Forschung zur Bibel Band 28
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Forschung zur Bibel Band 28
herausgegeben von Rudolf Schnackenburg Josef Schreiner in den Verlagen Echter und Katholisches Bibelwerk
Rudolf Hoppe
Der theologische Hintergrund des Jakobusbriefes
Echter Verlag
@
1977
Echter Verlag
Gesamtherstellung: Echter Verlag Fränkische Gesellschaftsdruckerei Würzburg Umschlag: Christoph Albrecht ISBN
3 429 00517 5
Meinen
Eltern
VORWORT
Die vorliegende Arbeit wurde im WS 1975/76 von der theologischen Fakultät der Universität Freiburg als Dissertation angenommen. Für den Druck wurde sie leicht überarbeitet und durch einige mir wichtig scheinende Gesichtspunkte ergänzt. Vor allem wurde die 3. ergänzte Auflage des Kommentars zum Jakobusbrief von F. Mußner (HthK XIII, 1) Freiburg 1975 eingearbeitet. An dieser Stelle danke ich in besonderer Weise meinem hochgeschätzten Lehrer, Herrn Prof. Dr. A . Vögtle, der die Untersuchung nach Kräften gefördert und mit seinem Rat begleitet hat. Zu danken habe ich auch Herrn Prof. Dr. A . Deissler, für die Anfertigung des Korreferates und einige alttestamentliche Hinweise, die ich in die vorliegende Fassung noch einarbeiten konnte. Auch dem Gespräch mit Herrn Dr. F. J. Helfmeyer, Köln, verdanke ich wertvolle alttestamentliche Ge sichtspunkte. Besonders möchte ich an dieser Stelle auch Herrn Prof. Dr. W. Grundmann, Eisenach, danken; mit ihm konnte ich einen der Sache äußerst dienlichen brief lichen Gedankenaustausch führen. Dem Erzbistum Köln danke ich für die Ge währung eines Zuschusses für die Druckkosten; erwähnen möchte ich hier beson ders Herrn Weihbischof Dr. Hubert Luthe, der sich sehr um die Veröffentlichung der Arbeit bemüht hat. Herr Prof. Dr. Rudolf Schnackenburg und Herr Prof. Dr. Josef Schreiner haben die Untersuchung freundlicherweise in die Reihe der fzb aufgenommen. Ihnen bin ich zu besonderem Dank verpflichtet. Schließlich sei meinen Eltern herzlich gedankt für die unermüdliche Hilfe, mit der sie die Zeit meines Studiums begleitet haben.
Köln, im September 1976
Rudolf Hoppe
INHALTSVERZEICHNIS Vorwort Inhalt Einleitung:
S
A
t
1
Die Weisheit im Jakobusbrief
18
Vollkommenheit und Weisheit als ethisches Ziel
18
I.
Analyse
18
II.
Der theologische Leitgedanke der Spruchreihe 1. Jak l,2f. - Ein traditionelles Motiv 2. Literarischer Vergleich von Jak l,2f mit Rom 5,3-5 und IPetr l,6f. a) Die Anfechtungen (Jak 1,2 / IPetr 1,6: iieipaonoi irouciXot; Rom 5,3: 0Xii/>ets ) b) Die Erprobung des Glaubens (Jak 1,3; IPetr 1,7; Rom 5,4)
18 18
c)
3.
b) 4.
Die
VITOHOPTI
(Jak
1,3;
Rom
20 20 23
5,3)
24
Die Vollkommenheitsforderung (Jak 1,4) a)
26
reXeioc in der biblischen und außerbiblischen jüdischen Tradition reXeitK in der stoischen Ethik
27 29
Die Bindung der Vollkommenheit an die Weisheit (Jak 1,5) a)
b)
B
i
Der literarische Charakter des Jakobusbriefes und seine Form
1. Teil:
e
32
Die Entfaltung der frühjüdischen Weisheit in ihren Hauptvertretern
33
a) ß)
33 37
Jesus Sirach Sapientia Salomonis
Die Aufnahme der Weisheitstradition in Jak
l,5ff
39
5.
Eine eschatologische Verheißung (Jak 1,12)
40
6.
Ergebnis
43
Das Wesen der Weisheit (Jak 3,13-18)
44
I.
44
IL
Analyse 1.
Der Aufbau von Jak 3,13-18
44
2.
Jak 3,13-18 und der Kontext
44
Der theologische Leitgedanke von Jak 3,13-18 1.
45
Die mit der Fragestellung 3,13 gegebenen Voraussetzungen
45
a)
45
ao0(k Kai eiuoTrmwv
b)
iriOTH;
c)
npavTris
und
oo0V€V€T€ festhält. M u ß n e r bestreitet auch den hier vorgeschlagenen und im wesentlichen Dibelius, Jak 261 folgenden formalen A u f b a u wegen des s.E. im 3. Glied fehlenden Kai; ist die Lesart o h n e Kai auch gut bezeugt, so kann man d o c h nicht voraussetzen, daß die von Dibelius genannten u n d sicher auch beachtenswerten Z e u g e n Kai nur mit d e m Bestreben setzen, „ d a d u r c h ein klares Viererschema zu erreichen" ( M u ß n e r , Jak 179).
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10
Vgl. A . 2 . Diese M e i n u n g vertritt Spitta, Jak
179.
V.5 unterstützt mit einem Zitat die vorgetragenen Anklagen. Dieses stammt aus einer uns unbekannten Schrift, jedenfalls ist es in den kanonischen und außerkanonischen Büchern nicht bezeugt; ähnlich finden sich Zitate aus unbekannten Schriften auch I K o r 2,9; Eph 5,14, vgl. auch Joh 7,38. Das Wort soll die Hörer darauf hinweisen, daß Gott nach dem guten Geist (d.h. hier dem Herz), den er den Menschen gegeben hat, Verlangen trägt und daher keine Freundschaft mit der Welt duldet . 1
Mit V.6 soll der Übergang geschaffen werden von den anklagenden Drohungen des Autors zu dem mehr paränetischen Charakter der Mahnungen Vv.7ff. V.6a geht als Übergang zu dem Zitat V.6b wohl auf den Autor selbst zurück. Dieses Zitat, vgl. Prov 3,34 ( L X X ) ; IPetr 5,9, stellt die theologische Grundlage für die folgenden Mah nungen V v . 7 - 1 0 dar. Hier folgt der Autor wohl einer paränetischen Tradition, die auch IPetr 5,5-9 vorliegt , vgl. auch lKlem 30,2; Ign Eph 5,3. Freilich scheint V.9 inhaltlich und formgeschichtlich aus dieser Schema tischen Tradi tion herauszufallen ; denn ursprünglich gehört dieser Spruch wohl nicht zu der vermu teten Überlieferung. Im Gegensatz nämlich zu den verheißenden Mahnungen Vv.7.8a.l0 herrscht hier der Ton der Anklage und Strafe wieder vor; es geht auch nicht mehr so sehr um das „ W i e " eines rechten Verhältnisses zu Gott, sondern Inhalt dieses Droh wortes ist die Gerichtsankündigung, die der Verf. nun mit Hilfe des überlieferten Kon textes in den Dienst seiner Bußpredigt stellt. Demnach werden wir mit einer paräneti schen Tradition rechnen dürfen, die ursprünglich aus Vv.7.8a.l0 bestand und in die Vv.8b.9 vom Verf. eingefügt wurden, wobei V.9 ein ursprünglich selbständiges Droh wort darstellt, das mit der prophetischen Anklage 5,1 zu vergleichen ist, wie auch die enge terminologische Berührung nahelegt. 2
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A n d e r s analysiert J.Michl, D e r Spruch Jakobusbrief 4,5; in: Neutestamentliche Aufsätze ( F S für J. Schmid z u m 70. G e b . ) Regensburg 1963, 1 6 7 - 1 7 4 den Spruch. Er übersetzt: „Neidisch ver langt der Geist, den er in uns w o h n e n ließ" ( 1 6 8 . 1 7 0 ; vgl. auch Michl, D i e Katholischen Briefe, Regensburg 2 . A u f l . 1968, 5 1 . 5 3 ) . Die bei dieser Übersetzung entstehende Schwierigkeit, für eTUTTodei ein anderes Subjekt, nämlich TÖ nvevßa, annehmen zu müssen als für KCLTtOKioev, nämlich G o t t , hält er nicht für ernsthaft seiner Auslegung entgegenstehend. Unsere v o r g e n o m m e ne u n d von zahlreichen A u t o r e n vertretene Auffassung (vgl. die von Michl, D e r Spruch 169 ange führten A u t o r e n ) bezweifelt er w e g e n der s.E. dann k a u m lösbaren Schwierigkeit, die W e n d u n g irpös (frdövov zu erklären, da man G o t t nicht zutrauen k ö n n e , „ d a ß er neidisch nach dem Geiste des Menschen verlange" ( 1 7 0 ) . Dies ist aber weitgehend ein psychologischer E i n w a n d . I m merhin wird m a n doch nicht übersehen k ö n n e n , daß das Subjekt v o n KCLTÜKioev auch das S u b jekt von eiriirodei sein m u ß , jedenfalls müßte ein Subjekt Wechsel in dem kurzen Spruch einiger maßen plausibel gemacht w e r d e n können. U n d w e n n man beachtet, daß das A T z w a r nie v o m N e i d Gottes spricht, w o h l aber oft von seiner Eifersucht, so wird man für unseren Spruch d o c h das vorgeschlagene Verständnis beanspruchen dürfen; es wird vielleicht an unserer Stelle im Z u sammenhang mit der A n r e d e ßOixaXiS ec besonders verständlich. Literarische Abhängigkeit kann w i e bei anderen gemeinsamen Traditionen (vgl. diese A r b e i t S. 2 A . 1) auch hier nicht a n g e n o m m e n w e r d e n . H a u c k , Jak 201 A . 8 2 sieht nur „ein paar dürftige A n z e i c h e n " für eine gemeinsame paränetische Spruchsammlung, doch sind die Gemeinsamkeiten kaum zu übersehen: beide Schriften kennen unser Zitat aus Prov. 3,34 ( L X X ) und mahnen, sich vor G o t t zu demütigen u n d dem S i d ß o X o c zu widerstehen, u m so erhöht zu w e r d e n . Deutlich ist der stereotype zweigliedrige A u f b a u der Mahnungen: es wird jeweils eine M a h n u n g z u m Verhalten des Menschen ausgesprochen u n d dann das entsprechende Handeln Gottes am Menschen verheißen ( V v . 7 . 8 . 1 0 ) ; eine A u s n a h m e macht hier V . 8 b ; vielleicht ist dieser Vers, der seinerseits seine N ä h e zur Tradition hat, v o m Verf. in den vorgegebenen Z u s a m m e n h a n g einge fügt w o r d e n ; ein unterstützender Hinweis auf diese V e r m u t u n g ist auch, daß die V . 8 b und V . 9 sich findenden Motive z w a r weitgehend der Tradition entstammen, aber in dem erwähnten Z u sammenhang IPetr 5 , 5 - 9 fehlen. V g l . noch L k 6 , 2 1 - 2 5 . yeXacj / 7 e X c o e k o m m t vielleicht nicht zufällig nur L k 6,21.25 u n d Jak 4,9 vor.
11
V v . l l f . sind durch die erneute Anrede ä8e\<j>oi vom Kontext zwar abgehoben, aber den paränetischen Imperativen zuzurechnen; auch sachlich sind die beiden Mahnungen sinnvoll mit dem vorhergehenden Kontext verbunden. Ursprünglich dürfte dieser Ab schluß nicht zu der erwähnten paränetischen Tradition gehört haben. Die Motive die ser kleinen Einheit sind zahlreich in der jüdischen und christlichen Paränese . Mit den beiden auf das Gericht blickenden eschatologischen Versen werden die in dem Ab schnitt zusammengestellten Mahnungen abgeschlossen. 1
Nach dieser Charakterisierung läßt sich sagen: Jak 4,1 — 12 und Jak 3,13-18 können aufgrund ihrer unterschiedlichen Struktur nicht als eine Spruchgruppe zusammenge faßt werden, wie das etwa M. Dibelius durchfuhrt ; denn eindeutig herrscht in 4,1—12 wieder die Form der Spruchparänese vor: traditionelle Anklagen, wobei das Eingangsthema, Streit und Kämpfe unter den Christen, nicht der Gegenstand der gan zen Abhandlung sind, und überlieferte Mahnungen sind jeweils zusammengeordnet und durch den redaktionellen V.6a miteinander verbunden. War 3,13-18 ähnlich wie 2,14—26 durch und durch von der Hand des Autors in polemischer Auseinanderset zung mit gegnerischen Parolen geprägt, so unterscheidet sich 4,1 — 12 doch grundsätz lich von jenen lehrhaften Ausführungen, wenn der Gedanke auch sachlich weiterge führt wird. Doch haben die in 4,1 — 12 gesammelten Mahnungen allgemeinen Charak ter, d.h. sie sind „für alle Fälle" gedacht und durchweg aus sich heraus verständlich. 2
8.
Jak 4,13—17: Wider das selbstsichere Plänemachen
In der Form prophetischer Anklage setzt der Autor mit einer neuen Thematik ein. Ein Zusammenhang mit dem vorigen Abschnitt ist nicht zu erkennen , auch in Form und Durchführung sind die beiden Einheiten unterschiedlich. Der auch in der synop tischen Tradition bekannte thematische Gegenstand, vgl. Lk 12,26-30, wird in Form einer Frage eingeführt (V.13) und im folgenden V . l 4 mit einer These des Verf. be antwortet. In V . l 5 folgt eine Mahnung, menschliche Pläne nur auf Gott zu bauen; jedes menschliche Rühmen aber sei schlecht (V.16). V . l 7 schließt sich ein ursprüng lich selbständiger Spruch an, den der Autor mit den Vv.13—16 verbindet, um so den Abschnitt eschatologisch abzuschließen. 3
Gegenüber 4,1-12 zeigt sich 4,13-17 als eine geschlossene Einheit; gleichwohl ist unsere Mahnung unverkennbar von der Tradition des Frühjudentums gefärbt, und auch in der hellenistischen Popularphilosophie findet sich ähnliches Gedankengut . Bei aller gedanklichen Geschlossenheit und Einheitlichkeit kommt dem Abschnitt je doch nicht die theologische Bedeutung von Jak 2,14-26 oder 3,13-18 zu. 4
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V g l . die vielfältigen Belege bei Dibelius, Jak 272 f. Jak 249. M a n k a n n hier allenfalls eine Gedankenassoziation geltend machen, insofern die 0tXta TOV KÖOßOV sicher auch das selbstsichere Plänemachen hervorbringt; auch knüpft die Aussage unseres A u t o r s über das L e b e n möglicherweise an die abschließende Frage V . 1 2 an, w a s denn eigentlich der Mensch sei. l H e n 97,9f. wird den Reichen in den M u n d gelegt: „Jetzt wollen w i r ausführen, was wir vorhaben, denn S ü b e r h a b e n w i r gesammelt u n d unsere Kornhäuser gefüllt..."; darauf entgegnet der A p o k a l y p tiker: „ W i e Wasser soll eure Lüge zerrinnen; denn euer Reichtum wird euch nicht bleiben, sondern plötzhch von euch hinwegfahren" ( Ü b e r s e t z u n g nach Kautzsch). Sap 2 , 1 - 5 machen die „ G o t t l o s e n solch vergängliches Daseinsverständnis zur Grundlage ihres Handelns; vgl. auch Ps 36,20 ( L X X ) ; 67,3 ( L X X ) ; Prov 10,26; Sap 5,14; 4Esr 4,24; l Q M y s t 1,6; 1 Q M 15,10; vgl. für die Popularphiloso phie auch Sen E p 101,4.
12
9.
Jak 5,1—6: Wehe über die unsozialen Reichen 1
2
Zwischen Jak 4,13—17 und 5,1—6 besteht ein formaler und sachlicher Zusammenhang, der auch in der paränetischen Tradition vorgegeben ist; das geht aus dem S.12 A.4 erwähnten Zusammenhang hervor, w o ausdrücklich Reiche angesprochen sind, die ihre Schätze aufgehäuft haben, vgl. lHen 97,8ff. In der Form der prophetischen Anklage wird das Unheil angesagt und zum Weinen und Klagen aufgefordert angesichts des bevorstehenden Untergangs ( V . l ) . Diese Anklage hat zahlreiche Vorbilder in der Tradition, vgl. nur lHen 94,8ff . Vv. 2.3abc führen im prophetisch-futurischen Perfekt nach traditionellen apokalyptischen Motiven die Anklage erläuternd fort, vgl. auch Sir 29,10 . V.3d ist von Vv.3abc dadurch abgehoben, daß der Verf. sich nach seinen Ausführungen über die Vergänglichkeit des Reichtums wieder an die Prasser wendet ( 2 . Pers. PL). Manche Gründe sprechen dafür, daß V.3d ursprünglich mit Vv.5f. als eine Anklagerede verbunden war und dieser Zusammenhang durch V.4 erweitert worden sei. Abgesehen von den Gründen, die Dibelius anführt und abgesehen von dem gedanklichen Zusammenhang ist der bei V.3d einsetzende Aorist (Vv.3d.5.6) gegenüber dem K p d £ e i V.4 bemerkenswert . V.4 ist seinerseits ganz traditionell gefärbt, lHen 99,3; 103,14; 104,3*; Vv.5f. kehrt der Verf. zu der direkten Anklage zurück; auch die beiden Schlußverse sind ganz von der Überlieferung geprägt . 3
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Wir sehen: Jak 5,1—6 ist eine Spruchreihe in der Form prophetischer Anklage. Der Autor hat apokalyptische und weisheitliche Motive aufgenommen und zusammengestellt. Der Verf. tritt dabei selbst lediglich als Sammler und Tradent in Erscheinung.
10. Jak 5,7-20:
Allgemeine Mahnungen
Mit 5,7 geht der Autor von der apokalyptischen Drohung wieder zur Mahnung und zum tröstenden Zuspruch über; auch die Anrede äoeXQoi markiert wieder den Beginn einer neuen Einheit. Die Paränese schließt wohl an 5,1—6 an, aber von einem Zusammenhang kann man nicht eigentlich sprechen. Dafür sind die beiden Spruchreihen
1
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V g l . das aye vvv 4,13 und 5,1. In beiden Abschnitten w e n d e t sich die Kritik gegen die Reichen. D e r Unterschied besteht aber darin, daß 4,13—17 eine positive M a h n u n g zu einem christlichen Lebensentwurf ist, eine M a h n u n g also, die sich an die Christen w e n d e t , u n d 5,1—6 eine radikale Unheilsansage darstellt, die den nichtchristlichen Reichen u n d Prassern zugerufen w i r d . Bezeichnend für die N ä h e zur Tradition ist der ausschließlich in der atl. Prophetie v o r k o m m e n d e u n d im N T nur Jak 5,1 auftretende Begriff bXoXv^eiv, der sich weitgehend auf die prophetische M a h n u n g zum Wehklagen oder im Z u s a m m e n h a n g mit dem eschatologischen „ T a g des H e r r n " steht, vgl. Jes 13,6; 14,31; 15,3; 23,1.6.14; Jer 31,20; Ez 21,17; Sach 11,2; A m 8,3; vgl. auch W . Heidland, A r t . bXoXv$eip; in: T h W N T V , 174. Z u m futuristischen Perfekt vgl. B l . - D e b r . §344. V g l . auch Mt 6,19f.; L k 12,33; L k 3,11; 12,18; zu den einzelnen Motiven sind heranzuziehen Jes 30,27; 10,16f.; A m 5,6; Ez 15,7; 2 4 , 6 - 1 1 ; 1 Q H 3,29ff.; 6,18; vgl. schließlich die Weherufe l H e n 94ff. Jak 283. A u c h das 18 ov will auf einen neuen Gesichtspunkt aufmerksam machen. D a ß solche u n d ähnliche Motive im Urchristentum geläufig sind, zeigt auch Herrn ( v i s ) I I I , 9,6. Eine beträchtliche Anzahl von Belegen zeigt die V o r b ü d e r für die Vorstellung von 5,5f., vgl, Sap 2 , 1 0 - 1 2 ; l H e n 98,11; 102,9f.; vgl. auch Dibelius, Jak 285f.
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1
schon im Ton zu unterschiedlich . Innerhalb des Abschnittes 5,7-20 kann man 5 , 7 11 und 5,13-20 voneinander abheben und 5,12 als einen Einzelspruch ansehen, der unmittelbar zu den vorhergehenden und folgenden Mahnungen keinen Bezug hat. V.7a beginnt mit der für unseren Brief typischen Anrede äöeXQoi und dem damit ver bundenen Imperativ. Der Vergleich mit dem Landmann, der auf die Ernte wartet, ist als eine paränetische Erweiterung anzusehen. Inhaltlich will V.8 die Hörer zu geduldi gem Ausharren in der eschatologischen Erwartung des Herrn ermahnen. Ursprünglich dürften die Vv. 7f. zusammengehört haben und vom Verf. aufgenommen worden sein, denn V.9 führt die Mahnung zur Geduld nicht weiter, sondern führt unvermittelt das Thema des Gerichtes in die Paränese ein. Auch will die negativ gehaltene Mahnung JUT? orepäSeTe nicht recht zu dem tröstenden Zuspruch Vv.7f. passen. Sachlich nimmt der Spruch die Mahnung von 4,11 f. wieder auf. Zutreffend erklärt W. Schräge die se Zusammenstellung: „Daher scheint es so zu stehen, daß allein die eschatologische Begründung der Mahnung die Aufnahme von V.9 an dieser Stelle veranlaßt hat". Die sem paränetischen Zusammenhang hat der Autor nun im Anschluß an V.8 die Bei spielreihe Vv.lOf. angefügt. Der Verweis auf die Großen der Geschichte ist im Früh judentum verbreitet, um ihre vorbildhafte Bedeutung darzustellen, Sir 44-50; und auch für unseren Brief ist dieser Rückgriff auf die atl. Gerechten charakteristisch, vgl. 2,2lff. V.12 ist ein Einzelspruch, der keine Beziehung zu Vv.lOf. bzw. V v . l 3 f f hat. Der Hinweis auf das Gericht führt zu der Vermutung, daß V.12 möglicherweise einmal früher an V.9 angeschlossen war , beweisen läßt sich das allerdings nicht. Mit hoher Wahrscheinlichkeit geht der Spruch selbst auf ein überliefertes Herrenwort zurück, wenngleich sich auch im Judentum Warnungen vor dem unbedachten Schwö ren finden, Sir 2 3 , 9 - 1 1 ; auch die Ethik der Popularphilosophie kennt ein Eidverbot. Epikt Ench 3 3 , 5 , und schließlich nimmt auch die spätere christliche Tradition das Schwurverbot auf, Ps.-Clem. Horn I I I , 55,1. 2
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Eine neue paränetische Spruchgruppe mit Mahnungen zum Verhalten in verschiedenen Lebenslagen schließt sich Vv. 13—15 an, wobei auf dem Krankheitsfall das Hauptge wicht liegt, da er ausführlich behandelt wird. Das Lob Gottes in guter Lebenslage fin det sich häufig in der Tradition, besonders in den Psalmen , vgl. nur Ps Sal 15,4-8, und auch die vom Autor gegebene Mahnung für den Krankheitsfall entspricht jüdischer Tradition . V.l6a schließt die zusammengehörigen Vv.16—18 an V. 15 inhaltlich an. Stellt V.l6a noch den Bezug zum Krankheitsfall her (Ö7TCJC laör/re), so geht es Vv. 16b-18 nur um das Gebet. Vv.l7f. folgt mit dem Elias-Beispiel wieder ein Hinweis auf eine große Gestalt der Geschichte, das wiederum ganz der frühjüdischen Tradition entstammt, vgl. Sir 48,3; 4Esr 7,109, und auch die Zahl der dreieinhalb Jahre scheint der frühjüdischen Überlieferung entnommen zu sein. Schließlich dürfte die Schlußmah5
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M u ß n e r , Jak 199f. sieht einen sehr engen Z u s a m m e n h a n g zwischen den beiden Stücken, ja eine Einheit zwischen 5 , 1 - 6 und 5,7—11, die „vor allem durch den d r o h e n d e n Hinweis auf den ,Schlachttag\ d.h. den Gerichtstag, u n d in d e m neuen Abschnitt durch den Hinweis auf die Parusie des Herrn, die j a nach christlicher Auffassung den großen Gerichtstag bringen wird, gegeben ist". K a t h . Br. 53. V g l . auch den parallelen A u f b a u der Sprüche V . 9 und V . 1 2 : / / r ) OTevä^ere ../iva JUT/ KpiBrjre ( V . 9 ) / ßrj bnvvere . . . i'va jui? vnö Kp'vaiv neoriTe; v g l . auch Dibelius, Jak 287; Schräge, K a t h . B r . 54. A . B o n h ö f f e r , Die Ethik 72: „ A u s dem Z u s a m m e n h a n g der Stelle m u ß man ... schließen, daß er das S c h w ö r e n unter dem Gesichtspunkt des unnötigen, mit der persönlichen Würde unverträglichen Redens betrachtete". Demgegenüber ist das Eidverbot bei Jesus b z w . an unserer Stelle völlig anders motiviert. V g l . die angeführten Belege bei Mußner, Jak 218. V g l . H a u c k , Jak 233, bes. 233 A . 9 0 .
nung zur Bekehrung des Bruders kaum auf die Hand des Autors zurückgehen, wie die in der traditionellen Paränese geläufige Begrifflichkeit deutlich macht. Auch ste hen 5,19f. mit dem Kontext nicht in einem ursprünglichen Zusammenhang, sondern stellen eine eigene aus sich heraus verständliche Paränese dar. Durch die Anrede ä5eX0oi JJLOV ist die Mahnung wiederum deutlich vom Kontext abgehoben, und auch die Tatsache, daß hier offenbar im Gegensatz zu Vv. 13-18, wo Gott die Sünden vergibt, der Mensch durch sein auf den Bruder einwirkendes Handeln Sünden „zu deckt", weist auf eine selbständige Mahnung hin. Mit der Anfügung dieser Spruchein heit steht der Verf. in Einklang mit anderen ntl. Schriften, die mit Mahnungen über Irrlehrer abschließen, IKor 16,22; Gal 6,1 lff; 2Petr 3,2ff; Jud 17ff und folgt damit einem vorgeprägten formgeschichtlichen Gesetz. Zahlreiche Belege aus der frühjüdi schen Überlieferung erweisen schließlich die Traditionsgebundenheit der Schlußmah nung in ihren Einzelheiten . 1
2
Diese Analyse macht deutlich, daß der Abschnitt Jak 5,7-20 formgeschichtlich der traditionellen Spruchparänese zuzuweisen ist; der Verf. hat überlieferte Spruchgruppen zusammengeordnet und allenfalls in Überleitungen selbst eingegriffen. Der hier vorgenommene Überblick über die einzelnen Abhandlungen und Spruchrei hen des Jak läßt uns im Hinblick auf seine literarische Gattung und seine Form fol gendes Bild gewinnen: Unser Brief ist ein Zeugnis urchristlicher Paränese; alle A b schnitte der Schrift dienen mit oftmals traditionellen Motiven und Mahnungen für den Alltag der paränetischen Unterweisung der Christen. Darin ist unser Brief durch aus den paränetischen Abschnitten anderer Briefe im N T , etwa der paulinischen Schriften, vgl. Rom 12.13; Gal 5,13ff; 6; IThess 5,lff; Kol 3.4, oder Teüen der jü dischen Paränese, etwa Teilen des Tobitbuches, der Sapientia Salominis, des Buches Jesus Sirach oder der Test XII vergleichbar. Kann aber diese in der Literatur seit dem Kommentar zum Jakobusbrief von M. Dibelius immer wieder zu Recht betonte literarische Eigenart des Briefes zu dem Schluß führen, daß dem Jak eine „Theologie" oder ein prinzipieller theologischer Leitgedanke fehle? Ist der Jak tatsächlich nur eine Sammlung von Mahnungen „für alle Fälle", aus denen ein theologischer Grund gedanke nicht erkennbar werden kann? Oder ist der Jak schon deshalb keine „theo logische" Schrift, weil ihm offensichtlich eine explizite Christologie, wie sie etwa den Briefen des Paulus eigen ist, fehlt? Wir wollen versuchen, auf dem Hintergrund der vorgenommenen literarischen und formgeschichtlichen Analyse das aufgeworfene Problem anzugehen. Unser Überblick über den Brief zeigt nun ein sehr differenziertes Bild, was Form, Aufbau, Einheitlichkeit und Originalität der einzelnen Abschnitte angeht. Wir konnten einmal die Form der Spruchparänese feststellen, die zutiefst der Tradition verbunden ist und nur schwer einen Rückschluß auf den Verf. als Theologen zuläßt. Daneben findet sich in unse rer Schrift aber auch die Form der diatribenartigen Abhandlung, die einen theologi-
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V g l . Dibelius, Jak 3 0 6 - 3 0 9 ; M u ß n e r , Jak 2 3 0 - 2 3 3 . Die M a h n u n g zur Rückführung des Irrenden steht dabei im V o r d e r g r u n d ; Kürzdörfer, Charakter 105 will aus dem Schluß folgern, daß der Jak verfaßt w u r d e , weil Gemeindemitglieder „ v o n der 'Wahrheit' abirrten". U n t e r 'Wahrheit' b z w . Abirren von der 'Wahrheit' verstehe der A u t o r den Inhalt der einzelnen Paränesen. Schließlich glaubt Kürzdörfer, daß der A u t o r seinen Brief „auch aus Sorge u m sein eigenes Seelenheil verfaßt hat. Mit der A b f a s s u n g und V e r s e n d u n g seines Schreibens beginnt sein Bekehrungsvorhaben, von dem er sich erhofft, daß dadurch seine und seiner Adressaten Sünden bedeckt w e r d e n " ( 1 0 6 ) . Dieser G e d a n k e ist durch sachliche Beobachtungen nicht zu belegen.
15
sehen Sachverhalt lehrhaft in Auseinandersetzung mit gegnerischen Thesen oder Strö mungen vorträgt und darin einen theologischen Leitgedanken des Autors erkennen läßt. Beide letztlich im Dienst der Paränese stehenden literarischen Formen aber dür fen nicht scharf voneinander getrennt werden: denn so sehr die Spruchform, die sich vor allem in Kap 1 ;3,1 — 12; 4 , 1 - 1 2 ; 5 nachweisen ließ, der Tradition verbunden ist und von daher auch schon inhaltlich geprägt ist, so sehr ist doch in Auswahl und An ordnung der überlieferten Sprüche sowie besonders in der Auslegung des aufgenomme nen Gedankengutes, vgl. 1,4; 3,2; l,17bcf., die Herkunft des Autors erkennbar und wird sein theologisches Anliegen deutlich. Ist diese Beobachtung richtig, dann müssen die beiden den Brief charakterisierenden Formen, die Spruchparänese und die theolo gisch lehrhafte Auseinandersetzung auf einen einheitlichen theologischen Gesichts punkt hinweisen, von dem aus sie gesprochen sind. Es konnte nun näherhin gezeigt werden, daß der Form der lehrhaften Abhandlung Jak 2,14—26 sowie 3,13-18, aber auch 2,1—13 zugerechnet werden müssen. Bei die sen vom Autor selbständig durchdachten und durchgeführten Abschnitten ist in erster Linie mit der Frage nach dem theologischen Hintergrund einzusetzen. Daß Jak 2,14—26 innerhalb unserer Schrift besondere Bedeutung zukommt, wird be sonders von der protestantischen Exegese im Anschluß an die reformatorische Recht fertigungstheologie betont . Man wird die besondere Stellung, die diesem Abschnitt zukommt, durch die formgeschichtliche Analyse bestätigen müssen. Darüber hinaus hat sich aber gezeigt, daß Jak 3,13—18 eine nicht zu übersehende sachliche und for male Nähe zu 2,14—26 hat. Dies wird deutlich in der Eingangsfrage V.13 und setzt sich stilistisch und terminologisch durch den ganzen Abschnitt hindurch fort. Man kann daher die Auseinandersetzung um den Glauben in 2,14 ff mit der lehrhaften Abhandlung über die rechte Weisheit zusammensehen und darf 2,14—26 nicht als das „Herzstück des Briefes" ansehen und ihm theologisch alle anderen Aussagen unterord nen . Stellt 2,14—26 die Frage nach einem Glauben, der rettet, so 3,13-18 nach der Weisheit „von oben", die dem Menschen Gerechtigkeit erwirkt; dabei spielen die Werke eine wesentliche Rolle. Diese in den beiden als zentral erkannten Briefabschnit ten aufgegriffenen Fragen müssen daher Gegenstand der Untersuchung werden. Ent sprechend sind andere Aussagen des Briefes heranzuziehen. 2,1 — 13 ist zwar nicht eine lehrhafte Auseinandersetzung mit konkreten Gegnern oder Strömungen, aber doch aufgrund des systematischen Charakters in Komposition und Aufbau, vor allem aber auch wegen der christologisch-bekenntnishaften Einleitung ( V . l ) , dazu geeignet, einen Rückschluß auf den theologischen Leitgedanken des Autors erkennen zu lassen. Über die Weisheit wird neben 3,13ff noch einmal in dem größeren Zusammenhang 1,2-12, näherhin 1,5, gesprochen. l,2ff ist eine Spruchparänese, die formgeschicht lich von den geschlossenen Abschnitten 2,1-13; 2,14-26; 3,13-18 abweicht. Hier wird aufgrund der Anordnung der Tradition und der Auslegung der Überlieferung durch den Autor die Frage nach dem Theologen zu stellen sein. 1
2
1
2
Zuletzt Schräge, K a t h . B r . 29: „das Herzstück des Briefes". So Schräge (s. A . l ) ; ähnlich auch E. L o h s e , G l a u b e und W e r k e - zur Theologie des Jakobus briefes, in: ders., D i e Einheit des N e u e n Testaments - Exegetische Studien zur T h e o l o g i e des N e u e n Testaments, G ö t t i n g e n 1973, 2 8 5 - 3 0 6 . 2 9 1 .
16
Entsprechend der formgeschichtlichen und literarischen Analyse kristallisieren sich al so zwei Leitgedanken aus unserem Brief heraus, denen unsere Aufmerksamkeit bei der Frage nach dem theologischen Hintergrund zu gelten hat: die Vorstellung von der Weisheit und der Glaube im Jakobusbrief. Im Anschluß an die Erarbeitung der entsprechenden Briefabschnitte werden wir ande re ntl. Aussagen heranzuziehen haben, die uns möglicherweise den Jak theologisch und überlieferungsgeschichtlich näher bestimmen lassen. Hier führen uns eine Reihe von Aussagen in die synoptische Tradition, zur matthäischen Bergpredigt und lukanischen Feldrede sowie anderen den Evangelisten Mt und Lk gemeinsamen Überliefe rungsstoffen, die ihre gemeinsame Grundlage in jener Überlieferung haben, die wir allgemein mit Q bezeichnen. Daß zwischen unserem Brief und der Logienquelle Ge meinsamkeiten bestehen, die der Erklärung bedürfen, dürfte sich kaum noch bestrei ten lassen; man bedenke nur die gemeinsame Spruchform , die sachliche und teilwei se terminologische Nähe sowie Gemeinsamkeiten, die sich etwa vom Einfluß der frühjüdischen Weisheit her aufdrängen. Aufgabe wird es demnach sein, Art und Um fang jener Gemeinsamkeiten zu ermitteln, die ja nicht unbedingt literarischer Art sein müssen. Zu der religionsgeschichtlich-exegetischen Auslegung wird dieser Ge sichtspunkt möglicherweise einen ergänzenden Anhaltspunkt für die theologische Ein ordnung des Jak bieten können. 1
1
V g l . den K o m m e n t a r zum Jak von A . Schlatter, Stuttgart, 2. Aufl.
1956.
17
ERSTER T E I L :
DIE WEISHEIT IM JAKOBUSBRIEF
A
V O L L K O M M E N H E I T U N D WEISHEIT A L S ETHISCHES ZIEL (Jak 1,2-12)
I.
Analyse
1
Die mit Jak 1,2 einsetzende erste Mahnung des Jak reicht zunächst bis V . 8 ; der klei ne Abschnitt 1,9-11 behandelt ein anderes Thema, das aus sich heraus verständlich ist. Ein durchgehender Zusammenhang der ersten Spruchreihe ist also von V.2 bis V.8 zu beobachten, der freilich aus zwei gedanklichen Schwerpunkten besteht: Voll kommenheit und Weisheit. Die Mahnung zur Vollkommenheit durch Geduld in der Anfechtung V v . 2 - 4 ist eng verbunden mit der Mahnung zur Bitte um Weisheit Vv. 5 - 8 . insofern das ev iir\hev\ \euioixevoi V.4 auf die Weisheit hin ausgelegt wird: zur Vollkommenheit gehört notwendig die Weisheit, die Gott gibt, wenn der Mensch in unerschütterlichem Glauben um sie bittet. Mit dem Makarismus V.12 kommt der Verf. auf V.2 zurück und schließt die Mahnung eschatologisch ab.
11.
Der theologische Leitgedanke der Spruchreihe
/.
Jak 1,2f.
-
Ein traditionelles
Motiv
Wie andere Mahnschriften, so beginnt auch unser Autor seinen Brief mit einem Hauptgedanken ; die Mahnung zur Geduld in der Anfechtung ist ein für den Jak theologisch bedeutsames Motiv und wird sachlich noch einmal in der Darstellung der atl. Vorbilder Abraham und Hiob aufgenommen, 2,21 ff; 5,1 lf. 2
Die hier am Beginn der Schrift vorgetragene Mahnung, in der Anfechtung Freude zu haben, knüpft an einen auch sonst im N T wiederkehrenden Gedanken des Frühjuden tums an. Wir wollen nun zunächst diese im N T sich verschiedenartig niederschlagen de Entfaltung der traditionellen Vorstellung auf ihre gemeinsame Grundlage hin un tersuchen, um auf diesem Hintergrund der theologischen Zielsetzung unseres Autors nachzugehen. Das Motiv von der Freude im Leiden findet sich im N T : Mt 5,12 (xäprjre K a i ayaWiäode) / Lk 6,23 (xäpr/Te er etieivy TT} fjjuepa); IPetr 4,13 (xäprjre ayaKkiCoßevoi)\
IPetr
1,6 (ev OJ ä 7 a X A t ä o Ö e ) ;
Hebr
10,34 (nerä
xapfc
npooeSe^aode)
Rom 5,3 gibt in enger terminologischer Berührung mit Jak l,2f. und IPetr l,6f. das Motiv wieder: K a i Kavxtoneda ev rafc dXityeoiv}
1
2
3
Hier wird die im R a h m e n der Ausführungen über die literarische Gattung des Jak und seine F o r m vorgetragene ausführliche Analyse (vgl. S . 2 - 4 ) nur kurz zusammengefaßt. V g l . Sir 1,1; S a p 1,1. J. T h o m a s , A n f e c h t u n g und V o r f r e u d e , in: K u D 1 4 ( 1 9 6 8 ) 1 8 3 - 2 0 6 , will zu der Motivgruppe „ F r e u d e im L e i d e n " noch 2 K o r 4 , 1 6 - 1 8 hinzufügen. D o r t , w i e Mt 5,12, fehle aber nicht nur die R o m 5 , 3 - 5 ; IPetr 1 , 5 - 7 ; Jak 1 , 2 - 4 vorhandene „klimaktische Struktur", sondern „das Element der B e w ä h r u n g in der G e d u l d ist zugunsten streng antithetischer A u s f o r m u n g ausgelassen" ( 1 8 5 A . 5 c ) . 2 K o r 4 , 1 6 - 1 8 hat aber traditions- wie motivgeschichtlich nichts mit unseren Leidensaussagen zu tun; hier geht es, u m mit R, Bultmann, D e r Zweite Brief an die Korinther, Göttingen 1976, 126 zu formulieren, u m den „Zukunftscharakter d e r fcor/."
18
Sicher ist anzunehmen, daß zwischen Jak l,2f. einerseits und Rom 5,3f. bzw. IPetr 1,6f. andererseits keine literarische Beziehung vorliegt, sondern den jeweiligen Aussa gen eine gemeinsame paränetische Tradition zugrundeliegt ; unsere Frage wird daher nach den gemeinsamen Grundelementen und dem Umfang jener Überlieferung gestellt werden müssen. Folgende Motive sind in der genannten und im N T aufgenommenen Tradition schematisch ausgeprägt: a) Zuruf zum Heil, der konstitutiv mit der Verfolgungs- und Anfechtungsaussage verbunden ist; b) Aufruf zur Freude mit der Begründung und Verheißung des künftigen Lohnes . Diese an den angeführten Stellen im N T ausgeprägten Motive sind in die frühjüdischweisheitliche und apokalyptische Tradition fest eingegangen, vgl. nur Apk Bar (syr) 48,48-50; 52,6; 54,16-18; 1QS 10,17; Judith 8,25; sachliche Parallelen sind auch Sap 3,4-6; 4Makk 9,29. An eine literarische Abhängigkeit ist wohl hier schon des halb nicht zu denken, weil die Überlieferung des Grundmotivs zu unterschiedlich ist . 1
2
3
Über die Verbindung von Freude und Leiden hinaus nehmen die in unserem Brief gemeinten Anfechtungen in der Tradition einen breiten Raum ein: IMakk 2,52; 4Makk 7,21-23; Sir 2,1-6; 4,11-18; 31,8-11; 44,19; Sap 2,17-19; Test X I I Jos 2,7, vgl. 10,1; Jub 19,8, vgl. A p . Vät. Herrn (mand) 9,5-7. Insgesamt kann man
1
2
3
Dibelius, Jak 104f. hat in der Untersuchung des literarischen Charakters und Verhältnisses von Jak l,2f. zu R o m 5 , 3 - 5 ; IPetr 1,6f. eine direkte literarische Beziehung zwischen den besproche nen Texten mit überzeugenden Gründen abgelehnt, vgl. E. L o h s e , G l a u b e und Werke 298; vgl. auch E. K ä s e m a n n , A n die R ö m e r ( H N T 8 a ) ; Tübingen 1973, 125; W . N a u c k , Freude im Leiden, in: Z N W 4 6 ( 1 9 5 5 ) 6 8 - 8 0 . 7 0 . Vgl. W . N a u c k , Freude im Leiden; in: Z N W 4 6 ( 1 9 5 5 ) 6 8 - 8 0 . V g l . N a u c k , F r e u d e im Leiden 76. L . R u p p e r t , D e r leidende Gerechte - Eine motivgeschichtliche Untersuchung zum Alten Testament und zwischentestamentlichen Judentum ( f z b 5 ) , Würzburg 1972, 1 7 6 - 1 7 9 will gegenüber der Hypothese von N a u c k , die Tradition von A p k Bar 4 8 , 4 8 - 5 0 ; 5 2 , 5 - 7 ; 54, 1 6 - 1 8 einerseits und eine hinter Mt 5,11 f. par; IPetr 4,13f. sowie Jak 1,2.12; IPetr l,6f. andererseits stehende Überlieferung ließen sich auf eine gemeinsame, v o m 7reipaa/!Öc Motiv geleitete Tradition zurückführen, die zur Freude angesichts des Leidens aufrufe ( F r e u d e im Leiden 7 6 ) , geltend machen, daß der netpaofiöq - G e d a n k e ursprünglich nichts mit der von A p k Bar bezeugten Tradition zu tun habe. In A p k Bar handle es sich u m ein „Erwählungsbestätigungsleiden"; das Leiden bestätige also nur die A u s e r w ä h l u n g für den k o m m e n d e n Ä o n , während IPetr. l,6f.; 4 , 1 2 - 1 4 ; Jak 1,2.12 der 7 r e i p a a p ö c die Möglichkeit zur B e w ä h r u n g sei und darin die V e r h e i ß u n g des Siegeskranzes liege, darin dann aber auch der A n l a ß zur Freude gegeben sei. Demgegenüber ist festzu halten, daß der G e d a n k e des Durchhaltens in der Bedrängnis in den von N a u c k angeführten T e x t e n durchaus gegeben ist, auch w e n n terminologisch die Entsprechung für 7 r e t p a a j u ö c fehlt (vgl. nur das Motiv der „ E r d u l d u n g " , das in A p k Bar 48,50 vorliegt). M . a . W . : A u c h w e n n man in Rechnung stellt, daß in A p k Bar das Leiden primär als Bestätigung der E r w ä h l u n g angesehen w i r d , kann man hier nicht grundsätzlich vom sog. „ B e w ä h r u n g s l e i d e n " unterscheiden. Besteht zwischen beiden Gesichtspunkten in der A p o k a l y p t i k keine T r e n n u n g , sondern gehen sie zumindest ineinander über, so besteht hier in der christlichen Literatur sicher keine Alternative, wie Mt 5,11 f. zeigen mag. Hier ist dann das E r w ä h lungsmotiv korrigiert durch die Person Jesu, wie auch R u p p e r t gut beobachtet: „ E s ist nicht mehr eine Verfolgung um der Zugehörigkeit zum k o m m e n d e n Ä o n willen, sondern um der Zugehörigkeit zu Je sus willen, durch den die Gottesherrschaft schon zum D u r c h b r u c h g e k o m m e n ist" ( D e r leidende G e rechte 177). D u r c h diese Korrektur wird der G e d a n k e der A u s e r w ä h l u n g zum künftigen L o h n aufge hoben u n d , w o h l k a u m ohne Einfluß des 7 r e t p a a p ö c -Motivs, dazu aufgefordert, die gegenwärtigen Bedrängnisse um Jesu willen zu bestehen. D a d u r c h tritt die einseitige H i n o r d n u n g auf den k o m m e n den Ä o n zurück und die B e w ä h r u n g in den gegenwärtigen Verfolgungen unter Hinweis auf das schon geschehene Heilshandeln Gottes in den V o r d e r g r u n d . Das G r u n d m o t i v besteht jedenfalls in dem verbreiteten G e d a n k e n , daß das gegenwärtige L e i d e n das Paradox der Freude in sich birgt.
19
1
mit W. Grundmann den Sachverhalt so beschreiben, „daß sich im Spätjudentum und Urchristentum angesichts mannigfacher Bedrängnisse eine Situation herausgebildet hat, in der Leiden um des Bekenntnisses willen als Zeichen der Erwählung verstanden wurde und Freude inmitten des Leidens auslöste".
2.
Literarischer
Jak
l,2f.
Vergleich von Jak l,2f
mit IPetr 1,6f. und Rom
Rom
IPetr
5,3-5
5,3-5
1,6f.
Ein Blick auf die Synopse von Jak 1,2; IPetr l,6f.; Rom 5,3—5 zeigt, daß zwischen den drei Texten auffallende terminologische Berührungen bestehen. Wenn wir auch keine literarische Abhängigkeit voraussetzen dürfen , so macht das doch die Vermu tung wahrscheinlich, daß hinter den (wohl in den Einzelaussagen verschiedenen) Über lieferungen eine fest formulierte Tradition steht, die die Verfasser aufgenommen und je anders interpretiert haben. 2
a)
Die Anfechtungen dXi\l/eiq)
(Jak 1,2 / IPetr
1,6: ireipaoßoi
TIOIK'IXOI;
Rom 5,3:
Zur Erklärung der neipaofioi Jak 1,2 muß der ganze Vers herangezogen werden: xapdv riyrioaode ist eine bewußt hervorgehobene Formulierung, die den ver meintlichen Widerspruch der Mahnung besonders deutlich hervortreten lassen w i l l ; diesem Zweck dient auch die sicher nicht zufällige Alliteration naoav ... neipaonoiq irepnreorjTe 7rouci'Xoie. Dem entspricht, daß mit näq die Uneingeschränktheit, die voll ständige Freude eigens hervorgehoben wird; in diesem Sinne kann das Wort im N T ohne
Träoav
3
1
Mt 134.
2
Vgl. oben S.19 A . l .
3
H a u c k , Jak 37, formuliert gut: „ D a s ist der stärkste Ausdruck völliger innerer Überlegenheit".
