Atlan - Der Held von Arkon Nr. 207
Der Kämpfer mit der Maske Wer ist der Mann, der den Imperator töten will - Freund o...
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Atlan - Der Held von Arkon Nr. 207
Der Kämpfer mit der Maske Wer ist der Mann, der den Imperator töten will - Freund oder Feind? von Peter Terrid In einer Zeit, die auf Terra dem 9. Jahrtausend v. Chr. entspricht, steht es mit dem Großen Imperium der Arkoniden nicht zum Besten, denn es muß sich sowohl äußerer als auch innerer Feinde erwehren. Die äußeren Feinde sind die Maahks, deren Raumflotten den Streitkräften des Imperiums durch überraschende Schläge schwere Verluste zufügen. Die inneren Feinde Arkons sind Habgier und Korruption der Herrschenden, die – allen voran Imperator Orbanaschol III. – nur auf ihren eigenen Vorteil bedacht sind und das Gemeinwohl völlig außer acht lassen. Gegen diese inneren Feinde des Imperiums ist der junge Atlan, der rechtmäßige Thronerbe und Kristallprinz von Arkon, der eine stetig wachsende Schar von verschworenen Helfern um sich sammeln konnte, bereits mehrmals erfolgreich vorgegangen. Gegenwärtig ist Atlan jedoch nicht in der Lage, den Untergrundkampf gegen den Usurpator und Brudermörder Orbanaschol persönlich weiterzuführen, denn durch die Einwirkung einer Geheimwaffe der Maahks gelangte er erneut in den Mikrokosmos. Während Ischtar, die Goldene Göttin, inzwischen nach Mitteln und Wegen sucht, Atlan wieder zurückzuholen, ist Ra, Ischtars Begleiter und Atlans Kampfgefährte, ungeduldig geworden. Der Barbar hat sich dem Con-Treh Bei Etir Baj angeschlossen und ist mittlerweile nach Arkon II gelangt, wo er zur Sensation der Arena wird. Einer seiner Gegner ist DER KAMPFER MIT DER MASKE …
Der Kämpfer mit der Maske
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Die Hautpersonen des Romans: Ra - Der Barbar wird zum Arenakämpfer. Bei Etir Baj - Der Con-Treh wagt sich nach Arkon. Orbanaschol III. - Der Imperator beliebt zu »scherzen«. Gabdraman Schwati und Alpertur - Zwei Händler und Verbindungsleute der Con-Treh. Robal und Efrem - Zwei Gladiatoren.
Um ihn herum tobte die Menge, das Publikum war begeistert. Sitzkissen flogen durch die Luft und landeten im blutgetränkten Sand der Arena. Wildfremde Menschen fielen sich in die Arme, glücklich darüber, daß ihre Wetten gewonnen waren. Er hatte es tatsächlich geschafft. Der Barbar stand über seinem Gegner, die Schwertspitze gegen den Hals des Mannes gedrückt. Ras Hand begann zu zittern, seine Lippen bewegten sich. Niemand konnte hören, was er fassungslos murmelte: »Atlan!« Ra starrte auf das Gesicht des geschlagenen Gegners, im Bruchteil einer Sekunde wanderten seine Gedanken zurück, bis zu jenem Augenblick, an dem er auf dem Planeten der Con-Treh aus seiner Betäubung erwacht war …
1. Sein Kopf schien zu dröhnen wie eine große Trommel. Ra stöhnte halblaut auf, während sich die farbigen Wirbel vor seinen Augen langsam zu einem Bild verdichteten. Schmerzhaft kehrte das Bewußtsein in Ra zurück. Der Mann erinnerte sich: er hatte zusammen mit dem Con-Treh Bei Etir Baj versucht, die legendenumsponnene Halle der Erinnerung zu erreichen. Seit zweihundert Jahren war dies keinem Menschen mehr gelungen, zumindest war keiner nach Magintor, der Hauptstadt des Volkes der ConTreh, zurückgekehrt, um über das Schicksal der Vorgänger zu berichten. Vor Ra lagen die Reste jener Bestie, die zweihundert Jahre lang die Halle besetzt gehalten hatte.
Das Ergothal war tot, daran gab es keinen Zweifel. Die rätselvolle Verbindung dieses Wesens mit dem Vulkan in der Nähe war abgerissen, als Ra das Kugelschiff rücksichtslos gestartet hatte, ohne sich darum zu kümmern, wie wenig flugtauglich das alte Schiff war. Das Ergothal hatte die Verbindung zum Vulkan verloren und war gestorben. Lange hatte sich das halbwracke Schiff nicht in der Luft halten können, es war auf die Insel zurückgestürzt, und bei dem Aufprall hatte Ra das Bewußtsein verloren. »Wo ist Etir Baj!« murmelte Ra und richtete sich langsam auf. Am linken Oberarm war die Haut aufgeplatzt, und Blut lief an dem Arm herunter, aber Ra kümmerte sich nicht um die Verletzung. Noch halb benommen von dem Aufprall wankte er durch den Raum, in dem wie durch ein Wunder noch ein paar Lichter brannten. In einem Winkel entdeckte er Etir Baj. Ra beugte sich zu seinem Freund hinunter und legte das Ohr an seine Brust. Das Herz des Con-Treh schlug kräftig. Es konnte nicht lange dauern, bis auch Etir Baj wieder erwachen würde. Ra schleppte sich durch den Raum. Irgendwo in dem Durcheinander mußte ein halbzerfetzter Raumanzug liegen. Am Gürtel hing, daran konnte sich Ra erinnern, ein Dosimeter. Erleichtert seufzte Ra auf, als er das Gerät endlich eingeschaltet hatte. Die Reaktoren des alten Schiffes waren nicht zerschellt, das Dosimeter zeigte keine unnormalen Strahlungswerte an. »Ein erster Lichtblick!« murmelte der Barbar. Bis an die Knöchel stand er in der hellen Flüssigkeit, die aus den zerschlagenen Ergothal-Eiern gelaufen war. Noch immer lagen die Eier zu Tausenden im Schiff herum. Sie waren äußerst widerstandskräftig, nur wenige waren beim Absturz des Schiffes
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Peter Terrid
zersprungen. Ra kehrte zu Etir Baj zurück. Dieser erwachte gerade und betastete seinen schmerzenden Kopf. »Es sieht so aus«, murmelte er stöhnend, »als hätten wir es geschafft!« »Das Ergothal ist tot!« bestätigte Ra. »Aber ihr werdet ziemlich viel Zeit brauchen, bis ihr die Halle der Erinnerung wieder für das Publikum freigeben könnt. Das Schiff liegt ziemlich schief!« »Nebensächlich!« meinte Etir Baj und winkte ab. Er stand auf. »Wie sieht es aus?« fragte er dann. »Was kann man mit dem Schiff noch anfangen?« »Mit viel Mühe kann man es wieder einigermaßen gerade aufstellen«, antwortete Ra. »Aber abheben, das wird der Kasten nie wieder.« »Hauptsache, die Halle ist noch verwendungsfähig!« antwortete Etir Baj nachdenklich. »Was machen wir mit den Eiern? Ich hätte normalerweise vorgeschlagen, sie einfach in den Vulkan zu werfen, aber ich befürchte, daß wir auf diese Weise nur neue Ergothals zum Leben erwecken.« »Füttern wir die Seechsen damit!« schlug Ra vor. »Vielleicht sterben sie an den Eiern, dann hätten wir zwei Probleme mit einem Schlag erledigt!«
* Ra holte aus und ließ das Schwert heruntersausen. Scheinbar ohne Widerstand glitt die Klinge durch das Seil. Pfeifend sausten die Eier davon, etwa fünfhundert Meter von der Küste entfernt schlugen sie klatschend auf dem Wasser ein. Es war den Männern zu riskant erschienen, die Eier einfach über Bord zu werfen. Also hatten sie eine riesige Schleuder gebaut, mit der sie bis zu fünfzig der Eier gleichzeitig verschießen konnten. Draußen auf dem Meer hatten die Füchsen bald entdeckt, daß sie ohne Anstrengung Futter finden konnten. Mit ihren gewaltigen Kiefern brachten sie es zuwege, selbst die harten Schalen der Ergothaleier zu knacken.
Der Inhalt der Eier schien ihnen zu schmecken, das bewies das Getümmel vor dem Strand. Die Echsen kämpften um jedes Ei und vergaßen darüber, die beiden Männer an der Schleuder zu behelligen. »Das waren die letzten!« stellte Ru fest und wischte sich den Schweiß aus der Stirn. »Was nun?« Eltir Baj lächelte geheimnisvoll. »Ich werde dir die Halle der Erinnerung zeigen!« versprach er. »Ich habe das ConTreh-Than um Erlaubnis gefragt, und sie haben es gestattet!« »Langsam!« unterbrach Ra. »Wie willst du mit den Männern gesprochen haben? Sie sitzen Tausende von Kilometern entfernt in Magintor!« »Ich habe über Normalfunk mit ihnen gesprochen!« verriet Etir Baj. »Sie sind schon auf dem Weg hierher!« Ra war erstaunt. Die Con-Treh waren so unglaublich auf ihre Sicherheit bedacht, daß sie die beiden Männer nicht einmal mit Strahlwaffen ausgerüstet hatten, obwohl sie über solche Waffen verfügten. Daß Etir Baj es trotz der Ortungsgefahr gewagt hatte, eine Funkverbindung nach Magintor herzustellen, war ein wahrhaft außergewöhnlicher Vorgang. Langsam gingen die Männer vom Strand zurück zu dem alten Kolonistentransporter. Ra hatte es noch einmal gewagt, die Triebwerke anlaufen zu lassen und es tatsächlich geschafft, das alte Schiff so zu bewegen, daß es wieder einigermaßen waagerecht lag. Dann hatte er die meisten der Reaktoren und Aggregate ausgeschaltet. Nur ein kleiner Reaktor lief noch und produzierte den wenigen Arbeitsstrom für die Einrichtungen der Halle. Die Räume rings um die Zentrale des Schiffes hatte Bei Etir Baj allein von Eiern befreit und gereinigt. Ra hatte vermutet, daß dies die wichtigsten Räume waren, dort lag der Schlüssel zu dem Geheimnis der ConTreh. Ras Verdacht bestätigte sich, als Etir Baj ihn in einen großen Raum führte, der aus der Zusammenlegung dreier benachbar-
Der Kämpfer mit der Maske ter Räume entstanden war. Der große dämmrige Saal war vollgestopft mit Büchern, Filmen und Bildern. Ra sah Reliefs an den Wänden und mehrere Arbeitspulte mit Lesegeräten für Mikrofilme. Bei Etir Baj machte eine weitausholende Geste, mit der er den ganzen Raum umschloß. »Das ist unsere Geschichte, die Geschichte der Con-Treh!« sagte er, und es klang bitter. »Sieh sie dir an!« Langsam trat Ra näher, betrachtete die Bilder. Er überflog die Titel der einzelnen Lesespulen und Bandaufzeichnungen. Dann setzte er sich an eines der Pulte und begann zu lesen …
* »Wer wohl?« sagte der Mann bitter. »Natürlich ein Con-Treh!« Der Flottenkommandant preßte die Lippen zusammen. Die Arkonflotte hatte wieder ein Schiff verloren, mitten im Frieden. Es war einfach explodiert, mitten im Flug. Es gab keinerlei Hinweise, die die Katastrophe erklärt hätten. »Ich halte, mit Verlaub, diese ganze ConTreh-Hysterie für albern!« sagte der junge Sair Tenguin; die Abzeichen an seiner Schulter wiesen ihn als Adjutanten des Admirals aus. »Die Geschichten, die sich die Männer erzählen, sind nichts weiter als Latrinengeschwätz.« »Sie sind mit einer Con-Treh verheiratet, nicht wahr?« fragte der Kurier beiläufig. Tenguin lief rot an. »Ja, das stimmt!« bestätigte er. »Allerdings kann ich mir nicht vorstellen, was dies damit zu tun hat, daß man bei jeder Panne sofort einen Con-Treh verdächtigt. Was haben diese Leute eigentlich verbrochen, daß man sie derartig verabscheut?« »Das wissen Sie so gut wie ich!« erklärte der Kurier. »Die Con-Treh sind eine große, alte Familie. Es gibt, glaube ich, mehr als zehntausend Con-Treh auf Arkon!« »Ich sehe da keinen Zusammenhang!«
5 warf Tenguin ein. »Diese ganze Familie besteht aus Arkoniden, die hinter der Entwicklung zurückgeblieben sind«, erklärte der Kurier. »Alle Arkoniden haben sich fortentwickelt und sind schon von ihrem Äußeren her als Herren des Imperiums zu erkennen. Die von Ihnen so geschätzten Con-Treh sind auf einer primitiveren Entwicklungsstufe einfach stehengeblieben. Sie haben dunkle Haare und sehr absonderlich gefärbte Augen!« »Mag sein, daß die Con-Treh nicht aussehen wie jene Arkoniden, die Sie als normal bezeichnen!« räumte Tenguin ein. »Aber das hat mit den Vorwürfen nicht viel zu tun, die allenthalben gegen die Con-Treh erhoben werden!« »Verstehen Sie das nicht?« fuhr der Kurier fort. »Diese Wesen sind nicht nur körperlich zurückgeblieben, sie stehen auch geistig auf einer niederen Stufe. Es ist doch allgemein bekannt, daß die Con-Treh mit den Raumgeistern in Verbindung stehen und ihre Widersacher verhexen!« Sair Tenguin schüttelte fassungslos den Kopf. »Glauben Sie an Raumgeister?« fragte er den Kurier. »Selbstverständlich nicht!« erklärte der Mann sofort. »Ich bin schließlich ein aufgeklärter Arkonide.« »Dann sind die Con-Treh also gefährlich«, fuhr Tenguin mit ätzendem Spott fort, »weil sie mit Geistern in Verbindung stehen, die es überhaupt nicht gibt. Merken Sie eigentlich nicht, was für ein sinnloses Zeug Sie zusammenschwätzen?« Der Kurier zog die Brauen zusammen, offenbar paßte ihm der Tonfall nicht, in dem Sair Tenguin sprach. Der Admiral sah den Augenblick gekommen, um einzugreifen. »Es steht fest, daß die ARKEX detoniert ist!« meinte er. »Und verantwortlich für die Maschinen war ein Angehöriger der Familie der Con-Treh. Halten wir einfach diese Tatsachen fest. Mehr will ich dazu einstweilen nicht sagen, Berichten Sie weiter, was macht das Programm zur Änderung der Umlauf-
6 bahn?« »Wir haben gute Fortschritte zu verzeichnen!« berichtete der Kurier. »Die großen Generatoren sind bereits aufgebaut, die vierte Flotte, die die Bahnänderung überwachen soll, hat ihre Standorte bezogen. Das Experiment kann theoretisch sofort gestartet werden!« »Das freut mich!« erklärte der Admiral. »Sie können sich zurückziehen!« Der Kurier salutierte und verließ den Raum, nicht ohne Tenguin mit einem abschätzigen Blick bedacht zu haben. »Lassen Sie sich von diesem arroganten Laffen nicht einschüchtern!« meinte der Admirai. »Er ist jung und vorlaut, das wird sich geben!« »Ich weiß«, sagte Tenguin halblaut. »Aber mich stört der Aussiedlungsplan. Was haben die Con-Treh getan, daß man sie ausweisen will!« Der Admiral trat zu dem jungen Mann und legte ihm die Hand auf die Schulter. »Das müssen Sie verstehen, Tenguin!« sagte er freundlich. »Ich bin zwar auch nicht für diesen Plan, aber ich kann mir vorstellen, wie er entstanden ist. Wir haben die letzten Kriege schnell gewonnen, wir Arkoniden sind die Herren dieses Sternhaufens. Vielleicht haben die Zeitungen sogar recht, wenn sie behaupten, es gäbe in der Galaxis kein bedeutenderes Volk als die Arkoniden! Und jetzt sehen Sie sich die Bürger an, Sie sind einfach größenwahnsinnig geworden, und in diesem Wahn werden sie vom Imperator noch bestärkt. Er ist auf den Gedanken gekommen!« Tenguin warf einen Blick auf das Bild an der Wand, das seine Erhabenheit Gonozal III. zeigte. »Er hatte den Einfall, das Arkonsystem müsse jedem Besucher schon beim Anflug klarmachen, daß er den Lebensraum der führenden Rasse des Universums betrete!« sagte der Admiral. »Das ist Größenwahn in Vollendung, aber leider die Meinung der Mehrheit der Arkoniden. Daher Gonozals Plan, die Planeten zwei und vier des Sy-
Peter Terrid stems auf die gleiche Umlaufbahn zu bringen wie Arkon selbst. Ein solches DreiPlaneten-System wäre einmalig in der Galaxis, mithin genau der richtige Aufenthaltsort für ein in der Galaxis einmaliges Volk. Und in einem solchen perfekten Volk sind die Con-Treh Störfaktoren. Sie zeigen deutlich, daß wir Arkoniden früher einmal genauso ausgesehen haben wie die Kolonialvölker, die aus uns hervorgegangen sind.« »Und deshalb müssen die Con-Treh auswandern!« stellte Tenguin erbittert fest. »Sie sind reinblütige Arkoniden wie wir, aber sie sehen ein wenig anders aus. Aus rein ästhetischen Gründen wird ein Teil des Volkes einfach vertrieben!« »Ich weiß, daß diese Maßnahme ungerecht ist!« erklärte der Admiral und begann in dem Raum auf und ab zu laufen. »Aber glauben Sie mir, Tenguin, diese Lösung ist vielleicht die beste. Seit vier Jahren läuft die Kampagne gegen die Con-Treh, in der der Familie Sabotage, Verrat und Unfähigkeit vorgeworfen wird. Eigentlich sollte dieser Pressewirbel nur die Bevölkerung einstimmen, bis sie der Ausweisung der Con-Treh beipflichtet. Aber die Aktion ist ihren Initiatoren aus den Händen geglitten, das Publikum schreit nach den Schauermärchen über die Con-Treh!« Der Admiral blieb vor Tenguin stehen und sah ihn intensiv an. »Tenguin«, sagte er leise. »Wenn diese Aussiedlungsaktion nicht bald stattfindet, dann wird man die Con-Treh wie tollwütige Hunde erschlagen. Es ist zu spät, die Entwicklung umzukehren. Die Meute hat Blut geleckt. Noch hält sie still, aber es genügt jetzt ein kleiner Vorfall, um die Katastrophe auszulösen. Ich werde den absurden Bericht natürlich nicht in der Form weiterleiten. Ich werde schreiben, daß die ARKEX durch einen technischen Fehler zerstört wurde!« »Ich danke Ihnen, Admiral!« sagte Sair Tenguin. »Wissen Sie zufällig, wann die Con-Treh Arkon verlassen müssen?« »In einem halben Jahr!« sagte der Flottenkommandeur. »Seien Sie unbesorgt, ich
Der Kämpfer mit der Maske werde persönlich dafür Sorge tragen, daß die Umsiedlung friedlich vonstatten geht. Ich habe auch schon einen Planeten gefunden. Ich habe ihn Ark'alor getauft!« »Arkons Rettung!« wiederholte Tenguin. »Ich nehme an, Sie wissen bereits, daß ich selbstverständlich meine Frau begleiten werde!« »Ihre Entlassung ist bereits vorgemerkt!« meinte der Admiral lächelnd. »Danke!« sagte Tenguin, dann salutierte er und zog sich zurück. Regir da Quertamagin, Admiral der Vierten Arkonflotte, schüttelte resignierend den Kopf. »Hoffentlich geht das gut!« murmelte er.
* »Ich habe meinen Instinkt, und der hat mich noch nie betrogen!« Quertamagins Stimme klang drängend. »Mein Instinkt sagt mir, daß dieses Experiment scheitern wird. Es wird eine Katastrophe geben!« »Ich kann mir nicht vorstellen, wie eine solche Katastrophe aussehen sollte!« widersprach der Imperator. »Das Laaha-System ist völlig unbelebt, wir können also unbesorgt mit den Planeten und Monden herumspielen. Außerdem ist die Vierte Flotte in der Nähe. Was soll dort passieren?« »Ich weiß es nicht!« murmelte Regir da Quertamagin düster. »Aber ich spüre es. Es wird ein Fehlschlag werden. Aber vielleicht wird er dich von der Wahnsinnsidee abbringen, solche Experimente auch mit Arkons Planeten zu veranstalten. Du wirst damit unser Volk vernichten; was alle Gegner nicht geschafft haben, wirst du an einem Tag erreichen – Arkon wird untergehen!« »Du darfst mir glauben, alter Freund, daß ich an diesem Tage hier in diesem Palast sitzen werde!« versprach Gonozal III. »Wenn Arkon stirbt, dann sterbe ich auch. Und du weißt, daß ich sehr an meinem Leben hänge. Ich werde schon alle Vorsorge treffen, um das große Werk gelingen zu lassen!« Regir da Quertamagin schüttelte zwei-
7 felnd den Kopf. Nachdenklich füllte er die Pokale auf dem flachen Tisch wieder auf. Er stellte den schweren Krug aus Luurs-Metall ab, dann sah er auf die Uhr. Vor wenigen Minuten war das große Experiment angelaufen, bald würden die ersten Nachrichten über Hyperfunk auf Arkon eintreffen. Regir spürte, wie sich sein Herzschlag beschleunigte. Er war ein schlachterprobter Kämpfer, der einen untrüglichen Instinkt für drohende Gefahren besaß, und dieses Gefühl sagte ihm ganz deutlich, daß sich im Laaha-System eine fürchterliche Katastrophe anbahnte. Es galt als unschicklich, am Hofe des Imperators seine Gefühle zu zeigen, daher kam der Bote mit der Nachrichtentafel gemessenen Schrittes näher und übergab nach dem Zeremoniell den Plastikstreifen an den Imperator. Quertamagin starrte auf das Gesicht seines Freundes, das jäh die Farbe wechselte. Der Imperator ließ die Hände sinken und richtete den Blick auf seinen Freund. »Du hast dich nicht geirrt!« sagte Gonozal III. tonlos. »Es hat eine Katastrophe gegeben!« Regir da Quertamagin griff nach dem Plastikstreifen und überflog den Text. Der erste Teil des Versuchs war ohne Schwierigkeiten abgelaufen, dann aber war das Kräftegefüge des Systems schlagartig zusammengebrochen. Die Planeten und Monde verließen ihre Bahnen und rasten frei durch das All. In diesem gravitatorischen Chaos hatten die Flotteneinheiten ihr Heil in der Flucht gesucht, aber die hyperstrukturellen Veränderungen durch die veränderten Planetenbewegungen ließen die Absprungdaten bei den Transitionen falsch werden. Die meisten Schiffe verschwanden im Hyperraum und kehrten nie zurück, andere waren von Trümmern des zerplatzten Mondes zerfetzt worden. Die Katastrophe konnte nicht vollständiger sein. »Du hast nicht mehr viel Zeit!« murmelte Gonozal III. schwach. »Ich kann diese Information nicht lange zurückhalten, und in ein
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Peter Terrid
paar Stunden wird ganz Arkon wissen, daß das Projekt fehlgeschlagen ist. Bringe die Con-Treh in Sicherheit, und das schnell!« Regir da Quertamagin stand auf und sah den Imperator lange an, dann murmelte er: »Lebe wohl! Ich glaube, wir werden uns nicht mehr sehen!« Er schüttelte die Hand des Imperators, der geistesabwesend auf einen Punkt in der Luft zu starren schien, dann verließ er schnell den Raum.
