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Soldatengeschichten AUS ALLER WELT
Nr. 37
Das Schwert der Wü Wüste Vom Kampf Israels gegen die Araber von
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Soldatengeschichten AUS ALLER WELT
Nr. 37
Das Schwert der Wü Wüste Vom Kampf Israels gegen die Araber von
Rolf O. Becker
ARTHUR MOEWIG VERLAG MÜNCHEN
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Abschluß und Höhepunkt einer dreißigjährigen Entwicklung in Palästina bildete der Bürgerkrieg von 1948, der Israel, dem „Nationalen Heim“ der Juden, endgültig seine Unabhängigkeit gab und der trotz UN-Vermittlung bis heute erst in einem Waffenstillstand endete. Abschluß einer Entwicklung, die im Dezember 1917 mit der feierlichen Erklärung des britischen Außenministers Lord Balfour begann. Damals versprach England den Juden einen eigenen Staat in Palästina, das zu diesem Zeitpunkt noch Durch türkischer die Juden Besitz überall war. in der Welt ging ein Aufatmen. Jetzt hatten sie wieder eine Heimat, ihr eigenes Land, das sie vor zweitausend Jahren verloren hatten. Sie begannen dieses neue Land mit allem
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Fleiß zu besiedeln und zu bewirtschaften, doch England bekam Angst um seine traditionelle Freundschaft zu den angrenzenden arabischen Staaten und vor ihrer Drohung, den „Heiligen Krieg“ gegen die Israelis auszurufen. Diese daraus resultierende Politik Englands trug die Schuld an manchem, was bis zum Ausbruch des Bürgerkriegs geschah, z. B. am Verbot einer weiteren Einwanderung und zuletzt auch am Kampf der jüdischen Terrorgruppen gegen die britische Mandatsmacht, die dann schließlich auf UNO-Beschluß im Jahre 1948 zurückgezogen wurde. Am gleichen Tage riefen die arabischen Staaten ihren „Heiligen Krieg“ gegen Israel aus. Sechs arabische Armeen - die ägyptische, saudi-arabische, irakische, transjordanische, syrische und libanesische - griffen die Juden an fünf Fronten an und - wurden in ein paar Monaten geschlagen. Ein kleines, zum Letzten entschlossenes Volk von nur knapp einer halben Million verteidigte seine neugewonnene Unabhängigkeit und Freiheit gegen eine gewaltige, von allen Seiten andrängende Übermacht, behauptete seinen jungen Staat gegen jeden fremden Zugriff.
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In die Tage dieser Kämpfe führt uns die folgende Geschichte, in die Kämpfe der „Haganah“, der einstigen jüdischen Untergrundorganisation, aus der die israelische Armee entstand, die heute das schlagkräftigste Heer im Nahen Osten ist und die von den Arabern damals nach ihrem Wappen „Schwert der Wüste“ genannt wurde. Man schreibt Mai 1958. Einen Mai, der einen schönen Sommer verspricht, einen warmen, langen Sommer. In Europa freuen sie sich darauf, hier, im östlichen Mittelmeer, spielt es keine Rolle. Hier gibt es immer Sommer, lange, heiße Sommer, unterbrochen nur von den kurzen Perioden der Regenzeit. Hier freut man sich nicht auf den ewigen Sommer, hier nimmt man ihn gelassen hin oder haßt ihn sogar. Je nach Veranlagung. Der schwache Wind bringt keine Kühlung. Im Gegenteil, er bringt den heißen Hauch der Wüste hinaus bis aufs Meer, der verdorrten, versengten Wüste. Er fächert von Südsüdost heran, aus der Wüste Negeb, und überstreicht dabei jenes schmale Stück Land, das heute UNO-Truppen bewachen und aus dem sich vor noch nicht einmal zwei Jahren die Meldungen überschlugen: Den Gaza-Streifen. Jenen arabischen „Finger“, der tief nach Nordosten am Mittelmeer entlang ins israelische Land ragt und den die Streitkräfte des jungen Staates Israel während der Suezkrise in wenigen Tagen freikämpften und besetzten, und den sie dann vor den UNO-Truppen wieder räumen mußten. Der Ventilator in der Bar auf dem Sonnendeck der „Teneriffa“ surrt auf vollen Touren, aber dieser heiße, gleichmäßige Hauch von der Wüste her ist stärker. „Man sollte Wüsten verbieten“, brummt Jeff Turner und wischt sich mit dem Taschentuch den Schweiß von der Stirn. „Man ist gerade dabei“, sagt sein Gegenüber lächelnd. „Da, wohin dieses Schiff fährt, verbietet man die Wüste, Mr. Turner.“ „Wie das?« „Israel!“ sagt der schlanke, etwa vierzigjährige Mann, der neben Turner sitzt und noch immer lächelt. Er ist groß, braungebrannt und hat kurze, dunkelblonde Haare. Er ist Reporter und heißt Stanbrike,
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aber die meisten an Bord der „Teneriffa“ nennen ihn Dave. Er ist mit allen gut Freund, und das ist das beste Mittel gegen Langeweile, das es an Bord gibt, wie Mrs. Turner zu ihrer Freundin, Mrs. Chanville, unlängst sagte. Dave kennt die ganze Welt, und er kann erzählen, wie gut er sie kennt. Und er tut es gern, wenn man ihn danach fragt. Gern und interessant. „Ich weiß nur, daß dieses Schiff nach Haifa geht, Dave“, knurrt Turner. „Und ich wette, das ist ein genauso verdammt heißer Hafen wie es Bengasi war oder meinetwegen auch Tanger.“ „Kann schon sein, Turner. Aber es ist ein Hafen, der nicht mehr am Rande der Wüste liegt, wissen Sie? Vor zehn oder zwanzig Jahren, ja, da war um Haifa Wüste. Aber jetzt sind da Plantagen und Felder. Israel verbietet die Wüste, weil sie das Unrentabelste ist, was sich die Juden nur denken können. Und sie wollen nichts Unrentables in ihrem Land, verstehen Sie? Als es ihr Land wurde, waren sie eine halbe Million Israelis. Heute sind sie zwei Millionen und bald werden es drei oder vier.“ „Nie gehört, daß sich ein Volk so schnell vermehren kann“, grinst Turner und trinkt einen langen Schluck aus seinem eisgekühlten Glas. „Es kann“, nickt Dave Stanbrike ernst. „Wenn es ein Volk ist, das seine Kinder aus der ganzen Welt zurückruft, einfach durch die Tatsache, daß es nun ein Volk und eine Nation auf eigenem Grund und Boden geworden ist. Nach zweitausend Jahren in der Fremde, Turner! Sie kommen aus allen Erdteilen Rechtsanwälte, Ärzte, Handwerker, Händler. Sie kommen in das, was sie ihr „National Home“ nennen, ihre „nationale Heimat“. Sie kommen offen und frei, in der ersten Klasse großer Dampfer oder im Zwischendeck von Trampschiffen. Aber sie kommen, wie sie kamen, als Israel noch kein Staat war und gegen eine ganze Welt darum kämpfte, einer zu werden. Und ihre Wege kreuzen sich dort, wo unser Schiff festmachen wird: In Haifa.“ „Und was macht dieses Volk mit den Rechtsanwälten, Ärzten, Handwerkern und Händlern? Ich denke, man braucht nicht gerade Anwälte, wenn man die Wüste verbietet, oder? Es sei denn, man will
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es auf juristischem Weg tun, aber das führt wohl nicht weit?“ „Es macht Siedler aus ihnen, Turner. Willige, entschlossene, zähe Siedler. Sie werden es erleben.“ „Und Sie haben es sicher schon erlebt, Dave?“ wirft Mrs. Turner ins Gespräch. „Sie waren schon hier, nicht wahr?“ Dave Stanbrike lächelt seltsam, ehe er nickt. „Ja, ich war schon einmal hier. 1948 als Korrespondent. Man schickte mich von den Staaten hierher, weil ich etwas Hebräisch spreche und weil Hebräisch am 15. Mai 1948 die Landessprache wurde.“ „Wieso sprechen Sie Hebräisch, Dave?“ wollte Turner wissen und winkt dem Mixer nach neuen Drinks. „Ziemlich schwer für jemand aus den alten Staaten zu lernen, denke ich.“ „Meine Mutter“, sagt Dave Stanbrike langsam und leise, „meine Mutter war Jüdin. Sie hat mir schon als kleinem Jungen beigebracht, unsere eigene Sprache zu sprechen, wie sie immer sagte. Sie war eine von den Frauen, die glühend daran glaubten, daß der Tag kommen würde, wo alle Juden wieder ihr eigenes Land besitzen würden. Ihr eigenes Land im alten Kanaan der Bibel. Sie hat es nicht mehr erlebt, aber sie war schuld daran, daß ich gern nach Israel ging. Ich wollte das Land kennenlernen, von dem sie geträumt hat.“ „1948?“ wirft Pierre Reynolds fragend ein, ein kanadischer Kaufmann, der die Mittelmeerreise der „Teneriffa“ als ersten großen Urlaub von seinen Geschäften betrachtete. „Da war doch Krieg in Palästina? Bürgerkrieg, nicht wahr?“ „Ja, Pierre, es war Krieg und deshalb schickte mich meine Zeitung dorthin. Ich war immer da, wo es Krieg gab in den letzten Jahren. Pazifik, Frankreich, Korea, Indochina, Palästina, wissen Sie? Kriegskorrespondent!“ „Wie war es mit dem Bürgerkrieg in Ihrem Israel, Dave?“ Turners Stimme verrät Neugier, und die beiden Frauen rücken ein wenig näher. Sie kennen Stanbrike und sie wissen, daß ihnen der weitgereiste Journalist in der nächsten Stunde mehr von diesem Land, das vor dem Bug ihres Schiffes liegt, erzählen kann, als sie von ihm sonst je erfahren werden und wenn sie drei Wochen oder vier dort bleiben
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und nicht nur drei kurze Tage, wie es der Reiseplan vorsieht. Aber diesmal schüttelt Dave den Kopf. „Nehmen Sie es mir nicht übel, aber ich möchte erleben, wenn die Küste am Horizont auftaucht. Ich kann es Ihnen nicht erklären, aber ich möchte es draußen an Deck erleben, nicht hier in der Bar.“ „Keine Sorge“, lacht Pierre Reynold. „Ich komme gerade von der Brücke, Dave. Vor zwei Stunden haben wir keine Landsicht, und bis dahin werden Sie uns soviel von Israel und dem Bürgerkrieg erzählen können, daß es ein Buch füllt. Mixer, die nächsten Drinks gehen auf meine Rechnung. Wissen Sie übrigens, daß wir genau die Einfahrt von Haifa als erstes Land sichten werden? Der Erste Offizier sagte es mir.“ „Den ,Hafen der tausend Tränen’, Mister Turner. So nannten ihn die Israelis damals, als die englischen Kriegsschiffe die aufgebrachten Fahrzeuge mit illegalen Einwanderern hierher geleiteten, die Einwanderer auf britische Schiffe verluden und in Sammellager nach Cypern oder Mauritius brachten. Sie ließen keine Einwanderung ins Land zu und brachten diese Menschen, die nichts anderes wollten, als Frieden und Ruhe in ihrem Land, in neue Lager hinter Stacheldraht. Sie kamen aus Lagern in Europa, Überlebende aus dem vergangenen Krieg, hatten alle Höllen hinter sich, und wurden in eine neue Hölle gebracht. Es hat erschütternde Szenen gegeben in diesem Hafen von Haifa.“ „Und heute?“ fragt Turner. Seine Stimme ist heiser und unsicher. „Heute sind Haifas Anlagen die weit geöffneten Arme eines neuen Landes, das seine heimkehrenden Kinder empfängt, Turner. Es war es noch nicht, als mein Schiff damals ankam. Es war Anfang Mai, ein paar Tage, bevor Israel ein eigener Staat wurde und das britische Mandat endete. Es war, nachdem sechs arabische Staaten den ,Heiligen Krieg’ gegen Israel ausgerufen hatten und sich die Israelis ihrer Haut wehren mußten, wie kaum ein Volk vor oder nach ihnen. Nach zweitausend Jahren besaßen sie wieder ihr Land, und sie hatten noch am selben Tag Krieg mit allen Nachbarländern. Sie hatten keine Armee, nicht einmal eine Regierung, aber sie hatten Krieg.“ „Keine Armee?“ fragt Turner. „Krieg ohne Armee?“
