Bauernaufstand
von Günther Herbst scanned by : horseman kleser: Larentia Version 1.0
Mit unfroher Miene blickte Volke...
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Bauernaufstand
von Günther Herbst scanned by : horseman kleser: Larentia Version 1.0
Mit unfroher Miene blickte Volker vom Hohentwiel zum Himmel empor. Dunkle Regenwolken waren aufgezogen und kündigten das Nahen des Abends an. Schon fielen die ersten Tropfen. Ein scharfer Wind, gegen den die steilen Felswände des Hohlwegs kaum Schutz boten, ließ Roß und Reiter frösteln. »Es wird Zeit, daß wir ein Dach über dem Kopf finden«, sagte der Ritter besorgt. »In der Tat«, stimmte ihm Roland zu. »Nicht nur die Unbillen des Wetters lassen eine Nacht im Freien höchst mißvergnüglich erscheinen. In diesem Land soll es von Wegelagerern und anderem lichtscheuen Gesindel nur so
wimmeln.« Als seien seine Worte ein Signal gewesen, tauchte plötzlich am Ende des Hohlwegs eine ganze Reihe von dunklen Gestalten auf. Ein gutes Dutzend Männer mochten es sein, wahrscheinlich sogar mehr. Und jeder einzelne von ihnen war bis an die Zähne bewaffnet...
»Wenn man vom Teufel spricht, streckt er einem schon seinen Pferdefuß entgegen«, murmelte der Ritter mit dem Löwenherzen. Der dickliche Knappe Pierre, dessen Hasenfüßigkeit sprichwörtlich war, stieß einen Laut des Entsetzens hervor. »Wir sollten umkehren«, sagte er gehetzt. »Wenn wir den Weg, den wir gekommen sind, zurückreiten ...« »Nein«, fuhr Roland dazwischen, »wir sind Ritter, keine Frauenzimmer, die vor Angst davonlaufen, wenn es irgendwo im Gesträuch raschelt!« »Außerdem können wir auch gar nicht zurück«, warf der scharfäugige Knappe Louis ein. Er deutete mit der rechten Hand zu den Felsen empor, wo sich links und rechts jetzt ebenfalls einige Männer zeigten. Sie hielten straff gespannte Bögen in der Hand und zielten mit ihren Pfeilen unmißverständlich auf die beiden Ritter und ihre Begleiter. »Sieht so aus, als ob man uns hier eine hübsche, kleine Falle gestellt hat«, stellte Volker fest. Ein grimmiges Lächeln huschte über sein olivfarbenes Gesicht. »Wohlan denn, hören wir, was die Kerle von uns wollen!« Das Ende des Hohlwegs war jetzt nur noch wenige Pferdelängen entfernt. Die vier Männer ritten weiter, bis ihnen die lauernde Horde den Weg versperrte. »Halt!« Ein großer, ungemein kräftiger Bursche mit flammendrotem Haar trat vor. Er trug ein verschlissenes Wams aus Hirschleder und hielt mit der rechten Faust ein mächtiges Schwert umklammert. Die Art, wie er die Waffe hielt, verriet auf Anhieb, daß er kein geborener Ritter war. Er schien es eher gewohnt zu sein, mit Dreschflegel und Mistgabel umzugehen. Und was für diesen Mann galt, der ganz offensichtlich der Anführer der Horde war, das galt auch für die anderen. Kein einziger von ihnen gehörte dem edlen Stand der Ritter an. Ja, es schien sich nicht einmal um gewöhnliche Straßenräuber zu handeln. Die Gesichter der meisten waren nicht so gemein und roh, wie man es
von diesem Abschaum normalerweise erwarten durfte. Roland war sich ziemlich sicher, daß er eine Horde von Bauernlümmeln vor sich hatte, die offenbar nicht gut bei Troste waren. Wenige Ellen vor dem Rothaarigen zügelte er sein Pferd. Auch Volker und die beiden Knappen machten halt. »Ihr wagt es, uns aufzuhalten?« fragte der Ritter mit dem Löwenherzen. »Aus dem Weg!« Der rothaarige Hüne lachte polternd und hob sein Schwert. »Ihr spuckt große Töne, Ritter«, sagte er laut. »Aber ich glaube nicht, daß Ihr damit gut beraten seid. Seht Euch doch mal um. Wenn meine Freunde und ich wollen, zerreißen wir Euch in der Luft!« Seine mit Sensen, Messern, Flegeln und auch einigen Schwertern bewaffneten Kumpane nickten beifällig. Sie sahen zerlumpt und armselig aus. Jeder einzelne von ihnen wäre für Roland und seine Freunde kein ernsthafter Gegner gewesen. Aber ihre große Zahl machte sie doch zu einem Bollwerk, das die beiden Ritter und ihre Knappen kaum überwinden konnten. »Runter von den Pferden!« kommandierte der Anführer der Horde. Roland ließ sich in keiner Weise beeindrucken. Er dachte gar nicht daran, der barschen Aufforderung nachzukommen. »Ein Ritter läßt sich von Bauernlümmeln nichts befehlen«, sagte er unerschrocken. Böses Gemurmel wurde unter den Wegelagerern laut. Der Rothaarige verzog wütend das Gesicht. Er trat einen Schritt nach vorne und fuchtelte mit dem Schwert in der Luft herum. »Noch eine solche Beleidigung, und Ihr seid des Todes!« verkündete er drohend. Die Drohung prallte von Roland ab wie ein Pfeil von der Brustwehr. »Wer hier wen beleidigt, steht wohl außer Frage«, antwortete er ganz ruhig. »Allein euer Anblick ist eine Beleidigung für unsere Augen!« Roland wußte, daß es nicht unbedingt klug war, die Wegelagerer mit solchen starken Worten zu reizen. Aber der Zorn, der jetzt auch
in ihm aufwallte, ließ Überlegungen dieser Art im Augenblick in den Hintergrund treten. Volker vom Hohentwiel war aus anderem Holz geschnitzt als sein Freund. Was Tapferkeit und Mut anging, stand er dem Ritter mit dem Löwenherzen kaum nach. Aber er war auch ein Mann, der es vorzog, lieber den Kopf als die Faust sprechen zu lassen, wenn es nur eben ging. Er drängte sein Pferd an Rolands Seite und blickte auf den Rothaarigen hinunter. »Was wollt ihr von uns?« Der Anführer der Wegelagerer erwiderte seinen Blick, ohne Roland dabei ganz aus den Augen zu verlieren. »Was wir von Euch wollen?« wiederholte er. »Das ist schnell gesagt. »Gebt uns Eure Pferde, Eure Waffen und Euer Geld!« »Und dann?« »Dann könnt Ihr unbehelligt weiterziehen. Es liegt uns nichts daran, Euer Leben zu nehmen, obwohl Männer Eurer Sorte den Tod vieltausendfach verdient hätten!« Roland und Volker tauschten einen schnellen Blick. Ihnen beiden war nicht entgangen, daß die Stimme des Rothaarigen unversöhnlichen Haß zum Ausdruck brachte. Sie fragten sich, womit sie sich diesen Haß zugezogen hatten, fanden darauf aber keine Antwort, denn sie waren erst an diesem Tage im Land des Grafen von Trutzen angekommen, hatten also wahrlich keine Gelegenheit gehabt, dem Mann und seinen Kumpanen irgend etwas Böses anzutun. Im Grunde genommen jedoch waren Gedanken in dieser Richtung ziemlich nebensächlich. Jetzt ging es darum, mit der Situation selbst fertig zu werden. Der Knappe Pierre sah nur eine Möglichkeit, aus den Schwierigkeiten wieder herauszukommen. Seufzend machte er Anstalten, aus dem Sattel zu klettern. Das aber war gar nicht im Sinne seines Standesbruders. »Bleib sitzen«, zischte Louis wütend. »Sonst spalte ich dir den
Schädel!« Louis war, bevor er in Rolands Dienste trat, selbst einmal ein Räuber gewesen. Verständlich, daß es ihm furchtbar gegen den Strich ging, nun seinerseits ein Opfer von Wegelagerern zu werden. Pierre zog das Bein, das er bereits über den Nacken seines Pferdes geschwungen hatte, wieder zurück. Dem Rothaarigen war das nicht entgangen. »Ihr weigert Euch also, meinem Befehl Folge zu leisten?« fragte er drohend. Volker vom Hohentwiel wollte etwas sagen, aber Roland kam ihm schnell zuvor. »Aber nein«, sagte er. »Wie könnten wir angesichts eurer Übermacht daran denken, Widerstand zu leisten?« Verblüffung spiegelte sich in den Zügen des Anführers wider. Er hatte wohl nicht damit gerechnet, daß ausgerechnet Roland klein beigeben würde. Auch Volker und die beiden Knappen bedachten ihn mit erstaunten Blicken. »Eure Einsicht lob ich mir«, sagte der Rothaarige. »So steigt vom Pferd und überreicht mir Euer Schwert, Ritter!« Langsam und mit dem Gesichtsausdruck eines geschlagenen Mannes kletterte der Ritter mit dem Löwenherzen aus dem Sattel. Mit einer müden Handbewegung griff er nach seinem Schwert und zog es aus der Scheide. Dann aber wurde er plötzlich ungemein schnell. Er sprang auf den Rothaarigen zu, das Schwert zum tödlichen Schlag erhoben. Der Anführer der Wegelagerer war darauf nicht vorbereitet. Aber er bewies, daß er ein Mann war, der über eine rasche Hand und einen raschen Fuß verfügte. Er trat zwei Schritte zurück und riß dabei sein Schwert zur Abwehr hoch. Rolands Attacke war dennoch von Erfolg gekrönt. Sein Schwerthieb, der dem Kopf des Gegners zu gelten schien, war nur eine Finte. Tatsächlich hatte er ein ganz anderes Ziel: Den rechten Arm des Rothaarigen. Und er traf sein Ziel - nicht mit der scharfen Klinge, sondern mit
der stumpfen Breitseite des Schwerts. Ein mörderischer Schmerz durchzuckte den Anführer der Wegelagerer, als der harte Stahl den Knochen unmittelbar über der Handwurzel traf. Sein Unterarm war wie gelähmt. Die Hand gehorchte ihm nicht mehr, und er war nicht mehr in der Lage, sein Schwert festzuhalten. Die Waffe entglitt seinen kraftlosen Fingern und polterte auf den felsigen Untergrund. Seine Kumpane stießen ein einstimmiges Wutgeschrei aus. Mehrere von ihnen drängten nach vorne, um sich auf Roland zu stürzen. Aber dazu ließ es der Ritter mit dem Löwenherzen nicht kommen. Mit einem Satz war er bei dem Rothaarigen und umklammerte mit dem linken Arm dessen Hals. Gleichzeitig setzte er dem Mann die Spitze seines Schwerts an die Kehle. »Zurück mit euch, räuberisches Gesindel«, herrschte er die Wegelagerer an. »Noch einen Schritt weiter und ihr könnt euch einen anderen Anführer suchen!« Die Männer, die auf ihn eindringen wollten, zögerten, verhielten ihren Schritt. Sie unternahmen auch nichts, als Volker und Louis ebenfalls von ihren Pferden sprangen und mit gezückter Waffe hinter Roland Position bezogen. Der Anführer war ein ungemein kräftiger, starker Mann. Dennoch hatte er keine Chance, Rolands Würgegriff zu lockern. Nach ein paar fruchtlosen Versuchen, den Ritter mit dem Löwenherzen abzuschütteln, sah er das ein und verhielt sich ganz ruhig. Der blanke Stahl an seinem Kehlkopf tat ein übriges. Roland lächelte grimmig. »Sag deinen Halsabschneidern, daß sie verschwinden sollen, sonst...« »Sonst?« würgte der Rothaarige hervor. »Bist du ein toter Mann!« Der Rothaarige überlegte eine Weile, kam dann zu einem mutigen Entschluß. »Nein«, sagte er, »ich werde meinen Freunden nicht befehlen, sich zurückzuziehen.«
»Dann ist dein Leben keinen Schilling mehr wert!« »Töte mich nur. Meine Freunde werden grausame Rache an Euch nehmen!« Der Rothaarige räusperte sich laut, wandte sich dann an seine Kumpane. »Nehmt keine Rücksichten auf mich! Greift den Ritter und seine Freunde an und macht das hochgeborene Volk nieder!« Er war in der Tat ein mutiger Mann, der sein eigenes Leben nicht schonte. Zum Glück waren seine Kumpane nicht aus dem gleichen harten Holz geschnitzt wie er. Die Bedrängnis ihres Anführers verunsicherte die Wegelagerer. Ganz offensichtlich gebrach es ihnen an dem Mut, etwas auf eigene Faust zu unternehmen. Innerlich atmete Roland auf. Seine Rechnung schien aufzugehen. Der alte Lehrsatz, daß das tapferste Heer von Mutlosigkeit erfüllt wurde, wenn der Feldherr nicht mehr an der Spitze kämpfte, bewahrheitete sich auch bei diesem zusammengewürfelten Haufen. Dennoch war die Situation nach wie vor äußerst gespannt. Die Wegelagerer machten zwar keine Anstalten, einen Angriff zu wagen. Aber sie dachten auch nicht daran, sich zurückzuziehen. Mit wütenden Gesichtern standen sie da, ihre Waffen in den schwieligen Fäusten. Und die Männer zwischen den Felsen, die die Ritter mit ihren Pfeilen bedrohten, rührten sich eben ebenfalls nicht vom Fleck. Dann aber geschah etwas Unerwartetes. Hufgetrappel wurde in einiger Entfernung laut. Roland biß sich auf die Lippen. Beim runden Tisch der Tafelrunde, wenn die Räuber jetzt auch noch Verstärkung bekamen ... Im nächsten Augenblick jedoch merkte er, daß der Rothaarige und seine Kumpane dem fernen Hufgetrappel genauso argwöhnisch lauschten wie er selbst. Anscheinend rechneten sie doch nicht damit, daß weitere Männer zu ihrer Horde stießen. Roland kniff die Augen zusammen, um das Dämmerlicht besser durchdringen zu können. Und dann sah er die Ankömmlinge in einiger Entfernung auftauchen. Es mochten etwa zehn, zwölf oder auch fünfzehn Reiter sein - so genau war das bei den herrschenden Lichtverhältnissen
nicht zu erkennen. »Ritter des Grafen!« rief einer der Wegelagerer. Diese Worte schlugen wie Blitze zwischen den Männern ein. Ausrufe des Erschreckens wurden laut. Hektik machte sich bei jedem einzelnen bemerkbar. Die Furcht hatte die Kerle angesprungen wie ein wildes Tier. »Weg hier!« rief einer. »Nichts wie weg!« Das war das Kommando. Die Wegelagerer stoben davon, als sei der Böse hinter ihnen her. Innerhalb weniger Sekunden waren sie samt und sonders zwischen den Felsen verschwunden. Bald waren nur noch hastende Schrittgeräusche zu vernehmen, die darauf hindeuteten, daß sie sich weiter und immer weiter entfernten. Auch dem Rothaarigen war die Flucht gelungen. Abgelenkt durch das plötzliche Durcheinander hatte Roland seinen Griff ein bißchen gelockert. Das war die Chance für den Anführer der Räuber gewesen. Mit einer gewaltigen Kraftanstrengung hatte er sich losgerissen und war ebenfalls davongerannt. Roland dachte nicht daran, den Mann zu verfolgen. Warum sollte er auch? Ihm und seinen Freunden war nichts geschehen. Mochten die Wegelagerer also bleiben, wo die Disteln wuchsen. Wenig später waren die Ritter heran. * »Vater, Vater, komm schnell!« Der kleine Ludger war vor Aufregung ganz rot im Gesicht, als er in die Wohnstube der Kate gestürzt kam. Bertram Lamm, der nach eines langen Tages Mühe die Beine vor dem Kamin ausgestreckt hatte und ein bißchen eingedöst war, fuhr ruckartig hoch. »Was ... ist los?« »Der Zinseintreiber!« stieß der Dreizehnjährige hervor. »Der Zinseintreiber und drei gräfliche Ritter. Sie kommen zu unserem Haus herüber.«
Auch Rotraud Lamm und ihre Mutter, die am Spinnrad saßen, zuckten jetzt zusammen. Der Zinseintreiber! Der unbarmherzige Erhardt, wie er genannt wurde, war der gefürchtetste und am meisten gehaßte Mann in der ganzen Gemeinde. Wo er erschien, kehrten Heulen und Zähneknirschen in die Häuser ein. Und wenn er wieder ging, blieben meist nur Tränen zurück. Bertram Lamm erhob sich von seinem Stuhl und fuhr mit der Hand über sein ausgemergeltes Gesicht. »Was will der Kerl schon wieder von uns?« murmelte er. »War er nicht erst vor wenigen Wochen hier, um uns alles zu nehmen, was wir besaßen?« »Ein Irrtum vielleicht«, sagte Bertha Lamm hoffnungsvoll. »Vielleicht will er doch nicht zu uns, sondern ...« Ein lautes Geräusch an der Haustür ließ sie verstummen. Der unbarmherzige Erhardt und seine Begleiter waren bereits im Haus. Es verstand sich von selbst, daß sie nicht im Traum daran gedacht hatten, vorher anzuklopfen. Sie hatten die Haustür aufgestoßen und standen Augenblicke später bereits in der Wohnstube. Die Lamms starrten die Eindringlinge an. Keiner von ihnen sagte ein Wort. Der Zinseintreiber selbst war es, der das sekundenlange Schweigen als erster brach. »Ah«, sagte er mit einem breiten Grinsen, »die Faulpelze geben sich der Muße hin. Kein Wunder, daß sie nicht imstande sind, ihren Verpflichtungen nachzukommen!« Der unbarmherzige Erhardt war kein sonderlich hochgewachsener Mann. Dennoch wirkte er auf Grund seiner beträchtlichen Leibesfülle ungemein massig und stark. Man hätte schon unter seinen weitgeschnittenen Mantel blicken müssen, um zu erkennen, daß sein Körper vor Fettwülsten nur so strotzte. Sein Gesicht war breitflächig und meistens mit einem dünnen Schweißfilm bedeckt. Unter den dichten, vorgewölbten Brauen lugten zwei Schweinsaugen
hervor, in denen mit großen Buchstaben die Tücke geschrieben stand. Bertram Lamm stellte sich so aufrecht hin, wie es ihm mit seinem von der Feldarbeit gebeugten Rücken möglich war. »Wir sind unseren Verpflichtungen nachgekommen, Meister Erhardt«, stellte er fest. »Ihr habt also keinerlei Recht, uns Faulpelze zu nennen, mit Verlaub gesagt!« »Ah«, machte der Zinseintreiber wieder, »der Faulpelz wird frech und aufsässig. Er weiß wohl nicht so recht, mit wem er spricht!« Er machte zwei, drei Schritte auf Bertram Lamm zu, blieb vor ihm stehen und versetzte ihm eine schallende Ohrfeige. »Das soll dich lehren, Bauerntölpel!« Der Schlag war so kräftig, daß Bertram Lamm zurücktaumelte und um ein Haar zu Boden gestürzt wäre. Er brauchte mehrere Sekunden, um seinen festen Stand wiederzugewinnen. Dann sah es einen Augenblick lang so aus, als ob er sich auf den feisten Steuereintreiber stürzen wolle. Aber sofort war einer der Ritter an seiner Seite, die rechte Hand auf den Knauf seines Schwerts gelegt. »Wage es, die Hand gegen Meister Erhardt zu heben, und ich trenne dir den Schädel vom Rumpf!« Bertha Lamm eilte auf ihren Mann zu und griff nach seinem Arm. »Beruhige dich, Mann. Mach dich und uns nicht unglücklich!« »Kluge Frau«, griente der unbarmherzige Erhardt. Rotraud Lamm zitterte vor Zorn. Sie konnte es kaum mit ansehen, wie ihre braven Eltern von diesen Schurken geschlagen und verhöhnt wurden. Am liebsten wäre sie aufgesprungen und hätte dem fetten Zinseintreiber die Augen ausgekratzt. Aber sie beherrschte sich. Nur zu gut wußte sie, daß es sich nicht auszahlte, wenn man sich gegen die Obrigkeit auflehnte. Das Beispiel ihres Bruders Rudolf stand ihr allzu deutlich vor Augen. Besser war es da schon, auf die Zähne zu beißen und sich in das Unvermeidliche zu fügen. Auch Bertram Lamm war inzwischen zu dieser Erkenntnis gekommen. Ohne aufzubegehren, ließ er sich von seiner Frau ein
Stück von Meister Erhardt wegziehen. »Wieso haben wir unsere Verpflichtungen nicht erfüllt, bitte?« erkundigte er sich mit beherrschter Stimme. »Unsere letzten Abgaben vor wenigen Wochen ...« »... waren zu gering«, fuhr der unbarmherzige Erhardt fort. »Eure Kopfzinszahlung stimmte nicht. Für fünf Personen sind fünfundzwanzig Schillinge fällig.« »Fünf Personen?« wiederholte Bertram. »Wir sind nur zu viert! Meine Frau, meine Tochter Rotraud und mein Sohn Ludger.« Der Zinseintreiber zeigte ein fettes Grinsen. »Du hast deinen zweiten Sohn Rudolf vergessen«, sagte er und verschränkte die Arme vor der Brust. »Rudolf? Ihr wißt sehr wohl, daß er nicht mehr auf unserem Hofe arbeitet!« »So, tut er das nicht?« höhnte der unbarmherzige Erhardt. »Wer hat ihm denn gestattet, den Hof zu verlassen?« Bertram Lamm preßte die Lippen zusammen und schwieg. Was sollte er auch sagen? »Antworte, Kerl!« donnerte der Zinseintreiber. »Ich ... ich ...»Mit unglücklichem Gesicht stand Bertram Lamm da und rang die Hände. Obwohl sie wußte, daß es höchst unklug war, hielt sich Rotraud Lamm jetzt nicht länger zurück. Sie konnte es jetzt nicht mehr mit ansehen, wie dieser Fettsack ihren Vater quälte. »Warum laßt Ihr meinen Vater nicht in Frieden?« fuhr sie den Zinseintreiber mit funkelnden Augen an. »Jedermann im Lande weiß, daß mein Bruder flüchten mußte - vor Euch!« »Weil er ein Verbrecher ist.« »Mein Bruder ist kein Verbrecher!« Meister Erhardt und auch die drei gräflichen Ritter machten finstere Gesichter. »Dein Bruder, der berüchtigte Lämmerschling, ist der abgefeimteste und hinterlistigste Schurke, der jemals seinen Fuß auf Gottes Erdboden setzte! Er ist ein Räuber, ein Mörder, ein Aufwiegler ...«
»Ihr selbst habt ihn dazu gemacht«, unterbrach Rotraud den Zinseintreiber. »Wir?« entrüstete sich der unbarmherzige Erhardt. »Ja, Ihr! Ein gräflicher Ritter war es, der unseren einzigen Ochsen schlachtete, nur um sich seinen Bauch zu füllen!« »Kein Grund für deinen Bruder, mit der Mistgabel auf ihn loszugehen und ihn umzubringen!« »Es war Notwehr! Es war ...»»Schluß jetzt mit den aufwieglerischen Reden«, fuhr einer der Ritter dazwischen. »Mir scheint, die Schwester ist nicht besser als der Bruder.« Er blickte Bertram Lamm an. »Schöne Kinder hast du da großgezogen, Knecht!« Der Angesprochene blickte vor sich auf die rohen Dielen des Fußbodens. Die rechte Hand seiner Frau krampfte sich um den Oberarm ihres Mannes. Beide schwiegen. Der Ritter wandte sich wieder der Tochter zu. »Du da, steh auf, wenn ich mit dir rede!« Bleib sitzen! raunte eine innere Stimme dem Mädchen zu. Aber Rotraud wagte nicht, auf diese Stimme zu hören. Zögernd erhob sie sich von ihrem Schemel. »Ich könnte mir vorstellen, daß Graf Eberhard deine frechen Reden gerne persönlich hören würde«, sagte der Ritter. »Deshalb werden wir dich mit zur Trutzenburg nehmen.« »Nein!« stieß Rotraud entsetzt hervor. »Doch«, bekräftigte der Ritter. Mit langsamen Schritten kam er auf das Mädchen zu. Für einen Augenblick war Rotraud vor Angst wie gelähmt. Die Trutzenburg war für sie der Inbegriff des Schreckens. Wer sich einmal innerhalb der Burgmauern befand, konnte mit seinem Leben abschließen - das wußte jeder. Schnell aber hatte sie sich wieder gefaßt. Gehetzt blickte sie sich nach einem Fluchtweg um. Die Tür war ihr versperrt, denn dort standen die anderen beiden Ritter, massiv und unüberwindlich wie zwei steinerne Wachtürme. Blieb nur der Weg durch das Fenster der
Wohnstube. Schon streckte der Gräfliche die Hand nach ihr aus. Rotraud tauchte unter dem Arm hinweg und sprang zum Fenster. Die Holzladen wären bereits geschlossen, aber noch nicht verriegelt. Ohne Mühe konnte Rotraud sie aufstoßen. Der Ritter, der sie packen wollte, gab eine Verwünschung von sich. Unverzüglich setzte er dem Mädchen nach. Aber Rotraud war jung und behende. Im Handumdrehen hatte sie ihr langes Kleid gerafft und das rechte Bein hochgeschwungen. Noch einen Schritt war der Gräfliche entfernt. Rotraud zog das andere Bein nach und ließ sich dann einfach nach draußen fallen. Erneut ging der zupackende Griff des Ritters ins Leere. Sein böser Fluch hätte selbst einen Heiden beschämt. Rotrauds Bemühungen, den Häschern zu entkommen, waren nicht vom Glück begünstigt. Zwar befanden sich vor dem Fenster keine Pflastersteine, sondern nur festgetretenes Erdreich. Aber sie schlug unglücklich mit dem Kopf auf und war für einen Moment benommen. Noch nicht wieder ganz Herr ihrer Sinne, rappelte sie sich auf. Die Beine wollten ihr nicht so recht gehorchen. Da kam auch schon der Ritter durch das Fenster. Rotraud versuchte, davonzulaufen. Ein paar Schritte schaffte sie auch, dann aber hatte ihre Flucht ein jähes Ende. Eine harte Hand krallte sich in ihre Schulter und hielt sie unerbittlich fest. So hart und rücksichtslos war der Griff, daß Rotraud wider willen tief aufstöhnte. Der Ritter riß sie herum und blickte ihr mit Augen, aus denen der Zorn sprühte, ins Gesicht. »Hast gedacht, du könntest es deinem Bruder gleichtun und in die Wälder flüchten, was?« zischte der Mann. »Aber daraus wird nichts, mein Täubchen!« Aus der Wohnstube hörte Rotraud die helle, aufgeregte Stimme ihres Bruders. Ein häßliches Klatschen ließ sie verstummen. Dann wurde das Weinen ihrer Mutter laut.
