10
DARKENER Der erste Auftrag Historie: Im Jahr 5109 Föderationsstandardzeit (FSZ), also dem Jahr 2303 Erdstandardzeit...
25 downloads
693 Views
433KB Size
Report
This content was uploaded by our users and we assume good faith they have the permission to share this book. If you own the copyright to this book and it is wrongfully on our website, we offer a simple DMCA procedure to remove your content from our site. Start by pressing the button below!
Report copyright / DMCA form
10
DARKENER Der erste Auftrag Historie: Im Jahr 5109 Föderationsstandardzeit (FSZ), also dem Jahr 2303 Erdstandardzeit (ESZ), wurde der Planet Erde - auch Terra oder Sol III genannt - Mitglied in der Föderation Alliierter Planeten, kurz FAP. Innerhalb der Föderation hatten sich natürlich zu dieser Zeit bereits viele Strukturen gefestigt; viele Institutionen, Behörden und Einrichtungen sich längst etabliert. Dazu gehörten natürlich auch die drei Geheimdienste: der Föderationsnachrichtendienst FND, der dem Flottenoberkommando auf GALKIN untersteht; der Geheimdienst der Alliierten Planeten, GeDAP, der dem Föderationsrat auf CENTRALON untersteht. Und schließlich der Wissenschaftliche Geheimdienst der Alliierten Planeten, WiGAP, der dem Wissenschaftsrat von AMELONG unterstellt ist. Aber bereits zu dieser Zeit zeigte sich, daß die Geheimdienste selbst nicht selten in Machenschaften verwickelt waren, die den Vorstellungen der Gründer der Föderation zuwider liefen. Und so wurde ein neuer Geheimdienst gegründet. Zumindest inoffiziell, denn offiziell gab es ihn nicht. Dieser Geheimdienst unterstand allein dem Föderationspräsidenten und dem Obersten Richter von HABELAR IV, wo der Föderationsgerichtshof seinen Sitz hatte. Erster Leiter und eigentlicher Gründer dieses Nachrichtendienstes war ein Angehöriger eines relativ jungen Mitgliedsplaneten der FAP. Sein Name war Harrison M. Prentiss und er war der Mann, unter dessen Präsidentschaft der Planet ERDE in die Föderation aufgenommen wurde. Schnell hatte sich gezeigt, das Prentiss ein kosmopolitischer Mann war und die Interessen der Föderation wesentlich ernsthafter und ehrlicher vertrat, als manches jahrhundertelange Mitgliedsvolk. Als Harrison M. Prentiss im Jahr 5165 FSZ (2387 ESZ) stirbt, hinterläßt er eine Institution, die schon unter ihm, mehr noch aber in den folgenden Jahrhunderten zu einem Synonym für Gesetzestreue und Loyalität gegenüber der Föderation - nicht einem Einzelwesen oder einer Behörde gegenüber werden sollte. Der Geheimdienst besaß nie einen eigenen Namen, da er offiziell nie existierte. Doch Prentiss' Nachfolger ehrte das Andenken seines Vorgängers damit, daß er dem Geheimdienst und seinen Angehörigen die Bezeichnungen ließ, die der Terraner immer für sie verwendet hatte. Es waren terranische Bezeichnungen. Die Frauen und Männer nannte man 'SHADOWS -Schatten'. Und der Geheimdienst trug den Namen
MYSTERY DIVISION
11 Als sich das Visifon mitten in der Nacht mit hartnäckigem Summen in Darkeners Schlaf einschlich, ahnte der Mann terranischer Abstammung noch nicht, daß sich mit diesem unscheinbaren und enervierenden Summton sein Leben entscheidend verändern sollte. Darkener stammte von Neu Afrika, einer der ersten Kolonien der Erde, gegründet im Jahr 2408 ESZ. Er war dort im Jahr 2739 ESZ, also 5400 FSZ geboren. Das war nun vierundvierzig Jahre her. Bei einer durchschnittlichen Lebenserwartung seines Volkes von etwas mehr als 160 Terra-Jahren war er also noch als sehr jung zu bezeichnen. Er war knapp 180 cm groß, sportlich ohne dabei übertrieben muskulös oder gar athletisch zu wirken. Seine dunkelbraunen Haare trug er meist mittellang und häufig umspielte ein zynisches Lächeln seine Mundwinkel. Er war im Alter von zwanzig Jahren in den Dienst der Raumflotte getreten und hatte sich bereits wenig später für das - wie er glaubte - aufregende und spannende Leben eines Raumpolizisten und schließlich eines Agenten des Föderationsnachrichtendienstes entschieden. Aber die ersten Jahre waren weder spannend noch aufregend gewesen sondern in erster Linie mit Ausbildung, Fortbildung und Schulungen angefüllt. Seinen ersten richtigen Einsatz hatte er im Alter von 37 Jahren gehabt, das war also gerade sieben Jahre her. Allerdings hatten ihn die letzten sieben Jahre für die mehr als zehn Jahre harter Ausbildung überreichlich entschädigt. Zwar waren die Einsätze längst nicht so häufig wie er gedacht hatte, doch sie waren aufregend und spannend, so wie er es sich vorgestellt hatte. Er hatte sich innerhalb des FND einen Namen gemacht. Er galt als zuverlässig und gewissenhaft - manchmal sogar als zu gewissenhaft. Und man warf ihm Disziplinlosigkeit vor. Doch gerade diese Gewissenhaftigkeit und diese sogenannte Disziplinlosigkeit ließen ihn seine Aufträge immer im Sinne der Föderation erledigen. Sehr zum Mißfallen seiner Vorgesetzten, denn diese hatten in erster Linie das Wohl der eigenen Abteilung im Auge. Und das deckte sich nicht immer mit den Interessen der FAP. Oft schon hatte er miterleben müssen, daß eigentlich eines Verbrechens überführte, hochrangige Offiziere zwar ihres Postens enthoben, aber weder bestraft noch unehrenhaft entlassen wurden. Man versetzte sie lediglich auf irgendeinen bedeutungslosen Stützpunkt. Darkener akzeptierte das, obwohl er es nicht verstand. Seine Disziplinlosigkeit hatte ihm mehrfach den Weg zu einer Beförderung verbaut. Mit seinen vierundvierzig Jahren war er Leutnant. Er hätte aber schon Oberstleutnant, wenn nicht sogar Oberst sein können. Mühsam fand er aus dem Schlaf in die Wirklichkeit. Das Visifon des Apartments, das er zwischen den Einsätzen auf GALKIN, dem Hauptquartier der Föderationsflotte, bewohnte, gab immer noch den enervierenden Summton von sich. Er richtete sich auf und befahl mit müder Stimme: "Licht!" Der Servocomputer der Wohnung nahm seinen akustischen Befehl auf und setzte ihn um. Saftes, die Augen schonendes Licht, flammte auf. "Aktiviere Verbindung", lautet sein nächster Befehl an den Servo. Auf dem Bildschirm erschien das Gesicht von Leandra Parpan. Die Frau war eine gebürtige Terranerin und Oberst des FND. Sie war Darkeners direkte Vorgesetzte. "Was hast du dieses Mal wieder angestellt?" fragte sie statt einer Begrüßung. Sie war von einer unauffälligen Attraktivität. Eine herbe Schönheit. Sie galt als kühl und unnahbar. Darkener wußte es jedoch besser.
12 "Wovon sprichst du?" fragte er zurück. Er konnte sich zwar nicht an alle Einzelheiten des gestrigen Abend erinnern, doch glaubte er nicht, daß er etwas getan hatte, was einen Anruf mitten in der Nacht rechtfertigte. "Du sollst dich sofort um umgehend bei General Graster melden. Und mit sofort und umgehend ist auch genau das gemeint." Sie runzelte die Stirn. "Also sag' schon, was hast du angestellt. Vielleicht kann ich dir helfen." 'In erster Linie willst du dir selbst helfen', dachte der Neuafrikaner. 'Du hast Angst um deine schöne Karriere!' Doch das sagte er nicht. Statt dessen hob er die Schultern. "Keine Ahnung, Leandra. Ich bin mir keiner Schuld bewußt." Sie schüttelte den Kopf. "Eines Tages, Darkener, übertreibst du es. Und nun zieh' dich an und schwing' deinen Hintern hierher." Ohne weiteres Wort unterbrach sie die Verbindung. Während Darkener sich anzog und einen schnellen Kaffee hinunterstürzte, dachte er darüber nach, weshalb der General ihn zu sehen wünschte. Der Heproke war wie alle seines Volkes ein anscheinend humorloser Mann. Wenn er den Agenten des FND mitten in der Nacht zu sich befahl, so war es mit Sicherheit kein belangloser Anlaß. Doch so sehr er sich auch anstrengte, ihm fiel kein Grund oder kein Fehlverhalten ein, weshalb der General und Kommandeur des FND ihn sehen wollte. Also machte er sich neugierig auf den Weg. Als er das Zentralgebäude des FND erreichte, herrschte dort trotz der fortgeschrittenen Stunde lebhaftes Treiben. Aber das verwunderte ihn nicht weiter. Auf CENTRALON, der Hauptwelt der Föderation, gab es zwar Tag und Nacht wie auf jedem Planeten, doch letztlich war dies nur von untergeordneter Bedeutung. Wichtige Ereignisse richteten sich nicht nach solchen natürlichen Gegebenheiten. Sie geschahen, wann sie es für richtig hielten und meist dann, wenn niemand damit rechnete. Darkener wurde ohne größere Verzögerung zu dem General vorgelassen. Sein Vorzimmeradjutant öffnete bereits beim Anblick des Neuafrikaners die Tür, ohne daß Darkener irgend etwas sagen mußte. "Dicke Luft?" fragte der Agent den jungen Kalaren. Doch der Leutnant, wie alle seiner Rasse ein Koloß was die Körperfülle betraf, hob nur die breiten Schultern. Also betrat Darkener das Büro des Kommandeurs ohne zu wissen, um was es eigentlich ging. Der Raum war groß, sehr groß. Beherrscht wurde er von einem gewaltigen Schreibtisch, in den zahllose Bildschirme und Knöpfe installiert waren. Darkener wußte, daß der General damit nahezu jeden Stützpunkt des FND erreichen konnte. Oder sonst eine Schaltstelle der Föderation. Im Raum hielten sich drei Personen auf. Zwei davon kannte der Agent. Zuerst natürlich seine direkte Vorgesetzte, Oberst Leandra Parpan. Dann General Graster, Heproke und Kommandeur des Föderationsnachrichtendienstes, einem der drei Nachrichtendienste der FAP. Die dritte Person kannte er nicht. Der Mann gehörte der terdrischen Rasse an, war jedoch auf Grund seiner Kleidung unschwer als Zivilist zu erkennen. Er schien bereits ein recht hohes Alter zu haben, zumindest konnte man das aus der Grauverfärbung seiner Lederhaut schließen. Während er den General und den Oberst mit einem militärischen Gruß begrüßte, nickte er dem Zivilisten nur freundlich zu.
13 "Leutnant Darkener meldet sich wie befohlen!" meinte er dann noch. "Sie haben lange gebraucht", meinte der General und entgegnete den militärischen Gruß. "Ich habe geschlafen, Toon." verteidigte sich der Neuafrikaner und sah die Frau an. "Als Oberst Parpan mich anrief, mußte ich mich erst anziehen." 'Und einen Kaffee trinken', fügte er in Gedanken hinzu. Graster winkte ab. "Jetzt jedenfalls sind Sie hier." Er nickte in Richtung des Terdrers. "Ich möchte Ihnen unseren Besucher vorstellen. Leutnant Darkener, das ist Kren Kadgeyn. Ich nehme an, daß Sie den Namen kennen?" Natürlich kannte der Neuafrikaner den Namen, obwohl er die Person, die dazu gehörte noch nie persönlich gesehen hatte. Der Terdrer war Inhaber und Chef der größten privaten Sicherheitsagentur der Föderation. Er sollte einmal ein hohes Tier bei der Raumabwehr gewesen sein, aber das wußte Darkener nur vom Hörensagen. Mit Sicherheit konnte er dies nicht sagen. "Kren Kadgeyn hat den FND um Unterstützung in einer, hm, etwas heiklen Angelegenheit gebeten." Der Agent war versucht durch die Zähne zu pfeifen, unterließ diese respektlose Geste aber. Die 'Sicherheitsagentur Kadgeyn', kurz 'SAK' genannt 'bat' den FND um Unterstützung. Er hätte verstanden, wenn es anders herum gewesen wäre, denn so etwas kam des öfteren vor. Doch daß eine Privatfirma eine Institution der FAP um Hilfe bat - und man diese so wie es aussah auch gewährte - kam höchst selten vor. Ein Zeichen, daß der Terdrer über ausgezeichnete Verbindungen verfügen mußte. "Genau gesagt, hat Kren Kadgeyn um Ihre Hilfe gebeten." Darkener sah den Terdrer erstaunt an. "Meine Hilfe? Wobei?" Kadgeyn musterte den Mann von Neu-Afrika sehr genau, ehe er erwiderte: "Das werde ich Ihnen an Bord meines Schiffes erzählen, Leutnant, wenn wir unterwegs sind." "Und wohin geht die Reise?" "Das werden Sie alles noch erfahren, Darkener", schaltete der General sich ein. "Sie sind mit sofortiger Wirkung als Verbindungsoffizier zur SAK abgestellt und Kren Kadgeyn haben Sie als Ihren Vorgesetzten zu betrachten, dessen Weisungen Sie Folge zu leisten haben." "Ich ...", begann der Agent, aber Leandra Parpan unterbrach ihn in einem schneidenden Ton. "Genug, Darkener. Sie haben Ihre Anweisungen gehört." Darkener sah die Frau mit einem zornigen Blick an, doch er schwieg und fügte sich achselzuckend in sein Schicksal. Die nächsten paar Minuten verfolgte er noch schweigend das Gespräch zwischen dem Terdrer und dem Heproken, dann wandte sich Kadgeyn an ihn. "Gehen wir, Leutnant. Die Zeit drängt." Darkener verabschiedete sich militärisch exakt von dem General und der Frau. Dann folgte er dem Terdrer. Es behagte ihm nicht, wie man ihn behandelte, aber er konnte nichts dagegen tun - noch nicht ...