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„Und wie haben sie sich gewehrt?“ Pierre Reynolds Stimme klingt leise. „So wie in Dagania, Pierre. Ich werde Ihnen die Geschichte von Dagania erzählen, einer Kollektivsiedlung nicht weit vom Jordan. Sie mag Ihnen zeigen, wie dieser Krieg geführt wurde. Es gab ein paar Schlachten und ein erbittertes Ringen um die Festung Latrun, aber typisch für diesen Krieg war der Kampf von Dagania und Dutzende anderer Siedlungen überall am Rand der Wüste. Diese Kämpfe waren das Einmalige dieses Krieges. Hören Sie zu ...“ * Die Sonne brannte schon heiß vom wolkenlosen Himmel, und die schmale, sandige Straße warf die Hitze sengend zurück. Der Jeep zog eine lange Staubfahne hinter sich her, und Staub verkrustete die Gesichter der drei Männer, die auf seinen harten Sitzen hockten. Sie hatten es längst aufgegeben, mit dem Handrücken über die Gesichter zu wischen und zu versuchen, den Staub zu beseitigen. Lange schon, nicht erst auf dieser Fahrt. Der Staub der Wüste ist zäher als jeder Versuch, ihn loszuwerden, viel zäher. „Wir müssen bald da sein“, sagte der Fahrer zu seinem Nebenmann, ohne den Kopf zu wenden. Der Mann neben ihm nickte, ohne ein Wort zu sagen. Er suchte in den Brusttaschen seines Khakihemdes und brachte eine zerknautschte Zigarettenschachtel hervor. Er hielt sie dem Fahrer hin und dann dem Mann auf dem Hintersitz, der die Maschinenpistole nicht aus der Hand legte, als er sich mit der Linken eine Zigarette aus der Schachtel nahm. Auch seine Augen setzten ihre ständige Runde über die Wüste neben der Straße „Wird fort. auch Zeit“, sagte der Mann neben dem Fahrer, als seine Zigarette brannte. „Höchste Zeit!“ „Für einen Ausländer hast du es ziemlich eilig, ins Gras zu beißen, David“, lachte der Mann auf dem Rücksitz. Er sprach den Namen mit der eigenartigen Betonung der Israelis auf der letzten Silbe aus. „Das ist noch gar nicht ‘raus“, stellte der Angesprochene fest und grinste ein wenig. Er war groß und hager, hatte kurzes, braunes Haar und war sonnengebräunt wie alle Männer dieses Landes. Und ebenso 10
wie alle Männer dieses Landes trug er Khakihemd und Khakihosen, die über die halblangen geschnürten Stiefel fielen. In der Kleidung unterschied er sich wenig von den beiden anderen Männern im Jeep auf der Straße von Samakh nach Sha’ar Hagolan. Nur seine Kopfbedeckung war verschieden von denen der beiden anderen Männer. Er trug eine erdfarbene Mütze mit braunem Schirm und einem blauen, sechszackigen Stern vorne, mit dem Wappen des jungen Staates Israel, der gerade fünf Tage alt wurde. Die Mütze sah aus, wie eine amerikanische Offiziersmütze und an ihrer Vorderseite verriet eine weniger ausgebleichte Stelle, daß hier einmal ein anderes, größeres Wappen gesessen hatte, als jetzt der kleine, blauweiße Davidstern. Auf dem Kragen des Khakihemdes trug der Mann mit der amerikanischen Offiziersmütze und dem Davidstern als Kokarde ein daumengroßes Messingabzeichen, ein Schwert, um dessen Klinge sich der Zweig eines Dornbusches wand. Und unten, an der Spitze des Schwertes, verrieten drei Sterne seinen Dienstrang, sofern man überhaupt von Diensträngen sprechen wollte. Die drei Sterne wiesen den Mann mit der Mütze als Captain aus, und das Wappen verriet ihn als Mitglied der Haganah, der gefürchteten jüdischen Widerstandsorganisation, die nun seit vier Tagen die Armee des jungen Staates verkörperte. Eine Armee, die aus dem Untergrund emporstieg ans Licht des Tages und dort nichts anderes vorfand als in den Wochen und Jahren vorher: Kampf um ihr Land und das Leben der Siedler, die ihr vertrauten. Auch die beiden anderen Männer im Jeep trugen dieses Wappen am Kragenaufschlag ihrer Hemden. Der Fahrer hatte kein Rangabzeichen, aber der Mann auf dem Rücksitz zwei schmale Winkel unter dem Schwert. Er war der älteste der Männer, und sein Gesicht zeigte die tiefen Falten einer von der Sonne, dem Wind und dem ewigen Staub ausgedörrter Haut. „In ein paar Jahren könnte dies alles Siedlungsland sein, der Jordan hat genug Wasser und das ganze Jahr über, um hier alles künstlich zu bewässern“, sagte er langsam und wies mit dem Kopf in die Runde des kahlen Wüstenlandes, das nur gelegentlich von kleinen Dornbuschgruppen unterbrochen wurde.
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„Es wird auch so werden, Josh“, nickte der Fahrer und steuerte den Jeep mit wimmernden Reifen um eine scharfe Kurve des Karawanenweges. Sand und Steine spritzten zur Seite, und einen Augenblick lang verbot der aufwirbelnde Staub jedes Wort. Dann sagte der Captain, ohne den Kopf zur Seite zu wenden: „Wenn wir es verteidigen können, Hesrell. Nur dann!“ „Das können wir, Captain, wollen wir wetten?“ „ Im Augenblick sieht es verdammt nicht so aus“, brummt Josuah, den sie Josh nannten, vom Rücksitz her. „Wißt ihr, wie spät es ist?“ Sie sahen alle auf ihre Uhren und dann starr in die Wüste ringsum. „Fünf Uhr“, knurrte der Captain böse. „Jetzt müssen sie Samakh geräumt haben und die verdammten Syrer werden es zerstören. Jedenfalls das, was ihre Granaten noch übriggelassen haben.“ „Nun kannst du es auch nicht mehr vertragen, wenn ihnen eine jüdische Stadt in die Hände fällt, was, David?“ fragte Josh, und es war so, als klänge gutmütiger Spott aus seinen Worten. „Man könnte fast meinen, du wärst gar kein Ausländer, der ein britisches Visum auf dem Paß hat. Man könnte fast meinen, du wärst ein ,Sabra’, ein im Land Geborener wie ich.“ „Hör auf damit“, sagte der Captain scharf. „Schon gut, David. War gar nicht so gemeint, wirklich nicht.“ „Ich bin auch kein ,Sabra’„ meldete sich der Fahrer. „Vor vier Jahren war ich noch in Europa, aber wenn du Esel sagen willst, daß ich ein schlechterer Mann in der Haganah wäre als du, schmeiße ich dich in der nächsten Kurve aus dem Wagen, Josh.“ „Nun hört auf ihr beiden, hört schon auf“, lachte Josh. „Bezähmt euren Kampfgeist noch ein paar Stunden, dann bekommt ihr genug zu tun. Jedenfalls zu viel, um euch über einen ,Sabra’ zu ärgern.“ Die nächsten Meilen fuhren sie schweigend. Die Zigaretten waren aufgeraucht, der Jeep rüttelte und stieß auf der schlechten Straße, daß sie Mühe hatten, auf den Sitzen zu bleiben und ihre Waffen nicht zu verlieren. Sie sprachen nicht, aber sie wußten alle, woran die anderen dachten. An Samakh, die Stadt am Ufer des Sees von Tiberias, die nach dreitägiger Beschießung nun dem Feind überlassen werden mußte, dem Gegner, der in übermächtiger Stärke von fünf Seiten her
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den jungen Staat angriff, den neuen Staat, den die UNO am 15. Mai 1948 geschaffen hatte, und den elf Minuten nach Verkündung seiner Unabhängigkeit die USA als ersten anerkannten und in den nächsten Stunden Rußland, Frankreich und viele andere Länder. Und gegen den zur selben Stunde sechs arabische Staaten den „Heiligen Krieg“ ausriefen: Syrien, Jordanien, Saudi-Arabien, Ägypten, Libanon und Irak. Sechs von England und Frankreich bewaffnete und jahrelang ausgebildete Armeen setzten sich in Marsch, um die Invasion eines Landes zu beginnen, das damals 500 000 Einwohner zählte, eine Armee von knapp 13 000 ausgebildeten Haganah-Männern und etwa 27 000 halbausgebildeten Angehörigen dieser Organisation, die eine Art Heimwehr in den weitverstreuten Siedlungen des Landes bildeten. Einer Heimwehr, die kaum Waffen und nur wenig Munition be-
saß, die zwar seit Jahrzehnten auf plötzliche Araber-Überfälle gefaßt war und sie oft genug zurückschlug, aber nie und nimmer auf einen Krieg gegen fünf große Armeekeile, die gegen ihr Land vorstießen.
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7000 moderne Gewehre waren die Hauptausrüstung der Haganah, dazu eine unbekannte Anzahl Maschinenpistolen mit extrem kurzen Läufen, die in einer „Untergrundfabrik“ von der Haganah hergestellt wurden. Panzer gab es nicht, auch keine Flugzeuge, keine Artillerie und kaum Maschinengewehre. Es sah wirklich nicht rosig aus um den jungen Staat mit der alten Geschichte einer Nation, die über eine Welt hinweg verstreut in zwei Jahrtausenden dulden und leiden gelernt hatte. Die nun nicht mehr dulden und leiden wollte, sondern frei und unbehelligt leben in einem Land, das sie ihr eigenes nennen durfte, und die bereit war, für diese Freiheit den letzten, entscheidenden Kampf zu führen, wie schlecht die Chancen auch immer stehen mochten. „Da vorn liegt Dagania, Freunde“, sagte Josh vom Rücksitz aus. Er hatte es mit seinen Wüstenaugen zuerst erspäht, aber nun sahen es auch die anderen. Zunächst nur das gebrechlich wirkende Gerüst des Wachturmes, der in jeder Siedlung Israels aufragte, dann den Wassertank daneben und die flachen Dächer von zwei oder drei Dutzend Häusern und doppelt so vielen Wirtschaftsgebäuden. Neben der Straße war plötzlich die Wüste verschwunden, es gab Felder und Wiesen, es gab Vieh, es gab schmale Kanäle, die das Land bewässerten. „Ziemlich viel kultiviertes Land um Dagania“, stellte der Captain fest. „Altes Land, David.“ Stolz klang aus der Stimme Joshs, als wäre es sein eigenes Land. „Dagania ist eine der ältesten kollektiven Siedlungen, eine Siedlung des ,Kibbuthts’, weißt du? Seit dreizehn oder vierzehn Jahren arbeiten sie hier alle zusammen. Da schafft man einiges, auch in der Wüste.“ „Die Kollektive gefallen mir nicht“, knurrte der Fahrer und zog den Jeep um ein paar Schlaglöcher herum. „Ich bin schon ein paar Jahre im Land, aber die Kollektive gefallen mir noch immer nicht.“ „Uns auch nicht, Hesrell. Aber es ist die beste und schnellste Möglichkeit, gemeinsam aus der Wüste Ackerland und ein armes Volk wohlhabend zu machen, verstehst du? In zwanzig Jahren wird es keine Kollektive mehr geben und keine Wüste. Dann, wenn über-
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all solche Siedlungen stehen wie da vorn am Jordan. In mehr als zehn Jahren kultiviert jede israelische Gemeinde ihr Land und jeder tut es mit dem gleichen Recht und der gleichen Pflicht wie sein Nachbar. Und notfalls stehen sie alle zusammen.“ Das Pfeifen einer Kugel unterbrach den Sergeanten der Haganah, und ein Dutzend Meter vor dem Wagen stieg eine feine Staubfontäne aus der Straße. „Vorsichtig sind sie aber trotzdem“, grinste der Captain, als der Wagen stoppte. „Erst schießen, dann fragen, was?“ Sie sprangen aus ihrem Fahrzeug, nur Josh blieb sitzen und hob langsam die MPi. Er machte sich so klein wie möglich, als er mit dem Daumen die Sicherung der Waffe umlegte. Sie hatten in den vergangenen Monaten der wechselvollen Kämpfe, die noch unter offiziellem britischem Mandat ausgetragen wurden, gelernt, vorsichtig zu sein. Sehr vorsichtig, denn hinterhältige Überfälle waren eine beliebte Kampfführung der Araber in diesem Krieg um ein Land, das sie als ihr Land betrachteten, wie die Juden es als das ihre ansahen. Zwei Männer tauchten neben der Straße auf, in Khaki gekleidet, Gewehre in den Händen. Das eine war ein langes, altes französisches Infanteriegewehr, das andere ein kurzer deutscher Karabiner aus dem letzten Weltkrieg. Josuah, den sie Josh nannten, sicherte die Maschinenpistole wieder und richtete sich auf. „Schon gut, ihr Helden“, rief er lachend und winkte. „Captain David mit zwei Mann von der Haganah. Gebt die Straße frei, wir haben es eilig, zu euch zu kommen.“ Die beiden Männer am Straßenrand hatten sie jetzt auch erkannt: Die kleinen Abzeichen an den Hemdkragen der Männer und den Davidstern an der Mütze des Captains. Welche Kriegslist die Araber auch immer anwenden mochten, nie würden sie den verhaßten Davidstern dazu benutzen oder das gefürchtete Wappen der Haganah, das „Schwert der Wüste“. „Wir haben auf euch gewartet“, riefen sie herüber. „Wann kommen die Truppen? Es kann nicht mehr lange dauern, dann greifen uns die Araber an.“
