Seewölfe 30 1
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Seewölfe 30 1
John Roscoe Craig 1.
Die See war spiegelglatt wie der Tisch in der Kapitänskammer der „Pelican“, den der Page John Drake bereits seit zwei Stunden mit verbissener Hartnäckigkeit auf Hochglanz zu bringen versuchte. Die Segel hingen bewegungslos von den Rahen. Nur selten unterbrach ein Knarren von Blöcken oder Tauwerk die nervenzermürbende Stille an Deck der kleinen Galeone, die in einem Meer von dunkelgrünem Teer zu stecken schien. Ein paar Männer kauerten bewegungslos unter der Back und starrten dumpf in die Näpfe, die ihnen Mac Pellew mit Pökelfleisch gefüllt hatte. Das griesgrämige Gesicht des Kochs war nicht dazu angetan, die Laune der Männer zu heben. Johnnie Duncan lief ein Schauer über den Rücken, als er in den Napf griff, um sich ein Stück Fleisch in den Mund zu schieben. Angewidert zog er die Hand wieder fort. Wie er den Fraß haßte, den sie jetzt schon seit mehr als dreißig Tagen von diesem Widerling Mac Pellew vorgesetzt kriegten! Immer nur versalzenes Pökelfleisch, verschimmelter Schiffszwieback und abgestandenes Dünnbier! Und wie es aussah, würden sie bis in alle Ewigkeit nichts anderes zu fressen kriegen, denn in dieser Höllengegend gab es nicht einmal einen Hauch von Wind, der die Schiffe des Drakeschen Verbandes vorwärts getrieben hätte. Johnnie Duncan versuchte das Zittern seiner Schultern zu unterdrücken, aber es gelang ihm nicht. Ein Geräusch hatte sich in seinen Ohren festgefressen und wurde von Sekunde zu Sekunde lauter. Das Schmatzen des Wassers an der Bordwand war kaum zu hören, doch für Duncan war es, als würde sich ein Dämon die geifernden Lefzen lecken, bevor er seine Opfer verschlang. Taumelnd sprang er auf. Der Napf mit dem Pökelfleisch polterte aufs Deck und >schmutzte die gescheuerten Planken.
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Die Köpfe der anderen Männer ruckten hoch. „Ich will nicht!“ brüllte Johnnie Duncan. Ein riesiges rotes Auge starrte ihn an, eine fürchterliche Fratze näherte sich seinem Gesicht. Er sah die nadelspitzen Zähne, von denen Blut tropfte. Er schrie sein Entsetzen hinaus. In seiner Verzweiflung riß er das Messer aus seinem Gürtel und hieb auf die fürchterliche Fratze ein. Der Dämon war schneller als er. Wo er auch hinhieb, die Fratze war längst an einem anderen Ort. Johnnie Duncan spürte die Klauen des Dämons an seinen Armen. Er wehrte sich mit aller Kraft, aber er war nicht stark genug, um gegen die dunklen Mächte anzukämpfen. Ein stechender Schmerz zuckte durch seinen Hinterkopf. Noch einmal konnte er seine Arme losreißen und mit dem Messer nach seinem unsichtbaren Feind stoßen, doch dann griff die Klaue des Dämons nach seinem Hirn und zog ihn in eine tintenschwarze Dunkelheit. * Edwin Carberry wischte sich den Schweiß von der Stirn und schüttelte nachdenklich den Kopf. Er hielt den Belegnagel in der rechten Pranke bereit, um jederzeit zum drittenmal zuschlagen zu können, wenn Duncan wieder aufwachen und mit seinem Messer herumfuchteln sollte. Carberry wandte den Köpf und starrte Mac Pellew böse an. „Was hast du dem armen Jungen wieder erzählt?“ fragte er grimmig. „Du weißt, daß er eine weiche Birne hat und nicht viel vertragen kann. Er faselt schon die ganze Zeit von Riesenkraken und Meerungeheuern, da brauchst du ihn nicht auch noch mit deiner Unkerei wild zu machen:' „Ich hab' kein Wort gesagt“, maulte Mac Pellew. „Keiner hat die Fresse aufgemacht. Er ist plötzlich hoch und hat, mit dem Messer herumgefuchtelt, als wollte er den Mast absäbeln.“ Er wies auf die Decksplanken. „Da, sieh dir die Sauerei an.
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Er hat sein Essen einfach weggeschmissen.“ „Zu was anderem taugt das auch nicht“, brummte einer der Männer unter der Back, preßte aber schnell die Lippen aufeinander, als ihn der wütende Blick Carberrys streifte. „Ihr haltet die Schnauze, verstanden?“ brüllte der Profos. „Ich werde euch zeigen, was los ist, wenn einer versucht, hier den wilden Mann zu markieren. Will sich noch einer beschweren von euch Affenärschen, wie, was?“ „Mäßigen Sie Ihre Worte, Carberry“, sagte eine näselnde Stimme vom Quarterdeck, und der Profos zuckte zusammen, als wäre eine Peitsche auf seinen Rücken geklatscht. Carberry drehte sich langsam um. Das Kinn hatte er vorgeschoben. Seine rechte Hand zitterte. Er hatte Mühe, sich zurückzuhalten. Am liebsten hätte er dem geschniegelten Sir Thomas Doughty den Belegnagel mitten ins hochmütige Gesicht geschleudert. Sir Thomas Doughty war auch nach endlosen Tagen der Flaute wie aus dem Ei gepellt. Er wußte, was sich für einen Gentleman gehörte. Der Spitzbart in seinem faltenlosen Gesicht, das er gegen allzu intensive Sonnenbestrahlung durch einen breitrandigen Hut schützte, war sorgfältig gestutzt. „Ich kann die Männer verstehen“, fuhr Doughty fort. „Auch mir geht diese Fahrt langsam auf die Nerven. Wer weiß, was uns noch alles erwartet, wenn wir erst einmal die Küste der Neuen Welt erreicht haben. Ich habe so allerlei gehört, aber ich will die Männer nicht noch mehr beunruhigen ...“ Er schwieg und wandte den Kopf, als er Schritte hinter sich hörte. Es war sein Bruder John. „Ah, John“, sagte Doughty. „Diese bleierne Luft treibt mir den Schweiß auf die Stirn. Befiehl dem Pagen, mir Wasser zu holen.“ John Doughty nickte und verschwand. Sir Thomas schlenderte zur Backbordreling hinüber und warf einen Blick auf die
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anderen Schiffe, die nur ein paar hundert Yards voneinander entfernt träge im bewegungslosen Wasser lagen. Seine Augen verengten sich, als er Philip Hasard Killigrew auf dem Achterdeck der gekaperten portugiesischen Galeone stehen sah, die in „Isabella II.“ umbenannt worden war. Instinktiv hatte er vom Anfang ihrer Bekanntschaft an gespürt, daß er in dem schlanken, schwarzhaarigen Mann aus der Sippe der Killigrews aus Arwenack einen Feind hatte, den er nicht unterschätzen durfte. Trotzdem war Sir Thomas sicher, diesen draufgängerischen Kraftprotz in den Sack stecken zu können. Killigrew hatte einen entscheidenden Fehler, der ihn immer wieder ins Hintertreffen bringen würde: Er war aufrichtig. Sir Thomas Doughty verzog seine Lippen. Oh, er haßte diese Narren, die die Welt verbessern wollten. Was würde schon dabei herauskommen? Langeweile. Sonst nichts. Was war ein Leben ohne Intrige, ohne hinterhältige Fallstricke seiner Feinde, die man rechtzeitig erahnen mußte, wenn man überleben wollte? Doughty blickte kurz zur Tür hinüber, die vom Quarterdeck in den Gang führte, von dem man zu den Kammern der Offiziere gelangte. Der junge John Drake, der Neffe des Kapitäns, erschien mit einer Karaffe Wasser. Drake ist ein anderer Gegner als Killigrew, dachte Doughty. Er ist skrupellos, wenn es um die Erreichung eines Zieles geht. Er würde nicht zögern, seinen besten Freund zu opfern. Ich muß mir einiges einfallen lassen, wenn ich ihn übertölpeln will. „Ihr Wasser, Sir Thomas“, sagte der Page. Doughty schaute den Jungen nicht einmal an. Er nahm das Glas und die Karaffe vom silbernen Tablett und goß sich Wasser ein. Er stellte die Karaffe zurück und hob das Glas an die Lippen. Aus den Augenwinkeln beobachtete er den Profos Carberry und die anderen Männer in der Kuhl, die immer noch um den bewußtlosen Johnnie Duncan herumstanden und zum Quarterdeck hochstarrten.
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Wahrscheinlich haben sie meine Andeutungen über das, was sie an der Küste erwartet, noch nicht richtig verdaut, dachte er zufrieden. Er trank einen Schluck, erstarrte plötzlich und spuckte das Wasser in hohem Bogen wieder aus. Sein Gesicht lief vor Wut rot an. Mit einer kurzen Handbewegung schüttete er den Rest des Glases dem Pagen ins Gesicht. „Bist du von allen Geistern verlassen?“ rief er voller Empörung. „Wie kannst du es wagen, mir eine solche Brühe anzubieten? Mit diesem fauligen Zeug würde ich mich nicht einmal waschen! Das kannst du der Mannschaft zum Saufen geben, aber nicht mir, verstanden?“ John Drake stand belämmert da, verbeugte sich hastig und eilte davon. Er hörte das Gemurmel in der Kuhl, aber er war zu sehr mit sich selbst beschäftigt, als daß er begreifen konnte, was dort unten vor sich ging. „Dieses elende Dreckschwein“, murmelte Patrick Evarts. „Den sollte man in einen dreckigen Lappen einwickeln und den Haien zum Fraß vorwerfen.“ „Den würden sie garantiert wieder ausspucken“, sagte Mac Pellew. Das Murren der Leute wurde lauter. Jeder von ihnen hatte gesehen, daß das Wasser in der Karaffe um einiges sauberer gewesen war als das, was ihnen vorgesetzt wurde, und dieser hochnäsige Affe schüttete es dem jungen Drake in die Fresse und erklärte, er würde sich nicht, mal Mit dem Wasser, das die Mannschaft trinken mußte, waschen! Carberry spürte die Wut, die seine Leute ergriffen hatte, fast körperlich. Wenn er nichts unternahm, würde es eine Meuterei geben. Zu länge hielt die Windstille sie schon in diesen Breiten. Die Untätigkeit trieb die Männer zu Handlungen, die sie unter normalen Umständen niemals begehen würden. „Wer noch einmal behauptet, daß der ehrenwerte Sir Thomas ein elendes Schwein ist, wird ausgepeitscht, bis ihm die Haut in Fetzen herunterhängt!“ brüllte Carberry aus vollem Hals. „Ich werde euch
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zeigen, was sich für einen ehrlichen englischen Seemann gehört! Alle Mann in die Wanten! Überprüft sämtliche Spieren und Stags! Auf, ihr Himmelhunde, oder ich jage euch mit dem Belegnagel die Masten hoch!“ Das Schiff dröhnte unter den stampfenden Füßen der Männer. Ihre angespannten, vor Wut verzerrten Gesichter hatten sich gelöst. Mit grinsenden Gesichtern befolgten sie Carberrys. Befehle, und die Seitenblicke, die sie zum Quarterdeck hinüberwarfen, waren eher offen als versteckt. Sir Thomas Doughtys Gesicht war noch eine Idee bleicher als gewöhnlich. Voller Zorn starrte er den breitschultrigen Profos an, der seine Mütze vom Kopf gerissen hatte und sich ehrerbietig, vor ihm verneigte, als hätte er ihm einen Ehrendienst erwiesen. Sir Thomas durchschaute den Riesen, der den harmlosen Tölpel spielte, aber er würde ihm nichts nachweisen können. Der Profos hatte ihn lächerlich gemacht und seinen Plan, die Männer zu einer Meuterei zu bewegen, ins Gegenteil gekehrt. Durch seine Bemerkung hatte der Profos alle Männer auf seine Seite gebracht. Die Tür unter dem Achterdeck schwang auf. Francis Drake kniff die Augen ein wenig zusammen und blickte Takelage, in der seine Männer wie Affen herumturnten. Er ging zu Doughty hinüber und blickte ihn eine Weile nachdenklich an. „Sie sollten sich etwas zusammennehmen, Mister Doughty“, sagte er leise. „Die Männer sind schon nervös genug.“ „Das kann ich ihnen nicht verdenken“, sagte Doughty heftiger, als er es beabsichtigt hatte. „Statt mit den Afrikanern Handel zu treiben und Geld zu verdienen, lassen Sie sich auf ein Abenteuer ein, an dessem Ende nichts anderes als der Tod steht. Ich habe genauso wenig Lust wie Ihre Leute, an einer fremden Küste von Eingeborenen getötet zu werden oder in einem Sturm mit dem Schiff unterzugehen.“ Francis Drake lächelte.
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„Vor einem Sturm brauchen Sie im Moment wirklich keine Angst zu haben“, sagte er. Er wandte sich von Doughty ab, um Carberry nach dem Grund zu fragen, weshalb er die Leute in der Takelage herumklettern ließ, als ein heller Schrei eines Mannes aus dem Großmars über das Schiff gellte. „Schiff in Sicht! Backbord voraus!“ 2. Philip Hasard Killigrew glaubte nicht an Geister und Dämonen. Aber dieser schwarze Kasten, auf den seine Männer zupullten, jagte auch ihm einen leichten Schauer über den Rücken. Die See war immer noch bleiern. Hasard fragte sich, wann diese verdammte Flaute endlich ein Ende nehmen wollte. Er hatte so etwas noch nie erlebt. Aus den alten Berichten der ersten Männer, die den Atlantik überquert hatten, ging hervor, daß ein ständiger, kräftiger Wind sie vorwärtsgetrieben hätte. Doch Nuno da Silva, der portugiesische Lotse, den Drake bei sich an Bord hatte, behauptete, diese Winde seien nördlicher anzutreffen. Hier, nur ein paar Grade nördlich des Äquators, sei eine windlose Zone, die die Portugiesen und Spanier möglichst mieden. Hasard fragte sich, warum Drake in diese Zone gesteuert war. Hatte er den Worten des portugiesischen Lotsen keinen Glauben geschenkt? Hasard mußte zugeben, daß auch er nicht an diese windlose Zone geglaubt hätte, wenn er sie jetzt nicht selbst erlebt hätte. Die schwarze Galeone war immer noch eine Kabellänge von ihnen entfernt. Hasard trieb seine Männer nicht an. Sie hatten Zeit. Es sah nicht so aus, als würde sich die Wetterlage in den nächsten Stunden ändern. Die schwarze Galeone war voll getakelt, und doch hatte es den Anschein, als hätte sich seit Tagen niemand mehr um die Segel gekümmert. Nirgends war ein Zeichen von Leben zu entdecken. Falls es Menschen auf der schwarzen Galeone gab,
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dann mußten sie die anderen Schiffe doch ebenfalls gesehen haben! Hasard schüttelte sich bei dem Gedanken daran, daß die Mannschaft der Galeone vielleicht von einer Krankheit dahingerafft worden war. Sie mußten sehr vorsichtig sein, sonst holten sie sich die Pest noch auf das eigene Schiff. Die „Pelican“ war neben der „Isabella II.“ am dichtesten zur schwarzen Galeone aufgeschlossen. Hasard hörte die mächtige Stimme Carberrys, der die Rudergasten anbrüllte, sie sollen gleichmäßiger pullen. Nur langsam schoben sich die Schiffe, die an den Schleppleinen der Boote hingen, durch das glatte Wasser, das die Farbe einer saftigen Wiese hatte. Hasard kniff die Augen zusammen. Drakes Auftrag, die schwarze Galeone zu entern, behagte ihm immer weniger. Vielleicht hätten sie lieber mit der „Isabella II.“ dicht an die schwarze Galeone heranfahren sollen, um von den Masten aus auf das Deck des unheimlichen Schiffes blicken zu können. Sechs Männer hatte Hasard in seinem Boot. An Steuerbord saßen Batuti, Stenmark und Matt Davies, an Backbord Dan O'Flynn, Smoky und Ferris Tucker. Im Gegensatz zu Hasard, der steuerte, mußten sie den Kopf wenden, um zur Galeone hinüberblicken zu können. Hasard erkannte an ihren angespannten Gesichtern, daß sie mit dem Befehl Drakes, die schwarze Galeone zu entern, genauso unzufrieden waren wie er selbst. Andererseits schienen sie froh zu sein, daß endlich wieder einmal etwas los war, das sie aus dem ewigen Einerlei herausriß. Hasard war froh, diese Männer um sich zu wissen. Die Zeit, die sie zusammen an Bord ihrer ersten „Isabella“ verbracht hatten, hatte sie zu einer Gemeinschaft zusammengeschweißt, die auch nicht zerbrach, wenn sie dem Tod von Angesicht zu Angesicht gegenüberstanden. Hasard wußte von Tim Brewer, was auf den anderen Schiffen des kleinen Geschwaders vor sich ging. Die Männer wurden langsam verrückt vor Angst. Sie hatten beim Auslaufen in der Heimat
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geglaubt, sie würden zu einer Handelsreise nach Ägypten aufbrechen, und nun segelte Francis Drake mit ihnen in eine unbekannte Welt, in der Dämonen und Ungeheuer nur darauf warteten, sie zu verschlingen. Philip Hasard Killigrew hatte seine Mannschaft darauf eingestellt, daß dieses Unternehmen alles andere als eine Vergnügungsreise werden würde. Sie gingen ein großes Risiko ein, doch dieses Risiko war kalkuliert. Gewiß, sie konnten einem Sturm zum Opfer fallen oder von feindlichen Eingeborenen, die bereits mit den Spaniern oder Portugiesen üble Erfahrungen gesammelt hatten, getötet werden. Vermutlich würden sie auch Kämpfe mit spanischen Schiffen auszufechten haben, aber das war schließlich der Sinn der Reise. Und eins war auch klar: Wer diese Reise lebend überstand, würde als reicher Mann nach England heimkehren. Tim Brewer, der junge Trompeter Drakes, hatte Hasard von Sir Thomas Doughtys Stänkereien an Bord der „Pelican“ berichtet. Es hatte Hasard nicht überrascht. Er ahnte, daß Doughty nur aus einem bestimmten Grund an dieser Reise teilgenommen hatte: um sie zu verhindern. Aber wie sollte er seine Vermutung beweisen? Konnte er vor Francis Drake treten und Sir Thomas verdächtigen? Nein, Drake würde ihn einen Narren nennen. Dabei wußte Drake so gut wie jeder andere, daß Thomas Doughty enge Beziehungen zu Lord Burghley hatte, und der Lordschatzkanzler gehörte zu denen, die der Königin immer wieder davon abrieten, Spanien zu verärgern. Drakes Reise war mehr als eine Ohrfeige für den spanischen König. Sie war eine offensichtliche Provokation. Und da sollte Sir Thomas tatenlos zusehen? Hasard konnte es einfach nicht glauben. Er wünschte nur, Francis Drake würden die Augen aufgehen, bevor es zu spät für ihn und sein kleines Geschwader war. Hasard schreckte aus seinen Gedanken, als Smoky ins Wasser spuckte und sagte: „Das stinkt verdammt nach Rabenfraß. Der
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Teufel solle mich holen, wenn die Kerle auf dem schwarzen Kasten nicht schon alle am Verfaulen sind.“ Unheimlich und drohend ragte die schwarze Bordwand vor dem kleinen Boot von der „Isabella II.“ auf. Obwohl kein Windhauch zu verspüren war, hatte auch Hasard einen scharfen Geruch in der Nase, der nur von der Galeone stammen konnte. Er befahl den Männern, um die Galeone herumpullen. Vielleicht entdeckten sie an Steuerbord etwas, das ihnen Aufschluß über das geheimnisvolle Schiff geben konnte. Hasard legte beide Hände an den Mund und formte einen Trichter: „Holla, Deck“ schrie er. „Was ist los mit euch? Zeigt euch, oder wir verpassen euch eine Breitseite!“ Nichts rührte sich. Oder doch? Hasard war es, als hätte er einen schwarzen Schatten hinter einer der Geschützpforten gesehen, die halb hochgezogen war. Hatte die Besatzung der schwarzen Galeone sie überlistet? Würden gleich die Kanonen ausfahren und sie mit ihren tödlichen Ladungen in Stücke schießen? Hasard zog für einen Moment den Kopf zwischen die Schultern, doch nichts geschah. Die Stille war so absolut wie vorher. Hasard lauschte auf Schritte. Nichts. „Batuti und Dan“; sagte Hasard mit heiserer Stimme. „Seht nach, was auf dem Kahn los ist. Wenn ihr Tote seht, faßt sie nicht an, ist das klar?“ Die beiden nickten. Der große Schwarze ließ sein schneeweißes Gebiß sehen, doch seine gräuliche Gesichtsfarbe zeigte Hasard, daß Batuti sich vor den Schiffsdämonen fürchtete. Mit ein paar kräftigen Schlägen pullen die anderen das Boot an die Bordwand der schwarzen Galeone. Batuti und Dan griffen nach den Berghölzern, turnten zum Schanzkleid der Kuhl hoch und .schoben vorsichtig ihre Köpfe in die Höhe. Der Gestank nahm Dan O'Flynn und Batuti schon den Atem, bevor sie über das
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Schanzkleid schauen konnten. Dann fielen ihre Blicke auf das Deck. Dan O'Flynn war plötzlich grün im Gesicht. Was er dort sah, drehte ihm den Magen um. Neben dem Großmast lagen drei leblose Menschenkörper, von denen teilweise nur noch die Knochen übrig waren. Die Decksplanken waren mit dunklen Flecken übersät. Es war das getrocknete Blut der Toten. Und in diesen dunklen Flecken waren Spuren zu erkennen, wie Dan O'Flynn sie noch nie gesehen hatte. Trotz der Übelkeit, die in seinem Inneren rumorte, nahm Dan sich ein Herz und wollte sich über das Schanzkleid schwingen, um diesem fürchterlichen Geschehen auf den Grund zu gehen. Krampfhaft hielt er sein kurzes gebogenes Entermesser in der Faust, um jeden Augenblick zuschlagen zu können, wenn ihn das Untier anfallen sollte, das dieses Massaker angerichtet hatte. Dan hatte das linke Bein gerade über das Schanzkleid gelegt, als er den fürchterlichen Schrei Batutis hörte. Er zuckte zusammen und riß den Kopf herum. Er spürte, wie ihn eine Faust mit ungeheurer Gewalt auf der Brust traf. Mit der freien Linken wollte er sich am Schanzkleid festklammern, doch der Fausthieb Batutis fegte ihn mit der Gewalt eines Brechers von der Bordwand. Im Fallen sah Dan einen schlanken schwarzen Schatten auf die Stelle zufliegen, an der er sich eben noch befunden hatte. Er hörte das wilde Fauchen des Dämons und sah den weißschimmernden Fang. Dann klatschte er mit dem Rücken aufs Wasser und ruderte wild mit den Armen, um wieder an die Oberfläche zu gelangen. Neben ihm tauchte prustend Batuti auf. Riemen streckten sich ihnen entgegen. Dan hörte die Männer im Boot brüllen. Stenmark hielt eine Muskete in der rechten Faust und hob sie an die Schulter. Krachend entlud sich die Waffe und hüllte die Männer im Boot. n eine Pulverdampfwolke. „Hast du getroffen?“ brüllte Smoky.
