Frank Callahan
Apachen-Poker Apache Cochise Band Nr. 17
Prolog Man nannte die Apachen Barbaren, Wilde und Massenmörd...
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Frank Callahan
Apachen-Poker Apache Cochise Band Nr. 17
Prolog Man nannte die Apachen Barbaren, Wilde und Massenmörder. Waren sie das? Über alles, was in dieser Welt geschieht oder früher einmal geschah, kann man so oder so urteilen. Um objektiv zu sein, kann an dieser Stelle nur von Unbefangenen ein Widerruf dieser Meinung über die Apachen erfolgen. Unser Nachruf, sozusagen eine verspätete Ehrenrettung dieses großen, stolzen und kämpferisch veranlagten Volkes, das von der Steinzeit »über Nacht« in eine erbarmungslose Zivilisation versetzt wurde, die sie nicht begriff, wie auch die Umstände, die zum Untergang der roten Rasse führten. Man kann sagen, die damaligen Weißen und Mexikaner waren alles andere als weitblickend, eher nur von einer hyperhumanen Art, die dem Prankenschlag eines Panthers glich. Bei den meisten Weißen war die Ausrottung der Indianer eine beschlossene Sache, honoriert durch Prämien für einen Apachen-Skalp. Dachten und handelten die weißen Einwanderer mit ihrer mitgebrachten zweitausendjährigen Kultur alle richtig, Kultur und Zivilisation, gemessen an der der Apachen? Oder bewegten sie sich in der klischeehaften Vorstellung des Militärs vom »toten Indianer, der ein guter ist«? Mitnichten. Zum Teil gab es vorausschauende und mitfühlende Männer in der Army, die aber wegen ihrer »Humanitätsduselei« nicht zu Wort gelangten, aber den Untergang der roten Rasse voraussagten und mit den Indianern fühlten. Nicht alle waren sie ein Colonel Chivington, ein abenteuerund beförderungssüchtiger George Armstrong Custer. Fest steht aber, daß der Massenmord an der indianischen Rasse von
vielen Amerikanern heutzutage bagatellisiert und, wenn die Sprache darauf kommt, mit einer lässigen Handbewegung abgetan wird. Auch die in wissenschaftlichen Disziplinen denkenden Amerikaner können einen Rückblick auf die Zeit nach 1850 nur schwer vertragen. Man sieht die in den Wüsten und Gebirgen vegetierenden Stämme Arizonas nicht, und das beruhigt den Durchschnittsamerikaner ungemein, weil er das ökologische Harakiri, das man mit dem Land und seiner Urbevölkerung trieb, nicht mit ansehen muß. Zugegeben, die Stämme der Indianer, besonders die Apachen, betrieben zu keiner Zeit Vorratswirtschaft, ausgenommen die seßhaften und Ackerbau treibenden Pueblos im Westen von Neumexiko und in den nordöstlichen Bereichen Arizonas. Lag hier der Untergang der roten Rasse begründet? Sicherlich nicht, denn kein nomadisierendes Volk in Europa, Asien oder Afrika konnte sich mit Vorratshaltung befreunden. Gingen sie unter? Nein, sie gingen auf in den Völkern, deren Gebiete sie okkupierten. Auch andere negative Aspekte – in den Augen der Weißen – kann den Apachen nicht abgesprochen werden. Sie waren nun einmal Naturkinder, einfache Nomaden in einem riesigen Kontinent, der ihnen alles bot, was sie zum Leben brauchten. Zu allen Zeiten war daher für die Apachen die Welt noch in Ordnung. Erst als der weiße Mann mit seinen überlegenen Waffen, mit Schnaps und seiner verfeinerten Kultur und seinen ansteckenden Krankheiten kam, legte sich das große graue Leichentuch über die Stämme und Sippenverbände. Ganz bestimmt wäre vor 100 und mehr Jahren möglicherweise vieles ganz anders gekommen, wenn unter den Militärs und in der Regierung in Washington nur ein einziger Mann mit entsprechendem Weitblick und ohne Ressentiments gegen die rote Rasse gewesen wäre. Es hat nicht an klardenkenden und verantwortungsbewußten Leuten gemangelt, aber sie hatten nicht die Stimmengewalt im
Kongreß, die dazu notwendig gewesen wäre, den Indianern zu ihrem Recht zu verhelfen. Es ist nicht Aufgabe dieser Einleitung, anzuklagen und zu richten, denn niemand von uns kann sagen, daß er es womöglich hätte besser machen können. Sie alle in der damaligen Zeit – Rote wie Weiße – waren Kinder einer harten und erbarmungslosen Epoche, und sie waren Bewohner einer rauhen Umwelt. Die Serie APACHE COCHISE mit ihrem wahrhaft großen Häuptling Cochise als Held ist die im Wesen und Charakter authentische Aufzeichnung amerikanischer Geschichte, die in Romanform für den deutschen Sprachraum noch nicht oder nur in Kurzform gebracht wurde. Die guten und schlechten Weißen, die anständigen Apachen und die grausamen, tauchen namentlich in der Story auf und geben der Geschichte einen dramatischen, wenn auch makabren Hintergrund. Ihr Martin Kelter Verlag.
*** Von einer Sekunde zur anderen waren sie da. Fast hatte es den Anschein, als wären die indianischen Krieger aus dem Boden gewachsen. Es waren mehr als zehn Chiricahua-Apachen, die lautlos aus einer Bodenwelle auftauchten und dann wie versteinert stehenblieben. Ihre langen Haare, die von Stirnbändern gehalten wurden, wehten im sanften Wind. Bunter Zierat funkelte unter den ersten Strahlen der aufgehenden Sonne, die den Horizont in ein feuriges Flammenmeer verwandelt hatte. Die Indianer hielten Gewehre in den Händen, deren Läufe zu Boden gerichtet waren. Sie blickten zu den drei Reitern hinüber, die nun ihre Pferde zügelten. John Haggerty, Chiefscout General Howards, schob seinen Stetson in den Nacken. Braunes gewelltes Haar lugte hervor. In seinem schmalen, bartlosen Gesicht funkelten die Augen, die Güte, aber auch Entschlußkraft ausdrückten. »Nur ruhig Blut, Leute«, erklang die vibrierende Stimme des großen stattlichen Mannes mit den breiten Schultern und der schlanken Taille. »Die Apachen werden uns nicht angreifen, sonst hätten sie es längst getan. Laßt nur eure Finger von den Waffen.« Ein noch junger Bursche der rechts von Haggerty sein Pferd pariert hatte, strich über seinen Dragoner-Schnurrbart. Auch dieser Mann war ziemlich groß und saß lässig im Sattel. Tief am Oberschenkel baumelte ein Revolverhalfter. Er nahm seine Rechte vom elfenbeinfarbigen Griff und legte sie wieder aufs Sattelhorn. Wyatt Earp – zu jener Zeit um die dreiundzwanzig – nickte mehrmals und warf John Haggerty einen kurzen Blick zu. »Okay, John. Die roten Burschen wollten uns nur erschrecken. Sie erinnern uns daran, daß sie noch immer hier sind und uns
nicht aus den Augen lassen. Sie möchten uns klein und häßlich sehen. Ich frage mich nur, ob wir uns das eigentlich gefallen lassen sollen.« Der dritte Reiter, er saß auf einem starkknochigen Rapphengst, schien an einem Kloß zu würgen. Gewaltige Muskeln drohten Hemd und Jacke zu sprengen. Langes, ungepflegtes Haar quoll unter einem breitkrempigen Hut hervor. Unter den buschigen Augenbrauen ruhten energisch blickende graue Augen, die tief in den Höhlen lagen. Eine Knollennase, leicht wulstige Lippen, stoppelbärtige Wangen und ein fast brutal wirkendes Kinn rundeten das Bild von Hank Coolidge ab. Der Treckführer knurrte wie ein gereizter Bär, dem man Honigwaben abgenommen hatte. »Wir werden uns doch nicht vor diesen roten Teufeln fürchten, Leute«, sagte er verächtlich. »Mit denen werden wir allemal fertig. Die roten Heiden warten doch nur darauf, über uns herfallen zu können. Wenn wir sie zu ihrem Manitu schicken, dann sind wir diese Bestien los, ehe sie über den Siedlertreck herfallen können.« John Haggerty schüttelte den Kopf. »Wir haben mit den Apachen einen Waffenstillstand von drei Tagen vereinbart.« »Wir?« fragte Hank Coolidge. Spott lag in seiner rauh klingenden Stimme. »Du bist es gewesen, Haggerty. Du hast es mit Cochise beschlossen. Nach meiner Meinung bin ich nicht gefragt worden.« Der Treckführer schnaufte wie ein Walroß. Seine Pranken krampften sich um sein Gewehr. Die Knöchel schimmerten weiß. »Wir kehren um und reiten zum Treck zurück«, bestimmte der Scout. »Außerdem wollten wir nur feststellen, was sich im weiten Umkreis tut. Und das wissen wir nun.« »Du nimmst dir einiges heraus, Haggerty«, ließ sich Wyatt Earp vernehmen. »Auch ich bin dafür, daß wir uns nicht länger
ducken, sondern Nägel mit Köpfen machen sollten. Die Apachen müssen ja langsam glauben, wir hätten längst die Hosen voll.« »Ihr werdet schon noch euren Kampf kriegen«, entgegnete John Haggerty grimmig. »Dann dürften es aber nicht ein Dutzend Apachen, sondern weit über hundert sein. Sie werden über uns herfallen wie ein Rudel Wölfe über einen angeschlagenen Büffel. Noch haben wir eine Chance, dieses Blutbad zu verhindern, und ich will alles tun, um dieses Problem friedlich zu lösen. Wir unterhalten uns weiter im Camp darüber. Dies hier ist nicht der richtige Ort dafür.« John Haggerty sah aus zusammengekniffenen Augen zu der Apachengruppe hinüber. Wild und verwegen standen sie zwischen Mesquitebüschen, Kakteen und wuchernden Farnen. Noch immer rührten sich die Krieger nicht. John rechnete damit, daß die Indianer nicht angreifen würden. Sie wollten den weißen Eindringlingen nur wieder einmal zum Bewußtsein bringen, daß sie die Herren dieses Landes waren. Cochise, der Häuptling der Chiricahuas, würde sein gegebenes Wort nicht brechen und keinen Angriff befehlen. Drei Tage Frist hatte er den weißen Siedlern gegeben, um die Ebene zwischen den Galiuro und Pinaleno Mountains zu verlassen. John Haggerty, der im Auftrag von General Oliver Otis Howard zum Siedlertreck geritten war, um ein Blutbad zwischen den Apachen und den Weißen zu verhindern, musterte Wyatt Earp und Hank Coolidge. Dann zog er sein Pferd herum und gab ihm die Zügel frei. Wyatt Earp, der junge Revolvermann, der erst viele Jahre später zu einer der legendärsten Persönlichkeiten des Westens werden sollte, zögerte. Es fiel ihm nicht leicht, den Indianern den Rücken zuzukehren. Coolidge murmelte einige lästerliche Flüche, ehe er dem Armee-Scout folgte. Earp schloß sich seinen beiden Gefährten
an. Die Chiricahuas blieben zurück. Ausdruckslos blickten sie hinter den drei Bleichgesichtern her, ehe sie wieder in der Bodenwelle verschwanden, als hätte es sie nie gegeben. * Es waren 16 Conestoga- und Murphywagen, die kreisförmig zu einer Wagenburg zusammengefahren waren. Einige Yards entfernt schlängelte sich der Aravaipa River durch das wüstenähnliche Gelände. Er führte kaum Wasser. Trotzdem hatte das kostbare Naß ausgereicht, um Menschen und Tiere vor dem Verdursten zu retten. Hinter der Wagenburg erstreckte sich die Kette der Galiuro Mountains mit dem sehr steil aufragenden Rhodes Peak mit 7116 Fuß Höhe. Und vor dem Siedlertreck lag die Durststrecke eines gewaltigen Lavafeldes von ungefähr 40 Meilen bis zu den Pinaleno Mountains. Auf einem Felsplateau, von dem aus die Wagen gut zu sehen waren, stand eine einsame Gestalt. Wie versteinert wirkte das Gesicht mit der ausgeprägten scharfrückigen Nase. Die dunklen Augen waren auf das öde Land gerichtet, das im grellen Sonnenlicht unter dem Apachen lag. Der bronzefarbene Brustkorb des Indianers glänzte im Sonnenlicht. Bekleidet war der Chiricahua mit einem grauen Calicohemd, wollener Hose und kniehohen Wüstenmokassins. Um die Stirn trug er ein farbiges Schweißtuch wie einen dünngewickelten Turban. Cochise, der berühmte Häuptling der Chiricahua-Apachen. Minuten vergingen. Noch immer verharrte die imponierende Gestalt des Indianer-Chiefs auf dem Plateau. Sein Blick folgte einem Adler, der sich von warmen Aufwinden treiben ließ und sich bald in der Bläue des Himmels verlor.