14 Kadgeyns Schiff entpuppte sich als etwas ganz anderes, als der Neuafrikaner erwartet hatte. Er hatte damit gerechnet, eine jener schnellen, luxuriösen Privatjachten zu sehen zu bekommen, wie sie die Reichen der Galaxis benutzten. Was er aber zu sehen bekam, überraschte ihn fast noch mehr als Kadgeyns Verbindungen zu der Föderationsspitze. Das Schiff war ein Leichter Kreuzer der terdrischen KLOGON-Klasse. Und damit eigentlich ein militärisches Schiff. Unvorstellbar, daß ein Privatmann ein solches Raumschiff zur freien Verfügung hatte. Entweder man hatte dem Terdrer dieses Schiff für diesen Einsatz - worum immer es sich auch dabei handeln mochte - überlassen. Oder Kadgeyn war nicht einfach nur der Besitzer von SAK, sondern erheblich mehr. Natürlich bemerkte der ältere Terdrer das Erstaunen des Agenten. "Sie werden in Kürze erfahren, worum es geht, Leutnant!" kam er den Fragen Darkeners zuvor. "Aber wie gesagt, die Zeit drängt. Auf unserem Flug werden wir noch ausreichend Gelegenheit haben, uns über alles zu unterhalten. Wir werden nach dem Start eine Besprechung durchführen, doch zuerst muß ich mich um wichtigere Dinge kümmern." Er war von Kadgeyn einem Besatzungsmitglied übergeben worden, der den Agenten in eine Kabine brachte. Darkener dachte nach, während er darauf wartete, daß man ihn zu der Besprechung, die der Terdrer zum Schluß erwähnt hatte, abholte. Die ganze Sache kam ihm reichlich mysteriös vor. Wer war Kadgeyn, daß er dem Kommandeur des FND einfach einen Agenten abschwatzen konnte? Und wie kam der Terdrer zu einem Schiff wie dem KLOGON-Kreuzer? Schließlich überkam ihn Müdigkeit. Die Nacht war ja auch reichlich kurz gewesen. Er legte sich auf das Bett und schloß die Augen. Wenig später war er eingeschlafen. Als er aufwachte, bemerkte er sofort, daß er nicht mehr alleine im Raum war. Er fuhr hoch. Auf einem Stuhl saß ein Heproke und sah ihn schweigend an. "Hallo", meinte Darkener und setzte sich auf den Bettrand. Der Heproke nickte. "Sie haben tief und fest geschlafen, Nehemiah", meinte der Mann. Darkener warf ihm einen bösen Blick zu. "Darkener", preßte er zwischen den Zähnen hervor. "Ich weiß. Nehemiah Darkener." Der Agent des FND schüttelte den Kopf. "Nein, einfach Darkener." Der Blick des Heproken wurde verwundert. "Ich dachte, Ihre Terraner schätzt es als Zeichen der Freundlichkeit, wenn man sich mit dem Vornamen anredet." "Erstens", widersprach Darkener, "bin ich kein Terraner, sondern Neuafrikaner. Und zweitens weiß ich nicht, ob ich will daß Sie zu mir freundlich sind. Und drittens, und das ist persönlich für mich das wichtigste: es gibt einen Fehler, den ich meinen Eltern nie verziehen habe, nämlich den, daß sie mich Nehemiah nannten. Sagen Sie also Leutnant oder Darkener, das genügt!" "Wie Sie wünschen, ...Darkener", gab der Heproke zurück. Dann stand er auf und nickte dem Agenten zu. "Ich bin hier, um Sie abzuholen. Kadgeyn erwartet uns." "Dann los", versetzte Darkener. Vielleicht erfuhr er nun endlich, was gespielt wurde. Der Heproke, der sich bisher noch nicht vorgestellt hatte, führte ihn in einen kleinen Konferenzraum. Zusammen mit Darkener und seinem Führer hielten sich noch drei weitere Personen in dem Raum
15 auf. Zum einen Kadgeyn. Dann ein Sonurer und ein arrogant wirkender Rowener. Allen dreien nickte Darkener zu und wartete. "Setzen Sie sich, Darkener", forderte der Terdrer ihn auf. Wortlos ließ der Neuafrikaner sich auf einem der freien Sessel nieder. "Ich nehme an, Sie sind hungrig", fuhr Kadgeyn fort. Und bei diesen Worten stellte Darkener fest, daß er in der Tat ein Hungergefühl verspürte. Außerdem wäre ein Tasse Kaffee nicht das schlechteste. Kadgeyn nickte dem Heproken zu und der Mann, der wahrscheinlich so etwas wie ein persönlicher Adjutant des Terdrers darstellte, verließ den Raum. Darkener sah Kadgeyn auffordernd an. "Es ist mir klar, Darkener, daß Sie, hm, etwas verwirrt sind. Sie fragen sich, wie ein Zivilist einen Agenten des FND ausleihen kann. Sie fragen sich, wie ein Zivilist zu einem Kriegsschiff meines Volkes kommt. Und Sie fragen sich natürlich, was ich von Ihnen will. All das werde ich Ihnen beantworten, doch zuerst möchte ich Ihnen Ihre Kollegen vorstellen." Bei dem Wort 'Kol legen' wurde Darkener noch aufmerksamer, als er es schon war. "Das ist Koplek - Agent Koplek, um genau zu sein", meinte er in Richtung des Sonurers. Wie alle Sonurer hatte dieser eine nicht zu leugnende Ähnlichkeit mit einer terranischen Hunderasse. Der Sonurer war etwa 1,80m groß und trug eine grüne Kombination, die einfach und schmucklos war. "Unser rowenischer Freund hört auf den Namen Senansenlok." Darkener sah den Rowener an und der Mann erwiderte seinen Blick in der typisch arroganten Art, die seiner Rasse zu eigen war. Die Rowener hielten sich für etwas besseres. Sie waren die letzte jener Rassen, die vor langer Zeit die Föderation gegründet hatten und die heute noch eine Bedeutung besaßen. Die Welachin, die Laitan und alle anderen Gründungsrassen waren degeneriert und zur Bedeutungslosigkeit verdammt. Ehe Kadgeyn fortfahren konnte, kehrte der Heproke zurück und stellte ein Tablett vor Darkener auf den Tisch. Eine Tasse mit dampfendem Kaffee und ein abgedeckter Teller waren auf dem Servierbrett. Darkener hob den Deckel an und ein köstlicher, unverwechselbarer Duft stieg ihm in die Nase. Ein kalarisches Steak, zart rosa gebraten, so wie Darkener es liebte! Für ein kalarisches Steak würde er sogar eine Verabredung platzen lassen. Es gehörte zu den Delikatessen, die sich ein Normalbürger der FAP vielleicht ein- oder zweimal in zehn Jahren leisten konnte. Er warf dem Terdrer einen Blick zu. Was wußte der Mann mit der dicken Haut noch alles über ihn? "Greifen Sie zu", forderte der Terdrer und versuchte so etwas wie ein Lächeln. Doch es wurde lediglich die Karikatur eines solchen. Die dicke Oberhaut der Terdrer ließ so etwas einfach nicht zu. Das Steak schmeckte hervorragend und auch der Kaffee war von allererster Qualität. Und während der Agent des FND sich das Steak schmecken ließ, begann der Terdrer zu erklären. "Wir haben uns natürlich über Sie eingehend erkundigt, Darkener. Und vielleicht wissen wir mehr über Sie, als Sie selbst." "Hmmm", machte Darkener und kaute weiter. "Sie gelten als zuverlässig, zielstrebig, mutig und risikofreudig. Gleichzeitig sind Sie als disziplinlos bekannt. Wobei 'disziplinlos' eine Frage des Standpunktes ist. Sie erledigten Ihre Aufträge im Sinne der FAP, was aber nicht immer im Sinne Ihrer Vorgesetzten war." "Ich bin ja auch für die FAP tätig und nicht für einen Vorgesetzten", erwiderte Darkener und nahm einen Schluck Kaffee. "Sie haben sich damit keine Freunde gemacht", gab Kadgeyn zu bedenken.
16 Darkener hob die Schultern und schwieg. "Ihre Loyalität gilt jedenfalls in erster Linie der FAP", fuhr Kadgeyn fort, "und solche Frauen und Männer suchen wir." "Wir? Sie meinen SAK?" Der Terdrer wiegte den Kopf. "In gewissem Sinne. SAK, die 'Sicherheitsagentur Kadgeyn', ist mehr oder weniger eine Tarnorganisation. Sie ermöglicht es uns, unsere Leute auf den verschiedensten Planeten arbeiten zu lassen, ohne daß es auffällt. SAK beschäftigt Privatdetektive, Sicherheitskräfte, Leibwächter und was weiß ich noch alles.Um das wenigste davon kümmere ich mich persönlich. Aber hinter SAK steckt mehr. Und das ist meine eigentliche Aufgabe, der ein Großteil meiner Zeit gilt." Er sah den Agenten des FND aufmerksam an. "Haben Sie schon einmal etwas von den 'Schatten' gehört?" "Welcher Agent hat das nicht", gab Darkener zurück. "Angeblich unterstehen sie nur dem Föderationspräsidenten und dem Obersten Richter von HABELAR IV." Er lächelte. "Allerdings halte ich das für ein Gerücht. Ich glaube eher, daß es sich um eine Spezialeinheit der Raumabwehr handelt." Kadgeyn schüttelte den Kopf. "Glauben Sie dem Gerücht", widersprach er. "Es ist in der Tat so, daß diese Frauen und Männer nur den beiden Personen unterstehen, die Sie genannt haben. Und die Aufgabe der ' Schatten' ist in sehr einfachen Worten erklärt: wir passen darauf auf, daß die Verantwortlichen der Föderation sich an ihre eigenen Gesetze halten! Uns interessieren weder Titel noch Ränge, soziale oder wirtschaftliche Stellung, weder Name noch Herkunft." Darkener lächelte spöttisch. "Eine wunderschöne Idealvorstellung, Kadgeyn. Nur funktioniert das nicht so einfach. Und letztlich sind auch Sie nicht unabhängig." "Das ist richtig, aber wir sind es mehr als jeder andere Nachrichtendienst oder jede Polizeitruppe." "Nehmen wir an, es ist so. Was also wollen Sie von mir?" "Wir wollen, daß Sie für uns arbeiten. Und außerdem haben wir ein ganz spezielles Problem, bei dem nur Sie uns helfen können!" Koplek trat zu dem Terdrer. "Ich soll also für Sie arbeiten", meinte Darkener. "Was hätte ich davon?" "Mißfällt es Ihnen nicht, daß Sie manchmal Fakten auf der Hand haben, Beweise gegen hochrangige FAP-Offizielle - und nichts geschieht?" fragte der Sonurer. Darkener hob die Schultern. "So ist das Leben." "Wenn Sie nun dafür sorgen könnten, daß diese mächtigen und einflußrei chen Leute dennoch die Strafe erhalten, die sie verdienen, wäre das nicht eine gewisse Art von Lohn?" Darkener lachte. "Von dem man sehr gut leben kann, sicher", meinte er ironisch. "Sie werden sich über den Lebensstil, den Sie als unser Mitarbeiter führen, nicht beklagen können", gab Koplek geringschätzig zurück. "Wie schön." Darkener wandte sich dem Terdrer zu. "Hat diese Organisation einen Namen?" Kadgeyn nickte. "Man nennt sie 'Mystery Division'." "Mystery Division", wiederholte der Agent nachdenklich. "Klingt reichlich terranisch, oder nicht?" meinte er dann. "Das ist richtig, doch schließlich wurde sie auch von einem Terraner gegründet. Sein Name war Harrison M. Prentiss."
17 Diesmal pfiff Darkener durch die Zähne. "Der Präsident unter dem Terra in die Föderation aufgenommen wurde." "Richtig", bestätigte Kadgeyn. "Prentiss war ein weitsichtiger Mann. Er wußte nicht nur, daß Macht korrumpiert, er hat auch etwas dagegen unternommen. Natürlich trug die Organisation, die er in Absprache mit dem damaligen Föderationspräsidenten und dem Obersten Richter von HABELAR IV gründete, noch nicht den Namen 'Mystery Division', aber ihre Aufgaben waren dieselben: darauf acht zu geben, daß die Verantwortlichen der FAP sich an ihre eigenen Gesetze halten. Ihren heutigen Namen erhielt sie nach Prentiss' Tod, sozusagen als posthume Ehrung seiner Verdienste." "Hm", machte Darkener, "alles schön und gut. Aber wer paßt auf, daß die Mystery Division nicht das tut, was sie verhindern soll?" "Die Mystery Division ist keine Polizeitruppe, Darkener", meinte der Sonurer. "Wir haben weder besondere Machtbefugnisse noch besondere technische oder wissenschaftliche Möglichkeiten. Wir sind weder so gut ausgerüstet wie die Raumabwehr, noch sind wir in der Lage irgend jemanden zu verhaften oder vor Gericht zu stellen. Und dennoch haben wir mehr Einfluß als jede andere Polizeieinheit oder jeder andere Nachrichtendienst. Denn was wir herausfinden, erfahren umgehend der Oberste Richter und der Föderationspräsident. Und diese beiden Personen haben Macht genug, das werden Sie nicht bestreiten können." "Über den Umweg Kadgeyn, nehme ich an", warf Darkener ein und sah den Terdrer an. Koplek nickte. "Sie sind ein mächtiger, ein sehr mächtiger Mann, Kadgeyn, wenn das stimmt." Darkener lächelte. "Wer garantiert, daß Sie immer mit sauberen Karten spielen." "Die Ergebnisse, Darkener, einfach die Ergebnisse." Minutenlanges Schweigen trat ein. Darkener dachte darüber nach, ob er dieser Organisation beitreten wollte oder nicht. Eine Frage drängte sich natürlich auf ... "Was geschieht, wenn ich Ihr Angebot ablehne?" Zum ersten Mal meldete sich der Rowener zu Wort. "Dann erhält der FND Sie zurück - als handliches Paket!" Man sah Senansenlok an, daß er es sein würde, der das Paket schnürte. Darkener erwiderte den Blick des arroganten Mannes ruhig und gelassen. Schließlich wandte er sich an den Terdrer. "Nun gut, Kadgeyn, ich bin zwar noch längst nicht überzeugt, aber ich kann mir ja zumindest einmal anhören, was Sie von mir wollen." "Sie irren sich, Darkener, wenn Sie glauben, daß es eine Wahl für Sie gäbe", meinte der Rowener an Kadgeyns Stelle. "Sie wissen bereits zuviel, als daß es für Sie noch eine andere Möglichkeit gäbe als 'ja' zu sagen. Ein 'nein' würden Sie nicht überleben." "Meint er das Ernst?" fragte er den Terdrer, aber Kadgeyn schwieg. "Nun gut, dann sagen Sie mir endlich worum es geht!" verlangte der Neuafrikaner. Der Terdrer sah den Heproken an, dessen Name Darkener noch immer nicht wußte. Der Heproke trat nach vorne und blieb neben Kadgeyn stehen. Er lächelte auf eine seltsame Art und Weise. "Kalakans Welt!" meinte er dann nur. Darkener fuhr hoch. Das Steak lag ihm plötzlich schwer im Magen. "Es war nett mit Ihnen allen zu plaudern", meinte er und sah den Rowener an. "Sie können schon einmal beginnen, den Adressaufkleber für das Paket zu schreiben." Er blickte dem Terdrer tief in die Augen. "Das kann
18 nicht Ihr Ernst sein, Kadgeyn. Wenn Sie soviel über mich wissen, dann ist Ihnen auch bekannt, daß alles, was mit 'Kalakans Welt' zu tun hat, mir herzlich gleichgültig, um nicht zu sagen zuwider ist. Was Sie auch von mir erwarten, meine Antwort ist: Nein, nein und hundert mal nein!" "Vielleicht wollen Sie zuerst einmal hören, ..." begann der Heproke, doch Darkener unterbrach ihn: "Nein, das will ich nicht. Ich will nichts über Kalakan und seine Welt hören, gar nichts." Er stand auf und näherte sich dem Ausgang. "Wenn Sie mich nun töten wollen, so tun Sie es. Andernfalls lassen Sie mich aussteigen und an meine Arbeit zurückkehren." "Wir sind schon längst gestartet", belehrte ihn der Rowener. Ohne sich umzudrehen erwiderte Darkener: "Dann setzen Sie mich bei nächster Gelegenheit ab." "Kalakan hat um Ihre persönliche Hilfe gebeten." "Das ist mir verdammt noch mal egal. Soll der alte Mann zur Hölle fahren!" "Vielleicht ist er da schon." Nun drehte sich der Agent doch um und sah Kadgeyn an. Ein zynisches Lächeln umspielte seine Lippen. "Sie machen mir Hoffnung, Kadgeyn!" "Kalakan ist verschwunden und niemand weiß, wo er sich aufhält." Der Terdrer zeigte mit einer Handbewegung auf den Sessel, den der Neuafrikaner vor wenigen Augenblicken verlassen hatte. Widerstrebend kehrte Darkener dorthin zurück und ließ sich langsam nieder. "Vielleicht", meinte er dabei, "konnte seiner Welt nichts besseres geschehen." "Gleichzeitig wurden die Lieferung von SL-Kristallen bis auf weiteres eingestellt. Man will neue Konditionen aushandeln. Wobei man deutlich klar machte, daß sich der Preis erheblich erhöhen wird.", fuhr Kadgeyn fort, ohne auf Darkeners Einwürfe einzugehen. "Pech", war der einzige Kommentar des FND-Agenten. Es interessierte ihn nur unwesentlich, wer 'man' war. "Sie wissen genau, wie wertvoll die SL-Kristalle von 'Kalakans Welt' sind. Sie gehören zu den hochwertigsten, die zur Zeit innerhalb der Föderation zu erhalten sind. Wir sind darauf angewiesen." Der Heproke schien wohl doch etwas mehr zu sein, als nur ein Adjutant des Terdrers. Langsam begann Darkener sich ernsthaft für den Namen des Wesens zu interessieren. "Nun gut, das mag wohl so sein", gestand Darkener zu. "Aber wäre das nicht ein Fall für die Raumpolizei?" "Das ist richtig. Und ich habe auch schon Leute dorthin geschickt. Aber sie stoßen auf eine Mauer des Schweigens, der Ablehnung, ja sogar der Angst!" "Angst? Wovor? Etwas schlimmeres als Kalakan kann ihnen kaum widerfahren." Darkener sah den Heproken an. "Und Sie haben Leute dorthin geschickt? Wer sind Sie?" Kadgeyn schaltete sich hastig ein. "Das ist im Augenblick ohne Bedeutung, Darkener. Wichtiger ist es, herauszufinden was auf 'Kalakans Welt' geschehen ist. Sie waren bereits auf diesem Planeten, kennen die Zustände und die dortigen Verhältnisse. Also sind Sie unsere erste Wahl." "Jeder andere Agent des FND könnte diesen Auftrag genauso gut erledigen", widersprach Darkener. "Vor seinem Verschwinden hat Kalakan noch einen Hilferuf gesendet. In diesem Funkspruch bat er ausdrücklich um Ihre Hilfe. Außerdem ..." Der Heproke sah den Terdrer an.
