JOHN SLADEK
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JOHN SLADEK
DAS MOMSTER UND ANDERE ALIENS Stories, Parodien auf bekannte SF-Größen und andere boshafte Schnurren vom Erfinder des berüchtigten Müller-Fokker-Effekts
Scanned by Doc Gonzo
Science Fiction
Deutsche Erstausgabe
HEYNE SCIENCE FICTION & FANTASY Band 06/4432
Titel der amerikanischen Originalausgabe THE STEAM-DRIVEN BOY AND OTHER STRANGERS Deutsche Übersetzung von Ronald M.Hahn Das Umschlagbild schuf Klaus Hulitzka
Redaktion: Wolfgang Jeschke Copyright © 1973 by John Sladek Copyright © 1987 der deutschen Übersetzung by W i l h e l m Heyne Verlag GmbH & Co. KG, München Printed in Germany 1987 Umschlaggestaltung: Atelier Ingrid Schütz, München Satz: Schaber, Weis Druck und Bindung: Elsnerdruck, Berlin ISBN 3-453-0044-0
INHALT
STORIES Das Geheimnis des alten Eierkuchens (THE SECRET Of THE Ol.D CUSTARD) Seite 10
Der Aggressor (THE AGGRESSOR) Seite 19
Der Bestseller (THE BEST-SELLER) Seite 30
Gibt es den Tod auf anderen Planeten? (IS THERE DEATH ON OTHER PLANETS?) Seite 48
Die glückliche Spezies (THE HAPPY BREED) Seite 62
Ein Bericht über die Abwanderung der Bildungsgüter (A REPORT ON THE MIGRAT1ONS OF EDUCATIONAL MATERIALS)
Seite 87
INHALT
Der seltsame Besucher aus dem Noch-Nicht (THE SINGULAR VISITOR FROM NOT-YET) Seite 97
Das fett-fröhliche Weib Mansard Eliots (THE SHORT, HAPPY WIFE OF MANSARD ELIOT) Seite 111
Das Momster (THE MOMSTER) Seite 120
Anno Domini 1937 (1937 A.D.!) Seite 131
Geheimidentität (SECRET IDENTITY) Seite 144
Das transzendentale Sandwich (THE TRANSCENDENTAL SANDWICH) Seite 157
Der Dampfmaschinen-Junge (THE STEAM-DRIVEN BOY) Seite 167
INHALT
PARODIEN
Das entwendete Dingsbums (THE PURLOINED BUTTER)
Seite 182
Pemberlys Neubeginn-Dampforgel (PEMBERLY'S START-AFRESH CALLIOPE)
Seite 186 Ralph 4F (RALPH 4F)
Seite 198
Ingenieur der Götter (ENGINEER TO THE GODS)
Seite 205
Mit brutaler Gewalt (BROOT FORCE)
Seite 213
INHALT
Der Ausflug (JOY RIDE)
Seite 220
Der Mond ist ein Groschen (THE MOON IS SIXPENCE)
Seite 228
Der Solare Schuhverkäufer (SOLAR SHOE SALESMAN)
Seite 231
Eine verdammte Sache nach der anderen (ONE DAMNED THING AFTER ANOTHER)
Seite 242 Die Sublimierungswelt (THE SUBLIMINATION WORLD)
Seite 249
STORIES
Das Geheimnis des alten Eierkuchens Agnes hatte sich den ganzen Tag über ein Baby gewünscht, deswegen war es keine Überraschung für sie, als sie durch die Glastür des Ofens lugte und eins fand. Es schlief, in sauberen Flanell eingewickelt, auf dem Feuerrost, während sie verstaubte Flaschen abrieb, Rezepte sichtete und die Wiege vom Dachboden holte. Als Glen von der Arbeit nach Hause kam, gab sie dem Baby das erste Fläschchen. »Schau mal!« rief sie aus. »Ein Baby!« »Oh, mein Gott, wo hast du das denn her?« sagte er, wobei sein gesund aussehendes, rosafarbenes Gesicht weiß wurde. »Du weißt doch, daß es ungesetzlich ist, Babies zu haben.« »Ich habe es gefunden. Wieso ist es ungesetzlich?« »Alles ist ungesetzlich«, flüsterte er, zog die Gardinen einen Spaltbreit auseinander und sah vorsichtig hinaus. »Es kann nicht mehr lange dauern.« Das Gesicht auf Glens großem, rosafarbenen, würfelförmigen Kopf sah irgendwie angespannt aus. »Was ist denn los?