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Christian Lindner (Hrsg.)
Avatare. Digitale Sprecher fur Business und Marketing Mit 54 Abbildungen
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Springer
Herausgeber: Christian Lindner Heideweg 18 42929 Wermelskirchen E-Mail:
[email protected] ISSN 1439-3107 ISBN 3-540-43992-7 Springer-Verlag Berlin Heidelberg New York Bibliografische Information Der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet tiber abrufbar. Dieses Werk ist urheberrechtlich geschiitzt. Die dadurch begriindeten Rechte, insbesondere die der Ubersetzung, des Nachdrucks, des Vortrags, der Entnahme von Abbildungen und Tabellen, der Funksendung, der Mikroverfilmung oder der Vervielfaltigung auf anderen Wegen und der Speicherung in Datenverarbeitungsanlagen, bleiben, auch bei nur auszugsweiser Verwertung, vorbehalten . Eine Vervielfaltigung dieses Werkes oder von Teilen dieses Werkes ist auch im Einzelfall nur in den Grenzen der gesetzlichen Bestimmungen des Urheberrechtsgesetzes der Bundesrepublik Deutschland vom 9. September 1965 in der jeweils geltenden Fassung zulassig. Sie ist grundsatzlich vergiitungspflichtig. Zuwiderhandlungen unterliegen den Strafbestimmungen des Urheberrechtsgesetzes. Springer-Verlag Berlin Heidelberg New York ein Unternehmen der BertelsmannSpringer Science+Business Media GmbH http://www.springer.de ©
Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2003
Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichenund Markenschutzgesetzgebung als frei zu betrachten waren und daher von jedermann benutzt werden diirften. Umschlaggestaltung: KiinkelLopka, Heidelberg Satz: Appl, Wemding Druck und Bindearbeiten: Druckhaus Berlin-Mitte, Berlin Gedruckt auf saurefreiem Papier SPIN: 10886589 33/3142 ud
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Vorwort
Zum Standardrepertoire von Science-Fiction-Autoren gehoren seit jeher Computer, die sprechen konnen und mit denen gesprochen wird. Einfachere und effizientere Benutzeroberflachen stehen dabei fur das Bedurfnis, Technologie menschenfreundlich zu gestalten. Daher werden Maschinen imaginiert, die iiber menschliche Kommunikationskompetenz verfugen, aber auch Zugriff auf iibermenschliche Fahigkeiten haben - wie z. B. "Data", der Androide aus der Fortsetzung des Weltraumepos .Raumschiff Enterprise", Tatsachlich hat die Weiterentwicklung der Bedienung der Rechnersysteme mit deren Verbreitung in allen Lebensbereichen nicht Schritt gehalten . Nach der Ersetzung der Befehlszeile mit Tastatureingabe durch die grafische Benutzeroberflache mit Maus herrscht Stillstand. Heute noch ist fiir die Textverarbeitung im Biiro, fur das Navigationssystem im Auto oder ftir Shops im Internet gleichermafien unbekannt wie irrelevant, was der Benutzer denkt oder fuhlt, Und das selbst dann, wenn der fur ein Unternehmen profitabelste Kunde verargert ist, wei! er eine Standardfunktion im Menii nicht finden kann. In Folge der Entwicklung neuer Geschaftsmodelle im Internet kiindigt sich jetzt aber ein Paradigmenwechsel an. Die sensible und an menschlichen Bediirfnissen orientierte Organisation des Mensch-MaschineVerhaltnisses wird fur interaktive Produkte, Dienstleistungen und E-Business-Modelle zu einem wichtigen Wettbewerbsfaktor werden. In absehbarer Zeit werden sich die Benutzer nicht mehr dem Rechner anpassen mussen, sondern der Rechner dem Benutzer. Eine Schliisselfunktion nehmen dabei embodied conversational agents wahr, also durch natiirliche Sprache steuerbare, verkorperlichte Softwareanwendungen. Diesem Komplex widmet sich dieser Band. Der - wissenschaftlich unscharfe - Begriff "Avatare" hat sich fur diese Technologie in den Medien etabliert. Er ist aus dem Hinduismus entliehen und bezeichnet urspriinglich Getter, die zu den Menschen auf die Erde kommen.