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„Die Truppen sind wir“, antwortete der Captain leise. Er hatte es ganz selbstverständlich sagen wollen, aber jetzt zögerte er sichtlich bei seinen Worten. Er brauchte nicht hinzusehen, um zu wissen, was jetzt in den beiden Wächtern am Straßenrand vorging und was ihre Gesichter widerspiegelten. Sie rechneten mit einem arabischen Angriff und sie hofften auf Truppen der Haganah. Und als sie endlich kamen, waren es drei Männer mit Maschinenpistolen in einem Jeep. Mehr nicht. „Steigt auf“, befahl der Captain, und seine Stimme war noch immer leise. „Ihr braucht nicht zum Meer hin zu sichern. Wenn sie angreifen, kommen sie von der anderen Seite.“ „Besser ist besser“, entgegnete der ältere der beiden Wächter, warf sein französisches Gewehr über den Rücken und hockte sich auf den rechten hinteren Kotflügel des Jeeps. Sein Kamerad stieg auf den anderen Kotflügel, und sie fuhren schweigend in den Ort. Der Captain sprang als erster aus dem Wagen, als sie den kleinen Platz in der Mitte des Ortes erreichten und Hesrell den Wagen stoppte. Der Griff, mit dem er sein amerikanisches Sturmgewehr vom Sitz nahm, war fast unbewußt und so, als ob er ihn sehr oft getan hätte in letzter Zeit. Und seine dunklen Augen wanderten blitzschnell über die nähere Umgebung. Der Wachtturm ragte kaum zwanzig Meter entfernt seitlich des freien Platzes. Der kleine Scheinwerfer war aufmontiert, das Kabel lief deutlich sichtbar zwischen den Trägern empor. Es war nicht immer so gewesen, daß der Scheinwerfer auch am Tage dort oben montiert war. Captain David wußte es nicht von Dagania, er hatte das Dorf am Jordan nie zuvor gesehen, aber er wußte, daß es auch hier nicht anders gewesen war als in den anderen Siedlungen, die er kannte. Der Scheinwerfer war versteckt, das Kabel tat Dienst als irgendein Anschluß am Generator des Dorfes, und wenn die britischen Militärkontrollen kamen, dann war nichts zu finden. Kein Scheinwerfer, kein Kabel, keine Waffen, keine Blechbüchsen, gefüllt mit Dynamit und mit einer kurzen Zündschnur versehen ̶ Lieblingswaffe der Haganah in den Tagen ihrer Illegalität, als sie echte Handgranaten auf dem schwarzen Markt in Jerusalem kaufen mußte. Sechs Pfund
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Sterling das Stück. Aber etwas fanden die britischen Streifen, etwas, was ihre Kameraden in Indien vor ein paar Jahren zur Verzweiflung gebracht hatte und was hier kaum anders wirkte: Passiven Widerstand! Die jüdische Agentur, die jetzige Regierung und David Ben Gurion und Dr. Isaac Weizmann, hatte dazu aufgerufen. Passiver Widerstand gegen die Briten seitens der Bevölkerung. Aktiver Widerstand von Seiten der Haganah, aber nur, wenn es gar nicht anders ging. Die Haganah war die Waffe Israels gegen arabische Übergriffe, nicht gegen die verhaßte Mandatsmacht. Die Haganah brachte eine Haltung auf in diesen ganzen Jahren, der niemand auf der Welt seine Achtung versagen konnte: Sie schlug Angriffe ab, aber sie griff nicht selbst an. Sie wehrte ab, aber wenn der Gegner sich zur Flucht wandte, und er tat es immer, wenn er auf die Männer der Haganah traf, dann schwiegen die Waffen der Israelis mit den kleinen Messingabzeichen am Kragen. „Irgun Z’vai Leumi“,die große Terrororganisation, abgelehnt von der Haganah und der jüdischen Agentur, war da anders. Sie schlug zu mit allen Mitteln des Terrors. Polizeistationen wurden gesprengt, Militärstreifen beschossen, schließlich das King David Hotel in Jerusalem gesprengt. Aber auch Irgun Z’vai Leumi hatte ihre eigene Methode, Terror mit Fairneß könnte man sagen. Die Irgun warnte ihre Opfer! Zuerst zwei Tage vor dem geplanten Attentat, später zwei Stunden vorher. Und da war noch die „Lohmey Heruth Israel“, die „Kampfgruppe für die Freiheit Israels“, kurz nach ihrem Gründer „Stern-Bande“ genannt, die dritte Gruppe des jüdischen Widerstands. Eine wilde, harte Terrorgruppe, wie die Engländer sie in Irland kennengelernt hatten, am Khyberpaß oder sonstwo ̶ in Kenia etwa, als die Mau-MauOrganisation zu den Waffen griff. Keine Warnung, keine Fairneß. Tod, Mord, rücksichtslose Härte ̶ Feuerstöße aus Fenstern, gesprengte Polizeiposten, die Überlebenden von MPi-Feuer empfangen. Aber in diesen Siedlungen, die die britischen Truppen mit Panzern umstellten und dann durchsuchten, fanden sie keine Stern-Banditen,
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keine Männer der Irgun. Sie fanden auch keine Mitglieder der Haganah, obwohl sie sicher sein konnten, daß es in jeder Siedlung Haganah-Leute gab. Die Haganah hatte ihr Netz der Verteidigung eng gezogen, sehr eng. Sie hatte kein Dorf ausgelassen, keine Siedlung, kein Gehöft. Aber die Engländer fanden keine Haganah-Leute in den durchsuchten Siedlungen. Sie fanden nur Menschen, die dem Aufruf der jüdischen Agentur zum passiven Widerstand folgten, alle, ob sie Männer waren oder Frauen, Jungen oder Mädchen, Greise oder Kinder. Sie fanden Israel. Quer über die Straßen lagen sie, dicht an dicht, untergehakt und die Hände in das Hemd des Nachbars verkrallt. Sie lagen, bis die Stiefel der Infanteristen sie traten, und sie lagen noch, wenn die Ketten der Panzer sie zu zermalmen drohten. Sie lagen, wenn die Engländer einen aus ihrer Reihe reißen wollten. Und sie kannten nur eine Antwort, wenn man ihre Personalien aufnehmen wollte. Immer die gleiche Antwort auf immer die gleiche Frage: „Wer sind Sie?“ Und dann kam sie, die Antwort, die, so leise sie auch war, den Engländern in den Ohren gellte: „Ein Jude aus Israel!“ Es war eine harte Antwort, stolz und unbeugsam. Sie war härter als Panzerketten, härter als die Mandatsmacht und härter als der Wille Londons. Und nun würde sich erweisen müssen, ob diese stolze Antwort auch hart genug war gegen den „Heiligen Krieg“ sechs arabischer Nationen, von denen jede einzelne militärisch und zahlenmäßig stärker war als der junge Staat Israel. * Die Häuser standen dicht und stark um den Mittelplatz des Dorfes, und wenn Staub und Hitze nicht gewesen wären, hätte man denken können, irgendwo in einem Dorf im alten Europa zu stehen. Es war sauber und ordentlich, ganz anders als die arabischen Siedlungen im Land. 18
Captain David sah noch mehr. Er sah den Wächter oben auf dem Turm und sah die Haganah-MPi über seiner Schulter. Und er sah die Menschen des Ortes jenseits des Platzes am Zaun arbeiten. Es war keine Feldarbeit, die sie da verrichteten, stumm, eilig, verbissen. Es war Kriegsarbeit. Sie warfen einen Graben aus, emsig und schnell, wie Pioniere es hätten tun können. Sie, das waren Männer mit Waffen, Frauen in Khaki. Und die Kinder standen dabei, wie Kinder überall auf der Welt dabeistehen, wenn die Erwachsenen etwas tun, was sie nicht verstehen, nicht begreifen können, noch nicht. Und was sie nur zu bald begreifen lernen würden. Das Gesicht des Captains unter der amerikanischen Schirmmütze wurde hart, seine Augen zogen sich zu Schlitzen zusammen und sie änderten sich auch nicht, als ein paar der Männer die Arbeit liegenließen und zu ihm kamen. Sie grüßten ihn freundlich, aber er nickte nur stumm. „Sind Sie die Vorhut Captain?“ fragte ein alter Jude. „Er und die beiden anderen sind alles, was uns die Haganah schickt“, antwortete einer der beiden Wächter, die sie von der Straße mitgebracht hatten. Der Alte schaute den Captain an, halb fragend, halb bestürzt. „Josh scherzt nicht etwa, Captain?“ Captain David schüttelte den Kopf. „Er hat leider recht. Ich bin Captain David, das da“, er zeigte auf den tiefgebräunten Sergeanten, „ist Sergeant Josuah, aber alle nennen ihn Josh. Und das ist Hesrell. Wir sind hergeschickt mit dem Befehl, die Verteidigung Daganias zu organisieren und zu leiten.“ Der Alte nickte gelassen. „Schon recht, Captain. Ich bin Elyita Greener, der Bürgermeister von Dagania. Ich hatte gedacht, die Haganah würde mir hundert Männer schicken.“ „Die Haganah braucht jeden Mann, Greener. Sie kann keine hundert Mann entbehren. Samakh ist heute gefallen, es muß zurückerobert werden, früher oder später. Jaffa muß gehalten werden, in Jerusalem toben Kämpfe. Vor Bersheba steht eine ägyptische Armee,
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Haganah braucht da jeden Mann.“ Greener horchte auf, dann lächelte er. „Sie sind noch nicht lange im Land, nicht wahr? Ich höre es an Ihrer Aussprache, Captain. Sonst würden Sie sich auch nicht für die Haganah entschuldigen. Ich gehöre selbst zu Haganah und die Hälfte meiner Männer hier auch. Wenn General Moshe Dayan uns keine hundert Mann schicken kann, werden wir selbst sehen, wie wir zurechtkommen, wir haben es bisher immer geschafft. Wir werden es jetzt, wo wir keine Juden mehr sind, sondern Israelis, erst recht schaffen. Wenn Sie länger im Land sind, werden Sie das wissen.“ „Laß das, Greener“, warf Sergeant Josh ruhig ein. „Captain David ist in Ordnung, wie lange er auch immer bei uns sein mag. Ich bin ,Sabra’ wie Sie, wenn ich es sage, geht es schon klar.“ „So war es auch nicht gemeint, Captain. Wenn Moshe Dayan Sie uns schickt, geht es in Ordnung, immer! Ich werde Sie meinen Männern vorstellen. Entschuldigen Sie ̶ ‚Ihren Männern’, Captain.“ „Und sagen Sie gleich dabei, daß er einer der zwölf Freiwilligen ist, die vor zwölf Tagen über die Bäume wie die Affen in das Militärlager der Arabischen Legion bei Samakh eingebrochen sind und dreitausend Araber vertrieben haben. Vielleicht läßt sie das richtiger über einen Mann denken, der erst kurze Zeit bei uns ist.“ Joshs Stimme grollte böse. „Ich denke, ihr werdet davon gehört haben.“ Greener nickte und lächelte dem Captain zu, aber jetzt lag Achtung in seinem Lächeln, nicht nur Höflichkeit. Und in den Augen des Jüngeren der beiden Wächter lag offene Verehrung. Diese zwölf Freiwilligen waren die ersten Helden des Bürgerkriegs. Niemand kannte ihre Namen, denn die Haganah war noch zu sehr an das Leben im Untergrund gewöhnt, um Namen zu verraten. Daher hatte sich der Captain nur als David vorgestellt und daher hatte er den Sergeanten und den Fahrer nur bei Vornamen genannt. Eine Armee glaubte noch nicht ganz daran, daß sie nun eine wirkliche Armee war, die legitime Armee eines legitimen Staates, anerkannt von den meisten Nationen der Welt. „Samakh ist also heute morgen gefallen“, sagte Greener langsam. „Wir haben das Artilleriefeuer in den vergangenen Tagen gehört.