Abrupt wandte sich Cochise um. Beherrscht wirkte sein Gesicht, als er zu seinem Sohn Naiche trat, der im Schatten eines Saguaro-Kaktusses kauerte und sich nun erhob. Naiche ähnelte seinem Vater sehr. Er war ungefähr 19 Jahre alt und Cochises Zweitältester Sohn. Er sah den Jefe fragend an und sagte dann: »Die weißen Eindringlinge kehren nicht um, Vater. Alle unsere Bemühungen sind erfolglos geblieben. Diese weißen Bastarde verstehen nur eine Sprache: die der Gewalt. Der Kampf wird unvermeidlich sein, denn die Bleichgesichter sind so stur wie die Büffel, die früher die Ebene bevölkerten.« Cochise lächelte nachsichtig. »Wir müssen abwarten, mein Sohn. Ich habe mit dem Falken, den die Bleichgesichter John Haggerty nennen, eine Vereinbarung getroffen. Ich werde sie einhalten. In drei Tagen greifen wir an, sollte die fahrende Schlange nicht auf dem Rückweg sein.« Naiche nickte. »Zastee!« stieß er hervor. »Tötet! Wir werden die Bleichgesichter vernichten. Dies ist unser Stammesgebiet seit vielen Generationen. Wir werden kämpfen oder sterben.« Die unbeugsame Flamme der Jugend leuchtete in seinen Augen. Er streckte seine geballte Rechte in die Richtung des Siedlertrecks. Dann fügte er hinzu: »Ulzana wird inzwischen unsere Apacheria erreicht haben und unsere tapferen Krieger holen. Auch Victorio, der Chief der Mimbrenjo-Apachen, wird bald mit vielen mutigen und zu allem entschlossenen Kriegern zu uns stoßen. Wir sind stark genug, um die weißen Räuber aus unserem Land zu fegen.« Cochises Gesicht war noch ernster geworden. Er verstand seinen Sohn, der die hellhäutigen Eindringlinge wie nichts auf dieser Welt haßte. Der Chiricahua-Chief wußte aber auch, daß bei einem Kampf viele seiner Krieger sterben mußten. Aus diesem Grund hatte er sehr lange gezögert, den
Wagenzug anzugreifen. Mehrmals hatte er mit den Weißen verhandelt. John Haggertys Auftauchen ließ ihn wieder hoffen, dieses schreckliche Blutbad noch verhindern zu können. Cochise legte seinem Sohn die Hand auf die Schulter und sah ihn durchdringend an. »Wenn uns die weißen Siedler zum Kampf zwingen, dann werden wir ihn annehmen. Wir sind stark genug, um sie zu besiegen. Es ist keine Schwäche, die mich so lange zögern ließ. Wir Indianer kämpfen mit dem Rücken zur Wand. Fast glaube ich, unser Schicksal ist schon längst besiegelt. Wenn wir einen Weißen töten, dann folgen ihm tausend andere. Jeder unserer Krieger, der stirbt, hinterläßt eine Lücke, die nicht zu schließen ist. So sehe ich es, mein Sohn. Aus diesem Grund verhandele ich, bevor ich den Befehl zum Angriff gebe.« Naiche verneigte sich ehrerbietig vor seinem Vater. »Du bist ein großer Häuptling. Du bist weise und gerecht. Dein Volk liebt dich und wird dir immer folgen.« * Im Schatten eines Conestoga-Wagens saßen drei Männer. Um sie herum herrschte geschäftiges Treiben der über 70 Siedler. Die 30köpfige Schutzmannschaft bewachte die Wagenburg an allen strategisch wichtigen Punkten. Hank Coolidge, der Treckführer, fuhr sich über die Stirn, an der sich eine taubeneigroße Beule gebildet hatte. Dort hatte ihn bei einer nächtlichen Auseinandersetzung mit Cochise und dessen Sohn Naiche ein Kriegsbeil mit der stumpfen Seite getroffen und ihn in Ohnmacht fallen lassen. Wyatt Earp war es ähnlich ergangen, als er zur Waffe greifen und auf Cochise feuern wollte. Unwillkürlich tastete der junge Revolvermann und Spieler ebenfalls über die Ausbuchtung an seinem Schädel. John Haggerty sah es. Ein dünnes Lächeln umspielte seinen
Mund. Er, Hank Coolidge und Wyatt Earp wußten, daß die beiden Chiricahuas die Leben dieser Männer geschont hatten. »Wie soll es weitergehen?« fragte Coolidge. »Die Apachen werden uns in drei Tagen über den Jordan schicken, sollten wir nicht den Rücktrail antreten. Daran wird auch deine Bekanntschaft mit diesem roten King nichts ändern.« John Haggerty nickte. »Ich bitte dich nochmals, und zwar sehr eindringlich, das Lager abzubrechen und umzukehren. Das erwartet auch General Howard, in dessen Auftrag ich hier bin.« Wyatt Earp bemerkte gelassen: »Das ist alles Unsinn, Haggerty. Hier gibt es dreißig erfahrene Männer, die ausgezeichnet mit Colt und Gewehr umgehen können. Dazu kommen noch viele Siedler, die nicht nur den Boden pflügen, sondern auch eine Flinte handhaben können. Und ich bin schließlich auch noch da. Ich wiege eine ganze Revolvermannschaft auf.« Der Chiefscout grinste. »Wir wissen, wie bescheiden du bist, Earp. Sicher, wir können den angreifenden Apachen große Verluste beibringen, am Ende aber würden unsere Skalps an den Gürteln flattern.« »Du siehst viel zu schwarz, Haggerty. Manchmal habe ich den Eindruck, daß du die Hosen gestrichen voll hast. Und dein General sollte lieber eine Schwadron Soldaten herschicken und sich um die Siedler kümmern, als große Reden zu führen.« »Weißt du, Earp, General Howard hat so viele Soldaten übrig, wie du Dollars in deinen Taschen hast.« Wyatt Earps Gesicht rötete sich leicht. John wußte, daß der Mann mit dem ausgeprägten Selbstbewußtsein keinen rostigen Cent mehr besaß. Deshalb war er auch zum Siedlertreck geritten, um seine Dienste als Gunner anzubieten und ein paar Bucks zu kassieren. Er hatte auch gehofft, den Leuten einige Dollarscheine beim Pokern abzuluchsen, doch die Schollenbrecher, wie sie oft
genannt wurden, waren völlig abgebrannt. Sie hatten jeden Cent in dieses Unternehmen gesteckt. »Hör zu, Coolidge«, nahm John Haggerty das Gespräch wieder auf. »Warum rede ich immer wieder gegen eine Wand? Dir ist doch klar, daß wir sterben müssen, wenn die Apachen angreifen, und die Siedler haben das auch längst kapiert. Überlege gut, was geschehen soll. Ich muß die Entscheidung bald wissen.« Hank Coolidge machte eine wegwerfende Geste. »Ich bin ganz und gar Earps Meinung, Haggerty. Wir sind stark genug, um die Indianer zu schlagen. Wir ziehen weiter bis zur Nordschleife des Aravaipa-Flusses. Dort ist das Ziel des Trecks. Die Siedler wollen auf die Rechte des abgeschlossenen Vertrages nicht verzichten, da sie ihr gesamtes Vermögen für das Land geopfert haben.« John staunte. »Sag' das noch mal, Coolidge. Du willst mir doch nicht weismachen, daß die Schollenbrecher die Grundstücke bereits bezahlt haben?« Da starrte der Treckführer Haggerty nicht minder erstaunt an und antwortete: »So ist es aber, Scout. Die Siedler haben Kaufverträge in den Taschen und Grund und Boden bereits bezahlt. Eine Maklergesellschaft hat das alles vermittelt.« John Haggerty wußte nun, daß die Siedler hereingelegt worden waren. »Dieses Land kann man nur über eine Besiedlungsfreigabe durch die Regierung erwerben, Coolidge. So und nicht anders. Deine Schützlinge sind einem Schwindelunternehmen aufgesessen, wie es sie zu Dutzenden gibt. Apachenland ist von keiner Maklerfirma käuflich zu erwerben.« »Unsinn!« widersprach der Anführer des Trecks. »Wir haben alles schwarz auf weiß.« »Damit könnt ihr euch den Hintern abwischen«, warf Haggerty ziemlich drastisch ein. »Zu mehr sind diese Verträge
nicht zu benutzen. Die bedauernswerten Leute sind ihre Dollars los. Darauf verwette ich meinen Skalp.« Hank Coolidge schüttelte den Kopf. »Das nehme ich dir nicht ab, Haggerty. Du versuchst nur, uns mit allen Mitteln unsere Pläne auszureden. Für mich und die Siedler gibt es kein Zurück.« John Haggerty senkte den Kopf. Wieder einmal hatte er das Gefühl, den Treckführer, der wie ein störrisches Maultier auf seiner Meinung beharrte, nicht umstimmen zu können. Er seufzte und blickte Wyatt Earp an. »Du stehst ebenfalls auf der Seite der Siedler, oder?« Der junge Revolvermann spuckte aus, zupfte an seinem Dragonerbart und nickte dann. »So ist es, Verehrtester. Coolidge ist mein Boß. Er bezahlt mich mit harten Dollars, die ich dringend brauche. Und mit den Rothäuten werden wir fertig.« Der Armee-Scout furchte die Stirn. Seine Sorgen waren in den letzten Stunden nicht geringer geworden. Hank Coolidge, Wyatt Earp und auch die Siedler unterschätzten nach wie vor die Indianergefahr. Seit vielen Wochen waren sie unterwegs. Die Apachen hatten in den vergangenen Tagen zwar immer wieder gedroht, aber nicht angegriffen. »Dann bleibt mir nichts anderes übrig, als zu General Howard zu reiten und ihm zu melden, daß meine Mission gescheitert ist«, sagte John Haggerty. »Vielleicht wird Howard dann doch eine Schwadron Soldaten bereitstellen können.« Coolidge und Earp nickten. »Die Soldaten werden euch zur Räson bringen und euch zwingen, umzukehren«, fuhr der Scout fort. »Glaubt nur nicht, daß sie gegen die Apachen kämpfen werden. Zwischen General Howard und Cochise gibt es einen Vertrag, den keiner von beiden brechen wird. Zuviel steht auf dem Spiel. Das aber will nicht in eure Köpfe hinein. Ihr werdet die Konsequenzen zu
tragen haben.« Coolidge und Earp grinsten. »Nur zu, Haggerty«, sagte der Treckführer. »Hol die Soldaten. Etwas Besseres kann uns gar nicht passieren. Und ich bin sicher, sie werden schon auf der richtigen Seite kämpfen, wenn uns die Rothäute angreifen sollten.« John Haggerty erhob sich und dehnte seinen muskulösen Körper. Sein Blick wanderte durch die Wagenburg. Er sah Männer, Frauen und Kinder. Auch viele ältere Menschen befanden sich darunter. Sie alle waren mit großer Hoffnung in den Herzen aufgebrochen und dem Ziel, eine neue Heimat zu finden. Sie hatten den letzten Dollar in dieses Unternehmen gesteckt und waren doch schlimm von einigen Landhaien hereingelegt worden. John überlegte, ob er noch einmal mit den Siedlern sprechen sollte, wie schon so oft zuvor, entschied sich dann aber, es zu lassen. Die Leute vertrauten Hank Coolidge blind. Er hatte sie bisher immerhin gut geführt. John Haggerty zuckte mit den Achseln. Dann sah er Earp und Coolidge an, die sich ebenfalls erhoben hatten und neben ihn getreten waren. »Ich reite zu Howard«, sagte der Scout voller Grimm. »Wenn du weiterziehst, Coolidge, kann ich nicht dafür garantieren, daß Cochise die drei Tage Frist einhält. Vielleicht greift er dann sofort an.« Wyatt Earp klatschte mit der flachen Hand gegen den Griff seines Revolvers. »Sie sollen ruhig kommen, die roten Teufel. Die werden sich mächtig wundern, wenn wir sie mit heißem Blei begrüßen.« »Oh, was bist du nur für ein Narr, Earp«, sagte der Chiefscout und seufzte verzweifelt. Er machte auf den Absätzen kehrt, stiefelte zu seinem Pferd und zog sich in den Sattel. Kurze Zeit danach brach er auf. Er hätte nicht gedacht, ohne
Ergebnis heimreiten zu müssen. * Haggerty zügelte seinen braunen Hengst in der Nähe einiger Ocatillobüsche, deren gelbe und rote Blüten wie Farbtupfer in dem wüstenähnlichen Gelände wirkten. Der Scout blickte zu einem einsamen Reiter hinüber, den er zwischen einigen Pinien und Kakteen ausgemacht hatte. Der Körper des Indianers straffte sich. Stolz saß er auf dem Rücken seines Mustangs. Er hielt die Zügel mit beiden Händen. Vor ihm über den Knien lag ein Gewehr. Cochise! John trieb sein Pferd mit einem leisen Zungenschnalzen an. Es näherte sich schnell dem Häuptling der Chiricahuas, der dem Scout mit unbewegtem Gesicht entgegenblickte. John Haggerty hob die Arme und zeigte die Innenfläche der Hände zum Zeichen des Friedens, als er sich dem Indianer-Chief bis auf sechs Yards genähert hatte. Der Häuptling nickte dem Scout zu. »Du willst mich sprechen, Cochise?« Es war mehr eine Feststellung als eine Frage. Haggerty warf einen Blick in die Runde. Er konnte keine weiteren Apachen sehen, was aber nicht zu bedeuten hatte, daß auch wirklich keine anderen Indianer irgendwo verborgen lauerten. Cochise lächelte sanft. Ihm war der forschende Blick des Falken, wie John Haggerty von den Apachen genannt wurde, nicht entgangen. »Ich bin allein gekommen, um erneut mit dir zu reden, Falke«, erklärte Cochise mit wohltönender Stimme. »Ich habe deinen Aufbruch beobachtet und auch gesehen, daß du lange mit deinen weißen Freunden verhandelt hast.« John verstand die unausgesprochene Frage. Er schob seinen
Stetson in den Nacken. Unter seinen Achselhöhlen und auf den Oberschenkeln seiner Hose waren dunkle Schweißflecken zu sehen »Der Treck will weiterziehen, Cochise. Bestimmt brechen die Siedler bereits in dieser Stunde auf. Ich verrate dir kein Geheimnis, denn du würdest es sowieso schon bald erfahren.« Die Miene des Apachen-Häuptlings verdüsterte sich. Bruchteile von Sekunden darauf hatte er sich wieder völlig unter Kontrolle. Nur in seinen Augen lag ein seltsames Glimmen. »Dann ist die Frist von drei Tagen hinfällig, Falke«, sagte Cochise. »Ich werde angreifen.« Haggerty hatte mit keiner anderen Reaktion gerechnet. Seine Lippen preßten sich hart aufeinander und erinnerten an eine schlecht verheilte Narbe. »Gib mir Zeit, Cochise. Laß es bei dieser Frist bleiben. Ich bin auf dem Weg zu dem einarmigen Blaurock, dessen Name General Howard ist. Ich muß ihm die neue Lage schildern. Er will keinen neuen Krieg mit den Apachen, so wie auch du keinen willst. Wir werden eine Lösung finden.« »Es ist alles umsonst gewesen, Falke«, entgegnete Cochise. »Ich habe lange Zeit große Geduld geübt. Alles hat seine Grenzen. Der Kampf ist nicht mehr abzuwenden. Wir beide wissen es. Es wird wieder Blut fließen. Ihr Bleichgesichter redet immer mit gespaltener Zunge. Auch du hast in den letzten Stunden nur versucht, Zeit zu gewinnen.« John Haggerty schüttelte in wildem Trotz den Kopf. »Du kennst mich, Cochise. Ich meine es ehrlich und habe dich noch nie belogen. Ich reite zu General Howard. Vielleicht schickt er Soldaten hierher, um die Siedler zur Umkehr zu zwingen.« Cochises Augen funkelten. »Die Langmesser würden gegen meine tapferen Krieger kämpfen und niemals gegen ihre eigenen weißen Brüder, Falke. Du willst nur diese Frist, um Blauröcke zu holen, die dann gegen uns kämpfen werden.«
»Nein, Häuptling. Du mußt mir vertrauen. Der General und ich wollen eine friedliche Lösung dieses Problems. Mehr kann ich dir nicht sagen. Laß es bei dieser Frist. Du wirst sehen, alles wird dann ein gutes Ende nehmen.« Cochises Gesicht wirkte wie versteinert. Man sah ihm nicht an, was hinter seiner hohen Stirn vor sich ging. Dem Chiefscout war aber klar, daß sich in wenigen Sekunden entscheiden mußte, ob Cochise angreifen oder ihm noch eine Frist gewähren würde. Cochise nickte. »Einverstanden, Falke. Reite und überzeuge den Einarmigen, den du Howard nennst. Ich werde die Frist einhalten, falls es möglich sein wird. Das aber ist sehr ungewiß.« Ehe John Haggerty antworten konnte, zog der Jefe seinen Mustang herum und ritt los. Eine Staubfahne wallte hinter dem Pferd auf. Bald war der Chief der Chiricahuas hinter einigen Speerdornbüschen und Wildapfelbäumen verschwunden. John blieb noch eine ganze Weile nachdenklich im Sattel sitzen, dann trieb er sein Pferd an. Ihm war noch eine letzte Chance eingeräumt worden, den Siedlertreck vor dem sicheren Untergang zu bewahren. * Die Ochsengespanne waren längst angeschirrt. Die Tiere wirkten ausgeruhter als noch vor zwei Tagen. Allmählich legte sich das große Durcheinander in der Wagenburg. Hank Coolidge nahm seinen breitkrempigen Hut vom Kopf und schwenkte ihn. »Vorwärts!« rief er gellend. Der Ruf pflanzte sich von Wagen zu Wagen fort. Das erste Gespann zog an. Der Conestoga setzte sich knarrend, ächzend und rumpelnd in Bewegung. Alle anderen Fahrzeuge folgten. Langsam löste sich die
Wagenburg auf. Die Conestoga- und Murphywagen reihten sich bald wie eine Perlenkette zu einer langen Linie auf. Hank Coolidge ritt an der Spitze des Zuges. Zwei Scouts befanden sich einige hundert Yards vor ihm, um das Terrain zu erkunden. Rechts und links der »Fahrenden Schlange« hatten sich die 30 Männer der Schutzmannschaft verteilt. Sie hielten ihre Waffen schußbereit und äugten nach allen Seiten, konnten jedoch keine Apachen entdecken. Der Aravaipa River blieb zurück. Vor dem Siedlertreck lag ein gewaltiges Lavafeld in einer Länge von 40 Meilen. Hier gab es weder nennenswerte Vegetation, noch Wasser. Eine Durststrecke, die von Mensch und Tier das Letzte abverlangte. Nach den 40 Meilen würde der Treck auf die Nordschleife des Aravaipa River treffen. Dem Fluß zu folgen, um in der Nähe des Wassers zu bleiben, war unmöglich, weil das Gelände von den Wagen nicht zu befahren war. Hank Coolidge sah sich im Sattel um. Sein Gesicht drückte Zufriedenheit aus. Die Stimmung bei den Leuten war offenbar auch gut. In zwei oder drei Tagen konnte er am Ziel sein. Die Ochsengespanne hielten durch, denn die Tiere, wie auch die Menschen, hatten sich längst an die Strapazen der langen Reise gewöhnt. Sorgen bereiteten dem Treckführer die Rothäute. Natürlich wußte Hank Coolidge, auf welch ein gewagtes Unternehmen er sich einließ. Er vertraute aber darauf, daß die Indianer nicht angriffen, sondern es nur bei den Drohungen beließen. Cochise wußte zu genau, daß sich sehr viele wehrfähige Männer beim Treck befanden, die mit ihren Waffen einen Höllentanz veranstalten konnten. Coolidge ließ immer wieder seine Blicke kreisen. Kein Apache war zu entdecken. Bestimmt wußten sie schon längst vom Aufbruch des Trecks. Den indianischen Spähern und Kundschaftern blieb nichts verborgen.