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Vorwort
Bereits 1966 hat der amerikanische Computertheoretiker Joseph Weizenbaum mit Eliza eine Software entwickelt, die als erste ihrer Art zumindest den Eindruck erwecken konnte, als wiirde sie mit Menschen .reden", indem sie auf jede Eingabe mit einer intelligenten Gegenfrage antwortete. Nach den fast schon psychoanalytischen Anfangen steht heute eine schleichende Revolution durch Dialogsysteme bevor, die Computeroberflachen menschlicher und personlicher machen werden. Intelligente und anthropomorphe Agenten werden mit den Usern in natiirlicher Sprache kommunizieren, sie auf der Suche nach Informationen und Produkten begleiten, sie beraten und ihnen alltagliche Aufgaben erleichtern. Es zeichnet sich ab, dass sich im Computer erschaffene Charaktere daruber hinaus etwa in der Werbung etablieren konnen, urn ihren Unternehmen damit tiber die Grenzen eines einzelnen Mediums hinweg ein Gesicht zu geben. Obwohl in dieser Technologie erste Ansatze bereits verfugbar sind, werden deren Chancen fur E-Business, Marketing und Werbung tiber eine enge Pachoffentlichkeit hinaus bisher kaum zur Kenntnis genommen. Eine Lucke, die dieses Buch zu verringern sucht. Die grundlegenden Fragen sind: Wie ist der Entwicklungsstand naturlichsprachlicher Computersysteme und kiinstlicher Unternehrnensreprasentanten! Wo liegen die Moglichkeiten, wo die Grenzen der neuen Technologien? Welche Fortschritte sind fur die Zukunft zu erwarten? Und wie konnen Unternehmen bereits heute von diesen Trends profitieren? Die Beantwortung dieser Fragen konfrontierte den Herausgeber mit einer Schwierigkeit. Zum einen sollte das Buch naturlich weit reichende Perspektiven in einer komplexen Materie aufzeigen, ohne aber Lesbarkeit und praktische Anwendbarkeit zu vernachlassigen. Zum anderen sind die Bestandteile anthropomorpher Benutzerschnittstellen heute noch in Softwareund Grafikanwendungen separiert, obwohl deren Konvergenz bereits absehbar ist. Beide Grtinde bedingten eine breite Streuung der beteiligten Autorinnen und Autoren sowie der behandelten Themen. Der Bogen spannt sich von den technologischen Grundlagen heute am Markt gangiger Dialogsoftware tiber Erfahrungen beim Einsatz virtueller Unternehmensreprasentanten in der Werbung bis zur Bedeutung nonverbaler Signale in der Mensch-Maschine-Interaktion. Dabei kommen neben Wissenschaftlern auch die im Markt bereits tatigen Unternehmen, Unternehmensberater und die Verantwortlichen ausgewahlter Projekte aus der Praxis zu Wort. Zu danken ist Nina Johanna Haltern und Thomas Koch ftir ihre Mitarbeit. Der Dank gebuhrt aber vor allem den Autorinnen und Autoren, die ihre Themen mit Kreativitat und Engagement bearbeitet haben . Koln, im Oktober 2002
Christian Lindner
Inhalt
Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . .. . .. . .. . .. .. . .. . . . ..
