht untergeht“, sagte Hasard. „Wenn sie es nicht fertigbringen, bessere Schiffe zu basteln und mit der Zeit zu gehen, übertrumpfen wir sie.“ „Ja“, sagte Shane mit einem breiten Grinsen. „Aber es fragt sich, ob wir dann
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noch am Leben sind oder im vernichtenden Kreuzfeuer den Hintern zugekniffen haben.“ „Mußt du das ausgerechnet jetzt anbringen?“ sagte Dan gedämpft. „Mann, du verunsicherst mich.“ „Das mußt gerade du sagen“, erwiderte Shane, ohne mit dem Grinsen aufzuhören. „Was ist, Hasard, jubeln wir diesem elenden Zuber gleich zur Begrüßung ein paar Höllenflaschen unter? Stecken wir sie ihm in die Kanonenmündungen?“ Hasard verfolgte, wie an Steuerbord der „Santissima Madre“ eine Jakobsleiter ausgebracht wurde. Sicherlich wartete Arturo Diaz Escribano bereits voller Ungeduld darauf, von „Vicente Buendias“ geheimer Mission zu erfahren. Wundern sollte der sich! „Nichts in der Richtung“, sagte Hasard zu dem graubärtigen Riesen. „Damit würden wir den Zweck der Übung verfehlen. Unser Ziel ist es, erst mal an Bord des Flaggschiffs zu gelangen. Paßt auf, wie ihr euch ausdrückt. Shane, halte dich mit dem Sprechen zurück, bei dir hört man den englischen Akzent noch am meisten heraus. Wenn sie zu früh spitzkriegen, daß wir nicht ihre Landsleute sind, sieht die Sache übel für uns aus.“ Die Jolle war der Bordwand des Spaniers nahe. Wuchtig wuchs das Schiff vor ihnen hoch. Hasard lenkte das Boot längsseits des wehrhaften Giganten, sie dümpelten auf die Jakobsleiter zu und verhielten, während Fender aus Tau und Kork den Anprall dämpften; Hasard kletterte als erster die Sprossen der Jakobsleiter hoch. Er sprang lächelnd auf die Kuhl der Galeone, schaute sich um und begegnete der Mannschaft mit den üblichen Begrüßungsfloskeln — umständlichen Redewendungen, wie sie in Spanien verwendet wurden. Der Großteil der Besatzung, vor allen Dingen die Soldaten, befand sich an Land, wie er schnell feststellte. Unter Deck vermutete er keinen der Männer. Es sei denn, das Ganze war tatsächlich eine Falle: Aber diese Wahrscheinlichkeit rückte immer mehr in den Hintergrund.
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Hasard schritt auf den Steuerbordniedergang zu, der zur Hütte hinaufführte. Er benutzte ihn so selbstverständlich, als würde er tagtäglich nichts anderes tun, als fremden Kriegsschiffskommandanten geheime Nachrichten mitzuteilen. Niemand schien Unrat zu wittern. Noch nicht. Arturo Diaz Escribano war ein Mann mit ausdrucksstarken, markanten Zügen. Die Hände hatte er auf dem Rücken ineinandergelegt. Seine Augen richteten sich forschend auf den Seewolf. Drei Männer befanden sich in Escribanos Nähe — ein erster und ein zweiter Offizier sowie ein Bootsmann. Der Rudergänger stand unterhalb des Achterdecks auf dem Quarterdeck, das sich zwischen der achteren Erhöhung des Kastells und der Kuhl befand. Hasard ließ den Kommandanten nicht aus den Augen, aber gleichzeitig gewahrte er auch den Ausdruck auf den Gesichtern der drei anderen Spanier. Besonders der Bootsmann hatte eine Miene aufgesetzt, die Alarmzeichen in Hasard wachrief. Er beeilte sich, die Distanz zwischen sich und den vier Männern zu überbrücken. Keine Minute mehr konnte er die Maskerade aufrechterhalten, die. Spanier waren keine Narren. Er blieb dicht vor Escribano stehen und streckte ihm die Rechte hin. „Es freut mich, einen tapferen Comandante der Armada kennenzulernen, über den ich bereits einiges vernommen habe“, sagte er. Escribano drückte die ihm dargebotene Hand. „Willkommen auf der ,Santissima Madre`, Capitan Buendia. Nun, lassen Sie uns gleich auf den Kern der Sache zu sprechen kommen, denn ich habe keine Zeit zu verlieren. Verzeihen Sie die Hast, aber Sie wissen ja, was ich auf der Insel zu erledigen habe. Also bitte, reden Sie nur ganz offen.“ Hasard wandte etwas den Kopf und musterte den zweiten Offizier und den Bootsmann, die links vom Kommandanten standen. Der Bootsmann schaute immer skeptischer und verdrossener drein.
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Aus den Augenwinkeln sah der Seewolf nun auch Dan O’Flynn und Big Old Shane. Sie hatten das Achterdeck ebenfalls erreicht und verharrten im vorderen Bereich der Steuerbordseite. Sam und Blacky standen weisungsgemäß unten auf der Kuhl. Leutselig grinsten sie die spanischen Decksleute und Soldaten an. „Euer Schiff liegt ziemlich tief“, sagte einer der Soldaten. „Was habt ihr denn geladen?“ „Streng geheim“, erwiderte Blacky in tadellosem Spanisch. „Laß dir aber soviel gesagt sein: Es handelt sich um Schnaps und anderes hochbrisantes Zeug.“ Der Soldat lachte. „Dann müßt ihr eigentlich einen ausgeben.“ Sam Roskill antwortete freundlich: „Ihr kriegt schon noch genug ab, verläßt euch drauf.“ „Comandante“, sagte Hasard in diesem Moment auf dem Achterdeck. „Nehmen Sie es mir nicht übel, aber was ich Ihnen auseinanderzusetzen habe, ist wirklich eine Sache, die sich nur unter vier Augen besprechen läßt.“ „Diese drei Männer genießen mein volles Vertrauen“, entgegnete Escribano etwas weniger freundlich. Hasards Mundwinkel sanken auch ein wenig tiefer. „Das Oberkommando der Armada hat mir mehrfach eingeschärft, wie ich mich zu verhalten habe — ehe ich Cadiz Ende des vergangenen Jahres verlassen habe.“ „Was, Sie kommen aus Cadiz?“ versetzte der Flaggschiffkommandant verblüfft. „Hätten Sie das nicht gleich sagen können?“ Hasard wechselte das Standbein. „Comandante Escribano, ich ersuche Sie noch einmal ...“ „Aus Cadiz“, unterbrach ihn der Bootsmann. „Ihre Galeone ist also ein Kriegsschiff, wenn ich recht verstehe?“ „Ein getarntes Kriegsschiff.“ . „Mit auffallend hohen Masten.“ „Das ist die neueste Bauart“, erwiderte der Seewolf. „Wie lange haben Sie das
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Mutterland nicht mehr gesehen, Bootsmann?“ Der Bootsmann ging nicht darauf ein, sein Blick glitt ungeniert an Hasards Gestalt auf und ab. „Lederwams, weißes Hemd, Stulpenstiefel und eine ganz gewöhnliche, billige blaue Hose — ist das jetzt die neue Kapitänsuniform bei der Armada?“ fragte er. „Das ist auch Tarnung“, sagte Hasard ruhig. „Bei Ihnen scheint überhaupt alles Maske zu sein!“ „Bootsmann“, sagte der Kommandant scharf. „Comandante!“ rief der Bootsmann. „Dieser Mann ist ein Betrüger! Ich kann es nicht beweisen, aber ich habe das untrügliche Gefühl, weil so ein Schiff nie und nimmer auf einer spanischen Werft gebaut worden sein kann!“ Hasard durchlief es siedendheiß. Er suchte nach einer Möglichkeit, sich durch einen Sprung hinter den Rücken des Kommandanten zu bringen. Aber im Augenblick standen die Chancen dafür schlecht - der erste und zweite Offizier und der Bootsmann rückten etwas näher. Sie konnten ihm mühelos den Weg verstellen. Aber da sagte Arturo Diaz Escribano: „Bootsmann, wie können Sie sich erdreisten, an dem Fortschritt spanischer Schiffsbaukunst zu zweifeln! Das ist ja geradezu ketzerisch! Außerdem werden Sie sich dafür verantworten müssen, daß Sie Capitan Buendia beleidigt haben.“ Der Bootsmann wollte etwas entgegnen, aber in diesem Augenblick ertönte aus dem Hauptmars der „Santissima Madre“ die Stimme des Ausgucks. „Boot an Steuerbord! Teniente Savero de Almenaras Melder möchte aufentern!“ Das Boot - Hasard hatte es gesehen, aber damit gerechnet, daß es eine der beiden anderen Galeonen ansteuern würde. Jetzt kam ihm dieser Irrtum unverhofft zu Hilfe. Die Köpfe des Kommandanten und seiner Achterdecksleute ruckten herum, nur für einen Sekundenbruchteil, aber das genügte dem Seewolf.
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Ein großer Schritt nur, und er stand schräg hinter dem Kommandanten. Wie durch Zauberei lag die doppelläufige sächsische Reiterpistole in Hasards Rechter. Er preßte die Mündungen Escribano in die Seite. „Schluß mit den Spiegelfechtereien, Comandante“, sagte er. „Ich weise Sie darauf hin, daß ich Sie bei der kleinsten Dummheit wie einen tollen Hund niederstrecke. Außerdem informiere ich Sie, daß diese Pistole zwei Läufe hat und ich also noch einen Ihrer Vertrauten mit auf die Höllenreise schicken kann - falls Sie so närrisch sein sollten, sich zu wehren“ * Arturo Diaz Escribano stand wie gelähmt da. „Also doch“, murmelte er entsetzt. Seine geweiteten Augen richteten sich auf Shane und Dan, die nun ebenfalls sehr flink ihre Pistolen aus den Gurten gerissen hatten und auf die Offiziere zielten. Hasard hatte sich so placiert, daß er seinen Kameraden beim Feuern nicht im Weg stand und nicht selbst gefährdet wurde. Der Bootsmann traf Anstalten, seine Waffe zu ziehen. „Davon rate ich ab“, sagte Hasard scharf. „Noch eine Bewegung, und es ist um dich geschehen, Amigo. Gleichzeitig erledigen wir deinen närrischen, gutgläubigen Comandante.“ „Bootsmann“, stieß Escribano erstickt aus. „Keinen Widerstand leisten. Das ist ein Befehl.“ Der Bootsmann stand daraufhin wie eine steife Marionette da, aber er konnte sich nicht verkneifen zu sagen: „Capitan Vicente Buendia von der ,Alaria`, wie? Ich hatte Sie gewarnt, Comandante. Niemals konnte das ein spanisches Schiff sein.“ „In diesem Punkt sind wir uns einig“, erwiderte Hasard kalt. „Natürlich kann Spanien so schlanke und wendige Schiffe auch in zehn, zwanzig Jahren noch nicht konstruieren.“ „Lüge“, keuchte der Kommandant.
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„Spanien wird dich mit riesigen Galeonen hetzen, mit Tausendtonnern ...“ „Ja, das ist eben euer Fehler.“ Hasard lächelte verwegen. „Ihr baut immer größere und plumpere Kästen, die man immer besser knacken kann.“ „Wer bist du?“ „Philip Hasard Killigrew, mein Freund. Man nennt mich auch El Lobo del Mar, den Seewolf.“ Wie vom Donner gerührt starrten die Spanier ihren Bezwinger an. Unterdessen hatte auf der Kuhl immer noch niemand begriffen, was auf dem Achterdeck geschah, und sowohl Sam und Blacky als auch Shane und Dan paßten wie die Luchse auf; daß kein Ungebetener das Achterdeck betrat. „Das Boot“, sagte Dan nur. „Es hat uns fast erreicht, Hasard.“ Hasard deutete eine Verbeugung zu Arturo Diaz Escribano hin an. „Gehen wir nun nach vorn, an die Five-Rail. Ihr versteht doch, was ich meine, ehrenwerter Comandante? Die Five-Rail ist die Schmuckbalustrade über dem Quarterdeck, jedenfalls bei uns Engländern.“ „Elender Verbrecher“, stieß der Kommandant mit verzerrter Miene aus. „Ich werde dich vernichten.“ „So wie den ,Tiger von Malakka`?“ „Du wirst noch bereuen, was du getan hast.“ „Leere Sprüche“, sagte der Seewolf wegwerfend. „Damit kommen wir nicht weiter. Halte eine Ansprache, Don Felipe von der traurigen Gestalt. Sag deinen Leuten auf der Kuhl, sie sollen sich ruhig verhalten, ganz ruhig.“ Escribano gehorchte. Er trat an die Schmuckbalustrade. Hasard ging mit. Im blassen Licht des Spätnachmittags sahen sie auf die Männer hinunter, die gespannt zu ihnen aufschauten. Escribano begann zu reden, und im selben Augenblick brachten Blacky und Sam Roskill ihre Waffen in Anschlag auf die spanische Mannschaft. Sam legte den Kopf in den Nacken, zielte nach oben, auf den Großmars, und rief dem Ausguck zu: „Los, abentern!“
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„Comandante!“ brüllte der entsetzte Mann. „Das ist ein Befehl“, sagte Arturo Diaz Escribano zum zweitenmal binnen kurzer Zeit. Der Ausguck verließ seinen luftigen Posten und enterte in den Wanten ab. Escribano überlegte unterdessen, ob er sich auflehnen sollte. Aber es gab keine Vorschrift, nach der ein Mitglied der spanischen Armada zwingend zum Selbstmord verpflichtet war. Der Ausguck hatte die Kuhl noch nicht’ ganz erreicht. da tönten von außenbords Stimmen herauf. Der Melder des Teniente wollte wissen, was geschehen sei. Selbstverständlich war ihm das seltsame Verhalten des Ausgucks nicht entgangen. Sam Roskill trat neben eine der geladenen, schußbereiten Culverinen der Steuerbordseite, bückte sich und nahm eine ebenfalls geladene Muskete in die Hand. Er trat ans Schanzkleid, führte den Lauf der Waffe über die Brüstung und zielte auf die Bootsbesatzung unter sich –vier Rudergasten außer dem Melder. „Keine Faxen! Entert auf!“ rief er ihnen zu. Fesseln und knebeln wollten die Seewölfe ihre spanischen Gegner. So lautete Hasards Order. Aber er hatte sich auch von vornherein ausgemalt, daß nicht alles nach Wunsch verlaufen würde. Daß es richtig war, sich keinen falschen Hoffnungen hinzugeben, stellte sich für die Männer der „Isabella“ jetzt heraus. Der Bote und seine Begleiter im Boot spielten nicht mit. Nur die eine Muskete sahen sie auf sich gerichtet, und deshalb rechneten sie sich gute Chancen aus, mit dem Gegner fertig zu werden, der die Frechheit hatte, sie zu bedrohen. Sie zückten ihre Waffen. Der Melder des Teniente schrie: „Alarm!“ Auf den anderen beiden Galeonen, der „Santa Barbara“ und der „San Juan“ wurde es lebendig. Auch an Land war der Schrei durch das Prasseln des Feuers hindurch vernommen worden. Der Batak Siabu, endlich verarztet, sprang auf und lief mit dem Feldscher der „Santa Barbara“ zu dem Teniente. Savero de Almenara selbst stand
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leicht vorgebeugt da und spähte zu den Schiffen. Es dämmerte ihm. Der fremde Segler hatte sich als Wolf im Schafspelz eingeschlichen! Der Bote im Boot feuerte als erster seine Pistole ab. Er hatte aber nicht sonderlich gut gezielt. Sam Roskill brauchte sich nur hinters Schanzkleid zu ducken, und die Kugel pfiff um zwei Handspannen über seinen Kopf weg. Dann zuckte Sam wieder hoch. Er schoß zuerst mit der Muskete, ließ die leere Waffe fallen und betätigte auch den Abzug seiner Pistole. Zwei Männer sanken im Boot zusammen, die anderen zuckten fluchend zurück. „Das war der Auftakt“, sagte Hasard. Er gab seinen Männern ein Zeichen, wandte sich dann dem Kommandanten zu und erklärte: „Tut mir aufrichtig leid, aber ihr habt es ja’ nicht anders gewollt.“ Weiß vor Schreck starrte Escribano ihn an. Er glaubte allen Ernstes, Hasard würde seine Radschloßpistole abfeuern. Aber er kannte den Seewolf nicht Der holte aus und schickte Escribano mit einem Jagdhieb gegen die Schläfe auf die Planken. 4. Big Old Shane und Dan O’Flynn waren jetzt neben den Achterdecksleuten der „Santissima Madre“. Auch sie schlugen zu, bevor es den Spaniern einfiel, Widerstand zu leisten. Sie bedienten sich der effektvollen Tricks, die ihnen der Mönch von Formosa beigebracht hatte - und prompt fielen auch diese Männer der Allerheiligsten Mutter auf die Decksplanken. Auf der Kuhl war Blacky losgestürmt. Drei, vier Gegner konnte er mit den bloßen Fäusten umhauen, dann hatten die übrigen die Waffen in den Fäusten und glaubten, die Gelegenheit beim Schopf packen zu können. Blacky warf sich hin, überrollte sich vor der Kuhlgräting und richtete sich hinter der Deckung wieder halb auf. Soldaten und