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Stenmark hob die Schultern, während er die Muskete hastig nachlud. Hasard hatte seine Pistole aus dem Gürtel gerissen. Mit lauter Stimme befahl er, das Boot von der schwarzen Galeone wegzupullen. „Was sind das für Biester?“ fragte er Batuti. Der Gambia-Neger hatte seinen Schrecken noch nicht überwunden. „Panther“, sagte er keuchend. „Schwarze Panther. In ihnen steckt der Geist des Bösen. Es sind Mörder, die keine Ruhe finden und ewig auf den Tod warten müssen ...“ Hasard schnitt ihm mit einer heftigen Handbewegung das Wort ab. Er hatte auf dieser Reise schon genug Unfug über Geister und Dämonen gehört. Es fehlte noch, daß seine eigenen Männer auch noch daran zu glauben anfingen. Stenmarks Schuß schien die schwarzen Raubkatzen hochgeschreckt zu haben. Hasard zählte insgesamt vier Stück. Sie schlichen geschmeidig über die Decks, die Schanzkleider und über das Vor- und Achterkastell. Eine der Katzen sprang am Großmast empor, krallte sich in das Holz und glitt ein paar Fuß hinauf. Aus dem Mars ertönte ein helles, ängstliches Schreien, das sofort verstummte, als die Raubkatze den Versuch, den glatten Mast hinaufzuklettern, aufgab. Smoky wies mit der Hand nach oben. „Da, im Mars!“ rief er. „Ein Affe! Den haben die Biester nicht erwischt.“ Dan O'Flynn hatte den Kampf gegen die Übelkeit in seinem Magen verloren. Er beugte sich über das Dollbord und übergab sich. Keuchend und mit Tränen in den Augen erhob er sich wieder, nachdem das konvulsivische Zucken seines Magens aufgehört hatte. „Sie sehen fürchterlich aus, Hasard“, sagte er leise. „Sie haben die Männer stückchenweise gefressen. Die ganze Kuhl schwimmt von ihrem Blut. Sie haben bestimmt niemanden am Leben gelassen.“ Hasard schüttelte den Kopf. Er konnte sich nicht erklären, wieso diese Raubkatzen
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überhaupt an Bord eines Schiffes gelangen konnten. „Pullt gleichmäßig, ihr Affenärsche!” Die laute Stimme Carberrys zitterte vor unterdrückter Wut. Hasard drehte sich um. Die „Pelican“ war inzwischen auf eine halbe Kabellänge herangepullt worden. Die Rudergasten im Boot hatten natürlich gesehen, wie sich die Männer auf der Back der „Pelican“ bekreuzigten, und hatten die Köpfe gedreht, um zu sehen, was bei der schwarzen Galeone geschehen war. Hasard sah die vornehmen Herren auf dem Achterdeck der „Pelican“, die dort herumstolzierten wie die Pfauen, als befänden sie sich auf einem Gartenfest in London. Ein Grinsen huschte über Hasards Züge, als er die bleichen Gesichter der Lords sah. Einige von ihnen verschwanden wieder unter Deck. Ihre Nerven hielten einer solchen Belastung wohl nicht stand. „Schießen Sie die Bestien ab, Killigrew!“ Hasard nickte. Er hatte nur auf den Befehl Drakes gewartet. Er wies Stenmark und Ferris Tucker an, die schwarzen Panther abzuknallen, sobald sie sich zeigten. Minuten später peitschten die ersten Schüsse durch die bleierne Luft. Eine der Raubkatzen schrie. Sie hieb mit den Pranken durch die Luft, als wolle sie einen unsichtbaren Feind abwehren. An ihrer rechten Seite bildete sich auf dem schwarzen Fell ein großer, feucht glänzender Fleck aus. „Du hast sie getroffen, Ferris!“ sagte Matt Davies voller Genugtuung. „Sie ist aber noch nicht tot“, erwiderte Ferris Tucker brummend. „Die Bestien sind anscheinend nicht totzukriegen.“ Hasard ließ wieder ein wenig näher an die schwarze Galeone heranpullen. Stenmark hatte bereits wieder geladen. Als er eine weitere Katze auf das Schanzkleid springen sah, riß er die Muskete hoch, zielte kurz und drückte ab. Die Raubkatze vollführte einen Satz, der die Männer in Erstaunen versetzte. Sie sprang mindestens acht Fuß hoch. Ihre scharfen Krallen waren weit
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herausgestreckt, aber sie schafften es nicht, Halt in der Bordwand zu finden. Klatschend schlug der schlanke Leib des Panthers aufs Wasser, das sich sofort rot färbte. Durch den Pulverdampf sah Hasard, daß die Katze am Kopf getroffen war. Das Tier war nicht tot. Es schien einen Moment zu überlegen, ob es an der Bordwand wieder hinaufklettern solle, aber dann richteten sich die glühenden grünen Augen auf das Boot, in dem Hasard stand. Batuti schrie auf. Er wich zum Dollbord zurück. Das Boot begann zu schwanken. Matt Davies hieb mit seinem Eisenhaken zu. Die Glocke über der Ledermanschette traf Batuti am Hinterkopf. Lautlos sackte er zusammen. Matt Davies fing ihn auf und legte ihn zwischen zwei Duchten. Die Pistole in Hasards Hand krachte. Er sah sofort, daß er die Raubkatze verfehlt hatte. Dan O'Flynn hieb mit einem Riemen auf den Panther ein, doch die Katze krallte sich mit den Pranken im Holz des Riemens fest. Ferris Tucker hatte seine Muskete umgedreht und versuchte den Kopf der Bestie zu treffen. Er schlug vorbei, und beinahe hätte die Wucht des Schlages ihn über Bord gerissen. Das Boot schwankte wieder stark. Der schwarze Panther schnellte sich hoch, rasend vor Wut, Schmerz und Blutgier. Matt Davies' Haken zuckte vor und schlug in den Nacken der Bestie. Stenmark stieß mit dem Messer zu und traf die Raubkatze im Hals. Smoky hatte endlich die dritte Muskete schußbereit und feuerte sie ab, als er meinte, den Kopf des Panthers genau vor der Mündung zu haben. Der Rückstoß der Muskete warf Smoky gegen Stenmark, der das Gleichgewicht verlor und sich krachend auf eine Ducht setzte. Hasard klammerte sich fest. Die Bestie schrie ihren Schmerz hinaus. Es hörte sich an wie der Todesschrei eines Menschen. Dann endlich hielt Hasard seine zweite Pistole in der Hand und jagte die Kugel der Bestie genau zwischen die Augen.
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Wie von einer unsichtbaren Faust gestoßen, klatschte das Tier ins Wasser zurück. Es war fürchterlich zugerichtet. Langsam sackte der Kadaver weg, und nur ein großer roter Fleck blieb auf dem Wasser zurück. Hasard befahl Stenmark und Ferris Tucker, auch den vierten Panther abzuschießen, und nachdem sie eine Viertelstunde auf ihre Chance gewartet hatten, gelang es ihnen schließlich. Batuti wachte stöhnend auf und befühlte die Beule an seinem Hinterkopf. Er schien genau zu wissen, wem er das Ding zu verdanken hatte, denn er drehte sich zu Matt Davies um und zeigte ihm die Zähne. „Warum hast du geschlagen?“ fragte er böse. „Du warst doch dabei, vor lauter Angst in die Hose zu scheißen und unser Boot zum Kentern zu bringen, Mann“, sagte Matt Davies grinsend. „ich hab' gedacht, ich tu dir einen Gefallen.“ Batuti grollte. Seine großen Hände öffneten und schlossen sich. Es sah aus, als wolle er Matt Davies jeden Augenblick an die Gurgel springen. Hasard beendete den Streit mit einer heftigen Handbewegung. Er blickte hinüber zum Achterdeck der „Pelican“. Sir Thomas Doughty redete ununterbrochen auf Francis Drake ein. Der Kapitän hatte die Hände auf dem Rücken verschränkt. Hasard hätte zu gern gewußt, was dort auf dem Achterdeck gesprochen wurde. Aber es war müßig, darüber nachzudenken. Er hatte etwas anderes zu tun. Noch bestand der Befehl Drakes, die schwarze Galeone zu entern. Er befahl den Männern, dicht an die Bordwand heranzupullen. „Batuti und ich gehen an Deck“, sagte er. Er reichte Stenmark. seine beiden Pistolen, damit der Schwede sie nachlud. Dann schlug das Boot mit dumpfem Laut gegen den Rumpf der Galeone. „Achtet auf die letzte Katze“, sagte Ferris Tucker. „Sie ist nur verwundet, und in diesem Zustand sollen Raubkatzen besonders gefährlich sein.“
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Hasard nickte. Er nahm die geladenen Pistolen von Stenmark in Empfang und schob sie sich in den Gürtel. Er griff nach den Berghölzern und war mit wenigen Klimmzügen oben auf dem Schanzkleid. Er blickte sich nicht nach Batuti um. Er wußte, daß der Schwarze ihm in die Hölle folgen würde, auch wenn seine Angst noch so groß war. Durch die Erzählung Dan O'Flynns war Hasard vorgewarnt. Das Bürschchen hatte nicht übertrieben. Dieser Anblick konnte einem den Magen umdrehen. Hasard versuchte nicht auf die drei verstümmelten Leichname zu blicken. Seine Augen huschten über die Kuhl und über die Back, wo der 'verwundete Panther verschwunden war. Er zog eine Pistole aus dem Gürtel und machte sie schußbereit. Er wandte kurz den Kopf und blickte Batuti an, der ein grimmiges Gesicht zog und sich bemühte, seine Angst vor den bösen Geistern nicht zu zeigen. „Bleib hier an Backbord“, sagte Hasard. „Ich gehe hinüber nach Steuerbord. Wenn mich nicht alles täuscht, hat sich die Bestie unter der Back verkrochen.“ Batuti nickte. Er wollte „Aye, aye, Sir“ sagen, aber kein Ton drang über seine Lippen. Seine Zunge fühlte sich an wie ein pelziger Ball. Hasard glitt geschmeidig vom Schanzkleid und überquerte die Kuhl mit wenigen Sätzen. Hinter dem Beiboot, das in der Mitte der Kuhl auf der großen Gräting lag, stockte er einen Sekundenbruchteil. Schaudernd wandte er sich ab. Hier lagen zwei weitere Männer, von denen nicht viel mehr als die Knochen übriggeblieben waren. Sein Blick glitt zur Kuhl hinüber. Auch dort das gleiche grausige Bild. Die vier schwarzen Teufel hatten auf diesem Schiff gewütet, wie es schlimmer nicht sein konnte. Kalter Schweiß stand auf Hasards Stirn. Er hörte das Kreischen aus dem Großmars und hob den Kopf. Nur aus den Augenwinkeln sah er den schwarzen Schatten auf sich zufliegen. Batuti stieß einen heiseren Schrei aus.
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Hasard warf sich zur Seite. Kurz bevor der schwarze Panther ihn erreichte, zuckte der schlanke Leib zusammen. Hasard sah das Messer, das Batuti geworfen hatte, aus dem Leib der Bestie ragen. Nur haarscharf fegten die Krallen der Raubkatze an seinem Gesicht vorbei. Hasard vermeinte den Lufthauch zu verspüren und roch den fauligen Atem des Tieres. Der Schweif der Katze peitschte durch sein Gesicht. Blindlings drosch Hasard mit dem Lauf seiner Pistole zu. Er traf das Tier am Schulterblatt, wo die Kugel von Ferris Tucker ein großes Loch gerissen hatte. Hasard konnte es nicht fassen, daß dieses Tier immer noch am Leben war. Es taumelte zur Seite, und dann hörte Hasard, wie das Messer auf die Decksplanken polterte. Es hatte sich aus der Wunde gelöst. Hasard war aufgesprungen und schwang sich in die Wanten des Großmastes. Der Sprung der Bestie war zu kurz. Sie knallte mit dem Kopf gegen die Lafette der kleinen Kanone, die Hasard als Absprung gedient hatte. Batuti war an Backbord ebenfalls in die Wanten geklettert. Sein Gesicht war grau, aber jetzt war es nicht die Angst vor den bösen Geistern, die ihn gepackt hatte. Jetzt zitterte er um das Leben Hasards. . Der Panther war mit einem Satz auf dem Schanzkleid. Seine Vorderpranken legten sich auf die Webeleinen. Mit letzter Kraftanstrengung versuchte sich das tödlich verwundete Tier hochzuziehen. Hasards Hand war ruhig, als er die Pistole auf den Kopf der schwarzen Bestie richtete. Die grünen Augen der Raubkatze schienen Funken zu sprühen. Hasard glaubte Haß darin zu erkennen. Er zielte genau, und kurz bevor die Bestie zum Sprung ansetzte, drückte er ab. Die Kugel zerschmetterte den Schädel des Panthers. Die Krallen lösten sich von den Webeleinen. Der schlanke, leblose Körper rutschte an den Wanten hinunter, überschlug sich in der Luft und klatschte ins Wasser.
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Hasard schloß für einen Moment die Augen. Er dachte daran, wie sehr er sich in den letzten Tagen ein wenig Abwechslung für seine Männer und sieh gewünscht hatte - aber an so etwas wie diese Galeone des Grauens hatte er im Traum nicht gedacht. 3. Sie hatten das Boot vertäut und kletterten nur zögernd über das Schanzkleid. Dan O'Flynn schloß die Augen, als er den fürchterlichen Anblick der zerrissenen Körper zum zweitenmal sah. Die vier anderen gaben sich gelassener. Aber auch ihren Gesichtern war anzusehen, daß sie so etwas Grauenvolles noch nicht erlebt hatten. Hasard befahl Stenmark und Matt Davies, ein großes Stück Segeltuch zu beschaffen, in das sie die zerfetzten Leichname wickeln konnten. Dan O'Flynn stand neben einem toten Panther und stieß ihn mit dem Fuß an. Im Tode sah die Raubkatze fast niedlich aus. Das weiche, glänzende Fell lud zum Streicheln ein. Dan schüttelte den Kopf. Es war unglaublich, daß diese Tiere ein solches Massaker hatten anrichten können. Smoky war unter der Back verschwunden. Sein Schrei rief die anderen herbei. Er wies auf eine Reihe Käfige aus Holzstäben, die zum größten Teil zerborsten waren. Hasard schüttelte den Kopf. „Sie hätten wissen müssen, daß diese Käfige nicht stark genug sind“, murmelte er. Er sah, daß es sich um vier Käfige handelte. Wahrscheinlich war in jedem von ihnen ein Panther untergebracht gewesen. Also brauchten sie nicht zu befürchten, daß noch eine weitere Raubkatze auf dem Schiff herumschlich. Ferris Tucker war an der Kombüse vorbeigegangen und öffnete das Schott, das zu den Mannschaftsräumen führte. Er prallte regelrecht zurück. Die anderen blickten ihn erstaunt an, doch dann zuckten auch sie zusammen, als plötzlich jemand mit einer unheimlichen Stimme zu singen begann.
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Dan O'Flynn hielt sein Entermesser in der vorgestreckten Faust und starrte auf das dunkle Loch, aus dem. die Stimme drang. Hasard hörte, daß es ein Portugiese war. Er sang Kirchenlieder. Ein Schauer lief Hasard über den Rücken, als er den Mann sah. Taumelnd bewegte er sich vorwärts. Sein Gesicht war jung, doch vom Grauen gezeichnet. Schlohweiße Haare standen ei, wirr vom Kopf ab. Seine Kleidung war zerfetzt, und auf der linken Brustseite und auf dem linken Oberarm waren die blutigen Kratzspuren einer Pantherpranke zu sehen. Hasard nickte Ferris Tucker zu. Der Riese kümmerte sich um den Portugiesen, der den Verstand verloren hatte. Seine Stimme klang laut über das gespenstische Schiff. Smoky hatte den Raum unter der Back betreten, aber nichts weiter gefunden. „Seht nach, was die Galeone geladen hat“, sagte Hasard. „Kapitän Drake wird dann entscheiden, was mit der Galeone geschieht.“ Dan O'Flynn, der allmählich sein Entsetzen verlor, und Batuti liefen zum Niedergang und verschwanden in den Laderäumen. Stenmark und Matt Davies hatten inzwischen ihr grausiges Werk hinter sich gebracht. Insgesamt hatten sie zwölf zerfetzte Männer gefunden. „Nur der Kapitän war noch ganz“, sagte Davies heiser. „Er hatte sich in seiner Kammer eingeschlossen und sich eine Kugel durch den Kopf gejagt. Wir haben die Tür aufgebrochen.“ Hasard nickte und war mit wenigen Sprüngen die Stufen zum Achterdeck hinaufgelaufen. Er legte die Hände zu einem Trichter an den Mund und rief zur „Pelican“ hinüber, daß alle Männer an Bord dieses Schiffes tot seien - bis auf den Verrückten, der immer noch seine Kirchenlieder sang. „Ladung?“ Kapitän Drake liebte es nicht, viele Worte zu machen. Hasard blickte in die Kuhl zum Niedergang, wo Dan O'Flynns Kopf auftauchte. Das Bürschchen hatte Drakes Frage verstanden. „Gewürze und Nüsse!“ rief er Hasard zu.
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Hasard gab es weiter. Drake befahl, auf der „Pelican“ ein weiteres Boot zu Wasser zu lassen. Zusammen mit den Männern in Carberrys Boot sollten sie soviel wie möglich von der schwarzen Galeone herunterholen und sie dann versenken. Hasard nickte. Etwas anderes hatte er nicht erwartet. Selbst wenn sie das Schiff gut hätten gebrauchen können und auch genügend Männer zur Verfügung standen, um es zu bedienen, so würde dieses schwarze Schiff mit seiner grauenvollen Vergangenheit doch immer ein böses Omen für die Seeleute bedeuten. Hasard hob den Kopf, als er das Kreischen aus dem Großmast hörte. Er sah, wie Smoky gerade in den Großmars turnte und blitzschnell nach einem kleinen Wesen griff, das sich ängstlich an die Toppnanten klammerte. Hasard hörte Smokys beruhigende Stimme. Das Kreischen des Affen verstummte. Das verängstigte Tier, das in den letzten Tagen Höllenqualen erlitten haben mußte, klammerte sich jetzt an .Smokys Hemd fest. Carberrys Männer begannen in- zwischen, den Laderaum der schwarzen Galeone zu leeren. Ein paar Männer durchsuchten die Räume unter dem Achterdeck und plünderten die Kammer des Kapitäns. Ferris Tucker hatte sich mit Werkzeug versehen und war in den Laderaum hinabgeklettert, um das Schiff anzubohren. Hasards Männer drängten sich um Smoky, der seine mächtigen Arme schützend um den zitternden Leib des kleinen Affen gelegt hatte. Es war ein junger Schimpanse. Matt Davies -hob seine Hand, um den Affen zu streicheln, doch als der Matts Eisenhaken am rechten Unterarm sah, verbarg er kreischend seinen Kopf in Smokys Kinnbeuge. „Nimm deine Eisenflosse weg“, sagte Smoky böse. „Damit erschreckst du ja schon Menschenfresser, was soll erst der Kleine davon denken?“ Matt Davies verbarg seinen rechten Arm brummend hinter dem Rücken. Er war
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gekränkt. Smoky sah das und lenkte sofort ein. „Er ist noch ein bißchen verschreckt“, sagte er. „Vielleicht erinnert ihn deine Pranke an die Krallen der Panther.“ Batuti tauchte grinsend neben Smoky auf. In beiden Händen hielt er einen großen Sack. „Nüsse“, sagte er. „Gut für kleines Schimpanse.“ „Deine Seele ist ja gar nicht so schwarz, wie ich immer dachte“, sagte Smoky. „Alle Mann in die Boote!“ rief Hasard. Ferris Tucker war wieder aufgetaucht und hatte ihm einen Wink gegeben. Stenmark und Dan waren bereits im Boot. Nachdem auch Batuti mit den Nüssesäcken und Smoky mit seinem Schimpansen über Bord geklettert waren, folgten Matt Davies, Ferris Tucker und Hasard. Hasard ergriff selbst einen Riemen, weil Smoky es einfach nicht schaffte, den kleinen Schimpansen von seinem Hemd zu lösen. Als sie an der „Pelican“ vorbeipullten, rief Francis Drake: „Mr. Killigrew, kommen Sie bitte an Bord! Wir haben einiges zu besprechen!“ Sie lenkten das Boot zur „Pelican“ hinüber. Carberry, der mit seinen Leuten schon wieder an Bord war, half ihm aufs Deck. Die anderen Männer pullten zur „Isabella II.“ hinüber, wo Ben Brighton auf dem Achterdeck stand und sehnsüchtig darauf wartete, endlich einen Bericht zu erhalten, was auf dem Geisterschiff alles geschehen war. Als Hasard auf dem Achterdeck der „Pelican“ stand und die kalten Blicke Sir Thomas Doughtys in seinem Nacken spürte, sackte die schwarze Galeone wie ein Stein weg. Und kaum hatte die Mastspitze die Wasseroberfläche erreicht, begannen sich die Segel auf der „Pelican“ plötzlich zu bewegen. „Wind!“ brüllte einer der Männer, die das zweite Boot hochhievten. Aufatmend blickten alle zum Himmel. Die Luft schien sich endlich wieder zu bewegen. An der Kimm tauchten kleine, geballte Wolken auf.
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Niemand störte sich daran, daß der Wind aus Südwesten wehte und sie kreuzen mußten. Hauptsache, die verdammte Flaute war endlich vorbei. Es schien ihnen, als hätte der Wind nur darauf gewartet, daß die Galeone des Grauens vom Meer verschwand. 4. Hasard grüßte John Winter, John Thomas, John Chester und Thomas Moone mit einem kurzen Kopfnicken. Die Kapitäne der anderen Schiffe waren auf Befehl Drakes ebenfalls zur „Pelican“ hinübergepullt worden. Hasard wartete, bis die Kapitäne und die beiden Doughtys unter dem Achterdeck verschwunden waren. An Backbord standen noch ein paar Herren aus der englischen Gesellschaft herum, die wohl langsam zu begreifen schienen, daß sie sich nicht auf einer Vergnügungsreise befanden. Einer von ihnen war ganz grün im Gesicht. Er starrte immer noch zu der Stelle hinüber, wo die schwarze Galeone im Meer versunken war. Hasard winkte mit einem Kopfnicken Carberry zu sich hoch. Der Profos schrie noch ein paar Befehle über die Kuhl, dann sprang er die Stufen zum Achterdeck hoch und grinste Hasard an. „Du solltest den Kapitän nicht warten lassen“, sagte er. „Seine Laune läßt in der letzten Zeit sehr zu wünschen übrig.“ Das Grinsen verschwand aus seinem Gesicht. „Er merkt langsam, daß er sich mit seinem Freund Doughty eine Laus in den Pelz gesetzt hat. Verdammt, an seiner Stelle hätte ich dem Hund schon längst den Hals umgedreht oder ihn einfach den schwarzen Ungeheuern da unten zum Fraß vorgeworfen.“ Er deutete über Bord, und Hasard sah die schwarzen Dreiecksflossen der menschenfressenden Haie, die das Blut der Panther und der zerfetzten Menschen von der schwarzen Galeone gewittert zu haben schienen. In großen Kreisen zogen sie ihre Bahnen an der Stelle, wo die schwarze Galeone versunken war.