« »Oh, nichts«, sagte er leicht gereizt. »Es wird einen Benzinkrieg geben, mehr nicht.« Glen gab eine pathetische Gestalt ab, als er sich so bewegte, um keinen Schatten auf die Gardinen zu werfen. Sein heller, hautenger Plastikanzug war jedoch weit davon entfernt, hauteng zu sein, selbst seine Kappe sah zerknautscht aus. »Tatsächlich? Ist das alles?« »Nein. Sag mal, unser Nachbar dort drüben recht die Blätter ja schon unheimlich lange zusammen.« »Gib Antwort. Was ist schiefgegangen? Irgendwas im Büro?« »Alles. Allmählich verschwinden das Kohlepapier, 10
die Briefmarken und die Büroklammern. Ich fürchte, man wird mich dafür verantwortlich machen. Der Boß wird einen Computer anschaffen, um den Verlusten nachzuspüren. In der Eisenbahn hat mir jemand die Le bensmittelkarten gestohlen und dafür eine Zeitung von voriger Woche zurückgelassen. Die IBM-Aktien fallen, als würden sie bald den Geist aufgeben. Ich habe eine Erklärung oder sowas. Und .. .und man will das Dezimalsystem wieder abschaffen.« »Du bist nur überarbeitet. Warum setzt du dich nicht einfach hin und schaukelst unser neues Baby ein biß chen auf den Knien? Ich könnte in der Zeit etwas zu.essen besorgen.« »Essen stehlen? Das ist doch verboten!« »Alle tun es, Liebster. Weißt du eigentlich, daß ich es im Ofen gefunden habe?« »Nein!« »Ja, und das Komischste ist: Ich habe mir bloß ein Baby gewünscht - und schon war es da.« »Wie geht's den anderen Haushaltsgeräten?« »Die Waschmaschine wollte mich fressen. Die Spül maschine gibt den Geist auf. Wir müssen vergessen haben, eine Rate zu bezahlen.« »Ja, und unser Konto ist überzogen«, sagte Glen seuf zend. »Der Müllschlucker ist verschnupft.« »Verschnupft?« »Da drüben.« Er schaute sich nicht das an, worauf sie zeigte, seitdem blickte unverwandt aus dem Fenster, wo sich allmählich ein Wetter zusammenbraute. Ein Willkommen-Waggon fuhr langsam durch die Straße. Glen konnte zwar das Schild nicht lesen, aber er erkannte die Panzerplatten und die blauen Rüssel der Maschinengewehre. »Ja, er sitzt verschnupft im Spülstein und will nichts fressen. Seinen Garantieschein hat er dennoch gefressen.« 11
Der Nachbar, ein »Mr. Green«, legte beim Rechen eine Pause ein, um sich die Nummer des Willkom menWaggons zu notieren. »Er ist nicht verschnupft, Liebling, sondern verstopft«, sagte Glen. »Wie viele Wörter du kennst! Und dabei liest du nicht mal Lange Wörter, leicht gesagt.« »Ich lese Philosophie in Kürze, wenn ich Zeit dazu finde«, gestand er. »Aber vergangene Woche habe ich ihren Test mitgemacht und herausgefunden, daß ich nicht entfremdet genug bin. Deswegen bin ich auch so verdammt stolz auf unsere Kinder.« »Jenny und Peter?« »Genau die.« Agnes seufzte. »Ich würde irgendwann gern mal eine Ausgabe der Irischen Post lesen. Übrigens waren die Kartoffeln mal wieder vergiftet. Sämtliche Augen.« Sie ging ins Schlafzimmer und legte das Baby in die Wiege. »Ich gehe runter und schalte was in der Glotze ein«, kündigte Glen an. »Etwas Gutes.« »Leg erst deinen Umhang ab! Du weißt doch, die Sicherheitsvorschriften, die wir auf dem Elternabend gelernt haben ...