Das
Schicksal
Lortl
Dudlet/s
ber der Eisenstadt Dudley in Mittelengland lag eine unfreundliche Herbststimmung. Der ...
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Das
Schicksal
Lortl
Dudlet/s
ber der Eisenstadt Dudley in Mittelengland lag eine unfreundliche Herbststimmung. Der Nebel drückte den Rauch der zahllosen Schmiedeessen schwer auf die Häuser nieder. Eine Mietskutsche rumpelte die Whitecrosstreet entlang und hielt vor dem Tor des Schuldgefängnisses. Ein breiter Torflügel kreischte in den Angeln, öffnete sich und nahm die drei Insassen des Wagens auf. Der größte von ihnen in schnupftabakfarbenen Kleidern, hinter dem sich ein untersetzter Träger mit einem Koffer hielt, blieb unschlüssig in der Halle stehen, während der dritte, offenbar ein Gerichtsdiener, auf den Schließer zuging und ihm einige Papiere übergab. Jener blätterte darin, las und blickte dann erstaunt auf. Schnell entließ er den Gepäckträger und den Geriehtsdiener und verschloß sorgsam das Tor. Seinen schnupftabakfarbenen Gefangenen nahm er mit in die Wachtstube. „Eure Lordschaft wollen geruhen, hier etwas zu verweilen und zu einem Porträt zu sitzen!" sagte der Schließer und grinste. „Zu einem Porträt?" fragte der Lord. „Nehmen Sie's halt nicht so genau!" entgegnete der Wärter, „wir sind gewohnt, alle Neuen erst einmal gründlich zu beaugenscheinen und uns ihr Gesicht einzuprägen. So ist's uns leichter, die Gefangenen und die Besucher auseinanderzuhalten." Damit ließ er sich dem Gefangenen gegenüber nieder und betrachtete ihn aufmerksam. Nach einer Weile kam ein zweiter Wärter, der offenbar beim Tee gestört worden war, denn er schob bei seinem Eintritt den letzten Rest Brot in den Mund. Er setzte das „Porträtieren" fort. Dann trat ein langer, schmächtiger Bursche ein. Die Hände in die Hosentaschen vergraben, lehnte er sich gegen den Stuhl des Schließers. „Wer ist es?" fragte er. „Lord Dudley." „Lord Dudley?" „Ja, Lord Dudley, der Besitzer der Eisenwerke, von denen ihm heute kein Stein mehr gehört. Er soll irgendso eine Erfindung gemacht haben: Eisen mit Kohle geschmolzen, oder was weiß ich. Jedenfalls
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hat er damit den anderen Eisenhüttenleuten auf ihre empfindsamen Zehenspitzen getreten. Die Neuerung paßte ihnen nicht. Und eines Tages gingen in Dudleys Eisenwerken die Flammen hoch. Man munkelt, daß die Brandstifter unter jenen Herren der Konkurrenz zu suchen seien. Aber -wer will's beweisen? Nun sitzt er in der Tinte und in den Schulden." Der andere blätterte inzwischen in Dudleys Papieren. „Wird -wohl lange brummen müssen, der Lord!" meinte er und schob das' Aktenstück beiseite. „Wird sich -wohl kaum jemand finden, der ihm seine Schulden bezahlt. Das hat er nun von seiner Erfindung!" Lord Dudley hatte wirklich nichts von seiner Erfindung, die er sich 1619 mit einem Patent hatte schützen lassen. Die Idee dieses Patentes war in damaliger Zeit recht naheliegend. Aber vor ihm war es noch niemand gelungen, Eisen mit Hilfe von Steinkohle zu schmelzen. Alle Schmelzhütten arbeiteten mit Holz. Da aber gewöhnliches Holz in den Öfen nicht genügend Hitze ergab,hatte man es inMej7em*)erst zuHolzkohle verschwelen lassen. Mit diesem verkohlten Holz konnte man in den Schmelztrögen eine weit größere Hitze erzeugen als mit frischem Holz. Auch Herr Dudley hatte nach diesem Verfahren gearbeitet. Als er dann aber erkannte, daß der Holzreichtum seiner Wälder auf diese Weise bald erschöpft sein werde, hatte er Ausschau nach einem anderen Brennstoff von gleicher Wärmeenergie gehalten. Kohle selbst kam nicht in Frage. Sie backte und schwefelte, der Schwefel aber drang in das Eisenerz und machte das Eisen unbrauchbar. W e n n man nun die Kohle erst einmal ähnlich behandelte wje das Holz, sie in Meilern unter Luftabschluß verschwelen ließe? Lord Dudley versuchte es, und es gelang. Er hatte den Koks gefunden, und das war das Patent, das ihm im Jahr 1619 das hohe Patentamt zuerkannt und das ihm dann die Eisenhüttenleute so sehr verargt hatten. Es war das erste Zusammentreffen von Eisen und Kohle. Eine fruchtbarere Vereinigung hat es in der Geschichte des menschlichen Fortschritts wohl kaum gegeben. Sie öffnete der modernen Technik das Tor zu immer kühneren Erfolgen. Freilich mußten noch hundert Jahre vergehen, bis sich die Erfolge dieser Verbindung auswirken konnten. Lord Dudleys Kokerei —• es war ein recht bescheidener Meiler, wie man ihn in ähnlicher Weise auch zur Holzkohlenherstellung verwendete •—,' seine Eisenwerke wurden zerstört. Er blieb jahrelang im Schuldturm der Eisenstadt. Von der Revolution befreit, hielt er während der Jahre der Crom*) Alle in diesem Heft in Schrägschrift (Kursiv) gedruckten Fachausdrücke sind im Anhang erklärt.
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wellschen Herrschaft zum Königshaus, das ihm dafür nur wenig Dank wußte. Man erkannte weder sein Patent an, noch half man ihm durch Entschädigungen zu einem neuen Anfang. Er hinterließ seine Idee in seiner W665 erschienenen Schrift „Metallum Martis oder Eisenbereitung mit Steinkohle", die ebenso -wie er der Vergessenheit anheimfiel. So konnte es geschehen, daß 1735 Abraham Darby, dessen Vorfahren von der Müllerei in die Geschützfabrikation hinübergewechselt waren, die Koksherstellung noch einmal erfand. Und erst jetzt war die Zeit reif dafür. Die „trockene Destillation" der Kohle, wie man das früher nannte, die „Verkokung", wie man heute sagt, bürgerte sich ziemlich schnell überall ein. 1789 erzeugte bereits Graf von Reden als erster Eisenhüttenmann des Festlandes auf der Hütte Malapane in Oberschlesien Roheisen mit Koks. Der letzte Holzkohlehochofen ist jedoch erst um 1900 ausgeblasen worden.
