Kommissar X - Blutrot paßt zu eisigblau von A. F. Morland ISBN: 3-8328-1106-0
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Kommissar X - Blutrot paßt zu eisigblau von A. F. Morland ISBN: 3-8328-1106-0
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"Nun mach schon!" "immer mit der Ruhe, verdammt noch mal. Gut Ding will Weile haben. Noch nie davon gehört?" sagte Ed Chapman mürrisch. Der fünfte Schlüssel paßte. Chapman drehte ihn sachte herum, während er seine rosige Zunge zwischen die gelblichen Zähne klemmte. Ein leises Knacken war zu hören. Dann schwang die Tür auf. "Na endlich!" brummte Don Crosby. Er warf einen schnellen Blick zurück. Die Luft war rein. Chapman huschte als erster in das Penthouse. Crosby folgte ihm so schnell, daß er ihm beinahe die Absätze von den Schuhen getreten hätte. Vor ihnen lag ein hypermodern eingerichteter Wohnraum. Gleich rechts neben der Tür war eine Sammlung alter Uhren in einem Glaskasten ausgestellt. An den Wänden hingen Filmplakate und Plakate von Theaterpremieren, die alle eines gemeinsam hatten - den Namen Zizi Lewis. Chapman machte eine Handbewegung, die nicht nur den Raum, sondern das gesamte Penthouse des Filmproduzenten Harry Gold einschloß. "Alle Herrlichkeit auf Erden, was?" Don Crosby nickte beeindruckt. "Kann man wohl sagen. Wenn man diese Anhäufung von Wertsachen sieht, muß man ja Kommunist werden. Sie schlichen zur breiten Fensterfront. Zwei große gläserne Flügeltüren führten auf eine weite Terrasse hinaus, deren Prunkstück ein großer Swimming-Pool war. Crosby blickte aus dem Fenster. "Mit Aussicht auf den Central Park", sagte er neidvoll. "Natürlich." "Na sicher", sagte Chapman grinsend. "Denkst du, ein Mann wie Harry Gold kauft sich eine Wohnung, vor der eine stinkende Müllverbrennungsanlage liegt?" Er stieß den Komplicen mit dem Ellenbogen an. "Komm weiter. Das Arbeitszimmer ist dort drüben." Sie kamen an einem kleinen runden Marmortischchen vorbei, auf dem ein silberner Ritter stand. Crosby griff sofort danach. Chapman schüttelte ärgerlich den Kopf. "Du bist und bleibst ein mieser kleiner Gauner, Don." "Aber, wieso denn?" "Laß doch das wertlose Zeug." Nur widerwillig ließ Don Crosby den silbernen Ritter stehen. Sie begaben sich zur Arbeitszimmertür und öffneten sie. An den Wänden reichten Bücherregale bis zur Decke. Filmliteratur. Weltliteratur. Einige Pornobücher. Alles fein säuberlich geordnet. Vor dem Fenster hingen breite weiße Vorhänge und weinrote schwere Seitenteile. Diese zog Ed Chapman sofort zu. "Mach Licht!" sagte er dann. Don Crosby drehte die Deckenbeleuchtung an. Vor ihnen stand ein mächtiger Schreibtisch mit verchromten Metallbeinen. Dahinter war die einzige Wand, die nicht von Büchern verdeckt wurde. Ein Bild von Rubens hing da. Ein Original. Copyright 2001 by readersplanet
Hinter dem Rubensbild, das eine korpulente Maid darstellte, befand sich der Wandsafe. Ed Chapman klappte das große Bild zur Seite. Seine Augen leuchteten erwartungsvoll. Er suchte und fand das Kästchen, in dem das Nervenzentrum der Alarmanlage versteckt war. Er brach es auf, klemmte die wichtigsten Drähte ab und schaltete ein kleines Gerät dazwischen. Nach zehn Minuten war er mit seiner Arbeit fertig. Der Alarmanlagenspezialist hatte seine Schuldigkeit getan. Nun sollte der Safespezialist zeigen, was er auf dem Kasten hatte. Don Crosby leckte sich nervös über die Lippen. Seine Augen saugten sich an der Zahlenkombination fest. Er wischte sich die Schweißtropfen von der Oberlippe. Dann griff er in die Innentasche seiner hüftlangen Jacke. Es war unglaublich, was sie alles enthielt. Zum Beispiel eine vollständige Bohrmaschine. Ed Chapman griff nach dem Kabel und steckte die Maschine an. Dann wies er mit dem Daumen auf den Safe. "Wie ich gesagt habe. System-Brown & Brown. Mußt du doch schaffen." Crosby grinste. "Darauf habe ich meine Meisterprüfung abgelegt." "Dann laß mal sehen, was der Meister noch kann." Chapman war bisher immer ein Einzelgänger gewesen. Heute hatte er sich zum erstenmal einen Komplicen aufgehalst. Wegen des Safes. Der Coup war Chapmans Idee. Und wenn er im Safeknacken ein wenig geschickter gewesen wäre, hätte er gern auf Crosbys Mitarbeit verzichtet. "Atemberaubend schnell bist du nicht gerade!" maulte er, als Crosby nach fünf Minuten immer noch nicht angefangen hatte. Chapmans Komplice hatte einen Filzschreiber herausgenommen und damit fünf Punkte auf das blanke Metall gemacht. Fünf Punkte, die im Kreis angeordnet waren. Nun setzte Crosby die Bohrmaschine an. Als er sie einschaltete, ertönte ein unangenehmes schrilles Geräusch. Dieses Geräusch erinnerte Ed Chapman an den Turbinenbohrer der Zahnärzte. Er hatte sofort ein flaues Gefühl im Magen, denn sein linker Backenzahn war von Karies zerfressen. Fünf Löcher bohrte Don Crosby. Danach legte er die Bohrmaschine weg. Er brauchte sie nicht mehr. Er holte aus seinem unergründlichen Taschenlabyrinth fünf lange Stahlstifte hervor. Diese schob er vorsichtig wie bei einer Akupunktur in die fünf gebohrten Löcher, um damit verschiedene Widerstände im Safeschloß auszuschalten. Darin holte er ein Stethoskop hervor. Er klemmte es sich in die Ohren, setzte es an das kalte Metall der Safetür und begann, an der Zahlenkombination herumzuspielen. Schweiß perlte nun nicht nur auf seiner Oberlippe, sondern auch auf seiner Stirn. "Aufgeregt?" fragte Ed Chapman. "Und wie" stöhnte Don Crosby. "Niemand ist da", sagte Chapman gelassen. "Niemand stört uns. Wir haben Zeit." "Ich kriege dabei immer Bauchschmerzen", gestand Don Crosby. Chapman kicherte spöttisch. "Na, hoffentlich geht's diesmal nicht in die Hosen." Konzentriert arbeitete Don Crosby weiter. Er brauchte noch volle zehn Minuten. Dann richtete er sich mit einem Seufzer auf und nahm das Stethoskop von den Ohren. Ed Chapman blickte ihn aufgeregt an. Copyright 2001 by readersplanet
"Was ist? Schaffst du es nicht?" "Ist schon geschafft", sagte Don Crosby müde. "Worauf wartest du denn dann noch? Mach auf!" Crosby verstaute zuerst sein Spezialwerkzeug in den tiefen Taschen. Dann öffnete er die dicke Stahltür des Safes. Im Stahlfach flammte ein kleines Licht auf. Es erhellte die vier Fächer bis zur Rückwand. Peinliche Ordnung herrschte im Safe. Harry Gold schien ein Pedant zu sein. Ed Chapman holte mit glänzenden Augen einen schwarzen Nylonsack aus der Tasche und entfaltete ihn. Zuerst holte er vier Samtschatullen aus dem Safe. Er öffnete jede, ehe er sie im Nylonsack verschwinden ließ. Ein wertvolles Platinkollier wanderte in den Sack. Dann folgte eine Perlenkette. Dann ein goldenes Armband, breit und schwer. Dann kunstvoll gearbeitete Ringe. Nun griff Chapman nach der letzten Schatulle. Sie war nicht besonders groß. Dennoch befand sich gerade in ihr das wertvollste Stück. Als Chapman den kleinen Deckel öffnete, hielt Don Crosby unwillkürlich den Atem an. Wie kaltes Eis funkelte und glitzerte es ihnen , auf mitternachtsblauem Samt entgegen. Chapman atmete aufgeregt. "Das ist er!" sagte er heiser. ", Don." Beeindruckt betrachteten die Diebe den berühmten Riesendiamanten. Seinetwegen waren sie hierhergekommen. Ein Stein von 67 Karat. Zweiundfünfzigmal hatte er seit 1651 seinen Besitzer gewechselt. Neunundzwanzig Menschen waren seinetwegen ums Leben gekommen, und es war sicher, daß es bei diesen neunundzwanzig Menschenleben nicht bleiben würde. In den Illustrierten der ganzen Welt war der abgebildet gewesen. Harry Gold hatte ihn seiner Frau Zizi Lewis nach ihrer Entlassung aus dem Schweizer Sanatorium, in das sie nach einem Nervenzusammenbruch gebracht worden war, zum Geschenk gemacht. Seither trug ihn die Diva stets bei festlichen Gelegenheiten. Ed Chapman sagte mit leuchtendem Blick: "Siebenundsechzig Karat, mein Junge! Jetzt sind wir reich!"
* "O Harry! Von diesen herrlichen Cocktails werde ich heute nach träumen!" sagte Zizi Lewis kichernd. Sie lehnte betrunken an der Schulter ihres Mannes. Beide saßen im Fond des Wagens, den der livrierte Chauffeur soeben vor dem Haus, in dem sie wohnten, zum Stehen brachte. "Du hättest von diesen verdammten Cocktails sechs weniger trinken sollen, Zizi!" sagte Harry Gold ärgerlich. "Ach komm, Harry. Sei doch kein Spaßverderber." "Bin ich bei Gott nicht." "Wie oft kommt es denn schon vor, daß ich beschwipst bin?" "In der letzten Zeit leider viel zu oft:" "Unsinn. Ich trinke ab und zu mal ein Glas. Das ist doch kein Verbrechen." Der Filmproduzent nickte grimmig. "Ein Glas und noch eines und noch eines... Du vergißt, daß du Filmschauspielerin bist, Zizi! Nach einiger Zeit hinterläßt der Alkohol selbst im hübschesten Gesicht Spuren, die man nicht Copyright 2001 by readersplanet
mehr weg schminken kann." Zizi Lewis kicherte. "Dann kann ich immer noch die tragischen Rollen spielen. Wozu bist du schließlich mein Mann? Wozu habe ich einen Filmproduzenten geheiratet?" "Hoffentlich nicht bloß deshalb, damit du immer die besten Rollen kriegst, Baby." sagte Harry Gold mürrisch. "Würde wohl deine männliche Eitelkeit verletzen, wenn es so wäre, wie?" Gold winkte zornig ab. "Lassen wir das. Die Party war schön. Der Abend auch. Ich möchte nicht, daß er jetzt mit einem Streit endet." Harry Gold war ein großer kräftiger Mann Mitte Fünfzig. Er hatte eine gesunde Gesichtsfarbe und einen gestutzten Kinnbart, der so schwarz war wie sein kurzgeschorenes Haar. Er trug einen schwarzen Smoking, aus dem die weiße Hemdbrust leuchtete. Zizi Lewis trug ein Kleid aus Silberlame, das sich wie eine zweite Haut an ihren aufregenden Körper schmiegte. Die Spaghettiträger wollten nicht an ihrem Platz bleiben und rutschten immer wieder über die wohlgerundeten Schultern der platinblonden Schönheit. Sie war halb so alt wie ihr Mann und genoß es, ihn hin und wieder darauf aufmerksam zu machen. Gold wandte sich an den livrierten Chauffeur. "Ich brauche den Wagen heute nicht mehr, Frank." "In Ordnung, Mr. Gold", antwortete dieser und sprang gelenkig aus dem Wagen. Er öffnete den Wagenschlag für Zizi Lewis, nachdem er schnell die Mütze vom Kopf gerissen und sie unter den Arm geklemmt hatte. Als er sah, daß sich die Schauspielerin abmühte, aus dem Wagen zu klettern, wollte er ihr hilfsbereit den Arm reichen. "Pfoten weg"' herrschte sie ihn wütend an. "Sie dürfen mir helfen, wenn ich hundert bin. Heute schaffe ich das noch allein. Auch wenn ich beschwipst bin, Frank! Merken Sie sich das." "Verzeihung, Madam." "Schon gut", sagte Zizi, nachdem sie ganz und gar nicht ladylike aus dem Fahrzeug gekrochen war. "Sie können nichts dafür. Sie sind so erzogen worden. Immer hilfsbereit, was?" Sie lachte und stieß den Chauffeur mit dem Ellenbogen an. "Nun machen Sie nicht gleich so ein beleidigtes Gesicht, Frank. Darf man denn keinem von euch mal was sagen?" Harry Gold legte ihr seinen Arm um die nackten Schultern. "Komm, Zizi. Du darfst dich nicht erkälten. "Oh'." rief Zizi lachend. "Sehen Sie nur, Frank, wie mein Mann um meine Gesundheit besorgt ist! Soll ich Ihnen verraten, warum?" Frank wollte es offensichtlich gar nicht wissen. Zizi sagte es ihm trotzdem. "Weil er mich für seinen nächsten Film braucht", sagte die Schauspielerin und lachte schrill. "Ohne mich würden seine Filme bloß die Hälfte einspielen. Stimmt es, Liebling?" "Ja! Ja "'knurrte der Produzent. Nun war ihm der Abend doch noch verdorben worden. "Komm jetzt endlich." Er schob sie auf den Hauseingang zu. "Gute Nacht, Frank!" "Gute Nacht, Mr. Gold." "Mich grüßt er nicht?" begehrte Zizi Lewis beleidigt auf. Frank klopfte sich die Mütze auf den Kopf, setzte sich in den Wagen und brachte diesen in eine nahe gelegene Garage. Harry Gold hatte einige Mühe, seine betrunkene Frau in den Expreßlift zu verfrachten. Als er auf den obersten Knopf der langen Skala drückte, sauste die Kabine wie eine Rakete zum Penthouse hinauf. Copyright 2001 by readersplanet
* "Laß uns abhauen, Ed." "Moment noch!" "Verdammt, wieso?" zischte Don Crosby, dem der Boden im Penthouse des Filmproduzenten allmählich zu heiß wurde. "Wir haben doch, was wir wollen." Ed Chapman grinste breit und höhnisch. "Immer noch Bauchschmerzen, Don?" "Ja, zum Henker." Chapman wies auf den Safe. "Wir nehmen alles mit, was sich da drin befindet." "Mann, du spinnst ja! Was sollen wir denn mit dem Papierkram?" "Überleg doch mal, Don. Was bewahrt man in einem Safe auf? Wertpapiere. Also kassieren wir alles. Zu Hause können wir dann in aller Ruhe aussortieren, was wir brauchen können." Don Crosby blickte auf seine Armbanduhr. Wie schnell doch die Zeit verging! Nun wären sie schon eine Stunde hier. "Na gut!" sagte er nervös. "Wenn du meinst. Dann beeile dich wenigstens." Crosby war groß und hager. Er hatte ein braunes Gesicht, eine Nase wie ein Adler und Augen wie ein Reh. Seine Stimme war ziemlich hoch und wurde unangenehm schrill, wenn er aufgeregt war. Chapman schichtete alles, was sich im Safe befand, mit größter Akribie in seinen schwarzen Nylonsack. Auch einige Banknotenbündel fielen ihm in die Hände. Als das Stahlfach völlig leer war, nickte Chapman zufrieden. Er war ebenso groß wie Crosby, doch athletisch gebaut. Sein Haar war dunkelbraun, seine Nase messerscharf. Sein Gesicht zeigte Härte und Entschlossenheit. In seinen Augen glitzerte stets ein eiskalter Funke. Auf seinen Handrücken wucherte ein dichter schwarzer Pelz. Crosby verließ sofort das Arbeitszimmer des Produzenten. Chapman löschte das Licht und huschte mit dem Komplicen durch den großen Living-room. Sie liefen auf die Tür zu, durch die sie das Penthouse verlassen wollten. Da ließen plötzlich Stimmen sie mitten in der Bewegung erstarren. Schritte näherten sich der Tür, auf die die Einbrecher zugelaufen waren. Das übermütige Kichern von Zizi Lewis war zu hören. "Verdammt!" kommentierte Don Crosby die prekäre Situation. Er wurde aschfahl.
* "Versteck dich!" zischte Ed Chapman aufgeregt. "Schnell!" Die Männer huschten durch den Raum. Da ging schon die Tür auf. Harry Gold machte ahnungslos Licht. Er schob seine Frau mit grimmigem Gesicht vor sich her und stieß die Tür hinter sich mit dem Fuß zu. "Unmöglich bist du heute wieder, Zizi!' knurrte der Produzent ärgerlich. Es war nicht das erstemal, daß Zizi ihn derart reizte. Manchmal machten ihn ihr Eigensinn und ihre Arroganz beinahe verrückt. Es kostete ihn viel Mühe, sich zu beherrschen. Zizi stemmte sich von ihm weg. "Ich werde ein Bad nehmen", sagte sie. Copyright 2001 by readersplanet
"Mach, was du willst." Sie streifte die hochhackigen Pumps ab und lief in Strümpfen über den Hochflorteppich. Als Gold merkte, daß sie die Hausbar ansteuerte, drehte er beinahe durch. "Hör mal, das ist doch nicht dein Ernst, Zizi! Du hast heute wirklich schon genug getrunken." Zizi wandte sich mit trotzig vorgeschobener Unterlippe um. "Hast du vorhin nicht gesagt, ich soll machen, was ich will? Ich will einen Drink haben! Und deshalb nehme ich mir einen." Sie holte ein Glas und wählte einen Bourbon. Mit schnellen Schritten war Gold bei ihr. Sie reizte ihn heute wieder bis zur Weißglut. Warum machte sie das nur? Blitzschnell riß er ihr das Glas aus der Hand und stellte es hart an seinen Platz zurück. Auch die Flasche nahm er ihr weg. Zizi lachte ihm spöttisch ins Gesicht. "Jetzt möchtest du mich gern schlagen, was? Ich sehe es in deinen Augen. Na los. Schlag mich doch. Es wäre nicht das erstemal, daß du dich an mir vergreifst. Zeig doch wieder mal, wie stark du bist, Harry Gold. Komm schon. Schlag mich zusammen. Wir können den Reportern ja wieder erzählen, ich wäre im Bad ausgerutscht." "Verdammt, wenn du jetzt nicht sofort deinen Schnabel hältst, passiert es wirklich, Zizi!" preßte Gold hervor. Mit zitternden Händen nahm er sich selbst einen Drink, um die Erregung hinunterzuspülen. Als er das Glas an den Mund setzte, sah er Don Crosbys Schuhe. Sie ragten unter dem Vorhang hervor. Golds Augen weiteten sich. Verwirrt und ängstlich stellte er das Glas ab. Unschlüssig stand er da. Aber nur wenige Sekunden. Dann faßte er sich ein Herz und rannte energisch auf den Vorhang zu. Blitzschnell fegte er ihn zur Seite. Sie waren beide entsetzt. Crosby wie Gold. Doch Crosby fing sich schneller. Er hatte eine Zange in der Hand. Damit schlug er den Filmproduzenten nieder. Als Zizi begriff, was passierte, stieß sie einen schrillen Schrei aus. Dann begann sie zu rennen. Sie wollte durch die Tür. Doch nun tauchte Ed Chapman auf. Er schnitt ihr den Weg ab. Sie blieb wie angewurzelt stehen, und Don Crosby wiederholte, was er schon einmal getan hatte. Wieder schlug er mit der Zange zu. Zizi Lewis fiel wie ein gefällter Baum um. Nun verließen Chapman und Crosby in größter Eile das Penthouse.
* "Scheußliche Sache", sagte Leutnant Ron Myers. "Kann man wohl sagen", brummte Captain Tom Rowland, der Leiter der Mordkommission Manhattan C/Il. Seine Männer waren eifrig an der Arbeit. Immer wieder zuckte das Blitzlicht des Polizeifotografen im Nebenraum auf. Sie befanden sich in der Wohnung des Schauspielers Rex Roper. Drinnen im Spiegelschlafzimmer, in dem die Männer der Mordkommission ihren traurigen Job verrichteten, hatte ein wahres Gemetzel stattgefunden. Sogar die Spiegel an der Decke waren mit Blut bespritzt. Ein nacktes Mädchen lag auf der breiten französischen Liege. Dunkelhaarig. Schätzungsweise neunzehn Jahre alt. Ihr Kopf hing über dem Bettende herab, so daß ihr Gesicht kaum zu erkennen war.
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Sie hatte einen prachtvollen, rosigweißen, perfekten Körper, tadellos geformte Brüste und zart gerundete Hüften, die in lange anmutige Beine übergingen. Ihre Zehennägel waren golden lackiert. Sie hatte nur einen Fehler: Sie war tot. Und sie war schrecklich zugerichtet worden. Mit dem Messer, das neben dem ebenfalls nackten Rex Roper lag. Tom Rowland war einiges gewöhnt. Aber das hier drehte sogar ihm den Magen um. Er blickte auf Roper, der neben der französischen Liege auf dem schneeweißen Eisbärenfell lag. Roper hatte Harakiri gemacht... "Harakiri!" knurrte Rowland angewidert. Er spürte, daß ihm der Frühstückskaffee die Speiseröhre hochkam. "Hat er nicht in seinem letzten Film einen Japaner gespielt, der nach dem Tod seiner Eltern Harakiri macht?" fragte Ron Myers. "Ja." "Wahrscheinlich hat er sich an diese Rolle erinnert, als er es getan hat." Tom boxte mit der rechten Faust wütend in die linke Handfläche. "Verdammt! Einen sinnloseren Tod als diesen kann es nicht geben." Ron Myers nickte beeindruckt. Er hatte Roper zwar nicht persönlich gekannt, aber er hatte ihn in einigen guten Filmen gesehen. "Sie waren beide bis zu den Augenbrauen hinauf mit Heroin vollgepumpt", sagte er. Im Schlafzimmer murmelten die Beamten. Keiner sprach laut. Es schien, als wollten sie die Toten nicht aufwecken. "Dieses verfluchte Rauschgift!" sagte Rowland mit gefletschten Zähnen. "Wer ist das Mädchen?" "Irgendein Starlet. Sie hat keine Papiere dabei. Aber eine Menge Fotos von sich." Der Captain schüttelte erschüttert den Kopf. "Da liegen sie nun. Sie jung. Er noch nicht alt. Konnten nicht genug vom Leben bekommen. Sie wollten nicht bloß miteinander schlafen. Nein. Das genügte ihnen nicht. Sie mußten es im Drogenrausch tun. Es ist leider nicht das erstemal, daß so etwas schiefgegangen ist. Und es wird nicht das letztemal sein. Immer wieder wird es diese Verrückten geben, die im Drogenrausch durchdrehen, ihr Mädchen, das sie eigentlich lieben, zerfleischen und sich dann selbst umbringen. Und was können wir dagegen tun? Nichts. Wir sind machtlos gegen die Rauschgifthändler, die ein Vermögen mit dem Elend anderer verdienen. Ab und zu geht uns mal ein kleiner dreckiger Dealer ins Netz. Sobald wir ihn eingesperrt haben, nehmen zwei neue seinen Platz ein." Tom schüttelte zornig den kantigen Schädel. "Es ist zum Kotzen, wenn man bedenkt, daß die großen Rauschgiftbosse auf fashionablen Galaabenden tanzen, mit Senatoren befreundet sind und mit sündhaft teuren Jachten auf allen Weltmeeren kreuzen, ohne daß ihnen jemand etwas ans Zeug flicken könnte."