19 "... außerdem hat es mit diesem Funkspruch eine sehr mysteriöse Bewandtnis", fuhr Kadgeyn fort. "Er erreichte die Zentrale des FND bereits vor mehr als vier Wochen. Aber seitdem ist nichts geschehen. Oder wurden Sie bereits informiert?" Darkener schüttelte den Kopf. Das war in der Tat mysteriös. "Sehen Sie!" Kadgeyn stand auf. "Was auch immer auf 'Kalakans Welt' vorgefallen sein mag, irgend jemand will Sie davon fernhalten. Jemand, der in der Führungsspitze des FND oder zumindest in einer höheren Position zu suchen ist. Und damit, Darkener, ist es ein Fall für die Mystery Division." Er sah auf seine Uhr. "Koplek und Senansenlok werden Ihnen alles weiter erklären. Mich müssen Sie leider entschuldigen. Ich muß mit unserem heprokischen Freund noch ein paar Dinge besprechen." Und ehe Darkener etwas sagen konnte, hatten die beiden Männer den Raum verlassen. Was Darkener von dem Sonurer und dem Rowener erfuhr, war nicht wesentlich mehr, als das was er bis jetzt schon wußte. Sie verdeutlichtem ihm lediglich noch einmal, weshalb 'Kalakans Welt' so wichtig für die Föderation war und weshalb es so große Schwierigkeiten bereitete, etwas über den Verbleib Kalakans herauszufinden oder über das, was eigentlich geschehen war. Auf seine Frage, wer der Heproke war, erhielt er lediglich zur Antwort "Ein hohes Tier bei der Raumpolizei". Mehr oder genaueres konnten die beiden Männer nicht sagen. Ebensowenig gingen sie auf Darkeners Fragen zur Mystery Division ein. Schließlich brachte man ihn in seine Kabine zurück. "Denken Sie über das, was Sie in den letzten Stunden gehört haben, nach, Darkener", empfahl ihm der Sonurer, ehe er ging. "Die Arbeit für die Mystery Division ist gefährlich, denn wir haben nur selten wirklich Rückendeckung. Aber wir können denen auf die Zehen treten, die sonst ungeschoren davon kommen, weil sie zuviel Macht und Einfluß haben." Das war, wie der Agent sich insgeheim eingestand, ein sehr erfreulicher Aspekt. Man kümmerte sich nur wenig um ihn. Wahrscheinlich wollte man ihn in Ruhe nachdenken lassen. Genauso wahrscheinlich war es aber, daß man ihn für ein notwendiges Übel hielt - besonders der Rowener mochte so denken -, den man für diesen Auftrag brauchte und danach möglichst unauffällig wieder loswerden wollte. Er hatte ausreichend Zeit, das an seinem geistigen Auge vorbeiziehen zu lassen, was er über das Ziel ihres Fluges wußte.
20 'Kalakans Welt'. Im Grunde war dieser Planet ein kleines Paradies, etwa erdgroß und der Erde auch sonst sehr ähnlich, was Klima, Vegetation und Tierwelt betraf. Städte gab es nur eine von Bedeutung, die den Namen 'Kalakana' trug. Es gab weder eine nennenswerte Industrie noch eine bedeutende Landwirtschaft. Und es gab nur einen Raumhafen. Über ihn lief der gesamte Handel. Die Welt war vor etwa dreißig Jahren von einem Prospektor entdeckt worden. Der Name des Mannes war Preston Kalakan, ein Neu-Afrikaner wie Darkener, der jedoch von allen nur Kalakan genannt wurde. Niemand wußte genau, wie es dem Prospektor gelungen war in den Besitz dieser Welt zu gelangen; Tatsache war jedoch, daß er tatsächlich ihr Eigentümer war, offiziell und rechtens. Die FAP respektierte seinen Besitz und garantierte ihn sogar. Was bedeutete, daß der alte Mann das Recht hatte, die Raumflotte oder die Raumpolizei zu Hilfe zu rufen, wenn ihm jemand etwas böses wollte. Ansonsten war er der unumschränkte Herr seiner Welt. Kalakan betrachtete sich in der Tat als Herrscher über seine Welt. Und besonders die Eingeborenen bekamen das zu spüren. Diese Wesen - zu niemandes Erstaunen Kalakans genannt - galten als halbintelligente Rasse, eher der Tierwelt als einer intelligenten Rasse zuzuordnen. Deshalb galten für sie auch nicht die Gesetze der Föderation, was hieß, daß sie nicht die Besitzer ihrer eigenen Welt waren. Im Gegenteil, sie selbst galten als Besitz, eben als Kalakans Besitz. Darkener wußte es jedoch besser. Die Oschwen - wie sie sich in ihrer primitiven Sprache selbst nannten - waren eine Rasse, die ihre Entwicklung noch vor sich hatte. So jedenfalls schätzte er sie ein. In seinen Augen standen sie auf der Stufe zwischen Tier und wirklicher Intelligenz. In ein paar tausend Jahren wären sie vielleicht Mitglieder der FAP geworden - wenn sie bis dahin noch existiert hätten. Das war aber durch Kalakan mehr als unwahrscheinlich geworden, denn er hielt sie mehr oder weniger als Sklaven. Und während Kalakan und seine Freunde, die er auf seine Welt geholt hatte, den Reichtum und Luxus genossen, den der Verkauf der SL-Kristalle einbrachte, mußten die bedauernswerten Oschwen - Darkener zog diesen Namen vor - in den Minen unter einfachsten und unwürdigen Verhältnissen schuften und dafür sorgen, daß sich Kalakans Reichtum ständig mehrte. Außerdem, und das war das widerwärtigste an dem ganzen Treiben, mußten sie bei Kalakans Festen in seinem 'Palast' die Diener abgeben. Und mehr! Der Neuafrikaner hatte oft genug gesehen, wie man die armen Wesen einfach nur so zum Spaß quälte und mißhandelte, häufig sogar tötete. Kalakan hatte es auf irgendeine Art und Weise - Geld mochte dabei eine nicht unerhebliche Rolle gespielt haben - geschafft, daß die Verantwortlichen der Föderation, allen voran die Raumpolizei, ihn in Ruhe ließen und seinem Tun wortlos zusahen. Darkener hatte sich damals überlegt, was er für die Oschwen tun konnte, aber Kalakan mußte diese Gedanken geahnt haben. "Weißt du, Darkener", hatte er einmal am Ende eines seiner Feste gemeint, "die Kalakans sind sehr empfindlich, was menschliche Krankheiten betrifft. Eine einfache Erkältung, die du oder ich mit einem heißen Tee behandeln, ist für sie eine tödliche Gefahr. Sie wissen das - und du solltest das auch wissen, falls du auf dumme Gedanken kommen solltest!" Darkener hatte die Drohung verstanden. Sollte er etwas zu unternehmen gedenken, würde Kalakan die Oschwen bedenkenlos ausrotten. Sie würden einer Krankheit zum Opfer fallen und damit wäre die Sache erledigt.
21 "Du bist ein verdammtes Schwein, Kalakan", hatte Darkener, damals noch Angehöriger der Raumpolizei, erwidert. "Wenn ich bedenke, daß du ebenso wie ich von Neu-Afrika kommst, muß ich mich für unsere Heimatwelt schämen, daß sie Ungeheuer wie dich hervorbrachte. Eigentlich sollte ich die Welt von dir befreien!" Kalakan hatte nur gelacht und geantwortet: "Tu' das und die Kalakans sind in ein paar Tagen tot." Er zeigte Darkener sein Armbandgerät. "Da drin befindet sich ein winziger, auf meine Gehirnfrequenz abgestimmter Sender, der alle paar Stunden ein Signal abstrahlt. Und solange die Gegenstation das Signal empfängt, wird sie nichts tun. Sollte das Signal aber einmal ausbleiben, so wird diese Welt von Viren und Bakterien überschwemmt, die den Kalakans in Kürze eine bedauerliches Ende bereiten. So einfach ist das!" Aus diesem Grund hatte Darkener damals darauf verzichtet, etwas gegen Kalakan zu unternehmen. Und er hatte sich geschworen, niemals wieder einen Fuß auf diese Welt zu setzten. Sonst hätte er den alten Mann vielleicht doch getötet und gehofft, daß er seine Drohung nicht wahr machte. Doch gerade diese Drohung, die Kalakan seinerzeit ausgesprochen hatte, gab ihm nun zu denken. Wenn Kalakan verschwunden war, was war dann mit dem Signal, das sein Armband alle paar Stunden aussendete? Man hatte Darkener nichts davon gesagt, daß die Oschwen zu Grunde gegangen waren. Wenn sie aber noch lebten, dann mußte auch der alte Mann noch leben. Oder wer immer auch für sein Verschwinden verantwortlich war, hatte eine Möglichkeit gefunden, den Ausbruch der Krankheiten, die die Oschwen vernichten sollten, zu unterbinden. Und dann war da noch eine Sache, die ihn äußerst nachdenklich machte. Laut Kopleks Schilderung war der Hilferuf bereits vor vier Wochen im Hauptquartier des FND eingegangen. Aber niemand hatte dem Agenten etwas davon erzählt. Also mußte irgend jemand im FND ein Interesse daran haben, Darkener von 'Kalakans Welt' fernzuhalten. Aber wer? Und warum? Widerwillig mußte der Mann zugeben, daß ihn die ganze Sache langsam zu interessieren begann. Nicht um Kalakans Willen, nein, sondern einfach um seinetwillen. Wer war die Person, die im FND gegen ihn arbeitete?
22 Sie näherten sich dem System der Sonne von 'Kalakans Welt'. Nachdem Darkener sich für den Augenblick - wie er betonte - als Mitarbeiter der Mystery Division betrachtete, hatte man einen Plan ausgearbeitet, wie es ihm unauffällig gelingen konnte, den Planeten zu erreichen. Es war unmöglich, daß er an Bord eines Leichten Kreuzers der KLOGON-Klasse auf dem Planeten erschien. Jedem mußte dann sofort klar sein, daß er eine außergewöhnlich gute Rückendeckung hatte. Er würde weder etwas erfahren noch würden sich der oder die Unbekannten aus ihrer Deckung wagen. Sein Erscheinen mußte also normal genug sein, daß man es nicht mit einem größeren Auftrag in Verbindung brachte, andererseits aber würde es unweigerlich mit dem Funkspruch in Verbindung gebracht werden. Also kam man überein, einen kleinen Umweg zu machen. Etwa achtzig Lichtjahre von 'Kalakans Welt' entfernt lag der Handelsposten FERRNON. Von dort flogen regelmäßig Schiffe den Planeten an, die Passagiere und Fracht an Bord hatten. Der KLOGON-Kreuzer dockte an der Raumstation, die einen doppelterdgroßen Ödplaneten umkreiste, und Darkener suchte sich eine Passage nach 'Kalakans Welt'. Schnell wurde er fündig. Ein Frachter sollte in wenigen Stunden ablegen. "Wir werden uns in der Nähe von 'Kalakans Welt' aufhalten, Darkener", meinte Kadgeyn zum Abschied. "Sollte es notwendig werden, so können Sie uns zu Hilfe rufen. Aber zuerst sollten Sie versuchen soviel als möglich herauszubekommen." "Wie können wir Verbindung aufnehmen?" fragte der Neuafrikaner. "Wir werden Ihnen noch das Frequenzband und den Kode mitteilen, ehe Sie uns verlassen." Damit schien für den Terdrer im Augenblick alles gesagt zu sein. Darkener hob die Schultern und ging davon. Er war es gewohnt alleine zu arbeiten. Alles war programmgemäß verlaufen. Der Frachter hatte 'Kalakans Welt' erreicht und war unbehelligt gelandet. Der Agent hatte überlegt, ob er eine Tarnung annehmen sollte, sich dann jedoch dagegen entschieden. Der oder die Unbekannten hatten einen Grund, weshalb sie ihn nicht hier haben wollten. Vielleicht war ein offenes Auftreten die beste Möglichkeit sie aus der Reserve zu locken. Nachdem er die Kontrollen am Raumhafen hinter ich gebracht hatte, quartierte er sich in einem Hotel ein, das er von früher kannte. Dann begab er sich zu Kalakans Palast. Natürlich war das Gebäude kein Palast im eigentlichen Sinn, doch der alte Mann hatte das luxuriös und pompös ausgestattete Gebäude so genannt. Tatsächlich handelte es sich um das Verwaltungsgebäude des Planeten. Schon als Darkener sich dem gewaltigen Bau näherte, erkannte er, daß sich gegenüber seinem letzten Besuch einiges geändert hatte. Früher konnte man das mit harischem Marmor ausgelegte und mit teuren Edelhölzern verkleidete Foyer des Gebäudes ungehindert betreten. Heute wurde man von schwer bewaffneten Wachen noch vor dem Eingang aufgehalten. "Wohin wollen Sie?" wurde er von einem Mann, der einer menschlichen Kolonialrasse angehörte, angesprochen. "Ich bin Händler und will zu Minister Jondrak. Ich habe wertvolle Waren an Bord meines Schiffes, die ich zuerst dem Minister anbieten will, ehe ich sie auf dem freien Markt verkaufe." Natürlich war das gelogen, aber wie sollte der Mann das wissen.