Hank Coolidge umklammerte unwillkürlich sein Gewehr fester. Sein Lächeln verkrampfte. Er stieß einen geharnischten Fluch aus, bei dem wohl manche Lady in Ohnmacht gefallen wäre. Ein Reiter näherte sich dem Treckführer. Wyatt Earp parierte neben Coolidge sein Pferd. »Alles klar, Hank?« »Es sieht wenigstens so aus. Wenn ich nur wüßte, was die Apachen vorhaben. Glaubst du, daß sie uns in den nächsten Stunden angreifen werden?« Wyatt Earp zuckte mit den Achseln. »Keine Ahnung. Kann sein oder auch nicht. Das Gelände ist hier sehr eben und bietet kaum Deckungsmöglichkeiten. Ich schätze, der Schlaufuchs Cochise wird zunächst einmal abwarten, wohin wir ziehen, um erst dann einen Kriegsplan auszubrüten. Noch sind unsere Gespanne frisch, auch unsere Männer. Ich würde anstelle des Häuptlings die Wagen einen oder auch zwei Tage ungeschoren lassen, dann sind Menschen und Tiere erschöpft. Das Wasser wird knapp werden. Auch die nervliche Anspannung dürfte immer mehr wachsen. Dann ist die Stunde der Apachen gekommen. So sehe ich es.« Die Worte des Revolvermannes vermochten Coolidge natürlich nicht zu ermuntern. Er starrte zu den fernen Bergen hinüber, die in der Hitze messingfarben flimmerten. »Hör zu«, fuhr Wyatt Earp fort. »Ich habe mir etwas überlegt. Vielleicht bist du damit einverstanden.« Er blickte den Treckführer fragend von der Seite an. »Denkst du, einen Gedankenleser vor dir zu haben?« antwortete Coolidge brummig. »Spuck deine Idee schon aus! Ich bin bereit, nach jedem Strohhalm zu greifen.« »Es ist mehr als ein Strohhalm, Hank. Ich reite nach Tombstone und werbe zehn oder zwanzig rauhe Burschen an, die gut mit Colt und Gewehr umgehen können. Dann sind wir stark genug, um die Apachen zum Teufel zu jagen. Na, was
hältst du von meinem Vorschlag?« Coolidge schien in sich hineinzulauschen. »Das wäre nicht schlecht, Earp«, sagte er dann. »Verstärkung können wir wirklich brauchen. Ich glaube aber nicht, daß es dir gelingt, Leute aufzutreiben, die mit in die Höhle des Löwen reiten.« Wyatt Earp grinste. »Das laß nur meine Sorge sein, Hank. In Tombstone gibt es eine ganze Anzahl von Kerlen, denen das Wasser bis zum Hals steht, und die sogar ihre Großmutter für einen rostigen Nickel verschachern würden. Wir müssen diesen Hombres nur genügend Dollars bieten, dann reiten sie schon mit mir.« »Einverstanden, Earp. Und was soll für dich herausspringen? Wie ich dich kenne, willst du deine Idee versilbern.« »Ich bekomme zwanzig Bucks für jeden, den ich hier anschleppe, und zwar bar auf die Hand. Du müßtest mir nur noch sagen, was ich diesen Leuten zahlen darf.« Hank Coolidge überlegte. »Okay, fünfzig Dollar für jeden, der den Treck verstärkt. Und dir gebe ich zehn Dollar pro Anwerbung.« Earp schüttelte den Kopf. »Fünfzehn Bucks. Das ist mein letztes Wort, sonst reite ich erst gar nicht los.« Der Treckführer stöhnte gequält auf. »Du weißt genau, daß die Siedler fast pleite sind. Sie müssen ihre letzten Dollars für deinen Plan opfern.« »Sie werden es gern tun«, sagte Wyatt Earp. »Es geht um ihre Skalps. Und wenn sie die verlieren, nützen ihnen auch die paar Bucks nichts mehr. Wenn ich aber mit den Revolverschwingern aus Tombstone hier aufkreuze, dann ist das mehr als die halbe Miete.« »Okay, fünfzehn Dollar pro Nase. Du bist ein ganz hinterhältiger Erpresser, Earp. Hat dir das schon jemand gesagt?«
Earp grinste nur. »Das würde keiner wagen.« Er tippte auf seinen Colt. »Mit dem Eisen schlägt mich so schnell keiner.« »Dann hau ab, Earp, und bring so viele ›Beschützer‹, wie du auftreiben kannst. Mach diesen Kerlen aber klar, daß sie zu keinem Picknick reiten, sondern vielleicht mit beiden Beinen in die Hölle springen müssen.« »Alles klar, Hank. Du kannst dich auf mich verlassen. In spätestens zwei Tagen bin ich wieder zurück. Falls dieser Haggerty es schafft, eine Schwadron Soldaten loszueisen, dann kann er auch nicht früher beim Treck eintreffen. Unsere Chancen werden steigen.« »Aber nur, wenn dieser verdammte Cochise nicht schon vorher mit seinen Kriegern über uns herfällt. Mann, ich habe ein komisches Gefühl in der Magengegend.« »Ihr müßt nur durchhalten, Hank. Sollten Apachen auftauchen, dann fahrt die Wagen wieder zusammen und harrt aus. Ich komme zurück, denn ich brauche die Dollars ganz dringend.« Nach diesen Worten zog Wyatt Earp sein Pferd herum und jagte in die Richtung, in der Tombstone lag. Eine Strapaze lag vor ihm. Wyatt Earp wußte dies. Er war aber ein Typ, der auf sein Glück und auf seinen schnellen Colt vertraute. * Cochise zügelte auf einer Anhöhe seinen Mustang und blickte über das vor ihm liegende Land. Sein Sohn Naiche schloß zu ihm auf, während zehn Chiricahuas am Fuß des kleinen Hügels verhielten. »Sie ziehen weiter«, kam es dumpf über die Lippen des Apachen-Häuptlings. »Sie haben meine Warnung in den Wind geschlagen. Auch der Falke hat nichts erreichen können. Nun
bleibt uns nur noch der Kampf gegen die weißen Eindringlinge.« Naiche richtete seine dunklen Augen auf den Vater und sagte dann mit stolzer Stimme: »Alle Verhandlungen sind umsonst gewesen. Wir hätten schon längst zuschlagen sollen. Ulzana und Victorio werden bald mit den Kriegern bei uns eintreffen. Schon im Morgengrauen können wir angreifen.« Es schien, als hätte Cochise diese Worte nicht vernommen. Noch immer starrte er zu dem Treck hinüber. Wagen an Wagen reihte sich hintereinander. Eine große Staubwolke säumte den Trail. »Wir werden sehen, mein Sohn«, sagte Cochise dann ausweichend. »Ich denke daran, daß wir den Bleichgesichtern eine Frist von drei Tagen eingeräumt haben.« »Das hatte nur Gültigkeit, wenn sie nicht weiterziehen, Vater«, entgegnete Naiche heftig. Cochise nickte. Tiefe Falten furchten seine Stirn. Er ahnte, daß der Kampf nicht mehr aufzuhalten war. »Wir folgen den Bleichgesichtern«, sagte er zu Naiche. »Schicke zwei unserer Krieger zu Ulzana und Victorio, damit sie uns nicht verfehlen.« Sein Sohn führte den Befehl sofort aus. Zwei Apachen preschten davon und verloren sich zwischen den sanft geschwungenen Hügeln inmitten der großen Ebene. Cochise, sein Sohn und die acht anderen Chiricahuas folgten in großem Abstand dem Wagentreck und achteten darauf, nicht gesehen zu werden. Den Häuptling interessierte sehr, was die weißen Eindringlinge vorhatten. Im Grunde seines Herzens glaubte Cochise nicht daran, daß der Siedlertreck wirklich noch tiefer in das Land der Apachen eindringen würde. Vielleicht bogen sie schon bald ab, um das Gebiet zwischen den Galiuro und den Pinaleno Mountains zu verlassen.
* Sie jagten noch immer hinter ihm her, vier Indianer, die Wyatt Earp auf schnellen Hufen folgten. Sie waren überraschend aufgetaucht. Wyatt Earp hatte zu überhastet und impulsiv reagiert. Sein Revolver spuckte bereits Feuer und Blei, ehe er bemerkt hatte, daß die Apachen überhaupt keinen Angriff planten. Einer der Krieger war vom Pferderücken gestürzt und reglos auf dem sandigen Boden liegengeblieben. Das war vor einer halben Stunde geschehen. Und seitdem wurde der junge Revolvermann von den Rothäuten gehetzt. Wyatt Earp drehte sich im Sattel um. Er sah, daß die Verfolger aufgeholt hatten. Die drahtigen Mustangs schienen über eine größere Ausdauer zu verfügen. Earp fluchte lautlos und riß sein Gewehr aus dem Scäbbard. Dann parierte er hart sein Pferd, das grell wieherte und mit solch einer Behandlung nicht einverstanden war. Earp beruhigte das Tier, legte dann die Winchester an und drückte ab. Dumpf rollte der Explosionsdonner durch die mittägliche Stille. Ein Mustang brach zusammen, als hätte ein Riese mit vernichtender Wucht zugeschlagen. Der Apache wurde regelrecht aus dem Sattel katapultiert. Earp schickte noch immer seinen bleihaltigen Segen zu den Verfolgern hinüber, ohne aber einen Treffer anbringen zu können. Die drei anderen Apachen schwärmten aus und verschmolzen regelrecht mit ihren Pferden, waren kaum noch zu erkennen, so dicht lagen sie über den Mähnen ihrer Mustangs. Wyatt Earp stellte das Feuer ein, denn die Indianer ließen es nun langsamer angehen. Bald befanden sie sich außer Gewehrschußweite. Na, also, dachte der Revolvermann. Den Jungs habe ich es aber gezeigt.
Wyatt Earp ritt weiter und hielt immer wieder Ausschau nach den Apachen, denn er traute dem Frieden nicht. Es konnte auch ein Trick der Indianer sein. Die Herren dieses Landes kannten viele Abkürzungen und geheime Pfade, von denen die Weißen nichts ahnten. Earp beschloß, noch mehr auf der Hut zu sein. Bis nach Tombstone waren es noch viele Meilen. Er schonte sein Pferd nicht, obwohl die Sonne unbarmherzig brannte und Mensch und Tier das Mark aus den Knochen zu saugen schien. Plötzlich sah Wyatt Earp die drei Indianer wieder seitlich von sich aus einer Senke auftauchen. Die Entfernung betrug höchstens 50 Yards. Earp hob sein Gewehr an, konnte aber nicht schießen, denn einige Felsbrocken verdeckten nun die Apachen. Sie ließen sich auch nicht mehr blicken. Wyatt fragte sich, ob er nicht doch einer Sinnestäuschung erlegen war, wurde dann aber wenige Sekunden später eines Besseren belehrt. Schüsse peitschten. Eine Kugel sirrte nur haarscharf an seinem Ohr vorbei. Earp machte sich flach und atmete gepreßt. Ihm blieb nichts anderes übrig, als die Flucht zu ergreifen. Eine Kugel streifte seine Schulter und riß Stoff und Hautfetzen mit. Ein höllischer Schmerz durchzuckte den Körper des Fliehenden. Earps Pferd setzte über einen Felsbrocken, gegen den weitere Geschosse prallten. Der Revolvermann fluchte lautlos und sah sich im Sattel um. Die Apachen blieben zurück. Wyatt Earp begriff, daß er dem Tod in letzter Sekunde entgangen war. Er biß die Zähne aufeinander. Seine Wangen zuckten nervös. Er betastete die Schulter, fühlte Blut an seinen Fingern. Es war aber nur ein harmloser Streifschuß, wie Wyatt Earp später feststellte. *
»Nehmen Sie Platz, Mr. Haggerty«, sagte General Oliver Otis Howard und musterte seinen Chiefscout, der sich müde auf einen Stuhl fallen ließ und die Beine weit von sich streckte. Johns Kleidung war mit grauem Staub überdeckt. Gesicht und Haare sahen nicht besser aus, und er hatte Mühe, vor lauter Müdigkeit seine Augen offenzuhalten. Man sah dem harten Mann an, daß ein strapaziöser Ritt hinter ihm lag. John Haggerty hatte über 24 Stunden im Sattel gesessen. Er hatte weder sich noch sein Pferd geschont. Und beide waren am Ende ihrer Kräfte angelangt, als sie das Fort erreichten. Howard nickte, ehe er ein Glas mit goldgelb funkelndem Kentucky-Whisky einschenkte und es seinem besten Mann reichte. John Haggerty, vor geraumer Zeit zum Lieutenant befördert, lächelte dankbar und schüttete den scharfen Alkohol in seine Kehle. Er genoß die angenehme Wärme in seinem Magen und das belebende Gefühl des Getränks. Der Scout wußte aber auch, daß seine Müdigkeit dadurch nicht zu vertreiben war. John Haggerty blickte auf den einarmigen, ehemaligen Bürgerkriegsgeneral, auf dessen Stirn zwei steile Falten standen. Howard strich über seinen Schnurrbart, während sich sein stämmiger Körper kerzengerade aufrichtete. Der General fixierte die Colonels White und Richards, die seitlich von ihm standen und bisher alles schweigend verfolgt hatten. Oliver Howard deutete ihnen mit einer Geste an, sich ruhig zu verhalten, und trat dann zu John Haggerty. Der berichtete, was sich in den letzten Tagen alles ereignet hatte. Die drei Offiziere hörten interessiert zu. General Howards Miene verdüsterte sich immer mehr, je länger der Scout erzählte. Dann herrschte lange Sekunden Schweigen, nachdem John Haggerty seinen Bericht beendet hatte. Howard stampfte mit wuchtigen Schritten durch das Zimmer.
