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Der gute Mond „Guter Mond, du gehst so stille." Schon unsere Vorfahren sangen dir diese Volksweise und freuten sich, wenn du ihnen mit deinem lieben Licht auf dem Heimweg leuchtetest. In gleicher Freundschaft waren dir die naturfrohen Griechen zugetan, als sie dir den ausgeglichenen, wohlklingenden Namen SELENE gaben, und nicht anders empfanden die alten Römer, die dich auf den sanften Namen LUNA tauften. Freilich, nicht immer bist du der gute, stille Mond gewesen. Denn gar oft in der Geschichte hallte die Nacht, die von deinem Licht erhellt war, wider vom Kriegsgeschrei, und wie oft blickten in den Jahren der letzten Kriege die Menschen besorgt zum Himmel, wenn die in deinem Lichte zauberisch verklärte Landschaft schonungslos den Angriffen der Kampfwaffen preisgegeben war! Doch davon wollen wir hier nicht reden. Die beglückende Empfindung, die uns im Anblick der märchenhaft beleuchteten Felder und Wiesen überkommt, der feenhafte Glanz, den du über Bäche und Seen legst, den danken wir dir, auch wenn er in unseligen Zeiten die Zerstörung begünstigt hat. Und wie sich einst die Generation der Romantiker in deinen Anblick versenkte, so wollen auch wir uns wieder von deinem Zauber erfassen lassen und darüber für eine kleine Weile die Unrast und die Sorgen des Alltags vergessen. Doch wir bleiben nicht stumm bei deinem Anblick, wir fragen nach deinem Wesen, der Ursache deiner wechselnden Erscheinung; ja auch die Möglichkeit, dich in nicht allzu ferner Zukunft einmal selbst aufzusuchen, wollen wir erwägen. Und so werden wir, wenn sich unser Auge an deinem Bilde sattgesehen hat und unser Gemüt vom Eindruck einer Vollmondnacht erfüllt ist, auch unsere Meßinstrumente zu dir emporrichten; vielleicht, daß wir nähere Auskunft über dich erhalten! Wir werden mit scharfem Blick und größter Sorgfalt deinen Lauf am Himmel verfolgen und werden versuchen, daraus neue Erkenntnisse über dich, den einzigen und so getreuen Begleiter der Erde zu gewinnen. Du wirst uns nicht gram sein darüber, guter Mond, auch wenn wir feststellen werden, daß dein Licht ja gar nicht von dir, sondern von der Sonne stammt, daß du nicht stille am Himmel gehst, sondern durch den Weltraum rasest, und daß du in Wirklichkeit kein lieblicher Weltkörper, sondern eine verlassene, leblose Wüste bist. Wir werden nicht enttäuscht sein, wenn wir das erfahren müssen; denn der ewig lebendige
Reiz zu forschen und zu grübeln wird keineswegs geschmälert, wenn die Ergebnisse solchen Bemühens einmal nicht auf der Linie unserer Erwartungen liegen.
Die Mondgestalten Zunächst wollen wir uns einmal mit dem ständig wechselnden Spiel deiner Lichtgestalten beschäftigen. Wir haben festgestellt, daß du uns von Zeit zu Zeit eine voll beleuchtete Scheibe zeigst und nennen dich dann Vollmond. Wir haben auch gemerkt, daß du als Vollmond ungefähr zu jenem Zeitpunkt im Osten aufgehst, zu dem die Sonne im Westen versinkt, und daß der neue Tag sich wieder im Osten ankündigt, wenn sich deine volle Scheibe bei ihrem Himmelslauf dem westlichen Horizont zuneigt. Wir haben weiter beobachtet, daß in den darauffolgenden Tagen der beleuchtete Teil deiner Scheibe immer kleiner wird und daß du dahinschwindend immer näher an die Sonne heranrückst. Ist deine Scheibe nurmehr zur Hälfte beleuchtet, so gehst du erst um Mitternacht auf. In dieser Halbmond-Gestalt erreichst du, während die