Im
Steinkohlentwald
•iVus vieltausend Schächten kommt der „brennende Stein" zutage. Der jüngsten Vergangenheit hat er den Namen eines „Zeitalters der Kohle" gegeben. Jährlich wird über eine Milliarde Tonnen aus der Erde geschürft. 4,5 Billionen Tonnen ruhen noch in der Tiefe. Nehmen wir eine Weltkarte zur Hand, auf der mit schwarzen Klecksen die Lagerstätten der Kohle eingetragen sind, so fällt uns auf, daß diese Kleckse merkwürdigerweise fast alle weit nördlich des Äquators, in der sogenannten „gemäßigten" Zone liegen: in China, im Inneren. Asiens, in Mitteleuropa, in den Vereinigten Staaten. Das hat gewiß seinen besonderen Grund. Die Erdforschung hat uns für diese Merkwürdigkeit auch eine Erklärung gegeben, die uns einleuchten wird: Wenn die Mehrzahl der Kohlenlagerstätten auf dem Erdball fast die gleichen Räume einnimmt, dann müssen einstmals i n ' diesen Erdstrichen gleichartige Verhältnisse geherrscht .haben, die das Entstehen dieser Lager begünstigten. — W i r müssen nun sehr weit in die Vergangenheit wandern, wenn wir uns aus unserem „Zeitalter der Kohle" in diese „Jugendzeit" der Kohle zurückversetzen wollen, die man die „Steinkohlenzeit" nennt. Der Festlandkern Europas in der Steinkohlenzeit (senkrecht gestrichelt) mit seinem Strand (schräg gestrichelt). Die, „Alpiden" (Pyrenäen, Alpen usw.) fe[ilen noch. Vorläufer der Alpiden ist das armorihanisch-varishische Gebirge, dessen Reste unsere Mittelgebirge sind (Eifel, Hunsrück, Taunus, Harz usw.). Fast alle großen Steinkohlenvorkommen (schwarz) liegen am Nordsaum des alten Festlandes nahe am Strand des nördlichen Karbonmeeres
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2 oo Millionen Jahre liegt sie zurück. Können wir uns einen solchen Zeitraum überhaupt vorstellen? Die Erde hatte in jener Urzeit, da die Kohle entstand, ein ganz anderes Gesicht. Nur das Europa von damals wollen wir uns daraufhin einmal ansehen. Auf dem europäischen Festland fehlte damals noch der Zug jener jungen Faltengebirge, die als die Alpiden bezeichnet werden. Ihr Nordast verläuft von den Pyrenäen über die Nordalpen und den Karpathenbogen zum Kaukasus und weit nach Osten hin. Im Süden entsenden sie im Appennin einen Ausläufer, der nach Nordafrika übersetzt. Hingegen war vor Beginn der Erdzeit, die jene großen Steinkohlenbecken enthält, deren Bildungen als die Kohlengebirgs- oder Karbonformationen*) bezeichnet werden, etwas weiter im Norden durch einen gewaltigen Gebirgsschub ein Vorläufer der Alpen aufgetürmt worden. Er wird als das Variskische Gebirge bezeichnet. (Vergl. die Karte Seite 5.) Seine Hochgebirgsketten sind im Verlauf der Jahrmillionen zum Großteil wieder abgetragen worden, und es ragen von ihm nur noch unsere Mittelgebirgshorste auf, die sich von der Bretagne über Vogesen-Schwarzwald, Hunsrück-Taunus, Spessart und Harz bis zur böhmischen Gebirgsmasse verfolgen lassen. Am Nordsaum des variskischen Gebirgskernes dehnen sich, wie man deutlich erkennt, die großen Steinkohlenbecken aus. Sie erstrecken sich von Irland und vor allem von England bei Kenfc über den Kanal nach Boulonnais im Nordwesten Frankreichs und weiterhin über Belgien, Holland, Aachen zum rheinisch-westfälischen Steinkohlenbecken bis gegen Osnabrück und Detmold. Eine gesonderte Stellung nimmt das gleichfalls strandnahe oberschlesische Steinkohlenbecken ein, das mit dem Donez-Becken und auch mit dem asturischen Becken Spaniens in eine Linie gestellt worden ist. Diese Becken gehören zur südlichen Saumtiefe, wie die Karte zeigt. Im alten variskischen Festland selbst sind kleinere Steinkohlenbecken entstanden, zu denen vor allem Commentry und Creuzot in Frankreich, das Saarbecken und das niederschlesische Kohlengebirge gehören. - In der Saummulde längs des alten Gebirgskernes lagerten sich Schlamm und Sande in Form von Deltabildungen ab. Auf dem an Nährstoffen reichen Boden dieser Schwemmlandgebiete erwuchsen, begünstigt durch die besonderen klimatischen Einflüsse des nahen Meeres und durch reiche Niederschläge, üppige Waldmoore. Sie *) Abgeleitet von dem lat. Wort carbo = Kohle.
wurden, da sich der Untergrund ständig langsam senkte, später wieder unter dem Material, das die vom Gebirge herabströmenden Bäche mitführten, und unter dem sich absetzenden Geröll des zeitweise überflutenden Meeres begraben. In den darauffolgenden Zeiten der Ruhe oder geringeren Senkung der Erde siedelten sich auf dem neugebildeten und von ^Vasser freien UnJunger Zweig eines tergrund wieder vom Schuppenbaumes Land vordringende, mächtige Küstenmoore an. Gleichzeitig breiteten sich auch in den verlandenden Binnenseen Moore und Wälder aus. Sie wurden später im Rhythmus der Senkung ebenfalls mit Geröllmassen überdeckt.Diese Vorgänge wiederholten sich unzählige Male im Verlauf der Steinkohlenzeit, so daß sich nicht nur e i n Kohlenflöz bilden, sondern viele, stellenweise mehr als hundert übereinander ablagern konnten. In der Zeit des oberen Karbons und desPerms kam es zu neuerl i chenGebir gsbewegungen.dieauch den Untergrund mit den karbonischen Abdruck eines als Versteinerung im Schieferton Ablagerungen falteerhaltenen (fossilen) Farnblattes aus demSieinten. Dadurch wurde kohlenwald
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die Kohlenbildung unterbrochen und das Strandgebiet zum Festland. * Man glaubt nun, daß in jener Frühzeit der Erde die Atmosphäre kohlensäurereicher war als heute. Mit Kohlensäure also aufs beste versorgt, aus dem feuchten Schlammgrund und von den reichen Niederschlägen genährt, haben sich jene Küstensümpfe zu den üppigen Moorwäldern entwickeln können, die weithin das Land bedeckten. Diese Wälder, in denen sich die wenigen Baumarten eintönig wiederholten, boten ein trostloses, melancholisches Bild. Die Waldbäume, die -ihre kaum verzweigten Aste starr in die Höhe streckten, sahen gegabelten Besenstielen ähnlich. Sie hatten keine weitausgreifenden Kronen, sie warfen kaum Schatten, so daß in ihrer nahen Umgebung die kleinen Pflanzen, niedrige Farne und Farnsamer, gedeihen konnten. Die riesigen Bäume, die in dünnschlanken oder in mächtigen Stämmen bis zu vierzig Meter hoch aufragten, hatten sich wundervoll dem seichten Untergrund angepaßt. Mit