23 "Haben Sie einen Termin?" fragte der Mann und beäugte den angeblichen Händler mißtrauisch. "Nein, doch der Minister kennt mich von früher. Er wird mich empfangen." Der Mann dachte kurz nach, ehe er erwiderte: "Der Minister empfängt heute keine Besuche. Verschwinden Sie." Darkener überlegte, ob er das Spiel weiter treiben sollte, doch er entschied sich dagegen. Er hatte genug erfahren und wollte nicht zu früh und unnötig das Interesse auf sich lenken. "Gut", meinte er deshalb. "Ich komme morgen wieder." Er nickte dem Wächter zu, drehte sich um und ging davon. Dabei lächelte er innerlich. Er hatte ohne große Probleme zwei wichtige Dinge erfahren. Zum einen würde es nicht einfach sein, ins Innere des Gebäudes zu gelangen, besonders nicht mit seinen eingeschränkten Möglichkeiten. Dies würde sich wohl erst mit dem Eintreffen Kadgeyns und der anderen ändern. Und zum anderen wußte er, daß es sich bei den Wächtern um bezahlte Söldner handelte. Sie wußten wahrscheinlich nicht einmal für wen sie arbeiteten. Bestimmt nicht für Kalakan oder sonst einen der Offiziellen des Planeten. Denn sonst hätte der Mann wissen müssen, daß es keinen Minister Jondrak gab! Im obersten Stockwerk des Gebäudes, in einem Raum der an Prunk und teurer Einrichtung kaum zu überbieten war, hielten sich vier Männer auf. Ein Kalare, ein Jangarer, ein Heproke und ein Gelanese. Sie waren die neuen Herrscher von 'Kalakans Welt'. Wortführer war der schwergewichtige Jangarer hinter Kalakans Arbeitstisch. "Ich dachte, Kretenk, es würde keine Probleme geben?" fragte er den Heproken. "Wovon sprichst du, Randu?" Statt zu antworten drückte der Jangarer auf einen Knopf und ein Bildschirm erhellte sich. "Eine der Überwachungskameras hat das aufgenommen. Und dieser Dummkopf von einem Söldner hat es mir erst gemeldet, nachdem er stundenlang überlegt hat, ob es sich um einen jener 'ungewöhnlichen Vorfälle' handelte, die man umgehend zu melden hat, oder nicht." Randu Kugar übertrieb. Der Söldner hatte den Vorfall knapp eine halbe Stunde, nachdem er sich ereignet hatte, gemeldet. Man sah auf dem Bildschirm, wie der Söldner sich mit einem mittelgroßen Mann offensichtlich terranischer Abstammung unterhielt. Und wie der Mann dann wieder wegging. "Ja, und?" fragte Kretenk. "Du kennst den Mann nicht?" fragte der Jangarer. "Nein", gestand der Heproke. "Sollte ich?" "Ich habe mich über diesen Mann erkundigt. Er wohnt im 'Stardream'-Hotel und ist vor wenigen Stunden auf 'Kalakans Welt' angekommen. " Er warf dem Heproken einen zornigen Blick zu. "Der Name des Mannes ist Nehemiah Darkener!" Kretenk zuckte zurück. "Das ... das ist unmöglich!" stammelte er schließlich. Der Jangarer kam hinter dem großen Tisch hervor und baute sich vor dem Heproken auf. "Das dachte ich auch", meinte er drohend. "Wer ist dieser Darkener, von dem ihr redet?" schaltete sich der Gelanese ein. Wie alle Gelanesen war er klein und überaus zierlich. Und wie alle Gelanesen verabscheute er Streit. Ohne den Gelanesen anzusehen, den zornigen Blick weiterhin auf den Heproken gerichtet, erwiderte Kugar: "Leutnant Nehemiah Darkener, Agent des FND. Diesen Mann rief Kalakan in
24 seinem letzten Funkspruch zu Hilfe, ehe der alte Mann verschwand." Er trat noch näher an den wesentlich kleineren und viel schmächtigeren Heproken heran. "Wie kommt es, daß Darkener hier ist?" "Ich weiß es nicht", gestand Kretenk. "Dann stell' es fest!" "Ich ..." "Sofort!" Der Heproke wollte noch etwas sagen, überlegte es sich jedoch angesichts der drohenden Haltung des Jangarers anders. Er wußte nur zu gut, daß Randu Kugar sehr ungemütlich werden konnte. Mit dem auf einer 3g-Welt Geborenen war nicht gut Kirschen essen, wie die Terraner sagten. Wortlos ging Kretenk zu dem Tisch, der in gewissem Sinne der Mittelpunkt von Kalakans Herrschaft gewesen war. Von hier aus konnten quasi alle Vorgänge des Planeten kontrolliert und gesteuert werden. Natürlich gehörte auch eine Möglichkeit Funkverbindungen herzustellen dazu. Er aktivierte das Funkgerät und wenig später wurde der Bildschirm hell. Die anderen vier hatten sich so aufgestellt, daß sie von der Kamera nicht erfaßt wurden. Ein Sonurer in der Uniform der Raumflotte erschien auf dem Bildschirm. "Toon", grüßte er den Heproken. Im Gegensatz zu seinem Gespräch mit dem Jangarer wirkte der Heproke nun selbstsicher und überlegen. "Ich brauche sofort eine Funkverbindung nach CENTRALON zum Hauptquartier des Föderationsnachrichtendienstes." "Wen genau wünschen Sie zu sprechen, General?" "Oberst Leandra Parpan!" "Es wird eine Zeit dauern bis die Verbindung steht, Toon. Soll ich Sie zurückrufen?" "Nein, ich werde warten!" Kretenks Stimme klang befehlsgewohnt und herrisch. Minuten vergingen und auf dem Schirm war nur das Symbol der Raumflotte zu sehen. Das Raumschiff der Föderationsflotte war eine Relaisverbindung, die der Heproke in letzter Zeit des öfteren benutzt hatte. Denn General Kretenk war eine jener Personen, die Kadgeyn gemeint hatte, als er davon gesprochen hatte, daß die Mystery Division sich weder für Titel noch für Ränge interessierte, wenn es darum ging Vergehen gegen die Gesetze der Föderation zu ahnden. General Kretenk war Angehöriger des FND und zuständig für den Jantan-Sektor. Er war es, der dafür gesorgt hatte, daß man Darkener den Hilferuf Kalakans vorenthalten hatte. Natürlich hatte er nicht verhindern können, daß der Funkspruch das HQ des FND erreichte, doch es war im gelungen, den Funkspruch auf dem Weg zu Darkener 'verschwinden' zu lassen. Ein hoher Offizier wie er besaß dazu genügend Möglichkeiten. Die Minuten vergingen, doch schließlich erschien das Symbol des FND-Hauptquartiers auf dem Bildschirm, um gleich darauf dem Bild des Oberkörpers einer Frau Platz zu machen. "General Kretenk", grüßte sie den Heproken etwas erstaunt. "Was verschafft mir die Ehre?" Die beiden kannten sich selbstverständlich. Sie waren sich bereits des öfteren begegnet, so daß es nicht notwendig war, daß sie sich einander großartig vorstellten. Und nachdem ein paar Höflichkeitsfloskeln hin- und hergegangen waren, kam der General zur Sache. "Wie Sie wissen, Oberst, bin ich für den Jantan-Sektor zuständig", begann der Heproke. Leandra Parpan nickte. "Zu diesem Sektor gehört ein Planet mit Namen 'Kalakans Welt'", fuhr der General
25 fort. "Auf dieser Welt gibt es zur Zeit Probleme. Unbedeutende Probleme zwar, dennoch möchte ich die Angelegenheit schnellstmöglich geregelt wissen. Wie ich nun aus den Archiven weiß, hat einer Ihrer Mitarbeiter einen recht guten Kontakt zu dem Besitzer dieser Welt." "Sie meinen Leutnant Darkener?" Kretenk nickte. "Genau diesen meine ich." Die Frau lächelte säuerlich. "Ich würde den Kontakt zwischen Darkener und Kalakan nicht als 'gut' bezeichnen. Ich würde ihn sogar eher als 'frostig' bezeichnen." "Dennoch gibt es eine Verbindung zwischen Leutnant Darkener und Kalakan", beharrte Kretenk. "Ich wäre Ihnen sehr verbunden, wenn Sie mir diesen Leutnant für ein paar Tage - länger wird es mit Sicherheit nicht dauern - zur Verfügung stellen könnten." Er lächelte freundlich ."Sozusagen als Abteilungsübergreifende Kooperation." Der Oberst lächelte zurück. "Ich würde Ihnen gerne behilflich sein, General, doch leider ist das zur Zeit nicht möglich." "Ist Leutnant Darkener unabkömmlich?" "So kann man es nennen, Toon. Er wurde zu einem Spezialauftrag abberufen und ich habe keine Ahnung, wo er sich gerade aufhält. Ich werde ihn aber umgehend informieren, sobald er zurückkommt." "Ein Spezialauftrag?" fragte der Heproke. "Nur aus Neugier: Wissen Sie worum es geht?" Leandra Parpan schüttelte den Kopf. "Nein, General, leider hat man auch meine Neugierde nicht befriedigt." Kretenk dachte kurz nach, dann meinte er: "Nun, dann kann man nichts machen. Sollte es notwendig sein, Oberst Parpan, werde ich mich noch einmal bei Ihnen melden." Er nickte der Frau zu, dann trennte er die Verbindung und sah den Jangarer an. "Sie weiß nicht, daß Darkener hier ist." Der Koloß nickte nachdenklich. "Ob sein Spezialauftrag etwas damit zu tun hat?" meinte er mehr zu sich selbst. Dann sah er den Heproken auffordernd an. "Laß' deine Verbindungen spielen, Kretenk. Wir müssen herausfinden, weshalb Darkener hier ist. Es kann kein Zufall sein." Der Heproke nickte. "Wie du willst, Randu." Zum ersten Mal meldete sich nun der Kalare, dem man sein hohes Alter deutlich ansah, zu Wort. Die Kalaren waren die Stammväter der Jangarer und stammten ebenfalls von einer Welt mit höherer Schwerkraft, allerdings hatte Kalara 'nur' 2,2g. "Was ist das Problem? Ich verstehe nicht, weshalb ihr euch über diesen Terraner oder Neuafrikaner so aufregt." Kugar sah den Kalaren freundlich, fast respektvoll an. Sein Respekt lag jedoch weniger in der Person von Larpor Kunjin begründet, sondern im Respekt der Jangarer vor ihren Stammvätern. Hätte der Jangarer den Kalaren nicht gebraucht, er hätte liebend gerne auf Kunjin verzichtet. "Die Sache ist die, Larpor", begann er, als würde er einem Kind etwas erklären, "daß Darkener sich auf dieser Welt auskennt. Er ist Agent des FND und ein Freund, zumindest aber ein guter Bekannter Kalakans. Man erzählt sich, daß er sehr gut mit diesen halbintelligenten Kalakans kann. Darkener ist der letzte, den ich auf 'Kalakans Welt' sehen will. Er bedeutet Schwierigkeiten, denn es muß einen Grund haben, weshalb Kalakan ausgerechnet ihn zu Hilfe rief. Deshalb habe ich Kretenk angewiesen, dafür zu sorgen, daß der Hilferuf Kalakans den Mann nicht erreicht." Er funkelte den Heproken böse an. "Jedenfalls sollte er dafür sorgen."
26 "Das habe ich getan", verteidigte sich Kretenk. "Gut, gut", meinte der alte Kalare beschwichtigend. "Weshalb beseitigen wir diesen Darkener nicht einfach?" Man sah Kugar an, daß er am Verstand des senilen Kalaren zweifelte. Aber das Mitglied des Föderationsrates besaß einen guten Leumund und er war für ihr Vorhaben unverzichtbar. Wenn die Sache allerdings geregelt war ... "Weil das ein Fehler wäre, Larpor. Diese Welt würde schneller als wir denken könnten, von Polizei, vielleicht sogar Agenten des FND, wimmeln. Man würde den Tod Darkeners mit allen Mitteln untersuchen. Es wäre vorbei mit unserer Ungestörtheit. Und vielleicht, nein wahrscheinlich sogar, würde man dabei auch auf die Umstände zu Kalakans Verschwinden eingehen. " Er lächelte verärgert. "Und wie willst du das erklären?" Er schüttelte den Kopf. "Nein, Darkener darf nichts geschehen - noch nicht! Wir müssen jeden seiner Schritte beobachten und ständig darüber informiert sein, was er tut." Er nickte dem Gelanesen zu. "Das ist deine Sache, Netperl. Und Kretenk, du verschaffst mir Informationen zu diesem Spezialauftrag. Wir müssen wissen, was Darkener und seine Auftraggeber, um wen auch immer es sich dabei handeln mag, wissen und was sie vorhaben." "Und was soll ich tun?" fragte der Kalare. "Nichts", antwortete der Jangarer kurzangebunden.
27 Der nächste Weg des Neuafrikaners führte dorthin, wo man für gewöhnlich auf jeder Welt hinging, wenn man Informationen brauchte, die auf normalem Wege nicht zu bekommen waren: in die Halbwelt der Kneipen, Bars und zweifelhaften Etablissements rund um den Raumhafen. Er wußte wie jeder Agent, daß diese Gegend eine unvergleichliche Quelle für Gerüchte, Informationen und Nachrichten aller Art darstellte. Neben allem anderen, was man dort bekommen konnte. Darkener kannte die Gegend von früher und es hatte sich nur wenig geändert. Sein Ziel war eine jener schummrigen, zwielichtigen Kneipen, wie es sie bereits vor Jahrhunderten gegeben hatte. Sie trug den klangvollen Namen 'Das Unendliche Tor zu den Sternen'. Aber dieser hochtrabende Name stand in völligem Gegensatz zu ihrem Äußeren. Der Eingang lag in einer dunklen, verwahrlosten Ecke des Raumhafenviertels und von Außen sah er aus wie ein Kellerloch. Es gelang dem Neuafrikaner die Kontrolle an der Eingangstür ohne Probleme zu durchschreiten. Geld wirkte immer Wunder. Das Innere der Bar entpuppte sich als überraschend luxuriös und sauber. In erster Linie verkehrten hier die Offiziere und Kapitänen der Raumschiffe, die 'Kalakans Welt' anflogen. Und was Darkener früher
besonders an dieser
Kneipe geschätzt
hatte,
gab es nach wie
vor:
lebendes
Bedienungspersonal, keine Roboter oder Automatikgetränkespender. Darkener steuerte auf die Theke zu, hinter der ein feister Sonure sich mit einer Bardame unterhielt, während ein weiteres Mädchen in äußerst knapper Bekleidung vor dem Tresen auf einem Barhocker saß. Beide Frauen mußten terranischer Abstammung sein. Als Darkener die Theke erreichte unterbrachen die drei ihr Gespräch und der dicke Sonure sah den Neuafrikaner mit mürrischem Blick an. "Was darf's sein, Raumfahrer?" erkundigte er sich mit gleichgültiger Stimme. "Ein luxurischer Kett", erwiderte der Agent und fügte hinzu: "Und wo ist Jinx?" Ohne zu antworten schenkte der Sonurer ein Glas Kett, eine Art Whisky ein. Der Flasche nach stammte er tatsächlich von Luxur, doch Darkener war überzeugt, daß sich in der Flasche alles mögliche befinden konnte. Luxurischer Kett war teuer, sehr teuer und nicht ganz einfach zu beschaffen. Manche Betreiber von Bars versuchten deshalb ihre Gäste zu betrügen. Als der Sonurer das Glas vor dem Neuafrikaner abstellte fragte er durch zusammengepreßte Zähne hervor: "Wer fragt nach Jinx?" Darkener nahm einen Schluck ehe er erwiderte: "Ein Freund und Saufkumpan aus alten Tagen. Sag' ihm, daß Darkener hier ist." Der Kett war gut, aber wie der Mann von der Mystery Division erwartet hatte: er stammte in keinem Fall von Lux. Der Sonurer bedachte Darkener mit einem nachdenklichen Blick, dann nickte er dem Mädchen vor dem Tresen zu. "Kümmere dich um unseren Gast", trug er der knapp bekleideten Dame auf. Das Mädchen glitt von ihrem Barhocker und kam näher. Sie war hübsch, sehr hübsch, doch Darkener hatte keine Lust, sich mit ihr zu unterhalten, gleichgültig auf welche Art. Der Sonurer war mittlerweile in einem Durchgang neben der Theke verschwunden. Während das Mädchen versuchte mit Darkener ins Gespräch zu kommen, beobachtete dieser den Durchgang. Schließlich gab das Mädchen seine sinnlosen Versuche auf, murmelte noch etwas wie "arroganter Terraner" und kehrte dann, wie der Neuafrikaner aus den Augenwinkeln erkennen konnte, auf ihren ursprünglichen Platz zurück.