20
Artikel vor Substantiven stehen: Apg 4,29; 23,1; 2Kor 12,12; Phil 2,29 (/ierä TRDARJC xapdc ) , vgl. Epikt I I I , 22,10s , wo mit iräoa eipr\vr\ das Ziel des Kynikers gemeint ist, der innere und äußere Friede. 1
Wie sind nun des Näheren die neipaonoi TTOLK'IXOL Z U verstehen und welche Funktion haben sie? Der Konj. Aor. in der Wendung brav ireipaonofc itepnteoriTe TTOLKLXOK: bringt zum Ausdruck, daß „die Handlung des Nebensatzes der des Hauptsatzes vorangeht" , d.h. die -neipaoiioi sind als Anlaß der Freude zu verstehen, vgl. Mt 5,11 f. u.a. Solchen Anlaß zur Freude bilden aber in Jak 1,2, wie aus der vorliegen den Konstruktion hervorgeht und auch der sachliche Gedanke nahelegt, nicht jene •neipaoiioi, die in den apokalyptischen Schriften im Zusammenhang mit der eschatologischen Drangsal stehen, vgl. etwa lHen 94,5; 96,2f., die als Zeichen für das be vorstehende nahe Ende verstanden werden und den auserwählten Gerechten zur Ge wißheit für den bevorstehenden himmlischen Lohn werden. Mit der besprochenen Wendung ist vielmehr der Gedanke zum Ausdruck gebracht, daß die Hörer immer wieder in solche neipaonoi geraten, es sind Versuchungen, Anfechtungen und Be drängnisse, die die Christen hier und jetzt im Alltag bedrängen. Das zeigt neben nouciXoq , das die Verschiedenartigkeit der Art und Weise hervorhebt , besonders der Begriff 7repi7ri7rreii>: Das Wort wird überall vorwiegend als ein „in etwas Hineinge raten" verstanden. Diese Bedeutung findet sich im Griechentum wie auch in L X X , 2Makk 9,21, vgl. auch Test X I I Jos 10,3, in ähnlicher Bedeutung aber auch bei Philo und Josephus, hier oft im Sinne von „in Krankheit geraten" . Entsprechend sind auch die beiden übrigen ntl. Belege Lk 10,30; Apg 27,41 zu verstehen. 2
3
4
Eine Erklärungsmöglichkeit, solche Situation sinnvoll zu verstehen, ist in folgendem verbreiteten Gedanken gegeben: „ I n solchen Leiden treibt Gott verborgen, aber im Endeffekt deutlich das Werk einer Erziehung des Menschen. Die Vorstellung, daß Gott im Leben des Einzelnen eine heilsame Erziehung des Menschen veranstaltet - die von einer Erprobung ist damit nahe verwandt — nimmt im Alten Testament nur einen beschränkten Raum ein. Den Auseinandersetzungen der Beter mit ihrem Leiden in den Klagepsalmen ist sie fast völlig fremd. Dagegen nehmen die Weisheits lehrer das Thema gerne auf. Da sie selber mit der Erziehung von Menschen beschäf tigt waren und so viel von ihrem Nutzen hielten, ist es begreiflich, daß die Vorstel lung einer göttlichen Erziehung oder Züchtigung durch Leiden vor allem bei ihnen ihre Pflege fand" . Die weitere Aufnahme und Interpretation des -neipaoixös -Motivs scheint zu zeigen, daß der Verf. von dieser in der frühjüdisch-weisheitlichen Tradi tion verbreiteten Vorstellung her seine Konzeption gewinnt. Dies wird deutlich, wenn man die erwähnten Paralleltexte Rom 5,3—5; IPetr l,6f. in die Betrachtung einbezieht. 5
6
Auch Paulus kennt die Situation des Christen in der Anfechtung, in Bedrängnissen, die den Menschen unvorbereitet und ohne erkennbare Ursache treffen und über ihn hereinbrechen. Der Apostel nennt dies in der Kettenreihe Rom 5,3—5 die 0Xn/ue
1
2
3
4
5
6
jUT? TTOV raneivcooiq f? (pdövoq; tobe be noXXrj npoooxv eveKa virrioq peyKei. eiprjprj iräoa. W . B a u e r , W b , s.v. brav ( 1 1 6 5 ) . V g l . Seesemann, A r t . noLKiXoq ; in: T h W N T V I , 483f. V g l . Michaelis, A r t . nepmiTTTCO; in: T h W N T V I , 173f. G . v. R a d , Weisheit in Israel, Neukirchen 1970, 258f. V g l . nur Sir 2 , 1 - 6 ; 4 , 1 1 - 1 8 ; 4 4 , 1 9 ; Sap 2 , 1 7 - 1 9 u.a.
Kai
ovvTaotq
; TZÖV
y
b
OXXLOV
21
der Christen, die sachlich dasselbe aussagen dürfte wie die neipaopoi an unserer Stelle im Jak. Man darf annehmen, daß Paulus mit diesem Begriff terminologisch selbst ein gegriffen hat: denn während Jak 1,2 in der Wendung neipaoiioi TTOIKIXOI mit IPetr 1,6 übereinstimmt, verwendet Rom 5,3 den Begriff 0 X i > i c , der gut paulinische Züge trägt . Auch der Apostel kennt also die Situation des Glaubens in der Anfechtung, aber er fügt diese verbreitete Erfahrung konsequent in seine Theologie ein: entschei dend kommt es ihm darauf an, „daß die Gnade Gottes den Glauben unter dem Druck der Anfechtungen über sich selbst hinauswachsen läßt und er Segen gerade in die Anfechtung hineinlegt" . Das ist ja auch mit der eXrric gemeint: Gott wird die Hoffnung und das Vertrauen nicht enttäuschen. Leiden und Bedrängnis sind also nicht so sehr im Sinne göttlicher Erziehung verstanden, sondern, um mit E. Käsemann zu sprechen, „es spiegelt vielmehr den Schatten des Kreuzes, in welchem Gottes escha tologische Macht wirksam werden w i l l " . 1
2
3
Wir sehen: während der Verf. des Jak sein -neipaoiiöq -Motiv noch ganz im Rahmen der frühjüdisch-weisheitlichen Tradition bewahrt, hat Paulus den Gedanken in seine Kreuzestheologie eingefügt. Doch scheint auch der Jak bei aller Nähe zur weisheit lichen Überlieferung den theologischen Akzent verschoben zu haben: für unseren Autor sind die neipaoiioi nicht der eigentliche Gegenstand der Freude , sondern sie sind vielmehr der Anlaß, insofern in dem ireipaopoq die Verheißung der ßaoiXeia liegt. Es ist nicht so sehr der bereitete und hinterlegte Lohn, die Auserwählung für den kommenden Ä o n , der den Leiden den Charakter der Freude verleiht, sondern darin liegt der Grund zur Freude, daß sich das von Gott zugesagte Heü für den schon in der Gegenwart ereignet, der den rretpaa/xric als Bewährung des geschenkten Glaubens versteht. Gegenüber der Verlagerung der Freude in den kommenden Äon in den frühjüdischen Schriften nimmt unser Brief eine Neuakzentuierung des tradi tionellen Motivs vor, insofern die Gegenwart mit ihren Anfechtungen ernst genom men und positiv als Bewährung des Glaubens verstanden wird. Solchem Glauben verheißt Gott den „Kranz des Lebens"; dieser ist nicht so sehr als Lohn, der im Himmel bereitliegt, verstanden, sondern als Annahme und Bestätigung der Bewährung durch Gott anzusehen, wie das auf Soniniov V.2 zurückkommende SÖKipoq yepöpevoq V.12 nahelegt. Diese Verlagerung der Freude in die Gegenwart ist dem Jak mit den genannten ntl. Stellen gemeinsam, ohne freilich deren vielfältige christologische Be gründung. 4
5
6
1
iieipaoiiöq
2
O . Michel, Rom 132f. Rom 125. So etwa A p k Bar ( s y r ) 52,6f.: „ H a b t eure Lust an dem Leiden, das ihr jetzt leidet! D e n n w a rum schaut ihr darnach aus, d a ß eure Hasser zu Falle k o m m e n ? Bereitet euch vor auf das, was euch zugedacht ist, und macht euch geschickt für den L o h n , der für euch hinterlegt ist!". V g l . etwa l H e n 58,2; vgl. auch die o b e n S. 19 A . 3 genannten Stellen aus A p k Bar.r. Diese will freilich J. T h o m a s , A n f e c h t u n g und V o r f r e u d e , 186 hervorheben: In d e m „program matischen 'Haltet es für lauter F r e u d e ' drückt sich diejenige Klarheit eschatologischer G e w i ß h e i t aus, die in der Auferstehung Jesu ihren G r u n d hat (vgl. L k 2 4 , 2 5 - 2 7 . 3 2 ) . D e n Nachweis, daß r r i o r t e in Jak 1,2 die christologische Fülle paulinischer Aussagen beinhaltet, m u ß T h o m a s schuldig b l e i b e n , weil er nicht zu erbringen ist. Hier liegt w o h l ein nicht am T e x t begründbares christologisches Vorverständnis vor.
3
4
5
6
22
steht d r e i m a l ,
BXityiq
19mal in den echten Paulinen.
b)
Die Erprobung des Glaubens (Jak 1,3; IPetr 1,7; Rom
5,4)
Gemeinsam ist unseren drei Stellen auch das Motiv des boKipiov. SOKIIIIOP findet sich Jak 1,3; IPetr 1,7, den einzigen Stellen im N T überhaupt, und zwar jeweils in der Wendung TÖ boKiixiop rr\q iriarecoq . Paulus setzt Rom 5,4 SOKI/UT?. Das Wort dürfte auf paulinische Bildung zurückgehen, da es nur bei Paulus und boKiynov im N T ja nur an unseren beiden Stellen Jak 1,3; IPetr 1,7 vorkommt; sachlich haben aber 5 OK t/n? und SoKißiov dieselbe Bedeutung . Auf dem Hintergrund des erfahrenen Hei les gewinnt die Begriffsgruppe ihre Bedeutung in der Situation des Christen als von Gott mit dem Heil Beschenkten, der sich darin bewähren muß . 1
2
Bei aller sachlichen und terminologischen Nähe hat der Begriff in unseren Texten aber eine jeweils andere Funktion. Berücksichtigt man nämlich den ganzen Zusam menhang, so wird man feststellen können, daß der Gedanke von IPetr ein anderes Ziel verfolgt als Jak l,2ff. Eine erste Akzentverschiebung, die für den ganzen Kon text Konsequenzen hat, besteht darin, daß der Begriff SOKLULOP IPetr 1,7 wohl von einem anderen Grundbegriff herzuleiten ist als in Jak 1,3. boKißiop ist an der erstge nannten Stelle vom Adjektiv 5o/d/iioc herzuleiten und bedeutet die Echtheit des Glaubens, die sich in der Anfechtung erweist. Diesen Sinn bekommt der Spruch durch den Zusammenhang mit dem traditionellen Bild von der Bewährung des Gol des, vgl. Prov. 17,3; Sir 2,5. Der Autor des IPetr greift die ihm überlieferte Wendung auf, um die Notwendigkeit des Leidens als Ausweis der Echtheit des Glaubens in den Vordergrund zu stellen; diese Anfechtungen geschehen sozusagen ,,nach Gottes Plan" , und nur so kann der Glaube bei der Offenbarung Jesu Christi zu ,,Lob, Herr lichkeit und Ehre" führen. boKiynop irioretoq im Sinne der Echtheit des Glaubens ist hier also ganz auf das eschatologische Ereignis der Offenbarung Christi hin verstan den, insofern solcher Glaube nach Leiden und Anfechtungen seine Echtheit erwiesen hat. Den Gedanken der immer wieder notwendigen Bewährung in den gegenwärtigen Bedrängnissen hat der Verf. weiter ausgeführt und eschatologisch von der kommen den Herrlichkeit für den als echt erwiesenen Glauben her verstanden. 3
Demgegenüber bewahrt unser Brief das vorgegebene Motiv weitgehend in der überlie ferten Form. Für den Jak ist der Gedanke von Leiden und Bedrängnis zwar nicht belanglos, hat aber doch sicher nicht das gleiche Gewicht wie für IPetr. Denn „daß Christen unschuldig leiden müssen, ist ein Leitgedanke des ganzen IPetr; im Jak sind die entsprechenden Worte nicht von so allgemeiner Bedeutung" . Für Jak 1,3 kann nur die Vorstellung der vom weisheitlichen Erziehungsgedanken her zu verstehenden Erprobung des Glaubens ohne die theologisch ausführende Erläuterung, die in IPetr in dem Hinweis auf die eschatologische Offenbarung Christi liegt, geltend gemacht werden. Der Verf. des Jak betont an unserer Stelle vor allem die gegenwärtige Be währung in den immer wieder auftretenden Anfechtungen, die den Menschen zu Voll kommenheit und Weisheit führen soll, um hier schon den späteren Gedanken vorweg zunehmen. 4
1
2
3
4
V g l . W . G r u n d m a n n , A r t . bÖKifxoq KT\.; in: T h W N T I I , 2 5 8 - 2 6 4 . 2 6 l ; M i c h e l , R o m 132 A . 5 . Freilich hat der Begriff 5OKifiiov in der Auslegung des Jak u n d von IPetr einen j e w e ü s anderen Stellenwert, vgl. dazu weiter unten. W . G r u n d m a n n , A r t . SÖKißoq 259f. formuliert gut: „ D a s Verhalten, das sich daraus ergibt, ist das Ringen u m die B e w ä h r u n g , nämlich u m die B e w ä h r u n g des empfangenen Heues, u m in der Prüfung des Gerichtes als b e w ä h r t zu erscheinen". Schräge, K a t h . Br. 70. Dibelius, Jak 105.
23
Diese Auslegung, die botciiiiov rffq niorecoq als Erprobung des Glaubens versteht, wird denn auch von den meisten neueren Autoren vertreten . Demgegenüber will W. Grundmann aufgrund der mit IPetr l,6f. gemeinsamen Tradition ÖOK'LULOP TXK iriorecoq eher auch als „Echtheit des Glaubens" auslegen: „Das, was echt ist am Glauben, wirkt Geduld" . Nach diesem Vorschlag würde dann folgender Gedanke zum Ausdruck kommen: „Zur Freude in den Versuchungen wird deshalb aufgefor dert, weil echter Glaube die sie überwindende Geduld wirkt und darin sich bewährt" . Diese Auslegung findet ihre Begründung ausschließlich in der gemeinsamen Tradition mit IPetr 1,6 und berücksichtigt nicht die Möglichkeit, daß der Verf. des IPetr die Überlieferung aufgrund seines christologisch-soteriologischen Zusammenhangs anders akzentuiert haben kann als der Autor des Jak. 1
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Paulus gibt mit SOKI/XT? Rom 5,4 denselben Sachverhalt wieder wie unser Brief mit SoKißiop, nämlich die Erprobung des Glaubens durch Ertragen in der Bedrängnis, wenngleich hinter der SOKLIITJ nicht wie Jak 1,3 der Gedanke der göttlichen Erzie hung steht, sondern der Einfluß der paulinischen Kreuzestheologie spürbar wird. 6
c)
Die
v-noßopr)
(Jak
1,3:
Rom
5,3)
Begriff und sachliche Aussage dessen, was Jak 1,3; Rom 5,3 mit der v-no/iop-f} aus drücken, fehlen an der Parallelstelle IPetr l,6f. völlig. „Geduld" oder „Beharrlichkeit" ist aber für die Kettenreihe Rom 5,3—5 ein theologisch wesentlicher Gesichtspunkt, und auch für unseren Brief bedeutsam, vgl. Jak 5,11. Die grundsätzliche terminologische Übereinstimmung zwischen Rom 5,3f. und Jak 1,3 zeigt, daß der Gedanke in der vorliegenden Tradition enthalten war. Allerdings findet sich der Begriff in der Kettenreihe des paulinischen Zusammenhangs an anderer Stel le und mit einer anderen theologischen Zielsetzung als im Paralleltext des Jak. Wir fragen daher wieder nach dem Motiv in der vorliegenden Überlieferung. Paulus geht Rom 5,3, wie schon erwähnt wurde, von der öXfi//t? aus, die sachlich gleichbedeutend mit den neipaonoi ist; während dann aber bei Paulus die Reihe viroßovri — 8oni[ir) — e\niq folgt, folgt Jak l,2f. aus der Erprobung des Glaubens die v-noßopfi; die Glieder viroßopri und boKLp.r\lboKLixiop sind also in beiden Schriften ver tauscht. Die Reihenfolge, wie sie aus dem Rom hervorgeht, macht von der Logik des Gedankens her einen nicht gerade überzeugenden Eindruck; denn sinnvoller erscheint es doch, wenn die Geduld eine Folge der Erprobung wäre, wie der Jak ausführt. Die Tatsache, daß IPetr l,6f. den neipaoßoi der Gedanke des SOK'LIILOP rffc nioTecos in nahezu wörtlicher Übereinstimmung mit Jak l,2f. folgt, verstärkt den Eindruck, daß der Jak auch hier die ursprüngliche Reihenfolge der Überlieferung beibehalten hat . 7
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Dibelius, H a u c k , M u ß n e r , Windisch, Schräge, auch Meyer, Das Rätsel des Jacobusbriefes ( B Z N W 1 0 ) , G i e ß e n 1930, 76 A . 3 . „ . . . w e n n man hinter den beiden Formulierungen eine gemeinsame G r u n d l a g e in fest formulierter christlicher Paränese a n n i m m t " ( A r t . SÖKtßoq , in: T h W N T I I , 2 6 2 ) . ebd. ebd. V g l . o b e n S. 23 und A . 1. V g l . o b e n S. 22. D a s auch in der Tradition den Tteipaoßoi und dem SonißLOV folgende Motiv der imofiopri hat der Verf. von IPetr dann nicht weiterüberliefert, weil es für seine theologische Zielsetzung nicht wesentlich w a r .
Die Tatsache, daß unser Jak und Paulus wohl dieselben Begriffe und Motive, aber nicht die Reihenfolge und Ausführung gemeinsam überliefern, veranlaßt Dibelius zu der Feststellung: „Paulus liegt offenbar weniger an der Ausarbeitung des Gedankens als an der Aufzählung der Reihe Leiden - Beharrlichkeit - Bewährung — Hoffnung". Bei näherer Prüfung des paulinischen Zusammenhangs läßt sich freilich zeigen, daß die b-noßovri ihre theologische Bedeutung gerade in dieser Zusammenordnung des Kettenschlusses bekommt; das legt die e\niq am Schluß der Kettenreihe nahe, die auf den Apostel selbst zurückgeht und entscheidend für die paulinische Interpretation der überlieferten paränetischen Tradition ist: Die aus der Bewährung in den Bedrängnissen gründende Hoffnung beruht auf dem Glauben an das Ereignis der Liebe Gottes, welche die Existenz der Glaubenden prägt und bestimmt, und wird auch im Endgericht — daran dürfte der Apostel wohl hier denken — nicht zuschanden, Rom 5,5. Hier hat die bnonovri ihren theologischen Ort, insofern sie die Weise christlicher Existenz darstellt, die von „Hoffnung zu Hoffnung" führt. Wer aus der Hoffnung auf die 5ö£a Tovdeov lebt, Rom 5,2, dem werden die Bedrängnisse nicht zum Unheil, sondern zur Bewährung für die letzte Heilsbestimmung. Von diesem Gedanken her könnte Paulus jenes theologisch bedeutsame Motiv bewußt in den Mittelpunkt der von ihm aufgenommenen Kettenreihe gestellt haben, um den ihm eigenen Gedanken „von Hoff) nung auf Hoffnung" mit der b-noßovri zu verbinden. Die vnofiovn stellt Paulus nämlich nicht selten in unmittelbaren Zusammenhang mit der Hoffnung, vgl. Rom 12,12; 15,13, vgl. 8,25; IThess 1,3 , vgl. auch 2Thess 1,4. 1
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Wir sehen: auch hier folgt unser Autor wohl der vorgegebenen Überlieferung und greift nicht weiter in sie ein, während Paulus die Begriffe und Motive aus der Tradition im Sinne seiner theologischen Konzeption neu zusammenordnet und entfaltet. Daß unsere Schrift die paränetische Tradition „als solche übernommen und vorgetragen" hat, wird auch durch andere, unserer Überlieferung sachlich und begrifflich nahestehende Aussagen der frühjüdischen Theologie belegt, wie ein kurzer Blick in die Begriffsgeschichte von b-noßeveivlbiioßov'q verdeutlichen kann. 3
Im A T ( L X X ) wird bnoneveLv/v-nopovri weitgehend mit einem Objekt verbunden, auf das man wartet und hofft. Das zeigen die drei häufigsten hebräischen Grundbegriffe kwh („das Harren und Hoffen als die gespannte Haltung des Menschen" ), jhl („das aushaltende und ausharrende Warten" , hkh (auf etwas warten: auf Jahwe harren, Ps 131,3). Das vno߀V€LP oder die bitoßovri richtet sich ganz auf Gott, beschreibt weniger den Zustand des den widrigen Einflüssen Ausgesetztseins als Erprobung des Menschen, sondern hat vielmehr das fromme Harren auf Gott, dessen Treue man erwarten kann, im Auge. Der Schwerpunkt des atl. Gedankens liegt also vornehmlich auf der Hoffnung auf Gott und dem Vertrauen auf sein Handeln. Diese Hoffnung verleiht dem Frommen aber „mit dem Vertrauen auf den das Recht schützenden und schließlich durchsetzenden Gott eine starke innere Fähigkeit des Aushaltens, die 4
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Jak 104. V g l . H . Schlier, D e r Apostel u n d seine G e m e i n d e , Freiburg 1972, 19: „ D i e H o f f n u n g ist wirksam in ihrer G e d u l d , u n d diese ist ein A u s w e i s jener. Die G e d u l d wird durch die H o f f n u n g erzeugt und befestigt ihrerseits die H o f f n u n g immer w i e d e r von neuem. Die G e d u l d ist das A u s harren u n d gelassene Aushalten in der Bedrängnis, auf die Paulus in l,6f.; 2,14 u n d 3,3f. zu sprechen k o m m t . Für d e n ganzen Ausdruck ist R o m 5,2 ein späterer K o m m e n t a r " . W . N a u c k , Freude im Leiden, 79. H a u c k , A r t . y T T O j L i e ^ a ; KT\., in: T h W N T I V , 5 8 5 - 5 9 3 . 5 8 7 . ebd.
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dann auch den stark quietistischen Charakter der harrenden und tragenden Geduld gewinnen kann" . Freilich kommt dieser zuletzt genannte Gesichtspunkt nur verein zelt im A T zum Ausdruck, und zwar in den späteren Schriften . 1
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Erst die frühjüdischen Schriften stellen den Gedanken des frommen Duldens gegen über den Widrigkeiten und Versuchungen, das Standhalten und geduldige Ausharren in den Vordergrund. Leitbilder der so erprobten Frommen sind Abraham und Hiob: Abraham wurde nach Jub 17.18 in zehn Versuchungen erprobt und gläubig erfunden, und ähnlich beschreibt das Test Hiob Hiob als den exemplarischen frommen Dulder, der nicht verzagte. Ähnliche Motive, die auf die Notwendigkeit der Geduld hinwei sen, finden sich auch Test X I I Jos 2,7; 10,1, vgl. 17,1; Sir 2,1-6. Es kann kein Zweifel daran bestehen, daß unsere Schrift gerade diesen Gedanken, der für die frühjüdische Theologie konstitutiv ist , aufgenommen und bewahrt hat. Be zeichnenderweise werden denn auch im Jak Abraham wenigstens der Sache nach, vgl. 2,21 ff, und Hiob ausdrücklich, vgl. 5,11, als die exemplarischen Frommen dar gestellt, die nicht verzagten, sondern in der Erprobung standhielten. 3
Hat unser Autor in die hinter Jak l,2f.; IPetr l,6f.; Rom 5,3—5 stehende und wohl fest formulierte Tradition keine größeren Eingriffe vorgenommen und sie weitgehend bewahrt, dann hat der überlieferte Gedanke etwa folgende Motive enthalten: Auffor derung zur Freude in den Bedrängnissen (die in der christlichen Tradition, auch in unserem Brief, in die Gegenwart eingeholt wird), da diese, als Erprobung durch Gott verstanden , die Geduld und Beharrlichkeit bewirken, die ihrerseits den Lohn erwarten lassen. 4
In bezug auf das Lohnmotiv ist freilich die nicht unwesentliche und schon angedeu tete Modifikation der Überlieferung durch unseren Autor zu beobachten: Es ist kaum zu übersehen, daß der frühjüdisch-apokalyptische auf den Gewinn angelegte Lohngedanke, der die Erwählung offenbar macht, in unserer Schrift so nicht aufge nommen wird, sondern durch den Gesichtspunkt der Bestätigung der Bewährung des Glaubens ersetzt ist, vgl. 1,12. Diese Neuakzentuierung hängt mit der Betonung der angesichts des erfahrenen Heils gegenwärtigen Freude zusammen, insofern solcher zugesagte Lohn bereits Gegenwart geworden ist, wenn der Mensch das von Gott ge schenkte Heil im Glauben bewährt . Wir werden darauf zurückkommen . 5
3.
Die Vollkommenheitsforderung
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(Jak 1,4)
Damit kommen wir zur Auslegung der vom Verf. des Briefes im wesentlichen ur sprünglich beibehaltenen Überlieferung. Die Erprobung des in vielerlei Anfechtung ge ratenen Glaubens führt unseren Autor zu der Frage nach der Vollkommenheit des Christen . In der Vollkommenheit besteht das theologische Ziel der ersten Mahnung 7
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H a u c k , ATLvTiopevGJ, 588. Vgl. ebd. V g l . U . L u c k , Weisheit u n d L e i d e n ; in: T h L Z 92 ( 1 9 6 7 ) , 2 6 4 - 2 6 7 . Dieser Gesichtspunkt tritt vor allem in der Weisheit in den V o r d e r g r u n d , vgl. Judith 8 , 2 5 - 2 7 ; Sap 3 , 4 - 6 . V g l . o b e n S. 22. V g l . unten S. W i r w e r d e n später noch sehen, d a ß auch der Evangelist Mt zwischen dem Leidensmotiv Mt 5,11 u n d der F o r d e r u n g nach V o l l k o m m e n h e i t Mt 5,48 einen Z u s a m m e n h a n g sieht.
des Jak. Diese Entfaltung und Auslegung der überlieferten Tradition ist sicher der theologischen Absicht unseres Verf. zuzuschreiben; denn einerseits fehlt der Gesichts punkt in den besprochenen Paralleltexten IPetr 1,6f.; Rom 5,3—5, und andererseits ist die Vollkommenheit ein Grundmotiv für unseren Brief, wie sich in der Untersu chung immer wieder zeigen wird. Hervorgehoben werden soll hier nur das Verständ nis der exemplarischen Gestalt des Abraham: auch in diesem sachlich sicher vergleich baren Zusammenhang muß der zur Vollkommenheit gelangte Glaube als theologisches Ziel verstanden werden . Wie sehr der Verf. des Jak aber dennoch in der Vorstel lung von der Vollkommenheit selbst von der Tradition beeinflußt ist, zeigt ein kur zer Blick in die Begriffsgeschichte von reXeicK. 1
a)
reXeioq
in der biblischen und außerbiblischen jüdischen Tradition
Dem griechischen reXeioq Hegen im hebräischen A T weitgehend die beiden Wortgrup pen tamim und salöm zugrunde, die vorwiegend die Bedeutung von „ganz, unver sehrt, vollständig, ungeteilt" haben . Diese mit den hebräischen Begriffen gemeinte ethische Qualifizierung wird im A T nie von Gott selbst ausgesagt , wohl aber wird Gottes Werk, d.h. sein Tun mit tamim bezeichnet, wofür L X X akr\0ivöq setzt, auch kann das Gesetz tamim sein. Grundsätzlich fehlt im A T der Gedanke, daß der Mensch so werden soll wie G o t t . 2
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Die ethische Forderung nach Vollkommenheit oder besser: Ungeteiltheit kommt Dt 18,13 zum Ausdruck: tamim t hijäh 'im Jhwh l o h k übersetzt L X X mit r e X e i o q eorj evävTiov Kvpiov TOV 8eov oov. Hier ist an die Ungeteiltheit des Herzens gedacht, die sich ganz Gott hingibt und nicht „gleichzeitig noch Götzendienst, Zau berei und andere Greueltreiben" kennt. Die vollständige Herzenshingabe meint schließlich auch die wiederkehrende Wendung hajah l baboh salem 'im Jhwh l K ö 11,4; 15,3; 15,14, die L X X mit r\v r\ Kapbia CLVTOV r e X e t a / z e r d nvpiov übersetzt, vgl. auch l K ö 9,4. Hinter dieser Aussage steht die einflußreiche Vorstellung von dem vollkommenen Gerechten, der die Gebote von ganzem Herzen erfüllt. Dementspre chend ist dann das Kriterium für den vollkommenen König die Erscheinung Davids, der Jahwe vollständig folgte, l K ö 11,6, dessen Herz salem 'im Jhwh war, l K ö 11,4, vgl. 11,38. Diese Vorstellung ist von weitreichender Bedeutung, denn mit der hier angedeuteten Davidsüberlieferung sind „wesentliche Züge des deuteronomistischen Menschenbildes verbunden, nämlich von dem Menschen, dessen Herz ganz mit Jahwe e
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Das T h e m a G l a u b e und W e r k , das Jak 2,14—26 diskutiert wird, k o m m t schon in 1,2—4 sach lich zur Sprache; vgl. G . Eichholz, G l a u b e u n d W e r k bei Paulus u n d Jakobus ( T E H 88); Mün chen 1961, 38f. Literatur: W . Trüling, Das w a h r e Israel ( S t A N T 10); München 3. A u f l . 1964, 194; H . Frankemölle, J a h w e b u n d u n d Kirche Christi ( N T A 1 0 NS);Münster 1974, 2 8 6 - 2 9 3 ; Schnackenburg, Die V o l l k o m m e n h e i t des Christen nach den Evangelien; in: G u L 6 ( 1 9 5 9 ) , 4 2 0 - 4 3 3 ; A . Deissler, Art. V o l l k o m m e n h e i t ( A T ) ; in: B T h W , 1 1 5 8 - 1 1 6 4 ; Mußner, A r t . V o l l k o m m e n h e i t ( N T ) ; in: B T h W 1164f.; Delling, A r t . r e X e i o e ; in: T h W N T V I I I , 5 0 - 8 8 . Z u den verschiedenen L X X - Ü b e r setzungen vgl. Trüling, Israel 194. V g l . dagegen im N T Mt 5,48. V g l . F.J. H e l f m e y e r , Die N a c h f o l g e Gottes im A T ( B B B 2 9 ) , B o n n 1968, 2 1 6 - 2 2 1 . Schnackenburg, V o l l k o m m e n h e i t 420.
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ist und der von ganzem Herzen die Satzungen und Gebote Jahwes hält" . Auch sonst begegnet der Zusammenhang zwischen der Begriffsgruppe tamim in bezug auf die menschüche Vollkommenheit und der Beobachtung der Satzungen bzw. des Gesetzes sachlich und terminologisch: 2Sam 22,24.26; Prov 2,21; 10,5f.; Ps 119,1 u.ö. Nicht selten spricht das A T mit tam/tamim und seinen griechischen Äquivalenten im sitt lich-ethischen Bereich vom „Weg", vom „Wandern" oder „Wandeln": Gen 6,9, vgl. Sir 44,17; Gen 17,1; 2Sam 15,11; Ps 15,2; 18,33; 26,1.11; 101,2.6; Prov 2,7; 10,9; 11,20; 19,1; 20,7; 28,6.18. Ein direkter oder wenigstens sachlicher Zusammenhang zwischen dem tam/tamim-Motiv und der Weisheit ist im A T Prov 2,7; 29,10 vorhan den; das Adjektiv tarn ist im übrigen keineswegs ungewöhnlich für die Weisheitsspra che . 2
Aus dieser Zusammenstellung ist zu entnehmen, daß im hebräischen Kanon des A T im Vordergrund des Motivs die unbedingte Herzenshingabe an Gott steht, die lautere Gesinnung, die nur auf Jahwe vertraut und keine fremden Götter kennt. Der für die Vollkommenheitsvorstellung im Jak so wichtige Aspekt des Durchhaltens in der Be drängnis fehlt hier noch völlig. Dieses Bild erfährt in den spätjüdischen Schriften eine einflußreiche Umdeutung. Die schon im A T geläufigen Bilder des „Weges" oder des „Wandels" werden für den Be griff der Vollkommenheit in den Qumranschriften beherrschend und dienen oft als Selbstbezeichnung der Mitglieder des Bundes, vgl. nur 1 QS 1,8; 2,2; 3,9; 4,22; 5,24; 8,18.21; 9,6; 1 QH 1,36; 1 QM 14,7; CD 1,21; 2,15. Natürlich bedeuten „vollkom mener Wandel" und „vollkommener W e g " die Beobachtung des Gesetzes, den Wandel im Gesetz, vgl. 1 QS 1,8; 3,9; 9,9; 1 QH 1,35; 1 QSb 1,2; CD 1,21; 7,5; 20,5, der die Frommen des Bundes vom sonstigen Judentum trennt. Diesen Sachverhalt for muliert G. Barth gut: „Die Sekte unterscheidet sich vom offiziellen Judentum in ih rer Toraauslegung, die als Offenbarung gilt und in verschiedenen Punkten strenger ist als die des offiziellen Judentums. Daher die Betonung, daß das ganze Gesetz gehalten werden müsse, und der Kampf gegen die Lügenpropheten, die das bestreiten und A b fall von der Tora lehren. Wer dieses 'Mehr' hält, das die Toraauslegung vom offiziel len Judentum unterscheidet, ist tamim." 3
Auf den Wandel nach dem Gesetz bezieht sich auch die äirXörriq in den Test X I I , vgl. Test Sim 4,5; Lev 13,1; Iss 3; 4,1.6; 5,1; 6,1; Benj 6,7. Gemeint ist hier vor allem die Einfalt des Herzens, die keine Zwiespältigkeit duldet . Von besonderem In teresse für das Verständnis des Vollkommenheitsmotivs im Jak ist die LXX-Stelle Sap 9,6: die Vollkommenheit des Menschen wird für nichts erachtet, wenn die Weis heit fehlt ; Sap 9,5 macht deutlich, daß auch an dieser Stelle der Zusammenhang von Gesetzeserfüllung und Vollkommenheit betont wird. 4
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G . v o n R a d , Theologie des A T I ; München 6 . A u f l . 1969, 357; vgl. dazu noch l K ö 11,33; 15,5. V g l . Deissler, A r t . V o l l k o m m e n h e i t , 1158 ( m i t Belegen). D a s Gesetzesverständnis des Evangelisten Matthäus; in: B o r n k a m m - B a r t h - H e l d , Überlieferung u n d Auslegung im Matthäusevangelium ( W M A N T 1), Neukirchen 6 . A u f l . 1970, 5 4 - 1 5 4 . 9 1 f. D e r in L X X verwendeten W o r t g r u p p e äir\— liegt im A T verschiedentlich der schon erwähnte S t a m m tarn— zugrunde; vgl. für die Bedeutung Sap l , l . V g l . dazu J. Fichtner, Weisheit Salomons ( H A T 2. Reihe, B d . 6 ) Tübingen 1938, 37; P. Hei nisch, D a s B u c h der Weisheit ( E H A T B d . 2 4 ) Münster 1912, 183. U . L u c k , Die V o l l k o m m e n heitsforderung der Bergpredigt ( T E H 150); München 1968, 31 sieht in der V o l l k o m m e n h e i t Sap 9,6 „die höchste Stufe, die der Mensch erreichen kann. Er kann sie aber tatsächlich erst erklim men, w e n n die Weisheit Gottes selbst z u m Wirken k o m m t " .
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Überblicken wir die Vollkommenheitsaussagen in der biblischen und außerbiblischen jüdischen Tradition, so können wir eine gewisse Akzentverlagerung feststellen: wäh rend im hebräischen A T weitgehend die lautere Gesinnung Gott gegenüber und die ethische Rechtschaffenheit im Vordergrund stehen, konzentriert sich der Gedanke in den frühjüdischen Schriften, aber ansatzweise auch schon in Sap, immer mehr auf die Erfüllung des Gesetzes. So verstehen sich vor allem die Qumran-Frommen als Täter der Tora und damit als die Gemeinde der Vollkommenen und legitimen Träger und Vertreter des Judentums.
b)
TeAeuK
in der stoischen Ethik
Die Frage nach der sittlichen Vollkommenheit des Menschen ist ein Grundproblem im Denken des Stoikers, ja, die Vollkommenheit ist das Hochziel jeder stoischen Ethik, dem wichtigsten Gebiet der Philosophie . Grundlage für die ethische Predigt ist die prinzipielle und schlechthin entscheidende Erkenntnis, „daß der Mensch ein Glied des von Gott durchwalteten Kosmos ist" , ist seine Verwandtschaft mit Gott, Epikt 1,9, bzw. sein Gehorsam gegenüber Gott, Epikt I, 30, 1.4; I V , 7,20, vgl. auch III, 26,30, ja, der Mensch muß überhaupt in seinem Reden und Tun Nachahmer Got tes sein, Epikt II 14,13, vgl. Plut comm. not. 3 2 . Freilich muß man wissen, was „Unterordnung unter Gottes Willen" oder „Nachahmer Gottes" bedeutet: Die „Er kenntnis Gottes, seines Wesens und Willens, kommt ... nicht anders zustande, als die Erkenntnis der Wahrheit überhaupt, nämlich durch die denkende Entwicklung der an geborenen Begriffe" . Dementsprechend wird man zwischen autonomer und theonomer Begründung der Ethik keinen prinzipiellen Unterschied sehen dürfen, insofern der Mensch die Tugend aus der erwerbbaren und zu erwerbenden Erkenntnis der Wahr heit sich aneignet und damit der aus seiner Verwandtschaft mit Gott folgenden sitt lichen Verpflichtung nachkommt; als solches Vernunftwesen ist der Mensch unabhän gig und frei verfügend, vgl. SVF II 528, denn das Wesen des Menschen selbst ist ja im Grund göttlich, und dies sind Verstand, Wissen, rechte Vernunft, weshalb er allein einer Gemeinschaft mit Gott fähig ist, Epikt I, 9,5. 1
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Dieser Grundgedanke der Selbstfindung des Menschen als Vernunftwesen, „das in sich selbst Animalisches und Göttliches vereint" , sieht die ethische Maxime in einem der Natur gemäßen Leben, vgl. Epikt I, 6,19.22; in der Natur der Dinge ist ja die Wahrheit, die der Mensch zu erkennen sucht, vorfindlich, Epikt I I , 2,14. Von daher ist es Aufgabe des guten und zur Vollkommenheit strebenden Menschen, seine Vorstellungen der Natur gemäß zu gebrauchen, liegt doch in der Seele die von der 5
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U n t e r den drei Lehrstücken der stoischen Philosophie, L o g i k , Physik u n d Ethik nimmt die Ethik einen besonderen Rang ein. Das zeigt die Bemerkung bei Sextus, w o das stoische „ S y s t e m " mit d e m menschlichen Organismus verglichen w i r d : Blut und Fleisch seien die Physik, K n o c h e n und Nerven die L o g i k , die Seele aber die Ethik ( S V F I I , 3 8 ) . Z w a r teüt Diog. Laert. V I I , 4 0 ( S V F I I , 3 8 ) diese D e u t u n g nicht, w e n n er die Physik als die wichtigste Disziplin in den Mittelpunkt rückt, d o c h wird man entsprechend d e m N a c h w e i s von A . B o n h ö f f e r , Epiktet u n d die Stoa, Stuttgart 1896, 16f. d e m Sextus den V o r z u g geben. Schließlich räumt Epiktet mehr als die anderen Stoiker der Ethik den zentralen Rang ein, vgl. M . Pohlenz, Die Stoa I, Göttingen 3. A u f l . 1964, 328.
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Pohlenz, Stoa I, 328. ob jap ädävoLTOV Kai nanäptov ßövov npoXaußäveodai Kai voeiodai. B o n h ö f f e r , Ethik 3. Pohlenz, Stoa I , 328.
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Natur gegebene Anlage, das Wahre zu suchen und das Falsche zu verwerfen, Epikt I I I , 3,2; vgl. die ganze Abhandlung 111,3. Hier hat nun die Philosophie ihre zentrale Funktion, denn sie ist es, die die Anwei sung gibt, daß sich das oberste Seelenvermögen der Natur gemäß verhalte, Epikt I I I , 9,11; vgl. I I I , l O J O . A u f solches Leben können keine äußeren Widrigkeiten negativ einwirken, denn alles hängt vom Menschen selber ab; das bedeutet, daß er alles, was in seiner Macht steht, in den besten Zustand bringt und alles andere so gebraucht, „wie es seine Natur erlaubt", Epikt I, 1,17. Er muß eben sein Inneres mit dem, was geschieht, so in Einklang bringen, daß er unter keinem Zwang leidet, unter keiner Ge walt steht. Damit wird die Ethik völlig in den Willen des Menschen hinein verlagert, denn nur seine Anschauungen sind verantwortlich für sein Handeln, Epikt I, 1,34—37, und alles, was nicht von seinem eigenen Willen abhängt, hat nichts zu bedeuten, Epikt 1,30, nur im Willen liegt das Gute und das Böse, ja, die Bemühung um äußere Dinge wirkt sich negativ aus, Epikt 11,16. Kann aber den freien Willen nichts beein trächtigen, Epikt I I I , 18.19, so liegt darin die gedankliche Konsequenz, daß man von äußeren Einflüssen nicht nur nicht berührt wird, sondern man sie in jedem Fall zum Vorteil für sich wenden kann. 1
Freilich ist der Stoiker sich seines Unvermögens und seiner Fehlerhaftigkeit bewußt, der Anfang der Philosophie ist denn auch überhaupt „die Erkenntnis der Schwäche und des eigenen Unvermögens in den notwendigen Dingen", Epikt I I , 11,1. Den A b stand zu den Weisen betont gerade auch Epiktet, vgl. I , 2,36 , doch darf man sich bei aller Fehlerhaftigkeit und allem Versagen nicht entmutigen lassen, Epikt I I I , 25,1—4. Denn Epiktet hält ja ein vollständig mit der Natur übereinstimmendes Leben keineswegs für unmöglich, im Gegenteil: das ist das Hochziel seiner Lehre, die unbe dingt zu erreichende und erreichbare Vollkommenheit des Menschen, vgl. nur Epikt III, 1,25 . Natürlich ist es nicht möglich, vor allen Fehlern sicher zu sein, aber man kann doch immer darauf eingestellt sein, keinen Fehler zu begehen, und es bedeutet immer schon einen Fortschritt, wenn man einige Fehler verhütet, vgl. Epikt I V , 12,19. Dementsprechend wird die Vorstellung von der Vollkommenheit als ein Fortschreiten in der Tugend verstanden. Diesen Prozeß beschreibt der Stoiker mit dem Begriff des -npoKÖiiTcop, dem Fortschreiten von der Abkehr vom bisherigen sündhaften Leben bis zur Erreichung der Vollkommenheit . Diese ist insofern immer aus eigener Kraft er2
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Entsprechend ist das S t u d i u m primär praktisch orientiert. S t u d i u m u n d A n w e n d u n g , Theorie und Praxis stehen in einer untrennbaren Einheit, vgl. Epikt I , 2 6 , 1 - 5 ; I I , 16; 11,18; I I , 9,13.17 ff; 11,24; 17,3f.; 17,39; 21,10; I I I , 7,18; 2 4 , 1 1 0 . 1 1 8 ; I V , 4,14; denn am Handeln gegenüber der Theorie, der Tat gegenüber W o r t u n d R e d e n , erweist sich der stoische Weise. V g l . auch Sen vit. b . 17,3: „ F ü r jetzt sage ich nur das eine: ich bin kein Weiser - u m dich vollends ge gen mich einzunehmen — aus mir w i r d auch niemals einer w e r d e n . Verlange d o c h nicht von mir, daß ich es mit den Besten aufnehmen k a n n , sondern höchstens, daß ich besser sei als die Schlechten. M i r genügt es, w e n n ich täglich meine Fehler etwas zu verringern u n d mein Irren zu beklagen vermag". D i e wichtigsten Elemente des Ideals der persönlichen V o l l k o m m e n h e i t sind nach Epiktet „die unbe dingte E r g e b u n g in den Weltenlauf, die Zufriedenheit mit allem Geschehenden, die innere E r h e b u n g über alle Ü b e l des L e b e n s , die Freiheit v o n Furcht, Trauer u n d Angst, überhaupt von allen die freie Selbstbestimmung störenden A f f e k t e n u n d Leidenschaften" ( A . B o n h ö f f e r , Ethik 6 0 ) . Z u m Verständnis der V o l l k o m m e n h e i t als der Verwirklichung aller T u g e n d e n vgl. S V F I I I , 299; I I I , 557. D e m Fortschreiten hat Epiktet ein eigenes Lehrstück g e w i d m e t , Epikt 1,4: -nepi TTpOKOTTriq ; v g l . Epikt E n c h 5 1 , l f .
reichbar, als sie in der Selbsterkenntnis des Menschen grundsätzlich angelegt ist und in dem naturgemäßen Gebrauch der Vorstellungen zu ihrem Ziel kommt, vgl. Epikt III,
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1,2s .
Überblicken wir nun den hier kurz angedeuteten Vollkommenheitsgedanken in der religiösen und profanen Tradition, so sehen wir: Das Streben nach ethischer Voll kommenheit ist ein verbreitetes Motiv der biblischen und außerbiblischen jüdischen Überlieferung wie auch der zeitgenössischen Popularphilosophie. Daß unser Jak mit seiner Vollkommenheitsforderung von der traditionellen Umwelt beeinflußt ist, ist kaum grundsätzlich in Frage zu stellen. Ist es die Ganzheit und Ungeteiltheit des A T , die mit dem Wortstamm t - m - m gemeint ist, die Vollkommenheit durch Gesetzes treue und Beobachtung aller Gebote (Frühjudentum) oder ist hier eher an die Ver bindung des Zusammenwirkens aller Tugenden zu denken, die in Weiterführung der Vorstellung von der aristotelischen r e X e i a a p e r i ? das hellenistische Vollkommenheits ideal bestimmt? Daß sich die Linien nicht völlig voneinander trennen lassen, zeigt die das alttestamentliche Erbe in der Konfrontation mit der hellenistischen Welt ver tretende Sapientia Salomonis, vgl. die genannte Stelle Sap 9,6 . 2
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Nun wird allgemein das reXeioe-Verständnis des Jak von der atl. Ganzheit und Ungeteiltheit her verstanden ; berücksichtigt man aber das parallele öXö/cXrjpoe , so wird der Einfluß des hellenistischen reXeioc-Gedankens nicht zu übersehen sein. öXö/cXi?poc bezeichnet oft die Vollständigkeit und ist in der Verbindung mit re'Xeioe nicht sel ten belegt: Dio Chrys Or. 12,34; Plut De comm. notiis 1069f.; Quaest conv II, 636f.; Philo De migr Abr 33; De sacrif. A b et Caini 43; vgl. Deus Imm 4; De Abr 47. A u f die Vollständigkeit zielt auch Sap 15,3; 4Makk 15,17. Freilich ergibt sich aus unse rer Darstellung des Vollkommenheitsgedankens in der Popularphilosophie der bezeich nende inhaltliche Unterschied, daß gegenüber dem Leidensmotiv im Jak und der christlichen Tradition in der Stoa nicht das Durchhalten und Durchstehen der Leiden und Bedrängnisse, d.h. deren positive Bewältigung die Vollkommenheit erwirken, son dern gerade die Unberührbarkeit und Unbeeinflußbarkeit durch alle äußeren Widrig keiten angesichts der Selbstverfügbarkeit des Menschen den Vollkommenen ausmachen, 4
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Halten wir den Gedanken unseres Autors bis hierher fest: Jak l,2f. nimmt eine im Weisheitsstil geprägte, wohl fest formulierte Tradition auf und greift in diese Über lieferung nicht weiter ein; gegenüber dem christologisch-soteriologischen Verständnis von IPetr l,6f. oder der von der Kreuzestheologie beeinflußten paulinischen Entfal tung der Überlieferung Rom 5,3—5 legt unser Autor in 1,4 das Motiv von der Freu de im Leiden auf die Vollkommenheit des Christen hin aus. Auch unsere Schrift geht wie IPetr 1,6f. und Rom 5,3—5 vom Glauben aus; dieser aber bedeutet noch nicht selbst das ganze Heil, sondern muß sich bewähren und zur Vollkommenheit kommen, vgl. auch Jak 2,21 ff. Das geschieht dadurch, daß er den Menschen in An6
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„ D a s reXeioq des Menschen als X Ö 7 0 c - W e s e n ist ... dann erfüllt, w e n n der X Ö 7 0 C im Menschen in seinem konkreten Verhalten mit dem A I I - X Ö 7 0 C vollständig übereinstimmt" ( U . Wilckens, Weisheit u n d Torheit; Tübingen 1959, 243 f . ) . D a ß Gesetzestreue u n d der G e d a n k e des Durchhaltens in den Zeiten der N o t in einem Z u s a m menhang stehen, w e r d e n wir n o c h sehen, vgl. unten S. 63f. Sap 8,7 w e r d e n die Früchte der Gerechtigkeit in den vier Kardinaltugenden gesehen. So zuletzt Schräge, K a t h . B r . 15; M u ß n e r , Jak 66; vgl. Delling, A r t . reXetoq , 75 f.; Dibelius, Jak 103 versteht r e X e t o t Kai öXÖkXtjpol im Sinne der „sittliche(n) Integrität". V g l . den Ü b e r b l i c k bei W . Foerster, Art. bXÖKXripoq; in: T h W N T I I I 765f. V g l . O . Michel, Rom 132f.