John schloß die Augen. Die Müdigkeit breitete sich wie schleichendes Gift in seinem Körper aus. Die Stimme des Generals riß ihn aus seinen Gedanken. »Sie glauben also, Cochise wird sich an die vereinbarte Drei-Tage-Frist halten?« John zuckte mit den Achseln. »Ich hoffe es, Sir. Der Chiricahua-Chief will keinen Krieg, sonst hätte er nicht so geduldig abgewartet. Er hat alles versucht, um den Siedlertreck zur Umkehr zu bewegen. Wenn dieser Coolidge aber weiterzieht, muß er handeln, sonst verliert er sein Gesicht. Sie wissen ganz genau, daß Victorio, der Häuptling der Mimbrenjos, nur auf eine derartige Chance lauert. Old Vic ist für den Kampf. Er hat es uns schon oft bewiesen. Er hält sich auch nicht an den Vertrag zwischen Ihnen und Cochise.« Der General rieb nachdenklich sein Kinn. Die Sorgenfalten auf seiner Stirn hatten sich tief eingegraben. »In Ordnung, Mr. Haggerty. Wir wissen nun Bescheid. Ich danke Ihnen für Ihren Einsatz. Von mir aus können Sie eine Mütze voll Schlaf nehmen. Die haben Sie weiß Gott verdient.« John zögerte. Er unterdrückte nur mit Mühe ein Gähnen und schüttelte den Kopf. »Wenn Sie gestatten, Sir, dann möchte ich hierbleiben. Wir alle müssen eine schnelle Lösung finden. Die Zeit drängt. Jede einzelne Minute ist kostbar.« »Schon gut, Mr. Haggerty«, sagte der General. Er legte dem Scout kameradschaftlich eine Hand auf die Schulter und wandte sich an die beiden Offiziere. »Sie haben gehört, Gentlemen, was Mr. Haggerty berichtet hat. Die Lage ist alles andere als rosig. Wir müssen eine Entscheidung fällen. Es geht um das Leben vieler Menschen. Und ob sie roter oder weißer Hautfarbe sind, ist unwichtig. Es ist unsere Pflicht, ein sinnloses Blutvergießen zu verhindern. Ich erwarte Ihre Vorschläge, meine Herren. Bitte, Mr. White!« Colonel White, der für sein hitziges Temperament bekannt
war, stieß mit krächzender Stimme hervor: »Es gibt nur eine Möglichkeit, Sir. Wir entsenden Soldaten. Die werden schnell Herr der Lage sein. Dann müssen es sich diese roten Teufel zweimal überlegen, ob sie angreifen wollen. Dafür bin ich schon immer gewesen. Wir können es nicht dulden, daß über hundert Weiße niedergemetzelt werden. Das würde außerdem keinen guten Eindruck auf die Herren in Washington machen. Ich bin für ein schnelles Eingreifen. Wir werden die Apachen zur Räson bringen. Zu lange haben wir schon stillgehalten und vieles geschluckt. Dem muß ein für allemal ein Ende gesetzt werden, Sir.« General Howard seufzte. Nun, er hatte mit keiner anderen Antwort gerechnet. Colonel White war schon immer ein Indianerfresser, wie man solche Leute zu nennen pflegte. Howard nickte Richards zu, der sofort militärische Haltung annahm und dabei die Hacken zusammenschlug. »Stehen Sie bequem, Colonel«, sagte Howard leicht verärgert. »Und dann sollten Sie mir ganz offen sagen, was Sie von der Angelegenheit halten. Nun?« »Wir müßten drei Züge Kavallerie entsenden, Sir. Das sind zweiundsiebzig gut ausgebildete Soldaten. Dazu drei Offiziere. Und unsere Leute sollten sich dafür einsetzen, den Frieden dort in der Ebene aufrechtzuerhalten. Ein militärisches Eingreifen sollte nur im äußersten Notfall erfolgen. Es muß alles getan werden, um diesen Treckführer zur Umkehr zu zwingen. Das ist uns gesetzlich möglich, denn die Siedler handeln illegal. Das Land ist von der Regierung noch nicht zur Besiedlung freigegeben. Wenn dieser Coolidge, oder wie immer er auch heißen mag, keine Vernunft annimmt, dann müssen wir dieses Problem auf unsere Weise lösen. So sehe ich es, Sir.« »Danke, Colonel Richards«, sagte General Howard und warf White einen schiefen Blick zu. Der Offizier reagierte aber nicht. Nur Trotz lag in seinen Augen, da er sich bereits für überstimmt hielt.
»Was würden Sie vorschlagen, Mr. Haggerty?« Der Scout hielt sich nur noch mit Mühe wach. Er erhob sich, dehnte und reckte seinen hageren Körper und nickte dann Howard zu. »Ich bin ebenfalls dafür, Soldaten zu entsenden. Es wird natürlich eine höllische Gratwanderung werden. Es wird auch schwer werden, Cochise zu erklären, daß dies nicht gegen ihn gerichtet ist. Ich werde mit den Soldaten reiten und mit dem Häuptling verhandeln. Noch schwieriger dürfte es sein, diesen Hank Coolidge umzustimmen, der die ihm anvertrauten Menschen hinter sich weiß. Ich sehe es aber als einzige Lösung, um ein Blutbad zu vermeiden. Die Siedler haben bereits für den Grund und Boden an der Nordschleife des Aravaipa-Flusses bezahlt. Sie sind von gewissenlosen Dollarhaien im Osten hereingelegt worden. Vielleicht sollten wir überlegen, wohin die Siedler weiterziehen könnten. Wir müssen ihnen anderes Land anbieten, das schon zur Besiedlung freigegeben ist. Nur so haben wir Erfolg.« John Haggerty kämpfte gegen seine Müdigkeit an. Er gähnte und hielt sich erschrocken eine Hand vor den Mund. »Ich lege mich aufs Ohr, Sir. Lassen Sie mich bitte sofort wissen, wie Ihre Entscheidung ausgefallen ist. Ich werde auf jeden Fall wieder zum Treck reiten und hoffe, mit Ihrem Einverständnis, Sir.« »Das geht in Ordnung, Mr. Haggerty. Schlafen Sie ruhig ein paar Stunden. Ich werde Sie über alles rechtzeitig informieren.« John nickte den drei Offizieren zu, die grüßten, und verließ das Zimmer. Einige Minuten später ließ er sich wie ein nasser Sack auf ein Bett fallen. Schon bald verrieten seine gleichmäßigen Atemzüge, daß er eingeschlafen war. *
»Dann sind wir uns einig, Gentlemen«, sagte eine halbe Stunde später General Howard. »Wir schicken drei Züge Kavallerie zur Ebene zwischen den Galiuro und den Pinealeno Mountains. Der Treck muß umkehren, koste es, was es wolle. Nur so können wir den Frieden mit den Apachen aufrechterhalten.« White räusperte sich. »Bitte, Colonel.« »Die Offiziere, die unsere Soldaten zum Siedlertreck führen, müssen klare Anweisungen für den Fall haben, wenn die Apachen ohne Warnung angreifen sollten. Das sind wir unseren Soldaten schuldig, Sir.« General Howard lächelte sanft. »Selbstverständlich. Ich vertraue aber auf Mr. Haggerty. Er wird mit Cochise verhandeln.« »Sie setzen alle Chips auf diesen Scout«, bemerkte White verächtlich. Deutliche Verärgerung schwang in seinen Worten mit. »Ich traue diesem Haggerty nicht so richtig. Er ist mir zu gut Freund mit dem Apachen-Häuptling. Immerhin rettete er vor einiger Zeit Cochises Schwester das Leben.« »Das ist es ja, Colonel. Mann, warum will das einfach nicht in Ihren Schädel hinein? Gerade aus diesem Grund ist Haggerty der richtige Mann für uns. Cochise ist ihm verpflichtet. Also wird er erst verhandeln und dann kämpfen.« Colonel White blickte auf seine Stiefelspitzen. Die Entwicklung des Gesprächs nahm eine andere Richtung, als er angenommen hatte. Deshalb zuckte er nur mit den Achseln. General Oliver O. Howard wandte sich an Colonel Richards. »Stellen Sie drei Züge Kavallerie zusammen. Die Captains Shuster, Clairman und Rockwell werden je einen Zug führen. Major Les Tanner wird den Gesamtbefehl übernehmen.« Richards grüßte militärisch und ging mit schnellen Schritten davon. Howard fixierte White. Der 45 Jahre alte Offizier hielt dem forschenden Blick seines
Vorgesetzten stand. »Warum hassen Sie die Apachen so, Colonel?« »Es ist nicht persönlich gemeint, Sir. Ich schätze nun mal dieses rote Gesindel nicht. Sie sind wiederum voller Haß gegen die Weißen und schlagen immer wieder heimtückisch zu.« General Howard schüttelte den Kopf. »Wie würden Sie denn reagieren, wenn man Ihnen das Land wegnehmen wollte, auf dem Sie und Ihre Vorfahren schon seit vielen Generationen leben? Die Apachen sind keine dummen Wilden oder blutgierigen Bestien, wie sie ständig hingestellt werden, Sie sind Menschen wie wir alle. Wir drücken sie immer mehr gegen die Wand oder sperren sie in Reservate, wo sie meistens elend zugrunde gehen.« Howard strich über seinen Schnurrbart, der sich in den letzten Sekunden gesträubt zu haben schien, dann fuhr er fort: »Die Indianer kämpfen um ihr nacktes Leben. Zuerst haben ihnen die Mexikaner das Leben schwer gemacht. Und nun sind wir es, die ihnen die Hölle bereiten. Man schlachtet ihre Büffel zu hunderttausenden ab, und zwar nur wegen der Felle. Die Indianer finden kaum noch Nahrung, denn das Wild wandert weiter, denn auch hier wüten die weißen Eindringlinge.« Howard schwieg. Colonel Whites Gesicht war trotz der eindringlichen Worte unbewegt geblieben. Der General hatte das Gefühl, gegen eine unsichtbare und nicht zu durchdringende Wand zu reden. Er preßte die Lippen zusammen. »Sie können gehen, Colonel«, sagte er dann. Nachdem White das Zimmer verlassen hatte, setzte sich Oliver O. Howard hinter seinen Schreibtisch. Die Lage im Grenzland wurde von Tag zu Tag unübersichtlicher. Die Sorgen wollten einfach kein Ende nehmen. Der General seufzte mehrmals. Er dachte auch an den Siedlertreck, der eine gefährliche Situation heraufbeschworen hatte. Howard fragte sich, wie lange die Apachen unter ihrem
Häuptling Cochise noch stillhalten mochten. * »Apachen!« – Der Ruf pflanzte sich von Wagen zu Wagen fort. Überall herrschte Hektik, brach Panik aus. Männer, auch die älteren, griffen nach ihren Gewehren. Frauen drückten ängstlich ihre Kinder an sich. Der vorderste Conestoga kam zum Halten. Die 30köpfige Schutzmannschaft ritt dicht an die Wagen heran und sprang aus den Sätteln. Sie suchten Deckung unter den Fahrzeugen, hinter Rädern, Kisten und Fässern. Hank Coolidge ritt zu dem Treck zurück. Sein Gesicht schimmerte trotz der großen Hitze bleich. Er zeigte den Siedlern ein gequältes Lächeln. Heiser rief er ihnen zu: »Nur ruhig Blut, Leute! Die Rothäute greifen nicht an. Die wollen uns nur ihre Stärke und ihre Macht zeigen. Bleibt trotzdem wachsam und haltet eure Waffen schußbereit!« Hank Coolidge kletterte aus dem Sattel und sah an der langen Reihe der Conestogas und Murphys entlang, die nun alle zum Stehen gekommen waren. Manche Ochsengespanne zerrten in den Geschirren. Ihr Muhen klang dem Treckführer unangenehm in den Ohren. Ben Kincaid, der Coolidges rechte Hand war, trat zu seinem Boß. In seinem breitflächigen Gesicht zuckte es. Der stämmige Bursche fühlte sich nicht wohl in seiner Haut. Coolidge sah es ihm an. »Nun mach dir nur nicht gleich die Hosen voll«, knurrte er verärgert. »Noch sitzt dein Skalp an der richtigen Stelle.« Kincaid tastete unwillkürlich nach seinen Haaren, ehe er verzerrt zu grinsen begann. Beide Männer starrten zu den Apachen hinüber, die in breiter Linie vor dem Siedlertreck aufgetaucht waren.