Rotraud ergab sich in ihr Schicksal. * »Seid uns gegrüßt, Ritter! Hat Euch das gottverfluchte Gesindel etwas angetan?« Der Sprecher der gräflichen Ritter, ein schlanker, großer Mann mit scharf geschnittenen Gesichtszügen, hatte seinen Rappen vor Roland und seinen Freunden gezügelt. Sein Blick war durchdringend, beinahe stechend, aber nicht unfreundlich. »Wir danken Euch für die wohlmeinende Nachfrage«, erwiderte Roland. »Es ist alles in bester Ordnung. Euer Erscheinen hat die Wegelagerer in die Flucht gejagt.« »Wißt Ihr, wer der Anführer des Gesindels war? Könnt ihr ihn beschreiben?« »Das bereitet keine Schwierigkeiten. Der Anführer war ein großer, kräftiger Bursche mit flammendrotem Haar.« »Ah«, sagte der gräfliche Ritter, »dann wissen wir, wer der Hundsfott war. Niemand anders als der Lämmerschling!« Er drehte sich im Sattel um und wandte sich an seine Männer, die hinter ihm angehalten hatten. »Habt ihr es gehört? Der Lämmerschling! Jagt ihn, versucht ihn einzufangen! Ihr wißt, wie versessen der Graf darauf ist, ihn endlich aufs Rad flechten zu können!« Die Ritter kamen der Anordnung unverzüglich nach. Sie gaben ihren Reittieren die Zügel frei und sprengten davon. Daß sie mit ihrer Suche nach dem Anführer der Wegelagerer und seinen Leuten allerdings Erfolg haben würden, wagte Roland stark zu bezweifeln. In dem felsigen Gelände waren Männer, die sich auf Schusters Rappen vorwärtsbewegten, eindeutig im Vorteil. Außerdem war es inzwischen so dunkel geworden, daß die Sichtweite kaum mehr als hundert Ellen betrug. Die Person des Rothaarigen interessierte Roland. Das ganze Auftreten des Mannes, sein Mut und nicht zuletzt auch seine
außerordentliche Kraft hatten ihm gefallen, Räuber hin, Räuber her. Außerdem war ihm der Rothaarige nicht wie ein gewöhnlicher Verbrecher vorgekommen. »Wer ist dieser Lämmerschling, Ritter ...« »Haldemar«, sagte der Gräfliche. »Und wer seid Ihr?« Roland stellte sich und seine Leute vor und kam dann auf den Rothaarigen zurück. »Ein ganz übler Schurke, dieser Lämmerschling«, gab Haldemar Auskunft. »Einst arbeitete er als halbfreier Bauer. Aber er war nachlässig und faul wie die Sünde und warf die Arbeit einfach hin. Seitdem wiegelt er die braven, pflichtgetreuen Bauern auf und macht mit seiner wilden Horde von Halsabschneidern das Land unsicher. Ihr hattet Glück, daß wir zufällig des Weges kamen, Ritter Roland. Sonst wäre es gewiß um Euch geschehen gewesen.« Davon war der Ritter mit dem Löwenherzen zwar nicht unbedingt überzeugt, aber er nickte dennoch zustimmend. Warum sollte er Haldemar die Genugtuung nehmen, sich als Lebensretter zu fühlen? »Wohin führt Euch Euer Weg, mit Verlaub gefragt?« erkundigte sich der gräfliche Ritter. »Wir sind auf der Durchreise«, antwortete Roland ausweichend. Er wollte Haldemar nicht auf die Nase binden, daß er von König Artus den Auftrag erhalten hatte, den in der Grafschaft Trutzen verschwundenen Minnesänger Jacques d'Artagnac zu suchen. »Darf ich mir erlauben, Euch auf die Burg des Grafen Eberhard von Trutzen einzuladen?« sagte Haldemar freundlich. »Ich könnte mir vorstellen, daß Euch nach diesem niederträchtigen Überfall ein wenig Erholung guttut.« Roland brauchte nicht lange zu überlegen. Auf der Burg des Landesherrn würde er am ehesten etwas über den Verbleib des verschwundenen Minnesängers erfahren können. »Mit größtem Vergnügen nehmen wir Eure Einladung an«, stimmte er deshalb zu. »Nicht wahr, Volker?« »Es ist mir eine hohe Ehre«, pflichtete ihm Volker vom Hohentwiel kopfnickend bei.
Am meisten freute sich Pierre über die Entwicklung der Dinge. Der dickliche Knappe war von seiner Natur her ein gemütlicher Mensch, dem das süße Nichtstun mehr lag als alles andere. Die Aussicht, Gast auf einer wohlgeschützten Burg sein zu dürfen, war demnach ganz nach seinem Geschmack. Es dauerte noch eine Weile, bis die Männer aufbrechen konnten. Die gräflichen Ritter, die sich an die Fersen der flüchtenden Wegelagerer geheftet hatten, kehrten erst nach und nach zurück. Ihre Erfolge waren recht bescheiden. Es war ihnen lediglich gelungen, einen einzigen Wegelagerer dingfest zu machen. Und das wohl auch nur, weil sich der Mann einen Fuß verletzt hatte und nicht schnell genug davonlaufen konnte. Diesen Fuß brauchte der gefangengenommene Räuber jetzt allerdings nicht. Er wurde wie eine Garbe Hafer zusammengeschnürt und auf dem Rücken eines Pferdes festgebunden. Es verstand sich dabei von selbst, daß mit derben Puffen nicht gespart wurde. Dann stand dem Aufbruch zur Burg Graf Eberhards von Trutzen nichts mehr im Wege. * Der Ritter hatte Rotraud Lamm vor sich auf sein Pferd gesetzt. Er ritt voran, während die beiden anderen Gräflichen und der unbarmherzige Erhardt folgten. Die vier Männer scheuten sich nicht, ihre Reittiere mitten durch das Dorf zu lenken. Sie hatten nichts zu fürchten. Zwar stand eine ganze Reihe der Dorfbewohner am Rand der staubigen Straße. Aber kein einziger von ihnen unternahm etwas gegen die Ritter. Nicht einmal ein Schimpfwort wurde laut. Die Dorfbewohner begnügten sich damit, die Fäuste zu ballen und die Vorbeireitenden mit ohnmächtigem Zorn anzustarren. Bald blieb das Dorf zurück. Die Dunkelheit des offenen Landes nahm die Gräflichen und das gefangengenommene Mädchen auf. Rotraud fühlte sich unglücklich, so unglücklich wie noch nie in
ihrem Leben. Aber so ganz hatte sie die Hoffnung, vielleicht doch noch fliehen zu können, nicht aufgegeben. Der Ritter hatte es versäumt, ihre Hände zusammenzubinden. Wenn es ihr gelang, vom Pferd zu springen und in der Nacht unterzutauchen ... Gegenwärtig jedoch war das nicht möglich. Der Mann hatte einen Arm um ihre Hüften geschlungen und hielt sie fest. »Ihr braucht mich nicht zu stützen, Ritter«, sagte sie. »Ich falle schon nicht vom Pferd.« Der Gräfliche lachte leise auf. »Meine Berührung ist dir doch hoffentlich nicht unangenehm?« Rotraud hätte am liebsten geantwortet, daß der enge körperliche Kontakt mit ihm Widerwillen, ja Ekel in ihr hervorrief. Aber sie schluckte die Worte, die ihr auf der Zunge lagen, hinunter. Es lag ihr wenig daran, den Ritter noch weiter zu erzürnen. Dadurch würde sich ihre Lage bestimmt nicht verbessern. Deshalb machte sie keine Anstalten, seinen Arm abzuschütteln, und sagte gar nichts. Offenbar verstand der Ritter ihr Schweigen falsch. »Du hast es gerne, wenn dich ein starker Mann in seinen Armen hält, nicht wahr?« flüsterte er ganz nahe an ihrem Ohr. Wieder sagte Rotraud nichts. »Du brauchst dich deiner Empfindungen nicht zu schämen, mein Kind«, fuhr der Ritter leise fort. »Ein Mädchen wie du, in dessen Adern das Blut heiß und leidenschaftlich pulst...« Der Mann lockerte den Griff um ihre Hüften und ließ seine Hand nach oben wandern. Im nächsten Augenblick spürte Rotraud die Hand auf ihrer Brust. Sie zuckte zusammen, als der Widerwillen durch ihren ganzen Körper rieselte. Und wieder deutete der Gräfliche ihre Regungen anders, als sie tatsächlich waren. »Ah«, sagte er, »ich wußte, daß ich recht hatte. Die Erregung hat dich gepackt und läßt dich vor Wonne erschauern.« Seine Hand setzte sich wieder in Bewegung, wanderte von einer Brust zur anderen und streichelte sie. Emsig suchten seine Finger nach Knöpfen, um das Kleid zu öffnen, fanden sie jedoch nicht, denn
das Kleid wurde auf dem Rücken zugeknöpft. Rotraud war glücklich darüber. Sie hätte es nicht ertragen können, seine Hand auf ihrer nackten Haut zu spüren. Ein Laut leichten Unmuts entrang sich der Kehle des Ritters, als er erkannte, daß er sein von der Begierde angestrebtes Ziel nicht erreichen konnte. Rotraut kam ein Gedanke. Ein Mann, der nach dem Körper einer Frau gierte, ließ in seiner Wachsamkeit nach, weil er nur noch ein Sklave seiner Lenden war. Es fiel ihr nicht leicht, sich zu verstellen und ihre wahren Gefühle zu unterdrücken, aber es gelang ihr dennoch. Den Kopf leicht zurückneigend, zwang sie ein schwaches Lächeln auf ihre Züge. »Glaubt Ihr, daß der Rücken eines Pferdes der rechte Platz ist, um die Freuden der Minne zu genießen?« »In der Tat könnte auch ich mir einen passenderen Ort vorstellen«, erwiderte der Ritter heiser. »Ein dunkles Verlies in der Trutzenburg vielleicht?« »Nein, natürlich nicht. Obgleich ...« »Obgleich?« »Du hast recht, mein Kind. Auf der Trutzenburg erwartet dich tatsächlich ein finsteres Verlies!« Rotraud erschauerte. »Aber warum? Nur weil ich Worte zur Verteidigung meines Bruders von mir gab?« Der Ritter grunzte. »Du bist ein schönes Mädchen, Rotraud Lamm. Aber du bist auch ein dummes Mädchen. Hast du noch immer nicht gemerkt, daß wir nur nach einem Vorwand suchten, um dich mit uns nehmen zu können?« Für ein Augenblick hielt Rotraud die Luft an. »Es ging Euch also gar nicht um den Kopfzins für Rodulf, sondern nur um ... mich?« fragte sie dann. »So ist es, mein Kind!« »Ich ... verstehe nicht.« »Wie ich schon sagte - du bist schön, aber etwas einfältig. Strenge deinen Kopf ein bißchen an. Du bist die Schwester des
Lämmerschlings, hinter dem Graf Eberhard mehr hinter her ist als hinter der Königskrone!« »Und?« »Und?« Der Ritter lachte auf. »Gewiß weiß die Schwester des Lämmerschlings, wo sich ihr Bruder verborgen hält.« »Nein«, sagte Rotraud sofort, »ich weiß nichts davon!« Wieder lachte der Gräfliche. »Verständlich, daß du es ableugnest. Aber ob du noch immer schweigst, wenn glühende Zangen nach deinen Brüsten greifen und heißes Pech auf deine Lenden tropft.. .« Rotraud stöhnte tief auf. »Ihr wollt mich ... foltern?« »Wenn du das Versteck deines Bruders nicht preisgibst, kannst du diesem Schicksal nicht entgehen!« Sekundenlang war Rotraud unfähig, auch nur ein einziges Wort zu sagen. Dann fand sie die Sprache wieder. »Rettet mich, Ritter!« flüsterte sie bebend. »Ihr seid stark und mutig und habt die Macht dazu.« »Du verlangst, daß ich meinen Herrn hintergehe, nur um dein Leben zu retten?« »Ich verlange nichts, ich bitte Euch nur flehentlich darum!« »Hm«, machte der Ritter, während links und rechts die dunklen Bilder der Nacht vorbeihuschten. Trotz der scheinbaren Unschlüssigkeit, die dieser Ausdruck andeutete, glaubte Rotraud nicht eine Sekunde daran, daß der Mann wirklich etwas für sie tun würde. Sie kannte die gräflichen Getreuen und wußte, daß sie ihrem Herrn treu ergeben waren. Aber sie gab nicht zu erkennen, was sie dachte. Solange der Ritter noch von ihren weiblichen Reizen angetan war, mußte sie versuchen, ihre Chance zu nutzen. Sie ließ ihren Körper ganz weich und nachgiebig werden und preßte sich ganz eng an ihn. Die Hand, die noch immer ihre Brüste streichelte, fand süßes Entgegenkommen. »Ich dachte, ihr mögt mich ein bißchen, Herr Ritter«, hauchte sie mit kaum hörbarer Stimme. Der Gräfliche räusperte sich. »Natürlich mag ich dich, mein Kind«,
antwortete er heiser. »Ich mag dich sogar sehr.« Seine Hand wurde noch drängender, noch fordernder. Sein heißer Atem streifte den Nacken des Mädchens. »Helft mir, und ich vergelte es Euch mit all der Liebe, die ich geben kann«, sagte Rotraud lockend. »Wenn Ihr wollt, noch in dieser Nacht!« Sie tastete nach ihm und legte eine Hand auf seinen Oberschenkel unterhalb des Kettenhemds. »Ah«, machte der Ritter, »du verstehst es, einen Mann alles vergessen zu lassen - selbst den Treueeid, den er seinem Herrn schwor. So sei es denn! Wir reiten noch ein Weilchen und legen dann eine Rast ein. Dabei werde ich dir Gelegenheit zur Flucht geben. Nachdem du mir ... deine Dankbarkeit erwiesen hast!« »Ich danke Euch, Herr Ritter«, flüsterte Rotraud. »Und ich versichere Euch, daß Euch Euer großherziger Entschluß nicht dauern soll!« Oh, du Narr, dachte sie bei sich, für wie einfältig mußt du mich doch halten! Sie war vollkommen davon überzeugt, daß der Ritter nicht im Traum daran dachte, sie entfliehen zu lassen. Er wollte mit ihr der Minne frönen und sie dann schallend auslachen, weil sie so dumm gewesen war, ihm zu glauben. Aber er sollte sich noch wundern! Der Ritter wartete nicht mehr lange, bis er daranging, seine Absichten zu verwirklichen. Er lenkte sein Pferd an die Seite der beiden anderen Gräflichen. Dann beugte er sich zur Seite und sprach leise zu ihnen. Rotraud verstand nur weniges von dem, was er sagte, denn der Wind riß ihm die Worte von den Lippen. Aber sie bekam doch genug mit, um zu verstehen, auf was er hinaus wollte. Er hatte seinen beiden Waffenbrüdern klargemacht, daß er in aller Ruhe mit ihr reden wolle, um sie dazu zu bewegen, das Versteck ihres Bruders zu verraten. Die beiden nickten ihr Einverständnis. »Eine Rast wird uns guttun«, sagte der Ritter. »Dieser kleine Hain
hier eignet sich vorzüglich, sind wir doch vor dem Wind geschützt.« Auch der Zinseintreiber und die beiden anderen Ritter hielten ihre Reittiere an. Der Mann, der um Rotrauds Liebesgunst buhlte, war jetzt so ritterhaft zu ihr, wie er es sonst wohl nur seinem Herrn oder einem schönen Burgfräulein gegenüber war. »Komm, mein Kind«, sagte er galant, »ich helfe dir, vom Pferd zu steigen.« Er sprang selbst auf den Erdboden und streckte Rotraud dann seine Hand entgegen. Als sie neben ihm stand, ließ er ihre Hand jedoch nicht los. Trotz ihrer lockenden Versprechungen traute er ihr wohl doch noch nicht so ganz. Rotraud machte das nichts aus. Der rechte Augenblick war noch nicht gekommen. Aber sie war sich jetzt ganz sicher, daß er bald da sein würde. »Komm, mein Kind, dort drüben unter den Bäumen sind wir gänzlich unter uns«, sagte der Ritter leise. »Niemand wird sehen können, daß du deine Freiheit mit meinem Einverständnis zurückerhältst. Und niemand wird uns beobachten können, wenn wir... Na ja, du weißt schon, was ich meine!« Die anderen stellten keine Fragen, als Rotrauds vermeintlicher Retter das Mädchen vom Wegesrand wegführte und ein Stück mit ihr in den Wald hineinging. Sehr schnell sorgte die Dunkelheit dafür, daß von den Männern nichts mehr zu sehen war. Nur noch ihr hartes Lachen drang an Rotrauds Ohr. Das Lachen veranlaßte sie, sich auf die Lippen zu beißen. Es gab kaum eine Frage, daß die Kerle ganz genau wußten, was ihr Waffenbruder tatsächlich beabsichtigte. Nun gut, dachte sie bei sich, wir werden sehen, ob ihr nachher immer noch lacht! Nach etwa hundert Ellen machte der Ritter halt. »Hier ist ein lauschiges Plätzchen«, stellte er fest. »Wie geschaffen für die Minne.« Dieser Ansicht war Rotraud nicht. Zwar schimmerte der Mond, von dem man sagte, daß er nur für die Verliebten am Himmel stand,
träumerisch zwischen den Baumzweigen hindurch. Aber der feuchte Waldboden und die Kühle des Windes waren doch dazu angetan, die Früchte der Liebe säuerlich werden zu lassen. Den Ritter focht das nicht an. Er ließ Rotraud los und löste geschwind den Mantel von seinen Schultern. Schon hatte er ihn auf dem Boden ausgebreitet. Jetzt! schoß es Rotraud durch den Kopf. Aber bevor sie die Flucht ergreifen konnte, hatte der Ritter schon wieder nach ihr gegriffen. Mit starker Hand zog er sie zu sich auf den ausgebreiteten Mantel hinunter. Gierig wanderten seine Hände über ihren Körper. »Zieh endlich dieses Kleid aus!« zischte er heiser. Schon zerrten seine Finger an den Knöpfen und ließen sie nacheinander aufspringen. Augenblicke später streifte er ihr das Kleid über die Schultern. Aber Rotraud war unterdessen nicht untätig gewesen. Der Waldboden ringsum war mit Tannennadeln übersät, die sie eifrig aufgeklaubt hatte. Als der Ritter jetzt seine Arme um sie schlingen wollte, schnellte ihre Hand nach vorne und stieß ihm die spitzen Nadeln in die Augen. Schmerzgepeinigt brüllte der Ritter laut auf. Wohl oder übel mußte er das Mädchen loslassen. Rotraud sprang hoch und rannte wie von einer Hundemeute gehetzt davon. * Die Trutzenburg lag auf dem Gipfel eines Berges. Von drei Seiten stieg der Hügel so steil und schroff an, daß nur ein sehr geübter Kletterer mit allergrößter Mühe nach oben konnte. Und das auch nur, wenn er dabei ein solides Seil zu Hilfe nahm. Lediglich die Vorderfront der Burg war über einen gewundenen Serpentinenweg zu erreichen. Der Mond stand hoch am Himmel, als Roland und seine Freunde zusammen mit den gräflichen Rittern vor dem Burgtor ankamen. Erst