Sonne sich im Osten über den Horizont schiebt, im Süden deinen höchsten Stand am Himmel und versinkst dann, in deinem matten Licht kaum beachtet, wenn das Tagesgestirn in der Mittagsstunde alles in seinen blendenden Glanz taucht. Noch spärlicher wird dann der uns sichtbare Teil deiner Scheibe. Sie nimmt — welch reizvolles Spiel der Natur — eine Sichelform an, die sich mit geringer Phantasie zu dem kleinen lateinischen Buchstaben „a" ergänzen läßt; so bietest du uns eine bequeme Denkhilfe dafür, daß du jetzt im Abnehmen bist. Und schließlich verschwindest du für unsere Blicke vollständig vom Himmel, wenn du als Neumond im Strahlenglanz der Sonne untertauchst. Aber wenn du dich auch viele Jahrtausende hindurch auf diese Weise von Zeit zu Zeit am Himmel verstecken Abnehmender Mond k o m ) t e s t > in Zukunft wird dir dies Spiel nicht mehr gelingen. Wir werden dich aufspüren, wo immer du dich auch verbirgst. Wir werden dich von den mächtigen Antennen der Funkmeß- oder Radaranlagen mit starken quasioptischen Wellen bestrahlen. Im Lichte dieser quasioptischen Strahlung wirst du uns kaum mehr entgehen.*) Wenn du dich nun mehrere Tage im Lichtmantel der Sonne verborgen gehalten hast, dann trittst du mit einer schmalen Sichel wieder am Himmel *) Der junge Leser wird hier auf die Hefte 7 „Sterne" und 27 „Die gläserne Landkarte" verwiesen, in denen der Verfasser über die quasiopfische Strahlung und viele andere Vorgänge, die in diesem Heft erwähnt werden, geplaudert hat.
hervor und nimmst ständig zu. Und wieder hat diese Sichel eine merkwürdige Form; sie läßt sich in Gedanken leicht zu einem anderen Buchstaben ergänzen: die Sichel erinnert an ein „5", u n d . das gibt uns an, daß du im Zunehmen begriffen bist. Ist deine Scheibe schließlich wieder zur Hälfte beleuchtet, dann kommst du ungefähr in der Mittagsstunde über den östlichen Horizont emporgestiegen, und wenn die Sonne ihren Tageslauf vollendet hat und im Westen versinkt, stehst du in dieser Halbmondfoim strahlend am südlichen Himmel. Dein Glanz wächst dann immer weiter, bis du als Vollmond wieder mit deiner ganzen Schönheit strahlen kannst. Zunehmender Mond Wir haben auch genau verfolgt, wie lange dein Lebenslauf, d. h die Zeit von Neumond zu Neumond, dauert. Als Neumond wirst du geboren im Alter ven 0,0 Tagen, wirst dann älter und erreichst das erste Mondviertel (ein Viertel der Kugel ist beleuchtet), die Gestalt des Halbmonds, mit 7,4 Tagen; nach weiteren 7,4 Tagen, im Alter von 14,8 Tagen bist du zum Vollmond geworden. Beim letzten Viertel bist du angekommen, wenn dein Mcndalter auf 22,1 Tage angewachsen ist. Mit 29,5 Tagen ist dann dein Lebenslauf beendet: du wirst als Neumond neu geboren, und die Zählung deines Mondalters beginnt von neuem. Um uns bei verschiedenen Beobachtungen deines Laufes am Himmel leichter und übersichtlicher ausdrücken zu können, haben wir für diesen deinen Lebenslauf eine eigene Zählweise geschaffen und ihr einen eigenen Namen gegeben. Dein Leben dauert, so sagen wir, eine Lunation lang. Die Astrenomen zählen diese Lunationen fortlaufend weiter und haben sich damit von der sich wiederholenden bürgerlichen Monatszählung ganz unabhängig gemacht. Nach dem gegenwärtigen Stand der Zählung fiel auf den ersten Neumond im Jahre 1948 beispielsweise die Lunation 310, und mit dem letzten Neumond dieses Jahres begann dann die Lunation 3 22. Das sind also zwölf Lunationen im Jahre.