Die Distanz betrug ungefähr 200 Yards. Es war ein ebenso faszinierender wie beängstigender Anblick, den die indianische Streitmacht bot. Mehr als 100 Apachen reihten sich Pferd an Pferd. Unbeweglich saßen sie auf den Rücken ihrer struppigen Mustangs. Bunter Zierat blinkte im Sonnenlicht. Langes Haar flatterte im leichten Wind, der von den Bergen kam, aber kaum Linderung von der Backofenhitze brachte. »Das sind mehr als hundert Krieger«, stöhnte Ben Kincaid. »Herr im Himmel, steh' uns bei. Wenn die Rothäute über uns herfallen, dann bleibt kein Auge trocken.« »Ach was«, brummte Hank Coolidge, der seinen ersten Schreck verdaut hatte. »Im Moment besteht keine Gefahr. Das scheint wohl die letzte Warnung der Indsmen zu sein. Wir ziehen ganz einfach weiter. Ich bin gespannt, wie die Apachen reagieren werden.« Ben Kincaid riß Augen und Mund auf, so sehr entsetzten ihn die Worte seines Bosses. »Was?« rief er. »Du bist übergeschnappt, Hank. Das kannst du nicht tun. Noch haben wir eine Chance, mit heiler Haut davonzukommen. Wenn wir aber jetzt weiterfahren, dann fassen es die Krieger als Herausforderung auf und greifen uns an. Du vergißt wohl, wie stolz die Apachen sind. Hör auf mich, Hank. Wenn Earp mit den Revolverschwingern zu uns stößt, dann können wir den Indianern Paroli bieten. Aber ohne ihre Hilfe sind wir zu schwach.« Ben Kincaids beschwörend klingende Stimme verstummte. Noch immer lag blankes Entsetzen in seinen Augen. Hank Coolidge wiegte nachdenklich den Kopf. Er fand seinen Entschluß plötzlich selbst nicht mehr besonders gut. »Okay«, sagte er nach einigen Sekunden. »Also warten wir, bis die Apachen wieder verschwunden sind, dann ziehen wir weiter. Ich gebe trotzdem nicht auf.« Alle starrten zu den Rothäuten hinüber, die noch immer wie
Statuen auf ihren Mustangs saßen. Minuten vergingen. Beide Parteien schienen wie gelähmt zu sein. Der Hauch des Todes lag über dem Treck. Und viele der Siedler fragten sich in Angst und Sorge, ob sie nicht doch lieber umkehren sollten. Die über 100 Apachen redeten eine eindeutige Sprache. Niemand hatte mit einer derartig starken Kriegsmacht gerechnet. Unter den Siedlern gingen seit langem die schlimmsten Greuelmärchen um. Besonders die Frauen lebten in ständiger Furcht. Und viele drückten ihre halbwüchsigen Kinder noch fester an sich. Dann breitete plötzlich einer der Apachen die Arme aus. Seine Hände ballten sich zu Fäusten. Dies schien das Zeichen für die Streitmacht zu sein. Gellendes Kriegsgeschrei brach aus mehr als 100 Kehlen. Den Weißen lief es eiskalt über die Rücken. Sie spürten eine eisige Hand, die nach ihren Herzen griff. Die Apachen trieben ihre Mustangs an und galoppierten auf den Siedlertreck zu. Im ersten Augenblick gaben sich die Weißen wie gelähmt, ehe sie ihre Waffen hochrissen. Verwirrung herrschte. Rauhe Männerstimmen fluchten. Dazwischen erklang das verzweifelte Jammern einiger Frauen, die zu beten begannen. Kinder schrien ihre Angst aus sich heraus. Und noch immer jagten die Indianer auf den Wagentreck zu. Sie wirkten wie die apokalyptischen Reiter, grölten, johlten, stießen heisere Laute aus. Sie schwangen Gewehre, Speere und Tomahawks über ihren Köpfen. Dumpf trommelten die Hufe der Mustangs auf dem harten Erdreich. Staub wallte hinter den Tieren auf und verdeckte das hinter den Apachen liegende Gelände. Hank Coolidge und Ben Kincaid warfen sich zu Boden, hebelten Patronen in die Gewehrläufe. Kincaids Hände zitterten. Er ahnte, daß er vor Schreck und Angst nicht einmal ein
Scheunentor, geschweige denn einen der angreifenden Indianer treffen würde. Immer näher kamen die Apachen heran. Die Distanz zum Siedlertreck war inzwischen bis auf 100 Yards zusammengeschmolzen. Plötzlich teilten sich die Angreifer in zwei Trupps, die links und rechts auf die Planwagen zupreschten. Die ersten Schüsse peitschten auf, doch die Kugeln, die den Rothäuten galten, verfehlten ihre Ziele. Alles ging sehr schnell. Die Apachen zügelten ihre Mustangs von einer Sekunde zur anderen. Die riesige Staubwolke hüllte alles ein, ließ hin und wieder nur wirbelnde Schatten sehen. Als sich die Staubwolke legte, waren die Indianer verschwunden, als hätte es sie nie gegeben. Männer und Frauen rieben sich die Augen. Nur allmählich legte sich ihre Erregung. Doch so manchem Siedler zitterten die Knie. Hank Coolidge quälte sich auf die Beine. Er murmelte einige Worte, die niemand verstehen konnte, und hob dann seinen verbeulten Hut auf, der ihm vom Kopf gefallen war. Noch immer glaubte er, das Gebrüll der angreifenden Apachen in den Ohren zu haben. »Sie schaffen es noch, uns weichzukneten«, zischelte Coolidge. »Mann, die haben es uns aber gezeigt«, sagte er dann zu Kincaid, der inzwischen ebenfalls wieder auf den Füßen stand. Der Vollbärtige nickte zögernd. Er räusperte sich, trotzdem klang seine Stimme so rauh, als hätte er mit Eisenspänen gegurgelt, als er sagte: »Das scheint wirklich die letzte Warnung gewesen zu sein, Hank. Wir sollten kehrtmachen, solange wir noch Zeit haben. Vielleicht ist das nicht mal die gesamte Kriegsmacht der Apachen gewesen. Die legen doch nicht ihre Karten offen auf den Tisch. Hank, hör auf mich: nichts wie zurück.«
»Nun hast du dir doch die Hosen vollgemacht, was?« höhnte der Treckführer. »Wenn wir klein beigeben, dann haben die roten Teufel genau das erreicht, was sie mit ihrem Scheinangriff bezwecken wollten. So leicht lasse ich mich nicht unterkriegen.« Hank Coolidge hatte offenbar wieder Oberwasser. Er sah sich nach einigen Siedlern um, die eine Gruppe bildeten und lautstark diskutierten. Und er befürchtete, daß die Leute vielleicht nun endgültig die Nasen voll hatten. Das aber sollte sich erst so richtig in den nächsten Minuten zeigen. * Wyatt Earp fiel ein ganzer Steinbruch von der Seele, als er die ersten Häuser von Tombstone vor sich sah. Die Schatten der Abenddämmerung senkten sich wie ein samtener Mantel über Stadt und Land. Die Sonne war in einem flammenden Feuermeer untergegangen. Die ersten Sterne zeigten sich in majestätischer Pracht am Firmament und erinnerten an blitzende Diamanten. Der junge Wyatt Earp fühlte sich nach diesem Höllenritt erschöpft und wie unter eine Stampede geraten. Auch sein Pferd konnte sich kaum noch auf den Hufen halten. Es taumelte mehr, als es lief. Aus den Nüstern quoll weißlicher Schaum, der an der Brust des Pferdes und den Stiefeln seines Reiters klebte. Das Tier stieß ein fast menschliches Stöhnen aus, als es von Wyatt Earp am Hitchrack vor einem Saloon gezügelt wurde, wo bereits andere Pferde mit hängenden Köpfen standen. Earp rutschte aus dem Sattel und machte einige wankende Schritte, ehe er sicherer ging. Hunger und Durst quälten ihn bereits seit Stunden. Bevor er den Saloon betrat, winkte er einen halbwüchsigen Jungen zu sich heran.
»Hier hast du einen Dollar, mein Freund«, sagte Wyatt Earp. »Bring mein Pferd in den Stall, damit es versorgt wird. Du könntest es abreiben und noch ein wenig hin und her führen, damit es sich nach dem langen Ritt nicht erkältet. Anschließend bekommt es eine Extraportion Hafer. Willst du das für mich erledigen?« Der Junge nickte, schnappte nach dem Dollar und zog dann das erschöpfte Pferd an den Zügeln hinter sich her. Earp stieß die Flügel der Schwingtür auseinander. Der Geruch von abgestandenem Bier, Nikotin und Schweiß schlug dem Ankömmling entgegen. Viele Augenpaare richteten sich auf Earp, der sich aber nicht darum kümmerte, sondern den Saloon durchquerte und den Tresen ansteuerte. Ted Silvers spitznasiges Gesicht verlor ein wenig an Farbe, als er den Revolvermann sah. Noch vor einigen Tagen hatte er Wyatt Earp jeden Kredit verweigert und ihn sogar mit Waffengewalt aus seinem Etablissement befördert. Earp sah die feinen Schweißperlen, die sich auf der Stirn des Salooners bildeten. Er grinste, griff in seine Tasche und legte dann 20 Dollar auf das Thekenblech. »Damit sind meine Schulden beglichen, Mr. Geiernase. Nun solltest du mir ganz schnell einen Whisky einschenken. Dann will ich auch unsere kleine Auseinandersetzung vergessen.« Ted Silver seufzte. Erleichterung prägte seine Gesichtszüge und gaben ihnen ein ulkiges Aussehen. Er beeilte sich, ein Glas mit Whisky zu füllen. Wyatt Earp ließ den Drink durch seine Kehle rinnen und schob dann dem Salooner das leere Glas zu. »Laß noch mal die Luft raus, mein Bester. Anschließend möchte ich mich zwei oder drei Stunden ausruhen. Ich hoffe, daß du ein Bett für mich frei hast?« Silver nickte eifrig und kramte einen Schlüssel unter dem Tresen hervor. Earp steckte ihn in seine Jackentasche und wandte sich dann von dem Salooner ab.
Er musterte die Gäste mit forschenden Blicken, hielt Ausschau nach einigen Burschen, die er vielleicht für die Revolvermannschaft brauchen konnte. Zu dieser frühen Abendstunde hielten sich aber fast nur Bürger aus Tombstone hier auf. Die Typen, die er für diesen höllischen Job brauchte, kreuzten vermutlich nicht vor Mitternacht auf. Und bis dahin wollte sich Wyatt Earp ein wenig aufs Ohr legen, um sich von dem langen Ritt zu erholen. So trank er sein Glas leer und stiefelte dann auf die Treppe zu, die in das obere Stockwerk führte. Schon bald schlief Earp. Ihm erging es nicht anders als John Haggerty nach dessem langen Ritt. Wyatt mußte mit seinen Kräften haushalten, denn die Siedler warteten voller Ungeduld auf seine Rückkehr. * John Haggerty war von einer Sekunde zur anderen wach, als ihn jemand unsanft an der Schulter rüttelte. Sein Oberkörper ruckte hoch, während seine Rechte instinktiv zum Revolver an der Seite tastete. Erst dann sah der Chiefscout, wo er sich befand. Der Revolvergurt hing über einer Stuhllehne. »Es tut mir leid, Sie wecken zu müssen, Mr. Haggerty«, sagte Major Les Tanner und lächelte freundlich. »Sie sollen sich in einer halben Stunde bei General Howard melden.« John gähnte und grinste. »Ich habe doch höchstens zehn Minuten geschlafen«, brummelte er. »Heiliger Rauch, der lange Ritt steckt mir noch immer gewaltig in den Knochen.« »Sie haben exakt fünf Stunden geschlafen, Mr. Haggerty. Inzwischen hat General Howard für einigen Wirbel gesorgt. Drei Züge Kavallerie stehen abmarschbereit. Die Einheit ist mir
unterstellt. Sie sollen uns zum Siedlertreck führen.« John Haggerty nickte, schwang beide Beine über die Bettkante und federte hoch. »In Ordnung, Major. Ich bin in einer halben Stunde beim General. Von mir aus kann es wieder losgehen. Und sollte ich im Sattel einschlafen, dann müssen mich Ihre Leute festbinden.« Major Les Tanner entfernte sich lächelnd. Der Scout ging zu der Waschschüssel und tauchte den Kopf in das kalte Wasser. Er rasierte sich und zog sich um. Oliver Otis Howard erhob sich hinter seinem Schreibtisch, als ihm der Chiefscout gemeldet wurde und gleich darauf das Office betrat. »Ausgeschlafen?« »Nein, nur unterbrochen, Sir. Ehrlich gesagt, ich könnte einen neuen Rekord im Dauerschlafen aufstellen. Trotzdem bin ich heilfroh, daß die Soldaten bereits zum Abritt fertig sind. Ich kann es wirklich kaum erwarten, zu den Siedlern zurückzukehren.« Der Offizier nickte nun sorgenschwer. »Ich hoffe nur, daß alles nicht umsonst sein wird. Vielleicht hätte ich schon viel früher meine Leute in Marsch setzen sollen. Ich hatte aber auf die Einsicht des Treckführers vertraut. Es muß ein besonders hartnäckiger Typ sein, wenn er sogar Ihren Überredungskünsten widerstand.« »Wem sagen Sie das, Sir? Dieser Hank Coolidge ist ein Kapitel für sich. Er will ganz einfach mit dem Kopf durch die Wand. Ich nehme an, die Schollenbrecher haben ihm eine Erfolgsprämie in Aussicht gestellt, wenn er den Wagenzug heil ans Ziel bringt.« General Howard trat zu John Haggerty und blieb dicht vor dem stattlichen Mann stehen »Die drei Züge Kavallerie befehligt Major Tanner. Ich weiß, Sie und er verstehen sich prächtig. Gemeinsam wird es gelingen, diesen Coolidge zur Räson zu bringen. Und wenn alle Stricke reißen, dann
übernehmen Sie das Kommando über den Siedlertreck. Dann verhänge ich das Kriegsrecht über den Wagenzug. Sie werden diesen Coolidge verhaften und die Ebene zwischen den Galiuro und den Pinaleno Mountains verlassen. Habe ich mich klar und deutlich ausgedrückt?« »Das haben Sie, Sir. Ich nehme an, daß auch Major Tanner die entsprechende Befehle erhalten hat?« »Natürlich, Mr. Haggerty. Reiten Sie mit Gott, und verhindern Sie ein sinnloses Blutvergießen. Und dieser verdammte Coolidge soll sich auf keinen Fall einbilden, daß Sie zu seiner Verstärkung angeritten kommen. Ich hoffe nur, auch Cochise wird das nicht in die falsche Kehle kriegen. Nun wünsche ich Ihnen alles Glück dieser Welt. Bringen Sie meine Soldaten wieder gesund zurück. So long, Lieutenant Haggerty.« General Oliver Otis Howard reichte seinem Chiefscout die Hand und verabschiedete sich mit festem Druck. John Haggerty verließ die Kommandantur. Auf dem freien Platz davor waren die drei Züge Kavallerie bereits angetreten. Jeder Zug umfaßte 24 Mann. Es waren also mit den drei Captains und Major Tanner insgesamt 76 Soldaten, die nur auf den Scout gewartet hatten. John sah bereits auf den ersten Blick, daß er hier altgediente Blauröcke vor sich hatte und keine Greenhorns, die zu ihrem ersten Einsatz ritten. Ein frisches Pferd wartete auf den Scout. Er zog sich in den Sattel, ritt zu Major Tanner an die Spitze der Kolonne und nickte ihm kurz zu. »Von mir aus kann's losgehen, Major. Dann wollen wir mal dem Satan ein Barthaar ausrupfen.« Les Tanner lächelte verhalten und gab dann den Befehl zum Abritt. Bald erfüllten die Geräusche stampfender Pferdehufe das Fort. Viele Blicke folgten den Soldaten. Und mancher der Zurückbleibenden fragte sich, ob diese Männer alle wieder gesund und munter ins Fort zurückkehren würden.