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Decksleute feuerten auf ihn. Er zog den Kopf ein, schob die Pistole über den Rand der Gräting, spähte und schoß zurück. Ein Mann brach getroffen zusammen. „Verdammte Narrenbande“, sagte der Seewolf. Es hatte keinen Zweck, er mußte seinen ursprünglichen Plan, den Kommandanten als Geisel zu benutzen und die drei Schiffsbesatzungen zur unblutigen Aufgabe zu zwingen, aufgeben. Blacky war in. Gefahr. Fünf, sechs Spanier pirschten auf ihn zu und wollten ihn aus seiner Deckung treiben. Hasard legte mit der Reiterpistole an. In rascher Folge feuerte er die beiden Läufe leer, und zwei Gegner blieben reglos auf der Kuhl liegen. Blacky schnellte aus der Deckung. Er hatte sein Entermesser gezückt und drang damit gegen die anderen Gegner vor. Sie hatten ihre Schußwaffen leergefeuert, keine anderen Pistolen oder Musketen zur Hand und konnten sie auch nicht so schnell von den Gefechtsstationen holen. Sie mußten sich mit Säbeln und Schiffshauern ihrer Haut wehren. Einer dieser Männer löste sich von der Gruppe und schlich auf Sam Roskills Rücken zu. Sam hatte in der Zwischenzeit noch zwei Musketen auf das Boot leergeschossen, und wieder war die Wirkung verheerend gewesen. Noch zwei Spanier hatte es erwischt, der fünfte Mann war verletzt und trachtete, sich hastig pullend zurückzuziehen. Sam ließ ihn reisen, sah ihm aber nach, um sicher zu sein, daß er .sich nicht etwa um den Schiffsbug herumtastete. Er hätte ihnen von der anderen Seite her in den Rücken fallen können. Möglich war alles. Shane und Dan hatten den Bewußtlosen auf dem Achterdeck die Pistolen abgenommen. Shane war jetzt als erster am Steuerbordniedergang und sah, was sich hinter Sam Roskill tat. Seine Faust mit einer der Pistolen flog hoch. Dumpf brach der Schuß. Der Mündungsblitz war ein rotgelber Schlitz in der Dämmerung. Schreiend wälzte sich der Spanier plötzlich unter dem Bodenstück einer Culverine. Sam Roskill fuhr herum und wurde sich
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der Gefahr bewußt, in der er geschwebt hatte. „Heiliger Strohsack“, stieß er hervor. Shane und Dan feuerten gleichzeitig, und die letzten Gegner an Bord des Flaggschiffs brachen zusammen. Die „Santissima Madre“ gehörte den Seewölfen, wenn man so wollte, aber der Tanz ging jetzt erst richtig los. Die Kapitäne der „Santa Barbara“ und der „San Juan“ eröffneten das Feuer auf die „Isabella“. Auf ihr Flaggschiff hielten sie vorläufig nicht, denn sie wollten weder den Kommandanten Arturo Diaz Escribano noch die Offiziere und die Decksleute gefährden, die noch am Leben waren. Ben Brighton ging mit der „Isabella“ an den Wind und ließ die Steuerbordbreitseite gegen die beiden spanischen Kriegssegler los. Im Nu war der Teufel los. Schwer rollte der Geschützdonner über die Inselbucht und aufs offene Meer hinaus. Fast sah es so aus, als müsse die „Isabella“ im Gefecht unterliegen. War sie denn gepanzert und gegen Treffer geschützt, die Seewölfe unverwundbar? Noch standen alle Möglichkeiten offen, im Guten wie im Bösen. . Hasard lief zu Shane und Dan. Gemeinsam stürzten sie auf die Kuhl, wo Blacky und Sam Roskill bereits damit beschäftigt waren, das Großsegel zu setzen. Zwei Batteriedecks mit jeweils einem Dutzend 17-Pfündern hatte die „Santissima Madre“, aber dem Seewolf standen nur vier Männer zur Verfügung, um das schwere Schiff zu manövrieren und gleichzeitig zu feuern. Trotzdem griff er in das Gefecht ein, ohne auch nur eine Sekunde Zeit zu verlieren. * Dan O’Flynn stand am Kolderstock der Galeone. Blacky bediente das Großsegel. Mehr Zeug wurde auf Hasards Anweisung hin nicht gesetzt. Sam Roskill und Big Old Shane waren die Geschützführer an Oberdeck, während der Seewolf in das Dunkel des Schiffsleibes lief. Er gelangte ins untere Batteriedeck. Als er feststellte,
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daß auch hier die Kanonen zum Feuern bereit waren, atmete er unwillkürlich auf. Zum Laden wäre keine Zeit gewesen, er hätte sich mit den Geschützen der Kuhl begnügen müssen. So aber standen ihm zwei Dutzend bronzene 17-Pfünder-Culverinen zur Verfügung. Hasard kauerte sich neben das erste Geschütz an Steuerbord, schürte das verglimmende Holzkohlenfeuer im Becken, steckte das Luntenende hinein und blickte aus der offenen Stückpforte ins Freie. Die beiden spanischen Galeonen hatten sich im Dämmerlicht in feuerspuckende Schemen verwandelt. Die „Santa Barbara“ fiel soeben ab und präsentierte der „Isabella“ ihre Buggeschütze. Die „San Juan“ hatte ihre Steuerbordbreitseite auf den Gegner abgefeuert, ohne sichtbaren Erfolg allerdings — und jetzt luvte sie nach Südosten an, um eine enge Schleife zu fahren und die „Isabella“ von achtern anzugreifen. Hasard trat die Lunte auf den Planken aus. Er ließ die Zündschnur los, lief unter die Luke der Kuhl, die durch die Gräting verdeckt war, und schrie: „Blacky! Dan! Wir schieben uns zwischen die beiden Galeonen! Seht zu, daß ihr es schafft!“ „Aye, Sir!“ rief Blacky zurück. „Shane, Sam — noch nicht feuern! Wartet auf mein Zeichen!“ „Aye, aye“, ertönte das grollende Baßorgan des graubärtigen Riesen. Für das, was auf Hasards Befehl hin geschah, hätte nichts eine dramatischere Kulisse sein können als das glutrote Zackenbild des brennenden Dorfes im zunehmenden Dunkel des Abends. Der Teniente Savero de Almenara, der Sargento, der Batak Siabu, der Feldscher der „Santa Barbara“ und die Soldaten an Land verfolgten fassungslos, wie die „Santissima Madre“ jetzt hoch an den Wind ging und auf Steuerbordbug leicht beschleunigend auf die „San Juan“ und die „Santa Barbara“ zusteuerte. Es war eine seemännische Meisterleistung. Zwei Männer, Dan O’Flynn und Blacky, dirigierten die schwere Galeone so hart am
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Nordost durch die Bucht, daß der Rahsegler jeden Augenblick in den Wind zu laufen und das Großsegel zu killen drohte. Und doch geschah es nicht. Die „Allerheiligste Mutter“ schob sich mit kräuselnder Bugwelle und etwas schräg versetzt mitten zwischen die herumschwenkende „Santa Barbara“ und die halsende „San Juan“. Es passierte in einem Moment, in dem die Besatzungen der beiden Galeonen mit dem Ladevorgang der leergeschossenen Geschütze noch vollauf beschäftigt waren. Die „Santissima Madre“ zog elegant an den Buggeschützen der „Santa Barbara“ vorbei, befand sich jetzt fast an dem vom Seewolf bestimmten Ziel und verdeckte die „Isabella VIII.“ mit ihrem mächtigen hölzernen Leib. Fast schien der Kapitän der „Santa Barbara“ zu erschüttert zu sein, um den Feuerbefehl zu geben. „Feuer!“ tönte es dann jedoch von der „Santa Barbara“ herüber. Die 9-Pfünder-Buggeschütze donnerten gleichzeitig los, aber ihre Kugeln rasierten der „Santissima Madre“ nur einen Teil des Backbordschanzkleides in Höhe des Quarterdecks weg. Dan O’Flynn duckte sich vor einem wirbelnden Balkenstück. Es taumelte über hin weg und krachte gegen die Querwand der Hütte. Und schon war die „Santissima Madre“ am Vorsteven der „Santa Barbara“ vorbei, ging nun, während Blacky in aller Eile das Großsegel aufgeite, tatsächlich in den Wind und glitt mit verringerter Fahrt in die Schußrichtung der Backbordgeschütze der „Santa Barbara“ und der Steuerbordbatterie der „San Juan“. An Bord der „San Juan“ wurde das Nachladen gerade zu Ende vollzogen. Einzig die Backbordkanonen. der „Santa Barbara“ waren einsatzbereit — gegen das eigene Flaggschiff. „Allmächtiger“, stöhnte der Teniente de Almenara. „Das darf doch nicht wahr sein. Der Comandante befindet sich noch an Bord der ,Santissima Madre`, und unsere
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Leute sind gezwungen, ihn mit zu töten, wenn sie ...“ „Si, Teniente“, sagte der Feldscher der „Santa Barbara“. „Sie müssen die ,Allerheiligste Mutter’ zusammenschießen, und unser Comandante wird als Held für das Vaterland fallen.“ Der Batak hob plötzlich den unverletzten Arm und wies zur Bucht. „Da, seht doch — das Boot!“ Ja, da war es wahrhaftig, das Beiboot, das de Almenaras Boten zum Flaggschiff hatte befördern sollen. Vier Tote lagen über den Duchten. Der verwundete Mann, der wie ein Verrückter pullte, entpuppte sich als der Melder. „El Lobo del Mar!“ schrie er wie von Sinnen. „Der Seewolf!“ Diesen Namen hatte ihm der Ausguck der „Santissima Madre“ zugerufen, bevor er im Kampf gegen die Feinde auf die Planken der Kuhl gesunken war. „Der Seewolf.“ Der Teniente spürte, wie ihm schwindlig wurde. Spaniens meistgehaßter Feind — hier! Fast erschien es ihm zu ungeheuerlich. Dann aber faßte er sich. Er dachte an die Belohnung, die Philipp II. für die Ergreifung des Seewolfs ausgesetzt hatte. „Zu den Waffen!“ schrie de Almenara. „Schnappt euch die Musketen, die Arkebusen, ihr Hunde! Wir müssen in den Kampf eingreifen!“ Die anderen musterten ihn etwas verständnislos von der Seite. Als de Almenara jedoch auf die Boote wies, ging ihnen auf, was er vorhatte. Weil die Reichweite der Musketen und Arkebusen von Land aus bis zu den Schiffen nicht groß genug war, wollte der Teniente allen Ernstes die Boote bemannen und zwischen die Galeonen pullen. Dem Sargento klappte der Unterkiefer herunter. Dem Feldscher wurde es in der Kniegegend weich, und selbst der Batak, ein harter Naturmensch, verspürte Furcht vor diesem Himmelfahrtskommando. Die „Santissima Madre“ lag inzwischen auf gleicher Höhe mit der „Santa Barbara“ und der „San Juan“. Gerade hatten die beiden Galeonen so weit gewendet, daß sie
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sich praktisch auf entgegengesetztem Parallelkurs zu ihrem Flaggschiff befanden. „Feuer!“ brüllte der Kapitän der „Santa Barbara“ wieder — und die Backbordbatterie seines Dreimasters spuckte ihre tödliche Ladung aus. Gleich darauf rasten die 17-PfünderKugeln von beiden Seiten der „Santissima Madre“ los. Sam Roskill und Big Old Shane hetzten wie die Teufel über die Kuhl und zündeten eine Kanone nach der anderen. Hasard unternahm inzwischen das gleiche auf dem unteren Geschützdeck. Er mußte abbrechen, als auf die schlecht gezielte Backbordbreitseite der „Santa Barbara“ hin jetzt eine vortrefflich gezielte Steuerbordbreitseite der „San Juan“ auf das Flaggschiff einhämmerte. Plötzlich brach die Bordwand ein, Feuer und Rauch traten durch die Bresche und mischten sich mit dem beißenden Pulverqualm der von Hasard in Betrieb gesetzten Geschütze. Ein Inferno entwickelte sich unter den niedrigen Deckenbalken. Hasard konnte in diesem Moment nur eins tun — sich hinwerfen. Die „Santissima Madre“ schaukelte wild hin und her. Hasard befürchtete, daß sich eins der Geschütze aus den Brooktauen lösen könnte. Wenn das geschah, lief er Gefahr, zerquetscht zu werden. Aber er hatte Glück. Der Lärm verhallte, und die „Santissima Madre“, die mit stark reduzierter Geschwindigkeit auf das Inselufer zuhielt, geriet in eine ruhigere Position zurück. Groß klaffte das Loch in der Bordwand, aber es lief kaum Wasser durch das Leck herein, dafür saß es zu hoch. Mit einem grimmigen Ausdruck auf den Zügen richtete der Seewolf sich wieder auf. Er entfachte eine Lunte, setzte seinen Weg durch das Schiffsinnere fort, und wieder begannen die Kanonen der „Santissima Madre“ zu sprechen. Auf der Kuhl zündeten Sam und Shane die letzten, randvoll geladenen Geschütze. Zum exakten Zielen blieb kaum Zeit, so daß etwa die Hälfte des Beschusses
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wirkungslos im Wasser der Bucht verpuffte. Die anderen Kugeln jedoch saßen - sowohl auf der „Santa Barbara“ als auch auf der „San Juan“. Die „Isabella“ war dank Hasards verwegenem Einsatz der von achtern anrückenden „San Juan“ davongesegelt und hatte alle drei Schiffe passiert. Ben Brightons Kommandorufe hallten im Einklang mit Carberrys Gebrüll. Die große Galeone ging über Stag, fuhr auf diese Art einen Kreuzschlag und steuerte mit neuem, westlichem Kurs hart an der „Santa Barbara“ vorbei auf die Insel zu. * Der Teniente Savero de Almenara und die ihm zugeteilten Männer waren gerade in die Boote geklettert und schickten sich an, loszupullen, da stiegen Feuerzungen von der heranrauschenden „Isabella“ auf. „Brandpfeile!“ schrie der Sargento. ..Die gelten uns!“ „Schweig, du Hasenfuß!“ brüllte der Teniente außer sich vor Wut zurück. Es war unvorstellbar, wie sich seine Landsleute von der um sich greifenden Panik packen ließen. „Die Pfeile zielen auf die ,Santa Barbara’„, schrie er wild. „Und jetzt pullt, ihr elenden Bastarde, ihr Hur ...“ Das letzte Wort blieb ihm im Halse stecken, denn er stellte zu seinem Entsetzen fest, daß er sich geirrt hatte. Zischend fuhr der erste Brandpfeil auf sie nieder - auf sein Boot! Ein Fanal rammte sich wie eine himmlische Mahnung zwischen die Duchten und leckte an den Beinen von zwei Soldaten hoch. Ein mehrstimmiger Schrei gellte über die Bucht. De Almenara wollte fluchen, schießen, vorandrängen, aber seine Aktion wurde im Keim erstickt. Immer mehr Pfeile prasselten auf die Boote nieder und entfachten ein munter loderndes Feuer. Dabei war es nur ein Mann, der Pfeil um Pfeil von der Bogensehne sandte: Batuti, der schwarze Herkules aus Gambia. Auf Ben Brightons Anordnung hin war er in den Vormars der „Isabella“ aufgeentert.