* Ra blinzelte mit den Augen, bis er sich wieder an das Dämmerlicht in der Halle gewöhnt hatte. Etir Baj stand neben ihm und knirschte mit den Zähnen. »Ich werde dir sagen, was danach geschehen ist!« sagte er undeutlich. Ra sah ihm an, wieviel Energie es den Mann kostete, einigermaßen ruhig zu bleiben. »Nur fünftausend Con-Treh ist damals die Flucht gelungen, die anderen wurden niedergemacht! Komm mit!« Ra stand auf und folgte dem Con-Treh. Vor einem durchsichtigen Plastikblock blieben die beiden Männer stehen. Etir Baj deutete auf eine Karte, die von dem Plastikmaterial umhüllt wurde. »Lies das!« sagte er. »Dann wirst du wissen, warum wir Con-Treh die Gonozals nicht lieben!« Ra beugte sich vor und las die wenigen Zeilen. Alle Con-Treh, wo immer sie anzutreffen sind, sind gefangenzunehmen und ohne weitere Umstände sofort zu exekutieren. Durch Sabotage der Con-Treh ist das große Projekt fehlgeschlagen und die Vierte Flotte nahezu vernichtet worden. Die Gesamtheit der Con-Treh ist hiermit zum Tode verurteilt! Gegeben im Kristallpalast, im fünfzehnten Jahre seiner Regierung, Gonozal III. Ra starrte auf das Dokument. Neben der charakteristischen Unterschrift war der Daumenabdruck des Imperators zu erkennen, mit dem er Unterschriften von besonderer
Bedeutung kennzeichnete. Ra hatte zwar keine Möglichkeit, die Echtheit dieser Unterschrift zu prüfen, aber er konnte sich nicht vorstellen, daß es sich um eine Fälschung handelte. »Verstehst du uns jetzt?« fragte Etir Baj. »Wir leben auf dieser Welt in Angst, denn dieser Befehl gilt noch immer. Seit Jahrtausenden leben wir auf Ark'alor in Angst und Schrecken, immer in der Gefahr, von den Arkoniden entdeckt zu werden. Nur selten wagt sich ein Con-Treh von Ark'alor weg – dann meist, um unsere Dankesschuld abzutragen. Mit diesem Schiff hier landete als letzter Flüchtling Regir da Quertamagin, schwerverletzt. Er starb hier. Seit dieser Zeit helfen wir den Quertamagins, wenn wir können. Ein Gonozal aber …!« »Ich kann mir nicht vorstellen, daß dieses Todesurteil echt sein soll!« meinte Ra. »Natürlich, es ist von Gonozal III. unterschrieben worden, aber wahrscheinlich nicht ganz freiwillig!« »Wie meinst du das?« fragte Etir Baj verblüfft. »Der Imperator wußte«, erklärte Ra, »daß es keine Macht gab, die die Con-Treh noch hätte retten können. Das Volk wartete nur darauf, die Con-Treh massakrieren zu dürfen. Nun stelle dir vor, es wäre zu dem Massaker gekommen, ohne daß der Imperator diesen Befehl ausgestellt hätte. Später nämlich hätte er jeden Arkoniden, der an der Tötung eines Con-Treh beteiligt gewesen war, vor Gericht stellen und aburteilen müssen. Kannst du dir die Folgen vorstellen? Millionen von Arkoniden vor Gericht, wegen gemeinschaftlicher Verschwörung zum Mord? Es hätte einen Bürgerkrieg gegeben. Um das zu verhindern, mußte Gonozal III. die Lynchjustiz seines Volkes in irgendeiner Weise legalisieren – und das hat er mit diesem Befehl getan!« Bei Etir Baj starrte Ra nachdenklich an, dann schüttelte er den Kopf. »Es hört sich logisch an, was du sagst«, erklärte er. »Aber ich kann dir einfach nicht glauben! Eine jahrtausendealte Tradition
Der Kämpfer mit der Maske wirft man nicht nach fünf Minuten über Bord!« »Wenn nicht jetzt, dann später!« brummte Ra. »Du wirst sehen, Atlan hat mit dem Gonozal, wie du ihn mir geschildert hast, keinerlei Ähnlichkeit. Wann übrigens können wir damit rechnen, daß das hochverehrte Con-Treh-Than hier eintrifft? So schön eure Welt auch ist, ich möchte trotzdem wieder fort!« »Vielleicht findet sich eine Möglichkeit!« meinte Etir Baj lächelnd. »Ich habe da ein paar Ideen, die man in die Tat umsetzen könnte!«
2. Ra lehnte an der Wand und lächelte vergnügt. Das ehrwürdige Con-Treh-Than benahm sich wie ein Kindergarten auf Reisen. Die alten Männer des Fünferrats der ConTreh tanzten förmlich in der Halle der Erinnerung. Für die Con-Treh war dieses uralte Schiff heilig, und sie hatten lange warten müssen, bis sie ihr Heiligtum wieder betreten konnten, Etir Baj hatte ein übriges getan. Offen und wahrheitsgetreu hatte er von der Rückeroberung der Halle berichtet und dabei Ras Anteil hervorgehoben. Da die Männer des Con-Treh-Than weite Strecken der Flußfahrt von Magintor bis zu der Insel im Binnenmeer Abdalor selbst erlebt hatten, konnten sie sich ausrechnen, welche Leistungen die beiden Männer vollbracht hatten. Sobald sich die Männer wieder beruhigt hatten, wandten sie sich dem vorerst wichtigsten Thema zu. Ra war von dem ConTreh-Than zum Tode verurteilt, er sollte allerdings begnadigt werden, wenn es ihm gelang, die Halle der Erinnerung für die ConTreh zurückzugewinnen. Nichts sprach deutlicher für die Erfüllung dieser Bedingung als der Umstand, daß die neuerliche Verhandlung über das Geschick des Barbaren in eben dieser Halle stattfand. »Er hat die geforderten Bedingungen erfüllt!« stellte Bei Etir Baj fest. »Sein Leben
9 ist damit unantastbar. Ich habe Ra mit der Geschichte unseres Volkes vertraut gemacht, wie ihr es befohlen habt. Dabei hat Ra einen völlig neuen Gedankengang entwickelt!« Etir Baj schilderte, wie Ra die Existenz des Todesurteils zu erklären versucht hatte, und das Con-Treh-Than hörte ihn geduldig an. »Eine kühne These!« sagte der Sprecher schließlich. »Es gibt aber keine Beweise für die Richtigkeit seiner Auffassung!« »Auf dieses Thema wollte ich zu sprechen kommen!« fuhr Etir Baj fort. »Wenn es möglich ist, Beweise für Ras Hypothese zu finden, dann nur auf Arkon. Ich bitte daher das Con-Treh-Than um die Erlaubnis, Arkon aufsuchen zu dürfen!« »Und ich möchte ihn begleiten!« mischte sich Ra sofort ein. Er hatte nicht die geringste Lust, den Rest seines Lebens auf Ark'alor zu fristen. Vielleicht war es auch möglich, auf Arkon irgend etwas in Erfahrung zu bringen, das für Atlan von Nutzen sein konnte. Seit der Kristallprinz gegen seinen verbrecherischen Onkel kämpfte, war vermutlich keiner seiner Mitarbeiter so nahe an den Gegner herangekommen. Und wenn die übervorsichtigen Con-Treh einen Mann nach Arkon schmuggeln konnten, dann mußte dieser Schleichweg außerordentlich gut gesichert sein. »Wir stimmen dir zu, Bei Etir Baj!« sagte der Sprecher am Ende der leise geführten Beratung. »Und deinen Freund kannst du mitnehmen. Genau betrachtet, gehen wir ein großes Risiko ein, wenn wir Ra erlauben, nach Arkon zu gehen. Aber wir können einfach einem Mann nicht mißtrauen, der das größte Heiligtum unseres Volkes befreit hat. Zieht also nach Arkon. Seid wachsam und vorsichtig!« »Seid wachsam und vorsichtig!« wiederholten die beiden Männer den traditionellen Gruß der Con-Treh. Ra und Etir Baj zogen sich zurück. Am Strand der Insel herrschte ein geschäftiges Treiben. In seiner fast euphorischen Stim-
10 mung hatte das Con-Treh-Than viele der Sicherheitsbestimmungen gelockert. Es galt vor allem, eine schnelle Verkehrsverbindung zwischen der Insel und der Hauptstadt Magintor zu schaffen. Sogar Gleiter hatte die Regierung der Con-Treh bewilligt. Mit einem dieser Fahrzeuge flogen Ra und Etir Baj die Strecke zurück, die sie in endlos lang erscheinenden, qualvollen Märschen zurückgelegt hatten. Nur mit Schaudern dachte Etir Baj an das gefährliche Gloohn, das noch immer irgendwo im Felsen lebte und eine Gefahr für jeden war, der in seine Nähe geriet. Ras Überlegungen gingen mehr in die Zukunft. Vielleicht war es möglich, die Con-Treh von ihrem Haß auf alles, was mit dem Namen Gonozal zu tun hatte, abzubringen. Gelang dies, dann hatte Atlan unter Umständen einige tausend hervorragende Freunde und Mitkämpfer gefunden. Nachdenklich betrachtete Ra den Mann, der neben ihm in dem Gleiter saß. Bei Etir Baj war etwas größer als Ra, nicht ganz so breit in den Schultern wie der Barbar. Seine Haut zeigte einen satten Bronzeton, die Haare die dunkle Färbung, die typisch war für die Con-Treh. Ra freute sich darauf, den Mann Atlan vorstellen zu können. Stunden waren vergangen seit dem Abflug von der Insel. In Flugrichtung kamen langsam die Berge näher. Dort lag in einem großen Tal, das ein Meteorit förmlich aus dem Gebirge gestanzt hatte, die Stadt Magintor, zum weitaus größten Teil in den Fels hineingebaut. Von den Siedlungen der ConTreh war aus der Luft nichts zu sehen, ein weiteres Zeichen ihrer großen Angst vor Entdeckung. Etir Baj wandte den Kopf zur Seite und betrachtete das Gesicht Ras. »Ich überlege gerade«, murmelte er, als er Ras fragenden Blick bemerkte, »wie wir es anstellen, aus dir einen Arkoniden zu machen. Bei mir ist das relativ einfach, wir sind seit langem darin geübt. Aber ich frage mich, wie unsere Haarfärbemittel auf dein Haar wirken. Vielleicht wirst du kahl davon
Peter Terrid werden!« Instinktiv gingen Ras Hände in die Höhe, und in Gedanken stellte er sich das Gelächter der Freunde vor, wenn er mit einer Glatze nach Kraumon zurückkehrte. »Nur das nicht!« entfuhr es dem Barbaren. »Keine Angst!« beruhigte ihn Etir Baj. »Die Haare wären nicht weiter wichtig, aber ich kann nicht abschätzen, ob es möglich sein wird, deine Augen zu färben. Die Gefahr, daß du dabei erblindest, ist entschieden zu groß.« »Barbar bleibt Barbar!« stellte Ra fest. »Ihr werdet mich nicht ummodeln können.« »Dann wirst du mich als Diener begleiten müssen!« erklärte Etir Baj. »Ich werde als Kaufmann nach Arkon reisen! Und du wirst ein barbarischer Sklave von irgendeinem Kolonialplaneten sein!« Ra zuckte zusammen. Er war lange ZeitSklave gewesen, und die Zeit, die er auf dem Sklavenplaneten Mervgon zugebracht hatte, hatte er noch nicht vergessen. Ra schüttelte den Gedanken ab. Diesmal würde er den Sklaven nur spielen, und dieser Unterschied zählte.
* Es war erstaunlich, wie schnell sich die Ansichten der Menschen ändern konnten. Noch vor wenigen Wochen hätte man Ra in Magintor erschlagen; jetzt drängten sich immer wieder Männer heran, um Ra auf die Schulter zu klopfen und ihm zu gratulieren. Und Etir Baj stellte im stillen fest, daß auch der weibliche Teil der Con-Treh Gefallen an dem stämmigen Barbaren gefunden hatte. Man gönnte den Männern einen Tag der Erholung, dann machte sich Etir Baj an die Arbeit. Mit Staunen sah Ra zu, wie sich der ConTreh in einen waschechten Arkoniden verwandelte. Ein Bleichmittel färbte die Haare des Mannes weiß, eine andere Chemikalie verlieh den Augen den typischen, albinotischen Rotton. Ein weiteres Bleichmittel
Der Kämpfer mit der Maske sorgte dafür, daß Etir Bajs Körper die Sonnenbräune verlor. Braungebrannte Arkoniden konnten nur der untersten Schicht der Bevölkerung angehören. Arkoniden von Rang hatten blaß zu sein, es sei denn, man gehörte zur Flotte, wo sich Sonnenbestrahlung nicht vermeiden ließ. Einem hohen Offzier ließ man die Bräune durchgehen, doch war es üblich, die Haut mit Cremes zu bleichen. Nach wenigen Stunden hatte Etir Baj den alabasternen Leib eines vornehmen Arkoniden. Nur die gut ausgebildete Muskulatur ließ sich so schnell nicht entfernen, aber darauf legte der Con-Treh auch wenig Wert. Nach einem Tag waren die Vorbereitungen abgeschlossen. Zwar würden noch ein paar Tage vergehen, bis die Narben an Etir Bajs Schädel vollständig verheilt waren, aber den Mann hielt es nicht länger in Magintor. Die Narben, die von den grausamen Psychoverhören in Krassig geblieben waren, hatte eine kosmetische Operation nahezu verschwinden lassen. Nur die Narben auf dem Brustkorb und auf dem Rücken, ebenfalls Überreste von Folterungen, waren geblieben. Aber nach einer kosmetischen Operation auch dieser Narben hätte Etir Baj mindestens eine Woche länger auf Ark'alor bleiben müssen, und dazu hatte er keine Lust. »Ich heiße von nun an Immo Kalee!« stellte sich Etir Baj als Arkonide bei Ra vor. »Jetzt brauchen wir nur noch einen Namen für dich!« »Ich bin Ra und werde es bleiben!« stellte der Barbar fest. »Auf Arkon kennt mich niemand, ich habe es nicht nötig, mir einen falschen Namen zuzulegen!« Es war ziemlich viel Zeit vergangen, seit Ra in die Hände der Arkoniden gefallen war. Er konnte sich nicht vorstellen, daß sich irgend jemand noch an ihn erinnerte, zumal die Personen, mit denen er zu tun gehabt hatte, nicht im Arkonsystem lebten, sondern auf weit abgelegenen Kolonialplaneten. »Einverstanden!« meinte Etir Baj. »Meine Ausrüstung ist fertig, wie sieht es bei dir
11 aus?« Ra hatte die Lederbekleidung anbehalten, die er zu Beginn der Expedition auf Ark'alor angezogen hatte. Er trug ein langes Schwert mit einer hervorragenden Klinge im Gürtel, dazu einen Dolch und eine Schleuder. Im Nacken verborgen war eine weitere, nadelspitze Klinge, eine mörderische Überraschung für den, der dieses Versteck nicht kannte. Als Sklave konnte Ra natürlich keine Hochenergiewaffe tragen, wie sie in Etir Bajs Gurt steckte. Der rohlederne Anzug, den Ra trug, war ziemlich eng geschnitten, und einige Verehrerinnen von Ra hatten den Anzug mit Stickereien verziert. Ra machte den Eindruck eines erstklassigen Kriegers aus einem Jägervolk; niemand hatte vermutet, daß er auch mit modernen Waffen sehr gut umzugehen verstand. »Ich bin bereit!« erklärte Ra.
* Die Con-Treh hatten den beiden Männern ein kleines Beiboot zur Verfügung gestellt. Das Schiff war ziemlich alt, aber es erfüllte noch seinen Zweck. Den kleinen Laderaum hatte man mit seltenen Fellen, getrockneten Heilkräutern und anderen Produkten des Planeten bis an den Rand gefüllt. Dies war ein weiterer Grund, aus dem heraus man die beiden Männer gewähren ließ. Ab und zu brauchten die Con-Treh Nachschub an hochtechnisierter Ausrüstung. Immer wenn es soweit war, schickten sie eine Ladung ihrer wunderwirkenden Kräuter und der Felle nach Arkon und tauschten sie gegen die Güter ein, die sie brauchten. Da die Con-Treh sehr sparsame Leute waren, wurden solche Ausflüge nur sehr selten unternommen. Entsprechend rar waren die Con-Treh-Felle im Arkonsystem, und dementsprechend hoch der Erlös für jedes einzelne Fell. Etir-Baj hatte die lange Liste von Dingen, die auf Ark'alor gebraucht wurden, im Kopf, und er wußte auch, wie er diese Dinge von Arkon herschaffen würde, ohne daß man
12 ihm folgen konnte. Ra hätte lieber das Beiboot von Ischtars Schiff verwendet, weil dieses Schiff von den Strukturtastern offenbar nicht erfaßt werden konnte. Aber die varganischen Konstruktionen waren derart auffällig, daß man sich sofort um die beiden Piloten gekümmert hätte, wo immer sie auch erschienen wären. Aufsehen aber war das mit Abstand letzte, was sich die beiden Männer wünschen konnten. Die COTAWBA, wie Etir Baj das Boot getauft hatte, konnte zur Not von nur einem Mann gesteuert werden. Mit kleinen Schiffen dieser Bauart pflegen abenteuerlustige Männer den Kugelsternhaufen M-13 zu durchstreifen, auf der Suche nach Abenteuern, seltenen Mineralien und anderen Dingen, die – sofern man eine solche Fahrt überlebte – auf Arkon hohen Gewinn abwarfen. Ihrer Bestimmung gemäß sah die COTAWBA ziemlich heruntergekommen aus. Ra traute dem Boot nicht ganz, aber als er beim Start die gleichmäßigen Arbeitsgeräusche des Triebwerks hörte, wußte er, daß sich die Brüchigkeit der COTAWBA auf den äußeren Anblick beschränkte. Fast einen ganzen Tag hielt sich das kleine Boot im Bereich Ark'alors auf. Sorgfältig prüfte Etir1 Baj die Messungen der' Strukturtaster. Als die beiden Männer sicher sein konnten, daß ihr Sprung aus dem System Arkalors heraus nicht bemerkt oder gar angemessen werden würde, starteten sie. Den nächsten Sprung be rechnete Etir Baj nach ähnlichen Kriterien. So dauerte es fast vier Tage, bis die beiden Männer endlich ihr Teilziel erreicht hatten. In einem stabilen Orbit kreiste das kleine Boot um den Planeten Vor'phamor, einen Handelsknotenpunkt des Großen Imperiums. Von seinen Daten her war der Planet äußerst durchschnittlich, ähnlich Kraumon oder Ark'alor. Die Bewohner des Planeten fühlten sich sehr sicher, nach einer überaus flüchtigen Kontrolle durften Etir Baj und Ra mit ihrem Boot auf einem der kleinen Häfen landen. Etir Baj hatte sich für Cortereal entschieden,
Peter Terrid die zweitgrößte der Städte des Planeten. »Und vergiß nicht!« ermahnte Etir Baj seinen Begleiter. »Ich heiße Immo Kalee. Wenn du dich verplapperst, reißt man uns in Stücke!« »Keine Sorge!« beruhigte Ra den ConTreh. »Ich werde es mir merken!« Zur Ausrüstung des Beiboots gehörte ein kleiner Gleiter mit zwei Sitzplätzen und einer geräumigen Ladefläche, speziell geschaffen für die Boote der Prospektoren und Pelzjäger. Niemand kümmerte sich um die beiden Männer, als Ra hinter dem Steuer Platz nahm und sich Immo Kalee hoheitsvoll auf den anderen Platz setzte. »Halte auf den großen Turm zu!« befahl Immo. Ra nickte und schob den Beschleunigungshebel nach vorne. Langsam, und mit winselnden Generatoren setzte sich der Gleiter in Bewegung. Immo Kalee hatte vor dem Abflug dafür gesorgt, daß das Fahrzeug tatsächlich Spuren starken Gebrauchs aufzuweisen hatte. Das wichtigste Indiz war der mörderische Gestank, den die Ladefläche verbreitete. Erst am Ausgang des kleinen Landefelds wurden die beiden Männer angehalten. Zwei Einwohner der Stadt überprüften die Papiere. Selbstverständlich waren die Unterlagen von Immo Kalee einwandfrei, immerhin hatten die Con-Treh einige Jahrtausende lang das Fälschen von Dokumenten üben können. »Und der da?« fragte einer der beiden Posten und deutete auf Ra. »Was ist mit dem Burschen? Gehört er zu dir?« Immo Kalee zog die Brauen zusammen. »Erstens«, sagte er langsam und drohend, »werde ich für gewöhnlich mit Erhabener angeredet, wie es sich für einen Arkoniden von Geblüt geziemt! Und zweitens ist dieser Mann mein Eigentum. Ich habe vor, ihn amtlich als Sklaven registrieren zu lassen!« Der Posten zuckte zusammen. Es war nicht ratsam, sich mit einem Arkoniden anzulegen. Die Herren des Großen Imperiums verstanden keinen Spaß, wenn man sie in ihrer Ehre kränkte. Das galt auch für die Ab-
Der Kämpfer mit der Maske kömmlinge der Arkoniden auf anderen Planeten. Den Bewohner Cortereals erwarteten beträchtliche Schwierigkeiten, wenn ein Arkongeborener sich über ihn beschwerte. »Verzeihung, Erhabener!« stammelte der Posten. »Die Durchfahrt ist frei!« Immo Kalee gab Ra einen Wink, und der Barbar beschleunigte den Gleiter. Im Vorbeifahren warf Immo dem Posten ein Geldstück zu, das der Mann grinsend auffing. Korruption war weit verbreitet, besonders auf Welten wie Vor'phamor. Vorsichtig fädelte sich Ra in den dichten Verkehr auf den breiten Straßen ein. In Cortereal trafen sich nicht die ganz großen Händler, die ganze Konvois mit der gleichen Ladung füllen konnten. Die Stadt war ein Tummelplatz der Abenteurer, die nach oft jahrelanger Abwesenheit mit erlesenen Kostbarkeiten zurückkehrten. Entsprechend bunt und vielgestaltig war das Leben in der Stadt. Die Behörden sahen zwar nicht gerne, daß sich allerlei lichtscheues Gesindel in der Stadt ein Stelldichein gab, aber solange die Zahl der Messerduelle sich in Grenzen hielt, drückten die Polizisten ein Auge zu. Ein besonderes Interesse an dem Leben und Treiben in Cortereal hatte die PO-GIM, deren Spitzel in vielfältigen Verkleidungen durch die Märkte und Spelunken zogen, um Informationen zu sammeln. Den wüsten Männern, die sich berufsmäßig in der Stadt trafen, tat die Geheimpolizei nichts, aber die Informationen, die die Männer ausplauderten, waren für die POGIM von Bedeutung. Cortereal lag in einem weiten, sanft geschwungenen Tal. Die Stadt war gewachsen wie eine Krebszelle, wild und zügellos. Entsprechend verwirrend und faszinierend war das Bild, das sich dem Betrachter bot. Kurz, die Stadt war voller Leben und Bewegung. Cortereal hatte etwas mehr als zehntausend Einwohner, hinzu kamen je nach Geschäftslage bis zu einhunderttausend Händler, Prospektoren, Dirnen, Taschendiebe, Spieler, Glücksritter, Vagabunden. Die Bewohner der Stadt mochten keine Gleiter, daher stellten Immo Kalee und Ra
13 ihr Fahrzeug am Stadtrand ab und gingen zu Fuß weiter. Warum in den Straßen Fahrzeuge nur in Ausnahmefällen zugelassen waren, begriffen die Männer sehr schnell. Überall trafen sie auf kleine Gruppen von Menschen, die singend und lärmend durch die Straßen zogen, in der Rechten eine dickbauchige Flasche, in der Linken die Hand eines Mädchens. Cortereal war eine Stadt der fröhlichen Zecher und der ungehinderten Lebenslust. Obwohl sich hier mehr berufsmäßige Diebe versammelten als an jedem anderen Platz in der Galaxis, wurde in Cortereal weniger gestohlen als im Kristallpalast. Ra fühlte sich in dem wilden Haufen außerordentlich wohl. Er mochte Menschen, die sich natürlich gaben. Die beiden Männer kamen nur langsam voran. Immer wieder boten ihnen wildfremde Gesellen Drinks an, und die Mädchen versuchten ihr Bestes, um die Männer von ihren eigentlichen Zielen abzubringen. »Vorwärts!« sagte Immo Kalee und zerrte Ra mit sich, der dem dunkelhaarigen Mädchen mit einem Schulterzucken und einer Kopfbewegung klarmachte, daß er nicht so konnte, wie er gern gemocht hätte. »Wir haben allerhand zu besorgen!« Vor einer buntbemalten Fassade eines alten Hauses blieb Immo Kalee stehen. Über der Tür hing ein altes, fleckiges Schild. Die Aufschrift »Zum ehrlichen Würfel« war kaum noch zu lesen, dafür steckten in der hölzernen Tafel vier Messer dicht nebeneinander. Aus der Tür klang das Geräusch aneinanderschlagen der Gläser und der ohrenbetäubend laute Gesang eines Dutzends Männer, die mangelnde Kunstfertigkeit mit Lautstärke wettzumachen suchten. Ra brauchte einige Zeit, bis er sich an den Dunst und den Rauch im Innern der Taverne gewöhnt hatte. In der Luft lag der Geruch nach viel Alkohol und einem vorzüglichen Braten. Mädchen liefen zwischen den hölzernen Bänken und Tischen hin und her, damit beschäftigt, Wein, Braten und abwehrende Klapse auszuteilen.