nachdem Haldemar den Burgwächtern das Losungswort genannt hatte, wurde das Tor geöffnet. Bis auf die Wächter schienen alle Bewohner in tiefem Schlaf zu liegen. Das war nicht weiter verwunderlich, denn die mitternächtliche Stunde hatte bereits geschlagen. Schwierigkeiten mit der Unterbringung gab es trotzdem nicht. Haldemar sorgte für alles. Pierre und Louis bekamen einen Schlafplatz im Gesindehaus zugewiesen, während für Roland und Volker zwei Gästezimmer zur Verfügung standen. Die Burg war so groß und so geräumig, daß noch genügend Platz für eine ganze Reihe weiterer Besucher gewesen wäre. Haldemar sorgte auch noch dafür, daß die Besucher etwas zu Beißen bekamen. Dann zogen sich alle Ankömmlinge zur Nachtruhe zurück. Roland schlief fest und traumlos. Der erste Hahn hatte längst gekräht, als es an der Tür seiner Schlafkammer klopfte. Er fuhr hoch und blinzelte in das Sonnenlicht, das schräg durch das Turmfenster einfiel. »Komme ja schon«, grunzte er. Dann schwang er sich von seinem Lager und ging zur Tür. Eine dralle Magd begrüßte ihn mit einem ehrerbietigen Knicks. »Der Herr Graf erwartet Euch zur Brotzeit, Ritter!« Das Mädchen brachte ihm dann noch einen Bottich Wasser und entfernte sich wieder. Die Trutzenburg gefiel Roland immer besser. Ein bequemes Nachtlager, Wasser zum Waschen und die Aussicht auf ein sicherlich reichlich bemessenes Morgenmahl - was wollte er mehr? Wenn er anschließend noch die nähere Bekanntschaft eines schönen Burgfräuleins machen konnte ... Als Roland wenig später den Eßsaal betrat, traf er dort tatsächlich auf ein schönes Burgfräulein. Das Mädchen war hochgewachsen und schlank. Langes, rabenschwarzes Haar fiel ihr bis auf die Schultern und den wohlgerundeten Busen. Ihr Gesicht war ebenmäßig und stolz. Roland, der Minne stets zugetan, brannte sofort lichterloh. Es
kostete ihn echte Mühe, seinen verlangenden Blick von der jungen Frau abzuwenden. Aber er wußte natürlich, daß es höchst unziemlich war, sie so unverhohlen anzustarren. Außerdem befanden sich außer ihr noch mehrere andere Personen im Raum, die bereits am Tisch Platz genommen hatten. Volker vom Hohentwiel war bereits da, der Ritter Haldemar und ein Mann, den Roland bisher noch nicht kennengelernt hatte. Bei dem Mann handelte es sich ganz offenbar um den Vater der Schwarzhaarigen. Die Ähnlichkeit der Gesichtszüge war unverkennbar, nur daß sich die Linien des Stolzes beim Vater noch stärker bemerkbar machten als bei der Tochter. Auch er hatte dichtes schwarzes Haar und eine hochgewachsene Gestalt, die jedoch männliche Kraft und Stärke nicht vermissen ließ. Keine Frage, dieser Mann konnte niemand anders sein als Graf Eberhard von Trutzen. So war es. Der Graf hieß den Ritter mit dem Löwenherzen willkommen und bat ihn zu Tisch. Roland ließ sich nicht lange bitten. Er nahm Platz und langte alsbald kräftig zu. Der Burgherr war ein vorzüglicher Gastgeber. Die Bediensteten trugen alles auf, was Magen und Gaumen ergötzte. Lange schon hatten Roland und Volker nicht mehr so gut gegessen und getrunken - und das schon am Vormittag. »Ihr seid auf der Durchreise, berichtete mir mein Getreuer Haldemar?« eröffnete der Graf das Tischgespräch. »So ist es«, bestätigte Volker vom Hohentwiel. »Wir sind fahrende Ritter und ziehen durch die Lande. Wo es uns gefällt und man uns Gastfreundschaft bietet, bleiben wir ein Weilchen. Wenn es beliebt, pflege ich mich mit etwas Gesang zu revanchieren?« »Ihr seid ... Sänger?« fragte die schwarzhaarige Schöne, von der Roland inzwischen wußte, daß sie auf den Namen Balthild hörte. Volker lächelte. »Mein Name sagt Euch nichts, mein Fräulein?« Das Mädchen runzelte leicht die Stirn. »Volker vom... Ihr seid doch nicht etwa der Volker vom Hohentwiel? Jener Minnesänger, dessen Verskunst und Stimme weithin gerühmt werden?«
Volker deutete eine artige Verbeugung an. »Ich kann nicht leugnen, daß ich jener Volker bin!« Ein Stachel der Eifersucht bohrte sich in Rolands Herz, als er sah, mit welch leuchtenden Augen Balthild seinen Freund ansah. Sie himmelte ihn förmlich an. »Ich liebe Sänger«, gestand sie und bedachte Volker mit einem koketten Augenaufschlag. »Wenn ich mich dereinst mit einem Mann vermähle, dann muß es ein Sänger sein. Irgendein Ritter oder Adliger, und sei er noch so hochgeboren, kommt für mich nicht in Frage!« Wieder neigte Volker artig den Kopf. »Eure freundlichen Worte schmeicheln mir, mein Fräulein.« Mein Fräulein! Rolands Unmut wuchs. Es war nicht zu verkennen, daß Volker dem Mädchen den Hof machte. Auch er war schönen Frauen niemals abgeneigt und hatte fraglos ebenfalls Absichten auf die Grafentochter. Und wie es aussah, konnte er sich weitaus mehr Hoffnungen machen als Roland, für den Balthild überhaupt keinen Blick mehr hatte. Der Ritter mit dem Löwenherzen nahm einen kräftigen Schluck Wein und räusperte sich. »Da wir gerade von Minnesängern sprachen«, sagte er. »Kennt Ihr einen Mann namens Jacques d'Artagnac?« »d'Artagnac?« wiederholte Graf Eberhard. »Kein Mann aus deutschen Landen.« »Ein Provencale.« Eberhard schüttelte den Kopf. »Ich wüßte nicht ...« »Aber natürlich«, unterbrach ihn seine Tochter. »Ihr müßt Euch doch erinnern, lieber Vater! Jacques d'Artagnac war hier, hier auf der Trutzenburg. Der Sänger mit den frechen Spottliedern ...« »Oh, diesen meinst du?« sagte der Graf jetzt kopfnickend. »Ich konnte mich nicht mehr an seinen Namen erinnern.« »Er war also hier?« fragte Roland. »Ja, er genoß für ein paar Tage unsere Gastfreundschaft.«
»Und wo ist er geblieben? Ich meine, wißt Ihr, wohin er sich gewandt hat?« Der Graf zuckte mit den Schultern. »Er verließ die Trutzenburg und ging seiner Wege. Wohin? Ich habe nicht die geringste Ahnung. Aber warum fragt Ihr?« »Jacques d'Artagnac ist ein alter Freund von mir«, warf Volker ein. »Einst wetteiferte ich mit ihm beim Sängerkrieg von Bamberg. Seitdem habe ich ihn nicht mehr gesehen. Aber ich hörte unterwegs, daß er hier im Lande sein soll.« »Tut mir leid«, sagte Eberhard von Trutzen. »Er war hier, aber wo er abgeblieben ist ...« Wieder zuckte er die Achseln. »Nun gut«, meinte Roland. »Ist ja auch nicht so wichtig.« Er wollte jetzt nicht weiter über den verschwundenen Sänger sprechen, denn er hatte klar erkannt, daß dieses Thema dem Burgherrn irgendwie höchst unangenehm war. Warum? Hatte Graf Eberhard etwas zu verbergen und wußte er mehr über Jacques, als er zugeben wollte? Roland wurde den Eindruck nicht los, daß es sich genauso verhielt. Aber es war wohl klüger, Näheres bei der schönen Balthild in Erfahrung zu bringen. Und zwar dann, wenn ihr Vater nicht dabei war. Wenn sie so versessen auf Sänger war, hatte sie mit einiger Wahrscheinlichkeit eine engere Verbindung zu Jacques d'Artagnac gehabt. »Tut mir den Gefallen und singt uns ein paar Verse, Ritter Volker«, bat die Grafentochter. Volker vom Hohentwiel legte den Hühner schenke! aus der Hand, den er gerade abgenagt hatte. »Auf vollen Magen ist nicht gut Singen«, erklärte er. »Ich hätte einen anderen Vorschlag zu machen, mein Fräulein.« »Ja, Ritter Volker?« Mit großen, tiefblauen Augen sah die schöne Balthild den Minnesänger an. »Wenn die Abendsonne sinkt und sich der Himmel mit einem romantischen rosa Schimmer schmückt, dann bringe ich Euch ein Ständchen dar. Nur für Euch allein, mein Fräulein!« Die Grafentochter klatschte in die Hände. »Ihr seid ein Mann nach
meinem Herzen, Ritter Volker. Ich kann es schon gar nicht mehr erwarten, daß sich der Tag dem Ende zuneigt!« Die beiden lächelten sich an, als wäre der kommende Abend der Beginn einer nimmer endenden Hochzeitsnacht. Roland spülte seinen Ärger mit einem Becher Wein hinunter, den er mit einem einzigen Schluck bis zur Neige leerte. * »Halt!« Die barsche Stimme, die aus der Dunkelheit auf sie eindrang, veranlaßte Rotraud Lamm zum Stehenbleiben. Die Landschaft ringsum konnte sie nur in schattenhaften Umrissen erkennen - Hügelland, Bäume, ein schmaler Einschnitt zwischen steil aufragenden Felswänden. Aber es hätte der barschen Stimme nicht bedurft, um sie wissen zu lassen, daß sie auf dem richtigen Weg war. Sie kannte sich aus in den Drachenbergen. »Wer bist du?« ertönte die Stimme wieder. »Und vor allem - was willst du hier?« Rotraud zitterte. Ohne ihr Kleid war sie der Kühle der Nacht schutzlos ausgesetzt. Vermutlich hatte sie vom Kopf bis zu den Fußspitzen eine Gänsehaut. »Ich bin Rotraud Lamm«, rief sie. »Und was ich hier will, kannst du dir wohl denken!« Mehrere Sekunden vergingen. Dann standen auf einmal zwei dunkle Gestalten vor ihr. Eine Fackel loderte auf, in deren Schein Rotraud erkennen konnte, daß die beiden Männer keine Vorsichtsmaßnahme außer acht ließen. Der eine hielt einen blinkenden Hirschfänger in der Hand, und der andere richtete einen Pfeil auf sie. Der Mann mit dem Bogen, ein junger Bursche noch, ließ seine Blicke über, ihren halbnackten Körper huschen. »Ei der Daus, Mädchen«, grinste er, »so wie du aussiehst, bist du uns wohl willkommen! Auf meinem Lager ist bestimmt noch Platz
für dich!« »Mein Bruder würde dir den Schädel spalten«, zischte Rotraud. Die Kälte, die sie einhüllte wie ein Mantel aus Eis, machte sie wütend und böse. Außerdem war sie auch völlig erschöpft, denn das stundenlange Laufen hatte sie ihre ganze Kraft gekostet. »Bist du allein?« fragte der zweite Mann und blickte sich mißtrauisch nach allen Seiten um. »Nein«, antwortete Rotraud. »Ich habe eine ganze Horde von Gräflichen mitgebracht. Oder was dachtest du?« Der junge Bursche lachte. »Du scheinst in der Tat Rodulfs Schwester zu sein. Keine andere würde eine solche Lippe riskieren!« »Komm«, sagte der ältere Mann. Wenig später hatte Rotraud endlich Gelegenheit, ihren großen Bruder in die Arme zu schließen. * Roland war kein Freund von Räubern und Wegelagerern. Männer, die friedfertige Reisende überfielen und sie ob ihrer Besitztümer niedermachten, mußten verfolgt und zur Rechenschaft gezogen werden, da gab es für ihn kaum eine Frage. Dennoch war er innerlich aufgewühlt, ja geradezu entsetzt, als er den Räuber wiedersah, der am vergangenen Abend in die Hände der Ritter gefallen war. Man konnte den Mann kaum noch erkennen. Er war nur noch ein blutiges, lebloses Bündel, das zwei Dienstboten über den Burghof schleppten, um es irgendwo in einer Grube zu verscharren. »Warum habt Ihr das getan?« fragte er den Ritter, dem er gerade ein paar neue Fechthiebe beigebracht hatte. Kuno - das war der Name des gräflichen Getreuen - zuckte mit ausdruckslosem Gesicht die Achseln. »Ich weiß nicht«, sagte er ausweichend. Mit dieser Antwort gab sich Roland nicht zufrieden. »Tut nicht so, als wüßtet Ihr nicht, was innerhalb dieser Mauern
geschieht, Ritter Kuno«, sagte er. »Also sprecht!« »Nun ja«, antwortete Kuno jetzt, wobei er eine gewisse Verlegenheit nicht verbergen konnte. »Ich kann mir vorstellen, daß der Räuber nach dem Versteck seiner Spießgesellen gefragt wurde. Und als er nicht antworten wollte ...« »... habt Ihr ihn zu Tode gefoltert!« »Ich nicht«, erwiderte Kuno abwehrend. »Mein Handwerk ist die Kriegskunst. Niemals würde ich mich dazu hergeben, den Folterknecht zu spielen.« »Das ehrt Euch«, murmelte Roland. »Aber was kümmert es Euch und mich?« fuhr Kuno fort. »Kommt, kämpfen wir weiter. Diese Attacke mit der Doppelfinte und dem anschließenden Hieb zum Kopf ...« »Tut mir leid«, sagte der Ritter mit dem Löwenherzen. »Aber mir ist die Lust zum Fechten vergangen. Wo gibt es hier etwas zu trinken? Ich muß den Anblick dieses Unglücklichen mit einem kräftigen Schluck hinunterspülen!« Er steckte sein Schwert in die Scheide zurück und machte damit unmißverständlich klar, daß der Übungskampf für ihn zu Ende war. Wohl oder übel mußte Kuno seinem Beispiel folgen. Er tat es nur höchst ungerne, denn er wußte, daß er nur selten wieder Gelegenheit haben würde, die Klinge mit einem solchen Meister des Schwerts zu kreuzen. »Wie ihr wollt, Ritter Roland«, sagte er mißvergnügt. »Wenn Ihr so zart besaitet seid, daß Euch der Anblick eines toten Wegelagerers der Übelkeit anheimfallen läßt... Folgt mir!« Streng genommen waren diese Worte eine Beleidigung. Aber Roland sah großzügig darüber hinweg. Kuno war noch jung, kaum dem Knappenalter entwachsen. Und außerdem war er Gast auf der Trutzenburg, so daß sich ein ernsthafter Händel auf Grund der guten Sitten von selbst verbot. Er folgte Kuno ins Ritterhaus, wo bereits andere Getreue des Grafen beim Trunk zusammensaßen. Nicht ohne ein gewisses Mißfallen stellte Roland fest, daß sich Volker vom Hohentwiel nicht
unter den Anwesenden befand. Sicher scharwenzelte sein Freund um die schöne Balthild herum und machte ihr nach allen Regeln der Minnekunst den Hof. Ein gut gefüllter Humpen Met, dem bald darauf ein zweiter und ein dritter folgten, tröstete ihn über seine schlechte Stimmung hinweg. Die gräflichen Ritter waren ausgezeichnete Saufkumpane. Ihr Versuch, ihn unter den Tisch zu trinken, mißlang allerdings kläglich. Wenn Roland wütend war, konnte er mehr Met und Wein trinken, als ein Ochse Wasser saufen konnte, ohne dabei vom Schemel zu fallen. Alle anderen waren schon ziemlich angeschlagen und wußten nicht mehr so recht, was sie redeten. Roland hingegen hatte seine sieben Sinne noch alle zusammen. Wie von ungefähr brachte er das Gespräch auf den verschwundenen Minnesänger Jacques d'Artagnac. »Der Sänger. Ja ... Jacques?« lallte der Ritter Bogomil. »Klar kannte ich den! War ... war nicht viel los mit dem Mann. Schon nach dem zweiten Hum ... Humpen sog er sich auf sein Lager zurück.« Auf seines oder auf das der schönen Balthild? fragte sich Roland zweifelnd. Aber das war im Augenblick nebensächlich. Er wollte wissen, was aus dem Provencalen geworden war und fragte den Ritter danach. »Wo ... wo er geblieben ist?« wiederholte Bogomil. »Und ob ich das weiß.« »Ihr wißt es?« Roland beugte sich vor. »Na klar!« »Dann sagt es mir, Ritter!« Bogomil blinzelte. Sein verschwommener Blick wurde auf einmal fast klar. »Wa... warum wollt Ihr das wissen?« »Jacques d'Artagnac ist ein Freund von mir!« »Ein Freund, so, so!« Bogomil lachte auf. »Wenn er ein Freund von Euch ist, warum besucht Ihr ihn dann nicht?« »Besuchen? Wo denn?« »Unten im ... im Verlies.« »Hier in der Trutzenburg?«
»Na klar!« Bogomils Augen hatten sich mittlerweile längst wieder mit einem Schleier überzogen. Wahrscheinlich war er sich gar nicht so richtig im klaren darüber, was er gerade zum besten gegeben hatte. Ein anderer gräflicher Ritter jedoch, der neben Bogomil saß, hatte seinen kühlen Kopf noch nicht verloren. »He, Bogomil, was erzählst du denn da für Hirngespinste?« sagte er und stieß Bogomil grob in die Seite. So grob, daß Rolands Gesprächspartner beinahe vom Schemel gekippt wäre. »Glaubt ihm kein Wort, Ritter Roland. Bogomil ist sinnlos betrunken!« »Sicher«, nickte Roland. »Nachdem fünften Humpen erzähle ich auch, daß ich tatsächlich König Artus bin und mich unerkannt unters Volk gemischt habe.« »Ja, ja«, lachte der Ritter, »was Betrunkene so von sich geben, soll man nicht ernst nehmen. Natürlich ist dieser Jacques d'Artagnac längst nicht mehr in der Trutzenburg. Ich selbst habe ihn durchs Tor geleitet und ihn davongehen sehen.« Wieder nickte Roland und griff nach seinem Humpen. »Trinken wir darauf, daß mir mein Freund Jacques irgendwo mal wieder über den Weg läuft!« Der andere Ritter hob lächelnd seinen Humpen. »Trinken wir darauf! Es ist immer schön, einen alten Freund wiederzusehen. Wärt Ihr einige Zeit früher gekommen, hättet Ihr ihn hier auf der Burg getroffen. So jedoch habt Ihr Pech.« Roland trank dem anderen zu. Er ließ sich nicht anmerken, daß er ihn für einen Lügner hielt. Ganz fest war er davon überzeugt, daß Jacques d'Artagnac tatsächlich in einem Verlies der Trutzenburg schmachtete, der Graf und seine Getreuen dies jedoch nicht zugeben wollten. Allein der betrunkene Bogomil hatte die Wahrheit gesprochen. Um den noch halbwegs nüchternen Ritter nicht argwöhnisch zu machen, verfolgte Roland das Thema Jacques d'Artagnac nicht weiter. Aber er war sich seiner Sache ganz sicher. Hier auf der Trutzenburg war er genau am richtigen Platz, um den Auftrag
ausführen zu können, den ihm König Artus übertragen hatte. Jetzt mußte er nur noch den geeigneten Zeitpunkt abpassen. Im Augenblick allerdings war dieser sicherlich nicht gegeben. Roland wollte sich von einer Schankmagd gerade den leer gewordenen Humpen erneut füllen lassen, als er sah, wie Volker vom Hohentwiel den Rittersaal betrat. Suchend blickte sich der Freund um, aber Roland tat so, als würde er ihn nicht bemerken, und widmete seine ganze Aufmerksamkeit dem Met. Volker sah ihn trotzdem. Von hinten trat er an den Ritter mit dem Löwenherzen heran und legte ihm eine Hand auf die Schulter. »Komm mit, Roland, ich muß mit dir reden!« Roland warf einen schiefen Blick über die Schultern zurück. »Ich habe aber keine Lust, mit dir zu reden.« Der Freund lächelte. »Du bist ja betrunken, Roland!« »Betrunken?« echote Roland. »Ich soll betrunken sein? Da lachen ja die Raben!« »Nun, wenn du völlig Herr deiner Sinne bist, dann komm. Was ich dir zu sagen habe, ist wirklich wichtig!« In der Tat hörte sich Volkers Stimme ernst und bedeutungsvoll an. Und wenn Roland im Augenblick auch nicht sonderlich gut auf seinen Freund zu sprechen war, so hielt er es doch für angebracht, der Aufforderung Folge zu leisten. Er stemmte sich von seinem Schemel hoch und stellte mit einiger Verwunderung fest, daß er leicht schwankte. Volker machte Anstalten, ihn zu stützen, aber davon wollte Roland nichts wissen. »Ich kann allein gehen«, erklärte er entschieden. Und das gelang ihm durchaus. Gemeinsam mit dem Freund verließ er auf halbwegs geraden Beinen den Rittersaal. Die plötzlich auf ihn eindringende frische Luft versetzte ihm einen gelinden Schlag. Aber auch diesen überwand er. Gerade und aufrecht stand er neben Volker auf dem Burghof. »Was wolltest du mir sagen?« »Ich war bei der schönen Balthild«, sagte Volker.