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Ein breites Grinsen hatte sich auf Batutis Gesicht gelegt. Und während er schoß, bedauerte er nur eins - daß Big Old Shane, der andere hervorragende Bogenschütze der „Isabella“, nicht an diesem Zielschießen teilhaben konnte. Die „Isabella“ legte sich an den Nordostwind, der frisch genug über die Insel strich, um ihr rasche Fahrt zu verleihen. Ferris Tucker kniete auf dem Achterdeck neben der von ihm gebastelten, schleuderähnlichen Konstruktion. Er hatte die Boote des Landtrupps nun genau vor sich und handelte. Was da in leicht torkelndem Flug zur Insel hinübersauste, fand zunächst kaum die Beachtung von de Almenara und den anderen Spaniern. Die Männer waren zu sehr damit beschäftigt, das Feuer in den Booten zu löschen und die Glut auf ihrer Kleidung auszuschlagen. Eine Flasche war in das Boot neben dem von de Almenara gekollert. Der Sargento, der das Kommando in dieser Jolle innehatte, hob sie halb verblüfft, halb verstört, auf und stellte noch fest, daß sie gefüllt und mit einer glimmenden Lunte versehen war. Dann war die Luntenglut durch den Korkstopfen der Flasche gekrochen. Ferris Tuckers Höllenladung explodierte dem Sargento in der Faust. Die Wucht des Donnerhiebes hob den Teniente glatt aus dem Nebenboot. Im Flachwasser richtete de Almenara sich wieder auf. Er entdeckte neben sich den Batak und den Feldscher der „Santa Barbara“. Er wollte ihnen etwas zurufen, aber neue „Höllenflaschen“ aus der Produktion von Hasards rothaarigem Schiffszimmermann landeten vor dem Ufer und gingen hoch. Dabei spielte es keine Rolle, ob sie trocken in die Boote polterten oder ins Wasser schlugen. Auch unter Wasser detonierten die gut abgedichteten Flaschen noch, wenn das Luntenfeuer bereits durch den Korken hindurch war. Daß dies der Fall war, dafür sorgte Ferris Tucker, der die Flaschen nie zu früh von
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seiner „Höllenflaschenabschußkanone“ hochschwingen ließ. „Nein“, stieß der Teniente hervor. „Madre de Dios, nein!“ Er erhob sich im Wasser, watete an Land, fiel hin, rappelte sich wieder auf und entging um ein Haar einem Brandpfeil, der links hinter ihm in den Sand des kleinen Strandes zischte. Nur noch darauf bedacht, das nackte Leben zu retten, hastete er auf die Felsen zu. Er war heilfroh, als er einen Einschnitt entdeckte, in den er sich zwängen konnte. Noch zwei oder drei Männer stiegen hinter ihm in dem steinigen Hang auf, der zum lodernden Dorf hinaufführte, aber Savero de Almenara schaute sich nicht zu ihnen um. Unterdessen hatte die „Isabella“ auch wieder das Feuer auf die „Santa Barbara“ eröffnet. Ben Brighton und die Crew halfen nun ihrerseits dem Seewolf, Hasard erhielt dadurch Luft. Er und seine vier Begleiter an Bord der „Santissima Madre“ konnten zumindest einige Geschütze nachladen. Wenig später trieb die „Santa Barbara“ mit zerschossenem Steuerruder und unter hohen, roten Flammen durch die Bucht. An diesem Punkt nahm das Gefecht seine entscheidende Wende — zugunsten der Seewölfe. Noch immer glaubte der Kapitän der „San Juan“ jedoch, er könne die Entwicklung wieder in den Griff kriegen. Die Korsaren versuchten, ihn in die Flucht zu schlagen, aber er ließ nicht locker. Er hatte den Namen „El Lobo del Mar“ deutlich mehrmals rufen hören und wollte sich die Lorbeeren verdienen, auf die jeder Spanier zur See aus war. Den Seewolf zu besiegen, hieß nicht, nur, eine hohe Belohnung zu kassieren, sondern auch in Rang und Ansehen zu steigen. Hasard und Ben ließen von der „Santa Barbara“ ab und wandten sich der „San Juan“ zu. Für kurze Zeit verwandelte sich die spanische Galeone zu einer dröhnenden Feste unter dem Mantel der Nacht, doch dann durchbrachen die Seewölfe ihre
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Verteidigung und setzten ihr zu, wie sie es auch bei der „Santa Barbara“ getan hatten. Kurze Zeit darauf zündete Ben Brighton auf dem Achterdeck der „Isabella“ einen der chinesischen Brandsätze. Weißes Magnesiumlicht geisterte über das Wasser und fraß sich gierig in den Rumpf der „San Juan“. Das Feuer tanzte die Masten hoch und verschlang das Rigg, es ließ sich nicht aufhalten, nicht löschen, Chinesischer Schnee, eine Salpetermischung, jagte dem Brandsatz nach und heizte das Oberdeck des spanischen Kriegsseglers zu einer siedenden Brühe auf, auf der es kein Aushalten mehr gab. Die Besatzungen der „Santa Barbara“ und der „San Juan“ retteten sich in die See. Vier Boote waren in aller Hast noch abgefiert worden, eins klatschte aus halber Höhe in die Fluten. Wer noch schwimmen konnte, rettete sich in diese Boote. Die Verletzten ertranken. Nur ein Weg stand den Spaniern noch offen -der in die offene See. Hasard hatte den Kommandanten Arturo Diaz Escribano, den ersten Offizier, den zweiten Offizier, den Bootsmann und die anderen Überlebenden der „Santissima Madre“ mit vorgehaltener Pistole auf dem Achterdeck zusammengetrieben. Sie waren alle wieder zu sich gekommen und blickten den Seewolf aus haßlodernden Augen an. Shane und Sam Roskill erschienen ebenfalls mit gezückten Waffen auf dem Achterdeck. „Springt!“ befahl der Seewolf den Besiegten. „Dann könnt ihr eure Kumpane noch erreichen. Comandante, zwing mich nicht, drastisch zu werden.“ Escribano erklomm daraufhin das Schanzkleid, stieß sich mit den Beinen ab und segelte in die schwärzliche Tiefe. Die Offiziere, der Bootsmann und die einfachen Decksleute und Soldaten folgten ihm. Hasard sah ihnen nach, wie sie zu den Booten schwammen. Escribano schrie wie wahnsinnig, und die Bootsführer ließen Fahrt wegnehmen. Man hörte mit dem Pullen auf, hilfreiche Hände streckten sich
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den ..Schiffbrüchigen“ entgegen. Sie wurden übergenommen. Der Kommandant wäre vielleicht zur Insel zurückgekehrt, auf einem Umweg durch die Nacht etwa, wenn er sich die geringste Chance ausgerechnet hätte, noch einen Vergeltungsschlag gegen den Feind zu führen. So aber - naß, unbewaffnet, erniedrigt blieb ihm wirklich nur die Flucht zur offenen See. „Shane’’, sagte Hasard, als er sich umdrehte. „Du steigst jetzt ins Schiff hinunter, suchst dir ein paar Werkzeuge und vergrößerst die Lecks so, daß der Kahn absäuft.” Er blickte zur „Isabella“. Ben hatte ein Boot abfieren lassen. „Unsere Jolle liegt noch an Steuerbord dieses Kübels“, erklärte Sam Roskill grinsend. „Wir hatten sie an der Jakobsleiter vertäut, sie ist mitgeschleppt worden und wie durch ein Wunder von den Kugeln verschont geblieben.“ „Dann gib Ben ein Zeichen, daß wir das andere Boot nicht brauchen“, antwortete der Seewolf. „Wir steigen in unsere Jolle und setzen über, sobald Shane unten fertig ist.“ „So, als ob nichts geschehen wäre“, sagte der ehemalige Schmied und Waffenmeister von Arwenack-Castle. Erst jetzt lachten die fünf Männer erlöst auf. Eine Art befreiender Schock schien sie getroffen zu haben, die Anspannung der vergangenen Minuten glitt von ihnen ab, und sie wurden sich erst jetzt richtig bewußt, wie knapp sie dem Tod entgangen waren. 5. Nicht nur die „Santissima Madre“ sank in der Bucht der Insel. Auch die „Santa Barbara“ und die „San Juan“, von den Flammen weitgehend zerstört, neigten sich dem Grund entgegen. Die „Santa Barbara“ krängte hart nach Steuerbord, bevor sie sich den Blicken der Seewölfe entzog. Die „San Juan“ wurde stark buglastig und hob ihr Heck aus dem Wasser. Danach tauchte sie rauschend unter. Das letzte Feuer in ihrem Achterkastell erlosch zischend.
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Hasard erkundigte sich an der Bordwand der „Isabella“: „Ben, haben wir Verluste?“ „Keine Sir!“ rief sein Bootsmann von oben zurück. Grinsend hatte er den Kopf übers Schanzkleid geschoben. „Nur ein paar unbedeutende Blessuren.“ Der Seewolf atmete auf. „Großartig. Schicke Carberry, Ferris Tucker und Smoky zu mir herunter. Wir entern vorläufig nicht auf. Ich will die Insel inspizieren und sehen, ob wir etwas für die Eingeborenen tun können.“ „Aye, Sir. Wir warten hier auf euch?“ „Ja, Ben. Wenn wir Verstärkung brauchen - was ich nicht glaube -, gebe ich dir ein Zeichen.“ Wenig später schob sich der Bug der Jolle knirschend in den Ufersand. Hasard sprang als erster an Land. Er begann, die teils im seichten Wasser, teils auf dem Strand liegenden Gestalten zu untersuchen. Ferris Tucker trat zu ihm, und Hasard schaute ihn an. „Keiner hat es überlebt“, sagte er. „Diese Flaschen haben eine wirklich verheerende Wirkung.“ „Die Dons haben es nicht anders gewollt ...“ „So habe ich das nicht gemeint.“ „Sicherlich hätten wir einiges Blutvergießen vermeiden können“, fuhr der große, rothaarige Mann unbeirrt fort. „Aber nur, wenn die Dons nicht verrückt gespielt hätten.“ Hasard sah ihn fest an. „Ich wollte nur ausdrücken: Es kann kaum jemand ins Innere der Insel entwischt sein. Das ist alles, Ferris. Wir haben ein ganzes Dorf unschuldiger Männer, Frauen und Kinder vor dem Tod bewahrt, und allein das rechtfertigt unser Verhalten.“ Er stieg mit seinen sieben Männern zum Dorf hinauf. Hier konnten sie nur noch dem Abklingen des vernichtenden Feuers beiwohnen. Der feuchte Regenwald stoppte die Flammen am Saum des freien Platzes, der von der Existenz der einstigen Fischersiedlung zeugte. Ein Ausbreiten des Brandes, ein Dschungelfeuer, war nicht möglich.
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Von den Hütten waren nur kärgliche Aschereste geblieben. Es hatte wenig Sinn, die von diesen Haufen aufzüngelnden Flammen zu löschen. „Damit erreichen wir nichts“, sagte der Seewolf nach einem kurzen Dialog mit Carberry. „Die Eingeborenen müssen das Dorf ohnehin neu aufbauen, und es ist fraglich, oh sie es am selben Platz tun werden.“ „Wir haben hier also unsere Schuldigkeit getan”, meinte der Profos. „Wir können wieder abhauen, oder?“ „Nicht ganz. Ich will die Eingeborenen suchen.“ „Hasard“, sagte Carberry mit düsterer Miene. „Es könnten Kopfjäger sein wie die Burschen auf Kalimantan. Was haben wir davon, wenn sie uns die Rüben abhacken, sie in einen großen Topf schmeißen und Schrumpfschädel daraus herstellen?“ Dan grinste diabolisch. „Einen echten Gewinn, zumindest, was dich betrifft, Ed.“ „Sei du bloß still ...“ „Wenn dir nämlich nach dem Abhacken ein neues Haupt nachwächst“, fuhr Dan unbeirrt fort., „ist das bestimmt besser mit Grips aufgefüllt als die jetzige Birne. Außerdem hast du dann ein neues, schöneres Gesicht und ...“ „Köpfe wachsen nicht nach“, sagte der Profos drohend. „Und wenn du nicht aufhörst, hau ich dir den Schädel platt, daß das ganze Stroh ‘rauskommt. Kapiert?“ Er holte schon mit der rechten, klüsengroßen Pranke aus, und Dan hielt es nun wirklich für angebracht zu schweigen. Edwin Carberry wandte sich noch einmal an den Seewolf. „Du willst .dich allen Ernstes in den verteufelten Busch wagen und nachsehen, wohin sich die Wilden verzogen haben? Jetzt, mitten in der Nacht?“ „Ja. Ich glaube nicht, daß die Letzte Kopfjäger sind. Nein, auch keine Kannibalen, Ed. Sun Lo hat mir gesagt, daß so rüde Bräuche nur auf den weiter östlich liegenden Inseln herrschen.“ „Der ist auch nicht allwissend.“ „Profos“, sagte der Seewolf hart. ..Du kannst ja an Bord der ‚Isabella’
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zurückkehren, wenn du die Hosen voll hast.“ Das saß. Carberry senkte den Schädel ein wenig, streckte sein Rammkinn vor und marschierte als erster auf den Inselurwald zu. Nein, als Feigling ließ er sich nun wirklich nicht einstufen. Entschlossen zückte er seinen schweren Cutlass und begann, auf das widerspenstige Dickicht einzudreschen, um einen Durchla.ß zu schaffen. Hasard ließ sich von Dan O’Flynn eine mitgebrachte Pechfackel anzünden. Damit gab er ein Zeichen zur „Isabella“ hinüber, und Ben antwortete, indem er die inzwischen in Betrieb gesetzte Achterlaterne der großen Galeone zweimal kurz zudeckte und dann wieder aufflammen ließ. „Gehen wir“, sagte der Seewolf. „Fackeln und Waffen haben wir genug mitgeschleppt, wir werden schon heil zurückkehren.“ * Schwitzend, außer Atem und nervlich fast völlig zerrüttet verhielt der Teniente Savero de Almenara. Es hatte ihn Kraft und Schweiß gekostet, sich mit dem Säbel durch das schlüpfrig-feuchte Dickicht zu arbeiten. Er hatte die Orientierung fast völlig verloren, schaute zu dem blassen Mond und den Sternen auf, fand aber auch dort keine Möglichkeit, sich zu orientieren, wo Norden, Süden, Osten und Westen lagen. „Hölle“, keuchte er. „Ich bin Soldat. Kein Seemann.“ „Das hat nie jemand bezweifelt“, raunte eine Stimme rechts neben ihm. Sie gehörte dem Feldscher der „Santa Barbara“. Der Mann hatte sich ihm angeschlossen, als er, de Almenara, vom Strand aus die Flucht ins Inselinnere angetreten hatte. Außer ihnen beiden hatte sich noch Siabu, der Batak, absetzen können —und ein vierter Mann, ein einfacher Soldat, der beim Sturz aus dem Boot seinen Helm eingebüßt hatte.
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„Laß deine dämlichen Witze“, sagte der Teniente rauh. „Wir sitzen tief genug in der Tinte. Da brauchen wir uns nicht gegenseitig aufzuziehen.“ „Es ist das einzige, was mich hochhält“, sagte der Feldscher. „Übrigens habe ich den Richtungssinn auch verloren.“ „Laßt mich vor“, flüsterte der Batak. „Ich finde mich schon zurecht. Sie müssen mir nur sagen, wohin Sie wollen, Teniente.“ „Das weiß er selbst nicht“, zischte der Feldscher. „Feldscher, paß auf, daß ich dir nicht die Faust ins Gesicht schlage“, sagte der Teniente nur mühsam beherrscht. „Ich kann deine Art auf den Tod nicht leiden.“ „Du wirst dich daran gewöhnen“, erklärte der Wundarzt. „Wir sitzen in einem Boot.“ „Eben deshalb hast du dich meinem Kommando unterzuordnen.“ „Du irrst dich, Teniente. Ich bin auf der ,Santa Barbara’ gefahren, du kommst von der ,Santissima Madre`. Aber ein Mann meines Berufs läßt sich von einem Teniente nichts vorschreiben, und wenn dieser tausendmal vom Flaggschiff des Verbandes stammt.“ „So ist das also“, sagte de Almenara. Er ballte die Hände fest zusammen und beschloß, sich bei nächster Gelegenheit entsprechend zu revanchieren. Im Moment erschien es ihm wenig aussichtsreich, handgreiflich zu werden und den Feldscher auf diese Art zu unterwerfen. Er konnte ja nicht einmal sehen, wo der Kerl stand. „Ich schlage vor, wir beschreiben einen Bogen, pirschen zum Dorf zurück und schnappen uns eins der Eingeborenenboote“, wisperte der Feldscher. „Was bietet uns die Insel? Keinen wirklichen Schutz. Vielleicht suchen der Seewolf und seine Bastarde bald nach uns, vielleicht scheuchen sie uns den Wilden in die Hände - oder dem ,Tiger von Malakka`, der sich ja auch hier irgendwo versteckt halten könnte.“ „Es ist noch zu früh“, entgegnete der Teniente. „Das finde ich auch“, pflichtete der Batak ihm bei. „Der Seewolf hat den Kampf
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gewonnen, wer von unseren Kameraden noch fliehen konnte, hat das getan.“ „Daran besteht kein Zweifel“, sagte der Feldscher. Es klang spöttisch. „Jetzt warten die Korsaren auf jeden Fall den Morgen ab“, fuhr Siabu fort. „Sie stellen Wachen auf und knallen jeden ab, der sich der Küste nähert. Sie können sich doch auch an fünf Fingern abzählen, daß wir zurückschleichen und aufs Meer zu entkommen versuchen.“ „Dazu müssen sie erst mal wissen, daß wir hier im Urwald sind“, sagte der Soldat. „Ich glaube, sie haben nicht beobachten können, daß wir auf und davon sind.“ „Könnte stimmen“, sagte der Feldscher lakonisch. „Folglich?“ fragte Siabu. „Folglich schlagen wir uns durch, so gut es geht, und warten, bis der Feind abgerückt ist“, erwiderte der Teniente. „Ihr könnt es drehen und wenden, wie ihr wollt, es bleibt unsere einzige Chance. Suchen wir jetzt einen Unterschlupf für die Nacht.“ Der Batak drückte sich an ihm vorbei und untersuchte die Umgebung, so gut das bei den Lichtverhältnissen möglich war. Nur ein paar Streifen fahlen Mondlichts drangen bis auf die ledrigen Blätter des Lianengesträuchs. Aber Siabu war sich seiner Sache bald sicher. Er trat wieder neben den Teniente und wies in eine Richtung, die de Almenara völlig falsch erschien. „Hier entlang“, flüsterte der Batak jedoch. „Wir gelangen auf diesem Weg zum höchsten Punkt der Insel. Dort wachsen weniger Bäume und Büsche, und dort finden wir vielleicht eine Höhle oder wenigstens einen Überhang, der uns Schutz bietet.“ Der Soldat hatte sich vorgeschoben. „Gibt es hier wilde Tiere?“ „Natürlich gibt es die“, erwiderte der Feldscher voll Sarkasmus. „Giftige Schlangen, faustgroße Spinnen, die dir ins Gesicht heißen, Blutsauger, Raubkatzen. Was willst du mehr?“ „Hör auf“, zischte der Teniente. „Vielleicht lauert uns sogar ein echter Tiger auf ...“
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Der Teniente hatte den Standplatz des Feldschers entdeckt und wollte jetzt mit der Faust in diese Richtung schlagen, aber Siabu legte ihm die Hand auf den Unterarm und raunte: „Sehen Sie doch dort.“ Der Teniente wandte unwillig den Kopf, zog dann aber vor Verwunderung die Augenbrauen hoch und öffnete den Mund. Vor ihnen in der verfilzten, menschenfeindlichen Selva schimmerte ein Lichtfleck. Aus der Art, wie er sich immer weiter nach rechts verlagerte, folgerte der Teniente: „Das muß eine Fackel sein.“ „Der Seewolf ist aufgebrochen, um den nackten Wilden die frohe Botschaft ihrer Rettung zu bringen“, murmelte der Feldscher. „Ich wette, daß es so ist.“ „Warum folgen wir der Fackel nicht?“ fragte der Batak. Er spürte, wie sein Herz schneller schlug. Wenn „El Lobo del Mar“ sie tatsächlich zu den Eingeborenen führen sollte, wenn sie auf Otonedju, den Stammesältesten, stießen — dann würde er, Siabu, sich fürchterlich rächen. Er spürte den Schmerz, den ihm die Schnittwunden bereiteten, immer noch. Dafür und für die Schmach, die er ihm zugefügt hatte, mußte Otonedju büßen, büßen... „Los“, sagte der Teniente. „Hinterher. Bemühen wir uns, so wenig Geräusche wie möglich zu verursachen.“ * Eigenartig war die Insel des RiauArchipels beschaffen. Oberhalb der steinigen Küste bildete ein weicher Untergrund den idealen Nährboden für alle Arten von tropischen Pflanzen. Mangrovenblätter schlugen den Seewölfen gegen Leib und Gesichter, es duftete herb nach unbekannten Blüten. Ein meilenbreiter Gürtel düsterer Erde vielleicht vulkanischen Ursprungs - hatte sich um das ganze Eiland geschlossen. Nur in größerer Höhe öffnete er sich wieder zu ein paar bizarren Felsenformationen, die Zentrum und Gipfel der Insel bildeten.