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fechtung und Bedrängnis hält und zum Durchhalten und Ertragen befähigt. Solcher Glaube, der sich als unbedingtes und nichtzweifelndes Vertrauen auf Gott und sein Erprobungshandeln einläßt, führt den Christen zur Vollkommenheit.
4.
Die Bindung der Vollkommenheit
an die Weisheit (Jak 1,5)
Die von unserem Autor vorgenommene Auslegung der besprochenen Tradition auf das theologische Ziel der Vollkommenheit muß in einem weiteren Zusammenhang ge sehen werden, denn V.4 ist sachlich eng an die von Gott kommende Weisheit gebun den, V.5. Dieser oft bestrittene Zusammenhang legt sich einmal vom Text unseres Briefes selbst her nahe: Mit ev ßrjöevi XetnönevoL wird der erste Gedanke scheinbar abgeschlossen. Die nun folgende die erste Mahnung erweiternde und begründende Einheit knüpft mit dem Stichwortanschluß ei ... Xe'meTai an V.4 an und bringt zum Ausdruck, daß Vollkommenheit nur da möglich ist, wo die erbetene Weisheit zum Wirken kommt. Dieser Anschluß ist keineswegs so zu verstehen, daß hier zwei unab hängige und beziehungslose Spruchreihen, die allein aus sich heraus zu erklären wä ren, durch den Stichwortanschluß formal miteinander verbunden werden , sondern der gegebene sachliche Zusammenhang wird durch den Anschluß ei ... Xe'nxeTai auch formal hergestellt. 1
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Über diese Beobachtung hinaus ist dann aber vor allem zu bedenken, daß der inhalt liche wie auch der terminologische Zusammenhang von Vollkommenheit und Weisheit in allen religionsgeschichtlichen Strömungen nachgewiesen werden kann, sowohl im A T , Frühjudentum wie auch in der zeitgenössischen Philosophie . Wird die Verbin dung im hebräischen A T nur in der Spruchweisheit erkennbar, Prov 2,7; 29,10, so daß man nicht eigentlich von einem atl. Gedanken sprechen kann, so verdichtet er sich doch in der frühjüdischen Weisheit und der apokalyptischen Literatur, vgl. 1 QS 4,22; 1 QH 1,36; 1 QSa 1,28, vgl. 1 QS 9,18; Sap 9,6; 6 . 1 2 - 2 5 . 5
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V g l . A. 3. V g l . o b e n S. 2. S o J. Schneider, die Kirchenbriefe ( N T D 10), Göttingen 1967, 6; Windisch, K a t h . B r . 6; D i b e lius, Jak 106. Dibelius, e b d . , vertritt die Meinung, durch den Stichwortanschluß w o l l e der A u t o r v o n ev nrjSevi Xemöixevoi auf das G e b e t k o m m e n . Die zentrale Bedeutung der Weisheit im vorliegenden Z u s a m m e n h a n g kann er aber nur deshalb übersehen, weil nach seiner Ansicht der A u t o r ihren „uneingeschränkten Besitz" nicht als notwendig für den Christen erachtet. Damit aber wird ein wesentlicher theologischer Gesichtspunkt des Briefes übersehen. V o m G e b e t , das Dibelius für das eigentliche T h e m a von V v . 5 - 8 hält, ist aber w o h l primär deshalb die R e d e , weil G o t t die Weisheit nur auf die Bitte des Menschen hin schenkt. Das G e b e t u m Weisheit hat in der Tradition schon eine wichtige R o l l e gespielt, vgl. nur Sap 8,21; 9,1 ff. A u c h in 3,13 steht die Weisheit mit der V o l l k o m m e n h e i t in einem inhaltlichen Zusammenhang, vgl. o b e n S. 9 u n d weiter unten S. 44ff. V g l . den gründlichen Überblick bei M u ß n e r , Jak 68 und Schräge, Kath. Br. 15f., der besonders auf die frühjüdische Weisheitsliteratur hinweist. Schon Spitta, Jak 20 hatte auf Sap 9,6 aufmerk sam gemacht. V g l . auch den sachlichen Z u s a m m e n h a n g in 11 Q P s X V I I I , 3 - 5 : V e r b i n d e t mit den G u t e n eure Seelen und ( d e n ) V o l l k o m m e n e n , ( d e n ) Höchsten zu preisen! K o m m t zusammen, k u n d z u t u n seine Hilfe, und zögert nicht, k u n d z u t u n seine Stärke und seinen R u h m allen Einfältigen! D e n n k u n d z u t u n Jahwes Herrlichkeit, ist ( d i e ) Weisheit gegeben. ( Ü b e r s e t z u n g nach D . Lührmann, Ein Weisheitspsalm aus Q u m r a n (11 Q P s X V I I I ; in: Z A W 80 (1968), 87-98.89). a
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Zweifellos konstitutiv ist er auch in der zeitgenössischen Popularphilosophie gege ben . 1
Diese Gründe dürften es nahelegen, die Weisheit in unserem Kontext als den Ver ständnishorizont der Vollkommenheitsforderung zu betrachten; erst in der von Gott kommenden Weisheit wird das in V.4 geforderte ethische Ziel möglich. Grundlegend für das Verständnis von Weisheit im Jak ist der Gedanke, daß sie keine Eigenleistung des Menschen als selbstmächtiger Verwirklichung ist und so allein in menschlichem Bemühen begründet wäre, sondern nur als Gabe von Gott erbeten werden kann . Daß von Gott als alleinigem Geber die Weisheit ausgehen muß, um für den Menschen greifbar zu werden , unterstreicht vor allem die frühjüdische Weisheitstheologie, vgl. Sir 1,1; 1,26; vgl. 39,6; 24,2f.; 17,11; Sap 7,7.15; 8,21; 9,4, vgl. 9,2; ihr eigentli cher Gegenstand ist solche Weisheit und dem wendet sich jene Lehre z u . 2
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a)
Die Entfaltung der frühjüdischen Weisheit in ihren Hauptvertretern
Aus der Verbundenheit unseres Briefes mit der Weisheit des frühen Judentums ergibt sich notwendig die Frage nach ihrem Verständnis in den Weisheitsschriften. Dabei kann es nur darum gehen, die Entfaltung der Weisheit in einigen für unsere Frage stellung wesentlichen Gesichtspunkten zu beobachten , um von hier aus dem Pro blem des Hintergrundes unseres Textes und anderer Weisheitsaussagen im Jak nach zugehen. 5
a)
Jesus Sirach
Die Entfaltung der Weisheit in Israel hat verschiedene Ausformungen und Vorstellun gen hervorgebracht, von der Erfahrungsweisheit des Anfangs über jene Krise, die Hiot) und Qohelet radikal anzeigen, bis hin zur nachexilischen Gestalt der Offenbarungs weisheit in den verschiedenen Ausgestaltungen. In dieser Entwicklung gewinnt die Weisheit des Jesus Sirach große Bedeutung und weitreichenden Einfluß . Sie unter scheidet sich vielfältig in Fragestellung und Ausdrucksform von der älteren Weisheit, so sehr Sir auf die Lehrüberlieferung der Alten hinweist und so sehr er vor deren Verachtung warnt, vgl. Sir 8,9. Aber die neue Situation und geschichtliche Stellung wird doch deutlich. Sie besteht in der aufkommenden Auseinandersetzung mit dem 6
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S V F I I I 557, vgl. S V F I I I 589; vgl. auch B o n h ö f f e r , D i e Ethik 1 4 7 - 1 4 9 ; Epictet u n d die Stoa 2f. Ist die These zutreffend, d a ß die V o l l k o m m e n h e i t s f o r d e r u n g in ihrem weisheitlichen H o r i z o n t ihre eigentliche B e d e u t u n g gewinnt, dann leidet die v o n W . Schräge, K a t h . B r . 15 v o r g e n o m m e n e Ausle gung, daß das T u n das „Sein des Menschen" konstituiere, unter einer verzerrenden Verkürzung; d u r c h die v o n G o t t k o m m e n d e Weisheit w i r d ja erst das T u n ermöglicht. S c h o n H i o b spricht d a v o n , daß die Weisheit bei G o t t ist; sie ist aber auch für den Menschen unerreich bar, w i e 28,20ff sehr radikal z u m A u s d r u c k bringt. V g l . G . von R a d , Weisheit in Israel, 3 1 1 . Eine Studie zu Prov 1 —9 hoffe ich demnächst vorlegen zu können. Umfassende A r b e i t e n zu d e n Weis heitsschriften sind bei J. M a r b ö c k , Weisheit im W a n d e l ( B B B 3 7 ) ; B o n n 1971, 3.6 A . 2 verzeichnet, vgl. nun noch: B . L a n g , F r a u Weisheit, Düsseldorf 1975. Bei Sir geht es programmatisch u m das T h e m a der Weisheit, wie J. M a r b ö c k , Weisheit herausar beitet.
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hellenistischen Geist . Formal zeigen das die überschriftartigen Übergänge der A b schnitte an , auch in der Tatsache, daß Sirach „seine Gedanken nur ganz selten in selbständigen Einzelsprüchen ausdrückt, sondern in der Regel bestimmte feste Thema ta in größeren Einheiten behandelt, liegt eine Neuerung gegenüber der älteren Weis heit" . Zeugen diese Neuheiten von einer Berührung mit hellenistischen Literaturfor men, so wird die auch inhaltliche Auseinandersetzung mit dem hellenistischen Ein fluß in jenem Weisheitslied greifbar, das uns im Prolog des Buches vorliegt und eine gute Einsicht in die Gedankenwelt des Jesus Sirach vermittelt, Sir 1,1 — 10. Gleich zu Beginn seines Buches betont Sir, daß alle Weisheit vom Herrn kommt (iräaa oo<j>ia 2
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Tiapä
Kvpiov)
und
bei ihm
auf ewig ist. Diese über Prov 1,7
(äpxri
oo<j>iaq
Qößoq
9eov) hinausgehende Aussage muß in ihrem geistesgeschichtlichen Zusammenhang ge sehen werden . Solche theo - logische Weisheit ist dabei immer sowohl das dem Menschen gegenüberstehende Objekt wie auch die vom Menschen zu praktizierende Weisheit, die man von Gott empfangen kann und aufnehmen muß , vgl. Sir 24,19— 22. Hier aber vollzieht sich ein entscheidender Wandel gegenüber der Funktion der Weisheit in der Tradition: war die israelitische Weisheit, wie sie uns in Hiob, Qohelet und weithin auch Prov begegnet, eher universal ausgerichtet und von „allgemein menschlichem Gepräge" , wendete sie sich im wesentlichen an den Einzelmenschen und sein Geschick, ohne ihn in die Geschichte und den Weg des Volkes oder Bundes hineinzunehmen, so tritt nun das Neue hervor: Weisheit wird als exklusive Gabe Got tes an sein Volk verstanden und hat in Israel eine Bleibe gefunden. Die neue Einbe ziehung in die Geschichte Israels zeigt sich unübersehbar in dem gegenüber der weit hin geschichtslosen älteren Weisheit überraschenden Lob der Väter, Sir 44ff. 4
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V g l . M . Hengel, Judentum u n d Hellenismus ( W U N T 10); Tübingen 2. A u f l . 1973, 241 ff. N a c h M . Hengel, Judentum 242, zeugen diese Eigenheiten v o m Einfluß „ v o n hellenistischen G e b r ä u chen" u n d stellen „ein N o v u m in der hebräischen Dichtung" dar. Hengel, Judentum 242; vgl. auch 242 A . 1 8 3 . „ A u c h diese Einheiten lassen keinen inneren A u f b a u erkennen; sie sind eher als Traditionskörper zu beurteüen, in denen sich allerlei Einschlägiges, Altes, Bekanntes, aber auch N e u e s , Überraschendes zusammengefunden hat" (v. R a d , Weisheit, 310 A . 2 ) . Hier ergeben sich gewisse formale Parallelen z u m Jak. Vergleichbar ist vielleicht die mangelnde Dis position; auch die Behandlung v o n einzelnen T h e m e n in mehr o d e r weniger umfangreichen Sprcheinheiten ist j a charakteristisch für den Jak. Wichtig ist aber, daß die Spruchreihen des Sir sich im G r u n d e mit einem T h e m a , nämlich der Weisheit, beschäftigen. R . S m e n d , D i e Weisheit des Jesus Sirach, Berlin 1906, X X I I I : „ I n diesen W o r t e n , die er an die Spitze seines Buches stellt, formuliert er die Kriegserklärung des Judentums gegen den Hellenismus"; vgl. auch Hengel, Judentum, 252. A u c h J. M a r b ö c k , Weisheit im W a n d e l , der die antihellenistische T e n denz des Buches nicht annehmen will (vgl. 172), macht darauf aufmerksam, daß Sirach die N o t w e n digkeit sah, „ z u b e t o n e n , daß alle Weisheit v o n G o t t k o m m t , da die Juden Palästinas vor allem in den griechischen Städten, aber auch in Jerusalem mit der hellenistischen Welt in Berührung kamen"(31). D e m n a c h ist ein Gegensatz zwischen „theoretischer" und „praktischer" Weisheit bei Sirach nicht möglich. J. Fichtner, Z u m P r o b l e m G l a u b e und Geschichte in der israelitisch-jüdischen Weisheitsliteratur; in: T h L Z 76 ( 1 9 5 1 ) , 1 4 5 - 1 5 0 . 1 4 5 . E . Zenger, D i e späte Weisheit u n d das Gesetz, in: Religion u n d Lite ratur des Frühjudentums (hrsg. v. J. Schreiner u. J. Maier) Gütersloh/Würzburg 1973, 4 3 - 5 6 . 4 5 be obachtet diese B e w e g u n g gut, w e n n er darauf hinweist, daß gegenüber d e m mehr anthropologischen Verständnis von Weisheit ( „ d a s richtige Verhältnis zu J a h w e " ) in der älteren Weisheit die jüngere Weis heit theologischer vorgeht: „ E c h t e Weisheit, die das L e b e n meistern läßt, k o m m t von Jahwe als seine G a b e . Zugleich deutet sich mit dieser Akzentverlagerung v o m menschlichen z u m göttlichen Aspekt echter Weisheit die Möglichkeit an, das P h ä n o m e n Weisheit expliziter in den Jahweglauben u n d in die Geschichte Jahwes mit Israel zu integrieren, als dies in der älteren Weisheit deutlich w a r " . Zenger stützt seine B e o b a c h t u n g vor allem auf entscheidende Phasen des Buches H i o b ; man kann diese Be w e g u n g aber durchaus weiter b e o b a c h t e n .
Diese Geschichtskonzeption der Weisheit hat Konsequenzen; denn von hier aus wird die konstitutive Bindung von Weisheit und Gesetz möglich . Im Gesetz ist Israel die Weisheit gegeben, und das Gesetz ist Ausdruck der Weisheit, vgl. Sir 24,23; wohl ist auch in Prov etwa die Weisung mit der Weisheit verbunden , vgl. Prov. 3,1; 7,1 f., doch ist bei Sir unter dem Gesetz ganz die Tora Mose verstanden. Dieser Gedanke des Sir fügt die Sinai-Offenbarung und die Offenbarungsweisheit zu einer großen Ein heit zusammen: Weisheit und Gesetz werden miteinander identifiziert, vgl. Sir 1,26; 6,37, vgl. 38,34; 15,1; 17,11; 19,20; 21,11; 24; u.a. 1
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G. von Rad hat gegen die auch hier angenommene Identifikation von Weisheit und Gesetz als wesentlichen Gesichtspunkt des Sirach-Buches Bedenken angemeldet: „Nicht die Weisheit gerät in den Schatten der Großmacht der Tora, sondern umgekehrt se hen wir Sirach damit beschäftigt, die Tora von dem Verstehenshorizont der Weisheit her zu legitimieren" . Richtig ist sicher, daß der Gegenstand der Lehre des Sirach nicht die Tora, sondern die Weisheit ist. Ganz zu Recht stellt von Rad der Auffas sung von einer „nomistischen Weisheit" in dem Buch die Gegenfrage: „Wo sind denn nun in der Unzahl der Mahnworte und Ratschläge, die in die Weisheit eingedrungenen Materialien der Tora, wo läßt sich denn die Tora als eine in die Weisheit eingedrunge ne neue Norm erkennen? " ; natürlich geht es nicht darum, in Sir einen fest geschlos senen Bund zwischen Nomismus und Weisheit zu sehen , aber die Tora erfüllt hier die Funktion des Auslegungsprinzips der Weisheit, insofern die Weisheit im Gesetz 4
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Natürlich kann auch Sir wie Prov die Weisheit als Gottesfurcht definieren, vgl. 1,14; d o c h besteht in der gleichen Aussage zwischen dem Proverbienbuch u n d Sir ein wesentlicher Unterschied: w a r Gottes furcht in der älteren Weisheit eine allseits bekannte G r ö ß e , nämlich die mehr „existentielle H a l t u n g " des Wissens des Menschen „ u m seine Gebundenheit an G o t t , insonderheit seine Verpflichtung zum G e h o r s a m gegenüber dem göttlichen W i l l e n " ( G . von R a d , Weisheit 3 1 3 ) , so ist bei Sirach unter G o t tesfurcht in erster Linie die Beobachtung der T o r a verstanden, vgl. etwa 38,34; 19,20.24. V g l . auch D t 4,6—8: D i e Befolgung der G e b o t e wird Israel von den anderen V ö l k e r n als Weisheit aus gelegt. Z u dem P r o b l e m des Verhältnisses von Weisheit und Gesetz bei Ben Sira hat sich jüngst J. M a r b ö c k ge äußert: Gesetz u n d Weisheit - Z u m Verständnis des Gesetzes bei Jesus Ben Sira, in: B Z 2 0 ( 1 9 7 6 ) , 1—21. E r sieht im Gesetz weniger die Mosetora im engeren Sinn als das Weltgesetz, „das S c h ö p f u n g und Geschichte durchwaltet" ( 8 ) . „ D i e T o r a wird zu « i n e m Teil der universalen Weisheit Gottes, die in der Schöpfung grundgelegt ist" ( S . 6 ) . N u n läßt sich aber nicht übersehen, daß Sir nicht nur v o m Gesetz als der schöpfungsmäßigen O r d n u n g spricht, sondern mitunter ausdrücklich das Tun des Ge setzes in den V o r d e r g r u n d stellt, vgl. Sir 19,20.24. D i e A n a l y s e Hengeis, Judentum, 253f., der in der T o r a Gottes exklusive G a b e an Israel sieht, die G a b e , in der die Weisheit dem erwählten V o l k zu k o m m t , ist entgegen der Ansicht M a r b ö c k s ( 8 f . ) nicht überzogen, sondern durchaus begründet, vor allem auch vor dem Hintergrund der geistesgeschichtlichen Analyse des Buches Sir, zumal, w e n n man das Verhältnis von Gesetz, Weisheit und Erwählung berücksichtigt, das, w i e M a r b ö c k , Gesetz und Weis heit 11, darlegt, in der Weisheitsliteratur bei Sir erstmalig bedacht wird. Weisheit ist auf diesem Hin tergrund bei Sir dann nicht das „Gesetz des L e b e n s " ( M a r b ö c k , Gesetz und Weisheit 5 ) , sondern Weis heit manifestiert sich primär im Halten der dem V o l k gegebenen G e b o t e . D a ß mit dem Gesetz aber prinzipiell die Mosetora in A b w e h r autonomer, gesetz-loser Weisheitsvorstellung gemeint ist, macht j a die Erwählungsvorstellung u n d -theologie erst sinnvoll, die weisheitstheologisch damit begründet und formuliert w i r d , „ d a ß die Weisheit ihren gültigen Ausdruck, ihren Wohnsitz und ihre Fülle im Gesetz gefunden hat, das Israel zu wahren und zu lehren anvertraut ist"(Marböck, Gesetz u n d Weisheit 13). Diese Formulierung scheint im übrigen d o c h in die von M . Hengel vorgeschlagene Richtung zu gehen, die u.E. zutreffend und begründet ist. G . v o n R a d , Weisheit 316. Weisheit 314. Vgl. ebd.
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Israel greifbar wird und das Gesetz Ausdruck der Weisheit ist. Diesen Gedanken be stätigt die wichtige Aussage Sir 19,20: „Alle Weisheit ist Furcht des Herrn, und in al ler Weisheit liegt Tun des Gesetzes" in ihrem Kontext, und in Sir 24 wird die Weis heit dann „zur exklusiven Gabe Gottes an Israel" . Diese offenkundige Verknüpfung von Weisheit und Gesetz kann man wohl kaum zu einer sekundären Erscheinung rela tivieren, Lidern man zugesteht, Sirach lasse sich „in seinem didaktischen Eifer ... gele gentlich auch zu pauschalen Identifikationen hinreißen" . Sir läßt sich keineswegs nur gelegentlich zu solcher Identifikation „hinreißen", wie der mit Bedacht in die Mitte des Buches hineingestellte schon erwähnte Weisheitshymnus Kap. 24 vermuten läßt, vgl. 24,23. 1
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Halten wir fest: es wäre sicher zumindest mißverständlich, die Weisheit des Sirachr. Buches als „nomistische Weisheit" zu bezeichnen, aber Weisheit und Gesetz werden doch miteinander identifiziert. So muß man sich die Frage stellen - und damit kom men wir auf den schon angedeuteten geistesgeschichtlichen Gesichtspunkt zurück —, welche Gründe Sirach veranlaßt haben, die Weisheit mit Hilfe der Tora auszulegen. 3
G. von Rad will eine antihellenistische Tendenz des Sirach-Buches nicht sehen: „Daß Sir 24 als eine tendenziöse, d.h. antihellenistische Modifikation von Prov 8,22ff zu verstehen sei um den Vorzug der Wahrheitserkenntnis Israels darzutun, ist un wahrscheinlich. Die Aufgabe, die sich die Lehrdichtung Sir 24 gestellt hatte, war ... eine Verbindung herzustellen zwischen der Urordnung und der Tora. Etwas Bestimm teres über Sirachs Verhältnis zum Hellenismus läßt sich aus dem Buch nicht entneh men" . Man kann diese geistesgeschichtüche Bewertung bezweifeln . Schon die er wähnten Neuerungen gegenüber der älteren Weisheit, die zunächst formaler Natur sind, weisen auf den hellenistischen Einfluß hin . Aber auch die Thematik legt die Berührung mit der hellenistischen Welt nahe: Die Verbindung von Weisheit und Tora gab Ben-Sira „die Möglichkeit, ein fremdes, autonomes Weisheitsideal abzulehnen, das die Bindung an das Gesetz verweigerte und das für Ben-Sira Gottlosigkeit bedeutete" . Nicht ohne Grund ist auch die Frage nach der Freiheit ein ganz wesentliches Problem für Sirach, worauf M . Hengel mit Recht hinweist . 4
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Wir sehen: Die Entfaltung der Weisheit bei Sirach wird konsequent mit dem Gesetz verbunden. Alle Weisheit kommt von Gott, er hat sie seinem erwählten Volk in der Tora mitgeteilt und offenbart. Die Weisheit Gottes hat auf Erden eine Wohnung ge sucht, in Israel hat sie diese gesuchte Wohnung gefunden . Aufgabe der Juden ist es, durch Gesetzestreue nach dieser Gabe Gottes zu streben, vgl. Sir 1,26. Dieser Gedan9
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H e n g e l , J u d e n t u m 253f. „Weisheit u n d Gesetz sind praktisch eins g e w o r d e n , u n d Ben-Sira bringt dies d a d u r c h z u m A u s d r u c k , d a ß er den g r o ß e n Weisheitshymnus ( c . 2 4 ) , in d e m diese V e r schmelzung vollzogen w i r d , in die Mitte seines Werkes stellt" ( 2 5 3 ) .
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v o n R a d , Weisheit 315. S o zu einseitig J. Fichtner, D i e altorientalische Weisheit in ihrer israelitisch-jüdischen A u s p r ä g u n g ( B Z A W 6 2 ) G i e ß e n 1933, 97. G . v o n R a d , Weisheit 330 A . 2 4 . V g l . die umfassende u n d sorgfältige Darstellung bei Hengel, Judentum, 241 ff; J. M a r b ö c k , G e setz u n d Weisheit, sieht z w a r das Verhältnis von Gesetz und Weisheit anders, betont aber aus drücklich die Berührung Sirachs mit dem Hellenismus seiner Zeit; vgl. bes. S. 20f. Vgl. o b e n S. 34. H e n g e l , J u d e n t u m 254. V g l . J u d e n t u m , 255. V g l . auch F . Christ, Jesus S o p h i a ( A T h A N T 5 7 ) , Zürich 1970, 36f.
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ke ist nicht ohne die Berührung mit dem hellenistischen Weisheitsideal zu verstehen, das dem Juden für sein Welt- und Gottesverständnis als Gefahr erscheinen mußte. Zweifellos erscheint hier Sir gegenüber der älteren Weisheit verengt; doch verfolgte sei ne Konzeption das Ziel, das Erbe Israels in den schweren Zeiten der äußeren und gei stigen Bedrohung aus der Krise herauszuführen und zu wahren. Ist der Gedanke der Weisheit durch das Gesetz bestimmend für das Buch, so fällt doch ein zweiter theolo gischer Gesichtspunkt ins Gewicht, der den Menschen zur Weisheit führt bzw. ihn für die Weisheit empfänglich macht: Weisheit durch Leiden und Anfechtung , vgl. Sir 4,11 — 19: Die Weisheit erlangt, wer auf sie vertraut, sie erprobt den Menschen durch ihre Versuchungen, sie deckt ihm ihre Geheimnisse auf oder verwirft ihn und gibt ihn den Verwüstern frei. Nur durch das nichtzweifelnde Vertrauen wird die Versuchung bestanden und die Weisheit erlangt. Freilich darf dieser Gedankenkreis der Weisheit durch Leiden und Erprobung nicht isoliert von der Gesetzestheologie des Sirach ge sehen werden. Beide Gesichtspunkte, von denen der Weg des Gesetzes jedoch im Vor dergrund steht, „sind vielmehr eng aufeinander bezogen! Leid und Versuchung sind ja nicht einfach gleichzusetzen mit dem Durchmachen von Krankheit, Verfolgung und Sterben. Dieses Leiden als Versuchung und Anfechtung entsteht gerade am Gebot, am Gesetz G o t t e s " . 1
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ß)
Sapientia
Salomonis
Als ein wichtiges Stadium der Entfaltung der Weisheit in Israel muß die Sapientia ge sehen werden. Zudem hat die Schrift ihre besondere Bedeutung für den Jak, wie sich vor allem im nächsten Kapitel zeigen wird. Terminologische wie sachliche Analogien lassen vermuten, daß dem Autor des Jak die Gedankenwelt der Sap nicht unbekannt geblieben ist: Die Weisheit wird dem Menschen- aufgrund seiner Bitte von Gott gege ben, Sap 7,7; 9,4; 9,10; 9,17; 8,29, vgl. lHen 101,8, und Weisheit und Vollkommen heit stehen in engem gegenseitigem Zusammenhang, Sap 9,6. Wie Sirach, so hat auch Sap die Universalität der älteren Weisheit stärker an die Ge schichte Israels gebunden und damit aus der ursprünglichen Weite herausgehoben und dem nationalen Volksglauben zugeordnet: Weisheit ist auch hier konstitutiv mit dem Gesetz verbunden . Das Problem der Vergeltung hingegen, das Sirach noch mit der diesseitigen Vergeltung lösen konnte, wird nun mehr und mehr ins Jenseits verlegt. 3
Grundlegend für die Weisheitsvorstellung in der Sap ist jene hypostasierende Divinisierung der Weisheit Kap. 6—9, die zweifellos eine Entwicklung gegenüber der Tradition darstellt: sie ist Urheberin, 7,12, ein Hauch der Kraft Gottes, 7,25, sie wohnt mit Gott zusammen, 8,3 und ist seine Throngenossin, 9,4. Solche verborgene Weisheit wird dem Menschen durch Einweihung in sie zugänglich.
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V g l . U . L u c k , Weisheit und L e i d e n ; in: T h L Z 92 ( 1 9 6 7 ) , 2 5 3 - 2 5 8 ; vgl. auch Hengel, Juden tum 253f. U . L u c k , D e r Jakobusbrief und die Theologie des Paulus; in: T h G 1 6 1 ( 1 9 7 1 ) , 1 6 1 - 1 7 9 . 1 7 2 . V g l . nur 6 , 1 6 - 2 0 . Bezeichnend ist 9,1 ff das G e b e t des S a l o m o u m Weisheit aus der Erkenntnis heraus, „allzu gering an Verständnis des Urteils und der Gesetze" ( 9 , 5 ) zu sein; die Weisheit w e i ß , w a s recht ist nach G o t t e s G e b o t e n , 9,9.
37
Charakteristisch für diese Entwicklung ist der apokalyptisierend-dualistische Ansatz je ner Weisheitslehre. Ist dieser Prozeß deutlich durchgeführt in der Beschreibung der Ge rechten und Gottlosen , so wird er auch deutlich im Mittelteil des Buches Kap. 6—9, der das Wesen der Weisheit beschreibt und die Möglichkeit zur Erlangung der Weisheit belehrend vorträgt. 1
Die Gegenüberstellung der Gerechten, die die Weisheit annehmen, und der Gottlosen sowie der Ausblick auf ihr ewiges Geschick sind Grundelemente apokalyptischen Den kens, vgl. lHen 99,10: „Aber in jenen Tagen werden selig alle die sein, die die Wor te der Weisheit annehmen und kennen, die Wege des Höchsten beobachten, auf dem Wege seiner Gerechtigkeit wandeln und mit den Gottlosen nicht sündigen, denn sie werden gerettet werden" . Die Gerechten werden gerettet, mögen sie auch noch so große Leiden erdulden müssen, vgl. lHen 92,3-5; 96,3; 99,10; 103,3f.; 104,1.13; 105,2, die Gottlosen werden umkommen, lHen 94,6f.; 96,1; 97; 99,11; 100,9, ob wohl es ihnen viel besser zu gehen scheint als den Frommen, ihr Leben doch offen bar den gleichen Anfang und Ausgang nimmt, vgl. Sap 2,1 f., doch die Gerechten wer den letztlich über die Gottlosen herrschen, vgl. lHen 96,1. Solcher Gedanke ist die Antwort auf die Situation der inneren und äußeren Bedrängnis, in der Trost und Hoff nung gespendet werden soll . 2
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Ausführlich werden Sap 6 - 9 die beiden angedeuteten Größen gegenübergestellt, vgl. 7,l-6.7ff; 9,5f.; 9,14-16.17 . Mensch und Welt werden hier völlig negativ gesehen: das Leben aller hat den gleichen Eintritt und den gleichen Ausgang, ist es doch vom sterblichen Fleisch bestimmt , das Menschenbild ist ganz vom Pessimismus des in sei ner Geschöpflichkeit begrenzten und vergänglichen Wesens beeinflußt. Dieser Grund ton liegt in der Rede vom durirdq ävdpwnoq , 7,1, oder von der Entstehung en 5
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anepiiaToq
ävbpöq
Kai rjSovriq
v-nvcp ovveXdovorjq,
die völlig negativ gesehen wird.
Ein ähnliches Daseinsverständiiis geht aus 9,5 hervor: Die Einsicht, äuOpcoiroq äodevqq Kai öXiyoxpwLoq zu sein, weist auf die angedeutete Negativität menschlichen Daseins in seiner Beschaffenheit an sich. Diese bezieht sich besonders auch auf das Erkennt nisvermögen des Menschen. Jene vier mit Tic. eingeleiteten rhetorischen Fragen 9,13— 16 begründen gewissermaßen die Nichtigkeit des menschlichen Daseins: keiner kann den Willen Gottes erkennen, denn die Gedanken der Menschen sind hinfällig, wie 9,13 sehr eindrucksvoll sagt.
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V g l . nur Sap. 2. Ü b e r s e t z u n g nach Kautzsch; vgl. auch l H e n 104,12; der rechte W a n d e l aufgrund der A n n a h m e der Weisheit äußert sich natürlich im Beobachten des Gesetzes. D. Georgi, D e r vorpaulinische H y m n u s Phil 2 , 6 - 1 1 ; in: Zeit und Geschichte ( D a n k e s g a b e an R . B u l t m a n n z u m 70. G e b . ) , T ü bingen 1964, 2 6 3 - 2 9 3 , kennzeichnet diesen Dualismus: „ D i e Sapientia läßt die Weisheit, die als der ewige A u s d r u c k des Wesens Gottes und als Prinzip der Welt gesehen w i r d , ganz bei G o t t und in einer von der Erscheinungswelt völlig geschiedenen Welt sein. Diese Dualität tritt einem schon gleich in d e m 1. Kapitel entgegen, und es wird bald klar, daß damit ein Dualismus von Gottes Welt als d e r eigentlichen unvergänglichen Schöpfung und der teuflischen Welt als einer uneigent lichen und todverfallenen Welt gemeint ist" ( 2 7 0 ) . A u f die N ä h e von Sap 1 - 5 und l H e n hat J. Fichtner, D i e Stellung der Sapientia Salomonis in der Literatur- und Geistesgeschichte ihrer Zeit; in: Z N W 36 ( 1 9 3 7 ) 1 1 3 - 1 3 2 . 124f. hingewiesen. V g l . o b e n A . 2. V g l . zu d e m im Hintergrund stehenden Fleisch-Geist-Dualismus E. Brandenburger, Fleisch und Geist ( W M A N T 3 3 ) N e u k i r c h e n 1968, 1 0 6 - 1 1 3 . V g l . schon Sir 1 8 , 8 - 1 0 .
Von diesem Welt- und Menschenbild her ist die Weisheitsvorstellung der Sapientia kon zipiert . Die Hinfälligkeit des irdischen Daseins kann daher nur durch die von Gott gegebene Weisheit, die vom Menschen erbeten werden muß, aufgehoben werden ; durch Einweihung ist sie dem Menschen zugänglich. Eine Fülle von — meist aus dem hellenistischen Einfluß zu verstehenden - höchsten Prädikaten beschreiben das Wesen der Weisheit, wobei die Motive das Gegenteil dessen ausdrücken, was der Verf. über die Nichtigkeit der erdenstofflichen Begrenztheit äußert: ihr Glanz ist unauslöschlich, 7,10, sie ist ein unerschöpflicher Schatz, 7,14, ist strahlend und unverwelklich, 6,12, ihr Anfang ist Verlangen nach Bildung, 6,17; aus der Fülle der Prädikate des Weis heitshymnus 7,22ff seien hervorgehoben: sie durchdringt alles, 7,24, ist ein Hauch der Kraft Gottes, Throngenossin Gottes, 9,4, ein lichter Ausfluß der Herrlichkeit Gottes, des Allherrschers, 7,25, ein Abglanz des ewigen Lichtes und Abbild seiner Vollkommenheit, 7,26. Gegenüber der Nichtigkeit irdischen Daseins vermag sie alles, 7,22, vgl. 7,27 und durchdringt sie alles, 7,24. Diese Weisheit wird dem Menschen auf seine Bitte hin gegeben, vgl. 9,4; dann vermag er, das sonst nichtige Wesen, den Aufbau der Welt zu erkennen, 7,17, ja, überhaupt alles, was verborgen und offenbar war, wird nun für den Menschen zugänglich, 7,21, durch die Weisheit wird der Mensch gerettet, 9,18, erlangt er Unsterblichkeit, 6,19; 8,13.17. Nun werden die sich einan der ausschließenden Sphären, himmlisches und irdisches Dasein, bruchlos miteinander verbunden; indem der Mensch mit der Weisheit Gottes zusammenwohnt, vgl. Sap 6,16; 7,28, wird jeder Bruch zwischen Gott und Mensch aufgehoben. 1
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b)
Die Aufnahme
der Weisheitstradition in Jak 1,5ff
Was ergibt sich aus den gewonnenen Anhaltspunkten für die Weisheitsaussage in Jak 1,5 und seinem Kontext? Wir sahen, in welchem Maße die weisheitliche Tradition in ihrer geschichtstheologischen Konzeption die Verbindung von Weisheit und Gesetz hergestellt hat: im Gesetz wird dem erwählten Volk die Weisheit zuteil und greifba rer Besitz, wie es Sir darstellt, bzw. in der Suche nach ihr, d.h. im Halten der Gebo te, Sap 6,17—20, begegnen sich die Bemühung des Menschen um die Weisheit und ihr Wirken. Den in der Tradition im Vordergrund stehenden Gedanken des inneren Zusammenhangs zwischen Vollkommenheit, Weisheit und Gesetz hat unser Autor hier offensichtlich nicht aufgenommen. Vollkommenheit und Weisheit durch Durchhalten in der Anfechtung ist aber, wie wir auch sahen, ein zweiter mit der Gesetzestheolo gie zusammenhängender wichtiger Gedankenkreis der Weisheitstheologie*, ein Gesichts punkt, der sich auch in der philonischen Theologie niedergeschlagen hat. So ist nach Philo, De Abr 52 der Patriarch „das Sinnbild der durch Belehrung erworbenen Tu gend", vgl. auch Sap 2,6-20. Diesen Gedanken hat unser Brief hier aufgenommen und darauf vor allem den Akzent gelegt. Das wird dadurch deutlich, daß der Verf. mahnt, die Weisheit ev morei zu erbitten, in jenem Glauben, der in der Anfechtung erprobt ist, V.2f. Es ist also jener Glaube, der im Anschluß an die Tradition das Durchhalten in Versuchung und Verfolgung meint, das Vertrauen, das unerschütter lich ist und nicht zweifelt, wie das hiaKpiveoBai V.6 sagt. 4
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V g l . Brandenburger, Fleisch und Geist 108 f. Dieser Gesichtspunkt gewinnt besondere Bedeutung für den Abschnitt Jak 3,13 — 18. V g l . U . L u c k , D e r Jakobusbrief 171 f. D i e Frage von J. T h o m a s , A n f e c h t u n g und V o r f r e u d e 192, o b in 1,5 der paulinische Begriff v o n Weisheit mitschwingt ( „ d a ß G o t t durch das K r e u z , durch das Unter liegen die Mächte dieses Ä o n s entmachtet I K o r 2 , 6 - 8 " ) ist abwegig. W i e in V . 2 steht auch hier 7riartc ohne Qhjp.kt.
39
Mit seiner Mahnung zur Bitte um Weisheit greift unser Autor mit hoher Wahrschein lichkeit auf eine alte Überlieferung zurück, die auch Mt 7,7 / Lk 11,9 wiedergegeben ist: atretre, Kai 5o0T?aerai u / u V . Dafür, daß der Verf. hier eine feste Formulierung aufgenommen hat, spricht die Tatsache, daß das passivische 8o6r\oerai aus der Über lieferung offensichtlich in Spannung zu dem aktivischen 8i8övToq steht . Wollte un ser Autor die Einheit zwischen der Mahnung zur Bitte um Weisheit und der Vollkom menheitsforderung mit dem Stichwortanschluß ei 8e Tic Xebrercu hervorheben, so mußte er in die ihm vorliegende Tradition eingreifen: statt des Imperativs aireire setzt er a t r e t r c o , und um Gott (im Anschluß an die Weisheitstradition) als den Geber aller 2
Weisheit herauszustellen, hat er napä
TOV Sidövroq
deov
naaiv
ä-nXcjq
Kai /zr)
öi>ei5 tfovroq eingefügt. Auch der Kontext der Mt 7,7 / Lk 11,9 zugrundeliegenden Q-Überlieferung spricht bezeichnenderweise von Gott als dem Vater, der allen gute Gaben schenkt, die ihn darum bitten. Dieser sachlich ähnliche Gesichtspunkt spricht sicher auch für einen Zusammenhang der genannten Q-Überlieferung mit unserem auf die Weisheit hin ausgelegten Spruch. Möglicherweise hat auch der Evangelist Matthäus in seinem Zusammenhang an die Weisheit gedacht . 3
Die Wahrscheinlichkeit, daß unser Vers auf eine auch von Mt und Lk aufgenommene Q-Überlieferung zurückgeht und unser Autor diese Tradition unter den Gesichtspunkt der Weisheit gestellt hat, läßt vermuten, daß der ganze Zusammenhang nicht nur „die Art des rechten Gebetes hervorheben w i l l " , sondern sich auf die Bitte um die ver borgene Weisheit richtet und damit die weitere Feststellung von F. Hauck: „Ein Ge genstand des Gebetes wird nicht genannt. Noch an die aoia zu denken, liegt nicht nahe" , unzutreffend ist. 4
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5 . Eine eschatologische Verheißung (Jak 1,12) Mit einer eschatologischen Verheißung schließt unser Autor seine erste Spruchreihe ab, V.12. Deutlich nimmt der Vers Bezug auf die besprochene Tradition l,2f. , die hier nun in den wesentlichen Aussagen wiederkehrt: naKäpioq — o c vnonevei ireipaanöp, ort, S Ö K t / z o c . .. . Daher darf es nicht als wahrscheinlich gelten, daß mit V.12 eine neue Aussagereihe beginnt, wie F. Hauck versucht, plausibel zu machen . Unerklärlich bleibt aber erst recht die Eingrenzung der ersten Spruchreihe, wie sie W. Schräge vorschlägt, wenn er offensichtlich mit 1,12 eine neue Spruchreihe begin nen lassen w i l l , vorher aber erklärt, der Makarismus in V.12 habe mit den folgenden Versen „kaum etwas zu tun, denn es ist hier in ganz anderer Weise von Anfechtung die Rede"; inhaltlich sei V.12 eher auf V v . 2 - 4 bezogen, weil „die Anfechtung auch dort als positiv zu bewahrende Bewährungsprobe aufgefaßt ist, während V . 1 3 - 1 5 sie 6
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Formgeschichtlich handelt es sich u m einen Weisheitsspruch; vgl. S. Schulz, Q - Die Spruch quelle der Evangelisten; Zürich 1972, 162. V g l . auch M u ß n e r , Jak 6 9 . V g l . E . Schweizer, M t 110. H a u c k , Jak 4 5 . H a u c k , e b d . ; vgl. auch Dibelius, Jak 106. D a ß Jak 1,12 an Sach 6,14 ( L X X ) anknüpfe, ist nicht wahrscheinlich (gg. Spitta, Jak 3 0 ) , vor allem w e g e n der fehlenden Erprobungsaussage (ireipaonä;— 5 ö / a / z o c ) , aber auch sonst legt der K o n t e x t eine Anspielung auf die Prophetenstelle nicht nahe.
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Vgl. dazu oben S. 3 A. 3.
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K a t h . B r . 18.
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als Ausfluß der Begierde in die Nähe von Sünde und Tod bringen" . Wegen des feh lenden Artikels vor neipaoßöq denke, so vermutet F. Mußner, unser Autor „nicht an einen bestimmten Peirasmos (etwa Glaubensprüfungen), sondern an jeglichen" . Dem entspricht 1,2: auch hier ist an die vielfältigen Anfechtungen des Alltags gedacht, die zwar nicht als „Glaubensprüfungen" im strengen Sinne zu verstehen sind, aber doch den Glauben immer wieder in Frage stellen. Daß zwischen 1,2 und 1,12 insofern ein wesentlicher Unterschied bestehe, als 1,2 mit ireipaaßol der Plural und 1,12 mit neipaofiöq der Singular stehe, kann kaum angenommen werden, denn auch zwischen dem Sing, epyov, vgl. 1,4.25, und dem Plural epya, vgl. 2,14; 3,13, besteht kein we sentlicher Unterschied. 2
Ein Gesichtspunkt, der hier nicht weiter verfolgt werden kann, könnte unsere Analyse von einer anderen Seite her bestätigen: am Beginn unserer Schrift stehen nach den vorgetragenen Beobachtungen Weisheit, ganzheitliche Vollkommenheit, Versuchung und Bewährung zusammen. Möglicherweise entspricht dem, was unser Autor in 1,12 sagt, das, was Q in der Versuchungsgeschichte zum Ausdruck bringt. Auffälligerweise fol gen in Q der Versuchungserzählung die Makarismen . Sicher ist aber, daß in der QÜberlieferung Makarismus und Verfolgungsmotiv eine Einheit bilden, vgl. Mt 5,11 f. par. 3
Wir können also davon ausgehen, daß in unserem V.12 der Gedanke von Vv.2f. auf genommen wird. Dem, der in den beschriebenen Anfechtungen standhält und in der geschenkten Weisheit zur Vollkommenheit gelangt, spricht unser Autor mit einem eschatologischen Makarismus die Verheißung des unvergänglichen Lebens zu. Ursprünglich geht der Makarismus auf die Weisheit zurück. Das wird daraus deutlich, daß die große Mehrheit der Heilsrufe im A T in den Psalmen und in den Weisheits schriften vorkommen, vgl. etwa Ps 1,1; 31,2; 33,9; 39,5; 83,6; 93,12; 111,1 (alle L X X ) ; Sir 14,1; 14,20 . Nicht ohne Grund werden die beiden Belege aus den histori schen Büchern l K ö 10,8; 2Chr 9,7 im Zusammenhang mit der Preisung der Weisheit Salomos und dem Besuch der Königin aus Saba vorkommen, wie Bauckmann und später E. Neuhäusler beobachten. In der Regel sind solche Makarismen in der drit ten Person gehalten: patiäpioq , ö c o . A . . Dieser weisheitliche Makarismus zielt in er ster Linie auf das, wie K . Koch gut formuliert, „diesseitige Wohlergehen des Menschen. Der weisheitliche Segenswunsch des Menschen gilt dem, der verständig lebt gemäß den von Gott geschaffenen und von den Weisen aufgewiesenen Ordnungen des Lebens" . Ist unser Makarismus 1,12 der traditionellen LXX-Form der Spruch Weisheit nachgebil4
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Schräge, K a t h . B r . 14. M u ß n e r , Jak 85. A u f diesen Gesichtspunkt hat mich W . G r u n d m a n n hingewiesen. E . G . B a u c k m a n n , D i e Proverbien u n d die Sprüche des Jesus Sirach; in: Z A W 72 ( 1 9 6 0 ) , 3 3 - 6 3 . 4 4 zählt 43 ' sre -Stellen im A T , von denen 36 zu d e n Psalmen und zur Weisheitsliteratur zählen. Die Proverbien, 44. A n s p r u c h und A n t w o r t G o t t e s ; Düsseldorf 1962, 143 A . 9 . H a u c k , A r t . paKdpioq ; in: Hauck-Bertram, A r t . jucucdpioc ; in: T h W N T IV, 365-373.366; G r u n d m a n n , L k 141. W a s ist Formgeschichte? ; N e u k i r c h e n 3. A u f l . 1974, 8.