»Was du nicht sagst!« »Ich habe mich eingehend mit ihr unterhalten.« »Unterhalten?« äffte Roland den Freund nach. »Bist du sicher, daß du dich nur mit ihr unterhalten und ihr nicht ganz nebenbei die Unschuld geraubt hast?« Volker vom Hohentwiel lachte. »Ich glaube kaum, daß Balthild noch eine Unschuld besaß, die sie verlieren konnte. Aber sag mal, mein Freund, du bist doch nicht etwa eifersüchtig?« »Ich? Aber nein! Wie kommst du denn auf eine solche Narretei?« »Ich dachte ja nur. Aber du kannst in jedem Fall beruhigt sein. Die schöne Balthild gehört nicht zu den Blumen, die ich gerne pflücken möchte. Wenn du sie haben willst, meinen Segen hast du!« »Nachdem du sie abgelegt hast?« entrüstete sich Roland. »Bin ich ein Knappe, der das nimmt, was ihm sein Ritter übrig läßt?« Volker schüttelte den Kopf. »Auch wenn du es mir nicht glaubst ich habe sie wirklich nicht angerührt.« »Das willst du mir einreden? Ich bin doch nicht blind! Deutlich erinnere ich mich, wie du sie angehimmelt hast, wie du ...« »Das leugne ich nicht«, gab der Freund zu. »Aber ich tat es nur, um mich an sie heranmachen zu können. Nicht um mit ihr der Minne zu huldigen, sondern nur um sie in aller Ruhe ausfragen zu können.« »Ausfragen? Über was denn, mit Verlaub gefragt?« »Über Jacques d'Artagnac natürlich. Mir war von vornherein klar, daß Balthild über den verschwundenen Sänger ganz genau Bescheid wußte.« Triumphierend blickte Volker vom Hohentwiel Roland an. »Und ich hatte recht!« »Ach ja?« sagte Roland. »Dann hast du wahrscheinlich herausgebracht, daß Jacques in einem Verlies der Trutzenburg schmachtet.« Volker machte große Augen. »Das... weißt du? Woher, bei allen Heerscharen des Himmels?« Jetzt lächelte Roland. »Jeder hat so seine Methoden. Der eine lupft einen Weiberrock, während der andere seine durstige Kehle für sich
arbeiten läßt.« »Deine Saufkumpane im Rittersaal haben es dir verraten?« »Einer von ihnen«, nickte Roland. »Aber ich bin doch froh, daß du die Worte des Betrunkenen bestätigst. Es steht also zweifelsfrei fest: Jacques ist hier!« »Und was tun wir, um ihn zu befreien?« »Das wird sich noch finden«, antwortete Roland. »Zunächst aber...« Er trat ganz nahe an den Freund heran. »Du hast wirklich nicht mit Balthild der Liebe gefrönt?« Volker legte eine Hand auf sein Herz. »Ich schwöre es! Warst du deshalb so unfreundlich zu mir?« Roland machte ein leicht verlegenes Gesicht. »Es dauert mich zutiefst, Volker«, sagte er treuherzig. »Kannst du mir verzeihen?« »Da gibt es nichts zu verzeihen, denn ich trag' dir nichts nach. Wenn dein Herz in Liebe zu der schönen Balthild entflammt ist... Wie ich schon sagte, mich brauchst du als Nebenbuhler nicht zu zählen.« »Das freut mich zu hören«, entgegnete Roland. »Aber ich weiß trotzdem nicht, ob sie mich erhören würde.« »Warum sollte sie nicht?« wunderte sich Volker. »Du bist ein gestandenes Mannsbild und ...« »Sie liebt nur Sänger, das hat sie selbst gesagt. Und wenn ich den Mund öffne, um einen Vers zu schmettern, dann hört es sich an, als würde ein Hund getreten.« »Das ist wahr«, sagte Volker ehrlich. »Deine Stimme ist wahrlich kein Ohrenschmaus. Aber ...« »Aber?« »Mir kommt da ein gar trefflicher Gedanke«, sagte Volker langsam. »Warum sollte ich dir nicht einen Freudesdienst erweisen?« »Ich verstehe nicht... « »Ich werde für dich singen! Und ich bin ganz sicher, daß Balthild nichts von der Täuschung bemerkt. Wenn wir die Dunkelheit zu unserem Verbündeten machen ...« Beide Männer lachten, als hätten sie soeben den Stein der Weisen
entdeckt. * Rodulf Lamm, von seinen Feinden »Lämmerschling« genannt, ballte die Fäuste, nachdem ihm seine Schwester erzählt hatte, was ihr widerfahren war. »Diese Schurken!« schimpfte er. »Jeder einzelne von ihnen ist genauso übel und verbrecherisch wie ihr Herr. Oh, könnten wir sie doch samt und sonders in den tiefsten Schlund der Hölle stürzen, denn genau dort gehören sie hin!« Diesen Worten konnte Rotraud nur beipflichten. Sie haßte die Gräflichen, haßte sie aus tiefster Seele. Inzwischen fühlte sie sich wieder halbwegs wohl. In der geräumigen Höhle, die Rodulf und seine Kampfesgenossen als Versteck diente, war es angenehm warm. Ein heißer Beerenblättertee und eine knusprige Hasenkeule hatten ihre müden Lebensgeister wieder auf Trab gebracht. Nur das Gefühl, verfolgt und gehetzt zu werden, wollte und wollte nicht von ihr weichen. »Mach dir deshalb keine Sorgen«, beruhigte sie ihr Bruder. »Hier bist du sicherer als in jeder Kirche.« »Wirklich?« sagte Rotraud zweifelnd. »Es gibt viele, die euer Versteck hier in den Drachenbergen kennen. Ich kannte es und ...« »Nur einige wenige, denen wir von ganzem Herzen vertrauen können, wissen von unserem Hort.« »Und wenn der Graf sie foltern läßt, wie es mir beinahe ergangen wäre?« »Hättest du gesprochen?« »Niemals«, antwortete Rotraud entschieden. »Lieber wäre ich eines schrecklichen Todes gestorben!« »Siehst du? Auf diejenigen, denen wir vertrauen, können wir uns verlassen. Nimm den Waldenser Karl. Gestern fiel er in die Hände der Gräflichen. Aber ich bin ganz sicher, daß er schweigen wird bis
ins Grab.« Rodulf blickte düster vor sich hin. »Wahrscheinlich ist der arme Kerl jetzt bereits tot.« Rotraud seufzte. »Wie lange wird das alles noch weitergehen, Rodulf? Wie lange werden wir uns noch von Graf Eberhard knechten und quälen lassen müssen?« »Ich weiß nicht, Schwesterherz«, antwortet Rodulf. »Ich weiß nur, daß etwas geschehen muß. Und es wird etwas geschehen!« * Es war eine Nacht, die für die Liebe wie geschaffen schien. Voll und glänzend stand der Mond am Himmel. Ein lauer Wind wehte, und die Luft war lind und von köstlicher Frische. Roland tat sein Bestes, um der Nacht den gebührenden Rahmen zu verleihen. Er stand unter dem Fenster des Schlafgemachs der schönen Balthild, die Fidel schmeichlerisch mit dem Bogen bearbeitend und aus vollem Halse singend. Scheinbar... Tatsächlich tat er nur so, als würde er mit dem Bogen über die Saiten fahren. Und aus seinem Munde, den er gekonnt öffnete und schloß, kam kein einziger Laut. Der Mann, der in Wirklichkeit das wohltönende Liebeslied zum besten gab, war Volker vom Hohentwiel. Der Freund hockte gut verborgen hinter der hüfthohen Mauer des Hofbrunnens. Und trotz seiner unbequemen Haltung, die die Brust mehr einschnürte, als sie sangesgerecht zu weiten, bewies er wieder einmal, daß man ihn nicht von ungefähr zu den berühmtesten Minnesängern Europas zählte. Glasklar wie das stille Wasser eines Bergsees und dabei doch so sanft wie ein grünes Mooskissen erklang seine prächtige Stimme: Heiß brennt in meinem Busen
Verzweifeltes Verlangen
Oh, du Schönste aller Schönen
Siehst du nicht mein Sehnen
Während Volker sang, blickte Roland zum Erker seiner Angebeteten empor. Jetzt mußte sie das Lied längst gehört haben. Sie kam! Roland sah, wie sie die Erkertür öffnete und auf den Balkon ihres Gemachs hinaustrat. Unterdessen stimmte Volker den zweiten Vers an: Laß ein mich um der Liebe willen
Großherzige Geliebte
Erhöre mein Lied in Ehren
Leuchte mir mit deinem Licht
Balthild war an die Balkonbrüstung herangetreten und blickte auf den Burghof hinunter. In der Hand hielt sie eine Harzfackel, in deren Schein ihr vielversprechendes Lächeln deutlich zu erkennen war. Und weiterhin erschallte Volkers Stimme:
Schenken will ich dir mit Schmerzen
Der Liebe Lohn
Walten soll der Wonne Süße
Oh, warum läßt du mich warten
Roland hatte bereits den Mund geöffnet, weil er annahm, daß Volker mit dem Singen fortfahren würde. Aber darin sah er sich getäuscht. Es kam keine weitere Strophe mehr. Schnell schloß Roland die Lippen wieder, um seine Täuschung nicht offenkundig werden zu lassen. Hoffentlich hat Balthild nichts gemerkt! fuhr es ihm durch den Kopf. Danach sah es jedoch nicht aus. Das Mädchen lachte und klatschte begeistert in die Hände. »Niemals hätte ich gedacht, daß auch Ihr ein so großartiger Sänger seid, Ritter Roland!« rief sie zu ihm hinunter.
Sie war nicht die einzige, die das meinte. Eine ganze Reihe anderer Burgbewohner hatte den Gesang ebenfalls mitbekommen und schrieb ihn natürlich Roland zu. Aus mehreren Fenstern kamen Beifall und lobhudelnde Zurufe. Trotz all dem fühlte sich Roland gar nicht so wohl in seiner Haut. Der Gedanke, Volker an seiner Stelle singen zu lassen, hatte ihm in seiner Metlaune sehr gefallen. Jetzt jedoch, wo er längst wieder völlig nüchtern war, kamen ihm Zweifel. Normalerweise war er kein Mensch, der sich mit fremden Federn schmückte. Das, was er und Volker hier vollführten, kam ihm wie ein echtes Unrecht vor. Aber es war nun zu spät zu solchen Überlegungen. Die Täuschung jetzt zu offenbaren, hätte bedeutet, sich der Lächerlichkeit preiszugeben. Und außerdem war da ja immer noch ... die schöne Balthild. Das Mädchen beugte sich mit einem aufreizenden Lächeln über die Balkonbrüstung und warf etwas hinunter in den Burghof. Ein leises Klatschen ertönte, als der Gegenstand wenige Ellen von Roland entfernt auf den Steinen aufschlug. Roland trat näher und sah einen weißen Handschuh zu seinen Füßen liegen. Ein Handschuh! Seine Bedeutung war ihm auf Anhieb klar. Wenn ein Ritter einem anderen einen Handschuh entgegenschleuderte, dann war dies die Herausforderung zu einem Duell. Tat eine Frau dasselbe, verhielt es sich hingegen genau umgekehrt. Der Handschuh eines Fräuleins bedeutete eine ernst gemeinte Einladung. Roland zögerte keine Sekunde, die Einladung anzunehmen. Er hob den Handschuh auf, machte eine galante Verbeugung vor Balthilds Erker und betrat dann das Haus. Mit schnellen Schritten eilte er zum Gemach der Grafentochter hinauf. Balthild erwartete ihn bereits. Sie bot einen reizenden Anblick, der Rolands Puls sofort schneller schlagen ließ. Ihr nachtschwarzes Haar war zu einer Krone hochgesteckt, und der Fackelschein ließ ihre ebenmäßigen Gesichtszüge wie aus Marmor gemeißelt aussehen. Sie
trug ein wallendes Gewand, das vor der Brust weit ausgeschnitten war und den Ansatz ihres vollen Apfelbusens unverhüllt zeigte. Roland mußte an sich halten, um sie nicht unverzüglich stürmisch in seine Arme zu reißen. Das wäre jedoch nicht schicklich gewesen. Er hielt Volkers Ersatzfidel noch in der Hand, wollte sie jetzt auf einem kleinen Tisch ablegen. Damit aber war die schöne Balthild gar nicht einverstanden. »O nein, Ritter Roland«, widersprach sie, »ihr wollt doch nicht so grausam sein und mich um einen weiteren Kunstgenuß bringen? Spielt und singt mir noch eine Eurer zu Herzen gehenden Weisen!« Der Ritter mit dem Löwenherzen glaubte, nicht recht zu hören. Statt sich nun mit ihm der Minne hinzugeben, verlangte sie von ihm eine neuerliche Probe jener Künste, die er tatsächlich in keiner Weise beherrschte. Balthild erkannte seinen unfrohen Gesichtsausdruck, konnte ihn jedoch verständlicherweise nicht richtig deuten. »Warum blickt Ihr so finster drein, Ritter Roland? Ich dachte immer, Spiel und Gesang seien für Euch Minnesänger ein steter Wunsch des Herzens.« Das mochte wohl so sein. Nur war Roland leider kein echter Minnesänger. Wieder begann er zu bedauern, daß er sich auf dieses Täuschungsmanöver eingelassen hatte. »Ich ...« Er sprach nicht weiter, denn eigentlich wußte er gar nicht, was er sagen sollte. »Tut mir die Liebe«, sagte die Grafentochter bittend und kullerte mit den Augen. »Eigentlich dachte ich, daß Eure Einladung einem anderen Zwecke diente«, sagte Roland geradeheraus. Er fühlte sich immer unwohler und fing an, langsam unterschwellig zu bedauern, daß er sich nicht um die Gunst der drallen Schankmagd aus dem Ritterhaus bemüht hatte. Balthild lächelte verheißungsvoll. »Der Lohn für eine weitere Weise ist Euch gewiß!« Sie saß auf der Kante ihres weichen Lagers und ließ sich
aufreizend langsam in eine halb liegende Stellung zurücksinken. Wie von ungefähr öffnete sich ihr Gewand dabei noch etwas mehr. Roland glaubte, mitten ins Paradies hineinzublicken. So nahe an der Pforte stehend, stellte der Ritter mit dem Löwenherzen alle Bedenken hintenan. Teufel auch, so schlimm war seine Stimme eigentlich gar nicht! Wenn er es vermied, in den höchsten Tönen zu jubilieren und sich auf eine mittlere Stimmlage beschränkte ... Und was die Fidel anging, sah er die Schwierigkeiten noch geringer an. Wer ein Schwert zu schwingen verstand, war auch in der Lage, den Fidelbogen zu streichen. Ein paar hübsche Töne würde er dem Instrument schon entlocken können, auch wenn er es bisher noch niemals versucht hatte. »So sei es denn, teure Balthild«, sagte er und setzte flugs den Bogen an. Ein schriller Ton, der sicherlich jedwede Maus aus dem Zimmer trieb, klang auf. Die Grafentochter verzog schmerzerfüllt das Gesicht. »Ich ... bitte um Vergebung«, sagte Roland. »Der Ansatz scheint mir etwas mißlungen zu sein.« »Das schien mir auch so«, sagte Balthild und lächelte jetzt wieder erwartungsvoll. Roland versuchte es zum zweiten Mal. Aber es wurde nicht besser. Eher war das Gegenteil der Fall. Fraglos hatte keine der anwesenden Stubenfliegen das gräßliche Geräusch überlebt. »Was ist los, Ritter Roland?« fragte die Grafentochter mit gerunzelter Stirn. »Habt Ihr auf dem Weg zu mir das Spielen verlernt?« »Natürlich nicht«, antwortete Roland entschieden. »Aber es sieht so aus, als sei die Fidel verstimmt. Aber was ficht es uns an? So bringe ich Euch halt ein Lied ohne Fidelbegleitung dar!« Er legte das Instrument aus der Hand und fragte sich dabei, wie es Volker fertigbrachte, mit diesem Teufelsding wohlklingende Musik zu machen. Beim besten Willen verstand er dies nicht.
Was für ein Lied sollte er singen? Zarte Liebesweisen, wie sie seinem Freund wie von selbst von den Lippen flossen, kannte er nicht. Allenfalls beherrschte er ein paar Sauf- und Rauflieder, die man üblicherweise nur am Schanktisch grölte. Er entschloß sich, die Verse vom kopflosen Ritter Eiteljörg, der mit dem Bauch sprechen konnte, zu bringen. Er räusperte sich, stemmte beide Arme in die Hüften und begann: Einst ritt der Ritter Eiteljörg.
Mitten ins Schankhaus rein.
Er zügelte seine Mähre.
Und ...
Roland unterbrach seinen Vortrag, als er hörte, wie Balthild gequält aufstöhnte. »Ist Euch nicht gut, mein Fräulein?« fragte er teilnahmsvoll und machte zwei Schritte auf das Lager des Mädchens zu. Balthild fuhr hoch wie ein aufgeschreckter Vogel. »Bleibt, wo Ihr seid«, schrie sie ihn an. »Wagt ja nicht, mir zu nahe zu treten!« »Warum... warum seid Ihr auf einmal so garstig zu mir?« »Das fragt Ihr?« funkelte die Grafentochter ihn an. »Haltet ihr mich für eine Bauernmagd, die zu tumb ist, um die Wahrheit zu erkennen? Ganz genau weiß ich jetzt, wie Ihr mich getäuscht habt. Nicht Ihr, sondern Euer sauberer Freund hat unten im Hof gesungen und gespielt! Ich frage mich nur, woher Ihr die Stirn nehmt, mir wie ein Troubadour entgegenzutreten. Mit einer Stimme wie der Euren könntet ihr die Raben vom Feld verscheuchen, aber ...« »Beleidigt mich nicht, mein Fräulein«, fiel ihr Roland ins Wort. »Was ich tat, tat ich nur, um Eure Liebe zu gewinnen.« »Oh, die habt Ihr gewonnen. Gestattet mir, sie Euch gebührend zu bezeugen!« Balthild sprang von ihrem Lager hoch. Und ehe es sich Roland versah, hatte sie eine tönerne Waschschüssel gepackt und ihm über
den Kopf geschmettert. Der Schlag war so kräftig, daß die Schüssel in tausend Scherben zersprang und den Ritter in kaltem Wasser badete. Wie ein begossener Jagdhund stand Roland da, völlig sprachlos vor Verblüffung. »Und nun raus mit Euch!« schrie Balthild. »Oder wollt Ihr, daß ich meinen Vater rufe?« Darauf legte Roland keinen Wert. Zwar fürchtete er den Grafen in keiner Weise. Aber er wußte, daß er im Unrecht war. Deshalb zog er es vor, der unmißverständlichen Aufforderung nachzukommen. »Großes ist Euch entgangen, mein Fräulein«, sagte er mit all der Würde, die ihm noch verblieben war. »Ich mag zwar nicht der gewaltigste Sänger auf Erden sein, aber was die Minne angeht ...« »Raus!« Roland ging. * Erleichtert atmete Rodulf Lamm auf, als er vor sich die Häuser Zweikirchens auftauchen sah. Binnen kürzester Zeit würde die Morgendämmerung anbrechen, und es war nicht gut für einen Mann wie ihn, im Tageslicht gesehen zu werden. Wenig später hatte er das Dorf, das zu den größten in der ganzen Grafschaft gehörte, erreicht. Außerhalb der Häuser ließ sich noch niemand blicken. Aber durch die Ritzen der geschlossenen Fensterläden drang hier und dort bereits der Lichtschein von Fackeln und Herdfeuern hervor. Zweikirchen erwachte, um sich auf einen langen und harten Arbeitstag vorzubereiten. Rodulf huschte durch das Dorf, bis er vor einem ganz bestimmten Haus angelangt war. Dieses Haus, größer und massiver gebaut als die meisten in der Nachbarschaft, gehörte Rolfmar Diederich, dem Schultheiß Steinkirchens. Diederich war der Mann, wegen dem Rodulf den beschwerlichen und anstrengenden Weg aus den Bergen unternommen hatte.
Auf leisen Sohlen umrundete Rodulf das Haus und klopfte dann gegen ein rückwärtiges Fenster, hinter dem es hell flackerte. Mehrere Augenblicke lang tat sich im Inneren des Hauses nichts. Dann wurde eine tiefe Männerstimme laut. »Wer ist da?« »Mach auf, Diederich«, antwortete Rodulf halblaut. Der Fensterladen wurde geöffnet, der Tuchvorhang hochgeschlagen. Ein älterer Mann mit wettergegerbtem Gesicht und gichtgebeugten Schultern zeigte sich - der Schultheiß. Im Hintergrund erkannte Rodulf eine dickliche Frau, die mit dem Schürhaken in der Hand neben dem brennenden Kamin stand. Diederich beugte sich vor und blickte mit alterstrüben Augen nach draußen. »Wer bist du?« fragte er wieder. »Ich kenne dich nicht.« »Wirklich nicht? Sieh genau hin, Diederich!« Rodulf trat ganz nahe ans Fenster heran. Jetzt zuckte der Schultheiß leicht zusammen. »Der ... Lämmerschling!« stieß er hervor. Rodulf verzog das Gesicht. »Nur diejenigen, die meinen Tod wünschen, belegen mich mit diesem Namen! Muß ich dich zu ihnen zählen, Diederich?« »Nein, ich ... Was willst du von mir, Rodulf Lamm?« »Müssen wir das hier am Fenster besprechen? Es gibt vielleicht manche in Zweikirchen, die mich nicht unbedingt sehen müssen.« Der Schultheiß zögerte kurz, machte dann eine winkende Bewegung mit der Hand. »Komm herein!« Das ließ sich Rodulf nicht zweimal sagen. Im Nu war er durch das Fenster in die Stube geklettert. Hastig legte Diederich den Holzladen wieder vor und schloß den Vorhang. Mit großen Augen sah ihn die Frau des Schultheiß an. Sie sagte kein einziges Wort, aber in ihren Augen nistete die Angst. »Ihr habt nichts von mir zu befürchten«, sagte Rodulf und lächelte. »Ich bin gewiß nicht gekommen, um euch zu berauben.«
»Es ist gut, Agnes«, sagte Rolfmar Diederich und nickte seiner Frau zu. »Geh, und laß uns allein.« Immer noch wortlos verließ die Frau die Stube. Diederich deutete auf eine Holzbank neben dem Kamin. »Nimm Platz, Rodulf Lamm. Willst du etwas trinken - einen Gerstenbrand vielleicht?« »Da würde ich nicht nein sagen!« Rodulf ging zur Bank hinüber und setzte sich. Die Wärme, die dem Kamin entströmte, empfand er als ungemein angenehm. Er rieb sich die kalten Hände über den Flammen. Wenig später hatte er auch die Gelegenheit, sich von innen aufzuwärmen. Der Gerstenbrand, den ihm der Schultheiß reichte, war nicht besonders gut, aber stark. Rolfmar Diederich zog sich einen Schemel heran und nahm ihm gegenüber Platz. »Kommen wir zur Sache, Rodulf Lamm. Sag mir, warum du zu mir gekommen bist.« »Ich möchte dich für einen Plan gewinnen, Rolfmar Diederich«, sagte Rodulf. »Für einen großen und kühnen Plan!« »Mich?« Der Schultheiß schüttelte den Kopf. »Ich bin ein alter und kranker Mann geworden. Da macht man keine großen Pläne mehr und führt sie noch viel weniger aus.« »Du bist nicht nur alt und krank, Diederich! Du bist klug und genießt die Achtung aller, die dich kennen. Und es sind nicht wenige, die dich kennen. Dein Wort gilt etwas in unserem Land - bei Freien und bei Unfreien. Man hört auf dich!« »So, tut man das?« Der alte Mann lächelte bitter. »Die Gicht hat mich so in ihren Klauen, daß ich kaum noch in der Lage bin, das Haus zu verlassen. Ich bin zu nichts mehr nutze, du aber willst große Pläne mit mir erörtern. Dennoch, laß mich hören, was du zu sagen hast. Neugierig bin ich noch immer.« Rodulf holte tief Luft. »Was ich will, ist kurz gesagt. Ich will Graf Eberhard von Trutzen, unseren allseits verhaßten Landesherrn, von seinem Thron stürzen und seiner Schreckensherrschaft ein
gewaltsames Ende bereiten!« Der alte Mann lachte meckernd. »Mehr nicht, Rodulf Lamm? Mehr hast du dir nicht vorgenommen?« Ärgerlich schob Rodulf das Kinn vor. »Lachst du mich aus, Rolfmar Diederich?« »Ich lache dich nicht aus, ich lache nur über deinen sogenannten Plan. Er ist... verrückt, das wirst du selbst zugeben müssen. Wie willst du den Grafen stürzen? Mit dem Häuflein von Ausgestoßenen, die du um dich geschart hast? Wie viele sind es - zwanzig, dreißig?« »Unsere Streitmacht besteht gegenwärtig aus dreiundvierzig Männern und fünf Frauen. Nein, sechs Frauen sind es inzwischen, wenn ich meine Schwester mitzähle. Zugegeben, unsere Zahl ist klein, aber wir sind zu allem entschlossen!« »Das mag schon sein. Aber was wollt ihr mit so wenigen gegen die schwerbewaffneten und kampferprobten Ritter des Grafen ausrichten? Mach dir selbst nichts vor, Rodulf Lamm, sondern ...« »Ich weiß selbst, daß ich allein mit meinen Leuten die Trutzenburg nicht stürmen kann«, fiel ihm Rudolf ins Wort. »Darum bin ich zu dir gekommen.« Der Schultheiß legte die Stirn in Falten. »Ich verstehe nicht so recht, was ich ...« »Mach deinen Einfluß geltend, Diederich. Rede mit anderen Schultheißen, sprich zu den Bauern und Handwerkern! Sage ihnen, daß sie sich alle gegen den Grafen erheben sollen, daß sie sich uns anschließen sollen! Wir, die Geknechteten, Unterdrückten, Ausgebeuteten, sind viele Tausende. Die Gräflichen sind hoffnungslos in der Minderzahl. Wenn wir zusammenhalten, wenn wir wie ein Mann beieinander stehen, können wir den Tyrannen und seine Kreaturen hinwegfegen und die Trutzenburg dem Boden gleichmachen!« Rolfmar Diederich fuhr sich mit der Hand über die faltige Stirn. Ein fast entrückter Ausdruck trat in seine Augen. »Es wäre zu schön, wenn es gelänge«, sagte er leise. »Aber es ist nur ein Traum, Rodulf Lamm. Mit Flegeln und Mistgabeln gegen
Schwerter und Lanzen? Es ist... unmöglich.« »Es ist nicht unmöglich«, widersprach Rodulf. »Gegen fünf Dreschflegen ist ein Schwert machtlos! Und sei eine Lanze auch noch so gut geworfen, zehn Mistgabeln wehren sie mit Leichtigkeit ab! Wir können es schaffen, Diederich. Wir können es wirklich schaffen!« Wieder schüttelte der alte Mann den Kopf. »Du siehst die Menschen nicht so, wie sie wirklich sind, Rodulf Lamm. Die Bauern und Handwerker sind kleinmütig und voller Furcht. Und die meisten denken nur an sich selbst und ihre nahen Blutsverwandten. Solange sie in der Lage sind, ihr kärgliches Leben halbwegs zu fristen ...« »Sind sie dazu in der Lage?« warf Rodulf ein. »Sind sie wirklich in der Lage, ihr kärgliches Leben zu fristen? Die jüngsten Abgabenerhöhungen, die der Graf dem Volk aufgezwungen hat, sind unmenschlich. Niemand wird sich mehr richtig satt essen können, niemand wird seine Arbeit während eines normalen Tages verrichten können!« »Wem sagst du das?« erwiderte der Schultheiß seufzend. »Auch Zweikirchen leidet schwer unter den neuen Abgaben.« »Aber ihr unternehmt nichts dagegen. Ihr nehmt alles hin wie Schafe, die zur Schlachtbank geführt werden!« »Nicht jeder ist so mutig, einen Gräflichen mit der Mistgabel anzugreifen«, sagte Diederich. »Zugegeben, wenn alle so wären wie du, Rodulf Lamm... Aber du irrst, wenn du denkst, daß wir gar nichts tun. Die Bauern unseres Nachbardorfs Eichenau haben beschlossen, eine Abordnung zur Trutzenburg zu schicken, um den Grafen um Rücknahme der Abgabenerhöhung zu bitten. Auch einige Zweikirchner werden mitgehen, darunter auch mein Sohn Karlemann.« »Und du glaubst wirklich, der Graf wird die Männer auch nur anhören?« »Wir können nur hoffen, mehr nicht«, erwiderte der Schultheiß leise.