28 Es verging geraume Zeit, dann kehrte der Sonurer mit einem unfreundlich dreinblickenden Neuafrikaner zurück. Als dieser jedoch Darkener vor der Theke erkannte, erhellte sich seine Miene sofort. "Darkener, alter Hundesohn!" rief er und kam um den Tresen herum. "Wie lange ist das her?" Die beiden Männer umarmten sich herzlich. Samuel Jinx war einen halben Kopf größer als der Agent, dabei jedoch unglaublich hager. Darkener kannte die Geschichte, die den ehemaligen Ersten Offizier eines Frachtschiffes nach 'Kalakans Welt' verschlagen hatte. "Etwa neun Jahre, Jinx", erwiderte er, nachdem der Inhaber der Bar ihn losgelassen hatte. "So lange schon?" Jinx nickte dem Sonurer, der wieder hinter der Theke stand, zu und meinte: "Eine Flasche Jokas, Termil, nur das beste für meinen Freund Darkener." Er lachte als er den Agenten ansah. "Ich nehme nicht an, daß du mittlerweile deinen Vornamen benutzt?" Darkener verzog das Gesicht, ehe er erwiderte: "Ich danke für dein Angebot, Jinx, aber im Augenblick würde ich gerne auf den Jokas verzichten. Du weißt, wohin das im allgemeinen geführt hat, doch dazu habe ich im Augenblick keine Zeit." "Keine Zeit für Jokas?" fragte der Wirt erstaunt. "Du enttäuscht mich, alter Freund!" Darkener hob die Schultern. "Tut mir leid, Jinx, aber es ist nicht der richtige Moment für ein Gelage. Ich muß noch einiges erledigen, ehe ich wieder abreise." Er grinste. "Aber ich verspreche dir, daß wir vorher noch eine Flasche Jokas niedermachen - oder zwei!" Jokas war ein leichter Branntwein. Eine Flasche reichte im allgemeinen nicht, um zwei Männer auch nur leicht betrunken zu machen. Allerdings hatte das Getränk die seltsame Eigenschaft, wenn man es zusammen mit einem bestimmten Fruchtsaft zu sich nahm, unter der Einwirkung eines Körperenzyms zu einem hochprozentigen Schnaps umgewandelt zu werden. Und eine Flasche Jokas zusammen mit der gleichen Menge Fruchtsaft war mehr als genug, um zwei Männer sinnlos betrunken zu machen. Darkener erinnerte sich nur zu deutlich an ihr letztes Jokas-Gelage. Es hatte fast eine Woche gedauert, bis er sich wieder davon erholt hatte. "Geschäfte?" fragte Jinx schließlich. Darkener nickte. Jinx hatte ihn als Kaufmann kennengelernt, der für einen großen Konzern der Föderation arbeitete und allerlei zwielichtige Geschäfte tätigte. Zu keiner Zeit hatte der Wirt erfahren, daß Darkener für die Raumpolizei arbeitete. Jinx zuckte mit den schmalen Achseln. "Nun gut, aber du wirst dich an dein Versprechen erinnern?" Darkener nickte. Dann wurde er ernst. "Aber es gibt noch einen Grund außer Jokas und der Freude einen alten Freund wiederzusehen, der mich zu dir geführt hat." Jinx sah ihn fragend an. "Man erzählt sich, daß Kalakan verschwunden ist und seltsame Dinge in seinem Palast vor sich gehen. Von neuen Machthabern ist die Rede." Darkeners Stimme war leise geworden. Der Wirt sah ihn nachdenklich an. Dann erwiderte er geheimnisvoll lächelnd und ebenso leise: "Geschäfte, wie?" Er nickte. "An den Gerüchten ist etwas dran. Kalakan hat sich seit mehr als vier Wochen in der Öffentlichkeit nicht mehr gezeigt. Offiziell heißt es, er sei krank. Doch daran glaubt niemand wirklich." "Und woran glaubt man dann?" hakte der Agent nach. Jinx hob die Schultern. "Er hat sich mit den falschen Leuten eingelassen und die haben ihn abserviert."
29 "Ermordet?" "Keine Ahnung. Vielleicht. Wahrscheinlich sogar. Aber niemand weiß es genau." Er sah Darkener eindringlich an. "Aber weshalb interessiert dich das so? Für deine Geschäfte dürfte es doch egal sein, mit wem du sie machst. Hauptsache der Profit stimmt, oder?" Darkener nickte. "Natürlich", versicherte er, "doch es ist immer gut, wenn man weiß, mit wem man es zu tun hat. Was weißt du noch?" "Man erzählt sich, daß ein Jangarer jetzt das Sagen hat. Seine Name ist Randu Kugar oder so ähnlich. Er gibt jetzt die Befehle. Man sieht ihn häufig in der Begleitung eines Kalaren und eines Gelanesen. Dann ist da noch ein Heproke, doch ihn bekommt man selten zu Gesicht. Aber er scheint den Befehl über die Wachen und Söldner zu haben, die den Palast bewachen. Ein Wink von ihm und sie spuren, als sei ein Kuunt hinter ihnen her." Ein Kuunt war ein Raubtier auf Neu-Afrika, der Heimatwelt der beiden Männer. "Das ist alles, was ich weiß." Darkener nickte langsam. 'Das ist doch immerhin etwas', dachte er bei sich. Allerdings, und das bereitete ihm ein wenig Kopfzerbrechen, waren es Tatsachen, die jeder Agent des FND oder sonst einer offiziellen Stelle der Föderation hätte in Erfahrung bringen können. Weshalb war Kadgeyn so darauf versessen, ausgerechnet ihn hierher zu schicken? Was hatte die Mystery Division damit zu tun? Außer daß jemand vom FND in die Sache verwickelt war. Er sah auf die Uhr. Draußen mußte bereits die Nacht hereingebrochen sein. "Ich muß jetzt gehen, alter Freund", meinte er zu Jinx. "Aber bevor ich abreise, komme ich vorbei. Stell' den Jokas schon mal kalt." Dann nickte er dem Wirt zu und verließ die Kneipe.
30 Als er die dunkle Straße betrat, hatte er unwillkürlich das Gefühl drohender Gefahr. Er sah sich um, doch es war zu dunkel, als daß er etwas entdecken konnte. Dennoch glitt seine Hand in die Tasche. Die Waffe in seiner Hand beruhigte ihn etwas. Langsam ging er die spärlich erleuchtete Straße entlang zu seinem Gleiter. Plötzlich nahm er aus den Augenwinkeln eine Bewegung wahr und wirbelte herum. Dennoch wäre er zu langsam gewesen. Aber der Unbekannte, der nun deutlich zu sehen war und eine Waffe in der Hand hielt, drückte nicht ab. Statt dessen fiel er mit ausgestrecktem Arm langsam nach vorne. Er war bereits tot, als er auf der Straße aufschlug. Darkener blieb stehen und ließ seine Waffe sinken. Er ahnte, wer seinen Angreifer unschädlich gemacht hatte.Und wie.Er wußte nur zu genau, wenn seine Ahnung richtig war, daß es dann besser für ihn war, keine verdächtige Bewegung zu machen. Zwei kleine Schatten lösten sich aus der Wand, die sich im Rücken des Unbekannten befand. Langsam kamen sie näher. "Danke, Freunde", meinte er schließlich, als die beiden Oschwen, die Eingeborenen des Planeten, vor ihm stehen blieben. Sie waren humanoid, doch nur knapp einen Meter groß. "Kein Dank, Darkener. Wir verschwinden." Die Sprache der Oschwen war einfach und Vokalreich. "Zu gefährlich auf den Straßen bei Nacht." Eines der beiden kleinen Wesen trat neben ihn und ergriff ihn an der Hand. "Wir gehen!" "Wohin?" "Unterkunft Darkener", meinte der Oschwen. Dann fügte er in gebrochenem GalStaS hinzu: "Morgen kommen vorbei und reden. Viel müssen wissen. Heute nicht Zeit genug." Der Oschwen schien zu wissen, daß der Neuafrikaner nur wenige Worte der einheimischen Sprache beherrschte. Der Oschwen zog den Agenten hinter sich her. Plötzlich waren sie alleine. Der zweite Eingeborene war verschwunden, ohne daß Darkener es bemerkt hatte. Jedenfalls war Darkener davon überzeugt. Doch auf ihrem Weg zum Hotel kam es immer wieder vor, daß sein Führer stehenblieb und zu lauschen schien. Es dauerte dann immer ein paar Augenblicke, ehe es weiterging. Schließlich jedoch kamen sie auf der Rückseite des Hotels an. "Wir nicht weitergehen können", meinte der Oschwen. "Man nicht mögen." Er ließ Darkener los und wollte sich davonstehlen. "He, halt, warte" rief der Neuafrikaner dem kleinen Wesen nach. "Wie finde ich euch morgen." Der Oschwen drehte sich um und grinste. "Wir finden Darkener", gab es zur Antwort. Und ehe der Agent noch etwas sagen konnte, war es im Dunkel verschwunden. Nur kurz hatte er den Eindruck, zwei Schatten durch die Dunkelheit hinter dem Hotel schleichen zu sehen. Aber er konnte sich täuschen.
31 Darkener hatte unruhig und schlecht geschlafen. Immer wieder war er aufgewacht und hatte Kalakans Bild vor Augen, wie er die Oschwen mißhandelte. Er fragte sich, wie die kleinen Eingeborenen von seiner Anwesenheit erfahren hatte. Sie hatte so gut wie keinen Kontakt zu den FAP-Angehörigen, die ihre Welt beherrschten. Für diese waren die Oschwen nichts anderes als Arbeitstiere. Schließlich wurde es Morgen und Darkener stand genauso müde auf, wie er zu Bett gegangen war. Bei einem recht faden Frühstück, dachte er darüber nach, wie es nun weitergehen sollte. Was er von Jinx erfahren hatte, war zwar recht interessant, doch alles war außerordentlich mysteriös. Was war an ihm, Darkener, so besonderes, daß ausgerechnet er zu diesem Auftrag herangezogen wurde? Diese Frage schoß ihm immer wieder durch den Kopf. Es war irgendwie die Frage, um die sich alles drehte. Wenn Kadgeyn die Möglichkeiten besaß, die er dem Neuafrikaner gegenüber dargestellt hatte, so mußte jeder Agent der Mystery Division in der Lage sein, das Problem zu lösen. Darkener schüttelte den Kopf. Seine Gedanken drehten sich im Kreis. Und wenn er nicht nach weiteren Informationen suchte, so würde er nie erfahren, was hinter all dem wirklich steckte. Er hatte sich gerade angezogen, als sich der Türmelder mit einem Summen meldete. Wer mochte das sein? Die Oschwen wohl kaum, sie wären nicht ins Hotel, geschweige denn bis in dieses Stockwerk gekommen. 'Öffne', dachte er sich 'und du wirst es wissen!' Die rechte Hand in der Hosentasche mit dem kleinen Strahler nahm er eine Position ein, die es ihm erlaubte, jederzeit schnell reagieren zu können. Dann befahl er dem Zimmerservo, die Eingangstür zu öffnen. Vor der Tür stand ein Mann sonurischer Abstammung und sah den Agenten an. "Kren Darkener?" fragte der Mann. Der Neuafrikaner nickte. "Guten Tag, Kren Darkener", meinte der Sonurer und lächelte freundlich. Aber Darkener ließ sich nicht täuschen. Er kannte diesen Typ von Besucher. "Ich bin gekommen, um Ihnen eine Einladung zu überbringen." "Oh danke. Und wer lädt mich ein?" "Kren Kugar, mein Chef, würde sie gerne zu einem Essen einladen. Gegen Mittag, im Restaurant 'Kalar'." Darkener war überrascht. 'Mit vielem hatte er gerechnet, aber nicht damit, von dem Jangarer zum Essen eingeladen zu werden. "Ich nehme an, das 'Kalar' ist leicht zu finden?" fragte er. Der Sonurer nickte. "Jeder Taxipilot kennt es." Darkener dachte kurz nach, dann nickte er. "Richten Sie Kren Kugar meinen besten Dank für seine Einladung aus und sagen Sie ihm, daß ich gerne komme." Und ehe der Sonurer etwas erwidern konnte, hatte der Neuafrikaner dem Servo befohlen, die Tür zu schließen. Mit Kugars Einladung war alles noch mysteriöser geworden.
32 Das 'Kalar' entpuppte sich als teures, ausgesprochen feines Restaurant. Ein Gourmettempel, den jemand mit Darkeners Verdienst sich nur einmal im Jahr leisten konnte. Doch das konnte ihm heute gleichgültig sein, schließlich hatte der Jangarer ihn eingeladen. Das Innere des Restaurant paßte zu dem was Darkener von außen gesehen hatte: teuer, exklusiv und sehr edel. Der Sonurer, der ihm Kugars Einladung überbracht hatte, erwartete ihn am Eingang. Wortlos nickte er dem Neuafrikaner zu und führte ihn dann an einen Tisch, der am Rande eines großen Wasserbeckens stand, in dem allerlei Pflanzen standen, schwammen oder sich auf dem Boden einer künstlichen Insel schlängelten. Im kristallklaren Wasser des Beckens tummelten sich exotische, bunte Fische. Am Tisch saß ein fetter Jangarer. Es war unschwer zu erraten, daß es sich dabei um Randu Kugar handeln mußte. Der Jangarer nickte dem Agenten freundlich zu. "Nehmen Sie Platz, Kren Darkener", forderte er den Neuafrikaner auf. Der Agent folgte der Aufforderung wortlos. "Es freut mich, daß Sie meiner Einladung gefolgt sind", fuhr Kugar fort und winkte dabei den Kellner herbei. Auch das ein Zeichen für die Exklusivität des Restaurants. Es war ein lebender Kellner und kein Roboter. "Was möchten Sie essen? Die Auswahl ist exquisit. Besonders die Muscheln von Hujat sind zu empfehlen. Aber auch das kalarische Steak ist von vorzüglicher Qualität Ebenso der echt terranische Kaffee." Dabei lächelte er überlegen. 'Du scheinst einiges über mich zu wissen', dachte Darkener. "Ich glaube, ich nehme das Steak", meinte der Agent zu dem Kellner, "und dazu einen leichten Rotwein. Von der Erde, wenn Sie so etwas haben." Der Ober schien fast beleidigt, als er erwiderte: "Natürlich, Kren, führen wir auch Wein von der Erde!" Er drehte sich um und ging davon. Die Art und Weise, wie er den Neuafrikaner behandelte, zeigte deutlich, was er von Kugars Gast hielt. Ohne die Anwesenheit des Jangarers hätte man Darkener wahrscheinlich sehr schnell aus dem Lokal entfernt. "Sie werden sich sicherlich fragen, was ich von Ihnen will", kam Kugar schnell zur Sache. "Ich möchte mich deshalb nicht mit einer langen Vorrede aufhalten. Ihr Zeit ist genauso kostbar wie meine." Er beugte seinen voluminösen Oberkörper nach vorne und sah Darkener eindringlich an. "Ich will Ihnen ein Geschäft vorschlagen." "Ein Geschäft?" echote Darkener fragend. "So ist es, Kren Darkener. Ein für beide Seiten lukratives Geschäft." Er machte ein kurze Pause. "Wie Sie sicherlich wissen, kann Kren Kalakan im Augenblick seine Geschäfte nicht wahrnehmen. Wir, das heißt meine Geschäftspartner und ich, tun dies im Moment." Darkener saß da und sah den Jangarer stumm an. "Wir wissen, daß Sie ein Freund Kalakans sind. Ihre Anwesenheit hat womöglich mit seinem Verschwinden zu tun. Ich möchte Ihnen versichern, daß wir nichts damit zu tun haben. Wir suchen ihn ebenfalls mit allen Mitteln." "Und welches Geschäft wollen Sie mir vorschlagen?"
33 "Finden Sie Kalakan und bringen Sie ihn zu uns. Es wird sich für Sie lohnen." Er sah den Neuafrikaner aus seinen wäßrigen Augen an. "Wir machen uns die größten Sorgen, um Kren Kalakan." "Was ist, wenn er tot ist?" "Dann wüßten wir, woran wir sind." "Warum ist Kalakan verschwunden?" Der Jangarer hob seine breiten Schultern. "Das weiß niemand, Kren Darkener. Es heißt zwar, er hätte Probleme mit der Föderation, doch genaues kann keiner sagen." Darkener dachte nach. Das alles konnte der Wahrheit entsprechen, auch wenn er von Kadgeyn und Jinx anderes erfahren hatte. Andererseits aber würde Kalakan seine Welt nicht einfach so aufgeben. Er hatte lange und sehr gut an der Ausbeutung der Oschwen und dem Verkauf der SL-Kristalle verdient. Er würde nicht einfach alles aufgeben. Das Steak war mittlerweile serviert worden und Darkener begann langsam zu essen. Es schmeckte in der Tat ausgezeichnet. Auch der Wein war ein hervorragender Jahrgang. Kugar sah dem Neuafrikaner schweigend beim Essen zu. "Angenommen, ich gehe auf Ihren Vorschlag ein, was ist dann für mich drin?" fragte er zwischen zwei Bissen. "Sehr viel Geld, Kren Darkener. Mehr als Sie beim FND jemals verdienen werden. Sie könnten sich zur Ruhe setzen." "Und wenn ich nein sage?" "Dann verzichten Sie auf viel Geld." "Das ist alles?" fragte Darkener zweifelnd. Der Mordanschlag in der Nacht war ihm noch gut in Erinnerung. "Ja", gab Kugar zurück, "das ist alles." Der Neuafrikaner aß sein Steak in Ruhe zu Ende. Schließlich schob er den Teller weg. "Ich werde darüber nachdenken", versprach er. "Tun Sie das, Kren, tun Sie das." Er nickte und wenige Augenblicke später stand der Sonurer am Tisch. "Ich habe noch zu tun, Sie müssen mich deshalb jetzt entschuldigen. Kren Dratek wird auf Sie warten, bis Sie fertig sind." "Wo kann ich Sie erreichen, um Ihnen meine Entscheidung mitzuteilen?" "Ich werde mich bei Ihnen melden - morgen!" Dieses 'morgen' klang wie eine versteckte Drohung. Kugar erhob sich. "Kren Darkener", meinte er. Dann drehte er sich um und der Koloß von Jangar ließ einen nachdenklichen Darkener zurück.