41
1
det (paicäpioq ävrip ), so tritt hier doch das eschatologische Verständnis der Seligprei sung in den Vordergrund. Diese eschatologische Form des Makarismus, die in ihrem zweiten Glied die eschatologische Heilsverheißung hinzufügt, hat ihre Vorgeschichte in der frühjüdischen Apokalyptik , vgl. lHen 58,2: „Selig seid ihr Gerechten und Auser wählten, denn herrlich wird euer Los sein!", vgl. auch Apk Bar (syr) 48,48—50; 52,5—7; 54,16—18. Dieser auch hier vorliegende eschatologische Makarismus spricht Menschen an, „die im letzten Weltgericht gerettet werden und an der neuen Welt An teil erhalten, weil sie hier dem Glauben treu geblieben sind" . 2
3
Die eschatologische Funktion von V.12 wird nun besonders hervorgehoben durch die Formel ore^apoq rfje fcorjc : dem, der in der von Gott verliehenen Weisheit durch den -neipaoptoq gegangen ist, gibt Gott den verheißenen „Kranz des Lebens". Diese Formulierung dürfte kaum von unserem Autor selbst gebildet sein, sondern geht wohl auf eine fest geprägte Formel zurück, die in dieser oder ähnlicher Form vor allem in der weisheitlich-apokalyptischen Tradition oft bezeugt ist: Test X I I Lev 8,2; 8,9 (arecpavoq
rffq
SiKaioovwqq);
Benj 4,1 (ore^avoq
Sö^rjq ) , vgl. 4Makk
17,15, w o der
Kranz das Siegeszeichen des Martyriums bedeutet; Asc Jes 11,40 wird von der „Kro ne der Herrlichkeit" gesprochen, die im Himmel für die Glaubenden aufbewahrt ist; 1QS 4,7f. werden die „Söhne der Wahrheit" zur Krone der Herrlichkeit geführt, vgl. auch den lückenhaften Text lQSb 4,2; 4,28. Philo verwendet das Motiv des Kranzes im Anschluß an das Bild des Wettkämpfers der griechischen Vorfahren und „vergleicht den Wettkämpfer im Stadion mit dem nach Erkenntnis strebenden Mann, der seine Lebensbahn ohne Fall durchläuft u(nd), am Ziel angelangt, die verdienten Kränze und Siegespreise erlangt . . . " . 4
Im N T ist die Formel im Anschluß an die Tradition durchweg als eschatologische Gabe verstanden, vgl. 2Tim 4,8 (ö rf/o.
Tfjq
Scofjq);
IPetr 5,4 (oreavoq
rrjq
bucaioovvriq
areavoq)\
Apk 2,10
(oreQavoq
5ö^i?c), vgl. auch I K o r 9,25. W. Grundmann
will aufgrund der sachlichen Nähe von 2Tim 4,8; Jak 1,12; Apk 2,10, dreier Worte, „die den Leidenden und unter Umständen das Martyrium Erduldenden den Sieges kranz aus der Hand des Herrn zusprechen", eine „gemeinsame paränetische Grundla g e " vermuten ; möglicherweise sei die mit bv eirriyyeiXaTO gegebene Verheißung in einem Herrenwort gegeben . Man kann diese Möglichkeit weder ausschließen noch be weisen. Jedenfalls wird aus der Verwendung des Motivs deutlich, daß unser Autor mit der Verheißung vom „Kranz des Lebens" den Makarismus eschatologisch akzentuiert : Dem, der den ireipaoßöq besteht, wird der eschatologische Besitz des ore^apoq rrjc $torjq verliehen, indem Gott seine Bewährung anerkennt und bestätigt. 5
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D i e o b e n genannten L X X - B e l e g e für d i e atl. Heilsrufe beginnen alle mit ßanäpioq ävrip oder pcLKaioq ävdpcüiroq. A p o k a l y p t i s c h e n T o n trägt auch die F o r m e l 1,12b. K o c h , Formgeschichte, 8 ( m i t zahlreichen Belegen). W . G r u n d m a n n , A r t . arepavot; ;in: T h W N T V I I , 6 1 5 - 6 3 5 . 6 2 7 ( m i t Hinweis auf P h ü o , Migr A b r 133L A r t . OT&t>avcq , 6 2 9 . Ebd. Die F o r m e l TOV; äyairtooiv avröv bestätigt diese Akzentuierung, vgl. dazu unten S. 83.
42
6.
Ergebnis
Die erste Mahnung in unserem Brief, Jak 1,2—12, ist eine Spruchreihe, die zwar weit gehend von der Tradition geprägt ist, aber in der Anordnung und Auslegung der über lieferten Motive den theologischen Gesichtspunkt, unter den unser Autor seine Paränese stellt, erkennen läßt. Der Verf. nimmt in Vv.2f. eine wohl fest formulierte Tradition auf, die zur Freude angesichts der von Leiden und Bedrängnis bestimmten Situation des Christen mahnt, und greift im Gegensatz zu den Paralleltexten Rom 5,3—5; IPetr l,6f. nicht weiter in sie ein. Diese paränetische Tradition legt er in V.4 auf die Forderung zur Voll kommenheit hin aus. Vollkommenheit wird aber erst da möglich, w o der Mensch die Gabe der Weisheit Gottes erfährt, V . 5 . Damit wird die Frage nach der Weisheit zum eigentlichen theologischen Hauptgedanken der Spruchreihe : sie stellt sich als uneinge schränkte Notwendigkeit für den Christen dar und ist durch die Erprobung seines Glaubens, die zur Vollkommenheit fuhren soll, erreichbar. A u f der anderen Seite ist Weisheit aber jene Gabe, die den Menschen überhaupt dazu befähigt, in der Erpro bung zu bestehen, und sie erst ermöglicht seine in jener Bewährung liegende Vollkom menheit, insofern der Christ in ihr zu erkennen in der Lage ist, daß die Anfechtung, in welcher der Glaube immer wieder steht, ein notwendiges Stadium zur Vollkommen heit ist. Solche Weisheit wird dem Menschen von Gott gegeben, wenn er in festem Vertrauen auf seine Zusage bittet. 1
Aus dem die erste Spruchreihe abschließenden V.12 wird schließlich deutlich, daß die ao0ta eschatologisch zu verstehen ist: derjenige, der die Weisheit Gottes empfan gen und so die Anfechtungen bestanden hat, wird seliggepriesen mit der eschatologischen Verheißung des unvergänglichen Lebens, die Weisheit erhält also rettende Funk tion . Der Glaube wird in diesem Gedanken noch ganz von der weisheitlichen Tradi tion bestimmt: im Glauben, d.h. nichtzweifelnden Vertrauen muß der Mensch um die das Heil ermöglichende Weisheit bitten; der Glaube hat hier nicht die Höhe paulinischer Prägung erreicht, besitzt allein nicht heilstiftende Kraft, sondern ist der not wendige Weg des Christen, um für die rettende Weisheit Gottes empfänglich zu sein. 2
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2
Dieser G e d a n k e w i r d d a d u r c h belegt, d a ß das L e i d e n selbst offensichtlich nicht schon n o t w e n d i g zur V o l l k o m m e n h e i t führt, sondern ausdrücklich betont der A u t o r , d a ß der Tteipaofiöq zur ganzheitlichen V o l l k o m m e n h e i t führen soll (epyov rekeiov e x e r c o , 'iva fjre TeXeioi...). D i e A n f e c h t u n g ist tatsäch lich aber nur dann ein W e g zur V o l l k o m m e n h e i t , w e n n sie aus der Weisheit heraus bewältigt w i r d . Dieser Gesichtspunkt tritt n o c h deutlicher im nächsten Kapitel hervor; vgl. dazu S. 70. ( z u 3 , 1 8 ) .
43
B
DAS WESEN DER WEISHEIT (Jak 3,13-18)
I.
Analyse
/.
Der Aufbau von Jak
1
3,13-18
Der Abschnitt Jak 3,13-18 kann als eine systematisch aufgebaute Abhandlung be zeichnet werden: ein Thema wird zu Beginn aufgeworfen, nämlich die Frage nach der Weisheit; der Frage nach dem der Weisheit entsprechenden Verhalten folgt eine positive und negative Definition der ooia mit einem abschließenden eschatologischen Hinweis auf das Gericht: V.13 stellt der Verf. die Frage nach der Weisheit, verbun den mit der aus dem Charakter der Weisheit hervorgehenden Aufforderung, sie in den Werken en naXfiq ävaoTpocpfiq aufzuweisen. Der in den Gemeinden herrschende Streit ist kein Ausweis der „Weisheit von oben"; dieser ist höchstens Ausweis der „Weisheit" der Welt, wie V.16 hervorhebt. Dem hält der Verf. in V.17 eine Defini tion der ävudev ooia entgegen, die dem, der aus dieser Weisheit heraus lebt, die „Frucht der Gerechtigkeit" verleiht. Dieser Aufbau zeigt, daß der Abschnitt nicht lediglich eine Sammlung von überliefertem Spruchgut darstellt, die keine weiteren Rückschlüsse auf den Autor zuläßt, sondern als eine eigenständige theologisch-lehrhaf te Erstellung zu würdigen ist. In ihr setzt sich der Verf. der Schrift mit historisch allerdings nur schwer konkretisierbaren gegnerischen Strömungen auseinander . 2
2.
Jak 3,13-18
und der
Kontext
Unser Abschnitt findet sich zwischen den beiden größeren Spruchreihen 3,1-12 und 4 , 1 - 1 2 . Zwischen 3,13 — 18 und 4,1 — 12 besteht wohl wenigstens ein sachlicher Zu sammenhang; denn das in Kap. 4 vom Autor kritisierte und gerügte Verhalten ist in der Sache nichts anderes als das, was er mit der „irdischen Weisheit" meinte, vgl. 4,4; andererseits entsprechen die Mahnungen 4,7f.l0 den 3,17 aufgezählten Wesens eigenschaften der ävudev ooQia. Man wird allerdings den Zusammenhang nicht allzu eng sehen dürfen, denn in 4,1 ff kommen auch andere Themen, die sonst im Brief schon einmal angeklungen waren, wieder v o r ; insofern wird der Gedanke von 3,13—18 in 4,1 ff nicht direkt fortgesetzt, und auch die Form von 4,1 ff unterschei det sich von 3,13 - 1 8 . 3
4
Das Verhältnis zur vorhergehenden Spruchreihe 3,1-12 ist schwieriger zu bestim men. Es darf aber als wahrscheinlich gelten, daß der für die erste Spruchreihe l,2ff wichtige Zusammenhang von Vollkommenheit und Weisheit auch hier vorausgesetzt ist. Diesen vermuteten Sachverhalt kann folgende Beobachtung nahelegen: Jak 3,8 wird gesagt, daß die Zunge keiner von den Menschen zu bändigen vermag; diese Aussage nimmt Bezug auf V . 2 , der sich auf den Verf. selbst zurückführen ließ und 5
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44
Wir fassen hier die Ausführungen v o n S. 9 kurz zusammen. V g l . Schräge, K a t h . B r . 41 f. Die Bitte k a m schon in 1,5f. zur Sprache, dort ausdrücklich als Bitte u m Weisheit; die Mahnung zur D e m u t 4,10 (raneLP-) k o m m t schon 1,9 —11 vor; 4,11 wird ebenso v o m T u n des Gesetzes gespro chen w i e 1,22, u n d v o n der Begierde ist 1,13ff die R e d e . V g l . die A n a l y s e S. 10. Vgl.S.7f.
1
das Ziel der Mahnungen der ganzen Spruchreihe 3,1 — 12 darstellt . Vollkommenheit ist also, wie das grundsätzliche Eingeständnis der eigenen Fehlerhaftigkeit deutlich macht, das, was kein Mensch vermag. Nach 3,11 aber ist dieses Unvermögen keine Zwangsläufigkeit, sondern an diesem Punkt setzt unser Abschnitt mit der grundsätz lichen Frage nach der Weisheit ein. 3,13-18 führt damit den Gedanken von 3,1-12 nicht einfach weiter, sondern behandelt den Gesichtspunkt der Vollkommenheit nun grundsätzlich von der Frage nach der Weisheit aus. Dieser Gedanke entspricht ganz den Einsichten, die wir im vorigen Kapitel über das Verhältnis von Vollkommenheit und Weisheit gewinnen konnten.
II.
Der theologische Leitgedanke von Jak 3,13—18
1.
Die mit der Fragestellung 3,13 gegebenen
a)
ooQöq
Kai
Voraussetzungen
emorruiojv
Gleich zu Beginn setzt unser Autor mit dem Thema ein, das Gegenstand der ganzen Abhandlung werden soll, der Weisheit. Die Verbindung ao0öc. Kai emoTrinuv kommt im N T sonst nicht vor, ist aber in L X X nicht selten belegt, Dt 1,13.15; 4,6; Da 5,12 bzw. oo<j)ia Kai e7rtarr?jui? Ex 31,3; 35,31; 36,1; Sir 1,24; 19,22; Jes 33,6 . Verbreitet ist unsere Formel vor allem auch in der zeitgenössischen Popularphilosophie , ja, der Grundsatz der stoischen Philosophie, deren eigentliches Subjekt der ooQöq ist, geht dahin, daß die Weisheit Wissen, e n - i a r r ^ r ? , ist: tt\v QCkoooQiav fyaolv e-nirribevoiv 3
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eivai
ooQiaq
, rrjv
5e
ooQiav
einoTriiiriv
deicjv
r e K a i ävd pu-nivcov
5
irpayndruv
.
Dabei geht es darum, „daß das Viele in eine einheitliche Ordnung gebracht wird, die als solche unumstößlich ist" . Dies darf nicht nur als theoretisches Wissen verstanden werden, sondern in der oo<j)ia oder besser: dem ao0dc kommen Theorie und Praxis zu einer Einheit , insofern in ihr jene Gesinnungshaltung bestimmend wird, die „den X 0 7 0 C , der die Einheit des Kosmos konstituiert, entspricht" . Allein dem Weisen kann e ^ i a r r ^ r ? zukommen, da sie die Dinge definiert und verstehend einordnet . So sind e7rtari?jui? und ooQla eng aufeinander bezogen, denn sie gewährleisten das dem Xöyoq gemäße Verhalten des XoytKÖv $cbov, das Zusammenwirken aller Tugenden zu einem tugendhaften, mit dem Xöyoq übereinstimmenden Leben; somit sind oofyia und e7rtaTi?jui? die Elemente eines Systems, in dem die emoTriH'n die Dinge in ein festge fügtes und gesichertes Gebilde hineindefiniert und die Weisheit so „verwirklichtes Wissen" ist. Entsprechend wird in den auf diesem Grundgedanken basierenden zeit6
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V g l . S. 8 + A . 7 . V g l . auch Sir 10,25; 21,15, w o die Begriffe ao0oc u n d emOTrißcov in einem Z u s a m m e n h a n g stehen. V g l . auch Philo, D e praemiis et poenis 83:rtc. yäp ovk äv einoi Kai tCov (pvoei ßaoKävuv, ort oofyöv dpa yevoq Kai eitioTrmoviKÜTaTOV növov r o ö r ' eor'iv, cb rdq delaq -napaiveoeiq k^eyevero jur) Keväq Kai eprjßovq ä-noXmeiv tcjv oiKeicov irpä^euv, aXXd itXriptboai rovq Xöyovq epyoiq e-naiveroic; D i e stoische Philosophie spricht weniger v o n d e r ooaarpo0T?-Gedanke ist für IPetr zentral und bezeichnet dort ebenso wie Jak 3,13 die rechte christliche Lebensführung. In ihr kommt es nun entscheidend auf die Werke an, und durch die geforderten Werke, die sich als Auf gabe verstehen, wird guter Lebenswandel möglich. Halten wir fest: die -npavTr\q als die Grundhaltung, in der der Xöyoq empfangen wird, ist die Voraussetzung für die KaXrj ävaoTpo(t>r\, da sie die rechte Haltung der Weisheit gegenüber darstellt, welche das von Gott geschenkte und immer wieder aufzuweisende Lebensfundament ist. In der Verwirklichung jenes geschenkten Xöyoq erweist sich der Christ als ao0oc , als nunmehr von der ooeßia Gottes geprägt. 6
Will man von den in dieser Auslegung gewonnenen Einsichten die Frage nach dem mit V.13 gegebenen theologischen Ausgangspunkt unseres Autors beantworten, so läßt sich zunächst aufgrund des Textes ein prinzipieller und für den ganzen Gedan kengang schlechthin entscheidender Gesichtspunkt geltend machen, der sich in der
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V g l . Sir 3,17: T€K VOV, ev TrpavrrjTL TCL epya oov 5 ie%aye. Im Jak tritt aber der bei Sir folgen de G e d a n k e des dem T u n entsprechenden unmittelbaren Ergehens zugunsten der eschatologischen Verheißung zurück. V g l . oben S. 4 + A . 7. V g l . Mußner, Jak 101 —103; G . B r a u m a n n , D e r theologische Hintergrund des Jakobusbriefes; in: ThZ 18(1962), 401-410.405f. V g l . Schweizer, Das Evangelium des Matthäus ( N T D 1), Göttingen 1973, 177.291 f.; vgl. auch 2 K o r 10,1. Schräge, Kath. Br. 15f. V g l . o b e n S. 4 8 .
49
weiteren „Auseinandersetzung" konkretisieren lassen muß: Der Autor bringt mit der Frage riq ooQöq Kai e-niorruiuv und der darauf folgenden antwortenden Ermahnung die uneingeschränkte Notwendigkeit der Weisheit für den Christen zum Ausdruck. Weisheit ist, so wird zunächst festgestellt, nicht menschliche Eigenleistung, sondern erweist sich gerade in Werken der Demut und Niedrigkeit und ist, so verstanden, tä tige Verwirklichung des geschenkten Xöyoq.
2.
Das Wesen der „Weisheit von oben" und die Glaubenspraxis der „Gegner"
a)
Wesen und Inhalt der geforderten
Weisheit
(V.17)
In der Analyse w^rde gezeigt, daß V.17 den Zielpunkt des ganzen Abschnittes 3 , 1 3 18 bildet. Wir wollen nun versuchen, die einzelnen aufgezählten Wesenseigenschaften der ävcjOev
ooia zu erklären, um diese dann der OVK ooia ävcodev
KaTepxop.er]
( V . 1 5 ) gegenüberzustellen. Bevor wir diese Erklärung vornehmen, müssen wir uns noch einmal dem schon er wähnten Zusammenhang l,17f.l9ff zuwenden , der für das theologische Verständnis von ooQia von weitreichender Bedeutung ist. Es wurde schon im Anschluß an die Erklärung des Motivs der irpavrriq 1,21; 3,13 die Frage gestellt, ob sich die Meinung tatsächlich halten lasse, Weisheit im Jak sei auf das praktische Verhalten oder den sittlichen Lebenswandel beschränkt , oder ob nicht doch mit starken Gründen ange nommen werden könne, daß die oo(j>ia als von Gott kommende Größe die den Christen neuprägende Kraft darstellt. 1
2
In 1,21 verfolgt die Mahnung unseres Autors das Ziel, das, um mit W. Grundmann zu formulieren, „eingepflanzte Wort anzunehmen, kv npavT^Ti, d.h. mit sanftmütiger Geduld, mit der Bereitschaft, sich unter das Wort zu stellen und sich von ihm zur Tat leiten zu lassen, die ebenfalls als lautere Liebe beschrieben wird (Jak l , 2 2 - 7 ) " . Diese Mahnung schließt an 1,17f. an. Hier konnte gezeigt werden, daß der Verf. mit der Überleitungsformel w -nXaväode, äSeXQoi ßov eine kleine Aussage einleitet, in der er der Beschreibung der Ursachen für die Versuchungen zum Bösen Vv.13-15 das Wesen Gottes gegenüberstellt, Vv. 17f., um darauf hinzuweisen, daß von Gott nichts Böses kommen kann , denn das Wesen Gottes besteht in seinem „vollkommenen Ge schenk" (V.17a), in seiner Unveränderlichkeit (V.17bc), in der Gabe des X 0 7 0 C äXrjOeiaq , durch den die Christen wiedergeboren wurden. Demnach muß der Xöyoq äXrideiaq in dem „vollkommenen Geschenk" gesehen werden, von dem V. 17a die Rede ist. Diese Beziehung wird wahrscheinlich gemacht durch die offenkundige Anti these von 1,15 und 1,18: V.15 wird ausgeführt, daß die zur Vollendung gelangte Sünde (d/japria a-noTeXeoOeioa) den Tod gebiert; dem steht in V.18 der Gedanke gegenüber, daß jedes „vollkommene Geschenk" von Gott stammt (ävudev eonv), der die Christen zu „Erstlingen seiner Schöpfung" wiedergeboren hat durch den Xöyoq äXrjOelaq. Der Motivreihe „Begierde - Sünde - T o d " setzt unser Autor die Verbindung „vollkommenes Geschenk - Wiedergeburt - Wort der Wahrheit" entge gen . 3
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V g l . o b e n S. 4 8 f .
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V g l . o b e n S. 4 9 . W . G r u n d m a n n , Die NEU I O I in der urchristlichen Paränese;in: N T S 5 ( 1 9 5 8 / 5 9 ) , 188-205.190. V g l . oben S. 3f. V g l . auch M u ß n e r , Jak 9 4 - 9 7 ; vgl. noch Hph 1,13, w o X c 7 0 c ä X ? ? 0 e i a c und ooJTrjpia zusammen stehen.
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50
An jenes Wort knüpft unser Autor in 1,19ff mit seiner wichtigen und theologisch be gründeten Mahnung an. Als darch den Xöyoq äXrideiaq Neugeborene sollen die Christen nun alles Übel ablegen und in Sanftmut das eingepflanzte und rettende Wort auch annehmen und zum Inhalt ihres Lebens machen. Dieser von Gott kommende epQvToq
Xöyoq
, der nach unserem Verständnis identisch ist mit dem Xöyoq
äXrideiaq 1
ist aber ebenso auf das Werk angelegt wie die Weisheit „von oben" in Kap. 3 : wie die Christen ev -npdihr\Ti das von Gott kommende Geschenk, den epQvToq Xöyoq , den X070C äXrideiaq aufnehmen und in der Tat zur Verwirklichung bringen sollen , so sollen sie, wie wir schon sahen, ev -npavrrjTL jene Werke aufweisen, die sie als oo4>oiKa\ enioTmoi erbringen müssen und die die Weisheit selbst immer schon mit bringt. Damit werden der als Geschenk von Gott kommende X070C äXrideiaq , der als das eingepflanzte Wort rettende Kraft besitzt, 1,21, und die Weisheit „von oben" (3,15.17) zusammengesehen . Entsprechend sollen die Christen, die durch das Wort der Wahrheit wiedergeboren wurden, dieses Geschenk nicht wieder dadurch zunichte machen, daß sie in Zank und Streit verfallen und damit gegen die Wahrheit lügen, 3,14; vgl. 1,20 . 2
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4
Wir sehen: Jak 1,17f. 19 und 3,13ff stehen theologisch und terminologisch in enger Verbindung. Wie tnser Autor in 1,18 den X070C äXrideiaq als die den Christen neu gestaltende Kraft auslegt, welche dieser aufzunehmen hat und im Werk verwirklichen muß, um so gerettet zu werden, 1,21, bzw. in den Besitz der eschatologischen Ver heißung zu gelangen, 1,25, so ist die Weisheit die von Gott kommende Heilsgabe, aus der heraus der Mensch die Werke tun muß, die sie wesensmäßig schon immer mitbringt, 3,13.17; die Frucht der Weisheit bedeutet für den Menschen Gerechtigkeit vor Gott, 3,18. Wenn unser Autor seine Hörer also auf die Weisheit verpflichtet, dann ist damit nicht nur die Mahnung zum guten Lebenswandel im Sinne eines moralischen Verhal tens gemeint, sondern theo-logisch — lehrhaft an jenen X070C erinnert, der als
1
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D i e V e r b i n d u n g zwischen X 0 7 0 C äXrideiaq und epfyVToq Xöyoq nehmen auch an: Mußner, Jak 102; Schräge, Kath. Br. 2 1 ; Schlatter, Jak 144; Spitta Jak 50; B r a u m a n n , D e r theologische Hinter grund 4 0 6 . Spitta denkt des Näheren beim epQvToq Xöyoq an Gottes S c h ö p f e r w o r t , das er den Menschen bei der S c h ö p f u n g einpflanzte, dessen er aber durch den Sündenfall verlustig ging. Es sei aber auch — w o h l im Sinne einer Identifikation (vgl. S. 5 0 ) - als das W o r t des göttlichen Gesetzes zu verstehen: „ W i e d e r g e w i n n des ewigen L e b e n s und der anderen Güter des Urzustandes ist nur dann möglich, w e n n der Mensch aus d e m widernatürlichen Zustand der ävopia heraustritt und den verloren gegangenen X Ö 7 0 C epöc auch U o h 3,3 als christologisches Prädikat der Sündlosigkeit, mit dem der Verf. seine ethische Forderung begründet. 3
4
Der Begriff ist in unserem Kontext im Sinne der übertragenen Bedeutung von „Lau terkeit" verwendet und vom LXX-Sprachgebrauch beeinflußt . „Lauterkeit" ist das 5
1
Dieser enge theo-logische Z u s a m m e n h a n g zwischen Jak 1,17f. 19— 25 wird nicht hinreichend gesehen v o n U . L u c k , D e r Jakobusbrief. Weisheit wird in dieser im Ansatz gut begründeten Studie im A n s c h l u ß an 3,13ff n u r als Eigenschaft gesehen, die „als Frucht der Gerechtigkeit den Frieden ( h a t ) " ( 1 6 5 ) ; jedenfalls bleibt die Interpretation der Weisheit im Jak zu allgemein, nachdem der weisheitstheologische Hintergrund v o n L u c k stichhaltig aufgewiesen wird. Die christologischen K o n s e q u e n z e n , die eine durch den Z u s a m m e n h a n g v o n l , 1 7 f . l 9 - 2 5 mit 3 , 1 3 - 1 8 ermöglichte theo-logische Interpretation der Weis heit anzudeuten in der L a g e ist, fallen daher aus dem Blickfeld. A u c h B . R . Halson stellt die Frage nach der F u n k t i o n der Weisheit im Jak: T h e Epistle of James: 'Christian W i s d o m ' ? , in: St Ev I V ( T U 102), 308—314. Z w a r steuert Halson nützliche A n a l y s e n zur Frage nach F o r m e n , Stilistik u n d T h e m e n zur allgemeinen Diskussion über den Jak bei ( w o b e i man allerdings nicht seine alternativartigen Unterschei dungen zwischen hellenistischer Diatribe u n d Weisheitsüberlieferung unterstützen kann, die er S.309f. vorschlägt), d o c h führt der Hinweis auf die Weisheitsliteratur der L X X als „ W u r z e l " für den Jak ( 3 1 1 ) k a u m weiter, w e n n sie nicht theo-logisch ausgewertet wird. D a ß die Weisheitstradition der L X X auf unseren Brief eingewirkt hat, ist kein Geheimnis und löst in keiner Weise das „ R ä t s e l " des Jak. Die V e r m u t u n g e n H . u m d e n H e r r e n b r u d e r Jakobus u n d eine durch ihn ins L e b e n gerufene Weisheitsform in V e r b i n d u n g mit einer tradierenden Schule ( 3 1 3 ) sind allerdings rein spekulativ; M u ß n e r , Jak 240 A . 1 6 hält die H y p o t h e s e H . z w a r für „ e r w ä g e n s w e r t " , gibt aber zu Recht zu bedenken, daß aus dem Jak ein autoritätsbewußter Prediger spricht, w o m i t er das Urteil „ e r w ä g e n s w e r t " im G r u n d e w i e d e r zurücknimmt.
2
M a n kann aber nicht sagen, daß die Voranstellung von äyvöq „nicht d e m G e d a n k e n g a n g " entspreche, weil es sehr allgemein klinge, w i e Dibelius, Jak 256 annimmt. H . Ringgren, Sprüche; in: H . Ringgren — W . Z i m m e r l i , Sprüche/Prediger ( A T D 16,1) Göttingen 1962, 65. Ringgren, Sprüche 82; vgl. auch noch F. H a u c k , A r t . äyvöq ; in: T h W N T I , 123. Für die B e d e u t u n g der kultischen Reinheit verwendet L X X lieber nadapdq (vgl. H a u c k , A r t . äyvöq, 123). A u c h in der Stoa kann der Weise äyvöq genannt w e r d e n , S V F I I I 608 ( D i o g Laert V I I , 119: ä \ \ ä nr)v dveiv avTOvq OeoCq äyvovq re vnäoyeiv.
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Wesen der Weisheit, so wie Gott lauter (d7rXcoc. ) die Weisheit gibt, 1,5. Funktion und Stellenwert der Bezeichnung interpretiert Spitta zutreffend: „Wenn ausdrücklich als erste Eigenschaft die äyvörriqhingestellt und durch ein eitena von den folgenden ge schieden wird, so erkennt man, daß mit äyvöq ihr Wesen bezeichnet ist, abgesehen von ihrer Bethätigung unter den Menschen" . 1
In einer ersten Gruppierung von Charakterisierungen wird die ävcodev eireiTa
eipriviKr),
emeucr)ia als Mächte gegenüber, die dem Menschen Verderben bringen oder ihm das Heil eröffnen, wobei beide Mächte, wie dann später bei Paulus reflektiert wird, im Kampf miteinander liegen . Das Heil widerfährt dem Menschen nur, wenn es durch das Weisheitspneuma aus dem Bereich der adp£ wesensmäßig in den Bereich des irpevßa versetzt wird. 2
3
Natürlich läßt sich fragen, ob unsere Aussagereihe in Jak 3,15 mit dieser religionsgeschichtlich-theologischen Erklärung nicht überfordert wird. Kann man sich aber mit F. Mußner mit der Alternative zwischen „metaphysischer" oder „ethischer" Terminologie begnügen, d.h. kann man auf die religionsgeschichtliche Analyse unserer Begriffe verzichten, weil sie rein ethisch zu erklären seien und scheinbar hinreichend
1
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3
V g l . Brandenburger, Fleisch u n d Geist 106ff. Entsprechend ist auch der Gegensatz von \pvx^öq und -nvevßciTiKde bei Philo grundsätzlich gegeben, „obgleich die Terminologie selbst fehlt: N o u s u n d Pneuma sind heres 264f. klare Gegensätze, eins schließt das andere aus. ... S o m n I 118f., w o Philo Tradition aufnimmt, weist in die gleiche R i c h t u n g : v o v q und aioQrioiq w e r d e n hier zusammengefaßt, auch mit 'sterbliches und menschliches Licht' ( 1 1 9 ) und vor allem mit \pvxn insgesamt identifiziert ( e b d . ) . Dahinter steht der v o n der Weisheit verarbeitete skeptische G e d a n k e von U n v e r m ö g e n u n d Nichtigkeit des Gesamtmenschlichen. Mit der dualistischen U m f o r m u n g w e r d e n dann 'Nous', 'Seele', 'das Menschliche' oder 'sterbliches u n d menschliches Licht' ausschließende Gegensätze zum Pneuma oder zu Sophia und göttlichem L o g o s " : E. Brandenburger, Fleisch u n d Geist, 135. Ethisch liegt dieser gesteigerte Dualismus auch Jak 4,1 ff zugrunde, bezeichnend ist ja, daß religionsgeschichtlich gerade der philonische Dualismus auf diesen Z u s a m m e n h a n g eingewirkt hat, w i e die Belege bei Dibelius, Jak 258 A . 4 . 5 ; 259 A . l zeigen. Vgl. auch Schweizer, Art.xotköc 4 6 2 - 4 6 5 .
65
1
aus dem Zusammenhang erklärt werden können ? Die bei Mußner und von fast al len Auslegern gemachte (und kaum hinterfragte) Voraussetzung einer rein ethischen Gegenübersetzung von irdischer und himmlischer Weisheit muß aber mit aller Ent schiedenheit von dem aufgewiesenen Zusammenhang zwischen 1,17f. 19-25 und 3,13-18 bezweifelt werden : dem von oben kommenden und in der Taufe geschenk ten „Wort der Wahrheit", der von oben kommenden Weisheit steht das sündhaft be grenzte Diesseits, die „irdische Weisheit" gegenüber. 2
Schließlich wird die OVK ooQia
ävcodev
Karepxopevr}
mit dem
Begriff
baipoviüöriq
charakterisiert. In dem Wort baipovioibriq ist der dualistische Gegensatz am schärf sten formuliert. Die so verstandene Weisheit bringt nicht nur zum Ausdruck, daß ihr der göttliche Geist fehlt, daß sie des nvevpa bedarf, dieses Motiv drückt auch nicht nur aus, daß solche ao'ia ihren Ursprung bei einem ganz anderen Geist hat, sondern hier ist der Gedanke bestimmend, daß diese oocpia darauf aus ist, sich des Menschen zu bemächtigen, indem sie mit den Dämonen identifiziert wird. F. Muß ner meint, das Motiv habe seinen Bezug „zu tyevbeodai aarä rfjc. äX^deiaq, denn das Lügen entspricht Dämonenart (vgl. Joh 8 , 4 6 ) " . Vom Gesamtzusammenhang ist dieser Hinweis sachlich sicher berechtigt, aber daß 8aipoviö>8riq gerade in V.16 „noch eingehender" erläutert wird, ist kaum zu beweisen. Aus dem Text ist wohl nur soviel zu entnehmen, daß die Weisheit, die die Christen zu ihrem Lebensinhalt ge macht haben, entgegen ihrer ursprünglichen Bestimmung in der Praxis die Züge des baipöviov an sich hat; sie zeigt sich als eine Weisheit, die vom Wirken dämonischer Mächte durchsetzt ist. Diese oofyia hat das ganze Leben der Christen ergriffen, wie nach dem N T überhaupt die Dämonen und Gewalten darauf aus sind, das ganze Le ben des Menschen zu durchsetzen: „Nichts gibt es in der Welt, das dem Wesen ihrer Macht für alle entnommen wäre. Der menschliche Leib, der menschliche Geist, das, was wir 'Natur' nennen, aber auch die Formen und Träger und die Situationen des geschichtlichen Lebens, selbst die Religionen und die christliche Lehre können sie zum Ort und Werkzeug ihres Wesens und zum Medium ihres Willens machen. Ihr Geist durchdringt alles und drängt sich dann in allem übermächtig auf" . Eine Aus wirkung dieser Macht sind $"T?A 1,17 der G e d a n k e an G o t t als dem Ursprung der Weisheit, denn die N ä h e von 0üx; und oo^'va ist in der Weisheitstradition belegt, vgl. Sap 7,10; 7,22.26.29. Besonders bei Philo wird dieser Z u s a m m e n h a n g konstitutiv, wie A . W l o s o k belegen kann: L a k t a n z u n d die philosophische Gnosis; Heidelberg 1 9 6 0 , 9 4 - 9 6 bes. 95 A . 2 und A 3 .
70
1
hervor, die nach 3,11 nicht zwangsläufig unerreichbar für den Menschen ist , geht die oocpia doch von Gott aus und ist jede Gabe ein „vollkommenes Geschenk", 1,17. Dem
steht in
3,15
die
oocfria OVK dvcodev
KaTepxoßevr]
gegenüber; sie
ist
als
eiriyeioq,
charakterisiert. Mit den beiden Aussagereihen V . l 5 und V . l 7 ist der religionsgeschichtliche Hintergrund des Abschnittes deutlich erkennbar: Die Begriffe entsprechen der Terminologie der dualistischen Weisheit, wie sie im frühen Judentum konzipiert worden ist. Hier werden Mensch und Welt, überhaupt alles Irdi sche völlig negativ gesehen, demgegenüber die Weisheit Gottes hymnisch beschrieben und gefeiert . Von dem Weisheitshymnus Sap 7,22ff ist die katalogartige Reihe Jak 3,17 wohl auch am besten zu erklären. In Sap 7,22ff wählt der Verf.„aus der Fülle der seiner Zeit geläufigen popularphilosophischen Ausdrücke einzelne aus und stellt sie nebeneinander zur Verherrlichung seiner Weisheit" ; solche und ähnliche Vorstel lungen dürften auch unseren Autor beeinflußt haben. Dabei ist darauf zu achten, daß man hier keine literarische Abhängigkeit vermuten muß, wenn man dem Hinweis von D. Georgi folgen kann, „daß der literarische Charakter der Sapientia dafür spricht, sie weniger als schriftstellerisches Einzelwerk auszuwerten und sie mehr als Symptom für einen lebendigen Traditionsprozeß und dessen Tendenz zu nehmen" . »//UXIKÖC , baipoviLobriq
2
3
4
Damit wird in unserem Abschnitt 3,13-18 ein Thema zentral in den Vordergrund ge stellt: die rettende und den Menschen neuprägende Weisheit Gottes. Auf dem Hinter grund dualistischer Weisheitskonzeption mahnt der Autor dazu, die von Gott kom mende Weisheit als Gabe Gottes aufzunehmen; in ihr und der Verwirklichung der ihr eigenen Werke kommt der Christ, der so erst seinen Glauben zur Tat bringen kann, zur Gerechtigkeit vor Gott. Jene Heilsgabe hat der Christ in der Taufe grundsätzlich ergriffen, er muß sie aber in seinem Leben in den geforderten e'pya immer neu ver wirklichen. Darin wird ihm die Gerechtigkeit verheißen, die im Gericht offenbar werden wird. 7
1
V g l . oben S. 45f.
2
V g l , oben S. 59f.
3
Fichtner, S a p 3 1 .
4
D e r vorpaulinische H y m n u s , 269 A 30.
71
ZWEITER T E I L : DER GLAUBE IM JAKOBUSBRIEF A
DER G L A U B E A N JESUS CHRISTUS UND DAS GESETZ (Jak 2 , 1 - 1 3 )
I.
Analyse
1
Das zweite Kapitel des Jak besteht aus zwei großen, in sich konsequent und zusam menhängend durchgeführten Abschnitten, die ihre Thematik je verschieden akzentuie ren, durch das große Thema „Glaube" aber zusammengehalten werden und auch in stilistischer und sprachlicher Hinsicht manche Beziehung zueinander aufweisen . In 2,1—13 wird zu einem Glauben ohne Personenkult in der Erfüllung des Gebotes der Nächstenliebe gemahnt, 2,14—26 stellt der Verf. die Frage nach der Rechtfertigung des Menschen und diskutiert unter diesem Gesichtspunkt in einer diatribenartigen Auseinandersetzung das Verhältnis von Glaube und Werken. 2
Unser Abschnitt 2,1—13 beginnt mit einer negativ formulierten Paränese, den Glau ben an Jesus Christus nicht ev irpoownoX'oiiiJjia«; zu halten. Dieser Mahnung folgt ein vom Autor selbst gestaltetes Beispiel solchen Verhaltens im Gottesdienst, Vv.2f. Die V.4 gezogene Folgerung, daß jenes im Beispiel aufgedeckte Verhalten unchrist lich ist, wird V.5 mit dem Erwählungshandeln Gottes, der sich gerade der TTTUXO'I angenommen hat, und Vv.6f. mit dem Verhalten der Reichen, die die TTTCJXO'L unter drücken, begründet. Mit V.8 folgt ein neuer Gesichtspunkt, der schon einmal im Brief angeklungen war, 1,25, und die Mahnung weiter begründet: zunächst mahnt der Autor in Vv.8f. zur Erfüllung des ganzen Gesetzes, mit der das V . l angeprangerte irpooojiro\riniTT€iv nicht vereinbar ist. Vv.lOf. begründen die Mahnung mit der Tatsache, daß Gott das ganze Gesetz gegeben habe. Dementsprechend müssen sich die Christen in Reden und Tun von dem von Gott gegebenen Gesetz leiten lassen. V . l 3 schließt den Abschnitt mit einem Ausblick auf das zu erwartende Gericht ab.
II.
Aussage und Hintergrund von Jak 2,1—13
1.
Glaube an den „Herrn der Herrlichkeit"
(Jak 2,1)
Jak 2,1 setzt mit einem neuen Gedanken ein, der wohl kaum in inhaltlichem Zu sammenhang mit 1,27 steht, jedenfalls nicht als Entfaltung der letzten Mahnung des 1. Kapitels zu verstehen ist. Zwar liegt auch Sir 35,15b—17 ein Zusammenhang zwi schen Dienst an Witwen und Waisen und der Unparteilichkeit gegenüber den Armen vor, der unseren Brief beeinflußt haben könnte, doch wird man von daher noch kei nen Zusammenhang herstellen dürfen . 3
1
V g l . auch o b e n S. 5f.
2
V g l . 2,2f. mit 2,15f., ferner die F o r m e l -nioriv
e'xeu> 2,1.14.18 u.a. D a ß zwischen 2,1—13 u n d
2,14—26 kein Z u s a m m e n h a n g bestehe ( D i b e l i u s , Jak 1 8 4 ) , läßt sich schwerlich begründet behaupten. W e n n m a n berücksichtigt, d a ß schon hinter 2,12 die Frage nach d e m rettenden G l a u b e n steht, w i r d man
in 2 , 1 4 f f die Entfaltung eines P r o b l e m s sehen dürfen, das in 2 , 1 - 1 3 , näherhin 2,12f., zumin
dest schon ansatzweise artikuliert w i r d . 3
W i e sich gezeigt hat, ist auch die F o r m unseres Abschnittes eine andere: w ä h r e n d in K a p .
1 die F o r m
der Spruchreihe vorherrschte, handelt es sich hier u m eine A b h a n d l u n g im Stil der Diatribe.
72
V . l geht davon aus, daß es das Bestreben der Christen ist, TT)V TTIOTIV e\eiv TOV rißtov Irioov XPIOTOV TT?C 5Ö^T?C . Dieser Glaube ist für den Verf. Anlaß, seine Hörer zu entsprechendem Verhalten, wie es im Brief dargelegt wird, zu mahnen. Die Wendung ITIOTIV e'xeiv findet sich nicht selten im N T , Mt 17,20; 21,21; Mk 4,40; 11,22; Lk 17,6; Apg 14,9; Rom 14,22; I K o r 13,2; lTim 1,19, vgl. 3,9; Jak 2,1. 14.18, vgl. IEph 14; Herrn 34,3 (mand V . 2 ) . Auch die Konstruktion e'xeiv TI ev TIVI ist keineswegs ungewöhnlich, vgl. Rom 1,28; 2Kor 10,6; Joh 14,30. Die Wendung trägt gut griechische Züge, denn das Wort e'xeiv, das im Semitischen kein Äquivalent besitzt, kommt in L X X etwa 500mal vor und ist Jeweils selbständig aus griechischem Sprachgut heraus eingesetzt" . Kvpiov
1
Unsere Wendung kommt im N T oft im Gegensatz zum Zweifel vor, vgl. Mt 17,20; 21,21; Mk 4,40; 11,22; Lk 17,6 . Dieser Glaube ist auch an der schon behandelten Stelle l,2ff gefordert und steht dort im Zusammenhang mit der Bitte um Weisheit: durch die Bitte im Glauben, der vom Zweifel frei ist, empfängt der Christ Weisheit, und erst in dieser von Gott verliehenen Weisheit wird die geforderte Vollkommenheit möglich . Ob dieser Gedanke auch hier zu beanspruchen ist , erscheint fragwürdig. 2
3
4
Die irioTiq kann aber nicht ev -npooLo-noXriß^iaiq verwirklicht werden. Die Substantivierung TTpooto-noXrinil/ia ist weder im vorchristlichen Schrifttum noch in der Profangräzität belegt . Das im Anschluß an die LXX-Wendung irpöocoirov Xanßäveiv gebildete Wort, vgl. Dt 10,17; Sir 35,13, dem das hebräische nasa' panim zugrunde liegt , wird schon in vorpaulinischer paränetischer Überlieferung verwendet, so daß man weder Paulus noch unserem Autor die Schöpfung des Begriffes zuschreiben kann und sich von daher etwaige Uterarische Probleme zwischen Jakobus und Paulus nicht stellen lassen ; sicher kann die Aufnahme des im Urchristentum gebildeten Begriffes durch unseren Autor aber die Kenntnis des christlichen Sprachgebrauches belegen . Ist sonst immer davon die Rede, daß Gott selbst die Person nicht ansieht, Rom 2,11; Eph 6,9; Kol 3,25, vgl. noch IPetr 1,17, so wird dieses Verhalten Gottes hier zur Verpflichtung für die Christen erhoben. 5
6
7
8
Die Wendung irioTiq TOV Kvpiov riptov \r\oov XPIOTOV TT?C 5Ö£TK ist singulär und hat zu den verschiedensten Erklärungsversuchen Anlaß gegeben. Zwar kommt starte c.Gen. im NT häufig vor, Mk 11,22; Apg 3,16; Rom 3,22.26; Gal 2,16.20; 3,22; Phil 1,27; 3,9; Kol 2,12; 2Thess 2,13; 2Tim 3,15; Jak 2,1; Apk 2,13; 14,12, und bedeutet weithin das Bekenntnis zu Jesus Christus, aber Schwierigkeiten bereiten hier vor allem die aneinandergereihten Genetive. Wir werden darauf zurückkommen.
1
V g l . H . H a n s e , A r t . e'xw
2
V g l . auch besonders Rom
KTX.;in:
T h W N T II, 816-832.817.
14,22.
3
V g l . oben^S. 32f.
4
Diese A n s i c h t vertritt aber U . L u c k , D e r J a k o b u s b r i e f 175. E r postuliert hinter Jak 2,1 eine Christologie, „in der Jesus Christus diesen W e g des G l a u b e n s als nichtzweifelnden Vertrauens eröffnet h a t " ( e b d . ) . K a n n m a n eine solche H y p o t h e s e aber a u f die B e o b a c h t u n g gründen, d a ß auch in M k 4,40; l l , 2 2 f f ; M t 2 1 , 2 1 ; L k 17,6
TTIOTIV
e\eiv
den G l a u b e n im Gegensatz z u m Z w e i f e l bezeichnet? A u c h
der U m w e g über die Christologie des Hebräerbriefes k a n n hier d o c h w o h l nicht entscheiden. 5
D a s W o r t k o m m t im N T u n d bei d e n A p . V ä t . v o r : R o m 2 , 1 1 ; E p h 6,9; K o l 3,25; J a k 2 , l ;Pol 6 , 1 .
6
V g l . auch E . L o h s e , A r t . irpoowiroXr}^to;in:
7
V g l . zutreffend D i b e l i u s , Jak 158; M u ß n e r , Jak
8
T h W N T V I , 182. 115f.
Bezeichnenderweise verzichtet F. Spitta, Jak 59 a u f eine Erklärung des Substantivs irpoocoiroXr]ii\}j u n d verweist lediglich auf die L X X - W e n d u n g TTPÖOCCITOV
Xanßäveiv
ia
L e v 19,15: Ps 81.2 ( L X X V .
Sir 4,22 ( 5 9 A . 2 ) .