* Ein Wasserfall stürzte tosend zu Tal. Das schäumende Wasser beruhigte sich bald wieder und schlängelte sich als dünnes Rinnsal durch das ausgetrocknete Land auf eine Felsenkette zu. Cochise, der Häuptling der Chiricahuas, saß in stolzer Haltung auf seinem Mustang. Verschlossen wirkte seine Miene. Er blickte auf das vor ihm liegende Land, durch das die Conestogas und Murphys rollten. Die dunklen Schatten der Nacht kündigten das Ende des Tages an. Nach und nach verschwammen die Konturen. Ein Ruck ging durch Cochises Körper. Er trieb seinen Mustang mit den Absätzen an und hielt auf eine Lücke zwischen den Hügeln zu. Bald erreichte er ein kleines Tal. Dort lagerten über 100 Apachen. Die Pferde weideten in unmittelbarer Nähe. Wachtposten sicherten das provisorische Camp. Der Häuptling ritt zu drei Kriegern hinüber, die etwas abseits um ein niederbrennendes Feuer saßen. Es waren Naiche, Cochises Sohn, Ulzana, einer der Unterführer der Chiricahuas, und Victorio, der Häuptling der Mimbrenjo-Apachen. Rötlicher Feuerschein geisterte über ihre ausdruckslosen Gesichter. Die drei Apachen blickten auf, als Cochise zu ihnen trat und sich ihnen gegenüber niederließ. Die Flammen loderten und warfen bizarre Schatten. Von irgendwoher erklang der scharfe Schrei eines jagenden Nachtfalkens. Die dunklen Schatten der Nacht verdichteten sich immer mehr. Langsam wich die Hitze des langen Tages. Victorio sah Cochise herausfordernd an. Die beiden Häuptlinge waren nicht gerade die allerbesten Freunde. Zu gegensätzlich waren ihre Ansichten im Kampf gegen die weißen Eindringlinge. Und zu oft waren ihre unterschiedlichen Meinungen hart aufeinandergeprallt. Wenn es nach Victorio gegangen wäre, dann hätten die
Apachen längst angegriffen und die Bleichgesichter niedergemacht. Er war schon längst kein Freund mehr von langen Friedensverhandlungen. Früher war das anders gewesen, da hatte er noch den Frieden befürwortet. Dann aber, als die Weißen seinen Stamm in die San Carlos Reservation umgesiedelt hatten, hatte er den Kriegspfad beschritten. So war er mehr oder weniger zum Gegenspieler Cochises geworden. Das änderte aber nichts daran, daß er zwangsläufig den Chiricahua-Chief als seinen obersten Anführer anerkannte und gemeinsam mit ihm handelte, wie es nun auch hier wieder der Fall war. »Welche Nachrichten bringst du uns, Cochise?« fragte Victorio mit guttural klingender Stimme. »Sind die weißen Kojoten umgekehrt, oder ziehen sie noch tiefer in das Land der Apachen hinein?« Ulzana, klein von Wuchs, nickte dazu. Sein Körper war in sich zusammengesunken. In dem verrunzelten Gnomengesicht zuckte es. Auch der Unterführer der Chiricahuas war ein Weißenhasser. »Sprich, Vater«, sagte Naiche. »Ich sehe dir an, daß du keine guten Nachrichten bringst.« Cochise nickte. In seinen dunklen Augen spiegelte sich die zuckende Flamme des Lagerfeuers. »Die fahrende Schlange zieht weiter. Unser Scheinangriff auf sie ist wirkungslos geblieben.« Man sah Cochise an, daß es ihm nicht leichtfiel, diese Worte auszusprechen. Der Häuptling der Chiricahuas schloß für einen Moment die Augen. Es schien, als lauschte er in sich hinein. Victorio sagte, ohne den beißenden Spott in seiner Stimme zu verbergen: »Ich habe also recht behalten. Die weißen Bastarde ziehen weiter. Die lachen über uns, weil sie uns für alte Weiber halten, denen der Mut fehlt, sie anzugreifen. Du hast in den letzten Tagen immer nur gedroht, Cochise. Sie fürchten dich nicht mehr und verhöhnen dich.«
Naiche wollte sich einschalten, doch eine vage Handbewegung seines Vaters hielt ihn davon ab. Cochise sagte: »Ich habe mich geirrt, Victorio, denn ich hatte geglaubt, der Täuschungsangriff unserer mutigen Krieger würde mehr Wirkung auf die Bleichgesichter erzielen. Ich glaube aber nicht, daß sie uns verspotten oder sich über uns lustig machen. Vielleicht ist es Mut oder auch nur Dummheit, was die weißen Männer und Frauen vorwärts treibt. Sie handeln oft anders, als wir es von ihnen erwarten. So auch dieses Mal.« Der Jefe der Mimbrenjos lächelte zufrieden. »Wann greifen wir an?« fragte er. Sein Gesicht nahm einen lauernden Ausdruck an. »Zastee!« rief Ulzana. »Wir töten diese weißen Hunde. Ihre Skalps werden schon bald an unseren Gürteln baumeln. Ehre, Ruhm und große Beute warten auf uns.« »Wann greifen wir an?« Erneut stellte Victorio diese Frage. Er saß wie ein sprungbereiter Puma am Boden und fixierte Cochise ungeduldig. »Übermorgen vor Sonnenaufgang«, antwortete der Häuptling der Chiricahuas. »Zu der Zeit befinden sie sich inmitten des unfruchtbaren Lavafeldes. Die Tiere und auch die Menschen werden erschöpft sein. Das Wasser wird ihnen knapp werden. Außerdem lassen wir die weißen Eindringlinge in den nächsten sechsunddreißig Stunden nicht zur Ruhe kommen. Wir werden laufend Scheinangriffe durchführen. Die Angst in ihnen wird immer größer werden. Dann schlagen wir zu.« Victorio, Ulzana und Naiche starrten Cochise an, der ihre Blicke offen erwiderte. Sekundenlang herrschte Schweigen, das nur vom Knistern des Feuers unterbrochen wurde. »Warum nicht schon bei Anbruch des kommenden Tages?« fragte Victorio zornig. »Die Bleichgesichter…« Cochise unterbrach ihn. »Meine Gründe habe ich genannt, Victorio. Ich möchte
möglichst keinen unserer tapferen und mutigen Krieger verlieren. Die Weißen werden so erschöpft sein, daß sie kaum noch ihre Federrohre halten können. Dann ist unsere Stunde gekommen. Die Stunde unserer tapferen Krieger. Die Stunde der Apachen.« Victorio nickte. Es hatte den Anschein, daß er zufrieden war, da nun endlich der Zeitpunkt feststand, an dem die Krieger der Chiricahuas und der Mimbrenjos angreifen wollten. * Mitternacht war bereits vorüber, als Wyatt Earp sein Zimmer verließ und wieder den Saloon betrat. Er war zwar immer noch müde, doch die Ruhepause hatte seinem Körper gutgetan. Der Saloon war zu dieser späten Stunde gerammelt voll. Der Lärm war kaum zu übertönen. Zu Dreierreihen standen die durstigen Männer am Tresen. Viele von ihnen waren bereits angetrunken. An einigen Tischen wurde gepokert. Wyatt Earp ergatterte sich einen freien Platz an der Theke. Ted Silver schob ihm unaufgefordert einen Whisky zu, den Earp sofort kippte. Dann verließ er den Saloon, überzeugte sich davon, daß sein Pferd gut untergebracht war, und aß in einem Restaurant ein saftiges Steak mit Bratkartoffeln. Anschließend stiefelte er in den Saloon zurück und sah sich unter den Gästen um. Schon bald entdeckte er einige rauhe Burschen, deren Schießeisen tief an den Oberschenkeln baumelten. Außerdem sahen die Kerle gerade so aus, als hätten sie keinen rostigen Cent mehr in den Taschen. Wyatt Earp grinste zufrieden. Er wollte diese fünf Männer im Auge behalten. Vielleicht konnte er sie für seine Pläne einspannen. Earp hatte es sich nun einmal in den Kopf gesetzt, 15 oder 20 Schießer anzuwerben, die ihn dann mit zum Treck begleiten sollten.
Er schlenderte weiter und blieb an einem Tisch stehen, an dem gepokert wurde. Vier der fünf Spieler hatten mürrische Gesichter. Vor einem dicken mit rotem Gesicht und einer noch röteren Knollennase türmten sich die Dollarscheine nur so, während seine vier Mitspieler kaum noch Bucks vor sich liegen hatten. »Machen wir weiter, Gents?« fragte der Fettwanst grinsend. »Ich bin mit von der Partie. Wenn ihr aber nicht mehr mithalten könnt, solltet ihr euch Geld besorgen.« Die Mienen der vier noch jungen Männer wurden noch verdrießlicher. Einer fluchte und sagte: »Ich habe zwar schon manchen Glückspilz gesehen, Mister, doch deine Glückssträhne ist mir direkt unheimlich. Und ich frage mich, ob das alles mit rechten Dingen zugegangen ist.« Seine drei Freunde nickten. Die Visage des Dicken verfärbte sich innerhalb von Sekunden zu einem schmutzigen Grau. Er legte seine linke Pranke auf die Banknoten, während er aus dem anderen Jackenärmel einen Derringer zauberte, den er auf die vier Männer richtete. »Ich habe schon befürchtet, schlechte Verlierer vor mir zu haben, Jungs«, hallte die Stimme des Feisten in die eingetretene Stille. »Jede weitere Beleidigung zahle ich euch mit heißem Blei zurück. Ich habe fair gespielt. Nun solltet ihr Leine ziehen, ehe ich es mir anders überlege und euch die Luft aus euren Hohlköpfen lasse.« Die vier Pokerspieler saßen wie erstarrt. Ihre Hände lagen auf der Tischplatte. Mit einer derartigen schnellen Wendung hatten die vier Hombres nicht gerechnet. Sie hatten den Dicken unterschätzt, dessen Augen wie Eiskristalle funkelten. Viele der umstehenden Gäste wichen zurück. Keiner hatte Lust, eine Kugel einzufangen, falls es wirklich zu einer Schießerei kommen sollte. Die vier Männer sahen sich nun an. Sie wußten genau, daß sich in dem kleinen Derringer nur zwei Kugeln befanden,
»Versucht es nur, Gents«, keifte der Dicke. »Von euch lasse ich mich nicht unterkriegen. Zwei von euch nehme ich mit in die Hölle, solltet ihr euch nicht friedlich davonschleichen.« Diese Worte gaben den Ausschlag. Die vier Männer erhoben sich. Ein Stuhl kippte nach hinten. »Vielleicht ist noch nicht das letzte Wort gesprochen«, sagte einer der Verlierer drohend, ehe er seinen Partnern folgte, die den Pendeltüren zustrebten. Wyatt Earp folgte den vier Burschen und sprach sie draußen auf dem Stepwalk an. »Hört mir zu, Leute«, sagte er leise und geheimnisvoll. »Wie ich im Saloon mitgekriegt habe, seid ihr ziemlich abgebrannt. Ich hätte einen Job für euch, bei dem ihr eure leeren Taschen wieder auffüllen könnt.« Einer von ihnen knurrte: »Hau ab, Mister! Wir sind an keinem Job interessiert. Laß uns in Frieden!« »War ja nur ein Vorschlag, Gents«, sagte der Revolvermann lächelnd. »Wenn ihr es euch anders überlegt, dann findet ihr mich im Saloon. Ich muß eure Entscheidung bis zum Morgengrauen wissen, dann reite ich wieder los.« Die vier Verlierer der Pokerrunde starrten Wyatt Earp feindselig an. Fast sah es so aus, als wollten sie ihre Wut und Enttäuschung an ihm abreagieren. »Was seid ihr nur für Dummköpfe«, sagte Wyatt Earp verächtlich. »Ihr hofft, dem feisten Typ die Bucks wieder abnehmen zu können. Ich wette, daß da nichts läuft. Dazu ist der Dicke viel zu clever. Außerdem haben viele Gents mitbekommen, was im Saloon gelaufen ist. Wenn ihr dem Mann auch nur ein Haar krümmt, dann wird der Verdacht auf euch fallen. Unterschätzt nur den Marshal nicht. Der hört das Gras wachsen, und ihr findet euch schneller in einer Zelle wieder, als ihr bis drei zählen könnt.« Nach diesen Worten ließ Wyatt Earp die vier stehen und betrat erneut den Saloon. Er sah auf den ersten Blick, daß der
Gewinner des heißen Pokerspiels verschwunden war. Bestimmt hatte er den Raum durch den Hinterausgang verlassen und saß schon im Sattel seines Pferdes, um sich und das gescheffelte Geld in Sicherheit zu bringen. Wyatt Earp grinste, sah sich um und stiefelte dann auf fünf Männer zu, die mit mürrischen Gesichtern an einem Tisch saßen. Vor ihnen standen leere Whiskygläser. Auch in der Flasche befand sich kein Tropfen mehr. Earp erkannte sofort, daß er fünf rauhe Hombres vor sich hatte, die weder Tod noch Teufel fürchteten und sicherlich bereit waren, nach jedem Strohhalm zu greifen. * Wyatt Earp zog sich einen Stuhl heran und setzte sich zu den fünf Männern die ihn nicht gerade freundlich musterten. Einer brummte: »Schleich dich, Mister! Wir haben dich nicht aufgefordert, dich zu uns zu setzen. Wenn du Ärger willst, dann kannst du ihn kriegen. Wir sind gerade in der richtigen Stimmung.« Der Bärtige zeigte seine nikotingelben Zähne. Es war kein freundliches Lächeln, sondern mehr das Fletschen eines Wolfes, der seinem Gegner an die Kehle springen will. »Regt euch erst gar nicht auf, Jungs«, sagte Wyatt Earp gelassen. »Ich habe eure leeren Gläser gesehen und wollte euch alle zu einem Drink einladen. Wenn ihr das nicht wollt, dann verdrücke ich mich wieder.« Earp erhob sich. Einer der noch jungen Leute leckte sich über die Lippen und sagte: »Setz dich wieder, Mister. Gegen einen Drink haben wir nichts einzuwenden. Wir sind nämlich völlig pleite, und Geschenke soll man nicht abschlagen.« Earp setzte sich, während der Mann Ted Silver zuwinkte, der eilfertig herangestakst kam. »Was willst du?« fragte er unfreundlich. »Einen Drink