ganz breit ausgreifenden Wurzeln klammerten sie sich in den Moorboden und fanden Halt. In diesen Moorwäldern gab es keine Blumen und kein Blühen, kein farbiges Leuchten. Das Grün des reichlich wuchernden Blattwerks kam in dem Dunst, der über diesem Lande lag, kaum zur Geltung. Schachtelbäume (Calamites), deren kümmerliche Nachkommen unsere Schachtelhalme sind, Schuppenund Siegelbäume (Lepidophyten) bildeten den Baumbestand der Sumpfflachmoore. Die Blattnarben der Siegelbäume (Sigillarien) waren wie Siegel in senkrechten Reihen am Stamm angeordnet. W i e mit einem Petschaft schienen sie in die Rinde eingepreßt. Die Schuppenbäume, die riesenhaften Vorläufer des heutigen kleinen Bärlapps, hatten ihren Namen von den wie Fischschuppen aneinander gereihten Blattmalen. Ihr Stamm gabelte sich in der Mitte, wie man das heute nur noch bei tieferstehenden Gewächsen, z. B. beim Blasentang, findet. Am Ende der Gabelungen saßen inmitten von dünnen, langgestreckten Blättern die Sporenzapfen, die im Reifezustand ihre Sporen verschwenderisch ausschütteten. Dazwischen wuchsen Farnbäume, die wie riesige feingliedrige Fächer aussahen. In diesen düsteren, vor Feuchtigkeit triefenden Steinkohlenwäldern, in denen es keinen Frühling und Herbst und Winter gab — die Bäume zeigen keine Jahresringe —•, tummelten sich vielerlei Lebewesen. Zwar konnten in diesen Sümpfen noch keine Säugetiere leben, auch Vogel sangen nicht in den Baumkronen. All diese Tiere, alle Säugetiere und selbstverständlich auch der Mensch gehören einer viel späteren Entwicklungsstufe an. Hingegen kroch die bis zwei Meter lange Riesen-
assel (Arthropleura armata), einem Tausendfüßler ähnlich, durch den Schlamm. Insekten, die hier günstige und von keinen Vögeln bedrohte Brutstätten fanden, waren von ungewöhnlichem Wuchs. Die Riesenlibelle Meganeura hatte sogar eine Flügelspannweite von 70 cm. W i e ein kleines Flugzeug brummte sie durch die Wälder, die zeit-
Die Riesenlibelle des Steinkohlewwaldes spannte ihre Flügel 70 cm weit. Wie ein Flugzeug brummte sie durch die Wälder weise durch Vulkan- J| ausbrüche in blutrotes Licht getaucht wurden. Süßwassermu- ft schein lebten in dem Morast. Fische mit quastenartigen oder stachligen Flossen, erreichten eineinhalb Meter Länge. Auch Lurche und Molche bis zur Schildkrötengröße waren als charakteristische Sumpfbewrohner hier heimisch. Die alten Bäume, die ihre "Wurzeln im Schlamm haltsuchend weit auseinander spreizten •—• man findet sie versteinert unter den Steinkohleschichten — starben ab, meist durch das Ansteigen des Wasserspiegels. Stürme, Windbrüche zerstörten die Wälder, Überall lagen umgestürzte, zersplitterte Baumriesen, Sie wurden vom Wasser, Schlamm und Geröll bedeckt und vertorften. Vertorfung tritt nur unter ^uftabschluß ein. An der Luft verwesen die Pflanzen, wobei ihre organischen Bestandteile restlos verschwinden. An dieser Pflanzenumwandlung in Torf unter völligem Luftabschluß, die nur durch eine bestimmte rhythmische Senkung des Untergrundes und die Bedeckung des Torfes mit Wasser und Sedimentgestein gegeben war •—• darum können unsere Hoch-Moore im Gegensatz zu den Flachmooren nicht zu Kohle werden •—• wirkten außerdem noch Bakterien mit. Vertorfung und Fäulnis waren also der Auftakt zur Kohlebildung. Die eigentliche Umwandlung erfolgte in der sogenannten Inkohlung. Sie war eine langsame Umbildung unter Einwirkung von Druck und Wärme, die sich an den Vertorfungsvorgang anschloß. Torf besteht hauptsächlich aus festen Kohlenwasserstoffen, die durch Inkohlung immer kohlenstoffreicher und Sauerstoff- sowie wasserstoffärmer werden. Es war ein langwährender Umbau, bei der der Kohle der Sauerstoff
unter Kohlensäureabspaltung entzogen wurde, während sich der( Wasserstoffgehalt durch Bildung von Grubengas (Methan) verringerte. So wurde aus dem Torf die Braunkohle, aus dieser die Steinkohle und schließlich Anthrazit, die kohlenstoffreichste Kohle, sowie endlich der Graphit, fast reiner Kohlenstoff. Die Kohle ist aber nicht mit dem Element Kohlenstoff identisch. Sie enthält überhaupt keinen freien Kohlenstoff, sondern ist ein Gemenge von organischen Verbindungen, die sich vor allem aus Kohlenstoff sowie Wasserstoff und Sauerstoff aufbauen. Der Übergang der Kohlen zur jeweils nächsthöheren Stufe vollzog sich unter Abgabe großer Gasmengen. Der erhebliche Sauerstoffverlust, der im Bereich der Braunkohle begann und bei der Steinkohle bis zur Gasflamm- und Gaskohle anhielt, konnte nur dadurch zustande kommen, daß Kohlensäure ( C 0 2 ) und vielleicht etwas Wasser (H a O) gebildet wurden. Hierzu trat die Bildung von Grubengas, vorwiegend von -Methan (CH 4 ). Die Umbildung in Kohle erfolgte also, während sich kurz nach der Schichtenbildung das Kohlengebirge auffaltete, unter dem Einfluß der dabei auftretenden hohen Drücke und Temperaturen. Die Gasmengen hatten also in den folgenden Jahrmillionen Gelegenheit zu entweichen, und das ist auch der Grund, weshalb die meisten Steinkohlengruben heute schlagwetterarm oder -frei sind. Dort aber, wo in jüngeren Erdzeiten eine neuerliche Faltung eintrat, die die Inkohlung fortschreiten ließ, blieben die dabei gebildeten Gasmengen in der Kohle zurück, zumal oft abdichtende Überlagerungen des Flözgebirges ihr Entweichen verhinderten. So gibt es z. B. am Südrand des Oberschlesischen Steinkohlenbeckens, wo die im Tertiär aufgeschobenen beskidischen Decken der Karpathen*) an das Steinkohlengebirge herantreten, Schächte, in denen auf eine Tonne geförderter Kohle seit Jahrzehnten mehr als l oo cbm Grubengas ausziehen. Im allgemeinen nimmt der Grad der Inkohlung und damit der W e r t der Kohle mit der Tiefe zu. Vor allem wirkt dabei die Gebirgsfaltung mit. Der Anteil an flüchtigen Bestandteilen — Gas, Gaswasser und Teer, der Ausgangsstoffe für die Nebenproduktion —• vermindert sich hingegen mit dem Alter. Die unreifste Steinkohle ist Flammkohle mit 39—45°/o flüchtigen Bestandteilen. Es folgen Gasflammkohle (33—3 9 %) und Gaskohle (28—33%). Am wertvollsten für die Industrie ist die Fettkohle (18—28 0 / 0 ), auf der die Hüttenkokserzeugung beruht. W i r d bei weiterer Reifung die Steinkohle noch m i *) Beskiden sind Ausläufer der Karpathen.