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Heute nacht erstarb es plötzlich. Aber es war ohnehin am letzten Tag schon übertönt worden vom Lärm von Sha’ar Hagolan. Sie müssen es stark angegriffen haben.“ „Sha’ar Hagolan ist gestern aufgegeben worden“, bestätigte der Captain. „Die Verteidiger haben sich auf Ein Harod zurückgezogen. Es waren Haganah-Leute und Männer von der Irgun.“ „Dann gibt es jetzt nur noch eine große Siedlung südlich des Sees’’, sagte der Bürgermeister leise. „Dagania! Es wird ihr nächstes Ziel sein. Wer wird uns angreifen, Captain?“ „Syrer wahrscheinlich. In Sha’ar Hagolan waren es syrische Truppen. Sie werden in der bisherigen Richtung weiterstoßen und auf Dagania treffen.“ „Besser, als wenn es die Arabische Legion wäre“, nickte Josh und seine Finger trommelten in hartem Rhythmus auf den Schaft seiner MPi. „Die Syrer sind nicht so hart wie die Legion. Die liegt noch in und um Samakh und wahrscheinlich wird sie da auch noch eine Weile bleiben müssen.“ „Viel Zeit haben wir nicht zu verlieren, Greener“, stellte Captain David sachlich fest. „Die syrischen Vorausabteilungen können jeden Moment hier auftauchen und dann ist es vorbei mit allen Vorbereitungen. Was haben Sie von sich aus unternommen?“ Der weißhaarige Bürgermeister zeigte mit dem Kopf auf die an der äußeren Fenz arbeitenden Männer und Frauen. „Gräben ausgeworfen“, sagte er so sachlich, als berichte er über die Arbeit an einem neuen Bewässerungskanal, den das Dorf in gemeinsamer Arbeit erstelle. „Drei Gräben, den ersten 150 Meter jenseits des Ortsrandes, den nächsten 100 Meter und den dritten da vorn direkt am Ortsrand.“ Die Männer gingen hinüber und sahen sich die Gräben an. Greener mochte Siedler sein, aber als Ortskommandant verstand er sein Handwerk ebenso. Der vorderste Graben war brusttief, stark verwinkelt mit weit vorspringenden Sappen. Captain David sagte nichts, als er den Graben eilig besichtigte, er nickte nur kurz Sergeant Josh zu und der grinste, als wenn er den Graben selbst ausgeworfen hätte und nicht erst dazugekommen wäre, als die Arbeit schon getan war. Der zweite Graben überragte den ersten in der Breite seitlich um
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mehr als dreißig Meter, bot also eine gute Auffanglinie für die Besatzung des ersten Grabens, falls sie zurückgehen mußte, und der dritte Graben war noch breiter angelegt, er reichte seitlich bis zu der Stelle, wo die Straße unweit des Seeufers das Dorf wieder verließ. Dieser Graben war erst halb fertig, und verbissen arbeiteten die Männer und Frauen Daganias daran, ihn tiefer zu schanzen, daß er Deckung bot gegen Maschinengewehr- und Granatfeuer. „Gute Arbeit, Greener“, bestätigte der Captain, als sie die Stellungen besichtigt hatten. „Da gibt es nichts zu ändern und zu verbessern.“ Greener nickte. „Wir haben es gelernt, Captain. Vor vielen Jahren schon, wenn die Araber versuchten, uns zu vertreiben. Fawzi el Kaukaji mit seinen Banditen etwa. Damals 1938 während der Revolte. Die Syrer werden nicht viel anders kämpfen als damals diese Banditen aus den jordanischen Bergen.“ „Bestimmt nicht, Alter“, nickte Josh. „Sie sind nur besser ausgerüstet und so was wie eine reguläre Armee mit Luftwaffenunterstützung und Artillerie. Wir werden uns etwas mehr dranhalten müssen als 38.“ „Josh, du fährst mit Hesrell im Jeep nach Südosten. Fahrt, soweit es möglich ist, ohne euch überrumpeln zu lassen, und seht zu, daß ihr etwas von den Syrern erspähen könnt. Wenn ihr sie sichtet, sofort zurück und Meldung. Wir wissen dann, wieviel Zeit uns bleibt. Klar?“ „Klar“, nickte der sonnenverbrannte Sergeant und tippte mit den Fingern an den Mützenrand. Es wirkte halb militärisch und halb lässig, so, wie die ganze Haganah in jenen schwersten Tagen ihrer Bewährung. Dann sah er sich flüchtig um und winkte dem Fahrer, der bei den arbeitenden Bauern am Graben stand und mit ihnen sprach. „Komm, Hesrell. Erst abladen, dann spielen wir beide Spähtrupp. Motorisierten Spähtrupp sogar.“ Captain David war nicht lustig zu Mute, er wußte genau, was vor ihnen lag. Dagania ragte wie ein Vorposten in das Gebiet hinein, das die arabischen Armeen des „Heiligen Krieges“ erobert hatten. Daga-
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nia mußte ihnen ein strategischer Dorn im Auge sein. Wenn die Juden Dagania halten konnten, hatten sie die Ausgangsbasis für einen Gegenangriff, der alle arabischen Erfolge zunichte machen konnte. Man wußte das auch im Stab der Haganah und hatte große Sorgen um diese Siedlung am Jordan. Man hätte ein paar hundert Mann mit schweren Waffen dorthin schicken müssen, aber man hatte keine paar hundert Mann und keine schweren Waffen. Man hatte nur einen Jeep, einen Captain, einen Sergeanten und einen Fahrer. Und die hatte man nach Dagania geschickt. „Stellen Sie bitte einen Doppelposten auf die Hügel da vorn, Greener“, sagte der Captain, als der Jeep in einer Staubwolke verschwunden war. „Am besten junge Leute mit guten Augen. Wir müssen auf alles gefaßt sein, und ich möchte nicht, daß wir bei den Arbeiten überrumpelt werden. Es wäre ein zu leichter Sieg für die Araber“, setzte er betont hinzu. Greener sah ihn aufmerksam an. „Sie haben nicht viel Hoffnung, daß wir unser Dorf halten können, nicht wahr, Captain David?“ Der Captain zuckte die Schultern. „Ich rechne mit drei- bis vierhundert Angreifern, Greener. Wieviel Männer können wir ihnen entgegenstellen?“ „102, Captain. Ihre Leute mitgerechnet.“ „Haben Sie da viel Hoffnung, Greener?“ Der weißhaarige Bürgermeister zuckte nun seinerseits die Schultern, als er zu seinen Leuten ging, um zwei auszusuchen, welche die Beobachtung jenseits des Blickfeldes vom Wachtturm aus übernehmen sollten. Captain David sah sich noch einmal genau im Ort um, studierte den Verlauf des letzten Grabens, die Lage der Häuser, die Möglichkeiten, Schützen hinter den Fenstern zu postieren, ausreichende Deckungen zu finden und einen Verbandsplatz für die Verwundeten. Greener und seine Leute hatten gut vorgearbeitet. In der Schule war der Verbandsplatz schon eingerichtet, ein junger Mann und zwei Mädchen mit den Armbinden des Roten Kreuzes waren da an der Arbeit, bauten Feldbetten auf, legten Schienen zurecht, Verbandsmull.
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„Wir haben kaum Morphium“, sagte der junge Mann. „Es muß eben auch so gehen.“ Nein, sie hatten nicht genug Morphium. Sie hatten auch nicht genug Waffen und viel zuwenig Munition. Sie hatten von nichts genug, nicht einmal genug Männer. Nur eins hatten sie, und es stand im Gesicht des jungen Mannes im Verbandsplatz ebenso deutlich eingegraben wie in denen der beiden Mädchen mit den Armbinden, auf den Zügen des alten Greeners oder im Grinsen des lässigen Sergeanten Josh und in Hesrells jungenhafter Unbekümmertheit: Die Unnachgiebigkeit, sich um keinen Preis vertreiben zu lassen. Die Entschlossenheit, ihren Boden erbittert zu verteidigen gegen jeden, der ihn wieder nehmen wollte. Den Boden, der ihr Land bildete, ihr Land Israel, von dem ihr versprengtes Volk zweitausend Jahre geträumt und nach dem es sich seit den biblischen Zeiten gesehnt hatte. Der Captain, seit einer Stunde Kampfkommandant von drei ausgebildeten Soldaten der ehemaligen Untergrundarmee Haganah und von 99 Siedlern, die zur Heimwehr der Haganah zählten, warf die erst halbgerauchte Zigarette auf die staubige Dorfstraße und trat sie aus. Am letzten Graben arbeiteten sie immer noch schweigend und verbissen. Keine Scherzworte, kein Lachen oder Singen. Nur das Ratschen der Spitzhacken, das Knirschen der Spaten und Schaufeln, das keuchende Atmen angestrengter Menschen war zu hören. „Habt ihr einen Spaten oder eine Hacke für mich?“ fragte der Captain David am Graben. Er hatte das Koppel mit der schweren Armeepistole abgeschnallt und die Mütze danebengelegt. Irgend jemand hielt ihm eine Hacke hin, und seine schmalen nervigen Hände griffen zu. Dann beugte sich sein Rücken im Schwung der Hacke, er war nun nur noch einer unter den Arbeitern am letzten Graben, an ihrem wichtigsten Bollwerk gegen die arabische Brandung, die sie in Kürze erwarteten. * Josh und Hesrell kamen gegen Mittag zurück. Sie stoppten den
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Jeep auf dem Dorfplatz und fanden ihren Captain nur schwer unter den Arbeitern heraus. „Nicht viel zu sehen“, meldete Josh bedächtigt, während er schon Waffen und Koppel ablegte. „Wir sind gut zwanzig Kilometer weit gefahren, David. Es gab Staub am Horizont und auf der Straße nach Samakh einen Panzerspähwagen. War wohl ein Ägypter, aber er kommt nicht hierher. Sie taten so, als ob ihnen Israel schon gehörte“ ̶ er spuckte ärgerlich aus ̶ , „selbst wenn die Syrer motorisiert sein sollten, haben wir mindestens noch drei oder vier Stunden Zeit, und bis dahin sollten wir fertig sein.“ Er drehte sich um und winkte Hesrell, der Arbeitsgeräte besorgt hatte. Dann arbeiteten sie schweigend und stumm mit. Der Graben vertiefte sich allmählich, die Brustwehren wuchsen. Sie würden es bald geschafft haben und die schwere Arbeit in der mörderischen Sonnenglut einstellen können. Es mochte zwei Stunden über Mittag sein, als plötzlich von dem Hügel her, auf dem Greener die beiden Vorposten stationiert hatte, ein Schuß peitschte. Ein paar aufgeregte Rufe wehten herab. Captain David verstand etwas von „Stehenbleiben“. Es war in jenem eigenartigen Hebräisch mit stark polnischer Färbung ausgerufen, wie es die meisten der neuen Siedler sprachen, die aus Europa nach Israel gefunden hatten. Die drei Männer von der Haganah brauchten kein Wort zu verlieren, so gut waren sie in den wenigen Tagen aufeinander eingespielt, die sie zusammen verbracht hatten. Hesrell sprang aus dem Graben und stürmte zur Dorfstraße und zum Jeep. Der Motor lief schon, als Captain David und Josh mit den schnell aufgerafften Waffen angelaufen kamen. Sie sprangen auf, während Hesrell schon wendete und mit Vollgas seitlich von der Straße abbog zum Hügel hinauf. Der Sergeant prüfte mit der unerschütterlichen Ruhe des Mannes, der sein Leben lang Soldat gewesen ist, seine MPi. Captain David starrte nach vorn und versuchte zu erkennen, was sich beim Vorposten tat. Seine Finger hatten sich ganz automatisch um den Schaft des Sturmgewehres geschlossen, der Daumen lag auf dem Sicherungsflügel. Es