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Hasard schüttelte langsam den Kopf. Er blickte zum Himmel und sagte: „Vielleicht hat uns die verdammte Flaute alle ein bißchen verrückt gemacht. Wenn die Leute wieder den Wind in den Segeln spüren, werden sie vergessen, daß der Tod mit uns fährt.“ Carberry wischte sich mit dem Unterarm die Nase und schniefte. „Die Leute sind schon in Ordnung“, sagte er. „Wenn sie von den Herrschaften auf dem Achterdeck nicht angestänkert werden, tun sie ihre Arbeit.“ Hasard runzelte die Stirn. „Soll das heißen ...“ „Ja“, sagte Carberry wütend. „Dieser Doughty hat es darauf angelegt, die Mannschaft der ,Pelican' aufzuhetzen. Bevor die schwarze Galeone gesichtet wurde, war er nahe daran, durch sein provozierendes Verhalten eine Meuterei auszulösen. Ich will hundert Jahre länger in der Hölle schmoren, wenn dieser Hund nicht eine bestimmte Absicht verfolgt.“ Hasard war von den Worten Carberrys nicht überrascht. Sie bestätigten nur seine eigenen Vermutungen. Er wußte nur noch nicht, welchen Grund ein Mann wie Doughty haben könnte, eine für Drake und England so wichtige Expedition zu sabotieren. Die Tür zum Quarterdeck wurde aufgestoßen. John Drake, der Neffe des Kapitäns, erschien. Sein Gesicht war glühend rot. „Mister Killigrew — Sir ...“, stotterte er. „Bitte — der Kapitän wartet auf Sie!“ Hasard legte Carberry kurz die Hand auf die Schulter und wandte sich ab. Mit festen Schritten ging er über das Quarterdeck. Er zeigte keine Hast. In der Kapitänskammer saßen die anderen Kapitäne um einen langen Tisch, an dessen Ende Francis Drake in einem breiten Sessel lehnte und mit dem Zeigefinger der rechten Hand seinen Bart zwirbelte. Aus kalten Augen blickte er Hasard entgegen, als dieser mit eingezogenem Kopf die Kapitänskammer betrat. Hasard hatte keine andere Wahl, als diese demütig erscheinende Haltung
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einzunehmen. Seine sechs Fuß Größe paßten einfach nicht in diesen niedrigen Raum. Drake sprach kein Wort. Auch die anderen Männer, die am Tisch saßen, schwiegen. Nur noch ein Platz war frei. Hasard ging auf den leeren Stuhl zwischen dem portugiesischen Piloten Nuno da Silva und Thomas Moone, dem ehemaligen Kapitän der kleinen „Benedict“, zu und setzte sich. Seine Augen schweiften schnell über die anderen Anwesenden. Er erkannte sofort, daß die Sitzordnung nicht zufällig so gewählt worden war. Francis Drake saß zusammengesunken am Ende des Tisches in seinem Lehnsessel. Ihm zur Rechten saßen Sir Thomas Doughty und sein Bruder John, die Hasard mit blasiertem Gesichtsausdruck musterten. Neben John Doughty hockte Kapitän John Winter von der „Elizabeth“ wie ein schwarzer Rabe auf seinem Stuhl. Seine Augen huschten unentwegt hin und her. Er schien sich nicht wohl in seiner Haut zu fühlen, denn sicherlich ahnte er, daß bei dieser Besprechung verschiedene Meinungen aufeinanderprallen würden. Er würde sich für eine Meinung entscheiden müssen, und das war für John Winter das Schlimmste, was ihm passieren konnte. Neben Winter saß John Chester, der Kapitän der „Swan“. Seine Wangen glühten, und in den blauen Augen, die wie kleine Knöpfe in dem feisten Gesicht wirkten, glänzte es. Chester schien sich mit ein paar Litern Bier auf diese Unterredung gut vorbereitet zu haben. Auf der linken Seite von Francis Drake hatten sein Bruder Thomas, der die portugiesische Prise „Mary“ als Kapitän befehligte, Platz genommen. Dann folgten der portugiesische Pilot Nuno da Silva, Hasard und Thomas Moone, der jetzt als wachhabender Offizier auf der „Pelican“ Dienst tat. Hasard ließ seine Augen nicht von Thomas Doughty. Er hatte noch nicht vergessen, daß Doughty in seine Kammer eingebrochen war und die beiden Dokumente vernichtet hatte, die ihn belasteten. Hasard ärgerte sich, daß er
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Francis Drake die Dokumente nicht eher gezeigt hatte, aber wahrscheinlich hätte das wenig Sinn gehabt, denn Francis Drake ließ nichts auf seine Freundschaft zu Sir Thomas kommen. Hasard konnte nur hoffen, daß der Kapitän seinen Fehler nicht zu spät erkannte. Francis Drake richtete sich in seinem Sessel auf und legte seine Arme auf die Tischplatte. Mit festem Blick schaute er die Männer an. Seine Stimme klang leise, aber fest, als er zu sprechen begann. „Die tagelange Flaute hat uns und den Mannschaften ziemlich zugesetzt“, sagte er. „Die Leute beginnen sich zu fürchten, daß sie ihr Heimatland niemals wiedersehen werden. Vielleicht ist das wirklich so, aber ich habe bisher angenommen, daß jeder der hier Anwesenden die Leute mit allen Mitteln aufmuntert und ihnen die Furcht vor dem Unbekannten nimmt.“ Sein Blick glitt nach rechts und blieb auf Thomas Doughty hängen. „Mein Neffe hat mir berichtet, was vorhin auf dem Mannschaftsdeck los war“, fuhr er leise fort. „Ich habe es nicht selbst erlebt, deshalb will ich nicht weiter über diesen Vorfall reden. Doch ab sofort verlange ich von jedem meiner Kapitäne, alles zu unterlassen, was die Mannschaften verunsichert oder in Aufruhr bringt. Wir sind unterwegs, um den Spaniern im Auftrag Ihrer Majestät eine kräftige Ohrfeige zu versetzen, und wir alle wollen dabei reich werden. Ich lasse es nicht zu, daß die Expedition wegen ein paar Leuten, die sich vor Angst in die Hosen machen, scheitert.“ Sir Thomas hatte die Lippen zusammengekniffen. Doch plötzlich hob er den Kopf. Hektische rote Flecken bildeten sich auf seinen Wangen. „Haben Sie sich auch überlegt, welche Konsequenzen Ihr Unternehmen haben kann?“ fragte er. „Wenn wir die Spanier in ihren Gewässern in der Neuen Welt angreifen und ihnen ihr Gold stehlen, wird Philipp von Spanien seine Armada gegen
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England führen. Wir können dem mächtigen Spanien nicht die Stirn bitten.“ „Diese Überlegungen können Sie Ihrer Majestät überlassen“, erwiderte Francis Drake scharf. „Außerdem hätten Sie Ihre Bedenken vor der Reise vorbringen können. Dann hätte ich Sie gar nicht erst mitgenommen. Jetzt sind Sie hier auf der ,Pelican', und ich verlange von Ihnen, daß Sie sich an meine Befehle halten. Ich habe Sie bereits bei den Kapverden gemaßregelt. Haben Sie das vergessen?“ Doughty war bleich geworden. Hasard sah, wie es in ihm arbeitete. Am meisten ärgerte es ihn wahrscheinlich, daß Drake ihn vor den anderen zurechtgewiesen hatte. Als Hasard Doughtys Blick auf sich spürte, Zog er die Mundwinkel leicht nach oben. Hasard ahnte, wie sich die Wut Doughtys steigerte. „Das einzige Schiff, von dem ich keine Klagen höre, ist die ‚Isabella' von Mister Killigrew“, sagte Drake. „Vielleicht kann Mister Killigrew uns erzählen, weshalb das so ist.“ Hasard hob lächelnd die Schultern. „Meine Männer glauben nicht an Geister“, sagte er. „Und bei mir an Bord ist auch niemand, der ihnen solchen Unsinn einreden könnte. Sie wissen, was sie erwartet, und sie wissen auch, daß wir nicht die ersten sind, die diese Landstriche erforschen. Ich bin der Meinung, was ein Sebastian Cabot und ein Maghellan geschafft haben, das schafft ein Francis Drake und meine Männer teilen diese Meinung.“ Sir Thomas Doughty sprang erregt auf. Der Stuhl polterte hinter ihm zu Boden. Seine Hände waren zu Fäusten geballt, und seine Gesichtsfarbe war in ein dunkles Rot gewechselt. Francis Drake hatte sich in seinen Sessel zurückgelehnt. Ein Lächeln spielte um seine Lippen. Er hätte die Unterredung beenden können, aber wahrscheinlich freute er sich auf die Auseinandersetzung, die in der Luft lag. „Ich lasse mich von einem hergelaufenen Bastard nicht beleidigen und verleumden!“ fauchte Doughty. „Ich ...“
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„Ich habe nicht gehört, daß er Ihren Namen genannt hätte, Mister Doughty“, unterbrach Drake ihn ruhig. „Er konspiriert von Anfang an gegen mich!“ rief Doughty. „Er unterstellt mir, daß ich Dokumente, die mich angeblich belasten, aus seiner Kammer gestohlen und vernichtet hätte, und jetzt behauptet er, ich der Mannschaft einrede, es gäbe in den fremden Ländern Geister!“ „Aber das haben Sie mir doch selbst auch erzählt“, sagte Francis Drake ruhig. „Außerdem wissen wir von einigen Berichten, daß an der brasilianischen Küste kriegerische Amazonen und Menschenfresser leben sollen. Aber was ist daran so Schreckliches? Sind wir Männer oder nicht? Wer von uns fürchtet sich vor ein paar kriegerischen Weibern? Wir werden ihnen ihre Speere abnehmen und ihnen zeigen, wofür sie da sind.“ Thomas Moone, der neben Hasard saß, begann laut zu lachen. „Und den Menschenfressern werden wir ein paar Bleikugeln zu fressen geben“, sagte er dröhnend. „Da werden sie lange dran zu verdauen haben.“ Francis Drake beugte sich wieder vor. „Das alles sind Dinge, die mich nicht sehr beunruhigen“, sagte er. „Wir werden nur an Land gehen, um unsere Wasservorräte zu erneuern. Für ein paar Stunden werden wir uns die Wilden mit unseren Waffen schon vom Leib halten können. Auf unserer Reise in die Südsee gibt es zwei schwierige Klippen. Unser Portugiese hier wird uns helfen, daß wir möglichst heil bis zur Südspitze der Neuen Welt hinuntergelangen, und Gott wird uns zur Seite stehen, wenn wir den Weg suchen, den Maghellan vor uns gefahren ist.“ Francis Drake erhob sich. Damit war die Unterredung beendet. Hasard war ein bißchen enttäuscht. Er hatte sich mehr von dieser Zusammenkunft versprochen. Aber vielleicht war er auch der einzige, der keine Aufmunterung brauchte. Als er mit Thomas Moone auf das Quarterdeck trat, hörte er den Lärm in der Kuhl. Aber zuerst glitt sein Blick zu den Segeln und zum Himmel. Die kleinen
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weißen Wolken über der Kimm waren verschwunden. Die Segel hingen wieder schlaff von den Rahen. Der Wind war so schnell wieder eingeschlafen, wie er gekommen war. Hasard fluchte leise. Er wußte, daß jede Stunde, die sie hier fast bewegungslos auf dem großen Ozean lagen, für Sir Thomas Doughty und die Pläne, die er wälzen mochte, arbeitete. Thomas Moone war zur Galerie gelaufen und blickte hinunter in die Kuhl. „Haltet ihn fest!“ brüllte er plötzlich. Hasard war mit ein paar Schritten neben ihm. Was er sah, ließ seine Haare zu Berge stehen. Der kleine weißhaarige Portugiese, den sie als einzigen Überlebenden von der schwarzen Galeone geborgen hatten, schlug wie ein Wahnsinniger um sich. Carberry versuchte ihn mit seinen Pranken festzuhalten, aber der Mann entwischte immer wieder. Plötzlich stürmte der kleine Mann mit einem irren Gelächter auf das Schanzkleid zu, sprang mit einem Satz auf eine Kanone und war über Bord geflogen, bevor ihn einer von Carberrys Leuten hätte zurückhalten können. Der ausgemergelte Körper klatschte aufs Wasser. Hasards Augen weiteten sich. Er sah die schlanken schwarzen Leiber, die auf den zappelnden Portugiesen zuschossen. Die Dreiecksflossen tauchten unter, und dann wurde der Körper des Irren wie von einer unsichtbaren Macht hin- und hergerissen. Ein entsetzlicher Schrei hing sekundenlang über der bleiernen See, dann zerrissen die schwarzen, menschenfressenden Fische den Unglücklichen unter Wasser. Das grüne Meer färbte sich rot. Hasard schloß für einen Moment die Augen. Dann blickte er die Männer in der Kuhl an. Er sah das Grauen in ihren Gesichtern, und er wußte, daß Doughty leichtes Spiel mit ihnen haben würde, wenn sich etwas Ähnliches in den nächsten Tagen wiederholte. „Vielleicht ist es das beste für ihn“, sagte Thomas Moone leise. Hasard nickte.
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„Achten Sie auf Sir Thomas“, sagte er zu Moone. „Er wird es nicht aufgeben, unsere Fahrt zu sabotieren. Ich traue ihm nicht. Aber wenn Sie und Carberry zusammenhalten, werden die Leute nicht verrückt spielen.“ Er reichte Moone die Hand und drückte sie fest. Dann stieg er hinunter ins Boot, das inzwischen wieder von der „Isabella II.“ herübergepullt worden war. „Alles in Ordnung, Batuti?“ fragte Hasard lächelnd. Der riesige Neger zeigte seine weißen Zähne. „Alles auf Zack, Sir!“ brüllte er. „Nur Affe nicht.“ 5. Der ehrenwerte Sir Thomas Doughty stand mit gelangweiltem Gesichtsausdruck auf dem Quarterdeck der „Pelican“ und blickte hinüber zu den vornehmen Herren, die sich die Langeweile mit albernen Späßen vertrieben. Doughtys Gesichtsausdruck täuschte über seine wahren Empfindungen hinweg. Er war alles andere als gelangweilt. Er hatte so viel zu bedenken, daß er nicht wußte, welches Problem er zuerst lösen sollte. Zu allererst mußte er eine Möglichkeit finden, Drake von seinem Wahnsinnsunternehmen, in die Südsee einzudringen und die spanischen Goldschiffe an der Westküste des neuen Kontinents anzugreifen, abzubringen. Er dachte an den Lordschatzkanzler, der ihn mit aller Eindringlichkeit darauf hingewiesen hatte, daß England verloren war, wenn König Philipp II. von Spanien seine unschlagbare Armada gegen England in Bewegung setzte. Noch war England nicht stark genug, dem Giganten zu trotzen und mit ihm um die Vorherrschaft auf den Meeren der Welt zu kämpfen. Königin Elizabeth mochte gegenteiliger Meinung sein, aber sie war eine Frau, der der Weitblick fehlte. Doughty blickte zur Kuhl hinunter, wo eine trügerische Ruhe unter der Mannschaft herrschte. Doughty spürte die
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Feindschaft der Männer fast körperlich, seit Francis Drake auf die „Mary“ umgestiegen war und ihm, Doughty, den Befehl über die „Pelican“ übertragen hätte. Sir Thomas spürte auch die Zurückhaltung, mit der ihm der wachhabende Offizier Thomas Moone begegnete. Er hatte nur einmal versucht, den großen, breitschultrigen Mann in ein Gespräch zu ziehen. Er hatte sofort gemerkt, daß für diesen einfältigen Moone nur seine Loyalität zu Francis Drake zählte – sonst nichts. Und den Profos Edwin Carberry brauchte er gar nicht erst zu fragen. Der grobe Mann hatte vor kurzem erst bewiesen, was er von Sir Thomas hielt. Sir Thomas war. sich im klaren darüber, daß die Unzufriedenheit, die schließlich zu einer Meuterei führen könnte, von den Männern auf dem Achterdeck ausgehen mußte. Hier konnte er den Hebel ansetzen. Er wußte, daß seine gewählten Worte hier nicht auf taube Ohren stießen. Und wenn erst einmal die einflußreichen Begleiter Drakes ihren Widerstand gegen die Fortsetzung der Reise spüren ließen, konnte es nur noch ein Kinderspiel sein, auch die Mannschaft in Unruhe zu versetzen. Doughty blickte hinüber zur „Isabella II.“, die zwei Kabellängen entfernt auf dem glatten Wasser des Ozeans dümpelte. Da drüben war sein ärgster Feind. Dieser Killigrew-Bastard verstand es wie kein zweiter, mit den einfachen Leuten umzugehen. Wenn er es von ihnen verlangte, würden sie Francis Drake ohne zu zögern in die Hölle folgen. Und dieser Bastard hatte es in der Hand, ihn, Doughty, bei Drake in ein schlechtes Licht zu setzen. Es war ihm zwar gelungen, die belastenden Dokumente zu vernichten, aber da war immer noch der Zeuge, der damals anwesend gewesen war, als Richter Isaac Burton sein Geständnis, das auch Doughty belastete, unterzeichnet hatte. Noch kannte Doughty diesen Zeugen nicht, und wie es aussah, würde er den Namen so leicht auch nicht erfahren. Die Mannschaft Killigrews hielt zusammen wie Pech und Schwefel.
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Sir Thomas kniff die Augen zusammen und beobachtete das kleine Boot, das schon seit ein paar Stunden zwischen den einzelnen Schiffen hin- und hergepullt wurde. Wahrscheinlich hatte Francis Drake seinen kleinen Trompeter Tim Brewer wieder losgeschickt, um den Mannschaften der anderen Schiffe ein paar aufmunternde Botschaften bringen zu lassen. Sir Thomas verzog sein Gesicht zu einem Grinsen. Die Männer brauchten keine aufmunternden Worte — sie brauchten ein bißchen Feuer unter dem Hintern, damit sie endlich begriffen, in welch tödliches Abenteuer sie hineingerissen wurden. Er ging hinüber zur Galerie und beugte sich hinüber. „Carberry!“ Seine Stimme klang herablassend wie immer. Der Profos, der neben dem Koch unter der Back im Schatten des Vorschiffes gesessen hatte, stand sofort auf und trat ein paar Schritte vor. „Aye, Sir?“ sagte er laut. „Mir gefallen die Segel nicht recht“, sagte Sir Thomas. „Ich glaube, die Männer sollten sie alle abnehmen und dann ordentlich wieder an die Rahen hängen.“ Edwin Carberrys Kinnlade klappte nach unten. Abgesehen von der unseemännischen Sprache hatte er einen solchen Blödsinn zuletzt gehört, als ihm eine Dirne im Hafen von Plymouth hatte weismachen wollen, daß ihr Balg von Baby von ihm sei. Er warf einen fragenden Blick zu Thomas Moone, dem wachhabenden Offizier, der ein paar Yards neben Sir Thomas an der Quarterdeckgalerie stand. Moone hob die Schultern. Er konnte nichts tun. Doughty war der Kapitän der „Pelican“ und hatte die Befehlsgewalt. „Ist mit Ihren Ohren etwas nicht in Ordnung, Profos?“ fragte Doughty schneidend. „Aye, aye, Sir“, erwiderte Carberry trocken und ließ offen, worauf diese Antwort gemünzt war. Er drehte sich um und schrie einigen seiner Männer ein paar Befehle zu. Dann beobachtete er, wie
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Patrick Evarts sich am Großsegel zu schaffen machte, und gab dem Segelmacher einen heimlichen Wink. Nur Minuten später hatten die Männer die Takelage wieder verlassen und standen neben Carberry in der Kuhl. Doughtys Gesicht hatte sich vor Zorn gerötet. Er hatte die Männer zwingen wollen, sämtliche Segel abzuschlagen und wieder anzuschlagen, aber der Profos hatte seinen Befehl absichtlich mißverstanden. Ehe Doughty seiner Wut Ausdruck geben konnte, brüllte Carberry: „Befehl ausgeführt, Sir! Die Segel sind in Ordnung. Mister Evarts hat ein bißchen an der Großschot gezupft. Die Falte aus dem Großsegel ist verschwunden. Sicher war sie es, die Sie gestört hat, Sir.“ Doughty wandte sich abrupt ab. Seine dunklen Augen sprühten Thomas Moone an. „Mister Moone! Ich verlange, daß Sie diese Respektlosigkeit auf der Stelle bestrafen! Lassen Sie den Mann auspeitschen! Unter meinem Kommando gibt es keine Disziplinlosigkeit!“ „Mister Carberry hat nur Ihren Befehl ausgeführt ...“ Doughty ließ Moone nicht aussprechen. „Sie auch, Moone?“ schrie er. „Das ist Meuterei! Ich werde die Rädelsführer an der Rahnock aufhängen lassen!“ Ein schlanker junger Mann, der nicht minder elegant gekleidet war als Sir Thomas, trat auf die beiden streitenden Männer zu. „Ich verstehe Sie nicht, Thomas“, sagte er. „Die Männer haben doch nur getan, was Sie ihnen befohlen haben — wenn ich auch Ihren Befehl für unsinnig gehalten habe. Es weht doch sowieso kein Wind.“ Sir Thomas Doughty hatte eine scharfe Erwiderung auf der Zunge, doch er sah, daß die Chance vertan war. Wütend wandte er sich ab und ging zu den anderen Männern an Steuerbord hinüber, die dem Boot entgegenblickten, das sich langsam der „Pelican“ näherte. Der schlanke junge Mann blickte Sir Thomas nach. Leise sagte er zu Thomas Moone: „Ich begreife nicht, was er will.
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Wenn er vorhätte, die Mannschaft aufzuwiegeln, könnte er nicht anders handeln. Aber warum ist er dann erst mitgefahren? Ich habe immer gedacht, ihn würde das Gold der Spanier locken, das Francis Drake bestimmt erobern wird.“ Thomas Moone hob die Schultern. „Darüber kann ich mir kein Urteil erlauben, Lord Brooke“, sagte er. Morgan Brooke nickte lächelnd. „Ich verstehe Sie, Moone“, sagte er. „Ich an Ihrer Stelle würde auch niemandem aus meinen Kreisen trauen.“ „So — so war das nicht gemeint, Lord Brooke“, erwiderte Thomas Moone zögernd. „Schon gut.“ Lord Brooke winkte ab. „Sagen Sie mir lieber, wann wir endlich die Küste von Brasilien erreichen. Ich bin wahnsinnig gespannt auf die Amazonen und Menschenfresser, die es dort geben soll. Ich hoffe, Francis Drake legt ein paar Tage Ruhepause ein, damit ich mich ein bißchen an Land umsehen kann.“ „Sie wollen an Land, Sir?“ fragte Thomas Moone entgeistert. „Haben Sie nicht davon gehört, daß selbst der Portugiese es das Land der Dämonen genannt hat? Francis Drake wird bestimmt keine Ruhepause einlegen. Gott bewahre! Wir werden Wasser aufnehmen und sofort weitersegeln!“ „So ein Unsinn“, sagte Lord Brooke unwillig. „Wie sollen wir die Bewohner des Kontinents kennenlernen, wenn man sich nur mißtrauisch und mit Waffen in den Händen begegnet?“ „Was wollen Sie denn von den Wilden?“ fragte Moone zögernd. „Wissen Sie, ich bin Ethnograph, Moone“, erwiderte Lord Brooke. „Das heißt, ich sammle neue Erkenntnisse über Naturvölker und schreibe sie nieder. Mich interessieren diese Menschen dort brennend, und ich habe keinen größeren Wunsch, als mich mit ihnen friedlich zu unterhalten.“ „Die Wilden werden nicht viel reden“, sagte Moone entsetzt. „Sie werden Sie einfach auffressen, Sir.“
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Morgan Brooke lachte laut und wies auf seinen hageren Körper. „Ich fürchte, von mir würde nicht einmal einer von ihnen satt werden“, sagte er. Lord Brooke wandte den Kopf, als ein dumpfer Schlag an der Bordwand ertönte. Das Boot von der „Mary“ hatte an der „Pelican“ festgemacht: Brooke nickte Thomas Moone zu und ging zu den anderen Herren hinüber, die dem jungen Trompeter Tim Brewer an Bord halfen. Thomas Moone konnte seine Unruhe kaum verbergen. Er hatte die Geräusche unter der Back wohl vernommen. Es schien, als bahne sich ein heftiger Streit unter der Mannschaft an. Moone verließ das Quarterdeck, ohne Sir Thomas Bescheid zu geben. Doughty war im Augenblick voll und ganz mit dem Vertrauten Drakes, dem jungen Tim Brewer, beschäftigt. Moone sah das hinterhältige Lächeln auf den Zügen Doughtys, und er dachte einen Augenblick lang, daß Doughty sicher schon die nächste Gemeinheit ausbrütete, aber dann nahmen die Stimmen unter der Back seine Aufmerksamkeit wieder in Anspruch. „Verdammt noch mal, was soll der Lärm?“ fragte Thomas Moone wütend, als er Carberry erreichte, der mit seinem breiten Rücken die Sicht zum Quarterdeck abschirmte. Moone schob den Riesen einfach zur Seite. Er sah den Koch Mac Pellew, der einen großen Holzlöffel schwang und im Begriff war, ihn dem Kaplan Francis Fletcher auf den Kopf zu hauen. Patrick Evarts, der Segelmacher, hatte Fletcher am Arm gepackt. „Pellew!“ sagte Moone scharf. „Nimm den Löffel runter und rühr damit in deiner dünnen Suppe. Was habt ihr mit dem Kaplan vor?“ „Dieser dreimal verfluchte Höllensohn behauptet, daß der ehrenwerte Scheißer Sir Thomas mit den Geistern in Verbindung stehe und es in der Macht habe, uns alle zu vernichten!“ fauchte Patrick Evarts. „Wir wollten diesem Himmelslotsen nur den Teufel und seine Geister austreiben, damit
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er wieder an das glaubt, was in der Bibel steht!“ Moone schüttelte den Kopf. „Jetzt fangen Sie auch noch mit diesem Unsinn an, Fletcher“, sagte er. „Sie wissen doch, daß die Männer schon unruhig genug sind. Sie sollten ihnen Mut zusprechen, selbst wenn Sie sich selbst vor Angst in die Hosen machen. Vertrauen Sie auf Gott und Kapitän Drake, Fletcher, dann kann Ihnen nichts geschehen.“ Fletchers rote Pausbacken wackelten. Er rieb sich den schmerzenden Arm, der unter dem harten Griff des Segelmachers ziemlich gelitten hatte. „Ich wollte meinen Schäfchen doch nur sagen, daß sie sich vor dem Teufel in acht nehmen sollen, der in vielerlei Gestalt auftritt und uns in Versuchung führt“, sagte er weinerlich. Mac Pellew spuckte aus. „Du selbst bist der Teufel!“ schrie er. „Und weil wir dich an Bord haben, werden wir alle elendig zugrunde gehen, noch bevor wir auch nur eine Unze Gold gesehen haben.“ „Schluß jetzt“, sagte Thomas Moone. „Benehmt euch wie Männer. Fletcher, Sie verschwinden auf dem Achterdeck und lassen die Mannschaft in Ruhe, verstanden?“ Der Kaplan nickte nur und lief auf seinen kurzen dicken Beinen davon. Ohne ein weiteres Wort zu sagen, folgte ihm Moone. Er warf Carberry, nur einen kurzen Blick zu, und der begriff die Warnung. Thomas Moone hatte den Aufgang zum Quarterdeck noch nicht ganz erreicht, als er den hellen Schrei hörte. Er wußte sofort, daß Sir Thomas seine Hand im Spiel hatte. Mit ein paar Sätzen stand Thomas Moone auf dem Quarterdeck. Mit großen Augen starrte er auf die absurde Szene. Mitten auf dem Deck stand der junge Tim Brewer und wehrte sich verzweifelt gegen drei der vornehmen Herren, die versuchten, ihm die Hose herunterzuziehen. „Mister Brewer!“ sagte Sir Thomas Doughty scharf. „Ich glaube, Sie haben
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vergessen, wer der Kapitän auf der ,Pelican' ist.“ Die drei Herren ließen den jungen Trompeter los und traten zur Seite. Tim Brewer hielt seine Hose krampfhaft fest. Sein Gesicht war vor Zorn gerötet. „Sie – Sie sind der Kapitän, Sir“, sagte er stockend, „aber Sie können doch nicht von mir verlangen . . Doughtys Stimme wurde herablassend, doch sie behielt ihre Schärfe bei. „Die Herren langweilen sich verständlicherweise, mein lieber Mister Brewer“, sagte er. „Und Sie wollen ihnen einen harmlosen Spaß verderben, nur weil Sie sich genieren, ihre blanke Kehrseite zu zeigen und an dem Spiel teilzunehmen?“ Thomas Moone räusperte sich. „Hm – wenn ich mir die Frage erlauben darf, Sir“, sagte er mit einer Verbeugung, „ich kenne ein solches Spiel nicht.“ Doughty lächelte spöttisch. „Sehen Sie, Moone“, sagte er, „Ihnen fehlt eben die Phantasie. Mister Brewer wird mit verbundenen Augen erraten müssen, wer ihm von uns auf den nackten Hintern geschlagen hat. Das Amüsement wird uns ein wenig die Zeit vertreiben.“ „Wenn Sie erlauben, Sir, das kann ich keineswegs amüsant finden“, erwiderte Moone langsam. „Ich erlaube nicht, Mister Moone!“ schrie Doughty. „Kümmern Sie sich gefälligst um das Schiff, wie es Ihre Aufgabe ist! Rufen Sie den Profos her!“ Thomas Moone ballte die Hände zu Fäusten. Am liebsten hätte er sie dem eingebildeten Affen ins Gesicht geschlagen. Aber er wußte, daß ihm nichts weiter übrigblieb, als zu gehorchen. Doughty hatte das Kommando über die „Pelican“, und Francis Drake würde jede Disziplinlosigkeit unnachgiebig bestrafen. Thomas Moone verstand nur nicht, wie Drake einem Mann wie Doughty das Kommando über ein Schiff geben konnte. Mit steifen Schritten ging Moone zur Quarterdeckgalerie und rief Carberry aufs Achterdeck.