14 »Was wollen wir hier?« fragte Ra, so leise, wie es die Geräuschkulisse des Lokals zuließ. »Leute treffen!« meinte Immo Kalee. »Ich war zwar noch nie selbst hier, aber andere Männer haben mir von dieser Kneipe erzählt. Wer hier verkehrt, gehört zu den anerkannten Händlern der Stadt. Mach dich auf Schwierigkeiten gefaßt!« Ra ging voran und schob die Menschen zur Seite, die sich ihm in den Weg stellten. Wütende Rufe wurden laut, die schlagartig verstummten, als sich Immo Kalee auf den einzigen, noch freien Platz setzte. Der hölzerne Stuhl war frei, obwohl sich Männer in der Nähe des Platzes drängten. Immo Kalee war sich sicher, daß dieser Sitz für einen besonders wichtigen Mann freigehalten wurde. Schlurfend kam der Wirt näher, ein speckiger Zaliter mit einem verschlagen wirkenden Gesichtsausdruck. »Hör, Freundchen!« sagte er leise. »Dieser Sitz ist für Gabdraman Schwati reserviert! Wenn du darauf sitzt, wenn er kommt, wirst du mein Lokal mit den Füßen voran verlassen. Ich gebe dir den guten Rat zu verschwinden, bevor Schwati kommt!« »Dafür ist es zu spät!« murmelte eine heisere Männerstimme. »Er kommt gerade herein!« Alle Köpfe wandten sich zur Tür, in der sich die Umrisse eines ungewöhnlich großen und breitschultrigen Mannes abzeichneten. Im Näherkommen wurden Einzelheiten des Mannes sichtbar. Gabdraman Schwati war ein Arkonide. Seine Haut war von der Sonne tief gebräunt, das Kinn wurde von einem langen, weißen Bart verdeckt. Die Muskulatur des Mannes war, soweit das locker geschnittene Hemd sie erkennen ließ, beängstigend gut entwickelt. Schwati trug einen breiten ledernen Gürtel, dessen Schnalle aus Luurs-Metall bestand. In den Holstern steckte links ein Impulsstrahler, rechts einer der wenigen Desintegratoren, die ihren Weg in Privathände gefunden hatten. Der Schnitt des Gesichts verriet eine unbändige Energie, gepaart mit
Peter Terrid hoher Intelligenz. Schwati kam langsam näher und blieb vor Immo stehen. Flüchtig streifte sein Blick Ra, der neben dem falschen Arkoniden stand und die Hände vor der Brust verschränkt hatte. Eindringlich musterte Gabdraman Schwati den frechen Eindringling, dann beugte er sich langsam nieder und packte den Stuhl an zwei Beinen. Mit ausgestreckten Armen hob er Immo in die Höhe und schwenkte ihn langsam zur Seite. Immo schlug die Beine übereinander und lächelte freundlich. Schwati erwiderte das Grinsen, dann ließ er den Stuhl los. Zu seiner grenzenlosen Überraschung fiel der Mann nicht. Etwas schneller als Schwati schwenkte Ra den Stuhl auf seinen ursprünglichen Platz zurück, und man konnte dem Barbaren ansehen, welche Kraft dieses Kunststück kostete. Es wurde sehr still in der Taverne zum ehrlichen Würfel, als Ra behutsam den Stuhl an seinem alten Standort wieder absetzte. Schwati achtete nicht mehr auf Immo Kalee, er konzentrierte sich ganz auf Ra. Er streckte die rechte Hand nach Ra aus. Der Barbar ergriff die Hand und ging einen Schritt zurück. Mit weit ausgestreckten Händen standen sich die Männer gegenüber, dann strafften sich die Armmuskeln. Die Füße scharrten über den steinigen Boden, als die beiden Männer sich besseren Halt zu verschaffen suchten. Schweißtropfen wurden auf den Stirnen sichtbar, während sich die Spannung im Saal steigerte. »Zwanzig auf den Barbaren!« gellte eine Stimme. »Ich halte fünfzig dagegen!« meldete sich ein anderer Mann. Der Kampf ging in die vierte Minute, als der Wettumsatz fünfstellige Beträge erreichte. Immo heizte den Kampf weiter an, als er weitere zehntausend auf Ra setzte, obwohl der Barbar schnaufte und stark schwitzte. Lange konnte er sich gegen den Hünen Schwati nicht mehr halten. Dann griff der falsche Arkonide in die Tasche und holte einen kleinen, dunkel gefärb-
Der Kämpfer mit der Maske ten Gegenstand hervor, den er scheinbar achtlos Schwati zuwarf. Der Mann erkannte noch im Flug, was ihm zugeworfen wurde und schnappte danach. Im gleichen Augenblick wurde er von Ra zur Seite gewirbelt und fiel, doch es gelang ihm, den Gegenstand zu fangen, bevor er auf den Boden prallte. Die Menschen im Lokal waren vor Überraschung sprachlos, während Immo schnell seinen Gewinn einstrich. Ra massierte mit schmerzverzerrtem Gesicht den Krampf im rechten Arm. »Eine Sekunde länger«, stöhnte er, »und ich hätte dort gelegen!« Gabdraman Schwati stand langsam auf. Mit einer Handbewegung machte er sich einen Platz unmittelbar neben Immo Kalee frei. Fasziniert betrachtete der Mann den Gegenstand. »Ein Porträt Bolarcs I. in einen schwarzen Diamanten geschnitten!« staunte Schwati. »Mann, wie bist du an diese Kostbarkeit gekommen?« »Mein Geheimnis!« meinte Immo lächelnd. »Interesse?« »Langsam!« wehrte Schwati ab; er winkte den Wirt heran. »Zwei kleine Krüge vom Besten für meinen Freund und mich, und einen besonders großen für den Barbaren. Er hat ihn sich verdient!« Er grinste Ra an und schlug ihm auf die Schulter. Kurze Zeit später erschien der Wirt und brachte die drei Krüge. Ra gab den Wein sofort an andere weiter; seit er auf dem Sklavenplaneten Mervgon einen fürchterlichen Rausch mit einem noch entsetzlicheren Kater ausgekostet hatte, fürchtete er den Alkohol. Die umherstehenden Männer waren von dieser Geste sehr erfreut, und nach kurzer Zeit nahm das Gelage seinen Fortgang. »Laß mich nachrechnen!« murmelte Schwati. »Von diesem Gemmen gibt es nur sehr wenige. Zwei liegen in der privaten Sammlung Orbanaschols. Er lebe hoch, aber nicht allzu lange!« »Es lebe seine Erhabenheit!« schrie ein
15 Mann und imitierte die unnatürliche Sprechweise des Imperators. Brüllendes Gelächter war die Antwort. An jedem anderen Ort wäre dieser Spott für den Sprecher das sichere Todesurteil gewesen, aber an die freien Händler von Vor'phamor wagte sich niemand heran. Sie lieferten die Daten für neue Kolonialweiten, sie brachten die Spezereien von Welten heran, die kein Flottenkommando zu betreten wagte, sie lieferten die Steine, die es sonst nirgendwo in der Galaxis zu kaufen gab. Die olghsche Seide, die man bei Hofe trug, konnte nur über Vor'phamor bezogen werden. Der Imperator, der diese Quelle verstopft hätte, wäre von einer Palastrevolution innerhalb von Stunden weggefegt gewesen. »Ein weiteres Exemplar gehört den Zoltrals, und das letzte liegt in den Safes der Quertamagins!« beendete Schwati seine Aufzählung. »Sprich, Halunke, wo hast du das Stück … besorgt?« Immo Kalee grinste, als er die bezeichnende Pause zwischen den letzten beiden Worten hörte. »Ein solches Stück kann man nicht stehlen!« erklärte er ruhig. »Man kann es auch nicht fälschen. Nur eine neue, echte Ausgabe ist von Wert, nur sie kann man verkaufen!« »An die POGIM!« stellte Schwati fest. »Sie werden dich erwischen, und wenn du ihnen den Stein freiwillig überläßt, lassen sie dich vielleicht am Leben.« »Ich weiß!« gab Immo Kalee zurück. »Darum suche ich auch einen Partner, einen Mann, der soviel Einfluß auf Arkon hat, daß auch die POGIM ihm nicht so ohne weiteres ans Leder kann!« »Besten Dank für das Kompliment«, meinte Schwati grinsend. »Einverstanden, ich mache das Geschäft. Was willst du für den Stein haben?« »Zweierlei!« gab Immo Kalee bekannt. »Ich habe hier erstens eine Liste von Dingen, die ich kaufen will. Übrigens habe ich noch eine Ladung von beträchtlichem Wert zu verkaufen.«
16 »Darüber reden wir später«, warf Schwati ein. »Was ist Nummer zwei? Wo ist der Pferdefuß?« »Du wirst Ra und mich nach Arkon bringen!« antwortete Immo gelassen. Schwati schüttelte sofort den Kopf. »Ausgeschlossen!« sagte er spontan. »Das ist sogar mir zu heiß. Ich bin gewiß kein Feigling, aber auch noch lange kein Selbstmörder. Weißt du, wie scharf alle Wege nach Arkon bewacht werden?« »Sicher weiß ich das«, meinte lmmo lächelnd. »Eben darum komme ich zu dir. Wenn es einer schaffen kann, dann du!« »Ha, ha!« machte Schwati säuerlich. »Für diese zweifelhafte Ehre bedanke ich mich. Tut mir leid, über Geld können wir verhandeln, über mehr nicht!« »Dann nicht!« meinte Immo und steckte die Gemme in die Tasche zurück. »Schade, es hätte sich für dich gelohnt. Gabdraman Schwati entdeckt die fünfte Bolarc-Gemme! Eine bessere Werbung für dein Geschäft kann ich mir kaum vorstellen!« Schwati rieb sich nachdenklich das Kinn. »Meine PRON-KER-MKLON startet in zwei Tagen!« murmelte der Händler nachdenklich. »Die Männer auf den Wachschiffen kennen mich, und bei den beiden letzten Einflügen bin ich nur sehr oberflächlich kontrolliert worden!« Bei Etir Baj verzog keine Miene, obwohl er jetzt wußte, daß Schwati auf den Handel eingehen würde. Hätte der Händler geahnt, daß sich auf Ark'alor noch weitere sechs der seltenen Gemmen befanden, wäre er Immo Kalee vermutlich an die Kehle gesprungen. »Eine Person!« meinte Schwati nachdenklich. »Du kannst mitfliegen, aber der Barbar muß hierbleiben. Und wie du auf mein Schiff kommst und dich dort versteckst, ist ausschließlich deine Sache. Wie heißt du eigentlich?« »Immo Kalee!« stellte sich der Con-Treh vor. »Den Namen kenne ich doch?« rätselte der Händler. »Hat dein Vater nicht auch schon hier gehandelt?«
Peter Terrid »Mein Onkel!« erklärte Immo wahrheitsgetreu. »Aber ich bestehe darauf, daß Ra mich begleitet. Ich brauche einen Diener!« Schwati schüttelte den Kopf. »Kommt nicht in Frage!« erklärte er fest. »Es ist schwierig genug, einen Mann zu verstecken. Wenn die POGIM-Männer auch nur einigermaßen gründlich kontrollieren, landet die ganze Mannschaft im Konverter oder auf einem Strafplaneten. Da hilft uns dann auch die Bolarc-Gemme wenig!« Immo Kalee brachte das Schmuckstück wieder zum Vorschein und spielte scheinbar nachlässig damit. Der Diamant glitzerte im Licht, und Schwati brachte es nicht fertig, den Blick von dieser Kostbarkeit zu wenden. Er wußte, daß die Dinge, die auf der langen Liste standen, bei weitem nicht den Betrag erreichten, den Schwati für die Gemme erzielen konnte. Es konnte das Geschäft seines Lebens werden, darüber war sich der Händler klar. Allein die Tatsache, daß er das Stück herbeigeschafft hatte, würde seinen Namen berühmt machen. Gabdraman Schwati stand vor der Chance, zum Handelsherrn aufzusteigen. Er konnte sich vielleicht auf Arkon I niederlassen, wo zwar die Schmiergelder zehnmal so hoch waren wie anderswo, aber auch die Gewinne ein paar Zehnerpotenzen über dem Üblichen lagen. »Krone oder Konverter!« murmelte der Mann. »Gelingt der Coup, habe ich ausgesorgt, schlägt er fehl, dann ist das mein Ende!« »So oder so«, meinte Kalee grinsend. »Deine Sorgen bist du in jedem Fall los! Oder hast du Angst?« Gabdraman Schwati richtete sich auf und sah Immo Kalee verweisend an. »Ein Schwati kennt keine Angst!« behauptete er. »Aber ich muß an meine Mannschaft denken, schließlich gehen die Männer das gleiche Risiko ein wie ich!« »Und wir beide auch!« meinte Immo freundlich. »Glaubst du, ich würde dich darum bitten, wenn ich nicht davon überzeugt wäre, daß es funktioniert?« »Gib her!« sagte Schwati schließlich. »Ich
Der Kämpfer mit der Maske mache das Geschäft. Zum Teufel mit dem Leben, wenn es sich nicht lohnt!« Er winkte dem Wirt zu, der eilfertig einen neuen Krug Wein anschleppte; hastig schüttete der Händler ein großes Glas der dunklen Flüssigkeit in sich hinein. »Ich habe deinen Onkel gekannt, Immo!« murmelte er. »Das war ein Mann. Und ein Händler, wie es keinen zweiten im Imperium gab. Du scheinst ihm nachgeraten zu sein. Was willst du eigentlich auf Arkon?« »Handeln!« meinte Immo freundlich. »Ich habe ein hübsches, kleines Sternensystem entdeckt, an dem Orbanaschol vielleicht Interesse hat. Ich will es ihm verkaufen!« »Ein Sternensystem?« fragte Schwati verwundert. »Eine Sonne mit bewohnbaren Planeten?« »Richtig!« meinte Immo grinsend. »Ich kann dir sogar die Koordinaten nennen!« Schwati überlegte eine Sekunde lang, bis er die Daten verstanden hatte, dann begann er dröhnend zu lachen. Diese Koordinaten kannte jedes Schulkind. Es war die galaktische Position Arkons. Gabdraman Schwati fand den Scherz hervorragend und lachte dementsprechend lange und laut.
3. »Es kann losgehen!« stellte Ra fest. »Die Ladung ist verstaut und gesichert!« Immo Kalee nickte zufrieden. Vor den berüchtigten Bewohnern Cortereals hatte Immo Kalee keine Angst, von ihnen würde keiner versuchen, sich der Ladung zu bemächtigen. Nur von der Polizei drohte Gefahr. Wie in vielen autoritären Regierungssystemen hatte auch hier nicht einmal die Polizei die Möglichkeit, ihre berechtigten Ansprüche gegen die Obrigkeit durchzusetzen. Die Männer waren unterbezahlt, zudem hinkte die Löhnung Monate zurück. Die Beamten waren fast dazu gezwungen, ihren Lebensunterhalt durch andere Weise zu bestreiten, durch Erpressung, willkürliche
17 Beschlagnahme, manchmal durch offenen Diebstahl. Immo hatte das Gerücht durchsickern lassen, sein Boot sei gegen Einbruchsversuche mit ein paar Bomben gesichert; das würde voraussichtlich ausreichen, um unerwünschte Besucher fernzuhalten. Gabdraman Schwati hatte Wort gehalten und pünktlich und prompt geliefert. Die Waren waren einwandfrei. In zwei Flügen hatten die beiden Männer die Waren zu einem kleinen Asteroiden geschafft; von dort würde ein weiteres Boot der Con-Treh die Ladungen abholen und nach Ark'alor verfrachten. Es war bereits dunkel, als die beiden Männer das Boot verließen. Über der Stadt hing der kleine Mond des Planeten, der gerade genug Sonnenlicht zurückwarf, um die Straßen erkennbar zu machen. Immo Kalee hatte einen Mietgleiter bestellt, der die beiden Männer am Kontrollturm auflas und in die Stadt brachte. Am Stadtrand stiegen die Männer aus. Nach Einbruch der Dämmerung verwandelte sich Cortereal in ein einziges, riesiges Vergnügungsviertel; aus den Häusern drang der Geruch nach schwerem Wein, würzigem Braten und atemberaubenden Parfüms. Niemand achtete auf die beiden Männer, die zielstrebig durch das Gewimmel marschierten. Das große Landefeld, auf dem die berühmten Händler ihre Schiffe landeten, lag auf der anderen Seite des Tales. Die Hügelkette schirmte die Stadt vor dem Lärm der Triebwerke weitgehend ab, dennoch waren die startenden Schiffe gut zu sehen, wenn sie in den nächtlichen Himmel hochstiegen, begleitet von guten Wünschen und einem kräftigen Schluck auf das Wohl der Abfliegenden. Die beiden Männer verzichteten darauf, am Ausgang der Stadt ein zweites Fahrzeug zu mieten, sondern schlichen sich auf Seitenwegen langsam an das Landefeld heran. Zwei Hindernisse galt es zu überwinden, zum einen die Polizei, die außerhalb der Umzäunung wachte, zum anderen die Pri-
18 vatpolizei der Händler, die innerhalb der Umzäunung ein wachsames Auge auf die Polizei hatte. Den Sperriegel der Polizei zu durchbrechen, machte den Männern keine Schwierigkeiten. Gefährlich wurde es erst, als sie den Zaun erreichten. Immo Kalee sah auf seine Uhr. »Noch drei Minuten!« flüsterte er. Gabdramans Männer waren noch damit beschäftigt, den Papierkrieg mit den Beamten im Kontrollturm auszufechten, und der Händler hatte versprochen, zu einem bestimmten Zeitpunkt eine Keilerei zu veranlassen, in deren Verlauf die Hochspannung für höchstens zwei Minuten abgeschaltet werden würde. Gelang ihm das nicht, dann blieb den beiden Männern nur der eine Trost, daß der Strom ihre Körper so schnell verkohlen würde, daß sie ihren Tod nicht einmal wahrnehmen würden. Auf dem Rücken trugen die beiden Männer zwei Beutel, angefüllt mit seltenen Steinen und anderen Gütern, die den Vorzug geringer Größe mit höchstmöglichem Wert verbanden. Immo Kalee war sich klar darüber, daß er auf Arkon nur etwas erreichen konnte, wenn er mit genügend Bargeld versorgt war. Zum Glück waren die Con-Treh reich an Gegenständen, die auf den Arkonplaneten zu Höchstpreisen als Antiquitäten gehandelt wurden. In diesem Punkt machte sich die Tatsache, daß die Con-Treh um etliche Jahrhunderte hinter dem Standard Arkons zurückgeblieben waren, bezahlt. »Jetzt!« flüsterte Immo Kalee, der sorgfältig seine Uhr beobachtet hatte. Viel Zeit hatten die Männer nicht, aber sie warteten ein paar Sekunden, um die Umzäunung zu testen. Ras Messer, gegen das Metallgeflecht geworfen, löste keine Funkenkaskade aus. Rasch nahm der Barbar die Waffe wieder an sich und sprang dann in die Höhe. Immo Kalee half ihm, den Zaun zu überwinden. Als beide Männer auf der anderen Seite der Umzäunung angekommen waren, warfen sie sich sofort in das hohe dichte Gras, das den Rand des Landefelds bedeckte.
Peter Terrid »Wo steht die PRON-KER-MKLON?« flüsterte Ra. »Auf der anderen Seite des Feldes!« gab Immo Kalee ebenso leise zurück. »Zum Glück ist heute eine Nacht, in der nicht sehr viele Schiffe starten wollen!« Das Landefeld einfach zu durchwandern, erschien den Männern zu gefährlich, sie bewegten sich am Rande des Feldes entlang. Immer wieder mußten sie sich im Gras verstecken, wenn die Privatwachen der Händler die Umzäunung abschritten und nach Eindringlingen suchten. Sehr aufmerksam waren die Wachen nicht, wie Ra kopfschüttelnd feststellte. Allerdings mußte er einräumen, daß diese Männer mehr elektronische oder positronische Alarmsysteme gewohnt waren. Ihnen fehlte der Instinkt, der Ra oder Etir Baj sehr schnell die Anwesenheit eines Unbekannten verraten hätte. Die beiden Männer brauchten nicht viel Zeit, bis sie das Schiff des Händlers erreicht hatten. Die PRON-KER-MKLON war in der typischen Art der Arkonidenschiffe gebaut; die Kugelzelle war 300 Meter im Durchmesser – für ein Frachtschiff eine ansehnliche Größe. Immo Kalee hatte sich den richtigen Mann ausgesucht, Gabdraman Schwati war tatsächlich ein Händler von Bedeutung. Wie abgesprochen stand die untere Polschleuse noch offen. Ra und Immo Kalee zauderten nicht lange, sondern schlichen sich schnell an Bord. Sehr bald hatten sie auch die beiden Kisten gefunden, in denen sie sich verstecken sollten. Im Innern der Behälter gab es Wasser und Lebensmittel, für den allergrößten Notfall sogar einen halbwegs brauchbaren Raumanzug mit gefüllten Tanks. Immo Kalee hatte sich dies ausbedungen. Er wußte, daß die Besatzungen von Handelsschiffen es mit der Gründlichkeit nicht sehr genau nahmen. Es kam immer wieder vor, daß die Luft aus den großen Laderäumen entwich. Den Männern machte dies nichts aus; zwischen Laderaum und den übrigen Räumen an Bord gab es sichere Schotte, aber für blinde Passagiere konnte dieser Leichtsinn zu einer tödlichen
Der Kämpfer mit der Maske Überraschung werden. Rasch verschwanden die beiden Männer in ihren Verstecken. Es vergingen einige Minuten, dann wurden Stimmen hörbar. Nicht zu verkennen war das Organ des Händlers, der sich offenbar mit seinem Ersten Offizier unterhielt, »Schade um die beiden!« sagte er bedauernd. »Ich kann mir nicht vorstellen, daß sie es in den dreißig Sekunden geschafft haben. Zu dumm, daß wir den Strom nicht länger ausschalten konnten!« »Die Wachen waren ohnedies schon mißtrauisch genug!« antwortete der Offizier. »Jedenfalls werden wir jetzt keine Schwierigkeiten bei der Einreise nach Arkon haben!« Gabdraman Schwati kicherte. »Schließlich zahle ich auch genug, um nicht belästigt zu werden!« meinte er. »Los, starten wir! Ich möchte bei Tagesanbruch auf Arkon landen.« Immo Kalee knirschte leise mit den Zähnen, als er hörte, wie sich die beiden Männer entfernten. Hätte er gewußt, daß die Zeitspanne zur Überwindung des Zaunes so kurz sein würde, hätte er diesen Versuch nicht unternommen. »Egal!« murmelte er im Selbstgespräch. »Immerhin haben wir es geschafft!«
* Er nannte sich Alpertur und war auf dem Planeten Zalit geboren, der sich als vierte Welt um die rote Riesensonne Voga bewegte. Das Voga-System war eines der allerersten Systeme gewesen, das von Arkoniden angeflogen worden war. Ihre Nachkommen, die Zaliter, galten als besonders bündnistreu. Etwas anderes blieb ihnen auch nicht übrig, immerhin betrug die Distanz zwischen Arkon und ZaJit nur etwas mehr als drei Lichtjahre. Alpertur konnte, abgesehen von seinem beträchtlichen Leibesumfang, als typischer Zaliter gelten. Er war hochgewachsen, hatte eine rotbraune Haut und die charakteristi-
19 schen, kupferfarbenen Zaliterhaare. Alpertur war noch relativ jung, und er hätte als attraktiver Mann gelten können, wäre nicht sein ausgeprägter Speckbauch gewesen und der wenig anheimelnde Blick seiner dunklen Augen. Schon der erste Eindruck verriet, daß Alpertur keine Mittel und Wege scheute, seine Interessen durchzusetzen. Er wäre gefährlich gewesen, hätten sein Ehrgeiz und seine Geldgier nicht durch eine ausgeprägte Feigheit einen Dämpfer erfahren. An Skrupellosigkeit hätte er jederzeit mit Orbanaschol wetteifern können. Ra warf nur einen Blick auf den Mann, dann hatte er genug gesehen. Alperturs Haus war mit einem Aufwand geschmückt worden, wie ihn bestenfalls noch der Zarlt von Zalit hätte überbieten können. Kostbarste Steine formten das Mosaik des Bodens, Wände und Boden waren mit edelstem Rauchwerk bedeckt, die Türgriffe bestanden aus Luurs-Metall, das ansonsten nur zu Schmuck verarbeitet wurde. »Mit diesem Kerl willst du Geschäfte machen?« murmelte Ra in das Ohr von Immo Kalee. »Er würde seine leibliche Mutter verkaufen, wenn er Aussichten hätte, dafür Geld zu bekommen!« »Mag sein!« gab Immo flüsternd zurück. »Aber er kann uns nützlich sein, und das allein zählt!« Alpertur war zweifelsohne kein angenehmer Geschäftspartner. Als Zaliter, die von den Arkoniden stets mit gewisser Hochmut behandelt wurden, hatte er sich etwas Besonderes einfallen lassen, um sein angegriffenes Selbstvertrauen wieder aufzurichten. Als Mätressen und weibliches Dienstpersonal hielt er sich ausschließlich junge, reinrassige Arkonidinnen, meist Strafgefangene oder nahe Verwandte von Arkoniden, die er geschäftlich fest im Griff hatte und nach Belieben erpressen konnte. »Ihr wollt mich sprechen, Erhabener!« säuselte der feiste Zaliter, als er Immo Kalee nähertreten sah. Die beiden Männer hatten sich nach der Landung schnellstens abgesetzt, so schnell,
20 daß Gabdraman Schwati vermutlich nie erfahren würde, daß er tatsächlich zwei blinde Passagiere befördert hatte. »Mein Name ist Immo Kalee!« stellte sich der Con-Treh vor. »Sagt Euch der Name etwas?« Alpertur zog die Stirn in Falten und dachte nach. Mit zusammengezogenen Brauen musterte er den Con-Treh. »Ich erinnere mich!« sagte er dann zögernd. »Was kann ich für Euch tun?« »Wir brauchen Papiere«, stellte Immo fest. »Zwei vollständige Sätze, und zwar echte falsche Papiere!« Echte falsche Papiere waren Dokumente, deren Daten abgesichert waren und einer normalen Überprüfung standhielten. Wenn ein Beamter beim positronischen Register nachfragte, durfte es nicht geschehen, daß Immo Kalees Ausweisnummer zu einem Personalpapier gehörte, das eigentlich von einer alten Frau verwendet wurde. »Das wird eine Kleinigkeit kosten, Freunde!« meinte Alpertur grinsend. »Wir zahlen wie üblich!« konterte Immo Kalee. »Und gegen die üblichen Sicherheiten!« Alpertur lächelte säuerlich, und Ra begriff, daß die Con-Treh den Mann irgendwie in der Hand hatten. Daß sie den Zaliter dennoch für seine Dienste gut bezahlten, entsprach ihrem ausgeprägten Sinn für doppelte und dreifache Sicherungen. »Und was soll aus dem Burschen werden?« wollte Alpertur wissen. »Als Arkoniden kann man ihn kaum bezeichnen!« »Für Ra brauche ich einen Dienstkontrakt!« erklärte Immo Kalee. »Er ist mein Sklave! Kannst du die Dokumente besorgen?« Alpertur grinste selbstzufrieden und machte eine Handbewegung, die in der gesamten Galaxis verstanden worden wäre. »Ich biete zwei Miniaturen von Octal, dem Blinden!« sagte Immo Kalee freundlich. »Das dürfte wohl genügen!« Alperturs Unterkiefer sank herunter, erregt sprang er von dem fellbelegten Lager
Peter Terrid auf. Der Becher fiel ihm aus der Hand, und der dunkle Wein versickerte in den Fellen. »Machst du Witze?« fragte er fassungslos. »Seit zweihundert Jahren ist kein Bild von Octal mehr auf dem Markt gewesen!« »Um so höher wird der Wert sein!« stellte Immo fest und brachte die beiden Bilder zum Vorschein. »Sieh sie dir an!« Mit zitternden Händen nahm der Zaliter die beiden Elfenbeinminiaturen an. Von Kunst verstand er etwas, denn er prüfte die Bilder lange und gründlich. Als er wieder aufsah, grinste er sehr zufrieden. »Dafür tue ich alles für euch, Freunde!« meinte er. »Wo wollt ihr wohnen? Bei mir? Ich habe genügend Raum, bequeme Betten und freundliche Mädchen!« Immo Kalee betrachtete sekundenlang die junge Arkonidin, die vor dem Zaliter kniete und ihm einen neuen Becher anbot. Der Mann war Immo zuwider, aber es gab triftige Gründe für sein Angebot. »Ich nehme an!« sagte er schließlich. »Ich brauche zwei Räume, die nebeneinander liegen. Ich will meinen Sklaven jederzeit um mich haben!« »Selbstverständlich!« erklärte Alpertur. »Steh auf. Das goldene Zimmer für Immo Kalee, das rote für seinen Barbaren!« Das Mädchen stand rasch auf, Ra grinste sie mit seinen weißen Zähnen an. Erschrocken wich das Mädchen einen Schritt zurück, dann erwiderte sie das Lächeln. Immo Kalee schüttelte verweisend den Kopf. »Was wollt ihr auf Arkon?« fragte Alpertur. »Handeln?« »Wir wissen es noch nicht genau!« antwortete Immo wahrheitsgemäß. »Als erstes werden wir Kontakte brauchen. Ist für die nächste Zeit ein Fest geplant, bei dem man einflußreiche Leute kennenlernen könnte?« Alpertur zeigte ein selbstgefälliges Grinsen. »Ein Fest?« fragte er. »Freunde, es wird das Fest geben. In den nächsten Wochen findet das alljährige Zalitertreffen von Arkon statt. Alles, was Rang und Geld hat, wird sich dort treffen, auch führende Männer vom
Der Kämpfer mit der Maske Hofe. Wahrscheinlich wird sich sogar seine Erhabenheit selbst einfinden!« »Orbanaschol?« fragte Immo. »Was hat der Imperator bei einem zalitischen Händlerfest zu suchen?« »Diplomatie!« erklärte der Zaliter. »Nach dem Desaster bei Trantagossa werden einige Kolonialvölker aufsässig. Der Imperator will deutlich machen, wie freundlich er gegenüber den treuen Vasallen ist. Und wir Zaliter sind ihm ja treu ergeben!« Der Spott in den letzten Worten war nicht zu überhören. »Ist es sicher, daß Orbanaschol kommen wird?« fragte Immo weiter. »Offiziell ist noch nichts bekannt«, meinte Alpertur, »aber ich habe schließlich meine besonderen Quellen. Du kannst sicher sein, daß Orbanaschol einen großen Auftritt haben wird!« Immo Kalee lächelte zufrieden. »Ich habe eine Idee!« meinte Alpertur plötzlich. »Dein Barbar sieht ziemlich gut aus. Kann er kämpfen?« Es gab ein leises Knacken, als das Wurfmesser einen Daumenbreit neben Alperturs rechter Hand in das Holz des Sessels einschlug. Ra grinste den erbleichenden Alpertur an, dann holte er sich die Waffe zurück. »Recht beeindruckend!« murmelte der Zaliter. »Allerdings möchte ich bitten, meine Fragen künftig nur mündlich zu beantworten. Immo Kalee, wenn Ra gewillt ist, an den Kämpfen teilzunehmen, und wenn er es schafft, den ersten Preis zu erringen, dann wäre es möglich, daß Orbanaschol mit dem Besitzer des Mannes reden will. Ist das ein Angebot?« »Was für Kämpfe?« fragte Ra. »Ganz harmlos!« gab Alpertur zurück. »Männer gegeneinander, Männer gegen wilde Tiere, gegen Roboter – das Übliche. Natürlich wird die Hälfte der Männer diesen Tag nicht überleben!« Ra wandte sich zu Immo Kalee und grinste den Mann an. »Genau deswegen sind wir doch gekommen!« stellte Ra fest. »Ich mache mit!«
21 »Einverstanden!« erklärte schließlich auch Immo Kalee. »Dies dürfte die beste Lösung sein. Ich hoffe, daß du es schaffen wirst, Ra. Ich würde dich nur ungern verlieren!« Ra schüttelte den Kopf und lächelte geringschätzig. »Was ein rechter Barbar ist«, behauptete er, »der fürchtet sich weder vor Männern noch vor Tieren!« »Es hängt ganz davon ab, wie diese Männer beschaffen sind!« meinte Alpertur. »Du könntest Überraschungen erleben, Ra!«
4. »Berichte noch einmal!« Sarn Lartog stöhnte auf. Seit vier Tagen wurde er fast ohne Pause verhört, immer wieder hatte er seine Geschichte erzählen müssen. »Erhabener!« stammelte der Mann. »Ich habe Euch bereits alles erzählt, was ich weiß. Mehr kann ich nicht sagen!« »Berichte noch einmal!« wurde er aufgefordert. »Von Anfang an, und lasse keine noch so winzige Kleinigkeit aus! Beginne!« Sarn Lartog saß gefesselt auf dem Stuhl. Er war müde, erschöpft, man hatte ihm nichts zu essen gegeben, und er spürte einen peinigenden Durst. Mit krächzender Stimme nahm er seinen Bericht wieder auf. Sarn Lartog hatte zur Besatzung der KARRETON gehört, die von Atlan und seinen Freunden gekapert worden war. Unter Sarn Lartogs Führung hatte die Besatzung versucht, das Schiff zurückzuerobern, dabei war die KARRETON so beschädigt worden, daß man sie nur mit Mühe und viel Glück auf einer Ödwelt hatte landen können. Während die Männer um Atlan damit beschäftigt gewesen waren, das Schiff zu reparieren, hatte Lartog einen zweiten, verzweifelten Versuch unternommen, das Schiff wieder unter seine Gewalt zu bringen. Vor allem dem Barbaren Ra war es zu verdanken gewesen, daß auch dieser Versuch scheiterte. Während Atlan und seine Freunde den ver-
22 zweifelten Versuch wagten, das Schiff ohne brauchbaren Kartentank zu starten, waren die Männer der KARRETON auf dem Planeten zurückgeblieben. Ein Funkgerät hatte man ihnen zurückgelassen, aber bis Lartogs Hilferuf aufgefangen wurde, waren alle Männer bis auf ihn den mörderischen Bedingungen der Ödwelt erlegen. »Erzähle mir mehr über Atlan!« forderte der Mann seinen Gefangenen auf. »Ist er wirklich der Sohn des verstorbenen Imperators?« Sarn Lartog nickte schwach. Er hatte keine Chance gehabt. Man hatte ihn aufgelesen, seinen ersten Bericht angehört und ihn dann gefesselt. Sarn Lartog wußte nicht einmal genau, wo er sich befand. Er konnte nur durch das Fenster erkennen, daß das Haus, in dem er gefangengehalten wurde, in der Nähe des Kristallpalasts stand. Der Besitzer mußte zur absoluten Führungsschicht des Imperiums gehören. Den Mann selbst hatte Lartog nicht zu Gesicht bekommen, denn er hielt sich stets im Rücken des Gefangenen auf. Nur seine Stimme war zu hören, eine leise, sanfte Stimme, an der nur das sehr hart ausgesprochene »R« auffiel. »Beschreibe mir den Barbaren!« forderte diese Stimme auf. Sarn Lartog gab sich alle Mühe, aber sein Wortschatz reichte nicht aus, den Barbaren so zu beschreiben, daß man ihn nur anhand dieser Beschreibung aus einer Gruppe ähnlich aussehender Männer hätte herauspicken können. »Ich kann nicht mehr!« krächzte Lartog schließlich; er sackte in sich zusammen. »Ich brauche Wasser!« Er spürte eine harte Faust in seinem Nacken. Man riß ihn in die Höhe und schnallte ihn noch fester an den Sessel. Dann spürte der junge Mann, wie sich etwas Hartes auf seinen Schädel herabsenkte. Als Lartog begriff, was man mit ihm vorhatte, war es bereits zu spät. Die Hypnohaube begann zu arbeiten. Systematisch durchkämmte sie das Hirn des Mannes, sammelte
Peter Terrid alles, was an Informationen darin enthalten war. Auf einem Bildschirm waren Szenen zu erkennen. Deutlich konnte der Betrachter die Gesichter von Ra, Atlan und ihren Freunden ausmachen. Dann löste sich das Bild plötzlich auf, eine Welle farbiger Schleier zog sich über den Schirm, dann wurde das Bild völlig dunkel. »Nehmt ihn!« sagte der Mann. »Ihr wißt, was ihr zu tun habt!« Während die Männer den Leichnam des jungen Mannes losschnallten und aus dem Raum schafften, ging der Mann zum Fenster und starrte zum Kristallpalast hinüber. »Ich darf jetzt keinen Fehler machen«, murmelte der Mann langsam. »Nur wenn ich meine Pläne mit Bedacht und größter Sorgfalt durchführe, werde ich Erfolg haben!« Er sah auf den Palast des Imperators und lächelte.