* Der Kastenwagen der Mordkommission und, zwei Streifenwagen standen am Straßenrand. Ihre sich drehenden Rotlichter blitzten. Eine große dichte Menschenmenge stand vor dem Haus, in dem Rex Roper wohnte - oder besser: gewohnt hatte. Jo Walker schob sich durch die Leute hindurch, bis er vor dem uniformierten Polizeibeamten stand, der mit verächtlichem Gesichtsausdruck die Gaffer betrachtete. Als Jo auftauchte, musterte der Cop ihn mit ärgerlicher Miene. "Was wollen Sie?" krächzte er. Copyright 2001 by readersplanet
"Ich heiße Walker." "Walker?" "Ja. Walker. So wie der trinkbare Schotte:" Der Blick des Cops huschte an Jo hinauf und hinunter. "Können Sie sich ausweisen?" "Kann ich", sagte Jo. Der Cop warf einen kurzen prüfenden Blick auf Jos Ausweis. Dann nickte er. "In Ordnung, Mr. Walker. Captain Rowland hat gesagt, ich soll Sie hinaufschicken, wenn Sie kommen." "Nun bin ich da", sagte Walker lächelnd. "Vierter Stock, Sir." "Ich weiß", sagte Jo. Er durfte passieren und fuhr mit dem Lift nach oben. Die Wohnungstür zu Ropers Heim stand offen. Stimmengemurmel drang heraus. "Da bist du ja endlich!" sagte Captain Rowland, als Jo eintrat. "Ich kann leider noch nicht fliegen", erwiderte Jo Walker kühl. "Aber ich werde es lernen." Er begrüßte den Captain und den Leutnant mit Handschlag. Dann wartete er mit stoischer Miene. Rowland sah Ron Myers an und wies mit dem Kopf zum Spiegelschlafzimmer. "Zeig ihm die beiden, Ron." Zu Jo gewandt, sagte er: "Ich hoffe, du hast einen guten Magen." "Ich werde mich zusammenreißen", versprach Jo und ließ sich von Leutnant Myers ins Nebenzimmer führen. Jetzt konnte er sein Versprechen beinahe doch nicht halten. Eiskalt überlief es ihn, als er die beiden Toten sah. Ein wenig blaß um die Nase kehrte er zu Rowland zurück. "Mit den Fotos, die unser Fotograf von den beiden geschossen hat, könnte man eine Abschreckungskampagne gegen das Rauschgift starten, was?" knurrte der Captain. "Heroin?" fragte Jo. "Ja", sagte Rowland und nickte. Jo holte die Chesterfields aus der Tasche und bot auch Tom ein Stäbchen an. Sie rauchten, um sich zu beruhigen. "Du hast doch Roper gekannt, Jo." "Wir haben gestern noch zusammen Golf gespielt." Tom blies den Rauch an Jo vorbei. "Ich dachte, es würde dich interessieren, was passiert ist. Deshalb habe ich dich angerufen." Jo nickte, sagte aber nichts. "Hast du gewußt, daß er süchtig ist?" erkundigte sich Rowland. Walker schüttelte den Kopf. "Ich hatte keine Ahnung." "Was für einen Eindruck hat er gestern auf dich gemacht?" "Er war fröhlich wie immer. Hat von einem dunkelhaarigen Mädchen geschwärmt, um das er sich schon seit drei Monaten bemüht hatte. Ein Starlet. Gestern abend sollte sie fällig sein." Rowland nickte. "Nun, sie war fällig. Leider hat es Roper wörtlich genommen." "Schade um den Jungen. Er war ein hervorragender Schauspieler. Hat fast alle Heldenrollen gespielt, die beim Film Erfolg versprachen. Vom Musketier bis zum Piraten, vom Sheriff bis zum Kriegshelden, vom Flugkapitän bis zum weißen Jäger in Afrika. Und auf einmal bringt er das Mädchen, nach dem er ganz verrückt war, im Drogenrausch um." Tom sagte: "Würde mich interessieren, woher er das Rauschgift hatte." Er seufzte. Copyright 2001 by readersplanet
"Geht mich ja eigentlich nichts an. Dafür sind die Männer vom Rauschgiftdezernat zuständig . Was natürlich nicht bedeuten muß, daß wir beide uns überhaupt nicht darum zu kümmern haben. Wenn ich so ein sinnloses Gemetzel sehe, kommt mir immer die Galle hoch, verstehst du? Das geht mir unter die Haut, und ich sehne mich danach, den wahren Schuldigen für diese Tat zur Rechenschaft zu ziehen. Roper ist nicht der Schuldige. Er war nicht zurechnungsfähig, als er die Tat begangen hat. Ich möchte den Kerl haben, der diesen abscheulichen Mord indirekt begangen hat. Den Kerl, der diese beiden Menschen umgebracht hat, ohne sich die Hände mit ihrem Blut zu besudeln." Jo Walker schwieg beeindruckt. "Mal sehen, Tom. Vielleicht gelingt uns dieses Kunststück."
* Die Bar war ein großer Raum. Durch prachtvolle Blumenarrangements war er vom Speisesaal getrennt. Der Saal war dicht gefüllt. Die kleine Combo auf dem Podium spielte laut, aber man konnte nicht hören, ob sie gut oder schlecht war. Es ging zu wie in einem Tollhaus, und das hob Jo Walkers üble Laune auch nicht gerade. Er schlenderte langsam durch den Raum. Die Barmänner hatten an diesem frühen Nachmittag alte Hände voll zu tun, um die Gäste mit Drinks zufriedenzustellen. Auf einem Hocker am Tresen saß ein bildhübsches Mädchen. Sie war groß, schlank und vollbusig und hatte einen kleinen herzförmigen Mund. Ihre Beine waren makellos. Das fuchsienrote Kleid war kurz und saß vielleicht um eine Spur zu knapp. Sie blickte Jo interessiert nach. Doch Walker war nicht ihretwegen hierhergekommen, sondern wegen des eleganten Mannes, der ihm nun mit erhobener Hand zuwinkte, um ihn auf sich aufmerksam zu machen. Der Mann war groß und drahtig. Er hatte ein asketisches Gesicht und helle intelligente Augen. Er trug einen dunkelgrauen Anzug mit Weste. Jo hatte ihn noch nie ohne Weste gesehen. Auch dann nicht, wenn die Temperatur vierzig Grad überstieg. Die Weste hatte an der oberen Kante eine weiße Paspelierung. Aufrecht wie ein Kavallerist erwartete er Jo Walker. "Guten Tag, Mr. Zinneman." "Oh. Hallo, Mr. Walker", sagte Bob Zinneman lachend. "Pünktlich wie die Uhr. Das gefällt mir so an Ihnen." Er wies auf den Stuhl, der ihm gegenüberstand. "Bitte setzen Sie sich. Was möchten Sie trinken?" "Einen Johnnie Walker, wenn es Sie nicht in Unkosten stürzt." Zinneman lachte wieder. "Meinetwegen können Sie eine ganze Flasche austrinken. Geht auf Spesen. Er winkte einen Kellner an den Tisch und gab die Bestellung auf. Jo bekam seinen Drink. Zinneman hob sein Glas. "Auf den Erfolg, Mr. Walker." "Wie Sie wollen, Mr. Zinneman. Schließlich haben Sie ja den Drink spendiert." Sie tranken. Dann sagte Zinneman, während er sein Glas zwischen den Handflächen hin und her drehte: "Sie müssen entschuldigen, daß ich Sie hierhergebeten habe, Mr. Walker, anstatt zu Ihnen nach Kings Point hinauszukommen. Aber mir fehlt leider die Zeit für solche Fahrten." Jo winkte ab. "Schon gut, Mr. Zinneman." "Natürlich wollte ich Sie auch nicht in der nüchternen Umgebung meines Versicherungsbüros empfangen." Er lächelte. "Da ich weiß, daß Sie Wert auf Atmosphäre legen, dachte ich an Copyright 2001 by readersplanet
diese Bar. Sie gefällt Ihnen doch." Jo blickte auf das hübsche Mädchen, das ihm vorhin Augen gemacht hatte, und sagte: "O ja." Zinneman folgte seinem Blick und sagte dann: "Ich meine die Bar, Mr. Walker." "Die gefällt mir auch", erwiderte Jo grinsend. Zinneman war Versicherungsdirektor. Ein untadeliger Mann, den Jo Walker schätzte und äußerst sympathisch fand. Zinneman schien eine große Sache auf dem Herzen zu haben, denn er druckste lange herum und rutschte nervös auf seinem Stuhl hin und her. Aber er ließ die Katze nicht aus dem Sack. Dann fragte er noch: "Darf ich Ihnen eine Zigarre anbieten, Mr. Walker?" "Eine von Ihren herrlichen kubanischen?" fragte Jo grinsend. "Selbstverständlich." Er hielt Jo das Zigarrenetui aus schwarzem Schweinsleder hin. "Bedienen Sie sich, Mr. Walker." Jo nahm sich eine Zigarre. "Feuer?" fragte Zinneman. Jo nickte und zündete sich die Zigarre an der Flamme von Zinnemans Gasfeuerzeug an. Auch der Versicherungsmann klemmte sich eine braune Havanna zwischen die Lippen. Jo grinste. "Was brennt Ihnen denn auf den Fingernägeln, Zinneman?" Bob Zinneman nagte an seiner dicken Zigarre. Dann seufzte er tief. "Nun", begann er unsicher. "Wir haben schon einige Male zusammengearbeitet, Mr. Walker. Meine Versicherungsgesellschaft hat Ihre schnelle Arbeit und Ihre Erfolge stets sehr zu schätzen gewußt." "Sie sollen also wieder mal stark bluten, wie." Bob Zinneman nickte traurig. "Sie sagen es, Mr. Walker. Sie sagen es." "Dann rücken Sie mal raus mit der Sprache." "Sagt Ihnen der Name Harry Gold etwas, Mr. Walker?" "Natürlich. Ich würde sagen, was Carlo Ponti in Italien ist, ist Harry Gold in den Vereinigten Staaten. Beide sind mit außergewöhnlich attraktiven Frauen verheiratet. Ponti mit Sophia Loren. Gold mit Zizi Lewis. Beide Frauen sind hervorragende Schauspielerinnen, die die Filme ihrer Ehemänner durch ihre Mitwirkung krönen." Zinneman nickte. "Richtig, Mr. Walker. Mit Carlo Ponti hat meine Versicherung nichts zu schaffen. Aber mit Harry Gold." Jo nippte an seinem Drink und zog an der Zigarre. "Wir haben sehr viel mit Gold zu tun", sagte der Versicherungsdirektor. "Er läßt die Stuntmen bei uns gegen Unfall versichern und auch die Stars, den ganzen Filmstab, seine Ateliers und so weiter. Selbstverständlich ist auch sein Privatbesitz und der von seiner Frau bei uns versichert." Jo kniff ein Auge zusammen. "Jetzt erreichen wir wohl bald den springenden Punkt, wie?" "Genau", sagte Bob Zinneman. Er lächelte matt. "Sie merken wohl, daß ich unregelmäßig atme." "Und an Ihrem Schweißausbruch", sagte Jo und wies auf Zinnemans glänzende Stirn. "Gestern nacht wurde in Golds Penthouse eingebrochen, Mr. Walker. Die beiden Einbrecher haben Golds Safe völlig ausgeräumt, während sich der Produzent und seine Frau bei Freunden aufgehalten haben. Das Ehepaar kam jedoch früher als gewöhnlich nach Hause. Zu dieser Zeit hielten sich die Einbrecher noch im Penthouse auf. Die Kerle schlugen Gold und seine Frau brutal nieder und verschwanden spurlos?" Copyright 2001 by readersplanet
"Was verschwand mit ihnen?" "Wie bitte?" "Was war in Golds Safe?" "Ein Kollier, eine Perlenkette, ein Armband, Ringe." Zinneman holte ein zusammengefaltetes Blatt Papier aus der Innentasche seines Jacketts. "Hier, Mr. Walker. Ich habe Ihnen eine Aufstellung mitgebracht. Am härtesten trifft uns der Verlust des , der von uns für achthundertfünfzigtausend Dollar versichert worden ist" Jo stieß eine Pfiff aus. Zinneman nickte. "Sie können sich vorstellen, daß wir das siebenundsechzigkarätige Steinchen gern wiederhaben möchten, Mr. Walker. Würden Sie uns dabei unterstützen?" Jo zuckte lächelnd die Schultern. "Ich kann es ja mal versuchen." Zinneman sah Jo lächelnd an. "Da ich weiß, daß ein gedopter Privatdetektiv wesentlich mehr leistet als jeder andere, biete ich Ihnen neben Ihrem üblichen Honorar eine Prämie von einem Prozent für jeden wiederbeschafften Gegenstand an. Das sind allein für den achttausendfünfhundert Dollar." Jo Walker hob beeindruckt die Augenbrauen. So großzügig war Bob Zinneman noch nie gewesen. "Ich glaube, die Prämie ist Grund genug für mich, den vergrabenen Schatz aufzuspüren und zurückzubringen, Mr. Zinneman." Der Versicherungsdirektor lächelte zufrieden. "Ich wußte, daß Sie interessiert sein würden, Mr. Walker. Und ich freue mich, daß wir wieder einmal zusammenarbeiten. Möge diese Zusammenarbeit ebenso erfolgreich verlaufen wie bisher. "Das kann man nur hoffen", sagte Jo und trank seinen Whisky aus.
* "Unser erster großer Erfolg"' sagte Don Crosby mit zufriedenem, selbstgefälligem Grinsen. Sie befanden sich in Chapmans Wohnung, die nur dürftig eingerichtet war. Drei Stühle, ein Tisch, eine Holzkiste, eine Kommode, eine Couch und ein Schrank. Das war alles. Der Boden bestand aus schmierigen Bohlen, die rissig waren und knarrten, wenn man darauf ging. Die Tapeten an den Wänden waren verdreckt. Zum Teil waren sie zerfetzt. Ed Chapman blätterte in den Zeitungen, um die Kritiken zu studieren, die man über sie verfaßt hatte. Natürlich hatte der clevere Harry Gold das Verbrechen gleich wieder in Publicity umgesetzt. Fotos von ihm und seiner hübschen Frau waren in allen Zeitungen zu sehen. Er trug ein breites Pflaster auf der Stirn. Sie trug keines. Ganz beiläufig wurde eingestreut, daß Harry Gold wieder mit einem großen Filmprojekt beschäftigt war. Hauptrolle: Zizi Lewis. Selbstverständlich. Gold ließ verlauten, daß durch den Einbruch das Filmprojekt in keiner Weise gefährdet sei. Und vielleicht stecke die Mafia hinter diesem Verbrechen. Möglicherweise wolle man ihn damit einschüchtern, denn sein nächster Film würde die üblen Machenschaften der Mafia aufdecken. Aber er sei auch von der bösen Mafia nicht einzuschüchtern. Dieses und anderes erwähnten die schwülstigen Kommentare. Copyright 2001 by readersplanet
Natürlich hatte Gold auch die beiden Täter beschrieben. Doch der Produzent schien die Beobachtungsgabe eines Blinden zu besitzen, denn die Beschreibungen paßten weder auf Ed Chapman noch auf Don Crosby, sondern eher auf Frank Sinatra und Dean Martin. Don Crosby stand am Fenster und blickte, mit sich und der Welt zufrieden, nach draußen. "Junge", sagte er, "wenn ich daran denke, was für miese Coups ich schon hinter mir habe." Er schüttelte den Kopf. "Mit Nachtwächtern und deren Hunden mußte ich mich herumschlagen... Für ein paar Dollar, die ich noch in derselben Nacht mit irgendeinem Mädchen verjubelt habe." Chapman blätterte um. Er hörte kaum zu, doch das störte Crosby nicht. Ihm kam es nur darauf an, sich etwas von der Seele zu reden. "Für etwas Großes hat es nie gereicht", sagte er in einem Anfall von Selbstmitleid. "Es war immer Pech dabei." Jetzt legte Chapman die Zeitung hin und grinste. "Bisher hast du eben nicht mit dem richtigen Partner zusammengearbeitet." Crosbys Augen leuchteten. Das war es. "Bleiben wir zusammen, Ed?" Chapman lachte. ,.Na klar. Ein Erfolgsgespann soll man nicht auseinanderreißen. Das ist doch ein altes Prinzip." Don Crosby rieb sich erfreut die Hände. Kleine rote Flecken zeichneten sich auf seinen Wangen ab. "Wann soll denn das nächste Ding steigen?" "He!" rief Ed Chapman lachend. ,;Ich kenne dich ja nicht mehr wieder! Hast du gestern nicht verdammte Bauchschmerzen in Harry Golds Penthouse gehabt?" Crosby bleckte die Zähne. "Das war gestern. Wenn ich mir aber heute ansehe, wofür ich diese Bauchschmerzen gehabt habe, muß ich sagen....Verdammt, da muß ich sagen, daß sie sich ausgezahlt haben." Crosby schielte grinsend zur Couch hinüber. Dort hatten die Freunde die Beute ausgebreitet. Verträge, Aktien, Pfandbriefe, Namenslisten (vermutlich von Filmleuten), ein Büchlein mit Aufzeichnungen, die weder Chapman noch Crosby entziffern konnten, Rechnungen und wieder Verträge. Das Geld, das ihnen ebenfalls in die Hände gefallen war, hatten sie inzwischen geteilt. Außerdem hatte der rührige Chapman bereits am Vormittag außerhalb New York, ein kleines abgelegenes Haus gemietet. Dahin wollten sich die Freunde zurückziehen und warten, bis sich der Staub gelegt hatte, den der Einbruch aufgewirbelt hatte. Eine große Klippe lag noch vor ihnen. Sie mußten einen Hehler finden, der ihnen den abnahm. Einen Tag nach dem Einbruch schien das schwieriger zu sein als alles andere. Immerhin war der Riesendiamant weltberühmt. Chapman faltete die Zeitungen zusammen und legte sie in den Schrank. Der Kommode entnahm er einen zerkratzten schwarzen Attachekoffer. Damit begab er sich zur Couch und begann, die Beute in den geräumigen Koffer zu verstauen. Schließlich ließ er die beiden Verschlüsse zuschnappen, klopfte liebevoll auf den schwarzen Deckel und sagte: "Bist du reisefertig, Don?" "Bin ich doch immer", erwiderte Crosby grinsend. "Wohin soll's denn gehen?" "Raus aus der Stadt:' "Muß das sein?" Copyright 2001 by readersplanet
"Es war doch abgemacht" Crosby setzte ein verwegenes Lächeln auf. "Ich habe mir da vorgestern eine süße Verkäuferin angelacht . . :" "Die kann warten!" sagte Chapman energisch. Crosby blickte auf den Attachekoffer, der auch sein Vermögen enthielt. Ohne weitere Einwände meinte er schulterzuckend: "Na ja. Vielleicht hat die Kleine einen Boxer zum Freund. Dann wäre es sowieso besser, die Finger von ihr zu lassen." "Eben", brummte Chapman. Er verließ den Raum. Crosby ging mit ihm. Draußen in der Diele stand seine prall gefüllte Reisetasche. Er nahm sie und folgte seinem Freund, ohne ein weiteres Wort zu verlieren. Sie verließen das Haus und setzen sich in Ed Chapmans Wagen. Reisetasche und Attachekoffer landeten im Fond des Fahrzeugs. Chapman drehte den Zündschlüssel um. Der Anlasser mahlte kurz. Dann brummte der Motor los. Vorsichtig reihte sich Chapman in den Verkehr ein. Brooklyn, Queens, Manhattan, Bronx. Über den Broadway fuhr Ed Chapman in nördlicher Richtung. Die Straßen wurden schmaler. Die Häuser wurden niedriger. Schließlich ein Birkenhain. Eine Wiese. Hinter der Wiese ein Haus. Hier hielt Chapman den Wagen an. "So", sagte er. "Da wären wir." Don Crosby blickte durch die Windschutzscheibe. "Das ist unser neuer Schlupfwinkel", sagte Chapman. "Ich hoffe, es gibt WC und TV dort drinnen", meinte Crosby, dem das Haus nicht sonderlich zusagte. "Gibt es", sagte Chapman und nickte. "Wir ziehen uns ja schließlich nicht auf den Mond zurück." Das Haus war schmalbrüstig und hatte keine Garage, wohl aber einen Keller, was in Amerika eine Seltenheit war. Die Fenster waren schmutzig. Der Garten war verwildert. Das Ganze erinnerte an ein verwunschenes Schloß. Crosby zog die Mundwinkel enttäuscht nach unten. Ed hatte ihm bereits einiges von diesem Haus erzählt, und er hatte sich ein Bild davon gemacht, das aber von der Wirklichkeit weit entfernt war. "Wie lange werden wir hier bleiben?" fragte Crosby und wandte sich um. In einiger Entfernung ragten Fabrikschlote in den Spätnachmittagshimmel. "So lange, bis wir uns auf die Nerven gehen", erwiderte Ed Chapman. "Moment! Dann dürfte ich ja gar nicht einziehen", scherzte Crosby. "Na, komm schon", brummte Chapman, als wäre er beleidigt worden. Er griff nach dem Attachekoffer und stieg aus dem Fahrzeug. Crosby holte seine Reisetasche und stieg ebenfalls aus. Sie durchschritten den Garten, nachdem Chapman das wimmernde Gartentor geöffnet hatte. "Wie in einem Gruselfilm", sagte Crosby. Vier abgetretene Steinstufen führten zum verwitterten Hauseingang hinauf, der unter einem kleinen defekten Dach lag. Chapman schloß auf. Wieder ein Ächzen, Knarren und Wimmern. Sie traten ein. Nachdem Chapman den Attachekoffer ins Wohnzimmer brachte und Crosby seine Reisetasche abgestellt hatte, begann Chapman, der Hausherr, mit der Führung. Copyright 2001 by readersplanet
Er öffnete eine Tür und sagte: "Küche." Er öffnete die nächste Tür und sagte: "Bad." So ging es weiter. "WC." Und dann: "Abstellraum. Und hier: das Wohnzimmer." Bevor sie ins Wohnzimmer traten, erwähnte Chapman: "Und oben sind getrennte Schlafzimmer, damit ich dich nicht schnarchen höre." Crosby lachte und rieb sich die Hände. "Na fein. Und wer gibt mir den Gutenachtkuß?" "Den kannst du von mir haben, wenn es unbedingt sein muß." "Dann verzichte ich darauf." Nun betraten sie das Wohnzimmer. Es war nicht groß, entsprach aber allen Anforderungen. Ein Sofa am Fenster. Daneben zwei Sessel und ein Holztisch, auf dem ein Silberthermos für Eiswürfel stand. An den Wänden standen Regale, die mit Büchern gefüllt waren. Auch ein Plattenspieler, ein Fernsehgerät und ein Radioapparat waren vorhanden. Crosby entdeckte auch eine gut bestückte Hausbar. Crosby war nun doch beeindruckt. "Verdammt, Ed! Uns beide sollte man wirklich nicht auseinanderreißen." Er wies auf die Hausbar. "Hast du die Getränke besorgt?" "Sicher. Ich habe mir gedacht, wir sollten heute mal ein großes Besäufnis veranstalten, Don", sagte Ed Chapman. Crosby klatschte sich vergnügt auf die Schenkel. "Na, da bin ich dabei! Verdient haben wir es. War ja ein Glanzstück, was wir beide gestern geliefert haben. So etwas muß wirklich begossen werden." "Dann mal los"' rief Ed Chapman und verstaute den Attachekoffer im Regal. "Dort sind die Gläser. Da die Flaschen." Don Crosby sprang auf und machte die Drinks. "Wir wollen es uns gemütlich machen", sagte Ed Chapman. "Und gekotzt wird in die Badewanne, verstanden?" Sie tranken und lachten und lachten und tranken. "Mach doch ein bißchen Musik, Ed", verlangte Don Crosby, während er grinsend einen der Blumenstöcke zerzauste. Chapman brachte ein paar Langspielplatten. "Such dir was aus, Don." "Leg die von Frankie-Boy auf den Teller." "In Ordnung", sagte Chapman und legte die Schallplatte auf. Aus zwei Stereoboxen sang Sinatra: "Strangers in the night..." Crosby schloß genießerisch die Augen. "Er ist der Größte! Verdammt, er ist der Größte"' Eröffnete die Augen. "He, Ed!" "Hm?" "Wann brechen wir bei ihm ein?" Sie lachten schallend, waren übermütig, tranken, scherzten, tanzten miteinander und redeten mehr und mehr mit schwerer Zunge. "Gut sind wir!" sagte Don Crosby schallend. "Wir sind beide gut. Du bist gut. Ich bin gut. Aber sehr gut sind wir nur dann, wenn wir zusammenarbeiten. Dann sind wir unschlagbar!" Bei jeder Silbe stieß er Chapman den Zeigefinger gegen die Brust. Dann boxte er den Freund leicht in den Magen. "Komm! Trink noch einen, Ed. Na, komm schon!" "Ich weiß nicht..." Copyright 2001 by readersplanet
"Aber ja, Ed. Einer geht noch. Einen leisten wir uns noch. Wir müssen auf den Erfolg trinken! Und darauf, daß er uns treu bleibt." Chapman machte die nächsten Drinks. Crosby sah sich mit glasigen Augen im Wohnzimmer um. Immer wieder huschte seine Zunge über die Lippen. Er stand in der Mitte des Raumes und wankte wie ein Halm im Wind. Chapman brachte die Drinks. Sie tranken auf den Erfolg. Crosby schüttete den Whisky wie Wasser in seine Kehle. "Ah!" stöhnte er. "Herrlich schmeckt das Zeug. Ist ein verfluchtes Teufelszeug"' Er kicherte. "Je mehr man davon trinkt, desto besser schmeckt es, was? Paß auf, Freund. Heute nacht schlafe ich in einem Whiskyfaß. Kann die Treppe sowieso nicht mehr hochklettern." Wieder kicherte er. Er wankte mehr als Chapman. Benommen wischte er sich über die Augen. Frank Sinatras Stimme drang wie durch einen Watteberg an seine Ohren. "Sag mal, Ed..." "Was ist?" "Hast du auch solch einen Schleier vor den Augen?" "Schleier?" "Ja, Schleier." "Nee. Ich habe nichts. Ich sehe euch beide ganz klar." Don Crosby seufzte. "Mir ist auf einmal... so komisch, Ed. Ver... Verdammt, ich muß mich setzen." Er ließ sich in den breiten Sessel fallen. "Mach die Musik ein bißchen lauter. Vielleicht werde ich dann munter." "I am a rover!" sang Frank Sinatra. Don Crosby seufzte und fuhr sich mit einer unendlich müden Handbewegung erneut über die Augen. "Die letzte Ladung scheint zuviel gewesen zu sein, Ed." "So?" "Hm. Ganz dumpf ist mein Schädel, sage ich dir." Crosby schlug mit der Faust gegen die Schläfe, als wollte er dort drinnen etwas wieder in Gang bringen. "Verstehe ich nicht", brummte er mit schwerer Zunge. "Was verstehst du nicht?" "Ich konnte doch sonst immer mit dir mithalten, Ed." "Bist eben heute nicht in Form, Don", sagte Ed .Chapman. Um seine Lippen kräuselte sich ein höhnisches Lächeln, das Crosby eigentlich hätte alarmieren sollen. Chapman wirkte überhaupt nicht mehr betrunken. Er schien ganz klar im Kopf zu sein. "Ich habe das Gefühl als ob mein Hirn abstirbt, Ed", ächzte Don Crosby. Er warf den Kopf hin und her. Seine Bewegungen waren langsam und schwerfällig. "Kannst du das verstehen, Ed? Müde bin ich. Verdammt müde. Ich kann... kaum noch die Augen offenhalten. Als ob ich ein starkes Schlafpulver eingenommen hätte." Er erschrak. Doch auch dieses Erschrecken brauchte seine Zeit. "Schlafpulver!" wiederholte er träge. "He... Ed... Du hast mir doch nicht etwas . . Ed! Warum? Ed!" Copyright 2001 by readersplanet
Ein verächtliches Grinsen verzerrte in diesem Augenblick Chapmans Gesicht.