73
Das hier vorliegende Verständnis von Werne steht, wie die genannten Belege vermuten lassen, ganz in der ntl. Glaubenstradition, die sich grundsätzlich aus zwei voneinander unabhängigen Entwicklungslinien entfalten läßt : a) Glaube als Bekenntnis zu Jesus Christus, Glaube an das in Tod und Auferwekkung offenbar gewordene rettende Heilshandeln Gottes in Jesus Christus (Paulus); b) Glaube als vertrauendes Durchhalten in der Anfechtung (Hebräerbrief), als unbedingtes und nichtzweifelndes Vertrauen (synoptische Evangelien ). Beide Traditionen haben ihren theologischen Ausgangspunkt im Judentum; auch unser Brief knüpft also mit seiner Aussage an das an, was im Judentum mit W a r t e ( L X X ) bezeichnet wird und setzt sich damit fundamental von der W a r t e des zeitgenössischen Hellenismus ab: dort ist nianq „primär ein Verhalten des Menschen zu sich selbst, nicht zu anderen ... W a r t e , hat in der Stoa also keine religiöse Bedeutung in dem Sinne, daß sie das Verhältnis des Menschen zur Gottheit bezeichnete, daß die Gottheit und ihr Walten Gegenstand der W a r t e wären" . Damit wenden wir uns nun der Wendung selbst zu. 1
2
3
Es wurde schon darauf hingewiesen, daß die Formel -nioTiv e'xeiv möglicherweise das in den synoptischen Evangelien gemeinte unbedingte, zweifelsfreie Vertrauen aufnimmt ; andererseits steht hinter der W a r t e nvpiov rr?c Sdi-rje das Bekenntnis zu Jesus Christus, dem zudem gerade mit der Formel nvpioq rr?c 8ö^rjq eine christologische Prädikation zugeschrieben wird, wie sie nur selten im N T vorkommt . Solches Bekenntnis aber impliziert den Gedanken an die Erhöhung und zu erwartende Parusie, 5,7ff, setzt also das eschatologische Handeln Gottes in Jesus Christus voraus, wie auch aus V.5 hervorzugehen scheint . 4
5
6
Die „überladene W e n d u n g " W a r t e TOV nvpiov r\iiCov 'Irjaov Xpiorov rfjc OÖ£T?C verdient größere Aufmerksamkeit als dies bisher geschieht ; denn nur hier wird im Jak eine Mahnung christologisch eingeführt und nur an dieser Stelle in unserer Schrift kommt der im N T zweifellos zentrale Begriff 6d£a vor. Schließlich weist der nach7
8
1
V g l . D. L ü h r m a n n , FT i'arte im J u d e n t u m ; in: Z N W 64 ( 1 9 7 3 ) 1 9 - 3 8 . 3 6 f .
2
V g l . die schon erwähnten Stellen M k 4 , 4 0 ; 11,22ff; M t 2 1 , 2 1 ; L k 17,6.
3
R . B u l t m a n n , A r t . iriorevoj; in: T h W N T V I , 1 7 4 - 2 3 0 . 1 8 2 .
4
Bei Paulus findet sich die W e n d u n g n u r z w e i m a l , R o m 14,22; I K o r 13,2, w ä h r e n d sie bei S y n oft vorkommt.
5
V g l . dazu weiter unten.
6
P . Stuhlmacher, Gerechtigkeit G o t t e s bei Paulus ( F R L A N T 8 7 ) Göttingen 1965, 193 A . 3 meint, für d e n G l a u b e n s b e g r i f f des Jak seien „Stellen w i e 1,6; 2,1 u n d 5,15 u n d damit ein unreflektiertes N e b e n e i n a n d e r von verschiedenen Motiven charakteristisch". D a ß dieses Verständnis zu undifferenziert ist, w i r d schon daraus ersichtlich, daß der G l a u b e 1,6 im Z u s a m m e n h a n g mit 1 , 2 - 4 gesehen w e r d e n m u ß , w o d e r G e d a n k e des a u f das W e r k hin angelegten G l a u b e n s vorbereitet w i r d , der dann in 2 , 1 4 f f seine Entfaltung findet. 2,14 ist aber w i e d e r u m nicht ohne den Z u s a m m e n h a n g mit 2,1 zu verstehen. Dieser Z u s a m m e n h a n g macht die A n n a h m e wahrscheinlich, d a ß s t a r t e eine einheitliche V e r w e n d u n g findet. W i r w e r d e n freilich sehen, daß seine religionsgeschichtlichen Voraussetzungen berücksichtigt w e r d e n müssen.
7
Schräge, K a t h . B r . 25.
8
V g l . n u r die dürftigen Ausführungen in den K o m m e n t a r e n . A u f dieses Desiderat weist sogar F. M u ß ner h i n : „ D i r e k t e " u n d „indirekte "Christologie im Jakobusbrief; in: C a t h 2 4 ( 1 9 7 0 ) 1 1 1 - 1 1 7 . 1 1 2 . A u c h in der 3. A u f l a g e seines K o m m e n t a r s z u m Jak bedauert M u ß n e r , daß das theologische P r o b l e m der F o r m u l i e r u n g noch zu wenig berücksichtigt w o r d e n ist ( 2 5 0 f . ) .
74
gestellte Genitiv auf eine besonders hervorgehobene Wesensbezeichnung hin, ähnlich wie in 1,17 Gottes Wesen in dem narrip rCjv 4>üruv besteht, bei dem es keine äiroaKiaopa gibt. Unsere Wendung wird also nicht nur formelhaften Charakter tra gen, sondern auch theologisch nicht ohne Konsequenzen für den ganzen Abschnitt bleiben. Diese Annahme wird wahrscheinlich gemacht durch die bedeutsamen Aussa gen in 2,5, die, wie sich zeigen wird, im Zusammenhang mit 2,1 ausgelegt werden müssen. Was will nun unser Satz sagen? Der theologischen Auslegung müssen wir zunächst die Frage vorausschicken, ob V . l in der uns vorliegenden Form überhaupt ursprüng lich sein kann, denn die Häufung der Genitive stellt sicher eine „griechisch harte Näherbestimmung" dar. So sieht denn auch F. Spitta aus dem Problem, das mit der „seltsamen Wortstellung" gegeben ist, nur den Ausweg einer späteren christli chen Interpolation des Gen. rjpäv 'Ii?oov Xpiorov in eine vorliegende jüdische Grund schrift. Diese Eintragung soll zeigen, „daß unter dem nvpioq rrjc 5d^i?c dieselbe Person zu verstehen sei, wie lCor 2 , 8 " . Diese Hypothese ist erheblich durch die Annahme des erwähnten jüdischen Ursprungs unseres Briefes belastet. Eine Interpola tion ist aber nur dann anzunehmen, wenn sie in der Textüberlieferung begründet ist und sich von daher nahelegt. Dies allerdings ist nicht der Fall, denn der Text ist gut bezeugt. Zwar wird man Spitta einräumen können, daß im N T häufig „bei einem Kvpioq derartige Ergänzungen durch Einfügung des Namens Jesu vorgekommen sind" , aber ganz unwahrscheinlich ist doch, daß der Interpolator eine solch schwie rige Wendung selbst geschaffen haben sollte . Diese textlichen und sprachlichen Be denken werden durch Spittas Bemerkung: „Wer sein Auge ein wenig geübt hat in der Erkennung redaktioneller Zusätze zu einem Schriftsteller, kann darüber nicht im Zweifel sein" , sicher nicht beseitigt. Der Verdacht, Spittas kaum hinreichend be gründete Hypothese diene in erster Linie seinem Interesse, in 2,1 ein starkes Argu ment für die Annahme zu entdecken, der Jak sei ursprünglich eine jüdische Schrift, und in 1,1; 2,1 gehe der Christusname auf nachträgliche christliche Eintragung zu rück, ja, dem Jak fehle jeder christliche Charakter , ist nicht von der Hand zu wei sen. 1
2
3
4
5
6
7
Ähnlich erklärt auch A . Meyer den G e n . r \ p ü v Irjoov Xpiorov durch einen späteren Einschub: „Dem sonstigen Stil gegenüber ist das ungefüge Agglomerat im JB bei spiellos" . Freilich kann auch Meyer keinen überzeugenden Gesichtspunkt aus dem Text selbst gewinnen. Der Rückgriff auf die Annahme, daß mit nvpioq im Jak im8
1
2
3
4
5
Dibelius, Jak 160. Spitta, Jak 4. Jak 5. Ebd. Spitta verweist darauf, daß z u ev bvöpari bzw.
'I17oov Xpiorov
rov nvpiov
5,14 in einigen Minuskeln der Zusatz 'Ii?oov
hinzugefügt sei. D a s aber kann kein A r g u m e n t für seine H y p o t h e s e sein, denn
gerade hier stellt sich d o c h die Frage, w a r u m der Christusname dann nicht ähnlich w i e 2,1 in den T e x t selbst eingegangen ist. 6
Ebd.
7
Vgl. Jak 8.
8
D a s Rätsel des Jacobusbriefes, 120.
75
1
mer Gott gemeint sei , läßt sich schwerlich begründen. Man kann auch den Namen Jesu Christi nicht deshalb ausscheiden, weil „hernach derjenige, um deswillen man keine Person ansehen soll, Gott ist, der Spender der ßaoikeia . . . " . Der Gedanke ist doch der, daß Gott die Christen zum Glauben - jenem Glauben, von dem in V. 1 die Rede ist - erwählt hat und die Christen im Personenkult dieser ihrer Erwählung zuwiderhandeln. Daß schließlich der Einschub deutlich machen solle, „daß dieser Hen der Herrlichkeit niemand anders als eben unser Herr Jesus Christus sei, und zwar an der ersten Stelle, w o nvpioq im Text vorkommt, avis au lecteur für die folgenden Stellen" , scheitert schon daran, daß in 1,7 der nvpioq-Titel schon einmal vorkommt; zudem machen 1,7; 4,15 wohl hinreichend deutlich, daß mit K U P K K auch im vorliegenden Brief Gott selbst gemeint sein kann, beide Bedeutungen, Gott und Christus, also ungezwungen nebeneinander stehen können. 2
3
Die Hypothese eines Einschubs des Christusnamens, wie sie von Spitta und Meyer vorgetragen wird, löst zwar weitgehend die Schwierigkeiten, die sich durch die genannten Genetivhäufungen ergeben, kann aber nur als schwach begründete Vermutung bezeichnet werden. Wir müssen also davon ausgehen, daß wir es mit dem ursprünglichen Text zu tun haben, der gut bezeugt ist. Wie ist nun die Reihe der Genitive zu verstehen? A m meisten hat sich unter den Auslegern die Auffassung durchgesetzt, daß in Tr)q 86%r)q ein Gen. qual. zu Irjoov Xpiorov zu sehen sei ; sie wird auch am ungezwungensten sein . Der nachgestellte Gen. rf?c 5d£7?e kommt im N T 4
5
nur selten vor: 6eöq
Hebr 9,5;
5d£T?e Ps
rr)q Sö^rjq
nvpioq
28,3 ( L X X ) ; ßaoikevq
A p g 7,2; -narr)p
rr)q 86%r)q rfjq
5Ö£TK
Tr)q
5d£r?c
Eph
1,17; Xepovßip
I K o r 2,8; Jak 2,1, vgl. auch 0edc P S 23,7.8.9.10 ( L X X ) ; nvpioq
TT?C
rf?c
rr)q
Sö^rjq
5Ö£T?C
Num
24,11 ( L X X ) . Im frühjüdischen Schrifttum, näherhin in lHen, kommt die Formel „Herr der Herrlichkeit" oft vor: lHen 22,14; 25,3.7; 27,3.5; 36,4; 40,3; 73,3; 83,8, besonders aber im Blick auf das N T , vgl. IKor 2,8, lHen 63,2: Der Herr der Herrlichkeit und der Herr der Weisheit, vor dem jedes Geheimnis offenbar ist"; vgl. auch noch 1QS 4,16f.; 4,22; 9,13; 10,24. Sachlich bedeutsam von den ntl. Belegen sind für unsere Stelle Jak 2,1 vor allem I K o r 2,8; Eph 1,17. Eph 1,17 spricht der in der Tradition der paulinischen Theologie stehende Verf. von Gott als dem itarr)p rr)q öd£i?e . Die 5d£a ist das Wesen des Vaters, das Wesen des 0eöc
TOV Kvpiov
rtpcov
'lrjoov
Xpiorov,
und von ihm geht sie aus, sie ist „das Gott 6
eigene Leben und Wesen, durch die das Erbe der Christen ( V . 1 8 ) bestimmt ist" . Von dieser theologischen Grundeinsicht geht die Bitte des Autors nun dahin, der •narrip rr)q 86%r}q möge den Christen den Geist der Weisheit schenken, damit sie den Reichtum seines Erbes erkennen. Es ist also nach Eph 1,17f. dem naTr)p rrjq dö^rjq eigen, Weisheit zu schenken, ja, dies macht geradezu sein 5ö£a-Wesen aus. Wäre dies
1
2
D a s Rätsel 121. Ebd.
3
4
D a s Rätsel 120. V g l . M u ß n e r , Jak 116; Dibelius, Jak 160. Schräge, K a t h . B r . 24f. übersetzt: „ M e i n e Brüder, h a b t euren G l a u b e n an unseren Herrn Jesus Christus in seiner Herrlichkeit nicht ( z u s a m m e n ) mit B e v o r z u g u n g v o n Personen".
5
D a h e r w i r d m a n a m besten übersetzen: Meine Brüder, habt d e n G l a u b e n an unseren Herrn der Herrlichkeit, Jesus Christus, nicht i m Personenkult!
6
76
J. G n i l k a , D e r Epheserbrief ( H T h K X , 2 ) ; Freiburg 1971, 8 9 .
nicht zumindest mitgemeint, dann wäre die Apposition TTCLTTIP rf?c 5Ö£T?C zu 0eöc Kvpiov r\p&v Irjoov XPIOTOV nicht notwendig, aber sie geht sinnvoll aus der paulinischen 5 öi-a-Theologie hervor. Die Weisheit, „die als Gabe des Geistes und in deren Form der Geist den Gliedern der Gemeinde gegeben werden möchte, ist jene pneumatische a o 0 i a , mit der Gott nach 1,8 die Kirche überschüttet hat, damit sie das Geheimnis des Willens Gottes begreife und die er nun weiterhin und voller geben möge, da sie ja eine Gabe ist, die nie ein für allemal abgegeben wird. Einmal gegeben, wird sie in immer neuer Gabe ergriffen" . So entspricht die oofyla als Gabe dem Wesen der 5ö£a Gottes, sie ist „als unsere ewige Bestimmung gesetzt, die seine Weisheit einlösen w i r d " . Das Wesen der bö%a und die ihm eignende Gabe der Weisheit sind also konstitutiv einander zugeordnet, der narrip Tr)q bö^rjq ist der Geber der Weisheit. Auch in dem großen Lobpreis des Segens Gottes Eph 1,3 — 10 scheint diese Verbindung gegeben zu sein, wenngleich hier der Ton mehr auf der x ^ P ^ liegt, die freilich wieder durch die 5d£a charakterisiert ist. An dieser Stelle sowie Eph 3,10—12 wird Jesus Christus selbst als Weisheit verstanden .
TOV
1
2
3
Höchst bedeutsam für die Erklärung unserer Stelle Jak 2,1 sind aber I K o r 2,8 und sein Kontext, denn nur dort findet sich außer Jak 2,1 im N T noch der Titel nvpioq TT) q 5Ö£T?C , und zwar als Christusbezeichnung. Die Prädikation muß aus dem ganzen Zusammenhang erklärt werden, 2,6—9, denn der Titel 2,8b nimmt Bezug auf eic bö^av rjpojv 2,7b. Sicher handelt es sich bei Paulus nicht nur um eine formelhafte Wendung, „vielmehr liegt hier eine rednerisch gehobene Ausdrucksweise v o r " . Dieser Christustitel ist vielleicht die „höchstgreifende Aussage über ihn, die wir bei P. finden" . Paulus spricht 2,7 von der Weisheit Gottes, welche Gott vor den Äonen elq bö^av rjpojp vorherbestimmt hat, und nach 2,9 hält Gott die Heilsgüter für die bereit, „die ihn lieben", vgl. Jak 1,12; 2,5. In diesem Rahmen spricht der Apostel nun mit einem christologischen Titel von Christus als dem „Herrn der Herrlichkeit". Wie verhält sich also die „Weisheit Gottes" zum „Herrn der Herrlichkeit"? Offenbar ist die Gedankenführung des Apostels doch dann am ungezwungensten zu verstehen, wenn „0eoü oocfria und nvpioq rijq bö^rjq dasselbe meinen, d.h. aber, wenn 4
5
6
deov
oocfria von 2,6 an als Bezeichnung Christi zu verstehen ist. deov ooQia
christologisches Prädikat und bezeichnet nichts anderes als die Person des Tr)q
bö^riq
7
selbst" . Beov
oofyla
und der nvpioq
Tfiq bö^rjq
einander identifiziert, wird in der Weisheit das Wesen des sehen.
ist hier
nvpioq
werden also hier mitnvpioq
TTJC
bö^q
ge-
In beiden zur Erklärung unserer Stellen herangezogenen ntl. Texten, Eph l,17f.; IKor 2,6-9 ist der 5d£a-Titel Gottes bzw. Christi mit der Gabe der Weisheit eng verbunden. Nach Eph 1,17 ist es dem Wesen des naTrip Tfiq 5Ö£T?C eigen, den Christen Weisheit zur Erkenntnis des Reichtums ihres Erbes zu verleihen. Ist oofyla an
1
H . Schlier, D e r Brief an die Epheser; Düsseldorf 6. A u f l . 1968, 78.
2
H . Schlier, D o x a bei Paulus als heilsgeschichtlicher Begriff; in: Besinnung a u f das N T , 307—318.309.
3
V g l . Schlier, E p h 1 5 6 - 1 5 9 .
4
J. W e i ß , D e r erste Korintherbrief; Göttingen 1910, 56.
5
E b d . ; vgl. auch H . C o n z e l m a n n , D e r erste Brief an die Korinther ( K E K V ) ; Göttingen 1969,80f.
6
„ E r steht d o r t in eindeutigem Z u s a m m e n h a n g mit einer Weisheitschristologie" ( U . L u c k , D e r Jakobusbrief 174).
7
U . Wilckens, Weisheit u n d Torheit 7 1 .
77
dieser Stelle auch nicht Jesus Christus selbst, sondern die Gabe zur Erkenntnis, so ist sie doch nach Eph 1,3-10; 3,10-12 als solche Gabe zurückgebunden in die Weisheit Gottes, die in Jesus Christus offenbar geworden ist. Nach IKor 2,6ff ist nun das 5ö£a-Prädikat, das Eph 1,17 dem Vater gilt, auf Jesus Christus als der Weisheit Gotte übertragen. Lassen sich von dem weisheitlichen Hintergrund dieser Aussagen her Anhaltspunkte für das Verständnis von Jak 2,1 gewinnen? Auch wenn es sich bei unserer Aussage um eine „formelhafte, 'doxologische' Wendung aus dem urkirchlichen Gottesdienst" handelt, so macht doch die Tatsache, daß der Titel im N T nur noch IKor 2,8 vorkommt, ja, daß der Christustitel im Jak außer 1,1 sonst überhaupt fehlt, seine hohe theologische Bedeutung wahrscheinlich, und fordert zu der Frage heraus, ob sich nicht die begründete Vermutung wagen läßt, daß unser Abschnitt ähnlich wie die beiden genannten Parallelstellen von weisheitlichen Voraussetzungen konzipiert ist. Wenn dieses Verständnis auch nicht explizit zum Ausdruck kommt, so kann es doch gedanklich möglicherweise vorausgesetzt werden. Wir werden im nächsten Abschnitt diese Frage noch einmal aufgreifen müssen. 1
Über die genannte Parallelaussage avpioq rr?c 5d|7?c hinaus erhält der vorgetragene Hinweis sicher seine Berechtigung, wenn wir bedenken, daß auch sonst in unserem Brief starke Gemeinsamkeiten mit I K o r lf. bestehen, wie die Untersuchung von Jak 3,13—18 hinreichend deutlich gemacht hat . 2
2.
Das Erwählungshandeln Gottes und die Verheißung der
ßaoiXeia
(2,5—7)
An eine exemplarische Darstellung dessen, wie der in V . l angeprangerte Personenkult sich äußert, Vv. 2f., und eine daraus folgernde rhetorische Frage, die das Verhalten der Hörer vollends ad absurdum fuhren will, V.4, schließt unser Autor einige zentrale theologische Gedanken wieder in Form einer breit angelegten Frage an, die das Erwählungshandeln Gottes in den Vordergrund stellen.
a)
„Arm"
in den Augen der Welt — „Reich"
im Glauben
3
Unser Autor begründet seine Mahnung , Reiche gegenüber Armen nicht zu bevorzugen, mit dem Handeln Gottes, der die in den Augen der Welt Armen zu Reichen im Glauben gemacht habe. V . 5 kann man also wohl als eine ergänzende theologische Begründung für die christologisch bestimmte Mahnung V . l ansehen. Dementsprechend ist hinter der Wendung nXovoiovq ev W ä r e t dann wohl gedanklich die christologische Aussage von V . l zu ergänzen, TOV nvpiov rjßüv Irioov XpioTov rrjc ö d £ 7 ? e , jener 1
M u ß n e r , „ D i r e k t e " u n d „indirekte" Christologie, 112. N a c h M u ß n e r geht es „ i m K o n t e x t eindeutig u m d e n nachösterlichen G l a u b e n der Adressatengemeinden an Jesus Christus. D a s Genetivattribut rfjc
5 O £ T J C scheint also den ' Z u s t a n d ' auszudrücken, in d e m sich Jesus Christus jetzt für den G l a u -
ben d e r G e m e i n d e befindet; er ist für sie in d e r himmlischen Herrlichkeit, w i e es auch sonst das neutestamentliche
K e r y g m a verkündet. M i t anderen W o r t e n : Jesus Christus ist für Jak der in die
hirnmlische Herrlichkeit Gottes E r h ö h t e " ( J a k 2 5 1 ) . 2
3
V g l . o b e n S. 6 1 . 62-64. Vielleicht ist die W e n d u n g äKovoare,
abeXoi
pov
in Z u s a m m e n h a n g zu bringen mit der A n -
rede d e r rabbinischen Lehrer an ihre Schüler, vgl. Str.-B. I, 198.
78
Glaube ist auch in V.5 gemeint. Jak 2,1 und 2,5 stehen also in einem engen Zusammenhang und müssen daher in ihrer gegenseitigen Beziehung gesehen werden. Daß der Glaube die Christen reich gemacht hat und sie als die von Gott Erwählten so zu Reichen im Glauben geworden sind, ist ein dem N T bekanntes Motiv; dieser Sachverhalt wird etwa aus der schon im Zusammenhang mit V . l erwähnten Stelle Eph 1,17f. deutlich: Gott, der -narr\p Trjq 5Ö|T7C, möge den Christen, so sagt der Autor der Schrift, den Geist der Weisheit schenken, damit sie sehen, welches die Hoffnung seines Rufes, welches der Reichtum der Herrlichkeit seines Erbes ist, vgl. auch noch Eph 1,7; Kol 1,27; 2Kor 8,9*. Der Begriff irXovoioq geht also wohl, wird er von jenem Erwählungshandeln Gottes her verstanden, über seine soziale Dimension hinaus, die Jak 2,5 im Blick auf 2,2f.7 zweifellos vorliegt, und erhält insofern theologische Bedeutung, als er an das Handeln Gottes in Jesus Christus gebunden ist und von daher seinen Stellenwert gewinnt. Diesen Sinn gewinnt der Begriff gerade auch deshalb, weil die Christen irXovoioi ev irioTei genannt werden. Dementsprechend kommt auch der Wendung ITTOJXOVS reo n6oßu> über die rein soziale Dimension hinaus theologische Bedeutung zu, wie auch der Dat. comm. TCO KÖopco nahelegt. Läge dem Text daran, letzlich eine soziale Botschaft vorzutragen, so würde in dem Vers lediglich eine Umkehrung der sozialen Verhältnisse liegen, gerade das aber ist nicht der Fall. Denn „trotz dieses schon gegenwärtigen Reichseins der Armen ist ihr eigentlicher Reichtum aber der Zukunft vorbehalten" . 2
3
Die theologische Bedeutung der TTTCJXOI hat eine weite und komplizierte Traditionsgeschichte, die in der Auszeichnung der Armen als der Frommen mündet . Damit sind nicht nur die sozial Unterdrückten gemeint, sondern allgemein die Niedrigen und Einfältigen; solche Kreise sind es denn vornehmlich auch, die schon den historischen Jesus erkannten. 4
Welches Verständnis nun des Näheren unserem Spruch zugrundeliegt, welcher gedankliche Hintergrund unseren Autor zu seiner Aussage veranlaßt, macht zunächst die sachliche und terminologische Parallele IKor l,26f. deutlich. Paulus ruft den Korinthern in Erinnerung, daß Gott nicht viele oool aarä oäpna, nicht die Mächtigen, nicht die Wohlgeborenen berufen habe, sondern das, was töricht und schwach ist in den Augen der Welt, habe er durch seine Weisheit, Jesus Christus erwählt. Nun weicht die für unsere Aussage Jak 2,5 wichtige Parallelwendung rd pupä TOV KÖopov e£eXe£aro b 6eöq vor allem durch den Gen. TOV KÖopov von unserem TTTCOXOÜC TCÖ KÖopco ab. Von daher drängt sich die Frage auf, ob der Gen. TOV KÖopov V.27 partitiv gemeint ist oder qualifizierend auszulegen ist . J. Weiß urteilt, letzteres Verständnis „dürfte kaum richtig sein, da zwar pupä etwas Relatives be5
6
7
1
V g l . die sachliche N ä h e zu Phil 2,5.
2
V g l . Dibelius, Jak 54.
3
Schräge, K a t h . B r . 26.
4
V g l . E . B a m m e l , A r t . TTTCJXÖC ; in: T h W N T V I , 8 8 8 - 9 1 5 . 8 9 4 f f .
5
D a n n wäre zu übersetzen: D a s Törichte der W e l t u s w .
6
D a n n wäre zu übersetzen: D a s in den A u g e n der W e l t Törichte, nach d e m Urteil der Welt Törichte usw.
7
Vgl. A . 6
79
zeichnet, was abgesehen vom Urteil der Welt nicht vorhanden zi- sein braucht; aber aoBevr) und ayevfi bezeichnet eine Lage und einen Zustand, der ganz abgesehen vom Urteil der Welt vorhanden ist. Hätte P. den Gen. so verstanden, so hätte er zu r d ayevfi nicht mehr r d e%ov6 evmieva hinzuzufügen brauchen, denn 'unedel im Sinne der Welt' wäre damit identisch" . Zu dieser zuletzt genannten Begründung kommt Weiß aber nur, weil er in V.28 TOV KÖO/JLOV Z U r d d y e v r \ nicht mitliest . Vor allem aber spricht gegen diese Auslegung der Kontext: den oo<j>oi, Siwaroi, eü7e*>efe 1
2
in V.26 entsprechen in V.27 die Objekte Täßcopa,
TCL äodevfi,
TOL äyevff.
Die Aus
sagereihe V.27 ist aber durch das qualifizierende K a r d oäpua geprägt, das die menschlichen Maßstäbe hervorhebt: Gottes Erwählungshandeln steht im Gegensatz zu menschlichen Vorstellungen und Kriterien. Ist der Gedanke richtig, daß die genannte Aussagereihe V.27 die Begriffe V.26 wieder aufnimmt, dann ist auch das Argument hinfällig, daß äoOevfi und ayevfi einen Zustand bezeichnen, der mit dem Urteü der Welt nicht in unmittelbarem Zusammenhang stehe .Wir sehen also, daß der Gen TOV KÖOHOV IKor 1,27 und der Dat. reo KÖopco Jak 2,5 die gleiche Funktion haben, nämlich die Qualität der von der Welt angelegten Maßstäbe im Gegensatz zu Gottes Handeln in Erinnerung zu rufen. Auch die „Erwählten" tragen bei Paulus und unserem Verf. den gleichen Charakter: So wenig, wie Jak 2,5 den ITTCJXOL TCO KÖOUCO lediglich eine Umkehrung ihrer Verhältnisse in sozialer Hinsicht ansagt oder ihren Zustand idealisiert, als seien sie im Gegensatz zu den Reichen die ausschließlichen Heüsempfänger, so vertritt auch Paulus kein „Pauperitätsideal" . 3
4
5
Der Abschnitt ist weisheitlich geprägt: A n solchem Erwählungshandeln Gottes wird seine Weisheit offenbar, I K o r 1,30; indem Gott durch Jesus Christus die von der Welt Geringgeschätzten erwählt und damit die Weisheit der Welt geringschätzt, ist Christus von Gott her zur Weisheit geworden. Jesus Christus ist der, der als Weis heit Gottes die Weisheit der Welt zunichtemacht und wird hier, wie an der erwähn ten Stelle IKor 2 , 6 - 9 , als Weisheit selbst gesehen . 6
Mit I K o r l,26f. zusammen ist für die Erklärung des Hintergrundes unserer Stelle der synoptische Jubelruf Mt l l , 2 5 f . / L k 10,21 f. zu nennen, der uns noch in anderem Zusammenhang beschäftigen w i r d . Jesu Wort Mt 11,25/Lk 10,21 steht „in schnei dendem Gegensatz" zum Handeln und der Erwartung seiner Umwelt; ohne Zweifel 7
8
1
D e r erste Korintherbrief; G ö t t i n g e n 1 9 1 0 , 3 6 ; auch H . C o n z e l m a n n , I K o r 65 scheint, wie aus der Ü b e r s e t z u n g hervorgeht, partitiv auszulegen.
2
I K o r 36.
3
Vgl. IKor. 36.
4
Paulus u n d unser A u t o r v e r w e n d e n an d e n genannten Stellen jeweils den Begriff
5
Conzelmann, I K o r 66.
6
enXeyeodai.
A n d e r s C o n z e l m a n n , Paulus u n d die Weisheit; in: N T S 12 ( 1 9 6 5 / 6 6 ) 231 - 2 4 4 . 2 3 7 , der der Ansicht ist, „ d a ß Paulus trotz des Motivzusammeiihangs mit der Weisheitsspekulation die oo(f>ia nicht z u m christologischen Hypostasenbegriff macht".
7
V g l . o b e n S. 2 3 5 . J. W e i ß , I K o r 37 macht im Z u s a m m e n h a n g mit der Erklärung v o n I K o r 1,26ff a u f die synoptische Stelle aufmerksam („lehrreich ist jedenfalls eine V e r g l e i c h u n g " ) . Beide T e x t e h e b e n nach W e i ß „die auffällige V o r l i e b e G o t t e s für die Ungebildeten, Niedrigen u n d Verachteten" hervor; der (theologische) Unterschied liege darin, d a ß i m synoptischen L o g i o n solches H a n d e l n G o t t e s „als der n u n einmal gefaßte Willensentschluß einfach dankbar h i n g e n o m m e n w i r d " , w ä h r e n d Paulus den G e d a n k e n a u f n e h m e , damit sich kein Fleisch rühme v o r G o t t , I K o r 1,29.
8
80
S o formuliert treffend W . G r u n d m a n n , L k 2 1 6 .
hat hier der weisheitstheologische Hintergrund einen prägenden Einfluß auf die Überlieferung, und dies wohl schon bei Q . Die dort genannten und angesprochenen vr)-nioi „verstehen sich als die 'wahren' Weisen, durch welche die Weisheit Recht bekam, während die sogenannten 'Weisen' und 'Verständigen' ... ihre Weisheit verlieren . Dieses Handeln, das die vr)moi beruft, geschieht durch Jesus, der als die Weisheit auftritt, wie F. Christ nicht ohne Grund auslegt: Mt 11,25 „spricht von Jesus Sophia als dem Mysterium, das den Weisen und Verständigen verborgen und den Unmündigen offenbar ist und das gerade in seiner Verborgenheit vor dem offiziellen Judentum und in seiner Offenbarung an die Anawim besteht. Mit dem Gedanken dei Verborgenheit des Mysteriums vor der Masse und seiner Offenbarung an einzelne ist auf Jesus übertragen worden, was in der Weisheitsliteratur von der Weisheit g i l t " . 1
2
3
Ist für I K o r l,26f.; Mt l l , 2 5 f . / L k 10,21f. das leitende Motiv in der Weisheitstradition zu suchen, so scheint jene Überlieferung auch Jak 2,5 geprägt zu haben. Die sprachlichen Berührungen , die sachlich nahestehenden Motive und das übereinstimmend gezeichnete Bild von Gottes Erwählungshandeln machen die gemeinsame religionsgeschichtliche Herkunft der drei Abschnitte wahrscheinlich. Damit könnte man den theologischen Gedanken, der hinter Jak 2,1.5 steht, folgendermaßen wiedergeben: Gott hat in seiner Weisheit Jesus Christus die im Urteil der Welt Armen zu Reichen im Glauben (an den Herrn Jesus Christus, den Herrn der Herrlichkeit) erwählt; Handeln nach jenen weltlichen Maßstäben, wie es sich offenbar bei den Gemeinden durchgesetzt hat, widerspricht der geschehenen Erwählungstat Gottes, vgl. auch Jak 4,4, 0tXt'a TOV KÖO/IOV widerspricht der Berufung gerade der Armen, Niedrigen und Geringgeschätzten. Ist der theologische Gedanke des Autors so zutreffend charakterisiert und kann man unseren Abschnitt wie die angeführten Paralleltexte religionsgeschichtlich der frühjüdischen Weisheit zuordnen, dann drängt sich die Frage auf, inwieweit die Christusprädikation Jak 2,1 mit jenen weisheitlichen Vorstellungen verbunden worden ist, ja, ob Jesus Christus möglicherweise ähnlich wie in I K o r l,26f. und vielleicht auch Mt l l , 2 5 f . / L k 10,21f. als Träger der Weisheit oder als Weisheit selbst ausgelegt wird. Diese Analyse würde einerseits den für die Auslegung von Jak 2 kaum ausgewerteten Stellen IKor l,26f.; Mt ll,25f. par. und andererseits jener Doxa-Theologie, die hinter IKor 2,8; Eph l,17f. steht, entsprechen. Auch wenn die Formel nvpioq rf?c 5ö|i?c Jak 2,1 eine formelhafte liturgische Wendung ist, verliert sie nicht ihre theologische und religionsgeschichtliche Bedeutung. 4
s
6
1
V g l . die A u s l e g u n g b e i Schweizer, M t 175
2
P. H o f f m a n n , Studien zur T h e o l o g i e der Logienquelle ( N T A
3
Jesus S o p h i a , 84.
4
V g l . I K o r 1,26: e£eXe£aro
5
-nTco\ovq
TOV nöopov reo
e£eXe£aro ö 0eöc
ßaoikeia
u n d Jak 2 , 5 :
ö
0eöc
KÖopcp.
D i e i>777rioiMt 1 1 , 2 5 / L k 10,21 sind identisch mit den preisungen die
6
r d ßtopä
TOV\
8 N S ) Münster 1972, 118.
TTTLOXOI,
denen Jesus in d e n Selig-
verkündet: vgl. W. G r u n d m a n n , M t 216.
„ R e i c h e a u f d e m G e b i e t , das mit nioTiq
umschrieben w i r d " ( D i b e l i u s , Jak 171).
81
Die Verheißung der
b)
ßaoiXeia
Eine zweite Aussage stützt unsere Hypothese: Gott hat die Armen zu „Erben des Reiches" (nXripovöpovq rfjc ßaoiXeiaq) erwählt. Von der Verheißung der ßaoiXeia ist im N T oft die Rede, in den Evangelien wie in den Briefen . Die ntl. Autoren 1
sprechen von
der
ßaoiXeia
TCJV
ovpavübv
(Mt),
der
ßaoiXeia
TOV deov
oder
ßaoiXeia
Christi; auch wird ßaaiXeta absolut gebraucht. Es kann kein Zweifel daran bestehen, daß an unserer Stelle die ßaoiXeia Gottes als künftige Größe gemeint ist, zu deren Erbe die Christen durch das Erwählungshandeln Gottes grundsätzlich bestimmt und in die sie hineingerufen sind. Mit KXr\povopeiv TTIV ßaoiXeiav greift der Verf. eine im N T fest gewordene Formel auf , die erst die christliche Literatur gebildet hat. Das dem griechischen nXripovzugrundeliegende hebräische nahala legt den entscheidenden Akzent nicht auf den Gesichtspunkt des Erbens, sondern des Rechtes auf den durch die Landnahme zugesagten dauernden Besitz; in den frühjüdischen Schriften wird das Motiv, das in L X X durch KXrjpovopeiv u.a. wiedergegeben wird, eschatologisch weitergebildet, in sofern der Begriff „über die einmalige Landnahme hinausweist" und den Gedanken an das E r b e , das Erbe der „Erde", Ps 36,11 ( L X X ) und des „ewigen Lebens" oder der „verheißenden Zeit" ausbildet. Vom Erbe des „Reiches" spricht das Judentum noch nicht. Diese Verbindung wird aber im N T zentral, vgl. IKor 6,9f.; 15,50; Gal 5,21; IThess 2,12; Mt 25,34. Daß Mt 5,5 den npaeiq „das Land" zugesagt wird, deckt sich mit unserer Verheißung der ßaoiXeia an die 7rrcoxoi'; denn Mt 5,5 sind mit den -npaeiq dieselben Kreise gemeint wie mit den TITLOXOI TU? nvevpaTi, näm lich die Christen , jene Christen, die auch in der lukanischen Feldrede Lk 6,20ff und der zugrundeliegenden Q-Überlieferung mit den Armen Hungernden und Trauern den gemeint sind, „die zu den Bedrängten dieser Erde zählen, wie sie auch (V.22f.) zu den Verfolgten gehören" . Möglicherweise geht dieser Gesichtspunkt in Jak 2,5 und Lk 6,20/Mt 5,3 auf eine gemeinsame Überlieferung zurück. Diese Annahme er scheint durchaus begründet, wenn man bedenkt, daß der weitere Zusammenhang Jak 2,6f. starke Gemeinsamkeiten mit der Lk 6,22/Mt 5,11 zugrundeliegenden Tra dition aufweist, wie wir noch sehen werden . 2
3
4
5
6
7
i
8
9
1
Interessanterweise k ö n n e n im N T die Begriffe ßaoiXeia
u n d 5 ö ^ a g e r a d e z u vertauscht w e r d e n ;
vgl. K . L . S c h m i d t , A r t . ßaoiXeia;
in: T h W N T I , 5 7 9 - 5 9 5 . 5 8 4 .
2
W. Foerster, A r t . nXripovöpoq;
in: T h W N T I I I , 7 6 6 - 7 8 6 . 7 8 2 .
3
Foerster, A r t . nXrtpovöpos,
4
779.
V g l . P s Sal 17,23: „Weise ( u n d ) gerecht treibe er die Sünder w e g v o m E r b e , zerschlage des Sünders Ü b e r m u t wie T ö p f e r g e f ä ß e " .
5
V g l . l H e n 40,9.
6
VgJ. d a z u die interessante Stelle A p k B a r ( s y r ) 4 4 , 1 3 : „ D e n n diese sind es, die diese Zeit, von der die R e d e ist, erben sollen, u n d ihrer wartet das E r b e der verheißenen Zeit: diejenigen ( n ä m l i c h ) , die sich V o r r ä t e der Weisheit zu eigen gemacht h a b e n , u n d bei denen sich Schätze der Einsicht vorfinden, u n d die sich v o n der G n a d e nicht losgesagt u n d die die Wahrheit des Gesetzes beobachtet haben.
7
D a ß das E r b e der ßaoiXeia
im N T den Christen als Christen verheißen w i r d , macht ergänzend die 0
A n n a h m e wahrscheinlich, daß mit den T I T C O X ^ nicht in erster Linie sozial A r m e gemeint sind, sondern die Christen. Z u m Verhältnis v o n npaeis
und 7rro;x
ot
m
den m t Seligpreisungen vgl.
unten S. 133 8
H . Schürmann, D a s Lukasevangelium I ( H T h K 111,1); Freiburg 1969, 327. A u c h die Jak 2,5 gehören zu den Verfolgten u n d Geschmähten.
9
82
V g l . unten S. 120.
nrcoxoi
Die ßaoikeia hat Gott denen bereitet, „die ihn lieben", wird in 2,5 schließlich hin zugefügt. Diese Formel ist schwierig einzuordnen. Nun kommt die Wendung auch in dem für unseren Abschnitt wichtigen Zusammenhang IKor 2,6—9, näherhin 2,9, vor. Paulus greift hier ein Zitat uns unbekannter Herkunft auf, das mit der genannten Formel rote äya-nüoiv avröv schließt . J. Weiß vermutet, Paulus zitiere IKor 2,9 aus einer unbekannten apokryphen Schrift ; gerade in apokalyptischen Aussagen greife der Apostel auf Termini uns unbekannter apokalyptischer Literatur zurück . Auch unsere Wendung weist J. Weiß offenbar der Apokalyptik z u . Nun braucht man bei der Rückfrage nach der Herkunft der Formel gewiß nicht nur auf IKor 2,9 zurückzugreifen, da es für diese und ähnliche Wendungen eine Fülle von Belegen gibt, die auch die christlichen Schriften aufweisen, vgl. nur Ex 20,6; Dt 5,10; 7,9; Ri 5,31» Ps 5,11 ( L X X ) ; Sir 1,10; 2,16; Rom 8,28; IKor 2,9; 8,3; Eph 6,24; 2Tim 4,8; Jak 1,12; U o h 4,10.20; 5,1; lKlem 29,1; 59,3 u.a. . Diese Bezeichnung „für die frommen Israeliten" ist im N T wohl als feste „religiöse Formelsprache des Ur christentums" zu bezeichnen. Ob es Zufall ist, daß die Wendung im Jak jeweils im Anschluß an Aussagen über Reiche und Arme vorkommt, vgl. 1,9-11.12, wie Dibe lius behauptet , ist zumindest als Frage offen zu lassen. Es wurde gezeigt, daß ähn lich wie in dem Makarismus Lk 6,20, der mit Jak 2,5 manche Gemeinsamkeiten aufweist, auch an unserer Siehe mit den HTUXOL mehr gemeint ist als nur die sozial Armen, nämlich die, die an Jesus Christus glauben und von der Welt geringeachtet werden . Trifft dies zu, dann ist die weisheitlich-apokalyptische Formel, die ursprüng lich als Bezeichnung der jüdischen Frommen galt, zur Selbstbezeichnung der Christen geworden. Dieses Verständnis läßt sich auch aus Rom 8,28 entnehmen: die, die Gott lieben, sind die nach dem Vorsatz Gottes Gerufenen, „ihnen hat Gott bereits sein ganzes Heil widerfahren lassen" , die, die Gott lieben, hat Gott „dahin allem zuvor definiert, daß sie die Seinsweise Christi teilen" . 1
2
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7
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11
1
V g l . dazu J.B. Bauer, „ . . . T O I S A T A Tl S 2 2 I N T O N 0 E O N " Rom 8,28 ( l C o r 2,9; l C o r 8 , 3 ) ; in: Z N W 50(1959), 106-112.
2
I K o r 59: „ ... aber gegen die Benutzung eines A p o k r y p h o n durch P. ist nicht das Geringste einzu wenden".
3
4
Ebd. I K o r 58: „ E s scheint dies eine in messianisch-apokalyptischen Zusammenhängen häufige F o r m e l ge wesen zu sein". C o n z e l m a n n , I K o r 82 betont unter Heranziehung zahlreicher Belege die „ A f f i n i t ä t " von A p o k a l y p t i k u n d Weisheit.
5
V g l . Schlier, E p h 31 Of.; Dibelius, Jak 120 A . 2 ; für die frühjüdischen Belege vgl. auch Spitta, Jak 30 A . 2 .
6
Spitta, Jak 30.
7
Dibelius, Jak 120.
8
Jakl20A.3.
9
A u c h in Jak 1 , 9 - 1 1 w i r d m a n in nXovoLo;
u n d Taneivöq
nicht hauptsächlich die soziale B e
deutung sehen dürfen. 1 0
H . Schlier, D a s , w o r a u f alles wartet - Eine Auslegung v o n Rom 8 , 1 8 - 3 0 ; in: D a s E n d e der Zeit, Freiburg 1971, 2 5 0 - 2 7 0 . 2 6 6 .
1 1
Ebd.
83
c)
Die Unterdrückung der Christen
(Vv.öf.)
Vv.6f. richtet der Autor weitere Fragen an seine Hörer, die das Verhalten der Christen kritisieren wollen. Diese Fragen sind, wie häufig im Jak, rhetorische Fragen, vgl. nur 2,4.14.19.20. Wir haben die beiden Verse, die unser Verf. hier anschließt, parallel zu V.5 zu betrachten. Wurde V.5 die Kritik des Verf. am Verhalten der Adressaten theologisch mit dem Erwählungshandeln Gottes begründet, so wird in Vv.öf. die Argumentation auf die täglichen Erfahrungen und Widerfahrnisse der Christen ausgedehnt: diejenigen, durch die sie unterdrückt werden, können sie nicht den Armen vorziehen. In diesen beiden Sätzen werden wir vor allem die Tatsache beobachten müssen, daß sich in dem im Zusammenhang mit V.5 erwähnten Abschnitt Lk 6,20-26 mehrere Anklänge an unseren Brief feststellen lassen: Lk 6,20, vgl. Jak 2,5; Lk 6,24, vgl. Jak 5,1; Lk 6,25, vgl. Jak 4,9; Lk 6,26, vgl. Jak 4,4; wichtig für den vorliegenden Zusammenhang ist noch die Nähe von Lk 6,22 zu Jak 2,6f. Über die gegenseitigen Beziehungen können wir hier noch keine abschließenden Analysen vornehmen ; wichtige Anhaltspunkte scheinen aber darauf hinzudeuten, daß unsere Aussage in einem engen theologischen und religionsgeschichtlichen Verhältnis zur lukanischen Überlieferung steht. 1
Wir können beginnen mit einer Beobachtung, die an das über den Begriff TTTLOXW schon Gesagte anknüpft und ausführlicher begründet. V.6 führt aus: ovx oi nXovoioi KaTa8vvaoT€vovoiv vpcov; die Christen werden also um ihres Glaubens willen von den Reichen unterdrückt , denn mit vpcdv können nur die in der Anrede d6eX0oi ßov angesprochenen Christen gemeint sein: die Christen sind es als die TITLOXOI TCO KÖoßtp, die von den Reichen verfolgt und unterdrückt werden, deren Name Schmä hungen ausgesetzt ist, V . 7 . Auch Lk 6,20.22 werden nach der Seligpreisung der Armen die Verfolgten und Geschmähten seliggepriesen. Offenbar sind gerade dort immer die Christen schlechthin gemeint , die Christen als die an Jesus Christus Glaubenden. Bei Lk sind es dann die avdpLo-noi, die die Christen verfolgen, in un serer Schrift die -nXovoioi. Dem entspricht, daß den irXovoioi die Charakterisierung der prassenden Besitzenden, die die Armen ausbeuten, fehlt. Dies wird deutlich, wenn man unserem Vers die scharfe Abrechnung mit den Reichen 5,1 ff gegenüber stellt. Ähnlich fehlt auch in dem Weheruf Lk 6,24 diese besondere Kennzeichnung der Reichen.
2
3
4
1
V g l . d a z u ausführlicher unten S. 120f.
2
D e r Begriff nXovoioq
w i r d z u m ersten M a l in unserem A b s c h n i t t genannt. In d e m Beispiel 2,2f.,
mit d e m die M a h n u n g illustriert w i r d , ist n u r v o m
avr)p
xpvoodaKTvXioq
die R e d e . R . B .
W a r d , Partiality in the A s s e m b l y : James 2 , 2 - 4 ; in: H T h R 6 2 ( 1 9 6 9 ) 8 7 - 9 7 . 9 7 meint, Jakobus h a b e den Begriff für NichtChristen gebraucht: „ a term, w h i c h he reserves for the outsider". D a s entspricht dem, 3
w a s unsere A n a l y s e nahelegt.
V g l . 1,2. Möglicherweise ergibt sich hier eine V e r b i n d u n g zwischen der bekenntnishaften und
irioTiq
d e m G l a u b e n als nichtzweifelndem, durchhaltendem V e r t r a u e n : die u m ihres Bekenntnisses zu
Jesus Christus w ü l e n L e i d e n d e n w e r d e n in ihrem Vertrauen a u f G o t t nicht erschüttert. 4
V g l . Schürmann, L k I , 3 2 8 . 3 3 2 ; W a r d , Partiality 9 5 , hält eine Beziehung zu d e m lk Z u s a m m e n h a n g für möglich.