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Hasard hatte dies am Spätnachmittag beim Anlaufen der Insel schon festgestellt. Jetzt steuerte er instinktiv zu den oberen Felsen hinauf. Wenn die Eingeborenen sich versteckt hatten, mußten sie seines Erachtens dort oben hocken. Fast zwei Stunden Arbeit kostete es die acht Männer, dann hatten sie eine kleine Lichtung oberhalb eines überwucherten Hanges erreicht. Hier verharrten sie und wischten sich den Schweiß aus den Gesichtern. „Hier sind sie auch nicht“, sagte der Profos. „Ich hab’s ja geahnt. Der Teufel soll die Scheißinsel holen und ihre Bewohner dazu.“ „Ed, das ist nicht nett von dir“, sagte Sam Roskill. „Nie nett gewesen“, grollte Carberry. „Vielleicht sitzt das Volk auch im Gestrüpp und glotzt uns aus sicherem Versteck wie ein Rudel fremder Tiere an.“ Hasard schritt über die Lichtung und leuchtete den jenseitigen Blättervorhang mit der Fackel ab. Er wollte sich gerade wieder zu seinen Männern umdrehen, da huschten zwei Gestalten auf ihn zu. Wie aus dem Nichts waren sie plötzlich da, zwei junge Männer, nach der Art der Malaien gekleidet, jedoch mit freien Oberkörpern. Der eine hatte einen Kris, der andere einen Parang. Der Seewolf schleuderte die Fackel zur Lichtungsmitte, ließ sich gleichzeitig fallen und riß die Beine hoch. Seine Füße trafen die Bauchpartien der Gegner — ein erstaunlicher Trick und zudem die einzige Art, zwei Widersacher im selben Moment abzufertigen. Auch diese Methode hatte Sun Lo, der Mönch von Formosa, dem Seewolf beigebracht. Und Hasard war ihm wieder einmal unendlich dankbar dafür. Die jungen Krieger stießen keuchende Laute aus und prallten zurück. Hasard schwang wieder hoch. Der Kris-Mann schleuderte seinen gewundenen Dolch, aber Hasard bot kein gut sichtbares Ziel mehr, weil er sich der Fackel entledigt hatte. Vielmehr fühlte sich der Gegner durch das zuckende Licht von links etwas geblendet. Der Kris huschte an Hasard
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vorbei und blieb in einem Baumstamm stecken. Carberry, Shane, Ferris und Blacky umrundeten die liegende Fackel links und rückten auf die Kämpfenden zu. Smoky, Sam und Dan schoben sich von der anderen Seite heran. Hasard flog plötzlich auf den nun waffenlosen Malaien zu, rammte ihn zu Boden und rollte sich über dessen Körper weg ab. So wirbelte er auf den zweiten Burschen zu. Der Parang beschrieb beängstigende Zuckungen in der Luft. Er war ein Zaubergerät in den Händen des Malaien. Zweimal versuchte er, den Seewolf zu treffen, doch beim dritten Ansatz kam Hasard ihm zuvor. Hasard prallte dem jungen Krieger gegen die Beine, fuhr gleichzeitig hoch und wuchtete ihm den ausgestreckten Arm unter den Ellenbogen. Der Bursche stieß einen Wehlaut aus. Sein Arm war paralysiert und gefühllos, er mußte den Parang loslassen, ob er wollte oder nicht. Der Parang fiel und blieb im weichen Untergrund stecken. Hasard packte die Fußknöchel des jungen Burschen und brachte ihn zu Fall, bevor er ausreißen konnte. Carberry hatte sich den anderen geschnappt und trug ihn mühelos mit einer Hand zum Seewolf. „Du krummbeiniger Kakerlak“, sagte er dabei. „Ich könnte dich an meinem Arm verhungern lassen, weißt du das?“ „Er versteht dich nicht, Ed“, sagte Ferris Tucker. „Aber er begreift, daß er verraten und verkauft ist.“ „Laß ihn heil“, ermahnte Shane den Profos. „Wir sind die Freunde der Malaien, hast du das vergessen?“ „Ich denke immerzu daran“, brummte der Profos. „Wir wissen, daß es so ist, aber wissen diese Knaben es auch?“ Er war stocksauer, und auch Sir John, der auf seiner Schulter hin und her trippelte und ihn am Ohr zupfte, konnte seine Laune nicht bessern.
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Hasard hatte den Parang in seinen Gurt geschoben. Den Gefangenen dirigierte er jetzt vor sich her. „Folgt mir“, sagte er. Zielbewußt steuerte er ins Dickicht, das die gegenüberliegende Begrenzung der kleinen Lichtung bildete. Dan O’Flynn nahm die Fackel auf. Shane hatte sich den Kris angeeignet, der im Baum steckengeblieben war. Was sie nicht erwartet hatten: Nicht weit von der Lichtung entfernt riß der Blättervorhang unvermittelt wieder auf, und sie sahen einen sanft aufstrebenden Hang im Mondlicht vor sich liegen. der zu Felsentürmen hinaufführte. Die beiden Malaien sträubten sich erheblich gegen Hasards und Carberrys Griff — und das war für den Seewolf das sicherste Zeichen, daß er auf der richtigen Spur war. Es nutzte den jungen Kriegern nichts, sie mußten mit den Seewölfen den Hang emporklimmen. Auf halber Strecke stieß .Smoky plötzlich einen Warnlaut aus: „Achtung, Hasard — über dir!“ Hasard schaute zu den wuchtigen Felsen auf und gewahrte die Gestalten, die sich jetzt überall hochschoben. Waffen wurden auf die kleine Gruppe gerichtet, Parangs, Dolche, Speere. Hasard blieb stehen und hob eine Hand. Die andere brauchte er, um den Krieger festzuhalten. „Wir sind Freunde“, sagte er zu den Eingeborenen hinauf. „Amigos. Versteht mich denn keiner?“ Er versuchte es noch einmal, aber die Feindschaft der Malaien war eine stumme Barriere, die sich entschlossen gegen sie richtete. Hasard ließ seinen Gefangenen los. „Ed, gib auch den anderen Jungen frei“, sagte er. „Nun sieh mich nicht so an. Das ist ein Befehl.“ Ed Carberry befolgte die Anweisung und blickte den davonhetzenden jungen Kriegern nach. Sie hatten nichts Eiligeres zu tun, als zu ihren Stammesbrüdern zu laufen, sich neue Waffen aushändigen zu lassen und dann den Seewölfen zu drohen. Carberry verstand die Welt nicht mehr. Was war denn in den Seewolf gefahren?
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Hasard hob beide Hände über den Kopf. Er schritt mutig weiter, lächelte und hörte nicht auf, auf die Männer des abgebrannten Dorfes einzureden. Schließlich drehte er sich zu seinen Männern um und sagte: „Legt alle Waffen hin. Dan, halte die Fackel etwas höher. Sie sollen sehen, daß unsere Absichten nicht feindlich sind.“ „Wenn das man gut geht“, murmelte Sam Roskill, der jetzt auch skeptisch geworden war. Er gehorchte dem Befehl aber selbstverständlich auch. Acht Seewölfe bückten sich und richteten sich dann wieder von ihren Pistolen, Säbeln und Entermessern auf. Sie fühlten sich ziemlich nackt. „Wir sind Engländer“, versuchte Hasard den Eingeborenen auseinanderzusetzen. „Keine Spanier, wie ihr vielleicht denkt. Wir sind Feinde der Spanier, genau wie ihr. Aber ihr braucht vor den Dons keine Angst mehr zu haben, vorläufig jedenfalls nicht. Euer Dorf ist niedergebrannt, aber ihr lebt und könnt mit dem Wiederaufbau beginnen.“ Wieder hatte er einige Schritte zurückgelegt. Dan hatte sich an seine Seite gebracht. „Ich habe Höhleneingänge entdeckt“, sagte er verhalten. „Sie sind kaum zu erkennen, aber ich schätze, daß es sich mindestens um ein halbes Dutzend Grotten handelt. Dort haben sich bestimmt die Frauen, Kinder und Greise versteckt. Die Krieger werden alles tun, um sie zu verteidigen.“ „Du meinst, es ist zu riskant, was wir tun?“ „Willst du es auf einen Versuch ankommen lassen?“ „Ja“, sagte der Seewolf und kletterte weiter. Und dann geschah etwas Seltsames. das keiner erwartet hatte, wahrscheinlich nicht einmal die Malaien selbst. Hasard konnte zwischen sie treten, ohne niedergestreckt oder durchbohrt zu werden. Die Eingeborenen beschränkten sich darauf, etwas zurückzuweichen und ihn unverändert feindselig anzublicken. Was war die Ursache für ihr Zögern? Die Tatsache, daß die Seewölfe sich ihrer
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Waffen entledigt hatten? Hasards sicheres Auftreten? Die acht von der „Isabella“ wußten es nicht. Nur in einem war der Seewolf sicher. Die Malaien verstanden kein Wort von dem, was er zu ihnen sagte. Hasard stand auf einem kleinen Plateau. Seine sieben Begleiter gruppierten sich dicht hinter ihm. Sie schritten langsam weiter, auf die Höhlen zu, und die Krieger unter der Führung eines alten, weißhaarigen Mannes mit prägnanten Zügen bewegten sich rückwärts. Hasard nahm die Fackel und leuchtete in die Höhleneingänge. Und da sah er sie kauern: die Frauen, die Kinder aller Altersklassen, die alten Frauen und Männer des Stammes. Wie viele? Hundert? Mehr? Er vermochte ihre Zahl nicht zu schätzen. Ängstlich wichen auch sie vor den Fremden zurück. Hasard drehte sich den Kriegern zu. Er wollte dem alten Mann durch Zeichen zu verstehen geben, aus welchem Grund sie hier waren. Aber Dan stieß ihn plötzlich mit dem Ellbogen an. Eine Wende der Situation war eingetreten. Hasard erlaubte sich einen Rundblick. Das Ergebnis lautete, daß die neue Lage keineswegs zu ihren Gunsten sprach. Abenteuerliche Gestalten hatten sich ringsum aufgerichtet, auf den Höhen der Felsentürme, im Dickicht vor den Höhlen, am Hang, den die Seewölfe eben noch hinaufgeklettert waren. Lautlos waren sie erschienen, und sie hielten die Waffen von Hasard und seinen Männern. Sie legten auf die unerwünschten Gäste an. Hasards Blick verharrte auf einem Mann von überraschend hoher Gestalt. Einen Turban trug dieser dunkelhaarige, bärtige Schurke auf dem Kopf, und um seine Hüfte hatte er sich einen breiten, schärpenartigen Gurt gewunden. In seiner rechten Hand blinkte ein Krummsäbel. Hasard schritt auf ihn zu. „Ein großartiger Auftritt“, sagte er, aber es war seinen Männern nicht ganz klar, ob er zu ihnen oder zu den exotisch und wild aussehenden Kerlen sprach.
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„Wir sind perfekt überrumpelt worden“, fuhr der Seewolf fort. „Es bleibt uns nichts anderes übrig, als zu kapitulieren. Wir könnten die Fischer als Geiseln nehmen und uns auf diese Art schützen, aber wir sind ja nicht als Feinde hier.“ Er blieb vor dem Turbanträger stehen. „Oder bist du anderer Meinung - Tiger von Malakka?“ 6. Der Teint des Mannes war dunkel und olivfarben grundiert, seine Au. gen ähnelten schwarzen Juwelen.’ Sie schienen sich mit ihrem Blick in Hasards eisblaue Augen bohren zu wollen. „Woher kennst du mich?“ fragte er in tadellosem Spanisch. Hasard hatte sich dieser Sprache bedient, und es war folglich klar, daß der Dunkelhaarige jedes Wort verstanden haben mußte. „Wir sehen uns zum erstenmal“, erwiderte der Seewolf, ohne dem Blick des Mannes auszuweichen. „Aber es gehört kein Scharfsinn dazu, sich auszurechnen, wer du bist. Der spanische Kommandant war so freundlich, mir mitzuteilen, daß er hinter dir her sei. Du bist an anderer Stelle der Insel gelandet, und erst vor kurzem, nicht wahr? Nur so konntest du ihnen entgehen.“ „Darauf antworte ich nicht.“ „Du brauchst es nicht. Ich kann mir auch so genügend zusammenreimen“, sagte Hasard völlig ungerührt. „Nur solltest du deinen Freunden, den Fischern, erklären, daß sie wieder die unumschränkten Herrscher über die Insel sind. Wir haben den spanischen Verband zusammengeschossen. Ihr werdet den Kanonendonner ja wohl gehört haben.“ „Ja. Und du nimmst den Mund reichlich voll“, sagte der „Tiger von Malakka“. „Wer bist du?“ „Man nennt mich den Seewolf.“ „Und wie lautet dein richtiger Name?“ „Den sage ich dir, wenn du mir deinen genannt hast.“ Der „Tiger“ hob den Krummsäbel, bis die scharfe Klinge beinahe die Brust des
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Seewolfs berührte. „Ich kann dich zwingen, es mir zu sagen.“ „Eine Meisterleistung einem unbewaffneten, wehrlosen Mann gegenüber“, sagte Hasard spöttisch. „Kannst du noch mehr solcher Kunststücke?“ Für einen Augenblick sah es so aus, als wolle der Tiger von Malakka wirklich Gebrauch von der Waffe machen. Hasards Männer rückten ein Stück zu ihrem Kapitän hin auf —unerschrocken trotz der Tatsache, daß sie waffenlos waren, und bereit, dem Seewolf zu helfen. Carberry hielt den Schädel leicht gesenkt, um sich wie ein gereizter Stier auf den schwarzbärtigen Freibeuter zu stürzen. Sir John spürte, daß sich etwas Brandheißes anbahnte. Er zog es vor, sich in die Luft zu schwingen und über der Szene zu kreisen. Die Züge des Tigers von Malakka glätteten sich wieder ein wenig. „Es gelingt dir nicht, mich zu provozieren“, sagte er zu Hasard. „Der Tiger überwältigt einen Wehrlosen —das wäre Wasser auf eure Mühlen, wie?“ „Der leidet an geistiger Verirrung“, bemerkte Dan O’Flynn trocken, während er die große Gestalt des Seeräubers mit einem langen Blick abtastete. Hasards doppelläufige Reiterpistole steckte in dem Leibgurt des Tigers. „Wir haben ihm und seinesgleichen geholfen“, sagte nun Ferris Tucker, wobei er sich ebenfalls der spanischen Sprache bediente. „Und jetzt bedroht er uns. Was soll der ganze Zauber eigentlich?“ „Ja“, meinte der Seewolf. „Das möchte ich auch gern wissen.“ Der Tiger von Malakka betrachtete die acht Männer, die ihm waffenlos ausgeliefert waren. Diesen Schwarzhaarigen mit den eisblauen Augen, dem kühnen Gesicht und der Narbe, die von der Stirn aus über die Wange verlief, dann den Narbengesichtigen mit dem wuchtigen Schädel und den riesigen Fäusten, den rothaarigen Riesen und den Hünen mit dem grauen Bartgestrüpp, den Bulligen mit dem braunen Haar, den Dunkelhaarigen an seiner Seite, den
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Schlanken in der abenteuerlichen Kostümierung, den noch sehr jungen Mann, der eben von geistiger Verirrung gesprochen hatte — tief in seinem Inneren konnte der Tiger nicht umhin, diese mutigen Kerle zu bewundern. Nichts schienen sie zu fürchten, weder Tod noch Teufel. Er schaute zu dem bunten Vogel auf, der über ihren Köpfen schwebte und dann auf einem Felsen landete. Der Tiger ließ den Blick wieder sinken und fixierte den Mann, der sich Seewolf nannte. Fast wurde er wankelmütig und empfand so etwas wie Sympathie für den kleinen Trupp, aber dann gab er sich einen inneren Ruck. „Ich will dir sagen, was ich denke“, erklärte er. „Fein habt ihr euch das alles ausgedacht, aber ich falle nicht darauf herein. Ein Spion bist du, Seewolf, ein verdammter Spanier, der mich durch eine billige Schmierenkomödie hereinlegen will. Anders könnt ihr mir nicht mehr ans Zeug, und so habt ihr euch diesen Überfall zurechtgelegt. Ihr habt ein wenig gewütet und geschossen, wußtet dabei aber ganz genau, daß ihr mich so niemals packen konntet. So habt ihr einen ,Überfall’ inszeniert, in dem du als Held auftreten solltest.“ Hasards Miene war fassungslos. Ihm fehlten wirklich die Worte. Der Tiger trat zu dem Stammesältesten und legte ihm eine Hand auf die Schulter. „Otonedju wird bestätigen, was ich sage.“ Er übersetzte seine Worte für den Häuptling des Dorfes, und Otonedju nickte dazu. „Nur so kann es sein“, erwiderte er. „Die fremden Eindringlinge sind zu jeder Gemeinheit fähig. Sie wollten mich zum Sprechen zwingen und dann töten. Sie wollten unsere Frauen und Mädchen mißhandeln und den ganzen Stamm niedermetzeln.“ Aus einer der Höhlen war Otonedjus Tochter getreten. Sie hatte mit angehört, was die Männer soeben gesprochen hatten. „Aber ich erkenne keinen der Weißen wieder“, sagte sie überrascht. „Die Soldaten von den Schiffen waren anders