* "Ed!" "Ja, Don?" "Ed!" "Was ist denn?" Don Crosby schüttelte benommen den Kopf. Er preßte die Lider fest aufeinander. Crosbys schlaffes Gesicht gehorchte seinem Willen nicht mehr. Keuchend hing Crosby im Sessel und kämpfte gegen das schwarze Nichts an, das ihn zu verschlingen drohte. "Ed, was soll das?" Chapmans Stimme klang glashart. "Kannst du dir das denn nicht denken, Don?" Crosby sah Chapman mit weit aufgerissenen, glasigen Augen an. Trotzdem sah er den Freund nur verschwommen. Aber eines fiel ihm auf. "Du... bist... kein.... bißchen blau, Ed... Kein bißchen..." "Kein bißchen", sagte Chapman mit überlegenem Lächeln. "Wo hast du den Whisky hingetan, Ed?" "Den meisten in die Blumentöpfe." "Aber... warum?" Crosby wehrte sich verzweifelt gegen die Wirkung des Schlafpulvers, das ihm Chapman in den letzten Whisky geschüttet hatte. "Ich bin so müde..." stöhnte er. "So müde... Ich verstehe nicht, Ed... Ich verstehe nichts mehr... Ich kann... nicht mehr... denken... Ed..." Chapman lachte frostig. "Brauchst du auch nicht, Don. Ich denke für uns beide." "Was... hast du vor, Ed?" "Ich werde dich umlegen." "Nein!" stieß Crosby entsetzt hervor. Die Augen fielen ihm immer wieder zu. Die Zunge, die Lippen gehorchten ihm schon fast nicht mehr. Er sprach immer undeutlicher, immer stockender. "Ed! Hast du vergessen? Wir sind doch... ein Erfolgsgespann!" "Wir waren eines, Don!" sagte Chapman ungerührt. "Ich hatte von Anfang an nicht vor, mit dir zusammenzubleiben. Nur für diesen einen Coup habe ich mich mit dir arrangiert, Don. Weil ich den Safe nicht hätte knacken können." Er lachte heiser. "Du hättest dich ein wenig mehr mit meiner Vergangenheit beschäftigen sollen, Don. Dann wüßtest du, daß ich noch niemals geteilt habe. Und so werde ich es auch weiterhin halten." Crosby schlief schon fast. Seine Bewegungen waren unkontrolliert. Er sprach wie im Traum. Speichel sickerte aus seinem offenen Mund. Ed Chapman traf seine Vorbereitungen für den Mord. Nun sang Frank Sinatra von dem "Girl from lpanema". Chapman zog seine Pistole aus der Schulterhalfter und schraubte einen Schalldämpfer auf den Lauf. Das wäre eigentlich gar nicht nötig gewesen, doch es war Chapman lieber, wenn er keinen lauten Knall hören mußte. Don Crosby war gezwungen, ihm dabei zuzusehen. Aber er begriff kaum noch, was geschehen sollte. Einmal versuchte er noch verzweifelt sich aufzurichten, doch er erschlaffte sofort wieder. Copyright 2001 by readersplanet
Nun schlief er. Mit völlig ausdrucksloser Miene hob Ed Chapman die Waffe. "Mehr Humanität kannst du von mir wirklich nicht verlangen", sagte er. Dann drückte er ab. Tack. Tack. Tack. Tack. Die Beine des Toten klopften schwer auf die hölzernen Kellertreppen. Chapman zog keuchend den leblosen Körper des getöteten Freundes hinter sich her. "Bist ein verdammt schwerer Brocken, mein Junge", sagte er ächzend. Als er endlich im Keller angelangt war, ließ er Crosby zu Boden sinken, richtete sich auf und wischte sich den Schweiß von der heißen Stirn. Dann machte er Licht. Wieder bückte er sich. Wieder packte er den Toten beim Jackett, schleppte ihn keuchend weiter. Am Ende des Kellers, bei der nassen Kellermauer, ließ er den Leichnam erneut los. Hier hatte Chapman schon am Vormittag ein Grab für den Komplicen ausgehoben. Er hatte alles genau durchdacht und vorbereitet. Deshalb hatte es auch keine Schwierigkeiten gegeben. Ohne jeden Verdacht war Don Crosby mitgekommen. Blind wag er in die Mordfalle hineingetappt. Chapman blickte in die Grube. Auf der einen Seite lag ein Erdhaufen, auf der anderen Seite Don Crosby. Don würde für immer von der Bildfläche verschwinden. Und niemand würde es bemerken. Vielleicht würde seine Leiche nie gefunden. Mit einem Fußtritt beförderte Chapman den toten Freund ins Grab. Dann griff er nach der Schaufel und. schippte die Erde auf den Leichnam. Bald war Crosby nicht mehr zu sehen. Schnell schaufelte Chapman weiter. Danach trat er die Erde fest. Er atmete erleichtert auf und legte die Schaufel wieder an ihren Platz. Er nickte zum Grab hin und sagte lakonisch!"Erledigt." Ein roter Baldachin spannte sich über den Gehsteig. Es war heiß, und der Baldachin spendete ein wenig Schatten. Als Jo Walker die Marmorhalle betrat, bemerkte er, wie segensreich die Erfindung der Klimaanlage war. Laut hallten seine Schritte von den Marmorwänden wider. Der Expreßlift schien auf Jo gewartet zu haben. Walker stellte sich in die Kabine und ließ sich zum Penthouse hochschießen. Während der kurzen Fahrt betrachtete sich Jo in den Chromwänden des Lifts. Dann war er da. Er stand vor Harry Golds Tür. Es war ein wunderschöner Vormittag, an dem die Sonne vom Himmel herableuchtete. Als Jo auf den Knopf drückte, erklang drinnen ein melodisches Ding-dong. Dann schwang die Tür auf, und Jos ganze Lebensfreude schwand dahin. Das, was den Türrahmen ausfüllte, sah auf den ersten Blick aus wie der letztjährige "Mister Amerika". Er war gut einen Meter fünfundneunzig groß und wog ungefähr zweihundertzwanzig Pfund. Er trug eine etwas zu kurz geratene Dreieckhose aus fleischfarbener Seide und wirkte auf den ersten Blick wie ein Nacktflitzer, der eben nach Hause gekommen war. Die schimmernden Bizeps-, Trizeps-, Pektoral- und anderen Muskeln, die über sein massives Gestell verschlungen und verknotet waren, waren sonnengebräunt und glänzten ölig. Er hatte ein grobes Gesicht und eine dünne Nase. Das Haar trug er verhältnismäßig lang, so daß seine Ohren verdeckt waren. Die Farbe seiner Augen, mit denen er dümmlich in die Welt blickte, waren blaugrau. Der Muskelmann musterte Jo mit einem unfreundlichen Blick, als hätte Jo den Aussatz oder irgendeine andere ansteckende Krankheit. "Sie wünschen?" Copyright 2001 by readersplanet
"Ich möchte Mr. Harry Gold sprechen." "Geht nicht." "Wieso nicht?" "Weil er nicht da ist!" "Dann möchte ich Mrs. Zizi Lewis sprechen", sagte Jo. "Mann!" knurrte der Große. "Sie sind aber hartnäckig." Jo zuckte gleichgültig die Schultern. "Das bringt mein Beruf so mit sich." Wieder erhielt er einen geringschätzigen Blick. "Reporter?" "Privatdetektiv." "Angemeldet?" "Nein." "Dann empfängt Mrs. Zizi Lewis Sie nicht." "Sie könnten ihr wenigstens sagen, daß ich da bin." Der Große schüttelte eigensinnig den Kopf. "Hätte keinen Sinn." Jo betrachtete den ausgepolsterten Körper des Muskelmanns. Bewundernd wiegte er den Kopf. "Prachtvolle Muskeln, die Sie da haben." Der Große spannte sie sofort alle an und sagte mit leuchtenden Augen: "Freut mich, daß sie Ihnen gefallen." "Wie kriegt man so etwas?" erkundigte sich Jo beeindruckt. "Durch Gewichtheben?" "Größtenteils. Und auch durch Training." Jo nickte bedächtig. "Nun stellen Sie sich mal vor, wie der ganze imposante Anblick leiden würde, wenn Sie dazu ein gebrochenes Nasenbein im Gesicht tragen würden." Der Muskelmann blickte Jo mit wild funkelnden Augen an. "Ich verstehe nicht..." "Nun, ich möchte damit andeuten, daß ich mich nicht mehr lange von Ihnen aufhalten lasse. Denken Sie an Ihr Nasenbein und sagen Sie Mrs. Lewis, daß Jo Walker sie sprechen möchte." Der Bursche war feige, das bemerkte Jo sofort. Deshalb hatte er diesen Ton angeschlagen. Und prompt kam der Rückzieher. "Weswegen wollen Sie Mrs. Lewis sprechen?" "Wegen des Einbruchs vorgestern Nacht." "Warten Sie hier, Walker." Jo schüttelte den Kopf. "Ich komme gleich mit." Der Große wollte protestieren, doch Jo ließ sich nicht abschütteln. Sie durchquerten die Wohnung. Jeder Raum war von gleißendem Sonnenlicht durchflutet. Funkelnd tanzten die Sonnenstrahlen auf der Oberfläche des Schwimmbeckens, als Jo und der Muskelprotz auf die Terrasse traten. Hier standen einige Liegen, Stühle, Sonnenschirme und Tische herum. Copyright 2001 by readersplanet
Eine platinblonde Frau saß, glänzend vor Nässe, auf einem Badetuch am Rand des Beckens. Zizi Lewis. Sie war fast noch schöner als in ihren Filmen. Jo war von ihrem Anblick überwältigt. Er beneidete Harry Gold um dieses Prachtmädchen. Tiefolivbraun war ihre Haut. Sie bildete einen auffälligen Kontrast zu ihrem einteiligen weißen Lastexbadeanzug. Die schwellenden Kurven ihrer üppigen Brüste quollen über den Rand ihres Badeanzugs. "Zizi", sagte der Große an Jos Seite. "Da ist jemand, der dich sprechen möchte." Die Schauspielerin nahm die dunkle Brille ab und musterte Jo kurz, aber gründlich. "Entschuldigen Sie meine Unverfrorenheit, Mrs. Lewis", sagte Jo. "Ich hätte bestimmt nicht gewagt, so einfach hier hereinzuplatzen, wenn dieser junge Mann mich nicht dazu ermuntert hätte." Der Große sagte: "Er heißt Jo Walker. Er ist Privatdetektiv. Er kommt wegen des Einbruchs." Jo nickte. "Genau deswegen komme ich zu Ihnen. Vielen Dank, Mister..." "Ballard", sagte Zizi Lewis und setzte die dunkle Brille wieder auf. "Das ist Hank Ballard, Mr. Walker. Vielleicht werden Sie ihn eines Tages als Herkules auf der Leinwand bewundern können." "Oh", sagte Jo mit einem verschmitzten Lächeln. "Ich schwärme mehr für die Frau des Herkules." Zizi Lewis erhob sich und kam auf Jo zu. Ihr Haar schmiegte sich in sanften Locken an ihren Kopf. Ihre Nase war kurz und gerade. Die Linie ihres Kinns drückte Entschlossenheit aus. Als sie ihm die Hand reichte, spürte er einen leichten elektrischen Schlag. "Bitte setzen Sie sich, Mr. Walker." Jo setzte sich. Sie setzte sich ihm gegenüber auf einen weißen Stuhl. Der Rand ihres Badeanzugs schnitt tief in ihre Schenkel ein. "Einen Drink, Mr. Walker?" "O ja. Gern." Zizi wandte sich wie eine richtige Lady an den Muskelmann und brachte ihn mit einem hinreißenden Lächeln zum Schmelzen. "Bitte sei lieb Hank, und bring uns zwei Bourbon. Mit Eis, Mr. Walker?" "Ohne Eis." "Also zwei Bourbon ohne Eis, Hank." Hank ging, und Jo fragte sich, was dieser Hank Ballard noch alles für Zizi Lewis tun durfte, wenn Harry Gold nicht zu Hause war. "Wer hat Sie engagiert, Mr. Walker?" fragte die Schauspielerin. Als hätte sie ihn bei einem schlimmen Gedanken ertappt, zuckte er zusammen und lächelte verlegen. "Die Versicherungsgesellschaft, die nun für den Schaden aufkommen soll. Ich hoffe, daß ich wenigstens den zurückbringen kann." Sie kräuselte die Stirn. "Ist es nicht furchtbar, was passiert ist, Mr. Walker?" "Ja, furchtbar." "Niedergeschlagen haben uns die beiden!" sagte Zizi empört. "Und den ganzen Schmuck, den wir im Haus hatten, haben sie gestohlen, diese... diese verdammtem Verbrecher. Vor allem der Diamant ist ein entsetzlicher Verlust, Mr. Walker. Was nützt es schon, wenn die Versicherung achthundertfünfzigtausend Dollar zahlt. Für mich ist dieser wertvolle Stein unersetzlich." Copyright 2001 by readersplanet
Hank Ballard brachte die Drinks. "Geh ein bißchen schwimmen, Hank", sagte Zizi zu ihm. "Damit du in Form bleibst." Form. Das war ein Wort, das bei Ballard einen Reflex auslöste. Schon war er beim Becken. Er sprang hoch und flog mit gestreckten Armen ins Wasser. Rudernd kam er hoch und begann, mit kräftigen Armbewegungen zu kraulen. "Ein prachtvoller Bursche", sagte Zizi lächelnd. "Finden Sie nicht auch, Mr. Walker?" "Er sieht gut aus", gab Jo zu. Zizi sagte bedauernd: "Ist es nicht sonderbar, daß diese Kerle fast immer zu wenig Grips im Schädel haben?" "Das nennt man ausgleichende Gerechtigkeit. Aber sprechen wir lieber von den Dieben, Mrs. Lewis." Zizi faßte sich an die Schläfen. Sie schien jederzeit und überall eine Rolle zu spielen. Nie schien sie ganz sie selbst zu sein. Nun spielte sie die entsetzlich Leidende. "Ich sage Ihnen, ich hatte gestern den ganzen Tag gräßliche Kopfschmerzen, Mr. Walker." Jo nickte, gab sich teilnahmsvoll und trank den Bourbon, der vorzüglich schmeckte. "Ich mußte alle Termine absagen", klagte Zizi Lewis. "So elend fühlte ich mich." Jo lächelte. "Heute scheinen Sie sich aber wieder erholt zu haben." Zizi Lewis wiegte den Kopf. "Einigermaßen. Zum Glück habe ich genug Widerstandskraft." Jo kannte ihre Lebensgeschichte. Oder zumindest die Story, die über ihr Leben kolportiert wurde. Was nicht unbedingt dasselbe sein mußte. Danach war sie Näherin in einer Büstenhalterfabrik gewesen. Wegen ihres schönen Busens avancierte sie bald zum Fotomodell für Büstenhalter. Ein Manager sah das Bild und zündete die Antriebsraketen für ihren Senkrechtstart im Filmgeschäft. Sie wurde zu Probeaufnahmen eingeladen, bekam kleine Rollen, die sie mit Bravour meisterte, wurde an die Seite von namhaften Partnern gestellt und erhielt schließlich ihre erste Hauptrolle in einem Harry-Gold-Streifen. Natürlich war sie zuvor schon mit Harry ins Bett gestiegen. Anders bekam man eine solche Traumrolle ja nicht. Das war früher so gewesen und war heute nicht anders. Sie hatte das Glück, daß Gold, der fünfmal verheiratet gewesen war, des Umherflatterns ein wenig müde geworden war und sich mit einer Schönheit wie Zizi Lewis krönen wollte. Die Ehe wurde mit viel Aufwand und unter großer Anteilnahme der Öffentlichkeit geschlossen. Und von da an brauchte sich Zizi Lewis um Filmangebote keine Sorgen mehr zu machen. Gold überhäufte sie mit Gold. Zizi erreichte auf der internationalen Beliebtheitsskala ungeahnte Höhen und war heute ein Fixstern auf dem Flimmerhimmel der Filmindustrie. "Der schöne Schmuck!" jammerte sie. Sie hing sehr an glänzenden Dingen. Sie waren für sie Statussymbole und die Garantie des Reichtums. Eine Schauspielschule hatte Zizi Lewis niemals besucht. Und sie war stolz darauf. "Haben die Diebe den ganzen Safe ausgeräumt, Mrs. Lewis?'" erkundigte sich Jo Walker. Zizi nippte an ihrem Bourbon und zuckte die nackten Schultern. "Ich glaube, ja." Es schien sie nicht sonderlich zu interessieren, was den Dieben außer ihrem Schmuck noch in die Hände gefallen war. Wert hatte für sie nur der Schmuck. Hank Ballard schwamm inzwischen die Strecke Calais-Dover im Schwimmbecken. Er schlug mit seinen kräftigen Armen ins Wasser, so daß es aufspritzte, und quirlte es mit den Beinen. "Was war sonst noch in dem Stahlfach, Mrs, Lewis?" fragte Jo. "Keine Ahnung. Verträge vielleicht sagte Zizi und sah Jo durch die dunkle Brille lächelnd an. "Ich weiß das nicht so genau. Für mich ist nur der Schmuck wichtig. Können Sie das Copyright 2001 by readersplanet
verstehen?" "Durchaus", erwiderte Jo. Das schien das Stichwort für Harry Gold zu sein, denn er trat unvermittelt auf. Er trug jenes breite Pflaster auf der Stirn, mit dem er in allen Gazetten abgebildet war. "Oh, da ist mein Mann", rief Zizi aus. "Er kann Ihnen genau sagen, was sich im Safe befunden hat, Mr. Walker." Sie winkte Gold zu sich. Der Produzent machte einen mürrischen und müden Eindruck. Von dem Keep-smiling, das er sonst aufzusetzen pflegte, war nichts zu sehen. Zizi sagte: "Liebling, ich möchte dir Mr. Jo Walker vorstellen. Er ist Privatdetektiv und von der Versicherungsgesellschaft beauftragt, den gestohlenen Schmuck wiederzubeschaffen." Erst jetzt wurde er ein wenig freundlicher. Doch er mußte sich dazu zwingen. Das konnte Jo ihm ansehen. Gold hatte Sorgen. Sie spiegelten sich in seinen Augen und zerfurchten sein Gesicht, das bleich und aufgedunsen aussah. Jo hatte sich erhoben und drückte die dargebotene Hand fest. Gold musterte ihn wie einen Statisten, der sich um eine Sprechrolle beworben hatte. "So so", meinte er dann. ,.Glauben Sie, daß Sie das fertigbringen, Mr. Walker?" "Ich bin dabei, es zu versuchen, Mr. Gold." Harry Gold nickte. "Ich glaube, Sie gefallen mir, Mr. Walker. Sie machen einen cleveren, vernünftigen Eindruck auf mich. Sie sind nicht einer von diesen aufgeblasenen Idioten, die sich Privatdetektiv nennen und dann davon überzeugt sind, sie könnten alles schaffen." "Ihre Einschätzung ehrt mich, Mr. Gold." Hank Ballard schwamm immer noch. Gold wies auf ihn und meinte geringschätzig: "Der möchte wohl Mark Spitz überrunden, was?" Jo bat Gold um eine Beschreibung der beiden Verbrecher. Der Produzent schüttelte den Kopf. "Ehrlich gesagt, ich kann mich beim besten Willen nicht an die beiden erinnern, Mr. Walker. Was in den Zeitungen steht, ist natürlich Quatsch. Ich habe den Journalisten nur etwas vorgeflunkert, um zu verhindern, daß sie schreiben, der gute Mr. Harry Gold sei schon senil und könne sich keine Gesichter mehr einprägen. Der Schlag auf den Schädel hat die beiden Gesichter in meiner Erinnerung fast völlig ausgelöscht. Ich glaube, es waren übel aussehende Typen. In Konfektionsanzügen." Er lächelte verlegen. "Ist nicht viel, was ich Ihnen anzubieten habe, nicht wahr?" "Das ist es wirklich nicht", pflichtete Jo ihm bei. Er trank den Bourbon aus. Zizi fragte ihn, ob er noch ein Glas haben wolle, doch Jo verneinte. Er sagte zu Gold: "Darf ich mir mal den Safe ansehen?" "Aber natürlich. Bitte kommen Sie mit." Sie verließen die sonnige Terrasse mit Ausblick auf den Central Park. Jo hörte Zizi rufen: "Hank! Du kannst wieder rauskommen! Hank! Mach Schluß, sonst erkältest du dich." Und Hank folgte aufs Wort. Hustend und spuckend schnellte er wie ein Delphin aus dem Wasser, ließ seine Muskelpakete spielen und ging breitbeinig auf die Schauspielerin zu, während er über das ganze dümmliche Gesicht grinste.. Im Arbeitszimmer klappte Harry Gold den Rubens zur Seite. Jo sah sich die Stahltür und auch die Warnanlage genau an. "Da war ein Fachmann am Werk", sagte er. "Das sagten die Polizeibeamten auch", sagte der Produzent. Copyright 2001 by readersplanet
"Was war nun außer dem Schmuck noch im Safe, Mr. Gold?" "Was man eben in einem Safe alles aufbewahrt." "Und zwar?" "Aktien, Pfandbriefe, Verträge. Außerdem hatte ich noch einige sehr wertvolle Aufzeichnungen über die Filmbranche eingeschlossen. Ein Büchlein. Natürlich sind diese Aufzeichnungen nur für mich wertvoll. Jeder andere kann damit nichts anfangen." "Wieso nicht?" "Weil ich sie zum Glück verschlüsselt habe." Seine Augen loderten plötzlich. Er sprach hastig weiter. "Ich möchte diese Aufzeichnungen wiederhaben, Mr. Walker. Mir liegt an ihnen ebenso viel wie meiner Frau an ihrem Schmuck, verstehen Sie?" "Um welche Art von Aufzeichnungen handelt es sich, Mr. Gold?" "Darüber möchte ich nicht sprechen." "In Ordnung", sagte Jo. Er respektierte den Wunsch des Produzenten. Und er machte sich seinen eigenen Reim darauf. Wahrscheinlich waren die Aufzeichnungen geeignet, verschiedene Leute der Filmbranche zu kompromittieren. Wahrscheinlich konnte Gold verschiedene Leute mit diesen Aufzeichnungen unter Druck setzen. "Ein Vorschlag, Mr. Walker", sagte Harry Gold. Er strich sich über den schwarzen Kinnbart. "Ich höre", sagte Jo, "Wenn es Ihnen gelingen sollte, nicht nur den Schmuck meiner Frau, sondern auch die Aufzeichnungen wiederzubeschaffen, würde ich mich nicht kleinlich zeigen." Jo lächelte. Das versprach ja ein wahrer Geldregen zu werden, wenn er Erfolg hatte. "Ich werde mein Bestes geben, Mr. Gold." "Davon bin ich überzeugt, Mr. Walker." Damit war die Audienz beendet. Jo begab sich noch einmal auf die Terrasse, um sich von Zizi Lewis zu verabschieden. Auch Hank Ballard gab auf Zizis Befehl nun artig das Pfötchen. "Ich bringe Sie noch zur Tür", sagte Gold und ging mit Jo, als wollte er sich vergewissern, daß dieser auch wirklich sein Penthouse verließ. An der Tür sagte Jo: "Sie haben sicher angestrengt über diese Sache nachgedacht, Mr. Gold." "Ich denke fast dauernd daran", sagte Gold und nickte. "Haben Sie irgendeinen, wenn auch nur geringen, Verdacht, wer diese beiden Verbrecher sein könnten?" Gold fletschte die Jackettkronen. "Ich wollte, ich hätte einen Verdacht, Mr. Walker. Dann wären die beiden nämlich noch in dieser Stunde hinter Schloß und Riegel."