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Tell I Grundlagen Wer braucht wofur Avatare? Konzeption und Implementierung natiirlichsprachlicher Systeme - Zur Einfiihrung
Christian Lindner
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Die Bedeutung von naturlichsprachlichen Dialogsystemen im Internet-Business
Peter Samuelsen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25 Technische Grundlagen von naturlichsprachlichen Dialogsystemen
Dr. Karl-Ludwig von Wendt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37 Ein Quantensprung fur Dialogsysteme
Dr. Lutz-Peter Pape
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Tell II E-Business und Avatare .Jch habe Ihre Eingabe leider nieht verstanden" Qualitatskriterien fur Online-Tests von Bots
Michael Vetter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 71
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Inhalt
Strategien fur Dialogfuhrungssysteme - Automation der Kundenkommunikation im Kontaktkanal Internet
Marco Buschmann . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 93 Schon - schnell - schlau: Online-Marketing mit Avataren
Dr. Kai Buhler
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Avatare und die Usability von Websites
Dr. Thomas Wirth
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Support-Chat und Avatare als Mittel der personlichen Kundenbetreuung im World Wide Web
Madjid Salimi
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Cor@: Der Avatar der Deutschen Bank - Eine Fallstudie aus der Sicht des Auftragnehmers
Andre Peters
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PIA - Der virtuelle Einkaufs-Guide - Eine Fallstudie des Club Bertelsmann
Maja Priihner
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Ein virtueller Berater fur Yello - Auswahl, Implementierung und Betrieb eines Avatars
Interview mit Daniela Warnholtz
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Tell III Marketing und Avatare Darf's ein bisschen men schlicher sein? - Virtuelle Charaktere am Point of Sale
Alexander Stricker
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Robert T-Online - Eine Karriere zwischen Wirklichkeit und Cyberspace
RobertFuchs/Heiner Reiners
185
Robert T-Online - Ein universeller Markenbotschafter
Burkhard Grafimann
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Inhalt
IX
Avatare und Entertainment
Dr. Stefan Lichter
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It's time for a Strike! - Wahlkampf einer digitalen Prasidentschaftskandidatin
Peer-Arne Bottcher
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Tell IV Ausblick
Mehr als nur ein nettes Gesicht:
Embodied conversational interface agents Prof. Ph. D. Justine Cassell
247
Mit Hand und FuB - Die Bedeutung der nonverbalen Kommunikation ftir die Emotionalisierung von Dialogfuhrungssystemen
Prof. Dr. Georg Trogemann
267
Virtualisierung und Personalisierung - Technologietrends mach en Avatare zur innovativen Mensch-Maschine-Schnittstelle
Dr. Peter Wolff
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Literaturverzeichnis
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Autorenverzeichnis
Peer-Arne Bottcher Hiitten 112 20355 Hamburg
[email protected] Burkhard Graflmann Postfach 10 11 52 64221 Darmstadt
[email protected] Dr. Kai BUhler ButzweilerstraBe 255 50829 Koln
[email protected] Dr. Stefan Lichter Neusser Strafle 772 50737 Koln
[email protected] Marco Buschmann PierenkemperstraBe 13 45891 Gelsenkirchen
[email protected] Christian Lindner Heideweg 18 42929 Wermelskirchen
[email protected] Prof. Ph.D. Justine Cassell £15-31520 Ames Street Cambridge MA USA
[email protected] Dr. Lutz-Peter Pape Kaiserin-Augusta-Allee 10-11 10553 Berlin
[email protected] Maja Frohner RingstraBe 16-20 33378 Rheda-VViedenbruck maja.