34 Als Darkener in sein Hotel zurückkehrte, war es bereits Abend. Er war den Nachmittag ziellos durch Kalakana gestreift, immer in der Hoffnung, von den Oschwen angesprochen zu werden, die ihm in der Nacht wahrscheinlich das Leben gerettet hatten. Doch er war nicht einem einzigen Eingeborenen begegnet. Und so kehrte er schließlich ins 'Stardream' zurück. Es dämmerte bereits, als er sein Zimmer betrat. Und als er gerade das Licht anmachen wollte, erklang ein leise Stimme. "Kein Licht, Darkener." Der Sprecher sprach GalStaS, doch war der oschwenische Akzent deutlich zu erkennen. "Wo bist du, Freund?" fragte der Neuafrikaner in die Dunkelheit. "Du mitkommen!" wurde er statt einer Antwort aufgefordert. Sekunden später war einer der kleinwüchsigen Eingeborenen an seiner Seite. Darkener hatte weder gesehen woher er gekommen war, noch konnte er sagen ob es einer der beiden Oschwen der letzten Nacht war. Für seine Augen sahen nahezu alle Eingeborenen gleich aus, jedenfalls dann, wenn er nicht länger mit ihnen zu tun hatte. Der Oschwen ergriff seine Hand und führte ihn dann über die Nottreppe zum Hinterausgang des Hotels. Wieder hatte Darkener den Eindruck, daß der Eingeborene nicht alleine war, auch wenn er keinen zweiten Oschwen entdecken konnte. Denn auch sein heutiger Führer verhielt alle paar Minuten, so als würde er auf ein geheimes Signal warten, das ihm zeigen sollte, ob die Luft rein war. Ihr Weg führte quer durch Kalakana, auf Straßen und Gassen, die Darkener noch nie zuvor gesehen oder betreten hatte. Es kam ihm vor, als hätten die Oschwen in der Stadt ihr eigenes Wegsystem, so unwahrscheinlich das auch sein mochte. "Wohin bringst du mich, Freund?" "Bau von Familie", erhielt er zur Antwort. Ein Familienbau, das wußte der Neuafrikaner, war so etwas wie ein Ort, an dem sich die Oschwen einer Familie - wobei dies weniger verwandtschaftlich als gesellschaftlich zu verstehen war - versammelten, um wichtige Dinge zu besprechen. Es war zugleich eine Art Heiligtum, das kein Außenstehender betreten durfte. Sie erreichten schließlich eines der Randviertel der Stadt, dort, wo die Eingeborenen ihre einfachen, fast schäbigen Hütten hatten. In der Dunkelheit war davon aber kaum etwas zu sehen. Schließlich erreichten sie eine Hütte, die größer als die anderen war. Darkener erkannte das jedoch erst, als er direkt davor stand. "Bau von Familie", erklärte der Oschwen, der ihn geführt hatte. "Hinein!" forderte er dann. Darkener öffnete die Tür. Schwaches Licht drang ihm entgegen und ein eigenartiger, die Sinne reizender Duft. Er betrat die Hütte. Vor seinen Augen breitet sich ein großer, nahezu leerer Raum aus. Es gab weder Einrichtungsgegenstände noch konnte er Fenster entdecken. In der Mitte des Raumes stand ein Oschwen. Er schien größer zu sein, als derjenige, der den Neuafrikaner hergeführt hatte. Darkener trat näher. Und als er nahe genug war, konnte er selbst in dem schwachen Licht den anderen erkennen. "Luslus!" rief er erstaunt und erfreut. Ein freudiges Lächeln schlich sich auf das Gesicht des kleinen Eingeborenen. "Du Luslus erkennen!" Das Wesen trat dicht an den Agenten heran. Darkener hatte seinerzeit nur wenige der Oschwen auseinanderhalten können. Aber irgendwie war es ihm bei Luslus auf Anhieb gelungen. "Luslus Freude, Darkener wiederzusehen!"
35 "Ich freue mich auch, kleiner Mann", meinte der Neuafrikaner und ging in die Knie. So waren seine Augen fast in der Höhe der des Oschwen. "Wie gehen?" fragte der Oschwen in seinem gebrochenen GalStaS. "Mir geht es gut. Und dir?" Mit einem Male war die Miene des Eingeborenen traurig. "Schmerz, Darkener, viel Schmerz. Kalakan ..." Darkener nickte mitleidig. "Ich weiß, kleiner Freund. Aber Kalakan ist tot und kann euch nichts mehr tun." Heftig schüttelte Luslus den Kopf. "Kalakan nicht tot. Aber bald. Deshalb Schmerz!" Der Agent sah den Oschwen verständnislos an. Kalakan lebte? Aber er würde bald sterben. Und warum sollte das dem Oschwen Schmerzen bereiten? Nach allem was der alte Mann ihm und anderen seines Volkes angetan hatte, war das rätselhaft. "Wir dich bringen zu Kalakan", meinte der Oschwen und faßte Darkener bei der Hand. Der Neuafrikaner erhob sich und folgte dem Zug der Hände des kleinen Eingeborenen. Sie kamen zu einer Öffnung im Boden, die Darkener bisher nicht gesehen hatte. Vielleicht war sie vor kurzer Zeit auch noch nicht dagewesen. Treppenstufen führten in die Dunkelheit hinab. Mit unsicheren Schritten folgte der Agent dem Oschwen in die Dunkelheit hinab. Der Raum in den sie kamen war heller und besser erleuchtet, als der Saal oben. Und er war um ein erhebliches kleiner. Mehrere Oschwen standen um ein einfaches Strohlager, auf dem ein Mann lag. Darkener erkannte ihn sofort. "Kalakan!" stieß er hervor. Die Oschwen gingen zur Seite und öffneten eine kleine Gasse, so daß Darkener den Mann nun genauer sehen konnte. Dabei fiel dem Neuafrikaner die Angespanntheit der Gesichter auf, die die Eingeborenen zur Schau stellten. So als seine sie äußerst konzentriert. Der alte Mann hob mühsam den Kopf und ein schmerzliches Lächeln schlich sich in seine Züge. "So bist du also doch noch gekommen", murmelte er kaum verständlich. Er hustete und Blut rann aus seinen Mundwinkeln. Mit einem Blick erkannte Darkener daß Kalakan nicht mehr lange leben würde. Es erschien ihm überhaupt wie ein Wunder, daß der alte Mann noch lebte. Von einer Sekunde zur anderen war der Zorn und der Haß auf den Mann verschwunden. Er sah einen Sterbenden und was immer Kalakan getan hatte, in diesem Augenblick war es bedeutungslos. "Was ist geschehen?" fragte er. "Komm' näher, Darkener, dann erzähle ich es dir." Wieder wurde Kalakan von einem Hustenanfall geschüttelt. Der Agent trat an das Lager heran und ließ sich zu Boden sinken. "in gewissem Sinne", meinte er dabei, "freut es mich, dich in dieser Lage zu sehen, Kalakan. Dein Tod wird diese Welt befreien!" Kalakan schüttelte mühsam den Kopf. "Du irrst dich, Darkener, du irrst dich gewaltig." Er sah den Neuafrikaner aus Augen an, die vom Tod gezeichnet waren. "Ich habe den falschen Leuten vertraut, obwohl ich es hätte besser wissen müssen. Ich dachte, es gäbe andere wie dich, die mich unterstützen würden, doch ich täuschte mich. Die Zeit ist reif, doch ich habe die Falschen um Hilfe gebeten." "Wofür ist die Zeit reif?"
36 "Dafür, den Oschwen ihre Welt zurückzugeben!" Darkener starrte ihn erstaunt und überrascht an. "Das sagst du, der sie ihnen genommen hat? Du, der sie behandelt hat, als seien sie nichts anderes als Tiere? Ausgerechnet du sagst so etwas?" Darkener lachte hart. "Jedem anderen würde ich es abnehmen; aber nicht dir Scheusal?" Er schüttelte den Kopf. "Du urteilst hart, Darkener, zu hart und falsch!" "Ach ja? Was ich in deinem Palast gesehen habe, werde ich mein Leben lang nicht vergessen. Und hättest du mir damals nicht mit dem Tod der Oschwen gedroht, so würdest du heute nicht hier liegen können - denn ich hätte dich längst umgebracht!" "Was hast du gesehen, Darkener?" "Du hast Oschwen gequält und getötet, einfach nur so, zu deinem Vergnügen und dem der anderen. Du hast sie wie Dreck behandelt. Spiel' dich also nun nicht als ihr Befreier auf!" "Du hast gesehen, was du sehen solltest. So wie viele andere. Du kennst nur eine Seite der Geschichte." "Die andere wird kaum besser aussehen." Darkener schüttelte erneut den Kopf. "Als ich vor vielen Jahren auf dieser Welt landete", meinte Kalakan ohne auf Darkeners Einwand einzugehen, "erkannte ich sofort, daß die Oschwen keine Tiere waren. Wäre es nach mir gegangen, ich wäre sofort wieder gestartet und hätte sie sich selbst überlassen. Aber dummerweise hatte einer meiner Männer eine SL-Kristallmine entdeckt. Und wie wertvoll diese Kristalle waren. Hätte ich diese Welt nicht in Besitz genommen, so hätten es andere getan. Andere, die nicht so freundlich sind wie ich." "Du und freundlich?" fragte der Neuafrikaner spöttisch. "Die Oschwen und ich schlossen ein Abkommen", fuhr Kalakan fort. "Sie würden für mich in den Minen arbeiten und ich würde dafür sorgen, daß sich ihre Kultur und Zivilisation ungestört weiterentwickeln konnte. Natürlich würde sie durch den Kontakt zur FAP einen ungewollten Sprung machen, doch die Auswirkungen konnte man in Grenzen halten, wenn man dafür sorgte. Und das tat ich. Was du und andere in meinem Palast gesehen haben, war nichts anderes als Lug und Trug, Illusion und Einbildung. Kein Oschwen ist gestorben, keiner wurde gequält oder gefoltert. Denn ich entdeckte noch etwas anderes. Und das ist der eigentliche Grund, weshalb ich dieses Schauspiel aufzog." Irgendwie hatte Darkener das Gefühl, daß der Sterbende die Wahrheit sprach. "Du hast das gesehen, was die Oschwen dir einsuggeriert haben. Dir und den anderen!" "Die Eingeborenen sind parapsychisch begabt?" "Ja. Schwach zwar, doch wenn genügend von ihnen zusammen sind, so können sie das tun, was du am eigenen Leib erlebt hast. Was glaubst du, wäre geschehen, wenn das in der Föderation bekannt geworden wäre? Wie lange hätte man dieses Volk in Ruhe gelassen?" Darkener konnte sich sehr gut vorstellen, was in einem solchen Fall geschehen wäre. Man hätte die Oschwen in keinem Fall unbehelligt gelassen. Es war zwar schon mehr als fünfhundert Föderationsjahre her, aber er kannte die Geschichte der Zuuri'n, dieser wundervollen Wesen, die von engstirnigen Angsthasen wegen ihrer Para-Fähigkeiten ausgerottet worden waren. Den Oschwen hätte ähnliches geblüht.
37 Kalakan hustete erneut und wieder rann Blut aus seinen Mundwinkeln. "Es geht zu Ende mit mir, Darkener, also laß mich noch den Rest erzählen und unterbrich mich nicht mehr." Er machte ein kurze Pause. "Von dem Geld, daß ich mit dem Verkauf der SL-Kristalle erzielte, besorgte ich den Oschwen, was sie brauchten, um ihren eigenen Weg in die Zukunft zu gehen. Ich sorgte für ihre Ausbildung und dafür, daß sie eines Tages im Kreis der Föderation bestehen konnten. Schließlich waren sie soweit, daß sie einen Antrag auf den Schutz der Föderation stellen konnten. Schutz vor denen, die sie ausbeuten wollen. Ich wandte mich an General Kretenk, den Befehlshaber des FND in diesem Sektor, und bat ihn um Hilfe. Du warst leider nicht zu erreichen." "Weshalb hast du dich nicht offiziell an die Föderation gewandt? Immerhin ist 'Kalakans Welt' Mitglied." "Weil meine Leute und alle die, die durch mich viel Geld verdienten, mich argwöhnisch beobachteten. Vielleicht habe ich einen Fehler gemacht, jedenfalls bemerkten sie, daß ich es nicht ganz ehrlich meinte. Sie fürchteten um ihren Reichtum und um ihr schönes Leben. Kretenk schickte mir drei Ratsmitglieder, denen ich alles erzählte. Aber wie schon gesagt, ich bat die falschen Leute um Hilfe. Die drei Föderationsräte entdeckten die Schwäche der Oschwen." "Ihre geringe Widerstandskraft gegen menschliche Krankheiten?" mutmaßte der Neuafrikaner. Kalakan nickte. "Sie zwangen mich, so weiter zu machen wie bisher. Nur daß das Geld nun in ihre Taschen floß und die Oschwen wirklich unterdrückt wurden." Er lächelte schwach und müde. "Zum Glück habe ich ihnen nichts über die besonderen Fähigkeiten der Oschwen erzählt. Wer weiß, was dann noch alles geschehen wäre. Schließlich sah ich keine andere Möglichkeit mehr als zu fliehen. Zuvor setzte ich aber noch einen Hilferuf an dich ab." Er sah Darkener vorwurfsvoll an. "Aber das war vor vier Wochen! Wo warst du so lange?" Er schüttelte leicht den Kopf. "Ist auch egal. Meine Flucht wurde entdeckt und mein Gleiter abgeschossen. Aber die Oschwen haben mich gerettet und mich mit Hilfe ihrer einzigartigen Fähigkeiten so lange am Leben erhalten, wie es ging. Dennoch hätte es fast nicht gereicht. Zwei Tage später, Darkener, und ich wäre tot gewesen." "Und was soll ich deiner Meinung nach nun tun? Kretenk und die anderen töten?" Er schüttelte den Kopf. "Weshalb nicht? Ich ..." Er stöhnte voller Schmerzen auf. "Luslus", rief er gequält. Dann schloß er die Augen. Darkener befürchtete schon, daß er von einer Sekunde zur anderen gestorben sei, doch dann sah er zu seiner Beruhigung, daß sich Kalakans Brustkorb hob und senkte. Er fühlte den Puls des alten Mannes. Er war zwar schwach, doch noch lebte der ehemalige Herrscher von 'Kalakans Welt'. "Ich spreche nun zu dir durch Luslus' Mund, Darkener", erklang plötzlich die Stimme des Oschwen in seinem Rücken. Der Neuafrikaner fuhr herum und starrten den Eingeborenen an. "Das ist eine weitere Eigenschaft dieser erstaunlichen Rasse. Es würde zu weit führen, dir das jetzt alles erklären zu wollen. Und es würde zu lange dauern. Also höre einfach zu, denn ich habe nicht mehr viel Zeit." Darkener sah abwechselnd den Oschwen und den alten Mann an. "Kretenk und die anderen zu töten, ist eine Möglichkeit. Aber das würde den Oschwen wahrscheinlich ihre Welt nicht zurückgeben. Andere würden an ihre Stelle treten und ehe du reagieren kannst, stehst du vor der selben Situation
38 wie jetzt. Es muß einen anderen Weg geben, Darkener, aber ich kann dir nicht sagen, welcher. Das muß du selbst herausfinden." "Weshalb hast du mir das nicht alles schon früher erzählt?" "Ich mag dich, Darkener, doch ich wußte nicht, ob ich dir trauen kann." "Und weshalb traust du mir jetzt?" "Habe ich eine andere Wahl?" Der Körper des alten Mannes bäumte sich auf, dann sagte er mit seiner eigenen, schwachen Stimme. "Danke, Luslus, ihr könnt nun loslassen. Ihr habt getan was ihr konntet und ich tat was ich konnte. Nun liegt es allein an Darkener euch zu helfen." Sein Hand sucht nach der des Agenten. Als er sie gefunden hatte drückte er kaum merklich zu. "Leb' wohl, junger Freund. Gib gut auf meine Oschwen acht!" Sein Blick brach und Kalakan war tot. Viele Augenblicke lang blieb Darkener reglos sitzen, Kalakans Hand in der seinen. Hatte der alte Mann die Wahrheit gesagt? Ein Sterbender log nicht - oder doch? Und eine Frage war unbeantwortet geblieben: was war mit dem auf Kalakans Gehirnfrequenz abgestimmten Sender? War es damals doch nur ein Bluff gewesen? Nach allem, was der alte Mann ihm in den letzten Minuten erzählt hatte, mußte Darkener annehmen, daß dem so war. Luslus hatte den Neuafrikaner auf verschlungenen Wegen ins 'Stardream' zurückgebracht. Denn ganzen Weg hatten beide geschwiegen, doch als sie sich trennten, fragte der Oschwen: "Darkener uns helfen?" Hoffnungsvolles Flehen lag in der Stimme des kleinen Mannes. Darkener nickte langsam. "Ich werde es versuchen, Luslus, ich werde es zumindest versuchen." "Danke", meinte der Oschwen noch, dann war er in der Nacht verschwunden ... Wieder war es ein unruhiger Schlaf, in dem sich der Agent wälzte. Seine Träume und seine Gedanken durchdrangen einander. Kalakans Worte hallten in ihm nach. Was er von dem alten Mann vor dessen Tod erfahren hatte, hatte viele Antworten gegeben, doch fast ebenso viele neue Fragen aufgeworfen. Wieviel wußte Kadgeyn von der ganzen Sache? War er wirklich so ahnungslos, wie er sich gegeben hatte oder spielte Darkener nur die Rolle eines Lockvogels, der die Unbekannten aus der Reserve locken sollte? Natürlich wußte der Neuafrikaner wer General Kretenk war. Er war dem Heproke zwar noch nie persönlich begegnet, doch er hatte genug über den General gehört um zu wissen, daß dieser ein gefährlicher Gegner war. Er mußte dafür verantwortlich sein, daß man Darkener den Hilferuf Kalakans vorenthalten hatte. Aber warum? Was befürchtete der Heproke? Und warum hatte Randu Kugar das Gespräch mit ihm gesucht? Und wer waren die beiden anderen Ratsmitglieder? Fragen über Fragen, die den Neuafrikaner im Schlaf beherrschten. Als er erwachte, fühlte er sich weder ausgeschlafen noch erfrischt. Darkener dachte bei einem guten Mittagessen in aller Ruhe über die Sache nach. Ihm wurde nach und nach klar, daß hinter den drei Mitgliedern des Föderationsrates und dem General des FND noch jemand anderes stehen mußte. Vielleicht wußte Kadgeyn von Kugar, Kretenk und den anderen, aber er wußte sicher nicht, wer noch dazu gehörte. Das herauszufinden war seine, Darkeners Aufgabe. Er war in der Tat ein Lockvogel, allerdings ein sehr aktiver.