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Sekunden später stand Carberry vor Sir Thomas. Nicht ein Muskel zuckte in seinem Gesicht. „Ziehen Sie Mister Brewer die Hosen aus, Profos“, sagte Sir Thomas. Carberrys Kinnlade fiel nach unten. „Was - wie?“ fragte er stotternd. „Sie sollen Mister Brewer die Hosen ausziehen!“ schrie Doughty. „Habe ich es denn hier nur mit Idioten zu tun?“ „Sie - Sie wollen - Sir!“ Carberry verschluckte sich vor Empörung. „Hier, vor den Augen der feinen Herrschaften mit dem kleinen Mister Brewer ...“ Doughtys Gesicht lief dunkelrot an. Er schnappte hörbar nach Luft. Die anderen Männer hielten den Atem an, denn auf diese Frechheit, die der Profos von sich gegeben hatte, mußte Sir Thomas hart reagieren. Nur Lord Brooke, der etwas abseits stand, konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen. Er blinzelte Thomas Moone zu, dem alles andere als wohl zumute war. Er fürchtete in diesem Augenblick um Carberrys Kopf. „Das reicht, Carberry!“ kreischte Doughty. „Das Maß ist voll! Ich werde Sie aufknüpfen lassen, aber vorher werden Sie noch die Peitsche spüren!“ Niemand hatte in diesem Moment auf Tim Brewer geachtet. Der junge Trompeter war mit ein paar geschmeidigen Sprüngen auf dem Schanzdeck und kletterte über die Berghölzer hinunter ins Boot. Die Männer von der „Mary“ legten sofort ab und pullten zu ihrem Schiff zurück. Auf die keifende Stimme Doughtys hörten sie nicht. Doughty lief wutschnaubend zur Quarterdeckgalerie. Seine Augen suchten den wachhabenden Offizier, aber Thomas Moone hatte sich wohlweislich in seine Kammer zurückgezogen, denn er war sich darüber im klaren, daß Doughtys Stellung auf wesentlich schwächeren Füßen stand, wenn er allein entscheiden mußte. „Bindet den Profos auf die Gräting!“ schrie Doughty. In der Kuhl hatten sich die Leute zusammengerottet. In der vordersten Reihe stand Patrick Evarts und hatte die Arme
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über der Brust verschränkt. Niemand der Männer rührte sich. „Du, du und du!“ Doughty zeigte auf drei Männer. „Ich lasse euch aufhängen, wenn ihr meinen Befehlen nicht gehorcht!“ Zögernd traten die Männer vor. Sie blickten Evarts an, doch der nickte leicht. Die Männer atmeten auf und stiegen die Stufen zum Quarterdeck hinauf, um Carberry in Empfang zu nehmen. Carberry hätte die drei Figuren mit einem Arm über Bord fegen können, aber er rührte sich nicht. Er Wußte, daß sie nicht anders handeln konnten. Er folgte ihnen hinunter in die Kuhl. Nur eins wußte er. Er würde sich nicht auf die Gräting binden lassen. Wenn Doughty ihn auspeitschen lassen wollte, dann würde er die Schläge im Stehen hinnehmen. Thomas Moone blickte aus dem kleinen Fenster seiner Kammer hinüber zur „Mary“. In diesem Augenblick hatte das Boot angelegt, und . Tim Brewer kletterte an Bord. Moone wußte nicht hundertprozentig, wie Francis Drake reagieren würde, aber eigentlich war Doughtys Verhalten ein offener Affront gegen Drake, denn Tim Brewer hatte die „Pelican“ schließlich in seinem Auftrag aufgesucht. Moone wartete nicht ab, was Drake unternahm. Er durfte jetzt nicht weiter untätig hier in seiner Kammer herumsitzen. Er gehörte jetzt wieder aufs Achterdeck, um weiteres Unrecht zu verhüten. Und wenn es meinen Kopf kostet, dachte er entschlossen. Als Thomas Moone neben Doughty an die Quarterdeckgalerie trat, klatschte gerade der erste Peitschenhieb auf Carberrys Rücken. Doughty hatte einem der Männer befohlen, die siebenschwänzige Katze zu führen, doch der Mann hatte so sanft zugeschlagen, daß -die braungebrannte Haut des Riesen nicht einmal rote Striemen zeigte. „Schlag fester, du Hund!“ schrie Doughty. „Sonst bist du der nächste, der das Leder spürt!“ „Sir!“ sagte Thomas Moone klarer Stimme. „Sie sollten die Entscheidung von
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Kapitän Drake abwarten. Ich glaube nicht, daß er mit Ihrem Vorgehen in diesem Fall einverstanden ist.“ Doughty zitterte vor Zorn. Er drehte sich langsam zu Moone um und starrte ihn mit bösem, durchdringenden Blick an. Moone las Mord in diesen Augen, und Wenn sie sich nicht auf einem Schiff befunden hätten, sondern irgendwo in England an einer einsamen Stelle, er hätte Doughty in diesem Augenblick erschlagen. Doughty wollte etwas sagen, doch einer der Männer in der Kuhl schrie plötzlich auf und wies zur „Mary“ hinüber. „Sie haben die Kanonen ausgefahren!“ Alle sahen es. Hinter dem Schanzkleid der „Mary“ tauchten plötzlich bewaffnete Männer auf. Auf dem Achterdeck stand Francis Drake und formte seine Hände zu einem Trichter. „Mister Doughty hat sich sofort bei mir auf der ,Mary` zu melden!“ Die Worte waren nur schwach zu verstehen, aber Thomas Moone hatte gute Ohren. Ein leichtes Grinsen zog seine Lippen in die Breite, und er brüllte aus Leibeskräften zurück: „Aye, aye, Sir!“ Dann folgte sein Befehl an Carberry, ein Boot zu Wasser zu lassen. Seine Verbeugung vor Doughty fiel etwas nachlässig aus. „Darf ich Sie bitten, Sir, sich zum Boot zu begeben?“ Doughty keuchte nur noch. Er war nicht fähig, auch nur ein Wort hervorzubringen. Er drehte sich abrupt um, stieg die Stufen zur Kuhl hinunter und ging auf Carberry zu, der breit grinsend am Schanzkleid stand und darauf wartete, daß Sir Thomas das Boot bestieg. „Sie bringen Sir Thomas zur ,Mary`“, sagte Moone. „Aye, aye, Sir“, erwiderte Carberry, „es ist mir ein Vergnügen.“ „Halten Sie den Mund, und tun Sie Ihre Pflicht, Profos`“, sagte Moone kalt. Er drehte sich um, aber vorher zwinkerte er Carberry noch zu. Die Überfahrt zur „Mary“ war für Edwin Carberry das schönste Erlebnis, seit diese Reise begonnen hatte. Hoffentlich sind
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Drake jetzt endlich die Augen aufgegangen, dachte er, und hängt den Stänkerer an der nächsten Rahnock auf. Als sie gegen den Rumpf der „Mary“ stießen, wollte sich Doughty erheben, doch die scharfe Stimme von Francis Drake ließ ihn zögern. „Bringen Sie Mister Doughty zur ,Swan` hinüber, Profos“, sagte der Kapitän. „Kapitän Chester soll ihn unter Arrest nehmen, bis ich weitere Befehle gebe.“ „Aye, aye, Sir.!“ Carberry hatte die Erwiderung gebrüllt, und jeder hörte die jubelnde Freude aus seiner Stimme heraus. „Los, Jungs!“ schrie er. „Zeigt dem ehrenwerten Sir Thomas, wie die Männer von der ,Pelican` pullen können!“ Auf dem Rückweg stieg Francis Drake in Carberrys Boot und ließ sich zur „Pelican“ zurückpullen. Das Gesicht des Kapitäns war nachdenklich, und keiner der Männer wagte es, ein Wort an ihn zu richten. Er hielt sich keine Minute an Deck auf, sondern verschwand, ohne ein Wort mit irgendjemandem zu sprechen, in seiner Kammer und schloß sich ein. 6. Philip Hasard Killigrew war nahe daran, an die Dämonen und Geister zu glauben, von denen ihnen der portugiesische Lotse Nuno da Silva erzählt hatte. Was waren sie alle froh gewesen, als es endlich aufgebrist und der Wind die Segel gefüllt hatte! Sie waren plötzlich losgerauscht und hatten schon wenige Tage später Land gesichtet. Ein paar Männer von der „Pelican“ waren an Land gegangen und hatten mehrere Fässer Frischwasser an Bord geholt, das auf die verschiedenen Schiffe verteilt worden war. Drake hatte es den anderen Mannschaften verboten, ebenfalls Boote an Land zu schicken. Lord Brooke hatte es sich nicht nehmen lassen, mit an Land zu gehen. Er hatte sich nicht um die Warnungen der Seeleute gekümmert, sondern war einfach ins Landesinnere marschiert.
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Während die Seeleute Wasser in die Fässer füllten und dutzendweise die in unzähligen Scharen am Strand lebenden Gänse abschlachteten und als Proviant mit an Bord nahmen, erforschte Lord Brooke die Gegend. Er sah unzählige Arten der farbenprächtigsten Papageien, kleine, ungeheuer gewandte Affen und Schweine, die ihren Nabel auf dem Rücken hatten. Zu seinem Leidwesen traf Lord Brooke keinen Eingeborenen, und Thomas Moone meinte nur, er solle Gott dafür dankbar sein. Die Mannschaften aßen sich an dem frischen Fleisch der Gänse satt. Die Tiere waren so zutraulich, daß sie nicht einmal weggelaufen waren, als die Seeleute ihre Artgenossen erschlugen. Sie waren schwarz, und ihr Körper war gleichmäßig mit kleinen Federn bedeckt. Ihren Flügeln fehlten die Schwungfedern, so daß sie nicht fliegen konnten. Lord Brooke beobachtete, daß sie sich von Fischen ernährten. Sie waren alle äußerst fett, und Mac Pellew konnte ihnen die ganze Haut mitsamt der Federn einfach vorn Körper ziehen. Francis Drake befahl noch am selben Tag, die Anker wieder zu lichten. Sie hatten Mühe, Lord Brooke zu bewegen, wieder an Bord der „Pelican“ zu kommen, am liebsten hätte er an Land gewartet, bis sich die ersten Eingeborenen gezeigt hätten. Die Männer waren wieder guter Dinge, doch dann folgte Schlag auf Schlag. Plötzliche Gewitter von ungeheurer Gewalt gingen nieder und schienen die Schiffe unter Wasser drücken zu wollen, Nebelbänke zogen auf und nahmen ihnen für Tage die Sicht. Dann folgte wieder für Stunden das herrlichste Wetter, bis ablandige Winde in Orkanstärke über sie herfielen, Stengen wie Strohhalme knickten und Segel von den Rahen rissen. Die „Marygold“ von Kapitän John Thomas, der als einziger an der damaligen Besprechung auf der „Pelican“ nicht hatte teilnehmen können, weil er krank gewesen war, lief auf eine Sandbank auf, die sich aber zum Glück verschob und das Schiff nach zwei Stunden wieder freigab.
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In der Nacht sahen sie an Land flackernde Feuer. Lord Brooke geriet völlig aus dem Häuschen. Nur mit Mühe gelang es Carberry und Moone, den verrückten Lord davon abzuhalten, eigenhändig an Land zu pullen, um die Eingeborenen aufzusuchen. Nuno da Silva berichtete von seinen Erfahrungen. Er hatte gehört, daß die Menschenfresser die großen Feuer anzündeten, um den Teufeln Opfer darzubringen. Dabei sprachen sie Beschwörungsformeln, häuften Sand aufeinander und warfen kleine Knochen auf den Boden, damit die fremden Schiffe vor der Küste auf Sandbänke aufliefen oder vom Sturm zerschmettert wurden. Dann deckten milchige Nebelschleier die Schiffe wieder zu. Die einzelnen Schiffe verloren sich. Hasard bemühte sich, immer in der Nähe der „Pelican“ zu bleiben, aber der Nebel war so dicht, daß auch er jeglichen Kontakt zu den anderen Schiffen verlor. Sie brauchten manchmal Tage, um einander wiederzufinden. Stets war es die „Swan“, auf der immer noch Sir Thomas Doughty als Gefangener mitfuhr, die als letztes Schiff zu den anderen stieß. Als sie zwei Tage schönes Wetter hatten, befahl Francis Drake Hasard, eine Bootsbesatzung an Land zu schicken, um auch die restlichen Wasserfässer mit Frischwasser zu füllen. Lord Brooke lag Drake so lange in den Ohren, bis der Kapitän es ihm erlaubte, mit den Männern von der „Isabella II.“ an Land zu gehen. Er schwor ihm jedoch, ohne Rücksicht die Anker zu lichten, falls Brooke sich zu weit Von den anderen Männern entfernen sollte. Hasard ließ es sich nicht nehmen, selbst mit an Land zu gehen, obwohl er wußte, daß Drake es bestimmt nicht gern sah. Er ließ Smoky und Matt Davies am Strand beim Boot zurück, während er sich mit Batuti, Dan O'Flynn, Blacky, Stenmark und Hancock, einem stiernackigen Schotten, der in Plymouth zu seiner Mannschaft gestoßen war, auf den Weg ins Landesinnere machte, um eine Quelle zu suchen.
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Hasard hatte das Gefühl, daß diese zweite Landung nicht so glimpflich abgehen würde wie die erste, aber er sagte Brooke nichts davon. Der Lord wäre imstande gewesen, laut zu rufen, um die menschenfressenden Wilden anzulocken. Es war nicht leicht, durch das dichte Gestrüpp, das nach dem Sandstrand begann, einen Weg zu bahnen. Hasard hieb mit seinem Entersäbel auf die Zweige ein, aber sie waren ziemlich hart, und Stenmark mußte mit seinem Beil nachhelfen. Über ihnen in den Baumwipfeln kreischten die bunten Papageien. Hasard hätte gern einen von ihnen mitgenommen, zumal er von da Silva wußte, daß diese Tiere in der Lage waren, die menschliche Stimme nachzuahmen, aber er hatte keine Zeit, einen von ihnen einzufangen. Seine Unruhe wuchs mit jedem Schritt, den sie tiefer in das Land eindrangen. Dann blieb er plötzlich stehen und begann zu schnuppern. Er hatte sich nicht getäuscht. Irgendwo vor ihnen brannte ein Feuer. Hasard sah das Glänzen in den Augen von Lord Brooke. Mit einem Satz war Hasard bei ihm und preßte ihm die Hand auf den Mund. Lord Brooke versuchte wütend, sich zu befreien, aber Hasards Griff war eisenhart. „Warten Sie ab, bis wir sie sehen“, flüsterte er Brooke ins Ohr. „Dann können wir immer noch entscheiden, ob wir uns ihnen zu erkennen geben.“ Lord Brooke nickte, und Hasard nahm seine Hand von Brookes Mund. Er mochte den Lord, aber in dieser Hinsicht traute er ihm nicht. Wenn Brooke etwas von Eingeborenen hörte, die er noch nicht kannte, gingen sein Temperament und sein Wissensdurst mit ihm durch. Hasard gab den anderen ein Zeichen, ihm lautlos zu folgen. Am liebsten wäre Hasard sofort umgekehrt, aber er gestand sich ein, daß auch seine Neugier groß war. Außerdem vermutete er dort, wo die Eingeborenen lagerten, eine Wasserstelle. Sie brauchten eine halbe Stunde, bis sie an einen kleinen See gelangten. Im Ufergebüsch blieb Hasard hocken und blickte gespannt über das klare, hellblaue
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Wasser, in dem sich die Baumwipfel spiegelten. Keine zweihundert Yards entfernt, am anderen Ufer, hatten die Eingeborenen ihr Lager aufgeschlagen. Hasard befahl Stenmark und Batuti, lautlos die Wasserfässer zu füllen und umgehend zum Boot zurückzubringen. Er selbst wollte mit Lord Brooke näher an das Lager der Eingeborenen heranschleichen. Dan O'Flynn wollte ebenfalls mit, aber Hasard wies ihn an, Blacky und Hancock bei den weiteren Wasserfässern zu helfen. Lord Brooke war vor Ungeduld kaum noch zu bändigen. Nur widerwillig ließ er Hasard vorausschleichen. Am liebsten wäre er aufgestanden und offen auf das Lager zugegangen. Hasard hatte eine kleine Landzunge entdeckt, die in den See ragte und bis auf fünfzig Yards an das Lager heranführte. Außerdem hatte sie den Vorteil, daß die Eingeborenen erst einen Umweg machen mußten, wenn sie die Fremden entdeckten und ihnen auf den Pelz rücken wollten. Minuten später lagen Hasard und Lord Brooke auf dem Bauch im Sand und blickten durch das dichte Ufergebüsch, in das sie leise eine Lücke gebogen hatten, auf das Lager. Hasard hatte sich diese Wilden nach den Beschreibungen da Silvas ganz anders vorgestellt. Die meisten Männer und Frauen liefen nackt umher. Sie waren von schlanker, wohlgestalteter Form, auf die so mancher Engländer mit Schmerbauch und krummen Beinen stolz gewesen wäre. Sie waren nicht schwarz wie die Eingeborenen in Afrika, wie Batuti, sondern hatten eine olivenfarbene Haut. Männer und Frauen trugen Bilder auf der Haut, aber Hasard konnte nicht erkennen, was sie darstellen sollten. Niemand der Männer trug einen Bart, die Köpfe waren offensichtlich geschoren. Einige von ihnen trugen als einziges Kleidungsstück um ihre Hüften einen kurzen Rock aus bunten Federn, die sicher von Papageien stammten. Lord Brooke stieß Hasard an und wies zu einer Frau hinüber, die sich an der Rinde eines Baumes zu schaffen machte. Sie hieb einen Keil hinein, und sofort begann ein
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weißer Saft zu fließen, den sie in einer Holzschüssel auffing. Sie löste dann die Borke und holte eine Art weißes Fleisch hervor. „Ein Brotbaum“, flüsterte Hasard. „Die Frauen bereiten daraus ihre Brote.“ Hasard hatte diese Kenntnis von einem alten Seemann, der damals mit Sebastian Cabot die Küste von Brasilien hinuntergefahren war. Hasard blickte Lord Brooke an, der plötzlich alle Farbe aus dem Gesicht verloren hatte. Dann folgte er der Blickrichtung des Lords, und auch ihm drehte sich beinahe der Magen um. Auf einem Holzgestell lag ein Toter, und ein paar Eingeborene waren dabei, ihn zu zerlegen. Die einzelnen Stücke wurden an die verschiedenen Wilden verteilt, die damit abzogen. Die Männer stießen kehlige Laute aus. Jetzt sah Hasard auch den seltsamen Schmuck, den sie in der Unterlippe trugen, genauer. Es schienen längliche Steine oder Holzstücke zu sein, die sie sich in die Unterlippe gebohrt hatten. „Wollen Sie immer noch mit ihnen sprechen, Sir?“ flüsterte Hasard. Lord Brooke schüttelte den Kopf. „Ich glaube nicht, daß sie dazu in der richtigen Stimmung sind“, antwortete er trocken. Er hatte sich überraschend schnell wieder gefangen. Schließlich hatten die anderen ihm oft genug gesagt, daß die Eingeborenen an dieser Küste Menschenfresser waren. Sie zogen sich langsam zurück.. Über ihnen begannen ein paar Papageien laut zu kreischen. Hasard blickte erschrocken zum Lager zurück. Er sah, wie ein paar Wilde zu ihnen herüberblickten, und dann schollen ein paar Schreie durch den Urwald, die sich zu einem wilden Gebrüll verdichteten. Hasard und Lord Brooke nahmen jetzt keine Rücksicht mehr darauf, daß sie Lärm verursachten. So schnell es ihnen das dichte Gebüsch erlaubte, liefen sie den Weg zurück, den sie gekommen waren. Jetzt zahlte sich Hasards Vorsicht aus. Die Eingeborenen hatten den weitaus längeren
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Weg zurückzulegen. Aber Hasard wußte, daß sich diese Wilden wie geschmeidige Raubkatzen in diesem Urwald bewegten und bedeutend schneller waren als sie. Hasard hörte das Schnaufen von Lord Brooke hinter sich. Er könnte nur hoffen, daß Brooke bis zum Boot durchhielt. Im Laufen zog Hasard seine Pistole aus dem Gürtel und jagte eine Kugel in die Baumwipfel. Dem ohrenbetäubenden Krachen folgten ein paar Sekunden Schweigen, dann brach ein Höllenlärm los. Sämtliche Tiere des Urwaldes kreischten und brüllten um die Wette. Hasard hoffte, daß das Krachen den Eingeborenen einen tüchtigen Schrecken versetzte und sie aus Angst erst einmal zurückblieben. Aber offensichtlich waren die Männer von, der „Isabella“ nicht die ersten Weißen, die an dieser Küste auftauchten, und als der erste Speer nur dicht an Hasards Schulter vorbeiflog und zitternd im Stamm eines Baumes steckenblieb, wußte Hasard auch, daß sich die Weißen vor ihm bestimmt nicht anständig aufgeführt hatten. Sie erreichten den Strand, als die Schreie der Eingeborenen bereits dicht hinter ihnen waren. Die Männer am Boot waren durch Hasards Warnschuß vorbereitet. Batuti und Hancock hatten das Boot ins Wasser geschoben und hielten es in der schwachen Brandung fest. Stenmark, Blacky und Dan O'Flynn zielten mit Musketen auf die Büsche, aus denen Hasard und Lord Brooke aufgetaucht waren. Die beiden hatten die Hälfte des Strandes überquert, als Stenmark, Blacky und Dan gleichzeitig abdrückten. Die Bleikugeln mähten die ersten drei Wilden förmlich nieder. Die Reihe der anderen geriet ins Stocken. Ungläubig starrten sie auf ihre Gefährten, die bewegungslos im weißen Sand lagen und ein großes Loch in der Brust hatten, aus dem Blut floß. Hasard und Lord Brooke schwangen sich über das Dollbord ins Boot. Die anderen Männer saßen bereits an den Riemen. „Pullt, Männer!“ brüllte Hasard.