* "Jenny Slade heißt die Kleine, die Rex Roher im Drogenrausch umgebracht hat", sagte Tom Rowland am Telefon. "Allem Anschein nacht hat sie das Heroin mitgebracht, mit dem sie sich dann beide vollgepumpt haben. Angeblich hatte sie geschäftliche Beziehungen zu einigen Dealern. Hinter einem von ihnen sind die Kollegen vom Rauschgiftdezernat her. Wenn sie ihn fassen, wird er vielleicht sagen, woher er den Stoff bezieht. Wenn man sie hart genug anfaßt, sind diese Kerle manchmal nicht widerstandsfähiger als Eierschalen... Und was gibt's bei dir Neues, Jo?" Kommissar X saß in seinem Mercedes 300 SE Coupe, hielt den Hörer des Autotelefons an sein Ohr und erzählte, wie die Suche nach dem verlaufen war. Copyright 2001 by readersplanet
Danach klemmte er den Hörer in die Halterung, ließ den Motor anspringen und fuhr los. Der Verkehrsstrom war dick wie flüssiger Kunststoff. Träge floß er durch die Straßenschluchten. Man brauchte eine Eselsgeduld dazu, um nicht an jeder Ampel die Beherrschung zu verlieren. Eine halbe Stunde später traf Jo Walker in Forest Hills ein. In der Whitson Street kletterte er aus dem Wagen und verschwand gleich darauf in einem Juwelierladen. Der Laden hatte die Größe einer Sonderbriefmarke. Die gläsernen Pulte waren alt, aber sauber. Das Glas war zerkratzt, aber auf Hochglanz poliert. Darunter waren die für jedermann erschwinglichen Ringe, Uhrbänder und Armreifen aus Rotgold und Weißgold ausgestellt. Die wertvolleren Schmuckstücke bewahrte der Juwelier wohlweislich in seinem Safe auf. Sie wurden nur auf Verlangen präsentiert. Als Jo den Laden betrat, schrillte irgendwo eine Glocke. Der mitternachtsblaue Samtvorhang teilte sich, und ein altes Männchen erschien. Den Rücken leicht gekrümmt, die dürren Schultern nach vorn gezogen, auf der schmalen Nase eine Nickelbrille, die im Licht der Neonbeleuchtung funkelte. Das war Cole O'Connor. Er hatte schöne Hände, ein schmales Gesicht und graue Augen. Auf seinem Schädel wuchs nur noch ein Büschel graues Haar, und an der rechten Wange hatte er eine häßliche, knallrote, wulstige Narbe. Seine grauen Augen wurden groß, und er rief erstaunt: "Mr. Walker! Das nenne ich eine Überraschung!" Lachend ging Jo auf den Mann zu. Er reichte ihm über das Pult die Hand. "Hallo, Cole. Freut mich. wieder mal Ihre schrille Stimme zu hören." Cole O'Connor schüttelte lange und erfreut Jos Hand. Die Freude ließ seine Narbe noch heller erglänzen. Sie war ein Andenken an Zeiten, die O'Connor gern vergessen wollte. Früher war Cole O'Connor nämlich einige Male in Hehlereiaffären verwickelt gewesen. Doch man hatte ihn nie belangen können, weil die Beweise gegen ihn nicht ausgereicht hatten. Eines Tages hatte O'Connor dann Scherereien mit einem habgierigen Gangster gehabt. Der Mann hatte mehr Geld für seine Beute haben wollen, als O'Connor zu geben bereit gewesen war. Daraufhin hatte der Ganove zur Waffe gegriffen. Das Ergebnis war die häßliche knallrote Narbe in Cole O'Connors faltigem Gesicht. Seither hatte O'Connor genug von diesen Geschäften. Seit damals wußte er, daß sich Verbrechen - auch wenn es nur Hehlerei war - nicht bezahlt machten. Die Kugel jenes Gangsters hatte ihn auf den rechten Weg zurückfinden lassen. Seitdem wickelte Cole O'Connor nur noch saubere Geschäfte ab. "Was darf es denn sein, Mr. Walker?" fragte der Juwelier. Jo grinste. "Ich suche einen Nasenring für mein Hausfaktotum Mac Potter." O'Connor kicherte amüsiert. Jo hatte ihn schon eine Weile nicht mehr gesehen: Er hatte den Eindruck, als sei O'Connor kleiner und dünner geworden. Das Geschäft konnte ihn wohl nicht mehr so gut wie früher ernähren. "Spaß beiseite, Cole", sagte er ernst. "Ich habe Sorgen. Deshalb wende ich mich an Sie." O'Connor verzog das Gesicht zu einem Grinsen. Die rote Narbe schien ein Eigenleben zu führen und stellte sich schräg. "Das ehrt mich zwar, aber..." "Wenn mir jemand helfen kann, sind Sie es, Cole", unterbrach ihn Jo. Beeindruckt und geschmeichelt nickte Cole O'Connor.
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"Moment", sagte er, während er mit erhobener Hand hinter dem Verkaufspult hervorkam. Er ging zur Tür und schloß ab. Er drehte ein weißes Schildchen mit der Aufschrift GESCHLOSSEN um und nickte Jo dann freundlich zu. "Kommen Sie, Mr. Walker. Wir gehen in meine Wohnung. Da können wir uns ungestört unterhalten." Die Wohnung war gleich nebenan. Wohnung war eigentlich eine schmeichelhafte Bezeichnung für das Loch, in dem der Juwelier hauste. Die Räume - es waren drei - waren klein, die Wände waren feucht, und durch die Fenster fiel kaum Licht, obwohl sich die Sonne abmühte, für alle New Yorker dazusein. Die Pfeifensammlung war der einzige Schmuck in dem Raum, in dem sie sich nun an einem Tisch gegenübersetzen. Jo bot dem Mann seine Chesterfields an. Dann rauchten sie, ohne ein Wort zu sagen. Schließlich brach Jo das Schweigen. "Es geht um den , Cole." O'Connor horchte auf. "Sie wissen sicher davon", sagte Jo. "Er wurde gestohlen", sagte O'Connor. Er hatte es gelesen. "Ich soll ihn wiederbeschaffen." "Ein weltberühmtes Stück ist das", sagte der Juwelier verträumt. In diesem Moment hatten auch seine Augen 67 Karat. Er lächelte und zuckte die dürren Schultern. "Ehrlich gesagt, ich kann mir nicht vorstellen, daß jemand so verrückt sein könnte, diesen Stein zu kaufen." Jo blies den Rauch durch die Nase. "Nun mal Hand aufs Herz, Cole. Kennen Sie jemanden, der so verrückt wäre, diesen Stein zu stehlen?" O'Connor sah Jo durch die Nickelbrille forschend an. "Sie wissen, daß ich mit solchen Dingen seit Jahren nichts mehr zu tun habe, Mr. Walker." "Weiß ich, Cole." "Dann verstehe ich nicht..." "Man hört doch trotzdem in der Branche so allerlei, oder?" O'Connor stieß die Zigarette in den Aschenbecher. "Ich weiß nicht mehr als Sie, Mr. Walker. Und ich beziehe mein Wissen aus der Zeitung. Ich könnte mich aber ein bißchen für Sie umhören, wenn Sie wollen." "Genau das will ich", sagte Jo schnell. "In Ordnung. Ich kann es ja mal versuchen. Aber versprechen Sie sich nicht zuviel davon, Mr. Walker. Meine Verbindungen sind zum größten Teil abgerissen, eingeschlafen oder eingerostet." Jo grinste zuversichtlich. "Sie machen es trotzdem möglich, Cole. Ich kenne Sie. Sie lassen mich nicht im Stich. Es muß doch ein herrliches Gefühl für Sie sein, zu wissen, daß Sie Walkers einzige Hoffnung sind. Und ich lege noch ein appetitliches Lutschbonbon dazu: Ich beteilige Sie zu fünfzig Prozent an meinem Gewinn." "Gewinn?" "Es gibt eine Prämie", sagte Jo und bemerkte, daß O'Connor das Wasser im Mund zusammenlief. ,,Wieviel würde das einbringen?" erkundigte sich der geschäftstüchtige Juwelier sofort. Jo zwinkerte. Copyright 2001 by readersplanet
"Wenn wir nur den zurückholen, bringt Ihnen das viertausendzweithundertfünfzig gute Dollar, Cole." O'Connor seufzte beeindruckt. Nun drückte auch Jo seine Zigarette im Aschenbecher aus. "Unter Umständen", fuhr er fort, "könnte für Sie aber auch das Doppelte herausspringen. Denn je schneller ich die Möglichkeit habe zuzuschlagen, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, daß die Verbrecher noch nichts von der Sore verkauft haben." Cole O'Connor zögerte nicht, Jo zu versichern, daß dieser sich ganz auf ihn verlassen könne.
* Ich darf nur ganz wenig nehmen, dachte Bing Stallibrass nervös. Ein unangenehmes Kribbeln quälte ihn. Seine Hände zitterten. Nur ganz wenig, dachte er. Wegen meines schwachen Herzens. Die Spritze lag bereit. Das Päckchen Heroin ebenfalls. Bing Stallibrass glühende Augen hingen verlangend am Heroin. Wenig, dachte er. Leider nur wenig. Aber du mußt vernünftig sein. Er schüttete das weiße Pulver in einen Mixlöffel. Dann schob er das Tischfeuerzeug an den Spiritusbrenner, um die Flamme zu entzünden. Eine herrliche Zeremonie war diese Vorbereitung für den Schuß, dem Stallibrass entgegenfieberte. Aus einer Karaffe goß Stallibrass einen Tropfen Wasser in den Löffel. Zitternd hielt er ihn über den Spiritusbrenner. Mit offenem Mund beobachtete er, wie das Heroin zu kochen begann. Dann griff er nach der Spritze und wartete einen Moment. Langsam, ganz vorsichtig zog er das Heroin in die Spritze. Blitzschnell streifte er sich dann den Ärmel hoch, um sich das Teufelszeug, nach dem er lechzte, in die Ader zu jagen. Als er die Spritze weglegte, trat in seine Augen ein seltsamer Glanz. Seine Nervosität legte sich. Er atmete ruhiger. Die angespannten, beinahe verzerrten Gesichtszüge entspannten sich. Die quälenden Schmerzen, die er verspürt hatte, ebbten ab. Er begann sich wohl zu fühlen. Fein ist es. Gut tut es. Sehr gut. Bing Stallibrass wankte durch das Wohnzimmer und legte sich auf das Sofa. Wenn er nicht ab und zu seinen Schuß gehabt hätte, wäre er wahrscheinlich schon verrückt geworden. Die Wohnung war schlecht eingerichtet. Das ganze Geld, das Stallibrass mit seiner Hehlerei verdiente, brauchte er für Alkohol und Rauschgift. Er war bald sechzig. Sein Kopf war klein und rund. Die Wangen waren, wie bei fast allen Süchtigen, eingefallen und blaß. Seine Lippen waren schmal. Vom Rasieren hielt er nicht viel. Deshalb standen eisgraue Bartstoppeln in seinem Gesicht. Er trug einen abgewetzten Hausrock und knittrige Hosen. Vor dem Sofa standen seine Pantoffeln. Ganz dem Genuß hingegeben schloß er die Augen. Übelkeit kam plötzlich in ihm auf. Ein furchtbarer Druck lastete auf seiner Brust und drohte, ihn zu erdrücken. Er konnte nicht mehr richtig atmen, bekam zu wenig Luft in die Lungen. Panik erfaßte ihn, während sich sein Herz schmerzhaft zusammenkrampfte. Er stöhnte und röchelte und spürte, daß ihm kalter Schweiß aus allen Poren brach. Das ist das Ende! dachte er bestürzt. So schlimm wie diesmal war es noch nie gewesen. Hatte er zuviel Heroin erwischt? Mit zitternd gurgelnden Lauten kämpfte sich Stallibrass verzweifelt hoch. Seine Glieder waren Copyright 2001 by readersplanet
kraftlos. Er drohte wieder nach hinten zu kippen. Doch das durfte nicht geschehen. Er mußte aufstehen, durfte nicht liegenbleiben. Er mußte aufstehen! Schweißüberströmt richtete sich Stallibrass auf. Mit teigigem Gesicht wankte er auf die Kommode zu, die nur wenige Schritte und doch so weit entfernt war. Mit bleiernen Füßen taumelte er auf sie zu. Der krampfartige Schmerz in seiner Brust war kaum noch zu ertragen. Schnell! schrie es in ihm. Schnell! Keuchend erreichte er die Kommode, über der sich ein Spiegel befand. Als er sich darin erblickte, erschrak er zutiefst. So sieht einer aus, der schon tot ist, dachte er entsetzt. Mit einer fahrigen Bewegung wischte er sich über das fahle Gesicht. Dann zog er schnell die oberste Kommodenlade auf. Hastig griff er nach der hellblauen Schachtel, riß sie auf, entnahm ihr eine grüne Tablette und schleuderte sich diese in den weit aufgerissenen Mund. Dann griff er nach der Karaffe und trank gierig Wasser. Da er heftig zitterte, verschüttete er viel von dem Wasser. Es floß über sein Gesicht, über das Kinn, das Hemd, die Hausjacke. Nachdem er die Karaffe abgestellt hatte, ließ er sich stöhnend in den neben der Kommode stehenden Sessel fallen. Sein nasses Gesicht zuckte. In seinen Augen spiegelte sich grenzenlose Verzweiflung. Furchtbare Todesangst quälte ihn. Er sah alles ringsherum wie durch einen grauen Schleier, und er fühlte sich in diesen schrecklichen Augenblicken mehr tot als lebendig. Nur ganz langsam begann die Tablette zu wirken. Tausendmal war er diesen Tod schon gestorben. Doch noch nie war es so schrecklich wie heute gewesen. Er wußte, daß ihm irgendwann einmal die Tablette nicht mehr helfen würde. Und er war sich dessen bewußt, daß jeder Herzanfall sein letzter sein konnte. Bing Stallibrass verlor jedes Zeitgefühl. Er begann vor sich hinzudösen. Er hatte keine Ahnung, wie lange er schon in diesem Sessel lag. Vor dem Haus, in dem er wohnte, hielt ein Wagen. Stallibrass hörte den Wagenschlag klappen. Gleich darauf fiel das Haustor mit einem lauten Knall zu. Dann klopfte jemand an die Tür. Stallibrass war wie gelähmt. Er nahm das Klopfen zwar wahr, aber er war nicht in der Lage - und auch nicht gewillt -,darauf zu reagieren. Noch einmal wurde geklopft. Geh weg. Laß mich in Ruhe. Ich will nicht aufmachen, dachte Bing Stallibrass verärgert. Die Schmerzen in seiner Brust waren zwar verschwunden, aber er fühlte sich trotzdem nicht gut. Als das Klopfen immer heftiger wurde, quälte sich Stallibrass schließlich doch aus dem Sessel hoch. Zunächst aber räumte er den Spiritusbrenner, die Spritze, den Mixlöffel und das Heroinpäckchen weg. Dann begab er sich mit schleppenden Schritten zur Tür. "Ja?" brummte er und gab seiner Stimme einen verschlafenen Klang. "Wer ist da?" ,,Ich bin's Bing. Ed Chapman. Ich muß mit dir reden." Stallibrass drehte den Schlüssel der im Schloß steckte, um und nahm die Vorhängekette weg. Dann machte er widerwillig die Tür auf. Er wäre in seinem Zustand lieber nicht gestört worden. "Oh, hallo, Ed", sagte er ohne Begeisterung. "Lange nicht gesehen." "Hm", erwiderte Chapman und trat ein. "Siehst gut aus, Ed." Chapman musterte den Hehler geringschätzig. "Kann man von dir nicht behaupten." "Wieso?" "Bist wieder mal high, was?" "Ich habe nur ganz wenig genommen. Mein Herz, du weißt..." Copyright 2001 by readersplanet
"Du solltest mit dem Zeug aufhören, Bing", sagte Chapman, ohne um den Mann wirklich besorgt zu sein. Er wies mit dem Zeigefinger auf Stallibrass' Hühnerbrust. "Sonst bleibt die Pumpe eines Tages stehen." Sie durchquerten die schmale Diele und betraten durch die offenstehende Tür das Wohnzimmer. "Aufhören", sagte Stallibrass mit belegter Stimme. "Das kann nur einer sagen, der niemals damit angefangen hat." Er lachte bitter. "Es läßt dich nicht mehr los, verstehst du? Denkst du, ich will nicht aufhören?" Chapman nickte. "Das denke ich." "Quatsch. Ich will schon. aber ich kann nicht" Chapman zog die Mundwinkel verächtlich nach unten. "Weil du ein jämmerlicher Schlappschwanz bist, Bing." Stallibrass schüttelte müde den Kopf. Ich würde krepieren, wenn ich das verdammte Zeug nicht mehr nehmen würde." "So krepierst du doch auch." Stallibrass winkte matt ab. "Es hat überhaupt keinen Sinn, darüber zu reden, Ed." "Ist ja auch dein Leben, nicht meines", sagte Chapman ungerührt. Sie setzten sich. "Was führt dich zu mir, Ed?" "Geschäfte." "Was für Geschäfte?" Chapman ließ die Brauen nach oben schnellen und grinste gewinnend. "Ich habe was für dich, Bing." "Was?" "Schmuck." "Diebesgut?" "Was sonst? Würde ich mit ehrlich erworbenem Schmuck zu dir kommen? Zu einem Halsabschneider?" "Kann ich die Sachen sehen?" "Ich habe sie nicht bei mir", sagte Chapman und schmunzelte dabei. "Du kennst doch Ed Chapman, Bing. Ich bin ein vorsichtiger Mann. Erst strecke ich nur die Fühler aus. Dann sehen wir weiter." Stallibrass zeigte Interesse. "Was ist das für Schmuck, Ed?" Chapman hob die Hand. "Hübsch der Reihe nach. Erst möchte ich über mein Angebot reden. Es wird dir sicher gefallen, Bing. Hör zu. Ich überlasse dir die ganze Sore zum halben Wert, wenn ich sie dadurch schnell genug loswerde. Na, ist das ein Angebot? So etwas kommt nicht alle Tage auf dich zu, Bing." Stallibrass wiegte den Kopf. "Klingt nicht übel." "Nicht wahr?" sagte Chapman grinsend. "Um welchen Betrag handelt es sich?" erkundigte sich der Hehler. Copyright 2001 by readersplanet
"Du wirst den Schmuck selbst schätzen und mir ein Angebot machen. Einverstanden?" Bing Stallibrass nickte. "Ich glaube, darüber läßt sich reden." Chapman ließ die rechte Faust schwer auf den Tisch fallen. "Ich wußte, daß du wieder einmal mein Mann bist, Bing." Stallibrass wollte nun mehr wissen. Deshalb sagte er: "Nun mal raus mit der Sprache. Was hast du mir anzubieten?" Chapman rieb sich das Kinn. Er ließ den Hehler noch ein wenig schmoren. Dann sagte er gedehnt: "Vor allem den . Ein Prachtstück. Siebenundsechzig Karat. Da gehen dir die Augen über, was?" Sie gingen Stallibrass tatsächlich über. Aber aus einem anderen Grund, als Chapman dachte. Dem Hehler war der Schreck in die Knochen gefahren. Steif saß er da und starrte sein Gegenüber fassungslos an. "Du hast den ?" Ed Chapman grinste stolz. "Da staunst du, was?" "Allerdings." Stallibrass atmete stoßweise. Er kniff die Augen erregt zusammen und stieß aufgeregt hervor: "Soll ich dir mal was sagen, Ed?" "Was?" "Du bist der verrückteste Kerl, der mir jemals begegnet ist. Und das will was heißen, denn ich habe es in meinem Leben mit vielen Idioten zu tun gehabt." Er schüttelte den Kopf und klatschte sich mehrmals mit der flachen Hand auf die hohe schweißbedeckte Stirn. "Den klaut er! Warum hast du denn nicht gleich die Freiheitsstatue gestohlen? Der Stein ist so bekannt wie sie. Den kauft dir doch niemand ab, Ed! Hörst du? Niemand! Nicht zum halben Preis. Nicht zu einem Viertel seines Werts. Zu gar keinem Preis wirst du den Diamanten los!" Chapman war verstimmt. Er verstand nicht, weshalb sich der Hehler so aufregte. "Hör mal, es wird doch irgend jemanden geben, der den Stein haben möchte." "Wozu denn?" fragte Stallibrass schrill. "Kannst du mir das verraten?" "Wozu! Wozu! Wozu kauft man diesen Dreck schon?" "Der Käufer könnte den Diamanten niemandem zeigen, Ed. Er müßte ihn stets unter Verschluß halten und dürfte ihn nur heimlich betrachten. Was glaubst du denn, warum Leute sich so einen Diamanten kaufen? Um ihn zu verstecken? Nein! Sie wollen sich damit schmücken, wollen mit ihm prahlen. Alle Welt soll sehen, was für ein sündhaft teures Stück sie sich leisten können. Deshalb kaufen sie einen Stein wie den . Aus keinem anderen Grund." "Bist du bald fertig?" fragte Ed Chapman giftig. "Sicher bin ich fertig." "Und?" "Was - und?" Stallibrass schüttelte entschieden den Kopf. "Tut mir leid, Ed. Da läßt sich nichts machen. Besser, du gehst jetzt. Es ist ärgerlich genug für mich, daß du mich in diese verdammte Sache eingeweiht hast. Allein davon zu wissen, kann mich schon in Schwierigkeiten bringen." Ed Chapman kniff die Augen wütend zusammen. "Höre ich recht, Bing? Du wirfst, mich raus?" Stallibrass blieb ihm die Antwort auf diese Frage schuldig. Er wollte Chapman nicht noch mehr reizen. Copyright 2001 by readersplanet
"Sag mal, tu tickst wohl nicht richtig" brüllte Chapman und sprang auf. Sein Gesicht war knallrot geworden. Wenn er schrie, traten die Adern an seinem Hals hervor. "Wirft mich raus, dieses Arschloch" schrie er fassungslos. Er pflanzte sich wutschnaubend vor Stallibrass auf. "Ich will dir mal was sagen, du mieses, kleines, süchtiges Hehlerschwein! Ed Chapman weist man nicht ungestraft die Tür!" Stallibrass versuchte einzulenken. Mit weinerlicher Miene stöhnte er: "Verdammt, Ed, ich will mit dieser heiklen Sache nichts zu tun haben. Sieh das doch ein. Such dir jemand anders." Zornig packte Chapman den Hehler an der Jacke und schüttelte ihn kräftig. "Jetzt hör mir mal genau zu, du dreckiger Halunke! Seit acht Jahren komme ich mit allem, was ich habe, zu dir. Seit acht Jahren lebst du von dem, was ich geklaut habe. Acht Jahre hast du mir alles abgenommen! Du wirst es auch weiterhin tun." Stallibrass schüttelte entschlossen den Kopf. "Das werde ich nicht, Ed. Nicht dieses Mal! Und wenn du nicht vernünftig bist, mache ich überhaupt keine Geschäfte mehr mit dir." Chapman lachte dem Hehler ins Gesicht. "Das kannst du dir doch gar nicht leisten!" "Das denkst du. Ich komme auch ohne dich sehr gut zurecht, Ed. Vielleicht sogar noch besser." Chapman spürte es in seinem Innern brodeln. Noch hielt er sich zurück. Doch bald würde er seine Geduld verlieren. "Verdammt, Bing, reiz mich nicht länger! Du wirst mir die Sore abnehmen. So wie immer. Und damit basta:" Stallibrass blieb hart. "Das werde ich nicht tun, Ed, Diesmal nicht!" Chapman schlug ihm ins Gesicht. "Überhaupt nicht mehr!" schrie daraufhin Bing Stallibrass. "Scher dich aus meiner Wohnung, Ed! Sofort. Von nun an sind wir geschiedene Leute! Ich will von einem verrückten Kerl wie dir nichts mehr wissen." "Sag mal, wie redest du Ratte denn mit mir?" brüllte Chapman. "Raus, Ed." Das war Chapman zuviel. Er drosch dem Hehler die Fäuste ins Gesicht. Links. Rechts. Links. Rechts. Immer wieder. Wie ein Punchingball flog Stallibrass' Kopf zwischen den Fäusten hin und her. Chapman rammte dem alten Mann mehrmals die Rechte in den Magen und ließ einige schmerzhafte Schläge auf die Rippen folgen. Dann schlug er dem Mann wieder in blinder Wut ins Gesicht. Stallibrass blutete aus Mund und Nase. Keuchend und schwitzend hielt Ed Chapman schließlich inne. Stallibrass hatte befürchtet, der Kerl würde ihn erschlagen. Mit verschwollenen Augen blickte er Chapman an. Sein Körper schmerzte bis zur Hüfte. "So, Freundchen!" schnaubte Chapman. Er atmete tief ein, um sich wieder zu beruhigen. "Ich hoffe, das hat dich wieder zur Vernunft gebracht. Willst du immer noch kein Geschäft mit mir machen?" "Nein!" erwiderte Stallibrass hartnäckig. Chapman bearbeitete ihn sofort wieder mit seinen Fäusten. Beinahe wäre Stallibrass vom Stuhl gekippt. "Treib es nicht auf die Spitze" warnte Chapman. Bing Stallibrass war einer Ohnmacht nahe. In seinem Kopf brauste und dröhnte es. Er sah Chapman nur noch durch einen blutroten Nebel. Copyright 2001 by readersplanet
"Du kennst mich, Bing!" hörte Stallibrass den verhaßten Kerl sagen. "Es würde mir nichts ausmachen, dich zu erschlagen. Überhaupt nichts. Also? Lehnst du weiterhin ab?" "Das vergesse ich dir nie, Ed!" ächzte Stallibrass. Chapman winkte spöttisch ab. "Komm mir nicht damit, Bing. Ich will von dir eine klare Antwort hören. Wird aus dem Geschäft etwas? Ja oder nein?" Stallibrass hatte Mühe beim Sprechen. Seine Lippen waren dick wie nach einem Wespenstich, und sogar die wenigen Zähne, die er noch hatte, schmerzten. "Ich kann dir die Sore nicht abnehmen, Ed!" sagte er undeutlich. Chapman holte sofort wieder aus. "Warte, Ed!" stieß Stallibrass hervor: "Ich kann... versuchen, einen Käufer aufzutreiben..." Chapman nickte. "In Ordnung." "Natürlich gegen eine angemessene Provision", sagte Stallibrass. Selbst auf dem Totenbett hätte er das nicht vergessen. "Natürlich", sagte Chapman und grinste zufrieden. "Wieviel?" "Zehn Prozent", sagte der Hehler. "Du bist wohl nicht bei Trost", empörte sich Chapman. "Wieviel bietest du?" "Fünf Prozent. Höchstens." "Also gut. Fünf Prozent. Einverstanden." "Du weißt, daß ich die Sachen schnell loswerden möchte, Bing." "Ja. Ich werde mich noch heute nach einem Interessenten umsehen." Wieder ballte Ed Chapman die Faust. Er schwenkte sie vor Stallibrass' verschwollenen Augen hin und her. Dabei grinste er bösartig. "Ich glaube, es kann nicht schaden, wenn ich dir eine Warnung mit auf den Weg gebe, Bing. Wenn es dir in den Sinn kommen sollte, mich zu verpfeifen, lege ich dich um. Verstanden?" Bing Stallibrass holte tief Luft. Sein Leben lang hatte er sich mit diesen brutalen Typen abgeben müssen. Er hatte genug von ihnen. "Das hättest du nicht zu sagen brauchen, Ed. Ich habe noch nie jemanden verpfiffen. Und ich werde niemals jemanden verpfeifen. Nicht einmal dich, Ed." Chapman grinste. "Das hast du schön gesagt, Bing. Ich bin ganz gerührt." "Wo kann ich dich erreichen, falls ich einen Käufer... "Du kannst mich nirgendwo erreichen, Bing." "Aber..." "Ich werde mich in zwei bis drei Tagen wieder bei dir melden. Bis dahin wirst du jemanden gefunden haben, der mit mir das Geschäft seines Lebens machen möchte."