*
Die Brotzeit am nächsten Morgen verlief keineswegs mehr so angenehm wie am Tag zuvor. Zwar hatte es sich der Graf nicht nehmen lassen, seine Gäste auch diesmal an seinem Tisch zu bewirten. Aber die Atmosphäre war geradezu frostig. Balthild würdigte die beiden Ritter keines Blickes, und auch der Graf selbst machte ein Gesicht, als habe es seit sieben Tagen geregnet. Ob ihm zu Ohren gekommen ist, daß wir über Jacques d'Artagnac Bescheid wissen? fragte sich Roland. Vielleicht hatte sich aber auch seine Tochter bei ihm beschwert. »Wann gedenkt Ihr, weiterzuziehen?« fragte Eberhard nach einer Weile unumwunden. Er machte keinen Hehl daraus, daß er als Antwort am liebsten das Wort »sofort« gehört hätte. Diesen Gefallen jedoch konnten und wollten ihm die beiden Freunde nicht tun. Solange sich Jacques d'Artagnac noch in Gefangenschaft befand, würden sie das Feld nicht freiwillig räumen. »Wir beabsichtigten eigentlich, noch ein paar Tage zu bleiben«, antwortete Volker vom Hohentwiel deshalb. »Es gefällt uns auf der Trutzenburg nämlich ausnehmend gut.« »So, so«, sagte der Graf und kaute mißvergnügt auf einer Hammelkeule herum. Seine Tochter bedachte die beiden Ritter mit einem bösen Blick und murmelte irgend etwas Unverständliches vor sich hin. Eine Freundlichkeit war es gewiß nicht. »Oder ist es Euer Wille, uns das Tor zu weisen?« wollte Roland Nägel mit Köpfen machen. Der Graf wurde einer Antwort enthoben, denn in diesem Augenblick erschien einer seiner Getreuen im Türrahmen. »Entschuldigt die Störung, aber ...« »Was ist denn?« grollte Eberhard. »Da ist eine Abordnung von Männern gekommen, die mit Euch sprechen will, Herr.« »Was für Männer?«
»Bauern!« Eberhard hieb mit der Faust auf den Tisch, daß Schüssel und Becher tanzten. »Wegen ein paar lumpiger Bauernlümmel wagst du es, mich zu belästigen, Kerl?« entrüstete er sich. Die Art und Weise, in der Graf Eberhard über die Bauern sprach, wollte Roland ganz und gar nicht gefallen. Auch Bauern waren Menschen. Und außerdem vergaß der Burgherr wohl, daß er von der Arbeit der Bauern prächtig lebte. Der Getreue im Türrahmen trat unbehaglich von einem Fuß auf den anderen. »Sie sagen, daß es ... sehr wichtig sei«, erklärte er stockend. »Wichtig, aha!« Ruckartig stand der Graf auf. »Wo sind denn die Kerle?« »Unten auf dem Burghof, Herr.« »Wohlan, ich komme!« Mit steifen Schritten ging Graf Eberhard zur Tür und verließ ohne ein weiteres Wort den Raum. Roland und Volker tauschten einen Blick. Dann erhoben sie sich ebenfalls und folgten dem Burgherren. Wenig später standen sie unten auf dem Hof. Ja, da waren die Bauern. Ihre Abordnung bestand aus fünf Männern, abgerissenen, ärmlichen Gestalten, denen man schon von weitem ansah, daß Schmalhans bei ihnen Küchenmeister war. Mit niedergeschlagenen Augen und hängenden Schultern standen sie da, umringt von einer ganzen Schar gräflicher Getreuer. »Was wollt ihr?« herrschte der Graf sie an. Einer von ihnen, ein schon älterer Mann mit grauen Haaren und zerfurchtem Gesicht, trat einen Schritt vor. Man merkte ihm an, daß er sich regelrecht dazu zwingen mußte, seinem Landesherrn in die strengen Augen zu sehen. »Herr, wir ...« Die offenkundige Furcht vor dem Grafen machte es dem Mann schwer, die richtigen Worte zu finden. »Sprich schon«, donnerte Eberhard. »Ich habe Besseres zu tun, als
mir stundenlang dein elendes Gestammel anzuhören!« Der alte Mann schluckte, gab sich dann einen Ruck. Als er wieder zu reden begann, kamen ihm die Worte auf einmal überraschend flüssig über die Lippen. »Vergebung, all ergnädigster Herr, aber wir möchten untertänigst darum bitten, die jüngste Abgaben- und Dienstleistungserhöhung zurücknehmen. Es ist uns nicht zumutbar ...« »Es ist euch nicht... zumutbar?« fuhr der Graf mit scharfer Stimme dazwischen. »Wir ... äh ... schaffen es nicht, die geforderten Leistungen zu erbringen«, milderte der Alte seine Worte. »Selbst wenn der Herrgott uns hilft, schaffen wir es nicht!« Das Gesicht des Grafen verzerrte sich vor Wut und lief rot an. »Du hast die ungeheuerliche Frechheit, den Namen Gott als Entschuldigung für eure stinkende Faulheit zu mißbrauchen, Kerl?« tobte er schier außer sich. »Für diese beispiellose Lästerung gibt es nur eine einzige Antwort!« Er trat auf einen seiner Getreuen zu, riß dem Ritter das Schwert aus der Scheide. Mit drei schnellen Schritten stand er vor dem alten Mann. Das Schwert zuckte durch die Luft, und im nächsten Augenblick lag der Bauer entseelt vor den Füßen des Grafen. »So geht es jedem, der sich gegen mich und Gott auflehnt!« verkündete der Burgherr mit knarrender Stimme. Tiefes Schweigen folgte der erbarmungslosen Tat. Die Bauern waren vor Entsetzen förmlich gelähmt. Roland und Volker waren ebenfalls geschockt. Sie hatten den Tod schon in vielfältiger Form gesehen. Eine solche Gnadenlosigkeit war jedoch auch für sie alles andere als alltäglich. Und selbst die Getreuen des Burgherrn machten betretene Gesichter - ein Teil von ihnen jedenfalls. Graf Eberhard blieb völlig unbeeindruckt. Drohend hob er das blutige Schwert und wandte sich an die Bauern. »Macht, daß ihr an die Arbeit kommt, faules Pack, sonst.. .« Die Bauern waren noch zu verstört, um den Befehl unverzüglich zu befolgen. Nur ganz langsam kam Bewegung in sie.
Zu langsam für den Geschmack des Grafen... »Bodo, die Hunde!« brüllte er. »Wir wollen doch sehen, ob dieses Gesindel nicht doch noch das Gehorchen lernt!« Einer seiner Getreuen entfernte sich, kehrte aber bereits nach wenigen Augenblicken zurück. An einer mehrstrangigen Leine führte er vier zähnefletschende, wie wahnsinnig bellende Hunde. Die Tiere waren fast so groß wie Kälber. In ihren Augen stand die blanke Mordlust geschrieben. Die Bauern, die gerade dabei waren, den Leichnam ihres erschlagenen Kameraden zu bergen, fuhren furchtsam zusammen. »Laß die Hunde los, Bodo!« befahl Graf Eberhard mit schneidender Stimme. Der Hundeführer tat, wie ihm geheißen wurde. Er beugte sich nieder und löste die Leine. »Faß!« , Wie ein ausgehungertes Wolfsrudel jagten die Hunde los. Kläffend, knurrend und greifend stürzten sie sich auf die Bauern. Entsetzt schrien die unglücklichen Männer auf. Sie hatten jetzt keine Zeit mehr, sich um den Toten zu kümmern. So schnell wie ihre Füße sie tragen konnten, rannten sie dem noch offenstehenden Burgtor entgegen, verfolgt von den Hunden, die nach ihnen schnappten wie nach einem besonders fetten Köder. Die Flucht der Bauern ging nicht ohne zerfetzte Kleidung und häßliche Bißwunden ab. Sie schafften es alle, sich nach draußen zu retten, wo die gut abgerichteten Hunde von ihnen abließen. Alle bis auf einen ... Dieser eine, ein junger Bursche noch, der kaum dem Kindesalter entwachsen war, geriet ins Stolpern. Verzweifelt versuchte er, sich auf den Beinen zu halten. Es gelang ihm nicht. Er verlor den Boden unter den Füßen und schlug lang hin. Sofort waren zwei der Hunde über ihm. Es sah ganz danach aus, als ob sie ihn lebendigen Leibes zerfleischen würden. Das war zuviel für Roland. Er konnte dem bösen Geschehen nicht länger tatenlos zusehen. Er rannte quer über den Burghof und warf sich in das Getümmel
zwischen Mensch und Tier. Ein mächtiger Fußtritt traf den einen Hund und schleuderte ihn mehrere Ellen weit weg. Zwar kam das Tier schnell wieder auf die Beine, aber seine Kampfeswut war gebrochen. Es jaulte jämmerlich und zog den Schwanz ein. Der zweite Hund jedoch hatte von Rolands Eingreifen bisher noch keine Notiz genommen. Er hatte sich im Oberschenkel des jungen Burschen festgebissen und schien nicht gewillt zu sein, jemals wieder loszulassen. Roland stieß ein Knurren aus, das dem der Bestie nicht unähnlich war. Dann beugte er sich nieder und griff mit beiden Fäusten zu. Er packte den Ober- und den Unterkiefer des Hundes und riß die messerspitzen Zahnreihen auseinander. Sofort kam der junge Bauernbursche frei. »Lauf, Junge«, rief ihm Roland zu. »Lauf so schnell, wie du kannst!« Mit schmerzverzerrtem Gesicht mühte sich der Bauernbursche hoch. Sein magerer Körper war mit Biß- und Kratzwunden übersät. Sein Oberschenkel war eine einzige Blutlache. Aber in seinen Augen loderte ein helles Feuer. »Danke, Ritter«, keuchte er. »Ihr seid der einzige Mensch unter lauter Bestien!« Dann eilte er davon, humpelnd und das verletzte rechte Bein nachziehend. Roland hatte keine Zeit, weiterhin auf ihn zu achten. Der Hund beanspruchte seine ganze Aufmerksamkeit. Es war dem Tier inzwischen gelungen, Rolands Hände abzuschütteln. Sein Fang mit den mörderischen Reißzähnen schnappte wild zu. Der Ritter mit dem Löwenherzen schaffte es gerade noch so, seine Hand wegzuziehen. Das Krachen der zuklappenden Kiefer ließ erahnen, daß der Hund Roland glatt das Gelenk durchgebissen hätte. Im Grunde seines Herzens war Roland ein Freund der Tiere. Dieser Hund jedoch war von seinem Herrn mit Bedacht zu einer reißenden Bestie gemacht worden. Schonung war nicht am Platz, denn Roland erkannte sehr wohl, daß das Tier zu einer tödlichen Gefahr werden
konnte, wenn er nicht sehr gut aufpaßte. Er ballte die Faust und schlug mit aller Kraft zu. Und er traf den Hund gut - mitten zwischen den blutgierig blitzenden Augen. Dieser eine Schlag genügte. Der Hund klappte zusammen und streckte alle viere von sich. Erleichtert atmete Roland auf und massierte seine schmerzenden Knöchel. Der Kampf war gewonnen. Der Kampf gegen die Tiere, nicht aber der gegen die Menschen ... Graf Eberhard trat mit wütendem Gesicht auf ihn zu. »Was fällt Euch ein, hier ohne meine Erlaubnis einzugreifen?« »Ich brauche Eure Erlaubnis nicht, um ein Menschenleben zu retten«, antwortete Roland kalt. »Menschenleben«, echote der Burgherr verächtlich. »Stumpfsinniges Bauernpack, das im Dreck der Erde herumwühlt. Man muß dem Pack zeigen, wo es hingehört!« »Ihr seid ein elender Menschenschinder. Graf Eberhard«, sagte Roland zähneknirschend. Ihm war klar, daß es höchst unklug war, so zu dem Burgherrn zu sprechen. Aber der Zorn, der in ihm aufgewallt war, ließ ihn darauf jetzt keine Rücksichten nehmen. »Ihr beleidigt mich, Ritter?« fragte der Graf und kniff die Augen zu schmalen Schlitzen zusammen. »Ich sage nichts als die Wahrheit!« Böse lachte der Burgherr auf. »Dies zu tun, hat kürzlich schon jemand vorgegeben. Es ist ihm gar nicht gut bekommen!« »Dieser jemand war gewiß Jacques d'Artagnac!« vermutete der Ritter mit dem Löwenherzen. Abermals lachte der Graf. »Da Ihr es schon wißt... Es wird Euch sicherlich freuen, Euren Freund alsbald wiederzusehen!« Er wandte sich an seine Getreuen. »Packt ihn!« Rolands Rechte fuhr nach dem Knauf seines Schwertes. Aber er kam nicht dazu, die Waffe aus der Scheide zu ziehen. Augenblicklich war er von einer großen Anzahl gräflicher Ritter umringt. »Seid ihr töricht, Ritter Roland«, sagte der hochgewachsene,
schlanke Haldemar. Roland sah die Aussichtslosigkeit jedweden Widerstands ein. Und auch Volker vom Hohentwiel, der seinem Freund zu Hilfe eilen wollte, erkannte die Ungunst des Augenblicks. Die Getreuen des Grafen standen wie eine Mauer. Roland sah, daß es nicht nur feindliche Blicke waren, die ihn trafen. Manch einer der Gräflichen zeigte durchaus Mitgefühl - der junge Kuno zum Beispiel, dem Roland einige Kunststücke mit dem Schwert vorgeführt hatte. Aber natürlich wagte es keiner der Männer, sich gegen die Befehlsgewalt des Grafen aufzulehnen. Roland und Volker wurden ergriffen und weggeführt. Auf dem Weg zu den Verliesen sah Roland die schöne Balthild auf dem Balkon ihres Gemachs stehen. Ein befriedigtes Lächeln umspielte die vollen Lippen der Grafentochter. * »Karlemann!« Der Entsetzensschrei Agnes Diederichs gellte so laut durch das Haus, daß Rodulf Lamm davon erwachte. Da es nicht gut für ihn war, bei Tageslicht gesehen zu werden, hatte er die Einladung des Schultheiß angenommen und war noch im Haus geblieben, um die Abenddämmerung abzuwarten. Der Schlaf war in den letzten Tagen und Nächten etwas zu kurz gekommen, und deshalb hatte er sich ein wenig aufs Ohr gelegt. Jetzt aber war an ruhiges Weiterschlafen nicht mehr zu denken. Der Schrei der Schultheißfrau riß ihn von seinem Lager hoch. Er trat an die geschlossene Tür der kleinen Stube, die man ihm zugewiesen hatte, und lauschte. Jetzt weinte Agnes Diederich, während der Schultheiß selbst böse Verwünschungen ausstieß. Dazu ertönte eine junge Männerstimme, die erklärte, daß alles halb so wild sei. Fremde schienen sich nicht in der Wohnstube nebenan aufzuhalten.
Deshalb wagte Rodulf es, sein Versteck zu verlassen. Er öffnete die Tür und trat in die Wohnstube. Da waren der Schutlheiß und seine Frau und ein junger Bursche, bei dem es sich fraglos um den Sohn der beiden handelte. Aber wie sah der Bursche aus! Die Kleidung hing ihm nur noch in Fetzen vom Leibe. Überall waren böse Hautabschürfungen zu sehen, und um sein rechtes Bein schlang sich ein Tuch, das durch und durch voller Blut war. Potztausend - man hatte dem Jungen wirklich übel mitgespielt. Agnes Diederich, ganz fürsorgliche Mutter, kümmerte sich bereits um ihren Sohn. Sie hatte eine Schüssel Wasser geholt und machte sich daran, das blutige Beintuch vorsichtig zu lösen. »Das also ist das Ergebnis der Verhandlungen mit unserem geliebten Landesherrn«, stellte Rodulf mit bitterem Spott fest. Karlemann Diederich hob den Kopf, blickte zuerst Rodulf, dann seinen Vater an. »Wer ... ist dieser Mann?« »Du hast sicher schon von ihm gehört - Rodulf Lamm«, gab der Schultheiß Auskunft. »Der Hauptmann der Freischärler?« »Ja, der bin ich«, sagte Rodulf. Trotz der Schmerzen, die er zwangsläufig haben mußte, strahlte der junge Bursche jetzt übers ganze Gesicht. »Ich freue mich, Euch kennenzulernen, Hauptmann«, erklärte er. »Männer wie Euch müßte es mehr geben, dann...« »Schon gut, Karlemann«, unterbrach ihn sein Vater. »Würdest du uns nun endlich berichten, was geschehen ist?« Das Gesicht des jungen Mannes verdüsterte sich. »Da gibt es eigentlich nicht viel zu berichten.« »Ihr habt den Grafen gar nicht zu Gesicht bekommen?« »Unglücklicherweise doch! Aber er war nicht bereit, uns anzuhören. Er beschimpfte uns als schmutziges Faulenzerpack, und dann nahm er ein Schwert und erschlug den Schultheiß von Eichenau.«
»Er... erschlug ihn mit eigener Hand?« »Ohne mit der Wimper zu zucken«, bestätigte Karlemann Diederich. »Und anschließend hetzte er eine wilde Hundemeute auf uns. Wenn mich nicht ein Ritter im letzten Augenblick gerettet hätte, wäre ich auf dem Burghof zerfleischt worden.« Agnes Diederich schluchzte laut. »Mein armer, armer Junge. Wärst du doch nur hier geblieben!« Rodulf Lamm schob das Kinn nach vorne und blickte den Schultheiß scharf an. »Nun, Rolfmar Diederich«, sagte er, »meinst du nicht doch, daß mein Plan eine nochmalige Überlegung wert ist?« Der alte Mann nickte langsam und bedächtig. »Vielleicht hast du recht, Rodulf Lamm!« * Roland bekam einen gemeinen Tritt in das verlängerte Hinterteil und wurde regelrecht in das Verlies hineinkatapultiert. Klirrend schloß sich hinter ihm die massive Bohlentür. Der Schlüssel drehte sich zweimal, dann war Stille. Ächzend erhob er sich von den rohen Steinen, auf die er gestürzt war. Dann machte er sich daran, sein Gefängnis zu erkunden. Viel zu erkunden gab es da allerdings nicht. Das Mauergeviert hatte einen Durchmesser von vielleicht fünf Ellen. Ein Fenster gab es nicht, nur die Tür und dicke, undurchdringliche Wände, die feucht waren und modrig rochen. Ein Verlies, aus dem es kein Entkommen gab! »Zufrieden mit deinem neuen Zuhause, Freund?« Roland zuckte zusammen, als er die völlig unvermutete Stimme hörte. Er hatte bisher gar nicht bemerkt, daß sich noch jemand in dem engen Raum befand. Sehen konnte er in der abgrundtiefen Finsternis ohnehin nichts. Und bei seinem Rundgang war er auch auf niemanden gestoßen. »Wo ... bist du?« fragte er.