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Er sah eine kleine weiße Wolke an Steuerbord der „Isabella“, und er wußte, daß Ben Brighton und Ferris Tucker die Szene genau beobachtet hatten. Die Kettenkugel schlug berstend über den Köpfen der Wilden in die Baumkronen ein. Äste und Laub regneten auf sie nieder. Sie schrien vor Schreck und Enttäuschung. Dann nahmen sie ihre toten Gefährten auf und verschwanden wie ein Spuk zwischen den Büschen. Hasard atmete auf. Das war noch einmal gut gegangen. Er schüttelte den Kopf. Warum mußten alle Begegnungen mit fremden Welten so gewaltsam beginnen? Warum gab es keine Möglichkeit, das Mißtrauen auszuschalten und sich unvoreingenommen zu begegnen? Lord Brooke schien das gleiche zu denken. „Vielleicht hätten sie uns gar nicht getötet“, sagte er leise. „Und jetzt sind drei von ihnen tot. Wenn das nächste Schiff mit Weißen hier anlegt, wird es ein Massaker geben.“ Hasard legte ihm die Hand auf die Schulter. „Wir können nichts daran ändern, Sir“, sagte er. 7. „Denen haben wir ein paar verplättet!“ schrie Dan O'Flynn, noch ehe sie am Rumpf der „Isabella“ angelegt hatten. Das grinsende Gesicht von Ferris. Tucker tauchte über dem Schanzkleid auf. Es war schwarz vom Pulverdampf der abgeschossenen Kanone. „Dir hätten sie sowieso nichts getan, Bürschchen“, gab er zurück. „Bei dir lohnt es sich ja noch nicht einmal, die Knochen abzulutschen.“ Die Männer lachten. Hilfreiche Hände streckten sich Hasard und Lord Brooke entgegen, während andere die Wasserfässer an Bord hievten. Von den anderen Schiffen wurden Boote herübergepullt, um ihre Fässer abzuholen. Lord Brooke bat Carberry, Francis Drake Bescheid zu geben, daß er auf der „Isabella“ bliebe.
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Kaum hatten die Boote ihre Schiffe wieder erreicht, als sich der Himmel mit ungeheurer Geschwindigkeit verdunkelte. Heftige Böen fielen von Land aus über die Schiffe her und zerfetzten das Großsegel der „Mary“, bevor die Männer es bergen konnten. Hastig wurden die Anker gelichtet, und Hasard drehte die „Isabella“ hinter der „Pelican“ her aufs offene Meer hinaus. Von einer Minute zur anderen begann sich das Meer vom tiefen Blau in ein grelles Grün zu verfärben. Es sah aus, als koche die Hölle. Schaumgekrönte Wellen rasten über das Meer und brachen sich mit ohrenbetäubendem Krachen an den Bordwänden der Schiffe, die wie Nußschalen in dem aufgewühlten Element dahintrieben. Hasard brüllte seine Befehle gegen den orgelnden Wind über Deck, und die Männer, die geglaubt hatten, das Schlimmste hinter sich zu haben, mußten erkennen, daß sie keine Stunde sorglos ausruhen konnten. Immer wieder konnte sie das unberechenbare Wetter dieser höllischen Küste überraschen. Hasard fluchte, als Ferris Tucker auf dem Achterdeck erschien und ihm ins Ohr brüllte, daß die „Isabella“ irgendwo lecke. In der Bilge stand das Wasser höher als gewöhnlich. Hasard blickte zum Achterschiff, das von haushohen Wellen ein um ein anderes Mal überrollt wurde. „Vielleicht nehmen wir zuviel Wasser durch die Hennegatöffnung auf !“ schrie er. Ferris Tucker schüttelte den massigen Schädel „Habe ich auch gedacht! Ich habe Lederlappen von außen vorgenagelt! Am Hennegat kann es nicht liegen! Wir sind irgendwo im Vorschiff leck!“ „Stell vier Mann an die Lenzpumpe!“ schrie Hasard. „Und geh dann wieder unter Deck! Wir müssen wissen, wo das Leck ist!“ Ferris Tucker verschwand, Hasard sah ihn in einem Schleier von Gischtspritzern untertauchen.
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Hasard schrie Pete Ballie etwas zu, der ab und zu auch einen Schwung Meerwasser abkriegte, wenn eine Welle über das Quarterdeck schwappte und an der Öffnung zum Ruderstand vorbeirauschte. Pete Ballie hob einen Arm, zum Zeichen, daß er verstanden hatte. Er bewegte den Kolderstock, und langsam legte sich die „Isabella“ seitlich und mußte nicht mehr die hohen Wellen voll von achtern nehmen. Es schien fast, als gleite das plumpe Schiff vor den Wellen dahin. * John Chester war ein gemütlicher Mensch, der nichts lieber tat, als gut zu essen und viel zu trinken. Er war froh, wenn er seine Ruhe hatte und seiner Lieblingsbeschäftigung nachgehen konnte. Er verfluchte den Tag, an dem Francis Drake ihm diesen Sir Thomas Doughty an Bord geschickt hatte, dem sich einen Tag später auch noch dessen Bruder John zugesellt hatte. Seit diese beiden auf seinem Schiff waren, ging der Teufel um. John Chester war kein abergläubischer Mensch, aber was Sir Thomas und sein Bruder ihm immer wieder in die Ohren bliesen, jagte auch ihm einen Schauer über den Rücken. Chester verstand nicht viel von der Sternendeutung, doch ein bißchen hatte er von seiner alten Mutter erfahren. Er wußte, daß Doughty in vielen Punkte recht hatte, und wenn er ehrlich war, mußte er zugeben, daß Francis Drakes Expedition wirklich unter einem bösen Stern stand. Der Kapitän der „Swan“ war direkt froh, als der Sturm losbrach. Er war ein guter Seemann, und wildes Wetter hatte ihm noch nie einen Schrecken einjagen können, eher schon die Zaubereien von Sir Thomas, der aus der bloßen Hand Rauch aufsteigen lassen konnte. Stimmte es vielleicht tatsächlich, daß Sir Thomas mit dem Satan Verbindung aufnehmen konnte, wie es sein Bruder John Doughty behauptete? Chester wußte, daß es genügend Männer unter seiner Mannschaft gab, die fest daran glaubten.
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Selbst sein Steuermann hatte ihm schon gesagt, daß es besser sei, sich den Wünschen von Sir Thomas anzupassen. Außerdem sei er schließlich von hohem Adel, und es sei nichts Unrechtes, einem Mann, der mit den höchsten Würdenträgern am Hof verkehrte, zu gehorchen. Was sei dagegen schon ein Francis Drake! John Chester stand an der Quarterdeckgalerie und hatte die Hände in das Holz gekrallt. Das Wasser zischte über ihn weg und hatte ihn schon vollständig durchnäßt. „Wollen Sie nicht in Ihre Kammer gehen, Sir?“ schrie sein Steuermann ihm ins Ohr. John Chester schüttelte den Kopf. Er wußte, in seiner Kapitänskammer saß dieser Doughty und würde wieder wie mit Engelszungen auf ihn einreden, den Kurs zu ändern und nach England zurückzusegeln. Die „Swan“ war das Versorgungsschiff des kleinen Geschwaders. John Chester kannte die Auswirkungen auf die weitere Expedition Drakes genau, wenn die „Swan“ plötzlich verschwand. Francis Drakes Reise würde sich um etliches verzögern, wenn er nicht sogar gezwungen wäre, die Fahrt abzubrechen und ebenfalls nach England zurückzusegeln. Nein, das konnte er Drake nicht antun. Der Kapitän war immer gerecht gewesen. Nie hatte er ein böses Wort von ihm gehört. John Chester zuckte zusammen, als er hinter sich den peitschenartigen Knall hörte, mit dem die Tür zum Achterdeck zuschlug. Er wagte nicht, sich umzudrehen. Aber er konnte seinem Schicksal nicht ausweichen. Er war auf einem Schiff. Es gab keine Möglichkeit, wegzulaufen und sich irgendwo zu verkriechen. Eine Hand legte sich auf seine Schulter. Er sah das vor Nässe glänzende Gesicht John Doughtys, der ihn herausfordernd ansah. „Mein Bruder möchte Sie sprechen, Sir!“ schrie er gegen den Wind. „Ich kann jetzt nicht!“ brüllte Chester verzweifelt zurück.
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John Doughty tat, als hätte er den Kapitän nicht verstanden. Er winkte den Steuermann herbei und rief ihm zu: „übernehmen Sie das Schiff!“ „Aye, aye, Sir!“ Der Steuermann wagte nicht, seinem Kapitän in die Augen zu blicken. Achselzuckend drehte sich John Chester um und ließ sich von John Doughty über das schwankende Deck zur Tür hinüberführen, die unters Achterdeck führte. Als die Tür hinter ihm zuschlug, kam ihm die Stille nach dem brüllenden Toben des Windes und der Wellen wie auf dem Friedhof vor. Ohne John Doughty weiter zu beachten, ging John Chester auf seine Kammer zu und öffnete die Tür. Sir Thomas hatte in Chesters Stuhl hinter dem breiten Schreibtisch Platz genommen, aber er erhob sich sofort, als er den erzürnten Blick Chesters sah. „Entschuldigen Sie, John“, sagte er lächelnd. „Ich hab' mich nur dort hingesetzt, weil es der einzige Stuhl mit Lehnen ist. Ich kann dieses fürchterliche Schaukeln schlecht vertragen und wollte mich irgendwo festhalten.“ John Chester nickte. Sir Thomas war ein höflicher und zuvorkommender Mann. „Bitte, nehmen Sie wieder Platz, Sir Thomas“, sagte er. „Mir macht das Schaukeln nichts aus.“ Er zog einen Stuhl heran und setzte sich Sir Thomas gegenüber vor den Schreibtisch. „Sie wollten mich sprechen?“ Doughty nickte. Das Lächeln in seinem Gesicht war unverändert. Er wußte, wie wichtig diese Unterredung war. Wenn es ihm nicht gelang, John Chester jetzt auf seine Seite zu ziehen, dann mußte er allmählich seine Hoffnung aufgeben, Drakes Expedition zum Platzen zu bringen. „Ich verstehe Ihre Zuneigung für Mister Drake“, begann Sir Thomas. „Ich weiß, er hat viel für Sie getan und Ihnen zu Ihrer jetzigen Position verholfen. Aber darum geht es nicht. Wie Sie wissen, bin auch ich eng mit Francis Drake befreundet, und doch kann ich sein Vorhaben nicht gutheißen, weil es einfach Englands
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Interessen zuwiderläuft. Wenn ich als sein bester Freund schon zu solchen Mitteln greifen muß, um England vor einem nicht wieder gutzumachenden Schaden zu bewahren, wie viel leichter müßte es Ihnen fallen, sich für meine Seite zu entscheiden.“ John Chester wand sich wie ein Aal. „Ich verstehe nicht viel von der Politik, Sir Thomas“, sagte er. „Ich kenne Mister Drake schon sehr lange, und ich weiß, daß er die Expedition niemals aufgeben würde. Auch nicht, wenn wir mit seinem Versorgungsschiff verschwinden. Er würde sich seine Vorräte an Land zu holen versuchen, und wenn er und seine Leute dabei getötet würden, dann müßte ich mir ein Leben lang Vorwürfe machen.“ „Und wenn England von spanischen Soldaten überrannt und zerstört wird, nur weil Francis Drake seine Abenteuerlust nicht bezähmen kann und die Spanier mit Plünderungen in ihrem Gebiet bis aufs Blut reizt – würde das Ihr Gewissen nicht belasten?“ Doughtys Stimme war eindringlich geworden. Seine dunklen, glühenden Augen schienen John Chester durchbohren zu wollen. „Aber Mister Drake war doch bei der Königin!“ rief er verzweifelt. „Sie hat doch sein Vorhaben gutgeheißen!“ Doughty lehnte sich in seinem Sessel zurück. „Ihr fehlt der Weitblick eines Lord Burghley“, sagte er leise. Und nach einer kurzen Pause fuhr er fort. „Sie werden für Ihre Tat wie ein Held geehrt werden, John. Sie haben mein Wort.“ John Chester war in sich zusammengesackt. Er wirkte wie ein Häufchen Unglück. Doughty stand auf und verließ leise die Kapitänskammer. John Chester wußte nicht mehr, was er denken sollte. In seinem Kopf ging alles drunter und drüber. Auf der einen Seite Drake und auf der anderen Seite Sir Thomas Doughty. Ich bin zwischen zwei Mühlsteine geraten, dachte er. Ganz gleich, wie ich mich entscheide, ich werde auf jeden Fall der Verlierer sein.
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Er merkte nicht, wie das Stampfen und Rollen des Schiffes schwächer wurde. Der Sturm hatte sich ausgetobt. John Chester hockte bewegungslos und wie betäubt in seiner Kammer. Stunden vergingen, doch er war unfähig, eine Lösung für sein Problem zu finden. * Der Steuermann erschrak, als die dunkle Gestalt neben ihm aus dem Nebel auftauchte. Ein Schauer lief ihm über den Rücken, als er in die glühenden Augen von Sir Thomas Doughty blickte. „Gehen Sie auf Nordkurs, Steuermann“, sagte Doughty hart. Langsam streckte er die rechte Hand vor. Blitzartig öffnete er die Faust, und eine weiße Wolke schoß hervor. Der Steuermann wich mit entsetztem Gesicht zurück und streckte Doughty beide Arme entgegen. „Geh auf Nordkurs, Steuermann!“ wiederholte Doughty mit schauriger Stimme. „Oder der Satan wird dich holen!“ Für den Steuermann gab es kein Halten mehr. Er huschte hinüber zum Ruderstand, gab seinen Befehl an den Rudergänger und lief dann zurück zur Quarterdeckgalerie, um von dort aus die Befehle zum Brassen der Rahen zu geben. Im dichten Nebel änderte die „Swan“ ihren Kurs und begann mit halbem Wind Richtung Heimat zu segeln. In der Kuhl bekreuzigten sich einige Männer. Andere fluchten unterdrückt und murmelten etwas von Meuterei und Schweinerei, Kapitän Drake einfach im Stich zu lassen. Sir Thomas Doughty rieb sich triumphierend die Hände. Endlich hatte er sein Ziel erreicht. Ohne das Versorgungsschiff war Francis Drake aufgeschmissen. Er würde es niemals wagen, ohne alle Vorräte die Durchquerung der Maghellanstraße zu wagen, die nach Maghellan noch niemand wieder geschafft hatte. In der Kapitänskammer hockte John Chester mit abwesendem Blick. Er hatte
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nicht einmal bemerkt, dass ein Schiff den Kurs um einhundertachtzig Grad geändert hatte. 8. Keiner der Männer auf der „Isabella“ jubelte mehr, als sich der dichte Nebel endlich lichtete und die ersten blauen Himmelsflecken zu sehen waren. Zu oft schon hatten sie geglaubt, daß sie die Hölle des Landes Verzin, wie die Portugiesen es nannten, hinter sich gelassen hätten. Hasard schickte Dan O'Flynn in den Großmars, um nach den anderen Schiffen Ausschau zu halten. Als sich das Bürschchen um die Toppnanten in den Mars schwang, flog ihm ein schreiendes Etwas entgegen und krallte sich in seinem Nacken fest. „Smoky!“ brüllte Dan aus Leibeskräften. „Ich habe ihn gefunden! Das Biest hat sich wieder im Mars verkrochen!“ Seine Hand griff nach hinten und kriegte das haarige Bündel im Genick zu fassen. Der junge Schimpanse fletschte die Zähne und schrie. Smoky war mit einem Höllentempo die Wanten hinaufgeklettert, und der Schimpanse floh sofort in seine Arme, als er seinen Retter erkannte. „Nenn ihn nicht noch einmal Biest“, sagte Smoky grollend. „Es ist Lein Wunder, daß er sich vor euch immer wieder versteckt. Du hältst ihn für eine Bestie, Matt jagt ihm mit seinem verdammten Haken Angst ein, und der Kutscher würde ihn am liebsten in seinen Kochtopf stecken.“ Der Schimpanse schrie nicht mehr. Er fletschte nur noch seine Zähne und warf die Lippen auf. Dan sah an einen runden Augen, daß das kleine Kerlchen seine Angst bereits verloren hatte. Es sah aus, als mache es sich über die Männer an Bord der „Isabella“ lustig. „Du solltest dir endlich mal einen Namen für ihn ausdenken“, sagte Dan, „dann sage ich auch nie wieder Biest zu ihm.“ Smoky nickte in Gedanken versunken und kletterte langsam an den Wanten hinunter. Der Schimpanse verbarg seinen Kopf unter
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Smokys Arm, als Matt Davies grinsend seine rechte Hand mit dem Haken hob. Matt wartete förmlich darauf, daß Smoky explodierte, aber der beachtete ihn überhaupt nicht. Leise vor sich hin murmelnd ging er an Matt Davies vorbei. Matt hörte so etwas wie: „Herkules – nein. Samson - nein ...“ „He; Smoky sucht einen Namen für seinen kleinen Bruder!“ schrie er. „Wie wär's mit Little Smoky?“ „Das wär 'ne Beleidigung für den Affen“, sagte Stenmark trocken. „Ich bin für einen christlichen Namen“, meinte Hancock. „Johannes oder Nebukadnezar.“ Ben Brighton blickte Hancock von der Seite an. „Du hast wohl lange nicht mehr in die Bibel geguckt, wie?“ „Ich bin für Schimmy, das kommt von Schimpanse“, sagte Blacky. „Bist du verrückt?“ schrie Jim Fraser, den sie von der „Pelican“ übernommen hatten. „Das hört sich an wie Jimmy. Dann weiß niemand, wer von uns beiden gemeint ist.“ Die Männer brüllten vor Vergnügen. Wahrscheinlich hätten sie sich nocht mehr ulkige Namen ausgedacht und Smoky für seinen Schützling angeboten, doch in diesem Moment rief Dan aus dem Mars: „Land Steuerbord voraus!“ Der Nebel flog plötzlich davon, als werde er von einem riesigen unsichtbaren Loch aufgesogen. Nur noch dünne Fäden schienen über dem Wasser zu hängen, dann waren auch sie verschwunden. „Die ,Marygold' achteraus!“ rief Dan. „Und dort weiter nach Osten die ,Pelican' und die ‚Elisabeth'. Die ‚Mary` und die ‚Swan` sind nicht zu sehen!“ Hasard blickte zurück. Nur wenn er die Augenlider zusammenkniff, konnte er die kleinen schwarzen Punkte an der Kimm sehen. Er mußte wieder einmal Dans scharfe Augen bewundern, der auf diese Entfernung sogar die einzelnen Schiffe unterscheiden konnte. Hasard gab Ben Brighton den Befehl, dichter unter Land zu gehen und Anker zu werfen. Die Küste beschrieb hier einen weiten Bogen nach Westen. Wenn Hasard
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sich in seinen Berechnungen nicht irrte, befanden sie sich etwa auf der Höhe des 34. Breitenkreises. Bis hierher war damals auch Sebastian Cabot vorgedrungen und hatte gemeint, die Durchfahrt zur Südsee gefunden zu haben. Von Nuno da Silva und von der Seekarte, die er in einem Geheimfach der Kapitänskammer auf der ersten „Isabella“ gefunden hatte, wußte Hasard, daß dieses die unermeßlich breite Mündung eines riesigen Stromes war, den die Portugiesen Rio de la Plata genannt hatten. Als die Ankertrosse über die Beting rauschte und der schwere Anker auf das Wasser klatschte, hörte Hasard den hellen Schrei von Lord Brooke. Morgan Brooke war ganz aus dem Häuschen. „Sehen Sie dort, Sir!“ rief er. Seine Hand wies auf den Strand. „Eingeborene! Sie winken uns zu! Ich muß sofort an Land. Lassen Sie ein Boot zu Wasser, Mister Killigrew. Ich übernehme die volle Verantwortung für mein Handeln.“ Hasard schüttelte den Kopf. „Der Befehl von Kapitän Drake, daß ohne seine ausdrückliche Genehmigung niemand an Land gehen darf, besteht immer noch, Sir“, sagte er. „Es tut mir leid, aber ich kann Ihnen kein Boot zur Verfügung stellen.“ Lord Brooke preßte die Lippen aufeinander. Hasard sah ihm die Enttäuschung an. „Außerdem sollten Sie vorsichtiger sein, Sir“, sagte Hasard. „Sie kennen sicher die Geschichte von dem Portugiesen Juan de Solls, der hier mit seinen Männern an Land gegangen ist. Er soll von den Kannibalen mitsamt seinen sechzig Mann Besatzung aufgefressen worden sein.“ „Ich weiß“, sagte Lord Brooke. „Pigafetta, der Italiener, schrieb davon in seinem Buch über Maghellans Weltumsegelung. Aber ich kann mir einfach nicht vorstellen, daß diese Wilden so etwas ohne Grund tun. Sie müssen doch auch neugierig sein, wer wir sind und woher wir kommen.“ Hasard hob die Schultern.
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„Ich habe das Gefühl, daß sie uns nur als besonderen Leckerbissen betrachten“, sagte er. Lord Brooke sah ein, daß er gegen den Befehl Kapitän Drakes nichts ausrichten konnte. Er setzte seine Hoffnung darauf, daß Drake hier ein paar Leute an Land schicken würde, um frisches Fleisch für die Mannschaften zu erjagen. Dann wollte er auf jeden Fall dabei sein. Es dauerte zwei Stunden, bis die „Pelican“ die „Elisabeth“ und die „Marygold“ neben der „Isabella“ beidrehten und ihre Anker warfen. Inzwischen war auch die „Mary“ an der Kimm aufgetaucht. Nur von der „Swan“ war immer noch nichts zu sehen. Die Mannschaften der einzelnen Schiffe waren vollauf damit beschäftigt, die Sturmschäden an den Schiffen auszubessern. Auf der „Isabella“ hatte Ferris Tucker das Leck im Vorschiff gefunden und war nun mit Blacky, Smoky und Hancock dabei, die ausgebesserten und verstärkten Planken zu kalfatern. Francis Drake wartete bis zum Abend. Als die „Swan“ immer noch nicht aufgetaucht war, rief er Hasard zu sich an Bord der „Pelican“ und befahl ihm, Segel zu setzen und die „Swan“ zu suchen. Er selbst wollte mit den anderen Schiffen den Rio de la Plata hinauffahren und die Küsten der breiten Flußmündung erforschen. Hasard kannte Francis Drake gut genug, um zu wissen, daß ihn die Beschaffenheit dieser Küste wenig interessierte. Wahrscheinlich hätte er es auf die Inseln abgesehen, die in der riesigen Bucht lagen und auf denen andere Schiffsbesatzungen schon Schätze von wertvollsten Edelsteinen gefunden haben sollten. Hasard wurde auf die „Isabella“ zurückgepullt, und wenig später stand die Galeone unter vollen Segeln und lief mit achterlichem Wind nach Norden. Hasard hatte sich nicht viel Gedanken über die Richtung gemacht. Er hegte die gleichen Vermutungen wie alle anderen Männer dieser Flotte, obwohl bisher niemand sie laut ausgesprochen hatte: Sir Thomas Doughty hatte den Kapitän der „Swan“ überredet oder gezwungen, den
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Kurs zu ändern und nach England zurückzusegeln. Hasard verfluchte den Leichtsinn Kapitän Drakes, Doughty . ausgerechnet auf dem Versorgungsschiff unter Arrest zu setzen. Aber wahrscheinlich hatte er Kapitän John Chester blind vertraut. Schließlich verdankte der Mann Drake alles, was er war. Das gute Segelwetter hielt nur die Nacht über an. Am frühen Morgen war es mit dem achterlichen Wind vorbei. Zuerst versuchte Hasard, auf Teufel komm raus gegen die unberechenbaren ablandigen Winde aus Nordwest zu kreuzen, doch als die Fockstenge dabei zu Bruch ging, gab er es auf. Sicher hatte auch Chester den geraden Kurs verlassen und sich weiter aufs Meer hinaustreiben lassen, um sein Schiff nicht zu gefährden. Dan O'Flynn hing nun schon seit Stunden oben im Großmars. Hasard mußte ihn schließlich mit Gewalt herunterholen lassen, damit sich das Bürschchen ausschlafen konnte. Was nutzte es, wenn er dort oben vor Müdigkeit umkippte und in die immer gröber werdende See fiel?. Gegen Mittag wurde es schlagartig kalt. Es schien Hasard, als fege eine Mauer kalter Luft heran und versuchte, das Schiff unter Wasser zu drücken. Die Wellen türmten sich haushoch und schlugen pausenlos über Deck. Niemand dachte mehr an die Suche nach der „Swan“. Jetzt ging es um das eigene Überleben. Ferris Tucker hielt sich unablässig im Vorschiff auf, und es dauerte keine zwei Stunden, bis sich seine Befürchtungen bewahrheiteten. Die ausgebesserte und frisch geteerte Stelle hielt den harten Schlägen des Wassers nicht stand. Das Leck war noch größer als vorher, und Hasard mußte wieder vier Männer an die Lenzpumpe stellen. Drei Tage lang wurden sie von diesen rollenden, walzenartigen Winden getrieben. Die bis auf die Knochen durchnäßten Männer froren, daß ihnen die Zähne klapperten. Auch das Bier, das der
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Kutscher für sie erhitzt hatte, konnte sie nicht aufwärmen. Die Männer waren zu Tode erschöpft, als endlich am vierten Tag die Sonne wieder durchdrang und die Kälte verscheuchte. Aber Hasard gönnte ihnen keine Ruhe. Sie mußten das Schiff wieder auf Vordermann bringen. Das Leck mußte notdürftig abgedichtet werden, und schließlich hatten sie auch noch eine Aufgabe zu erledigen. Hasard wußte nicht genau, wie weit der Sturm ihn nach Osten abgetrieben hatte. Er ging auf Kurs Nordwest und hoffte, daß ihm die „Swan“ irgendwann über den Weg segelte. Er schaffte es, seinen Standort zu bestimmen, und noch bevor die Küste in Sicht kam, ging er wieder auf Ostkurs. Ferris Tucker schaffte es an den nächsten beiden Tagen, das Leck so weit abzudichten, daß nur noch alle drei Stunden gelenzt werden mußte. Die Männer hatten sich von dem Sturm einigermaßen erholt. Trotzdem waren sie alle unruhig. Sie glaubten nicht mehr recht daran, daß sie die „Swan“ noch erwischen würden, und sie fragten sich, wann Hasard den Befehl gab, die Suche abzubrechen. Dan O'Flynn hockte wieder die meiste Zeit des Tages im Großmars, und sein Schrei war es, der die Männer der „Isabella“ am zehnten Tag ihrer Suche aus der Lethargie riß, die 'sie schon alle erfaßt hatte. * „Schiff voraus!“ Hasard erstarrte und blickte zum Mars hoch. Was war mit Dan los? Sonst folgte sofort die Bestimmung des Schiffes, das er an der Kimm entdeckt hatte. „Ist es die ,Swan`?“ rief Hasard. „Ich kann es nicht genau erkennen!“ scholl die Antwort aus dem Mars. „Der Kahn hat keine Masten mehr!“ Hasard ließ sich von Dan den Kurs geben und hielt auf das Wrack zu. Nach einer halben Stunde hatte Dan das schwimmende Wrack identifiziert.