gerer an flüchtigen Bestandteilen, so nennt man sie Eßkohle (12 —18°/0) und Magerkohle (8>—12°/0). Die gasärmste Kohle ist der Anthrazit (4.— 8°/0). Er geht schließlich in den eisenschwarzen oder bleigrauen Grafit, reinen Kohlenstoff, über, den wir von unseren Bleistiften her kennen. Bei der industriellen Verwendung der Kohle spielt darüber hinaus ihr Heizwert eine Rolle, man mißt ihn nach Wärmeeinheiten ( W E ) . Die Asche •— der Anteil ihrer mineralischen Bestandteile •— darf bei guten Qualitäten nicht mehr als 7°/0 betragen. Auf Grund der sich so ergebenden AVerte erfolgt der Einsatz der Kohle, z. B. der Magerkohle in Feinkohleform für die Brikettierung, der Fett- und Gaskohlen zur Koks- und der Gaskohlen zur Gaserzeugung. Nun wird man sich vorstellen können, daß einer Kohlenschicht von ein Meter Dicke nicht eine Waldschicht von gleichem Ausmaß entsprochen haben kann. Bei ihrer Umwandlung in festeste Kohle verlieren die Pflanzenmassen nämlich bis zu 96 Prozent ihres Rauminhaltes. In einem ein Meter dicken Kohlenflöz ist der Waldbestand eines ganzen Jahrtausends zusammengepreßt. Es gibt aber Flöze, die bis zu 20 Meter Mächtigkeit haben. 20 000 Jahre vergingen also, bis die Sumpfwälder herangewachsen waren, die dann in diesem einen Kohlenflöz in Kohle verwandelt wurden. W e n n \vir bedenken, daß oft Hunderte von Kohlenflözen von geringerer oder größerer Dicke in einem einzigen Steinkohlengebirge übereinanderliegen, so erhalten wir eine Vorstellung davon, daß wir es in der Geschichte der Kohle tatsächlich mit ungeheuren Zeiträumen zu tun haben, wie sie die wissenschaftliche Forschung ermittelt hat. W i r dürfen aber nicht glauben, daß die Kohlenflöze den größten Raum im Steinkohlengebirge einnehmen. Im Gegenteil. Die Mächtigkeit des kohleführenden Gebirges beträgt z. B. im Ruhrgebiet rund 3ooo m. Darin liegen 92 bauwürdige Flöze mit insgesamt 79,5 m Kohle. Das sind also nur rund 2,7 °/0 der Gesamtschichten. Die übrigen Schichten bestehen aus Schiefertonen, Sandsteinen, Sandschiefer und Konglomeraten. Der tektonische Bau (Gebirgsbau) der Kohlenlager ist ausschlaggebend für die bergbauliche Gewinnung der Kohle, die durch starke Faltungen und Verwerfungen der Gebirge sehr erschwert wird. Ohne Aufschlußbohrungen ist das Aufsuchen der kohleführenden Schichten —• da sie meist unter einem viele hundert Meter mächtigen Deckgebirge liegen -— gar nicht möglich. D a s waren die Ursachen dafür, daß der Steinkohlenbergbau erst sehr spät, nachdem er auf den Erfahrungen in der Erzgewinnung' fußen konnte, zur Blüte kam.
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Am
Lagerfeuer
int
Tschaischan-Gebirge
Unvorstellbar lange Zeiten dauerte es also, bis sich die Kohleschichten der Erde bilden konnten. Dann lagen sie meist unter einem vielhundert Meter mächtigen Deckgebirge und waren durch diese Decke und ihre Faltungen vor weiterer Zerstörung geschützt. W e r aber weckte die Kohle zuerst aus ihrem Dornröschenschlaf? Dieser Augenblick, da sich die Tiefe des Kohlengrabes öffnete, interessiert uns sehr. W i r wollen wissen, wann man zum ersten Male den schwarzen Stein aus der Erde hob, um ihn zu nutzen. Man sagt, daß die Chinesen die ersten gewesen seien, die Kohle gegraben und verfeuert hätten. Schon vor 2000 Jahren hätten die chinesischen Hausfrauen mit Kohle ihren Herd erwärmt. W a r e n Chinesen vielleicht gar die Entdecker des brennenden Steins? Eine Szene, wie sie sich vielleicht vor Jahrtausenden abgespielt hat, taucht vor uns auf. — Ja! So könnte es gewesen sein: Die Sonne war 1 schon im Untergehen, als eine Karawane gegen den eisigen Wind auf der Paßstraße des Tschaischan-Gebirges in Schantung ankämpfte. Der Gang der Tragtiere, erschöpft von dem beschwerlichen Marsch über das Gebirge, hatte sich sehr verlangsamt. Auch die Rufe der Treiber klangen matter. Endlich fand der Vorreiter einen geschützten Lagerplatz. Morgen würden sie die Ebene erreichen, würden sie in Tsinangfu am Gelben Fluß rasten können. Während die Tiere, ihrer Lasten ledig, mit zusammengekoppelten Vorderbeinen das spärliche Gras abweideten, saßen die Männer schweigend um das Lagerfeuer, das sie aus dem schnell zusammengetragenen Tierdung entfacht hatten und dessen Rauch, die Augen beizte. Die Nacht verging. Als sie aufwachten, sahen sie, daß das Feuer immer noch brannte, obwohl die Dungvorräte längst erschöpft sein mußten. Ja, es schien den Männern, als ob das Feuer nun noch größere W ä r m e ausstrahle als am Abend zuvor. Als es dann genügend hell geworden war, entdeckten sie das Seltsame: die Steine, auf denen sie das Feuer bereitet hatten, brannten. Brennende Steine! Sie waren in dieser Einöde, in der kein Baum, kein Strauch wuchs, wirklich ein Wunder, ein Geschenk einer gnädigen Gottheit. Als die Karawane am Abend dieses Tages in die Stadt am Gelben Fluß einzog, da verbreitete sich die Kunde vom brennenden Stein wie ein Lauffeuer. Verwundert sahen die Menschen auf die unscheinbaren schwarzen Brocken, die aus den Säcken der Lasttiere herausrollteh. Steine, die brannten, die wärmten .— konnte der Himmel die leidende Menschheit herrlicher beschenken?