84
Der hier gebrauchte Terminus für das Handeln der -nXovoioi^aTahvvaoTeveiv, kommt im christlichen Sprachgebrauch nur Apg 10,38; Jak 2,6; Herrn 48,1 (mand X I I , 5 ) ; 48,2; Diogn 10,5 vor. Apg 10,38 und Herrn 48,1.2 steht das Wort in Zusammenhang mit der Bemächtigung des Menschen durch den Teufel, und nur Jak 2,6; Diogn 10,5 ist damit die Unterdrückung von Menschen durch andere gemeint. Von solcher Unterdrückung ist aber im A T häufig die Rede, vgl. Sap 2,10; 17,2; A m 4,1; 8,4; Hab 1,4; Zach 7,10; Mal 3,5; Jer 7,6; Ez 18,12; 22,7; 22,29. Dabei wird in erster Linie davon gesprochen, daß Arme, Gerechte, Witwen und Waisen unterdrückt werden von Gottlosen, Frevlern und den Besitzenden. Diese Verbindung macht einen ziemlich stereotypen Eindruck. Weiter sind es die TIXOVOLOL, die die Christen vor die Gerichte schleppen. Auch hier können mit den u/zde nur die ö5eX0ot von V.5 gemeint sein. KpiTf)piov kommt sonst nur noch I K o r 6,2.4 vor, wird aber dort im Sinne von „Gerichtsverhandlung" gebraucht. Es wird wohl hier an unserer Stelle an jüdische Gerichte zu denken sein ; daß gegen die Christen Prozesse angestrengt worden sind, muß nicht als unmöglich erscheinen . 1
2
V.7 argumentiert ebenfalls in Form einer rhetorischen Frage an die Gemeinden mit dem Hinweis auf die Erfahrungen der Christen mit ihren Widersachern: die irXovoioi lästern den „guten Namen". Auch in dieser Aussage wird wieder erkennbar, daß die Christen vor allem wegen ihres Glaubens zu leiden haben. Der mit der Formel TÖ KCLXÖV opofxa TÖ emuXridev e 0 ' bnaz gemeinte Sachverhalt ist genuin alttestamentlich , der Name Jahwes macht Israel geradezu zu seinem Eigentum, und im „Namen" wird Jahwe gepriesen wegen seiner Heilstaten, Ps 102,1; 110,9 ( L X X ) . Von der alttestamentlichen Tradition kommt der Verbindung im N T entscheidende Bedeutung zu, ob nun der Name Gottes oder der Name Jesu gemeint ist. Einmal wird mit dem Namen Gott gepriesen, vgl. z.B. Lk 1,49, dann werden die Christen als unter dem „Namen" Stehende bezeichnet, vgl. unsere Stelle Jak 2,7; Lk 6,22. Mit dem Namen ist aber auch das Bekenntnis zu Gott oder Jesus Christus verbunden, vgl. nur Apg 2,21; Rom 10,13, um des Namens willen kann der Christ in seiner Welt verhaßt sein. Mt 10,22; Lk 6,22; 21,12. Im Namen werden die Christen also Gottes Eigentum wie auch das Volk Israel Jahwes Eigentum war, im Namen wird Gott nicht nur angerufen, sondern erscheint Gott selbst, wird sich offenbarend gegenwärtig, Joh 17,6 . 3
4
1
2
3
4
V g l . H a u c k , Jak 103. „ D e r Plural deutet an, daß es keineswegs b e i einem vereinzelten Fall bleibt, sondern daß solches Erleben immer w i e d e r über die wehrlosen A r m e n k o m m t " ( H a u c k , Jak 102). V g l . H . W . W o l f f , Arnos/Joel ( B K X I V , 2 ) Neukirchen 1 9 6 9 , 4 0 7 : „Damals hat Jahwe in der Sicht unseres T h e o l o g e n seinen N a m e n über den V ö l k e r n ausgerufen, u m sein Heils- u n d Besitzrecht zu erklären"; vgl. auch die Belege bei Schlatter, Jak 172 A . l u . 2. Spitta, Jak 65 ist der A n s i c h t , „ d a ß hier nur an den N a m e n Jahwes, nicht an einen anderen Ehrentitel gedacht w e r d e n kann". V g l . R . B u l t m a n n , D a s Evangelium des Johannes ( K e K I I ) ; Göttingen 18. A u f l . 1964, 3 8 0 f.: „ F ü r den Evglisten — aber auch schon für seine Quelle — bedeutet die Mitteilung des Gottesnamens nicht m e h r die Ü b e r m i t t l u n g eines geheimnisvollen, machthaltigen N a m e n s , der im Mysterium, in der Himmelsreise der Seele oder im Z a u b e r durch das Aussprechen wirksam w i r d , sondern die Erschließung Gottes selbst, die Erschließung der aXr)deia. In seinem Wirken wirkt j a G o t t , in ihm begegnet G o t t selbst. U n d es ist das Gleiche, o b es heißt, daß er G o t t e s N a m e n offenbart oder daß er seine eigene 5 ö £ a offenbart". F . M u ß n e r weist d a r a u f h i n , daß der „ N a m e " konkret in der Taufe angerufen w u r de. „ S o sind auch die Christen durch die A u s r u f u n g des N a m e n s Jesu in der T a u f e sein E i g e n t u m g e w o r d e n . Jesus ist nach Jakobus der Herr seiner G e m e i n d e n " : D i e Tauflehre des Jakobusbriefs, in: Hansjörg a u f der M a u r / B r u n o Kleinheyer ( H r s g . ) , Zeichen des G l a u b e n s - Studien z u T a u f e u n d F i r m u n g ( F S Balthasar Fischer z u m 60. G e b . ) , 61—67.62.
85
Von der christlichen Überlieferung her muß auch unsere Aussage vom „guten Na men", KCLXÖV övopa, verstanden werden , der über den Christen ausgerufen ist. Der Name Jesu wurde über die Christen bei der Taufe angerufen, vgl. Apg 2,38; 10,48. Darauf weist nicht zuletzt der Begriff emtiaXeiv hin, vgl. Apg 15,17. Unser Verständ nis der Wendung wird gesichert durch den sonstigen christlichen Sprachgebrauch: Herrn (sim) V I I I , 1,1; 6,4; I X 12,4; 12,8; 13,2; 13,7; 15,2; 16,3; 28,5; IEph 7,1. 1
Diesen „guten Namen" lästern die ITXOVOLOL, fahrt unser Brief fort. ßXao<pr)peiv ist ein dem N T geläufiger Terminus (26mal). Auch daß der Name Gottes oder der Na me Jesu und der Christen gelästert wird, ist nicht ungewöhnlich, vgl. Rom 2,24; l T i m 6,1; A p k 13,6; 16,9. Daß aber die R e i c h e n den Namen Jesu oder der Christen schmähen, wird im N T sonst nicht gesagt. Diejenigen, die schmähen, sind in erster Linie NichtChristen bzw. Gegner der Christen. So wie die Anrufung des Namens einen Bekenntnisakt darstellt, so drückt sich im ßXao<j>r}peiv eine Haltung des Unglaubens aus . Den guten Namen lästern „heißt den sich offenbarenden Gott oder den Herrn Jesus Christus schmähen" . 2
3
3.
Gesetz und Gericht (Vv.
8-13)
Mit den V v . 8—13 tritt innerhalb unseres Abschnittes ein neuer Gesichtspunkt in den Vordergrund, der aber nicht nur sachlich, sondern auch terminologisch mit V v . 1 - 7 eng verbunden ist (et 5e irpoounoXrjpTiT€LTe V . 9 ) . Die Mahnung 2,1, den Glauben an Jesus Christus zu leben, impliziert gewissermaßen die von den Hörern als selbstver ständlich hingenommene Forderung, das ganze Gesetz zu erfüllen, welche ihre Be gründung darin findet, daß Gott das ganze Gesetz gegeben hat. Damit wird die Fra ge nach dem Verhältnis von Glaube und Gesetz aufgeworfen. Noch an einer anderen Stelle in unserem Brief wird dem Gesetz eine bedeutende Funktion eingeräumt, 1,21 ff: die Annahme des Wortes und das Ablegen alles Schlechten müssen im Voll zug des vöpoq reXeioq rr?c eXevdepiaq geschehen, jenem vöpoq , der auch hier ge meint ist. Das Verhältnis von Glaube und Gesetz scheint also für unseren Autor eine wesentliche theologische Frage zu sein: in der Erfüllung des Gesetzes verwirklicht sich nach 2,1.8ff der Glaube, wie nach 1,21.25 in jener Erfüllung die Annahme des Wortes zur Tat gebracht wird. Von diesen beiden parallelen Aussagen her wird aber noch ein anderer wichtiger Gesichtspunkt deutlich: es wurde im ersten Teil der Un tersuchung der weisheitliche Charakter von 1,21 im Anschluß an 1,17ff nachgewie sen , insofern sich der Xöyoq äXrideiaq mit der ävcoOev ooQia 3,13ff identifizieren ließ. Dieser Gedanke darf nicht unbeachtet bleiben für das Verständnis unseres A b schnittes und kann die vorgenommene Analyse, die Jak 2,1.5 der Weisheit zuordne te, möglicherweise von einem anderen Gesichtspunkt her bestätigen. Wir werden darauf zurückkommen . 4
5
1
tcaXöv
w i r d der N a m e im N T n u r hier genannt.
2
V g l . H . Bietenhard, A r t . Övopa;
3
V a n I m s c h o o t , A r t . „ N a m e G o t t e s " ; in: B L , 1216f.
in: T h W N T
V,
242-283.279.
4
V g l . o b e n S. 51 f.
5
D i e gegenseitigen Beziehungen v o n l , 1 7 f f ; 2,1 ff; 3 , 1 3 f f lassen vermuten, d a ß Weisheit, G l a u b e und
86
Gesetz in unserer Schrift einen großen theologischen Z u s a m m e n h a n g bilden.
a)
vöpoq
ßaoiXucöq
Gegenüber dem fehlerhaften Verhalten seiner Hörer mahnt unser Autor zum Erfüllen des vöpoq ßaotXiKÖq. Was näherhin mit diesem „königlichen Gesetz" gemeint ist, macht der Zusammenhang hinreichend deutlich. V.12 spricht vom vöpoq eXevdepiaq, und von daher liegt es wohl nahe, davon auszugehen, daß vöpoq ßaoiXuiöq und vöpoq eXevdepiaq denselben Sachverhalt bezeichnen. Dieser Klammer wird für un sere Auslegung ioch entscheidende Bedeutung zukommen, da sich von daher wich tige Konsequenzen für das Gesetzesverständnis ergeben. In L X X kommt die Verbindung vöpoq ßaoiXucöq lEsr 8,24 einmal vor, und 2Makk 3,13 spricht von der ßaoiXiKr) evroXr). Doch führen diese Belege zum Verständnis der Wendung kaum weiter. Religionsgeschichtliche Hinweise belegen, daß ßaoiXucöq als nähere Kennzeichnung eines Subjekts vielfältige Verwendung findet, vgl. Philo De congressu 50; De spec leg I V , 147; Vit Mos 11,4*. Jener ßaoiXucöq vöpoq nun, auf den die Hörer verpflichtet werden, hat hervorragende Bedeutung für die Existenz der Christen, „königliches Ansehen". Windisch sieht in dem ßaoiXucöq eine mögliche Be ziehung zu ßaoiXeia V . 5 : „Es ist das Gesetz, das vom ßaoiXevq gegeben ist". Die se Annahme setzt voraus, daß unser Autor die Verbindung selbst geschaffen hat, was freilich M. Dibelius bezweifelt . Die von ihm angeführten Gründe sprechen aber nicht zwingend gegen die Annahme, daß unser Autor die Verbindung selbst herge stellt hat. Allerdings bleibt die Folgerung, die Windisch aus dem Zusammenhang mit ßaoiXeia in 2,5 zieht, wohl nicht die einzig mögliche. 2
3
Bevor wir nun jener Funktion des Gesetzes, die nicht unwesentlich von dem Ver ständnis des Begriffes ßaoiXucöq abhängt, nachgehen, stellen wir zunächst die Frage nach der inhaltlichen Bestimmung des vöpoq, da von daher auch leichter die Funk tion des Gesetzes erkennbar wird. Die Wendung ßaoiXiKÖq vöpoq hat der Verf. in Verbindung gebracht mit dem aus Lev 19,18 ( L X X ) bekannten Gebot nai ayanrioeiq TÖV
-nXrjoiov
cbq oeavröv.
Diese Verbindung ist durch die Formel aarä
TT)V ypa(J>r)v
hergestellt. Daraus geht hervor, daß das Liebesgebot ausdrücklich als Zitat aus der Schrift hervorgehoben ist. Zwar kommt die Formel im N T sonst nicht v o r , doch wird man hier auf die palästinische Wortbildung verweisen können, „wie geschrieben steht", Jos 8,31; l K ö 2,3, vgl. auch Esr 6,18 . Daß ypaQr) auch die Schrift s t e l l e heißen kann, wird im N T z.B. aus Joh 13,18 deutlich . Durch den Verweis auf die Schriftstelle, vgl. auch Jak 2,23; 4,5, kommt dem vöpoq unab dingbare Autorität zu; unter dem vöpoq ßaoiXucöq wird also inhaltlich das Gebot der Nächstenliebe verstanden, das im A T und Judentum terminologisch vorgegeben ist 4
5
6
7
1
Diese v o n Dibelius, Jak 178 angeführten Belege hält freüich F. M u ß n e r für „keine vergleichbaren A n a l o g i e n " ( J a k 124 A . 2 ) .
2
K a t h . B r . 15.
3
Jak
4
5
178f.
I K o r 15,3 ( Karärdq
ypafyäq
) kann hier z u m Vergleich natürlich nicht herangezogen w e r d e n .
V g l . Schlatter, Jak 175 A . l .
6
B u l t m a n n , Joh 364 A . 1 0 : „ H i e r ist die bestimmte einzelne Schriftstelle gemeint".
7
D i e inhaltliche Weite des Liebesgebotes im N T ist im A T u n d erst recht in der jüdischen Literatur n o c h nicht gegeben, w i e A . Nissen, G o t t u n d der Nächste im antiken Judentum ( W U N T 15), Tübin gen
1974, 2 7 8 - 3 0 8 mit reichem Belegmaterial vor allem für die frühjüdische Literatur nachweist;
für das A T vgl. besonders 278 u n d A . 8 1 1 .
87
und im N T verschiedentlich aufgenommen und von Jesus her neu verstanden wirdMk 12,31; Rom 13,8-10; Gal 5,14. Von dieser inhaltlichen Bestimmung des vönoq stellt sich nun erneut die Frage nach der Funktion des Gesetzes, die, wie wir sahen, nicht zuletzt von der Bedeutung des Wortes ßaoiXucöq abhängt. Es wurde deutlich, daß ßaoLXuiöq 2,8 Bezug nimmt auf ßaoiXeia V . 5 . Ist dieser von H. Windisch vermutete Zusammenhang richtig, dann bietet sich möglicherweise für unseren Text eine Erklärung an, die religionsgeschicht lich auf das Gesetzesverständnis des Frühjudentums verweist: ßaoiXinoq vöpoq be deutet nicht in erster Linie, daß das Gesetz vom ßaoiXevq gegeben ist; denn abge sehen davon, daß in unserem Text überhaupt nicht vom ßaoiXevq die Rede ist, will der Verf. hier doch sicher keine Aussage über die Herkunft des Gesetzes ma chen — über die Herkunft des Gesetzes spricht er ja noch in V. 11; es ist aber auch sehr zweifelhaft, ob ßaoiXinöq in erster Linie in dem Sinne gemeint ist, daß das Liebesgebot besonders hervorgehoben werden soll, ihm „königlicher Rang" einge räumt w i r d . Diese z.B. von F. Mußner vorgenommene Auslegung muß voraus setzen, daß das Liebesgebot grundsätzlich als ein Einzelgebot neben anderen zu ver stehen ist, dem durch den Begriff ßaoiXinöq nur ein besonderer Rang eingeräumt w i r d . Diskutabel erscheint aber möglicherweise, wenn ßaoiXinöq und ßaoiXeia in einem sachlichen Zusammenhang stehen, die Hypothese, daß der Mensch durch die Erfüllung des ßaoiXiKÖq pö^oq Anteil an der ßaoiXeia erhält: damit wären wir auf jenes Gesetzesverständnis im Jak gestoßen, das seine Bedeutung vor allem in der frühjüdischen Weisheitstheologie gewinnt, vgl. etwa Sap 6,20; Sir 6,23—31: durch das Gesetz gelangt der Mensch auf den Weg zur Weisheit und zum Anteil an der 1
2
3
4
ßaoiXeia.
Mit dieser Auslegung ist nun aber ein Problem verbunden, das nicht leicht zu lösen ist: wenn ßaoiXucöq nicht zum Ausdruck bringen soll, daß das Liebesgebot nur einen besonderen Rang unter den Einzelgeboten innehat, dann muß es wie in der synoptischen Tradition und in den paulinischen Schriften die Zusammenfassung des
1
2
V g l . o b e n A . 2 a u f Seite 87. D a ß mit d e m Begriff ßaoiXinöq
auch die besondere B e d e u t u n g des Gesetzes zur G e l t u n g ge
bracht w i r d , b r a u c h t m a n sicher nicht 3
auszuschließen.
„ D e r weitere K o n t e x t zeigt, d a ß damit nicht 'das' H a u p t g e b o t im Sinne v o n M k 12,31parr gemeint ist; d e n n im folgenden geht es nicht u m das ' H a u p t g e b o t ' u n d das Verhältnis der an deren G e b o t e zu i h m , sondern u m die These, d a ß die V e r l e t z u n g eines einzigen G e b o t e s eine unteilbare Totalverletzung des ganzen Gesetzes ist ... D a r u m scheint mit d e m A u s d r u c k 'könig liches Gesetz' nur gesagt z u sein, d a ß das G e b o t von L v 19,18
königlichen
Rang
unter den
anderen G e b o t e n h a t " ( J a k 124). I m A n h a n g zur 3. A u f l a g e seines K o m m e n t a r s scheint M u ß n e i hingegen unausgesprochen jenes Verständnis, „ d a ß das G e b o t von L v 19,18 königlichen R a n g unter den anderen G e b o t e n hat", zurückzunehmen, w e n n er nun für den A u t o r des Jak voraus setzt, d a ß dieser das L i e b e s g e b o t v o n L e v 19,18 „In
als „Zusammenfassung der 2. T a f e l " ansehe:
d e m ausdrücklich angeführten L i e b e s g e b o t v o n L e v 19,18
sieht aber Jak ganz deutlich die
Z u s a m m e n f a s s u n g der 2. T a f e l ; denn er nennt j a ausdrücklich das L i e b e s g e b o t das G e b o t v o n 'königlichem' R a n g . Dieser Z u s a m m e n h a n g w i r d außerdem sprachlich hergestellt durch die Be gründungspartikel y d p A n f a n g des V . 1 0 . D a s bedeutet: Jak stellt nicht x-beliebige G e b o t e her aus,
sondern sieht das 'ganze Gesetz' zentriert im Liebesgebot. Jak macht also die v o n Jesus
und
Paulus schon vollzogene R e d u k t i o n der vielen G e b o t e auf das L i e b e s g e b o t entschlossen
mit, so d a ß es U n s i n n ist, Jak der Vergesetzlichung des Evangeliums zu bezichtigen" ( 2 4 2 f ) . 4
W i r w e r d e n a u f diese weithin vertretene A n n a h m e , die vorwiegend mit d e m Beweis V v . l O f . begründet w i r d , näher eingehen.
88
1
Gesetzes darstellen. Für dieses Verständnis und damit gegen fast alle Ausleger spre chen einige Beobachtungen aus dem Brief selbst, die wir zunächst der Prüfung des schwierigen Kontextes vorausschicken wollen. 1. Zusammen mit dem Gebot zur Nächstenliebe 2,8 kennt der Jak auch die Liebe zu Gott, vgl. 1,12; 2,5; gerade in diesen beiden Motiven realisiert sich das 2,1 ge forderte irioTLv exeiv TOV nvpiov; und wenn der Verf. kritisiert, daß die Hörer mit demselben Mund Gott loben und den Mitmenschen verfluchen, 3,9f., dann steht da hinter der Gedanke, daß Gottes- und Nächstenliebe sich nicht widersprechen dürfen. Das in den synoptischen Evangelien vorliegende Doppelgebot der Gottes- und Nächstenliebe ist also dem Jak, wenn auch nicht in der Zusammenstellung, durch aus bekannt . 2
2.
Der vöpoq
TeXeioq
ßaoiXinöq
rfrc eXevdepiaq
darf als identisch angesehen werden mit dem vöpoq 1,25 bzw. dem vöpoq
eXevdepiaq
2,12. Dann aber liegt
es vor allem im Blick auf 1,25 nahe, daß der vöpoq nicht als eine Einzelforderung angesehen werden kann; denn in dem Kontext von 1,25 ist nicht vom Gesetz als Einzelforderung die Rede, sondern der vöpoq wird in jenem Zusammenhang als die grundsätzliche Verpflichtung, die aus der Annahme des Xöyoq folgt, 1,21, betrach tet. 3. Ein wichtiger Gesichtspunkt ist auch in folgendem Gedanken zu sehen: Daß das Gebot der Gottes- und Nächstenliebe die ganze Tora umfassen könnte, wäre eine für das Judentum aufgrund der Herkünftigkeit aller Gebote von Gott undenk bare Voraussetzung und Vorstellung ; daß zudem das Liebesgebot der Dreh- und Angelpunkt der jüdischen Ethik sei, ist aus der rabbinischen und der übrigen früh jüdischen Literatur trotz vereinzelter „Belegstellen" grundsätzlich nicht aufzuwei sen , abgesehen davon, daß „den Nächsten lieben" im Judentum seine eigene Be deutung hat und sich konsequent auf den „Volksgenossen" beschränkt. Die neutestamentliche Überlieferung aber hat das ganze Gesetz auf jenes Liebesgebot kon zentriert und neu ausgelegt, vgl. Mt. 7,12; 22,40 u.ö. Das Liebesgebot gilt als d i e Zusammenfassung des Gesetzes schlechthin, in ihm gehen alle anderen Gebote auf, im Gebot der Liebe erfahren alle Einzelgebote ihre Auslegung. Die Nähe des Jak zur synoptischen Jesusüberlieferung macht grundsätz lich die Annahme wahrscheinlich, daß das Liebesgebot von unserem Autor ähnlich verstanden wurde wie vor allem in der Evangelientradition. Dazu kommt, daß das 3
4
5
1
2
V g l . aber U . L u c k , D e r Jakobusbrief, 169 A . 2 9 . Diesen H i n w e i s g a b m i r W . G r u n d m a n n . Ist dieser G e d a n k e zutreffend, d a n n w i r d d e r gedank liche Z u s a m m e n h a n g v o n 2,8 u n d 2,5, d e r uns durch die Begriffe ßaoiXuiöq
und
ßaoiXeia
gegeben schien, d u r c h das Motiv des D o p p e l g e b o t e s , dessen Elemente in 2,8 u n d 2,5 vorliegen, noch deutlicher. 3
V g l . A . Nissen, G o t t u n d d e r Nächste 2 3 0 - 2 4 4 , b e s . 2 3 9 - 2 4 1 .
4
V g l . e t w a Str.-B. I , 4 6 0 .
5
A . Nissen widerlegt anhand von T e x t e n die w i e d e r h o l t e n V e r s u c h e , aus einzelnen Belegstellen ein solches Z e n t r u m der jüdischen Ethik z u konstruieren: G o t t u n d der Nächste 289ff; vgl. bes. 2 9 1 : „In allen diesen Fällen zeigt sich deutlich, daß das L i e b e s g e b o t innerhalb solcher Gesetzesdiskus sionen einerseits z w a r in der T a t eine A r t 'großer HauptregeF ist, die vielfach bis in Einzelheiten des Handelns hinein m i t z u b e d e n k e n u n d w i r k s a m z u m a c h e n ist, daß es andererseits aber keine andere F u n k t i o n hat, als vorhandene Gesetze ... zusätzlich z u stützen u n d die A r t u n d Weise ihrer D u r c h führung m i t z u b e s t i m m e n ; es tritt w e d e r in K o n k u r r e n z z u ihnen n o c h ordnet es sie sich unter n o c h h e b t es sie a u f n o c h schafft es neue Gesetze n o c h entscheidet es endgültig u n d b i n d e n d eine halakische Streitfrage". V g l . bes. auch die Belege S. 292f.
89
erste Evangelium und der Jak wichtige Gemeinsamkeiten in der Mahnung zur Voll kommenheit durch die Erfüllung des Gesetzes aufweisen . 1
b)
Der Vollzug des Glaubens im Gesetz
Wie sehr die Erfüllung des Gesetzes als Vollzug des Glaubens betrachtet wird, wird aus V.9 mit seinem Bezug auf 2,1 deutlich: ei 5e irpooLoiroXripiTTeiTe. Solches Han deln ist Sünde, „und zwar - dies ist der Sinn des Partizipiums - Sünde wider das ganze Gesetz, und nicht bloß wider ein Einzelgebot" . 2
Das Gesetz wird in dem Vers offenbar als selbständige Größe vorgestellt, die ganze Autorität beansprucht: der vößoq „überführt". Dieser Sachverhalt wird mit dem Verb eXeyxeiv ausgedrückt. Das scheint bemerkenswert, denn das Wort wird im NT im Aktiv weitgehend von Personen gebraucht. Subjekt des eXeyxew ist im N T etwa der von Jesus gesandte -napaKXr\Toq, Joh 16,8, der der Sünde überführen wird, oder der Apostelnachfolger, 2Tim 4,2. Vom richtenden Herrn wird das eXeyxeiv ausgesagt, Jud 15, oder vom erhöhten Christus, Apk 3,19. Das N T kennt aber auch den Begriff eXe7xet^ in jenem weiteren Sinne, dem nicht nur das Aufdecken und Überfuhren des fehlerhaften Verhaltens zugrundeliegt, sondern im eXeyxeiv fin det auch der Gedanke der Mahnung zur Umkehr seinen Ausdruck . Dieser Gesichts punkt darf für unsere Stelle nicht übersehen werden. Mit diesem Bedeutungshori zont knüpft unser Autor an den LXX-Sprachgebrauch an: eXeyxew kommt in L X X weitgehend als Äquivalent zu hebr. jakab (Hi) vor. Ursprünglich hat das Wort im A T die Bedeutung „feststellen, was recht ist", und zwar wahrscheinlich im Gerichtsver fahren: Gen 31,37; Lev 19,17; Hi 9,33; 13,5; 16,21. jakah kann dann aber vor nehmlich in Prov auch die Bedeutung „zurechtweisen" bekommen, wenn es „gegen über jemandem, der im Unrecht ist, gebraucht w i r d " , vgl. etwa Prov 9,7f; 15,12; 19,25; 24,25; 28,23. In Anknüpfung an diese ursprüngliche Bedeutung liegt in der Verwendung des Begriffes in L X X der auch schon in Prov angedeutete Aspekt der „Überführung" im Sinne der Zurechtweisung und Erziehung, vgl. Prov 3,11 f., der Züchtigung und Mahnung, der vorwiegend von Bedeutung ist in weisheitlich-paränetischen Zusammenhängen, vgl. Sap 1,3.5.8; 4,20; Sir 18,13. Einen ähnlichen paränetischen Sinn hat der Begriff in der zeitgenössischen Popularphilosophie, vgl. Epikt III 9,13; I V 5,21. Bei Philo geht das eXeyxeiv des Xöyoq im Sinne von „prüfen" o.a. „mehrfach in die Bedeutung von 'züchtigen' über" . Dieser Gesichtspunkt dürfte auch hier angedeutet sein, freilich im Blick auf Vv.l2f. unter dem eschatologischen Gedanken an das Gericht: derjenige, der der Sünde überführt wird und nicht das Gesetz erfüllt, verfällt dem Gericht. 3
4
5
Mit V.10 unbedingt Hörer zu der Verf.
beginnt unser Autor die Beweisführung für seine These, daß das Gesetz ganz zu erfüllen ist: schon ein Übertreten „in einem Punkt" macht die Übertretern des ganzen Gesetzes, das sie vorgeben, zu erfüllen. Dabei kann davon ausgehen, daß er sich mit seiner Mahnung an den wendet, „der mit
1
V g l . unten S. 129f.
2
Dibelius, Jak 179.
3
V g l . F . Büchsei, A r t . eXey u;
4
V g l . G . L i e d k e , A r t . j a k a b in: T H A T I , 7 3 0 - 7 3 2 . 7 3 1 .
5
B . L . M a c k , L o g o s u n d Sophia; Göttingen 1973, 153 A . 1 2 9 .
X
90
in: T h W N T I I , 4 7 0 - 4 7 2 . 4 7 1 .
1
entschlossenem Ernst seinen Beruf darin erkennt, das ganze Gesetz zu halten" . Mit seiner Mahnung zum „Halten" des ganzen Gesetzes, ÖXov TOV vöpov rr\peiv, nimmt unser Autor wohl das vöpov reXeiv von V.8 wieder auf. Dann kann aber das Liebesgebot V.8 nichts anderes sein als der nach V.10 zu haltende ö'Xoc vöpoq. Der Begriff Tx\peiv ist in dem Sinne, der sich an unserer Stelle nahelegt, in L X X und hier vor allem in den Weisheitsschriften häufig belegt, vgl. etwa Tob 14,8; Prov 3,1; 3,21; 15,32; Sir 29,1; Sap 6,18 . vöpov Trjpetv findet sich nur Tob 14,1 bzw. T7?pi?aic vöptov Sap 6,18. L X X übersetzt mit Tr\peiv oft das hebr. Wort samar, das auch mit (pvXäooeiv wiedergegeben w i r d : Beobachten, einhalten. Die rabbinische Literatur betont mit samar „den Gehorsam dem überlieferten Gesetz gegen über" . Das Halten der Gebote wird auch zu einer bestimmenden Forderung der neutestamentlichen Botschaft in den verschiedenen Überlieferungsträgern; das „Hal ten" dessen, was der Herr geboten hat, stellt bei Mt oft den zentralen Auftrag dar, den die Christen zu erfüllen haben, vgl. Mt 19,17, die Erfüllung des Liebesgebotes ist eine Grundbedingung zur Teilhabe an der ßaoikeia. Auffallend häufig begegnet das „Halten" der Gebote auch in den johanneischen Schriften, Joh 14,15, vgl. 14,21; Uoh 2,3.4; 3,22.24; 5,3. Damit sind nicht so sehr die evToXai als Einzelgebote ge meint, sondern diese sind „ihrerseits auf das 'neue Gebot' der Liebe zu beziehen (Joh 13,34)" . Im rripeiv vollzieht sich der Glaube und die Erkenntnis Gottes. 2
3
4
5
Die Mahnung, die ganz auf das Tun des Willens Gottes abzielt, wird im weiteren Verlauf von V.10 in der verpflichtenden Schärfe diskutiert: wer ev evi „fehlt" ... Mit ev evi dürfte es sich wohl um einen Einzelpunkt im Gesetz handeln, entspre chend dem -npooLoitoXrip'nTeiv in V . 9 . Diese Annahme wird durch das relativ selte ne Verbum irTaieiv begründet, das hier wie auch in 3,1.2 im Sinne des sündigen Fehltritts gebraucht wird, dort interessanterweise als Gegensatz zu der geforderten Vollkommenheit des Menschen. Wer in einem solchen Punkte sündigt, ist schuldig an allen geworden, begründet unser Autor seine These, daß die Erfüllung des Ge setzes und damit das Heil des Christen nicht möglich ist, wenn er trotz des empfan genen Glaubens noch jenen dem Glauben widerstrebenden Personenkult treibt. Die Entfaltung des Gedankens setzt jüdische Herkunft voraus und scheint sich in rabbinisch-nomistischer Enge zu bewegen: zahlreiche Belege der rabbinischen Literatur kreisen um diesen Grundsatz der Erfüllung des Gesetzes . Analogien finden sich aber auch in der zeitgenössischen hellenistischen Ethik . Zwei Gesichtspunkte freilich machen wahrscheinlich, daß der Autor den jüdischen Lehrsatz schon nicht mehr ursprünglich verstanden hat: einmal scheint für den Verf. das kultische Gesetz keine nennenswerte Rolle zu spielen, dessen Gleichordnung mit dem sittlichen Gesetz für 6
7
8
9
1
Schlatter, Jak 177.
2
V g l . H . Riesenfeld, A r t . T-qpeoj
3
V g l . Riesenfeld, A r t . r i ? p e w , e b d .
4
Riesenfeld, A r t . r i ? p e c j ,
5
Riesenfeld, A r t . Tripeto,
KTX.; in: T h W N T V I I I ,
139-151.140.
140f. 144; vgl. auch B u l t m a n n , Joh 474f.
6
irraieiv
7
Dibelius, Jak 179: „ ... ist nachweislich jüdischer Herkunft".
k o m m t in unserer Bedeutung in L X X nur Sir 37,12 vor.
8
V g l . H a u c k , Jak 111 A . 3 4 ; Dibelius, Jak 179f. V g l . Nissen, G o t t u n d der Nächste 3 3 5 - 3 4 2 .
9
D i o g Laert V I I , 125: TOV piav ävSpa rJTiq
(prjoi
TeXeiov
ob KCLTÖL Tiäoaq
eivai
(äpeTr)v) TÖV pr)
e\ovTa
-näoaq
7rpdrrerat rdc
iräoaq
exovraq
e'xeiv,?\ut rdc
dperdc
M o r 1046f.: ovre oü're irpä^LV
jap
TeXeiav,
äperde .
91
1
den ursprünglichen jüdischen Lehrsatz prinzipiell und geradezu charakteristisch ist ; auch scheint die in der rabbinischen Tradition geläufige Unterscheidung von leichten und schweren Geboten bzw. der Schwierigkeit ihrer Erfüllung unserem Autor fern zuliegen . 2
3
In V . l l wird die in dem Satz V.10 formulierte These, daß einer, der das ganze Ge setz hält, aber in einem Punkt sündigt, schuldig am ganzen Gesetz wird, beispielhaft ausgeführt. In dieser Entfaltung wird ein nicht leicht lösbares Problem deutlich, das unsere Auslegung des Liebesgebotes als Zusammenfassung des Gesetzes scheinbar er schwert: wenn die Mahnung zum Tun des Gesetzes in der Erfüllung des Liebesgebo tes zu ihrem Ziel kommt, drängt sich die Frage auf, warum dieses Gesetz dann doch an Einzelgeboten, wenn sie auch noch so zentraler Natur sind wie die Dekalogfor derungen, exemplifiziert werden soll. V . l l scheint nämlich nahezulegen, daß das Liebesgebot als ein einzelnes Gebot unter anderen verstanden werden muß. Damit wäre aber unsere Analyse nicht zutreffend. Wir müssen uns also dieser offenkundigen Schwierigkeit stellen; für sich allein kann die Auskunft, daß V . l l „sowieso als zur Erhärtung von V.10 herangezogenes Beispiel nicht ganz in der Reihe des Gedanken ganges ( s t e h e ) " , wohl kaum befriedigen. 4
Die Schwierigkeit dieses Nebeneinanders von ganzem Gesetz und Einzelforderungen begegnet uns aber nicht allein in unserem Brief. Ein ähnliches Problem stellt ja auch die Vollkommenheitsforderung Mt 5,48 als Konsequenz und Abschluß der Antithesen 5,21—47 dar . Denn auch hier bleibt zu klären, „wie für Matthäus die Vollkommen heitsforderung Mt 5,48 als Gesamtanspruch an den Menschen und das einzelne Ge bot nebeneinanderstehen konnten" . Zweifellos ist ja wohl das „Mehr", das Mt zur Vollkommenheit der Christen fordert, nicht lediglich ein quantitatives Mehr an Ge botserfüllungen und Einzelleistungen, sondern die neue Begründung, Intensivierung und Aufrichtung des einen Liebesgebotes, in dem sich alles erfüllt. Um so bemer kenswerter ist in diesem Zusammenhang und Gedanken des Mt dann die Forderung der Einzelgebote. 5
6
Möglicherweise fügt sich V . 11 doch kontinuierlich in den Gedankengang, wie er hier ausgelegt wurde, ein. Diese Möglichkeit legt sich dann nahe, wenn man in V . l l die Begründung von V.10 sieht. Dabei ist von ganz entscheidender Bedeutung, daß die beiden Dekaloggebote sich nicht unmittelbar auf das Liebesgebot beziehen, sondern eine andere Funktion haben. Für diese Annahme spricht das yäp am Beginn von V . l l , das den Satz eng an V.10 anschließt und die Verpflichtung auf das ganze Gesetz sowie die darin ausgedrückte Unmöglichkeit der Erfüllbarkeit jenes Gesetzes
1
V g l . A . Nissen, G o t t u n d d e r Nächste 3 3 7 : „ M i t der Unantastbarkeit jedes Einzelgebotes als eines unauslöslichen Gliedes der v o l l k o m m e n e n G a n z h e i t der T o r a ist zugleich die prinzipielle Gleich wertigkeit sämtlicher G e b o t e gegeben, d e r sittlichen u n d der rituellen, der kleinen u n d der großen
2
V g l . Nissen, G o t t u n d der Nächste 3 3 8 .
3
V g l . Sprüche d e r V ä t e r 4,2: „ D e s A z z a i S o h n sagte: B e f o l g auch ein leichtes G e b o t u n d flieh die Sünde! D i e eine Gebotserfullung zieht die andere nach sich u n d die eine Sünde die andere. D e r L o h n für die Gebotserfüllung ist die weitere Gebotserfullung, u n d der L o h n für die Sünde ist weitere Sünde". V g l . weiter, G . Barth, D a s Gesetzesverständnis 72 A . 3 .
4
W . G u t b r o d , A r t . vöixoq
5
V g l . z u m Z u s a m m e n h a n g v o n V o l l k o m m e n h e i t s f o r d e r u n g u n d Seligpreisung b e i M t unten S. 136f.
6
U . L u c k , D i e V o l l k o m m e n h e i t s f o r d e r u n g , 25 A . 2 5 (vgl. auch die ganze A n m e r k u n g ) .
92
K T X . ; in: T h W N T
IV, 1029-1084.1074.
hervorhebt, wenn der Mensch seine Einzelforderungen nicht beobachtet. Der Satz will also nichts anderes als exemplarisch darauf hinweisen, daß Gott das ganze Gesetz ge geben hat und der Mensch auf das ganze Gesetz, das sich in der Liebe verwirklicht, verpflichtet ist. V . l l als Argument dafür anzuführen, daß das Liebesgebot als Einzel gebot zu verstehen sei, wird unserem Text nicht gerecht, da die Parallelität von Lie besgebot und den Dekaloggeboten keineswegs vorauszusetzen ist . Auch die Auswahl der Gebote kann diesen Zusammenhang nicht wahrscheinlich machen, auch wenn F. Mußner dies aufgrund der Tatsache annehmen will, daß „die Verweigerung der Nächstenliebe schon in der vorausliegenden Tradition als eine Art Mord verstanden wurde" . Zwar geht dieser Gedanke zweifellos aus Sir 34,22; Test X I I Jud 4,6f. hervor, doch dürfte hier mit Qoveveiv wirkliches Töten gemeint sein. Dafür läßt sich jedenfalls anführen, daß Qoveveiv in der urchristlichen Literatur sonst nirgendwo im übertragenen Sinne verwendet w i r d ; schließlich nimmt der Verf. hier die Dekalog gebote als solche für seine Argumentation auf ; ferner spricht für unsere Auffassung, daß der Autor Qoveveiv auch in 5,6 im Sinne von wirklichem Töten gebraucht . Ist das Tötungsverbot also nicht im übertragenen Sinne zu verstehen und bedeutet es dementsprechend auch nicht die „Verweigerung der Nächstenliebe", so wird es auch kaum als Parallelaussage zum Liebesgebot 2,8 gemeint sein. Für diesen Sinn läßt sich auch nicht das Verbot des Ehebruchs anführen, wie es offenbar F. Mußner tut, wenn er vermutet, daß „das Buhlen mit den Reichen eine Art von (geistigem) 'Ehe bruch' ( s e i ) " und von daher die Beispiele aus dem Dekalog bewußt auf den „ F a l l " gewählt seien. 1
2
3
4
5
6
7
An die Anfuhrung des Verbotes des Ehebruches anknüpfend kann die Hypothese frei lich keine Gründe für sich beanspruchen, denn gerade das tioixeveiv wirft unser Autor seinen Hörern nicht vor, wenn er ausführt: „wenn ihr zwar nicht die Ehe brecht, aber ... " . Der Verf. wendet sich zudem wohl nicht in erster Linie mit sei ner Rüge an die Hörer, weil sie etwa mit den Reichen buhlen, sondern weil sie die Armen verachten; das schließt natürlich die Bevorzugung der Reichen mit ein.
c)
Das Gesetz als Gesetz der Freiheit
Unser Abschnitt schließt mit der Mahnung, so zu reden und so zu handeln, daß man im Gericht bestehen kann. V.13 steht selbständig hinter dem Gedankengang und
1
D a s tut F . Spitta, Jak 6 9 : „ D e n b e i d e n G e b o t e n L e v 19, 15.18 w e r d e n die b e i d e n E x 2 0 , 1 3 . 1J b z w . D e u t 5,17.18 gegenübergestellt: w i e d e r ein B e w e i s , d a ß das G e b o t der Nächstenliebe nur als Eines aus der Reihe der G e b o t e u n d nicht als S u m m a derselben in Frage k o m m t " . D a s -npooüjnoXriH'nTeip
w i r d sich aber k a u m a u f L e v 19,15 beziehen. Spitta übersieht, d a ß es sich
in erster Linie lediglich u m eine W i e d e r a u f n a h m e v o n V . l handelt, u m die Erfüllung des G e setzes als das zur-Tat-Bringen des G l a u b e n s hervorzuheben. 2
Jak 126.
3
D o r t w i r d allerdings das W o r t a-noKTeiveiv
4
D a r a u f m a c h t in anderem Z u s a m m e n h a n g Dibelius, Jak 182 A . 2 aufmerksam.
verwendet.
5
I m Gegensatz e t w a z u M t 5,21 w i r d hier das G e b o t nicht verschärfend kommentiert.
6
D a s widerspricht nicht Jak 4 , 2 ; denn dort ist, w i e w i r sahen, textkritisch 0 0 o j > e i Y e d e m W o r t (povevere
7
v o r z u z i e h e n ( v g l . o b e n S. 10 A . 5 ) .
Jak 126.
93
1
schließt die Aussage zusammenfassend a b . Hier in unserem V.12 wird die Aufmerksamkeit auf eine Wendung Mittelpunkt des Satzes steht und ihre besondere Bedeutung für die ganzen Abschnittes gewinnt: vöpoq eXevdepiaq. Das hier erwähnte heit" dürfte identisch sein mit dem vöi±oq reXeioc rffq eXevdepiaq dem
vößoq
2
ßaoiXinöq
gelenkt, die im Auslegung des „Gesetz der Frei und auch mit
. 3
Zunächst kommt die Wendung, die wir überhaupt nur aus unserer Schrift kennen , in 1,25 vor. Der vorausgehende Kontext von 1,25, l,19ff, mahnt, zum Hören bereit zu sein und das Wort, das zu retten vermag, anzunehmen . Das kann man aber nur, wenn man eben dieses Wort zur Tat bringt, V.22. Der Verf. veranschaulicht seine Mahnung nun an einem Büd, das auch unsere zu besprechende Wendung enthält und in dem die Formel ihre besondere Bedeutung gewinnt: wer nur hört, gleicht einem Menschen, der sich im Spiegel betrachtet und sofort wieder vergißt, V.24, wer sich aber in den vöptoq reXeioc rr)c eXevdepiaq hinein vertieft, darin verharrt, ist Täter des Werkes. Dieser wird glückselig sein in seinem Tun, V.25. 4
Unser Autor beginnt seine Mahnung zur Erfüllung des Gesetzes mit dem das Gesetz begründenden Hinweis auf den epvToq Xöyoq, das eingepflanzte Wort, das „Wort der Wahrheit", welchem er rettende Kraft zuschreibt: „Der Begriff odp^eiv wird im NT auch sonst in Zusammenhang gebracht mit der Überführung aus der Sphäre des Todes in die des Lebens" - Ist es richtig, Jak 1,21 aus der christlichen Taufparänese herzuleiten , dann ist in dem eiMpvroq Xöyoq an jenes Wort zu denken, das von Gott kommt und sich in Jesus Christus der Welt mitteilt; in der Taufe hat der Christ den alten Menschen abgelegt, Eph 4,22.25; Kol 3,8; IPetr 2,1, nun gilt es, diese neue Existenzweise im Glauben durchzuhalten und zu vollziehen. Solcher Voll zug geschieht im Tun jenes Wortes, in der Erfüllung des im Liebesgebot aufgehen den Gesetzes. Dementsprechend besteht zwischen dem von Gott kommenden Xöyoq 5
6
und dem vöpoq
reXeioq
ein theologischer Zusammenhang:
der Xöyoq
äXr}deiaq
, vgl.
1,18, ist dem Christen als „eingepflanztes Wort", V . 2 1 , als von Gott kommendes Geschenk gegeben. Durch die Annahme des Wortes legt der Christ alles Übel ab und kommt zu seiner eigentlichen Bestimmung. Damit aber hat er sein Heil noch nicht erreicht; erst der Vollzug des ihm geschenkten und ihn rettenden Xöyoq im 7
1
M u ß n e r , Jak 126 formuliert gut: „ D e r V e r s macht wegen seiner Begrifflichkeit - von
eXeoq
w a r j a im V o r a u s g e h e n d e n keine R e d e —, seines Inhalts u n d seiner formalen Struktur den Ein d r u c k einer ziemlich festgeprägten Sentenz"; vgl. Dibelius, Jak 183; Schräge, K a t h . B r . 2 8 . 2
D e r Sache nach ist auch in 1,25 mit d e m Gesetz das Liebesgebot gemeint, d a 1,26f. als exem plarische Erweiterung zu 1 , 1 9 - 2 5 anzusehen ist, vgl. o b e n S. 5; vgl. G u t b r o d , Artvöpoq,
1074:
Z w i s c h e n der hier z u m A u s d r u c k k o m m e n d e n Auffassung v o m Gesetz u n d der in 1,25 kann . . . ein 3
innerer Z u s a m m e n h a n g hergestellt w e r d e n " .
E . Stauffer, D a s „Gesetz der Freiheit" in der Ordensregel von Jericho; in: T h L Z 77 ( 1 9 5 2 ) , 5 2 7 - 5 3 2 , w ü l 1 Q S 10,6.8.11
h o q tora mit „Gesetz der Freiheit" übersetzen; vgl. aber
W . N a u c k , Z N W 4 6 ( 1 9 5 5 ) 1 2 8 - 1 3 0 ; ferner F . Nötscher, „Gesetz der Freiheit" im N T u n d in der Mönchsgemeinde a m T o t e n M e e r ; in: B i b 3 4 ( 1 9 5 3 ) , 143f. 4
5
V g l . z u d e m Z u s a m m e n h a n g l , 1 7 f . l 9 f f o b e n S. 50f. M u ß n e r , Jak 102 ( m i t B e l e g e n ) . Z u r Taufe als eschatologischer N e u s c h ö p f u n g vgl. M u ß n e r , Die
6
7
Z u m Verhältnis v o n X 0 7 0 C 63f.
94
Tauflehre 6 2 - 6 4 .