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Es war die „Swan“. Sie hatte nicht einen einzigen Mast mehr. Hilflos dümpelte sie in der langen Dünung. „Wenn wir sie nicht gefunden hätten, wären sie beim nächsten Sturm alle elendig ersoffen“, sagte Ben Brighton brummend. „Und sie hätten es wahrhaftig verdient.“ Hasard antwortete nichts. Seine Lippen waren zu einem schmalen Strich zusammengepreßt. Er dachte an die bevorstehende Auseinandersetzung mit den beiden Doughtys, und er nahm sich vor, sie einfach in Ketten legen zu lassen, wenn sie es wagten, auch auf der „Isabella“ eine große Lippe zu riskieren. Wegen der langen Dünung blieb Hasard mit der „Isabella“ eine halbe Kabellänge von der „Swan“ entfernt. Er ließ die Segel aufgeien und ein Boot aussetzen, das ihn zur „Swan“ hinüberbringen sollte. Ben Brighton zog ein skeptisches Gesicht. „Du solltest Sir Thomas herüberpullen lassen“, sagte er. „Wer weiß, was passiert, wenn du auf der ,Swan` auftauchst. Vielleicht nehmen sie dich gefangen und erpressen uns, mit ihnen nach England zurückzusegeln.“ Hasard nickte. Daran hatte er auch schon gedacht. „Laß die Kanonen ausfahren“, sagte er. „Ich werde ihnen drüben klarmachen, daß du Befehl hast, keine Rücksicht auf mich zu nehmen. Wenn sie es trotzdem versuchen, verpasse ihnen einfach eine Ladung ins Vorschiff. Ich werde schon sehen, daß ich nichts abkriege.“ Ben Brighton nickte. Er rief Batuti, Stenmark, Blacky und Matt Davies herbei und befahl ihnen, ins Boot zu steigen. Hasard folgte ihnen. Die Männer der „Swan“ hatten sich alle an Backbord versammelt, als Hasard über die Berghölzer an Bord kletterte. Blacky vertäute das Boot, und dann betraten auch er und die anderen drei das Deck und bauten sich wie eine Leibwache hinter Hasard auf. Auf dem Quarterdeck warteten Kapitän Chester, der Steuermann und die beiden Doughtys.
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Hasard hatte schon bemerkt, welche Stimmung an Bord dieses Schiffes herrschte. Die Angst stand den Männern im Gesicht geschrieben. Sie hatten unter dem Sturm weitaus ärger zu leiden gehabt als die „Isabella“. Aber da war auch noch etwas anderes. Ein Sturm allein und eine Havarie konnten diese Stimmung nicht hervorgerufen haben. Natürlich wäre es gewesen, die Männer jubeln zu sehen, weil sie vor einem fast sicheren Tod errettet worden waren. Sie aber standen da wie Ölgötzen, die fürchteten, im nächsten Augenblick in die Hölle geführt zu werden. John Chesters Augen gingen unruhig hin und her. Mit den kurzen Wurstfingern der rechten Hand fuhr er sich immer wieder nervös durch das spärliche graue Haar. Seine Wangen waren gerötet. Und das kam nicht vom Wein, den er gern in großen Mengen genoß. Hasard las die Scham in seinen Augen. Der junge Doughty zuckte nervös mit dem linken Augenlid, nur Sir Thomas schien die Situation für völlig normal zu halten und hatte sein blasiertestes Gesicht aufgesetzt. „Es freut mich, Sie zu sehen, Mister Killigrew“, begann John Chester stockend. „Wissen Sie, der Nebel –und dann dieser fürchterliche Sturm! Haben Sie so etwas schon mal erlebt? Es war, als würde eine Walze aus Eis über uns hinwegrollen. Er hat uns innerhalb von ein paar Minuten sämtliche Masten abrasiert.“ Er zögerte einen Moment und sah Hasard von unten herauf an. „Ich muß zu meiner Schande gestehen, daß ich keine Ahnung habe, wo wir uns befinden. Sind wir nicht in der Nähe der Küste?“ Hasard hatte die Augenbrauen hochgezogen. John Chester konnte vieles von sich behaupten, nur nicht, daß er ein schlechter Lotse war. Wenn einer in der Flotte immer Bescheid wußte, auf welcher Länge und Breite sie sich befanden, so waren das John Chester und sein Steuermann, der ein tüchtiger Bursche war.
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Hasard hatte eine heftige Erwiderung auf der Zunge, aber beherrschte sich. Er konnte die Situation nur verschlimmern, wenn er es auf einen Streit zwischen sich und Sir Thomas ankommen ließ. „Ich fürchte, die ,Swan` muß aufgegeben werden“, sagte John Chester kleinlaut. Das hatte Hasard schon von weitem gesehen. „Wenn wir uns beeilen, können wir einen Großteil der Vorräte bergen“, sagte Hasard. „Bitte, geben Sie Ihren Männern den Befehl, die Boote zu Wasser zu lassen und alles zur ‚Isabella' hinüberzubringen, was für die Expedition von Kapitän Drake von Nutzen ist.“ Hasard hatte den Namen Drakes absichtlich erwähnt. Er sah, wie Chester und der Steuermann zusammenzuckten. Doughty verzog keine Miene. Seine dunklen Augen glitten über die wartenden Männer in der Kuhl, und Hasard entging nicht, daß sich einige schaudernd von diesem durchdringenden Blick abwandten. Hasard rief seine Befehle zur „Isabella“ hinüber, und dann flüsterte er ein paar Worte mit Blacky und Matt Davies. Sie sollten sich unter die Mannschaft der „Swan“ mischen und heraushören, was hier an Bord gespielt worden war. Außerdem sollten sie den Leuten die Angst nehmen, daß Drake sie als Meuterer aufhängen ließ. Wenn einer der Meuterei schuldig war, dann höchstens Sir Thomas Doughty und John Chester, der dieses Schiff befehligte. Die Männer der „Swan“ packten wortlos mit an. Sie schienen froh zu sein, daß es wieder etwas zu tun gab. Das verscheuchte die bösen Gedanken, die Doughty ihnen eingetrichtert hatte. Hasard selbst packte mit an, und auch John Chester und der Steuermann schufteten, als könnten sie etwas wiedergutmachen. Sir Thomas Doughty und sein Bruder standen die meiste Zeit untätig auf dem Quarterdeck herum. Zuerst hatte Hasard gedacht, daß sie die Arbeit nicht stören könnten, wenn sie nicht im Weg standen. Doch nach einiger Zeit mußte er sehen, daß die Mannschaft der „Swan“ wie
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verwandelt war, wenn Doughtys hageres Gesicht über der Quarterdeckgalerie auftauchte. Die Arbeit ging plötzlich nur noch schleppend voran, und das war das letzte, was Hasard gebrauchen konnte. Eine Stunde lang sah Hasard sich das unwürdige Schauspiel noch mit an, dann tauchte Matt Davies neben ihm auf und flüsterte: „Sie halten ihn für den leibhaftigen Satan! Man sollte es nicht für möglich halten, aber er muß ihnen einigen Hokuspokus vorgeführt haben. Einer erzählte mir, daß er Rauch aus der Hand aufsteigen lassen kann.“ Hasard schüttelte den Kopf. Er wußte, daß die Seeleute abergläubisch waren, und er konnte begreifen, daß sie sich vor dem unbekannten Land, das Francis Drake ansteuerte, fürchteten, aber daß sie sich von Doughtys Taschenspielertricks hereinlegen ließen, wollte ihm nicht in den Sinn. Er beugte sich zu Matt Davies und flüsterte ihm etwas zu. Matt nickte. Dann ging er wieder zu den anderen und half ihnen, die Waren aus dem Lagerraum in die Boote zu schaffen. Hasard zog John Chester beiseite und sagte ihm, daß er etwas mit ihm in seiner Kammer zu besprechen hätte. John Chester zog den Kopf zwischen die Schultern und ging voran. Die beiden Doughtys schauten ihnen mißtrauisch nach, sagten aber nichts. Auf dem Weg zur Kapitänskammer fragte Hasard Chester so nebenbei, wo denn die Kammer von Sir Thomas sei und warum er frei auf dem Schiff herumlaufe. Kapitän Drake hätte doch befohlen, ihn unter Arrest zu halten. „Ich kann doch keinen Edelmann in Ketten legen oder einsperren“, erwiderte Chester weinerlich. „Die Königin hätte mich im Tower köpf en lassen.“ Hasard schwieg. Gegen soviel Unterwürfigkeit war nichts auszurichten. Als sie in der Kapitänskammer waren, fragte Hasard nach dem Logbuch, das Chester ihm nur zögernd aushändigte. Hasard schlug es auf und sah, daß in den letzten zehn Tagen nicht eine einzige Eintragung erfolgt war.
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„Wie wollen Sie das Kapitän Drake erklären?“ fragte Hasard. John Chester war ein gebrochener Mann. „Ich war krank, Mister Killigrew“, jammerte er. „Ich war tagelang nicht bei Bewußtsein. Sie müssen mir glauben!“ „Was ich glaube, ist nicht maßgebend“, erwiderte Hasard kalt. „Sie können nur hoffen, daß Kapitän Drake Ihnen Ihre Geschichte abnimmt. Wenn ich Ihnen einen Rat geben darf, dann nehmen Sie in Zukunft keine Rücksicht mehr auf den hohen Titel von Sir Thomas. Sonst könnte es sein, daß Sie neben ihm an einer Rah hängen.“ „Sie – Sie meinen, Kapitän Drake würde seinen Freund Sir Thomas ...“ Der Gedanke war für John Chester unvorstellbar. „Sir Thomas ist ein Vertrauter von Lordschatzkanzler Burghley!“ „Umso schlimmer“, sagte Hasard trocken. „Sie sollten wissen, daß Drake und Burghley sich nicht riechen können.“ Chester schwieg. Das war zuviel für ihn. Er schaffte es nicht, seine Gedanken zu ordnen. „Ich möchte mir noch Ihre Karten ansehen, Sir“, sagte Hasard. „Ich wäre Ihnen zu Dank verpflichtet, wenn Sie indessen die Arbeiten an Deck beaufsichtigen.“ Chester nickte abwesend und ging schnell zur Tür. Hasard wartete nicht, bis er den Gang verlassen hatte. Er folgte dem Kapitän und huschte aus der Kammer, als die Tür zum Achterdeck zuschlug. Mit ein paar Schritten war er bei Doughtys Kammer und stieß die Tür auf. Er brauchte nicht lange zu suchen. Es gab nicht viele Möglichkeiten in diesen engen Kammern, etwas zu verstecken. Hasard nahm die schwarze Tasche unter einem Bord hervor und öffnete sie. Die kleinen Papiertüten fielen ihm sofort auf. Er öffnete eine und schüttete den Inhalt in seine Hand. Es war ein gelblichgraues Pulver. Er hob es an die Nase und roch. Schwefel. Der Gestank des Satans. Hasard grinste. Mit diesem Pulver hatte Sir Thomas die Männer auf der „Swan“
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genarrt. Aber wie hatte er es zum Qualmen gebracht? Hasard hatte den Gedanken noch nicht zu Ende gedacht, als das Pulver in seiner Hand plötzlich mit einem Zischen verpuffte. Eine weiße Wolke stieg aus seiner Hand empor und verbreitete einen beißenden, nach Schwefel stinkenden Geruch. Hasard erschrak nicht schlecht. Und als er sich wieder gefangen hatte, konnte er sich ausmalen, was die einfachen Gemüter in der Kuhl von solchem Zauber halten mußten. Hasard betrachtete seine Hand. Das Pulver hatte nicht viel Hitze entwickelt. Es mußte ungeheuer leicht entzündbar sein. Wahrscheinlich schon von der Körperwärme der Hand. Hastig steckte Hasard sich ein paar der Papierbeutel ein und verließ die Kammer. John Chester stand neben den beiden Doughty-Brüdern an der Quarterdeckgalerie und trieb seine Männer mit laschen Worten an. Hasard stellte sich neben ihn. Die bösen Blicke der Doughtys beachtete er nicht. „Beeilt euch ein bißchen, Männer!“ rief er. „Die ,Swan` leckt wie ein löchriger Eimer. Oder wollt ihr mit ihr absaufen?“ „Ob wir hier untergehen oder in fremden Ländern von Dämonen getötet werden“, klang die Stimme von Sir Thomas Doughty auf. Es waren die ersten Worte, die er seit der Ankunft der „Isabella“ von sich gegeben hatte. Hasard lachte laut. „Wer behauptet, daß es in der Neuen Welt Dämonen gibt, ist ein Dummkopf“, sagte er ohne Rücksicht auf die Reaktion, die seine Worte bei Sir Thomas hervorrufen konnten. „Die Portugiesen und die Spanier haben dieses Land erobert und unermeßliche Schätze in ihr Heimatland geholt. Ihr alle habt von den Silberflotten gehört, die Jahr für Jahr den Reichtum der spanischen Krone mehren. Wir sind ausgezogen, um uns unseren Anteil an diesem Reichtum zu sichern. Warum sollten wir mehr Angst haben, als die Spanier und Portugiesen?“ Er blickte die
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Männer der „Swan“, die schon alle irgendwann einmal mit Drake gefahren waren, der Reihe nach an. „Habt ihr nicht alle schon Seite an Seite mit Kapitän Drake gegen Spanier und Portugiesen gekämpft? Glaubt ihr tatsächlich, daß diese Männer tapferer sind als ein englischer Seemann?“ „Ein Kampf gegen Dämonen ist aussichtslos“, sagte Sir Thomas dumpf. „Das mag sein“, erwiderte Hasard trocken, „aber mir ist bisher in meinem Leben noch nie ein Dämon begegnet.“ Hasard sah, wie Matt Davies mit einem der Männer von der. „Swan“ tuschelte. Dann streckte der Mann den Arm aus und wies auf Sir Thomas. „Er — er spricht mit dem Satan!“ rief er. „Er weiß, daß die Dämonen uns verschlingen wollen!“ „Hat ihn einer von euch mit dem. Satan sprechen hören?“ fragte Hasard. „Nein!“ rief der Mann. „Aber aus seiner Hand steigt gelber Rauch, und dann kann man den Gestank des Leibhaftigen riechen!“ Hasard warf einen kurzen Blick zu Thomas Doughty hinüber. Doughty hatte seine Lippen spöttisch nach oben gezogen, aber seine Augen blickten boshafter denn je, um die Männer dort unten in der Kuhl einzuschüchtern. Hasard begann aus vollem Hals zu lachen. „Hat Sir Thomas euch eins seiner kleinen Zauberkunststücke vorgeführt?“ fragte er. Er holte ein Tütchen mit dem Pulver hervor. „Hier, das ist sein Qualm, mit dem er euch weismachen will, daß er mit dem Satan spricht.“ Er riß die Tüte auf und schüttete das Pulver in seine Handfläche. Er sah das spöttische Grinsen in Doughtys Gesicht und wußte plötzlich, daß er sich auf ein gefährliches Experiment eingelassen hatte. Gespannt starrte er auf das Pulver. Es begann nicht zu zischen. Wodurch war der Vorgang in der Kammer ausgelöst worden? fragte Hasard sich verzweifelt. Sir Thomas lachte jetzt. Ohne ein Wort zu sagen, hielt er den Leuten seine offene, leere Handfläche entgegen. Dann ballte er die Hand zur Faust, und als er sie wieder
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öffnete, fauchte eine gelblichweiße Wolke daraus hervor, und der unerträgliche Gestank von Schwefel verbreitete sich über dem Deck. Hasard sah an den weitaufgerissenen Augen der „Swan“-Mannschaft, daß sein Versuch, Thomas Doughty zu überführen, völlig danebengegangen war. Jetzt mußte er höllisch aufpassen, wenn er das Spiel nicht vollends verlieren wollte. Hoffentlich hatte Ben Brighton auf der „Isabella“ in seiner Aufmerksamkeit noch nicht nachgelassen. Hasard atmete auf, als in diesem Augenblick das Boot von der „Isabella“ anlegte und die Köpfe seiner Männer über dem Schanzkleid auftauchten. Er sah Smoky, den Kutscher, Dan O'Flynn, Gary Andrews, Stenmark und Al Conroy. Neben Jim Fraser grinsten ihn die Gesichter von Batuti und Pete Ballte an, der mit seinen mächtigen Fäusten das Schanzkleid zu zerquetschen schien. „Oh, Lord! dachte Hasard, du hast sie im rechten Augenblick geschickt! Matt Davies und Blacky, die sich schon an Bord der „Swan“ befunden hatten, waren mit wenigen Schritten bei ihrem Kameraden und unterrichteten sie mit knappen Worten von der verfahrenen Lage. Wortlos bildeten die Männer einen Ring um die anderen, ohne daß diese etwas davon bemerkten. Auch Sir Thomas nicht, denn für ihn sahen alle Seeleute ohnehin gleich aus. Hasard warf einen kurzen Blick zur „Isabella“ hinüber. Außer Ben Brighton und Ferris Tucker befanden sich noch Hancock und ein paar Burschen aus der neuen Mannschaft an Bord. Das mußte ausreichen, um die absaufende „Swan“ unter Druck zu setzen. Hasard drehte sich um, als er Schritte hörte. Der Steuermann, den er schon seit Stunden nicht mehr gesehen hatte, stand plötzlich hinter ihm. Seine Augen waren unnatürlich groß, das Gesicht mit hektischen roten Flecken übersät. „Sir“, sagte er mit heiserer Stimme. „Es ist besser, wenn Sie die Anordnungen von Sir Thomas folgen. Sie können es doch nicht
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auf Ihr Gewissen laden, daß der Satan uns ...“ Hasard packte den Mann am Hemd und schüttelte ihn wütend. „Was soll das heißen?“ sagte er scharf. „Welche Anweisungen hat Sir Thomas hier an Bord gegeben?“ Doughty wollte einen Schritt auf Hasard zutreten, doch plötzlich war ein gedrungener, kräftiger Mann an seiner Seite und hielt einen glitzernden, scharfgeschliffenen Haken, der eine fehlende Hand ersetzte, so in die Luft, daß die Spitze nur wenige Zoll von der ehrenwerten Kehle Sir Doughtys entfernt war. Hasard schüttelte den Steuermann. „Rede, Kerl! Oder soll ich die Antwort aus dir herausprügeln?“ Ein Murren klang unter den Männern in der Kuhl auf. Hasard achtete nicht darauf. Er wußte, daß er sich auf seine Leute verlassen konnte. Der Steuermann warf einen furchtsamen Blick auf Sir Thomas, der sich nicht zu rühren wagte. „Er — er hat befohlen, den Kurs zu ändern und nach Norden zu segeln“, flüsterte er. Hasard verschlug es fast die Sprache. Bisher waren es alles nur Vermutungen gewesen, doch jetzt trat Doughtys Meuterei gegen Francis Drake deutlich zutage. „Und Sie haben das zugelassen, Mister Chester?“ fragte er ungläubig. „Mister Killigrew — Sie müssen verstehen“, stotterte Chester. „Sir Thomas ist doch Miteigner an der ,Swan' und so etwas wie der Stellvertreter von Kapitän Drake. Er steht doch über mir, und ich kann seine Anweisungen nicht so ohne weiteres ignorieren. Ich habe ja versucht, zu protestieren, aber ...“ „Verdammt noch mal, Sir Thomas Doughty ist ein Gefangener!“ brüllte Hasard. „Und Kommandobefugnisse hat er auf der ,Swan' schon gar nicht!“ Jetzt hörte auch Hasard den Lärm in der Kuhl.
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„Er wird uns alle der Hölle ausliefern, wenn wir ihm nicht helfen!“ rief einer der „Swan“-Männer. Das war das Signal zum Angriff. Ein paar Männer zugleich wollten den Aufgang zum Quarterdeck stürmen, doch wie aus den Planken gewachsen standen plötzlich Batuti und Stenmark da, jeder in der Hand einen Belegnagel, der auf den Köpfen der Heranstürmenden zu tanzen begann. Mit wildem Gebrüll stürzten sich die anderen Männer von der „Isabella“ in den Kampf. „Arwenack!“ schrie Dan O'Flynn mit sich überschlagender Stimme. Er hieb einem Mann die stumpfe Seite seiner gekürzten Pike auf den Arm, als dieser eine Pistole aus dem Gürtel hervorzerren wollte. Wie Donnergrollen fegte der Schlachtruf der „Isabella“-Mannschaft über das entmastete Deck der „Swan“. Mit glänzenden Augen hieben die Männer drein wie die Berserker. Sie trafen die Köpfe der einfachen Seemänner, die noch vor Stunden ihre Kameraden gewesen waren, aber sie meinten die Teufelsfratze von Sir Thomas Doughty, der sie alle an der fremden Küste hatte verrecken lassen wollen. Hasard donnerte einem Mann, der über die Galerie aufs Quarterdeck klettern wollte, die Faust mitten ins Gesicht, daß er röchelnd zurück in die Kuhl flog. Matt Davies hielt seinen Eisenhaken immer noch an die Kehle von Sir Thomas, aber jetzt war die Spitze nicht mehr weit von seinem Hals entfernt. Wenn Doughty sich bewegte, dann bohrte sie sich in seine Haut. Mit der anderen Faust hatte Matt Davies John Doughty am Genick. Der jüngere Doughty kreischte wie ein Irrer, aber es gelang ihm nicht, sich aus dem Griff zu befreien. Drüben auf der „Isabella“ beobachteten die Zurückgebliebenen den hin und her wogenden Kampf. Auch von drüben scholl der Schlachtruf „Arwenack“ herüber. Der kleine Schimpanse sprang wie verrückt im Großmars herum, und jedesmal, wenn wieder einer „Arwenack“ brüllte, begann
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er zu kreischen, als wolle er die Männer der „Isabella“ anfeuern. John Chester hatte sich bis zur Tür, die unters Achterdeck führte, zurückgezogen. Am liebsten hätte er die Pistole unter seinem Wams hervorgeholt und sich eine Kugel durch den Kopf gejagt. Aber auch dazu fehlte ihm der Mut. Der Kampf in der Kuhl tobte noch eine Weile hin und her. Doch obwohl .die Männer von der „Swan“ in der Übermacht waren, wurden sie immer weiter zurückgedrängt, und als der erste kopfüber ins Wasser stürzte und erst in letzter Sekunde vor einem heranschießenden Hai gerettet werden konnte, war die Schlacht entschieden. Die „Swan“-Männer gaben kleinlaut auf. Stöhnend behandelten sie ihre Beulen und sahen tatenlos zu, wie die beiden DoughtyBrüder von Matt Davies und Stenmark gefesselt wurden. „Bringt sie sofort rüber zur ,Isabella' und sperrt sie in eine Kammer ein“, sagte Hasard flüsternd zu Matt. „Wenn die Männer die höllischen Augen des Kerls nicht mehr sehen, werden sie ihren Verstand schon wiederfinden.“ Matt Davies stieß die beiden Doughtys vorwärts und bahnte sich einen Weg durch die Männer, die scheu zurückwichen. „Los jetzt!“ rief Hasard. „Wir vergessen die kleine Prügelei und bringen die letzten Sachen zur ‚Isabella' hinüber. Wenn wir noch länger auf der ,Swan` bleiben, saufen wir noch mit ihr ab. Die Freude wollt ihr den schwarzen Biestern da im Wasser doch wohl nicht gönnen, wie?“ Wortlos gingen die Männer wieder an ihre Arbeit. Sie schufteten noch vier Stunden, dann war alles, was noch zu gebrauchen war, auf. die „Isabella“ geschafft worden. Blacky und Smoky hatten inzwischen die „Swan“ angebohrt, und sie hatten die „Isabella“ mit dem letzten Boot noch nicht ganz erreicht, als die „Swan“ wie ein Stein wegsackte. Dan O'Flynn brüllte „Arwenack!“ als hätte er einen Feind versenkt.