»Hier!« Die Stimme, schwach und zittrig wie die eines uralten Mannes, kam aus der linken Ecke des Verlieses. Roland tastete sich an der schlüpfrigen Mauer entlang. Und tatsächlich, da war der Mann. Er saß mit angezogenen Beinen auf dem steinernen Boden, so eng an die Wand gepreßt, daß Roland zunächst glatt an ihm vorbeigegangen war. Der Ritter mit dem Löwenherzen ging vor seinem Leidensgenossen in die Knie. »Wer bist du?« wollte er wissen. »Jacques d'Artagnac vielleicht?« Im Gegensatz zu Volker vom Hohentwiel kannte er den Sänger aus der Provence nicht persönlich. »Nein«, antwortete der andere. »Der Sänger schmachtet im Verlies nebenan. Und wer ich bin... Nun, du würdest niemals darauf kommen.« »Das mag schon sein. Ich bin nämlich fremd im Land, mußt du wissen, Freund. Ach ja, mein Name ist übrigens Roland, Ritter Roland.« »Oh, ein nobler Herr also. Verzeiht mir, daß ich Euch gleich plump vertraulich anredete!« Roland lachte böse auf. »Ich glaube kaum, daß unter den obwaltenden Verhältnissen höfische Manieren vonnöten sind. Nenne mich ruhig Roland, Leidensbruder. Und dann sag mir, wie ich dich rufen soll.« »Winfried«, antwortete der Mitgefangene. »Winfried von Trutzen, genauer gesagt.« »Winfried von... Trutzen? Bist du ... Seid Ihr...« »Duze mich ruhig, Roland, Du hast recht, hier im Vorhof der Hölle ist kein Platz für die feinen Bräuche.« »Bist du in irgendeiner Form mit dem Grafen verwandt? Ein ferner Vetter vielleicht oder ...« »Ich bin der Sohn des Grafen«, sagte der andere. Diese Nachricht mußte der Ritter mit dem Löwenherzen erst mal richtig verdauen. Der Sohn des Burgherren in einem Verlies wie
diesem... Es war kaum zu fassen. Und so richtig glaubte er es noch immer nicht. Die Stimme des anderen klang nicht wie die eines jungen Mannes. Und alt konnte der Sohn des Grafen ja noch nicht sein. Er trug dem Mitgefangenen seine Bedenken vor. Müde lachte der andere. »Wenn du länger als ein Jahr hier unten geschmachtet hast, Roland, wirst du auch klingen wie dein eigener Großvater.« »Aber warum?« fragte der Ritter mit dem Löwenherzen. »Warum bist du hier?« »Weil ich es wagte, meinem Vater die Wahrheit zu sagen.« »Die Wahrheit?« »Ich habe meinem Vater ins Gesicht gesagt, daß er ein grausamer, erbarmungsloser Tyrann ist! Ich habe ihm gesagt, daß ich nicht bereit bin, den Verbrechen länger tatenlos zuzusehen, die er täglich an seinen unglücklichen Untertanen verübt!« »Und da hat er dich eingesperrt.« »So ist es. Ich kann sogar noch von Glück sagen, daß er mich nicht getötet hat. Aber das wagte er anscheinend nicht.« »Warum nicht?« fragte Roland. »So wie ich ihn erlebt habe, bedeuten ihm Menschenleben nicht viel.« »Das ist wohl wahr«, pflichtete ihm der Grafensohn zu. »Aber ich habe Anhänger und Freunde unter den Getreuen der Trutzenburg. Wahrscheinlich fürchtete mein Vater, daß sich diese Getreuen gegen ihn stellen würden, wenn er mir das Leben nahm.« »Aber keiner deiner sogenannten Freunde rührte einen Finger, um dich hier aus dem Verlies herauszuholen!« »Man darf von seinen Freunden nicht zu viel verlangen«, sagte Winfried von Trutzen. »Wer setzt schon aus freien Stücken sein Leben aufs Spiel? Sicherlich hätte derjenige, der etwas zu meiner Befreiung tut, den Tod zu erwarten.« Roland spuckte aus. »Pfui denen, die ihr eigenes Leben höher einschätzen als das anderer! Um einen Freund zu retten, würde ich selbst mit dem Teufel kämpfen.«
»Das ehrt dich, Roland, aber ...« »Da gibt es kein >Aber
Und sah einen ganz schwachen Lichtschimmer! Einer der Mauerquader saß nicht fest im Verbund, so daß sich Lücken in der Wand zeigten. Roland richtete sich auf. »Du hast mit dem Messer den Mörtel aus der Wand gekratzt, Winfried?« »Das habe ich, ja. Es hat mich ein ganzes Jahr gekostet, die Arbeit zu verrichten. Dann aber hatte ich es geschafft. Der Quader liegt übrigens völlig frei und läßt sich herausnehmen.« »Und warum, zum Teufel tust du es nicht?« »Dafür gibt es mehrere Gründe«, antwortete der Grafensohn. »Einmal bin ich inzwischen zu schwach geworden, um den schweren Stein bewegen zu können. Und zum zweiten ...« »Ja?« »Selbst wenn ich den Quader herausnehmen könnte, wäre ich dennoch nicht in der Lage zu fliehen.« »Warum nicht? Es fällt Tageslicht ein. Also führt der Weg durch die Mauer unmittelbar ins Freie.« »Nimm den Quader aus der Wand«, sagte Winfried. »Dann wirst du selbst sehen, was ich meine.« Roland spuckte in die Hände und packte mit beiden Händen den Stein. Dann aber zögerte er. »Was ist?« fragte sein Mitgefangener. »Besteht nicht die Gefahr, daß jemand kommt?« »Das brauchst du nicht zu fürchten«, wurde Roland durch den Grafensohn beruhigt. »Nur ein einziges Mal am Tag wird ein Napf mit Grütze und ein Becher Wasser gebracht. Du kannst sterben hier unten, ohne daß jemand Notiz davon nimmt.« Jetzt ließ sich der Ritter mit dem Löwenherzen nicht länger aufhalten. Er ging wieder in die Hocke und packte den Stein. Er war schwer, sehr schwer, dieser Quader. Winfried von Trutzen war offensichtlich ein starker junger Mann gewesen, bevor ihn die lange Gefangenschaft entscheidend geschwächt hatte. Roland brauchte jedenfalls seine ganzen Kräfte, um den Stein anheben zu können. Aber damit hatte er ihn noch keineswegs aus dem Loch.
Dreimal holte Roland tief Luft. Dann wuchtete er den Quader mit einem Ruck ins Leere des Verlieses. »Puh«, machte er, während er um Atem rang. »Mit einem wilden Stier zu kämpfen, ist einfacher!« Tageslicht fiel jetzt in den engen Raum ein. Es war nicht strahlend hell, aber es reichte doch aus, um eine gute Elle weit sehen zu können. Zum ersten Mal konnte Roland nun seinen Mitgefangenen in Augenschein nehmen. Winfried von Trutzen war sicherlich einst ein kräftiger Bursche gewesen. Jetzt allerdings war dies nur noch zu ahnen. Sein Gesicht, das eine unverkennbare Ähnlichkeit mit der schönen Balthild aufwies, wirkte grau und abgezehrt. Die Wangen waren eingefallen, und die Augen lagen tief in den Höhlen. Keine Frage, daß er dem Tode viel näher war als dem Leben. Auch der Grafensohn hatte seinen Leidensgefährten eingehend gemustert. Ein mattes Lächeln huschte über sein ausgemergeltes Gesicht, das so alt wirkte wie das eines Vierzigjährigen. »Du bist jung und stark, Roland«, stellte er fest. »Deine Muskeln besitzen die nötige Spannkraft, und deine Hände verstehen es, richtig zuzupacken. Vielleicht schaffst du es, was ich vergeblich angestrebt habe!« Roland nickte und wandte sich von Winfried ab. Seine ganze Aufmerksamkeit galt nun der Maueröffnung, die er geschaffen hatte. Sie war gerade breit genug, um Kopf und Oberkörper hindurchzuzwängen, was Roland auch sogleich tat. Er blickte hinaus. Eine steil abfallende Felswand lag unter ihm. Die Entfernung bis zum Talboden betrug mindestens fünfzig Klafter. Roland drehte den Kopf nach oben und sah den Burgturm über sich. Jetzt wußte er genau, wo er sich befand: an der rückwärtigen Seite der Trutzenburg. Die Verliese waren nicht in die Erde hineingebaut, sondern unmittelbar mit dem Steilhang verbunden worden. Dennoch sah er keine Möglichkeit, aus dem Gefängnis entkommen zu können. An der Außenwand entlangzuklettern, würde selbst eine Katze nicht schaffen. Ein Absturz in die schwindelnde Tiefe wäre
unvermeidlich gewesen. Nur mit einem starken Seil konnte man nach unten gelangen, und dieses Seil müßte länger sein als jedes, das Roland je in seinem Leben gesehen hatte. Ein Seil stand ihm und dem Grafensohn jedoch nicht zur Verfügung, kein kurzes und schon gar kein langes. Maßlos enttäuscht zog Roland den Kopf wieder ins Innere des Verlieses zurück. Er konnte sich kaum etwas Grausameres vorstellen, als die Freiheit unmittelbar vor den Augen zu haben und sie doch nicht erreichen zu können. »Du wirfst den Bogen bereits in den Hafer?« sagte Winfried von Trutzen mit leicht tadelndem Unterton. Roland zuckte die Achseln. »Ich wüßte nicht, wie ...« »Du siehst mir aus wie jemand, der locker vom Rücken seines Pferdes springt. Oder ziehst du es vor, in Altmännerart aus dem Sattel zu klettern?« »Ich ziehe ersteres vor.« »Wohlan denn«, sagte Winfried. »Warum versuchst du es nicht auch hier mit einem Sprung?« »In eine Tiefe von fünfzig Klaftern springen - bist du toll, mein Freund?« »Wer redet von fünfzig Klaftern? Blicke noch einmal nach draußen. Schräg unterhalb der Öffnung, höchstens drei Körperlängen tiefer, wirst du eine Föhre erkennen, die in einem Spalt in der Felswand Wurzeln gefaßt hat. Wenn es dir gelingt, im Sprung den äußersten Ast des Baumes zu erreichen ...« Roland schob sich bereits wieder durch die Öffnung. Ja, da stand die Föhre, von der Winfried gesprochen hatte. Der ihm am nächsten kommende Ast befand sich in der Tat drei Körperlängen unterhalb der Verliesöffnung. Und die seitliche Entfernung mochte noch einmal zwei Körperlängen betragen. »Nun, Roland?« rief der Grafensohn. »Traust du dir einen tollkühnen Sprung zu?« Tollkühn, das war genau der richtige Ausdruck! Andererseits, was hatte Roland zu verlieren? Allenfalls das Leben. Und da dieses im
Verlies ohnehin keinen Pfennig wert war ... »Ja«, sagte der Ritter mit dem Löwenherzen, »ich traue mir den Sprung zu.« * Die kühnsten Erwartungen Rodulf Lamms wurden bei weitem übertroffen. Wer mit uns gegen die Trutzenburg ziehen will, möge sich auf dem Drosselfeld einfinden! So war er mit Rolfmar Diederich, den Schultheiß von Zweikirchen, verblieben. Daß aber der Aufruf, zu dem Diederich sich schließlich nach langem Hadern mit sich selbst entschlossen hatte, ein solches Echo finden würde, wäre Rodulf niemals in den Sinn gekommen. Das Drosselfeld genannte Wiesengelände am Fuß der Drachenberge quoll geradezu über vor Menschen, und es wurden stündlich mehr. Von allen Seiten kamen sie, aus zahllosen Dörfern, Gehöften und Köhlerstätten. Sie kamen zu Fuß, auf Eseln oder Pferden, auf Wagen, die von Ochsen gezogen wurden. Sie alle hatten sich bewaffnet, mit Messern und Hirschfängern, mit Dreschflegeln und Sicheln, mit Mistgabeln und Pflugketten. Und es waren gar nicht einmal wenige, die richtige Waffen mitgebracht hatten - vereinzelte Schwerter, Pfeil und Bogen, Steinschleudern. Gewiß war kaum einer der Versammelten im Kriegshandwerk geschult. Einen Zweikampf mit einem Ritter hätte wohl kein einziger erfolgreich bestehen können. Dennoch verkörperten sie alle zusammen eine mehr als ansehnliche Streitmacht. Ihre schiere Zahl machte die Bauern und Handwerker auch für ein stattliches Ritterheer zu einem überaus ernst zu nehmenden Gegner. Und ob der Graf von Trutzen über ein solches verfügte, durfte mit Fug und Recht bezweifelt werden. Rodulf Lamm kletterte auf ein provisorisch errichtetes Holzpodest und hob die Arme hoch in die Luft. Langsam wurde es still auf dem weiten Feld. Aller Augen richteten
sich auf den Mann, den die Gräflichen einen räuberischen Verbrecher und Mörder nannten, der aber beim einfachen Volk längst den Ruf eines Freiheitshelden genoß, auch wenn dies bisher nur wenige auszusprechen gewagt hatten. »Freunde und Kampfesgenossen«, rief Rodulf aus. »Ich will nicht viele Worte machen, denn wir alle wissen, warum wir uns hier in so großer Zahl versammelt. Ich danke euch von ganzem Herzen dafür, daß ihr meinem Ruf gefolgt seid. Und ich verspreche euch, daß ihr euer Kommen nicht bereuen werdet. Gemeinsam mit den Männern, die euer aller Vertrauen genießen, werde ich jetzt einen Schlachtplan ausarbeiten. Und dann gibt es für uns alle nur noch eine Losung: Kampf dem Tyrannen!« Ein wilder Begeisterungsschrei, der aus einer einzigen Kehle zu kommen schien, schallte Rodulf Lamm entgegen, als er das Podest wieder verließ. Kampf dem Tyrannen! Aus diesem Grunde waren sie gekommen. Und aus diesem Grunde waren sie auch bereit zu sterben, wenn es das Schicksal denn so wollte. Die Ermordung des Schultheiß von Eichenau war der Tropfen gewesen, der das Faß zum Überlaufen gebracht hatte. Und nun sollte Graf Eberhard sehen, wie er die Geister, die er selbst gerufen hatte, wieder los wurde. Kampf dem Tyrannen! * »Jetzt wird es Zeit«, sagte Roland und erhob sich aus seiner sitzenden Stellung. Die Voraussage des Grafensohnes, daß es nicht nötig sei, das Loch in der Mauer wieder zu verschließen, weil ohnehin niemand kommen würde, hatte sich bewahrheitet. Die Öffnung bestand noch immer, und keiner der Gräflichen ahnte auch nur das geringste davon. Nach wie vor fiel Licht in das Verlies ein. Aber es war jetzt kein helles Tageslicht mehr, sondern das diffuse Licht der Dämmerung.
Der Abend nahte. Ganz bewußt hatte Roland so lange gewartet. Der Burgturm besaß eine ganze Reihe von Fenstern. Wenn er seinen Fluchtversuch bei Tage gewagt hätte, wäre die Gefahr einer Entdeckung nicht auszuschließen gewesen. Jetzt jedoch, wo es draußen dunkel wurde, konnte er es beruhigt wagen. Länger warten durfte er allerdings auch nicht, denn in völliger Dunkelheit würde der beabsichtigte Sprung mit großer Sicherheit zu einem tödlichen Fehlsprung werden. Winfried von Trutzen blickte ihn an. »Ich wünsche dir viel Glück bei deinem Unternehmen, Roland«, sagte er ernst. »Das kann ich brauchen«, nickte der Ritter mit dem Löwenherzen. Nur zu gut wußte er, daß die Wahrscheinlichkeit, sich zerschellt unten im Tal wiederzufinden, sehr groß war. Der Grafensohn sprach weiter: »Und wenn du deine Freiheit wiedergewonnen hast ... Ich will hoffen, daß du mich nicht vergißt.« Roland lächelte. »Sei unbesorgt, Winfried. Ich bin kein Mann, der seine Freunde vergißt. Außerdem denke ich nicht nur an dich, sondern auch an Volker vom Hohentwiel und meine beiden Knappen. Wir sehen uns wieder, es sei denn ...« »Du stürzt nicht ab«, nahm ihm Winfried das Wort aus dem Mund. »Mein Gefühl sagt mir, daß alles gut gehen wird!« Der Worte waren genug gewechselt. Jetzt hatten Taten zu folgen. Roland schlüpfte in die Maueröffnung. Sie war groß genug, um in geduckter Haltung seinem ganzen Körper Platz zu bieten. Handbreit um Handbreit schob er Kopf und Oberkörper ins Freie, jederzeit peinlich darauf bedacht, das Gleichgewicht zu bewahren und den Füßen festen Halt zu bieten. Er blickte zum Burgturm hinauf. Der nächste Erker lag bereits so im Dämmerlicht, daß er ihn nur noch undeutlich erkennen konnte. Mit ziemlicher Sicherheit durfte er davon ausgehen, daß niemand in der Lage war, ihn zu beobachten. Jetzt widmete er seine ganze Aufmerksamkeit der Föhre an der Felswand schräg unterhalb von ihm. Der Ast, auf den es ihm ankam,
ragte über den Abgrund wie der graue Arm eines Gespenstes. Immerhin konnte er ihn trotz der Lichtverhältnisse noch einigermaßen klar ausmachen. Würde seine Sprungkraft ausreichen, den Ast zu erreichen? Er konnte es nur hoffen. Wohlan! rief er sich im stillen selbst zu. Er holte ein paarmal tief Luft und spannte die Muskeln seines Körpers. Noch einmal zögerte er kurz, dann stieß er sich wuchtig mit beiden Füßen ab. Wie ein Gesteinsbrocken, der von der Schleuder durch die Luft geschnellt wurde, schoß er nach unten, die Arme vorgestreckt, die Augen starr auf den Ast gerichtet. Für einen Augenblick kam er sich vor wie ein Vogel. Aber jenes bewußte Freiheitsgefühl, das man Vögeln immer zuschrieb, stellte sich bei ihm gewiß nicht ein. Ein ungewohntes Angstempfinden, das er normalerweise gar nicht an sich kannte, ließ sich nicht ganz unterdrücken. Ob er wollte oder nicht, im Geiste sah er sich bereits zerschmettert am Fuß der Felsenwand liegen. Aber dieses Schreckensbild geisterte nur für die Dauer von wenigen Herzschlägen durch seinen Kopf. Mehr Zeit blieb nicht. Da war der Ast... Roland streckte die Arme noch mehr, riß sie sich fast aus den Gelenken. Dann packten seine Hände zu, krallten sich seine Finger wie die Klauen eines Adlers um den Ast. Spitze Nadeln stachen ihm in die Handflächen, die Haut wurde ihm von den Knochen gerissen. Er rutschte ab ... Der Aufprall war zu stark gewesen, das Gewicht seines stürzenden Körpers zu groß. Zoll um Zoll lösten sich die Finger von dem rettenden Ast, fanden keinen Halt mehr. Roland fiel wieder, zwei Ellen, drei Ellen ... Dann kam ein tiefer sitzender Ast, dünn und zerbrechlich wirkend, ein Zweig nur. Verzweifelt packte der Ritter mit dem Löwenherzen wieder zu.
Und diesmal bekam er sofort festen Halt. Sein Fall war bereits durch den ersten Ast stark abgebremst worden, so daß sich die Wucht des Aufpralls entschieden schwächer bemerkbar machte. Aber gerettet war er noch lange nicht. Das, was er befürchtet hatte, trat ein. Ein häßliches Knacken, das Roland durch und durch ging, wurde hörbar. Der dünne Ast brach, konnte sein Körpergewicht doch nicht halten. Roland kämpfte, gab sich nicht verloren. Er hangelte sich an dem Ast entlang, näher zum Stamm des Baumes hin. Das knackende Geräusch wurde lauter, ließ erkennen, daß der Ast jeden Augenblick in zwei Teile zerbrechen würde. Roland spürte brennende Schmerzen, achtete ihrer aber gar nicht. Weiter hangelte er sich dem Stamm entgegen, verzweifelt bemüht, das drohende Verhängnis abzuwenden. Dann brach der Ast. Rolands linke Hand, die sich daran festklammerte, sackte schwer nach unten. Die rechte Hand aber hatte noch immer Halt - hier hatte der Ast weiterhin Verbindung mit dem Stamm. Roland ließ den abgebrochenen Zweig, den er nutzlos in der Hand hielt, schnell in die Tiefe fallen und faßte auch mit der freien Hand nach dem stabilen Aststück. Es ertönte kein Krachen mehr. Die Gefahr, daß noch eine weitere Bruchstelle auftrat, schien gebannt. Ohne weitere Schwierigkeiten konnte sich Roland ganz an den Stamm heranarbeiten und dort auch mit den Füßen Halt finden. Er stieß einen tiefen Seufzer der Erleichterung aus. Er hatte es geschafft! Er war aus dem Verlies ausgebrochen und hatte es geschafft, nicht in die Tiefe zu stürzen. Der erste Teil seiner Flucht war geglückt. Und er war guten Mutes, daß er auch den zweiten Teil zu einem erfolgreichen Abschluß führen konnte. Zunächst legte er eine kurze Rast ein, um wieder Luft schöpfen zu können. Sein Herz klopfte wie wild, beruhigte sich jedoch in zunehmendem Maße. Die zerschundenen Handflächen schmerzten weiterhin wie Feuer, was Roland jedoch nicht besonders tragisch
nahm. Er war ein harter Mann, der körperliche Pein sehr wohl aushalten konnte. Die Pause, die er sich gönnte, währte nicht lange. Es ging ihm jetzt zunächst darum, eine etwas weniger luftige Position einzunehmen. Flugs machte er sich daran, an dem Stamm nach unten zu klettern. Es gelang ihm mühelos. Schon wenig später hatte er sein Ziel erreicht, jene Stelle, an der die Föhre aus der Felsspalte hinauswuchs. Jetzt war die Absturzgefahr endgültig gebannt. Inzwischen hatte die abendliche Dunkelheit weitere Fortschritte gemacht. Die Sonne war längst untergegangen, und es konnte nicht mehr lange dauern, bis der Mond am Himmel erschien. Roland blickte zur Trutzenburg hinüber. Die Öffnung in der Verlieswand konnte er nicht mehr sehen, selbst wenn er die Augen noch so sehr anstrengte. Vielleicht hatte Winfried von Trutzen mit einer großen Kraftanstrengung den Quader auch bereits wieder in die Lücke gewuchtet. Hinter zwei höher gelegenen Erkerfenstern konnte er schwachen Lichtschein ausmachen. Und erst jetzt wurde er sich richtig bewußt, daß ferne Stimmen an sein Ohr drangen. Das war auch nicht weiter verwunderlich, denn die Felswand, an der er klebte, hatte eine direkte Verbindung zum Burghof. Um diese Zeit hielt sich auf dem Hof natürlich noch so mancher Burgbewohner auf. Roland beschloß noch zu warten. Wie er von Winfried wußte, der die Felswand lange Zeit in aller Ausführlichkeit betrachtet hatte, war es einem halbwegs guten Kletterer möglich, die Spalte emporzuklettern und so auf den Hof zu gelangen. Es wäre aber verfrüht gewesen, wenn er sich jetzt schon auf dem Hof blicken ließe, wo er jederzeit einem der Getreuen des Grafen in die Arme laufen konnte. Die Warterei wurde ihm lang. Die Felsspalte, eng und rauh, bot zwar festen Halt, war ansonsten jedoch ein denkbar unbequemer Platz. Aber er mußte ausharren, denn auf dem Burghof herrschte auch nach mehreren Stunden noch keine nächtliche Ruhe. Roland reckte seine steif gewordenen Glieder, so weit das bei der
räumlichen Enge möglich war. Dann machte er sich an den Aufstieg. Wie es aussah, hatte Winfried von Trutzen recht. Die Felsspalte pflanzte sich schräg nach oben fort. Und sie war in der Tat von einem halbwegs geschickten Kletterer zu bewältigen. Roland fühlte sich zwar auf dem Rücken eines Pferdes erheblich sicherer, aber seine Körperbeherrschung reichte doch aus, alle Schwierigkeiten beim Aufstieg zu meistern, zumal er nichts überstürzte, sondern ganz vorsichtig dem Plateau des Burghofs entgegenstrebte. Lieber langsam, dafür aber sicher, das war der Wahlspruch, den er beherzigte. Es war sehr, sehr dunkel geworden. Regenwetter kündigte sich durch einen frischen Wind an, und schwarzgraue Wolken bedeckten das Gesicht des Mondes. Weiter als eine Elle konnte Roland nicht sehen, auch wenn er versuchte, die Dunkelheit mit den Augen förmlich zu durchbohren. Als die Felsspalte schließlich ein Ende fand, und er den Kopf über das Plateau schieben konnte, war er selbst etwas überrascht. Triumph stieg in ihm auf. Er hatte es geschafft! Sehr schnell aber wich das Triumphgefühl einer gewissen Ernüchterung. Winfried von Trutzens Beobachtungen waren offenkundig doch nicht so zuverlässig gewesen, wie er geglaubt hatte. Roland stand mit sicheren Füßen auf ebener Erde. Allerdings außerhalb der Burgmauern. * Es war eine große, ja, eine gewaltige Heerschar, nächtliche Landschaft zog. Und wenn sich das Heer kampferprobten Rittern zusammensetzte, sondern Handwerkern und auch einer Reihe von Frauen, so kaum weniger beeindruckend. Wehe dem Feind, der Heerschar auseinandersetzen mußte.