* »Wir haben der Stadt sogar einen Namen gegeben!« erklärte Alpertur. »Sie heißt Segor, obwohl sie nur für ein paar Tage Bestand haben wird. Nach dem großen Fest wird man sie abreißen!« »Ein beträchtlicher Aufwand!« murmelte Immo Kalee. »Aber notwendig!« meinte Alpertur. »Wir müssen dem Imperium zeigen, daß es uns Zalitern sehr gut geht unter arkonidischer Herrschaft. Wie gut es uns tatsächlich geht, werden wir Händler natürlich nicht verraten – die Steuern sind ohnedies schon hoch genug!« Segor war eine Stadt aus Zelten und Traglufthallen. Es verstand sich, daß die einzelnen Gebäude prachtvoll geschmückt waren. Ob die glitzernde Pracht echt war, konnte man nur bei näherem Zusehen feststellen. In der Mitte des gewaltigen Areals war das große Stadion erbaut worden. Fast eine halbe Million Zuschauer faßte das riesige Oval, selbstverständlich gab es für jeden Besucher einen vollklimatisierten Sitzplatz. Immo Kalee betrachtete den Bau mit einem leisen
Der Kämpfer mit der Maske Schauder. Was hier innerhalb weniger Tage an Geld verbraucht wurde, hätte Ark'alor reich gemacht. Aber auf den Arkon-Planeten galten andere Maßstäbe als auf den Kolonialwelten. Auf Arkon konnte ein zalitischer Händler sich schmücken wie ein Diamantvogel; es war erlaubt, damit niemand auf Arkon ärmlich aussehen konnte. Auf Zalit selbst, hätte der Zarlt sich beträchtliche Schwierigkeiten eingehandelt, hätte er versucht, an Prachtentfaltung mit einem durchschnittlichen Arkoniden zu wetteifern. »Kommt mit«, forderte Alpertur die beiden Männer auf. »Ich zeige euch das Trainingslager!« Ra grinste zufrieden. Es war warm auf Arkon II, wesentlich wärmer als auf Ras Heimatwelt, aber der Barbar vertrug Hitze entschieden besser als Kälte. Getreu seiner Rolle als Sklave und Kämpfer trug er nur einen ledernen Lendenschurz, der, um das Vermögen des Besitzers zu betonen, üppig mit Halbedelsteinen besetzt war. An der Hüfte trug Ra ein langes Schwert und einen nadelspitzen Dolch, beide mit edelsteinbesetzten Griffen. Sein dunkles Haar wurde von einem schmalen ledernen Band um die Stirn gehalten; auf das Band hatte eines der Mädchen von Alpertur Ras Namen eingestickt. Das Material dazu war aus einem seltenen Schwingquarz gewonnen worden, der selbst bei Tageslicht deutlich erkennbar pulsierte. Immo Kalee hatte alles getan, um seinen Begleiter propagandistisch aufzuwerten, und an den interessierten Gesichtern der Umstehenden konnte er erkennen, daß ihm dies auch vorzüglich gelungen war. Alpertur lächelte wohlgefällig, als er bemerkte, daß Ra zum allgemeinen Gesprächsgegenstand aufgestiegen war. Jeder Erfolg des Barbaren war auch für ihn von Vorteil, abgesehen von den beträchtlichen Summen, die der Zaliter durch hohe Wetteinsätze auf Ra zu gewinnen gedachte. Alpertur handelte nebenbei mit Kampfsklaven, und sein Ansehen würde beträchtlich steigen, wenn Ra erfolgreich war. Immerhin nahm Alpertur den
23 Ruhm für sich in Anspruch, den Barbaren für die Arena entdeckt zu haben. Das Trainingslager befand sich auf der Windschattenseite des Stadions. Den Grund für diese Maßnahme entdeckten die Männer im Näherkommen. Über dem hermetisch abgeriegelten Bezirk lag der Geruch von Schweiß und den Ausdünstungen zahlreicher Tiere. Es verstand sich von selbst, daß man nicht wagte, die empfindsame Nase seiner Erhabenheit mit solchen Gerüchen zu belästigen. Die schwerbewaffneten Wachen am Eingang des Lagers ließen Alpertur nach kurzer Kontrolle durch. Die Männer kannten den Zaliter. »Dein Mann, Alpertur?« fragte eine der Wachen und deutete auf Ra. »Taugt der Mann etwas?« »Ich würde nicht auf ihn setzen!« meinte Alpertur lächelnd. Der Posten grinste verständnisvoll zurück. »Natürlich nicht!« meinte er spöttisch. »Das würde deine Quoten mindern. Besten Dank für den Tip!« Immo Kalee war als Arkonide von allen Kontrollen befreit, ungehindert betraten die Männer das Trainingslager. Ra nutzte die Zeit, um sich seine mutmaßlichen Kontrahenten näher anzusehen. Er hatte sich zuvor in Alperturs Haus anhand von Nachrichten und Lesespulen informiert, und er mußte feststellen, daß sich in dem Lager alles tummelte, was Rang und Namen hatte. Es waren Männer darunter, die seit mehr als zehn Jahren kämpften, oftmals verwundet worden waren, aber noch niemals einen Kampf verloren hatten. Es gab wendige Zaliter unter den Kämpfern, zyklopische Naats vom fünften Planeten des Arkonsystems, auch etliche Bewohner Arkons, die mit sich nichts Besseres anzufangen wußten, als ihr Glück in der Arena zu erproben. Vor allem diese Arkoniden waren ausgezeichnete Kämpfer, da sie ohne den Druck kämpften, den die anderen Männer ertragen mußten. Sie riskierten ihr Leben nur dann, wenn sie sich freiwillig zum Kampf mit wilden
24 Tieren stellten. Ra machte ein verblüfftes Gesicht, als er feststellte, daß es sogar weibliche Arenakämpfer gab. Er hoffte, daß er nicht gegen eine der Frauen anzutreten hatte. Leiter des Lagers war ein hagerer Zaliter, der auf den Namen Carox hörte. Sein nackter Oberkörper war von Narben übersät, und ein Schwerthieb hatte ihn ein Auge und die halbe Nase gekostet. Ra kannte den Mann aus seinen Büchern, er war früher ein gefürchteter Mann gewesen, der mehr Männer im Sand sterbend zurückgelassen hatte als irgendeiner. Carox bedachte Ra mit einem abschätzenden Blick, dann wandte er sich Alpertur zu. »Wollt Ihr den Mann kämpfen lassen?« erkundigte er sich. Carox konnte nur noch heiser flüstern, seit ihm ein Handkantenschlag den Kehlkopf zertrümmert hatte. Als Alpertur mit einem Nicken bestätigte, fuhr Carox fort: »Hat er schon einmal in einer Arena gestanden?« Alpertur verneinte. Ra sah den fürchterlichen Fausthieb erst in der letzten Sekunde; hastig sprang er zur Seite, und instinktiv griff er zu. Ein Hüftwurf legte Carox in den Sand. Der Trainer rollte geschickt ab und stand schnell wieder auf den Beinen. »Seine Reflexe scheinen gut zu sein!« meinte Carox. »Aber ich habe meine Zweifel, ob er die Vorrunden überstehen wird. Er scheint zu intelligent zu sein, um ein guter Kämpfer sein zu können!« »Überlaß das mir!« knurrte Ra. »Noch habe ich jeden Gegner geschlagen!« Das war zwar beträchtlich übertrieben, aber Ra wußte, daß die bevorstehenden Kämpfe unter anderem auch auf dem Feld angewandter Psychologie ausgefochten wurden. Es war wichtig, sich vom Gegner nicht beeindrucken zu lassen, und unter Umständen gewann Ra einen beträchtlichen Vorteil durch die Tatsache, daß man ihn als Aufschneider einschätzte, der mit dem Mund mehr zuwege brachte als mit dem Schwert.
Peter Terrid Fehleinschätzungen dieser Art wurden leicht zum Bumerang. »Einverstanden!« krächzte Carox schließlich, nachdem er lange nachgedacht hatte. »Ich nehme den Mann. Aber er bekommt einstweilen keinen Hauptkampf. Ich kann es mir nicht leisten, ihn gegen einen guten Mann zu stellen. Das Publikum mag es nicht, wenn einer seinen Gegner schon in den ersten Minuten von den Beinen bringt!« »Wie wäre es mit Tieren!« erkundigte sich Immo Kalee. »Schade um den Barbaren!« gab Carox zurück, »Ihr wißt vielleicht nicht, Erhabener, daß es bei Tierkämpfen keinen Pardon gibt. Entweder siegt der Mann, oder die Bestie reißt ihn in Stücke. Eine ehrenvolle Niederlage gibt es da nicht!« Immo wandte sich zu Ra um. »Wir können es uns noch anders überlegen!« meinte er nachdenklich. »Es ist deine Entscheidung, Ra!« Ra registrierte das Verblüffen des Trainers, der nicht begreifen wollte, wie ein Arkonide derart freundlich mit seinem Sklaven sprechen konnte. Der Barbar grinste verächtlich. »Es gibt keinen anderen Weg!« meinte Ra. »Wir müssen es wagen. Vielleicht helfen mir ein paar Tricks weiter!« Im stillen dachte Ra an Corpkor und seine Tiere. Natürlich verfügte Ra nicht annähernd über die Möglichkeiten des Tierbändigers, mit Bestien in ein nahezu freundschaftliches Verhältnis zu treten, aber er hatte doch einiges von seinem Freund gelernt, vor allem die Fähigkeit, Handlungen der Tiere vorauszuahnen, aus winzigen Bewegungen die nächsten Aktionen abzuleiten und entsprechend zu reagieren. »Dann komm mit!« erklärte Carox. »Es ist dein Wille und dein Leben. Du mußtes wissen!« Ra verabschiedete sich von Immo Kalee und Alpertur. Während die beiden Männer die entsprechenden Verträge unterschrieben, ließ Ra sich ein Quartier im Trainingslager zuweisen.
Der Kämpfer mit der Maske
* Ra mußte das kleine, allerdings klimatisierte Zelt mit einem Arkoniden und zwei Zalitern teilen. Der Arkonide war noch ziemlich jung. Geld schien er genug zu haben, wie seine schmucküberladene Rüstung bewies. Was ihn in die Arena getrieben hatte, konnte Ra schon nach kurzer Zeit herausfinden. Liebeskummer war das mit Abstand letzte Motiv, das Ra in eine solche Lage hätte bringen können. Wenn einer schon den Tod aus Liebesgründen suchte, dann nach Ras Geschmack nicht auf Raten. Die linke Hand hatte der junge Mann schon eingebüßt, und nach menschlichem Ermessen würde ihn eines Tages ein Gegner vollends zum Krüppel schlagen. Ra zuckte mit den Schultern, dann wandte er sich den Zalitern zu. Robal und Efrem waren hartgesottene Profis. Nach dem Gesetz gehörte die Hälfte des Gewinnes dem Kämpfer, mochte er Sklave sein oder nicht. Die beiden Männer hatten mit ihren Herren einen Vertrag, der sie zu fünfzig Arenakämpfen verpflichtete. Überlebten sie das Schlachten, dann waren sie frei und durften mit ihrem Gewinn zurückkehren. Verloren sie, blieb nur die Gewinnsumme für die Angehörigen. »Wir haben noch Glück gehabt!« meinte Robal säuerlich grinsend. »Wir dürfen unsere Gewinne tatsächlich behalten. Viele Herren lassen ihre Sklaven nur dann antreten, wenn die Sklaven dazu Gebühren zahlen. Viele Sklaven überleben ihre Kontrakte zwar, sind aber anschließend verkrüppelt und haben leere Taschen. Wenn wir überleben, dann sind wir auf Zalit gemachte Leute!« »Und wie oft müßt ihr noch in die Arena?« wollte Ra wissen. »Dreißigmal!« erklärte Efrem seufzend. »Vielleicht bekommen wir dich zum Gegner, dann wird es etwas leichter!« Ra verzog das Gesicht zu einem Lächeln, die Ehrlichkeit der beiden Sklaven war ver-
25 blüffend. »Und was versprecht ihr euch davon?« fragte er weiter. Efrem erklärte es ihm: »Es gilt als nicht sehr anständig, einen Neuling gleich zu töten, aber für uns ist es ein gewonnener Kampf. Wenn einer von uns gegen dich antreten müßte, dann brauchte er dich nicht zu töten, um weiterzukommen!« »Und was geschieht, wenn ich gewinne?« interessierte sich Ra. Robal machte ein finsteres Gesicht. »Das wäre das Ende. Das Publikum fordert dann meist das Leben des Unterlegenen! Ich hoffe nicht, daß du das willst!« Jetzt erst erkannte Ra, daß man ihn gründlich veralbert hatte. Die beiden Zaliter taten alles, um eventuelle Gegner schon vor dem Treffen aus dem seelischen Gleichgewicht zu bringen. Ra empfand ein gewisses Bedauern, aber er hatte nicht die geringste Lust, sich von den beiden einwickeln zu lassen. Ras Plan konnte nur dann aufgehen, wenn es ihm gelang, den Ehrenpreis zu gewinnen, der – das war inzwischen offiziell bestätigt worden – von Orbanaschol III. persönlich übergeben werden sollte. Ra stellte sich an den Eingang des Zeltes und musterte das Treiben im Lager. Auf einem freien Platz übten zwei Männer den Schwertkampf. Ra sah interessiert zu. Die beiden Gegner waren gut, sehr gut sogar. Wenn Ra auf einen von ihnen traf, stand ihm allerhand bevor. Einen Trumpf aber besaß der Barbar, und er war fest entschlossen, ihn voll auszuspielen. Ra verfügte über eine meisterhafte Körperbeherrschung. Vor allem konnte er einen Bewegungsablauf, den er bei einem anderen sah, sehr schnell und ohne langes Training wiederholen. Sprünge und Hiebe, die andere Männer monatelang hätten üben müssen, vermochte Ra sofort nachzuvollziehen. Daher studierte Ra die Männer sehr genau, und nach einigen Minuten wußte er, wie er mit jedem der beiden Kämpfer fertig werden konnte. Im Hintergrund schritt ein Mann durch die Menge. Der Haarfarbe nach ein Arkoni-
26 de. Mehr als die Haare vermochte Ra nicht zu erkennen. Der Mann trug eine Maske, die das Gesicht vollständig bedeckte. Die Maske aus einem leichten, feinen Gewebe war auf ähnliche Weise bestickt wie Ras Stirnband. Allerdings bildeten die Stickereien auf der Maske ein verwirrendes System von Linien und Schlingen, abstrakten Figuren und Bildern. Ein faszinierender Anblick, dachte Ra, und im gleichen Augenblick erkannte er auch den Zweck der Tarnung. Es würde schwierig sein, sich auf etwas anderes zu konzentrieren als die Maske, wenn man gegen diesen Mann anzutreten hatte – und in der Arena konnte jede unaufmerksame Sekunde den Tod bringen. Efrem trat zu Ra und sah sofort, wem die Aufmerksamkeit des Barbaren galt. »Auch ein Neuling!« erklärte der Zaliter. »Ich habe ihn beim Üben gesehen, er führt eine teuflisch geschickte Klinge!« »Weißt du mehr über ihn?« wollte Ra wissen. »Wie sieht er ohne Maske aus?« Efrem machte ein geheimnisvolles Gesicht. »Er legt die Maske nie ab!« erklärte er. »Einer hat versucht, ihm das Ding in der Nacht abzuziehen, aber der Mann liegt jetzt in der Krankenabteilung. Vielleicht kommt er durch!« Ra legte den Kopf auf die Seite und sah Efrem an. War dies ein neuer Versuch ihn einzuschüchtern? Efrem grinste leicht. »Keine Sorge!« meinte der Zaliter. »Auch dieser Mann ist zu schlagen. Es haben schon einige versucht, sich mit solchen Maskeraden in den Vordergrund zu spielen, aber das hat nur dann einen Sinn, wenn es ihm gelingt, bis zum Endkampf vorzustoßen. Wird er vorher besiegt, nimmt man ihm solche Mätzchen übel – und was das heißt, kannst du dir ausrechnen!« Der Weg des Maskierten führte am Zelt der Männer vorbei. Der Mann würdigte Ra und Efrem keines Blickes, sondern schritt achtlos an ihnen vorbei. »Dem möchte ich in der Arena begeg-
Peter Terrid nen!« murmelte Efrem und ballte die Fäuste. »Wahrscheinlich ist es einer dieser verfluchten Arkoniden, die aus purer Langeweile in die Arena gehen. Oft genug schaffen sie es, einem erprobten Kämpfer den Weg in die Freiheit zu verlegen. Ich hasse diese Burschen. Wenn du verlierst, töten sie dich ohne Zögern, aber wenn du siegst, mußt du immer warten, ob das Publikum auf deiner Seite ist. Und meistens steht es auf der Seite des Arkoniden!« Diesmal versuchte Efrem keine Täuschung, der Tonfall seiner Stimme war eindeutig. Ra wandte den Kopf nach hinten und betrachtete den einhändigen Arkoniden, der Efrems Bemerkung sicher gehört haben mußte. Der junge Mann hockte teilnahmslos auf seinem schmalen Bett und starrte ins Leere. Efrem folgte Ras Blick, grinste und machte eine Handbewegung, die unverkennbar war. Die Zaliter hielten ihren Zeltgenossen für nicht zurechnungsfähig. »Wenn du auf ihn triffst«, murmelte Efrem, »sieh dich vor. In der Arena ist er anders. Ich habe schon einige gute Kämpfer gegen ihn verlieren sehen. Er tötet ohne Rücksicht!« »Wieviele Männer kämpfen überhaupt in den nächsten Tagen?« wollte Ra wissen. Efrem begann zu rechnen. »Wenn man alle Tierkämpfe und andere Zweikämpfe mit in die Rechnung aufnimmt, werden schätzungsweise dreihundert Kämpfe stattfinden. Die Sieger kommen jeweils eine Runde weiter!« Ra schluckte. Allmählich begann er zu ahnen, auf was er sich eingelassen hatte.