Der Mond als Spiegel Der regelmäßige Wechsel deiner Lichtgestalten, die wir auch deine Phasen (von griech. phasis = Erscheinung) nennen, hat uns die Vermutung nahegelegt, daß das Licht, das wir von dir empfangen, gar nicht von dir selbst stammt, sondern von der Sonne geborgt ist. Du wärest dann in gewissem Sinne ein gewaltiger Spiegel, der im Weltraum schwebt und das Sonnenlicht im Laufe jeder Lunation in stets gleicher Weise der Reihe nach in alle Richtungen des Raumes hinausstrahlt. Wenn uns der
Bild der Mondphasen: Die Sonne bescheint immer die Hälfte der Mondkugel und die Hälfte der Erdkugel. Sieht der Erdbewohner die beleuchtete Mondhälfte (Vollmond), dann steht einem Betrachter auf dem Monde die unbeleuchtete Seite der Erde gegenüber (Neuerde). Durch Strahlenberechnung in der irdischen Atmosphäie wild er die Neuerde am pechschwarzen Mondhimmel trotzdem in ihren äußeren Umrissen wahrnehmen können, während für irdische Beobachter der Neumond unsichtbar bleibt. Bei Neumond würde ein Mondastronom Vollerde registrieren. Selbstverständlich entsprechen sich auch die übrigen Phasen von Erde und Mond. Die elliptische Form der Mondbahn ist auf dem Bild gut zu erkennen. volle Strahl des an dir gespiegelten Sonnenlichtes trifft, dann haben wir Vollmond, wenn der Strahl aber gerade in die unserer Erde abgewandte Richtung geht, haben wir Neumond. Wenn du am Tag oder in der Nacht in irgendeiner Gestalt am Himmel stehst, brauchen wir nur darüber nachzudenken, wo im gleichen Augenblick die Sonne ihren Standpunkt haben muß. Wir werden dann leicht feststellen, von welcher Seite her die Sonne in diesem Zeitpunkt deine Kugel bestrahlt, und warum wir dich dann nur als Sichel oder als Halbmond zu Gesicht bekommen können. Prüfen wir das mit einer Kugel und einer Lampe zu Hause nach, dann ist uns die Form deiner Phasen kein Rätsel mehr.
Schon in den alten Zeiten hielt man dich für einen Spiegel der Erde, und man glaubte, die dunklen und hellen Flecke auf deiner Scheibe seien die gespiegelten Umrisse unserer Erdteile und Meere. Aber diese allzu persönliche Auffassung hat sich nicht halten lassen. Du bist vielmehr zunächst ein Spiegel für das Sonnenlicht und in zweiter Linie erst ein Spiegel für das Erdlicht. Denn auch das gibt es. Freilich vermag unsere Erde nicht aus eigenem Licht zu leuchten wie die glühend heißen Sterne und die Sonne. Die Erde borgt ihr Licht vielmehr von der Sonne und spiegelt genau wie du selbst, guter Mond, das auftreffende Sonnenlicht wieder in den Weltraum hinaus, und sogar viel kräftiger als du selbst. Dabei kann nun das von unserer Erde reflektierte Sonnenlicht auch zu dir gelangen, lieber Mond, und wenn je ein empfindendes Wesen auf deiner Oberfläche seine Blicke zum Himmel emporhob, dann sah es die Erde in genau den gleichen Phasen über den Himmel wandern wie wir dich sehen. Die Vollerde leuchtete ihm als eine Scheibe von wunderbarer Größe, viermal größer als uns Erdbewohnern die Scheibe des Vollmondes erscheint. Du bist also zunächst ein Spiegel für das unmittelbar auf dich auftrennende Sonnenlicht. Aber auch das reflektierte Erdlicht, das mittelbar von der Sonne stammt und dich trifft, wird an deiner Oberfläche nochmals reflektiert. Freilich sind es recht schwache Lichtwellen, die sich nadi dieser doppelten Reflektion von deiner Oberfläche aus in den Weltraum ausbreiten. Unser Auge ist jedoch empfindlich genug, unter günstigen Umständen diese zweimal, zunächst an der Erde, dann am Mond gespiegelten Wellen wahrzunehmen. Oft nämlich, wenn du zur ganz schmalen Sichel geworden bist, bemerken wir, daß der restliche Teil deiner Scheibe von einem' Der Widerschein der Erde auf der Mondkugel eigenartigen fahlen Lichte beleuchtet ist. Dieser aschgraue Schein ist
aber nichts anderes als jener Widerschein der von der Sonne beleuchteten Erde. Mit diesem aschgrauen Erdlicht hilfst du uns freundlicherweise Erkenntnisse sammeln, die unsere eigene Lufthülle betreffen. Da wir nur in unbedeutende Höhen hinaufkommen und den Erdraum noch nicht verlassen können, sind wir nicht in der Lage, die ganze Erde von außen zu studieren. Wir müssen also versuchen, die Erde in einem Spiegel zu betrachten, und ein solcher Spiegel ist deine Oberfläche. Zwar nicht mehr im Sinne der Alten, die meinten, die dunklen und hellen Flecke auf deinem Antlitz seien ein getreues Abbild unserer Länder und Meere, wohl aber im Sinne jener optischen Spiegelung des Erdlichtes. Dadurch wird es uns vor allen Dingen möglich, festzustellen, wie stark eigentlich die Spiegelung des Sonnenlichtes an der Erde ist.