* "Hast du schon mal von der Warenhauskette gehört, Jo?" fragte Captain Rowland. Jo befand sich in seinem Büro und hockte da, wo sein Stammplatz war, wenn er nicht im Besuchersessel saß: auf der Kante von Rowlands Schreibtisch. Copyright 2001 by readersplanet
"Gibt es jemanden, der nicht kennt?" fragte Walker lächelnd zurück. Er war hierhergekommen, um sich über den Stand der Dinge informieren zu lassen. Tom rauchte eine von Jos Chesterfields. Dafür trank Jo Toms Whisky. "Wir haben den Dealer gefaßt, der Jenny Slade mit Rauschgift beliefert hätte. Das heißt, die Kollegen vom Rauschgiftdezernat haben ihn geschnappt. Der Bursche gibt an, daß er Jenny laufend beliefert hat." Jo staunte. ,,Woher hatte sie das Geld für den Stoff?" Tom zuckte die breiten Schultern. "Sie hatte ein schönes Stimmchen. Machte viele Werbespots im Rundfunk. Hat hin und wieder bei Filmsynchronisationen mitgearbeitet. Das brachte genug Geld ein. Mit Roper ist sie nur deshalb ins Bett gestiegen, um in einem seiner nächsten Filme eine gute Rolle zu kriegen." "Wie das eben so geht", sagte Jo. "Jedenfalls behaupten das Jennys Freundinnen. Die Freundinnen sagen außerdem, Roper sei ganz und gar nicht ihr Fall gewesen. Offenbar war überhaupt kein Mann ihr Fall, wenn du verstehst, was ich damit sagen will. Trotzdem hat sie ab und zu mal mit einem geschlafen." Jo nickte lächelnd und nippte dann an dem kostbaren Whisky. "Ja, ja", sagte er. ",Bi ist in" lautet der neue Wahlspruch. Mann nennt sich heutzutage großartig ,<Swinger> und bekennt sich in aller Öffentlichkeit und ohne jede Scham dazu wie Joan Baez zum Beispiel!' Tom Rowland hämmerte grinsend mit seiner schweren Faust auf den Schreibtisch. "Mein Gott, was sind wir beide noch rückständig, was?" Jo fletschte die Zähne, als wollte er den Captain beißen. "Kannst gern ein Küßchen haben, wenn dir da nach ist." Rowland schüttelte sich, als hätte ihn jemand mit Eiswasser übergossen. "Brrr! Da gehe ich lieber ins Kloster." "Da kommst du vom Regen in die Traufe." Sie lachten, und Jo trank den Whisky aus, bevor sich Tom daran vergriff. "Hat der Dealer gesungen?" erkundigte sich Kommissar X anschließend. "Ein wenig." "Was ist dabei herausgekommen?" "Er will das Heroin von einem Mann bekommen haben, der in einem tätig ist." "Wem gehört die Kaufhauskette?" fragte Jo. "Zur Hälfte einem Mann namens Gregory Welles." "Und die andere Hälfte?" "Die gehört einem stillen Teilhaber." "Hat man Welles schon durchleuchtet?" Tom Rowland nickte und zerquetschte die Kippe im Aschenbecher. "Hat man." "Und?" fragte Jo neugierig. "Scheint sauber zu sein!' "Wie heißt der Mann, der den Dealer beliefert hat?" Tom zuckte die Schultern. Copyright 2001 by readersplanet
"Das wissen die Kollegen vom Rauschgiftdezernat auch nicht." "Das muß doch aus dem Dealer rauszuholen sein", sagte Jo kopfschüttelnd. Der Captain seufzte. "Aus dem nicht, Jo." Walker blickte den Freund überrascht an. "Ist er so hartnäckig?" "Schlimmer. Er ist tot. Er hat sich in seiner Zelle gleich nach dem ersten Verhör erhängt." * Zwei Tage waren seit dem Besuch von Ed Chapman vergangen. Ein Regentag und einer mit vielen grauen Wolken. Heute strahlte zum erstenmal wieder die Sonne vom ansichtskartenblauen Himmel. Als dieser warme Sonnentag seinem Ende zuging, öffnete Bing Stallibrass seine Wohnungstür, weil es ziemlich energisch geklopft hatte. Er sah sich zwei fremden Männern gegenüber, deren verschlossene Gesichter ihm Furcht einflößten. Er wollte die Tür sofort wieder zuschlagen, doch da sah er, daß der eine Kerl bereits den Fuß dazwischengestellt hatte. Also machte er nicht mehr den Versuch, Widerstand zu leisten. Als es geklopft hatte, hatte Stallibrass geglaubt, Ed Chapman wäre gekommen. Der Hehler hatte sich in den zwei Tagen eifrig, aber vorsichtig nach einem Käufer umgesehen. Wie er es erwartet hatte, hatte er keinen gefunden. Deshalb war ihm Chapmans Besuch nicht angenehm. Noch unangenehmer war jedoch der Besuch dieser beiden Kerle. Er wußte nicht, was er von ihnen halten sollte. Sie sahen beide nicht sehr vertrauenerweckend aus, und Stallibrass hatte den Eindruck, daß es gleich Ärger geben würde. Er räusperte sich, um seinen Hals freizumachen. Dann sagte er aufgeregt: "Sie wünschen?" Die beiden Kerle gaben zunächst keine Antwort. Sie drängten ihn einfach in seine Wohnung zurück und schlossen die Tür mit geradezu empörender Selbstverständlichkeit. Als wären sie hier zu Hause. "He!" protestierte der Hehler, während er sich zurückzog. "Moment mal!" Bullen? fragte er sich. Nein. Das sind keine Bullen. Das sind Ganoven. Man kann es fast riechen. "Sie können doch nicht so einfach hier herein..." "Wir können, Stallibrass", sagte er eine. "Wir können alles", sagte der andere. Der Hehler spürte, daß seine Knie zu zittern begannen. Das ärgerte ihn, denn er wollte sich von diesen beiden Typen nicht einschüchtern lassen. Wenn sie merkten, daß er vor ihnen Angst hatte, machten sie mit ihm, was sie wollten. Keine Angst zeigen! dachte er. Du darfst ihnen keine Angst zeigen. Der eine war ein großer Kerl mit den breiten Schultern eines kampferprobten Rugbyspielers und den dunklen Augen eines Südamerikaners, oder eines Italieners. Er hatte gepflegtes schwarzes Haar, und er lächelte als amüsierte er sich mit der ganzen Welt über einen ordinären Witz. Dieser Mann hieß Paolo Rocca. Er war ein wasch- und kochechter Amerikaner. Der andere hieß Robert Gaynor. Er sah aus, als wäre er nach einer guten Massage gerade vom Frisierstuhl aufgestanden. Er hatte eine gesunde Gesichtsfarbe, war ebenso groß wie Copyright 2001 by readersplanet
Rocca und hatte kurzgeschnittenes sandfarbenes Haar und eine kleine, kaum wahrnehmbare Narbe über dem linken Auge. Die Jacketts der beiden Typen waren genau dort ausgebeult, wo jeder Killer seine Waffe zu tragen pflegte. "Setz dich" befahl Paolo Rocca in scharfem Ton. Es war nicht Trotz oder Eigensinn, was Bing Stallibrass dazu bewog, stehenzubleiben: Es war die Furcht vor den beiden Männern, die ihn lähmte. In seinem Kopf überschlugen sich die Gedanken. Was wollten die beiden von ihm? "Du sollst dich setzen!" plärrte Robert Gaynor mit wutverzerrtem Gesicht. Gleichzeitig boxte er ihm unsanft in die Rippen, so daß Bing Stallibrass zwei Schritte zurückwankte, mit den Kniekehlen gegen den Sessel stieß, zusammenklappte und im Sessel landete. Der Hehler wollte sofort wieder aufspringen. Es war eine Reflexbewegung. Doch Paolo Rocca ballte mit zusammengekniffenen Augen eine Faust und hielt sie Stallibrass vor die Nase. "Du willst doch hoffentlich nicht den Helden spielen, Stallibrass? Würde dir verdammt schlecht bekommen." Der Hehler schluckte aufgeregt. Schweiß perlte auf seiner Stirn. Er war froh, die Hiebe von Ed Chapman überstanden zu haben. Eine weitere Tracht Prügel würde er vielleicht nicht überleben. "Was wollen Sie von mir?" preßte er mühsam hervor. "Wer sind Sie?" "Wir stellen die Fragen, Stallibrass", stellte Rocca klar. "Und du gibst die Antworten. Klare, präzise Antworten. Verstanden?" Gaynor fügte grinsend hinzu: "Wenn wir mit diesen Antworten zufrieden sind, verschwinden wir wieder, ohne dir ein Härchen gekrümmt zu haben." "Ich hoffe, du hast die Einleitung verstanden", knurrte Rocca. Stallibrass vergaß zu nicken. "Hast du?" schrie Rocca. "Ja", sagte der Hehler schnell. "Ja!" Und er nickte heftig. "Fein", sagte Rocca und musterte den alten Mann mit einem drohenden Blick. "Dann können wir gleich zur Sache kommen. Wir haben erfahren, daß du den an der Hand hast. Stimm das?" Stallibrass machte einen Fehler. Er schüttelte zu schnell und viel zu heftig den Kopf. "Nein, das stimmt nicht." Rocca fauchte ihn an: "Noch eine falsche Antwort, und es passiert! Du warst in den letzten zwei Tagen sehr rührig, Freundchen. Das ist uns nicht entgangen. Du hast Gott und die Welt angerufen, vom geschwärmt und durchblicken lassen, daß er günstig zu haben sei. Und nun..." Kopfschmerzen setzten ein. Herzschmerzen kamen hinzu. Die Aufregung war eine schwere Strapaze für den alten Mann. Weil er häufig zum Rauschgift gegriffen hatte, war sein Körper kaum noch widerstandsfähig. Stallibrass hörte kaum noch, was Rocca sagte. Er war um seine Gesundheit besorgt. Wenn ihn diese beiden Kerle weiter so aufregten, führte das ganz bestimmt zu einer weiteren Herzattacke. Er atmete hastig, während er seine dürren Finger in die Brust krallte. Der Raum begann sich um ihn zu drehen. Schneller. Immer schneller. "Laßt mich doch in Ruhe!" stöhnte er benommen. "Seht ihr nicht, daß ich krank bin?" "Du wirst noch viel kränker werden, wenn wir nicht gleich zu hören bekommen, was wir wissen wollen", sagte Paolo Rocca mitleidlos. "Ich bin herzkrank" preßte Stallibrass mit verzerrtem Gesicht hervor. Copyright 2001 by readersplanet
Rocca schüttelte desinteressiert den Kopf. "Auf den alten Trick fallen wir nicht rein. Wo ist der ?" "Ich habe ihn nicht" keuchte der Hehler. Rocca schlug blitzschnell zu. Er traf mit der flachen Hand die Wange des Hehlers. Dessen Kopf flog ruckartig zur Seite "Wo ist er?" schrie Rocca wütend. "Wo? Wo? Wo?" Nach jedem "Wo?" versetzte er Stallibrass eine heftige Ohrfeige. "Ich habe ihn nicht, " jammerte Stallibrass verzweifelt. "Wo ist er?" "Er ist nicht hier. Ich habe ihn nicht. Er ist doch nicht hier." "Ich habe dich nicht gefragt, wo der Stein nicht ist, sondern wo er ist." "Ich habe ihn nicht." "Wer hat ihn?" "Ich darf es nicht sagen" schrie Stallibrass schrill. Er befand sich in einer scheußlichen Lage. Redete er, würde ihn Ed Chapman umlegen. Redete er nicht, würden ihn diese brutalen Kerle so lange schlagen, bis sein Herz versagte. Sein Herz! Er schnappte entsetzt nach Luft. Es krampfte sich in seiner schwachen Brust schmerzhaft zusammen. Doch die Verbrecher hatten kein Erbarmen mit ihm, obwohl sie sehen mußten, daß er ihnen kein Theater vorspielte. "Rede endlich!" knurrte Paolo Rocca. Seine Geduld war fast am Ende. "Ich darf es nicht..." stöhnte Stallibrass erschöpft. Rocca nickte Gaynor zu. Und nun begann dieser, den Hehler mit seinen schweren harten Fäusten zu bearbeiten. "Wer hat den ?" fragte Rocca immer wieder. Gaynor schlug erneut zu. "Sag es!" verlangte Rocca. Gaynor schlug erneut zu. "Hört auf!" kreischte Stallibrass in höchster Not. "Hört auf! Mein Herz!" "Sag es!" schrie Rocca ihm ins geschwollene Gesicht. "Chapman hat ihn!" stieß Stallibrass hastig hervor. Zum Teufel mit Chapman. Er konnte nicht mehr länger den Mund halten. Er konnte sich nicht mehr länger vor Chapman stellen. Er war am Ende. ,.Ed Chapman!" sagte er schnell. "Ich habe den Diamanten nicht. Ed Chapman hat ihn. Ich soll nur einen Käufer für ihn finden." "Wo wohnt Chapman?" fragte Rocca mit zusammengekniffenen Augen. Stallibrass schüttelte den Kopf. "Das weiß ich nicht." "Lüg nicht, Stallibrass." Bing Stallibrass verzog das Gesicht zu einer verzweifelten, weinerlichen Grimasse. "Ich weiß es wirklich nicht!" Rocca nickte zornig. "Wie du willst." Auf sein Zeichen hin schlug Gaynor wieder zu. Brutal. Und genau auf die Stellen, wo es sehr weh tat. "Warum glaubt ihr mir nicht?" fragte der Hehler. "Wo finden wir Chapman?"
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Warum glauben sie mir nicht? dachte Stallibrass verzweifelt. Ich weiß es doch wirklich nicht. Übel zugerichtet lag er im Sessel. Diesmal war es schlimmer. Viel schlimmer. Ed Chapman hatte ihn auch verprügelt. Doch nicht so erbarmungslos. "Nun, Stallibrass?" sagte Rocca ungeduldig. Der Hehler hob in einer flehenden Geste die Hand. "Meine Tabletten! In der Kommodenlade! Ganz oben! Ich brauche sie. Ich brauche meine Tabletten!" "Du kriegst sie, wenn du ausgeredet hast" erwiderte Paolo Rocca scharf. "Bitte!" flehte Stallibrass. "Meine Tabletten! Ich... halte diese Schmerzen nicht mehr aus!" ,,Erst sagst du uns, wo wir Chapman finden können." "Das weiß ich nicht. Er . .er wird sich heute oder morgen melden..." "Na fein", sagte Rocca und richtete sich auf. Er hatte sich zum Gesicht des Hehlers hinuntergebeugt, um dessen Worte verstehen zu können. Zu Robert Gaynor sagte er: "Bring ihm jetzt die Tabletten." Gaynor ging zur Kommode, öffnete die oberste Lade und entnahm ihr die einzige Schachtel, die sich darin befand. Als er damit zu dem Sessel zurückkam, in dem Stallibrass saß, bäumte sich dieser plötzlich mit schmerzverzerrtem Gesicht auf. Gleichzeitig riß er die Augen entsetzt auf. Die Augäpfel traten weit aus den Höhlen. Sie quollen förmlich heraus. Verzweifelt schnappte der Herzkranke nach Luft. Er riß den Mund wie ein Fisch auf dem Trockenen auf. Im nächsten Augenblick sackte er zusammen. Schmal und unscheinbar lag er im Sessel. Seine Arme fielen schlaff herab. Rocca griff nach Stallibrass Puls. Dann sah er Gaynor erneut ernst an und sagte: "Der braucht keine Tabletten mehr."
* "Wir haben keinen Kaffee mehr, Jo." "Dann mach mir Tee." "Tee ist auch aus, Jo." "Was ist denn das für eine Haushaltsführung, Mac?" fragte Jo Walket ärgerlich. Mac Potter, sein Hausfaktotum, zuckte bedauernd die Schultern und blickte verlegen zu Boden. "Tut mir wirklich leid, Jo. Aber es kann doch mal vorkommen..." Jo schnitt ihm das Wort mit einer mürrischen Handbewegung ab. "Was kann ich also haben?" Mac versuchte ihn mit einem süßsauren Lächeln zu versöhnen. "Du kannst zwischen warmer Milch und heißer Schokolade wählen." Jo warf dem guten Mac einen dolchartigen Blick zu. "Soll ich dir mal verraten, zwischen was du wählen kannst, wenn das noch einmal vorkommt?" Nicht Mac Potter, sondern das Telefon fiel Jo Walker ins Wort. Es schrillte und rettete Mac vor einigen bösen Worten. "Raus," bellte Walker. "Sonst trinke ich dein Blut, Mac!" Jo saß an seinem Schreibtisch. Von hier aus hatte Jo einen herrlichen Blick auf den Long Island Sound. Im Moment schenkte er dem jedoch keine Beachtung. Copyright 2001 by readersplanet
Mac hatte fluchtartig die Wohnhalle verlassen. Jo griff nach dem Telefon. "Walker." "Hier O'Connor, Mr. Walker." "Hallo, Cole", sagte Jo lächelnd. "Ich darf doch nicht etwa hoffen?" Cole O'Connor lachte meckernd. "Möglicherweise müssen Sie die Erfolgsprämie schon in den nächsten Tagen bei mir abliefern, Mr. Walker." Jo richtete sich ruckartig auf. "Mann, Sie machen mir den Mund wäßrig." "In der Branche ist der im Gespräch, Mr. Walker." "Freut mich zu hören. Sucht jemand einen Käufer dafür?" "Ja, Mr. Walker." "Wer?" "Ein Mann namens Bing Stallibrass. Er hat ganz vorsichtig seine Fühler ausgestreckt. Meiner Meinung nach hat er den Stein nicht selbst. Er will vermutlich nur vermitteln. Aber sicher weiß er, bei wem der Stein sich jetzt befindet." "Können Sie mir sagen, wo dieser Bing Stallibrass wohnt?" Cole O'Connor nannte ihm eine Adresse. "Dann werde ich ihn gleich aufsuchen", sagte Jo. "Vielen Dank für den heißen Tip, Cole. Ich werde Sie ganz bestimmt nicht vergessen."
* Vor den Fenstern dämmerte es. Robert Gaynor wies auf den toten Hehler. "Was machen wir mit ihm, Paoto?" Rocca stand mit verschränkten Armen vor Stallibrass und sah ihn nachdenklich an. "Schieben wir ihn unter das Sofa?" fragte Robert Gaynor nervös. Rocca schüttelte unwillig den Kopf. "Unsinn. Laß ihn hier sitzen. Der stört doch niemanden." Gaynor fuhr sich nervös über das Gesicht. "Ich bin zwar nicht zimperlich, aber ständig möchte ich ihn nicht vor mir haben. So schön ist er nun auch wieder nicht." "Soll ich eine Decke über ihn werfen?" fragte Rocca gelassen. Gaynor fuhr sich mit der Zunge über die trockenen Lippen. "Besser wäre es, ihn aus dem Haus zu schaffen." "Blödsinn", kommentierte Rocca. "Ich mache mir mit dem doch nicht soviel Arbeit." Gaynor redete eindringlich auf den Komplicen ein. "Überleg doch mal, Paolo. Ed Chapman wird sich entweder heute oder morgen melden. Wahrscheinlich wird er hierher kommen. Wenn er Stallibrass hier sitzen sieht..." Rocca seufzte. "In Ordnung. Dann schlag mal vor, was wir mit ihm tun sollen." "Hier in der Nähe gibt es einen Teich. Wir könnten ihn da versenken." Copyright 2001 by readersplanet
Die Idee gefiel Rocca. Er nickte. "Nicht schlecht. Aber wir können nicht alle beide wegfahren." "Wieso nicht?" "Wieso nicht!" äffte Rocca seinen Freund nach. "Wegen Chapman natürlich. Einer von uns beiden muß hierbleiben, um ihn abzufangen, wenn er kommt. Am besten du. Das mit Stallibrass erledige ich allein. "Einverstanden?" "Einverstanden." "Ich fahre den Wagen in den Hof," sagte Rocca. "Dann schleppen wir den Alten hinaus, legen ihn in den Kofferraum und verschwinden." Robert Gaynor nickte erleichtert. "Mach schnell, Paolo. Je eher er von der Bildfläche verschwindet, desto besser." Rocca verließ die Wohnung des Hehlers. Er öffnete beide Flügel des Haustors und begab sich zu seinem Wagen. Inzwischen war die Straßenbeleuchtung eingeschaltet worden. Einen langen Schatten hinter sich herziehend, erreichte Rocca sein altes, rostzerfressenes Vehikel. Die Stoßstangen waren verbeult. Radzierkappen hatte der Wagen seit Jahren nicht mehr. Die Scheibenwischer hatten defekte Blätter, und wenn sie arbeiteten, schmierten sie breite Striche auf die Windschutzscheibe, die die Sicht erst recht behinderten. Rocca setzte sich in den Wagen. Als der Motor ansprang, begann der Auspuff zu scheppern und zu knattern. Rocca schaltete die Beleuchtung ein und fuhr den Wagen im Rückwärtsgang durch das weit offenstehende Haustor in den Hof. Dann stellte er den Motor wieder ab. Nicht aus Sparsamkeitsgründen, denn er verdiente genug, um sich auch die jüngsten Benzinpreiserhöhungen erlauben zu können. Aber Rocca wollte nicht, daß einer der Hausbewohner auf den im Hof stehenden Wagen aufmerksam wurde. Nachdem der Motor abgestorben war, stieg Paolo Rocca aus dem Wagen. Die Tür ächzte. Als er den Kofferraumdeckel öffnete, ächzte auch dieser. Rocca fiel auf, daß das rechte Positionslicht nicht leuchtete. Mit einem grimmigen Fluch trat er gegen die finstere Leuchte. Sofort flammte sie auf. "Wackelkontakt", murmelte Rocca. Ohne Eile kehrte er in die Wohnung des toten Hehlers zurück. Gaynor erwartete ihn bereits ungeduldig. "Nimm du ihn bei den Beinen", sagte Paolo Rocca. Robert Gaynor faßte an. Rocca griff unter die Achseln des Leichnams. Sie hoben den Toten hoch und schleppten ihn zur Tür. Dort blieb der vorausgehende Gaynor kurz stehen. Er streckte den Kopf vorsichtig nach draußen und vergewisserte sich, daß niemand sie beobachten konnte. Rocca grinste. "Wäre verdammt unangenehm, wenn man uns jetzt mit ihm sehen würde, was?" Als Gaynor nicht weiterging, knurrte er: "Mach schon, Robert" Sie trugen den Toten zum Wagen und legten ihn in den Kofferraum. Rocca klappte den Deckel schnell zu, als wollte er verhindern, daß Stallibrass noch einmal herauskletterte. Dann ging er nach vorn und setzte sich wieder ans Steuer. "Bleib nicht zu lange fort", sagte Gaynor, nachdem er dem Freund den Weg zum Teich genau beschrieben hatte. Er grinste. "Ich fürchte mich allein in der Wohnung eines Toten", meinte er scherzend. Doch Rocca war sich nicht sicher, ob es wirklich nur ein Scherz war. Manchmal hatte Robert wirklich schwache Nerven.