[email protected] Andre Peters Jungfernstieg 49 20354 Hamburg
[email protected] Robert Fuchs Dusseldorfer StraBe 70-74 40545 Dusseldorf
[email protected] Heiner Reiners Dusseldorfer StraBe 70-74 40545 Dusseldorf
[email protected] XII
Autorenverzeichnis
Madjid Salimi Hohe Strafle 134b 50667 K6ln
[email protected] Daniela Warnholtz Taubenholzweg 1 51105 K6ln
[email protected] Peter Samuelsen Bramfelder Strafie 121 22305 Hamburg
[email protected] Dr. Karl-Ludwig von Wendt Am Sandtorkai 77 20457 Hamburg
[email protected] Alexander Stricker Richard-Wagner-StraBe 39 50674 K6ln
[email protected] Dr. Thomas Wirth 1m Entich 7A 64625 Bensheim
[email protected] Prof. Dr-Ing, Georg Trogemann Peter- Welter-Platz 2 50676 Koln
[email protected] Dr. Peter Wolff Munsterstrafie 246 40470 Dusseldorf peter. wolff@enjoyventure .de
Michael Vetter Seligenstadter Str. 14 63179 Obertshausen-Hausen
[email protected] Teill Grundlagen
Christian Lindner, Iahrgang 1979, arbeitet als Unternehmensberater in K61n. In den Bereichen Kommunikation und Business Development hat er Konzerntochter von RWE AG, SIEMENS AG, Verbande, Kreditinstitute und Start-up-Unternehmen beraten und Projekte verantwortlich geleitet. Er geharte zum Grtinderteam eines Solution Providers fur Avatare. Neben Buchund Zeitschriftenbeitragen zu kommunikations- und sozialwissenschaftlichen Themen erschien zuletzt das gemeinsam mit Dr. Hartmut Knuppel herausgegebene Buch "Die Aktie als Marke", das von der Financial Times Deutschland im Oktober 2001 als bestes nationales Finanzbuch des Iahres pramiert wurde. E-Mail:
[email protected] C. Lindner (ed.), Avatare © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2003
Wer braucht wofiir Avatare? Konzeption und Implementierung natiirlichsprachlicher Systeme - Zur Einfiihrung CHRISTIAN LINDNER
Avatare - Annaherung an einen Begriff Mit dem affective computing' ist ein Paradigmenwechsel im Verhaltnis zwischen Mensch und Rechner verbunden. Computer benotigen keine affektiven Pahigkeiten, urn zu kiinstlichen Menschen zu werden. Urn aber besser mit ihren menschlichen Nutzern interagieren zu konnen, ist neben Intelligenz auch Sensibilitat erforderlich. Gefuhle sind keine evolutionaren Relikte, sondern integrale Bestandteile von Wahrnehmungs-, Planungs- und Entscheidungsprozessen. Sie nicht in das Design von Mensch-Maschine-Schnittstellen mit einzubeziehen, ist ein regelrecht tradiertes Versaumnis, Eine neue Philosophie der Nutzerfreundlichkeit beginnt allerdings, Wirkungen zu entfalten: Ihr Ziel ist es, die Nutzung von Computer-Technologie fur eine grofsere Anzahl von Usern storungsfrei, intuitiv und komfortabel zu gestalten. Funktionierende Kommunikationsprozesse dienen okonomischen Interessen, weil sie Beriihrungsangste nehmen , etwa bei E-BusinessAnwendungen Bedienungsfehler reduzieren sowie Transaktionen erleichtern und beschleunigen.' Das Unternehmen Apple zeigt in einem Werbefilm beispielsweise die Vision eines elektronischen Butlers, dem der Kunde tiber einen millimeterdicken Bildschirm an der Wand Auftrage erteilen kann. Mit einem Verstandnis fur die menschliche Sprache, Intelligenz und dem Zugang zum Internet kann er definierte Aufgaben (z. B. Produkte recherchieren, ihre Preise vergleichen, Kaufprozesse einleiten) selbstandig erledigen.
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Rosalind W. Picard: Affective Computing, Cambridge 1997. Bestatigt und durch weitere Argumente unterstrichen wird dies dur ch die Untersuchung von Andreas Muther: Electronic Customer Care. Die Anbieter-Kunden-Beziehung im Informationszeitalter, Berlin 2000, S.39.