Die Untersuchung des Mondlichtes Das reflektierende Sonnenlicht ist der einzige Weg, auf dem wir bisher Auskunft über die Beschaffenheit deiner Oberfläche erlangen konnten Wir denken jetzt noch nicht an die mannigfachen Gestaltformen deiner Oberfläche, die uns in diesem Lichte das Fernrohr enthüllt hat. Nein, wir denken jetzt daran, daß wir die spektrale Untersuchung *) des an deiner Oberfläche reflektierten Sonnenlichtes dazu ausnützen können, um die stoffliche Beschaffenheit deiner spiegelnden Haut zu ergründen Wir wissen, daß sich das Sonnenlicht — jeder Regenbogen am Himmel beweist uns das aufs neue — aus den verschiedenen Spektralfarben zusammensetzt. Ferner wissen wir, daß das violette und das rote Ende der sichtbaren Spektralfarben in den unsichtbaren ultravioletten und ultraroten Strahlen eine Foitsetzung findet. Wenn deine Haut nun von unterschiedlicher Beschaffenheit ist, dann dürfen wir erwarten, daß sie die einzelnen Spektralfarben auch unterschiedlich, d. h. in verschiedener Stärke, reflektiert. Photographieren wir dich also mit einer Kamera, der wir verschiedene Filter vorsetzen, so könnten wir möglicherweise ganz verschiedene Bilder von deiner Oberfläche erhalten. Dann nämlich, wenn sie aus den verschiedenartigsten Stoffen zusammengesetzt wäre. Aber genau das Gegenteil ist der Fall! Gleichgültig, welches Filter wir voisetzen, ob wir dich im Ultraviolett oder im Ultrarot photographieren, ob wir von dir Farbaufnahmen oder einfache Schwarz-Weiß-Bilder machen, stets zeigst du uns die unverändert gleichen Züge. Und daraus müssen wir den zwingenden Schluß ziehen, daß eben deine ganze Oberfläche einheitlich aus ein und demselben Stoff geschaffen ist. *) Vgl. den Lesebogen Nr. 20 „Das multiplizierte Auge" von Gustav Büscher. 7
Wir können aber noch eine weitere Probe mit dem von dir gespiegelten Lichte anstellen. Licht pflanzt sich in Form einer Wellenbewegung fort, die wir etwa mit den Wellen eines von der Hand geschwungenen Seiles vergleichen können. Die Schwingungen einer solchen Seilwelle laufen bei einer bestimmten Handbewegung jeweils in einer ganz bestimmten Ebene ab, die wir die Polarisationsebene nennen. Auch die Lichtwellen haben unter Umständen eine solche Polarisationsebene. Bei einer Reflexion der Wellen kann nun die merkwürdige Erscheinung auftreten, daß sich je nach der Beschaffenheit des Stoffes diese Polarisationsebene dreht. Näher können wir hier allerdings nicht auf diesen ungewöhnlichen Vorgang ein gehen. Wir können aber leicht verstehen, daß die Drehung, die die Polarisationsebene des an dir reflektierten Sonnenlichtes erfährt, und die
Größenverhältnis von Erde und Mond: Der Durchmesser des Mondes beträgt an dem uns zugewandten Teil seiner Kugel 3470 Kilometer. Möglicherweise ist der Mond aber in geometrischem Sinne gar keine Kugel, sondern wie die Erde abgeplattet. Unsere Erde hat ja durch den Einfluß der Erdrotation am Äquator einen größeren Durchmesser als am Pol. Ihr mittlerer Durchmesser beträgt 12 740 Kilometer. ^Er ist somit rund viermal so groß als der des Mondes. D