« »Herr im Himmel, wie könnte ich sie vergessen? Blas' alle Kerzen aus. Stell dich in einem Kanu oder in der Badewanne nie aufrecht hin. Gib nur Name, Rang und Seriennummer an. Nimm nur Schecks an, die in deiner Gegenwart unterzeichnet worden sind. Laß nicht zu, daß die Ratten die Streichhölzer anknabbern, wenn ihnen der Sinn danach steht.« Er verschwand, und zur gleichen Zeit kamen Jenny und Peter aus der Schule zurück und verlangten einen »Imbiß«. Agnes versorgte sie mit ungarischem Gulasch, Brot, Butter, Kaffee und Apfelkuchen. Sie zahlten pro Nase 95 Cent und jeder gab ihr ein Trinkgeld von 15 Cent. Sie waren bärbeißige, sture Achtjährige, die während des Essens wenig redeten. Agnes hatte ein bißchen 12
Angst vor ihnen. Nach dem Imbiß schnallten sie ihre Revolvergurte um und gingen hinaus, um andere Kinder zu jagen, bevor es zu dunkel wurde, um sie zu sehen. Agnes seufzte und setzte sich vor ihren Geheimübermittler. ERWARTE TANTE ROSE MIT DEM MITTAGSZUG, sendete sie. HABE MICH UM IHRE GLADIOLEN GEKÜMMERT. BEACHTEN, DASS FUDGE UM 0400 KERZEN AN PARIS-MASCHINE BRINGT. GÄRTNER BRAUCHT PFLANZENHEBER PER EXPRESS. Kurz darauf kam die Antwort: PFLANZENHEBER ARRANGIERT. FUDGE HAT KEINE WIEDERHOLE KEINE KERZEN. WIRD DDT VERWENDEN. ROSE FESTHALTEN BIS VIOLET VON SICH HÖREN LÄSST. Es war m i mer dasselbe, langweilige, bedeutungslose Botschaften. Als Glen die Treppe heraufkam, versteckte Agnes ihren Übermittler in einer Keksdose. Er hatte einen eigenen Übermittler im Keller, dessen war sie sich gewiß. Nach allem, was sie wußte, war er es, den sie jeden Abend anmorste. »Schau dir das an!« sagte er stolz und zeigte ihr einen Geländerpfosten. Draußen warf ein Flugzeug Flugblätter ab. Der Nachbar eilte hinaus, rechte sie zusammen und verbrannte sie. »Jeden Abend die gleiche verdammte Geschichte«, sagte Glen zähneknirschend. »Jeden Abend werfen sie Flugblätter ab, um uns zu sagen, daß wir aufgeben sollen, und jeden Abend werden sie von diesem Hundesohn verbrannt. Wenn das so weitergeht, werden wir nie erfahren, wer >sie< sind.« »Ist es wirklich so wichtig?« fragte sie. Er würde ihr eh nicht antworten. »Komm rein, hör auf zu schmollen! Ich sage dir, was ich gern tun möchte. Ich möchte gern mal mit der Meisenbahn fahren.« 13
»Eisenbahn«, korrigierte er sie. »Aber das geht nicht. Das Gesundheitsministerium sagt, daß es krebsfördernd ist,, wenn man schneller als fünfzig Stundenkilometer fährt.« »Es scheint dich ja wirklich zu interessieren, was aus mir wird!« Glen beugte seinen großen, würfelförmigen Kopf über das Fernsehgerät. »Dir wird sicher auffallen,« sagte er, »daß es aussieht, wie ein gewöhnliches Fußballspiel der Armee gegen die Marine. Und das ist es vielleicht auch. Vielleicht geht der Ball gar nicht in die Luft, wenn er dagegen tritt. Vielleicht ist diese Spielrunde nur ein bloßer Zufall.« »Nummer siebenundzwanzig wird vom Platz gestellt«, murmelte sie. »Ich frage mich, was das nun wie der zu bedeuten hat.« Glen spürte, wie ihre Hand die seine suchte. Nachdem er sich rückversichert hatte, daß sie ihren Giftring nicht trug, hielt er im abgedunkelten Wohnzimmer mit seiner Frau Händchen. »Die allgemeine Kälte«, murmelte er. »Sie nennen es >die allgemeine Kälte