S o gut begründet M u ß n e r , Jak 101; D i e Tauflehre 6 5 . aXr}0eiaq
zu ep\}jVToq
Xöyoq
vgl. Mußner, Die Tauflehre
Tun, auf das jener X 0 7 0 C immer angelegt ist, bewahrt ihn vor dem vernichtenden Ge richt, verheißt ihm eschatologische Freude. Dieses Tun besteht nach 1,25 in der Er füllung des Gesetzes der Freiheit. Durch jenes „vollkommene Gesetz" wird dem Men schen der Weg zur Verwirklichung des empfangenen X 0 7 0 C eröffnet, in seinem Voll zug wird der Christ vom aKpoärr}q X 0 7 0 1 » (V.23) zum iioir]Triq epyov (V.25). Damit bleibt das Gesetz hier ebenso eng an den von Gott kommenden XÖ7oia so be zeichnet und haben die Kirchlichen als die ohne Geist, als nevol, hingestellt; hierüber empört, dreht der Vf. die Bezeichnung um und nennt seine Gegner KevoC . Für eine mögliche antignostische Tendenz von 2,14-26 bietet der Begriff nevös aber nur eine fragwürdige Unterstützung, denn die literarische Gattung unserer Schrift allgemein und iiisbesondere unsere dem geläufigen Diatribenstil zugehörige Anrede lassen eine solche mit derartigen konkreten Konsequenzen kaum zu, so daß die Analyse von Schammberger, vorsichtig ausgedrückt, zumindest keine Wahrscheinlich keit für sich beanspruchen kann. Auch die Berufung von Schammberger auf Herrn (mand) V 2,1; lClem 7,2f. Eph 5,6; Barn 4,11 kann wohl nicht für die vorgetrage ne Hypothese geltend gemacht werden, schon gar nicht zu dem Schluß führen: „Nicht literarische Abhängigkeit des Herrn und lClem erklärt die Berührungspunkte mit Je, sondern sie haben ihren Grund in dem gemeinsamen Gegner, den diese Schriften bekämpfen, und in allgemeinen Gedanken und Formulierungen, mit denen man kämpfte" . n
2
3
4
3.
Das Miteinander von Glaube und Werk
(Vv.21-23)
Nach der negativen Definition des nutzlosen und zur Rettung im Gericht unfähigen Glaubens , die unser Autor in seiner Auseinandersetzung vorgetragen hat, geht un ser Autor nun abschließend zur positiven Darlegung des nach seiner Meinung un verzichtbaren Glaubensvollzuges über. Die Beispiele, die der Verf. hier begründend anführt, ziehen dabei die Folgerung aus der bisherigen Auseinandersetzung und stellen so den Standpunkt unseres Autors dar. In der folgenden Argumentation wird nun aufgewiesen, wie Glaube vom bloßen Anerkennen der Existenz Gottes zu ech tem Glauben wird und wohin dieser Glaube den Menschen führt. 5
Mit der rhetorischen Frage nach dem Verhalten Abrahams bei der Opferung Isaaks wird der Schlußteil der Auseinandersetzung eingeleitet, um die Hörer zur Zustim mung zu der vom Verf. vorgetragenen These hinzuführen (V.21). Mit V.22ab um reißt der Autor dann das Ziel seiner Ausführungen: Glaube und Werke müssen zu sammenwirken, damit der Glaube zur Vollendung komme, zu seiner Vollkommen heit gelange und damit als rechtfertigende Größe für den Menschen wirksam werde. Der sachliche Zielpunkt des Abschnittes liegt also, wie noch näher zu zeigen ist,
1
Die Einheitlichkeit, 44f.
2
V g l . auch L o h s e , G l a u b e u n d W e r k e 288 u. A . l l .
3
4
5
D i e Einheitlichkeit 45. Ebd. Der Glaubexeopte
TÖJV epycju
ist äp777;
als nichtig u n d leer wird die Qualität eines Menschen
im Gericht beurteilt, der meint, G l a u b e u n d W e r k e trennen zu können. D e n n die mit irioTiq
...
CLP777 ausgedrückte Nutzlosigkeit des Glaubens wird auf das Gericht hin verstanden. Das kann dann nicht zweifelhaft sein, w e n n man sieht, d a ß V . 2 0 parallel zu V . 1 7 als Folgerung aus der vorhergehen den Diskussion zu verstehen ist. V g l . den eschatologischen Bezug von ä p 7 Ö e a u c h 2 P e t r 1,8.
107
in V.22ab: ein solcher „vollkommener" Glaube, der hier an Gen 22 und Gen 15 illustriert wird, beantwortet die Grundsatzfrage nach der Rechtfertigung des Men schen.
a)
Rechtfertigung
im
Frühjudentum
Die Frage von 2,14—26 und insbesondere die Beweisführung der vorgestellten These durch das Beispiel Abrahams sind religionsgeschichtlich nicht ohne den Hintergrund der frühjüdischen Rechtfertigungstheologie verständlich. Um die Aissage unseres Brie fes angemessen einordnen zu können, scheint es daher geboten, die Grundzüge der frühjüdischen Rechtfertigungstheologie nachzuzeichnen und von daher den Gedanken unserer Schrift hervortreten zu lassen. Wir untersuchen also nicht nur im engeren Sinne die frühjüdische Abrahamtradition, sondern umfassender den frühjüdischen Rechtfertigungsgedanken. Wir setzen ein bei den Test X I I , in denen sich die Formel Bucaioovvri 0 e o v nachwei sen läßt, und zwar im ethischen Sinne , vgl. Test Dan 6,10, und die der literari schen Gattung unseres Briefes nahekommen. Nach Dibelius berühren sich die Testa mente neben dem Buche Sirach am engsten mit dem Jak. 1
2
Grundlegend auch für das Gerechtigkeitsverständnis der Test X I I ist die apokalypti sche Vorstellung von den zwei Äonen, die die Weltzeit in den gegenwärtigen bösen Äon und den künftigen guten Äon aufteilen, der allein den Gerechten vorbehalten ist und welcher dann den nach Gottes Urteil Gerechten als Ausgleich für alles in diesem Äon erfahrene Leid ewiges Glück zukommen läßt . Dieser Hintergrund ist maßgebend für den aus den Test X I I sprechenden kosmologischen Dualismus, der entsprechend dem paränetischen Charakter der Test X I I und dem Einfluß der Zwei-Wege-Lehre ethisch-anthropologische Ziele verfolgt . Das aus solchem apokalyp tisch-dualistischen Horizont entwickelte paränetische Anliegen und Hochziel ist die Gerechtigkeit der Gerechten. Woran aber entscheidet sich, wer als Gerechter zu gel ten hat bzw. Gerechtigkeit vor Gott geltend machen kann? Hier hat das Gesetz sei ne entscheidende Funktion: Befolgung des von Gott gegebenen Gesetzes ist Ausweis der Gerechtigkeit der Gerechten und Weg zur Teilhabe am künftigen Äon, vgl. Test Dan 5,1; Test Gad 3,1; Test Lev 13,1—5 u.a., Abfall vom Gesetz kommt dem Ver derben im Gericht gleich . Unüberbrückbar stehen sich hier die Gerechtigkeit der 3
4
5
1
V g l . D . Zeller, Juden u n d H e i d e n in der Mission des Paulus ( f z b 1) Würzburg 1 9 7 3 , 1 7 3 f . „ 8 ucaioovvr)
TOV 6eov
ist also durchaus etwas, w a s v o m Menschen verlangt w i r d " ( S . 1 7 4 ) . Unsere
A u s f ü h r u n g e n folgen im wesentlichen d e m gründlichen Kapitel 'Gerechtigkeit Gottes in der Theologie des Spätjudentums' b e i K . Kertelge, Rechtfertigung b e i Paulus ( N T A 3 N S ) Münster, 2. A u f l . 1 9 7 1 , 24—45. F r e ü i c h sollte das Gerechtigkeitsverständnis in der rabbinischen Literatur etwas anders ak zentuiert w e r d e n . 2
Jak 4 4 .
3
V g l . die zusammenfassende Darstellung bei Bousset-Greßmann, D i e Religion des Judentums im
4
V g l . Test A s s 1,3ff: „ Z w e i W e g e hat G o t t den Menschenkindern gegeben u n d z w e i Ratschlüsse
späthellenistischen
Zeitalter ( H N T 2 1 ) Tübingen 1926,
242-249.
u n d z w e i H a n d l u n g e n u n d z w e i Plätze u n d z w e i Ziele. D e s w e g e n ist alles zweierlei, eins gegen über d e m anderen. Z w e i W e g e , des G u t e n u n d des Bösen ( g i b t e s ) ; hierauf b e r u h e n die z w e i Ratschlüsse in unserer Brust, die sie unterscheiden". 5
V g l . Test L e v 19,1: „ W ä h l t n u n euch selbst entweder die Finsternis oder das Licht, entweder das Gesetz des H e r r n o d e r die W e r k e Beliars".
108
Gerechten, die Gesetzestreuen, und die Ungerechtigkeit der Gesetzlosen, der Gottlo sen, gegenüber. Diese Gerechtigkeit ist freilich auch in den frühjüdischen Schriften keine rein ethische, vom Menschen allein erreichbare und damit nur von ihm ab hängende Größe, sondern hat ihren tragenden Grund in der Gerechtigkeit Gottes und seinem Erwählungshandeln. Hat der Erwählte die Möglichkeit, durch Befolgung des Gesetzes in der von Gott geschenkten Gerechtigkeit zu bleiben oder den gesetzlosen Weg des Unheils zu gehen, vgl. Test Lev 19,1, so entsteht in dem daraus folgenden Entsprechungsverhältnis von Gerechtigkeit Gottes und Gerechtigkeit des Gerechten die Verpflichtung des Gerechten, seine Gerechtigkeit in der Treue zum Gesetz zu bewahren . Solche Treue zum Gesetz weist schon in diesem Äon — wenn auch ver borgen - die Gerechtigkeit des Gerechten aus, die dann im Gericht offenbar wird, vgl. Test Jud 22,2. Gerechtigkeit ist also als Gabe und Aufgabe eschatologisch auf das Gericht bezogen und hat in der Treue zum Gesetz seine Voraussetzung, findet im Gesetz aber auch seine Erfüllung. Die in Gott gründende Gerechtigkeit wird dem nach verstanden als die dem Menschen mögliche und durch Gesetzesbefolgung zu sichernde eigene Gerechtigkeit. Entscheidende Bedeutung für das Gerechtigkeitsverständnis erhält die Funktion des Gesetzes auch in den Schriften der Gemeinde von Qumran. Subjekt des Gerech tigkeitshandelns ist Gott, vgl. 1 QS 10,25; 11,12, der seine Gerechtigkeit dem Mit glied der Gemeinschaft erweist. Der von Gott erwählte Fromme weiß sich im „Bund der Barmherzigkeit" (1 QS 1,8), fem vom Geist des Frevels (1 QS 3,17-20, vgl. 1 QS 5,2). Dem in den Bund Erwählten steht die Welt des Trugs und der Geist Beliars gegenüber. Freilich lebt der Fromme im Bewußtsein der Gewißheit des völli gen Heils im kommenden unausweichlichen Gericht; solches Daseinsverständnis ist natürlich auch für den Qumran-Frommen auf die Erkenntnis der Angewiesenheit auf Gottes Gnadenerweise gegründet. Dazu muß sich der Fromme in dieser Zeit des Trugs durch die Treue zum Gesetz die Zugehörigkeit zum Bund bewahren, vgl. 1 QS 5,3f.22. Er soll - so sagt die Ordnung der Gemeinschaft — nicht länger wandeln „in der Verstocktheit eines schuldigen Herzens und Augen der Unzucht", 1 QS 1,6, er soll die Gebote erfüllen und vollkommen wandeln. Danach soll er auch vor der Gemeinschaft verantwortlich gemacht werden. Nach 1 QS 5,21 f. sollen die Frommen „ihren Geist in der Gemeinschaft untereinander erforschen, hinsichtlich seines Ver ständnisses und seiner Taten im Gesetz um einen Bund aufzurichten und um auf alle seine Gebote zu achten, die er zu tun befohlen hat". Dies aber geschieht nicht aus eigener Kraft, sondern durch Gottes Heilshandeln, durch das er den Erwählten Anteil an seiner Gerechtigkeit g i b t . In diesem Bewußtsein und in solchem Tun kön nen die Gerechten sich von der Welt des Frevels fernhalten, 1 QH 14,20. Maßstab für Gerechtigkeit und Frevel ist aber im Prinzip immer die Bewahrung bzw. Auflö sung des Gesetzes, vgl. nur 1 QH 14,11 ff. Solche Gnadengabe erwirkt dem From1
2
3
1
V g l . K . Kertelge, Rechtfertigung bei Paulus ( N T A 3 N S ) Münster 2. A u f l .
2
V g l . n u n auch O . Betz, Rechtfertigung in Q u m r a n , in: Rechtfertigung ( F S E . K ä s e m a n n ) , hrsg. J. Friedrich , W . P ö h l m a n n , P . Stuhlmacher, T ü b i n g e n / G ö t t i n g e n 1976,
1971,
17-36
27.
(teilweise in kri
tischer Auseinandersetzung mit K e r t e l g e ) . 3
V g l . e t w a 1 Q H 7 , 1 8 - 2 0 : „ I c h aber stützte mich auf ( d i e Fülle deines E r b a r m e n s u n d a u f den R e i c h t u m ) deiner G n a d e harrte ich, u m aufblühen zu lassen (eine P f l a n ) z u n g u n d groß zu m a c h e n einen Schößling, u m stark zu machen in Kraft ( . . . D e n n i n ) deiner Gerechtigkeit hast du mich hingestellt für deinen B u n d , u n d ich stützte mich a u f deine Wahrheit u n d ( d u . . . ) u n d du setztest m i c h z u m V a t e r für die Söhne deiner G n a d e ... " .
109
men hier und jetzt schon Anteil an Gottes Gerechtigkeit, die zu der von Gott fest gesetzten Zeit offenbar wird, vgl. 1 QH 13,14ff; 15,16. Wir können festhalten: Zwar kennt das Frühjudentum keine streng durchgehaltene und systematisierte Rechtfertigungslehre, was bei dem Charakter der Schriften auch nicht zu erwarten ist, aber es lassen sich doch einige Hauptgedanken zeigen: Maß gebend für das Denken der frühjüdischen Apokalyptik im allgemeinen und näherhin das Gerechtigkeitsverständnis sind die Vorstellung von den zwei Äonen und der Gedanke der Erwählung des Frommen. Hier erhält das Gesetz seine entscheidende Funktion. Seine Bewahrung verhilft dem Menschen zur Teilhabe an der Gerechtig keit Gottes und macht seine Gerechtigkeit im Gericht offenbar. Indem er so Anteil bekommt an der Gerechtigkeit Gottes durch die Bejahung des Gesetzes — bald mehr im Sinne der Anerkennung als göttlicher Offenbarung (4Esr*), bald mehr als Selbst bezeichnung gegenüber allem Bösen und Abfall der Welt (Qumran) - wird diese zur eigenen Möglichkeit und zum eigenen Daseinsentwurf des Menschen. Zwar hier und jetzt schon vorhanden, ist die Gerechtigkeit dennoch eine streng eschatologische Größe und kommt dem Gesetzestreuen zu: so ist Gerechtigkeit im Grunde als - wohl in Gott gründende — Eigenschaft des Menschen vor Gott im Sinne eines ethischen Zieles verstanden, die er im Gericht aufweisen kann und die Gott aner kennt. Von solchem Gerechtigkeitsverständnis im Frühjudentum ist nun auch die Bedeu tung der Gestalt Abrahams in der Überlieferung zu verstehen . Im gesamten Tradi tionsstrom des frühjüdischen Schrifttums gilt Abraham als der Gerechte schlechthin aufgrund seiner verdienstlichen Werke. Ein für diese Theologie charakteristisches Bild wird deutlich aus Sir 44,19f. im Preis der Väter, in dem die Erzväter als „die exem plarischen Weisen" gefeiert werden. Hier werden die entscheidenden Motive genannt, die für das Verständnis und die Auslegung der Gestalt Abrahams bestimmend wer den: Abraham gilt als der Gesetzestreue, nahm die Beschneidung vor und wurde 2
3
1
In 4 E s r ist j a das Gesetz das Frömmigkeitszentrum des Beters schlechthin.
I m Gesetz hat sich
G o t t g e o f f e n b a r t , vgl. 3,18f.; 9,31.36f.; 7,24, in ihm hat er seine E r w ä h l u n g und seine V e r h e i ß u n g ausgesprochen. G l a u b e an G o t t u n d B e o b a c h t u n g des Gesetzes treten hier in eine un mittelbare Beziehung zueinander, G l a u b e u n d Gesetz erhalten als w o h l eigenständige, aber nicht voneinander getrennte G r ö ß e n für die Rechtfertigung im Gericht ihr eigenes G e w i c h t : Glaube an d e n einen G o t t ist auch immer A n e r k e n n e n des von ihm gegebenen Gesetzes, vgl. 7 , 8 l f f , so d a ß diese b e i d e n K o m p o n e n t e n sogar ineinander übergehen k ö n n e n , vgl. 13,23. D i e Erfül lung b z w . Nichterfüllung der Gesetzesanforderungen w i r d d a n n über den A u s g a n g des von G o t t zu vollziehenden Gerichtes entscheiden.
D e r durch die A n e r k e n n u n g des Gesetzes, d.h. der Of
f e n b a r u n g G o t t e s , Gerechte w i r d im Gericht bestehen u n d erlangt auf d e m W e g e des Gesetzes, der N o r m göttlichen W ü l e n s , vgl. 3,56, das ewige L e b e n . Gerechtigkeit hängt
dementsprechend
m e h r o d e r w e n i g e r v o n der Gesetzes(tat) des Menschen a b ; denn G l a u b e u n d Treue z u m G e setz sind T a t e n des M e n s c h e n , die als solche von G o t t a n g e n o m m e n u n d belohnt w e r d e n , vgl. 7,34f. G e r e c h t ist der M e n s c h also, w e n n er das Gesetz als Gottes O f f e n b a r u n g versteht u n d tut; hier u n d jetzt ereignet sich für ihn diese Gerechtigkeit, u n d G o t t wird sie im Gericht of f e n b a r w e r d e n lassen u n d ihm die B e l o h n u n g z u k o m m e n lassen, vgl. 7,18.
In diesem B e w u ß t
sein k ö n n e n die Gerechten in diesem b ö s e n Ä o n bestehen, w e ü sie a u f den k o m m e n d e n k ö n n e n , 7,18.
hoffen
V g l . zur Frage auch n o c h W . M u n d l e , D a s religiöse P r o b l e m des I V . Esrabuches;
in: Z A W 4 7 ( 1 9 2 9 )
222-249.
2
V g l . O. Schmitz, A b r a h a m im Spätjudentum u n d im Urchristentum; in: A u s Schrift u n d G e
3
W . Staerk, D i e sieben Säulen der W e l t und des Hauses der Weisheit; in: Z N W 3 5 ( 1 9 3 6 )
schichte ( F S A . Schlatter z u m 70. G e b . ) Stuttgart 1922, 240.
110
99-123. 232-261.
in der Versuchung treu erfunden. So wird die Verbindung von Gen 15 und Gen 22 zu einem Charakteristikum der frühjüdischen Abrahamsüberlieferung — an unserer erwähnten Sir-Stelle ist mit K a i ev -neipaoiiCj evpedrj TTLOTÖ ein, das er wiederum abweichend von Lk 6,27f. in seiner sechsten Antithese (5,43—48) in V.44 für das vorliegende e-nr\peä^eip einsetzt. b) In der letzten Seligpreisung bei Lk ( L k 6,22f.) wird vom iiioelp der Menschen gegen die, die sich zu Jesus bekennen, gesprochen; Lk 6,27 greift diesen Begriff abweichend von Mt 5,44 wieder auf. Beide Evangelisten haben demnach die letzte Seligpreisung mit dem Gebot der Feindesliebe zusammengesehen. c) Mt 5,12 und Lk 6,23 verheißen gemeinsam - und damit der Vorlage folgend den Verfolgten und Geschmähten den Lohn im Himmel. Man wird nicht übersehen dürfen, daß solche Lohnverheißung auch Lk 6,35 mit dem Begriff ptiodöq gegeben ist und Mt 5,46 die Frage nach dem Lohn (niodöq ) für diejenigen stellt, die nur die heben, von denen sie geliebt werden. Auch hier ist eine unverkennbare Ver knüpfung der beiden Abschnitte vorgenommen. d) Eine sachliche Entsprechung findet sich zwischen der fünften Seligpreisung bei Mt, die bei Lk keine Entsprechung hat, und Lk 6,36 (diff Mt 5,48); denn eXemojp und oinTipiiup stehen in L X X oft zusammen: Ex 34,6; 2Chr 30,9; Ne 9,17; Ps 85,15; 102,8; 110,4; 111,4; 114,5; 144,8; Sir 2,11; Jl 2,13; Jn 4,2. 1
V g l . U . L u c k , D i e V o l l k o m m e n h e i t s f o r d e r u n g 36.
130
e) Die siebte Seligpreisung Mt 5,9, die ebenfalls bei Lk keine Entsprechung hat, hat ihre sachliche und terminologische Verbindung zum Gebot der Feindesliebe: Mt 5,9a werden die Friedenstifter seliggepriesen; analog dazu ist vielleicht die Feindesliebe zu sehen, wie sie Mt 5,44 / Lk 6,27 gleichlautend überliefern . Man kann aber auch mit rfeinz Schürmann eine Verbindung sehen zwischen eipr\vopoioi 1
Mt 5,9 und äyadonoiovvTeq
Lk 6,33.35 sowie naXtiq
seits vermuten: ,,wie jene viol
deov
nXridfiooprai
noiovPTeq
Lk 6,27 anderer
(Mt 5,9), so werden diese
vioi
v\pioTov ( L k 6,35, vgl. Mt 5,45 v. TOV naTpöq), eine Aussage, die sich syn (außer Lk 20,36 diff. Mk) nur an diesen beiden Stellen findet!" . 2
Sind diese Verbindungen deutlich, dann muß nach ihrem überlieferungsgeschichtli chen Verhältnis gefragt werden; dazu sind die einzelnen Traditionsschichten zu er mitteln. A u f diesem Wege sehen wir dann, inwieweit Seligpreisungen und Feindes liebe miteinander verbunden wurden. Ein Vergleich von matthäischer Bergpredigt und lukanischer Feldrede zeigt, daß bei den Redekompositionen eine gemeinsame Vorlage zugrundeliegt. Die luk Feldrede ist ganz in der mt Bergpredigt enthalten, welche umfassender gestaltet ist und noch andere Traditionen aufgenommen hat. Dementsprechend hat die luk Feldrede den wesentlich strafferen Aufbau und Gedankengang; sie wird auch der gemeinsamen Vorlage wesentlich näherkommen als die mt Komposition. Beide Evangelisten beginnen mit den Makarismen. Vier Seligpreisungen des Mt sind auch bei Lk überliefert und dürften daher mit Sicherheit in der Spruchquelle, die den Evangelisten zugrundelag, gestanden haben: Mt 5,3/ Lk 6,2ob; Mt 5,6 / Lk 6,21a; Mt 5,11 f. / Lk 6,22f. Gemeinsam sind Mt und Lk nach den Makarismen die Spruchgruppe über die Feindesliebe Lk 6,27-36 / Mt 5,39—48, die Spruchgruppen Lk 6,37-42 / Mt 7,1-5; Lk 6,43-45 / Mt 7,15-20 sowie das Gleichnis Lk 6,4649 / Mt 7,21—27. Für die Fragestellung unseres Abschnittes sind die ersten beiden Textgruppen von Interesse.
1.
Die Seligpreisungen
Beginnen wir mit den für Q sicher zu beanspruchenden Makarismen: dazu gehören zunächst die ersten drei, die Lk 6,20bf. par überliefert sind. Lk bietet sie in der zweiten Person, Mt in der dritten. Dafür, daß Lk die ursprüngliche Form beibehält, spricht, daß der dritte Evangelist grundsätzlich der ursprünglichen Fassung nähersteht als Mt. Die Lk und Mt gemeinsame Überlieferungsform des letzten Makarismus in der zweiten Person macht diese zudem als ursprünglicher wahrscheinlich . Die er3
1
D a s w ü r d e jedenfalls der B e d e u t u n g des Friedenstiftens im Judentum entsprechen, vgl. W . Foerster, A r t . eipfyr),
T h W N T I I , 4 0 8 : „ M a n kann fast sagen, daß die R o l l e , die das Friedenstiften bei den
R a b b i n e n einnimmt, d e m nt.lichen Liebesgedanken am nächsten k o m m t u n d d e n Platz im Spät j u d e n t u m einnimmt, d e n im N T die L i e b e s f o r d e r u n g hat". V g l . auch D . L ü h r m a n n , L i e b e t eure F e i n d e ; in: Z T h K 69 ( 1 9 7 2 ) 4 1 2 - 4 3 8 . 4 1 5 . 2
3
L k I, 336 A . 8 3 . Für die Ursprünglichkeit d e r zweiten Person entscheiden sich: Schweizer, M t 4 5 ; G r u n d m a n n , Lk
141, vgl. M t 120; Strecker, D i e Makarismen der Bergpredigt; in: N T S 17 ( 1 9 7 0 / 7 1 ) 2 5 5 -
2 7 5 . 2 5 6 ; O . H . Steck, Israel u n d das gewaltsame Geschick der Propheten ( W M A N T 2 3 ) N e u kirchen 1967, 20 A . 2 ; vgl. Lührmann, Redaktion 54; anders Schulz, Q 77. D a ß L k die Maka rismen aufgrund der Zusammenstellung mit den Weherufen umgebildet h a b e , ist weniger wahr scheinlich.
131
sten drei Makarismen bilden aufgrund ihrer syntaktischen Struktur eine Einheit: der Heilsanrufung folgt jeweils die Verheißung, die mit einem Ört-Satz begründet wird. Die ersten drei Seligpreisungen werden demnach ursprünglich selbständig überliefert worden sein. Lk 6,20b dürfte die Q-Vorlage vollständig wiedergeben, Lk 6,21a / Mt 5,6 wird die Q-Vorlage nahezu im luk Text wiederzufinden sein , und auch Lk 6,21b / Mt 5,4 ist der luk Wortlaut fast identisch mit Q, sieht man einmal von dem schon in der zweiten Seligpreisung als redaktionell ermittelten vvv ab. Die vierte Seligprei sung ist sekundär, wenn auch in einem frühen Stadium, zugewachsen. In Q hat diese Verbindung schon bestanden, wie die gemeinsame Überlieferung bei Mt und Lk zeigt . Der vorgegebene Spruch selbst ist schwierig zu ermitteln, da wir mit einer je eigenen Überlieferungsgeschichte der Gemeinde des Mt und des Lk rechnen müssen, so daß die beiden Evangelisten schon nicht mehr eine gleichlautende Tradition gekannt ha ben. 1
2
Beide Evangeüsteii überliefern den Beginn des Heilsanrufes gleichlautend: eore
Örav.
Die Wendung pior)oovoiv
vpäq
oi dvdpLo-noi
panäpioi
wird kaum so in der Q-Fas-
sung des Logions gestanden haben, denn sicher geht oi ävOpLo-noi auf luk Redaktion zurück ; ob pior)oovoiv vpäq ursprünglich ist, wird unterschiedlich beurteilt , man wird hier kaum größere Sicherheit gewinnen können. Die Tatsache, daß äQopfteiv in dieser Bedeutung singulär ist, könnte für Ursprünglichkeit sprechen ; das bito^cooiv bei Mt hat dann vielleicht die mit a4>. „(ursprüngliche) Einmaligkeit des Geschehens in die (spätere) allgemeine Verfolgungssituation ausgeweitet" . Auf die Vorlage in Q weist nun wieder das Verb bveibi^eiv. Die folgende „Geschickaussage" (Steck) ist schwieriger zu beurteüen, doch kommt Lk dem ursprünglichen Text auch hier mög licherweise näher als Mt, wie die gegenüber dem ersten Evangelisten kompliziertere Wendung wahrscheinlich macht . Eine sichere Entscheidung für evenev epov (Mt) oder evena TOV viovrov ävßpuynov ist kaum möglich; freilich wird in Q durchaus vom „gekommenen Meüschensohn" gesprochen; zudem ist evena TOV viov TOV ävdpämov eine singulare Wendung. 3
4
5
6
7
Auch Mt 5,12 / Lk 6,23 weichen z.T. erheblich voneinander ab: bei Mt wird die Freude schon in die Gegenwart verlagert, während im luk Text das Geschick abge setzt ist von der Freude am eschatologischen T a g , ev eneivri TT) rjpepa ist sicher luk Einfügung, so daß Mt 5,12 der vorliegenden Tradition näherkommt als Lk; 8
ö piodöq
vpcov
iroXvq
ev
rofe
ovpavoCq
/ ev
TLÖ ovpavco
(sek
Mt)
ist
bei
beiden
Evangelisten überliefert. Der zweite Teil des Spruches weicht bei beiden Evangelisten wieder stärker voneinander ab: für das wohl ursprüngliche ovrcoq wird Lk nard rd avTd eingefügt haben; demgegenüber wird das luk enoiovv dem mt ebico^av vorzu1
D a s vvv
2
V g l . Schürmann, L k I , 3 3 2 ; vgl. zur Überlieferungsgeschichte des Spruches auch Steck,Israel 20—26.
3
Steck, Israel 2 2 ; Schulz, Q 4 5 2 .
4
Schulz, Q 4 5 2 hält es mit äQopßeiv
w i r d luk B i l d u n g sein, vgl. Schulz, Q 77 A . 1 3 5 .
f ü r s e k ; S t e c k , Israel 22 w ü l es Q ( L k ) zuweisen; für U r
sprünglichkeit Schürmann, L k I , 333 A . 4 8 ; ähnlich auch L ü h r m a n n , L i e b e t eure Feinde 416. 5
G e g e n Steck, Israel 2 3 .
6
Schürmann, L k I , 333 A . 5 0 .
7
V g l . Schürmann, L k I , 333 A . 5 3 ; jedenfalls kann die A r g u m e n t a t i o n v o n Steck, Israel 2 3 , die „ K o n vergenz der Mt-Fassung mit L k 6,26" zeige, „ d a ß M t Q b e w a h r t hat, w ä h r e n d die L k - W e n d u n g durch Ä n d e r u n g in Q L k z u s t a n d e g e k o m m e n ist", nicht recht überzeugen. Schulz, Q 453 schließt sich im wesentlichen Steck an.
8
ev eneivr)
132
Ty
vpepq
ist eschatologisch a u f den Gerichtstag bezogen.
ziehen sein, wie auch roCq 7rpo07?rcuc ursprünglicher sein dürfte; oi irarepes ist dagegen luk Redaktion zuzuweisen .
avrüv
1
Die hier besprochenen vier Makarismen sind, wie die Analyse gezeigt hat, für Q nach weisbar, da Mt und Lk sie, von einer gemeinsamen Vorlage ausgehend, mit einer je eigenen Traditionsgeschichte überliefern. In die Abfolge der Seligpreisungen, wie sie bei Lk vorliegen, sind im Mt-Ev nun weitere Makarismen eingefügt: Mt 5,5: Zuspruch an die Sanftmütigen; Mt 5,7; Zuspruch an die Barmherzigen; Mt 5,8: Zuspruch an die, die ein reines Herz haben; Mt 5,9: Zuspruch an die Friedenstifter; 5,10: Zuspruch an die Verfolgten um der Gerechtigkeit willen. Betreffen die vier bei Mt und Lk gemeinsam überlieferten Makarismen das Sein, den Zustand der Angesprochenen, so richten sich die zusätzlich bei Mt überlieferten Selig preisungen an das Verhalten der Christen. Diese ethische Erweiterung dürfte kaum auf Q selbst zurückgehen. Auch vom Aufbau her unterscheiden sich die beiden Grup pen von Makarismen: während die vier bei Lk überlieferten Makarismen antithetisch aufgebaut sind, kommt es Mt 5,5.7—9 auf die dem menschlichen Verhalten entspre chende Verheißung an. So wird man nicht fehlgehen in der Annahme, daß die zu sätzlichen Makarismen des Mt-Ev frühestens in der weiteren Q-Überlieferung der mt Gemeinde entstanden sind . 2
Der erste der bei Lk nicht überlieferten und in Q nicht vorhandenen Makarismen findet sich Mt 5,5; der Spruch stimmt terminologisch weitgehend mit Ps 36,11 ( L X X ) überein: oi
8e
npaeiq
nXripovdpfioovoLV
yqu
Kai
Kararpv^Govoiv
e-ni 7rXr/0ei
eipfivrjq;
3
er dürfte von daher gebildet sein . Die Frage, ob Mt 5,5 redaktionell auf den Evan gelisten zurückgeht oder der vormatthäischen Q-Überlieferung zuzuschreiben ist , ist nicht leicht zu entscheiden. Die Aussage des Spruches bringt gegenüber Mt 5,3 keinen neuen Gedanken; denn npavq und 7ircoxöc gehen auf denselben hebräischen bzw. aramäischen Begriff zurück; möglicherweise ist Mt 5,5 gemeinsam mit den Makaris men Mt 5,7-9 überliefert worden: dafür spricht, daß im rabbinischen Schrifttum der unserem Spruch zugrundeliegende Ps 37(36) an drei Stellen behandelt wird, und zwar jeweils im Zusammenhang mit Frieden und Friedenstiftung , vgl. Mt 5,9; zu der Makarismengruppe 5,7-9 hat die Seligpreisung auch darin eine gewisse Be ziehung, daß sie gemeinsam mit 5,8 am meisten vom A T her geprägt zu sein scheint. 4
5
6
Mt 5,7 steht in seiner Terminologie Lk 6,36 (diff Mt 5,48) auffallend nahe, denn e\ef)ßojv und oiKripucjv können in L X X den gleichen Sachverhalt wiedergeben und nebeneinanderstehen . Vv.7—9 bilden in der vom ersten Evangelisten im Grundbe stand schon vorgefundenen Makarismenreihe Vv. 3—9 im Besonderen eine Dreier gruppe , die sich von den anderen Makarismen abhebt: nur hier wird der Name 7
8
9
1
V g l . Steck, Israel 27 ( T a b e l l e ) ; Schulz, Q 4 5 4 .
2
V g l . Strecker, D i e Makarismen 2 5 9 ; L ü h r m a n n , Redaktion 54; Schweizer, M t 4 8 ; G r u n d m a n n , Mt
119 u.a.
3
Schweizer, M t 4 7 ; G r u n d m a n n , M t 124; Strecker, D i e Makarismen 264.
4
E . Neuhäusler, A n s p r u c h u n d A n t w o r t Gottes; Düsseldorf 1962, 142.
5
Strecker, D i e Makarismen 264: „ D e n n ein M o t i v für eine redaktionelle Bildung ist nicht zu er kennen".
6
V g l . Str.-B. I 199.
7
V g l . o b e n S.130.
8
Strecker, D i e Makarismen, 259; Lührmann, L i e b e t eure Feinde 4 1 5 .
9
A u c h die Seligpreisung der irpaeiq
w i r d schon sek zu der Dreiergruppe hingewachsen sein.
133
1
Gottes genannt, und die Sprache ist sicher nicht typisch für M t . Man muß mit der Möglichkeit rechnen, daß die vormatthäische Q-Überlieferung den Gedanken Lk 6,36 ( = Q ) in die Seligpreisungen aufgenommen hat, wenngleich die Forderung nach Barm herzigkeit im Judentum allgemein verbreitet ist ; auch die Tatsache, daß der Spruch Lk 6,36 auch schon in Q isoüert steht und aus dem Zusammenhang nicht eigentlich hervorgeht , mag diese Hypothese begründet erscheinen lassen. Wenn dem so ist, dann ergibt sich allerdings die Frage, ob in Q nicht doch eXeruioveq gestanden hat. 2
3
Die sechste Seligpreisung Mt 5,8 ist wieder stärker im A T vorgebildet, vgl. Ps 23,3-5 ( L X X ) . Die geforderte Reinheit des Herzens hat allgemein im Judentum große Be deutung . 4
Die siebte Seligpreisung Mt 5,9 enthält wieder einen auffälligen Bezug zu Mt 5,45: hier wie dort wird dem geforderten menschlichen Verhalten die Gottessohnschaft verheißen (vioi deov). Der Spruch ist weniger als der vorhergehende von der Sprache des A T her geprägt, wenn auch das Motiv im Judentum bedeutungsvoll i s t ; die Makarismen 2Hen 52,11.13, die vom Frieden sprechen, können nicht als Parallele herangezogen werden, da dort die seliggepriesen werden, die in Frieden wandeln und den Frieden haben. Eine sachliche und auch terminologische Parallele ist aber das Wort Jak 3,18, das die Auseinandersetzung über die wahre Weisheit 3,13ff abschließt. 5
Damit wird die zweite Gruppe von Makarismen, die dem ersten Evangelisten vorgege ben waren, abgeschlossen. Der achte Makarismus dürfte dagegen der Redaktion des Mt selbst zuzuschreiben sein: Schon die Seligpreisung der Siebenzahl zeigt, daß er der vormatthäischen Tradition nicht angehörte. Er enthält auch nichts, was nicht schon in der Vorlage des Matthäus gegeben war. Inhaltlich erscheint V.lOa als Ex zerpt aus V . l l , wobei evenev
biKaioovvriq
dem evenev
epov in V . l l korrespondiert.
V.lOb wiederholt V.3b wörtlich, führt also über das Gesagte nicht hinaus. Diese Wie derholung schließt die voraufgehenden Makarismen als formale und sachliche Einheit zusammen. V . l O b bringt zum Ausdruck, was Inhalt eines jeden der Nachsätze ist, die Verheißung der Himmelsherrschaft. Aus allem ergibt sich, daß V.10 als redaktionelle Bildung anzusehen i s t " . 6
Folgendes Bild ergibt sich demnach für die Traditionsgeschichte der Seligpreisungen: Die Q-Vorlage enthielt ursprünglich vier Seligpreisungen, wobei die letzte, Mt 5,11 f./ Lk 6,22f., wohl auch schon sekundär zugewachsen war, aber in Q mit den anderen drei Makarismen zusammen überliefert wurde. Diese vier Makarismen hat die matthäische Gemeinde um weitere vier erweitert, Mt 5,5.7-9, während der Evangelist selbst V.10 redaktionell eingefügt hat. Dieses Bild hat seine Bedeutung für den Zusammen hang von Makarismen und letzter Antithese.
1
eXermcov
2
V g l . Str.-B. I 2 0 3 - 2 0 5 ; allerdings erfährt das G e b o t eine wesentliche Einschränkung, d a d e m
3
V g l . Schürmann, L k 1 3 5 8 - 3 6 0 ;
4
V g l . G r u n d m a n n , M t 129f.; Schweizer, M t 54.
5
V g l . S.131
6
Strecker, D i e Makarismen 267.
i m N T n u r hier u n d H e b r 2 , 1 7 ; ei pwvoiroiöq
M t 5,9.
am-ha-arez keine Barmherzigkeit erwiesen w e r d e n soll, Str.-B. I 205.
134
A.l.
vgl. auch unten S. 137.
2.
Das Gebot der Feindesliebe
Lk 6,27 schließt an Lk 6,22f. an; das dürfte der ursprünglichen Reihenfolge, wie sie in Q vorgelegen hat, entsprechen : der Seligpreisung der Verfolgten folgt das Gebot der Feindesliebe. 1
Das Gebot der Feindesliebe selbst (Mt 5,44b / Lk 6,27b) ist bei Mt und Lk gleich lautend überliefert, dürfte demnach auch der Vorlage entsprechen. Die Einleitung Mt 5,44a / Lk 6,27a ist bei Lk ursprünglicher, wenn auch rocc CLKOVOVOLV auf luk Redaktion zurückgehen kann ; eine Entscheidung ist für unsere Fragestellung nicht notwendig. Dem Gebot der Feindeshebe folgt bei Mt nur die Aufforderung zur Bitte für die Verfolger, Mt 5,44c, während Lk drei dem Gebot der Feindesliebe entspre chende Sätze, Lk 6,27c.28a.b, anschließt. Mt 5,44c und Lk 6,28b stimmen in npooevxeode vpäq überein. Demnach dürfte für Q zumindest das Gebot zur Feindes liebe sowie die Aufforderung zur Bitte für die Verfolger zu beanspruchen sein. Die Frage, ob TCOV ÖLCOKÖVTCOV oder TCOV e-nripea^övTcov ursprünglich ist, kann man zu nächst dahingehend beantworten, daß bLcoKÖvTcov bei Mt wohl im Anschluß an 5,10f. nicht für Q vorauszusetzen ist. Manche Gründe sprechen dafür, daß Lk hier der Vorlage gefolgt ist , denn der Begriff nimmt sachlich das öveLbi^eLV von Mt 5,11/ Lk 6,22 ( = Q ) wieder auf; biLoneiv in der Vorlage hätte Lk wahrscheinlich nicht ge ändert, da er es sonst oft verwendet ; Mt ist diese Einfügung im Anschluß an 5,10f. viel eher zuzutrauen. Auch Lk 6,27c — ohne Entsprechung bei Mt - scheint ur sprünglich zu sein: pioeiv knüpft an Lk 6,22 an und zeigt die enge Verbindung zwi schen den Seligpreisungen und dem Gebot der Feindesliebe. Ob Lk pLoeCv redaktio nell verwendet, scheint höchst unsicher . Ist Lk 6,27c der Spruchquelle zuzurechnen, dann auch Lk 6,28a: evXoyeiv und nciTapäv sind redaktionell für Lk nicht nachweis bar und tragen traditionellen Charakter, vgl. Rom 12,14; Jak 3,9f; offensichtlich hat auch Paulus Rom 12,14 diesen Spruch aufgenommen. 2
3
4
5
6
Mit Lk 6,29f. dürfte der dritte Evangelist die ursprüngliche Reihenfolge bewahrt ha ben; die vorliegende Einheit von Lk 6,27f. und Lk 6,29f, die sicher nicht ursprüng lich ist, wie sich aus dem Wechsel in der Anrede von der 2. Pers. Plur. in die 2. Pers. Sing, ergibt, war wohl schon in Q gegeben; denn Mt 5,39ff.42 stehen die Ent sprechungen eng zusammen. Der erste Evangelist wird die Verse in Glättung der Vor lage in die 5. Antithese vorausgenommen haben. Auch der Spruch Lk 6,31 / Mt 7,12 hat in der Anordnung des Lk seinen ursprünglichen Platz, denn sicher hat Mt die „goldene Regel" in 7,12 sekundär eingefügt . 7
1
L ü h r m a n n , L i e b e t eure Feinde 4 1 6 ; Schürmann, L k I, 3 4 6 ; vgl. G r u n d m a n n , L k 146.
2
B u l t m a n n , Tradition 95 hält die ganze Einleitung für luk redaktioneü; Schulz, Q 127 bean
3
sprucht Xeyco
bpiv
sehen auch in
70t"c
für Q , Schürmann, L k I , 345 A . 1 9 u n d Lührmann, Liebet eure Feinde 417 ÖKOVOVOLV
Tradition.
D i e V e r m u t u n g von L ü h r m a n n , Liebet eure F e i n d e 416, eirqpeä^eiv zu
fragen ist, o b nicht das pLoeiv
sei „ein so seltenes W o r t , daß
von L k 6,27c entsprechend L k 6,22 in Q hierher gehört",
kann nicht überzeugen; diese Tatsache müßte eher dafür sprechen, d a ß L k hier der Tradition folgt u n d nicht redaktionell eingegriffen hat. 4
Schulz, Q 128 + A . 262.
5
pLoeCv
6
V g l . Schürmann, L k I 346 A . 24; auch Schulz, Q 130 hält luk B ü d u n g allenfalls für /caXcöe troLeiv
7
w u r d e L k 6,22 für Q beansprucht, vgl. o b e n S. 132. für möglich.
Schürmann, L k I 3 5 0 ; Schweizer, M t 110; G r u n d m a n n , M t 2 2 3 ; Lührmann, Liebet eure Feinde 4 1 9 .
135
Im Anschluß an das Gebot der Feindesliebe und die „goldene Regel" folgen Lk 6,32f. / Mt 5,46f. Fragen, die sich beim ersten und beim dritten Evangelisten entsprechen. Lk 6,32a ist von Mt 5,46 nur in der Konstruktion des Konditionalsatzes und der daran anschließenden Frage verschieden, die Mt ursprünglicher wiedergibt, xäpte ist ein ausgesprochen luk W o r t , so daß man davon ausgehen kann, daß der dritte Evangelist ßioOöq durch xaptc ersetzt hat - niodöq begegnet zudem noch in Lk 6,35. Für Q kann man daher die zweimalige Schlußfrage TLVCL ynodöv e'xere annehmen . Damit knüpft die Q-Vorlage wieder an die letzte Seligpreisung für die Verfolgten an, für die der Begriff piodöq wahrscheinlich gemacht werden konnte. Lk 6,34 wird wohl kaum auf die Spruchquelle zurückgehen, ebensowenig wie Lk 6,35a.b . Die Verheißung der Gottessohnschaft hat ihre Entsprechung in Mt 5,45; Das Gebot der Feindesliebe und die Verheißung gehören offensichtlich schon für Q zusammen . Den genauen Wortlaut der Verheißung der Gottessohnschaft zu erschließen, ist nicht einfach. Da aber auf der einen Seite der Zusatz TOV etc obpavoiq Mt 5,45 gut matthäische Züge trägt und andererseits v^ioroq charakteristisch für den dritten Evangelisten ist , kann damit gerechnet werden, daß in der Redequelle vlol deov gestanden hat. Dann hat die Weiterüberlieferung von Q in der matthäischen Gemeinde diese Bezeichnung in die Sehgpreisung der Friedenstifter Mt 5,9 aufgenommen und damit die Verbindung von Makarismen und Gebot der Feindesliebe ausdrücklich betont. 1
2
3
4
5
6
7
Damit ergibt sich überlieferungsgeschichthch für den engeren und weiteren Kontext der Vollkommenheitsforderung folgendes Bild: In der Redequelle haben vier Makarismen gestanden. Diesen folgte in Q das Gebot der Feindesliebe mit seinem K o n t e x t . Schon die Spruchquelle weist einen engen Zusammenhang zwischen den Seligpreisungen und dem Gebot der Feindeshebe auf, der bewußt gestaltet ist und sich terminologisch nachweisen läßt: Örav iuor}oovoiv ü / i d c in der letzten Seligpreisung hat seine Entsprechung in naXüq iroieire TCHC liLoovoiv ü / i ä c Lk 6,27 ; eirr\peä$eiv Lk 6,28 (=Q) nimmt sachlich die letzte Seligpreisung wieder auf. Die Verheißung des Lohnes (ö piodöq = Q ) im zweiten Teil der letzten Seligpreisung entspricht der rhetorischen Frage nach dem Lohn ( / n a f l o c ) Mt 5,46 ( = Q ) , wohl auch 5,47. 8
9
Solche Verbindung von Makarismen — vor allem der Seligpreisung für die Verfolgten und Feindesliebe hat die Weiterüberlieferung der Spruchquelle in der matthäischen
1
eav
2
Schürmann, L k I, 353
A . 7 7 ; Schulz, Q 129; L ü h r m a n n , L i e b e t eure Feinde 420.
TL -nepiooöv
dürfte k a u m a u f Q zurückgehen, d a die F o r m u l i e r u n g gut m t Züge trägt.
3
äyanrioeTe
ist gegenüber iroieiTe
O b auapTCjXoi
et
aya-näre
( L k 6,32b.33b) oder
w o h l sek.
reXüvai
( M t 5,46b) b z w .
eBviKoi
( M t 5 , 4 7 b ) für Q
beansprucht w e r d e n m u ß , ist für unsere Fragestellung nicht von erheblicher Bedeutung, d o c h spricht manches für äpapTco\ol,
vgl. L ü h r m a n n , L i e b e t eure Feinde 4 2 0 ; Schulz Q 129 hält
allerdings den m t T e x t für ursprünglicher; vgl. a u c h G r u n d m a n n , M t 179 A . 1 4 6 . 4
Schulz, Q 1 3 0 f ;
5
L ü h r m a n n , L i e b e t eure F e i n d e 4 2 1 .
6
M t 5,16; 6,1 ( i n der n u r bei M t überlieferten L o h n v e r h e i ß u n g ) ; aufschlußreich ist M t 7,11
L ü h r m a n n , L i e b e t eure Feinde 420f.