Die liegende vom Sehmied Hullos Ais der venezianische Weltreisende Marco Polo, der im 13. Jahrhundert Asien bereiste, die Kunde vom brennenden Stein nach Europa brachte, da hatte man ihn auch hier bereits an manchen Orten aufgefunden. Die Berichte darüber wurden in den Chroniken der Klöster aufgeschrieben. Und so ist es nicht verwunderlich, daß die ersten Kohlenfunde in Europa mit einer alten Legende verknüpft wurden. Sie erzählt, daß kurz vor dem Tode des Lütticher Fürstbischofs de Cujik, der um das Jahr 1200 starb, ein alter Mann •— ein Engel, behauptet der Klosterschreiber — zum Schmied Hullos gekommen sei und ihn gefragt habe, wie er mit seinem Gewerbe zufrieden sei. O, an Arbeit fehle es ihm nicht •— so habe der Schmied geantwortet •—•, aber die hohen Preise für die Holzkohle, sie fräßen ihm den ganzen Gewinn! Als der Fremde das gehört habe, sei er mit dem Klagenden vor dje Türe getreten und habe auf den nahegelegenen Mönchsberg gezeigt und gesagt, dort möge er hinaufsteigen. Auf diesem Berge werde er schwarze Steine finden, und die solle er anzünden; sie würden ihm die Holzkohle vollauf ersetzen. Der Schmied Hullos tat, was ihm der Unbekannte geheißen; denn tatsächlich tritt hier das produktive Steinkohlengebirge zu Tage. Da die Steinkohle im Französischen houille heißt, liegt die Vermutung nahe, daß dieser Schmied Hullos eine sagenhafte Gestalt ist, die das fabulierende Volk mit der Entdeckung der Kohle in Verbindung gebracht hat. In Wahrheit war die Kohle auch in Europa weit früher schon bekannt. Schon im Jahr 852 war in England die Ablieferung von Kohle den Lehnsleuten der Abtei Peterborough zur Pflicht gemacht. Auf dem Kontinent selber darf wohl die Gemeinde Kirchrath, die im alten Limburger Herzogtum liegt, für sich in Anspruch nehmen, die ersten Kohlenfunde gemacht zu haben. Die Annalen des Klosters, dem dieses Gebiet gehörte, berichten, daß man dort bereits m3 Steinkohlen graben ließ, selbst verbrauchte oder gegen Entgelt verwertete. Dieses Kloster besaß übrigens kluge Äbte, die nicht nur eine gute Vorstellung von der Ausbreitung der Ablagerungen hatten, sondern auch den Bergbau durch technische Einrichtungen sehr förderten. Sie ließen bereits um 1600 die Worm stauen und betrieben mit den Stauwässern über große Räder die Pumpen zum Heben der Bergwässer. Auf diese V/eise erreichte der Kohlenbergbau dort im Schachtbau schon Tiefen von 20 Lachter (1 Lachter = 2 m) und mehr unter dem Flußtal. Ob nun die Kohle zuerst in Limburg, Lüttich oder England entdeckt wurde — wahrscheinlicher ist, daß ziemlich gleichzeitig überall dort,
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wo eine blühende Schmiedekunst die Wälder abgeholzt hatte, nun die Suche nach einem neuen Brennstoff begann. Die Untersuchung der zutage tretenden Flöze lag dabei nahe. So tauchen im 12. und i 3 . Jahrhundert überall in Westeuropa die Nachrichten vonKohlefunden auf: 1183 benutzten die Sheffielder Schmiede Steinkohle zum Schmieden, 1239 wurden der Stadt New Castle Kohlenrechte verliehen, i32i baute man in Rochela-Moliere im Loiretal Steinkohlen ab, 1348 verbot das Zwickauer Stadtrecht das Schmieden mit Steinkohlen. Die älteste Urkunde aus dem Inde-Becken, dem Eschweiler Revier nördlich von Aachen, trägt die Jahreszahl 1394. Auch der Ruhrbergbau ist schon mindestens 600 Jahre alt. Die erste Kunde von der Saar stammt aus dem Jahre i52g, und Schlesiens Bergbau, der erst nach der Besitzergreifung dieses Gebietes durch Friedrich den Großen zur Blüte kam, datiert aus den Zeiten vor dem 3ojährigen Krieg.
Steinkohlenbergbau
in
alter
Zeit
D ie ersten Kohlengruben entstanden dort, wo die Flöze zutage traten. Man trieb horizontale Stollen in den Berg.. Aus ihnen konnte man das immer wieder hereinbrechende Wasser verhältnismäßig leicht ableiten. Von diesen Stollen aus ging man der Kohle mit der Keilhaue zu Leibe. Daran änderte sich im Verlauf der Jahrhunderte nicht viel. Bessere Werkzeuge, Maschinen, gab es ja noch nicht. Und selbst wenn sie erfunden gewesen wären, die Gewerken hätten sie wohl kaum bezahlen können. Eine Kohlengrube war durchaus noch keine Goldgrube. Nicht umsonst fängt das Bergmannsalphabet mit Z (Zubuße) an und endet bei A (Ausbeute). Die Kohle kam aber auch deshalb nicht zu großem Ansehen, weil sie vielerorts als gesundheitsschädlich galt und in den primitiven Öfen von damals .wahrscheinlich mehr rauchte als wärmte. Vom Bergbau von einst gibt folgende Schilderung ein sehr lebendiges Bild: Da lag im Thüringer Lande zu Ende des 18. Jahrhunderts' eine kleine Kohlengrube, die recht und schlecht ihren Mann ernährte. Von dieser Grube hat uns Bergrat Voigt, der~damals in" Weimarschen Diensten stand, eine anschauliche Schilderung gegeben.' Die Grubenleute hatten in jener Grube offenbar zunächst mit wenig Erfolg gefördert. Aber dann, als sie i3 Lachter oder Klafter, d. h. 26 Meter tief gekommen waren, „verbesserten sich", wie der Herr Bergrat schreibt, „die Steinkohlen so sehr, daß man kein Bedenken trug, den Bitten der Brandtweinbrenner, welche bisher Ilmenauer Steinkohle ge-
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brannt hatten, nachzugeben und ihnen Kohle zu überlassen. Um jedoch mehr Steinkohlen gewinnen und fördern zu können, wurden etliche Stollen parallel miteinander in 14 bis 18 Lachter Entfernung auf dem Kohlenflöz hineingetrieben, einer mit dem anderen durchschlägig gemachte (d. h. verbunden) und Kühlen dabey gewonnen. Da 16 Bergleute auf einmal dahin beordert waren, so wurden eine Menge Sitzörte (Abbaue, in denen die Hauer nur sitzend arbeiten konnten) von drey Schuh Höhe und \-—5 Schuh Weite aufgehauen (1 Schuh entsprach o,3 Meter). Diese sollten bis auf einen gewissen Punkt vorgetrieben und dann rückwärts ein Stoß (eine Front) davon mit abgebauet und dahinter alles mit den bey der Arbeit vorkommenden "~ Bergen (Gesteinen) versetzt werden. Anfänglich ging diese Arbeit gut vonstatten; da aber die Sitzörter zu nahe aneinander angesetzt "waren, so erfolgten nicht nur auf den Sitzörtern, sondern