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Christian Lindner
Justine Cassell stellt mit Rea eine dieser Vision sehr nah kommende Anwendung vor.' Es handelt sich urn eine Software, die als anthropornorphe Figur visualisiert mittels vielfaltiger Eingabe- und Ausgabernodalitaten (Sprache, Haltung, Gestik und Mimik) einen fast zwischenmenschlichen Dialog fuhren kann , urn Immobilienprodukte auf der Grundlage von Nutzerpraferenzen in einer Datenbank zu suchen und zu prasentieren. Die Technologie ist also in Form eines Bildschirmbilds verkorpert (embodied), dialogfahig (conversational) und in der Lage, selbsttatig Aufgaben zu erfiillen (agent) - ein embodied conversational agent.' SoftwareProzesse werden hier nicht mehr mit Maus oder Befehlssyntax, sondern mit der Stimme und moglicherweise erganzend durch nonverbale Kornmunikationsmittel" (bzw. in weniger komplexen Varianten dieses Konzepts durch die Eingabe von natiirlicher Sprache iiber die Tastatur) gesteuert. Der Begriff des embodied conversational agent fuhrt die drei Elemente Dialogfahigkeit, Verkorperlichung und selbsttatige Leistungserbringung einer Software zusammen, die bisher als eigenstandige Applikationen eingesetzt wurden. Irn Wissensmanagement, bei Obersetzungsanwendungen sowie bei der Spracherkennung sind natiirlichsprachliche Systeme heute bereits im Einsatz. Bekannt sind zudem dialogfahige Systeme, die sich darauf beschranken, nur ein anregender Gesprachspartner zu sein. Das schon 1966 von Joseph Weizenbaum entwickelte Programm Eliza konzentrierte sich beispielsweise darauf, Eingaben nach psychoanalytischer Manier in Gegenfragen umzuformen, urn den Eindruck einer Konversation zu erwecken. Software-Agenten ohne Dialoginterface durchsuchen Websites, pflegen Kataloge, sortieren E-Mails oder loschen Daten. Verkorperlichung schliefslich, das Design virtueller Figuren, ist im Zeitalter computergenerierter Schauspieler gangige Praxis. Dass diese Technologie sich vorn Einsatz in Kino und TV langst emanzipiert und nach wie vor einen hohen Aufmerksamkeitswert hat, belegen zahlreiche Bei-
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Vgl. Justine Cassell: Mehr als nur ein hiibsches Gesicht, in diesem Band, S.247-265. Fiir eine prazisere Definition vgl. Justine Cassell et. al.: Human Conversation as a System Framework. Designing Embodied Conversational Agents: in: dies. et. al. (Hrsg.) : Embodied Conversational Agents, Cambridge 2000, S.29-63 . Vgl. u. a. Georg Trogemann : Mit Hand und Fu6. Die Bedeutung der nonverbalen Kommunikation fur die Emotionalisierung von Dialogfuhrungssystemen, in diesem Band, S.267-291.
Wer braucht wofur Avatare?
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spiele von virtuellen Figuren im Internet", auf Messen? oder in der Werbung", Die technische Realisierung ist dabei freilich sehr unterschiedlich. Heute bezieht sich der Begriff des Avatars auf die Verbindung einer animierten Figur mit einer Dialogsoftware. Irn Kern geht es also urn eine reduzierte Variante des embodied conversational agent. Der ursprunglich aus dem Hinduismus kommende und die Erscheinung von Gottern auf der Erde bezeichnende Begriff "Avatar" meinte im IT-Kontext bisher die grafische Entsprechung von Computer-Nutzern im Internet. In bestimmten Chat-Foren konnten sich User eine virtuelle Figur schaffen und sich mit dieser im Angebot bewegen. Die Dominanz der grafischen Aspekte in der Berichterstattung tiber das hier diskutierte Thema zeigt sich darin, dass die davon vollig unabhangige Dialogsoftware unterdessen ebenfalls unter dem Oberbegriff der Avatare subsumiert wird. Gerechtfertigt oder nicht - dieser Beitrag macht sich die Nomenklatur zu Eigen. Yom Ideal des embodiedconversational agent, wie sie der eingangs vorgestellte Butler darstellt, sind diese Anwendungen noch weit entfernt. Die Potenziale lassen sich lediglich