die durch die auch nicht aus aus Bauern, wirkte es doch sich mit dieser
Die Männer und Frauen wurden von einer Woge der Begeisterung getragen. Sie alle hatten sich entschlossen, das Joch der Tyrannei abzuschütteln, und es gab kaum einen unter ihnen, der nicht vom Erfolg überzeugt war. Der Wille kann Berge versetzen, so hieß es nicht umsonst. Und der Siegeswille dieser Entrechteten, die sich endlich entschlossen hatten, für ihr Recht zu kämpfen, war unbändig. An der Spitze des Bauernheeres schritt Rodulf Lamm, den die Gräflichen den Lämmerschling nannten. O ja, vielleicht sollten die Getreuen des Grafen bald erfahren, daß sie ihm diesen Namen in der Tat mit recht gegeben hatten. Dann nämlich, wenn er ihnen eine Schlinge um den Hals legte und sie daran aufhängte, bis sie tot waren. Bei diesem Gedanken lachte Rodulf Lamm lautlos vor sich hin. Zum ersten Mal, seit er vor den Schergen des Grafen die Flucht ergriffen hatte und in die Berge gegangen war, fühlte er sich fast glücklich. Und er hoffte zuversichtlich, daß er sich bald noch viel, viel glücklicher fühlen würde. Kampf dem Tyrannen! * »Halt, wer da?« Die scharfe Stimme drang an Rolands Ohr wie der Knall einer Ochsenpeitsche. Schnell wie der Blitz warf er sich flach auf den Boden und versuchte, mit dem felsigen Untergrund regelrecht zu verschmelzen. Teufel auch, er war unvorsichtig gewesen! Zu nahe hatte er sich an die Burgmauern herangewagt und die Wachsamkeit der Burgwächter dabei unterschätzt. Er sah den Mann, der ihn angerufen hatte. Der Getreue des Grafen stand oben auf der begehbaren Schutzmauer der Burg und hielt eine lodernde Fackel in der Hand. Sein Kopf war genau in die Richtung gewandt, wo sich der Ritter mit dem Löwenherzen befand. Der Schein der Fackel reichte allerdings nicht weit. Roland konnte
also hoffen, daß ihn der Wächter jetzt nicht mehr sah und sich vielleicht einredete, daß er einer Täuschung zum Opfer gefallen war. Ganz ruhig verhielt sich Roland, wagte nicht, sich zu bewegen. Und auch als der Burgwächter ihn zum zweiten Mal anrief, rührte er kein einziges Glied. Es dauerte nur wenige Augenblicke, dann tauchte oben ein zweiter Wächter auf. Deutlich konnte Roland die Unterhaltung der beiden Männer verfolgen, die sich etwa sechs bis acht Ruten von ihm entfernt befanden. »Was ist los, Gisbert? Wen hast du da angerufen?« »Ich könnte schwören, eine dunkle Gestalt gesehen zu haben!« »Wo?« »Dort!« Die Fackel deutete in die richtige Richtung. Aber der Ritter mit dem Löwenherzen hatte Glück. »Ich sehe nichts, Gisbert. Mich deucht, du hast vielleicht zu viel Met getrunken.« »Ich sehe auch nichts mehr, aber ... Potztausend, ich trinke fünf Humpen Met und kann noch immer meinen Augen trauen!« Zu Rolands Erleichterung kamen die beiden Männer schließlich doch zu der Ansicht, daß sich außerhalb der Mauern nichts bewegte. Aber es war wohl keine Frage, daß sie von nun an besonders wachsam sein würden. Rolands Chancen, unbemerkt wieder auf die andere Seite zu kommen und nach Möglichkeiten zu suchen, Volker, Jacques, die beiden Knappen und den Grafensohn zu befreien, standen schlecht. Über die Felswand gab es keinen Weg, blieb also nur die Mauer, die erstiegen werden mußte. Dazu aber würden es die Wächter jetzt kaum noch kommen lassen. Zumindest in der nächste Stunde nicht. Roland wartete ein Weilchen, bis sich der Fackelschein etwas entfernte. Dann zog er sich vorsichtig weiter von der Mauer zurück. Nun war guter Rat teuer. Eine ganze Weile überlegte der Ritter mit dem Löwenherzen noch, dann kam er zu einem Entschluß. Er brauchte in jedem Fall zunächst
einmal Waffen, ein Schwert oder wenigstens ein starkes Messer. Und er brauchte ein Seil sowie ein paar Reittiere. Ihm blieb also gar nichts anderes übrig, als sich auf den Weg zum nächsten Dorf zu machen und dort sein Glück zu versuchen. Gedacht, getan. Roland wandte der Trutzenburg den Rücken zu und schritt davon. Den Weg hinunter ins Tal konnte er nicht verfehlen, denn es gab nur einen einzigen. Bald hatte er den Fuß des Hügels erreicht, auf dessen Gipfel die Trutzenburg errichtet worden war. Er erinnerte sich, daß er auf dem Hinweg eine Siedlung in nördlicher Richtung gesehen hatte. Am klügsten war es wohl, diese Siedlung aufzusuchen, auch wenn er noch mindestens drei Meilen zurücklegen mußte. Rüstig schritt er aus. Die Landschaft, durch die er marschierte, war überwiegend felsig und bestand aus Brachland. Gesträuch und Gruppierungen von Nadelbäumen bestimmten die Szenerie. Plötzlich blieb Roland ruckartig stehen. Er hatte etwas gehört, unbestimmte Geräusche, die vor ihm in der Dunkelheit laut geworden waren. Ein Tier? Möglich, sogar wahrscheinlich, denn jetzt war schon nichts mehr zu hören. Roland ging weiter. Nach etwa zwanzig Schritten blieb er jedoch wieder stehen. Unfreiwillig allerdings. Die fünf, sechs Männer, die wie Schemen aufgetaucht waren und ihn nun von allen Seiten umringten, ließen ihm keine andere Wahl. * »Ah«, sagte der große, breitschultrige Mann roten Haaren, »so sieht man sich also wieder!« Roland erkannte den anderen auf Anhieb. Es als der Anführer der Wegelagerer, die ihn und Hohlweg überfallen hatten. Wie hieß
mit den flammenden war niemand anderes seine Freunde in dem er doch gleich?
Lämmerschling! So hatte ihn der Ritter Haldemar genannt. Es hatte Roland nicht sonderlich überrascht, daß er nun abermals überfallen worden war. Wo Wegelagerer in der Gegend waren, mußte man jederzeit damit rechnen. Was ihn jedoch aufs äußerste verblüffte, war die gewaltige Zahl von Kumpanen, die der Räuberhauptmann um sich geschart hatte. Soweit er das erkennen konnte, mußte es sich um Hunderte, ja vielleicht sogar um Tausende handeln. Es hatte fast den Anschein, als hätten sich die Männer - es waren allerdings auch einige Frauen darunter - aufgemacht, um in einen Krieg zu ziehen. Anders als beim ersten Mal hatte Roland jetzt keine Möglichkeiten, den Rotschopf in seine Gewalt zu bringen. Die Männer, die ihn gefangengenommen hatten - eine Vorhut der riesigen Horde offenbar - waren kein Risiko eingegangen. Zu fünft hatten sie ihn gepackt und ihm die Hände auf dem Rücken zusammengebunden. Natürlich hatte sich Roland nach Leibeskräften gewehrt. Vergeblich jedoch, denn gegen die Übermacht war kein Kraut gewachsen gewesen. Er hatte allenfalls die Genugtuung, dem einen seiner Gegner ein blaues Auge und einem zweiten eine achtbare Zahnlücke verpaßt zu haben. Nun aber sah es so aus, als habe er einen ganz schlechten Würfelwurf vorgelegt. Die Miene des Anführers versprach wenig Gutes. »Antworte, wenn ich mit dir spreche, Ritterhund«, sagte der Rothaarige, der sich sichtlich im Glanz seiner Macht über Roland sonnte. »Es ist nicht meine Art, mit Strauchdieben und Verbrechern zu reden«, erwiderte Roland stolz. »Vor allem dann nicht, wenn diese Strauchdiebe meinen, sich mit mir auf eine Stufe stellen zu können und mich duzen zu dürfen. Wenn du also etwas von mir willst, Strauchdieb, dann sprich mich gefälligst in gebührender Form an!« Laute des Unmuts wurden von den Umstehenden ausgestoßen. Einer knuffte Roland roh in die Rippen. Andere verlangten, ihm unverzüglich die Kehle durchzuschneiden. Der Rothaarige hingegen ärgerte sich nicht. Er lachte sogar
lauthals. »Du bist ein mutiger Mann, Ritterhund. Sonst würdest du es nicht wagen, in deiner Lage auch noch große Töne zu spucken. So etwas gefällt mir. Vielleicht ist es sogar schade, daß wir Feinde sind.« Roland zuckte die Achseln. »Bis neulich kannte ich dich nicht und verspürte deshalb auch keine Feindschaft gegen dich. Du selbst hast uns zu Feinden gemacht, indem du mich überfielst!« »Alle gräflichen Ritter sind meine Feinde«, sagte der Rothaarige entschieden. »Das liegt in der Natur der Sache.« »Gräflicher Ritter?« echote Roland. »Ich bin kein Getreuer des Grafen von Trutzen, falls du das meinst.« »Du kommst geradewegs von der Trutzenburg, oder?« »Ja, aber ...« »Das genügt! Im übrigen sind alle Ritter ausgemachte Schurken und Halsabschneider, gleichgültig welchem Herren sie dienen. Niemals rührte einer von ihnen den Finger, um einem der unsrigen eine Wohltat zu erweisen. Ihr seid nur dazu da, uns zu tyrannisieren und auszubeuten. Und darum habt ihr alle den Tod vieltausendfach verdient!« Roland wußte, daß es sinnlos war, dem Mann zu widersprechen. Der Rothaarige war so voller Haß auf alle, die ein Schwert trugen, daß er mit Worten sicherlich nicht umzustimmen war. Und seine Kumpane waren keinen Deut anders. Wieder wurden Forderungen, ihm endlich den Garaus zu machen, laut. Zahllose Augenpaare, in denen keine Gnade war, durchbohrten Roland förmlich. Im stillen wußte der Ritter mit dem Löwenherzen, daß er diesen Haß nur einem einzigen zu verdanken hatte: dem Grafen von Trutzen nämlich. Er hatte selbst gesehen, wie Eberhard mit seinen Untertanen umsprang. Die Einstellung der Leute war daher nicht einmal unverständlich. »Der Kopf des Ritters soll rollen!« rief einer. »Vierteilt ihn«, verlangte ein anderer. Johlender Beifall aus einer Vielzahl rauher Kehlen war diesen beiden Vorschlägen gewiß.
Der Rothaarige hatte seine eigenen Vorstellungen. »Lämmerschling haben sie mich genannt«, sagte er laut. »Sei es drum, ich werde meinem Namen alle Ehre machen!« Im nächsten Augenblick hatte er ein geflochtenes Seil in der Hand, das er unverzüglich mit einer Schlinge versah. Roland konnte sich nicht dagegen wehren, die Schlinge um den Hals gelegt zu bekommen. »Siehst du diesen Baum, Ritterhund?« fragte der Rothaarige und zeigte auf eine knorrige Kiefer, die am Wegesrande stand. »Daran sollst du hängen, den Bussarden als Nahrung und deinen ritterlichen Freunden zur Mahnung und Warnung!« Roh wurde Roland zu der Kiefer hinübergezerrt. Der Rothaarige warf das Seilende um einen Ast und fing es wieder auf. Jetzt brauchte er nur noch an dem Strick zu ziehen und dann ... »Grüß mir den Teufel, Ritterhund«, sagte der Anführer mit einem bösen Auflachen. In diesem Augenblick, in dem Roland bereits mit seinem Leben abgeschlossen hatte, geschah etwas gänzlich Unerwartetes. Aus der großen Schar von Menschen, die im Hintergrund stand und dem Schauspiel zusah, löste sich plötzlich ein junger Bursche und kam eiligen Schrittes herbeigelaufen. »Haltet ein, Hauptmann«, rief er mit lauter Stimme. »Hängt den Ritter nicht auf!« Unwilliges Gemurmel wurde in der Menge laut. Und auch das Gesicht des Rothaarigen war nicht gerade freundlich, als er sich dem Burschen zuwandte. »Was soll das heißen, Karlemann Diederich?« fragte er scharf. »Bestimmst du jetzt hier, was geschieht, weil du der Sohn des Schultheiß von Zweikirchen bist?« Der Bursche ließ sich nicht aus der Fassung bringen. »Dieser Ritter verdient den Tod nicht. Er hat mir das Leben gerettet, und sich selbst dabei in größte Gefahr gebracht!« Jetzt erkannte Roland den Burschen. Es war der, den er davor bewahrt hatte, von den Hunden Graf Eberhards in Stücke gerissen zu
werden. Der Lämmerschling zögerte. »Das soll der Ritter sein, von dem du mir erzählt hast, Karlemann?« »Ja, Hauptmann!« Der junge Bursche lächelte Roland an, und der Ritter mit dem Löwenherzen erwiderte das Lächeln. Der Rothaarige sah ihn unentschlossen an. »Sagt mir, warum Ihr den Burschen gerettet habt, Ritter.« Mit großer Erleichterung nahm Roland zur Kenntnis, daß der Anführer plötzlich dazu übergegangen war, ihn so anzureden, wie es einem Ritter zustand. Das war sicherlich ein gutes Zeichen. Zwar hatte er noch immer die Schlinge um den Hals, aber für den Augenblick schien Gevatter Tod ein paar Schritte zur Seite getreten zu sein. »Ich habe den Jungen gerettet, weil ich keineswegs ein solcher Schurke bin, wie du mich vorhin hingestellt hast, Lämmerschling. Ich habe ihn gerettet, weil in meinen Augen auch Bauernburschen Menschen sind. Zum Lohn dafür ließ mich Graf Eberhard ins Verlies werfen, dem ich nur mit großer Mühe entkommen konnte.« »Das ist wahr?« »So wahr mir Gott helfe!« Der Rothaarige spielte fahrig mit dem Seilende, das er noch immer in der Hand hielt. »Dann seid Ihr also kein Freund, sondern ein Feind des Grafen von Trutzen?« Roland nickte. »Das wollte ich bereits vorhin sagen. Aber es war niemand da, der mich anhören wollte.« »Gebt ihn frei, Hauptmann«, sagte der junge Bursche. »Der Ritter steht auf unserer Seite.« Noch einmal zögerte der Lämmerschling kurz. Dann trat er auf Roland zu und löste die Halsschlinge. *
Die Morgendämmerung war nicht mehr fern, als das Bauernheer am Fuße des Burghügels anlangte. An der Spitze der zu allem entschlossenen Menschenmenge schritten Rodulf Lamm und Roland. Die beiden Männer, die nicht nur von der Statur und dem Alter her manches gemeinsam hatten, verstanden sich mittlerweile so prächtig, daß die Standesunterschiede zwischen ihnen nicht ins Gewicht fielen. Das lag nicht zuletzt auch daran, daß Roland keinen Dünkel kannte. Er war selbst ein Mann, der aus dem Volke kam. Aufgewachsen als Sohn eines Köhlers, war er erst durch den Ritterschlag König Artus' in den Stand der Noblen erhoben worden. Und er hatte seine Jugend niemals vergessen. Rodulf Lamm machte keinen Hehl daraus, daß er sehr froh über Rolands Entschluß war, beim Sturm auf die Trutzenburg mitzumachen. Ein Teil der Last und der Verantwortung, die auf seinen Schultern ruhten, war dadurch von ihm genommen. Und auch Roland war froh über die Entwicklung der Dinge. Seine anfängliche Absicht, die gefangenen Freunde ganz allein aus ihren Verliesen herauszuholen, war bei nüchterner Betrachtung ein schier aussichtsloses Unterfangen. Als Verbündeter der aufständischen Bauern jedoch sah die ganze Sache schon anders aus. »Wie gehen wir vor?« fragte Rodulf Lamm, der den Namen Lämmerschling gar nicht so gerne hörte. »Umstellen wir den Hügel von allen Seiten?« »Das wird nicht nötig sein. Wenn wir uns auf die Vorderseite beschränken, reicht das vollkommen aus.« »Wirklich?« zweifelte der Rothaarige. »Ich möchte unter allen Umständen vermeiden, daß sich der Tyrann heimlich davonstiehlt.« »Es gibt nur einen Weg, auf dem man die Burg verlassen kann«, beruhigte ihn der Ritter mit dem Löwenherzen. »Und zwar den Weg, den wir jetzt hinaufziehen.« »Ihr müßt es wissen, Ritter Roland, denn Ihr kennt die Trutzenburg besser als ich.« Dem war nichts hinzuzufügen. In breiter Front bewegte sich die Heerschar den Serpentinenweg hinauf.
»Ob der Graf und seine Getreuen schon ahnen, was auf sie zukommt?« sinnierte Rodulf Lamm. »Das ist wahrscheinlich«, antwortete Roland. »Von der Burgmauer aus hat man einen weiten Blick ins Tal. Und da sich die Nacht langsam zu lichten beginnt... Aufmerksame Wächter müßten unsere Annäherung inzwischen bemerkt haben, zumal diese ja nicht gerade lautlos erfolgt.« In der Tat machte eine so große Menschenmasse, wenn sie sich vorwärts bewegte, einigen Lärm. Die Trutzenburger mußten schon auf ihren Augen und Ohren sitzen, wenn sie jetzt noch völlig ohne jede Ahnung waren. Bevor die Aufständischen das Plateau vor der Burgmauer erreichten, ließ Rodulf, der sich mit Roland abgesprochen hatte, die ganze Heerschar anhalten. »Jetzt gilt es, Freunde«, rief er die Männer und Frauen an. »Aber wir wollen nicht wie ein wilder Hühnerhaufen auf die Burg des Tyrannen losstürmen, sondern mit Bedacht und Überlegung vorgehen.« Beifälliges Nicken von allen Seiten war die Antwort. »Wir gehen in mehreren Wellen vor«, fuhr der Rothaarige fort. »Zunächst brauchen wir alle Bogenschützen und Steinschleuderer. Tretet nach vorne, Freunde!« In der Menge entstand ein wildes Gedränge und Geschiebe, wobei es auch nicht ohne unflätige Worte abging. Von Ordnung und Disziplin hatte dieser zusammengewürfelte Haufen natürlich niemals etwas gehört. Eine für Roland überraschend große Anzahl von Männern löste sich aus der Menge. Es waren weit mehr als hundert, die über Bögen und Schleudern verfügten. Dazu hatten fast alle roh zusammengehauene Bretter bei sich, die als Schilde Verwendung finden sollten. »Nun die Leiterträger«, kommandierte Rodulf Lamm. Diesmal dauerte es noch etwas länger, bis die aufgerufenen Männer nach vorne traten. Dies war aber nur zu verständlich. Die
Leitern, die bis zum Fuße des Berges auf Ochsenkarren transportiert worden waren, mußten jetzt per Hand getragen werden. Und da sie zum Teil sehr schwer und unhandlich waren, brauchte dies seine Zeit. »Und nun brauchen wir noch Freiwillige für die erste Sturmtruppe!« Jetzt wurde das Gedränge noch größer. Fast jeder wollte dabei sein. Und das, obwohl die Gefahr, schnell sein Leben zu verlieren, nicht gerade gering war. Roland kam nicht umhin, dem Anführer der Aufständischen seine Anerkennung auszusprechen. Es war Rodulf Lamm wirklich gelungen, die Leute mit echter Kampfesbegeisterung zu erfüllen. Und auch was die Utensilien anging, die zum Sturm auf die Burg erforderlich waren, hatte er bestens vorgesorgt. Selbst ein erfahrener Ritter hätte es nicht viel besser machen können, das mußte Roland neidlos zugeben. »Seid ihr bereit, Freunde?«
»Ja!«
Der vielstimmige Antwortschrei war wie das Geräusch des
Donners. Roland fand diesen Ausdruck der Bereitschaft allerdings nicht so gut. Jetzt war bestimmt auch der hartnäckigste Siebenschläfer der Trutzenburg wach geworden. Die Streitmacht setzte sich auf ein Zeichen Rodulfs wieder in Bewegung. Daß die Trutzenburger nicht auf ihren Augen und Ohren saßen, zeigte sich alsbald. Als die Spitze der Heerschar das Plateau erreichte, wurde sie gleich von einer schneidenden Stimme empfangen. »Halt!« Rodulf gab das Zeichen zum Stehenbleiben. »Was soll dieser Aufmarsch?« meldete sich der Trutzenburger wieder, in dem Roland sogleich den Ritter Haldemar erkannte. »Seid ihr toll geworden?« Noch war es längst nicht hell genug geworden, um klar und
deutlich sehen zu können. Dennoch war erkennbar, daß sich auf der Schutzmauer eine größere Anzahl von schattenhaften Gestalten aufhielt. Rodulf Lamm, der ebenfalls ein Bretterschild bei sich trug, zögerte nicht mit der Antwort. »Wir wollen nicht mehr und nicht weniger als Eure Kapitulation«, rief er zur Burg hinüber. »Ergebt Euch freiwillig, und wir jagen Euch nur mit Schimpf und Schande davon. Leistet Ihr jedoch Widerstand, werden wir das Leben keines einzigen schonen!« Sekundenlang kam keine Antwort. Dann hörte man Haldemars Lachen, in das gleich auch andere Trutzenburger einfielen. »Du bist der Lämmerschling, nicht wahr?« rief Haldemar. »Oder sollte ich vielleicht »Graf von Lämmerschling« sagen?« »Ich erwarte eine Antwort«, rief Rodulf Lamm, ohne auf den Spott des Ritters einzugehen. »Hier hast du unsere Antwort!« Schon im nächsten Augenblick war die Luft von einem verräterischen Surren erfüllt. Ein Pfeilregen jagte der Bauernstreitmacht entgegen. Und nicht alle, die vornan standen, konnten sich dem aus der Dunkelheit heraneilenden Verderben mit ihren Schilden schnell genug entgegenstemmen. Schmerzensschreie gellten auf, als die bei den herrschenden Lichtverhältnissen nicht einmal genau gezielten Geschosse ihre Opfer fanden. »Bogenschützen und Schleuderer, schießt zurück!« befahl der Lämmerschling. Auf dieses Kommando hatten die Aufständischen gewartet. Pfeile schossen von den Bogensehnen, und faustgroße Steinbrocken wurden der Burg entgegengeschleudert. Die Geschosse klatschten gegen die Mauer, prallten an der Brüstung ab oder gingen über sie hinweg. Und es war durchaus möglich, daß dieser oder jener Getreue des Grafen getroffen wurde. Es war schwer, zwischen Wut- und Schmerzensschreien zu unterscheiden. »Weiter, weiter«, feuerte Rodulf Lamm seine Männer an. »Ihr