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Der Schimpanse, der sich inzwischen wieder auf Smokys breite Schultern begeben hatte, kreischte vor Vergnügen. „Hast du gehört, Smoky?“ rief Dan. „Er mag unseren Schlachtruf. Er freut sich jedesmal, wenn wir ,Arwenack` rufen.“ Prompt hüpfte der Schimpanse auf Smokys Schultern herum und kreischte: „Meinst du wirklich?“ Smoky schien nicht ganz überzeugt. Das Bürschchen nickte eifrig. „Das ist der richtige Name für ihn“, sagte er voller Überzeugung. „Wollen wir es noch mal probieren?“ Smoky nickte skeptisch, doch als der Schimpanse nach dem nächsten Schlachtruf den gleichen wilden Tanz aufführte, gab er sich geschlagen. Eigentlich hatte er sich für seinen Schützling ja einen schönen Namen aus irgendeiner griechischen Sage, die ihm zu seiner Kinderzeit ein alter Mann erzählt hatte, ausgedacht, aber wenn der Affe sich selbst für „Arwenack“ entschieden hatte, dann konnte er nicht nein sagen. Die „Isabella“ lag sehr tief, und Hasard sah schon an Ferris Tuckers Gesicht, was los war, als dieser auf dem Quarterdeck auftauchte. „Wieder das alte Leck?“ fragte Hasard. „Wenn es das nur wäre“, sagte Ferris Tucker brummend. „Die Portugiesen hätten das Schiff schon längst mal überholen müssen. Es platzt aus allen Nähten. Ich hab' im Achterschiff ein Leck entdeckt, durch das das Wasser in hohem Bogen hereinrauscht.“ Hasard fluchte unterdrückt. Das hatte ihm noch gefehlt. Sie. waren mindestens fünf Tagesreisen von der Küste entfernt und völlig überladen. Sie würden eine Menge Glück brauchen, wenn sie die Mündung des Rio de la Plata heil erreichen wollten. „Stell ein paar Männer von der ,Swan` an die Lenzpumpe“, sagte er. „Sie sollen sich alle Stunde abwechseln. Und versuch die Ritzen so dicht zu kriegen, wie es eben möglich ist, Ferris. Es geht nicht nur um unser Leben, sondern auch um das von Kapitän Drake und seiner Leute.“ „Aye, aye, Sir“, sagte Ferris Tucker.
Bordgericht 9.
Mehr als zwei Wochen waren inzwischen vergangen, und noch immer segelte die kleine Flotte von Francis Drake an der Küste der Neuen Welt entlang nach Süden. Sir Thomas Doughty und sein Bruder befanden sich auf der „Pelican“. Die ersten Tage nach Hasards Ankunft in der Mündung des Rio de la Plata hatte Drake Sir Thomas und seinen Bruder in eine Kammer gesperrt, und soviel Hasard inzwischen gehört hatte, war Sir Thomas wesentlich ruhiger geworden. Auch nachdem Francis Drake ihm erlaubt hatte, sich wieder frei auf dem Schiff zu bewegen, war Doughty zurückhaltend geblieben und hatte nichts unternommen, um die anderen Reisenden zu beunruhigen. Hasard machte sich über Doughty bald keine Gedanken mehr. Er hatte genug mit seinem Schiff zu tun. Kapitän Drake hatte ihnen nach ihrer Rückkehr nur drei Tage zugestanden, die größten Schäden am Rumpf der „Isabella II.“ zu beheben. Die Zeit hatte bei weitem nicht ausgereicht. Immer noch drang Wasser an verschiedenen Stellen ins Schiff, und das Lenzen am Vormittag und am Abend war schon zur Routine geworden. Zum Glück hatten sie in den zwei Wochen nur einen Sturm überstehen müssen. Wieder einmal hatte Hasard ein Elmsfeuer gesehen, von dem schon so oft erzählt worden war. Auf dem Höhepunkt des Sturms erschien plötzlich an der Topstenge des Großmastes ein vielleicht yardlanges Feuer, das einer Fackel oder einem glühenden Schwert glich. Fast zwei Stunden lang blieb es dort oben an der äußersten Spitze des Mastes, und als es schließlich verschwand, war auch die Macht des Sturms gebrochen. Oft gerieten die Schiffe dicht unter Land, das immer flacher zu werden schien. Die Kapitäne mußten höllisch aufpassen, daß sie nicht während der Nacht auf eine der gefährlichen wandernden Sandbänke aufliefen.
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In einer weiten Bucht, in der die Schiffe zwei Tage vor Anker gingen, um Frischfleisch für die Mannschaften zu beschaffen, sahen sie wieder die fetten Gänse, die nicht fliegen konnten und deren Fleisch so schmackhaft war. Außerdem wimmelte die Bucht von Seelöwen. Die großen Tiere sahen mit ihren großen Zähnen sehr gefährlich aus, aber an Land konnten sie sich nur plump vorwärtsbewegen. Sie waren von verschiedener Farbe, von hellbraun bis schwarz. Ihre Köpfe mit den kurzen runden Ohren ähnelten denen von Kälbern. Sie hatten keine Beine, sondern eine Fischflosse, und ihre Pfoten, die unmittelbar am Körper saßen, glichen Menschenhänden, deren Finger mit Schwimmhäuten verbunden waren. Am zweiten Tag tauchte ein großes Rudel Wale auf, die ziemlich verspielt schienen, denn sie sprangen mit gewaltigen Sätzen aus dem Wasser, was einen fürchterlichen Lärm verursachte. Manche Tiere waren so lang wie die Schiffe. Die meisten Männer fürchteten sich vor diesen Kolossen, und wenn sie in der Nähe waren, wagte es niemand, ein Boot zu Wasser zu lassen. Dann fiel einer der Männer über Bord der „Mary“, als sich eins der Ungeheuer in der Nähe des Schiffes befand. Alle dachten schon, es sei um den Mann geschehen, aber der riesige Wal schwamm nur dicht an ihm vorbei und tat ihm nicht das geringste. Daraufhin ließen die Männer der „Isabella“ ein Boot zu Wasser, und e Stenmark, Batuti, Blacky und Smoky pullten mitten zwischen den Walen hindurch zum Strand, ohne daß auch nur einer der Kolosse das Boot berührt hätte. Lord Brooke, der mit Kapitän Drake in der Mündung des Rio de la Plata umhergesegelt war, ohne die Edelsteininsel zu finden, hatte seinen größten Wunsch immer noch nicht erfüllen können. Auch in dieser Bucht schienen keine Menschen zu wohnen. Als sie wieder ausliefen, stieg Lord Brooke auf die „Isabella“ über. Er behauptete, die Atmosphäre auf der „Pelican“ sei
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giftgeschwängert, und er könne dieses ewige Sich-an-Schweigen nicht länger ertragen. Die Weiterfahrt verlief eintönig. Dann überquerten sie den 49. Breitengrad, und Hasard wußte, daß sie nicht mehr weit von der Bucht entfernt waren, in der Maghellan auf seiner Reise überwintert hatte. Lord Brooke geriet in fieberhafte Erregung, denn aus den Berichten von Maghellans Reise wußte er, daß die Bucht, die Maghellan St. Julian genannt hatte, Menschen beherbergte. Am 20. Juli im Jahre des Herrn 1578 liefen die fünf Schiffe von Francis Drakes Flotte in den Naturhafen von St. Julian ein. Schneeböen wehten über die Schiffe weg. Die Männer mußten sich Warm anziehen, um das eisige Wetter durchstehen zu können. Eine gedrückte Stimmung herrschte an. Bord aller Schiffe. Jeder wußte, was in dieser Bucht vor 58 Jahren geschehen war. Hier hatte Maghellan eine Meuterei einiger seiner Kapitäne unterdrückt und die Meuterer kurzerhand hinrichten lassen. Einer der Meuterer war gevierteilt worden, ein anderer entging dieser entsetzlichen Strafe nur, weil er flüchtete und dabei erstochen wurde. Von dieser Bucht aus hatte Maghellan dann einzelne Schiffe losgeschickt, um einen Weg um die Süd- spitze des Kontinents zu erkunden. Aus den Berichten war bekannt, daß es noch etwa zweihundert Meilen bis zur Durchfahrt zur Südsee waren. Soweit Hasard unterrichtet war, hatte Francis Drake nicht vor, hier zu überwintern oder wie Maghellan die Schiffe einzeln auf die Suche zu schicken. Francis Drake schien sich seiner Sache absolut sicher. Die „Isabella“ löste sich langsam in ihre Bestandteile auf. Die Mannschaft hatte versucht, zu retten, was zu retten war, denn jeder von ihnen wußte, daß sie unter einem anderen als Hasards Kommando fahren mußten, wenn sie ihr Schiff verloren. Aber hier in der Bucht von St. Julian mußte auch der optimistische Dan O'Flynn
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einsehen, daß die „Isabella“ zu einem Sarg geworden war. Mit der „Mary“ sah es nicht anders aus. Die Portugiesen schienen ihren Schiffen nur wenig Pflege angedeihen zu lassen. Wenn man bedachte, daß davon das Leben von ein paar Dutzend Menschen abhing, war es schon mehr als leichtsinnig, ein Schiff so verkommen zu lassen. Nach Hasards Bericht über den Zustand der „Isabella“ gab Francis Drake den Befehl, das Schiff auflaufen zu lassen. Nicht weit von ihr entfernt wurde die „Mary“ an Land gesetzt. Die Männer begannen unverzüglich damit, die beiden Schiffe abzuwracken. Das Holz wurde zu Brennholz verarbeitet. Inventar, Proviant und Waffen wurden auf die restlichen drei Schiffe verteilt. Hasards Männer waren unruhig. Sie wußten nicht, was mit ihnen geschehen sollte. Sie waren sich darüber im klaren, daß die Mannschaften der beiden abgewrackten Schiffe ebenfalls auf die „Pelican“, die „Marygold“ und die „Elizabeth“ verteilt werden würden. Als Francis Drake den Leuten seine Entscheidung mitteilten wollte, drängten sich die Männer um Hasard unwillkürlich zusammen, als wollten sie damit andeuten, daß sie eine Einheit waren und nicht auseinandergerissen werden wollten. Ein leichtes Lächeln huschte über die Züge von Francis Drake, als er es sah, und da er für die weitere Fahrt auf der „Pelican“ eine kampfstarke und loyale Mannschaft haben wollte, entschied er sich für Hasards Männer. Drake kommandierte einen Teil seiner bisherigen Besatzung auf die „Marygold“ und übernahm dafür geschlossen die Besatzung der „Isabella“. Am Strahlen der Gesichter sah Francis Drake, welche Freude er den Männern bereitet hatte. Es hätte nicht viel gefehlt, und sie wären in ein respektloses Hurragebrüll ausgebrochen. Edwin Carberry, Mac Pellew und Patrick Evarts begrüßten die alten Kampfgefährten dafür umso wilder. Nur mit Smoky gab es ein kurzes Handgemenge, als Carberry
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Meinte, er würde auf seinem Schiff keinen Affen dulden, und Smoky darauf erwiderte, daß dann Carberry selbst ebenfalls nicht an Bord sein dürfte. Arwenack klaute Carberrys Mütze, und erst als der Profos seine Einwilligung gab, daß Arwenack bleiben durfte, sorgte Smoky dafür, daß Carberry seinen speckigen Deckel zurückkriegte. 10. Lord Brooke war in seinem Element. Während die Seeleute ihre Schiffe für den letzten und schwierigsten Teil der Reise um den neuen Kontinent vollständig überholten, hatte er es geschafft, Verbindungen zu den Eingeborenen herzustellen, die von den Portugiesen Patagonier genannt wurden, was soviel wie Großfüßler hieß. Die Patagonier trugen wegen der Kälte große Schuhe aus Leder, die sie mit getrocknetem Gras gefüllt hatten. Das hatte bei den ersten Entdeckern den Eindruck erweckt, als hätten diese Wilden enorm große Füße. Der erste der Patagonier war drei Tage nach ihrer Ankunft aufgetaucht. Zuerst hatte er Furcht gezeigt, doch als Lord Brooke an Land ging und ihm ein paar bunte Tücher und kleine Glöckchen zeigte und ihm zu verstehen gab, daß er ihm die Sachen schenken wolle, war er zutraulicher geworden. Aber sein Blick war mißtrauisch geblieben. Er hatte Brooke nie aus den Augen gelassen. und der Speer in seiner Hand war immer wurfbereit gewesen. Der Wilde war fast sechs Fuß groß und schlank, aber von muskulöser Gestalt. Sein Gesicht hatte er rot angemalt. Die Augen wurden von einem gelben Kreis eingerahmt, und auch auf die Wangen hatte er sich Kreise gemalt. Er trug einen weiten Mantel, der aus Tierfellen zusammengefügt war, an den Füßen hatte er die genannten großen Schuhe. Außer seinem Speer trug er noch einen kurzen Bogen auf dem Rücken und einen Köcher, in dem Pfeile aus Schilfrohr
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steckten. Einige davon waren nur gespitzt, andere trugen Steinspitzen. Lord Brooke hatte die richtige Art gefunden, mit dem Wilden umzugehen. Er drängte ihn nicht. Seine Bewegungen waren ruhig, und er ging auf jeden Blick des Wilden ein. Mit Händen und Füßen versuchte er dem Patagonier klarzumachen, daß er gern mehr von ihnen sehen würde, und schließlich verstand der Wilde. Er wies ins Land und nickte. Dann hielt er die bunten Tücher Brooke entgegen und beschrieb mit der Hand einen Kreis. Lord Brooke nickte. „Jeder, der hierherkommt, kriegt das gleiche“, sagte er in seinem Eifer, ohne daran zu denken, daß der Wilde ihn nicht verstand. Der Patagonier verschwand, und nur Stunden später war er mit fünf weiteren Männern zurückgekehrt, die ihre Scheu nur langsam ablegten. Hasard war gerade bei Francis Drake in der Kammer gewesen, als Lord Brooke ohne anzuklopfen hereingestürmt war. „Mister Drake!“ rief er. „Ich glaube, die Patagonier hätten nichts dagegen, wenn ich sie in ihr Dorf begleite. Ich möchte Sie bitten, mir ein paar Männer mitzugeben. Ich möchte einiges von dem Tand mitnehmen, über den sich die Wilden so freuen.“ Francis Drake hatte schroff geantwortet, denn andere Sorgen drückten ihn weitaus mehr. Sir Thomas Doughty hatte seit ihrer Landung in St. Julian seine Zurückhaltung aufgegeben, und Drake hatte bereits gehört, daß er schon wieder versuchte, den Leuten Angst vor der Weiterfahrt einzujagen. Aber Lord Brooke hatte nicht lockergelassen. Er hatte sich ein paar Männer ausgesucht, die sich freiwillig gemeldet hatten, und war dann mit den Patagoniern losgezogen. Drei Tage vergingen, und alle nahmen bereits an, daß sie von Lord Brooke und den anderen höchstens noch ein paar abgenagte Knochen wiedersehen würden, als die kleine Expedition wieder auftauchte. Sie wurde von ein paar
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Eingeborenen begleitet, die aber gleich darauf wieder verschwanden. Die Männer auf den Schiffen bestaunten die seltsamen Tiere, die Lord Brooke bei sich hatte. Sie hatten Kopf und Ohren wie ein Maultier, den Körper eines Kamels und die Beine eines Hirsches. Der Schweif erinnerte an ein Pferd. Die Tiere waren beladen, und Lord Brooke wies die Männer seiner Begleitung an, seine Schätze an Bord der „Pelican“ zu bringen. Wenig später saß er in seiner Kammer, und Hasard betrachtete die Sachen, die er von den Eingeborenen mitgeschleppt hatte. Da waren diese Fellmäntel, die Schuhe, Waffen und Dinge des täglichen Gebrauchs. „Sie glauben gar nicht, was ich alles erfahren habe“, sagte Lord Brooke begeistert: „Ich muß in den nächsten Tagen alles aufschreiben, sonst vergesse ich das meiste. Wissen Sie, diese Menschen haben kein festes Dorf. Sie sind Nomaden. Sie bauen keine Hütten, sondern nur eine Art Windschutz. Dazu benutzen sie das Fell der Tiere, die ich mitgebracht habe. Sie essen nur rohes Fleisch und eine Art Wurzel, die sie Chapae nennen, und die 'sehr süß ist. Ein paarmal habe ich gesehen, wie sie kleine Mäuse aßen, ohne ihnen vorher die Haut abzuziehen.“ Er schüttelte sich. „Aber sonst sind sie sehr freundlich. Sie sollten mal ihre Frauen sehen. Sie sind genauso groß wie die Männer, aber viel dicker, sie müssen die ganze Arbeit verrichten. Die Männer gehen nur auf die Jagd. Die Frauen haben seltsame Brüste. Sie hängen herab und sind bei manchen fast einen Fuß lang.“ Lord Brooke geriet ins Erzählen, und Hasard konnte sich seinem Bann nicht entziehen. Auch er war an allem Neuen interessiert, und wenn man fremde Völker so betrachtete, wie Lord Brooke es tat, und sich für die kleinste Einzelheit begeisterte, dann könnte man sich für solche Forschungen schon interessieren. „Wissen Sie, wie lange Kapitän Drake noch hier in St. Julian bleibt?“ fragte Lord Brooke.
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„Mindestens noch eine Woche“, sagte Hasard. „Die Schiffe haben unter den schweren Stürmen mehr gelitten, als wir angenommen hatten. Die ,Marygold` muß am Bug völlig neu kalfatert werden. Ich glaube nicht, daß wir vor acht Tagen auslaufen.“ „Das ist gut“, sagte Lord Brooke zufrieden. „Ich möchte die Wilden noch einmal aufsuchen. Es gibt noch so vieles, das ich wissen möchte. Unsere Verständigung ist noch nicht sehr gut. Ich weiß nicht, wie ich sie verstehen soll, wenn sie zum Beispiel von ihrer Religion oder von Krankheiten sprechen. Ich sah einen der Männer, der sich einen Pfeil immer wieder in den Mund stieß. Soviel ich verstanden habe, hatte der Mann Magenschmerzen. Schließlich würgte er eine grünliche, mit Blut vermischte Masse hervor. Die Patagonier haben mir auf meine Fragen dann diese Pflanze gezeigt.“ Lord Brooke holte eine Art Distel aus seinen Sachen hervor. „Sie kauen sie und müssen sich dann erbrechen. Sie kennen auch den Aderlaß wie wir in Europa. Sie glauben, daß alle Krankheiten aus dem Blut kommen, das nicht mehr an den kranken Stellen des Körpers bleiben will. Deshalb schneiden sie an der Stelle des Schmerzes die Haut auf und lassen das Blut abfließen. Sie sehen, in der Medizin sind wir in unserem zivilisierten Europa noch nicht viel weiter als die Patagonier.“ Lord Brooke lächelte. Er sah, welchen Eindruck Seine Erzählungen bei seinem Zuhörer hinterließen. Er blickte Hasard eine Weile von der Seite an und sagte: „Würde es Sie nicht reizen, das nächste Mal mit mir zu den Patagoniern zu gehen?“ Hasard, der einen Pfeil mit einer kunstvoll zurechtgehauenen Steinspitze betrachtete, sah auf. Er überlegte eine Weile und hob dann die Schultern. „Ich weiß nicht, was Kapitän Drake dazu sagen würde“, meinte er. „Schließlich bin ich wachhabender Offizier auf der ,Pelican` und kann nicht so ohne weiteres für ein paar Tage verschwinden.“ Lord Brooke winkte ab.
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„Sie kennen meinen Charme noch nicht“, sagte er lächelnd. „Wenn Sie wirklich mitkommen wollen, werde ich den Kapitän schon überreden.“ „Einverstanden“, sagte Hasard. 11. Hasard fühlte sich unter den etwa achtzehn Patagoniern so wohl wie damals vor zehn Jahren in Gegenwart des gezähmten Bären, den sein Alter mal für ein paar Wochen auf Arwenack hatte frei herumlaufen lassen, bis er einen Jungen vom Gesinde schwer verletzt hatte. Sie befanden sich nicht weit von der Bucht entfernt, in der die Schiffe Drakes lagen. Die sechzehn Männer und zwei Frauen, die hier ihre primitiven Windschutzplatten aus Tierfellen aufgebaut hatten, schienen zu den mutigeren Leuten ihres Volkes zu gehören. Vielleicht aber waren sie auch nur die gierigsten, die sich weitere Geschenke von den Schiffmännern versprachen. Hasard las sämtliche Empfindungen in den Augen der Eingeborenen. Einige begegneten ihnen wirklich mit natürlichem Zutrauen, andere blickten immer wieder mißtrauisch auf die Hände der Fremden, als befürchteten sie jederzeit, von ihnen heimtückisch ermordet zu werden. Lord Brooke hatte die Wilden vorsichtig auszufragen versucht, ob sie vorher nie weiße Männer gesehen hätten. Nur einer von ihnen schien von einem seiner Vorfahren gehört zu haben, daß schon einmal weiße Männer in dieser Bucht gelandet waren und dabei ein paar Patagonier getötet hätten. Aber keiner der achtzehn Wilden hier im Lager war so alt, als daß er die Landung von Maghellans Flotte noch hätte erleben können. Die beiden Frauen waren nach Lord Brookes Aussage die weitaus hübschesten, die er in dem großen Dorf weiter Lm Landesinneren gesehen hatte. Zwar hatten auch sie schon diese häßlichen hängenden Brüste, aber sie waren noch nicht so groß und schwer wie bei den älteren Frauen. Lord Brooke begegnete den Patagoniern mit einer für Hasards Begriffe schon
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beinahe leichtsinnigen Unbekümmertheit. Doch er mußte zugeben, daß die Eingeborenen es zu spüren schienen, wer ihnen mißtraute und wer ihnen wohlgesonnen war. Batuti, Dan O'Flynn und Hancock hatten Hasard begleitet, und Kaplan Fletcher hatte sich Lord Brooke angeschlossen, als er hörte, daß Brooke die Patagonier über ihre Religion ausfragen wollte. Batuti wurde von den Wilden am meisten bewundert. Scheu traten die Männer an ihn heran und prüften, ob er sich mit schwarzer Farbe angemalt hatte. Brooke malte zwei Erdteile in sein Notizheft, dazwischen Wasser, auf dem Schiffe schwammen. Dann zeigte er den Wilden, wo sie lebten und wo Batuti herkam. Sie verstanden sofort. Sie wiesen übers Meer und nickten eifrig. Seit diesem Zeitpunkt schienen sie Batuti für einen der ihren anzusehen. Die beiden Frauen schleppten ihn mit sich und reichten ihm in einem flachen Tongefäß ein weißes Pulver, das sie aus den süßen Wurzeln bereitet hatten. Batuti sah nicht gerade begeistert aus, als sie ihn aufforderten, das Pulver zu essen, aber es blieb ihm nichts weiter übrig. „Verdammt, Batuti hat es gut“, sagte Hancock brummend zu Dan O'Flynn. „Ich hab' schon so lange keine Weiber mehr gesehen, daß ich sogar die älteste aus dem Dorf vernaschen würde. Wenn ich daran denke, wie weit wir von England weg sind, finde ich die beiden Grazien verdammt hübsch.“ „Laß bloß die Finger von den beiden“, sagte Dan leise. „Ich hab' vom Lord gehört, daß die Großfüße ziemlich empfindlich sind, was ihre Weiber angeht. Wahrscheinlich deshalb, weil sie ihre besten Arbeitstiere sind“, fügte er grinsend hinzu. „Sie können doch nichts dagegen haben, wenn wir uns mit den beiden ein bißchen vergnügen“, sagte Hancock, und in seinen Augen war ein begehrliches Glitzern. „Schließlich hinterläßt das ja keine Wunden.“
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Dan O'Flynn wollte Hancock noch einmal warnen, aber er wurde von einem gutturalen Gelächter abgelenkt. Er blickte zu Thomas Fletcher hinüber, der beide Arme ausgebreitet hatte und vor den Patagoniern fromme Reden hielt, von denen diese nicht das geringste verstanden. Sie vermuteten vielmehr, er wolle etwas zu ihrer Belustigung beitragen, und das war ihm vollkommen gelungen. Fletcher wurde immer wütender. Sein sonst schon rosiges Gesicht lief dunkelrot an. „Ihr verfluchten Heiden!“ brüllte er plötzlich. „Der Satan soll mit Feuer und Rauch auf euch niederfahren und euch in die finsterste Hölle schleudern, wo ihr hingehört!“ Die Patagonier schienen ein feines Gefühl für Stimmungen zu haben. Ihr Lachen verstummte. Sie nahmen sofort eine feindselige Haltung gegen Fletcher ein. Zwei Patagonier legten Pfeile auf ihre Bögen. Fletcher war blaß geworden und wich ein paar Schritte zurück. Erst jetzt wurde Lord Brooke, der sich mit einem Patagonier angeregt unterhalten hatte, aufmerksam. Sofort versuchte er, die aufkommenden Mißverständnisse zu klären und bat Fletcher, vor seinen Bekehrungsversuchen Abstand zu nehmen. Hasard nahm die Hand von seinem Pistolengriff. Er trat neben Lord Brooke und sagte: „Wir sollten uns langsam zurückziehen, Sir. Ich weiß nicht, aber die Atmosphäre scheint immer gespannter zu werden. Ein kleiner Funke kann das Faß zur Explosion bringen.“ Lord Brooke hatte von den unterschwelligen Spannungen nichts bemerkt. Er schüttelte den Kopf. „Sie sind schon viel zu zutraulich, als daß sie uns jetzt noch etwas zuleide tun würden“, sagte er. „Wissen Sie, diese einfachen Menschen haben ihre eigene Religion, die wahrscheinlich von Generation zu Generation überliefert wurde. Der Mann dort erzählte mir eben, daß zwölf Geister erscheinen, wenn ein Mensch im Sterben liege. Sie würden rings um den Sterbenden singen und tanzen.