39 Langsam begann sich ein Plan in seinem Kopf abzuzeichnen. Ein riskanter und gewagter Plan. Und ein verrückter Plan. Und damit genau etwas nach Darkeners Geschmack.
40 Die vier Männer hielten sich wieder im ehemaligen Arbeitszimmer Kalakans auf. "Warum hast du dich mit Darkener getroffen?" fragte der FND-General den Jangarer mißtrauisch. "Willst du dich absichern?" "Dummkopf!" erwiderte der Koloß von Jangar. Kretenk mißfiel die respektlose Art und Weise in der das jangarische Ratsmitglied mit ihm umsprang. Aber er brauchte Kugar. "Wenn ich das wollte, würde ich mich sicher nicht mit jemand Bedeutungslosen wie Darkener abgeben." Seine Stimme klang spöttisch und sein feistes Gesicht zeigte Belustigung als er fortfuhr: "Ich würde mich an jemanden wie dich wenden, Kretenk. Einen hohen, integren und loyalen Offizier des FND!" Der Heproke spürte, das Kugar ihn auf den Arm nahm, doch er schwieg. "Warum dann?" fragte der Gelanese. "Wenn einer herausfindet, ob Kalakan noch lebt, dann er. Er kennt diese Welt und die Kalakans." "Wer sagt dir, daß er uns drüber informiert, ob er den alten Mann lebend gefunden hat oder nur eine Leiche?" Kugar hob die breiten Schultern. "Niemand." Mit dieser Aussage betrachtete er die Angelegenheit als erledigt. Der Kalare, der bisher geschwiegen hatte, wandte sich an Kugar. "Warst du es auch, der ihm den Killer auf den Hals gehetzt hat?" Kugar schüttelte den Kopf und sah dabei den Heproken unfreundlich an. "Ich war das nicht", meinte er langsam und betont. "Es war eine Dummheit eines Dummkopfs!" Kretenk ballte die Fäuste. "Ich hätte dafür gesorgt, daß die richtigen Leute den Fall untersuchen." "So wie du dafür gesorgt hast, daß Darkener den Hilferuf Kalakans nicht erhält", warf der Jangare ihm vor. Kretenk wollte etwas erwidern, doch ein Summton unterbrach ihn. "Was gibt es?" fragte er unwirsch, als er die Verbindung aktiviert hatte. Einer der Söldner am Eingang des Gebäudes meldete sich: "Hier ist jemand, der sich Darkener nennt. Er sagt, er will mit General Kretenk sprechen." Der Heproke warf dem Jangarer einen schnellen Blick zu. Woher hatte Darkener seinen Namen? Als Kugar nickte, befahl er der Wache, den Neuafrikaner ins oberste Stockwerk zu bringen. Als Darkener den Raum betrat, fiel sein Blick sofort auf den General. Er salutierte nachlässig. Dann wandte er sich Kugar zu, während er die beiden anderen bewußt unbeachtet ließ. Besonders dem Gelanesen mußte dies mißfallen, denn zwischen diesem Volk und allen Terranern und deren Abkömmlinge herrschte eine Art unausgesprochene Feindschaft. Auch wenn die Gelanesen Streit und Gewalt verabscheuten, so würden sie einem Terraner alles Schlechte an den Hals wünschen. "Ich habe mir Ihr Angebot überlegt, Kren Kugar", meinte er. "Und?" fragte der Jangarer. "Was Sie mir anbieten, ist mir erheblich zu wenig." Der Jangarer verengte drohend die Augen. "Werden Sie nicht unverschämt, Darkener!" Der Neuafrikaner grinste. "Ich weiß genug von Kalakan, um Sie alle ins Gefängnis zu bringen." Womit er im Grunde recht hatte, allerdings hatte er nicht den geringsten Beweis. "Sie haben Kalakan gesprochen?" fragte der Jangarer und trat zu dem Agenten. Darkener nickte. "Ja. Er lebt und ist bei bester Gesundheit. Er vertraut mir und hat mir deshalb alles über Sie, den General und die beiden anderen erzählt."
41 Der Gelanese lachte auf. "Das ist eine Lüge! Der alte Mann weiß nichts über uns." "Sind Sie sicher, Netperl von Haart?" Darkener grinste den Gelanesen an. Er war ein glücklicher Zufall, daß er das gelanesische Ratsmitglied erkannt hatte. Aber dieser Zufall verschaffte ihm nur mehr Möglichkeiten, seinen Bluff durchzuziehen. "Kalakan hat mit genug über Kugar, General Kretenk und Sie erzählt. Es würde ausreichen, Sie alle vor dem Föderationsgerichtshof anzuklagen!" Der General des FND hatte plötzlich eine Waffe in der Hand. "Dazu müßten Sie dieses Gebäude zuerst lebend verlassen, Darkener!" meinte er dazu und grinste überheblich. "Sie bluffen!" warf der Gelanese ihm vor, doch seine Stimme klang unsicher. Darkener grinste und schwieg. "Nehmen wir an, Sie sagen die Wahrheit. Was wollen Sie dann? Wenn Sie tatsächlich soviel wissen, Darkener, weshalb sind Sie dann noch hier? Warum haben Sie nicht längst Ihre unbekannten Auftraggeber informiert? Und was will Kalakan?" Der Jangarer sah ihn mißtrauisch an. "Kalakan will seine Ruhe. Er hat eingesehen, daß er gegen Sie nichts ausrichten kann. Er für seinen Teil ist bereit, sich, hm, großzügig abfinden zu lassen und das Feld zu räumen." Der Neuafrikaner lächelte. "Und ich? Nun, wie General Kretenk sicher weiß, ist das Leben eines Agenten des kein sonderlich hochbezahlter Job. Wir könnten ein Arrangement treffen, mit dem auch Kalakan einverstanden wäre." "Und welches Arrangement wäre das?" "Kalakan wäre bereit, seinen Tod öffentlich erklären zu lassen und mich als seinen Erben einzusetzen. Da keiner von Ihnen, auf Grund seiner Stellung, offiziell die Geschäfte hier übernehmen kann, könnte ich als Ihr Strohmann fungieren." "Das hört sich sehr plausibel an, Darkener, hat aber einen Haken: wer garantiert uns, daß Sie uns nicht auf die gleiche Art und Weise beseitigen, wie wir Kalakan?" Man sah dem Jangarer an, daß er ernsthaft über Darkener Vorschlag nachdachte. Er wußte zu genau, daß der Neuafrikaner in einem recht hatte: weder er noch eines der beiden anderen Ratsmitglieder konnten so einfach die Macht auf 'Kalakans Welt' übernehmen. Das hätte für gewaltige Unruhe gesorgt und die Umstände ihrer Besitznahme wären viel zu gründlich untersucht worden, als daß sie hätten alles verheimlichen können. Zwar sah sein ursprünglicher Plan vor, Larpor Kunjin als neuen Besitzer von 'Kalakans Welt' zu präsentieren, doch das konnte erst in zwei Jahren der Fall sein, wenn die Mitgliedschaft des Kalaren im Föderationsrat endete. Vorher mußten sie so tun, als wäre Kalakan nach wie vor der Herr seiner Welt. "Sie haben die Macht, Kugar. Keiner Ihrer Männer würde auf mich hören. Also, was hätten Sie zu befürchten?" "Wir sollten ihn beseitigen", schlug der heprokische General vor. "Er ist ein Risiko, Randu!" Der Jangarer bedachte Kretenk mit einem nachdenklichen und zugleich zornigen Blick. "Du konntest nicht dafür sorgen, daß er Kalakans Hilferuf nicht erhält. Es gibt also Dinge, Kretenk, die im FND an dir vorbeilaufen. Wenn wir ihn beseitigen, wer sagt uns dann, was seine Auftraggeber vorhaben?" Er wandte sich an Darkener. "Überhaupt, Darkener, wer steckt hinter Ihren Auftraggebern?" 'Ich werde den Teufel tun und dir das sagen!' dachte der Agent. "Ein 'Büro für interstellare Angelegenheiten'", erfand er eine Abteilung.
42 "Davon habe ich noch nie gehört", meinte Kretenk schnell und sah Kugar an. "Er lügt!" "Auch ich habe davor noch nie gehört, General", gestand der Neuafrikaner wahrheitsgemäß. "Aber es scheint großen Einfluß zu haben, denn der Verantwortliche, ein Terdrer, hatte keine Probleme, meine Vorgesetzten davon zu überzeugen, daß ich zum BIA abgestellt werde. Zu einem Sonderauftrag, streng geheim. Ich nehme an, daß nicht einmal meine direkte Vorgesetzte, Oberst Parpan, etwas genaues weiß." Ohne daß er es wußte, hatte er damit die Worte der Frau bestätigt. "Etwas ähnliches sagte Oberst Parpan in der Tat", meinte der Jangarer dazwischen. Aber noch immer schien er nicht überzeugt. "Und ehe Sie weiterfragen", fuhr Darkener fort, "der Terdrer sagte mir weder seinen Namen noch weitere Einzelheiten. Man sagte mir lediglich, was ich auf 'Kalakans Welt' zu tun habe, nämlich herauszufinden, was tatsächlich geschehen ist. Danach sollte ich Bericht erstatten. Und mit dem weiteren Ablauf hätte ich dann nichts mehr zu tun gehabt." Darkener wußte, daß er sich mit seiner ganzen Geschichte auf sehr dünnem Eis bewegte. "Aber werden Ihre Auftraggeber, wer immer sie auch tatsächlich sein mögen, es so einfach hinnehmen, daß Sie Kalakans Nachfolger werden?" fragte Kugar. Der Neuafrikaner hob die Schultern. "Keine Ahnung", gestand er. "Das wird sich zeigen." "Können Sie Verbindung zu ihnen aufnehmen?" Darkener nickte. "Man gab mir einen Kode und eine Frequenz, auf der ich sie erreichen kann!" Kugar sah Kretenk an. Der Heproke wiegte nachdenklich den Kopf. Darkener beobachtete alles aufmerksam. Ihm wurde klar, daß Kugar und Kretenk die treibenden Kräfte der ganzen Sache waren, wobei der Jangarer die führende Persönlichkeit war. Der Gelanese Netperl von Haart war wahrscheinlich nur ein Mitläufer. Und der alte Kalare Larpor Kunjin wurde wahrscheinlich nur in der Rolle gebraucht, die nun Darkener angeblich übernehmen wollte: als Strohmann. Schließlich kam Kugar zu einer Entscheidung. "In Ordnung, Darkener. Nehmen Sie Verbindung zu Ihren Auftraggebern auf und sagen Sie ihnen, was Sie uns gesagt haben. Aber wir werden dabei sein. Ein falsches Wort, ein Hinweis auf unsere Identität und ich überlasse Sie Kretenk. Wir werden dann zwar nicht mehr zurückkehren können, doch wir haben genügend Geld um uns auf einer Welt niederzulassen, wo wir vor der Verfolgung durch die Föderation sicher sind." Er grinste gehässig über sein feistes Gesicht. "Sie aber werden tot sein." Der Neuafrikaner nickte. Die ganze Sache würde nun in die entscheidende Phase kommen. Er konnte nur hoffen, daß Kadgeyn ihn richtig verstand, wenn er Verbindung zu dem Terdrer aufgenommen und ihm seine Geschichte erzählt hatte. Andernfalls ... Der Heproke hatte dafür gesorgt, daß über die Funkzentrale in Kalakans Palast unter der von Darkener angegebenen Frequenz und dem Kode eine Verbindung zu einem Raumschiff in vier Lichtwochen Entfernung zustande kam. Als der Terdrer auf dem Bildschirm erschien, grinste der Agent ihn frech an und meinte zur Begrüßung: "Schön Sie zu sehen. Ich habe Verbindung aufgenommen, um Ihnen meine Kündigung mitzuteilen ..."
43 Kadgeyn hörte seinem Agenten aufmerksam zu. Er Hatte gleich zu Beginn des Gespräches nach Senansenlok und Koplek gerufen, ihnen jedoch nach ihrem Erscheinen durch ein Handzeichen zu verstehen gegeben, daß sie außerhalb des Erfassungsbereiches der Kamera bleiben sollten. "Sie wollen also Kalakans Erbe antreten, wenn ich sie richtig verstanden habe, Darkener", stellte der Terdrer fest. Er hatte registriert, daß der Neuafrikaner ihn zu keiner Zeit mit seinem Namen angesprochen hatte. "So ist es!" Darkener nickte bestätigend. "Der alte Mann ist also tot." "Ja, doch seine Aufgaben hat er mir übertragen." "Aufgaben?" fragte Kadgeyn. "Sie meinen wohl die Gewinnung von SL-Kristallen." "Das auch, aber noch etliches mehr." "Dann muß ich mit Ihnen verhandeln, wenn es um die Wiederaufnahme der Lieferungen geht. Und natürlich über die neuen Konditionen!" Darkener wiegte den Kopf. "Darüber wurde noch nicht entschieden." Wäre Kadgeyn kein Terdrer gewesen, so hätte er nun vielleicht verräterisch gegrinst. So aber blieb sein Gesicht starr. "Sie wissen, daß ich Ihr Verhalten als Verrat betrachte. Sie sind Angehöriger des FND und damit unterstehen Sie den Gesetzen der Föderation." "Verrat ist ein großes Wort, Terdrer. Ich habe meinen Dienst gekündigt, offiziell und legal. Wäre es Ihnen lieber, ich würde Ihnen irgendeine Geschichte erzählen und so tun als sei ich weiterhin ein reguläres Mitglied des FND, während ich in Wirklichkeit hier unendliche Reichtümer anhäufe?" Darkener lachte. "So naiv können Sie nicht sein!" Kadgeyn nickte. "Das ist also Ihr letztes Wort?" "Das ist es!" Der Neuafrikaner nickte ebenfalls. "Leben Sie wohl, Terdrer. Sie wissen nun, was Sie wissen müssen. Alles weitere liegt in Ihrer Hand." "Ich weiß, was ich wissen muß, Darkener. So einfach werden Sie nicht davon kommen." Der Agent grinste. "Kommen Sie ruhig. In meinem Palast ist ausreichend Platz. Ich werde eine Party geben, wenn Sie kommen." Dann unterbrach er die Verbindung. "Dieser Hundesohn von Terraner!" stieß Senansenlok hervor. "Dieser Verräter!" Er ballte die Fäuste voller Zorn. Kadgeyn sah Koplek an. "Und was denken Sie? Ist Darkener ein Verräter?" "Oh ja, er ist ein Verräter", meinte der Sonure und grinste. "Er hat uns sehr viel verraten!" Der Terdrer nickte. "So sehe ich das auch", bestätigte er die Meinung Kopleks. "Und was?" "Kalakan war nicht tot, als Darkener ihn traf. Nun aber ist er es. Der alte Mann teilte ihm etwas mit, was nichts mit den SL-Kristallen oder den Minen zu tun hat. Der Neuafrikaner war nicht allein, als er sich mit uns unterhielt. Die wirklichen Herren von 'Kalakans Welt' waren dabei und haben ihn überwacht. Sein Hinweis auf Strohmänner zeigt eindeutig, daß die neuen Herren des Planeten hochrangige Mitglieder der Föderation sind, die es sich nicht oder noch nicht leisten können, an die Öffentlichkeit zu treten." Er nickte. "Alles in allem würde ich sagen, daß Darkener in gewaltigen Schwierigkeiten steckt und alleine nicht weiterkommt. Er erwartet, daß wir ihm helfen." Der Rowener sah verständnislos von Kadgeyn zu Koplek und zurück.