5. »Sind meine Befehle ausgeführt worden?« fragte der Mann. »Wie Ihr es befohlen habt, Erhabener!« erklärte der Diener sofort. »Wir haben an jede Einzelheit gedacht. Es ist nichts vergessen worden!« »Gut so!« murmelte der Mann. »Teil eins des Planes ist also bereits Wirklichkeit ge-
Der Kämpfer mit der Maske worden!« Er wandte dem Diener den Rücken zu, sein Blick hing am Kristallpalast. »Ist unser Mann auf Arkon II informiert?« fragte er langsam. »Kennt er seine Aufgabe?« »Ganz genau!« lautete die Antwort. »Du weißt, es darf nicht der kleinste Teil des Planes fehlschlagen!« fuhr der Mann fort. »Nur wenn ein Rädchen ins andere greift, wenn alle Mitspieler, auch die, die von ihrer Rolle gar nichts wissen, genau so handeln, wie ich es vorausberechnet habe, wird der große Plan gelingen. Der Leichnam des Leutnants ist nach Arkon II gebracht worden?« »Er wird in den nächsten zwei Stunden aufgefunden werden!« wurde ihm geantwortet. »Die Leiche wurde entsprechend Euren Anweisungen vorbereitet!« »Sehr gut!« murmelte der Mann. »Dann wollen wir aufbrechen. Es ziemt sich nicht, nach dem Imperator einzutreffen!«
* Die Arena bildete ein großes Oval, das mit feinkörnigem Sand bedeckt war. Mehr als zehn Meter stieg die äußere Umrandung empor, dann erst begannen die Sitzreihen für das Publikum. Die Zaliter hatten Vorsorge getroffen, daß nicht etwa eine wilde Bestie zu den Zuschauern gelangen konnte. Der Tod eines Arkoniden auf den Tribünen wäre für die Vereinigung der zalitischen Händler eine Katastrophe ersten Ranges gewesen. Die besten Plätze waren durch einen deutlich erkennbaren Energieschirm von den anderen Sitzen abgetrennt worden. Noch war die private Loge des Imperators leer. Da Orbanaschol III. die Eröffnungsfeier vollständig erleben wollte, mußte der Veranstalter warten, bis der Imperator eingetroffen war. Im Publikum wagte niemand zu murren, zu offensichtlich war die Zahl der POGIMMänner unter den Zuschauern. Unter den großen Tribünen lagen die Räume, in denen die Kämpfer vor ihren Einsät-
27 zen warteten. In den engen Räumen herrschte eine Spannung, die nicht mehr zu überbieten war. Keiner der Kämpfer wußte, gegen wen oder was er anzutreten hatte. Wehe dem, der die undankbare Aufgabe hatte, den ersten Kampf zu bestreiten. Wehe ihm, wenn er schlecht war, und wehe dem Nachfolger, wenn der erste Kampf hervorragend ausgefallen war. Glück hatten die Männer, die als letzte in der ersten Runde starteten. Sie konnten, falls sie ihren Kampf gewannen, ihre zukünftigen Gegner studieren. Noch waren die Männer unbewaffnet. Der Ablauf des Programms lag fest. Nach der feierlichen Begrüßung des Imperators wurde der erste Kämpfer aufgerufen und vorgestellt. Dann erst wurde ihm seine Aufgabe genannt. Er durfte zurückkehren und sich in der Waffenkammer ausrüsten, dann erst begann der eigentliche Kampf. Wer herausgerufen wurde, das bestimmten die Ausrichter oder der Zufall. Es gab Paarungen, nach denen das Publikum fieberte; sie bildeten die ersten Höhepunkte des blutigen Spektakels. Ra konnte sicher sein, daß seine Aufgabe ausgelost worden war. Noch war er niemandem bekannt. Efrem und Robal, die sich in den langen Jahren der Kämpfe angefreundet hatten, wurden vielleicht gegeneinander gesetzt – das Publikum mochte es, wenn Freunde sich gegenseitig an die Kehlen mußten. Noch marschierte auf dem Sand eine Musikkapelle auf und ab und versuchte, das Publikum bei Laune zu halten. Ra sah auf die große Stadionuhr, Orbanaschol III. hatte sich um mehr als eine Stunde verspätet. »Ruhig bleiben!« meinte Efrem. »Für gewöhnlich läßt der Imperator seine Untertanen zwei Stunden und länger warten.« Schmetternde Trompetenstöße verkündeten, daß sich der Imperator zu seiner Loge begab. Offenbar wollte Orbanaschol auch durch diese kurze Wartezeit seine besondere Huld öffentlich zeigen. »Ziemlich mäßig, der Beifall!« murmelte Robal. »Offenbar hat der Imperator an Be-
28 liebtheit verloren!« »Kein Wunder«, mischte sich Efrem ein. »Nach dieser typischen Con-Treh-Schlappe bei Trantagossa!« Ra zuckte zusammen. Jetzt endlich wußte er, wo er das Wort Con-Treh schon einmal gehört hatte. Der geflügelte Ausdruck von der Con-Treh-Schlappe war früher sehr verbreitet gewesen, jetzt wurde der Ausdruck nur noch sehr selten verwendet, meist von Leuten, die nicht die leiseste Ahnung hatten, was der Ausdruck eigentlich besagen sollte. Immerhin, völlig in Vergessenheit geraten waren die Con-Treh demnach noch nicht. Efrem grinste breit, als die Lautsprecher die ersten Kämpfer in die Arena riefen. Für den ersten Kampf war der Maskierte ausgewählt worden. Er wurde vom Publikum ziemlich kühl aufgenommen, wahrscheinlich hielten die Zuschauer nicht viel von der auffälligen Maskerade. Sein Gegner war ein besonders großgewachsener Naat, der auf einem Flottenschiff unangenehm aufgefallen und deshalb zu Arenakämpfen verurteilt worden war. Fasziniert betrachtete Ra die Gestalt des Zyklopen. Mehr als drei Meter groß war der Naat, er stand auf ziemlich kurzen Beinen, besaß aber überlange Arme, vor denen man sich zu hüten hatte. Naats lebten auf einem Planeten, der eine Schwerkraft von 2,8 Gravitationseinheiten aufzuweisen hatte. Entsprechend ausgebildet war die Muskulatur dieser Kolosse mit der braunschwarzen, lederartigen Haut. Der Lautsprecher gab bekannt, daß sich beide Kämpfer nach Belieben mit Hieb-, Stichund Wurfwaffen versehen konnten. Es vergingen nur wenige Minuten, dann standen die Gegner wieder auf dem Sand. Der Naat hatte sich für ein Schwert entschieden, zusätzlich hatte er sich mit einem Bündel von Speeren ausgerüstet. Der Maskierte trug nur ein Schwert und eine mit Stacheln gespickte Keule. »Der Naat ist nicht …« »Dumm« wollte Efrem sagen, aber er kam nicht dazu, den Satz zu beenden. Gerade noch rechtzeitig konnte er sich zur Seite
Peter Terrid werfen. Genau an der Stelle, an der er gestanden hatte, bohrte sich der erste Speer des Naat in das Holz der Umfassungsmauer. Der Maskierte hatte sich ebenfalls nur mit einem tollkühnen Satz in Sicherheit bringen können. Die Klinge des Speeres war mindestens fünf Handbreiten lang, und sie war vollständig im Holz verschwunden. Besser konnte man den Vorteil der hohen Schwerkraft kaum demonstrieren. Der Naat blieb an seinem Platz stehen und verschickte einen Speer nach dem anderen. Ums Haar hätte er den Maskierten getroffen, die Waffe zischte scharf an der Schläfe des Mannes vorbei. Die Maske verrutschte, und sofort griff der Mann in die Höhe, um sie wieder zu befestigen. Mit einer derartigen Wahnsinnshandlung hatte der Naat nicht gerechnet; sein nächster Speer bohrte sich weit entfernt vom Ziel in den Sand. Jetzt begann das Publikum Aufmerksamkeit zu zeigen. Daß die Maske solche Risiken einging, nur um ihre Identität nicht zu verraten, machte den Kampf spannend. Stürmisch feuerte das Publikum den Naat an, der immer wieder seine Speere schleuderte. Aber die hohe Wurfgeschwindigkeit und die Kraft des Naat machte der Maskierte mit unglaublicher Behendigkeit zunichte. Er strengte sich nur an, die fehlgegangenen Geschosse des Naat mit seinem Schwert zu zerstören; er verzichtete darauf, nun seinerseits den Naat mit Wurfgeschossen einzudecken. Der letzte Speer des dreiäugigen Naat zersplitterte unter einem Schwerthieb des Maskierten, der jetzt energisch dem Naat zu Leibe rückte. Der Kampf war nach kurzer Zeit entschieden, gegen seinen flinken, beweglichen Gegner hatte der schwerfällige Koloß keine Chance. Nach kurzer Zeit lag er reglos im Sand, während das Publikum den ersten Sieger des Tages feierte. Der nächste Kämpfer war Efrem, der gegen einen der Veranstalter antreten mußte, jenen Mann, der es zugelassen hatte, daß der Naat Speere bekommen hatte. Bei seiner Wurfkraft wäre es dem Naat leicht möglich gewesen, sein Geschoß zielsicher bis zu Or-
Der Kämpfer mit der Maske banaschol III. zu schleudern. Für diesen Fehler büßte der Zaliter mit dem Tode. Efrem gab ihm nicht eine Sekunde lang eine Chance zur Gegenwehr. Auch Robal freute sich, als Efrem in die Räume unter den Tribünen zurückkehrte. »Er ist tot!« stellte Efrem fest und grinste erleichtert. »Und damit ist unser Kontrakt hinfällig. Das war nämlich unser Besitzer!« Ra schluckte, dann sah er ein, daß er diese Männer nicht mit normalen Maßstäben messen durfte; seit Jahren trugen sie ihre Haut zu Markte, und es war nur zu begreiflich, daß sie sich über den Tod ihres Peinigers freuten. Dann wurde Ra aufgerufen. Während der Barbar langsam auf den freien Platz schritt, sah er, daß die Zugänge zu den Räumen unter den Tribünen abgeriegelt wurden. Schwere Metallplatten schoben sich in die Höhe. Ra fragte sich besorgt, was das zu bedeuten hatte. Die Antwort bekam er wenig später. Man hatte ihn für einem Kampf mit einem Seeungeheuer vorgesehen. Ra schluckte nervös. Zwar konnte er recht gut schwimmen, aber als Freund größerer Wasseransammlungen konnte man ihn schwerlich bezeichnen. Einen übleren Streich hätte man dem Barbaren kaum spielen können. Ra ging zurück, und sobald sich das Tor wieder hinter ihm geschlossen hatte, begannen große Pumpen das Oval der Arena mit Wasser zu füllen.
* »Kein schlechter Einfall!« meinte Orbanaschol und grinste zufrieden, »Wasserkämpfe habe ich schon immer gern gesehen. Was meinst du dazu?« Sein Blick suchte die Augen eines seiner Nachbarn. »Ich bin sicher, daß man dieses Arrangement eigens zu Eurem Vergnügen geschaffen hat!« meinte der Angesprochene; er gab sich Mühe, die harte Aussprache des »R« etwas zu dämpfen.
29 »Ich will nur hoffen«, gab Orbanaschol zurück, »daß der größte Teil des Kampfes nicht unter Wasser stattfindet!« »Auch dies wurde den Genuß nicht trüben«, erklärte der Nachbar ihm, »Seht die Projektionsflächen, Erhabener! Man wird das Unterwassergeschehen mit Kameras verfolgen und auf den Flächen überlebensgroß abbilden. Keine Einzelheit des Kampfes wird uns entgehen!« Orbanaschol nickte zufrieden, dann wandte er sich einem anderen Mann auf seiner Ehrentribüne zu. Sein erster Gesprächspartner winkte schnell einen Bediensteten heran. »Hast du den Barbaren gesehen?« fragte er leise. »Erkennst du ihn windet?« »Ja, Herr!« erwiderte der Mann sofort. »Es muß jener Barbar sein, von dem Lartog gesprochen hat. Vielleicht ist der Kristallprinz nun auch in der Nähe!« »Auf jeden Fall muß der Barbar sorgfältig beobachtet werden!« lautete der Befehl. »Sieh zu, daß man ihn nicht aus den Augen läßt. Er tritt als Sklave hier auf, also stellt seinen Besitzer fest, die Vorbesitzer, und vor allem ermittelt, wie er es geschafft hat, nach Arkon zu kommen!« Der Dienstbote nickte kurz, dann zog er sich zurück. »Was meint Ihr?« erkundigte sich Orbanaschol bei ihm. »Ob der kleine Barbar Chancen hat, gegen einen Viermäuler von Tor'phylth?« »Das wird von der Klugheit des Mannes abhängen, Eure Erhabenheit!« lautete die Antwort. »Ich habe schon Männer gesehen, die einen Viermäuler bezwungen haben, aber dies geschieht nur selten!« »Nun, auf jeden Fall werden wir einen unterhaltsamen Kampf erleben!« freute sich der Imperator. »Dieser Barbar gefällt mir. Er sieht so herrlich urtümlich aus. Wißt Ihr, von welcher Welt dieses Geschöpf stammt?« »Leider nein!« wurde ihm geantwortet. »Vielleicht wurden seine Eltern in einen Strahlungsunfall verwickelt und zeugten daher diese Mutation! Ihr wißt, daß die Kämp-
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Peter Terrid
fer gerne ihre Vergangenheit in geheimnisvolles Dunkel hüllen, um sich interessant zu machen!« »Ja, ja!« murmelte Orbanaschol und bedachte den Sprecher mit einem nachdenklichen Blick. »Wessen Vergangenheit hat keine dunklen Flecken, außer der des Imperators!« »Ihr sagt es, Eure Erhabenheit!« erklärte der Sprecher. »Seht, der Kampf beginnt!«
* »Du hast Pech, mein Freund!« meinte Efrem und starrte auf die Wasserfläche hinab. Er stand neben Ra auf einer kleinen Plattform, die knapp zwanzig Meter über dem Wasserspiegel lag. Das Wasser war annähernd zwei Meter tief, klar und durchsichtig. Deutlich war der Leib des Viermäulers von Tor'phylth zu erkennen. Der Viermäuler war ein amphibisches Lebewesen, das allerdings vorzugsweise auf dem Land lebte. Im Wasser bewegte er sich nicht ganz so geschickt wie an Land. Der lange, tonnenförmige Körper ruhte auf vier kurzen Beinen, deren Zehen – jeweils acht an jeder Extremität – durch Schwimmhäute verbunden waren. Ra erkannte auf der einen Seite einen langen, mit bösartigen Dornen gespickten Schwanz, auf der anderen Seite die vier Köpfe, die der Bestie den Namen gegeben hatten. An langen, biegsamen Hälsen saßen die Köpfe. Die Hälse waren fast so lang wie das ganze Tier, die Köpfe ungefähr so groß wie Ras Brustkorb. Gemächlich schwamm der Viermäuler in dem Wasser umher, der aufgestellte blaue Kamm auf dem grüngeschuppten Rücken verriet, daß die Bestie Hunger hatte. »Hast du schon einmal gegen einen Viermäuler gekämpft?« erkundigte sich Ra beeindruckt. »Bisher nicht!« erklärte Efrem und schüttelte sich. »Und ich wünsche mir auch keinen Kampf dieser Art. Ich habe zwei Männer gesehen, als sie gegen einen Viermäuler
kämpften – beide sind dabei gestorben.« »Los, Ra!« forderte der Trainer den Barbaren auf. »Die Menge wartet schon auf dich! Oder willst du deine Ausrüstung noch ergänzen?« »Ich hätte gerne noch ein Stück Brot!« erklärte Ra freundlich. Der Trainer sah ihn fassungslos an, schüttelte den Kopf und murmelte: »Das ist das Verrückteste, das ich je erlebt habe. Aber du bekommst dein Brot!« Die kurze Zeit, die zum Heranschaffen des Brotes benötigt wurde, nutzte Ra, um aus einem Holzpfeiler, der aus dekorativen Gründen statt eines Stahlträgers verwendet wurde, einen schmalen Span zu schlagen. Das Holz war fest und zäh, es hatte genau die Eigenschaften, die sich Ra wünschen konnte. Sobald der Trainer mit dem Brot erschien, bog Ra den Span zusammen und steckte die beiden Enden in das Brot. Erleichtert atmete er auf, als er feststellte, daß das Brot die Spannung des gebogenen Spanes ertrug. »Bis später, Freunde!« meinte Ra, dann trat er auf den Rand der Plattform. Er wurde vom Gebrüll der Menge empfangen, die schon ungeduldig geworden war. Trotz der deutlich hörbaren Pfiffe nahm Ra sich noch die Zeit, auf die Knie zu sinken und beschwörende Gesten auszuführen, so deutlich, daß jedermann sie gut erkennen konnte. Das Publikum wurde still und ließ den Kämpfer gewähren. Daß der Barbar irgend etwas einem unbekannten Götzen opferte, störte niemanden. Erst als der Viermäuler die Opfergabe respektlos verschlang und Ra erschreckt aufsprang, wurde das Publikum wieder lauter. Ra machte zwei Schritte, er wollte sich offenbar vor dem Kampf drücken. Das Publikum begann zu pfeifen, während der Trainer auf Ra zuging und ihn langsam auf den Rand der Plattform zudrückte. Angesichts von so viel Feigheit begann die Menge vor Wut zu toben. In dem gellenden Pfeifen des Publikums brachte es der Trainer schließlich fertig, Ra über den Rand der Plattform zu stürzen. Der Barbar
Der Kämpfer mit der Maske überschlug sich mehrmals und landete schließlich im Wasser. Der Viermäuler griff sofort an. Wie eine Peitschenschnur bewegte sich einer der Hälse und brachte das Maul an die Stelle, an der Ra eingetaucht war. Das Knacken der zuschnappenden Kiefer war deutlich zu hören. Das Maul schnappte ins Leere. Rasch streckte der Viermäuler sämtliche Köpfe aus dem Wasser und begann nach seinem Opfer zu suchen.
* Ra hatte gewußt, daß ein Sturz aus solcher Höhe ihn sofort bis auf den Grund des Beckens bringen würde, und sobald er den Sand unter seinen Füßen spürte, stieß er sich mit aller Kraft wieder ab. Er ahnte, daß die Bestie sofort an der Einschlagstelle nach ihm suchen würde, und nach dieser Einsicht bewegte er sich unter Wasser. Das Wasser enthielt keine Salze, daher konnte Ra die Augen öffnen und gut sehen. Er sah die schemenhafte Bewegung des großen Körpers, den Aufprall des großen Schädels, der dort das Wasser aufpeitschte, wo Ra sich noch vor Sekunden befunden hatte. Unmittelbar neben dem gewaltigen Rumpf der Bestie tauchte Ra wieder auf. Niemand sah ihn in den ersten Sekunden, und darauf hatte Ra gerechnet. Aus den Reaktionen der Zuschauer hätte der Viermäuler Ras Standort ablesen können, und Ra konnte nicht wissen, wie intelligent die Bestie war. Ra nutzte die kurze Zeitspanne, die ihm blieb, um das schärfgeschliffene Messer aus dem Gürtel zu ziehen und sich zwischen die Zähne zu klemmen. Keinen Augenblick zu früh tauchte er wieder. Einer der Köpfe hatte ihn gesehen und kam mit der Geschwindigkeit eines Geschosses näher. Als sich das mit nadelspitzen Zähnen besetzte Maul wieder schloß, hatte Ra die andere Seite des Leibes erreicht. Wieder tauchte er für kurze Zeit auf, schnappte nach Luft und griff schnell nach dem Messer. Er wußte, wo er
31 zu treffen hatte, und die Klinge bohrte sich tief in das Hinterbein des Viermäulers. Die Bestie von Tor'phylth schrife schmerzerfüllt auf, die Zuschauer übertönten den Schrei mit ihrem Applaus. Endlich hatten die Männer hinter den Kameras den Barbaren erfaßt und konnten der Menge einen genaueren Eindruck vom Ablauf des Kampfes verschaffen. Der Viermäuler sah nur eine Möglichkeit, sich des Widersachers zu erwehren, er schlug mit dem Schwanz nach dem Peiniger. Als die Stacheln heransausten, war Ra schon wieder unter Wasser, und der Viermäuler jagte sich die natürlichen Dolche in den eigenen Leib. Der Schmerz verwirrte das Tier. Aufgeregt pendelten die großen Köpfe an den langen Hälsen über dem Wasser und hielten nach Ra Ausschau. Ra merkte, daß seine Taktik erfolgreich war. Er wußte, daß er nur eine einzige Möglichkeit hatte, den mörderischen Kiefern zu entgehen. Um sich um sich selbst zu drehen, brauchte der Viermäuler viel Platz. Solange es Ra gelang, im Innenraum dieses Wendekreises zu bleiben, war er einigermaßen sicher. Der Trick bestand darin, das Tier dazu zu zwingen, sich auf einer kürzeren Strecke als der eigenen Körperlänge zu drehen. Gelang ihm das nicht, so wa Ra halbwegs sicher. Und bei einem erfolgreichen Versuch würde sich der Viermäuler selbst das Rückgrat brechen. Wieder tauchte Ra unter dem ungefügen Leib der Bestie weg, diesmal um den Bruchteil einer Sekunde zu spät. Zwar schnappten die Kiefer zusammen, ohne Ras Fleisch dazwischen zu spüren, aber die Vorwärtsbewegung des Schädels ließ den Kopf hart gegen Ras Brust prallen. Der Schlag trieb die Luft aus Ras Lungen, er schlug um sich und versuchte, auf der anderen Seite des Körpers der Bestie in die Höhe zu kommen. Diesmal hatte er nicht genügend Zeit, um in Ruhe auftauchen zu können. Wenn der Viermäuler nicht schon die Bewegungen des Mannes gespürt hatte, so wurde er spätestens von
32 dem Schrei, mit dem Ra wieder Atem schöpfte, auf den Mann aufmerksam gemacht. Fast gleichzeitig stießen zwei Köpfe auf Ra herab. Ra versuchte sich abzuducken und hieb gleichzeitig mit dem Messer um sich. Er hatte Glück, die Klinge bohrte sich in einen Hals, und unwillkürlich zuckten die beiden Hälse wieder zurück. Ra holte noch einmal Luft, dann tauchte er wieder. Bereits nach wenigen Sekunden erschien sein dunkles Haar wieder über dem Wasserspiegel. Der Viermäuler hatte sich auf Ras Taktik eingestellt, das war nicht zu übersehen. Alle vier Köpfe lauerten zustoßbereit auf einer Seite des Körpers, warteten auf das Opfer und pendelten leise. Ra hatte damit gerechnet und war an der gleichen Stelle wieder aufgetaucht, an der er auch getaucht war. Die kurze Zeitspanne, die Ra blieb, nützte er zu einem wuchtigen Hieb mit dem Messer aus. Die scharfe Klinge durchtrennte ohne Mühe den schlanken Hals des Viermäulers, ein Blutstrahl spritzte hervor, und der abgetrennte Kopf versank schnappend im aufgewühlten Wasser. Enttäuscht mußte Ra feststellen, daß der Organismus des Viermäulers auf solche Verletzungen eingestellt war. Wenige Sekunden nach dem Abtrennen des Kopfes schloß sich die große Schlagader, die vom Körper zu dem Kopf geführt hatte. Vermutlich würde das Tier nur wenige Stunden brauchen, bis sich die Wunde vollständig geschlossen hatte. In einem Monat spätestens würde die Bestie wieder über vier gierig zuschnappende Mäuler verfügen. »Verdammt!« knurrte Ra. »Wie ist diesem Biest beizukommen?« Wieder tauchte er, und als er auftauchte, lähmte er mit einem raschen Schnitt das zweite Hinterbein des Viermäulers. Jetzt war das Tier in seiner Bewegungsfreiheit erheblich eingeschränkt, ungefährlich war es aber noch lange nicht, das bewies der Schwanz, dessen Dornen Ra nur knapp verfehlten. Jetzt hatte Ra eine ziemlich gute Position erreicht. Er hielt sich an den gelähmten Hin-
Peter Terrid terbeinen fest und hielt den Kopf dicht an der Wasseroberfläche. Die nach hinten gestreckten Hälse des Tieres reichten nicht ganz bis an Ra heran, und der lange Schwanz war nicht beweglich genug, um Ra erreichen zu können. Das Publikum war von dem Kampf begeistert. Sitzkissen flogen auf das Wasser, aber Ra konnte sich ausrechnen, daß er diese Begeisterung nicht mehr lange würde auslösen können. An einem Remis waren die Zuschauer nicht interessiert. Entweder starb der Viermäuler, oder aber Ra mußte sein Leben verlieren – wenn er nicht bald den Kampf zu seinen Gunsten beendete, würden die Arenawachen auftreten und dafür sorgen, daß der Kampf spannender wurde. Ra brachte mit einer kraftvollen Beinschere den Oberkörper in die Höhe und legte sich flach auf den Rücken des Tieres. Sofort wurde er von den verbliebenen drei Köpfen angegriffen. Einen der Köpfe konnte Ra an einem Auge verwunden, bevor er wieder ins Wasser zurückglitt. Langsam wurde Ra müde, der Kampf forderte viel Kraft und sehr viel Luft. Ras Atem ging stoßweise, er spürte das Hämmern seines Herzens. Noch während der Mann an einer neuen Taktik in Gedanken arbeitete, änderte sich die Szenerie. Aus allen drei Köpfen schrie der Viermäuler, sein Körper begann unkontrolliert zu zucken. »Endlich!« stöhnte Ra auf. »Es hat lange genug gedauert!« Er wußte genau, warum die Bestie zu toben begann und ihn völlig vergessen hatte. Die Magensäfte des Viermäulers hatten das Brot, das er zu Beginn des Kampfes gierig verschlungen hatte, so sehr aufgelöst, daß die Masse den gespannten Span nicht mehr zusammenhalten konnte. Das Holz schnellte in seine ursprüngliche Form zurück und riß dabei klaffende Wunden in die Magenhäute des Viermäulers. Ra wußte, daß er den Kampf gewonnen hatte, aber er durfte natürlich nicht verraten, mit welchem Trick er die Auseinanderset-
Der Kämpfer mit der Maske zung zu seinen Gunsten entschieden hatte. Daher schwamm er schnell wieder auf den tobenden Viermäuler zu. Wild peitschten die langen Hälse das Wasser auf. Vorsichtig näherte sich Ra der Bestie, dann schwang er sich mit einem gewaltigen Ruck auf den Rücken des Viermäulers. Die Bestie wurde von den Schmerzen in ihrem Inneren derart gequält, daß sie den Mann nicht wahrzunehmen schien. Ra hatte leichtes Spiel, in weniger als einer Minute hatte er die drei restlichen Hälse durchtrennt, dann konnte er ohne allzu große Schwierigkeiten nach dem achten Rückenwirbel des Tieres suchen. Dort lag der Nervenknoten eingebettet, der bei einer Verletzung den sofortigen Tod des Tieres herbeiführte. Normalerweise wurde dieser Fleck von dem Viermäuler erbittert verteidigt, aber jetzt mußte sich Ra nur des ungezielt schlagenden Schwanzes erwehren, während er nach dem Nerv suchte. Ein Stich genügte, um den Viermäuler auf der Stelle zu töten. Noch einmal peitschte der Schwanz ins Wasser, dann erschlaffte der mächtige Körper. Ra stieß einen Triumphschrei aus, der vom tobenden Applaus des Publikums beantwortet wurde. Langsam und erschöpft ließ sich Ra von dem Körper gleiten und schwamm auf den Rand des Arenabeckens zu. Er atmete tief und ruhig, aber er war vorsichtig genug, den Kadaver nicht aus den Augen zu lassen. Ra hatte längst gelernt, daß man bei fremdartigen Lebewesen sehr vorsichtig sein mußte. Daß ihn sein Instinkt nicht getrogen hatte, zeigte sich wenige Augenblicke später. Der Körper des Viermäulers begann mit großer Schnelligkeit zu schrumpfen. Immer kleiner wurde der gewaltige Leib, und nach wenigen Augenblicken war er vollständig verschwunden. »Unmöglich!« murmelte Ra. »Das ist völlig ausgeschlossen! Ein Körper kann doch nicht einfach verschwinden!« Er überlegte fieberhaft, dann hatte er begriffen, warum bisher nur selten ein Zweikampf mit einem Viermäuler zugunsten des Mannes ausgegangen war, und dann auch
33 nur, wenn der Kampf auf trockenem Boden stattgefunden hatte. Natürlich war der Körper des Viermäulers nicht völlig verschwunden; selbst wenn er in seine chemischen Bestandteile zerfallen wäre, hätte es eine Trübung des Wassers geben müssen. Ra kam zu der Erkenntnis, daß sich der angeblich tote Viermäuler verwandelt hatte. Am Ende dieser Metamorphose mußte ein Wesen stehen, das so konstruiert war, daß sein Körper im klaren Wasser nicht zu erkennen war. Nervös begann Ra nach dem Endprodukt der Verwandlung Ausschau zu halten. Vollständig lichtdurchlässig konnte der Körper des neuen Wesen nicht sein, dann hätte er völlig aus Wasser bestehen müssen. Aber wahrscheinlich lagen die Lichtbrechungsindizes so nahe beieinander, daß man den Körper nur mit hochwertigen Meßinstrumenten wahrgenommen hätte. Ra spürte einen leisen Anflug von Angst; gegen einen nahezu unsichtbaren Gegner ankämpfen zu müssen, war eine beinahe unlösbare Aufgabe. Dann kam Ra ein Gedanke, eine Wahnsinnsidee, aber vielleicht die einzige Möglichkeit, das Problem zu lösen.