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Einer von ihnen heißt Setebos. Vor ihm haben sie die meiste Angst. Wahrscheinlich ist er so etwas wie ein Oberteufel. Die anderen heißen Cheleule. Der Mann sagte, sein Großvater hätte einmal einen von ihnen gesehen. Er hätte vorn und hinten Feuer gespien. Ob er vielleicht einen von den Weißen gemeint ...“ Lord Brookes Worte wurden von einem hellen Kreischen abrupt unterbrochen. Die Köpfe der Patagonier und der Weißen ruckten herum. Vor dem Windschutz, zu dem die beiden Frauen Batuti geführt hatten, stand Hancock mit einem verlegenen Grinsen und zog gerade seine Hand von der Brust der einen Frau zurück. Ein einstimmiger Schrei der Empörung stieg aus den Kehlen der Patagonier. Hasard sah, wie die Männer zu ihren Waffen griffen. Einer von ihnen, der seinen Speer schon in der Hand hatte, schleuderte ihn auf Hancock, der sich noch im letzten Augenblick bücken konnte. Lord Brooke wollte sich zwischen die Eingeborenen werfen, um den Streit zu schlichten, doch Hasard riß ihn zurück. „Es hat keinen Sinn, Sir!“ schrie er. „Sie hören jetzt nicht mehr auf Sie!“ „Ich muß verhindern, daß wir uns gegenseitig töten!“ rief Lord Brooke verzweifelt. Ein Pfeil zischte haarscharf an seinem Hals vorbei und schlitzte die gepolsterte Schulter seines Wamses auf. Lord Brooke blieb entsetzt stehen. Er begriff, daß es keine Verständigungsmöglichkeit mehr gab. Unabsichtlich hatte einer der Weißen ein Sakrileg begangen, indem er eine Patagonier-Frau an der Brust berührt hatte. Hasard sah, wie der Mann, mit dem sich Lord Brooke eben noch so friedlich unterhalten hatte, den zweiten Pfeil auf die Sehne seines Bogens legte. Ohne länger zu zögern, riß Hasard seine Pistole hervor und feuerte auf den Wilden, ehe der seinen Pfeil abschießen konnte. Nach dem Donnern des Schusses war es sekundenlang totenstill auf dem Lagerplatz.
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Alle starrten auf den getroffenen Patagonier, dessen Muskeln unkontrolliert zuckten. Sein Fellmantel klaffte vorn auseinander, und alle sahen den nassen Fleck auf seiner Brust, der sich rasch vergrößerte. Batuti und Hancock nutzten die Schrecksekunden der Wilden und liefen zu Hasard und Lord Brooke hinüber. Thomas Fletcher rannte schon mit fliegenden Rockschößen zum Strand hinunter, so schnell ihn seine kurzen dicken Beine trugen. Der Körper des tödlich getroffenen Patagoniers zuckte noch ein paarmal, dann fiel er steif wie eine Planke um und krachte zu Boden. Eine der Frauen kreischte. Das schien die anderen wieder zur Besinnung zu bringen. Sie überwanden ihre Furcht und drangen mit erhobenen Waffen auf die Weißen ein. Hasard sah, daß ihnen nichts anderes übrigblieb, als Fletcher zu folgen. Er wollte kein Blutbad unter den Patagoniern anrichten. Er rief den anderen zu, so schnell wie möglich hinunter in die Bucht zu laufen. Dort würden sie von den Freunden Unterstützung erhalten, die sicher durch Hasards Schuß schon vorgewarnt waren. Einer der Wilden sprang mit einem gewaltigen Satz auf Hancock zu und wollte ihn mit seiner Steinaxt erschlagen. Hancock konnte im letzten Augenblick ausweichen. Der Patagonier stolperte, vom eigenen Schwung mitgerissen, an Hancock vorbei. Mit einem kurzen Hieb des zweischneidigen Entermessers spaltete Hancock ihm den Kopf: Im selben Augenblick bohrte sich ein Pfeil in Hancocks linken Arm. Der Seemann schrie nicht einmal auf. Dan O'Flynn und Batuti schossen über die Köpfe der Wilden, die vom Feuer und Rauch erschreckt, sofort stehenblieben. Dadurch gewannen die Weißen einen genügenden Vorsprung. Auf halbem Weg liefen ihnen die Männer von den Schiffen entgegen. Sie waren mit Musketen bewaffnet. Als Hasard und die anderen bei ihnen waren, rammten sie ihre
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Schießgabeln in den Boden, legten ihre Musketen darauf und zielten auf die anrennenden Patagonier, die ihre Furcht abermals überwunden hatten. „Nicht schießen!“ brüllte Lord Brooke. Er wollte sich aus Hasards hartem Griff losreißen, und als Hasard über einen Stein stolperte und ins Straucheln geriet, gelang es ihm auch. Er rannte sofort zurück, vorbei an den zielenden Musketenschützen. Mit ausgebreiteten Armen lief er auf die Patagonier zu. Ein halbes Dutzend Pfeile brachte ihn abrupt zum Stehen. Ein Ruck ging durch seinen Körper. Langsam sackte er in die Knie, die Arme immer noch den Patagoniern entgegengestreckt. Einer der Wilden hob seinen Speer, um ihn Lord Brooke in den Körper zu rammen. In diesem Augenblick drückten die Musketenschützen ab. Heißes Blei fauchte den Patagoniern entgegen und riß sie von den Beinen. Durch die aufsteigenden Pulverdampfwolken sah Hasard, wie sich die Männer in ihrem Blut wälzten. Einige von ihnen waren nur leicht verwundet worden. Sie erhoben sich taumelnd, nahmen die Leichen ihrer Brüder auf und verschwanden hinter der nächsten Erhebung. Hasard lief zu Lord Brooke hinüber, der mit verrenkten Gliedern im Staub lag. Aus seiner Brust und seinem Bauch ragten die Pfeile der Männer, die er für seine Freunde gehalten hatte. Um seinen weit aufgerissenen Mund bildeten sich Schaumblasen von rötlicher Färbung. Hasard bückte sich und hob den verkrampften Körper auf. Langsam trug er ihn zum Strand hinunter. Er sah, wie sich Dan O'Flynn und Batuti um Hancock kümmerten, der zuckend am Boden lag. Hasard preßte die Lippen aufeinander. Er hatte es erwartet. Die Pfeilspitzen der Patagonier waren mit tödlichem Gift getränkt. Als er die Männer erreichte, hatte Hancock zu toben aufgehört. Er hatte den gleichen Schaum vor dem Mund wie Lord Brooke.
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Stumm standen die beiden Männer um die beiden Toten herum. Hasard fühlte - sich mitschuldig. Er hätte Lord Brooke eindringlicher warnen müssen. Es gab zu viele Unterschiede zwischen den Eingeborenen und den Weißen. Niemand konnte voraussagen, welch harmloser Zwischenfall die Katastrophe auslösen würde. Sie hatten auf einem Pulverfaß gesessen, und Hancock hatte den Funken hineingeworfen, ohne es zu wollen. Er hatte bitter dafür bezahlen müssen. Hasard hob den Kopf. „Wir begraben sie dort oben auf dem Hügel zwischen den beiden Bäumen“, sagte er. Er teilte zehn Männer ein, die von der nächsten Bodenerhebung aus die Umgebung beobachten sollten, ob die Patagonier Hilfe herbeiholten und vielleicht einen zweiten Angriff wagen wollten. Zwischen den beiden Bäumen entdeckten sie einen verrotteten kurzen Stamm, der wie das Stück eines Mastes aussah. Vielleicht war das noch ein Zeichen von Magheilans Aufenthalt. Mac Pellew und zwei andere hatten Schaufeln mitgebracht und begannen zu graben. Hasard konnte den Blick nicht von dem verzerrten Gesicht Lord Brookes nehmen. Er war für eine Idee gestorben, und Hasard nahm sich vor, die Aufzeichnungen, die Lord Brooke begonnen hatte, für ihn zu beenden. Die Tagebücher würde er dann seiner Familie in England senden. Ein Schrei riß Hasard aus seinen Gedanken. Mac Pellew, der Koch der „Pelican“, war bleich wie ein Leichentuch. Er starrte mit aufgerissenen Augen in die Grube, die er und seine beiden Kameraden gegraben hatten. Mit zwei Schritten war Hasard an der Grube. Ein ausgebleichter Totenschädel grinste ihn an. 12.
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Die Kunde, daß Mac Pellew die Gebeine der hingerichteten Meuterer von Maghellans Flotte gefunden hatte, ging wie ein Lauffeuer durch die Reihen der Männer. Das Grauen packte die Seeleute, die nach den Tagen der Ruhe schon geglaubt hatten, das Schrecklichste dieser Reise bereits hinter sich gebracht zu haben. Einer von der Besatzung der „Swan“ drehte durch und lief ins Land, vorbei an den Wachen, die nicht reagierten und dem Mann nur starr nachblickten. Niemand wagte es, dem Mann zu folgen und ihn zurückzuholen. Francis Drake schien die Unruhe selbst in seiner Kammer gespürt zu haben. Er trat aufs Achterdeck und hörte gerade noch, wie Sir Thomas Doughty sich einem der Mitreisenden gegenüber in dunklen Andeutungen erging. Francis Drake, der sonst in jeder Lage die Ruhe selbst war, explodierte förmlich. Er schrie Sir Thomas an, befahl Carberry, Doughty in schwere Ketten zulegen und sämtliche Offiziere zusammenzurufen. Dann zog er sich wutschnaubend in seine Kammer zurück. Hasard hatte das Loch, das Mac Pellew gegraben hatte, wieder zuschütten lassen. Lord Brooke und Hancock waren ein paar Yards weiter begraben worden. Als er an Bord der „Pelican“ kletterte, glaubte er seinen Augen nicht zu trauen. Sir Thomas Doughty hing angekettet an der Beting vor dem Großmast. Carberry blickte Hasard grinsend entgegen. Auf ein Kopfnicken Hasards sagte er: „Befehl vom Kapitän. Ich sollte ihn in Ketten legen. Wohin ich ihn bringen soll, hat er mir nicht gesagt. Da habe ich ihn erst mal hier angebunden.“ Doughtys dunkle Augen sprühten vor Haß. Er schien die Schmach, hier vor den gemeinen Seeleuten an den Pranger gestellt zu sein, fast körperlich zu spüren. Die anderen Kapitäne und Offiziere waren schon fast alle an Bord. Als letzter erschien John Doughty. Er wurde blaß, als er seinen Bruder angekettet sah. Er beschwerte sich lautstark bei Francis Drake, der daraufhin
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Carberry den Befehl gab, Doughty loszubinden. Drake stützte sich auf der Galerie des Quarterdecks ab und wies zu der kleinen Felseninsel hinüber, die mitten in der Bucht lag. „Dort drüben werden wir die Untersuchung über das Verhalten von Sir Thomas Doughty abhalten“, sagte er mit lauter, fester Stimme. „Ich beschuldige ihn, seit Wochen permanent auf eine Meuterei hingearbeitet zu haben. Ich werde eine Jury von vierzig Männern zusammenrufen, die nach der Untersuchung über das Schicksal von Sir Thomas Doughty zu entscheiden hat. Mister Winter, Sie werden der Obmann dieser Männer sein. Ich bitte Sie, diese Männer unter den Offizieren auszuwählen.“ Damit wandte sich Francis Drake ab. Es war alles gesagt, was zu sagen war. * Die Männer schwiegen, nachdem Francis Drake seine Anklage vorgebracht hatte. Jeder der vierzig Männer und der anderen anwesenden Seeleute wußte, was die Konsequenz dieser Anklage war, wenn die Geschworenen Drakes Ausführungen zustimmten. Sir Thomas Doughty hatte mehrmals versucht, Francis Drakes Autorität als oberster Führer dieser Expedition zu untergraben. Sir Thomas Doughty schien seine Ruhe wiedergefunden zu haben. Er wußte, was ihn erwartete, wenn Drake hart blieb, und das zwang ihn, den Kampf aufzunehmen. „Ich bin bereit, mich gegen diese Vorwürfe vor jedem Gericht in England zu verteidigen“, sagte er mit erhobenem Haupt. „Die Männer der Jury und auch Sie, Kapitän, haben nicht das Recht, mich abzuurteilen.“ Die Stimme von Francis Drake war leise, als er erwiderte: „Sie irren sich, Mister Doughty. Ich bin von der Königin ausdrücklich ermächtigt, sogar Todesurteile auszusprechen.“ Er wartete den Widerspruch Doughtys nicht ab und
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hielt ihm ein Schriftstück entgegen, das das Siegel der Königin trug. Doughty wurde blaß. Er preßte die Zähne aufeinander und schwieg. Die weitere Entwicklung der Verhandlung lief ohne jeglichen Einspruch seinerseits ab. Hasard machte seine Aussage. Er berichtete von den Geschehnissen auf der „Swan“, und John Chester bestätigte stockend seine Angaben. Als Hasard berichtete, wie Doughty die Mannschaft der „Swan“ mit seinen Zaubertricks dazu gebracht hatte, die Leute von der „Isabella“ anzugreifen, fuhr Doughty zum erstenmal wieder aus seiner Lethargie auf. „Muß ich mir den Unsinn von einem solchen Bastard anhören, Kapitän?“ fragte er scharf. „Lieber ein Bastard als ein Meuterer“, erwiderte Hasard scharf. „Ich lasse mich nicht von dahergelaufenen Kreaturen vor ein Gericht zerren!“ schrie Doughty aufgebracht. „Was bezwecken Sie mit diesem unwürdigen Schauspiel, Kapitän? Machen Sie Schluß damit, oder jeder Mann am Hofe wird Sie nach Ihrer Rückkehr anspucken!“ Francis Drake schwieg. Sein Gesicht war verkniffen. Er winkte Hasard, daß er sich setzen könne. Ein breitschultriger, gedrungener Mann, der als Steuermann auf der „Marygold“ fuhr, hob die Hand zu einer Aussage. Edward Bright war schon früher unter Drake gefahren und war im Dienst auf dem Meer ergraut. Er begann mit leiser Stimme zu sprechen, als Francis Drake ihn dazu aufforderte. „Sir“, sagte Edward Bright etwas verlegen, „ich erzähle Ihnen diese Geschichte nicht gern, aber ich muß es wohl. Ich wurde vor unserem Auslaufen aus Plymouth unfreiwillig Zeuge einer Unterredung während Ihrer 'Gartengesellschaft. Ich hörte, wie Sir Thomas gegen ein geplantes Unternehmen sprach, das England nur schaden könne. Ich wollte schon weitergehen, als Ihr Name fiel, Sir. Da blieb ich stehen und lauschte weiter. Ich hörte Sir Thomas sagen, daß auch Lord
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Burghley im Besitz des Reiseplans sei und alles versuchen werde, um Ihre Majestät von der Gefährlichkeit des Unternehmens zu überzeugen.“ Francis Drake war mit einem Ruck aufgestanden. Sein Gesicht war blaß. „Irren Sie sich auch nicht, Mister Bright?“ sagte er scharf. „Ich weiß, daß Lord Burghley nicht von der Reise unterrichtet wurde, und zwar auf strikten Befehl der Königin. Denn sie wußte, wie der Lordschatzkanzler reagieren würde.“ „Ich habe ihn von unserem Ziel und dem Zweck der Expedition unterrichtet“, sagte Doughty. „Ich glaubte, daß der Lordschatzkanzler ein Recht darauf hätte, informiert zu werden.“ Hasard beobachtete Francis Drake. Der Kapitän sah aus, als hätte ihm irgendetwas den Hals zugeschnürt. Sein Gesicht lief langsam rot an. Die Augen, die starr auf Sir Thomas gerichtet waren, quollen aus ihren Höhlen hervor. Hasard hatte Drake noch nie in einer solchen Verfassung gesehen. Es dauerte eine Weile, bis sich der Kapitän gefangen hatte, dann schrie er das Wort heraus, das alle Anwesenden zusammenzucken ließ: „Verrat!“ Die Verhandlung gegen Sir Thomas erhielt damit eine überraschende Wendung. Von der Meuterei auf der „Swan“ war plötzlich nicht mehr die Rede. Doughty war plötzlich des Verrates angeklagt. Er hatte dem größten Feind dieses Unternehmens Ziel und Zweck der Expedition verraten, obwohl die Königin es ausdrücklich verboten hatte. Sir Thomas sah ein, daß er eine tödliche Taktik eingeschlagen hatte. Vielleicht hatte er geglaubt, daß Francis Drake vor dem Namen Lord Burghleys zurückschrecken würde, doch genau das Gegenteil war eingetreten. Francis Drake machte aus seiner Abneigung gegen diesen diplomatischen Leisetreter keinen Hehl, und als er schließlich aufstand und die vierzig Geschworenen mit klarer Stimme fragte: „Ist dieser Mann ein Verräter?“ da wurde diese Frage einstimmig bejaht.
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„Hat dieser Mann den Tod verdient?“ rief Drake. „Wer dieser Meinung ist, möge sie durch Handheben kundtun!“ Neununddreißig Hände hoben sich. Einige von ihnen zwar zögernd, aber als diese Männer sahen, daß sie mit der Mehrheit stimmten, blieben sie bei ihrem Entschluß. Francis Drake blickte auf den einzigen Mann, der die Hand nicht erhoben hatte, und verbeugte sich leicht vor ihm. „Ihr Handeln ehrt Sie, John“, sagte er. „Als Bruder hätte ich nicht anders gehandelt als sie.“ John Doughty erhob sich. Er taumelte leicht. In seinen Augen standen Tränen. Er wußte, daß er am Schicksal seines Bruders nichts mehr ändern konnte, und daß er auf der weiteren Reise der einsamste Mann zwischen den Schiffsbesatzungen sein würde. * Francis Drake hatte die Hinrichtung auf den zweiten Tag nach der Verurteilung festgesetzt. Die Männer arbeiteten verbissen an den letzten Ausbesserungen an den Schiffen. Hasard hatte die Mannschaft an Land verstärkt, denn er rechnete immer noch mit einem Überfall der Patagonier. Hasard vermied es in diesen beiden Tagen, allzu oft das Achterdeck der „Pelican“ aufzusuchen. Er hatte kein Mitleid mit Sir Thomas Doughty, aber er fand es nicht angenehm, einen Mann in die Augen zu sehen, der in wenigen Stunden vom Leben zum Tod befördert werden sollte. Hasard hoffte, daß der Tod Doughtys die Wirkung zeigte, die sich wahrscheinlich auch Francis Drake von der Hinrichtung versprach. Es wurde Zeit, daß Ruhe unter die Mannschaften einkehrte. Noch hatten sie nur mit den Naturgewalten zu kämpfen gehabt, aber wenn sie in der Südsee mit den Spaniern aneinandergerieten, mußten sie eine eingeschworene Gemeinschaft sein, wenn sie nicht schon beim ersten Kampf die Unterlegenen sein wollten. 'Hasard hörte von Thomas Moone, daß Sir Thomas das Urteil überraschend ruhig
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hingenommen hatte. Er Unterhielt sich jetzt viel mit Kaplan Fletcher, was Hasard unbegreiflich erschien, denn der Himmelslotse war in seiner Schlitzohrigkeit und Borniertheit der gottloseste Mensch auf allen drei Schiffen, die noch von der Expedition übriggeblieben waren. An diesem letzten Abend vor der Hinrichtung wurde Hasard noch Zeuge eines für ihn makabren Schauspiels. Francis Drake hatte zu Ehren seines Freundes Sir Thomas, den er zum Tode verurteilt hatte, ein Essen. arrangieren lassen. Der Geiger und Tim Brewer, der junge Trompeter, spielten während des Essens, bei dem Hasard kaum einen Bissen hinunterkriegte. Doughty dagegen wirkte ausgelassen. Er lachte und plauderte angeregt mit Francis Drake. Hasard konnte in diesem Moment nicht umhin, Sir Thomas zu bewundern. Er war ein Intrigant, wie Hasard keinen zweiten kannte, aber er verstand es, mit Stil von der Welt Abschied zu nehmen. Hasard verabschiedete sich als erster. Er lag noch lange wach in seiner Kammer und hörte die Klänge der Musik und das Lachen von Sir Thomas und von Francis Drake. Seine Gedanken schweiften in die nahe Zukunft. Vor ihnen lag ein Abenteuer, das vor ihnen bisher ein einziger Mann bestanden hatte. Würden sie das Glück haben, die Straße zu finden, die die beiden Ozeane miteinander verband? Und würden sie eines Tages nach Hause zurückkehren, um von ihren Taten berichten zu können? Hasard fiel in einen schweren, traumlosen Schlaf, und als er am Morgen durch dumpfe Schläge geweckt wurde, fühlte er sich wie gerädert. Er erhob sich und zog die Stiefel an. Dann trat er auf das Achterdeck hinaus und ging bis zur Quarterdeckgalerie. In der Kuhl stand die Mannschaft der „Pelican“ schon versammelt. Unter ihnen alle Männer von der „Isabella“. Der Profos Carberry machte sich an einem großen Holzblock zu schaffen, den er neben den Großmast rückte. An der Beting lehnte eine der riesigen Äxte, die dazu
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benutzt wurden, im Sturm oder bei einem Gefecht die Wanten und Stengen durchzuschlagen, um einen gekappten Mast loszuwerden. Hasard spürte, wie ihm das Blut aus dem Gesicht wich. Er hatte bisher angenommen, Drake würde Doughty an einer Rahnock aufhängen. Jetzt sah er, daß Carberry vom Kapitän dazu ausersehen war, Doughty zu köpfen. Hasard wußte, daß Carberry bei dieser Arbeit keinerlei Skrupel empfinden würde. Er war Drake treu ergeben und sah die Hinrichtung eines Verräters und Meuterers als etwas völlig Normales an. Hasard zog sich zu seinen Leuten in der Kuhl zurück, als Francis Drake auf dem Quarterdeck erschien und Sir Thomas Doughty von zwei Männern hinunter zum Richtblock geführt wurde. Die Hände Doughtys waren gefesselt.
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Hasard konnte keine Angst in den dunklen Augen des Meuterers entdecken. Der Tod schien keinen Schrecken auf ihn auszuüben. Er hatte sich völlig verwandelt und lächelte sogar Carberry zu. Hasard hörte, wie er zu dem Profos sagte: „Schlag sauber zu, Profos. Ich hasse Männer, die ihre Arbeit nur halb tun.“ Carberry grinste grimmig. Auf ein Zeichen Drakes hin legten Doughtys Begleiter den Kopf des Delinquenten auf den Richtblock. Dann traten sie zurück. Nur das Knarren der Rahen und der Blöcke war zu hören, als Carberry mit der riesigen Axt ausholte. Und noch während der Kopf des Verräters über die Decksplanken rollte und das hervorschießende Blut den Richtblock rot färbte, sagte Francis Drake in die Stille: „Seht, so enden alle Verräter!“
ENDE