auch in den Stollen selbst mehrere Brüche. Die Bergleute hieben nun ein anderes Sitzort, wo sie mächtigere Kohle vermuteten, wieder auf und arbeiteten heraus, was sie bekommen konnten. Fanden sie ihren Vortheil nicht mehr bey diesem Ort, so gingen sie davon ab und ließen es zusammenbrechen. Die Stärke der Knappschaft richtet sich nach dem Kohlen-Absatz, der wieder von dem mehr oder weniger starken Brandtweinbrennen hiesiger Gegend abhängt. Doch können im Durchschnitt 16 bis 17 Menschen ihren Unterhalt dabey finden, wenn es auch nur mittelmäßig gehet. Der Steiger muß außer seiner Aufsicht auch noch für die Unterhaltung der Zimmerung (das Abstützen der Decke) sorgen. Ein Kohlenmesser macht die von den Häuern geförderten Kohlen rein (er entfernt die Berge), stürzt sie (auf die Halde) ab und mißt sie gegen die vom Rechnungsführer ausgestellten Ladescheine wieder zu. Alle bergmännischen Arbeiten sind verdingt (d. h. geschehen im Akkord), wobey das Schichtlohn ,(der Grundlohn für einen Arbeitstag) für einen Bergmann zu 8 Gulden festgesetzt ist; im Gedinge bringt er es aber gewöhnlich höher, öfters auf " 12 Gulden. Beym Verdingen wird gleich mitberechnet, daß die Häuer für die Förderung stehen (verantwortlich sind). Das hat den Vortheil, daß sie ihre Karrenläufer (Schlepper), wenn es gerade nichts zu laufen giebt, zu den Häuerarbeiten anhalten und darin unterrichten, wodurch junge Bergleute angezogen werden. So sind vom November 1799 bis Decembers 1801 12 161 Scheffel (Weimar. Scheffel = 160 Pfund) Steinkohlen gewonnen, davon 11 107 Scheffel verkauft und 4259 Reichsthaler und 12 Gulden dafür eingenommen worden. Anfangs war der Preis für einen Weimarischen Scheffel 14 Gulden; um aber den Gebrauch derselben gemeinnütziger und beträchtlich wohlfeiler als Holz
zu machen, setzten die Herren Gewerken selbigen auf 8 Gulden herunter". Soweit der Herr Bergrat Voigt. j Ks "wurden also in diesem Thüringischen Stollen im Verlaufe von zwei Jahren 972,88 t Kohlen gefördert. Das entsprach einer monatlichen Förderung von 4o,53 t. Nimmt man an, daß dafür 16 Mann eingesetzt wurden, so förderte jeder von ihnen im Monat etwa 2,6 t Steinkohle. Die heutigen Förderziffern im Ruhrbergbau liegen hingegen je Mann Und Schicht, also bei 7 1 /, Stunden Arbeitszeit, bei 2,35 t. W a s könnte uns besser als diese Zahlen deutlich machen, welch gewaltige Fortschritte in den vergangenen i5o Jahren im Steinkohlenabbau gemacht worden sind. Die Erfinder waren nämlich inzwischen dem Bergmann zu Hilfe gekommen. Und das war nur durch das Zusammentreffen von Kohle und Eisen möglich geworden, von dem wir zu Beginn gesprochen haben, als "wir Lord Dudley in den Schuldturm begleiteten. Es gab seit i5o Jahren ein unaufhörliches Befruchten beider Rohstoffe, Eisen und Kohle, das immer höhere technische Leistungen hervorbrachte. D i e / Verkokung der Steinkohle ermöglichte die Massenproduktion des Eisens. Man brauchte also für die aufblühende Eisenindustrie Kohlen, immer mehr Kohlen. Um die Kohlen in diesem Umfang fördern zu können •—
sie lagen ja nur in den wenigsten Fällen bequem zu Tage — benötigte man Maschinen, vor allem Pumpen; sonst "wurde man des Wassers in den tiefer gelegenen Stollen und Schächten nicht mehr Herr. Da erfand der Schmied Newcomen eine auf der Papinschen Grundlage arbeitende Feuermaschine zum Betreiben der Pumpen. Sie arbeitete- allerdings sehr unwirtschaftlich, da sie die Kohle, viel Kohle, direkt fraß. Manche Bergwerke, die. viel Wasser abzuführen hatten, mußten darum ein Drittel und mehr ihrer Förderung zum Betreiben dieser Feuermaschine verwenden. Erst die Erfindung James W a t t s um 1778, der nicht nur die Kondensation des Dampfes, sondern den Dampf selbst als Antriebskraft ausnützte, machte die Dampfmaschine wirtschaftlich. Mit der Dampfmaschine aber begann die moderne Bergbautechnik. Schon wenige Jahrzehnte nach ihrer E r n n c m n o konnte auch der Transport der Kohle durch die Erfindung der Eisenbahn vereinfacht werden. Kohlenwagen auf Gleisen, die auf abschüssigen Strecken durch ihre Schwere mit Hilfe von Drahtseilen die leeren Wagen heraufzogen, gab es schon vor 1800. 1822 baute George Stephenson, der Schöpfer der Eisenbahn, die ersten fünf Lokomotiven für eine Kohlenbahn in Sunderland. 1
SSO
Der Querschnitt durch das Buhrkohlenbechen zeigt deutlich die Störungen im Kohlengebirge. Die übereinanderliegenden .Flöze sind mit ihren Sätteln, Mulden, Sprüngen und Verschiebungen durch das ganze Gebirge zu verfolgen
N u n h a t t e m a n also W e r k z e u g e und M a s c h i n e n , die die F ö r d e r u n g steigerten. E s gab E i s e n b a h n e n , schiffbar gemachte Flüsse und K a n ä l e , auf denen die K o h l e in großen M a s s e n , billig und schnell zu den E i s e n h ü t t e n , den S t a h l und " W a l z w e r k e n , den M a s c h i nenfabriken t r a n s p o r t i e r t w e r d e n konnte. D a s Maschinenzeitalter b r a c h a n . E i s e n und K o h l e p r ä g t e n d a s G e s i c h t der Technik, gaben ihr F o r m u n d F a r b e . Gleichzeitig kündigte sich eine R e v o l u tion der C h e m i e durch die K o h l e a n . K o h l e w u r d e zum n a h e z u unerschöpflichen Grundstoff für alle möglichen w e r t v o l l e n P r o d u k t e . E s setzte sich die Ü b e r zeugung durch, d a ß sie zu kostb a r sei für d a s einfache V e r heizen. So t r a t um 1900 die Kohleveredelung in den V o r d e r grund. A u s Kohle w u r d e n alle jene u n s c h ä t z b a r e n Erzeugnisse, die die moderne C h e m i e heute a u s dem Kokereigas oder bei d e r Kohlehydrierung gewinnt: Öle, Benzin, Alkohol, Wasserstoff, Ameisensäure, Essigsäure, Kalkstickstoff, H a r z e , P e c h , L e u c h t gas, N a p h t h a l i n , Benzol, S t r a ß e n t e e r , K a r b o l i n e u m , Paraffin, T e e r öl, Salmiakgeist, A m m o n i a k , S a l p e t e r s ä u r e , K a r b i d , Sprengstoffe, Heilmittel, Desinfektionsstoffe, L a c k e , F a r b e n , Filme, K u n s t h a r z e , Riechstoffe, Süßstoffe u . a . Außerdem Elektrizität.