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hing in diesem Wüstenkrieg unendlich viel davon ab, wer schneller schoß, sie hatten das in den vergangenen Wochen oft genug erfahren müssen. Als der Jeep stoppte, wußten sie schon, daß sie nicht würden schießen brauchen. Die beiden Jungen hatten offensichtlich einen Gefangenen gemacht. Einen Mann in schmutzigem, zerfetztem Khaki. Er stand mit halb erhobenen Händen vor den Gewehren der zwei, die nicht ganz zu wissen schienen, was sie mit ihm anfangen sollten. „Er kam von der Straße her, Captain“, sagte einer der Vorposten und zeigte mit dem Kopf auf den Mann. „Er blieb nicht stehen, als Elya ihn anrief, da haben wir geschossen.“ „Und mich beinah getroffen“, nickte der Gefangene. Seine Stimme klang spröde, heiser und erschöpft. Er nahm jetzt die Arme herunter und kümmerte sich nicht um Elya, der sofort wieder den Gewehrlauf hob. Captain David sah jetzt die schmutzige Armbinde am rechten Arm des erschöpften Mannes, der da plötzlich aus der Wüste aufgetaucht war. Eine ehemals weiße Armbinde mit einem hellblauen Streifen und einem sechszackigen Stern darin. Mit dem gleichen Stern, wie er ihn selbst an der Mütze trug. Mit dem Davidstern, dem uralten, und jetzt jungen Wappen Israels. Diese Armbinde war im Land ebenso bekannt wie das kleine Messingabzeichen am Hemdkragen der Haganah-Männer. Diese Armbinde mit dem blauen Streifen und dem Stern war das Zeichen der Irgun Z’vai Leumi, der Terrororganisation, die ihre Gegner stets gewarnt hatte, ehe sie zuschlug, und deren Männer bei jedem Angriff diese Armbinden getragen hatten und wenn es mitten unter den Augen der britischen Truppen gewesen war. „Wer sind Sie?“ fragte Captain David kurz. Es war kein Geheimnis, daß sich Haganah und Irgun nicht gerade zärtlich liebten. Jeder verurteilte die Methode des anderen. „Cohn Moosheimer, Captain“, war die müde Antwort. Der Mann versuchte zu lächeln, aber es gelang ihm nicht ganz. Da setzte er leise hinzu: „Und ich bin verdammt froh, daß ich es bis hierher geschafft habe, ob ihr nun Haganah-Leute seid oder meinetwegen von den Sternisten.“
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„Und warum?“ fragte Josh dazwischen. Moosheimer zeigte mit dem Daumen über die Schulter. „Ich komme aus Sha’ar Hagolan. War abgeschnitten und mußte die Nacht abwarten, ehe ich entwischen konnte. Das Land ist mir nie so groß vorgekommen, wie auf diesem Weg.“ Sergeant Josh sah den Mann mit der Armbinde scharf an, dann nickte er kurz. „In Ordnung, Moosheimer“, stellte auch Captain David kurz fest. „Steigen Sie neben den Sergeanten in den Wagen. Zurück, Hesrell!“ Er wand sich zu dem Jungen. „Und ihr paßt weiter gut auf. Sowie ihr etwas seht, was nach einer vorgehenden Truppe aussieht, gebt Alarmschüsse ab und zieht euch zum Dorf zurück, wenn der Gegner näherkommt. Laßt euch nicht abschneiden.“ Hesrell fuhr schnell und scharf zurück. Im Dorf hatten sie die Arbeit liegenlassen und standen auf dem Mittelplatz, als der Jeep ankam. „Wen bringen Sie denn da, Captain?“ fragte Greener. „Er heißt Cohn Moosheimer und hat sich von Sha’ar Hagolan durchgeschlagen, Greener.“ „Harter Weg“, nickte der alte Bürgermeister. Er sagte nichts weiter, obwohl er die Armbinde der Terrorgruppe sicherlich gesehen hatte. „Er wird hungrig sein und Durst haben. Die Mädchen sollen sich um ihn kümmern, wir können uns nachher anhören, was er zu berichten hat.“ „Was zu rauchen wäre mir lieber“, sagte der Irgun-Mann heiser. Sergeant Josh hielt ihm eine Zigarette hin, aber er mußte sie anzünden, die Hände Moosheimen zitterten plötzlich sehr. Jetzt, wo er es geschafft hatte, merkte er wohl selbst erst, wie mitgenommen er tatsächlich war. Josh erhielt ein versuchtes dankbares Lächeln, als er Moosheimer die Zigarette gab. „Und laßt euch nicht zuviel Zeit“, meinte Moosheimer nach den ersten Zügen. „Sie werden bald hier sein, sie sind aufgebrochen, längst ehe ich weg konnte. Sie gehen langsam vor, aber sie müssen noch in der Nacht oder schon am Abend bei euch sein. Es sind Syrer, mindestens ein Regiment. Sie haben Feldartillerie und Panzer. Wir
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konnten sie nur einen Tag in Sha’ar Hagolan aufhalten, es waren zu viele und sie waren zu stark für unsere veralteten Gewehre. Massada ist auch überrannt worden. Sie haben alles zerstört, was sie nur zerstören konnten.“ „Geht wieder an eure Arbeit, Leute“, befahl Greener ruhig. „Wenn ich mich ein bißchen ausruhen könnte, würde ich gerne helfen“, sagte Moosheimer leise. „Ich bin nicht sonderlich stark, aber ich kann ganz gut schießen. Auch mit einem MG. Vielleicht braucht ihr einen Schützen dafür?“ „Wir brauchen keine Faschisten“, rief ein hagerer, schwarzhaariger Mann aus der Gruppe um den Jeep böse. „Ihr Kerle von der Irgun seid alle verdammte Faschisten und Nazis.“ Cohn Moosheimer richtete sich auf. „Wer bist du?“ fragte er stockend. „Ich?“ sagte der Hagere. „Ich bin Shalon Hochbaum aus Kattowitz, wenn du es genau wissen willst. Zwei Jahre bin ich hier. Und vorher war ich im Lager Belsen. Weißt du, was das war? Da wollten sie mich umbringen und hätten es getan, deine verdammten faschistischen Freunde, wenn mich die Amerikaner nicht im letzten Moment befreit hätten. Mich und ein paar hundert andere von vielen Zehntausenden, für die sie schon zu spät kamen. Mach, daß du weiterkommst, Faschist. Nun, mach schon!“ Sie murrten drohend im Kreis. Es waren viele unter ihnen, die noch in letzter Stunde entkommen waren oder deren nächste Verwandte in den KZ-Lagern Auschwitz, Belsen oder Buchenwald ein grausames Ende auf Hitlers Befehl gefunden hatten aus keinem anderen Grund, nur weil sie Juden waren. Das Wort Faschist genügte, um sie wild zu machen, wild und böse. „Und wo sollte ich Faschist geworden sein?“ fragte Cohn Moosheimer. Er warf hart die Zigarette weg. „Im Warschauer Ghetto vielleicht, als wir gegen die SS kämpften? Oder in Treblinka? Das war nicht besser als dein Belsen, Shalon Hochbaum! Dort hätten sie mich ebenso verscharrt wie meine zwei Brüder, wenn ich nicht entkommen wäre. Ich bin ebensowenig Faschist wie irgendeiner von euch.“ „Alle sagen, die Irgun-Männer wären Faschisten“, mischte sich
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ein anderer ein. „Sie sind wirklich keine Faschisten, wie ihr keine Bolschewisten seid“, knurrte plötzlich Sergeant Josh zornig. „Ich habe oft genug mit ihnen zu tun gehabt. Wir mochten zwar ihre Methoden nicht, aber deswegen sind sie noch lange keine Faschisten, merkt euch das mal. Sie haben verdammt hart für den gleichen Tag gekämpft wie ihr und wir: Für den Tag, wo man in der Welt Israel als Staat in die Landkarten eintragen würde.“ Er drehte sich brüsk zu Cohn Moosheimer herum. „Du hast gesagt, du könntest mit dem MG schießen, Cohn. Wir haben keins. Aber wir haben eine alte deutsche Panzerbüchse mitgebracht. Wie ist es damit?“ Moosheimer nickte bedächtig. „Ich habe noch nie damit geschossen, aber es wird gehen, Sergeant.“ „Wenn Captain David nichts dagegen hat, gebe ich dir nachher das Ding. Sieht aus wie ein Super-Gewehr. Und nimm’s dem Hochbaum nicht zu übel, hörst du? Sie sind alle ein bißchen durcheinander in diesen Tagen. Am besten, ihr vertragt euch wieder.“ „Besorgt euch Wasser in Kanistern“, sagte Moosheimer als einzige Antwort. „Sie zerschießen mit ihrer Artillerie zuerst die Wassertürme, und es wird bitter, wenn ihr tagelang kein Wasser habt.“ „Mach bei uns mit, Moosheimer“, drängte sich ein kleiner, unscheinbarer Mann nach vorn. Er war knapp vierzig und sein Gesicht zeigte dieselbe tiefgebräunte, fast gegerbte Haut wie das von Josh oder Greener. „Ich bin Yehuda Sprung aus Krakau und schon zwölf Jahre hier. Ich denke, wir ̶ nämlich du, der Shalon und ich ̶ sind doppelte Landsleute. Wir waren früher gemeinsam Polen und jetzt sind wir gemeinsam Israelis. Hier ist meine Hand drauf, wenn du willst. Gleich für Shalon und die anderen mit.“ Shalon Hochbaum brummte irgend etwas, aber er nickte schließlich, und die anderen lachten. Niemand erwähnte mehr etwas von der Irgun oder von Faschisten. Sie versorgten Moosheimer, während die anderen wieder an die Arbeit am letzten Graben gingen.
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* Es war fast Abend, als sie die Schaufeln und Spaten weglegen konnten. Die Vorposten waren abgelöst. Hesrell hatte mit einem der Jungen aus dem Dorf die Stellung oben auf dem Hügel bezogen. „Rufen Sie bitte alle Leute aus dem Dorf zusammen, Greener“, verlangte Captain David. „Wir haben jetzt eine schwere Entscheidung vor uns, aber sie muß getroffen werden und sie muß so ausfallen wie es für die Verteidigung Daganias am besten ist. Sie verstehen mich?“ Greener sah den Captain, dessen Gesicht von der amerikanischen Schirmmütze überschattet wurde, lange und aufmerksam an, dann nickte er. „Ich habe verstanden, Captain David. Sie tragen die Verantwortung für den Kampf um unsere, um meine persönliche Heimat, um unser aller Werk von vielen Jahren, und ich weiß, daß Sie schwer daran tragen und es sich nicht leicht machen. Einerlei, was Sie auch immer entscheiden mögen, auf den alten Greener können Sie dabei zählen.“ „Danke, Greener“, sagte der Captain leise und wandte sich ab. Er ging zum Dorfplatz, wo sein Jeep stand und wo Sergeant Josh mit mißtrauischen Augen die Umgebung musterte. Seine Schritte verrieten viel von seinen Sorgen, sie waren schwer und unsicher, als habe er eine unsichtbare Last zu tragen, zu groß, um den Füßen noch einen festen Schritt zu geben. Es war ja alles so anders in diesem Krieg, den die UNO als „Bürgerkrieg“ bezeichnete, als in anderen Kriegen. Da hatten vollbewaffnete Armeen miteinander gerungen und Zivilisten waren nur durch die jeweiligen Umstände in das kriegerische Geschehen an den Fronten einbezogen worden. Hier war es grundverschieden. Hier gab es Armeen nur auf der einen Seite, auf der feindlichen. Auf der eigenen Seite waren es großteils Zivilisten, bunt durcheinander, Siedler, Bauern, Handwerker, Ärzte, Anwälte, Händler oder Fuhrleute, die die wenigen Waffen aufnahmen und sich den zahlreichen gut ausgerüsteten Soldaten des Gegners entgegenwarfen. Sie wollten ihr Land, den uralten Traum ihres Volkes, mit aller Kraft
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vor der Vernichtung bewahren, um sich endgültig das zu erkämpfen, was ihnen 1917 schon der britische Außenminister Balfour feierlich als Versprechen seiner Regierung zugesichert hatte: Ihr eigenes, nationales Heim in Palästina. Sie versammelten sich auf dem Dorfplatz, Männer, Frauen, Kinder, Greise. Sie kamen alle schweigend, mit ernsten Gesichtern. Captain David stand auf der Motorhaube seines Jeeps und übersah sie alle, diese Gesichter, in denen so viel stand von dem Leid der Verfolgung, das sie durch Jahrtausende erduldet hatten in Rußland, in Polen, der Tschechei, in Rumänien, Deutschland, Ungarn, in Österreich und in Palästina. Und überstrahlt wurden diese Züge des ererbten und selbst erduldeten Leides von der tiefen, fast fanatischen Gläubigkeit einer uralten Rasse, die nun über Nacht ein junges zielbewußtes Volk geworden schien. „Freunde!“ rief der Captain von seinem hohen Standplatz. „Wir wissen alle, was in den nächsten Stunden auf uns wartet, aber keiner von uns weiß, wie wir diese Stunden überstehen werden und ob wir es überhaupt schaffen. Uns bleibt noch eine kurze Zeit zur Vorbereitung, aber es ist noch fast mehr zu tun, als man es in dieser Zeit schaffen kann. Ihr wißt, daß ich Kommandeur dieses Ortes bin, und ich erkläre für Dagania jetzt den Kriegszustand. Die Bevölkerung des Dorfes stand schweigend, niemand sprach etwas. „Wir müssen diesen Krieg gewinnen, wir müssen uns da behaupten, wo wir stehen. Unsere Gegner kommen aus sechs arabischen Ländern. Wir können nicht mehr ausweichen, wir haben hinter uns nur einen schmalen Streifen Land und dann kommt das Meer. Wir kämpfen mit dem Rücken an der Wand. Ich wollte gern, daß ihr das wißt, und daß ihr es nicht vergeßt. Wir können nicht zurück, ohne alles zu verlieren. Die meisten von euch waren nie Soldaten, jetzt seid ihr es. Ihr seid die Armee des Staates Israel, berufen, Dagania zu verteidigen. Ich werde euch dabei führen. Sergeant Josh übernimmt den ersten Zug, den zweiten übernehme ich selbst und den dritten wird Sergeant... Moosheimer übernehmen.“ Ein paar der Männer auf dem Dorfplatz hielten einen Augenblick