* Erregt sprang Orbanaschol von seinem Sitz auf. »Was macht der Barbar da?« rief er, »Will er sich drücken?« »Ich glaube nicht, daß er feige ist!« erklärte sein Nachbar. »Der Mann ist geschickt und wagemutig!« Auf den großen Projektionsflachen war deutlich zu sehen, wie Ra mit dem Messer seine Handgelenke bearbeitete. Blut strömte in das Wasser.
* Ra wußte, daß er jetzt gegen die Zeit kämpfte. Zwar hatte er nur eine der dicht unter der Haut gelegenen Venen angestochen, aber dennoch würde er ziemlich viel Blut
34 verlieren. Die Verletzung war schmerzhaft, und Ra preßte die Kiefer zusammen, um nicht aufzustöhnen. Immerhin zeichnete sich sehr schnell ab, daß sein verzweifelter Trick funktionierte. Das Wasser rings um Ra verfärbte sich. Wenn der geheimnisvolle Körper einen Angriff versuchte, würde er sichtbar sein. Langsam zog sich Ra zurück, in Richtung des Tores, durch das man ihn einlassen würde, wenn dieser Kampf beendet war. Auf einer Plattform über der Öffnung standen mehrere Männer. Ra erkannte Efrem und den Trainer, daneben einige Männer, deren Abzeichen bewiesen, daß sie als Rettungsmannschaft vorgesehen waren. Man würde ihn also nicht einfach verbluten lassen. Ra seufzte erleichtert auf, als er das Tor erreicht hatte, obwohl er wußte, daß man ihn einstweilen nicht hereinlassen würde. Erst mußte der Gegner besiegt werden, der aus der Metamorphose des Viermäulers hervorgegangen war. Ra brauchte nicht lange zu warten. Plötzlich tauchte im blutgefärbten Wasser um ihn ein Körper auf. Das Tier war armdick, sehr lang und nur dort zu sehen, wo sich sein transparenter Körper vom blutigen Wasser unterschied. Sofort hackte Ra mit dem Messer nach dem Gegner. Ein heftiger Schmerz zuckte durch das unverletzte Handgelenk, als die Klinge an der zähen Haut abprallte. »Dürft ihr das Wasser so weit ablassen, daß ich stehen kann?« rief Ra in die Höhe. Carox' Stimme antwortete ihm: »Das wurde bereits eingeleitet, Ra. Bald wirst du Boden spüren können!« Ra atmete erleichtert auf, aber er spürte auch, daß ihm nicht mehr viel Zeit blieb. In stetem Strom floß das Blut aus der verletzten Vene, es war nur eine Frage der Zeit, bis Ra das Bewußtsein verlieren würde. Vielleicht würde man ihm helfen, aber bis das Publikum entschieden hatte, ob er tapfer genug gekämpft hatte, um verschont zu werden, konnte er bereits ertrunken oder von dem Glaswurm erdrosselt sein.
Peter Terrid Ra spürte den glatten Körper des Wurmes an seinem Bein, das er schnell zurückzog. Er konnte sehen, daß der Wasserspiegel konstant sank, und wenig später fühlte er den festen Sand unter seinen Füßen. In diesem Augenblick griff der Barbar zu. Mit beiden Händen packte er den Leib des Glaswurms, von dem er nicht wußte, wie lang er war. Mit aller Kraft zerrte Ra das Tier in die Höhe, aber im gleichen Augenblick, in dem ein Teil des Körpers über die Wasseroberfläche geriet, schien sich das Gewicht des Wurmes verdoppelt zu haben. Ra stöhnte vor Anstrengung, aber er ruckte und zerrte weiter. Sobald der Körper des Wurmes mit der Luft in Berührung kam, wurde er hart und sichtbar. Wasser wurde aufgewühlt, als sich der Wurm dagegen wehrte, aber Ra hatte jetzt einen festen Stand und kämpfte entschlossen weiter. Sein Atem ging immer schneller, der Blutverlust machte sich zusehends deutlicher bemerkbar. Stück für Stück brachte Ra das Tier an die Oberfläche, im stillen hoffend, daß er in der richtigen Richtung arbeitete. Wenn er als erstes das Ende des Wurmes zum Vorschein brachte, blieb ihm wahrscheinlich keine Zeit und vor allem keine Kraft mehr, nach dem Kopf des Tieres zu suchen. Ra stieß einen triumphierenden Schrei aus, als er spürte, daß der Körper des Tieres erstarrte. Ra hatte den Kopf des Glaswurms erreicht, der sich nur durch zwei kaum erkennbare Fühler und eine Speiseöffnung vom restlichen Körper unterschied. Ra sah noch, wie auf die rote Fläche des Wassers ein Regen bunter Sitzkissen niederging, dann verschwand die Welt vor seinen Augen. Den Schrei, den die Menge ausstieß, als er langsam versank, nahm er nicht mehr wahr.
6. »Lebt der Barbar noch?« wollte der Imperator wissen.
Der Kämpfer mit der Maske Wenn Orbanaschol sich erregte, wurde seine Stimme besonders unangenehm, aber niemand in seiner Nähe wagte es, auch nur eine Miene zu verziehen. »Er lebt noch, Eure Erhabenheit!« wurde ihm gemeldet. »Der Blutverlust wird zur Zeit durch eine Transfusion behoben. In einer Stunde wird der Mann wieder an den Kämpfen teilnehmen können!« »Sehr gut!« lobte Orbanaschol. »Ich bin gespannt auf die nächsten Kämpfe!« Um die Loge des Imperators flammte der Schutzschirm auf, stark genug, um selbst dem Beschuß eines Kreuzers standhalten zu können. Erst nach dem Aufbau der Energieglocke wurden die Kampfrobots in die Arena gelassen, um die Reste des Glaswurms zu vernichten. Nach wenigen Augenblicken war das Tier verdampft, zurück blieb eine rotglühende Fläche kochenden Sandes. Bald würde sie wieder erkalten und spiegelglatt werden, eine heimtückische Falle für jeden weiteren Kämpfer, der dumm genug war, sich von seinem Gegner auf diesen Fleck locken zu lassen. Auf Befehl des Imperators wurde, sobald der geschmolzene Sand halbwegs ausgekühlt war, frischer Sand über die Stelle gestreut. »Solche Scherze steigern die Spannung!« meinte Orbanaschol grinsend. »Der Humor Eurer Erhabenheit ist das Entzücken der Galaxis!« erklärte einer seiner Begleiter; es war der Versorgungsmeister Grothmyn, der sich mit solchen Reden bei Orbanaschol einschmeicheln wollte. Erst als der Schutzschirm wieder abgebaut worden war, näherte sich ein Mann der Loge Orbanaschols. Er trug keine Uniform, aber der Imperator erkannte den Mann sofort und winkte ihn heran. »Sprich, Klertonh!« forderte ihn der Imperator auf. »Hat die POGIM endlich einen Erfolg zu melden?« Das Gesicht des Mannes zuckte leise, ihm war anzusehen, daß er überzeugt war, einen glanzvollen Auftritt vor sich zu haben. »Kennt Ihr einen Mann namens Sarn Lartog?« fragte der Mann.
35 Orbanaschol schüttelte nach kurzem Nachdenken den Kopf. »Was ist mit dem Mann!« »Lartog gehörte zur Besatzung der KARRETON unter Kommandant Grahn Tionte«, erklärte Klertonh. »Das Schiff ist seit geraumer Zeit überfällig!« »Meine Haare, meine Haare!« äffte Orbanaschol den Kommandanten des Schiffes nach. »Um der Galaxis willen, bringt mir mein Haarwasser! Ich nehme an, daß dieser Tionte gemeint ist. Ein unerträglicher Mensch. Rede weiter!« »Lartog wurde gefunden!« setzte Klertonh seinen Bericht fort. »Man fand ihn auf Arkon II, und er war tot! Wie er dorthin gekommen ist, konnten wir nicht herausfinden!« Orbanaschol stutzte. »Was wurde aus dem Rest der Besatzung?« fragte er. »Wie konnte der Mann durch die Kontrollen schlüpfen?« »Beide Fragen können wir einstweilen nicht beantworten!« gestand der Mann der POGIM. »Aber wir haben den Leichnam des Mannes genau untersucht. Sein Kopf ist völlig zerquetscht, man konnte ihn nur anhand seiner Kennmarke identifizieren. Und dann fanden wir noch etwas – ein Datenband! Es steckte unter einem Nagel des rechten Fußes. Auf diesem Band steht eine hochinteressante Geschichte!« Orbanaschol warf einen Seitenblick auf das Geschehen in der Arena, wo sich zwei Männer einen erbitterten Kampf mit bloßen Fäusten lieferten. Da dabei nur wenig Blut floß, konzentrierte sich der Imperator wieder auf Klertonhs Bericht. »Die Männer, die das Schiff kaperten«, erzählte der Mann gerade, »wurden von einem Mann angeführt, der sich Atlan nannte!« Kletonh machte an dieser Stelle eine dramatische Pause, und er wußte genau warum. Orbanaschol schrak zusammen, sein Blick wurde unstet. Mit hörbarer Erregung fragte er: »Sind diese Angaben sicher? Gibt es kei-
36 nen Zweifel?« »Keinen!« bestätigte Klertonh selbstsicher. »Die Unterlagen sagen einwandfrei aus, daß es sich bei dem Raumpiraten um jenen Mann handelt, der sich als Kristallprinz ausgibt!« Obwohl der Mann genau wußte, daß es den Kristallprinzen gab und es sich nicht um einen Hochstapler handelte, wählte er diese Formulierung. »Wir haben bei dem Toten noch etwas gefunden«, erklärte er. »Ein präzises Hirnschwingungsdiagramm!« Orbanaschol faßte den Mann schärfer ins Auge, sein Gesicht rötete sich. Leise fragte der Imperator: »Doch nicht etwa …!« »Von Atlan!« bestätigte Klertonh triumphierend. »Offenbar wollte Lartog dieses wichtige Dokument zur nächsten POGIM-Stelle bringen, als er ermordet wurde!« »Ein Hirnschwingungsdiagramm von diesem Hochverräter!« murmelte Orbanaschol, seine Züge veränderten sich zu einem bösartigen Grinsen. »Gebt das Diagramm weiter, an alle POGIM-Stellen, jede Wacheinheit der Flotte. Endlich haben wir ein Mittel, den Verräter zu finden!« »Man wird ihn in jeder beliebigen Maske entdecken und festnehmen können!« stellte Klertonh zufrieden fest. »Eine Gefahr für das Leben Eurer Erhabenheit besteht folglich nicht mehr. Atlan wird keine Chance haben, unentdeckt in Eure Nähe gelangen zu können!« Orbanaschol III. legte sich in seinem Sitz zurück und grinste selbstzufrieden. Es war ihm anzusehen, wie sehr er sich über diese Nachricht freute. »Eine Frage noch, bevor ich Euch entlasse, Klertonh«, meinte der Imperator. »Wer hat Lartog getötet? Gibt es Hinweise auf den oder die Täter?« Klertonh zuckte mit den Schultern. »Wir haben so gut wie keine Anhaltspunkte!« gestand er. »Die Täter sind zweifelsfrei im Bekanntenkreis oder unter den Helfershelfern des falschen Kristallprinzen
Peter Terrid zu suchen. Einige Mitarbeiter wagen sogar zu behaupten, daß sich Atlan im Arkon-System aufhält!« Orbanaschol richtete sich in seinem Sitz steil auf. »Atlan im Arkon-System?« keuchte er erschrocken. »Habt Ihr die Sicherheitsmaßnahmenverstärkt?« »Selbstverständlich!« erklärte der Mann von der POGIM. »Eure Erhabenheit werden schärfstens bewacht! Euer Leben ist nicht in Gefahr!« Erleichtert sank Orbanaschol zurück. »Grothmyn!« befahl er, und Sekunden später stand der Versorgungsmeister neben seinem Herrn. »Sorgt dafür, daß dieser Mann der Bedeutung seiner Nachrichten gemäß entlohnt wird!« Zu Klertonh gewandt, fuhr er fort: »Ich danke Euch, Eure Informationen waren sehr wertvoll! Ich wünsche, daß überall nach diesem Verbrecher gefahndet wird. Ihr könnt Euch entfernen!« Klertonh salutierte, dann zog er sich zusammen mit Grothmyn zurück. Der Versorgungsmeister musterte nachdenklich den POGIM-Mann. Wie tief würde Grothmyn in die Truhen des Imperators greifen müssen, um den Mann auf seine ganz persönliche Seite ziehen zu können? Innerlich grinste der Versorgungsmeister bei dem Gedanken, daß es Orbanaschol selbst war, der ihn mit solchen Befehlen in die Lage setzte, seine privaten Interessen zu verfolgen. Vielleicht war es doch möglich, den Platz in der Nähe des Thrones mit dem darauf zu tauschen. Grothmyn hatte weitreichende Pläne, er hatte Zeit und – dank Orbanaschols gelegentlicher Großzügigkeit – auch Geld; die nötige Skrupellosigkeit besaß Grothmyn seit langem. Orbanaschol sah den beiden Männern nach; er lächelte zufrieden, dann wandte er sich wieder den Kämpfen zu. Vielleicht war es besser, überlegte er sich, Atlan nicht kurzerhand hinzurichten, sondern durch ausgesuchte Gegner in der Arena allmählich zu Tode zu schinden. Fähige Leute für diesen
Der Kämpfer mit der Maske Zweck gab es genug; beispielsweise der geheimnisvolle Maskenträger, der in diesem Augenblick seinen dritten Kampf bestritt.
* Es war nicht das erste Mal, daß Ra ziemlich viel Blut verloren hatte, aber bisher hatte er sich noch nie so schnell davon erholt. Man hatte ihm Blut transfusioniert, dann die Wunden mit einem heilaktiven Plasmafilm besprüht. Nach erstaunlich kurzer Zeit fühlte der Barbar sich frisch und ausgeruht, bereit, sofort wieder in die Arena zu gehen. Er stand neben einigen anderen Kämpfern am Rande des Kampfplatzes und verfolgte den Kampf des Maskierten mit einem zweiten Mann. Der Gegner war mit einem Wurfseil und einer schweren Keule bewaffnet, der Maskierte benutzte einen langen, biegsamen Degen. »Seine Haltung ist nicht schlecht!« kommentierte Carox den Kampf. »Ich habe allerdings Zweifel, ob sein Handgelenk lange so geschmeidig bleiben wird.« Der Mann mit der Keule verfügte zweifellos über beträchtliche Erfahrung im Arenakampf, er war schnell und wendig, und die Ausbildung seiner Muskeln ließ vermuten, daß er nur einen einzigen Hieb gebraucht hätte, um seinem Widersacher den Schädel zu zertrümmern – so wie er es im ersten Kampf mit einem defekten Kampf robot gemacht hatte. Der Maskierte versuchte, seine körperliche Unterlegenheit durch Raffinesse und Einfallsreichtum wettzumachen. Immer wieder blitzte die Klinge seines Degens im Licht der Sonne, aber der Keulenträger vermochte den Attacken jedesmal knapp zu entgehen. Einzig Ra erkannte, daß der Maskierte mit seinem Gegner spielte, daß der Mann mit der Keule nicht die geringste Aussicht hatte, den Kampf zu gewinnen. Offenbar wollte der Maskierte Eindruck schinden, einen spannenden Kampf vortäuschen, um das Publikum bei Laune zu halten. Überdies mußte er befürchten, daß man ihm fast un-
37 lösbare Aufgaben servierte, wenn er seine Gegner zu schnell und leicht besiegte. Einem Nahkampf wich der Maskierte geschmeidig aus, dann aber beging er den Fehler, sich zu weit von dem Keulenträger zu entfernen. Nur Sekunden vergingen, bis der Mann sein Seil geschwungen und nach dem Maskierten geworfen hatte. Am vorderen Ende des Seiles waren drei Kugeln befestigt, die sich um die Beine des Gegners bewegen und ihn zu Boden reißen sollten. Begleitet von einem Aufschrei des Publikums kam der Maskierte tatsächlich zu Fall, aber er sprang blitzschnell wieder auf die Füße, packte das Seil und zog daran. Er wußte, warum er bei seinem Degenhieben stets den Kopf des Keulenträgers verfehlt hatte; statt dessen hatte er, ohne daß das Publikum es wahrgenommen hatte, das über die Schulter gelegte Seil des Keulenträgers getroffen. Das Seil war ausgefranst, und als der Keulenträger sich gegen den Zug stemmte, riß es. Ra grinste anerkennend. Schnell befreite sich der Maskierte, und wenig später war er damit beschäftigt, das Seil nach dem Keulenträger zu werfen. Danach dauerte der Kampf nur noch kurze Zeit. Der Mann mit der Keule stürzte, und Sekundenbruchteile später fühlte er die Spitze des Degens an seinem Hals. Dem Publikum hatte der Kampf gefallen; es schonte das Leben des Keulenträgers. Hinkend schritt der Besiegte an Ra vorbei, dahinter folgte der Maskierte. Ra erkannte, daß dieser Kampf den Mann angestrengt hatte. Völlig unbesiegbar war er mit Sicherheit nicht, aber er war ausdauernd und zäh. Ein hervorragender Kämpfer, das mußte auch Ra zugeben. Langsam zeichnete sich ab, wie der Rest des Turniers verlaufen sollte. Offenbar war geplant, als Höhepunkt einen Endkampf mit dem Maskierten zu liefern. Fraglich war nur, wer der Gegner des Mannes sein würde. Unübersehbar für die Kämpfer war, daß die Veranstalter für den Maskierten nur noch vergleichsweise leichte Gegner auswählten, damit der Geheimnisvolle in jedem Fall den
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Endkampf erreichte. »Das wird höllisch schwer!« murmelte Efrem in Ras Ohr. »Wer im Endkampf sein Gegner ist, muß ihn unbedingt besiegen und ihm die Maske abnehmen. Das Publikum wird niemals zulassen, daß er mit der Maske den Platz verläßt; der Besiegte hat keine Gnade zu erwarten!« »Auch dieser Mann ist zu schlagen!« keuchte Ra. Der Kampf gegen eine Raubkatze war anstrengend und gefährlich gewesen, aber Ra hatte schließlich gesiegt, ohne bei der Auseinandersetzung verletzt worden zu sein. Das Publikum wurde leiser, um hören zu können, wie die nächsten Paarungen aussahen. Der Maskierte hatte ein Gefecht mit Strahlwaffen auszutragen. Allerdings waren die Thermostrahler so eingestellt, daß sie bei Treffern nur leichte Verbrennungen hervorriefen, die nicht unmittelbar tödlich waren. Der Maskierte mußte zwei Treffer einstecken, bis er es geschafft hatte, den Strahler so zu beschädigen, wie er es wollte. Fassungsloses Entsetzen malte sich auf dem Gesicht seines Gegners ab, als dieser sah, daß der Maskierte ihm die Waffe unmittelbar vor die Füße warf. Bevor der Mann zur Seite springen konnte, detonierte das Magazin der Waffe und riß den Mann von den Beinen; schwerverletzt wurde der Mann aus der Arena getragen. »Ein Satan!« flüsterte Efrem. »Dieser Mann kommt geradewegs aus der Hölle! Es wird besser für dich sein, wenn du dir eine ehrenhafte Niederlage einhandelst. Die Maske wird dich töten, glaube mir!« Ra schüttelte den Kopf, mehr konnte er nicht sagen, da er auf den Kampfplatz gerufen wurde. Der Lautsprecher gab seinen Gegner bekannt. Ra erstarrte förmlich; sein nächster Gegner war eine Frau.
* Ra hatte mit einem Gegner gerechnet, der nur bei näherer Untersuchung als Frau zu erkennen war, aber er sah sich mit einer Über-
raschung konfrontiert, die größer kaum denkbar war. Eine kleine, fast zierliche Gestalt näherte sich dem Mittelpunkt der Arena. Langes, weißes Haar wehte im Wind, und das Gesicht der Frau war von der Sonne mit einem satten Bronzeton versehen worden. Ra schluckte nervös. Natürlich war diese Frau nicht Ischtar, die Ähnlichkeit beschränkte sich auf wenige Äußerlichkeiten, aber sie reichte aus, um Ra unsicher zu machen. Ra war in einer Kultur großgeworden, in der den Männern die herrschende Rolle zugefallen war. Einer Frau, die ihm die Kehle durchschneiden wollte, war Ra noch nicht begegnet. Ra hatte die Frau nicht kämpfen gesehen, bei ihren Auftritten hatte er sich jeweils von seinem Kampf ausgeruht. Aber Ra konnte sich ausrechnen, daß er keinen leichten Stand haben würde. Der Sieger aus diesem Treffen würde gegen den Maskenträger antreten müssen; so dicht vor dem Finale trafen normalerweise keine Anfänger mehr aufeinander. Langsam kam die Frau näher. Sie trug ein eng anliegendes Gewand aus geschmeidigem Leder, das ihre Figur betonte. Ra begann sich zu fragen, was ein so attraktives Weib ausgerechnet auf dem blutgetränkten Boden dieser Arena zu suchen hatte. Daß er die junge Frau nicht unterschätzen durfte, merkte Ra Sekunden später. Im letzten Augenblick konnte er dem fast ansatzlos geschleuderten Messer ausweichen und sich zur Seite werfen. Die Klinge aus Arkonstahl pfiff an seinem Ohr vorbei und blieb zitternd im Gebälk am Rand der Arena stecken. »Ischtar, hilf!« murmelte Ra verzweifelt. In seinem Gürtel steckte ebenfalls eine stattliche Sammlung hervorragend ausbalancierter Wurfmesser, aber Ra scheute sich, diese Waffe sofort einzusetzen. Die Frau zeigte weit weniger Hemmungen; wieder machte Ra einen Satz, um nicht getroffen zu werden, und in dem Augenblick, in dem sein Bein den Boden wieder berührte, warf er sich noch einmal nach vorne. Dieser Sprung war seine Rettung, denn das nächste Ge-
Der Kämpfer mit der Maske schoß der Frau bohrte sich genau dort in den Sand, wo Ras erster Sprung geendet hatte. Ra begann zu begreifen, daß diese Frau eine zu allem entschlossene, eiskalte Kämpferin war, die ihre Chancen rücksichtslos nutzte. Sie würde keine Sekunde zögern, ihm eines der Messer in den Körper zu jagen. Ra wich zurück, bis er hinter sich die Umrandung der Arena spürte. Er nahm eines der Messer zur Hand und spielte mit der Klinge. Auch die Frau wich einen Schritt zurück. Endlos lang schienen die Sekunden zu sein, die Ra brauchte, um das erste von der Frau geworfene Messer zu erreichen. Er wußte, was er riskierte, als er die Klinge aus dem Holz zog. Regungslos blieb er für einen Herzschlag stehen. Die Frau hatte mit einem Ausweichmanöver gerechnet, daher verfehlte auch dieser Wurf den Körper des Barbaren. Rasch nahm Ra auch dieses Messer an sich. Ohne sich umzusehen, warf er die beiden Messer der Frau über die Schulter hinweg; er war sicher, daß man sie auf der anderen Seite der Umgrenzung auf fangen würde. Jeder der beiden Gegner war mit zehn solchen Wurfmessern ausgestattet; vier ihrer Geschosse hatte die Frau verwendet, davon waren zwei für den Rest des Kampfes verschwunden. Zwei weitere Messer steckten im Sand; Ra hatte noch nicht geworfen, rein rechnerisch war er im Vorteil. Es war beängstigend still in der großen Arena, die Besucher starrten gefesselt vor Spannung auf das Geschehen auf dem Kampfplatz. Ra zögerte nur eine Sekunde, dann begann er zu laufen. Mit weiten Sprüngen eilte er über den sandigen Boden, und sofort holte die Frau zum Wurf aus. Sie zielte genau, dann schleuderte sie mit aller Kraft die gefährliche Waffe nach Ra. Der Barbar sah die Bewegung aus den Augenwinkeln heraus und ließ sich mitten im Lauf zur Seite fallen; er schlug hart auf und rollte ab. Im Eifer des Gefechtes hatte er vergessen, daß Orbanaschols Roboter diesen
39 Fleck zu einer spiegelglatten Fläche zusammengeschmolzen hatten. Ra ruderte mit den Armen und Beinen, aber er konnte seine Rutschbewegung nicht stoppen. Ein Messer prallte eine Handbreit neben seinem rechten Arm auf den Boden, eine Funkenkaskade sprühte auf, und Ra fühlte, wie ihm die Klinge den Arm aufriß. Tief war die Wunde nicht, auch nicht sehr schmerzhaft, aber sie würde Ra beim Zielen empfindlich behindern. Endlich stoppte die unfreiwillige Bewegung. Ra überschlug sich noch einmal, kam auf die Füße und warf sich sofort wieder vorwärts. Die Frau rannte auf ihn zu, und noch im Laufen schleuderte sie das nächste Messer nach ihm. Ra sah in ihrem verzerrten Gesicht, daß sie zu verzweifeln begann. Sie hatte noch zwei Messer zur Verfügung und mit acht anderen Messern nicht mehr erreicht als eine harmlose Fleischwunde. Zudem bewegte sich der Barbar so, daß er zwischen ihr und den von ihr verworfenen Messern stand. Ra grinste zufrieden. Er blutete nun aus zwei Wunden, denn das letzte Messer der Frau hatte ihn am Bein gestreift. Sein Plan war vollständig aufgegangen, die Frau war nun waffenlos. Unwillkürlich drehte sich Ra um; er wollte feststellen, wo das letzte Messer eingeschlagen war. Hinter ihm gab es eine kleine Öffnung in der Umrandung, sie wurde vom Wartungsmeister benutzt, der feststellen mußte, wie weit die Kämpfe gediehen waren. Das Messer der Frau steckte in der Brust des Mannes, der fast zeitlupenhaft langsam zur Seite kippte. Was er im Fallen berührt hatte, konnte Ra nicht sehen, aber der Aufschrei des Publikums zeigte ihm, daß etwas Unvorhergesehenes eingetreten war. Ra drehte sich auf dem Absatz herum. In der gegenüberliegenden Arenawand klaffte eine metergroße Öffnung, aus der sich langsam vier Körper in die Arena schoben. »Springlöwen!« stöhnte Ra auf. Eine der Bestien war als Gegner schon le-
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bensgefährlich, noch nie hatte man zwei der Tiere zusammen auf einen Mann gehetzt. Ra winkte der Frau zu, die mitweißem Gesicht mitten in der Arena stand. »Hierher!« rief Ra. »Ich werde dir helfen!« Die Tiere schoben sich langsam vorwärts und gerieten in den Bereich, der von den großen Scheinwerfern ausgeleuchtet wurde. Die Dämmerung war über der Zeltstadt angebrochen; noch vor Mitternacht sollten die Kämpfe ein Ende finden. Es sah so aus, als sollte der Maskierte seine Trophäe ohne Kampf gewinnen können.