Erklärung zum Schnitt durch Steinkohlenbergwerk 1 2 3 4 5 6 7 S
9 10 11 12 13 14 15 10 17 IS 19 20 21 22 23 24
ein
Fördermaschine mit Seil-Scheiben Förderseil (s. Seite 19) Förderturm mit Seilscheibengerüst Schachtgebäude mit Hängebank Großsieberei mit Wäsche Lüfter (Venlilator) Ausziehweiter-Schlot Förderturm des Wetterschachtes (Der Schacht ist mit einem Deckel abgeschlossen, der durch die aufgehende Förderschale aufgehoben wird. Sie übernimmt dann den wetterdichlen Abschluß des Schachtes) Kohlen-Halde Förtder-Schacht Förderkörbe Kohlenflöze Alle Förderstrecke im ausgehöhlten, mit Bergen versetzten Raum Füllorte Verwerfung der Gebirgsschichten Förder-Querschläge Schacht- und Pumpensumpf Abgeworfener, teilweise bereits verbrochener Querschlag Abschlußdämme alter, verlassener Querschläge Streckenvortrieb im Kohlenflöz mit Schrämmaschine, die auf einer Spannsäule verlagert ist Pumpenhaus (Hauptwasserhaltung) Der Querschlag hat das Kohlenflöz „angefahren" Wetter-Schacht mit Hilfsförderung Fahrten (Leitern) zur- Befahrung des Schachtes bei Reparaturen
/
Wir fahren unter
Tag
N ur kleinere ben betreiben auch Heute noch den Steinkohlenbergbau in Stollen. Wahrzeichen der großen Grubenreviere sind jetzt die Fördertürme mit den sich drehenden Scheibenrädern, die feurigen Lohen der Koksbatterien und der Hochöfen, die nachts -weithin das Land erleuchten. Denn das Eisen hat sich inzwischen bei der Kohle angesiedelt, mit der es ja schon so lange befreundet -war. Städte, über denen Rauchpilze schweben, Kanäle und Flüsse, auf denen die Schleppkähne mit Kohle ziehen, ein blitzendes Schienennetz, das die Schächte und Fabriken miteinander verbindet, sie gehören genau so zur Kohle wie die endlosen Alenschenkolonnen, vor denen sich jeden Morgftn die Werkstore weit öffnen und die nach Schichtschluß in die Städte zurückfluten. W^enn auch die Kohle dem Land ihren Stempel aufgedrückt hat, ganz ummodeln ließ sich die Natur nicht. Oft ist der Bauer geblieben. Dann gehen seine Felder bis an die Umzäunung der Zechen. Er zieht den Pflug über die gleichen Äcker, die einst sein Urahn bestellte, nur daß die dunklen Halden seine Nachbarn geworden sind. Sein altes, von Eichen umstandenes Haus gewöhnte sich an die Nähe'der Schlote. Die Waiden, auf denen die blanken Kühe grasen, die Laubwälder, die ein grünes Gehege um die Schachtanlagen legen, geben diesen grauen Stätten harter Arbeit oft etwas Versöhnliches; denn nicjit nur das reifende Korn ist uns lebensnotwendig, sondern auch die Kohle, die ein paar hundert Meter tiefer unter ihren W^urzeln aus der Erde gegraben wird. In einer modernen Zeche an der Ruhr wollen wir mit unter Tag. Die erste Schicht ist längst eingefahren, als wir im Grubenzeug aus der Waschkaue in den Verbindungsgang treten, der das W^erksgebäude mit der Hängebank verbinde^; Mit einem freundlichen „Glück auf]" händigt uns der W ä r t e r in der Lampenstube die Grubenlampen aus. W^ie die Lebenslichter in der Stube des Todes, von der das Grimmsche Märchen erzählt, so sind sie neben den Sicherheitslampen an Gestellen aufgereiht. W i r stehen auf der Hängebank (s. Abb. Seite 19), hören das Signal, das der Anschläger dem Fördermaschinisten gibt, das Sausen des Förderseils, das mit einem plötzlichen Krachen die Förderschale, ans Tageslicht bringt. Mit Kohle vollgeladene Hunde — mancherorts sagt man einfach Waagen — rollen an uns vorbei über Schienen zur Sortieranlage. Die Schale ist für uns frei. W i r lehnen uns fest an die W a n d dieses Käfigs. Wieder ertönt ein Signal, und die Fahrt in die Tiefe beginnt. 16 Meter fallen wir in der Sekunde. Es ist ein atemberaubender Sturz 20
•*» in die Unterwelt. Nur ein blitzartiger heller Schein deutet jeweils an, daß wir eine Sohle passieren. Wenn jetzt das Seil risse ? Als hätte der Steiger den Gedanken erraten, sagt er: „Die Förderseile —- es sind sechslitzige Rundseile oder Dreikantlitzenseile ausTiegelgußstahl .— werden fortlaufend geprüft, so daß Brüche nach menschlicher Voraussicht nicht vorkommen können. Wenn das Seil aber tatsächlich risse, sind am Fördergestell Fänger angebracht, die sofort an den Führungslatten eingreifen und die Schale langsam zum Stillstand bringen." „Und dann sitzen wir hier im Schacht für die nächste Zeit fest?" fragt einer. „Aber nein", antwortet ihm der Steiger, „wir müßten an den Fahrten, die an der Schachtwand angebracht sind, hinaufklettern." Auf diese Weise gelangten übrigens die Bergleute früher immer zu ihren Arbeitsplätzen. Elektrische Fördereinrichtungen sind eine neuere Erfindung. Als die Schächte so tief wurden — i833 teuften die Haniels im Ruhrgebiet den ersten Schacht auf 100 m Tiefe —, daß die Benutzung der Fahrten zuviel Zeit in Anspruch nahm, half man sich mit dampfbetriebeneh Fahrkünsten (s. Abb. oben). D a s waren aufund niedergehende Gestänge mit festen Tritten und Haltegriffen, gewissermaßen Vorgänger, der Paternoster. Auf den zweitrümigen Fahrkünsten, bei denen sich zwei Gestänge gegeneinander bewegten, •wechselte der Bergmann in der Hubpause von einem Gestänge zum anderen hinüber. Da die Hubhöhe etwa 3 Meter betrug, kam er auf diese Weise ohne Kraftaufwand schnell vorwärts. Streikte die Fahrkunst einmal durch eine Betriebsstörung, so konnte der Bergmann Fahrten benutzen, die neben der Fahrkunst im Schacht angebracht waren. Erst