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die Luft an, als der Captain diesen Irgun-Mann zu einem ihrer Zugführer bestimmte, aber niemand widersprach. „Und nun“, die Stimme des Captains wurde leiser, aber verlor nichts von ihrer eindringlichen Schärfe, „beginnen wir mit der Evakuierung der Frauen und Kinder. In Dagania bleiben nur die Männer im waffenfähigen Alter. Dieses Alter beginnt da, wo ein Junge ein Gewehr halten kann, und endet, wenn ein Greis nicht mehr die Kraft hat, es zu halten. Ihr habt einen Lastwagen und zwei Traktoren, die müssen ausreichen. Der Jeep fährt auch mit, er wird von Bewaffneten besetzt, die als Geleitschutz fahren. Wir müssen damit rechnen, daß arabische Streiftrupps schon weit hinter unserem Rücken an den
Straßen lauern, um leichte Beute zu machen. Sergeant Josh, du leitest die Vorbereitungen. Ich möchte, daß der Konvoi in einer Stunde den Ort verlassen hat. Nehmt nichts mit außer Wasser und Proviant. Sergeant Moosheimer, Sie übernehmen die Verteilung der Waffen und Munition, die wir mitgebracht haben. Ich sehe mir die Ausrüstung nachher an.“ Die Frauen murrten, sie wollten den Ort nicht verlassen. Sie waren immer bei ihren Männern gewesen. Schon damals, als sie herkamen und hier nur Wüste vorgefunden hatten. Sie waren da, als die ersten Kanäle gebaut wurden und das lebensspendende Wasser begann, die Wüste in Plantagen und Felder zu verwandeln, und
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sie waren dabei, wenn es galt, auf Plünderung ausgehende Horden abzuwehren. Aber dies hier war ein richtiger Krieg, keine Scharmützel mehr mit schlecht ausgerüsteten, berittenen Arabergruppen. Sie murrten, aber sie fügten sich schließlich. Sie winkten nicht, als sie auf den Wagen saßen und die Motoren ansprangen. Ebensowenig, wie ihre Männer und Jungen zurückgrüßten, als die Wagen auf die Straße einbogen und in den großen Staubwirbeln verschwanden, die die mahlenden Räder emporrissen. Ihre Gesichter waren hart und verschlossen. Es waren die Gesichter eines Volkes, das begriffen hatte, daß es wieder einmal um sein Leben kämpfen mußte. Als die Dämmerung herabsank, besichtigte Captain David seine Streitmacht. 102 Männer zwischen 13 und 70 Jahren. Kaum einer hatte einen Stahlhelm, nicht einmal alle eine Waffe. Die meisten verfügten über veraltete Gewehre, Beutewaffen aus den Zeiten des zweiten Weltkrieges. Französische Karabiner, denen man ansah, daß sie schon gegen die Berber vor dem ersten Weltkrieg eingesetzt worden waren, deutsche Karabiner des Afrika-Korps, die auf Schleichwegen hierher gelangt waren, Jagdflinten verschiedener Kaliber. Neu blinkten nur polnische Sturmgewehre mit dem Radom-Fabrikabzeichen und die kurzen, bösartig aussehenden Maschinenpistolen, die aus der eigenen Untergrundfabrik der Haganah stammten, welche die Engländer jahrelang vergeblich gesucht hatten. Das war alles. Sie hatten zuwenig Dynamit, um die Lieblingswaffe der Haganah, Blechdosen voll Sprengstoff, in nennenswertem Umfang herzustellen, und sie hatten auch keine Handgranaten. Sie hatten kein MG und keinen Granatwerfer. Ihre schwerste Waffe war die alte deutsche Panzerbüchse mit insgesamt elf Schuß Munition, die Cohn Moosheimer in den Fäusten hielt. Was sind das für Männer, dachte der Captain, als er ihre Reihe abschritt. Was sind das nur für Männer? Hier der Moosheimer, ein Mann der Irgun, ein Kämpfer gegen Gesetz und Ordnung, vielleicht ein Mörder des Terrors. Und daneben Josh, im Lande geboren, auf-
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gewachsen als Wächter gegen arabische Überfälle, ein dutzendmal oder mehr verwundet, ein einfacher Sergeant der Haganah, immer dabei, wenn es Kampf gab. Captain David kannte seinen Sergeanten gut, und er wußte zugleich, daß er ihn überhaupt nicht kannte. Sein Bruder war vor ein paar Tagen zum Innenminister des jungen Staates berufen worden, aber Josh hatte nur die Schultern gezuckt, als er es erfuhr. „Jetzt ist Krieg“, hatte er gesagt, und sein gegerbtes Gesicht verzog sich zu tausend Falten. „Da braucht man erfahrene Sergeanten am nötigsten. Nachher, wenn alles vorbei ist, kann mich mein Bruder zum Oberst machen oder meinetwegen zum General. Reden wir nicht davon.“ Oder da, der alte Greener, Bürgermeister, mit weißem Bart und böse blitzenden Augen. Er hatte das Dorf gegründet, den Boden bestellt, jetzt hielt er die Maschinenpistole wie ein Mann, der nie mit etwas anderem umgegangen war. Daneben Shalon Hochbaum aus Kattowitz, durch 13 Konzentrationslager geschleppt und hinterher den Engländern aus dem DP-Lager entwischt. Fünf Jahre in KZ’s und zwei Jahre in einer Siedlung - das war bisher sein Leben. Er nickte seinem neuen Captain zu und zeigte auf das Gewehr in seiner Hand. Yehuda Sprung stand weiter unten im Glied. Ein schmächtiger, fast zierlicher Mann. Er hatte einmal in Krakau studiert, wollte Anwalt werden. Aber jetzt war er Siedler, seit zwölf Jahren in Dagania. 38 Jahre alt, und vorhin hatte er seiner Frau und seinen beiden Kindern Lebewohl gesagt, als die Wagen abfuhren. Hesrell stand ganz am Ende der langen Reihe, ein junger, lustiger Soldat, wie es ihn in jeder Armee der Welt gibt. Ob sie nun den Davidstern als Symbol trägt, die Streifen, die Trikolore oder die Sterne der USA. Was für Männer, dachte der Captain. Er hatte viele Armeen gesehen in den letzten zwei Jahrzehnten, viele Armeen und Soldaten und Kämpfe. Es war ein langer Weg gewesen über die Kriegsschauplätze in aller Welt bis nach Dagania. Er hatte gute Armeen gesehen und schlechte, siegende und geschlagene Truppen, aber nie eine solche
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wie jetzt, seine Kampfgruppe. Was für ein schwacher, mangelhafter, dürftiger Haufen würde jeder sagen, dessen Blick über diese alten und jungen Männer hinglitt. Was für eine großartige, prächtige Truppe, möchte aber jeder denken, der die ernsten, harten Gesichter der Siedler sah. „Josh, du rückst mit zwanzig Mann in den ersten Graben, Moosheimer mit dreißig Mann in die zweite Stellung, der Rest bezieht mit mir die Hauptstellung. Unsere Taktik ist einfach: Schießt nicht, ehe ihr den Befehl dazu bekommt, dann feuert und trefft gut, wir haben wenig Munition. Wenn der Gegner der ersten Linie auf hundert Meter nahe rückt, zieht euch zurück auf die zweite und dann auf die dritte Stellung. Dann gibt es keinen Rückzug mehr!“ Sie gingen los, die Gewehre in den Händen, die Taschen voll Patronen. Sie sprangen in ihre notdürftigen Gräben, legten die Waffen auf der Brustwehr zurecht und warteten, daß der Krieg für sie beginnen sollte. Und er würde beginnen. Als die Sonne hinter Ägyptens Bergen versank, waren sie bereit. Die Stunde forderte ihre Bereitschaft. * Captain David hatte sich in das Grabenstück hingekauert. Er hatte die Mütze über die Augen gezogen. Sein Nebenmann zur Rechten, fünf Meter entfernt, wußte nicht recht, ob der Captain schlief oder nur so tat, und der Nachbar zur Linken wußte es nicht. Die meisten der Verteidiger Daganias schliefen nicht, sie fanden keine Ruhe in dieser Nacht. Sie dachten an die Arbeit, die auf den Feldern wartete, und daran, wo ihre Familien jetzt sein mochten. Vielleicht noch auf der Straße, vielleicht hatten sie schon Unterkunft bei Freunden in Tiberias oder Safad gefunden. Die Sterne wanderten fern und schweigend, und die Männer in den Gräben warteten. Ihre Hände tasteten zu den Gewehren, zu den bereitgelegten Patronen. Und sie starrten hinaus über die nachtdunklen Felder, über die Wüste und auf die Hügel. Sie sahen nichts, und sie sahen doch viel. Sie sahen ihr Land, blühend und reich, sie sahen
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sich selbst in ihren sauberen Häusern mit ihren Familien auf ihrem eigenen Boden, heimisch geworden endlich in der Heimat ihrer Vorfahren, nicht mehr herumgestoßen in der Welt, für die sie zwei Jahrtausende lang nichts weiter gewesen waren als Menschen zweiter und dritter Klasse, an denen schon jeder x-beliebige Stammesfürst seine Machtgelüste austoben konnte. Die Sterne zogen ihre leuchtende Bahn und begannen allmählich zu verblassen. Der Himmel verlor seine samtene Schwärze und wurde bleich und fahl im Osten über jener Gegend, aus der sie den Gegner erwarteten. Und dann, gegen drei Uhr morgens am 20. Mai 1948, hörten sie es. Zuerst in Joshs vorderster Stellung. Er schickte einen Mann zurück, der es Captain David melden sollte, aber der Captain stand schon in seinem Grabenstück und versuchte mit dem Glas die Dunkelheit zu durchdringen. Noch war nichts zu sehen, nur zu hören gab es genug. Verschwommen noch und hinter der ostwärtigen Hügelkette, aber überdeutlich für jeden, der es zu deuten wußte. Es war das tiefe Dröhnen von Motoren, das scheppernde Rasseln von Ketten, Klirren von Metall - heiseres, unverständliches Stimmengemurmel dazwischen. Es mußten viele sein, sehr viele, die da herankamen und sich bereitstellten, eine erdrückende Übermacht. Aber die jüdischen Siedler wehrten alle Gedanken daran ab, sie wollten ihnen keinen Raum geben. Das hier war ihr Land, mit Mühsalen und Fleiß in unendlicher Arbeit erworben, und sie alle waren entschlossen, es gegen jeden, ja gegen eine ganze Welt, zu verteidigen, wie wenige sie selbst auch sein mochten. „Fertigmachen“, ging es durch die Reihen der Männer von Dagania, aber sie hatten nicht viel fertigzumachen. Sie schoben die Gewehre noch einmal zurecht, prüften die Magazine. Sergeant Josh im vordersten Graben stellte die drei ehemaligen Orangekonserven mit ihren Dynamitladungen bereit, legte die Zündhölzer daneben und bleckte grimmig die Zähne. Und dann blitzte es grell auf durch den heraufdämmernden Morgen hinter dem vordersten Hügel. Es orgelte bösartig in der Luft, und die Detonationen einschlagender Granaten zerriß fast ihre Trommel-