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gekleidet als diese Männer hier. Sie hatten Panzer auf dem Leib.“ Der Tiger wandte ihr den Kopf zu und lächelte sie an. „Siehst du, fast gehst du ihnen auf dem Leim. Natürlich kreuzten diese Kerle erst auf, als ihr euch in den Busch hattet retten können. Vor euren Augen hätten sie ja niemals einen fingierten Kampf mit ihren Landsleuten beginnen können, eine Schattenschlacht, mit deren Hilfe wir alle hinters Licht geführt werden sollen.“ „Ich habe einen Späher zum höchsten Inselberg hinaufgeschickt“, sagte Otonedju. „Er soll sehen, was aus den Schiffen von der Bucht geworden ist.“ Der Tiger lachte auf. „Der Kriegsschiffverband wird sich in irgendein Versteck verholt haben. Bald rundet er die Insel, um nach uns zu suchen. Wir müssen sehen, daß wir noch heute nacht von hier verschwinden.“ „Ich wäre dankbar, wenn du uns übersetzen könntest, was ihr redet“, sagte der Seewolf. „Wir haben ein Anrecht darauf, Mann.“ Der Freibeuter hob die Augenbrauen. „Ah! Du nimmst den Mund immer noch viel zu voll. Aber einverstanden, ich sage dir, wovon Otonedju und ich überzeugt sind.“ Als er mit seiner fast wortgetreuen Übersetzung am Ende war, trat Hasard wütend zwei Schritte auf ihn zu. „Deine Darstellungen haben weder Hand noch Fuß“, sagte er. „Es ist geradezu lachhaft und an den Haaren herbeigezogen, was ihr euch da ausdenkt.“ „Ein Krampf!“ schrie nun auch Carberry. „Wir brauchen uns dass nicht gefallen zu lassen“, .fügte Blacky aufgebracht hinzu. Die malaiischen Piraten hoben wieder ihre Waffen und zielten auf die Seewölfe. Hasards Kameraden ließen sich dadurch aber ebenso wenig einschüchtern wie der Seewolf selbst. „Tiger von Malakka“, sagte Hasard. „Wirf nur einen Blick auf die Bucht unterhalb des Dorfes. Dort sind drei Schiffe. untergegangen -der komplette Verband. Kann man so etwas vortäuschen?“
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Der Späher kehrte zu Otonedju zurück. Er war einer der beiden jungen Krieger, die der Seewolf auf der Lichtung hatte überwältigen müssen. Aufgeregt redete er auf seinen Häuptling ein, und Otonedju schaute zu dem Anführer der Piraten. Der Tiger setzte eine triumphierende Maske auf. „Nur ein Schiff liegt in der Bucht vor Anker“, sagte er zu Hasard. „Offenbar das deine. Die drei anderen sind verschwunden. Spurlos.“ „Teufel, weil sie gesunken sind!“ „So rasch?“ „Otonedju hätte zuschauen können, wie wir die ,Santissima Madre’, die ‚Santa Barbara’ und die ,San- Juan’ auf Grund gesetzt haben. Zumindest das Feuer, das wir auf ihren Decks entfacht haben, hätte er sehen müssen.“ Der Freibeuter unterhielt sich noch einmal in der eigentümlichen, abgehackt und leicht guttural klingenden Sprache der Malaien mit dem Dorfältesten, dann schüttelte er den Kopf. „Nichts. Das ist dein Pech, Seewolf. Du hast uns eben unterschätzt.“ „Geh zur Bucht und schau dir die Toten an, die dort verstreut liegen“, sagte Hasard mühsam beherrscht. „Die werden dich davon überzeugen, wie. sehr du mit deiner idiotischen Meinung danebenliegst.“ „Damit ich deinen Kumpanen in die Hände laufe?“ Der Tiger lachte wieder. „Darauf wartest du ja nur.“ „Fahr zur Hölle. Dir ist nicht zu helfen.“ „Gib acht, wie du mit dem Rebellen von Malakka sprichst”, stieß der Schwarzbärtige zornig hervor. Hasard antwortete mit einer wegwerfenden Geste. „Mit solchen Drohungen imponierst du mir nicht. Dein Stolz und dein Starrsinn werden dich noch zu Fall bringen. Du weißt deine Feinde nicht von deinen Freunden zu unterscheiden — ein böser Fehler.“ Der Tiger trat dicht vor ihn hin. „Dein Heulen stößt bei mir auf taube Ohren, Seewolf. Du bist ein guter Redner, das gebe ich zu, aber allein durch Raffinesse
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kannst du mich nicht aus dem Gleichgewicht bringen.“ „Wie du meinst“, sagte Hasard kalt. „Was hast du vor? Willst du uns hinrichten? Hier?“ „Nein. Meine Prahos liegen am Ostufer der Insel. Dorthin bringen, wir euch jetzt — zusammen mit den Bewohnern des Dorfes.“ „Eine richtige Evakuierung also?“ „So könnte man es nennen.“ * Rund drei Dutzend Männer, die ihrem Äußeren nach alle von Malakka oder Sumatra zu stammen schienen, bildeten die Meute des Tigers von Malakka. Je zwei dieser Burschen kümmerten sich auf einen Wink des Anführers hin um die Seewölfe. Mit Tauenden banden sie Hasard, Ed, Ferris, Shane, Smoky, Blacky, Dan und Sam die Hände auf dem Rücken fest. Hasard gelang es, die Gelenke ein wenig auseinanderzudrücken und die Finger zu spannen, während ein muskelbepackter Atjeh ihm die Fesseln zusammenzurrte. Das war aber auch alles, was er im Augenblick tun konnte. An Flucht war nicht zu denken — nicht unter diesen Bedingungen. Bei aller Nahkampferfahrung und Taktik — der Tiger und seine Leute hätten sie mühelos niederschießen, und abstechen können, sofern sie einen Versuch in dieser Richtung unternommen hätten. Während die Frauen, Kinder und Greise des Inselstammes die Höhlen verließen und sich der lange Zug zwischen den Felsen formierte, blickte Hasard zu Otonedjus Tochter hinüber. Sie war ein ausgesprochen hübsches, zerbrechlich wirkendes Geschöpf mit langen schwarzen Haaren, die sie jetzt zu einem Knäuel auf ihrem Kopf hochgesteckt hatte. Zweierlei glaubte Hasard bei ihr festgestellt zu haben. Immer wieder suchte ihr Blick die Gestalt des Tigers von Malakka. Der Mann schien ihr zu imponieren. Aber gleichzeitig mußte sie einige Zweifel daran haben, ob sein Urteil
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über die acht Gefangenen wirklich berechtigt war. Die Art, wie sie die Seewölfe musterte, war frei von Haß und Vergeltungssucht. Die Piraten verteilten sich auf Kopf, Mitte und Ende des Zuges. Hasard und seine Männer mußten vorn marschieren, gleich hinter dem Tiger und sechs, sieben von dessen Kerlen. Der Tiger von Malakka schritt als erster los. Langsam und fast lautlos setzte sich auch seine Gefolgschaft in Bewegung. Der Abstieg zum Ostufer hatte begonnen. Er führte wieder in tiefes, Feuchtigkeit atmendes Dickicht, in das jedoch bereits ein Pfad getrieben worden war — von den Freibeutern, die bei ihrer Ankunft denselben Weg genommen hatten. Hasard tauschte einen Blick mit Carberry, der hinter ihm wanderte. Carberry verstand. Er sollte Sir John veranlassen, zur „Isabella“ zurückzufliegen. Ben Brighton würde schon begreifen, wenn er den Aracanga allein auftauchen sah. Auf jeden Fall mußte er die Gefahr spüren, in der die acht Kameraden sich befanden. Aber Sir John kapierte nicht, was der Profos von ihm verlangte. Immer wieder trachtete Ed, den kleinen Kerl von seiner Schulter zu scheuchen, mußte dabei aber achtgeben, nicht die Piraten auf sich aufmerksam zu machen. Sir John war den Seewölfen in manchen Situationen schon eine Hilfe gewesen, aber man durfte seine Fähigkeiten nicht überschätzen. Hier war er zweifellos überfordert. Er verstand nicht, was Carberry ihm zuraunte. Als ihm das Getue des Profos’ zu bunt wurde, flatterte er nur auf und schimpfte: „Rübenschweine! Himmelhunde! Hol’s der Henker!“ „Hau ab, du rasierter Zwerghahn“, zischte Ed. Er hoffte noch, Sir John würde jetzt in der Nacht verschwinden, aber der Vogel bewies seine Anhänglichkeit, indem er über der langen Prozession hin und her flog.
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Der Tiger von Malakka drehte sich um, sah das Tier und lächelte. Hasard sah ihm an, daß er begriffen hatte. Der Freibeuter wußte aber auch, daß die Seewölfe keine Chance hatten, die auf der „Isabella“ Zurückgebliebenen über ihr Mißgeschick zu unterrichten. „Mehr als hundert Leute“, sagte der Profos leise. „Möchte wissen, wie die in ein paar Kähnen Platz finden sollen. Absaufen werden wir, alle zusammen, und das gönne ich diesen Satansbraten.“ Der Tiger blieb stehen, ließ seine Männer an sich vorbeidefilieren, bis er sich auf gleicher Höhe mit Hasard und dem Profos befand und nahm den Marsch dann wieder auf. „Ich habe nicht alles verstanden“, sagte er. „Aber einige Brocken Englisch beherrsche ich doch.“ Wieder bediente er sich seines hervorragenden Spanisch’. „Der Wortsinn dessen, was du eben von dir gegeben hast, ist mir also einigermaßen klar“, sagte er zu Carberry gewandt. „Aber ich kann dich beruhigen. Zwölf Prahos warten auf uns genug, um uns alle zu befördern.“ „Wer bist du?“ fragte Hasard. „Das habe ich dir gesagt.“ „Woher stammst du? Was hast du wirklich vor?“ „Kannst du schweigen?“ „Ja.“ „Dann schweig“, sagte der Tiger barsch. Hasard grinste ihn unverfroren an. „Spätestens in deinem tatsächlichen Versteck erfahre ich alles über dich.“ „Es fragt sich nur, ob du es noch verwerten kannst.“ „Ich will nichts verwerten“, erwiderte Hasard mit jähem Ernst. „Aber wenn du kein Feigling bist, stellst du dich dem Zweikampf mit mir.“ „Das ist das mindeste, was du von mir erwarten kannst“, sagte der malaiische Freibeuter. Wahrscheinlich hätten sie ihre Unterhaltung noch weitergeführt, wenn sie in diesem Moment nicht auf außergewöhnliche, völlig unerwartete Weise unterbrochen worden wären.
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Sie schritten auf einem leicht schlüpfrigen Pfad voran, umgeben von tau bedecktem Blattwerk, Zweigen, Wurzeln und Schlingpflanzen, die tückisch als Fußfallen wirkten, wenn sie sehr tief hingen. Der modrige Hauch der Selva schien sich als das gespenstische Murmeln und Wimmern vieler hundert Stimmen zu offenbaren. Unkontrollierbares Leben erfüllte die Schatten der Nacht. Plötzlich tauchten Schemen links und rechts aus den Büschen auf. Hände griffen nach dem Tiger von Malakka und den vorderen Piraten. Die Schemen entpuppten sich als vier Gestalten, an die zumindest die eingeborenen Fischer eine deutliche Erinnerung hatten. 7. Der Teniente Savero de Almenara verfügte ebenso wenig über eine Schußwaffe wie seine drei Begleiter - der Feldscher der „Santa Barbara“, der Batak Siabu und der helmlose Soldat. Beim Sturz vom Boot ins Wasser hatte de Almenara seine Pistole eingebüßt, die Pistolen und Musketen der drei anderen waren in Ermangelung trockenen Pulvers und dem Verlust von Bleikugeln unbrauchbar geworden, so daß sie sie weggeworfen hatten. Der Teniente rückte mit seinem Säbel auf den Tiger von Malakka zu. Der Batak führte noch einen Parang, mit dem er wild um sich hieb. Der Feldscher und der Soldat hatten Entermesser in den Fäusten, in ihren Gurten steckten Messer. So trachteten sie, einige Piraten samt ihrem Anführer als Geiseln zu nehmen, um sich den ganzen Zug zu -unterwerfen. De Almenara und der Batak waren sich einig, daß es möglich war, denn der Tiger von Malakka war ein Mann, auf dessen Kommando alles hörte und den niemand im Interesse einer Befreiung zu opfern wagen würde. An der kleinen Lichtung unterhalb des Felsenhanges hatten die drei Spanier und der Batak gelauert, nachdem sie Hasards Fackel gefolgt waren. Unbemerkt von
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beiden Parteien hatten sie gelauscht und einen Plan geschmiedet dann, beim Aufbruch des Trupps, hatten sie gerade noch Zeit gefunden, allen vorauszueilen und sich in einen Hinterhalt zu legen. Der Teniente wußte, daß der Feldscher nicht mit dem Vorhaben einverstanden war. Der Feldscher hatte es vorgezogen, die Malaien und die Engländer davonziehen zu lassen, um später dann ungestört der Insel den Rücken kehren zu können. Doch der Teniente war besessen von seiner Idee. Nie wieder würde sich eine solche Möglichkeit bieten, zwei Feinde mit einem Schlag zu packen: den Tiger von Malakka und den Seewolf! De Almenara hatte genügend Ehrgeiz und Karrierebewußtsein, um sich diese Chance nicht entgehen zu lassen. Trotz seiner Unterlegenheit wollte er es riskieren, und er hatte den Batak und den helmlosen Soldaten mit dem Plan angesteckt. Der Feldscher hatte sich der Mehrheit beugen müssen. Unter dem Ansturm der Gegner wirbelte der Tiger von Malakka herum. Er riß seinen Krummsäbel aus dem Leibtuch und stieß einen Kampfschrei aus. Hasard sah nur eine Möglichkeit, den blitzenden Waffen zu entkommen. Er ließ sich fallen. Mit ihm sanken Carberry und die anderen Seewölfe zu Boden. Hasard hatte seine Handfesseln bereits zu einem Teil lockern können, ohne daß die Piraten es bemerkt hatten. Jetzt sprengte er sie vollends. Wieder halfen ihm die Kenntnisse weiter, die Sun Lo ihm vermittelt hatte. Wunder konnte man mit dieser Methode nicht vollbringen, es handelte sich im Grunde nur um eine geschicktere Ausnutzung der Körperkräfte, verbunden mit einem ungewöhnlichen Maß an Konzentration und Überwindung der Schmerzempfindlichkeit. Nur einen Bruchteil seines Gesamtwissens hatte der Abt des Konfuzianer-Klosters auf Formosa an den Seewolf und dessen Männer weitergeben können, aber er wäre sicherlich hocherfreut gewesen, wenn er gesehen hätte, wie erfolgreich sie das
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Ergebnis des Lehrgangs anzuwenden wußten. Carberry und die anderen wälzten sich hinter dem Seewolf auf dem feuchten schwarzen Untergrund und stellten ähnliche Bestrebungen an, wobei es allerdings nur dem Profos, Dan und Blacky gelang, sich der Fesseln zu entledigen. Hasard schwang hoch. Er federte auf den helmlosen Soldaten zu, der im selben Augenblick versuchte, sein Entermesser in die Schulter des Seewolfs zu hauen. Knapp entging Hasard dem mit voller Wucht geführten Schlag, dann packte er den Gegner mit beiden Händen, riß ihn um und balgte sich am Boden mit ihm. Der Batak Siabu hetzte geduckt an den Kämpfenden vorbei. Er hatte Otonedju entdeckt. Mit einem heiseren Laut warf er sich dem Stammesältesten entgegen. Mit dem Parang wollte er ihm jetzt zurückzahlen, was der ihm zugefügt hatte. Zwar war Siabu an der Schulter verletzt, aber mit der gesunden Hand wußte er das Kurzschwert immer noch ausgezeichnet zu führen. Er trachtete, Otonedju den Schädel zu spalten. Vielleicht wäre es ihm tatsächlich gelungen. Otonedju stand erschüttert da und war für einen Moment unfähig, Gegenwehr zu leisten, so wenig hatte er mit einem Angriff gerechnet. Doch Blacky stellte dem Batak ein Bein. Siabu stolperte und taumelte Dan O’Flynn entgegen. Der fackelte nicht lange und riß den rechten Fuß so weit hoch, daß die Spitze des Stiefels Siabu gegen den Hals stieß. Siabu fiel. Dan warf sich ohne zu zögern auf ihn, packte sein Handgelenk und rang mit ihm um den Parang. Carberry fing den Feldscher ab, bevor dieser auf den Seewolf eindringen konnte, der ihm beim erbitterten Kampf mit dem Soldaten gerade den Rücken zugekehrt hielt. Zwei Hiebe landete der Profos. Einer traf den Waffenarm des Feldsehers, der andere krachte dem Mann gegen die Brust, so daß er in einem fast vollkommenen Rückwärtssalto ins Gebüsch zurückflog.
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Hasard lag inzwischen unter dem helmlosen Soldaten und wehrte dessen Entermesser verzweifelt ab. Mit verzerrtem Gesicht versuchte der Spanier, es ihm ins Herz zu treiben. Hasard drückte seinen Arm jedoch unter Aufbietung aller Kräfte zur Seite. Der Soldat rutschte ab, rollte von ihm weg, verkantete dabei das Entermesser - und die scharfe Kante der Klinge traf seinen ungeschützten Halsansatz. Hasards Versuch, ihn vor dem Tod zu bewahren zu spät. Betroffen sah der Seewolf. wie die Gestalt des Spaniers reglos wurde. Er hatte ihn bewußtlos schlagen wollen, mehr nicht. Dan und der Batak wälzten sich unterdessen wie zwei Raubkatzen ineinander verkeilt. Dan brachte es fertig, dem nahezu tobsüchtigen Eingeborenen den Parang zu entwinden. Sofort zuckte Siabu zurück. Er riß einen Kris aus dem Gurt, hob ihn, warf sich auf Dan - und dem blieb keine Wahl. Er mußte den Parang hochreißen, wenn er nicht sterben wollte. Der Batak sprang in die Klinge des Parangs. Carberry, Blacky und die anderen Seewölfe waren ins Dickicht getreten, um Dan beizustehen und um sich wieder den Feldscher der „Santa Barbara“ vorzuknöpfen. Der Feldscher hatte sein Entermesser verloren und sah ein, daß es keinen Sinn hatte, danach zu suchen. Daß es den Batak und den Soldaten erwischt hatte, hatte er verfolgen können. Jetzt sah er, wie der Tiger. von Malakka den Teniente Savero de Almenara im Zweikampf zurück-’ trieb. Mit einer leichten Brustverletzung strauchelte der Teniente. Er kippte rückwärts ins Mangrovengesträuch. Der Feldscher ergriff die Flucht. De Almenara bemerkte es. Er fing sich. fuhr herum, stürmte dem Feldscher mit eigenartig hüpfenden Bewegungen nach und stellte ihn zwischen widerspenstigen Schmarotzerpflanzen. Der Feldscher hatte sich verfangen und verlor kostbare Zeit. „Feigling“, zischte der Teniente. „Elender Deserteur!”