11,13: D e r luk T e x t spricht v o n b -narr)p ev 7
obpavoiq
e£
obpavov,
der m t T e x t sagt: b iraTfip
, w o b e i der m t T e x t sicher nicht der ursprünglichere ist, vgl. Schulz, Q
D i e Gottesbezeichnung
btyioToq
begegnet im N T weitgehend bei L k ( i m Ev u n d A p g ) :
76; 2,14; 6,35; 8,28 ( = M k 5,7 diff. M t 8 , 2 9 ) ; A p g 7,48; 16,17. 8
O b die W e h e r u f e schon in Q selbst gestanden h a b e n , ist mehr als fragwürdig.
9
KaXcöc
136
noieiv
ist allerdings nicht sicher für Q zu b e a n s p m c h e n .
bfiüv
/ Lk b
162. L k 1,32.35.
Gemeinde noch deutlich verstärkt, indem sie den Friedenstiftern jene Gottessohnschaft verheißt, die die Spruchquelle denen zusagt, die das Gebot der Feindesliebe erfüllen. Damit kommen wir zum letzten Vers unseres Zusammenhangs, von dem unsere Über legungen ausgegangen sind: Mt 5,48 beschließt den ersten Teil seiner Bergpredigt mit der imperativischen Verheißung eoeode ovv vpeCq reXeioi cbc ö Trarfip b ovpävioq reXeiöq eoTLv. Die Parallele Lk 6,36, die zur Barmherzigkeit auffordert, hat eine an dere Funktion: der Spruch soll den dritten Teil des Lehrgedichtes 6,27-38 einleiten, und die folgenden Verse 6,37f. exemplifizieren das, was mit der Mahnung zur Barm herzigkeit gemeint ist; deshalb wird V.37 auch mit Kai an V.36 angeschlossen ; in haltlich ist V.36 vom vorhergehenden Kontext insofern abgehoben, als man „nicht einen Hinweis auf die Barmherzigkeit Gottes und eine Aufforderung zur Barmherzig keit erwartet sondern zur Güte auch gegen Undankbare und Böse", wie H. Schür mann gut beobachtet . Lk wird hier der Spruchquelle folgen , d.h. Mt 5,48 hat sekundär die Funktion erhalten, die vorliegende Einheit abzuschließen. So vertreten denn auch die Autoren fast einhellig die Ansicht, daß der mt Spruch gegenüber Lk 6,36 sekundär i s t , was sich kaum bestreiten läßt. Freilich bleibt dann noch die Frage, ob das Wort reXeioq der Redaktion des Evangelisten selbst oder der Weiter überlieferung von Q in der mt Gemeinde zuzurechnen ist. 1
2
3
4
Für die Annahme, daß der erste Evangelist hier selbst eingegriffen hat, läßt sich zu nächst anführen, daß Mt in 19,21 abweichend von der Mk-Vorlage reXeioe eingefügt hat. Diese für die Redaktion des Mt oft angeführte Beobachtung wird von anderer Seite ergänzt durch folgenden schon gezeigten Sachverhalt: zwischen den Makaris men und dem Gebot der Feindesliebe mit seinem Kontext besteht schon in der Redequelle eine enge Verbindung. Die vier Seligpreisungen Mt 5,5.7—9, die wir der weiteren Q-Überlieferung der mt Gemeinde zurechnen konnten, haben ihrerseits die Verbindung aufgenommen und noch enger gestaltet, wie vor allem V.7 und V.9 zeigen . Dienen nun die beiden genannten Makarismen einer solchen „engeren Ver zahnung zwischen den Seligpreisungen und dem ihnen folgenden Text über das Ge bot der Feindesliebe" , dann wird Mt 5,7 von dem ursprünglichen Text des Spruches Mt 5,48 / Lk 6,36 beeinflußt und zu erklären sein. Damit ist aber wahrscheinlich ge macht, daß die mt Gemeinde den Q-Spruch Mt 5,48 / Lk 6,36 noch in der ursprüng lichen Q-Fassung weitergegeben hat. 5
6
Diese Anhaltspunkte lassen mit Wahrscheinlichkeit den Schluß zu, daß der erste Evangelist selbst in 5,48 das Motiv der Vollkommenheit einführt, indem er oiKrippcjp aus Lk 6,36 ( = Q ) durch reXetoq ersetzt hat.
1
Schürmann, L k I , 3 5 9 ; vgl. G r u n d m a n n , L k 146.
2
L k I, 359.
3
V g l . Schürmann, L k I
4
Schürmann, L k I , 3 6 0 ; G r u n d m a n n , M t 180; Schnackenburg, D i e sittliche Botschaft 80f.;
5
V g l . o b e n S. 130 f.
6
L ü h r m a n n , L i e b e t eure Feinde, 4 1 5 .
363.
Schulz, Q 130 u.a.
137
3.
Konsequenzen
Was meint Mt nun mit „Vollkommenheit", welches theologische Verständnis liegt dem Gedanken zugrunde, welches ist seine Zielsetzung und lassen sich hier Bezugs punkte zum Jak entdecken, denen ja unsere Aufmerksamkeit gelten soll? Das inhalt liche Verständnis jener das Gebot der Feindesliebe abschließenden Vollkommenheits forderung wird sich zunächst vom unmittelbaren Kontext 5,43-47 ergeben. Dieser aber lenkt einmal den Blick auf 5,17-20 zurück. Die Sprüche über das Gesetzes problem 5,17-20 bilden keine ursprüngliche Einheit; 5,18f. sind Mt aus der weiteren Überlieferung von Q vorgegeben , die er in V.20 auslegt. Das „Erfüllen" ist für Mt das qualitative „Mehr" an Gerechtigkeit, das die Christen gegenüber den Pharisäern als Bedingung für die ßaoiXeia TCOV ovpavtov aufweisen müssen; entscheidendes Ge wicht für den Maßstab christlichen Handelns erhält so beim ersten Evangelisten die Erfüllung des von Jesus neu ausgelegten Gesetzes. Diesen Gesichtspunkt nimmt Mt in 5,47 wieder auf (rt neptooöv notetTe) und versteht ihn auf die fordernde Ver 1
heißung hin:
eoeode
obv vpetq
reXetoi
2
... .
Die Erfüllung des Gesetzes, das vor allem im Liebesgebot besteht, vgl. noch Mt 22,40; 23,23, ist für Mt ein bestimmender Weg zur geforderten Vollkommenheit und stellt einen wichtigen Ansatzpunkt für jenes theologische Ziel des Evangelisten dar. Freilich scheint der Hinweis auf das Gesetz nur e i n Ausgangspunkt für den Gedan ken des Mt zu sein: bei den vorgenommenen überlieferungsgeschichtlichen Analysen hatte sich herausgestellt, daß schon in der Spruchquelle ein besonderer Zusammen hang zwischen dem letzten Makarismus und dem Gebot der Feindesliebe besteht, den die weitere Überlieferung in der Hinzufügung zusätzlicher an dieses Gebot anklingen der Seligpreisungen ihrerseits betont hat. Schließlich hat der Evangelist selbst, wie wir sahen, die Verknüpfung aufgenommen und den Zusammenhang zwischen der Verfolgungstradition, wie sie in der letzten Seligpreisung vorliegt, und dem Gebot der Feindesliebe, das er mit der imperativischen Vollkommenheitsverheißung ab schließt, noch enger gestaltet, indem er die achte Seligpreisung redaktionell ergänzte, das 8icoK€LV
in Mt 5,11 einfügte und epripea^övrcov
Lk 6,28 ( = Q ) durch
ÖILOKÖVTLOV
ersetzte. Hat also der Autor des ersten Evangeliums den Abschnitt 5,43-47 einerseits mit der Vollkommenheitsforderung abgeschlossen und ihn andererseits mit der letzten Seligpreisung verbunden, dann wird deutlich, daß die imperativische Verheißung 5,48 einen theologischen Ausgangspunkt auch in der Verfolgungstradition Mt 5,11 f. hat. So unbestreitbar also die oft vorgetragene Beobachtung ist, daß die Vollkommenheit beim ersten Evangelisten — und besonders an unserer Stelle — vom Hintergrund der Erfüllung des neubegründeten Gesetzes zu verstehen ist , so sehr drängt sich doch die Vermutung auf, daß das Leiden des Gerechten, die durch die Bedrängnis bestimmte Situation des Christen ein zweiter die Vollkommenheitsforderung und -Verheißung be stimmender Gedankenkreis für Mt darstellt. 3
1
Vgl. L ü h r m a n n , R e d a k t i o n 117; Schweizer, M t 5 , 1 7 - 2 0 ; Schweizer, M t 6 3 .
2
Vgl. z u m Z u s a m m e n h a n g v o n V o l l k o m m e n h e i t u n d Gerechtigkeit in der rabbinischen Theologie G r u n d m a n n , M t 180.
3
Vgl. Barth, Gesetzesverständnis 9 1 ; Trilling, Israel 1 9 3 - 1 9 6 . U . L u c k , D i e Vollkommenheits forderung 36 u . ö . betont nachdrücklich das weisheitliche Gesetzesverständnis als religionsge schichtlichen
138
Hintergrund.
Dieses wichtige Ergebnis, das sich nach den überlieferungsgeschichtlichen Analysen des weiteren und engeren Kontextes unserer Stelle zeigt, hat seine Parallele in der ersten Spruchreihe des Jakobusbriefes, Jak 1,2-4: spannt sich der Bogen in der Bergpredigt des Mt von dem Heilsruf an die 7rrwxot TÜ> irveviiaTt und die in der Bedrängnis Ste henden über die Aufforderung zur Erfüllung des Gesetzes bis hin zur Verheißung und Forderung der Vollkommenheit, so ist diese am Beginn des Jak das theologische Ziel des Christen in einer Situation, die durch Bedrängnis und Erprobung des Glaubens gekennzeichnet ist . Dem gemeinsamen Motiv von der Freude angesichts des Leidens folgt die gemeinsame Zielsetzung der Vollkommenheit. 1
Damit können wir die am Beginn dieses Abschnittes gestellte Frage nun soweit beant worten: Vollkommenheit ist für den Autor des Jak wie für den Evangelisten ein zen trales theologisches Ziel; sie wird einmal erreicht durch die Erfüllung des Gesetzes, näherhin des Liebesgebotes, sowie in der durch Bedrängnis gekennzeichneten Situation des Christen in der Welt. Den religionsgeschichtlichen Hintergrund für diesen Gedan ken bildet die frühjüdische Weisheitstheologie, die um jene beiden Probleme kreist, die Erfüllung des Willens Gottes und das Leiden des Gerechten in dieser Welt.
III.
Weisheit ,,von oben"
Die Frage nach der Vollkommenheit im Jak und in der synoptischen Jesusüberliefe rung, die wir im voraufgehenden Abschnitt ausführlich zur Sprache brachten, führt uns zu einem weiteren Problem. Denn jene Vollkommenheit ist in beiden Überlie ferungen nur in der von Gott gewährten Weisheit möglich, die im Gegensatz zu al ler irdischen Weisheit steht. Dieser Grundgedanke wurde für den Jak im ersten Teil unserer Untersuchung ausführlich aufgewiesen und religionsgeschichtlich untersucht. Auch die synoptische Jesusüberlieferung weist darauf hin, daß die Vollkommenheit eine dem Menschen nicht aus sich heraus erreichbare Möglichkeit ist, sondern nur in der von Gott gegebenen Weisheit liegt . Die Weisheit ist aber auch in der synopti schen Tradition als von Gott kommende Weisheit verstanden, die aller irdischen und menschlichen Weisheit entgegensteht, indem sie alle Niedrigen, Armen und Einfälti gen zu Weisen macht. Diesen Gedanken hebt zentral jene Überlieferung hervor, die Mt 11,25 / Lk 10,21 zugrundeliegt. 2
Der Abschnitt Mt 1 1,25-27 hat seine Entsprechung bei Lk 10,21f. Da Mt 11,25-27 / Lk 10,21f. das aus Q stammende Drohwort Lk 10,13-15 / Mt 11,21-24 voraus geht, dürften die beiden Einheiten auch in Q schon zusammen vorgelegen haben. Das beim dritten Evangelisten dazwischenliegende Stück besteht aus einem von Lk selbst gestalteten Bericht (Lk 10,17—20) und einem Einzelwort aus Q. Mt 11,21-24 / Lk 10,13-15 schließen sich wohl auch schon in Q an die Aussendungsrede (Mt 10,7—16 / Lk 10,1—20) an, die im Grundbestand auf die Spruchquelle zurückgeht. 3
1
Jak 2 , 8 - 1 3 w i r d , w i e w i r sahen (vgl. o b e n S. 9 7 f . ) , die Erfüllung des „ganzen Gesetzes" als W e g zur V o l l k o m m e n h e i t gesehen. Dieser für M t so entscheidende Gesichtspunkt der Erfüllung des Gesetzes hat also seine zentrale Bedeutung auch im Jak.
2
V g l . U . L u c k , Die Vollkommenheitsforderung 39f.; vgl. auch o b e n im ersten Abschnitt des
3
V g l . D . L ü h r m a n n , R e d a k t i o n 60.
vorliegenden Kapitels S. 120.
139
Dieser Kontext ist bei der Auslegung des Dankgebetes zu beachten. Der Spruch selbst ist bei Mt und Lk nahezu identisch wiedergegeben, so daß der ursprüngliche Wortlaut leicht rekonstruiert werden kann: statt eKpvxjjaq in Q, das Mt übernimmt, setzt Lk wohl in Angleichung an ä-neKäkvilsaq das Kompositum änenpv^aq . Der Text ist damit einer der Abschnitte in der Spruchquelle, „die am wenigsten Probleme bei der Bestimmung des ursprünglichen Wortlautes aufwerfen" . Der gedankliche Hintergrund und die Zielsetzung des Abschnittes werden deutlich in dem a-noKaKv-nreiv, der Aussage über die Offenbarungsempfänger und Inhalt der Offenbarung. 1
2
1.
Das
äiroKa'KviTT€LP
Mt 11,25/Lk 10,21 spricht vom Offenbaren an die wnirtoi und dem Verbergen vor den ao0o£ Offenbarung von Verborgenem ist in der Apokalyptik das beherrschende M o t i v . Dabei handelt es sich um die Enthüllung und Offenbarung geheimer, verborgener Güter und Sachverhalte, die im Himmel bereitet sind, an bestimmte Auserwählte aus der Geschichte Israels. Diese unzugänglichen Ereignisse enthüllen das, was über die Erde, über die Gerechten und Ungerechten kommen wird. Als solche tragen sie kosmischen und geschichtlich-eschatologischen Charakter . Die Enthüllung und Offenbarung solcher Geheimnisse ist also ganz Gottes Tat, auf die der Mensch keinen Einfluß hat. 3
4
So sind dem apokalyptischen Seher die Ereignisse der Welt absehbar, er hat das Wissen empfangen, wann die Geheimnisse der Gerechten offenbar werden, das vernichtende Gericht über die Sünder kommen wird, vgl. lHen 103,1—6. Insofern also Offenbarung „die interpretierende Enthüllung von in Visionen und Entrückungen geschauten himmlischen 'Geheimnissen', und zwar derselben 'Geheimnisse', die sich am Ende der Zeit offenbaren werden ( i s t ) " , trägt der Seher nicht so sehr den Charakter der Sendung zu seinem Volk, sondern tritt als Deuter der Zukunft auf, als Ankündiger der zu erwartenden Geschehnisse, die ihnen offenbart sind, als Enthüller des kurz bevorstehenden Endes. Für den Gebrauch und den Gedanken des Wortfeldes „Offenbarung" in unserem Q-Logion ist es wichtig zu wissen, daß solche apokalyptischen Erkenntnisse nur an die „Weisen" weitergegeben werden . 5
6
Auch in der Apokalyptik der Qumran-essenischen Gemeinde spielt der Gedanke der Offenbarung von göttlichen Geheimnissen eine wesentliche Rolle. 1 QS 11,5—7 spricht der Beter von der „Einsicht, welche verborgen vor den Menschen, Erkenntnis und klugen Gedanken, (verborgen) vor den Menschenkindern" ; den Erwählten tut 7
1
2
L ü h r m a n n , R e d a k t i o n 6 4 + A . 8 ; vgl. Schulz, Q 213f. Lührmann, Redaktion 65.
3
V g l . d a z u G. B o r n k a m m , A r t . pvoTf)piov; Das
in: T h W N T I V , 8 0 9 - 8 3 4 . 8 2 1 . 8 2 3 ;
D . Lührmann,
Offenbarungsverständnis b e i Paulus u n d in paulinischen G e m e i n d e n ( W M A N T
16), Neukir-
chen 1965, 9 8 - 1 0 2 ; M . Hengel, Judentum 3 6 9 - 3 8 1 . 4
V g l . H o f f m a n n , Studien 112 + A . 4 4 . 4 5 , vgl. 4Esr 8,51f.
5
L ü h r m a n n , Offenbarungsverständnis
6
V g l . über die hier genannten Stellen hinaus n o c h die Belege bei Schulz, Q 218 A . 2 8 4 .
7
Ü b e r s e t z u n g nach Maier, T e x t e I , 44.
140
lOOf.
Gott seine wunderbaren Geheimnisse zu einem Wandel gemäß der Offenbarung kund, 1 QS 9,18f., vgl. 4,27, belehrt den Frommen über seine wunderbaren Geheimnisse und Heilspläne, 1 Qp Hab 7,4—14; 1 QS 4,2—6. Diese Offenbarung geschieht vor allem durch den „Lehrer der Gerechtigkeit", „dem es aber obüegt, damit auf die Gemeinschaft einzuwirken" . 1
2
Das Motiv der Enthüllung verborgener Geheimnisse fehlt auch in der Weisheitslitera tur nicht. Das zeigt schon das Nebeneinander von ä-noKakv-nreiv bzw. äiroKäXv\}jtq und nuoTVpiov bei Sirach, vgl. Sir 3,18; 27,16f., vgl. auch Sir 1,30; 4,18; 20,31. Die Vorstellung von der Verborgenheit der Weisheit ist für alle Weisheitsschriften grundlegend , vgl. vor allem Sir 4,18; Sap 6,12ff; 7,lff; 9,lff; 10,21 u.a. Besonders aufschlußreich ist das Weisheitslied Sir 1,1 — 10. Dort wird zunächst von der Weisheit gesprochen, die bei Gott ist und von ihm kommt ( V . l ) , dann von der der Welt eingeschaffenen Weisheit ( V . 4 f f ) , die keiner erkennt , und schließlich ist davon die Rede, daß Gott sie denen, die ihn lieben, gewährt. Auch hier findet sich sachlich 3
4
und
terminologisch das Gegenüber von äiroKaXviTTeiv
und
yiyvöjoneip,
S
vgl. V . 6 .
Die religionsgeschichtlichen Strömungen von Weisheit und Apokalyptik lassen sich wohl nicht streng voneinander trennen und haben selbst im Frühjudentum aufeinan der eingewirkt , wie nicht zuletzt die apokalyptisierende Weisheitsschrift der Sapien tia zeigt . Freilich geht es in unserem Q-Text nicht um die Enthüllung apokalyptischer Geheimnisse, das Logion ist ganz von der frühjüdischen Weisheitstheologie geprägt: „Nicht himmlische Geheimnisse werden nämlich den vqmoi erschlossen, sondern die Bedeutung des gegenwärtigen Auftretens Jesu" . Dem entspricht, daß die Offenba rung gerade an die vqmoi ergeht, ein Gedanke, der in der Apokalyptik völlig fehlt, aber in der Weisheit wenigstens ansatzweise schon vorhanden ist . Schließlich weist D. Lührmann darauf hin, in der Apokalyptik lasse sich „eine solche Verwen dung des viöq -Titels, wie sie an unserer Stelle vorliegt, nicht nachweisen"; „ein Sohn Gottes als Offenbarungsmittler ist aber der Xöyoq bei Philo, was wiederum auf die jüdische Weisheit als religionsgeschichtlichen Hintergrund w e i s t " . 6
7
8
9
10
2.
Die
vrimoL
als
Offenbarungsempfänger 11
Der LXX-Sprachgebrauch kann hier kurz zusammengefaßt werden . Das Wort vrpnoq hat in seinen hebräischen Äquivalenten im A T zwei verschiedene Begriffs1
V g l . weitere Belege bei Schulz, Q 218 A . 2 8 5 ; Neuhäusler, A n s p r u c h 25f.; H . B r a u n , Q u m r a n und
das N T I I ; Tübingen 1966,
119.
2
F. N ö t s c h e r , Z u r theologischen Terminologie der Q u m r a n t e x t e ( B B B 10); B o n n 1956,
3
V g l . F . Christ, Jesus S o p h i a 83 + A . 3 0 1 .
4
73.
Dies bringen die beiden rhetorischen F r a g e n z u m A u s d r u c k : „ D i e Wurzel der Weisheit — w e m ist sie enthüllt, u n d ihre Klugheit — w e r hat sie erkannt? "
5
V g l . Sir 4 , 1 8 b : Kai
6
V g l . G . v. R a d , T h e o l o g i e des A T I I , 318f., der die Weisheitsliteratur als Entstehungsort der
{oo(f>ia)
äiroKaXv^ei
avTÖp r d Kpu-nrä
avrfiq
.
A p o k a l y p t i k ansieht. D a g e g e n spricht sich P. von der Osten-Sacken aus: D i e A p o k a l y p t i k in ihrem Verhältnis zu Prophetie u n d Weisheit ( T E H 1 5 7 ) ; München 1969. 7
V g l . Fichtner, D i e Stellung der Sapientia 124 A . 2 3 a .
8
H o f f m a n n , Studien
9
113.
Vgl.S.140A.6.
1 0
R e d a k t i o n 66.
u
V g l . Bertram, A r t .
vf}inoq;
in: T h W N T I V , 9 1 3 - 9 2 5 . 9 1 5 - 9 1 8 .
141
1
inhalte: „ K i n d " und „einfältig" ; dabei wird zunächst das Kind in seiner Unmündig keit und Hilflosigkeit gesehen, ohne daß damit eine „abwertende Meinung über das Wesen des Kindes" mitgegeben wäre. Dies ist sogar „nach allem, was sich aus dem A T über die Anwendung dieses Wortes auf das Kind sagen läßt, geradezu ausge schlossen" . 2
3
Einflußreich und vor allem für das Q-Logion Mt 11,25 / Lk 10,21 bedeutsam ist der Gedanke der Einfalt, der im positiven Sinne verstanden wird. In der Überset zung von päti mit päti vfrnioq (Pss; Prov) kann L X X den eigentlichen Sinn, wie er im hebräischen A T zugrundeliegt, verändern . Nach diesem Verständnis, das vor allem in den Psalmen und den Weisheitsschriften deutlich wird, gilt dem vf)moq Gottes besondere Sorge, indem sein Gesetz den Einfältigen Weisung ist, Ps 18,8 ( L X X ) , vgl. Ps 114,6 ( L X X ) , gerade ihm gibt er Einsicht, vgl. Ps 118,130 ( L X X ) ; so hat der Einfältige „große Verheißung: er steht unter dem Schutz Gottes und empfängt von ihm Weisheit" , vgl. Sap 10,21; Prov 9,1-6. 4
5
In den Schriften der Qumran-Gemeinde findet sich der der Übersetzung von vq-nioq im A T zugrundeliegende Begriff päti, welcher der Ausgangspunkt für die Entwick lung der positiven Vorstellung des vfimoq ist, in verschiedener Bedeutung. Zunächst kann das Wort im Sinne von „töricht", und zwar im negativen Sinne gebraucht wer den, 1 QSa 1,19; CD 13,6; 15,11.15; theologisch bedeutsam ist aber die Bezeichnung der Frommen als der Einfältigen, wie es 1 QH 2,9; 1 QpHab 12,4 nachweist. Die Einfaltigen werden in der Auslegung von Hab 2,12 mit den Armen und Tätern des Gesetzes identifiziert: „Die Deutung des Wortes bezieht sich auf den gottlosen Prie ster, daß man ihm vergelten wird seine Tat, die er an den Armen getan hat; denn der Libanon, das ist der Rat der Gemeinschaft, und das Vieh, das sind die Einfäl tigen Judas, die Täter des Gesetzes" (1 Qp Hab 12,2-4). 6
a
In dem „Weisheitspsalm aus Qumran" 11 Q P s X V I I I wird Jahwe gepriesen, „der (den) Armen aus der Hand (der) Übermütigen . . . " , V . 1 8 . Die Übermütigen erken nen die Weisheit nicht, wie V . 15 ausfuhrt. Dem entspricht, daß die Weisheit ge geben ist, „kundzutun (den) Einfältigen seine Stärke, zu belehren die Unverständi gen (über) seine Herrlichkeit ( V . 7 ) und daß die Gemeinschaft aufgerufen ist, den Einfaltigen Gottes Stärke kundzutun ( V . 4 ) . Auch hier haben wir also einen Hinweis auf die Gleichsetzung vom Einfältigen und Armen sowie auf die Entwicklung des Gedankens, daß gerade den Einfältigen die Weisheit Gottes gegeben ist. Die Vorstellung, daß gerade der Einfältige, der Arme Empfänger der Offenbarung ist, ist für die Qumran-Leute charakteristisch . 7
8
1
2
3
B e r t r a m , A r t . vqirioq
,915.
B e r t r a m , A r t . vq-nioq , 9 1 7 . Ebd.
4
Vgl. ebd., Z . 4 0 - 5 0 .
5
W. G r u n d m a n n , D i e N H J i I O I in der urchristlichen Paränese; in: N T S 5 ( 1 9 5 8 / 5 9 ) , 1 8 8 - 2 0 5 . 2 0 2 .
6
S o der Titel des Aufsatzes von D . L ü h r m a n n ; in: Z A W 80 ( 1 9 6 8 ) 8 7 - 9 8 .
7
Ü b e r s e t z u n g nach L ü h r m a n n (s. vorige A n m . ) .
8
V g l . n o c h die v o n H o f f m a n n , Studien 114 A . 5 9 genannten Stellen; z u m P r o b l e m des „ A r m e n " in d e n Qumran-Schriften vgl. J. Maier, T e x t e I I , 86f.In Test X I I ist
vfrnioq gleichbedeutend
mit „ K i n d " , w i e es im A T zu b e o b a c h t e n ist u n d hat keine weitere theologische Bedeutung, vgl. Test Jud 2 3 , 3 ; Test Jos 10,5.
142
1
Von solchen Vorstellungen sind die vq-nioi an unserer Stelle vor allem zu erklären . Sie sind identisch mit den nrtoxoi (bzw. nrcoxoi reo nvevpari), denen Jesus in der Bergpredigt die ßaoiXeia verheißt, gerade sie hat Gott erwählt, vgl. auch IKor 1,26; 2,6fr ; als solche versteht sich die Q-Gruppe. 2
Ist also der Gedanke, daß die Offenbarung in erster Linie an die vrprtoi und -nrtoxoi ergeht, in der frühjüdischen Theologie durchaus verbreitet und von Q in unserem Logion aufgenommen, so scheint doch der Ausschluß der oooi Kai ovveroi Mt 11,25 / Lk 10,21 einen neuen Gesichtspunkt zu bringen; denn offensichtlich läßt sich der Ausschluß gerade der „Weisen" von der Offenbarung Gottes sonst nicht nachweisen. Adressat der Offenbarung in der Apokalyptik ist ja der erwählte Weise, 4Esr 12,36-38; Apk Bar(syr) 48,3 u.ö. Werden freilich in der Weisheitsliteratur An sätze zu jenem Gedanken eines Ausschlusses der „Weisen" von der Offenbarung und einer Bevorzugung der vr)nioi oder ähnlicher Gruppen schon erkennbar, vgl. Sir 3,19 , so nehmen in unserem Q-Logion die vr)-nioi gegenüber den schriftgelehrten Autoritäten der jüdischen Öffentlichkeit „den Ehrentitel der 'Weisen' für sich in Anspruch. Sie verstehen sich als die 'wahren' Weisen, durch welche die Weisheit Recht bekam, während die sogenannten 'Weisen' und 'Verständigen', gemeint sind diejenigen, die in der jüdischen Öffentlichkeit als solche gelten, ihre Weisheit verlie ren, zu 'diesem Geschlecht' werden" . 3
4
3.
Das
ravra
Mt
11,25
/ Lk
10,21
Mit dem schwer zu identifizierenden ravra wird in Q bezeichnet, was den vr\nioi offenbart worden ist. Was aber ist jener Offenbarungsinhalt? Nach D. Lührmann ist das ravra „am ehesten verständlich, wenn es generalisierend gemeint ist" . Da gegen wäre sicher mit Recht der Hinweis von E. Schweizer anzuführen, der betont, das ravra müsse sich einmal „auf etwas Bestimmtes bezogen haben" . Einen Schritt weiter geht F. Christ. Er sieht in dem ravra das eschatologische Mysterium, das im „Geheimnis des Gottesreiches" bestehe . Dieser Zusammenhang werde durch die Tatsache nahegelegt, daß Mt 11,25 ( = Lk 10,21) den Versen Lk 10,23f. vorausgeht. Lk 10,23 ( = Mt 13,16) seien aber mit Mt 13,11 verbunden . Diese Verbindung ist sicher nicht ganz von Konstruktionen frei; dennoch bleiben wir nicht ohne konkre ten Hinweis auf den Offenbarungsinhalt, wenn man sich die gezeigte Herkunft und Bedeutung des Begriffes vr)-nioq bzw. der vr\nioi als Offenbarungsträger vergegenwär tigt und dann das sekundäre, aber mit Mt ll,25f. / Lk 10,21 in Q schon verbun dene Logion Mt 11,27 / Lk 10,21b als Interpretationshorizont der Offenbarung an die vr\moi betrachtet, das für Q von großer Wichtigkeit ist . 5
6
7
8
9
1
2
V g l . auch F. Christ, Jesus Sophia 83f. A u f die Gemeinsamkeiten von I K o r 2,6ff; l , 2 6 f f u n d M t 11,25 / L k 10,21 weisen Christ, Jesus S o p h i a 82 u n d Schulz, Q 218 A . 2 8 7 hin, w o b e i Schulz in I K o r 2,6ff formal „das glei che Revelationsschema" sieht.
3
N a c h Bertram, A r t . vq-nioq
923 ist Sir 3,19 als ursprünglicher Bestandteil der Übersetzung
zu betrachten. 4
H o f f m a n n , Studien
5
Redaktion 65.
6
M t 174.
7
Jesus Sophia 8 1 .
118.
8
Ebd.
9
V g l . Schweizer, M t 177.
143
Wir konnten feststellen, daß die vqmoi sich als die wahren Weisen betrachten, die, von Gott erwählt, die Offenbarung Gottes empfangen haben . Damit sind wir ganz in die chokmatische Überlieferung des Frühjudentums verwiesen. Gegenstand der Of fenbarung aus der prinzipiellen Verborgenheit heraus ist aber nichts anderes als die Weisheit selbst, die dem Menschen unzugänglich ist, die nur Gott kennt und die der Mensch nur empfangen kann, um durch sie weise zu werden . 1
2
Dem entspricht die Aussage über den Offenbarungsmittler. Es wurde schon im An schluß an D. Lührmann darauf hingewiesen, daß der Gebrauch des viöq -Titels Mt 11,27 die Entstehung des Logions in der hellenistisch-jüdischen Weisheit wahrschein lich macht. Unter Berufung auf U. Wilckens , F. Christ , D. Lührmann u.a. sieht S. Schulz sogar als „gravierend für die Fixierung des religionsgeschichtlichen Hinter grundes von V . 2 7 " den „Zusammenhang mit der hellenistisch-jüdischen Vorstellung von der personhaft-himmlischen Weisheit" . Durch Jesus als Offenbarungsmittler ist die den Menschen prinzipiell verborgene Weisheit für die vriinoi, die Gott erwählt hat, offenbar geworden, vgl. I K o r 1,26; Jak 2,5, während die Weisen und Verstän digen als Vertreter des offiziellen Judentums sie ausgeschlagen haben. Ist es wohl fraglich, ob Jesus hier mit der Weisheit identifiziert w i r d , so tritt er doch hier si cher als Träger der Weisheit auf, ist er „der eschatologische Gesandte der Weisheit" 4
5
6
7
8
9
4.
Ergebnis
Die auffallenden Berührungen zwischen Jak und synoptischer Jesusüberlieferung hat ten nahegelegt, das Verhältnis entsprechender Aussagen näher zu untersuchen. Da bei hatte sich empfohlen, die Analyse auf jene Gesichtspunkte zu konzentrieren, die für die Theologie des Jak von wesentlicher Bedeutung sind. Einige Konsequenzen wollen wir hier zusammenfassen: a) Ein wesentlicher theologischer Gesichtspunkt für den Jak ist das im Liebesgebot konzentrierte Gesetz als Weg zur Vollkommenheit, vgl. Jak 1,25; 2,8. Auch die matthäische Jesusüberlieferung hat diesen Gedanken zu einem Grundzug ihrer theo logischen Konzeption gemacht. Hier fiel vor allem die sachliche Gemeinsamkeit von Jak 2,10 und dem Wort der Q weiterüberliefernden matthäischen Gemeinde und demWort der Mt 5,19 auf, das die , judenchristliche Kampfparole" Mt 5,18 kasuistisch anwendet und aus der Debatte um die Verbindlichkeit aller Gebote hervorgegangen ist. In der weiteren Interpretation dieser Überlieferung will der Evangelist Mt hervorheben, daß das Gesetz nicht außer Kraft gesetzt werden darf, sondern im Gegenteil in je nem durch Jesus neu aufgerichteten und als Liebesgebot verstandenen Gesetz die
1
V g l . A . 4 auf Seite
2
D a s b l e i b t j a das Z i e l gerade des G e r i n g e n , vgl. nur S a p 9,4ff; 10,21 u.a.
143.
3
V g l . in diesem A b s c h n i t t A . 1 1 3 .
4
A r t . ao0ta, 517.; Weisheit u n d T o r h e i t 1 9 8 - 2 0 0 .
s
Jesus S o p h i a 89f.
6
Redaktion 66.
7
Q , 224.
8
V g l . L ü h r m a n n , R e d a k t i o n 99. Freüich w ä r e hier die sachliche N ä h e zu I K o r 2,6 zu b e d e n k e n . Von
9
daher Üeße sich möglicherweise an jene Gleichsetzung denken.
Schulz, Q 227.
144
„guten Werke" möglich werden, Mt 5,16, und der Mensch so zur besseren Gerech tigkeit, Mt 5,20, und Vollkommenheit gelangt, Mt 5,48. Beide Überlieferungen le gen also das Gesetz als Weg zur Vollkommenheit hin aus. b) Daneben kennt der Jak das Motiv der Vollkommenheit durch Leiden und Be drängnis. Auch die synoptische Jesusüberlieferung hat diesen Gedanken in ihre theologische Konzeption aufgenommen. In erster Linie sind wir hier wieder auf die weitere Q-Überlieferung der matthäischen Gemeinde verwiesen. Schon in der Spruch quelle ist ein besonderer Zusammenhang zwischen dem letzten Makarismus und dem Gebot der Feindesliebe vorgegeben. Die weitere Überlieferung der matthäischen Gemeinde hat diesen Zusammenhang noch weiter betont. Schließlich hat der Evan gelist Mt den Zusammenhang zwischen der Verfolgungstradition und dem Gebot der Feindesliebe, das er mit der imperativischen Vollkommenheitsforderung abschließt, noch enger gestaltet. Der Evangelist Mt kennt also wie der Jak neben der Vollkom menheit durch Erfüllung des Gesetzes den Gedanken der Vollkommenheit durch Leiden und Bedrängnis. Den religionsgeschichtlichen Hintergrund für diesen Ge danken bildet die frühjüdische Weisheitstheologie, die, wie wir sahen, um diese beiden theologischen Probleme kreist, Weisheit durch Erfüllung des Willens Gottes und das Leiden und Durchhalten in der Bedrängnis. c) Das führte zu einem dritten Gesichtspunkt. Entscheidend für die theologische Konzeption des Jak ist der Gesichtspunkt der Weisheit „von oben", die dem Chri sten in der Taufe grundsätzlich geschenkt wurde, die er aufgreifen muß und immer neu in jenen Werken, die die Weisheit selbst mitbringt, verwirklichen muß. Auch die synoptische Jesusüberlieferung kennt die zweifache Weisheit, die in der Offen barung an die vq-nioi besteht. Durch jene Offenbarung hat Gott die Geringen zu Weisen erwählt, während er die Weisheit vor den sog. „Weisen" des Volkes verbor gen hat, Mt 11,25-27 par. Wir sehen: Jak und Jesusüberlieferung stehen in einem besonderen Verhältnis zuein ander. Unsere Schrift sowie Teile der Jesusüberlieferung, namentlich die Q-Überlie ferung der matthäischen Gemeinde sowie die theologische Arbeit des Evangelisten Mt selbst lassen eine gemeinsame Prägung von der frühjüdischen Weisheit her erken nen. Gemeinsam ist beiden Überlieferungen der Gedanke der Vollkommenheit durch Erfüllung des Gesetzes und Bewährung im Leiden sowie der tragende theologische Gesichtspunkt der Weisheit Gottes, deren Träger in der matthäischen Überlieferung Jesus ist, der die Unmündigen und Armen zu Weisen erwählt, daß sie die guten Werke tun, jene Weisheit, die im Jak den Christen geschenkt ist, durch die sie als Arme zu Reichen im Glauben erwählt sind und die ihnen Gerechtigkeit vor Gott erwirkt. 1
1
V g l . auch die a u f diese Tradition zurückgehenden Begriffe M t . 5 , 5 . 7 - 9 mit Jak 3,13.17.
145
IV.
Ergebnisse
Was läßt sich nun aufgrund unserer Untersuchungen zum theologischen Problem des Jak sagen? Hat der Brief überhaupt eine theologische Konzeption oder verliert sich die Schrift in allgemeine Mahnungen, die zusammenhanglos aneinandergereiht sind und keinen einheitlichen Gesichtspunkt, unter dem sie möglicherweise stehen, her vortreten lassen? Wir gingen aus von einer literarischen und formgeschichtlichen Analyse der einzelnen Briefabschnitte. Dabei wurde deutlich, daß der Jak — und hier wird man M. Dibe lius uneingeschränkt zustimmen können - literarisch ein Zeugnis der urchristlichen Paränese ist. Die Schrift ist insofern durchaus vergleichbar mit paränetischen A b schnitten anderer Briefe des N T oder auch frühjüdischer Sammlungen. Damit ist aber das Problem nicht gelöst. Denn gerade hier wird die These von M. Dibelius und vieler anderer, die dem Jak entweder eine leitende theologische Konezption absprechen oder wenigstens nicht entdecken können, fraglich. Bei näherer Analyse unserer Schrift ergab sich nämlich der wichtige Gesichtspunkt, daß einmal auch tra ditionelle Spruchreihen ein leitendes theologisches Motiv erkennen lassen, vgl. 1,2— 12, und daß andererseits einige Briefabschnitte als auf den Autor selbst zurückge hende theologisch-lehrhafte Abhandlungen zu gelten haben, denen offenbar eine Konzeption zugrundeliegt, die zur Frage nach dem Theologen drängt. Zwei Leitgedanken kristallisierten sich aufgrund unserer einleitenden Analyse aus dem Brief heraus: die Vorstellung von der Weisheit und der Glaube im Jak. Die religionsgeschichtlich-exegetische Untersuchung der entsprechenden Briefabschnitte konnte die zentrale Bedeutung der beiden genannten theologischen Fragen nur be stätigen. Die im ersten Teil behandelten Weisheitsperikopen Jak 1,2-12; 3,13-18 zeigten bei aller Unterschiedlichkeit ihres literarischen Charakters einen gemeinsamen theo logischen Grundgedanken : wurde die Frage nach der Weisheit, die der Autor in 1,2—12 als uneingeschränkte Notwendigkeit für den Besitz der eschatologischen Ver heißung versteht, zum eigentlichen theologischen Hauptgedanken der ersten Spruch reihe, so wird der Weisheit in 3,13 — 18 eine eigene Abhandlung gewidmet, in der sie von der dualistisch-weisheitlichen Konzeption des Frühjudentums entworfen und in ihrem Wirken beschrieben w i r d : Dem, der die Weisheit im Glauben annimmt und die ihr eigenen Werke tut, erwirkt sie Gerechtigkeit vor Gott. Die Weisheit ist aber keineswegs nur als moralische Verpflichtung, als sittlich gute Haltung ver standen, sondern ihr kommt als theologischer Größe heilstiftende und den Menschen neuprägende Kraft zu. Damit ist die zweite große Thematik unseres Briefes schon angesprochen: wie ist das Verhältnis des Glaubens zur Weisheit zu sehen? 1
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Diesem zweiten großen Thema unseres Briefes hat der Autor zwei große Abhandlun gen gewidmet. Im ersten Teil macht unser Verf. einige wichtige Aussagen über das Handeln Gottes am Menschen, 2,1-5: Gott hat durch Jesus Christus nicht die An gesehenen und Reichen erwählt, sondern die Armen und Geringen. Die sachliche und
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In 1,2—12 ist die traditionelle S p r u c h f o r m vorherrschend, w ä h r e n d 3 , 1 3 - 1 8 den Charakter einer theologisch-lehrhaften A b h a n d l u n g über die Weisheit trägt.
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D i e H y p o t h e s e , daß der Verf. in 3,13ff gegen eine gnostische F r o n t k ä m p f e , ließ sich nicht z w i n g e n d begründen.
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terminologische Nähe zu IKor 1,26; Mt 11,25 par gab uns den Hinweis für den re ligionsgeschichtlichen Hintergrund der Aussagen, der in der Tradition der frühjüdi schen Weisheit zu sehen ist: Gott hat die Armen und Geringen erwählt, sie können sich als die wahren Weisen verstehen, die empfänglich sind für die Weisheit Gottes. Die Berufung der Christen zu Reichen im Glauben an Jesus Christus, 2,1—7, die Wiedergeburt durch das „Wort der Wahrheit", 1,18, das nichts anderes ist als jene Weisheit, von der in 3,13 die Rede war, verpflichtet den Christen auf das durch Jesus Christus neu ausgelegte Gesetz, auf die durch Jesus Christus aufgerichtete Offenbarung des Willens Gottes, 2,1.8ff, vgl. 1,17f.l9ff.25, den es zu tun gilt. In der Erfüllung des weisheitlich verstandenen Gesetzes wird der Christ der Verpflich tung seines geschenkten Glaubens gerecht, wird ihm schließlich „Erbarmen im Ge richt" zuteil, 2,13. Diese eschatologische Frage nach dem rettenden Glauben wird in der zweiten großen Abhandlung von Kap. 2 in einer Diatribe systematisch entfaltet. Auch hier kann der Autor nicht einfach vom „Glauben" sprechen, sondern das Ziel ist der zur Vollkom menheit gelangte Glaube, der Glaube, der immer auf das Werk und die tätige Ent faltung angelegt ist, auf jene Werke, die der Weisheit eigen sind, 3,13.17. Anknüp fend an die Abraham-Exegese des frühen Judentums versteht unser Autor den Erz vater als die exemplarische Gestalt, die diesen Glauben zur Erfüllung gebracht hat und daher Gerechtigkeit empfing. „Glaube" aber ist im Gegensatz zur jüdischen Tradition für den Christen nicht mehr Tat des Menschen, Leistung gegenüber dem Gesetz , sondern ist eine Gabe, die zur Erfüllung drängt. Als formales Bekenntnis hat der Glaube kerne rettende Kraft, sondern nur, wenn er in der tätigen Bereit schaft den Menschen auf den Weg zur Vollkommenheit fuhrt. 1
Wir sehen: Der Jak steht religionsgeschichtlich fest in der Tradition der frühjüdi schen Weisheitstheologie. Von daher ist der oft mangelnde Zusammenhang zwischen den einzelnen Sprucheinheiten am ehesten verständlich. Unser Brief gibt aber nicht nur traditionelles Spruchgut weiter ohne eigene theologische Konzeption, sondern korrigiert die Überlieferung und stellt seine Mahnungen unter einen einheitlichen Gesichtspunkt: im Glauben teilt sich die verborgene Weisheit Gottes mit, die dem Menschen eschatologische Verheißung zuspricht, im Glauben muß der Mensch die Weisheit, welche er empfangen hat, aufgreifen und je neu verwirklichen. Dieses Er gebnis können die abschließenden Überlegungen zum Verhältnis von Jakobusbrief und synoptischer Jesusüberlieferung nur bestätigen. Eine erste Gemeinsamkeit zwischen beiden Überlieferungen ergab sich thematisch aus dem Motiv der Vollkommenheit durch Erfüllung des Gesetzes. Das Jak 2,10 sachlich entsprechende Wort Mt 5,19 ist in der Q weiterüberliefernden matthäischen Gemeinde entstanden und hebt ähnlich wie Jak 2,10 den Totalanspruch des Ge setzes hervor. Der erste Evangelist konnte dieses aus der Debatte über die Verbind lichkeit aller Gebote hervorgegangene Wort aber nicht isoliert übernehmen, sondern legte es, ebenso wie unser Autor den Satz Jak 2,10, christologisch auf das Zentral gebot der Nächstenliebe hin aus. M.a.W.: Für beide Autoren ist die Person Jesu der Bezugspunkt der Auslegung des überlieferten weisheitlichen Gesetzesverständnisses: das Tun des durch Jesus Christus neu aufgerichteten Gesetzes führt zu Vollkommen heit und Weisheit. 1
Bezeichnenderweise kann unser A u t o r in seiner A b r a h a m - E x e g e s e auf das Gesetz völlig verzichten.
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Eine zweite Gemeinsamkeit zwischen Jak und Jesusüberlieferung ergab sich aus dem Motiv der Vollkommenheit durch Leiden und Bedrängnis; auch hier stehen sich un ser Autor und der erste Evangelist besonders nahe: steht der matthäische Heilsruf an die Armen (Mt 5,3) und Bedrängten (Mt 5,11 f.) in unverkennbarer Beziehung zu dem Abschnitt Mt 5,43ff par mit dem durch Mt selbst eingefügten abschließen den Vollkommenheitsmotiv, so steht dieser Gedanke Jak 1,2—4 am Beginn unserer Schrift. Den religionsgeschichtlichen Hintergrund für die Entfaltung des dargestellten Gedankens bildet die frühjüdische Weisheitstheologie, von der sowohl der Jak wie der Evangelist Mt, aber auch schon die Q weiterüberliefernde matthäische Gemeinde entscheidend geprägt sind. Eine dritte — sachliche — Entsprechung findet sich in dem gemeinsamen Motiv der Weisheit „von oben". Wird dieses Thema im Jak in einer zentralen Auseinanderset zung ausgeführt, 3,13 — 18, vgl. 2,5, so liegt in der synoptischen Jesusüberlieferung eine sachliche Entsprechung vor, insofern Weisheit verstanden wird als Gabe Gottes, die aller menschlichen Weisheit entgegensteht, indem sie die Niedrigen, Armen und Einfältigen zu Weisen macht, Mt 11,25-27; Lk 10,21f. Zusammenfassend läßt sich sagen: Der Jak hat eine unverkennbare Nähe zur synop tischen Jesusüberlieferung. Nicht zu übersehen sind die Anklänge an die Entfaltung des Q-Materials der Q weiterüberliefernden matthäische Gemeinde, ja, den geistigen Horizont des Evangelisten selbst scheint der Autor des Jak zu teüen, was die mög liche vorschnelle Vermutung literarischer Abhängigkeit beider Autoren voneinander überflüssig macht. Die durch die frühjüdische Weisheit geprägten zentralen Themen des Jak: Vollkommenheit und Weisheit durch Erfüllung des Gesetzes — Vollkom menheit durch Durchhalten in der Bedrängnis — Weisheit „von oben" finden hier ihre charakteristischen Entsprechungen. 1
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V g l . nämlich M . H . S h e p e r d , T h e Epistle o f James and the G o s p e l o f M a t t h e w , in: J B L 75 H956),
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40-51.
ABKÜRZUNGEN Die Abkürzungen richten sich nach dem Verzeichnis von S. Schwertner, Internatio nales Abkürzungsverzeichnis für Theologie und Grenzgebiete ( I A T G ) , Berlin/New York 1974. Außerdem wurden folgende Abkürzungen verwendet: fzb
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