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felle. Artilleriebeschuß. Die Syrer hielten sich nicht lange mit einer Vorrede auf. Das Feuer lag zu kurz, weit vor der ersten Stellung. Nur die Splitter fauchten heißzischend über Josh und seine Männer hinweg. Sie wußten, daß sie nicht mehr lange im Schutz der Dunkelheit bleiben konnten, dann würde die heraufsteigende Sonne einen neuen Tag künden, und sie wußten, daß es der schwerste Tag für sie werden würde. Die Männer fröstelten und warteten auf die nächste Salve. Sie lag näher an den Stellungen. Die syrischen Artilleristen streuten langsam und systematisch das Gelände ab. „Möchten Sie Kaffee, Captain?“ fragte eine leise weibliche Stimme. Captain David schrak auf, dann nickte er wortlos. Eines der beiden Mädchen aus dem Verbandsplatz kam gebückt mit einem Eimer voll heißen Kaffee. „Nachher“, meinte der Captain, sich besinnend. „Hier hinten haben wir etwas länger Ruhe. „Gib mir den Eimer und die Tasse. Ich gehe nach vorn zum ersten Graben.“ „Aber das kann ich doch selber tun, Captain?!“ meinte das Mädchen ruhig. „Es wird schon heller. Gleich wird der Gegner genaue Ziele erkennen. Nun gib schon her“, sagte David fast ungeduldig. Nur zögernd übergab ihm die schwarzhaarige Kleine in den unschönen Khakikleidern den Kaffee-Eimer. Captain David sprang los. In ein paar Minuten war es zu spät, dann konnte niemand mehr zwischen den Gräben herumlaufen, ohne daß die feindliche Artillerie Scheibenschießen auf ihn veranstalten würde. Jetzt schon wurde die Sicht mit jedem Augenblick weiter und besser. Er hatte den zweiten Graben fast erreicht, da fauchte es wieder heran. Mit einer sorgsamen Behutsamkeit stellte David den Eimer vor sich ab, erst dann warf er sich hin. Die Einschläge lagen hundert Meter seitwärts ab. Hoch, den schwappenden Kaffee-Eimer gegriffen, weiter! Der Captain erreichte den vordersten Graben, noch ehe die Syrer ihre nächste Gruppe aus den Rohren jagten, und während die Granaten schlurfend und jaulend flach über sie hinwegfegten, tranken die
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Verteidiger von Dagania hastig und nervös aus einer alten Blechtasse ihren Kaffee. Nur Sergeant Josh war die Ruhe selbst. Er rauchte eine zerdrückte Zigarette und trennte sich auch beim Trinken nicht von seiner MPi. „Geht gleich los“, sagte er bedächtig, als er die Tasse weitergab. „Am besten du machst, daß du auf deinen Posten zurückkommst, Captain David. Hier hast du nichts zu suchen, und als Kaffeeholer wirst du zu hoch bezahlt. Hau schon ab!“ David lachte vor sich hin. So konnte nur Josh sprechen, der Mann, der es ablehnte, während des Krieges seinen Bruder, den Minister, einzuspannen, um einen hohen Posten in der neu aufzubauenden Armee zu erhalten, nur weil er meinte, Sergeanten in vorderster Front wären jetzt viel wichtiger. Und als Captain David mit dem noch halbvollen Eimer zum zweiten Graben aufbrach, war er sich sicher, daß Josh damit ganz recht hatte. Der Captain hatte eben seinen Platz im Graben wieder erreicht und sich ̶ ausgepumpt vom raschen Lauf ̶ niedergesetzt, als ein Schrei seiner Nachbarn ihn wieder auffahren ließ. „Sie kommen!“ Ja, sie kamen. Eine breite Linie Infanterie, aufgelockert in Schützenschleiern, um allenfalls vorhandenen MGs wenig Ziel zu bieten, so tauchten sie über dem Hügelkamm auf. Unwillkürlich blickte Captain David auf seine Armbanduhr. Es war genau vier Uhr morgens und strahlend hell stieg am Horizont die Sonne empor. Der Tag hatte begonnen. Der Tag und das Gefecht um Dagania. Die syrische Infanterie kam näher, ihre Artillerie schoß jetzt besser, die Einschläge lagen dicht am vordersten Graben. Wenig später fielen die ersten Schüsse. Sergeant Josh hatte mit seiner Abteilung das Feuer eröffnet. Die langsam vorgehenden Syrer stockten einen Moment, als die Kugeln der Verteidiger zu pfeifen begannen, dann gellten harte, kehlige Befehle. Die arabische Infanterie ging wieder vor, kam geduckt, sprungweise näher. Heftiger wurde das Abwehrfeuer aus der ersten Stellung der Israelis, intensiver, genauer und schneller das Feuer der syrischen Artillerie. Ein paarmal verschwand
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der Graben vorne in den dichten Staubwolken der Einschläge. Dann tauchten plötzlich erdfarbene Gestalten hinter dem vordersten Graben auf, hasteten los, blieben stehen, drehten sich um und schossen zurück. Einzelne syrische Trupps drängten nach, andere quollen dick in den genommenen Graben hinein. „Deckung!“ brüllte Sergeant Joshs rauhe Stimme so laut, daß sie es bis in die dritte Linie hörten. Die paar Männer warfen sich nieder, und gleich darauf hob sich schmetternd in hochschießender Sandwolke der Boden in der vordersten Stellung. Wilde Schreie wurden laut. „Damit konntet ihr nichts anfangen, was?“ keuchte Sergeant Josh, als er wieder aufsprang. Er hatte zwei seiner Dynamitdosen mit brennenden Lunten im Graben verdämmt zurückgelassen. Das war Wüstenkrieg der alten Schule, wie er ihn sein Leben lang hatte führen müssen. Und es sicherte ihnen den glatten Rückzug auf die zweite Stellung. Josh verlor bei diesem ganzen Gefecht nur zwei Verwundete, beide so leicht verletzt, daß Verbandspäckchen schon ausreichten, um sie rasch zu versorgen. Sie griffen mit ein in die Verteidigung der zweiten Linie, die aber vor den wieder angreifenden Syrern geräumt werden mußte ehe zehn Minuten vergangen waren. Diese beiden, verhältnismäßig schnell aufgegebenen Stellungen vor der eigentlichen Verteidigungslinie waren zugleich auch so etwas wie ein besonderer Trick, den die Haganah noch oft anwendete. Ihre leichte Eroberung machte den Gegner übermütig und unvorsichtig. Sie versäumten, in geballter Kraft auf die entscheidende letzte Stellung vorzustürmen, von der sie annahmen, sie könnte ebenso leicht erobert werden. So griffen sie nicht mit allen verfügbaren Truppen in scharf zusammengefaßtem Stoß an, sondern mit den einzelnen Wellen in großen Abständen. Und diese Wellen hintereinander waren nicht so erdrückend überlegen wie alle Gegner zugleich. Kurz nach sechs Uhr war die zweite Stellung geräumt worden. Die Verteidiger der ersten und zweiten Linie gingen zurück auf die Hauptstellung und reihten sich dort zwischen deren Besatzung ein. „Was meinst du, wie lange die Syrer Spaß daran haben, verlassene Gräben zu erobern?“ fragte Cohn Moosheimer den Sergeanten Josh.
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„Wenn ich nur mehr Dynamit hätte, würden sie sich bestimmt ein harmloseres Spielchen aussuchen.“ „Aber du hast eben nicht mehr Dynamit“, rief Moosheimer zurück, als er an den linken Flügel lief. Dort hatte er seine alte deutsche Panzerbüchse bereitstehen, und dort, dem Seeufer zu, lief die Straße, auf der eventuell Panzer zu erwarten waren. Bisher hatten sie es nur mit Infanterie und Feldgeschützen zu tun gehabt und die machten nicht allzuviel Schwierigkeiten. Sergeant Josh schaute auf die letzte Blechbüchse mit Dynamit, die er noch hatte, dann stellte er sie vorsichtig neben sich. „Du wirst noch gebraucht, mein Goldstück“, grinste er, dann nahm er seine MPi auf und wechselte das leergeschossene Magazin aus. Der zweite große Infanterieangriff begann gegen 8.30 Uhr. Die Syrer führten ihn nachdrücklicher als den ersten am frühen Morgen. Captain David gab Feuerverbot bis auf einhundert Meter. Sie lagen hinter ihren Gewehren und ließen die feindliche Infanterie mit ihren aufgelockerten Schleiern herankommen. 400 Meter. Die Bajonette der Araber blitzten in der Sonne. Man hörte die Kommandos ihrer Offiziere. 300 Meter. Sie sahen die kleinen Staubwolken, die unter den schnellen Schritten der Angreifer aufquollen, und die braunen Gesichter unter den Helmen. „Fertig“, ging es durch die Reihe der Israelis. Die Männer mit den besten Nerven unter ihnen suchten sich bereits ihre Ziele, die anderen fingerten noch nervös an ihren Gewehren und Maschinenpistolen herum. Sergeant Josh schob sich höher über die Brustwehr hinaus, so konnte er seine MPi besser schwenken. „Feuer!“ Captain Davids Stimme hallte laut und scharf. Die Gewehrschüsse peitschten kurz und trocken, die Maschinenpistolen hämmerten so eilig los, als hätten sie Sorgen, zu spät zu kommen. Der Captain jagte die fünfzehn Schuß seines Sturmgewehres hinaus, ohne abzusetzen. Neben ihm schoß Greener mit einem alten französischen Gewehr. Er
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zielte sorgfältig und lud langsam wieder durch. Nach dem dritten Schuß ließ er plötzlich das Gewehr fallen und rutschte langsam in sich zusammen. Sein weißer Bart färbte sich rot, und der alte Bürgermeister von Dagania lag still am Boden des Grabens, den er selbst hatte ausbauen helfen. Die Syrer, die sich niedergeworfen hatten, feuerten wild zurück, aber sie besaßen kaum Deckungen. Auch wenn sie in Regimentsstärke gekommen waren, sie mußten im konzentrierten jüdischen Feuer wieder zurück. Und dieses gezielte Feuer aus zehn Maschinenpistolen und achtzig, meist veralteten Gewehren trieb sie bis in ihre Ausgangsstellungen. Es war eine bittere Lehre für die syrische Infanterie, aber wer drüben auch den Oberbefehl haben mochte, er war entschlossen, die Siedlung Dagania zu stürmen. Eine Stunde lang hämmerte erneut die Artillerie, und diesmal lagen die Einschläge verdammt gut. Sie verwandelten den Rand des Dorfes in eine Hölle aus emporgeschleudertem Staub, krachenden Einschlägen und pfeifenden Splittern. Der Irgun-Mann Moosheimer behielt recht, der Wasserturm erhielt drei schwere Treffer. Sie würden später einen neuen bauen müssen und bis dahin das Wasser mit Krügen aus dem Fluß holen. So dachten die Männer. Gut, daß sie ein paar Kanister Vorrat hatten, die Sonne brannte längst unbarmherzig herab, und die Lippen waren trocken und heiß wie die Gewehrläufe, aus denen sie Schuß um Schuß abgaben. „Da haben wir den Salat!“ Es war Moosheimer, der es schrie, und dann sahen es auch die anderen. „Panzer!“ Sie krochen schwerfällig über den Hügelrand, kamen kettenklirrend näher, jeder einen Schwarm Infanterie hinter sich. Acht leichte Renault-Tanks, ausgerüstet nur mit MGs, aber doch fast unbezwingbar für die Israelis. „Zeig jetzt bloß, daß du schießen kannst!“ rief Captain David Moosheimer zu, und der hob den Arm zum Zeichen, daß er verstanden hatte. Aber die acht Panzer waren nicht die einzige Überraschung. Von der Seeseite her ratterten zwölf Schützenpanzer heran, vollbesetzt
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und aus allen Rohren feuernd. Es sah mehr als ernst aus für das Häuflein am Dorfrand von Dagania, das zu diesem Zeitpunkt schon auf etwa 90 Mann zusammengeschrumpft war. Cohn Moosheimer zögerte keinen Moment. Er hatte zwar schon den Panzer am weitesten links anvisiert, jetzt drehte er sich aber herum und nahm den vordersten Schützenpanzer aufs Korn. Die dünnere Panzerung dieser Fahrzeuge gab seiner Waffe eine bessere Chance, und vielleicht wurden dann die Kommandanten der anderen Wagen abgeschreckt, wenn er einen von ihnen erledigte. Er zielte bedächtig und schoß auf ziemlich kurze Distanz. Der Rückstoß der Waffe schleuderte ihn fast zu Boden, und dieser Stoß war es auch, der den Schuß zu hoch und fehlgehen ließ. Fluchend lud Cohn Moosheimer wieder, zielte neu und schoß trotz der heftig schmerzenden Schulter.