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Rocca drehte den Zündschlüssel um. Der Motor sprang nicht sofort an. Das passierte ab und zu. "Verdammte Kiste!" schimpfte Rocca. "Du solltest mal auf ein neues Model umsteigen", empfahl ihm Gaynor. "Das hier wird dich nämlich bald im Stich lassen." Schließlich sprang der Motor an. Rocca fuhr auf die Straße hinaus. Gaynor schloß hinter dem Wagen das Haustor und kehrte in Stallibrass Wohnung zurück. Rocca benutzte wenig befahrene Straßen und fuhr in verhaltenem Tempo, denn er wollte mit dem Toten im Kofferraum nicht auffallen. Nach der sechsten Straße tauchte im Rückspiegel ein Streifenwagen auf. Rocca hielt es für einen Zufall. Er fuhr noch vorsichtiger, und warf immer wieder einen Blick auf den Tachometer, um die zulässige Höchstgeschwindigkeit auf keinen Fall zu überschreiten. Er hielt sich geradezu pedantisch an die Verkehrsregeln, was er schon seit Jahren nicht mehr getan hatte. Mehrmals blickte er in den Rückspiegel: Der Streifenwagen setzte zum Überholen an. Paolo Rocca trug eine zufriedene und unschuldige Autofahrermiene zur Schau, lächelte die Bullen an und erschrak heftig, als er merkte, daß einer der Cops ihn anstarrte und ihm mit unmißverständlichen Handzeichen zu verstehen gab, er solle rechts ranfahren und anhalten. Er tat es. Schweiß brach ihm aus allen Poren. Der Streifenwagen schnitt seine Fahrspur. Die Tür auf der Beifahrerseite schwang auf. Ein massiger Cop zwängte sich aus dem Fahrzeug. Er hatte rosige Schweinchenbacken, eine kleine Knollennase, ein schwammiges Gesicht und einen schweren Bauch. Roccas Blick fiel unwillkürlich auf die Knöchel seiner rechten Hand. Blut! Erschrocken wischte er das Blut an seiner Hose ab. Dann starrte er mit bis zum Zerreißen gespannten Nerven dem heranstapfenden Cop entgegen. Bevor der fette Mann seinen Wagen erreicht hatte, faßte Rocca blitzschnell in sein Jackett. Für alle Fälle entsicherte er seine Pistole und lockerte ihren Sitz in dem Schulterhalfter. Wenn es sein mußte, würde er den Bullen erschießen. Ohne zu zögern. Und den anderen auch, falls dieser sich ebenfalls mit ihm anlegen wollte. Nervös fuhr er mit der Zungenspitze über die spröden Lippen. Verdammt, dachte Rocca. Ausgerechnet jetzt, wo ich einen Toten im Kofferraum habe, halten mich diese dämlichen Cops. an. Was wollen sie? Was paßt Ihnen denn nicht? Er versuchte zu grinsen, versuchte sich unbefangen zu geben. Das Fenster hatte er bereits heruntergekurbelt. Als der Cop nur noch drei Schritte davon entfernt war, rief Rocca: "Na, Meister. Was liegt denn an? Ich bin doch nicht etwa zu schnell gefahren?" Er lachte, obwohl ihm ganz und gar nicht zum Lachen zumute war. "Würde meine Mühle ja gar nicht mehr schaffen." "Gehört der Wagen Ihnen, Sir?" fragte der Cop. Rocca nickte freundlich, während ihm das Herz hoch oben im Hals schlug. "Na, selbstverständlich." "Kann ich mal die Papiere sehen?" "Die Papiere", wiederholte Rocca, während er dachte: Hau ab, Fettwanst. Hau bloß ab, ehe es zu spät für dich ist. "Natürlich können Sie die sehen." Er nahm sie aus dem Handschuhfach und versuchte, das Zittern seiner Finger zu verbergen. Er reichte dem Polizeibeamten die Papiere. "Wollen Sie mich nicht aufklären, Meister?" fragte er in lässigem Ton. "Ich bin mir keiner Schuld bewußt. Ich bin brav rechts gefahren und habe kein Stopschild übersehen. Weshalb halten Sie mich an?" Copyright 2001 by readersplanet
Der Cop grinste. "Haben Sie es eilig, Sir?" Rocca schüttelte den Kopf. "Natürlich nicht." Er räusperte sich. "Sie können das wahrscheinlich nicht verstehen, aber man hat immer ein schlechtes Gefühl, wenn man plötzlich von einem Streifenwagen angehalten wird." Der Cop grinste wieder. "Ein schlechtes Gefühl oder ein schlechtes Gewissen?" fragte er. Die Papiere schienen ihn überhaupt nicht zu interessieren. Er hielt sie anscheinend nur deshalb in seinen Fingern, damit Rocca nicht verschwinden konnte. "Gefühl," sagte ich", erwiderte Rocca klar und deutlich, um kein Mißverständnis aufkommen zu lassen. "Steigen Sie bitte mal aus, Sir." Rocca fuhr der Schreck in die Glieder. Etwas strich ihm eiskalt über den Rücken. "Mann, ich verstehe wirklich nicht..." "Na, kommen Sie schon. Ich möchte Ihnen etwas zeigen." Rocca ärgerte sich über seinen plötzlichen Schweißausbruch. Der Cop mußte doch Verdacht schöpfen, wenn er so schwitzte. "Was denn? Wo denn?" fragte Rocca. "An Ihrem Wagen." Paolo Rocca öffnete die ächzende Tür und stieg langsam aus. Nur nicht ungehalten sein. Sonst wurde der Kerl am Ende noch ungemütlich. Das konnte er sich mit der Leiche im Kofferraum nicht leisten. Verstohlen schielte der Gangster nach dem zweiten Cop, der im Streifenwagen sitzengeblieben war und sich nicht um den Kollegen kümmerte. "Ist vielleicht etwas nicht in Ordnung mit meinem Wagen, Meister?" erkundigte sich Rocca nervös. Es kostete ihn große Mühe, beherrscht zu bleiben und gleichgültig zu wirken. Der Gedanke allein schon erschreckte ihn. Vorbei war es mit seiner Gelassenheit, die er sonst immer an den Tag legte. Er spürte Panik in sich aufsteigen. Der Film, der ihm eingefallen war, handelte von einem Mord und von dem Versuch, das Opfer zu beseitigen. Die Szenen glichen sich. Obwohl Rocca diesen Film vor vielen Jahren gesehen hatte, war ihm eine Szene im Gedächtnis haften geblieben. Und an diese Szene mußte er ausgerechnet in diesem Augenblick denken. Er sah vor seinem geistigen Auge einen aufklaffenden Kofferraumdeckel und die Hand einer Leiche, die herausragte. Als der Cop ihn nicht ansah, wischte sich Rocca verstohlen den Schweiß von der Stirn. "Da", sagte der Uniformierte. Rocca wollte schon die Pistole herausreißen. In diesem Moment sagte der Cop: "Ihr rechtes Positionslicht funktioniert nicht, Sir." Ein gewaltiger Stein fiel Paolo Rocca von der Brust. Mit einem Seufzer stieß er die Luft aus. "Na, so was!" sagte er, und er hätte vor Erleichterung beinahe aufgelacht. Er hatte Mühe ernst und überrascht zu erscheinen. "Daß ausgerechnet mir das passieren muß, obwohl ich so gewissenhaft wie nur möglich bin. Wissen Sie, was ich tue, bevor ich mich in den Wagen setze? Ich gehe einmal darum herum. Jawohl, das tue ich. Ich sehe mir die Reifen an, und auch die Beleuchtung. Das tue ich immer. Selbst im strengsten Winter. Zu Hause hat das Licht noch gebrannt, da bin ich ganz sicher. Sonst wäre ich bestimmt nicht losgefahren." Er klopfte schnell mit der flachen Hand auf das Glas. Das Licht flammte auf. "Na, bitte", sagte er grinsend. "Da ist es wieder. Wackelkontakt. Ich werde das selbstverständlich gleich morgen früh in Ordnung bringen lassen." Copyright 2001 by readersplanet
Der Cop nickte. Er war mit dieser Antwort sehr zufrieden. "Fahren Sie noch weit, Sir?" "Ein paar Kilometer noch. Zu einem Freund. Er wird schon ungeduldig auf mich warten." "Na dann fahren Sie mal los", sagte der Cop lächelnd. Er gab die Autopapiere zurück. "Mach ich", sagte Paolo Rocca. Nun durfte er sogar kurz lachen. Das tat ihm verdammt gut. "Mach ich", sagte er noch einmal. "Und vielen Dank, daß Sie mich auf den Defekt aufmerksam gemacht haben." Der dicke Cop watschelte zum Streifenwagen zurück. Rocca wischte sich wieder den Schweiß von der Stirn. Der Uniformierte ließ sich schwer in den Polizeiwagen fallen und knallte die Tür zu. Nun regte sich auch der Fahrer wieder. Als der Streifenwagen losfuhr, holte Rocca tief Luft und stieß sie pfeifend wieder aus. "Junge!" sagte er zu sich selbst. "Das hätte ins Auge gehen können." Er stieg wieder in sein Vehikel und legte den ersten Gang ein. Es krachte und rumorte im Getriebe. Der Wagen war wirklich bald nicht mehr zu gebrauchen. Der hatte ausgedient. Langsam gewann der Wagen an Fahrt. Fünf Minuten später bog Rocca scharf nach rechts in einen schmalen Güterweg ein. Er rumpelte dem dunklen Schotterteich entgegen. Aus der Dunkelheit ragte ein mächtiger Bagger zum tintigen Himmel empor. Weit und breit war kein Haus zu sehen. Schaukelnd, quietschend und knarrend rollte der Wagen zum Teich hinunter. Das stille Wasser schimmerte wie poliertes Silber. Der Halbmond beleuchtete die finstere Szene mit seinem trüben, gespenstischen Licht. Rocca fuhr dicht an den Teich heran. Dann zog er die Handbremse an. Er stellte den Motor ab und schaltete die Scheinwerfer aus. Bevor er ausstieg, ließ er einen Blick über den Teich, den Bagger und zu der kleinen Arbeitshütte schweifen. Erst als er sicher war, daß sich außer ihm niemand in dieser Gegend befand, riskierte er es auszusteigen. Vorsichtig ging er auf die Hütte zu. Sie stand am Teich, und ein kurzer Holzsteg führte ein Stück auf das Wasser hinaus. Rocca suchte irgendeinen schweren Gegenstand, den er dem Toten am Bein befestigen konnte. Er fand mehrere rostige Eisenträger. Ein eineinhalb Meter langer schien ihm schwer genug zu sein. Er hob ihn auf, trug ihn bis zum Ende des Stegs. Dort ließ er ihn fallen. Dann kehrte er zu seinem Wagen zurück. Ehe er den Kofferraumdeckel hochklappte, sah er sich erneut um. Er war ein vorsichtiger Mann. Und das Erlebnis mit dem Bullen würde er nicht so schnell vergessen. Nun hob er den Toten aus dem Kofferraum und legte ihn über die rechte Schulter. Rocca griff nach dem Abschleppseil und nahm es ebenfalls mit. Als er über den Holzsteg ging, sagte er zu Stallibrass: "So mein Junge. Jetzt nimmst du ein langes Bad." Dort, wo der Eisenträger bereitlag, ließ Rocca den Leichnam von der Schulter rutschen. Er atmete tief ein und dehnte und spannte seine Muskeln. Dann ging er neben dem Toten in die Hocke und knotete ihm das Abschleppseil um die Beine. Er warf zuerst den Leichnam ins Wasser und dann den Träger. Es klatschte zweimal. Während das Eisen den Toten in die Tiefe zog, liefen zitternde Wellen über den stillen Teich. Rocca blickte dem verschwindenden Toten nach. "Sieh zu, daß sie dich nicht morgen schon wieder rausbaggern. Verstanden?" Er lachte. Und lachend kehrte er zu seinem Wagen zurück.
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Als das Telefon schrillte, zuckte Robert Gaynor zusammen. Er starrte den Apparat nachdenklich und unschlüssig an. Während das Telefon weiterläutete, überlegte Gaynor, ob er rangehen sollte oder nicht. Chapman wollte sich heute oder morgen melden. Möglicherweise war er das. Schnell ging Gaynor zum Apparat. Er hob ab und versuchte, Stallibrass Stimme zu imitieren. ,,Ja?" Die Verbindung war unterbrochen. Der Anrufer mußte in dem Augenblick aufgelegt haben, als Gaynor abgehoben hatte. Fluchend warf der Gangster den Hörer auf die Gabel. Er zündete sich nervös eine Zigarette an und blätterte lustlos in einer Illustrierten. Wieder schrillte das Telefon. Diesmal zögerte Gaynor keine Sekunde. Er warf die Illustrierte weg und legte die Zigarette fort. Dann hob er zum zweitenmal ab und sagte zum zweitenmal: "Ja?" "Stallibrass?" "Hm." "Hier ist Chapman." Gaynor grinste breit. "Wie sieht's aus?" fragte Ed Chapman. "Gut, daß du anrufst," sagte Gaynor mit Stallibrass Stimme. "Ich glaube, ich konnte etwas für dich tun." Gaynor hörte Chapman aufgeregt schnaufen. "Hast du einen Käufer aufgetrieben?" "Ich denke, ja." Chapman lachte begeistert. Er schöpfte überhaupt keinen Verdacht. "Na siehst du, du Idiot. Und nun kassierst du auch noch fünf Prozent. Manche Menschen muß man wirklich zu ihrem Glück zwingen." Gaynor überlegte, wie er Chapman in die Falle locken konnte, ohne daß dieser argwöhnisch wurde. "Ich möchte dich mit dem Mann heute noch zusammenbringen, Ed." Eine Pause trat ein. Dann: "Noch heute?" Wieder folgte eine Pause. Chapman dachte offensichtlich darüber nach, ob er "Stallibrass" mißtrauen sollte. Gaynor ließ ihm nicht viel Zeit zum Überlegen, sondern setzte sofort nach. "Der Mann verreist morgen für ein paar Tage." Nun reagierte Chapman sofort. "In Ordnung, Bing. Ich komme zu dir, und wir fahren beide zu ihm." Gaynor grinste zufrieden. "Gut, ,Ed. Ich erwarte dich." Es klickte in der Leitung. Ed Chapman hatte aufgelegt. Robert Gaynor ließ den Hörer langsam sinken. Es hatte alles geklappt. Er war mit seinen Imitationskünsten sehr zufrieden. Sanft legte er den Hörer auf die Gabel. Fünfzehn Minuten nach dem Anruf kam Paolo Rocca zurück. Gaynor empfing seinen Komplicen mit strahlendem Gesicht. Rocca reagierte mürrisch. Ihm saß immer noch der Schreck in den Gliedern. Copyright 2001 by readersplanet
"Warum grinst du denn wie ein frischlackiertes Schaukelpferd?" Gaynor rieb sich erregt die Nase. "Chapman hat sich gemeldet, Paolo." Er berichtete. Rocca riß die Augen auf. "Tatsächlich?" Nun lachte er. "Mann, das läuft ja alles nach Plan." "Er wird bald hier auftauchen." "Mit dem ?" Gaynor schüttelte den Kopf. "Das nehme ich nicht an. Aber wenn er schon hier ist, können wir ihn ja fragen, wo er den Stein versteckt hat." Vor dem Haus hielt ein Wagen. Rocca warf dem Freund einen vielsagenden Blick zu. Gaynor sah auf die Armbanduhr und nickte dann hastig. "Das kann er schon sein."
* Jo Walker stieg aus seinem 300 SE und warf die Tür hinter sich ins Schloß. Er betrat das Haus, in dem Bing Stallibrass wohnte. Er öffnete das Haustor und lief dann die wenigen Stufen bis zu Stallibrass Wohnungstür hinauf. Hier klopfte er. Nichts. Er klopfte erneut. Niemand öffnete. Da Jo aber Licht in den Fenstern gesehen hatte, tastete er nach der Klinke und drückte sie nach unten. In einer Wohnung, in der niemand war, brannte normalerweise kein Licht. Die Tür ließ sich öffnen. Jo steckte den Kopf durch den Spalt und spähte in die Diele. "Mr. Stallibrass?" Jo drückte die Tür weiter auf und trat ein. Er schloß die Tür hinter sich und lauschte. "Mr. Stallibrass!" Jo durchquerte die Diele. Er hatte das Gefühl, daß hier irgend etwas nicht stimmte. Aber er sagte sich auch, daß sein Argwohn ihn diesmal täuschen konnte. Vielleicht war Stallibrass nur kurz zu einem Nachbarn gegangen. Vorsichtig durchquerte Kommissar X die schmale Diele. Die Wohnzimmertür stand einladend offen. Licht brannte in dem Raum. In dem Augenblick, als Jo das Wohnzimmer betrat, passierte es. Von links und rechts sprangen ihn plötzlich zwei Männer an. Jo sah zwei Gesichter. Eines davon kam ihm bekannt vor. Da wurde ihm mit brutaler Härte der Griff einer Pistole über den Hinterkopf geschlagen. Stöhnend brach er zusammen und schlug ohnmächtig auf den Bretterboden hin.
* Paolo Rocca steckte die Pistole grinsend weg. Copyright 2001 by readersplanet
"Weißt du, wer das ist, Robert?" "Chapman?" "Leider nicht." "Aber... "Das ist nicht Ed Chapman." "Wer denn sonst?" "Das ist Jo Walker", sagte Paolo Rocca. Gaynors Augen weiteten sich, als er begriff. "Der Schnüffler, den sie Kommissar X nennen?" fragte er perplex. Rocca nickte. "Genau der." Er lachte heiser. Er ist also auch hinter dem her." Gaynor blickte nervös auf seine Uhr. "Was machen wir mit ihm? Chapman kann jeden Moment hier sein." Rocca sah sich im Wohnzimmer kurz um. "Wir legen ihn einfach in den Schrank. Da kann er ungestört schlafen." Sie schleiften Jo über den Boden. Gaynor öffnete den Schrank und machte für den Bewußtlosen Platz. Dann kippten sie Walker in den Schrank und klappten die Tür wieder zu. Rocca drehte den Schlüssel im Schloß um und zog ihn grinsend ab. Er wandte sich um und wies mit dem Schlüssel zur Wohnungstür. "So, Robert. Der nächste, der durch diese Tür kommt, muß Ed Chapman sein."
* Es klopfte, und Paolo Rocca eilte mit gezogener Waffe zur Tür. Schnell griff er nach der Klinke. Nun war er ein wenig nervös. Er zögerte den Bruchteil einer Sekunde. Dann drückte er die Klinke hastig nach unten. Gleichzeitig riß er die Tür auf. Und im selben Moment machte er einen Satz nach draußen und rammte Ed Chapman die Pistole in den Bauch. Chapman riß vor Schreck den Mund auf. "Maul halten und reinkommen." zischte Paolo Rocca. Chapman glotzte den Fremden bestürzt an. "Verdammt, was soll das?" Rocca machte nicht viele Worte, Er packte Chapman am Jackett und zerrte ihn in die Wohnung. Mit dem Fuß stieß er gleichzeitig die Tür zu. "Robert!" rief Rocca. "Ja?" "Sieh mal, wen wir da haben." Gaynor kam aus dem Wohnzimmer. Grinsend durchwühlte er Chapmans Taschen, bis er einen Ausweis fand. "Ed Chapman", sagte er und steckte den Ausweis wieder an seinen Platz zurück. Dafür nahm er Chapman die Pistole ab, die dieser in dem Schulterhalfter trug. "Was soll das?" protestierte Ed Chapman verdattert. Rocca zeigte ihm die Zähne. "Du wiederholst dich, mein Junge." Copyright 2001 by readersplanet
Chapman musterte die beiden Gangster. "Wo ist Stallibrass?" "Der ist baden gegangen", antwortete Paolo Rocca grinsend. "Du hast mit mir telefoniert", sagte Robert Gaynor stolz. Rocca lachte. "Jetzt wird der Gute blaß um die Nase." Immer noch drückte er Chapman die Waffe in den Bauch. "Wie steht es, mein Junge. Kann man mit dir vernünftig reden?" Chapman versuchte unbeeindruckt zu erscheinen. "Erst mußt du die Kanone wegstecken." Rocca lachte wieder. Diesmal spöttisch. "Das, fürchte ich, wird sich nicht machen lassen. Mein Freund und ich sind fremden Ganoven gegenüber nämlich immer sehr mißtrauisch. Das mußt du verstehen." Stallibrass ist ein Schwein, dachte Ed Chapman wütend. Er hat mich verraten. Grimmig kniff er die Augen zusammen, während er fieberhaft nach einem Ausweg suchte. Dann fragte er mit scharfer Stimme: "Was wollt ihr von mir?" Rocca schmunzelte. "Wir sind hinter dem her." Also doch, dachte Chapman. Stallibrass hat dich verraten. Dieses Schwein. Na, warte, Bing Stallibrass. Dich kaufe ich mir noch. Wenn ich mit diesen zwei Halunken fertig bin. Dann kannst du mit deinem Leben abschließen. "Und hinter dem anderen Zeug sind wir natürlich auch her", sagte Rocca. Chapman versuchte, den Druck der Pistole zu ignorieren. "Und wie soll es nun weitergehen?" fragte er frostig. "Ihr erwartet doch nicht etwa, daß ich das alles ganz einfach rausrücke." Rocca kniff die Augen zusammen. "Doch!" zischte er. "Das erwarten wir." "Denk doch mal daran, welches Glück du hast, Freund", warf Robert Gaynor höhnisch ein. "Du bist an zwei so friedfertige Typen wie uns geraten. Es hätte auch anders kommen können. Wir wollen nur haben, was du geklaut hast." Chapman musterte die beiden mißtrauisch. "Und was bekomme ich als Gegenleistung dafür?" Rocca bleckte die Zähne. "Dafür, mein Freund, schenken wir dir dein Leben. Ist doch eine ganze Menge, oder?" Chapman holte tief Luft. Das war der Gipfel der Unverfrorenheit. Sie stellten ihm eine Falle, um von der Arbeit anderer zu profitieren und er sollte leer ausgehen. Aber er wollte nicht umsonst getötet haben. Er mußte einen Ausweg finden. "Kann ich mir die Sache überlegen?" fragte Ed Chapman lauernd. Rocca nickte. "Natürlich. Du hast zwei Minuten Zeit dafür." "Das ist sehr wenig - zwei Minuten!" protestierte Chapman. Paolo Rocca lachte bösartig. "Ich wette, du weißt jetzt schon, wie du dich entscheiden wirst. Schließlich...Was nützt dir der und der ganze übrige Plunder, wenn du krepiert bist?" Die Kerle sahen nicht so aus, als ob sie bluffen würden. Wenn sie drohten, ihn zu töten, dann würden sie es auch wirklich tun, wenn sie es für nötig hielten. Copyright 2001 by readersplanet
Es hatte in dieser Situation wohl keinen Sinn, stur zu sein. Wie hieß es doch beim Judo? Nachgeben, um zu siegen. Das mußte er jetzt tun. Im Augenblick konnte er nichts anderes tun, als nachgeben. Vielleicht bekam er dann später eine Chance. Schnell nickte Chapman. "Na schön. Ihr kriegt das Zeug." Rocca nahm es zufrieden lächelnd zur Kenntnis. "Kluger Junge", lobte er. "Du hast doch hoffentlich noch die ganze Sore bei, dir?" erkundigte sich Gaynor. Chapman nickte. "Es fehlt nur das Geld." Rocca winkte ab. "Das brauchen wir nicht. Wo können wir die Beute holen?" "In meiner Wohnung." "Wo ist das?" Chapman sagte es. "Dann fahren wir gleich", sagte Paolo Rocca. "Wir wollen keine Zeit verlieren." "Moment noch" sagte Ed Chapman. Er bedachte die beiden Gangster mit einem mißtrauischen Blick. "Was ist denn?" fragte Rocca ungeduldig. "Ihr legt mich doch nicht etwa um, wenn ihr das Zeug habt?" Rocca lachte überheblich. "Aber nein. Wir machen doch ein Geschäft. Dein Leben gegen die Beute." "Na, hoffentlich", sagte Ed Chapman zweifelnd. Dann verließen sie Bing Stallibrass Wohnung.
* Es roch muffig und nach Mottenpulver und alten Kleidern. Auch nach Tabak und Alkohol. Noch war es Jo nicht klar, daß er sich in einem Schrank befand. Er kam erst langsam wieder zu Bewußtsein. Irgendwo liefen Flugzeugmotoren auf einem Prüfstand. Jo konnte sie ganz deutlich dröhnen hören. Es dauerte geraume Zeit, bis er begriff, daß dieses Dröhnen aus seinem Kopf kam. Wie ein alter Schuh lag seine Zunge im Mund. Trocken. Sie schien rissig zu sein. Langsam, unendlich langsam griff er sich an den hämmernden Hinterkopf. Natürlich war da nun eine mächtige Beule. Als das Dröhnen nachließ, schöpfte Jo mehrmals tief Luft in seine schlaffen Lungen. Der ganze üble, muffige Geruch nach Mottenpulver, Tabak und Alkohol drang in seine Atemwege und drohte ihm erneut das Bewußtsein zu rauben. Um Jo herum war es schwarz wie in der Mitte eines zwölf Kilometer langen Tunnels. Er fühlte sich beengt, doch es dauerte noch eine ganze Weile, bis er begriff, daß er in einem Schrank untergebracht worden war. Als es ihm bewußt wurde, wollte er die Schranktür aufdrücken und aus dem engen Kasten steigen. Doch die Tür war abgeschlossen. Das weckte Jos Aggressionen. Er spannte sofort die Beinmuskeln und ließ dann die Füße kraftvoll gegen die Tür schnellen. Schon nach dem zweiten Tritt flog die Tür auf. Licht blendete ihn! Er kletterte in Stallibrass Wohnzimmer. Copyright 2001 by readersplanet
Immer noch halb benommen erblickte er eine Whiskyflasche. Und er reagierte so instinktiv wie ein Baby, das die Mutterbrust sieht. Er goß sich ein Glas mit Whisky voll und jagte es sich in die Kreisbahn. Der Schädel schmerzte immer noch. Doch der Whisky wirkte diesmal wie eine Wundermedizin. Schon nach kurzer Zeit fühlte sich Jo wie neugeboren. Und nun wurden ihm auch die Zusammenhänge bewußt. Durch den heftigen Schlag auf den Schädel war seine Erinnerung gespalten worden. Nun klebte Jo die beiden Filmteile zusammen, kurbelte den Film ein Stück zurück und ließ ihn ablaufen. Da war wieder das bekannte Gesicht. Paolo Rocca. Unverwechselbar. Ihm hatte Jo die mächtige Beule am Hinterkopf zu verdanken. Es war gut, dies zu wissen, denn Jo würde nun alles daransetzen, daß ihm dieser Rocca noch einmal über den Weg lief. Dieser miese kleine Ganove! dachte Jo gereizt. Er besitzt die Unverschämtheit, seine dreckigen Finger nach dem auszustrecken. Jo hatte zwar keine Ahnung, wo Rocca zur Zeit wohnte, denn Rocca wechselte gewöhnlich seine Wohnsitze so häufig wie die Nutte ihr Höschen. Aber Jo kannte Roccas Freundin June Gilmore. Vor einem halben Jahr war sie Barpianistin gewesen, und das war sie gewiß auch heute noch. Jo Walker war sicher, daß sie ihm sagen konnte, wo er Paolo Rocca aufstöbern konnte.