erahnen.? Sowohl die grafische als auch die dialogische Qualitat im Betrieb konnen sich mit Labor- Technologien wie Rea heute noch nicht messen. Die einerseits geringen Bandbreiten der InternetUbertragung, andererseits der technische Standard der am Markt verfiigbaren Dialogsoftware bedingen dies. Ebenso hat sich eine eindeutige Nomenklatur fur diese Software-Systeme noch nicht durchgesetzt. Im Gegenteil behindern herstellergebundene Produktnamen die Etablierung eines breiteren Verstandnisses in der Pachoffentlichkeit, Die Rede ist je nach Hersteller von .Bots" oder .Lingubots", "IQ-Agents" oder .virtuellen Unternehmensreprasentanten", von "imigos '~ "virtuellen Stars" oder schlicht characters. Die Begriffe sind dabei keineswegs synonym. Die im Markt operierenden Unter6
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In diesem Medium ist die virtuelle Prasidentschaftskandidatin bislang unubertroffen: Vgl. Peer-Arne Bottcher: It's time for a Strike! - Wahlkampf einer digitalen Prasidentschaftskandidatin, in diesem Band, S.233-243. Aussagen zum Einsatz am Point-of-Sale - insbesondere mit einem Blick hinter die Kulissen - macht Alexander Stricker: Darf's ein bisschen menschlicher sein? Virtuelle Charaktere am Point of Sale, in diesem Band, S.167-184. Ein Beispiel dafur geben Robert Fuchs/Heiner Reiners: Robert T-Online. Eine Karriere zwischen Wirklichkeit und Cyberspace, in diesem Band, S.185-198. Sowie weiter Burkhard Graflmann: Robert T-Online - ein universeller Markenbotschafter, in diesem Band, S.199-217. Eine Einordnung in langfristige Technologietrends findet sich bei Peter Wolff: Virtualisierung und Personalisierung. Technologietrends machen Avatare zur innovativen Mensch-Maschine-Schnittstelle in diesem Band, S.293-301.
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nehmen suchen alle den Bezug zum embodied conversational agent, urn ihre sich vielfach nur auf Teilaspekte beziehenden Losungen abzusetzen . Foiglich ist die Spannbreite zwischen Anspruch und Wirklichkeit mitunter groB. Pur eine Steigerung der Popularitat und zur Verbreitung der Technologie ware mehr Transparenz aber eigentlich im Interesse der Akteure.'? Gemeinsam ist allen heute angebotenen Dialogsystemen, dass die Antworten auf Eingaben nicht situativ und individuell generiert werden, sondern dass vorher formulierte Phrasen auf der Grundlage von definierten Regeln - wie gesagt wird - "gefeuert" werden.!' Eine Regel umfasst dabei die Eingabe des Users ("Was kostet ein Apfel") und die Antwort der Maschine ("Ein Apfel kostet 50 Cent"). Die Software umfasst drei Module: • das Regelwerk, das die passende Reaktion der Maschine auf die Eingaben des Nutzers in einer Datenbank, der Wissensbasis, sucht; • eben diese statische Wissensbasis, die die vorformulierten Antwortmoglichkeiten (bestehend aus Gesprachsmanagernent und dem Content im engeren Sinne) enthalt; • sowie zuletzt den Editor, mit dem diese Wissensbasis aufgebaut und gepflegt wird. Abbildung 1 zeigt die Wechselbeziehungen zwischen den einzelnen Bestandteilen sowie Schnittstellen zu anderen Teilsystemen. Die Qualitat der Konversation wird bestimmt durch die GroBe der Wissensbasis - mithin des Umfangs der abgedeckten Eingabe-Ausgabe-Konstellationen -, durch die Qualitat der Formulierung der Ausgaben und die Mehrwertigkeit des Tools durch die Vernetzung mit anderen Software-Teilsystemen (siehe rechts).
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Zu diesem Zweck hatten sich einige Unternehmen der Branche im Iahr 2001 in einem Forum zusammengeschlossen. Die Initiative blieb aber ohne weitergehenden Erfolg. Die technische Systematik des "Text-Pattern-Matching" erklart im Einzelnen: KarlLudwig von Wendt: Technische Grundlagen von naturlichsprachlichen Dialogsystemen, in diesem Band, S.37-47 .
Wer braucht wofur Avatare?
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