bekommt ihr nur gegen Barzahlung. Das habe ich euch bereits vor einer Stunde gesagt.« »Bring' uns eine neue Flasche, Geiernase«, sagte Wyatt Earp respektlos. »Ich übernehme das.« Ted Silver zupfte an seinem Gesichtserker, als wollte er ihn abreißen. Sein mißtrauischer Blick traf den Revolvermann und Spieler. Nun blieb Earp nichts anderes übrig, als in seine Jackentasche zu greifen und einen Dollarschein hervorzuziehen. »Das wird wohl genügen, Mister. Damit sind auch meine anderen Drinks und das Zimmer bezahlt. Okay?« Der Salooner entfernte sich brummend. Kurz danach stellte er eine Flasche und für Earp ein Glas auf den Tisch. Einer der fünf Gents schenkte die Gläser voll. Dann prosteten sich die sechs zu. »Was willst du, Mister?« fragte der Bärtige, der Earp zuerst so unfreundlich angefaucht hatte. »Du siehst nicht gerade wie ein Menschenfreund aus. Die Drinks sind doch sicher nichts als Köder. Also, spuck schon aus, was du von uns willst.« Wyatt Earp setzte sein Glas auf der Tischplatte ab. Aus harten Augen musterte er die fünf Männer. »Ich habe einen Job für euch, Jungs. Es ist allerdings ein höllischer Job, der uns alle Kopf und Kragen kosten kann. Dafür springen auch einige Bucks heraus. Ich werde euch gleich erklären, um was es geht. Ihr müßt euch bald entscheiden. Es kann natürlich sein, daß ihr dann ganz schnell weiche Knie bekommt.« Earp lächelte. »Ich benötige ungefähr fünfzehn bis zwanzig harte Burschen, die dem Teufel ein Bein stellen. Und ihr seht ganz so aus, als würdet ihr das mit Freuden machen.« Die fünf zeigten Interesse. Der Bärtige nickte Wyatt Earp entschlossen zu. »Los, sag' schon, was du vorhast. Du brauchst uns nicht länger Honig um den Mund zu schmieren.« Wyatt Earp war rundherum zufrieden. Er hatte die fünf
Männer am Angelhaken. Dann berichtete er vom Siedlertreck und den Apachen. Die Gesichter der fünf wurden verschlossener. Zweifel lagen in ihren Blicken. Earp füllte die Gläser erneut. »So sieht es aus, Leute«, sagte er dann. »Nehmt erst noch mal einen Schluck, ehe ihr euch entscheidet. Denkt daran, daß der Treck von dreißig Burschen geschützt wird. Außerdem sind über siebzig Siedler auch nicht ganz ohne. Ich selbst werde fünfzehn oder zwanzig harte Brocken als Verstärkung mitbringen. Außerdem werden bestimmt Soldaten zum Wagenzug stoßen. Ich glaube nicht mal, daß die Apachen angreifen werden. So ist die Lage. Also, überlegt gut und reiflich. Denkt an die Bucks. Ich sehe bestimmt nicht wie ein Selbstmörder aus, sonst würde ich nicht mehr zum Treck zurückreiten.« Die fünf schlürften die Drinks. Ihre ersten Zweifel wandelten sich in Unsicherheit. Earp sah es ihnen an. »Jeder von euch erhält fünfzig Dollar. Das ist eine ganze Menge Geld in dieser lausigen Zeit. Ich stelle eine rauhe Mannschaft zusammen, die es schon allein mit den roten Teufeln aufnehmen könnte. Und ihr seid die richtigen Kerle für diesen Job. Überlegt es euch. Ich sehe mich nach weiteren Amigos um. In einer Stunde muß ich eure Entscheidung wissen. So long.« Wyatt Earp erhob sich, nickte den Männern zu und verließ den Saloon. Er wollte sich in den anderen Kneipen ebenfalls umsehen. Die Zeit drängte. * Der Trab der Pferdesoldaten, wie die Kavalleristen von den Indianern genannt wurden, war weit zu hören. Pferde wieherten und schnaubten. Hufe knallten auf den harten und verbrannten
Boden, Zaumzeug und Geschirr klirrten hin und wieder laut. John Haggerty ritt neben Les Tanner an der Spitze der Soldaten. Seit über zehn Stunden waren sie unterwegs. Bisher hatten sie mehrere Pausen eingelegt, damit die Pferde sich ein wenig erholen konnten. Indianer hatten sie bisher nicht gesehen. Das mochte aber auch daran liegen, daß man Apachen erst sah, wenn sie selbst gesehen werden wollten. Die Sonne brannte heiß hernieder. Menschen und Tiere litten unter den sengenden Strahlen. »Wir nähern uns dem San Pedro River, Major«, sagte der Chiefscout irgendwann. »Wir können wohl alle eine Erfrischung vertragen, nicht wahr, Sir?« Der Offizier nickte und rieb mit dem Handrücken über die schweißbedeckte Stirn. Dann warf er einen Blick auf die in Zweierreihen reitenden Soldaten zurück, die alle müde in den Sätteln saßen und mißmutige Gesichter zogen. »Wir müssen am Fluß eine längere Pause einlegen«, sagte Les Tanner. »Es nützt niemandem etwas, wenn wir ausgelaugt und erschöpft den Treck erreichen.« »Einverstanden«, sagte der Scout. »Ich war mir darüber völlig klar, daß wir erst morgen den Wagenzug erreichen werden. Dann läuft die Drei-Tage-Frist ab. Hoffentlich finden wir vom Siedlertreck nicht nur noch rauchende Trümmer und Tote vor.« Major Tanner wiegte den Kopf. »Es ist alles möglich. Ich bin gespannt, wie Cochise reagieren wird, wenn ihm seine Krieger unsere Ankunft melden. Vielleicht wird er uns aber schon vorher attackieren.« John Haggerty nagte an seiner Unterlippe. Düstere Gedanken beschäftigten ihn. Auch er wußte nicht, wie der Häuptling der Chiricahuas reagieren mochte. Die Geduld des Apachen mußte irgendwann zu Ende gehen. Zu sehr war sie in den letzten Tagen strapaziert worden. Schweigend ritten Major Tanner und John Haggerty
nebeneinander. Eine gute Stunde später sahen sie das silberne Band des San Pedro River im strahlenden Licht der Sonne funkeln. Die Pferde liefen schneller, denn sie witterten das Wasser. Bald gaben die Unteroffiziere der einzelnen Züge das Kommando zum Absitzen. Die Pferde wurden getränkt und anschließend versorgt. Erst dann stürzten sich die Soldaten in die kühlen Fluten. Natürlich hatte Tanner Wachtposten aufstellen lassen, um die Furt zu sichern. Von Apachen war aber nach wie vor nichts zu entdecken. Die Herren des Landes schienen sich wieder einmal in Luft aufgelöst zu haben. John war jedoch davon überzeugt, daß sie alle längst von den Indianern beobachtet wurden. Cochises Späher mußten überall sein, so wie Raubvögel schon aus großer Höhe ihre Beute ausmachen. * Der Häuptling wirkte so düster wie selten zuvor, als er die Pferdesoldaten heranreiten sah. Die zehn Krieger, darunter sein Sohn Naiche, die ihn begleiteten, redeten durcheinander. Cochise gebot ihnen, zu schweigen. Dann schwang er sich vom Pferderücken. Während zwei Krieger zurückblieben, schlichen sich die anderen unter Cochises Führung näher an den Fluß heran, der zu dieser Jahreszeit nichts anderes als ein dünnes Rinnsal war. Hinter Mesquitebüschen und Dornenhecken kauerten sie sich nieder und verfolgten das Treiben der Langmesser, wie die Soldaten wegen ihre Säbel genannt wurden, am gegenüberliegenden Ufer. Naiche schob sich neben seinen Vater und blickte ihn forschend von der Seite an. »Wir sind zu wenig Krieger, um die Pferdesoldaten
anzugreifen«, flüsterte er. »Was wirst du unternehmen, Vater?« »Wir werden beobachten, mein Sohn. Mehr steht nicht in unseren Kräften.« »Ich könnte unsere Krieger holen, Vater. Aus einem Hinterhalt heraus wäre es leicht, die Langmesser zu besiegen. Victorio wäre mit diesem Plan einverstanden.« Der Jefe der Chiricahuas schüttelte den Kopf. »Es würde zu lange dauern, bis unsere Krieger an Ort und Stelle wären, Naiche. Die Soldaten werden hier nur eine kurze Rast einlegen und dann weiterreiten.« Der Apachen-Häuptling blickte auf John Haggerty, der mit einem der Soldaten im Schatten eines Felsbrockens saß. Auch Naiche erkannte den Scout. Sein Gesicht verzerrte sich vor Haß. Seine Augen funkelten. »Der Falke hat uns verraten, Vater«, stieß der Sohn des Chiricahua-Häuptlings hervor. »Er hat die Blauröcke geholt, damit sie den Siedlertreck verstärken. Damit bist du nicht mehr an den Vertrag mit dem einarmigen General gebunden. Wenn wir sofort zurückreiten, können wir die fahrende Schlange angreifen, noch ehe diese mit den Langmessern zusammentrifft.« »Ich werde mit dem Falken sprechen, Sohn. Er soll mir offen erklären, ob er ein doppeltes Spiel mit uns treibt.« »Laß es sein, Vater. Wenn dich die Soldaten sehen, werden sie sofort auf dich schießen. Außerdem wird das Bleichgesicht dir nicht die Wahrheit sagen. Er spricht wie alle Weißen nur mit gespaltener Zunge. Du vertraust ihm zu sehr.« Cochise legte seinem Sohn eine Hand auf die Schulter. »Ich will es wenigstens versuchen, Naiche. Ich möchte herausfinden, ob der Falke mich belügt. Dann sind wir noch immer schnell genug, um vor den Pferdesoldaten den Siedlertreck zu erreichen. Wir kennen viele Abkürzungen, die den Bleichgesichtern unbekannt sind. Cochise wechselte noch einige Worte mit seinen Kriegern, ehe er hinter seiner Deckung
hervortrat und gemessenen Schrittes zum Ufer des San Pedro ging. Er wurde sofort von einem der Wachtposten entdeckt. Kommandos schallten durch den frühen Abend. Einige Dutzend Gewehrmündungen richteten sich auf den Häuptling der Chiricahuas. Der Apache stand da wie ein Denkmal. Schließlich reckte er beide Fäuste gen Himmel, der sich bereits dunkler zu färben begann. In dieser Haltung blieb Cochise stehen. John Haggerty erhob sich, sprach einige Worte mit einem Soldaten und lief dann zu seinem Pferd. Nachdem er sich in den Sattel gezogen hatte, ritt er zum Fluß. Bald spritzte das Wasser unter den Hufen des braunen Hengstes. Ohne noch einen Blick auf die erschrockenen Soldaten zu werfen, durchquerte John den San Pedro River und hielt genau auf Cochise zu. Der Jefe erwartete ihn mit ausdrucksloser Miene. Längst hatte er die über dem Kopf erhobenen Arme wieder sinken lassen. Der Scout sprang aus dem Sattel und blieb zwei Yards vor Cochise stehen. Sie musterten sich gegenseitig. Zuerst wollte John dem Apachen die Hand reichen, als er aber dessen abweisenden Blick sah, ließ er es lieber bleiben. »Du willst mich sprechen, Cochise?« Das Gesicht des Jefe blieb unbewegt. John ahnte, daß der Häuptling große Sorgen hatte. Die dunklen Augen waren unverwandt auf ihn gerichtet. »Das will ich, Falke, denn sonst hätte ich mich nicht so offen gezeigt.« Cochise deutete mit ausgestrecktem Arm auf die Kavalleristen am anderen Ufer. »Du bringst diese Leute zu der fahrenden Schlange?« »So ist es, Cochise.« Eine tiefe Falte kerbte sich in die Stirn des Häuptlings. Das verhieß nichts Gutes. »Dann werden sie gegen uns kämpfen, wenn wir angreifen?« John schüttelte den Kopf. »Wenn ihr den Treck und die Soldaten angreift, müssen sie sich natürlich wehren. Die Soldaten reiten aber nur zu den
Siedlern, um sie zur Umkehr zu bewegen. Wenn es nötig sein sollte, sogar mit Waffengewalt. Das sind General Howards Worte. Die Blauröcke werden den Treckführer zwingen, wenn er sich weigern sollte. Aus diesem Grund bitte ich dich, den Angriff noch zu verschieben und alles seinen Lauf nehmen zu lassen.« Das Funkeln in Cochises Augen erlosch schlagartig. John Haggerty hatte den Chiricahua selten so verblüfft gesehen wie in diesen Sekunden. Doch ohne Übergang wurde er mißtrauisch. »Das sind schöne Worte, Falke«, stieß er hervor. »Vielleicht sind sie aber nicht wahr. Ich möchte Beweise von dir. Alle Bleichgesichter lügen. Eure Zungen sind gespalten wie die einer Schlange.« Johns Lächeln verwirrte den Indianer-Chief. »Ich habe keine Beweise, Cochise, ich kann dir nur mein Wort geben. Es muß dir genügen. Du kennst mich. Wir beide ziehen am selben Strang, um es einmal so auszudrücken. Wir wollen ein sinnloses Blutvergießen vermeiden. Dies ist unser beider Wunsch. Du mußt mir vertrauen, Häuptling, so wie auch ich dir vertraue.« Der Chiefscout betrachtete Cochise, der wie eine Statue vor ihm stand. Offen erwiderte er den noch immer forschenden Blick des Apachen-Häuptlings. »Die Leute werden umkehren, Jefe. Sie erhalten woanders Land, das bereits zur Besiedlung freigegeben ist. So habe ich es mit dem General besprochen. Er will den mit dir geschlossenen Vertrag unter allen Umständen einhalten. Bald wirst du nicht mehr behaupten können, daß alle Bleichgesichter lügen und euch Indianer zu täuschen versuchen.« Cochise nickte. »Ich danke dir für deine Worte, Falke. Du sollst aber auch wissen, daß meine tapferen Krieger zum Kampf gerüstet sind. Victorio und ich werden jeden eurer Schritte überwachen. Und solltet ihr ein doppeltes Spiel mit uns treiben, dann werden wir