Ende des 19. Jahrhunderts ging man zur Seilfahrt über, d. h. die Bergleute "wurden in Kübeln am Seil in den Schacht herabgelassen. D a s war nicht ungefährlich, und hur mit einer besonderen Genehmigung des Oberbergamtes durften die Gruben diese Aufzüge einrichten. Heute geht die Einfahrt schnell und sicher vor sich. s5 Mann faßt jedes Stockwerk des Förderkorbes. Vier Etagen sind im Gestell übereinander angeordnet. Die Einfahrt dauert nicht einmal fünf Minuten. Unten am Füllort wartet bereits die Lokomotive mit den Wagen. Sie bringt die Hauer bis in die Nähe ihrer Arbeitsplätze. W i r sind auf der 5oo-Meter-SohIe. 5oo Meter hoch liegen abwechselnd Schichten von Kohle, Sandsteinen und Schieferton über uns, bis die oberste Schicht zur Erdoberfläche wird. Das Erstaunlichste daran ist eigentlich, daß man diese technischen Anlagen so tief in der Erde als etwas Selbstverständliches hinnimmt. W i r lassen das hell erleuchtete Füllort, wo Schlangen vollbeladener Hunde auf die Fahrt ans Tageslicht warten, hinter uns und folgen den Gleisen, die die Hauptförders^ecÄe entlangführen. Sie ist im Gestein aufgefahren und stellt die Verbindung zwischen Förderschacht und Kohlenflöz her. TärstÖcke aus Holz fangen den Gebirgsdruck ab. Holz ist elastisch und biegt sich erst durch, ehe es bricht. Weißer Gesteinsstaub •— er soll das Wreitergreifen von Explosionen verhindern •— liegt wie %ider auf den Verschalungen. Die Grubenlampen beleuchten den W e g nur ein paar Schritte vor uns. Schweigend traben wir zwischen den Schienen dahin. Gelegentlich hebt der Steiger seine Lampe hoch und weist auf eine Verwerfung des Gesteins, die im Streichenden zutage tritt; sie ist nur ein kleines Abbild jener großen Verwerfungen, die dem Bergbau so viel Kosten und technische Schwierigkeiten bereiten (s. die Karte auf Seite 16/17). Dann kommen wir durch eine Wettentür. Ein wohltuender Luftzug strömt uns entgegen. W^etterstrom nennt ihn der Bergmann. Gute Beschaffenheit der Wetter ist das Haupterfordernis für den Grubenbetrieb. Gute Wetter haben etwa die Zusammensetzung wie die Luft über Tage. W e n n aber nun der Sauerstoff verbraucht ist und die Kohlensäure überwiegt, kann die Grubenluft in matte Wetter und durch Hinzutritt schädlicher Grubengase in böse W e t t e r übergehen. Dabei spielt auch die Temperatur eine Rolle. Bei zunehmender Tiefe steigt die Gesteins temper atur. Sie beträgt im nördlichen Deutschland bei einer mittleren Jahrestemperatur von 7 Grad C in 5oo Meter Tiefe 23 Grad C und steigert sich mit jeden weiteren 28 bis 35 Metern um je 1 Grad C. Die Grubenluft erwärmt sich auf ihrem W e g durch die Grubenbaue infolge der dort vorhandenen höheren Gesteinstemperaturen und der 22
stillen Verbre'nnungsvorgänge. Sie verliert durch Atmung, Geleucht, Oxydation von Kohle, Alineralien und Holz an Sauerstoffgehalt und nimmt überdies das der Kohle und dem Gestein entweichende Grubengas auf. Es muß also, um atemfähige, an Schlagwettern nicht zu stark angereicherte Wetter zu erhalten, eine Luftströmung, Wetterzug genannt, in Bewegung gebracht werden. Deshalb muß jede Grube außer dem Einzieh-Schacht einen zweiten Einbau haben, durch den die Wetter ausziehen, den W^etterschacht oder -stollen (s. Seite 19). In früheren Zeiten mußte man sich mit dem natürlichen W^etterzug behelfen, der bei verschiedener Hohe der beiden Grubeneihbaue durch den Gewichtsunterschied der auf ihnen lastenden Luftsäulen zurückzuführen ist. Die ersten künstlichen Mittel zur Erhöhung des W^etterzuges waren Wettertrommeln, W^etterräder und durch Pferdegöpel angetriebene Blasebälge. An ihre Stelle treten heute durch Dampfkraft oder elektrisch angetriebene Ventilatoren, die am Wetterschacht angebaut sind und die Luft ansaugen. In der Grube werden nun die Wetter so geleitet, daß alle Arbeitsorte bestrichen werden. Da die Wetter stets den ausziehenden Schacht schnell zu erreichen suchen, müssen ihnen die Wettertüren diesen W e g versperren und ihnen ihre Bahn vorschreiben. Alan verliert das Gefühl für Raum und Zeit in dieser Dunkelheit. Lichter kommen uns entgegen, Bergleute, die nach einem „Glück auf!" wieder in das Dunkel entschwinden. Vom Querschlag haben wir ein Flöz erreicht und sind dort in eine Seitenstrecke abgebogen. Jetzt sind wir in der Kohle oder besser in einem ausgekohlten Raum. Eine Förderschale bringt uns in einem Blindschacht zur hundert Meter tiefer gelegenen Sohle, wo augenblicklich gefördert wird. Das Rattern der Preßlufthämmer weist den W e g zum Abbau. Aus dem vom Licht der Grubenlampen geschaffenen Hell-Dunkel heben sich die kräüngen Gestalten der beiden Hauer ab, die die Schulter gegen den Preßluftbohrer stemmen. In rasendem, drehendem Schnellschlag frißt er sich in das Gestein. Der Schweiß hat weiße Furchen in die geschwärzten Gesichter gewaschen. •—• Hallo, ob wir es nicht auch einmal versuchen wollen? .—• Die Bedienung ist einfach. Ein Druck auf den Griff, und das Ungetüm tanzt los. Aber das ist zuviel für unsere ungeübten Hände! Grad,