* »Kein Eingreifen!« schrie Orbanaschol. »Laßt die beiden mit den Bestien allein!« Der Zeremonienmeister katzbuckelte, dann gab er den Befehl des Imperators an die Männer hinter den Bedienungsautomatiken weiter. Es wäre leicht gewesen, die Bestien mit Traktorstrahlen wieder einzufangen und den beiden bedrängten Kämpfern zu helfen, aber der Wille des Imperators verhinderte eine solche Hilfe. Die Lautsprecher gaben den Befehl Orbanaschols an das Publikum weiter. Der Imperator machte ein verdrießliches Gesicht, als unter den Zuschauern plötzlich eine beklemmende Stille entstand. Es war nicht zu übersehen, man war mit diesem Befehl überhaupt nicht einverstanden, aber die Menge wagte auch nicht, ihren Unmut laut zu äußern. So lag über der Arena eine Stille, die an den Nerven zerrte, besonders an denen des Imperators, dem die Bedeutung dieses Schweigens nicht verborgen geblieben war. Der Vorfall wäre in einigen Stunden vergessen gewesen, hätte Orbanaschol seine Anordnung schnell zurückgenommen, aber es entsprach dem Charakter dieses Mannes, Härte und Entschlußkraft gerade da zu zeigen, wo sie unangebracht waren. Mißmutig sah sich Orbanaschol um, aber keiner seiner Begleiter achtete auf ihn. Alle Personen in der Loge des Imperators starrten
wie gebannt in die Arena.
* Ra warf der Frau eines seiner Messer zu; geschickt fing die junge Frau die Waffe auf. Sie lächelte Ra zu. »Jetzt kannst du wirklich zeigen, wie gut du zu werfen verstehst!« knurrte Ra. Besorgt betrachtete er die Gegner. Springlöwen waren an den gewaltig ausgebildeten Hinterbeinen sofort zu erkennen. Die vorderen Extremitäten waren weit weniger gut ausgebildet. Die großen Muskeln der Hinterbeine ließen das Tier Sätze machen, denen kein Mensch folgen konnte. Zwanzig Meter Weite und mehr waren keine Seltenheit, und in der Höhe erreichten Springlöwen bis zu acht Meter. Springend bewegten sich die Tiere auch rückwärts, mit der Geschwindigkeit eines Gleiters. Ein langer, muskulöser Schwanz diente den Springlöwen, die meist auf den Hinterbeinen ruhten, als Stütze und Stabilisator im Flug. »Wir müssen uns an die Wand drücken!« murmelte die Frau. »Das ist unsere einzige Chance!« Das von schwärzlich gefärbten Zähnen starrende Maul eines Springlöwen ging weit über die Reichweite der kleinen Vorderbeine hinaus. Daher war es für die Tiere nicht so einfach, an ihre Gegner heranzuschleichen. Kamen sie langsam näher, konnte die Beute leicht fliehen; versuchten die Springlöwen einen Angriff mit weiten Sätzen, wie sie ihn in freier Wildbahn vortrugen, dann liefen sie Gefahr, sich an der Umrandung die Schädel einzuschlagen. Durch die Arena klang das Fauchen der Tiere, sonst war nichts zu hören. Leise scharrten die Tiere im Sand, beäugten ihre Beute, während sich Ra und die Frau langsam am Rand der Arena entlang bewegten. »Wir sollten uns trennen!« murmelte Ra. »Vielleicht haben wir dann bessere Chancen!« Er griff in den Gürtel, holte vier Messer
Der Kämpfer mit der Maske heraus und gab sie an die Frau weiter. Sie lächelte ihm dankbar zu, dann entfernte sie sich. Die Springlöwen waren hungrig, aber sie ließen sich Zeit. Sie schienen zu wissen, daß die Beute ihnen nicht entkommen konnte. Die Springlöwen trennten sich, zwei folgten Ra, die anderen beiden rückten langsam der Frau näher. Endlich sah der Barbar eine Möglichkeit zum Angriff. Er zielte sorgfältig und gut, dann warf er das erste Messer einem der Angreifer entgegen. Der Wurf traf präzise ins Ziel. Das Tier brüllte schmerzerfüllt auf und kippte schnell zur Seite. Ra wußte, daß er von vorne niemals an das Herz eines Springlöwen herankommen konnte. Dafür waren die Klingen der Messer zu kurz. Statt dessen hatte er auf den Schwanz gezielt und auch getroffen. Einer der Springlöwen hatte ein großes Stück seines Schwanzes, eingebüßt, und ohne dieses Stück vermochte er sich nicht auf den Beinen zu halten. Nur mühsam gelang es dem verwundeten Tier, sich aufzurichten, aber immer wieder knickten die schwachen Vorderbeine unter dem Gewicht des massigen Körpers zusammen. »Nummer eins!« knurrte Ra zufrieden. Auf den Rängen blieb es weiterhin still; die Zuschauer wußten, daß die Gefahr noch lange nicht ausgestanden war. Wenige Augenblicke später brüllte ein zweiter Löwe schmerzerfüllt auf; die junge Frau hatte Ras Taktik nachgeahmt. Minuten vergingen, dann waren drei der vier Springlöwen nahezu kampfunfähig. Jetzt konnte es Ra wagen, die Deckung durch die Arenaumrandung zu verlassen. Er bewegte sich langsam auf einen der Springlöwen zu, der immer wieder versuchte, sich vorwärts zu bewegen. Das Tier fand keine Möglichkeit, sich dagegen zu wehren, daß Ra sich in seinen Rücken schlich; wenige Augenblicke später knickten die Beine des Tieres vollends weg. Ras Messer hatte das Herz des Springlöwen getroffen. Die verwundeten Tiere schienen zu be-
41 greifen, was ihnen bevorstand; wild schlugen sie um sich, aber Ra ließ sich nicht abschrecken. Nacheinander tötete er die beiden anderen verletzten Tiere. Er hockte noch auf dem Rücken des dritten Springlöwen, als er von einem plötzlichen Aufschrei der Menge überrascht wurde. Ra fuhr herum. Die junge Frau war für einen winzigen Augenblick unaufmerksam gewesen, und sofort war der unverletzte vierte Springlöwe über sie hergefallen. Ra sah das schmutzigbraune Fell des Tieres, darunter den glänzenden Lack des Lederanzugs, den die Frau trug. Ohne sich zu besinnen, rannte Ra los, schwang sich in den Nacken des Löwen und stieß mit aller Kraft zu. Das Tier brüllte, peitschte mit dem Schwanz. Ra wurde getroffen und heruntergeworfen. Eine Hinterpranke streckte sich nach ihm aus, aber dann überlief den Körper des Tieres ein Zittern. Noch einmal zuckte der Schwanz, dann kippte der Springlöwe tot zur Seite. Ra kümmerte sich um die Frau; sie hatte zwei Rippen gebrochen und war bewußtlos. Sie würde am Endkampf nicht teilnehmen können. Aber es stand nun fest, wer der Gegner des Maskierten sein würde. Das Publikum jubelte dem Barbaren zu; der Unmut über die Entscheidung des Imperators war in Vergessenheit geraten. Orbanaschol räkelte sich in seinem Sitz und lächelte zufrieden. Er freute sich auf den Endkampf, der nach einer kurzen Pause beginnen würde. In der Arena wurden derweilen die Tierkadaver aufgelesen und fortgeschafft, auch die Wurfmesser wurden eingesammelt. Orbanaschol winkte seinen Zeremonienmeister heran und flüsterte dem Mann etwas ins Ohr. Der Mann beeilte sich, den Befehl seines Herren weiterzuleiten.
7. Immo Kalee machte ein sorgenvolles Gesicht, während Alpertur sich die Hände rieb. Der Zaliter hatte trotz seines beträchtlichen
42 Geizes erhebliche Summen auf Ra verwettet und rechnete sich nun seinen Gewinn aus. Wenn der Barbar es tatsächlich schaffte, auch den letzten Kampf siegreich zu überstehen, hatte der Zaliter sein Vermögen um einen nicht unerheblichen Teil vermehrt. »Prachtvoll!« freute er sich. »Einfach prachtvoll, dieser Barbar. Willst du ihn mir nicht verkaufen?« Immo Kalee schüttelte unwillig mit dem Kopf. Mehr als einmal in den letzten Stunden hatte er vermutlich mehr Angst ausgestanden als sein Freund unten in der Arena. Immo Kalee wußte, was Ra konnte, aber er war sich auch klar darüber, daß der Barbar sehr viel Glück gebraucht hatte, um sein Leben zu verteidigen. »Seine Erhabenheit, Imperator Orbanaschol III. haben befohlen«, meldete der Lautsprecher. »Angesichts der herausragenden Tapferkeit beider Kontrahenten wird der letzte Kampf nach den Regeln des Haag'thar geführt!« Während das Publikum diese Nachricht mit begeistertem Beifall begrüßte, sah Immo Kalee fragend den Zaliter an. »Was hat das zu bedeuten?« fragte er. »Etwas Schlimmes?« Alpertur schüttelte wütend den Kopf. »Für mich vielleicht!« knurrte er. »Für deinen Barbaren nicht. Das Haag'thar schreibt vor, daß die Kämpfer sich nicht töten müssen. Der Sieger hat den todbringenden Schlag oder Stich nur anzudeuten, mehr nicht. Falls er im Verlauf des Kampfes seinen Widersacher doch töten sollte, darf es nur unabsichtlich geschehen!« »Dann könnte man den ganzen Kampf gleich ausfallen lassen!« meinte Immo Kalee. »Kämpfen müssen die beiden Männer«, erklärte Alpertur. »Wenn Ra so dumm ist, seinem Gegner genau in die Klinge zu springen, hat er Pech gehabt. Aber ein solcher Kampf hat noch andere Finessen. Du wirst sie bald zu sehen bekommen!« Immo Kalee atmete erleichtert auf; er hatte den Maskierten eingehend studiert, und er
Peter Terrid war sich nicht sicher, ob Ra auch diesen Gegner würde bezwingen können.
* Carox drückte Ra das Schwert in die Hand. Der Griff lag gut in der Hand, die Klinge war lang und schmal, beide Schneiden waren frisch geschärft. »Eine gute Waffe!« stellte Carox fest. »Ich wünsche dir viel Glück!« »Du wirst es brauchen!« warf Efrem ein. »Dieser Kampf hat seine ganz besonderen Tücken!« »Welche?« fragte Ra knapp; er war froh, daß keiner bemerkt hatte, daß er in seinem Gürtel noch ein Wurfmesser trug. Efrem deutete auf die Umrandung der Arena. Zahlreiche kleine Öffnungen waren zu erkennen, dahinter glänzte es metallisch. »Hinter jeder dieser Öffnungen versteckt sich eine Teufelei!« erklärte Efrem. »Entweder ein Paralysator oder ein schwach eingestellter Thermostrahler, vielleicht ein Projektor für Traktorstrahlen, ein Hypnostrahler oder eine Waffe, die dir irgendwelche Medikamente in die Blutbahn schießt. Jede dieser Waffen wird von einer Positronik geschwenkt und abgefeuert!« Ra schluckte. »Hat je ein Kämpfer die Arena wieder verlassen?« erkundigte er sich vorsichtig. Efrem zeigte ein beruhigendes Lächeln. »Alle diese Waffen«, setzte er seinen Bericht fort, »werden von einem Zufallszahlengenerator gespeist. Niemand kann wissen, was ihn erwartet, ob die Waffe, die auf ihn gerichtet ist, abgefeuert wird oder nicht. Eben weil dieser Kampf zu mehr als siebzig Prozent ein Glücksspiel ist, gibt es meistens keine Toten.« »Ein geschickter Zug von Orbanaschol!« knurrte Carox. »Er will dem Publikum die beiden Helden des Tages erhalten, damit sie sich noch ein paarmal gegenübertreten können, bis einer den anderen erschlägt. Heute brauchst du um dein Leben nicht zu bangen, du mußt nur aufpassen, daß du dem Mas-
Der Kämpfer mit der Maske kierten nicht in die Klinge läufst!« Ra zuckte mit den Schultern, dann schritt er langsam in die Arena. Aus der Öffnung eines anderen Tores löste sich die Gestalt des Maskenträgers. Im Licht der Scheinwerfer wirkte die Maske besonders eindrucksvoll, Ra versuchte herauszuhören, wie das Publikum eingestellt war. Es hatte den Anschein, als würde die knappe Mehrheit der Besucher auf seiner Seite stehen und ihn anfeuern. Langsam kamen sich die beiden Männer näher. Ra erkannte in der Rechten des Maskierten ein ähnliches Schwert, wie er es benutzte; am Handgelenk der Linken hing an einer unzerreißbaren Schnur eine kleine Keule, immerhin groß genug, um einen Mann damit niederschlagen zu können. Beide Männer trugen lederne Kleidung, Ra in Rot und der Maskierte in einem dunklen Blauton, dazu einen kreisförmigen Schild aus massivem Holz, auf das dicke Lagen zähen Leders aufgeklebt waren. Ein paar Dutzend Hiebe konnte ein solcher Schild auffangen, aber lange würde er keinen Schutz bieten. Den beiden Männern wurde Zeit gegeben, sich eine Zeitlang mit Blicken zu bekämpfen, da Orbanaschol die Gelegenheit nutzte, um eine sorgfältig vorbereitete Rede zu halten. Im Publikum war es still, obwohl der literarisch bewanderte Teil des Publikums schon nach den ersten Sätzen herausgefunden hatte, daß von dieser Rede kein Wort vom Imperator selbst stammte. Die Handschrift eines der führenden Rhetoriker des Imperiums war nicht zu verkennen, aber nicht einmal die glänzenden Formulierungen dieses Mannes brachten es fertig, das Publikum wirklich zu begeistern. Es war nicht zu überhören, daß der allgemeine Beifall nach dem Schluß der Rede mehr eine Pflichtübung als Ausdruck von Begeisterung war. Ein lauter Beckenschlag verkündete dem Publikum und den beiden Kämpfern den Beginn der Auseinandersetzung. Der Maskierte sprang sofort auf Ra zu. Der Barbar duckte sich und fing den
43 Schwerthieb mit dem Schild auf. Der Maskierte verfügte über enorme Körperkräfte, das spürte Ra an der Wucht, mit dem die Klinge auf den Schild traf. Ra konterte sofort, aber seine Klinge glitt an dem Schwert des Gegners ab. Funken sprühten, wenn die Klingen aufeinandertrafen, und ab und zu fetzte der Stahl Lederstücke oder Holzsplitter von den Schilden. Die beiden Männer kämpften verbissen. Sie waren ziemlich gleichwertig, und vielleicht war der Maskierte im Umgang mit dem Schwert sogar ein wenig geschickter als Ra, aber der Barbar war sich sicher, daß er den Kampf gewinnen konnte. Er besaß einen Vorteil, den der Maskierte nicht auszugleichen vermochte. Ra war in einer Kultur geboren worden und aufgewachsen, die tägliche, harte Arbeit erforderte, wenn man nur das nackte Leben bewahren wollte. Nur zum Überleben hatte Ra schon sehr früh derart hart körperlich arbeiten müssen, wie es als Trainingsleistung kein noch so fanatischer Mann freiwillig erbracht hätte. Irgendwann im Verlaufe des Kampfes würde sich dieses gnadenlose Training wider Willen bezahlt machen, dessen war sich Ra sicher. Bevor die Kondition seines Gegners aber nachließ, hatte Ra genug zu tun, sich den Maskierten vom Leibe zu halten. Es war still in der Arena. Lautsprecher übertrugen das Keuchen der Kämpfer, das Scharren der Füße und das Klirren der Schwerter, wenn sie gegeneinanderprallten. Ra machte eine Bewegung zur Seite, um einem Schlag auszuweichen, der sonst seinen Kopf getroffen hätte. In diesem Augenblick feuerten die versteckten Waffen zum ersten Mal. Etwas pfiff durch die Luft und landete knapp zwei Schritte von Ra entfernt in dem Sand der Arena. Einer der Injektionsprojektoren hatte gefeuert, aber Ra konnte nicht wissen, ob es sich bei dem Medikament um ein Aufputschmittel handelte, oder etwa um ein Präparat, das einen unerträglichen Juckreiz hervorrief. Diese Ungewißheit machte den Kampf spannend und abwechs-
44 lungsreich, zu einem Vergnügen für die Zuschauer. Der Maskierte war der erste, der von den Zahlenspielereien des Zufallszahlengenerators betroffen wurde. Der breite Fächer eines Paralysatorschusses traf ihn an der linken Hand. Zwar reichte die Strahlkraft des Schusses nicht aus, das Glied vollständig zu lähmen, aber sehr viel konnte der Getroffene mit der Hand einstweilen nicht anfangen. Allerdings würde die Wirkung in einigen Minuten wieder abklingen. Ra wollte die Chance nutzen, er machte einen Satz auf den Maskierten zu und holte zum Schlag aus. Die Klinge sollte das Handgelenk des Waffenarmes treffen, das bei beiden Kämpfern durch stählerne Armschienen geschützt wurde. Hätte der Schlag getroffen, hätte der Maskierte wahrscheinlich seine Waffe eingebüßt. Ra schrie schmerzerfüllt auf und prallte zurück. Ein Thermostrahl hatte ihn voll an der Brust getroffen. Die Haut rötete sich blitzschnell, während Ra rasch zur Seite sprang. Er stöhnte vor Wut und Schmerz. Jetzt hatte er eine entscheidende Schlappe erlitten. Ra wußte, daß in kurzer Zeit sein Brustkorb mit Brandblasen bedeckt sein würde. Keine der versteckten Waffen konnte tödlich wirken, aber oft reichte ein einziger Treffer aus, um den Kampf zu entscheiden. Der Maskierte sah,daß sein Gegner blessiert war, und er versuchte, dem Kampf jetzt ein schnelles Ende zu bereiten. Zwar hing der Schildarm schlaff herab, aber der Mann hob das Schwert zum Schlag und drang auf Ra ein. Der Barbar wehrte den ersten Hieb ab, aber er hatte nicht die Kraft, die Blöße zu nutzen, die sich der Maskierte gab. Er konnte nur dem Mann seinen Schild vor die Brust stoßen und ihn abdrängen. Der Zufallszahlengenerator hatte noch andere Überraschungen für die beiden Gegner bereit. Während sich die Männer in beträchtlichem Abstand gegenseitig umkreisten, füllte sich die Arena wieder mit Wasser. Teils strömte das Wasser aus großen Röhren auf
Peter Terrid den Sand, zum Teil wurde es aber auch durch den feinkörnigen Sand nach oben gedrückt. Ra wußte, was das bedeutete – so entstanden Treibsandgebiete. Wer in ein solches Feld geriet, hatte den Kampf verloren – aus eigener Kraft würde er sich nicht befreien können. Minuten vergingen, in denen sich die beiden Männer von den Auswirkungen ihrer Treffer erholten. Als der Schmerz der Brandverletzungen allmählich geringer wurde, und Ra sich wieder voll einsatzbereit fühlte, standen die beiden Männer bis an die Hüften im Wasser. Unter diesen Begleitumständen wurde der Kampf besonders schwierig. Eine Maschinerie versetzte das Wasser in Schwingungen, und die Kämpfer hatten genug damit zu tun, sich auf den Beinen zu halten. Derjenige, der als erster das Gleichgewicht verlor, hatte kaum noch eine Chance, den Kampf zu seinen Gunsten zu entscheiden. Davon abgesehen bestand immer noch die Gefahr, von einer der versteckten Waffen getroffen zu werden. Ra hatte versucht, die verschiedenen Öffnungen in der Arenaumrandung abzuzählen, er war bis dreißig gekommen, bevor er die halbe Umrandung abgesucht hatte. Die beiden Männer waren mehrere Meter voneinander entfernt. Zur Zeit war ein Kampf aussichtslos, die Männer hatten mehr als genug damit zu tun, sich vor der unberechenbaren Positronik in Sicherheit zu bringen. Wasserdampf legte sich über die Arena, als mehrere Thermostrahler gleichzeitig feuerten und den Wasserspiegel trafen. Nur die Zuschauer konnten noch erkennen, was in der Arena vorging. Infrarotkameras lieferten das Bild für die großen Projektionsflächen, auf denen die beiden Akteure zu sehen waren. Aus dem Gelächter ringsum folgerte Ra, daß die Menge sich über sie amüsierte, während sie damit beschäftigt waren, sich gegen die immer höher steigenden Wellen zu wehten. »Verdammte Positronik!« knurrte Ra. Täuschten ihn seine Sinne, oder wurde
Der Kämpfer mit der Maske das Wasser tatsächlich kälter? Ra verharrte einen Augenblick, dann wußte er genug. Die Wassertemperatur sank rapide, innerhalb weniger Minuten mußte sie den Gefrierpunkt erreicht haben. Ra begann vor Kälte zu zittern. Er war Wärme gewohnt, zu seinem Glück würde es dem Maskierten nicht besser ergehen. Arkoniden vertrugen Kälte noch weniger gut als Ra. Die Maschine, die die Eiseskälte erzeugte, mußte sich unter dem Sand der Arena befinden; dort war die Kälte auch am größten. Ra merkte es, als er unter seinen Füßen den Boden hart werden fühlte. Knapp eine Minute lang mußte Ha die beißende Kälte ertragen, dann war das gesamte Wasser in der Arena gefroren. Eine gewellte, von Bruchstücken übersäte Eisfläche füllte das Oval. Ab und zu stiegen Dampffontänen auf, wenn ein Thermostrahl auf die Eisfläche traf. Ra hatte große Mühe, auf dem glatten Eis nicht auszurutschen, aber er bewegte sich auf den Maskierten zu, der mit aller Kraft am Griff seines Schwertes zerrte. Die Spitze war im Eis eingefroren und rührte sich nicht um Haaresbreite. Der Maskierte stieß einen Fluch aus, als er Ra kommen sah. Rasch gab er die sinnlosen Versuche auf, seine eingefrorene Waffe freizubekommen; er wechselte schnell die Schildhand und griff nach der Keule. Ra verfügte nun über die weitreichendere Waffe, aber der Maskierte wehrte sich geschickt. Ra mußte höllisch aufpassen, um nicht von der gefährlichen Keule getroffen zu werden. Immerhin gelang es ihm, nach und nach immer größere Stücke aus dem Schild seines Gegners zu hauen. Ra wollte erreichen, daß der Mann nur auf seine Keule angewiesen war, dann wollte er ihn durch Schläge mit der flachen Klinge gegen Handoder Fußgelenke lähmen und zur Aufgabe zwingen. Mehr wollte der Barbar nicht. Zweimal schon hatte sich der Maskierte Blößen gegeben, die Ra hätte ausnutzen können, aber in beiden Fällen hätte dieses Ausnutzen darin bestanden, dem Mann das Schwert in
45 den Unterleib zu jagen. Obwohl Ra sich ausrechnen konnte, daß sein Gegner an seiner Stelle keine Sekunde gezögert hätte, verzichtete er auf solche Mittel. Schritt für Schritt wich der Maskierte zurück. Ra begann zu grinsen, denn langsam gewann er die Oberhand in diesem Zweikampf. Der Atem der beiden Männer ging schwer, die Zuschauer konnten es an den weißen Wolken sehen, die die Kälte aus der Atemluft formte. Dennoch froren die Männer nicht, an ihren Körpern lief der Schweiß in dicken Tropfen herunter. »Jetzt habe ich dich!« knurrte Ra und holte zu einem neuen Hieb aus. Die Klinge prallte auf den Rand des schon arg zugerichteten Schildes und trennte einen breiten Span ab. Beim nächsten Schlag dieser Art würde Ra das Handgelenk des Maskierten treffen. Übergangslos begannen die beiden Männer zu lachen. Sie ließen die Waffen fallen und umarmten sich, dann begannen sie auf dem Eis zu tanzen. Die Zuschauer auf den Rängen begleiteten die Szene mit Gelächter. Sie wußten, daß ein Hypnostrahler die beiden Männer erfaßt hatte und sie beeinflußte. Gespannt warteten die Zuschauer auf das Nachlassen des hypnotischen Einflusses. Welcher der beiden Männer würde sich auf die veränderte Lage rascher einstellen, schneller nach seinen Waffen greifen und vielleicht in diesem winzigen Augenblick der Verwirrung den entscheidenden Treffer anbringen? Schlagartig ließ der Einfluß des Strahlers nach. Die beiden Männer ließen sich los, sahen sich sekundenlang in die Augen, dann reagierten sie fast gleichzeitig. Der Maskierte war ein wenig schneller als Ra, aber seine Waffen lagen weiter verstreut. Es vergingen nur wenige Augenblicke, dann standen sich die Männer wieder bewaffnet gegenüber und setzten den Kampf fort. Ra spürte, daß er diesen Anstrengungen nicht mehr lange gewachsen sein würde. Es war sein achter Kampf an diesem Tag, und
46 seit mehr als zwei Stunden bekämpfte er mit aller Kraft und höchster Konzentration den Maskierten, der es zumindest bei seinem letzten Gegner an diesem Tag wesentlich einfacher gehabt hatte. Hinzu kam die stets drohende Gefahr von den Strahlern, von denen man nicht wissen konnte, wann sie wohin feuerten. Wofür sich anstrengen, wenn im nächsten Augenblick ein positronischer Zufall den Kampf entschied? Ra spürte den Paralysatorschuß sofort. Sein linker Fuß knickte weg, und Ra stürzte zu Boden. Sofort rollte er sich über die Schulter ab, und sofort setzte der Maskierte nach. Ra wehrte die Keulenhiebe mit dem Schild ab und versuchte gleichzeitig, wieder Kontrolle über den Fuß zu bekommen. Irgendwie gelang es ihm, den Knöchel des Maskierten mit der flachen Klinge zu treffen, aber außer einem schmerzlichen Stöhnen zeigte der Mann keine Reaktion. Ra rutschte über das Eis, duckte sich unter den Schild und wartete, daß ein Wunder geschah. »Ich werde dich töten!« zischte der Maskierte. »Niemand soll sich je rühmen können, mich fast besiegt zu haben!« Ra hatte alle Konzentration aufzuwenden, um die hageldicht auf ihn einprasselnden Hiebe des Mannes abzuwehren. Sein Arm drohte zu erlahmen, während sein Fuß die Auswirkungen des Paralysatorschusses allmählich stärker zu spüren bekam. Ra wußte, wie schmerzhaft die Auflösung einer solchen Erstarrung war, und er verhielt sich dementsprechend. Er versuchte, aus der Reichweite seines Gegners zu kommen, aber der Maskierte ließ nicht locker. Ra schlug ungezielt mit dem Schwert um sich, versuchte wenigstens einen Fuß des Mannes zu treffen, um sich Luft machen zu können. Der Maskierte stöhnte dumpf auf, dann trat er einen Schritt zur Seite. Ras Klinge hatte den Knöchel getroffen, zum zweiten Mal, und diesmal hatte der Stahl ein Stück der Knochenhaut aufgerissen. Ra wußte, daß solche Verletzungen höl-
Peter Terrid lisch schmerzten, da die Knochenhaut mit Nerven förmlich gespickt war. Der Maskierte verbiß den Schmerz sehr schnell, aber die kurze Spanne Zeit, die er brauchte, um sich wieder zu fangen, genügte für Ra. Der Fuß ließ sich wieder gebrauchen, und Ra richtete sich schnell wieder auf. Jetzt war er wieder an der Reihe, seinen Gegner Schritt für Schritt zurückzutreiben. Ra wußte, daß er sich nicht mehr lange halten konnte, seine Kräfte waren bis zum Äußersten angespannt worden. Wenn ihm nicht innerhalb der nächsten fünf Minuten der entscheidende Treffer gelang, würde er diesen Kampf verlieren. Ohne sich um die Strahler zu kümmern, rückte Ra dem Maskierten immer näher. Stück für Stück zerschmetterte er mit wuchtigen Schwerthieben den Schild. Ra konnte nicht sehen, was hinter der Maske vorging, aber an dem Blick des Mannes erkannte er, daß der Maskierte Angst bekommen hatte. Ra ließ ihn keine Sekunde lang in Ruhe, er kämpfte mit allem, was ihm zur Verfügung stand. Ein Fußtritt, im Ansatz kaum zu erkennen, ließ den Schild aus der Hand des Mannes fallen. Das zerhauene Stück Holz rollte über das Eis und blieb weit entfernt liegen. Der Maskierte versuchte einen Ausfall, um wieder an den Schild heranzukommen, aber Ra führte einen Hieb durch die Luft, der den Mann zurückprallen ließ. Ra grinste, als er den gehetzten Blick seines Gegners sah. Der Kampf war entschieden. Ra stand mitten in der Arena, und noch besaß er sein Schwert und einen leidlich intakten Schild. Der Maskierte wehrte sich verzweifelt mit seiner Keule, aber er hatte jetzt keine Chance mehr. Das Publikum tobte vor Begeisterung, genau diesen Ausgang des Kampfes hatte man sich allgemein gewünscht. Ra sprang vorwärts und rammte den Schild gegen den Oberkörper des Maskierten. Der Mann strauchelte, fiel dann auf den Rücken und blieb liegen. Ras Schwert zielte auf seinen Hals. Es be-
Der Kämpfer mit der Maske durfte nur noch einer kleinen Bewegung, um den Kampf endgültig zu beenden. Ra brauchte nur noch einen tödlichen Hieb anzudeuten, dann war sein Sieg unanfechtbar. »Du wirst noch ein wenig warten müssen, mein Freund!« keuchte Ra schwer atmend. »Erst werde ich herausfinden, wer du bist!« Zwei Bänder hielten die Maske des Mannes hinter den Ohren. Ra ließ das Schwert zur Seite gehen und zerschnitt das erste Band. Dann hob er den Rand der Maske an und schlug sie zur Seite.