müßt den anderen Schutz geben!« Die Anzahl der Schützen war groß genug, um dieser Aufforderung nachkommen zu können. Ungeachtet der Geschosse, die natürlich die Verteidiger weiterhin heranjagen ließen, schossen sie, was ihre Schleudern und Bögen hergaben. »Leiterträger ... vor!« kommandierte der Lämmerschling. Todesmutig rannten die braven Männer los, ihre Leitern zu zweit oder auch allein tragend. »Sturmtruppe ... ihnen nach!« Die nächste Gruppe setzte sich in Bewegung, stürmte mit vorgehaltenen Schildern zur Burgmauer hinüber. Rodulf Lamm winkte einen seiner Männer herbei. »Ja, Hauptmann?« »Ich übertrage dir hier das Kommando, Heribert. Wenn du siehst, daß wir die Mauer erklommen haben, schickst du die nächste Truppe los. Und wenn sich das Tor öffnet...« »Kommen wir alle«, nickte Heribert. »Ich habe verstanden, Hauptmann!« Es brannte Roland auf den Nägeln, sich den über das Plateau hetzenden Männern anzuschließen. Aber er wollte in der Nähe des Lämmerschlings bleiben. Wenn dieser eine grundfalsche Entscheidung treffen wollte, mußte er die Möglichkeit haben, einen gegebenen Befehl wieder rückgängig zu machen. Bisher jedoch hatte der Hauptmann der Aufständischen seine Sache ganz ausgezeichnet gemacht. »Kommt, Ritter Roland, nun auch wir!« Rodulf Lamm, Schild in der linken, ein Schwert in der rechten Hand, rannte los. Roland war sofort an seiner Seite. Auch der Ritter mit dem Löwenherzen besaß Schild und Schwert. Beides hatte er von einem der Aufständischen bekommen. Das Schwert lag zwar etwas zu leicht in seiner Hand, aber es war scharf geschliffen und gut zu handhaben. Der Lauf über das Plateau war wie ein Gang durch die sieben Schlünde der Hölle, nicht nur für Roland und Rodulf Lamm, sondern
auch für alle anderen. Zwar belegten die Männer, die für die Rückendeckung der Angreifer sorgten, die Trutzenburger mit einem wahren Hagel von Geschossen ein. Aber die Getreuen Graf Eberhards schossen zurück. Sie zielten besser und hatten auch das freiere Schußfeld. Allein die ungünstigen Lichtverhältnisse bewahrten die Streitmacht des Lämmerschlings vor einer Katastrophe. Aber auch so kam es zu schweren Verlusten. Die Todesschreie der Sterbenden und das Schmerzgebrüll der Verletzten kündeten von der Treffsicherheit der Gräflichen. Auch Roland hätte es beinahe erwischt. Im letzten Augenblick gelang es ihm noch, sein Schild hochzureißen. Sonst wäre seine Kehle von einem Pfeil durchbohrt worden. Inzwischen hatten bereits mehrere der Leiterträger die Burgmauer erreicht. Hastig bemühten sich die Männer, die Klettergeräte aufzustellen, um es den nachdrängenden Kämpfern zu ermöglichen, die Mauer zu stürmen. Aber natürlich versuchten die Gräflichen, genau das zu verhindern. Die Leiterträger unter Beschuß zu nehmen, war für sie sehr schwierig, weil sich diese überwiegend im toten Winkel befanden. Darum unternahmen die Verteidiger alle Anstrengungen, die aufgestellten Leitern wieder umzustoßen. Und damit hatten sie auch Erfolg. Eine Reihe von Kletterern, die bereits auf dem Weg nach oben waren, stürzten von den umkippenden Leitern herunter. »Haltet die Leitern fest, ihr Narren«, rief Roland, als er ebenfalls am Fuß der Mauer ankam. »Stützt sie, so daß sie nicht von oben umgeworfen werden können.« In dem allgemeinen Lärm hatte er es schwer, sich verständlich zu machen. Ein paar Leiterträger begriffen jedoch, was er meinte. Zu mehreren Mann stemmten sie sich gegen die Holme der Leitern. Und so schafften sie es dann auch, das Umstürzen zu verhindern. Die ersten Angreifer erreichten jetzt die Mauerzinnen und versuchten, auf den Wehrgang zu gelangen. Sofort wurden sie in wilde Handgemenge mit den Verteidigern verwickelt. Und dabei
hatten die im Nahkampf erprobten Ritter alle Vorteile auf ihrer Seite. Mann um Mann wurden die tapferen Leute des Lämmerschlings, die mit dem Mute der Verzweiflung kämpften, zurückgeschlagen und wieder nach unten befördert. Roland beschränkte sich nicht darauf, gute Ratschläge zu geben. Wenn einer eine Bresche in die Reihen der Verteidiger schlagen konnte, dann war er es. »Haltet gut fest«, sagte er zu den Männern, von deren Leiter gerade ein Kämpfer hinuntergestürzt war. Fest packten die Bauern zu, und Roland stürmte mit erhobenem Schwert die Leiter empor. Aber er schaffte es nicht, nach oben zu kommen. Die Getreuen Graf Eberhards wandten jetzt noch eine weitere Verteidigungstaktik an. Schwere Gesteinsbrocken wurden über die Mauerbrüstung gestoßen. Einer dieser Felsklötze stürzte genau auf den Ritter mit dem Löwenherzen zu. Nur mit einem schnellen Sprung von der Leiter konnte sich Roland in Sicherheit bringen. Einer der beiden Männer am Fuß der Leiter war nicht so glücklich. Er wurde voll von dem Brocken getroffen, kam nicht einmal mehr dazu, einen Schrei auszustoßen. Er war auf der Stelle tot. Anderen ging es genauso. Die Felsklötze brachten die Angreifer ziemlich durcheinander. Tollkühnheit und Kampfesbegeisterung bekamen einen Dämpfer. Einige Stimmen, die zum Rückzug rieten, wurden laut. Davon wollte Rodulf Lamm nichts wissen. »Bleibt, wo ihr seid!« tönte er so laut, wie er nur konnte. »Zeigt, daß ihr Männer seid und keine Hasen, die vor dem ersten Fuchs davonlaufen!« Es gelang dem Hauptmann der Aufständischen noch einmal, seine Männer bei der Stange zu halten. Abermals wurden die Leitern angestellt, abermals stürmten die Kämpfer die Sprossen empor. Dann jedoch griffen die Gräflichen zu einer weiteren Waffe. Glühend heißes Pech wurde auf die Angreifer hinuntergeschüttet, mehr und immer mehr. Die Pforten der Hölle schienen sich geöffnet
zu haben, um jeden zu verderben, der sich zu nahe heran wagte. Jetzt gab es für die Streitmacht des Lämmerschlings kein Halten mehr. In wilder Flucht stürzten die Männer davon, um sich aus der Reichweite der tödlichen Gefahr zu entfernen. Auch Roland erkannte, daß es so nicht möglich sein würde, die Burg zu erstürmen. Er zog sich ebenfalls zurück. * Es hatte Rodulf Lamm und Volker sehr viel Mühe und Anstrengung gekostet, die Streitmacht zusammenzuhalten. Der Mut der Leute war gebrochen, ihre Zuversicht, das große Ziel erreichen zu können, dahingeschwunden. Die Toten und die Verletzten, die sie in aller Eile geborgen hatten, waren für sie ein allzu augenfälliger Beweis für die Unbesiegbarkeit der gräflichen Ritter. Dennoch hatten es Roland und der Lämmerschling geschafft, ihre Mitstreiter dazu zu bewegen, noch eine zweite Attacke zu wagen. Eine Attacke, die allerdings unter veränderten Umständen vonstatten gehen würde - wenn Rolands vorbereitende Maßnahmen von Erfolg gekrönt waren! Alle Angehörigen des Bauernheeres hatten sich unterhalb des Plateaus vor den Pfeilen und Steinen der Trutzenburger in Sicherheit gebracht. Jetzt jedoch stürmte eine größere Anzahl von Kämpfern wieder gegen die Burgmauer vor. Dieser Angriff war jedoch nur ein Scheinangriff, bei dem jeder einzelne vor allem darauf bedacht war, sich mit seinem Schild zu schützen. Die Attacke sollte nur von dem wahren Geschehen ablenken. Und im Mittelpunkt dieses wahren Geschehens standen Roland, Rodulf Lamm und vier weitere Leute aus der Gruppe des Lämmerschlings. Die sechs Männer rückten gemeinsam mit den anderen vor, sonderten sich dann jedoch sehr schnell ab. Ihr Ziel war jene Stelle am Rand des Plateaus, an der Roland nach seiner Flucht aus dem Verlies herausgekommen war. Der Ritter mit dem Löwenherzen blickte zur Burgmauer hinüber. Es war heller geworden, so daß man inzwischen etwa zehn Klafter
weit sehen konnte, wenn auch undeutlich und verschwommen. Erleichtert atmete er auf. Es hatte nicht den Anschein, als ob die Verteidiger auf ihn und seine Begleiter achteten. Die Gräflichen konzentrierten ihre ganze Aufmerksamkeit auf den Scheinangriff. Gut so! »Kommt«, sagte er zu seinen Kampfesbrüdern. Er selbst machte den Anfang und ließ sich mit den Füßen zuerst zu der Spalte hinunter, die den Fels durchschnitt. Ohne lange zu zögern, kletterte er weiter abwärts. Nacheinander folgten Rodulf Lamm und die übrigen vier Männer. Binnen kürzester Zeit hatten sie alle sechs den Fuß der Föhre erreicht. Und sie konnten mit großer Sicherheit davon ausgehen, daß keiner der Burgbewohner etwas von ihrer Annäherung ahnte. Mit zusammengekniffenen Augen starrte er auf den Turm, in dem sich Winfried von Trutzens Verlies befand. Im Grau des Dämmerlichts konnte er auf Anhieb eine dunklere Stelle ausmachen. Die Öffnung, durch die er entflohen war! Der junge Grafensohn hatte sie also doch nicht wieder geschlossen. Ein Stein, der schwerer war als der, der in dem Loch gesteckt hatte, fiel Roland vom Herzen. Wenn Winfried den Quader wieder an seinen Platz gewuchtet hätte, wäre sein Plan von vornherein gescheitert gewesen. So jedoch bestanden gute Aussichten, daß er verwirklicht werden konnte. Auch Rodulf und die anderen vier Männer waren voller Freude. Ihre fast schon aufgegebenen Hoffnungen, Eberhard von Trutzen das tyrannische Handwerk zu legen, bekamen neue Nahrung. »Jetzt wollen wir nur hoffen, daß der Gefangene uns hört«, murmelte Roland. Er legte beide Hände vor den Mund, formte einen Trichter. »Winfried!« rief er dann halblaut. Und noch einmal: »Winfried!« Mehrere Sekunden gespannter Erwartung vergingen. Dann glaubte Roland, drüben eine Bewegung feststellen zu können. »Winfried, ich bin es«, rief er. »Ritter Roland!« »Roland?« echote eine schwache Stimme, die Stimme des jungen Grafensohns.
Der Ritter mit dem Löwenherzen triumphierte innerlich. Winfried hatte ihn gehört und zweifellos auch erkannt. »Wir sind gekommen, um Euch zu befreien«, teilte er dem Grafensohn mit. »Aber Ihr müßt uns dabei helfen.« »Was kann ich schon tun?« schallte es kaum hörbar zurück. »Wir werfen Euch jetzt ein Seil hinüber. Ihr braucht es nur aufzufangen und es irgendwo im Verlies zu befestigen. Habt Ihr mich verstanden, Winfried?« »Ich habe Euch verstanden!« »Gut, dann haltet Euch bereit!« Einer der Männer gab Roland das Seil, das er bisher auf dem Rücken getragen hatte. Ein faustgroßer Stein war am Ende festgebunden, um einen stabilen Flug zu gewährleisten. Sich mit der linken Hand festhaltend, um nicht das Gleichgewicht zu verlieren, rollte Roland das Seil auf und nahm den Stein fest in die Rechte. Dann bog er den Arm zurück, nahm Maß und schleuderte Stein und Seil zur Verlieswand hinüber. Die Entfernung betrug gute zehn Körperlängen. Aber Roland war ein starker Mann. Mit Leichtigkeit schaffte er es, den Stein weit genug zu werfen. Allerdings hatte er nicht genau gezielt. Der Stein verfehlte sein Ziel, prallte gegen die Wand und fiel dann in die Tiefe. Das Seil in Rolands Hand wurde ganz leicht. Der Stein hatte sich aus der Schlinge gelöst. Dadurch ließ sich der Ritter mit dem Löwenherzen jedoch nicht entmutigen. Flugs holte er das Seil wieder ein und befestigte einen neuen Stein daran, den ihm einer seiner Begleiter reichte. »Paßt auf, Winfried«, rief er zum Verlies hinüber. »Wir versuchen es erneut.« Bevor er den zweiten Versuch unternahm, blickte er sich noch einmal prüfend in der Umgebung um. Nichts deutete darauf hin, daß das Unternehmen im Rücken der Gräflichen von irgend jemandem bemerkt worden war. Jedenfalls konnte er an den höher gelegenen Fenstern keine Menschenseele erspähen. Leicht gedämpft drang vom Plateau Kampfeslärm herüber. Die Streitmacht des Lämmerschlings
nahm also noch immer die ganze Aufmerksamkeit der Verteidiger in Anspruch. Wieder holte der Ritter mit dem Löwenherzen weit aus und schickte den Stein mit dem Seil auf die Reise. Und diesmal hatte er besser gezielt als beim ersten Mal. Wenn er es auch nicht genau erkennen konnte, wußte er, daß der Stein durch die Wandöffnung geflogen sein mußte. Der Fall in die Tiefe blieb aus, und Augenblicke später spürte er einen Zug am Seilende. »Ich habe es«, verkündete die schwache Stimme Winfrieds von Trutzen. »Dann macht es gut fest!« Wenig später spannte sich das Seil. Und auch als Roland kräftig daran zog, lockerte es sich nicht. »Geschafft!« sagte er befriedigt. Er wickelte das Ende, das er in der Hand hielt, ganz fest um den Stamm der Föhre. Und dann stand dem nächsten Schritt nichts mehr im Wege. Wieder machte Roland den Anfang. Er packte das Seil mit beiden Händen, überprüfte noch einmal seine Haltbarkeit und begann dann, sich langsam hinüberzuhangeln. Natürlich bog sich das Seil unter seinem Gewicht leicht durch. Und das Gefühl, über einem gähnenden Abgrund zu hängen, war auch nicht gerade angenehm. Aber jetzt war nicht der rechte Augenblick, sich darüber Gedanken zu machen, was passieren würde, wenn das Seil riß oder sich aus seiner Verankerung löste. Immer mit einer Hand über die andere greifend, kämpfte sich Roland weiter vorwärts. Näher und näher kam die Turmwand. Ganz genau konnte Roland jetzt schon die Öffnung erkennen. Und auch Kopf und Oberkörper des Grafensohnes, der ihm erwartungsvoll entgegenblickte, waren deutlich sichtbar. Augenblicke später war er am Ziel und kletterte durch die Öffnung in das Verlies. Winfried von Trutzen war außer sich vor Freude und Rührung. »Daß Ihr das für mich gewagt habt«, preßte er hervor. »Niemals
werde ich Euch das vergessen.« Roland legte ihm eine Hand auf die Schulter. »Ich habe es nicht nur für Euch gewagt, Graf Winfried«, sagte er offen. Dann schob er den Kopf durch das Loch und rief zur Föhre hinüber, daß der nächste kommen möge. Während sich nun auch Rodulf Lamm und seine Männer nacheinander daran machten, den Abgrund zu überqueren, erzählte er dem Grafen, was mit diesem Unternehmen außerdem bezweckt wurde. Winfried von Trutzen war mehr als erstaunt. Er hatte bisher gar nicht gewußt, daß die Trutzenburg belagert wurde. Zwar hatte er ferne Geräusche und Stimmen gehört, war aber nicht in der Lage gewesen, sich daraus ein klares Bild zu machen. »Ich weiß nicht, ob ich sehr glücklich über das bin, was Ihr da tut, Ritter Roland«, sagte er leise. »Es bringt Euch Eure Freiheit wieder, Graf Winfried!« »Dennoch! Es ist nicht recht, daß Bauern und Wegelagerer sich gegen ihren fürstlichen Herrn auflehnen.« »Euer Vater hat seine fürstliche Macht schmählich mißbraucht«, sagte Roland entschieden. »Er hat den gesamten Adels- und Ritterstand mit Schmach und Schande beladen. Glaubt nicht, daß ich ein Mann sei, der die überlieferte Ordnung stürzen will. Ich bin selbst ein Ritter und stolz darauf. Aber ein blutiger Tyrann wie Euer Vater...« »Wer soll nach meinem Vater kommen?« fragte der Grafensohn. »Will sich dieser ... Lämmerschling zum Herren des Landes aufschwingen?« Roland schüttelte den Kopf. »Weit gefehlt. Ich glaube kaum, daß der König einen halbfreien Bauern auf dem Grafenthron von Trutzen dulden würde. Und Rodulf Lamm hat auch gar nicht den Ehrgeiz, das Land zu beherrschen. Er und ich, wir haben ganz andere Absichten.« »Ihr selbst wollt Graf von Trutzen werden!« Roland lächelte. »Wiederum weit gefehlt. Wir dachten vielmehr an... Euch!«
»An ... mich?« »Gewiß. Ihr seid der rechtmäßige Erbe Eures Vaters, und wie Ihr selbst sagtet, besitzt Ihr durchaus Freunde unter den Getreuen des Grafen. Außerdem habe ich von meinem Kampfesgenossen gehört, daß Ihr Euch großer Beliebtheit im Lande erfreut. Welche Lösung läge also näher, als Euch zum Herrscher zu machen?« »Das muß ich erst in aller Ruhe überdenken«, sagte der Grafensohn langsam. »Tut dies«, nickte Roland. »Mich aber entschuldigt nun!« Während seines Gesprächs mit Winfried von Trutzen waren Rodulf Lamm und die vier anderen ebenfalls im Verlies angelangt. Der enge Raum wurde dadurch noch enger. Es gab gerade noch so viel Bewegungsfreiheit, um den nächsten Schritt zur Eroberung der Trutzenburg zu tun. Zwei der Männer hatten schwere Äxte mitgebracht. Roland und der Lämmerschling, die fraglos die Kräftigsten waren, nahmen je eine davon und machten sich sogleich ans Werk. Mit wuchtigen Hieben, von denen jeder einzelne ausgereicht hätte, einen Ochsen zu töten, rückten sie der schweren Bohlentür zu Leibe. Schon nach den ersten Schlägen erzitterte die Tür in ihren Festen. Das Holz ächzte und splitterte, und es dauerte nicht lange, bis sich die ersten klaffenden Risse zeigten. Unermüdlich hieben die beiden Recken weiter auf die Tür ein, so lange bis sie krachend aufflog. Der Weg war frei! Sekundenlang blieben alle Männer lauschend stehen. Aber es rührte sich nichts. Gegenwärtig hatten die Gräflichen Besseres zu tun, als sich um die Verliese zu kümmern. »Wohlan denn«, sagte Roland. Er nahm die Axt in die linke Hand und zückte mit der rechten das Schwert. Die anderen taten es ihm gleich. Dann verließen die Männer das Verlies und traten hinaus in den düsteren Kellergang, der von keiner Fackel erhellt wurde. Aber das war auch nicht nötig, denn Roland hatte sich den Weg nach oben sehr wohl gemerkt.
Einen Augenblick dachte er daran, auch Volker, die beiden Knappen und den Sänger Jacques d'Artagnac, die sicherlich in den benachbarten Verliesen schmachteten, zu befreien. Aber er stellte diesen Gedanken gleich wieder zurück. Ehe er die Freunde gefunden hatte, würde weitere Zeit vergehen. Und Zeit war jetzt, wo es draußen heller und heller wurde, das kostbarste Gut. Er und seine Begleiter bewegten sich den Gang entlang, bis sie an eine aufwärts führende Treppe gelangten. Niemand hinderte sie daran, die Treppe hinaufzueilen. Sie erreichten ein Zwischenpodest, das fraglos ebenfalls noch zu den Kellergeschossen gehörte. Ohne Zeit zu verlieren, machten sie sich daran, die nächste Wendeltreppe zu erklimmen. Dann endlich war auch diese Treppe zu Ende, und sie befanden sich zu ebener Erde. Und wenig später standen sie auf dem Burghof, ohne bisher auch nur einem einzigen Menschen begegnet zu sein. Und auch jetzt nahm noch niemand Notiz von ihnen, obwohl das Licht überall angebrachter Fackeln hell auf sie fiel. Die Getreuen des Grafen hielten sich ausnahmslos auf der Mauer auf. Und diejenigen Burgbewohner, die nicht am Kampf teilnahmen, dachten verständlicherweise nicht daran, die schützenden Gebäude zu verlassen. Alle, bis auf einen! Und dieser eine war Graf Eberhard. Der Herr der Trutzenburg stand mitten auf dem Hof und brüllte Anweisungen zu seinen Männern auf der Mauer hinauf. Und er war es dann schließlich auch, der Roland und seine Begleiter sah. Einen Augenblick lang stand er wie angewurzelt da. Dann stieß er einen wilden Schrei aus und griff nach seinem Schwert. »Überlaßt ihn mir«, raunte Roland dem Lämmerschling zu. »Kümmert Ihr Euch um das Tor!« Weitere Worte waren überflüssig. Rodulf Lamm und seine Männer setzten sich bereits in Bewegung. Und auch Roland tat dies. Nur daß er sich nicht dem Tor zuwandte,
sondern dem Grafen. Eberhard erwartete ihn schon. Kampfbereit stand er da, mit wutblitzenden Augen und erhobenem Schwert. »Verräter!« schrie er dem Ritter mit dem Löwenherzen entgegen. »Wer sich mit dem niederen Pack auf eine Stufe stellt, hat nichts als den Tod verdient.« Wild stürmte er auf Roland los. Der Zorn, der in ihm tobte, ließ ihn jede Vorsicht vergessen. Er drang auf Roland ein, als sei dieser ein aufsässiger Bauernbursche, den er zu züchtigen gedachte. Es bereitete dem Ritter mit dem Löwenherzen keinerlei Schwierigkeiten, die ungestüme Attacke abzuwehren. Dann ging er seinerseits zum Angriff über. Ein einziger Hieb genügte, um Eberhard von Trutzen entseelt zu Boden zu strecken. Im gleichen Augenblick war es Rodulf Lamm und seinen Freunden gelungen, das Burgtor von innen zu öffnen. Sekunden später strömten mehr als tausend von wildem Kampfesmut erfüllte Bauern und Handwerker auf den Hof. * Das große Gemetzel war ausgeblieben. Die Getreuen des Grafen hatten sehr schnell erkannt, daß sie dieser gewaltigen Übermacht niemals widerstehen konnten. Und als dann auch noch Winfried von Trutzen erschienen war und sie beschworen hatte, sich seiner Befehlsgewalt zu unterstellen, hatten sie alsbald die Waffen gestreckt. Der Grafensohn war der neue Herrscher der Trutzenburg, und alle waren es zufrieden, aufständische Bauern und Ritter gleichermaßen. Auch Volker, die beiden Knappen und der provenzalische Sänger jubelten vor Freude, als sie ihr Verlies wieder verlassen konnten. Nur eine war alles andere als hochbeglückt: Balthild, die schöne Grafentochter. Jetzt, als sie erkannte, daß Roland der große Sieger war, wollte sie dem Ritter mit dem Löwenherzen ihre Gunst schenken.
Aber darauf konnte Roland leicht verzichten. Er hatte nämlich festgestellt, daß Rodulf Lamm eine Schwester besaß. Und was für eine!
ENDE
Von der wilden Hundemeute gehetzt, brechen Hirsche aus dem Unterholz und rennen auf die Lichtung, wo die berittenen Jäger Lauerstellung bezogen haben. Herzog Adalbert und seine Jagdgenossen heben ihre Bogen. Noch warten sie, um das Rotwild näher herankommen zu lassen. Auch Otmar von Lützen hat seinen Bogen in Anschlag gebracht, doch er schießt nicht auf das Wild, sondern auf Herzog Adalbert. Adalbert stürzt schwerverletzt zu Boden. Er ist dem Sterben nah. Da überfällt ihn die Sehnsucht nach seiner Tochter Berthild. Er möchte sie sehen, sie,
Die verstoßene
Herzogstochter
Ritter Roland gerät in das Familiendrama. Wird er Herzog Adalbert den letzten Wunsch erfüllen können? Liebe Ritter-Roland-Freunde, holen Sie sich in 14 Tagen diesen spannenden Abenteuer-Roman von Günther Herbst. DM 1,60