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Der Feldscher gab sich keinen Illusionen hin. Er wußte, daß er von de Almenara weder Verständnis noch Nachsicht zu erhoffen hatte. So griff er zum Messer, zog es aus der Lederscheide und griff an, um dem Teniente zu geben, was ihm seiner Ansicht nach gebührte. Der Teniente war schneller. Fluchend hieb er mit dem Säbel zu. Hasard war neben Dan und ließ sich von ihm den Parang aushändigen. Er schlüpfte weiter durch das Dickicht und erreichte den Teniente. Gerade beobachtete er noch, wie der Feldscher blutüberströmt zusammenbrach. „Aufhören“, sagte der Seewolf auf spanisch. „Sie Narr, ergeben Sie sich. Weg mit der Waffe!“ „El Lobo del Mar“, hauchte der Teniente im Herum schwingen fast ergriffen. Er hob wieder den Säbel. „Mir steht die Belohnung zu, die der König von Spanien und Portugal auf deinen verfluchten Kopf ausgesetzt hat.“ Zum erstenmal hörte Hasard davon, daß die Kopfprämie für seine Ergreifung tatsächlich existierte. Seine Gefühle schwankten zwischen Überraschung und Wut. Was dachten sich die Dons noch aus, um ihn zur Strecke zu bringen? Savero de Almenara glaubte den Seewolf zögern zu sehen. Diesen günstigen Augenblick wollte er unbedingt ausnutzen. Keuchend ging er mit dem Säbel auf den verhaßten Feind los. Hasard konterte mit dem Parang. In einer glänzenden Parade drängte er den viel längeren Säbel zurück. Der Teniente gab jedoch nicht auf. Er stürmte mit einem Aufschrei vor, um die Klinge höchst unfair in Hasards Unterleib zu stoßen. Der Seewolf wich aus, aber de Almenara hatte zuviel Schwung. Er lief geradewegs in den Parang, den Hasard nicht mehr rechtzeitig genug wegziehen konnte. Mit einer Verwünschung auf den Lippen zog Hasard den Parang zurück. De Almenara sank nieder, ließ den Säbel aus den Fingern gleiten und legte sich auf den Rücken, als wolle er ausruhen. Hasard beugte sich über ihn. konnte aber nichts
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mehr für ihn tun. Der Blick des Tenientes wurde starr, sein Herzschlag setzte aus. Seine brechenden Augen waren gen Himmel gerichtet. „Elender Narr“, murmelte Hasard. „Warum mußte das sein?“ „Ein blindwütiger Fanatiker“, sagte Ferris Tucker hinter Hasard. „Einer wie der hätte immer wieder so gehandelt, so und nicht anders.“ Hasard nickte gedankenverloren. Dann besann er sich, richtete sich auf und kümmerte sich um seine vier Männer, denen immer noch die Hände auf dem Rücken gefesselt waren. Mit dem Parang trennte er ihnen die Stricke auf. „Rasch“, raunte er dann. „Verschwinden wir. Der Tiger und seine Leute können jeden Moment hier sein.“ „Verdammt“, stieß Carberry dumpf aus. „Ich wundere mich überhaupt, wo die Kerle bleiben.“ „Ich habe da so einen Verdacht“, meinte Dan O’Flynn. Und Sam Roskill wisperte: „Denkt ihr das gleiche wie ich - oder wie ist das?“ Nichts konnte sie jetzt daran hindern, zu dem schmalen Pfad zurückzukehren, den die Hiebwaffen der malaiischen Piraten in den Dschungel getrieben hatten. Der Erdboden schien die Freibeuter und die eingeborenen Fischer verschluckt zu haben. Fort waren sie - als hätte es sie nie gegeben. „Diese Bastarde“, sagte der Profos. „Hauen einfach ab! Sehr heldenhaft haben sich diese Kerle nicht verhalten.“ Hasard rieb sich das Kinn. „Mißtrauisch, wie der Tiger von Malakka ist, hat er wieder einen Trick, eine Falle gewittert. Wäre ich derart argwöhnisch, hätte ich es wohl auch vorgezogen, das Feld zu räumen. Wahrscheinlich hat er damit gerechnet, daß hier jeden Moment eine spanische Streitmacht auftaucht.“ „Darf ich ganz offen was sagen?“ fragte der Profos. Man sah ihm an, wie geladen er war. „Nur zu, Ed“, forderte Hasard ihn auf. „Dieser malaiische Hundesohn hat nicht alle Tassen im Schapp.“
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„Wer hat das nicht?“ sagte Dan O’Flynn. Er konnte schon wieder grinsen. „Also, einen Schlag hat der Kerl bestimmt weg“, unterstützte Blacky nun Carberrys Aussage. „Trotzdem. Ich bin sicher, daß er weiß, was er will“, erwiderte Hasard. „Los, stehen wir nicht länger herum —kehren wir zur ‚Isabella’ zurück, ehe die Freibeuter es sich anders überlegen.“ * Zwölf Prahos — Hasard dachte die ganze Zeit über daran. Er rechnete damit, daß der Verband des Tigers die „Isabella VIII.“ überfallen würde. Als Hasard und seine sieben Männer jedoch auf den Platz gelangten, auf dem die letzten schwelenden Aschereste von der einstigen Existenz des Hüttendorfes zeugten, konnten sie zur Bucht hinunterblicken — und sie atmeten auf. Friedlich und ungestört lag die große Galeone vor Anker. Von den drei spanischen Galeonen ragten nicht einmal mehr die Toppen aus den Fluten auf. „Wie sagtest du doch vorhin so richtig?“ wandte sich der Seewolf an Big Old Shane. „Sieht aus, als ob überhaupt nichts geschehen sei.“ „Stimmt“, sagte der Riese lachend. _Ein Bild, in das man sich verlieben kann, wie?“ „Und wir können auch von Glück sagen, daß durch das Geböller der Kanonen keine anderen Dons angelockt worden sind“, fügte Smoky hinzu. „Alles in allem scheint die Geschichte ja doch einen glimpflichen Ausgang zu finden.“ Hasard entgegnete darauf nichts. Fackeln hatten sie nicht mehr, die hatten sie zusammen mit ihren Waffen am Hang vor den Höhlen abgelegt — und jetzt befanden sie sich im Besitz des Tigers von Malakka. Durch Feuer konnten sie Ben Brighton also nicht über ihre Rückkehr unterrichten. „Steigen wir zum Strand hinunter“, sagte Hasard. „Von dort aus rufen wir zur ‚Isabella’ hinüber. Anders können wir uns ja doch nicht bemerkbar machen.“
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Als sie den Felsenhang an seinem Fuß verließen, wären sie um ein Haar mit Bob Grey zusammengeprallt. „Heiliger Strohsack“, stieß Bob aus. „Hätte nicht viel gefehlt, und ich hätte euch eine Ladung gehacktes Blei entgegengeschickt.“ Er klopfte mit der Hand an den Schaft der Muskete, die er geschultert hatte. „Vorsicht ist besser als falsche Tapferkeit. Ben hat Wachen an Land aufgestellt. Dort drüben steht Batuti.“ Er wies nach Süden. „Bill, unser Moses, krebst am Nordufer der Bucht herum.“ Er sah, daß sein Kapitän mit dem Blick nach etwas suchte, und sagte rasch: „Die toten Spanier aus den Booten haben wir begraben. Aber jetzt eine Frage. Wo seid ihr eigentlich so lange gewesen?“ „Das erzählen wir, wenn wir an Bord sind“, erwiderte der Seewolf. „Sonst müssen wir alles zweimal berichten.“ Kurz darauf pullten sie mit einem Boot der „Isabella“ zur Galeone. Hasard hatte Bob, Batuti und Bill als Wachen abgezogen und nahm sie jetzt mit, um im Gefahrenfall sofort ankerauf gehen und aus der Bucht segeln zu können. Ben Brighton und der Rest der Crew fielen aus allen Wolken, als sie vernahmen, was sich im Inneren der Insel zugetragen hatte. Da kein einziger Schuß gefallen war, hatten sie keinen Verdacht geschöpft, es könne Verdruß gegeben haben. „Mann“, sagte Ben Brighton. „Fast wärt ihr draufgegangen, und wir hätten hier gemütlich ‘rumgesessen und Daumen gedreht.“ „Schwamm drüber“, antwortete Hasard. „Gewesen ist gewesen. Passen wir jetzt auf, daß die Piraten uns nicht von See her überrumpeln. Sie haben zwölf Schiffe und in der Bucht sitzen wir praktisch in der Fälle.“ Bis zum Morgengrauen verweilten sie an ihrem Ankerplatz, ohne daß etwas geschah. Hasards düstere Ahnungen erwiesen sich als Irrtum. Im blaßroten Erwachen des Morgens traten Ben Brighton und Ferris Tucker auf dem Achterdeck zu ihrem Kapitän. Hasard
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stand ziemlich gedankenverloren an der Five-Rail. „Der Tiger von Malakka scheint es vorzuziehen, sieh nicht mit uns anzulegen“, sagte Ben Brighton. „Wir können also getrost Weitersegeln“, fügte Ferris hinzu. Hasard wiegte den Kopf. „Ganz so sehe ich das nicht. Sicher, wir könnten die Straße von Malakka durchsegeln, ohne uns weiter um den Tiger zu kümmern. Aber da ist noch etwas, das ich nicht gern auf mir sitzenlasse.“ Ben nickte. „Ich weiß schon. Der Mann denkt, wir seien Spanier.“ „Schlimmer“, sagte der rothaarige Schiffszimmermann. „Spione und Handlanger der Spanier.“ „Nicht, daß ich übertrieben stolz bin“, erklärte der Seewolf. „Ihr kennt mich ja. Aber ich will diesem eigensinnigen Malaien gern beweisen, daß ich im Grunde sein Verbündeter bin. Ich habe irgendwie das Gefühl, wir sind es uns gegenseitig schuldig, klare Positionen zu beziehen.“ „Es reizt dich, hinter sein Geheimnis zu gelangen“, entgegnete Ben. „Ja, da ist irgendetwas. Ich glaube einfach nicht, daß er ein Schnapphahn und Schlagetot der üblichen Sorte ist. Dazu ist er zu intelligent. Man müßte nur die Mauer des Mißtrauens durchbrechen, die ihn und seine Mitstreiter umgibt.“ „Also?“ fragte Ferris. „Wir gehen ankerauf und suchen nach ihm.“ In der nächsten Stunde tasteten sie die nähere Umgebung der Bucht ab und rundeten schließlich die ganze Insel. Sie hatten keinen Erfolg. Der Tiger von Malakka hatte das Eiland wie angekündigt Mit den Eingeborenen verlassen und befand sich jetzt auf dem Weg zu seinem Versteck. Wo lag es? Dieser Gedanke faszinierte den Seewolf und beherrschte ihn. Er brach zu den Nachbarinseln auf und hatte sich in den Kopf gesetzt, notfalls den gesamten Kepulauan Riau abzutasten, um dem Freibeuter noch einmal zu begegnen.
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Rempang hieß die große, sich in fast rechteckiger Form von Nordwesten nach Südosten ausdehnende Insel, die die Seewölfe am Nachmittag dieses Tages erreichten. Bis hierher hatte sich überhaupt nichts mehr getan, ja, der gesamte Archipel lag plötzlich wie ausgestorben da. Kein einziges Auslegerboot, kein Praho hatte sich in der Nähe der Inseln gezeigt, die sie passiert hatten, nirgendwo waren sie auf eine Siedlung oder Spuren menschlichen Seins gestoßen. Der Tiger und seine Meute hatten sich schon gar nicht gezeigt, und auch mit anderen Freibeutern waren sie nicht zusammengetroffen, von Spaniern oder Portugiesen ganz zu schweigen. „Ich frage mich, geht das noch mit rechten Dingen zu?“ sagte der alte Donegal. Daniel O’Flynn auf dem Quarterdeck zu seinem Sohn. „Hör doch auf.“ „Was ist, wenn die Gegend verflucht ist?“ „Verwunschen?. Ich sehe schon Hexen und Meerungeheuer herankrauchen.“ Sein Vater senkte die Stimme. „Und der Jonas, dem wir damals in der Karibik begegnet sind? Hast du den vergessen? Du mit deinem vorlauten Schnabel.“ „Es gibt für alle Dinge logische Erklärungen.“ „Es gibt Schiffe, die auf Nimmerwiedersehen verschwinden, Totenlichter, die übers Wasser tanzen, den Wassermann, der nachts an Bord steigt und seinen tödlichen Schabernack treibt“, zischte Old Donegal. „Hast du dafür auch vernunftsmäßige Erklärungen, du Schlauberger? Und wie reimt es sich zusammen, daß ein Albatros Unglück bringt?“ „Ja, das würde ich auch gern wissen“, grollte eine Stimme hinter ihnen. Sie hatten nicht gemerkt, daß der Profos sich zu ihnen gesellt hatte. Wenn Ed wollte, konnte er auf leisen Sohlen schleichen wie ein Bär, der sich gegen den Wind an seine Beute heranpirscht.
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„Manches entzieht sich ganz einfach unserem Wissen“, sagte Dan O’Flynn. „Früher haben die Leute auch geglaubt, die Erde sei eine Scheibe, an deren Rändern man in den Abgrund stürzen müsse. Heute ist bekannt ...“ „... daß es Spuk und Dämonen wirklich gibt“, vollendete sein Erzeuger den Satz. „Und du sollst dich nicht versündigen, indem du das abstreitest, sonst ziehe ich dir mein Holzbein über die Rippen.“ „Ich geb’s auf“, stöhnte Dan. „Donegal“, sagte der Profos jetzt heiser. „Du sollst nicht immer unken. Ich kann das nicht leiden.“ „Ich unke nicht. Ich warne nur.“ „Vor was?“ „Du wirst die Zeit schon abwarten können, Mister Carberry.“ „Hölle und Teufel“, sagte Carberry. „Eines Tages lasse ich dir dein eigenes Holzbein auf dem Rücken tanzen, O’Flynn. Wenn einer etwas nicht genau weiß, soll er die Klappe halten.“ „So wie vor Formosa? Als wir in die Falle der Portugiesen gelaufen sind?“ Carberry sagte darauf nichts. Er erinnerte sich genauso ungern an diese Episode wie alle anderen Männer der „Isabella“, aber er fand es nicht gerade fair von dem Alten, die Sache immer wieder herbeizuzitieren. Die Portugiesen hatten sich seinerzeit beispiellos heimtückisch verhalten, weil sie mit einem Trick an die Menschlichkeit der Seewölfe appelliert hatten. Als Opfer eines Überfalls hatten sie sich aufgeführt, und Hasard hätte sich als Schweinehund gefühlt, wenn er ihnen nicht Beistand geleistet hätte. Aber das gehörte der Vergangenheit an. Carberry blickte voraus zu der Insel Rempang, einem breiten Streifen am Horizont, dessen Vegetation sich - aus der Ferne betrachtet - wie ein einziger Moosteppich an die sanft geschwungenen Hänge zu schmiegen schien. Carberrys Gefühle waren gemischt. Ehrlich ausgedrückt schwante auch ihm nichts Gutes -wie bei der gesamten Crew die Stimmung nicht rosig war.
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Der Seewolf hatte angekündigt, er werde auf Rempang landen, um seine Nachforschungen zu betreiben. Schon begab er sich über Carberrys, O’Flynn seniors und O’Flynn juniors Köpfen an die Five-Rail. Er stützte sich mit den Händen auf und rief: „Wer meldet sich freiwillig zum Landgang? Ich schätze, wir stöbern auf der Insel Rempang mindestens eine Kaschemme auf, in der der Wirt das Beil unterm Tresen liegen hat und Wo die käuflichen Ladys sich als schmachtende Kannibalinnen. entpuppen. Na los, Männer, nun drängelt euch nicht so, es kommt je-. der dran.“ Er grinste. Carberry wischte sich mit dem Handrücken über Nase und Mund, schnaufte und sagte: „Ich bin dabei, Sir. Mich kann bekanntlich nichts umhauen. Und Sun Lo, der Mönch, hat ja auch gesagt, daß die Kopfjäger alle weiter östlich auf Borneo und so lauern.“ „Ich wußte nicht, daß du eine ironische Ader hast, Ed.“ „Die habe auch ich gerade erst entdeckt“, erwiderte der Profos grimmig. Dann fuhr er zur. Kuhl herum. „Na, ihr Memmen und Hosenscheißer, braucht ihr eine Sondereinladung, oder habt ihr Angst, ihr trampelt euch gegenseitig tot, wenn ihr beim Sturm auf die Boote zu zahlreich vertreten seid?“ „Achtung“, sagte Smoky, der Decksälteste, unten leise zu den Kameraden. „Alles hört auf mein Zeichen.“ Er blickte nach links und nach rechts, dann preßte er ein knappes „Jetzt“ hervor. Sofort flogen sämtliche Hände hoch. Es war mal wieder an ihrem bescheidenen Ehrgefühl gekratzt worden, und in dieser Beziehung hielten sie es wie der Profos. Alles konnte man ihnen vorwerfen, nur Feigheit nicht. Keiner verspürte übermäßige Lust, auf Rempang umherzustreifen und Mangroven zu fällen, aber Hasenfüße ließen sie sich deswegen noch lange nicht nennen. Hasard stellte seinen Trupp zusammen: Carberry, Batuti, Pete Ballie, Gary Andrews, Matt Davies und
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Jeff Bowie. Eine halbe Stunde später stießen sie sich mit .dem Beiboot von der Bordwand der „Isabella“ ab und pullten zur Insel hinüber. Freundlich grüßten die bewaldeten Hänge unter der Nachmittagssonne herüber, einladend sahen sie aber trotzdem nicht aus. „Ihr werdet mich fragen, warum ich ausgerechnet an dieser Stelle der Küste lande“, sagte Hasard, der wieder den Platz auf der Heckducht innehatte. „Nun, ich habe vorhin eine Flußmündung entdeckt. Sie ist stark überwuchert und kaum mit bloßem Auge zu erkennen. Meiner Meinung nach könnte sie von den Piraten als Versteck benutzt werden. Ihr erinnert euch doch noch an Formosa.“ „Ja, aber dort war der Fluß ziemlich breit“, erwiderte Pete Ballie. „Ich frage mich, ob dieser hier ein größeres Schiff passieren läßt.“ „Das ist auch eine Frage der Wassertiefe“, sagte Gary Andrews. „Und der Beschaffenheit der Fahrzeuge“, sagte der Seewolf. „Ein Praho, meistens mit einem Mast und Auslegern an einer oder zwei Seiten versehen, hat nur geringen Tief gang.“ „Aha“, meinte Matt Davies. „Wenn ich recht verstehe, sind die Kähne so groß wie Schaluppen oder Pinassen.“ „Ungefähr“, entgegnete Hasard. „Ideal für Entermanöver“, sagte Matt grinsend. „Die Piraten scheinen es auch hier zu verstehen, den Dons mit dem richtigen Kaliber zu begegnen. Je schlanker und wendiger die Kähne, desto größer die Chance, dem Beschuß der Spanier zu entgehen.“ Hasard nickte und bewegte die Ruderpinne. Sie hatten jene Stelle im Uferdickicht, die er sich eingeprägt hatte, fast erreicht. Batuti drehte sich kurz um, spähte in den tief grünen Blätterwald; schüttelte jedoch den Kopf. Er vermochte den Einschnitt der Flußmündung nicht zu erkennen. Etwas später schob sich das. Boot jedoch ins schwer hängende Gesträuch und teilte es mit dem Bug.