* Ra erstarrte in der Bewegung, sein Unterkiefer klappte herunter. Aus weitgeöffneten Augen starrte er auf das Gesicht des Mannes, den er nach einem langen und harten Zweikampf besiegt hatte. Ra kannte diesen Mann, er hatte ihn schon oft gesehen. Die Lippen des Barbaren bewegten sich, sie formten lautlos ein Wort: »Atlan?«
* Die linke Hand des Maskierten schnellte nach oben, die Keule traf Ra an der Schläfe. Der Barbar knickte ein, dann kippte er bewußtlos zur Seite. Noch während der Barbar fiel, befestigte der Mann erneut seine Maske. Nur für einen winzigen Augenblick war sein Gesicht zu sehen gewesen, aber dieser Augenblick war nicht lang genug gewesen, um die Kameras eine genaue Aufnahme machen zu lassen. Ruhig befestigte der Mann seine Maske, dann ging er langsam zu den Tribünen hinüber. Dort wollte er seinen Preis in Empfang nehmen.
* »Ärgerlich!« murmelte Orbanaschol. »Höchst ärgerlich. Ich hätte zu gerne gewußt, wer sich hinter dieser Maske verbirgt. Warum konnte der Barbar nicht aufpassen!
47 Jetzt muß ich dem Maskierten den Preis übergeben!« »Dafür können wir uns freuen, daß das Geheimnis der Maske bei den Höchsten Kämpfen vielleicht gelüftet wird!« meinte einer seiner Begleiter. »Uns stehen also noch einige sehr interessante Kämpfe bevor!« »Mag sein!« meinte der Imperator verärgert. »Aber ich ertrage langes Warten nicht. Laßt nach der Siegerehrung den Barbaren befragen. Er hat das Gesicht gesehen, und ich verlange, daß er mir sagt, wer dieser Maskierte ist. Er scheint den Mann gekannt zu haben, habt ihr das ebenfalls gesehen?« »Es ist so, wie Eure Erhabenheit es sagt!« erklärte der Begleiter dienstbeflissen. »Es scheint sich um einen Freund oder Verwandten des Barbaren zu handeln, anders läßt sich die seltsame Reaktion des Barbaren kaum erklären!« Orbanaschol lächelte zufrieden. »Ich werde der einzige Zuschauer sein, der bei späteren Kämpfen weiß, wer der Maskenträger ist«, murmelte er. »Es ist niemals gut, wenn jemand mehr weiß als der Imperator!« »Gewiß!« wurde ihm geantwortet. »Keiner ist so kenntnisreich wie Eure Erhabenheit!« Orbanaschol nahm diese Schmeicheleien selbstgefällig hin, während in der Arena die Siegerehrung vorbereitet wurde. Zehn POGIM-Männer hatten den Maskierten umkreist und untersuchten ihn peinlich genau nach Waffen. Orbanaschol liebte Sicherheit über alles, besonders, wenn es um die Sicherheit seiner Person ging. Einer der Geheimpolizisten gab durch, daß man bei dem Mann keinerlei Waffen gefunden hatte. Orbanaschol erhob sich und schritt langsam und feierlich zum Rand der Arena. Eine Schwebeplattform sollte dort den Sieger annähernd in die Höhe des Imperators bringen, um Seiner Erhabenheit die Mühe zu ersparen, hinab in die Arena zu steigen. Unter dem Beifall des Publikums stieg die Platt-
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form langsam in die Höhe.
* Ra schüttelte den Kopf. Er konnte vor Schmerz nicht klar sehen, die Wirkung des betäubenden Hiebes ließ nur langsam nach. Ra stützte sich auf die Arme und hob den Kopf. In einiger Entfernung sah er den Rücken des Mannes, der ihn besiegt hatte. Der Maskierte stand auf einer kleinen Plattform, die von Antigravprojektoren sanft in die Höhe gehoben wurde. »Verloren!« murmelte Ra. »Ich habe verloren!« Er richtete sich weiter auf und kam mühsam auf die Füße; er war noch so benommen, daß er sich kaum auf den Beinen halten konnte. Wie durch einen matten Schleier hindurch verfolgte er die Ehrung des Siegers. Orbanaschol trug in der Hand eine große Scheibe aus blauer Keramik. Ra erinnerte sich, daß man ihm gesagt hatte, die Scheibe zeige das Gesicht des Imperators auf der Vorderseite und Szenen aus der Kolonialzeit von Zalit auf der Rückseite. Das Ding war ziemlich geschmacklos, aber es erhielt seinen Wert durch den Umstand, daß es von Seiner Erhabenheit persönlich überreicht wurde. Ra stand jetzt etwas fester. Langsam ging er auf die Ehrentribüne zu, er wußte selbst nicht, warum er diesen Weg einschlug und sich nicht in die Kabinen der Kämpfer zurückzog. Der Maskierte nahm die Scheibe in Empfang. Er hielt sie in die Höhe, drehte sich herum, damit jeder Zuschauer den Ehrenpreis in seinen Händen sehen konnte. Zum ersten Mal, seit er die Arena betreten hatte, zeigte der Maskierte eine emotionale Reaktion. Er sprang von einem Bein aufs andere, warf die Scheibe in die Luft und fing sie wieder auf. Neben ihm stand Orbanaschol, selbstgefällig lächelnd. Er bezog das begeisterte Schreien und Rufen des Publikums auf sich.
Dann senkte sich die Schwebeplattform langsam wieder dem Boden der Arena entgegen. Immer noch tanzte der Sieger begeistert auf der Plattform herum und spielte mit der schweren, dicken Scheibe aus Keramik. Was dann geschah, ereignete sich im Verlauf weniger Sekunden. Die Scheibe war zu schwer, der Mann konnte sie nicht mehr auffangen. Begleitet von einem erschreckten Aufschrei des Publikums fiel die Keramik auf den stählernen Boden der Plattform und zerbrach. Ra sah als einziger, wie sich der Maskierte bückte und nach etwas griff. Der Barbar handelte, ohne zu überlegen. Im Bruchteil einer Sekunde lag das Wurfmesser in seiner Hand, dann zischte die Klinge durch die Luft. Auf den Projektionsflächen war in Großaufnahme zu sehen, wie das Messer im Rücken des Maskierten einschlug. So groß war die Aufprallwucht des Messers, daß sich der Mann ein Stück drehte. Wirkungslos zischte der Feuerstrahl der Waffe in seiner Hand in den nachtdunklen Himmel. Der Maskierte knickte in den Knien ein, dann sank er langsam zur Seite. Der Mann, der die Schwebeplattform steuerte, verlor die Nerven und reagierte falsch. Aus einigen Metern Höhe stürzte die Plattform ab. Im Fallen kippte sie leicht zur Seite und prallte hart auf dem Boden der Arena auf. Ein kleiner, dunkler Körper flog weit durch die Luft und landete unmittelbar neben Ras Füßen. Der Barbar bückte sich, noch immer halb benommen, und hob den Gegenstand auf. »Ich muß weg!« murmelte er. Die Geheimpolizisten der POGIM stürzten von allen Seiten auf die Absturzstelle der Schwebeplattform. Auch die überlebenden Kämpfer kamen aus ihren Kabinen geeilt und füllten die Arena. Ra wankte langsam in seine Kabine zurück, die Waffe, die er gefunden hatte, hielt er sorgfältig versteckt. Dem Barbaren blieb nicht viel Zeit. Er konnte sich ausrechnen, daß es im Bereich
Der Kämpfer mit der Maske des Stadions innerhalb von wenigen Minuten von Polizisten wimmeln würde, die jedes Personalpapier zehnmal kontrollieren würden, bevor sie eine Person durchließen. Ra konnte an einer so peniblen Kontrolle naturgemäß keinen Gefallen finden. Während sich andere Arenakämpfer noch neugierig an den Tatort drängten, suchte er schnell das Weite.
* Dickperliger Angstschweiß stand auf dem Gesicht des Zaliters Alpertur. Er bewegte sich in einer endlos lang erscheinenden Schlange auf den Ausgang des Stadions zu, auf den einzigen Ausgang, den die Polizei freigegeben hatte. Inzwischen war das gesamte Gebiet abgeriegelt worden. Immo Kalee war wesentlich ruhiger. Er hatte noch sehen können, wie Ra unter den Tribünen verschwand, bevor er von der Menge davongeschoben worden war. Er als Arkonide hatte von den Polizisten wenig zu befürchten; gefährlich wurde es erst, wenn Prüfgeräte die Echtheit der Ausweise kontrollierten. Daher blieb Immo Kalee auch ständig in der Nähe des Zaliters, der ihm die Dokumente geliefert hatte. Sollte es bei der Kontrolle Schwierigkeiten geben, dann war Immo fest entschlossen, den Zaliter nicht ungeschoren davonkommen zu lassen. »Ich hoffe für dich, Alpertur, daß die Papiere jeder Überprüfung standhalten werden!« murmelte der getarnte Con-Treh so leise, daß nur der Zaliter die Worte hören konnte. Alpertur schüttelte unwillig den Kopf. »Das ist die geringste Sorge!« murmelte er. »Ich fürchte, daß sich Orbanaschol für diesen Attentatsversuch an allen auf Arkon lebenden Zalitern rächen wird. Wenn mein Haus durchsucht werden würde …« Immo Kalee kannte den gierigen Zaliter inzwischen gut genug, um zu wissen, daß er seine wohlmanikürten Hände in alles tauchte, was Geld brachte, so schmutzig die Sachen auch sein mochten. Eine Hausdurchsu-
49 chung hätte Alpertur mit Sicherheit den Kopf gekostet. Die Schlange bewegte sich nur langsam vorwärts. Sehr sorgfältig wurden die Ausweise überprüft, Spezialgeräte forschten nach versteckten Waffen. Und als Waffe sahen die POGIM-Männer fast alles an, was größer als ein Finger und härter als ein Haar war. Ab und zu wurden tatsächlich waffenähnliche Gegenstände gefunden, Taschenmesser, altmodische Uhren an langen Ketten, die man als Schleuder hätte benutzen können. Wer solche Gerätschaften mit sich herumschleppte, sah schweren Zeiten entgegen. Ungefähr jeder hundertste Besucher wurde aussortiert und von großen Gleitern abtransportiert. Immo Kalee kannte die Ermittlungsmethoden der POGIM nur vom Hörensagen, aber er hatte keine Lust, von diesen Männern peinlich genau befragt zu werden. Nur noch zwei Frauen standen zwischen Immo und der Energiesperre, als der lange Zug aufgehalten wurde. An einer zweiten Öffnung in dem Energiegatter wurden die Arenakämpfer kontrolliert, und zwar wesentlich härter als die Besucher. Jeder zehnte Mann mußte einen der Gleiter besteigen. Immo sah, daß die Männer zusehends wütender wurden; die hochnäsigen arkonidischen Beamten machten keinen Hehl aus ihrer Überzeugung, daß Arenakämpfer eigentlich allesamt Verbrecher seien, die in einem Konverter wesentlich besser aufgehoben gewesen wären. In lauten Flüchen machten sich die Männer Luft, und als die Polizisten immer noch nicht freundlicher wurden, gab es ein Handgemenge. Die zwei Kampfrobots, die die Polizisten zu schützen hatten, kamen gar nicht erst zum Einsatz. Sie waren bereits von Spezialisten auf dem Gebiet des Robot-Duells außer Gefecht gesetzt worden. André Pogim-Männer kamen ihren Kollegen zu Hilfe, das Chaos vergrößerte sich. Die Polizisten standen vor einem Dilemma. Sie wagten nicht, auf ihre Kollegen zu schießen, denn irgendwo mitten in dem Haufen steckte der ranghöchste POGIM-Of-
50 fizier der Kegion, und aus naheliegenden Gründen wagte es niemand seiner Untergebenen, einen Paralysatorschuß abzufeuern, der den Offizier hätte treffen können. Die Polizisten sahen sich gezwungen, die randalierenden Arenakämpfer mit reiner Körperkraft auseinanderzutreiben. Es half ihnen nicht viel, daß sie Verstärkung anforderten. Die bereits aussortierten Kämpfer überwältigten ihre Wachen, verbanden sich mit ihren Kollegen und schlugen auf die POGIM-Männer ein. Gegen die ausgefuchsten Kämpfer hatten die Polizisten keine reellen Chancen, zumal sich das unentwirrbare Knäuel aus menschlichen Leibern langsam auf die Schlange zubewegte, in der auch Immo Kalee stand. Vergeblich versuchte der Mann auszuweichen; ehe er sich's versah, beförderte ihn ein Fußtritt mitten in den Kreis der Kämpfenden. Hätte er nicht mitten in dem Knäuel gesteckt, so hätte sich Immo wahrscheinlich prächtig amüsiert. Eine Massenkeilerei zwischen mehreren Hundertschaften war auch für ihn eine seltene Darbietung. Männer brüllten, fluchten und stöhnten. Dazwischen mischte sich das gellende Kreischen einiger Frauen und Mädchen, die wider Willen in die Auseinandersetzung mit einbezogen worden waren. Immo Kalee kämpfte verbissen, und nach einiger Zeit gelang es ihm, sich wieder freizukämpfen. Inzwischen hatte sich die Zahl der Kämpfenden weiter erhöht, denn die erwartete Verstärkung der Polizei war eingetroffen. Da der Raum zwischen den Absperrungen zu klein geworden war, hatte man die Strukturlücken in dem Energiegatter vergrößert. Zu Hunderten strömten die Zuschauer durch die Lücken, um sowohl der POGIM als auch der Massenprügelei zu entgehen. Immo Kalee sah sich nach Alpertur um, aber der Zaliter war verschwunden. Immo warf noch einen Blick auf die Kämpfenden, dann zog er es vor, diesen Ort zu verlassen. Niemand hielt ihn auf, als er sich davonmachte.
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* Alpertur machte ein sehr erleichtertes Gesicht, obwohl sein linkes Auge dunkel umrandet war und ihm zwei Zähne fehlten. Er war heilfroh, der Keilerei entkommen zu sein, bevor die POGIM eine solche Übermacht aufgeboten hatte, wie sie zum Sieg über die Arenakämpfer erforderlich war. Der Anzug des Zaliters war stark mitgenommen worden, aber Schäden dieser Art ließen sich leicht mit Geld wieder begleichen. »Wir haben Glück gehabt, viel Glück sogar!« stellte Immo Kalee fest. »Ums Haar wären wir verhaftet worden, und das hätte übel ausgehen können!« »Die Gefahr ist vorbei!« meinte Alpertur. »Als ich mich aus dem Staub machte, konnte ich gerade noch hören, daß ein paar Gebäude in Flammen aufgegangen sind, darunter auch das Büro des Trainingslagers. Niemand wird mehr herausfinden können, wer Ra ist und woher er kommt! Alle Spuren, die zu uns führen könnten, sind verwischt worden!« »Stop!« unterbrach Ra seinen Redefluß. »Ich will die Nachrichten abhören!« Auf dem Bildschirm an der Wand erschien das Zeichen, das eine besonders wichtige Eilmeldung ankündigte. Im Hintergrund war der Kristallpalast zu sehen, wahrscheinlich wurde die Sendung von dort ausgestrahlt. Sekunden später war das Gesicht des ersten Regierungssprechers zu sehen. »Ich habe eine besonders wichtige Mitteilung bekanntzugeben«, begann der Mann. »Anläßlich des Festes der Zalitischen Händlervereinigung auf Arkon II wurde heute ein Attentatsversuch auf Seine Erhabenheit, Imperator Orbanaschol III. unternommen. Der Versuch schlug fehl!« Das Bild wechselte und zeigte die Originalaufnahmen aus dem großen Stadion. Deutlich war zu sehen, wie der Maskierte die Keramikscheibe fallen ließ und in den Trümmerstücken eine Strahlwaffe auftauch-
Der Kämpfer mit der Maske te. Außerhalb des Bildes schleuderte Ra sein Wurfmesser. Die Bilder zeigten, wie das Messer traf und der Attentäter zusammenbrach. Auch die abstürzende Plattform wurde gezeigt. »Der Attentäter fand noch am Tatort seine gerechte Strafe!« fuhr der Sprecher fort. »Beim Absturz der Schwebeplattform wurde der Schädel des Meuchelmörders derart verletzt, daß eine Identifizierung vorerst unmöglich erschien. Es gelang aber, an dem Sterbenden noch eine Hirnschwingungsmessung vorzunehmen. Das Ergebnis dieser Messung ist eindeutig!« Der Sprecher machte eine Pause, um die Wirkung der nächsten Sätze zu verstärken. »Bei dem feigen Attentäter handelt es sich zweifelsfrei um jenen berüchtigten Hochverräter, Raumpiraten und Hochstapler, der sich Atlan nennt und behauptet, Kristallprinz von Arkon zu sein. Sein verdienter Tod steht nunmehr fest!« Ra sah die Verblüffung im Gesicht Immo Kalees und grinste leicht. »Gleichzeitig ergeht ein Aufruf an einen der Arenakämpfer!« setzte der Sprecher seine Rede fort. »Jener Barbar, dessen Messerwurf das Attentat vereitelte, konnte bisher nicht aufgefunden werden. Er wird aufgefordert, sich zu melden, um eine hohe Belohnung in Empfang zu nehmen!« »Das würde euch passen!« knurrte Ra und schaltete den Empfänger ab. »Das war Atlan?« fragte Immo Kalee verblüfft. »Hattest du mir nicht gesagt, Atlan befinde sich wahrscheinlich irgendwo im Mikrokosmos?« »Selbstverständlich war dieser Mann nicht Atlan!« erklärte Ra. »Er sieht dem Kristallprinzen ziemlich ähnlich, aber mehr auch nicht. Die Ähnlichkeit ist allerdings so groß, daß sogar ich verblüfft war, als ich die Maske herunterzog!« »Du könntest dich irren!« wandte Immo ein. »Seit du dich von Atlan getrennt hast, ist ziemlich viel Zeit verstrichen. Es wäre durchaus möglich, daß das Schicksal Atlan nach Arkon geführt hat. Kannst du wirklich
51 sicher sein?« »Was ist sicher außer dem Tod?« fragte Ra irritiert. »Völlig sicher kann ich nicht sein, aber mein Instinkt sagt mir, daß dieser Mann nie und nimmer Atlan ist!« »Und das Hirnschwingungsdiagramm?« warf Alpertur ein. »Das ist doch ein Beweis, oder?« Ra zuckte hilflos mit den Schultern. »Ich kann mich nicht erinnern«, sagte er nachdenklich, »daß jemals ein solches Diagramm in die Hände seiner Gegner gefallen sein soll. Glaubt mir, es war nicht Atlan. Er bewegte sich anders, kämpfte anders – ich werde doch meinen Freund kennen!« Einen Augenblick lang dachte er daran, daß er selbst derjenige war, der Atlan in den Mikrokosmos verbannt hatte, von dem es unter Umständen kein Zurück mehr gab. Dann unterdrückte er diesen Impuls wieder. »Atlan würde niemals versuchen, Orbanaschol durch ein Attentat zu beseitigen!« erklärte er. »Das entspräche nicht seiner Art. Außerdem …« Er brachte eine Waffe zum Vorschein, und er richtete die Mündung auf Alpertur. Der Zaliter starrte in die Mündung und wurde bleich. »Leg die Waffe weg!« forderte er Ra auf. »So ein Ding kann leicht losgehen, auch wenn man es nicht will!« »Diese Waffe geht nicht einmal los, wenn man will!« behauptete Ra und zog den Abzug durch. Ein greller Lichtstrahl zuckte aus der Mündung und erleuchtete einen Fleck an der Wand. »Punkt eins!« begann Ra. »Diese Waffe ist ungeladen, sie hat überhaupt kein Magazin. Punkt zwei: Das Visier ist so verstellt worden, daß man damit so gut wie nichts treffen kann. Und drittens: die Walle verschießt nur ganz gewöhnliches Licht, wenn auch in hoher Konzentration. Das Ding ist ein hervorragender Handscheinwerfer, aber keine Waffe, um einen Imperator zu erschießen!« Immo Kalee schüttelte fassungslos den
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Kopf, während Alpertur mit käsigem Gesicht auf die Waffe starrte. Ra legte die Waffe zur Seite, stand auf und ging unruhig im Raum auf und ab. »Wir sind nach Arkon gekommen«, überlegte er laut, »um Antworten zu finden. Was haben wir jetzt: Fragen, Fragen, nichts als Fragen. Und nicht den Ansatz einer einzigen Antwort!«
Ra verstummte. Er war sich sicher, daß der Mann, den er getötet hatte, nicht Atlan war. Aber schließlich – was war schon sicher …?
ENDE
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