44 "Bereiten Sie ein Beiboot vor, Koplek", trug Kadgeyn dem Sonurers auf. "Wir fliegen nach 'Kalakans Welt'. Sie, Senansenlok und ich. Das reicht. Ich habe Darkener so verstanden, daß es kein rechtliches Mittel gibt, an die neuen Herren heranzukommen, solange sie sich bedeckt halten. Also müssen wir Sie nervös machen." Der Sonurer nickte und eilte aus dem Raum. "Senansenlok, Sie erstaunen mich", hielt der Terdrer dem Rowener vor. "Bisher hielt ich Sie für einen meiner besten Mitarbeiter. Aber irgendwie habe ich den Verdacht, daß Sie Darkener nicht mögen. Liegt es an ihm oder daran, daß er ein Terranerabkömmling ist." Der Rowener atmete tief durch. "An beidem, Kadgeyn. Ich mag seine Art nicht, seinen Zynismus. Und ich mag seine junge, arrogante und überhebliche Rasse nicht. Ich glaube nicht, daß wir an dem Neuafrikaner viel Freude haben werden, wenn er in der Mystery Division verbleibt!" Kadgeyn erhob sich. "Ich weiß, Senansenlok, daß Sie nichts tun werden, um diesen Einsatz zu gefährden. Aber im Gegensatz zu Ihnen bin ich überzeugt davon, daß Darkener eine Verstärkung für uns darstellt. Er mag schwierig sein, doch er ist zugleich einer der loyalsten Anhänger der FAP." Er trat vor den Rowener. "Überdenken Sie ihre Einstellung gegenüber dem Neuafrikaner. Andernfalls muß ich darüber nachdenken, ob Sie der Richtige für die Mystery Division sind." Er sah dem Rowener kurz in die Augen, dann verließ Kadgeyn ebenfalls den Raum.
45 Das Beiboot war unbehelligt gelandet. Kadgeyn hatte sich unter falschem Namen und mit falschen Papieren angemeldet. Die Fälschungen waren jedoch so gut, daß niemand es bemerken konnte. Offiziell war er ein reicher Terdrer, der feststellen wollte, ob es ihm auf 'Kalakans Welt' gefiel und der dort vielleicht ein Grundstück erwerben wollte. Niemand bemerkte die zwei Männer, die kurz nach der Landung das Schiff verließen. Sie trugen Kampfanzüge und die Deflektorschilde waren aktiviert. Für optische und elektromagnetische Ortungsgeräte waren sie unsichtbar ... Darkener kam sich vor wie ein Gefangener. Und im Grund war er das auch. Die vier Männer hatten ihn unter Bewachung von zwei Söldnern zurückgelassen und gingen unbekannten Geschäften nach. Die beiden Wachen standen an einem Ende des Raumes und beobachteten ihn aufmerksam. Sie unterhielten sich leise. Der Neuafrikaner stand am Fenster und sah auf die Stadt hinab. Er dachte über das nach, was er von Kalakan über die Oschwen erfahren hatte. Mittlerweile war er davon überzeugt, daß es so war wie der alte Mann gesagt hatte. Die Oschwen waren eine seltsame und besondere Rasse, die jeden Schutz verdienten. Er grinste bei dem Gedanken, daß er vielleicht wirklich das Erbe des toten Kalakans antreten sollte. Aber es würde ihm nicht gefallen. Er war dazu nicht geeignet und es würde ihm schnell langweilig werden. Doch er würde für dieses Volk tun was er konnte. Seine Gedanken kehrten in die gegenwärtige Situation zurück. Wenn Kadgeyn ihn richtig verstanden hatte - und das hoffte er inständig - so mußte er bereits gelandet sein. Vielleicht war sogar schon jemand unterwegs hierher, denn sein Hinweis darauf, daß er sich in Kalakans Palast aufhielt, war fast zu deutlich gewesen. Aber was dann? Er hatte keine Beweise für das, was Kugar und die anderen getan hatten. Jedenfalls keine, die vor dem Föderationsgerichtshof standhalten würden. Also würden der Jangarer und die anderen unbehelligt davonkommen. Vielleicht war das äußerste, was er erreichen konnte, daß Kugar gehindert daran gehindert wurde, seine Pläne durchzuführen. Und das war in keinem Falle befriedigend. Also blieb nur die Hoffnung, daß sich etwas ereignen würde, das Kugar und die anderen dazu brachte einen Fehler zu machen; einen Fehler, der sie trotz ihrer Verbindungen vor den Föderationsgerichtshof bringen würde. "Wir müssen davon ausgehen, daß Darkener uns betrügt", meinte Ketrenk und sah den Jangarer an. "Davon bin ich fest überzeugt." Kugar nickte. "Der Meinung bin ich ebenfalls. Die Frage ist nur, wie er es zu bewerkstelligen gedenkt." "Ich habe mich über dieses 'Büro für interstellare Angelegenheiten' erkundigt." "Und?" "So etwas gibt es nicht. Aber das Bild, daß ich während des Gespräches von Darkener mit dem Terdrer von diesem machte, konnte mir mein Mann auf CENTRALON identifizieren. Sein Name ist Kadgeyn und ihm gehört die 'Sicherheitsagentur Kadgeyn', die größte private Sicherheits- und Schutzorganisation. Man sagt diesem Terdrer hervorragende Verbindungen zu der FAP-Spitze, insbesondere zu dem Präsidenten und dem Obersten Richter von HABELAR IV nach."
46 Kugar war unruhig geworden. "Und das sagst du so gelassen? Weißt du, was das heißt?" Der Heproke nickte. "Wenn wir uns nicht beeilen, ist alles verloren. Darkener muß beseitigt werden und wir müssen verschwinden." Er war in diesem Augenblick in der Tat erheblich gelassener als der Jangarer. Er war lange genug beim FND, als daß ihn bedrohliche Situationen sofort aus der Bahn warfen. Außerdem verschaffte es ihm eine gewisse Befriedigung, den sonst so überheblich wirkenden Jangarer einmal beunruhigt zu sehen. "Ich nehme an", fuhr er fort, "daß dieser Kadgeyn völlig freie Hand hat, wie er die Lage auf 'Kalakans Welt' wieder in den Griff bekommt. Auch wenn es nicht gerade legale Mittel sind." Kugar traf eine blitzschnelle Entscheidung. "Laß' unser Raumschiff startklar machen. Der Boden wird zu heiß. Wir müssen verschwinden. Ich habe keine Lust, vor dem Föderationsgerichtshof zu landen. Und laß' Darkener beseitigen." "Du gibst so schnell auf?" "Verdammt, Kretenk. Als wir die ganze Sache angefangen haben, rechneten wir nicht mit solchen Problemen. Es ist illegal, was wir tun. Doch wir glaubten es durchziehen zu können. Niemand rechnete damit, daß es solche Wellen schlagen wird. Wenn man tatsächlich diesen Kadgeyn auf uns angesetzt hat, dann liegt der Föderation etwas an dieser Welt. Wir haben uns die Söldner für den Fall beschafft, daß es auf dieser Welt leichte Probleme geben wird. Aber niemand dachte daran, daß die Föderation sich einschaltet, noch ehe unsere Position hier richtig gefestigt ist." Er schüttelte den Kopf. "Ich bin Politiker, Kretenk, kein Soldat. Ich kann Dinge verschleiern, aber das geht über meine Möglichkeiten! Es war ein feine Sache, nach noch mehr Geld und noch mehr Macht zu streben, doch ich bin reich genug um rechtzeitig aufgeben zu können. Und ich besitze genug Macht, um sinnlos nach weiterer zu verlangen." "Und was ist mit mir? Oder Netperl und Larpor Kunjin?" "Wenn ihr hierbleiben wollt, dann tut es. Ich für meinen Teil ziehe es vor zu verschwinden!" Er eilte davon. Kretenk zögerte nur kurz, dann folgte er ihm. Er wußte nur zu gut, daß ohne Kugar die ganze Sache sinnlos war. Koplek und Senansenlok hatten den Palast ungesehen erreicht. Ihnen war ebenso klar wie Darkener, daß es wahrscheinlich nicht darauf hinauslaufen würde, die neuen Herren von ‘Kalakans Welt’ vor Gericht zu stellen, sondern sie an ihrem Vorhaben zu hindern. Die Beweise reichten einfach nicht aus. Ihre Deflektorschilde, die sie für das organische Auge und für die meisten Überwachungsgeräte unsichtbar machten, verhinderten eine Entdeckung, als sie das Verwaltungsgebäude betraten. Gegenseitig konnten sie sich jedoch durch aufeinander abgestimmte Spezialbrillen sehen. Trotzdem waren sie überaus vorsichtig. Zwar waren sie gut bewaffnet und die Kampfanzüge würden sie auch im Falle einer Entdeckung schützen, doch viele Hunde waren des Hasen Tod. Wenn die Söldner, die im ganzen Gebäude verteilt waren, sich auf sie einschossen, konnten selbst die Schirme ihrer Anzüge sie nur eine gewisse Zeit schützen. Langsam ließen sie sich im Null-Grav-Schacht nach oben tragen. Dort irgendwo vermuteten sie den Neuafrikaner. Vielleicht waren sogar die anderen dort, wer immer sie auch sein mochten.
47 Unangefochten erreichten sie schließlich das oberste Stockwerk. Hier gab es zu ihrem Erstaunen keine Wache. Koplek hatte die Führung übernommen. Als sie eine große, doppelflügelige Türe erreichten, sah der Sonurer den Rowener an. Senansenlok nickte. Vielleicht war es Zufall, vielleicht auch einfach nur Glück, jedenfalls war der Raum dahinter leer. Die Tür zum nächsten raum war jedoch offen. Und sie hörten Darkeners Stimme, der zu jemandem sagte: "He, man kann doch über alles reden.“ Sie wußten, daß sie keine Minute zu spät gekommen waren. Sie zogen vorsichtig ihre Waffen und traten durch die offene Tür. Die beiden Wachen hatten ihr Gespräch unterbrochen und lauschten irgendwelchen Worten aus ihren Funkgeräten. Darkener konnte nicht verstehen, was ihr Gesprächspartner sagte, doch die Blicke, die die beiden Söldner ihm zuwarfen, sagten ihm genug. Es war etwas geschehen und die beiden Männer hatten den Auftrag erhalten, ihn zu töten. Das war den Mienen der beiden deutlich abzulesen. Als sie sich ihm mit erhobenen Waffen näherten, suchte er verzweifelt nach einem Ausweg, doch ihm fiel nichts ein. Sollte das die letzte Stunde von Nehemiah Darkener sein? "He", begann er, als die beiden vor ihm stehen blieben, "man kann über alles reden." Aber die beiden würdigten ihn keiner Antwort. Statt dessen hoben sie ihre Waffen weiter und ihre Finger krümmten sich um den Abzug. Darkener schloß die Augen und wartete auf das leise Fauchen der Strahler. Als es kam, war er verblüfft, daß er keine Schmerzen verspürte. dafür hörte er zwei kurze, dumpfe Laute. Er sah auf. Die beiden Söldner lagen mit häßlichen Brandwunden im Rücken vor ihm auf dem Boden. Und an der Wand, neben der offenen Tür schälten sich zwei Gestalten aus dem Nichts. "Koplek! Senansenlok!" rief er voller Erleichterung, als er die beiden schließlich erkannte. "Dem Himmel sei dank, das war in allerletzter Sekunde." Über das Gesicht des Sonurers schlich ein spöttisches Lächeln. "Dann paßt es ja, oder?"
48 Der Rest war schnell erzählt. Die Söldner, die von Kugar und den anderen zurückgelassen worden waren, wurden verhaftet. Der Jangarer und die anderen konnten entkommen. Den drei Ratsmitgliedern konnte man nichts anhaben, doch der General wurde auf einen Posten versetzt, der so bedeutungslos war, daß er es vorzog seinen Abschied zu nehmen. 'Kalakans Welt' wurde unter die direkte Verwaltung des Föderationspräsidenten, den Kadgeyn über alles informiert hatte, gestellt und alle Nicht-Oschwen wurden auf Grund einer Notstandsverordnung, die der Präsident und der Oberste Richter von HABELAR IV verfügten, aufgefordert, den Planeten innerhalb einer Woche zu verlassen. Natürlich erzeugte das Unruhe, doch mehrere große Schlachtschiffe der FAP-Flotte verschafften der Verordnung den nötigen Nachdruck. Alles in allem waren die Oschwen die eindeutigen Sieger der ganzen Sache. Dennoch war Darkener nicht zufrieden. Und das sagte er dem Terdrer auch recht deutlich. "Ich kann Sie verstehen, Darkener", gab Kadgeyn zu. "Mir ergeht es ebenso. Aber was soll ich machen? Was könnten Sie tun? Wir haben das beste aus der ganzen Sache gemacht. Mehr werden wir vielleicht nie erreichen können. Also geben wir uns damit zufrieden. Wir haben Kugar und seinen Komplizen die ganze Sache verdorben, das zumindest ist uns geglückt. Die Oschwen sind frei und stehen unter dem Schutz des Präsidenten und des Obersten Richters." "Aber Kugar und die anderen gehen ungeschoren daraus hervor." "Nicht so ganz. Sicher, sie landen vor keinem Gericht. Aber auch wenn wir keine Beweise gegen sie haben, so können wir doch einiges tun, um ihnen in Zukunft das Leben schwer zu machen." Er sah den Neuafrikaner an. "Und nun, Darkener? Wollen Sie weiter für die Mystery Division arbeiten?" Der Agent hob die Schultern. "Warum nicht! Auch wenn es letztlich nicht ganz so ausgegangen ist, wie ich erhoffte, so habe ich doch ein paar recht einflußreiche Leute mächtig geärgert!" "So ist es", bestätigte Kadgeyn. "Also gut, was liegt an?" Der Terdrer aktivierte einen Bildschirm. Ein Planet war zu sehen. "Das ist ..." begann er, doch Darkener unterbrach ihn. "Rebalon, einer der Strafplaneten der Föderation." Kadgeyn nickte. "Richtig. Dort geschehen seltsame Dinge. Gefangene sterben aus unerfindlichen Gründen. Es besteht der Verdacht, daß unzulässige medizinische Experimente durchgeführt werden." "Von wem?" "FödPharm!" "Dem Föderationseigenen Pharmakonzern?" Kadgeyn nickte. Der Neuafrikaner setzte sich. "Erzählen Sie!" forderte Darkener ...
ENDE
49
© 30. September 2002 HMP (Holger M. Pohl) All rights reserved.