* Robert Gaynor steuerte Roccas Wagen, ohne auf die Eigenheiten des Vehikels Rücksicht zu nehmen. Sein Komplice hielt Chapman mit der Waffe in Schach. Rocca drückte Chapman seine Pistole während der ganzen Fahrt in die Seite, damit dieser auf keine dummen Gedanken kam. "Ist es noch weit?" fragte Gaynor ungeduldig. Er gab zuviel Gas, so daß der Wagen immer wieder wilde Bocksprünge vollführte. Rocca schimpfte, denn mit dieser Fahrweise konnte man den alten Motor schon nach wenigen Kilometern abwürgen. "Wir sind gleich da," sagte Ed Chapman. Auf seiner Stirn glänzte ein Schweißfilm. Allmählich wurde ihm mulmig zumute. Im Augenblick sah es nicht so aus, als ob er, mit etwas Knieschlottern und einem blauen Auge davonkommen würde. "Dort vorn fährst du rechts ab", sagte Chapman. Gaynor nickte. Immer noch überlegte Chapman fieberhaft, wie er die Lage zu seinen Gunsten wenden konnte. Er hatte im Haus mehrere Waffen versteckt. Vielleicht gelang es ihm, auf diese Weise die beiden auszuschalten. Wahrscheinlich war dies seine einzige Chance. Er starrte auf Roccas Pistole. Dann brachte er ein gleichgültiges, sogar ein wenig spöttisches Grinsen zustande. "Du traust wohl nicht mal deiner eigenen Mutter über den Weg, was?" Paolo Rocca lachte. "Das kommt wohl daher, daß meine Mutter bis ins hohe Alter auf den Strich gegangen ist und mir immer mein Taschengeld geklaut hat." "Jetzt links", sagte Ed Chapman zu Gaynor. Dieser bog sofort in die Nebenstraße ein. Chapman dirigierte den Fahrer bis zu seinem Versteck. Er konnte es kaum erwarten, bis sie angekommen waren. Die Ungewißheit zerrte an seinen Nerven. Im Haus würde endlich die Entscheidung fallen. Ob sie nun so oder so ausfiel, er würde sie akzeptieren. Alles war ihm lieber als diese peinigende Ungewißheit. Copyright 2001 by readersplanet
Sie erreichten das Ziel. "Wir sind da", sagte Ed Chapman. "In dieser Bude wohnst du?" fragte Paolo Rocca. Chapman zuckte die Schultern. "Wenn sie dir nicht gefällt, brauchst du nicht mit hineinzukommen." Rocca lachte schnarrend. "Immer zu einem kleinen Scherzchen aufgelegt, was?" Chapman nickte mit zusammengepreßten Lippen. "Aber nur bei Jungs, die ich mag." "Ist fast schon zuviel der Ehre", sagte Rocca feixend. Dann stieß er Chapman die Waffe fester in die Seite. "Steig aus, Chapman. Und versuch nicht, uns übers Ohr zu hauen. Sonst mache ich ein Sieb aus dir." Dicht hintereinander betraten sie das Haus. Ed Chapmans Nerven waren bis zum Zerreißen gespannt. Der entscheidende Augenblick rückte immer näher. Er ging mit den beiden Gangstern ins Wohnzimmer. Don Crosby fiel ihm ein. Er war hier drin gestorben. Und nun sollten hier die beiden Banditen sterben. Hoffentlich. Es mußte klappen. "Dann dürfen wir mal schön bitten, Eddie", sagte Paolo Rocca ungeduldig. Chapman hielt die Luft an. Nur Rocca bedrohte ihn mit der Waffe. Also mußte er ihn als ersten umlegen. Und dann erst Gaynor. Doch nun zog auch Gaynor seine Waffe. Jetzt war es egal, wen Chapman zuerst niederschoß. Seufzend stieß er die Luft aus. Sollte die ganze Arbeit, der Einbruch und auch der Mord an Don Crosby, dessen Leichnam sich hier im Haus befand, wirklich umsonst gewesen sein? Das darf nicht sein, dachte Ed Chapman. Seine Erregung wuchs. Rocca bewegte die Waffe. "Nun mach schon, Eddi!" verlangte er. Er grinste höhnisch. "Oder kannst du dich nun doch nicht von deinem Eigentum trennen?" Chapman riß sich zusammen. Er wies auf das Bücherregal. "Ich habe es hier", sagte er heiser. Er nahm den Attachekoffer und stellte ihn auf den Tisch. Rocca winkte ihn mit der Waffe zum Regal zurück. Erst als Chapmans Rücken das Regal berührte, öffnete er den Koffer, um den Inhalt zu überprüfen. Er stieß einen erstaunten Pfiff aus und meinte zufrieden: "Es ist alles da." "Habe ich doch gesagt", meinte Chapman. Seine Hand tastete an der Buchreihe entlang und griff dann hinter sie. Er hatte hier irgendwo einen Revolver versteckt. Wo war er nur? Wo? Da. Er zuckte zusammen, als seine Finger das kalte Metall berührten. Er sah Gaynor und Rocca an. Sie ahnten nicht, was er vorhatte. Schweiß perlte auf seiner Stirn. Sein Herz klopfte hoch oben im Hals. Er war noch nie so aufgeregt gewesen wie in diesem Augenblick. Wenn es ihm nicht gelang, diese beiden Ganoven mit zwei schnellen Schüssen niederzustrecken, war er verloren. In wenigen Sekunden mußte er handeln. Fest umschloß seine Hand den Griff der Waffe. Dann hielt er den Atem an. Im selben Moment ließ er die Hand mit der Waffe in Gaynors Richtung schnellen. Gaynor riß verdattert die Augen auf und starrte wie gelähmt in die schwarze Waffenmündung. Chapman verlor keine Zeit. Er drückte sofort ab. Die Waffenmündung spie einen grellbunten Blitz aus. Der Knall war ohrenbetäubend laut und ließ Paolo Rocca zusammenfahren. Copyright 2001 by readersplanet
Die Kugel drang Gaynor über die Nasenwurzel in die Stirn. Er flog zurück und hob die Arme. Seine Finger, die die Pistole umspannten, öffneten sich. Die Waffe polterte zu Boden. Robert Gaynor fiel steif wie ein Brett um. Direkt auf die Schulterblätter. Ein dünner Blutfaden sickerte aus dem kleinen Loch in seiner Stirn. Das alles spielte sich innerhalb einer Sekunde ab. Ed Chapmans Waffe zuckte schon dorthin wo Rocca stand. Doch Rocca reagierte so schnell wie eine Klapperschlange, die man am Schwanz gepackt hatte. Fast gleichzeitig mit Chapmans Revolver spie auch Roccas Pistole Feuer. Schon die erste Kugel riß Chapman die Waffe aus der Hand. Entsetzt spürte er den heißen Schmerz im Handgelenk. Seine Waffe wirbelte durch die Luft. Bestürzt starrte er auf Roccas Kanone, die zum zweitenmal losdonnerte. Tödlich getroffen brach Chapman mit einem heulenden Aufschrei zusammen. Er krümmte sich auf dem Boden. Ein Zittern durchlief seinen Körper. Dann lag er still. Fast ungerührt steckte Paolo Rocca die Waffe wieder weg. Er schüttelte vorwurfsvoll und verständnislos den Kopf, während er auf den toten Chapman hinabblickte. "Idiot!" brummte er. "Habe ich nicht ausdrücklich gesagt, du sollst nicht versuchen, uns übers Ohr zu hauen?"
* "Paolo Rocca?" "Hm." "Den gibt es für mich nicht mehr", sagte June Gilmore. Bereits die Erwähnung seines Namens schien ihr großes Unbehagen zu bereiten. Jo sprach mit ihr, während sie für die Gäste der Bar "Laras Theme" aus "Dr. Schiwago" spielte. Sie saß an einem blütenweißen Klavier und spielte die schöne Melodie mit viel Hingabe und großer Perfektion. Mit ihren Mahagoni-Paneelen, Stilmöbeln, großen Teppichen und vielen kleinen Leuchtern machte die Bar einen behaglichen Eindruck. Über den Paneelen wurden die Wände von Delfter Kacheln bedeckt. Das weiße Klavier stand auf einem schwarzen Fell eines Baribalbären. June Gilmore war eine dunkelhaarige Schönheit. Sie trug ein blutrotes trägerloses Kleid. Alles, aber auch wirklich alles, hatte bei ihr die richtigen Proportionen. Sie hatte dunkle ausdrucksstarke Augen und bewegte sich geschmeidig. Ihre Schönheit erinnerte an ein Feuer, das unter einer dünnen Eisschicht loderte. Flink tänzelten ihre Finger über die weißen und schwarzen Tasten, während sie mit Jo Walker sprach. "Für mich ist Paolo Rocca gestorben", sagte sie bitter. Jo verzog das Gesicht. "Auf mich hat er vor etwa einer Stunde einen recht lebendigen Eindruck gemacht." Das Mädchen musterte Jo. "Was wollen Sie von ihm?" "Er ist gerade im Begriff, sich die Finger schmutzig zu machen. Das möchte ich verhindern. Deshalb bin ich hier. Sie können mir sicher sagen, wo er zur Zeit wohnt." Junes hübsches Gesicht wurde ernst. Copyright 2001 by readersplanet
Entrüstet sagte sie: "Ich soll ihn ans Messer liefern?" "Messer ist ein wenig übertrieben", sagte Jo. "Ich will den Guten ja nur vor einer großen Dummheit bewahren. Außerdem..." Er grinste. ,;Was könnte ich einem Toten schon anhaben?" June Gilmore erschrak. Doch ihre Finger spielten weiter "Laras Theme". Sie schienen ein eigenes Leben zu haben und von Junes Emotionen nicht beeinflußt zu werden. "Wie meinen Sie das, Mr. Walker?" fragte June fast besorgt. Jo lächelte und zuckte die Schultern. "Nun, Sie sagten doch vorhin, Paolo sei für Sie gestorben." "Ach so." "Warum ist es aus zwischen Ihnen und ihm?" Wieder zuckte sie die Schultern. "Eine andere hat ihm besser gefallen. Das alte Lied." "Wer ist diese andere?" fragte Jo sofort. "Sie kennen sie ja doch nicht", erwiderte June Gilmore gleichmütig. "Wer weiß. Vielleicht doch." Jo lächelte. "Außerdem ist das kein Hindernis. Sie brauchen mir nur ihren Namen und ihre Adresse zu nennen. Dann fahre ich zu ihr und lerne sie kennen." June Gilmore dachte nach. Und während sie darüber nachdachte, ob sie Jo den Namen sagen sollte, leitete sie das herrliche Finale des Liedes ein. "Dyane Santos heißt sie", sagte June schließlich. Und sie nannte auch die Adresse, wo Roccas neue Flamme wohnte. Geringschätzig fügte sie hinzu: "Nennt sich Sängerin. Angeblich soll es schon einige Schallplatten von ihr geben. Ich habe noch keine gesehen." "Wohnt Rocca bei ihr?" erkundigte sich Jo. "Möglich. Ich weiß es nicht. Für mich ist er ge " "storben - ich weiß", sagte Jo. "Haben Sie trotzdem herzlichen Dank für dis erschöpfende Auskunft, June. Ich sehe mal wieder bei Ihnen vorbei." Jo ging, als sie das Lied beendet hatte. Als er aus der Bar trat, verwöhnte June Gilmore die Gäste mit der bekannten Melodie aus dem Film "Exodus".
* Jo ließ seinen Mercedes auf einem Parkplatz stehen und ging drei Häuserblocks weit. Dann stand er vor dem Haus, in dem Dyane Santos wohnen sollte. Es war eine von diesen düsteren Gassen, in denen sogar die Hunde trauriger dreinblickten als anderswo. Bei Tag enthüllte die Sonne hier erbarmungslos jede schmutzige Einzelheit: die Häuserfassaden mit dem abbröckelnden Verputz, die Urinspuren an den Hofeingängen und den hoffnungslosen Ausdruck in den Gesichtern der Bewohner, die hier oft ziellos die Gehsteige entlangschlurften. Dyanes Schallplatten schienen keine Umsatzrekorde erreicht zu haben. Jo stieg in den vierten Stock hinauf, weil kein Lift vorhanden war. Oben hielt er einen Moment inne, trat an die Tür, an der Dyane Santos' Name stand, und klopfte. Als die Tür sich öffnete, wurde Jo angenehm überrascht. Er hatte ein Mädchen erwartet, das in diese triste Gegend paßte. Das Gegenteil war der Fall. Copyright 2001 by readersplanet
Dyane Santos war ein rassiges schwarzhaariges Mädchen. Sie sah aus wie eine Modellspanierin. Das ebenholzschwarze Haar war straff aus dem Gesicht gebürstet und am Hinterkopf zu einem kurzen Zopf zusammengebunden. Mit einer Silberklammer wurde es zusammengehalten. Jo spürte Adrenalin durch seine Adern schießen. Ein ungemein belebender Anblick war dieses Mädchen. Eine wahre Augenweide. Sie trug ein kariertes Hauskleid, in dem sich prachtvolle üppige Brüste abzeichneten. Ihre Brauen waren schräg geschwungen und ihr Blick verriet Neugierde und Intelligenz. Jo schluckte beeindruckt. "Miß Santos?" Jo zeigte ihr seine Lizenzkopie. "Mein Name ist Walker. Verzeihen Sie die Störung..." "Was wünschen Sie?" Das aufregende Mädchen sprach mit spanischem Akzent. Jo lächelte freundlich, um einen vertrauenerweckenden Eindruck zu machen. "Darf ich reinkommen? Hier draußen zieht es." Sie zögerte einen Moment. Dann gab sie den Weg frei. Sie führte ihn in ein geräumiges, modern eingerichtetes und modern tapeziertes Wohnzimmer und ließ ihn Platz nehmen. So eine Wohnung hatte Jo in dieser Gegend ebenfalls nicht erwartet. Miß Santos war ein Mädchen mit Geschmack. Wie aber paßte ein Mann wie Paolo Rocca in dieses Programm? Sie setzte sich ebenfalls und schlug die Beine übereinander. Dann sah sie Jo erwartungsvoll an. "In der Diele hängt ein Herrenjackett, Miß Santos. Darf ich annehmen, daß es Paolo Rocca gehört?" Dyane hob erstaunt den Blick und sah ihn mit großen Augen an. Wer einen so anblickte, konnte kein schlechtes Gewissen haben. Unmöglich. "Es gehört ihm. Sind Sie seinetwegen hier, Mr. Walker?" "Ja". "Er ist nicht zu Hause." Jo lächelte. "Es würde mir nichts ausmachen, hier auf ihn zu warten - in so netter Gesellschaft, wenn ich mir diese Bemerkung gestatten darf." Dyane Santos lächelte verlegen zurück. "Ich weiß nicht, wann er nach Hause kommt, Mr. Walker." "Wir können uns inzwischen ein wenig über ihn unterhalten", schlug Jo vor. Sie zögerte. Dann meinte sie: "Ich weiß nicht, ob ich das tun sollte." "Wieso nicht?" "Nun, Sie sind doch Privatdetektiv. Und Sie kommen seinetwegen hierher. Ich muß also annehmen, daß Sie ihm Schwierigkeiten machen wollen." Jo hob die Hand. " Das hängt ganz von Paolo ab. Ich bin ein Mann, der mit sich reden läßt, Miß Santos." Er versuchte, ihr menschlich ein wenig näherzukommen. Deshalb fragte er: "Wie kommt es, daß ich Sie noch nie singen gehört habe, Miß Santos?" Sie schien erfreut zu sein zu hören, daß er wußte, welchen Beruf sie ausübte. "Das kann ich Ihnen schon erklären, Mr. Walker", sagte sie. "Ich bin gebürtige Spanierin. Meine Plattenfirma nimmt mit mir ausschließlich spanische und portugiesische Titel auf, die dann in Lateinamerika und Europa auf den Markt gebracht werden. Hier in den Staaten werden nicht viel davon verkauft. Wenn Sie möchten, kann ich Ihnen ein paar Platten Copyright 2001 by readersplanet
vorspielen." "Gern", sagte Jo. Dyane erhob sich und holte aus einem Kästchen zehn Singles hervor. Dann steckte sie die Platten auf den langen Dorn des Changers. Sie drückte auf die Automatiktaste, kam wieder zurück und setzte sich. Da fiel ihr ein, daß es die Höflichkeit gebot, dem Gast etwas anzubieten. Sie ließ Jo zwischen einigen harten und mehreren süßen Getränken wählen. Dann brachte sie ihm seinen Drink. Sie selbst entschied sich für einen Sherry. Aus den Lautsprecherboxen drang eine einfache, reine Melodie, gespielt von einer Gitarre. Dann begann Dyane zu singen. Einschmeichelnd, mit dunkler, warmer Stimme. Es war kaum zu glauben, daß dies Dyane Santos war. Jo sah sich die Cover an. Man hatte einen guten Fotografen bemüht, und das Ergebnis seiner Arbeit konnte sich sehen lassen. Kein Plattenumschlag war so kitschig gestaltet, wie es auf diesem Markt sonst gang und gäbe war. Jo tat dieses Mädchen plötzlich leid. Sie schien nicht die geringste Ahnung zu haben, welchen Lumpen sie liebte. Während er der Musik und dem Gesang lauschte, bemerkte er, daß sie ihn heimlich besorgt musterte. Sie schien zu befürchten, daß sich etwas ereignen würde, das ihre Liebe gefährdete. Sie fürchtete, daß man Paolo Rocca von ihr fortholen und einsperren würde. Jo fragte sich, wie Rocca es geschafft hatte, dem Mädchen so den Kopf zu verdrehen, daß sie seinen wahren Charakter nicht erkannt hatte. Schließlich konnte sich Dyane nicht länger zurückhalten. Sie sprach aus, was sie bedrückte: "Hat Paolo etwas Unrechtes getan, Mr. Walker?" Sie hatte wirklich keine Ahnung. Jo nickte. "Er hat mich bewußtlos geschlagen und in einen Schrank gesperrt." Das Mädchen erschrak. "Aber wieso denn?" Jo lächelte. "Das möchte ich ihn selbst fragen." Der Changer schaltete sich selbständig ab. Der Tonarm hob den Saphier von den Plattenrillen und schwang nach außen. Mit einem leisen Knacken löste sich die nächste Schallplatte vom Stapel und fiel nach unten. Der Tonarm bewegte sich zurück und wurde aufgesetzt. Diesmal trällerte Dyane ein heiteres Liedchen. Jo konnte genug Spanisch, um den Text zu verstehen. Das Mädchen sang von einem kleinen Zwergkaninchen, das ihr Freund ihr zum Geschenk gemacht hatte und das sie nun in ihre grenzenlose Liebe mit einbezog. Jo sah Dyane erstaunt an. Sie wurde verlegen. Sie war noch jung und noch ein wenig unsicher. "Warum sehen Sie mich so an, Mr. Walker?" Jo lächelte und nippte an seinem Drink. "Ist es wirklich möglich, daß Sie keine Ahnung haben, Miß Santos?" fragte er ungläubig. "Keine Ahnung - wovon?" "Sind Sie tatsächlich so naiv?" "Ich verstehe nicht, was Sie damit sagen wollen, Mr. Walker." Copyright 2001 by readersplanet
"Ihr Paolo ist ein Gangster, der auf Bestellung arbeitet." Es tat ihm sofort leid, daß er es so hart ausgedrückt hatte. "Wissen Sie das nicht?" Dyane schüttelte mit zusammengezogenen Augenbrauen den Kopf. "Das hat Paolo doch nicht nötig." "Dann kennen Sie Ihren Freund leider sehr schlecht, Miß Santos. Er läßt sich für jedes Verbrechen anheuern, das genügend Geld einbringt." Das Mädchen wurde blaß. "Ich verbiete Ihnen, so über Paolo zu sprechen!" protestierte sie. "Hat er Ihnen schon einmal erzählt, woher er das Geld hat, das er ausgibt?" "Natürlich." "Da bin ich aber gespannt." "Er arbeitet als Einkäufer in einem der Warenhäuser, die zur -Kette gehören." Plötzlich schrillten in Jos Kopf die Alarmglocken. Hier schien sich ein Kreis zu schließen. Rex Roper und Jenny Slade fielen ihm ein. Tom Rowlands Worte kamen ihm in den Sinn. Der Captain hatte von einem Dealer gesprochen, der das Heroin von einem Mann bekommen haben wollte, der in einem -Kaufhaus tätig war. War Paolo Rocca dieser Mann? War Rocca nun auch in das Rauschgiftgeschäft eingestiegen? Es war ihm zuzutrauen. Kaum war Jo mit seinen Überlegungen soweit gekommen, wurde er schon mit der nächsten Überraschung konfrontiert. Die Tür wurde geöffnet und Paolo Rocca trat ein. Als der Gangster Jo im Wohnzimmer sitzen sah, machte er sofort kehrt und rannte wieder aus der Wohnung der Sängerin. "Paolo!" rief Dyane erschrocken. Jo sprang auf. Rocca warf die Tür hinter sich zu. Walker jagte mit großen Sätzen auf die Tür zu, riß sie auf und stürmte nach draußen. Rocca sprang wie eine Gemse die Stufen hinunter. Er stützte sich mit der Hand am Geländer ab und federte mit großen Sprüngen nach unten. Einmal traf er eine Stufe nicht. Er rutschte von der Kante ab, verlor die Balance, wollte sich am Geländer festhalten um nicht zu stürzen, schaffte das jedoch nicht und fiel hart auf die Stufen. Sich mehrmals überschlagend kugelte er den Rest der Treppe in den nächsten Stock hinunter. Dort schlug er gegen die Mauer. Benommen sprang er auf. Mit schmerzverzerrtem Gesicht keuchte er humpelnd weiter. Jo holte auf. Rocca erreichte das Erdgeschoß. Er blickte nach links und nach rechts - zur Straßen- und zur Hinterhofseite. Er entschied sich blitzschnell für den Hinterhof und rannte durch den schlecht beleuchteten Korridor auf die Hoftür zu. Nach Luft schnappend stürmte er in den dunklen Hof hinaus. Eine Minute später erreichte Jo die Tür. Als er den Hof betrat, bellte ein Schuß auf. Jo warf sich mit einer Hechtrolle in Deckung. Die Kugel verfehlte ihn nur knapp. Er kam hart auf und wälzte sich hinter zwei Mülltonnen. Rocca schoß erneut. Jo holte seine Automatik aus der Schulterhalfter und schoß zweimal kurz hintereinander in die Richtung, wo das Mündungsfeuer aufgeblitzt war. Copyright 2001 by readersplanet
Er hörte einen gurgelnden Laut. Dann schlurfende Schritte. Hatte er getroffen? Ja. Er hatte getroffen. Gespannt starrte Jo in die Dunkelheit. Er sah Rocca. Wankend kam er aus der Finsternis des Hinterhofes. Er hob unendlich langsam die Hand, die die Waffe hielt. Mühsam zielte er auf die beiden Mülltonnen, hinter denen Jo in Deckung gegangen war. Doch er hatte nicht mehr die Kraft abzudrücken. Außerdem hätte seine Kugel keinen Schaden anrichten können. Wieder entrang sich seiner Kehle ein gurgelnder Laut. Er schwankte stärker. Es schien ihn schwer erwischt zu haben. Kommissar X richtete sich vorsichtig auf. "Was war das?" rief eine unangenehm schrille Stimme aus einem Fenster. "Schüsse!" rief die Stimme eines alten Mannes. "Geh weg vom Fenster, verdammt" "Polizei!" rief eine dünne Frauenstimme. Jo ging langsam auf Rocca zu. Der Gangster lag auf dem Rücken. Er lebte noch. Jo hörte ihn mühsam atmen, und er sah, daß seine beiden Kugeln dem Killer in die Brust gedrungen waren. Als Paolo Rocca den Detektiv auf sich zukommen sah, wollte er nach der Waffe greifen, die ihm entfallen war. Jo stieß sie schnell mit dem Fuß weg. "Gib auf, Rocca. Es hat keinen Sinn mehr." Rocca versuchte verzweifelt sich aufzurichten. Es gelang ihm nicht. Die Verletzungen waren zu ernst. Seine Waffe fehlte ihm, seine Kräfte ließen nach. "Verdammt, KX! Dich hätte ich gern mit nach drüben genommen!" preßte er mühsam hervor. Dann bäumte er sich mit schmerzverzerrtem Gesicht auf. Im ersten Stock steckte jemand sein bleiches Gesicht aus dem Fenster. Als Jo den Kopf hob, zuckte das Gesicht schnell zurück. "Verständigen Sie die Polizei." rief Jo hinauf. "Sagen Sie, man soll auch einen Ambulanzwagen schicken." "Einen Ambulanzwagen" sagte Rocca höhnisch. "Hat der berühmte Kommissar X denn nur noch so wenig Vertrauen zu seiner Treffsicherheit?" "Was hattest du bei Stallibrass zu suchen, Rocca?" fragte Jo eindringlich. Blut sickerte aus den beiden Wunden und breitete sich auf dem Hemd aus. "Den... !" sagte Rocca abgehackt. "Genau wie du, Walker. Und alles... was... Ed Chapman... sonst noch gestohlen... hat." "Wer ist dein Komplice?" "Er ist tot. Chapman... hat ihn umgelegt." "Wer war es?" "Robert Gaynor." "Was habt ihr mit Stallibrass gemacht?" "Er... Wir mußten ihn schlagen, und das . . : hat er... nicht... überlebt. Er mußte... reden..." "Du hast auch mit Rauschgift zu tun, Rocca!" "Ja. Wozu soll... ich jetzt... noch leugnen... jetzt ist sowieso... alles... egal." "Du wirst durchkommen, Rocca." Copyright 2001 by readersplanet
"Red... keinen Unsinn. Du weißt nicht, was... für Schmerzen... ich habe, Walker. Ich... Ich bin... erledigt." "Gregory Welles ist dein Boß, nicht wahr?" Rocca stöhnte furchtbar. Er faßte sich an die schmerzende Brust. "Du sagst... es, Schnüffler." "Hast du Ed Chapman etwa in Welles Auftrag die Beute abgenommen?" "Bist... verdammt... clever... Walker. So ist es. Genau... so." Aus seinem offenen Mund floß Speichel. Er hechelte und zitterte, als wäre ihm furchtbar kalt. "Verflucht:" sagte er haßerfüllt. "Warum habe ich... dich in... Stallibrass Wohnung... nicht umgelegt? Kannst... du mir das... sagen, KX? Ein Fehler war... das. Ein großer... Fehler. Das hier . . wäre mir nicht passiert, wenn..." "Wer hat die Sore jetzt, Rocca?" "Welles. Ich habe sie ihm gebracht." "Woher bezieht Welles das Rauschgift, Rocca?" Paolo Rocca riß ängstlich die Augen auf. Sein Gesicht verzerrte sich vor Entsetzen. "Walker!" keuchte er verzweifelt. "Walker! Es... Es geht... mit mir... zu Ende!" "Wo bewahrt Welles das Heroin auf, Rocca?" "La... Lagerhaus" ächzte Rocca mit letzter Kraft. "-Lagerhaus... Die Kisten...,aus... Hongkong." Zwei Minuten brauchte er noch zum Sterben. Dann hatte er ausgelitten.