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Diesmal traf er, aber das Stahlkerngeschoß wurde durch eine schräge Panzerplatte abgelenkt und schlug nicht durch. Beim dritten Schuß fluchte Moosheimer nicht mehr, er knirschte vor Wut mit den Zähnen. Doch diesmal traf er! Es gab ein eigenartig schepperndes Geräusch, als das Geschoß die untere Stirnpanzerung durchschlug. Einen Augenblick sah es aus, als wolle der getroffene Schützenpanzer abdrehen, dann blieb er stehen, und ein greller Feuerschein schoß aus seinem Motor, gefolgt von einer schwarzen, dichten Qualmwolke. Moosheimers dritter Schuß hatte den Motor getroffen und in Brand gesetzt! Die Männer im Graben von Dagania schrien vor Begeisterung. Cohn Moosheimer hörte es nicht mehr. Einer der Panzer hatte den Turm geschwenkt, als die Syrer erkannten, wer da auf ihre Schützenpanzer schoß. Und im ratternden Feuerstoß des schweren MGs entglitt Cohns kraftlos werdenden Fäusten die Panzerbüchse. Er war tot. Sergeant Josh und Hesrell tauchten gleichzeitig hinter ihm auf, aber die Panzerbüchse war erledigt. Ihr Verschluß war verbeult von den auftreffenden Geschossen. Mit einem Fluch warf Josh die nutzlos gewordene Waffe beiseite. „Ihr da, herkommen!“ Captain David winkte seine Nebenleute heran. „Los, ins Dorf! Alle Bierflaschen, überhaupt alle Glasflaschen sammeln. Ihr beiden holt den großen Benzinkanister aus dem Rathaus!“ „Weiterschießen!“ befahl er den übrigen Männern, er selbst schwang sich aus dem Graben und verschwand in der Deckung der Häuser. Die syrischen Panzer rollten langsam näher, aber die Schützenpanzer fuhren nicht weiter. Cohn Moosheimers Schüsse hatten ihren Kommandanten deutlich gezeigt, daß sie nicht in unverwundbaren Fahrzeugen saßen. Sie stoppten erst, streuten dann unentschlossen mit ihren schweren Maschinengewehren den Dorfrand ab und drehten schließlich wieder ab. Die Bedrohung von der linken Flanke her war gebannt. Die Gefahr der anrollenden acht Panzer und der sie begleitenden
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Trupps, die allein ohne die weit zurückfolgende Infanteriemasse die mehrfache Stärke der Verteidiger hatten, dagegen nicht. Es sah schlecht aus für Dagania und die Israelis. Sehr schlecht sogar. Gleich hinter dem ersten Haus wartete der Captain auf seine Helfer. Er blieb unterdessen nicht untätig. Halb gedeckt schoß er mit seinem Sturmgewehr Schnellfeuer auf die hinter und neben den Panzern kommenden Infanteristen. Die Männer im Graben hatten ebenfalls erkannt, daß es darauf ankam, diese Syrer von den begleitenden Panzern zu trennen, und so feuerten sie, so schnell sie konnten. Aber das alles hätte den Angriff nicht stoppen können. Ihn hielt ein einziger Mann auf: Sergeant Josuah, den sie Josh nannten. Als die Panzer näher kamen, immer näher, als die Feuerstöße aus ihren Maschinengewehren mehr Verluste verursachten als die ganzen Stunden des Kampfes vorher, da verzog sich sein sonnverbranntes Gesicht vor Grimm. Er schoß wie die anderen auf die Infanteristen bei den Panzern und ließ sich in den Graben hinunterfallen, wenn eines der Panzer-MGs seinen Standplatz erkannt hatte und unter Dauerfeuer nahm. Dann sprang er mit einem Mal auf, hatte mit einem einzigen Griff seine geliebte Blechbüchse mit der Dynamitladung gefaßt und rannte los. Zehn Schritte geradeaus, hingeworfen, seitlich aufgesprungen, zehn Schritte zur Seite, wieder nieder! Aufspringen, ein paar hastige Sätze, wieder zu Boden! Rings um ihn spritzten Staubfontänen hoch, aber der Sergeant war schon wieder weiter, ehe sie ihn erreichten. Ruhig, ruhig! kommandierte sich Josh selbst, als er auf kaum weniger als zwanzig Meter an den vordersten Panzer heran war. Ganz ruhig! Und seine Hände zitterten nicht, als sie die Zündhölzchen aus der Tasche zogen und das erste anrissen. So ganz ruhig bin ich aber doch nicht, dachte er grinsend, als das Streichholz wieder verlöschte. Beim zweiten klappte es, die Zündschnur begann zischend zu brennen.
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Sergeant Josh betrachtete sie den Bruchteil einer Sekunde lang, sah die kleine Flamme, die sich gierig dem Dynamit zu fraß. Dann richtete er sich auf den Knien auf, holte aus ̶ und warf! Er verfolgte die geschleuderte Blechbüchse mit den Augen, sah sie seitlich gegen die Panzerung des Renaults prallen, abrollen und unter die linke Kette geraten. Einen Augenblick überzog tiefe Enttäuschung sein Gesicht... Dann bebte die Erde unter einer gewaltigen Explosion, und es schien, als werde der syrische Panzer von einer feurigen Faust angehoben und einen halben Meter hoch in die Luft gestoßen! Die Dynamitladung war unter der linken Kette explodiert! Scheppernd riß die Kette, der Panzer schwenkte haltlos herum, gab das Schußfeld frei auf die zwanzig Infanteristen, die hinter ihm gedeckt herankamen und sich vor der Detonation in Deckung geworfen hatten. Ein paar Maschinenpistolen der Verteidiger hämmerten trocken, dann gab es keine lebenden Syrer mehr hinter dem beschädigten Renault-Tank, der mit einer Kette wild im Kreis herumkurvte. Sergeant Josh hetzte zurück in den deckenden Graben und hatte ihn fast erreicht, als er stolperte und fiel. Sie zerrten ihn eilends über die Brustwehr. Er preßte die Hand auf die Schulter. Zwischen den Fingern sickerte es rot hervor. „Held sein“, keuchte der hagere Sergeant. „Held sein ist schon belämmert, Freunde. Aber verwundeter Held sein ist ganz großer Mist. Merkt euch das.“ Das war das einzige, was der Mann zu sagen hatte, der ganz allein die Panzer angegangen war. Captain David arbeitete mit seinen Leuten in fieberhafter Eile hinter dem Haus. Flaschen her, Benzin eingefüllt, Lunte ‘rein, den Flaschenhals verstopft und die nächste Flasche her. 27 Flaschen hatten die Männer aufgetrieben. Ein paar Schnapsflaschen, Milchflaschen, Bierflaschen und sogar Parfümflacons. Sie waren leer gewesen oder voll, einerlei. Wenn sie fertig waren, hatten sie nur noch einen Inhalt: Benzin. Und sie hatten nur noch einen Namen, was auch auf ihren Etiket-
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ten stehen mochte: Molotow-Cocktails! Die primitivsten Waffen gegen Panzer, die Waffen der Selbsthilfe. Aber gefährliche Waffen, wenn sie richtig gebraucht wurden. Sie konnten keine langen Erklärungen und Anweisungen geben, als sie durch den Graben hasteten und die Benzinflaschen an die Kämpfer verteilten. Aber sie brauchten es auch nicht. Jeder, der sie bekam, sah sich die Dinger an, und dann wußte er, was zu tun war. Die sieben restlichen Panzer waren auf wenige Meter heran ̶ eisenklirrend und furchterregend. Am rechten Flügel schwankte das erste stählerne Ungetüm über den Graben hinweg. Die folgenden Infanteristen hatten sich irgendwo in Stellung geworfen. Der durchgebrochene Panzer hielt hinter der jüdischen Linie an, schwenkte ein, fuhr wieder an. Er fuhr jetzt parallel zu dem Graben der Verteidiger und schoß mit hämmernden Maschinengewehren den gezackten Verlauf entlang. Schreie klangen auf, hilftose Flüche, heisere Befehle. Dieser Panzer würde sie alle vernichten, wenn er nicht gleich vernichtet würde. Zwei Männer fegten aus der Deckung hoch, die Benzinflaschen ̶ die irgendwann einmal von den Sowjets, die sie im Partisanenkrieg gebrauchten, den Namen Molotow-Cocktails erhalten hatten ̶ in den Fäusten. Der erste war Shalon Hochbaum aus Kattowitz und der zweite Yehuda Sprung. Sie hatten alle zwei noch nie einen wirklichen Panzer gesehen, ehe diese Ungetüme sie angriffen, und sie waren auch beide nie Soldat gewesen, ehe ihnen der Krieg die Waffen in die Hände zwang. Aber sie handelten mit der gleichen blitzschnellen Entschlossenheit wie alte Soldaten. Fast gleichzeitig flogen die Cocktails. Shalon und Yehuda waren dicht an den syrischen Panzer herangesprungen, acht oder zehn Meter erzählten später die anderen. Berstend zerklirrten die Flaschen, und dann war der ganze Panzer in eine feurige Wolke gehüllt. Niemand jubelte und schrie. Die beiden Israelis, zwei von einer halben Million Juden, sprangen zurück in den Graben, während hinter ihnen ein Panzer brannte, den sie im Nahkampf vernichtet hatten. Der Erfolg mit dem brennenden Panzer war der gleiche, wie ihn vorhin Cohn Moosheimer bei den Schützenpanzern erzielt hatte. Die
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anderen Panzer stoppten, einige nur wenige Meter noch vor der jüdischen Hauptstellung entfernt. Und dann drehten sie wild feuernd ab. Sie wagten nicht mehr, dieses zum Letzten entschlossene Häuflein der Verteidiger zu überrollen! Die mit rücksichtsloser Härte kämpfenden Israelis brachen den Angreifern das Rückgrat. Captain David war der nächste, der auf einen der abdrehenden Panzer zusprang und seinen Cocktail warf, dann flogen die anderen Flaschen im dichten Hagel. Noch zwei Panzer blieben rauchend und brennend liegen, die anderen rasselten in eiliger Fahrt davon, und als die Israelis mit wildem Feuer im Gegenstoß auf ihre ehemalige zweite Stellung vorbrachen, gab es für die syrische Infanterie, die sich von den Panzern im Stich gelassen sah, kein Halten mehr. Sie riß auch noch die Artillerie mit sich fort.
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11 Schützenpanzer, vier Tanks, eine ganze Batterie Feldgeschütze und ein vollständiges Infanterie-Regiment zogen sich vor knapp fünfzig unverwundeten Israelis zurück! Dagania war gehalten worden. Drei Tage später griffen Truppen der Haganah, verstärkt durch örtliche Heimwehr-Verbände, die Siedlungen Sha’ar Hagolan und Massada an und nahmen sie im Sturm. Samakh fiel einen Tag später wieder in die Hände der Israelis. * „So war es also in Dagania“, sagte der Reporter Dave Stanbrike abschließend zu seinen Zuhörern in der Bar auf dem Sonnendeck der „Teneriffa“ ein paar Meilen vor Haifa. „Und ebenso war es in vierzig anderen Siedlungen. Es gab ein paar erbitterte Schlachten in diesem Krieg, aber entscheidend war der unbeugsame Wille zur Verteidigung in allen diesen vierzig Siedlungen. Die Tatsache, daß die Araber sie weder mit Panzer noch mit Artillerie überrennen konnten, gab den Ausschlag für das Weiterleben der jungen Nation der Israeli.“ Die Zuhörer schwiegen und sahen hinüber zu dem deutlich sichtbaren gelben Streifen der Küste und der auftauchenden Hafeneinfahrt von Haifa. „Ich habe etwas an ihrer Erzählung vermißt, Dave“, meinte schließlich Pierre Reynolds. „Und das wäre?“ „Den Reporter Stanbrike, Dave. Den habe ich vermißt.“ Stanbrike stand auf, ging mit langsamen Schritten aus der Bar und blieb an der Reling stehen. Die anderen folgten ihm und schauten hinüber zum Festland, das Israel heißt. „Es gab keinen Reporter Stanbrike in diesen Kämpfen. In dem Krieg war meine Zeitung schlecht bedient, anders als in Indochina und Korea, Pierre.“ „Aber ich denke, Sie waren dabei?“ Jeff Turner fragte es laut und erstaunt. „Ich war“, nickte der Reporter. Und dann faßte er in die Tasche und zog das schmale Buch heraus, das alle Welt als Paß der Vereinigten Staaten von Amerika kennt. Er sah es nur flüchtig an und warf 48
es ins Wasser hinunter. Etwas fiel dabei heraus und klingelte auf das saubere, gelbe Deck des großen Schiffes. Mrs. Turner bückte sich und hob es auf. Sie starrte auf das schimmernde Metallstückchen in ihrer Hand und dann auf den Reporter, in dessen Gesicht ein eigenartiges Lächeln stand. „Ja, aber“, sagte Mrs. Turner. „Das ist doch... dann sind Sie...?“ Und nun sahen auch die anderen, was Mrs. Turner da in der Hand hielt. Ein Messingabzeichen war es. Ein Schwert, um dessen Klinge sich ein Dornenzweig rankte und unter dessen Spitze drei kleine Sterne den Rang des Trägers zeigten. Das Abzeichen eines Captains der Haganah. „Captain David“, sagte Pierre Reynolds und vollendete damit Mrs. Turners abgebrochenen Satz. Dave Stanbrike streckte die Hand aus und nahm das kleine Abzeichen an sich. Er sagte nichts, er sah nur hinüber zu dem Land vor dem Bug des Schiffes. Und niemand brach sein Schweigen... ENDE
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