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Hier schien die Welt zu Ende zu sein — doch erstaunlicherweise öffnete sich gleich hinter dem undurchdringlich wirkenden Vorhang das Halbdunkel eines Stollens. Nicht durch den Fels führte dieser Stollen, nein, er war ein matt schimmernder Gang unter der alles zudeckenden Inselflora, der Weg, den sich der Fluß gegraben hatte. Die Aura der Selva nahm die Männer im Boot gefangen. Feuchtigkeit und ein Gemengsel aus vielen verschiedenen Gerüchen senkte sich über sie, ein Gifthauch schien sie zu umfächeln. Sie pullten langsamer. Das Wasser war zunächst noch klar, wurde nach einigen Yards jedoch braun und brackig. Hasard und seine Männer hatten den Einzugsbereich der See verlassen und stemmten sich gegen die zunehmende Strömung. Schließlich wurde der Fluß sehr flach, und die Ufer strebten derart dicht aufeinander zu, daß selbst mit der Jolle kein Durchkommen mehr war. „Die Antwort auf unsere Frage hätten wir also“, sagte der Seewolf. „Hierher haben sich die malaiischen Freibeuter nicht zurückgezogen. Spätestens an dieser Stelle hätten wir sonst auf ihre Schiffe stoßen müssen.“ „Keine Prahos — kein Tiger“, sagte Matt Davies mit schiefem Grinsen. „Trotzdem will ich einen Blick in die Runde werfen“, sagte Hasard. „Wir gehen an Land und unternehmen einen kleinen Streifzug. Jeff, du bewachst das Boot.“ „Aye, Sir.“ Kurz darauf taten sie wieder das, worauf die Männer so sehr „erpicht“ waren. Mit Säbeln und Entermessern bahnten sie sich einen Weg durch den Urwald, den seit Menschengedenken niemand mehr betreten zu haben schien. Vorn öffnete sich das Gestrüpp unter Hasards und Carberrys erbitterten Hieben, Batuti, Pete, Gary und Matt droschen den Rest nieder. Hinter ihnen schien sich das Dickicht gleich wieder zu schließen — ein unangenehmes Gefühl. Insekten schwirrten ihnen in die Gesichter und krabbelten über ihre Oberkörper. Sie
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waren nicht nur lästig, sondern behinderten sie auch. Myriaden von Mücken und anderem winzigen Getier schienen auf der Insel zu hausen. Einzig der schwarze Herkules aus Gambia beschwerte sich nicht. Er war ähnliche Verhältnisse ja aus seiner Heimat gewohnt. Pete Ballie hingegen wetterte: „Teufel auch, so eine Plage. Gibt es denn kein Mittel gegen die Bestien?“ „Totschlagen“, sagte Matt trocken. „Dir können die Scheusale wohl gar nichts anhaben, was?“ sagte Gary Andrews. „Ich sage: Hier laßt uns Hütten bauen“, erwiderte Matt Davies mit galligem Humor. Hasard erwartete, irgendwo auf eine Lichtung zu treffen, denn der Untergrund stieg jetzt an, und bald mußte sich die Vegetation zumindest an vereinzelten Stellen ein bißchen öffnen. Als er von der „Isabella“ aus mit scharfem Blick die Flußmündung gesichtet hatte, glaubte er auch ein paar helle Flecken in dem dichten Bewuchs erspäht zu haben. Deshalb arbeitete er sich unverdrossen weiter voran. Was er zu finden hoffte, wußte er so genau selbst nicht —vielleicht Spuren, die auf den Tiger hinwiesen. Die Reste eines Lagerfeuers, einer Mahlzeit im Freien, möglicherweise auch Behausungen. Carberry hörte einen Laut und blieb stehen. „Hasard“, raunte er. „Sir.“ „Was gibt’s, Ed?“ „Da ist was.“ Hasard verharrte ebenfalls und wandte sich zu ihm um. „Ed, willst du mir erzählen, hier spukt es? Hör damit auf, ehe du richtig anfängst.“ „Nein, Sir. Da ist was“, behauptete der bullige Profos steif und fest. Ein Zeichen für die Richtigkeit seiner Behauptung lieferte jetzt Sir John. Der Papagei duckte sich auf seiner rechten Schulter. Seine Nackenfedern sträubten sich, seine Augen schienen Angst auszudrücken. Dann vernahm auch Hasard das Geräusch und mit ihm die anderen vier.
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Ein Grollen durchlief den Regenwald, ein unerklärliches, unterschwelliges und doch ungemein intensives Brüllen, das geradewegs den tiefsten Schlünden der Hölle zu entweichen schien. * Selbst der Seewolf konnte sich eines kalten Schauers nicht erwehren, der ihm über den Rücken lief. Sein Blick huschte von Mann zu Mann, und er las Respekt in ihren Mienen, ungeheuren Respekt. Batuti rollte mit den Augen, daß das Weiße hervorzuquellen drohte. „Teufel“, zischte Matt Davies. „Das hört sich ja an wie - wie ...“ „Schsch“, flüsterte der Gambia-Neger und legte den Zeigefinger gegen die Lippen. Unwillkürlich schwiegen die Männer wirklich. Batuti schlich zu Hasard, brachte seinen Mund ganz nah an dessen Ohr und raunte: „Batuti weiß — das Herr der Steppe. Furchtbarer Gegner.“ „Du sagst Steppe“, erwiderte Hasard fast genauso leise. „Wir befinden uns hier aber im Urwald. Meinst du vielleicht einen Löwen?“ „Ja, den.“ Batutis Züge nahmen einen ehrfürchtigen Ausdruck an. „Dann weiß ich, wer das ist“, sagte der Seewolf. „In diesem Land existieren keine Löwen. Wohl aber Tiger.“ „Die sollen noch größer werden als Löwen“, raunte Gary Andrews. „Ich hab noch keinen Tiger gesehen“, hauchte Pete Ballie, von Batutis Ehrfurcht angesteckt. „Ich auch nicht“, erwiderte Gary. „Auch noch keinen Löwen.“ Hasard blickte sich aufmerksam um. Hätte er die Richtung bestimmen sollen, aus der das feindselige Grollen gedrungen war, hätte er sich nur schwer festlegen können. Es schien überall zu sein. Sun Lo hatte ihm ein wenig über Tiger erzählt, über die schönen Tiere aus Bengalen und die blasser gezeichneten Exemplare eines fernen, kalten Landes, das er Sibirien genannt hatte. Gewaltige Raubkatzen, die einem ausgewachsenen
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Mann mit einem einzigen Tatzenhieb den Arm vom Rumpf trennen oder den Kopf abreißen konnten. Sie lebten nicht in Rudeln wie die Löwen Afrikas, sondern meistens als Einzelgänger, nur zur Paarungszeit zu zweit beziehungsweise nach der Geburt der Jungen einige Wochen lang als traute Familie. Eigentlich gingen sie dem Menschen aus dem Weg, hatte der Mönch von Formosa zu berichten gewußt, aber es gäbe auch sogenannte „Menschenfresser“, Tiere, die unangenehme Erfahrungen mit Menschen gemacht hatten und ihnen deswegen nachstellten. Vor einem Element hatten jedoch alle Tiger Angst: vor dem Wasser. Das Grollen kehrte wieder. Die Männer fuhren unwillkürlich zusammen. „Verdammt“, stieß Carberry aus. „Lassen wir uns von diesem Himmelhund etwa einschüchtern? Weiter, sage ich.“ „Ja“, meinte nun auch der Seewolf. “Dringen wir wenigstens bis zur ersten Lichtung vor. Ich stelle es euch aber frei, zum Boot zurückzukehren. Ed und ich kommen auch allein ganz gut voran.“ „Ach was“, antwortete Matt Davies. „Erstens haben wir die Hosen nicht voll, und zweitens würden wir euch auch mit vollen Hosen nicht im Stich lassen.“ Er sagte das im Brustton voller Überzeugung, äugte aber doch zu Sir John, der auf der Profosschulter immer kleiner zu werden schien. Noch einmal wälzte sich das Brüllen des Tigers durch den Dschungel, diesmal ganz nah. Sir John schlüpfte von der Schulter aus in Carberrys Wams. Er kuschelte sich zusammen und verharrte reglos. Nichts auf der Welt hätte ihn bewegen können, diesen sicheren Platz wieder zu verlassen. „Augenblick“, flüsterte Pete Ballie. „Was ist?“ zischte Gary. „Du machst mich ganz kribbelig.“ „Wieso geht der Papagei in Deckung?“ „Instinkt“, erwiderte Matt Davies. „Meinetwegen“, sagte Pete. „Aber meistens fliegt er auf, wenn es brenzlig wird.“
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Hasard und Carberry blieben am Kopf der Gruppe stehen, als Pete dies sagte. Sie fühlten sich veranlaßt, den —Blick zu heben. „Du meinst, Sir John ist nicht weggeflogen, weil die Gefahr von oben kommt?“ raunte der Profos seinem Kapitän zu. „Ach wo. Tiger klettern doch nicht auf Bäume.“ „Woher weißt du das?“ fragte Hasard. „Hat Sun Lo das nicht gesagt?“ „Mir nicht.“ Carberry stand plötzlich wie vom Donner gerührt. „Sir“, würgte er hervor. „Ich - ich sehe ihn.“ Hasard hatte den Urheber der unheimlichen Laute nun auch entdeckt. Die vier anderen folgten seinem und Carberrys Blick - und da sahen auch sie das Tier. Zwischen Blättern hindurch gewahrten sie es auf dem niedrigen Ast eines gewaltigen, urweltlich wirkenden Baumes. Majestätisch, reglos, den Blick unverwandt auf den kleinen Trupp gerichtet, ein Bild vollkommener Harmonie zwischen Schönheit des Körpers, Kraft und samtfarbener Streifenzeichnung, so bot sich die große Katze ihren Augen dar. „Der Herr des Waldes“, murmelte Hasard. Er konnte den Blick nicht von diesem einzigartigen Tier nehmen. Man mußte von dieser Kreatur überwältigt sein. „Duldet er uns -oder will er uns verjagen?“ Carberry gab Gary Andrews einen Wink. Gary hob daraufhin die mitgebrachte Muskete. Batuti öffnete jedoch den Mund, um zu protestieren. Und Hasard sagte nun auch: „Nein, nicht schießen. Er hat uns nichts getan.“ „Er kann uns alle töten“, widersprach Carberry. „Aber ihm steht die gleiche Würde, der gleiche Respekt zu wie einem Zweibeiner“, sagte der Seewolf. „Erst wenn wir angegriffen werden, wehren wir uns unserer Haut.“ Der Tiger öffnete das Maul und zeigte ihnen seine spitzen, dolchartigen Reißzähne. Zehn, höchstens fünfzehn
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Yards entfernt lag er auf dem schweren Baumast, und das Grollen, das er von sich gab, dröhnte wie Donner in den Ohren der Männer. Hasard stellte einen Vergleich mit dem Anführer der malaiischen Freibeuter an. Würde und Gewandtheit, Stolz, Kraft, ein Ausdruck der Unbesiegbarkeit - trafen alle diese Attribute tatsächlich auch auf den Mann von Malakka zu? „Da“, stieß Batuti aus. „Tiger steht auf.“ Und wirklich, der Herrscher über den Dschungel richtete sich lautlos auf - zu seiner vollen Größe, die den Männern der „Isabella“ erst jetzt richtig bewußt wurde. In fließender Bewegung drehte sich das Tier, verließ den Ast, glitt den Baumstamm hinunter und wurde vom Dickicht verschluckt. „Mann“, keuchte Pete Ballie. „Jetzt pirscht er sich an, um uns zu vertilgen.“ Hasard erwiderte: „Haltet die Waffen schußbereit. Wir kehren zum Boot zurück. Schaut euch ständig nach allen Seiten um.“ „Wir hören schon, wenn der Bruder naht“, meinte Matt Davies. „Er faucht ja laut genug.“ „Das glaubst du auch bloß“, entgegnete Gary. „Von jetzt an verhält er sich mucksmäuschenstill, sage ich dir.“ „Herr der Tiere“, versetzte der GambiaNeger gedämpft. „Meister der Jagd.“ Sie hatten den Weg zum Beiboot der Galeone halb zurückgelegt, da zerriß ein Donnerhieb die Stille. Hasard setzte sich sofort wieder an die Spitze seiner Gruppe und stürmte los. Als er aus dem Dickicht brach und das Flußufer erreichte, sah er einen bleichen Jeff Bowie im Boot stehen, Das Boot schwankte, Jeff trachtete es durch ausgleichende Beinarbeit in eine ruhigere Lage zu bringen. „Hölle, Jeff!“ rief der Seewolf. „Warst du das?“ „Ja, Sir. Wir hatten doch ein paar Höllenflaschen mitgenommen. Ich habe schnell eine davon gezündet, als dieser — dieser Teufel im Gebüsch auftauchte:“ „Der Tiger?“ „Ja, das muß wohl ein Tiger gewesen sein“, sagte Jeff verdattert. „Ich habe die
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Flasche nach ihm geschleudert, dann war er weg wie der Blitz.“ Hasard ließ sich die Stelle zeigen, an der Bowie die große Raubkatze gesichtet hatte. Die Explosionsflasche hatte das Dickicht im Umkreis von etwa fünf Yards geplättet und einen kleinen Krater in den weichen Boden gerissen. Schwarze Erde haftete an den Mangrovenblättern, es sah aus, als habe ein fürchterlicher Kampf stattgefunden. Von dem Tiger aber keine Spur. Hasard grinste. „Eine gute Reaktion, mein Freund. Es hätte dich um ein Haar erwischt. Ich hätte dir aber auch niemals verziehen, wenn du unserem guten Jeff zu Leibe gerückt wärst.“ Bei der Rückfahrt zur „Isabella“ beteuerte Jeff immer wieder, der Tiger habe ihn anspringen wollen, er habe alle Anstalten dazu getroffen, unverkennbar. „Also doch ein Menschenfresser“, sagte der Seewolf. „Das gibt mir zu denken. Falls Rempang ganz unbewohnt ist, hat der Tiger bestimmt mit dazu beigetragen.“ Sie hatten das Dickicht verlassen und pullten auf die See hinaus. Hasard richtete sich auf und gab Ben Brighton ein Zeichen. Ben hatte nach der Explosion der Flasche bereits ein zweites Boot bemannen lassen und wollte gerade aufbrechen, um den Kameraden zu Hilfe zu eilen. 9. Zurück an Bord der „Isabella“ erstatteten die Landgänger ihren Kameraden Bericht. „Ich glaube, nicht einmal ein halbes Dutzend Schüsse könnten den Tiger stoppen“, sagte der Seewolf abschließend. „Eine Höllenflasche vielleicht, aber das wäre höchst unwaidmännisch.“ „Du willst zur Insel zurück und ihn erlegen?“ fragte Ferris Tucker. „Nein, das habe ich nicht vor. Die Freibeuter, die wir suchen, halten sich bestimmt nicht auf Rempang auf — wegen des echten Tigers. Und ich persönlich hege keinen Haß gegen den vierbeinigen Killer. Wenn er sein Revier um jeden Preis
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verteidigen will, dann bin ich der letzte, der seine Kreise stört.“ „Deck!“ rief unvermittelt Bill aus dem Großmars. „Schiff im Nordwesten! Es hat das Nordufer der Insel gerundet und hält auf uns zu!“ Hasard bewaffnete sich sofort mit dem Spektiv, hastete auf die Back der „Isabella“ und nahm das Schiff im Augenschein. „Ein Zweimaster!“ rief der Schiffsjunge. Ben Brighton, Ferris Tucker, Smoky, Shane und die beiden O’Flynns trafen inzwischen auch auf dem Vordeck ein. Carberry überprüfte unterdessen die Gefechtsstationen. Nach dem Zwischenfall auf Rempang hatte Ben Brighton zum Kampf rüsten lassen. Es gab nichts zu bemängeln, die „Isabella“ konnte es sofort mit einem Gegner aufnehmen. Hasard mußte zwar auch ein Erscheinen der Spanier in sein Kalkül einbeziehen, aber er rechnete noch nicht wieder mit ihnen. Ganz instinktiv dachte er eher an ein Aufkreuzen der malaiischen Piraten. Und er wurde nicht enttäuscht. „Der Zweimaster ist ein außergewöhnlich großer Praho“, sagte er zu den Männern. „Ich wette eins zu tausend, daß er zu dem Verband des Tigers gehört.“ „Na, dann wollen wir mal“, entgegnete Ferris grimmig. „Ich nehme nicht an, daß er mit uns kämpfen will“, meinte Hasard jedoch. „Er signalisiert aus den Toppen.“ „Spanische Signalzeichen, Sir“, meldete Bill im Tonfall höchster Erregung. „Er erscheint als Unterhändler.“ „Akzeptieren wir das?“ fragte Ben. Hasard ließ das Spektiv sinken und warf seinem Bootsmann einen Seitenblick zu. „Ja. Wir verhandeln. Gebt ihm zu verstehen, daß wir zu Verhandlungen bereit sind. Ich will wissen, was er von uns will.“ Kurze Zeit später wußte er es. „Eine Unterredung zwischen beiden Kapitänen“, las der Seewolf aus den Signalflaggen, die in den Toppen des eigentümlichen Zweimasters flatterten. „Der Tiger will mich sehen, befindet sich aber an anderer Stelle.“
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„Wir begleiten dich“, sagte Ben Brighton. Hasard schüttelte den Kopf. „Der Tiger erwartet mich allein, ohne Schutzengel. Den Gefallen tue ich ihm.“ „Hasard!“ rief Dan O’Flynn. „Du gehst freiwillig in Teufels Küche. Der Malaie wird sich freuen, dir den Hals umdrehen zu können.“ „Das tut er nicht.“ „Wer garantiert dafür?“ „Keiner, aber ich halte ihn für fair.“ „Was, zum Teufel, will der Kerl von dir?“ fragte Big Old Shane. „Das erfahren wir bald“, sagte Hasard lächelnd. „Männer, fiert ein Boot ab, ich setze zu dem Praho über. Und noch etwas. Ihr wartet hier, bis ich zurück bin. Ihr rührt euch nicht vom Fleck, es sei denn, ihr hört Schüsse fallen. Mister Brighton, das ist ein Befehl.“ „Aye, aye, Sir“, sagte Ben widerwillig. * Nördlich der Insel Rempang fand das denkwürdige Treffen statt. Hasard durfte sich an Bord des zweimastigen Prahos frei bewegen. Er stand auf dem Vordeck und hielt die Arme vor der Brust verschränkt, als sie hoch am Wind auf den Verband des Tigers von Malakka zurauschten. Die „Isabella VIII.“ und auch das Beiboot, auf dem Hasard übergesetzt hatte, waren ein paar Meilen achteraus zurückgeblieben. Jetzt schob sich die Inselküste zwischen beide Parteien, so daß der Seewolf sein Schiff nicht mehr sehen konnte. Elf Schiffe warteten. Nur drei waren kleiner als der Zweimaster, auf dem Hasard fuhr, und sie führten nur jeweils einen Mast. Die anderen überragten das Schiff der Unterhändler um einiges. Der größte Segler schließlich hob sich hervor wie ein Schwan in einer Entenkolonie. Er war ein Dreimaster, dessen Segelfläche der Seewolf angesichts der langen Gaffelruten als sehr groß einschätzte, obwohl die Segel aufgegeit waren. Der Dreimaster führte keine Ausleger, und ihm fehlte auch die einfache Hütte mittschiffs, die die Malaien Attap zu