* Dyane Santos erlitt einen Nervenzusammenbruch, als sie ihren Geliebten auf dem schmutzigen Boden des dunklen Hinterhofs liegen sah. Der für Rocca bestimmte Ambulanzwagen brachte die Sängerin in ein nahegelegenes Krankenhaus. Nachdem Jo Walker die Formalitäten hinter sich gebracht hatte - wobei ihm der Hinweis darauf, daß er mit Captäin Rowland befreundet war, sehr zustatten gekommen war -,fuhr er zu den Docks, um das -Lagerhaus zu suchen. Schwarz lag der Hudson River vor ihm, als er vorsichtig aus seinem 300 SE stieg. Acht Meter hoch war die rote Leuchtschrift auf dem Lagerhaus. POOL - verkündete sie, ununterbrochen die Farbe wechselnd. Mal zitronengelb, dann scharlachrot, dann salbeigrün und kornblumenblau. Sich immer wieder umblickend, näherte sich Kommissar X dem Lagerhaus. Er versuchte sein Glück an zwei großen Schiebetüren. Doch sie waren gewissenhaft abgeschlossen und möglicherweise auch mit einer Alarmanlage ausgestattet. Vermutlich kam der Teufel aus dem Boden gefahren, wenn man eine von diesen Türen knackte. Jo erinnerte sich an eine Leiter, die er vorhin gesehen hatte. Sie führte auf das Flachdach des Lagerhauses hinauf. Vielleicht bot sich dort oben eine Möglichkeit, unbemerkt in das Lagerhaus einzusteigen. Flink turnte Jo die kalten Eisenleitersprossen hinauf. Bevor er auf das Flachdach kletterte, sah er sich aufmerksam nach allen Richtungen um. Die Luft war rein. Jo konnte es wagen, das Dach zu betreten. Die acht Meter hohe -Reklameschrift ließ Jos Gesicht zitronengelb, scharlachrot, salbeigrün und kornblumenblau aufleuchten.
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Jo überquerte das Dach. Als er den scharfen Rand erreicht hatte, spähte er vorsichtig nach unten. Eine Lüftungsklappe fiel ihm ins Auge. Er war gelenkig genug, um sie ohne größere Schwierigkeiten erreichen zu können. Mit den Beinen voran rutschte er über die Dachkante. Dann stieg er in die Klappe ein. Es war gut, daß er kein Gramm überflüssiges Fett am Leib hatte. Sonst hätte er nicht durch die Öffnung gleiten können. Wie eine Riesenschlange bog und wand er sich. Schließlich hatte er es geschafft. Nun galt es, die Kisten aus Hongkong zu finden. Kommissar X sah sich lauernd um. Gleichzeitig lauschte er angestrengt. Es hatte den Anschein, als wäre er das einzige Lebewesen weit und breit. Abgesehen von den Ratten und Mäusen, die zwischen den Kisten umherhuschten. Jo schlich zwischen den hohen Kistenstapeln hindurch. Er entdeckte eine Legion von Schaukelpferden. Dann eine Legion von Rasenmähern. Dann zusammenlegbare Swimmingpools aus Plastik. Kisten aus Japan. Transistorgeräte. Kisten aus Westdeutschland. Zinngeschirr. Kisten aus England, Frankreich und... Hongkong. Jo fand ein Brecheisen und machte sich sofort an die Arbeit. Behutsam schob er die flache Seite des Eisens in eine Fuge, drückte es kraftvoll nach unten und hob langsam den zugenagelten Kistendeckel an. Es quietschte und knarrte, als die Nägel aus dem Holz gezogen wurden. Jo hielt inne und lauschte. Nichts. Nun schob er den Deckel zurück. Das Ding bekam das Übergewicht und polterte zu Boden. Verflucht dachte Jo. Wieder lauschte er. Doch nach wie vor regte sich nichts. Enttäuscht erkannte Kommissar X, daß die Kiste aus Hongkong mit wenig attraktiven Kunststoffblumen vollgestopft war. Er nahm eine Blume in die Hand. Was hatte Rocca ihm sagen wollen? Möglicherweise war der Geist des Sterbenden verwirrt gewesen. Möglicherweise hatte er etwas ganz anderes sagen wollen. Der Stiel der Plastikblume war giftgrün. Die Blüte war groß und weiß. Es handelte sich um irgendeine Phantasieblume, für die sich Mutter Natur sicherlich geschämt hätte. Jo fragte sich, wer wohl mit so viel Geschmacklosigkeit gestraft war, daß er solche Blumen kaufte und nach Hause trug. Er nahm die große Blüte ab, die auf den Stiel geschoben war. Da fiel ihm auf, daß der Stiel hohl war. Doch nicht nur das fiel ihm auf. Er entdeckte außerdem, daß sich im Stiel dieser häßlichen Blume aus Plastik ein weißes Pulver befand. Er kostete den Schnee kurz. Dann war ihm alles klar. In diesen Blumen schmuggelte Gregory Welles das Heroin in die Staaten. Der sterbende Gangster hatte ihm also doch den richtigen Tip gegeben. Erregt richtete sich Jo auf. Er wußte, was er nun zu tun hatte. Doch er kam nicht dazu, seinen Plan in die Tat umzusetzen, denn in diesem Augenblick drückte ihm jemand den Lauf einer Waffe zwischen die Schulterblätter. Eine Hand tastete ihn blitzschnell ab. Jo war sich der Gefahr bewußt, die er auf sich nahm, wenn er in diesem Moment handelte. Trotzdem ging er das Risiko ein, denn es war nun keine Zeit mehr zu verlieren. Copyright 2001 by readersplanet
Er packte die Hand, die ihn nach einer Waffe absuchte, riß sie nach vorn und wirbelte gleichzeitig herum. Mit dieser Attacke hätte kein Gangster gerechnet. Das brachte Jo einen Vorteil. Als sich der Schuß aus der Waffe löste, stand Jo nicht mehr vor der Mündung. Nun schlug Kommissar X dem hochgewachsenen, aber schmalbrüstigen Kerl die Kanone aus der Hand. Unbewaffnet stürzte sich der Bursche auf Jo, um ihn zu überwältigen. Walker ließ ihn kommen und setzte im richtigen Augenblick seine Fäuste ein. Mit kraftvollen Hieben trieb Jo den Gangster zurück. Der Kerl krallte seine Finger in Jos Hals und wollte ihn niederwerfen. Jo schlug mit beiden Handkanten nach den Nieren des keuchenden Gegners. Die Finger rutschten von Jos Hals ab, und er bekam wieder genügend Luft. Nun setzte er zu einem Uppercut an. Seine Faust landete am schmalen Kinn des Gegners. Der Schlag brachte den Mann aus dem Gleichgewicht und schleuderte ihn in die offene Blumenkiste. In diesem Moment hörte Jo das Geräusch von schnellen Schritten. Er fuhr herum. Mindestens vier Kerle schienen den Schuß gehört zu haben. Jo sah sie noch nicht. Er hörte nur ihre Schritte. Aber er wußte, daß es Zeit war, sich zu verdrücken. Die vier Feuerwehrmänner kamen näher. Sie wollten mit ihren Kugelspritzen den Brand löschen. Jo rannte so schnell er konnte durch das Lagerhaus. Die Gangster entdeckten ihn und eröffneten sofort das Feuer. Gefährlich nahe umschwirrten Jo die heißen Hummeln. Er schnellte hinter einen hohen Kistenstapel, stemmte sich dagegen und stieß ihn um. Krachend landeten die Kisten auf dem Boden, rollten den Gangstern entgegen und erschwerten ihnen die Verfolgung. Zwei von den vier Ganoven fanden einen kürzeren Weg zu Jo. Kommissar X mußte sich die Killer mit gezielten Schüssen vom Leib halten. Dann sprang er auf die Kisten hinauf. Auf allen vieren kroch er die Holzstufen hoch. Die Gangster versuchten ihn zu stoppen, indem sie ihn mit Kugeln eindeckten. Aber im Halbdunkel konnten sie ihn nicht deutlich erkennen. Schweißüberströmt erreichte Jo die Lüftungsklappe. Völlig außer Atem zwängte er sich durch die schmale Öffnung. Mühsam turnte er auf das Flachdach des Lagerhauses zurück. Doch noch war er nicht in Sicherheit. Mit großen Sätzen jagte Jo auf die Eisenleiter zu. Er kletterte mit affenartiger Geschwindigkeit an ihr hinunter. Die letzten eineinhalb Meter kletterte er nicht mehr. Er ließ sich einfach fallen, kam auf dem Boden auf und ging in die Hocke. Er hörte die Rufe der Gangster, die aus dem Lagerhaus gestürmt kamen, wirbelte herum und hastete zu seinem Wagen. Zum Glück war sein Vorsprung groß genug, so daß ihn keiner der Killer einholen konnte: Er warf sich atemlos in den Mercedes. Der Motor knurrte. Der Wagen machte einen wilden Satz vorwärts und Jo jagte davon, ohne die Fahrzeugbeleuchtung einzuschalten. Das tat er erst, als er in Sicherheit war.
* Vor ihm stand das Welles-Haus. Ein imposantes Gebäude, im Tudorstil erbaut. Es stand auf einem weitflächigen Grundstück. Eine mächtige alte knorrige Eiche spendete tagsüber Schatten für die Terrasse. Dieser strebte Jo Walker nun eilig zu. Er lief geduckt. Auf der Fahrt hierher hatte er sich von den Strapazen im Lagerhaus wieder erholt. Copyright 2001 by readersplanet
Licht fiel aus den Fenstern und aus der hohen offenen Glastür auf die Terrasse, Jo lief auf die Eiche zu. Als er sie erreicht hatte, lehnte er sich an die riesige Rinde des alten Baumes und wartete. Jemand durchquerte die Wohnhalle. Ein eleganter Mann. Sicherlich Gregory Welles. Jo schlich näher an die Terrasse heran. Er setzte seinen Fuß auf die kalten Marmorplatten. Welles stand vor der Hausbar und mixte sich einen Drink. "Für mich auch einen Drink, Mr. Welles!" sagte er scharf. Gregory Welles fuhr erschrocken herum. Er starrte Jo mit weit aufgerissenen Augen und offenem Mund an. Er verlor die Kontrolle über sich, und das Glas mit dem Whisky fiel ihm aus der Hand. Jo schüttelte vorwurfsvoll den Kopf. "Schade um den guten Whisky. Aber ein reicher Mann wie Sie braucht deshalb keine Träne zu vergießen. Sie können sich den teuersten Whisky in Riesenfässern bringen lassen." Welles glotzte ängstlich auf Jos Automatik. Er trug eine schwarze Jacke. Darunter ein blütenweißes Hemd, das am Hals offenstand. Das blonde, leicht gewellte Haar war sorgfältig gekämmt. Die langen gepflegten Finger zitterten. Ein dunkles, kaltes Feuer brannte in seinen Augen. "Wer sind Sie?" fragte er mit heiserer Stimme. "Wollen Sie mich umbringen?" Jo lächelte. "Irrtum. Sie wollen mich umbringen." Er machte eine kurze Pause. "Ich bin Jo Walker. Sie haben sicher schon mal von mir gehört. Man sagt mir nach, ich würde vor nichts zurückschrecken, wenn mich die Vorsehung mit einem skrupellosen Verbrecher konfrontiert. Das ist im Augenblick mal wieder der Fall." Gregory Welles holte tief Luft. Dann brüllte er entrüstet: "Was erlauben Sie sich..." Jo winkte gleichmütig ab. "Sparen Sie sich Ihre Wutausbrüche für die Cops auf, denen ich Sie übergeben werden Mr. Welles." Es war erstaunlich, wie schnell sich Welles von seinem Schock erholt hatte. "Ja, sind Sie denn noch..." "Tun Sie mir den Gefallen und halten Sie den Mund, Welles!" zischte Jo. "Ich bin in erster Linie hier, um Harry Golds Sachen abzuholen." "Das, mein lieber Mr. Walker, ist nicht mehr nötig", sagte plötzlich eine Stimme hinter Jo. Eine bekannte Stimme. Die Stimme von Harry Gold persönlich. Wer hätte das gedacht? Eine Welt stürzte für Jo in diesem Augenblick zusammen. Natürlich war Harry Gold bewaffnet. Jo wäre schneller tot gewesen, als er sich hätte umdrehen können. Deshalb blieb er wie angewurzelt stehen. Er hörte, daß Gold zwei Schritte näher kam. "Lassen Sie die Waffe fallen, Walker!" herrschte ihn der Produzent an. "Wird's bald?" brummte Harry Gold ungeduldig, als Jo nicht sofort gehorchte. Kommissar X folgte dem Befehl. Die Waffe fiel auf den Teppich. Welles kam, um sie aufzuheben und wegzustecken. Nun drehte sich Jo langsam um. Er vermied absichtlich jede schnelle Bewegung, die von Harry Gold mißverstanden werden konnte.
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"Mr. Gold", sagte Walker verächtlich. "Sieh einer an. Jetzt gehen mir einige ganz helle Lichter auf." "Tatsächlich?" fragte Gold grinsend. Seine funkelnden Augen verhießen nichts Gutes. "Sie sind Gregory Welles stiller Teilhaber." Gold grinste ohne etwas zu sagen. "Ihnen und ihm gehört die Warenhauskette ." Nun lachte der Filmproduzent. "Bravo, Mr. Walker. Ausgezeichnet..." Jo kombinierte weiter. "Da Welles mit Heroin handelt, verstehe ich jetzt auch, weshalb Sie die Aufzeichnungen, die man aus Ihrem Safe gestohlen hat, unbedingt wiederhaben wollten." "So. Das verstehen Sie jetzt?" "Vermutlich sind in dem Büchlein sämtlich Dealer aufgeführt, mit denen Sie zusammenarbeiten. Und natürlich auch die Menge, mit denen Sie jeweils beliefert werden." Der Produzent lachte satanisch. "Nochmals bravo, Mr. Walker. Ich habe mich in Ihnen nicht getäuscht. Sie sind wirklich ein fähiger Mann. Wie konnten Sie das alles nur in so kurzer Zeit herausfinden?" Jo bleckte die Zähne. "Ich habe eben eine gute Nase für Dinge, die stinken." Er musterte Harry Gold mit einem anzüglichen Blick. "Dagegen hilft das beste Deodorant nichts, mein Guter." Er wußte zuviel, und sie würden für immer hinter Gitter kommen, wenn Jo eine Aussage machen konnte. Sie waren gezwungen, ihn kaltzumachen. Noch in dieser Nacht. Höchstwahrscheinlich noch in dieser Stunde. Es war 23 Uhr 30. Harry Gold wies mit seiner Beretta auf den zerkratzten Attachekoffer, der hinter ihm auf einem kleinen Marmortisch stand. "Da drin befindet sich alles, was mir gestohlen wurde, Mr. Walker. Sie sehen also, daß Sie sich nicht weiter zu bemühen brauchen." Jos Handflächen wurden feucht. Er war sehr nervös, aber bestrebt, es sich nicht anmerken zu lassen. "Und wie soll es nun weitergehen?" erkundigte er sich mit fester Stimme. Harry Gold lachte amüsiert. "Da fragen Sie noch?" "Man wird doch noch fragen dürfen, wenn es einen brennend interessiert, oder?" "Ich habe große Menschenkenntnis, Mr. Walker." "Wie schön für Sie." "Deshalb weiß ich, daß es keinen Sinn hat, Sie zu fragen, ob Sie nicht Lust hätten, in unser Geschäft einzusteigen..." Gold war der Boß. Das stand für Jo fest. Welles war nur ein Strohmann. Er hatte die zweite Geige zu spielen und dafür zu Sorgen, daß das Uhrwerk lief. Gold sprach weiter: "Leute wie Sie, Walker. Leute mit einem so ausgeprägten, ja geradezu krankhaften Hang für Ehre und Gerechtigkeit kann man nicht kaufen oder umpolen. Für Leute wie Sie kenne ich nur eine Lösung: Man muß sie erschießen. Und genau das werde ich tun." Gold sagte Jo damit nichts Neues. Er hatte gewußt, daß Gold keine andere Wahl hatte. Mit starrem Gesicht blickte er auf die Waffe in Golds Hand.
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Der Produzent fuchtelte bei jedem Wort, das er sagte, damit herum. Er konnte die Beretta nicht ruhig halten. Selbstverständlich war auch er aufgeregt. Doch Jo hätte liebend gern seine Aufregung mit der des Produzenten vertauscht. Harry Gold zog die Augenbrauen zusammen. "Offengestanden, ich finde es sehr bedauerlich, daß es mit Ihnen zu solch einem Ende kommen muß, Walker. Denn ich schätze Männer wie Sie, Charakterstärke findet man heute nur noch sehr selten." "Meine Freunde haben sie", erwiderte Jo mit verzerrtem Grinsen. "Da für mich und Mr. Welles eine ganze Menge auf dem Spiel steht..." Als Gold "mich" und "Mr. Welles" sagte, wies er mit der Beretta auf sich und auf Welles. Er schien Jo zu vergessen. Es hatte den Anschein, als glaubte er, es würde genügen, eine Pistole in der Hand zu halten, um Jo einzuschüchtern. Doch Jo Walkers Stärke lag darin, daß er kleine Chancen wahrnehmen konnte. Ohne dieses Talent hätte er wohl kaum so lange überlebt. Es war vielleicht seine letzte Chance. Jo nutzte sie. Er wirbelte herum, packte den erschrockenen Welles, riß ihn an sich und hielt ihn als lebendes Schild vor sich. Gold drückte ab. Jo spürte, daß Welles zusammenzuckte. Der Mann stieß einen gellenden Schrei aus. Golds Kugel war ihm in die rechte Schulter gedrungen. "Lassen Sie mich los, Walker!" brüllte er in panischer Angst. "Los lassen!" Jo hielt ihn fest, als wären seine Hände Eisenklammern. Gold tänzelte wütend hin und her. Er wollte schießen, hätte aber nur Welles getroffen, wenn er abgedrückt hätte. "Nicht schießen, Harry!" schrie Welles, der befürchtete, sein Partner könnte sich doch zu einer schrecklichen Unbesonnenheit hinreißen lassen. "Nicht schießen!" Jo hob schnell das rechte Bein. Er setzte Welles die Schuhsohle an den Hintern und stieß dann den Mann mit einem gewaltigen Ruck von sich. Welles flog wie katapultiert auf den Filmproduzenten zu. Er prallte auf Gold, und beide schwankten. Ehe der Produzent einen zweiten Schuß abfeuern konnte, sprang ihn Jo mit einem Panthersatz an. Er schlug die Beretta zur Seite. Gleichzeitig packte er das Handgelenk des Produzenten und riß es brutal herum. Gold schrie schmerzgepeinigt auf und ließ die Waffe fallen. Welles wollte die Automatik, die er Jo abgenommen hatte einsetzen, doch Walker setzte ihm seine Faust ans Kinn. Mit einem gurgelnden Laut fiel Gregory Welles nach hinten. Reglos blieb er liegen. Nun brauchte sich Jo nur noch einem Gegner zu widmen. Harry Gold hatte ihn herausgefordert. Nun sollte er am eigenen Leib zu spüren bekommen, was das bedeutete. Mit harten Schlägen trieb Jo den Mann vor sich her. Gold war älter als Walker und hatte wahrscheinlich nicht einmal in seinen besten Jahren Jos Kondition gehabt. Treffer um Treffer mußte er hinnehmen. Gold versuchte sogar, zum Gegenangriff überzugehen. Er täuschte Jo mit einer Finte. Doch der darauffolgende Schlag ging haarscharf an Jos Kopf vorbei. Golds Gesicht war krebsrot. Copyright 2001 by readersplanet
Seine Stirn war schweißbedeckt. Er atmete rasselnd und konnte kaum noch die Fäuste oben halten. Eine furchtbare Gerade landete mitten im Gesicht des Produzenten. Harry Gold wurde zurückgerissen. Er prallte mit den Schulterblättern gegen die Wand, stieß sich ein letztes Mal ab und stürzte mit einem verzweifelten Aufschrei auf Jo zu. Walker ließ ihn in einen Aufwärtshaken rennen. Das bedeutete für Harry Gold das Ende. Schwer angeschlagen fiel er um. Er konnte sich ohne fremde Hilfe nicht mehr aufrichten. Jo bot dem Mann diese Hilfe an. Er zerrte ihn hoch, schleppte ihn zum nächsten Polstersessel und warf ihn hinein. Gold versuchte nicht mehr hoch zukommen. Er war ein Mann, der wußte, wann das Spiel verloren war. Traurig sahen die beiden aus. Als könnten sie keiner Fliege etwas zuleide tun. Dabei hatten sie mit ihrem verdammten Heroin mehr Schaden angerichtet, als eine Bande erbarmungsloser Killer. Jo dachte grimmig an Rex Roper und Jenny Slade. Die beiden würden heute noch leben, wenn es nicht Leute wie Gregory Welles und Harry Gold gegeben hätte. Da keine Gefahr bestand, daß die beiden zu einer zweiten Runde antraten, stärkte sich Jo mit einem Drink. Dann sah er sich in der geräumigen Wohnhalle aufmerksam um. Auf einem kleinen weißen Tischchen stand ein kleiner sahneweißer Telefonapparat. Welles kam zu sich. Hilflos blickte er sich um. Er begriff die neue Lage nicht sofort. Als er dann verstand, verzerrte sich sein Gesicht, denn gleichzeitig setzten auch die Schmerzen in seiner lädierten Schulter ein. Wütend starrte er Gold an. Ihm hatte er diese schmerzhafte Verletzung zu verdanken. Gold reagierte überhaupt nicht. Ohne die beiden Verbrecher aus den Augen zu lassen, ging Jo zum Telefon. Gelassen griff er nach dem Hörer. Er blickte auf seine Uhr. Es war 24 Uhr. Ein neuer Tag begann. Für Jo würde er Ruhe, Erholung und viel Geld bringen. Für Welles und Gold würde er Ärger, Ärger und nochmals Ärger bringen. Und natürlich auch Gefängnis. Jo wählte eine Nummer.
* Captain Tom Rowland saß an seinem Schreibtisch. Er hatte den Kopf in die Handflächen gestützt und starrte auf den Akt, der offen vor ihm lag. Obwohl er nun schon seit zehn Minuten immer wieder darin denselben Satz las, konnte er ihn nicht begreifen. Er war völlig übermüdet. Er träumte mit offenen Augen von seinem breiten weichen Bett. Fast wären ihm die Tränen gekommen. Da schlug das Telefon an. Der Captain fuhr wie elektrisiert zusammen. In der Nacht schrillten diese Dinger immer doppelt so laut wie am Tag. Mürrisch griff er nach dem Hörer. "Rowland."
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"Hallo, Häuptling", sagte eine Stimme, die ihm verhaßt war, weil sie sicherlich nichts Gutes verhieß. Nicht um diese Zeit. "Mach dich auf die Beine, du Faulpelz!" sagte die Stimme. "Die Schonzeit ist vorüber. Es gibt Arbeit." Na also, dachte Rowland deprimiert. Er hatte es gewußt, bevor Jo ihn verhöhnen konnte. "Sag mal Jo, bist du betrunken? Oder was ist los mit dir?" "Wieso?" "Ich habe Nachtdienst. Das allein ist schon schlimm genug. Ich brauche bei Gott niemanden, der mich deswegen auch noch aufzieht!" Jo Walker machte es kurz. Er erzählte dem Freund, was sich ereignet hatte und wo er sich befand. Als die Namen Welles und Gold fielen, schüttelte Rowland ungläubig den kantigen Schädel. "He, Jo." "Ja?" "Bist du ganz sicher, daß du alle Tassen im Schrank hast?" "Völlig sicher, Tom." "Ich kann es nicht glauben." "Ich wäre dir sehr verbunden, wenn du hier mal mit ein paar Männern vorbeikommen könntest." "Wegen Welles und Gold?" "Ich finde den Heimweg auch ohne Polizei", erwiderte Jo. Tom seufzte geplagt. "In Ordnung, Jo: Ich komme..." "Mit ein paar Männern!" "Ja, ja. Mit ein paar Männern", maulte Captain Rowland. "Aber..." "Was, aber?" "Wenn du mich zum Narren hältst, Jo, wenn das nicht stimmt, was du mir da erzählt hast..." Es stimmte. Trotzdem fiel es Tom Rowland auch dann noch schwer, an die Geschichte zu glauben, als sie sein Freund noch in derselben Nacht zu Protokoll gab.
ENDE
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