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nennen pflegten. Stattdessen hatte er eine niedrige Poop und ein Vorkastell wie die Galeonen und Karavellen. Der Zweimaster ging bei dem Dreimaster längsseits, und wenig später konnte der Seewolf auf das größere Schiff überentern. Auf der Kuhl erkannte er einige der Malaien, Bataks und Atjehs wieder, die zu der Begleiterschar des Tigers zählten. Auch die Gesichter der einfacher, weniger bunt und abenteuerlich gekleideten Männer und Frauen vor der Back waren ihm nicht neu - Eingeborene des von den Spaniern überfallenen Dorfes. Auf dem Achterdeck schließlich erwarteten der Tiger, Otonedju und die Tochter des Stammesältesten den Seewolf. Beim Voranschreiten fragte Hasard sich unwillkürlich, wie Otonedju eine so junge Tochter haben konnte. Aber dann führte er sich vor Augen, daß bei manchen Inselvölkern die Polygamie vorherrschte und daß der alte Mann durchaus eine viel jüngere Frau geehelicht haben konnte. Hasard betrat das Achterdeck. Der Tiger, das sah er sofort, hatte noch immer seine doppelläufige sächsische Reiterpistole im Leibgurt stecken. „Ich grüße dich, Seewolf“, sagte der Tiger. Hasard blieb stehen und lächelte knapp. „So treffen wir also doch noch zusammen. Wo liegt dein Versteck? Auf einer der nördlichen Nachbarinseln von Rempang? Du brauchst es mir nicht zu verraten. Ich nehme aber an, deine Späher haben meine Galeone entdeckt, und daraufhin hast du beschlossen, dich, wenn schon, auf offener See mit mir zu treffen.“ Wider Erwarten blieb der Tiger gelassen. „Das ist im Prinzip richtig“, erwiderte er in seinem nahezu akzentfreien Spanisch. „Natürlich kann ich dich nicht in meinem Schlupfwinkel empfangen, damit hätte ich dir meinen geheimen Aufenthaltsort verraten, bevor ich dich genau geprüft habe.“ „Ah! Und was gibt mir die Ehre, von dir empfangen zu werden?“ „Du hast uns gesucht.“ „Ja, denn ich will nicht auf mir sitzen lassen, was du mir vorwirfst. Der Überfall
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der vier Spanier auf der Insel war nicht fingiert. Sie waren die letzten Versprengten ihres Haufens, und wir haben zäh mit ihnen ringen und fechten müssen, bis ...“ „Das Mädchen Yaira hat gesehen, wie zwei dieser Kerle gefallen sind“, erwiderte der Tiger. Er legte der Häuptlingstochter die Hand auf die Schulter, und Yaira wurde sichtlich verlegen. „Sie hat es mir gesagt, als wir schon auf den Schiffen waren. Ich habe daraufhin über dich nachgedacht, Seewolf - und gewartet. Ich wußte, daß du auftauchen würdest.“ „Gib mir meine Waffe zurück.“ „Erst wenn ich völlig von deiner Ehrlichkeit überzeugt bin.“ „Was muß ich denn noch tun, um dein Vertrauen zu gewinnen?“ „Ich werte es hoch, daß du allein erschienen bist“, sagte der Tiger von Malakka. „Aber versuche, mich zu verstehen. Ich bin oft hintergangen worden. Meine eigenen Landsleute haben mich verraten, verkauft, geschlagen, den Spaniern überantwortet. Siabu, der Batak, war einer von ihnen. Er gab dem Kommandanten des Verbandes den Hinweis, ich könnte auf Otonedjus Insel Zuflucht gesucht haben.“ Hasard beobachtete ihn unentwegt, keine Regung im Gesicht des Piratenführers entging ihm. „Das begreife ich durchaus. Mir ist es in meiner Heimat ähnlich ergangen -England übrigens, nicht Spanien.“ „Ich hasse die Spanier, was ich von den Engländern halten soll, weiß ich nicht.“ „Wie kann ich dir die Gelegenheit dazu geben, mehr über unsere Zielsetzung zu erfahren?“ fragte Hasard. Die Züge des Tigers verhärteten sich. „Du gibst vor, unser Freund zu sein. Das mußt du unter Beweis stellen. Wenn dein Herz wirklich für uns schlägt, gehst du allein auf die Insel zurück - Rempang. Kein Mann hat bisher seinen Fuß auf dieses Stück Land gesetzt, ohne dem Tiger zu begegnen. Ich spreche jetzt von Bulbas, dem grausamen Einzelgänger und Amokläufer.“
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„Hast du die Explosion gehört? Wir haben ihn durch eine Pulverladung verscheuchen müssen.“ „Der Amokläufer wird dich deswegen hassen. Noch einmal läßt er dich nicht entwischen.“ Amok - dieses Wort stammte aus dem Malaiischen und bedeutete soviel wie „Raserei“. Diese und einige andere Vokabeln hatte der Seewolf während seiner Fahrten zwischen dem Reich der Mitte und den vielen Inseln dieses Erdteils erlernt, es waren aber nicht viele. „Nicht alle Tiger hassen die Menschen“, entgegnete Hasard. „Bulbas wurde vor einigen Jahren von Spaniern angeschossen.“ „Du auch?“ „Suche nicht nach der Gleichheit der Begebenheiten, es lohnt sich nicht“, erwiderte der schwarzbärtige Mann, und seine Miene wurde noch finsterer. „Hör mir nur zu. Die Spanier betreten Rempang nicht mehr, sie haben Angst und wissen dem Tiger nicht beizukommen. Meine Männer und ich, wir haben Bulbas’ Reich bisher auch gemieden, weil wir den Tiger als unser Kampfsymbol achten und verehren. Doch vorletzte Nacht hat sich etwas Unvorhergesehenes ergeben, wie ich leider erst heute mittag erfahren habe.“ Er klatschte in die Hände. Die Decksleute entließen daraufhin einen hageren Mann aus ihren Reihen, den Hasard zuvor noch nicht gesehen hatte. Etwas geduckt enterte dieser Malaie das Achterdeck. Hasard hob die Augenbrauen, als er die kaum verheilten Wunden auf seinem nackten Oberkörper sah. „Ein kleiner Stamm wie der von Otonedju wurde vor zwei Tagen von einer Insel vertrieben - von den Spaniern“, erklärte der Tiger. „Das Gros der Männer, Frauen und Kinder floh mit Auslegerbooten. Unwissend der Tatsache, daß Bulbas auf Rempang haust, landeten sie auf der Insel. Sie wollten sich eine neue Existenz aufbauen. Bulbas hielt grausige Mahlzeit. Dieser Mann entkam schwimmend ins Meer, wir fischten ihn auf.“ Hasard sah wieder auf den mageren
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Malaien, der ein paar Worte ausstieß und unverständliche Gesten beschrieb. „Seine Brüder und Schwestern sind nicht alle gerissen worden“, erläuterte der Tiger von Malakka ernst. „Rund zwei Dutzend sind nach seiner Darstellung in die Berge geflüchtet und haben vielleicht irgendwo in -Erdlöchern Unterschlupf gefunden. Bulbas umschleicht sie und wird auch sie aufstöbern. Du und deine Männer habt ihn gestört, aber jetzt nimmt er die Jagd wieder auf.“ „Und du willst, daß ich eine Mutprobe ablege?“ „Wenn du ein aufrichtiger Freund der Malaien bist, kehrst du auf die Pulau Rempang zurück und hilfst den wehrlosen Menschen aus der Klemme. Allein.“ „Ist es das, was du plantest?“ „Ja. Deswegen sind Wir hier.“ Hasard blickte zu Otonedju und Yaira. Sie verstanden kein Wort Spanisch, aber der Inhalt dessen, was der Tiger von Malakka gesagt hatte, war ihnen bewußt. Ihre Gesichter waren von tiefem Ernst gezeichnet. „Ich versuche es“, sagte der Seewolf. „Aber ich werde alles tun, um Bulbas nicht zu töten.“ * Vor Anbruch der Dunkelheit kehrte Hasard mit einer Jolle in den schmalen Flußlauf der Insel zurück -allein. Der Verband von zwölf Piratenschiffen hatte sich zur „Isabella“ gesellt, unter dem heiligen Versprechen des Tigers von Malakka, sich völlig neutral und friedfertig zu verhalten. Hasard glaubte fest daran, sich auf das Wort des Tigers verlassen zu können. Und nun zu dir, Bulbas, dachte er, währender mit dem Boot an derselben Stelle landete wie wenige Stunden zuvor. Der Tiger war unendlich gerissen, das hatte der malaiische Freibeuter dem Seewolf versichert, das hatte Hasard auch schon selbst festgestellt. Statt ihn, Carberry und die vier anderen anzugreifen, hatte er sich an Jeff Bowie herangepirscht, um diesen als ersten zu
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zerfetzen. Und was die völlig verstörten und zutiefst eingeschüchterten Eingeborenen betraf, die irgendwo im Inselinnern hockten, so hatte er ihnen nicht nur die Boote zerstört, er schnitt ihnen auch fortwährend jeden Fluchtweg ab. Dies alles tat Bulbas, der Amokläufer, aus abgrundtiefem Haß gegen die Menschen. Würde er sich nie ändern? Es gab keine Hoffnung, aber Hasard widerstrebte es dennoch, ihn zur Strecke zu bringen. Zum Teufel mit der Überheblichkeit, dachte er, wie leicht kann er dich erledigen! Hatten die auf der Insel Eingeschlossenen das Erscheinen der Schiffe verfolgen können? Hofften sie auf Rettung? Zumindest hatten sie das Detonieren der Höllenflasche vernommen. Würden die Krieger sich vorwagen, bis zum Südufer hinunter, um auf sich aufmerksam zu machen und um Rettung zu flehen? Bulbas lauerte ihnen auf. Diese Erwägung trieb den Seewolf voran. Nicht weit von seinem Landeplatz entfernt hörte er auf, mit dem Cutlass auf das Dickicht einzuhauen. Er hatte seinen Pfad weit genug getrieben und suchte sich einen mächtigen Baum aus, den er hochklimmen konnte. Der Flußlauf befand sich unweit des Baumriesen. Er hatte sich an dieser Stelle zu einem verhalten dahingurgelnden Bach verengt. Das Gewässer nahm einen wesentlichen Teil in Hasards Planung ein. Bevor er den Baum erkletterte, löste er die Taurollen, die er sich über eine Schulter geschlungen hatte. Zu beiden Seiten des Baches legte er Schlingen, die er sorgfältig knotete und nach einem ausgeklügelten System oben mit den tiefsten Baumästen verband. Nachdem er sie getarnt hatte, daß sie wie Lianen anmuteten, setzte er mit einem Sprung wieder auf das andere Bachufer zurück und kletterte in den Baum hinauf. Die ganze Zeit über hatte er höllisch aufgepaßt, nicht von dem vierbeinigen Mörder überrascht zu werden. Aber Bulbas zeigte sich nicht. Hatte er den Feind noch nicht bemerkt? Hasard gab sich keinen
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Illusionen hin. Bulbas hatte seine Landung verfolgt, aus irgendeinem Versteck heraus. Er wußte, wohin sich der Feind gewandt hatte und wartete nur noch den günstigsten Zeitpunkt ab, um über ihn herzufallen, ohne eine donnernde Flasche zwischen die Läufe zu erhalten. Die Nacht also. Hasard kniete auf einer Gabelung, die genügend Platz bot, um es Stunden, vielleicht die ganze Nacht, auf dem luftigen Posten auszuhalten. Zwei Waffen hatte er mitgenommen: den RadschloßDrehling und Batutis Pfeil und Bogen. Die Pfeile im Köcher waren in einer intensiven Zusammenarbeit des Kutschers und des Gambia-Mannes mit einer Substanz versehen worden, die sich beim Eindringen in den Körper eines Opfers sofort ausbreitete und in den Blutkreislauf floß. Hasard vertraute auf dieses Wundermittel. Die Nacht tauchte die Insel Rempang nahezu übergangslos in Finsternis. Die Umgebung des Seewolfs erwachte zu allerlei Aktivitäten. Zikaden zirpten, Frösche quakten, Nachtvögel stimmten ihr Konzert an, große Insekten summten vorbei. Es riß nicht ab. Einmal vernahm Hasard ein Grollen wie aus weiter Ferne. Bulbas hatte sein Nahen angekündigt. Er würde sich nicht wieder melden. Hasard packte den Radschloß-Drehling unwillkürlich fester. Sechs Schuß steckten in der Trommel, aber würden sie reichen, wenn der Tiger ihn überlistete? An den Bogen und die Pfeile war in jenem Fall überhaupt nicht mehr zu denken. Hasard fragte sich, ob er nicht zu leichtsinnig gehandelt hatte, als er es abgelehnt hatte, auch Höllenflaschen aus der Werkstatt Ferris Tickers mitzunehmen. War das nicht wieder zu großes Selbstvertrauen gewesen? Im äußersten Notfall hatte er keine Chance, sich den Mörder fernzuhalten. Sechs Schüsse konnten genug sein, um Bulbas zu fällen, oder aber der Tiger verdaute sie, ohne ernsthaft in seinen Bewegungen behindert zu werden. Es kam aufs richtige Zielen an.
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Aber im Dunkeln ließ es sich schlecht zielen. Ein feines Knacken im dichten Unterholz und Hasard wußte, daß der Tiger zur Stelle war. Sehen konnte er ihn immer noch nicht. Wäre es nicht vorteilhaft gewesen, chinesischen Schnee von der „Isabella“ mitzubringen? Oder vielleicht einen Brandsatz? Hasard hätte die Umgebung in gleißendes Licht tauchen können, Bulbas wäre geblendet und verwirrt gewesen. Das war es eben. Auch hier galt das Gebot der Fairneß. Bei allem Selbsterhaltungstrieb wollte der Seewolf dem Todfeind eine reelle Chance lassen, sich gegen ihn zu behaupten. Bulbas zeigte sich völlig überraschend. Sein Grollen flog auf den Baum zu. Hasard sah den mächtigen Leib, schwarz, braun und weiß gestreift. Bulbas mußte einen Nachbarbaum erklommen haben, nur so hatte er den Schlingen entgehen können. Auf allen vieren landete er auf dem Ast, der von Hasards Gabel fortstrebte. Der Ast schwang bedenklich auf und ab, Hasard verlor fast den Halt. Er kämpfte um sein Gleichgewicht. Bulbas fauchte, brüllte und glitt auf ihn zu. Er war ein zähnefletschender, krallenbewehrter Kämpfer, der auch dem hartgesottensten Mann das Fürchten beibrachte. Schießen? Hasard besann sich auf seinen Plan. Er wich ein Stück zurück und ließ sich dann aus der Gabel zu Boden fallen. Gleichzeitig griff er nach dem Bogen und ließ den Radschloß-Drehling am Lederriemen herabbaumeln. Er landete, fing den Aufprall in den Kniekehlen ab und zog einen Pfeil aus dem Köcher. Warum, dachte er, warum hast du das nicht eher getan? Bulbas war grollend über ihm und schickte sich an, herabzuspringen und ihn unter seinem Gewicht, seinen scharfen Krallen zu begraben. Hasard bewegte sich rückwärts und mußte aufpassen, nicht in die Schlinge zu geraten. Er legte den Pfeil auf die Bogensehne, spannte und schoß - der Pfeil zischte über Bulbas weg.
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Der Tiger brüllte auf, Haß loderte in seinen gelben Lichtern. Er duckte sich sprungbereit. Hasard taxierte die Distanzen, drehte sich halb und sprang über den Bachlauf. Bulbas sank aus dem Baum aufs Ufer, sein Aufsetzen geschah nahezu lautlos. Er schob sich auf den Menschen zu, flach, die Muskeln gespannt. Dann spürte er die Nähe des Wassers und verhielt. Hasard hatte einen zweiten Pfeil aufgelegt und ließ ihn schwirren. Die Spitze bohrte sich in Bulbas’ Schulterfleisch und hatte genug Schwung und Druck, sein Fell zu durchdringen. Grausig klang das Brüllen des Tieres in Hasards Ohren. Bulbas flog über den Bachlauf, und nur ein gewaltiger Sprung zurück ins Dickicht rettete den Seewolf. Er fiel, rappelte sich wieder auf und nahm mit fliegenden Fingern einen dritten Pfeil. Bulbas, der Mörder, der Amokläufer, schlich auf ihn zu. Dann aber verfing er sich in der Schlinge. Hasard nutzte seine Verwirrung, um den dritten Pfeil in seinen Hals zu schießen. Im nächsten Augenblick mußte er wieder ausweichen und zurückspringen, denn der Tiger wollte sich blind vor Zorn auf ihn werfen. Eine Wurzel stoppte Hasard. Er strauchelte und fiel auf den Rücken. Der heiße, beißende Atem der Bestie war vor ihm. Eine Pranke raste auf ihn nieder und traf seine rechte Schulter. Siedender Schmerz durchzuckte den Körper des Seewolfs. Es ist aus, dachte er, diesmal ist es wirklich aus. Aber Bulbas konnte nicht mehr weiter. Die Schlinge hatte sich zusammengezogen und hielt seine Hinterläufe fest. Zwei Pfeile steckten in ihm, das Betäubungsmittel wirkte jetzt. Lasch setzte er seine Pranke auf den Boden und ließ ein langgezogenes Stöhnen ertönen. Dann sank er auf die Seite. Seine Läufe regten sich noch träge, aber dann hörte auch das auf. Hasard blutete, war zerschunden und mit Schmutz besudelt. Aber die Verzweiflung glitt von ihm ab. Er sprang auf und stieß
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den alten Kampf- und Siegesschrei der Seewölfe aus.
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„Arwenack! Ho, Ar-we-nack!“
ENDE