zuschlagen. Weit über hundert meiner tapfersten und besten Krieger brennen darauf, einen großen Sieg zu erringen.« John Haggerty wollte noch etwas sagen, doch Cochise drehte sich plötzlich um und ging mit schnellen Schritten davon. Sekunden später war er hinter einem Felsbrocken verschwunden. Der Scout blickte hinter ihm her, zuckte unwillkürlich mit den Achseln und schwang sich in den Sattel. Bald erreichte er das gegenüberliegende Ufer des San Pedro, wo er bereits von Major Les Tanner erwartet wurde. »Cochise?« »Ja, es ist Cochise gewesen, Major. Ich habe mit ihm gesprochen und ihm erklärt, warum wir auf dem Weg zum Siedlertreck sind. Er wird uns nicht angreifen.« Major Tanner atmete befreit auf. »Ist er allein gewesen?« »Das glaube ich nicht. Bestimmt sind über ein Dutzend seiner Krieger bei ihm. Seine Hauptmacht ist in der Nähe des Trecks versammelt. Es müssen weit über hundert Apachen sein. Auch Victorio mit seinen Mimbrenjos hat sich zu Cochises Chiricahuas gesellt.« »Victorio will den Kampf, nicht wahr?« »Er will ihn schon lange und legt Cochise immer wieder Steine in den Weg, um den Frieden zwischen den Chiricahuas und uns zu stören. Er wird sofort losschlagen wollen, wenn er erfährt, daß Soldaten auf dem Weg zum Siedlertreck sind.« »Also können wir uns nicht hundertprozentig darauf verlassen, nicht angegriffen zu werden?« fragte Major Tanner. »Was ist schon hundertprozentig, Major?« fragte John Haggerty zurück. »Wir müssen abwarten, was die nächsten Stunden bringen werden. Morgen um diese Zeit wissen wir mehr.« Les Tanner nickte. »Vielleicht sind wir dann auch schon tot«, sagte der Offizier
mit besorgter Miene. »Ich habe das Gefühl, daß wir geradewegs der Hölle entgegenreiten.« * »Sind das alle?« fragte ein breitschultriger Bursche, dessen Colt auf unmißverständliche Art am Oberschenkel baumelte. Er trat zu Wyatt Earp und spuckte dann in den Straßenstaub. »Nein, Mister. Mit dir sind wir jetzt bereits acht rauhe Jungs, die den Apachen das Fürchten beibringen werden. Dort vorn kommen noch drei, die zu uns gehören.« »Also insgesamt elf«, sagte der bullig wirkende Typ. »Hast du nicht etwas von ungefähr zwanzig Kerlen gesagt? He, Earp, du willst mich verschaukeln. Ich reite nur mit, wenn wir wenigstens fünfzehn sind.« Der muskulöse Revolvermann spuckte erneut aus und fixierte Wyatt Earp unfreundlich. »Stell dich nicht so an«, entgegnete Earp bissig. »Oh, verdammt, dich habe ich für einige Nummern härter gehalten. Ob ein paar Jungs fehlen oder nicht, das stört keinen von uns. Die Apachen laufen, wenn sie uns nur sehen. Wir werden dem Siedlertreck die Rettung bringen, auch mit nur elf oder fünfzehn Leuten.« Der Bullige schüttelte den Kopf. »Es bleibt dabei, Earp. Ich mache nur mit, wenn wir vollzählig sind. Es ist sowieso heller Wahnsinn, zu den Rothäuten zu reiten. Vielleicht werden wir unsere Skalps ganz schnell los. Ich bin schon öfter an die Indsmen geraten. Die fackeln nicht lange und schlagen meistens zu, wenn keiner damit rechnet.« Wyatt Earp grinste hämisch. »Dann mach, was du willst, Mensch«, fauchte er. »Du hast die Hosen gestrichen voll. Das ist es, sonst nichts. Wir werden auch ohne dich klarkommen.« Der junge Revolvermann kletterte in den Sattel und wollte zu
den zehn auf ihn wartenden Männern reiten, als Hufschläge die Stille des jungen Morgens durchschnitten. Earp sah fünf Reiter, die sich vom Mietstall her näherten. Im wabernden Bodennebel wirkten sie wie schemenhafte Gebilde. Später sah Earp, daß es die vier Burschen waren, die gegen den Dicken im Pokerspiel verloren hatten. Den Fünften im Bunde kannte er nicht. Sie parierten vor ihm die Gäule. »Da sind wir, Mister. Gilt dein Angebot noch, oder hast du inzwischen genügend Leute aufgetrieben?« »Mein Angebot gilt nach wie vor. Ich kann euch gut brauchen. Dort drüben warten die anderen. Reitet zu ihnen hinüber. Ich komme gleich nach.« Die fünf Männer nickten und trieben ihre Pferde an. Wyatt Earp wandte sich an den Breitschultrigen. »Was ist? Jetzt sind wir vollzählig. Reitest du nun mit uns, oder hast du noch immer Bedenken?« »Nun sieht es besser aus, Earp. Okay, geht klar. Mit dir sind wir siebzehn, die es gegen hundert Indsmen aufnehmen können. Von mir aus kann es losgehen.« Wyatt Earp lächelte und ließ sein Pferd angehen. Er begrüßte die »Nothelfer«, wie er die Männer insgeheim nannte. Er war zufrieden. Die 16 Revolverschwinger verstärkten den Siedlertreck, und im Falle eines Angriffes der Apachen konnten sie das Zünglein an der Waage spielen. Nach einer Weile brach der Trupp auf. Tombstone blieb zurück. Vor den Reitern lagen viele Meilen. * Der indianische Kriegspfeil sirrte lautlos heran und bohrte sich drei Yards vor Hank Coolidges starkknochigem Hengst in den Boden. Das Tier scheute, stellte und wieherte grell. Der Treckführer wäre beinahe aus dem Sattel gefallen, konnte
sich aber in letzter Sekunde noch halten. Er starrte auf den noch immer zitternden Pfeilschaft, riß sein Pferd herum und galoppierte auf den Siedlertreck zu, der etwa eine halbe Meile hinter ihm seine Bahn zog. Coolidge duckte sich tief über den Hals des Hengstes. Angst, von einem weiteren lautlos heranschwirrenden Pfeil getroffen zu werden, kroch durch seinen Körper. Wohlbehalten erreichte er den ersten Conestoga und atmete erst einmal kräftig durch. Der Treckführer ahnte, daß der Pfeil nicht ihm gegolten hatte, sondern nichts anderes als eine Warnung gewesen war. Die Apachen lauerten überall. Immer wieder schossen sie Pfeile ab, die zwar keinen Schaden anrichteten, aber die Menschen erschreckten. Doch keiner aus dem Wagenzug konnte einen Apachen entdecken. »Was ist los, Hank?« fragte Ben Kincaid, der sein Pferd neben Coolidge zügelte. »Du bist ja ganz blaß um die Nase. Ist dir der Satan persönlich erschienen?« Der Anführer des Trecks versuchte zu grinsen, aber es wurde nur eine Grimasse daraus. Coolidge berichtete von dem Pfeil, der ihm aus dem Dämmerlicht des anbrechenden Morgens entgegengeflogen war. »Die roten Bastarde wollen uns nur Todesängste einjagen«, brummte Kincaid. »Wenn die wirklich Ernst machen würden, dann hätten sie schon etliche unserer Leute umgelegt. Vielleicht war es gar keine so gute Idee, in der Nacht durchzufahren.« »Ich weiß es nicht«, sagte Coolidge schulterzuckend. »Wir sind aber schneller vorwärts gekommen als am Tag. Vor allem hat uns die Hitze nicht so zu schaffen gemacht. Wir werden die Conestogas und Murphys zu einer Wagenburg zusammenfahren und erst wieder bei Anbruch der Dunkelheit weiterziehen. Bis dahin erwarte ich Earp und seine Revolverschwinger.« Ben Kincaid rieb sich die Hände.
»Und bestimmt auch die Soldaten. Dann sind wir stark genug, um jeden Angriff der Apachen abzuwehren.« Hank Coolidge nickte. »Dann sind wir fein raus, Ben. Und die wenigen Meilen bis zur Nordschleife des Aravaipa River werden wir auch noch schaffen. Unsere Aufgabe ist dann erledigt. Mann, oh, Mann, ich kann es kaum erwarten, diese Siedler wieder loszuwerden.« »Mir ergeht es ähnlich, Hank. Ich sage Bescheid, daß die Wagen zusammengefahren werden. Wir benötigen dringend eine Ruhepause. Auch die Ochsengespanne können kaum noch auf den Beinen stehen.« Hank Coolidge blickte zuerst hinter Kincaid her und richtete seine Aufmerksamkeit dann auf die nähere Umgebung, die sich immer deutlicher aus dem Grau des beginnenden Tages abhob. Der Wagenzug befand sich inmitten des Lavafeldes, das kaum Vegetation aufwies. Die Ochsengespanne wurden gefordert wie noch nie. Menschen und Tiere konnten die ungeheuren Strapazen kaum noch bewältigen. Das Trinkwasser wurde allmählich wieder knapp. Außerdem sorgten die ständigen Scheinangriffe der Apachen dafür, daß die Siedler kaum Ruhe fanden und immer damit rechneten, zum letzten und entscheidenden Kampf antreten zu müssen. Der Treckboß fuhr sich übers Gesicht. Trotz der morgendlichen Kühle hatten sich Schweißperlen auf seiner Stirn gebildet. Coolidge seufzte. Er hatte nicht erst seit diesen Minuten das Gefühl, bis weit über dem Kragenknopf in einer tödlichen Falle zu stecken, aus der es kein Entweichen mehr zu geben schien. »Wenn nur endlich dieser Earp kommen würde«, murmelte er. »Und wenn es ihm wirklich gelingt, zehn oder fünfzehn Schießer mitzubringen, dann sind wir aus dem Gröbsten raus.« Coolidge dachte auch an die Soldaten, rechnete aber kaum mit deren Erscheinen. Er wußte zu gut, daß die Blauröcke ein großes Gebiet kontrollieren mußten. Da blieb keine Zeit, um einen
Siedlertreck gegen die Apachen zu beschützen. Damit hatte Coolidge auch kaum gerechnet. Wir werden es schon allein schaffen, dachte er. Dann sah er zu den Treckwagen hinüber, die gerade kreisförmig zu einer Wagenburg zusammenfuhren. Die Ochsengespanne wurden ausgeschirrt und in die Mitte des Wagenringes geführt. Schon bald flackerten Kochfeuer auf. Die Sonne sandte ihre ersten Strahlen über die Gipfel der fernen Berge, ehe sie höher stieg und an eine feurige Orange erinnerte und das Land mit ihrem heißen Atem übergoß. Hank Coolidge ritt in das Innere der Wagenburg und kletterte müde aus dem Sattel. Er dehnte und reckte seinen Körper. Um ihn herum herrschte geschäftiges Treiben. Die Menschen waren heilfroh, daß die nächtliche Fahrt hinter ihnen lag. Sie hatten den Sonnenaufgang kaum erwarten können, denn er vertrieb die dunklen und geheimnisvollen Schatten der Nacht und mit ihnen die Angst vor dem Angriff der Apachen. Ben Kincaid trat zu seinem Boß und hielt ihm einen Becher mit dampfendem Kaffee hin. »Die heiße Brühe würde sogar einen Toten wieder auferstehen lassen«, bemerkte er grinsend. »Die Schutzmannschaft konnte keine Indianer entdecken. Die roten Teufel schleichen aber bestimmt noch hier in der Wildnis herum und lassen uns keine Sekunde aus den Augen.« Hank Coolidge schlürfte von dem heißen Kaffee. Wärme breitete sich in seinem Magen aus. Er gab kurze Zeit darauf Ben Kincaid den leeren Becher wieder zurück. »Ich werde die Wachtposten einteilen, Ben«, sagte er. »Ich traue dem Frieden noch immer nicht. Wenn die Rothäute angreifen, dann heute. Länger wird Cochise auf keinen Fall mehr warten. Wir alle sind müde, ausgelaugt und können kaum noch die Augen offenhalten. Darauf hat dieser Indianer-Chief
spekuliert. Der glaubt, daß seine Stunde bald gekommen ist.« Nach diesen Worten ging Coolidge davon. Ben Kincaid fuhr sich durch sein Bartgestrüpp und murmelte: »Manchmal glaube ich, es wäre besser, die Indianer würden angreifen. Dann wäre endlich dieser höllische Apachen-Poker vorbei.« * »Vor uns liegen noch höchstens zehn Meilen, Leute«, sagte Wyatt Earp. Er blickte auf die 16 rauhbeinigen Männer, die ihre Pferde gezügelt hatten. Seine Partner wirkten verschwitzt, müde und zogen teils mürrische Gesichter. Der lange Ritt steckte allen in den Knochen. Earp sagte: »Nun beginnt der gefährliche Teil unseres Trails, Jungs. Haltet Augen und Ohren offen und nehmt am besten eure Gewehre aus den Scabbards. Es könnte leicht sein, daß wir auf Apachen treffen. Und ich bin mir nicht sicher, wie sich die roten Burschen verhalten. Wenn sie uns angreifen, müssen wir uns wie die Teufel wehren und zum Siedlertreck durchzubrechen versuchen. Habt ihr das alle kapiert?« Einige der Revolverschwinger nickten. Andere sahen sich unbehaglich um. Einer schnupperte wie ein Hund, als hätte er die drohende Gefahr riechen können. Dann nahmen alle wie auf Kommando ihre Gewehre und legten sie vor sich über die Knie. »Okay«, ließ Wyatt Earp seine Stimme vernehmen. »So ist es richtig, Leute. Wir reiten weiter. Und achtet auf die Umgebung. Außerdem sollten wir nicht zu dicht nebeneinander reiten, sonst fegt uns bereits die erste Salve der Rothäute aus den Sätteln.« Earp trieb sein Pferd an. Die 16 Angeworbenen folgten ihm. Auf einigen Gesichtern war deutlich zu sehen, daß Wyatt Earps Worte nicht gerade beruhigend auf sie gewirkt hatten.
Das vor der Gruppe liegende Gelände war uneben. Bodenwellen und Hügel wechselten sich ab. Einige Tafelberge reckten sich gen Himmel. Die Hitze war bereits zu dieser frühen Morgenstunde groß. Meile um Meile legten die Männer zurück. Ständig hielten sie Ausschau nach den Apachen, konnten aber keine entdecken. Sie sahen nur hin und wieder Klapperschlangen oder Eidechsen. Earp parierte plötzlich sein Pferd. Schweißig glänzte sein Gesicht. Er schob seinen verstaubten Stetson in den Nacken. Seine Hände krampften sich fester um die Winchester. Seine Gefährten hielten ebenfalls ihre Pferde an. Die blieben vor Erschöpfung auf dem Fleck stehen. »Was ist los?« fragte der breitschultrige Bursche und strich sich durch seinen Vollbart. »Hast du einen der roten Bastarde gesehen? Spuck's schon aus!« »Sie lauern irgendwo«, antwortete Wyatt Earp zögernd. »Ich fühle es ganz instinktiv. Gesehen habe ich noch keinen der roten Bastarde, sie sind aber da. Darauf verwette ich jeden Betrag.« Seine Begleiter rutschten nervös in den Sätteln hin und her. Dabei suchten sie mit zusammengekniffenen Augen das vor ihnen liegende Gebiet ab. »Nichts zu sehen«, sagte der Bullige nach einer Weile. »Du siehst Gespenster, Earp. Wir sollten weiterreiten, um nicht noch mehr Zeit zu verlieren.« Wyatt Earp gab seinem Pferd die Zügel frei. Er fühlte sich mit einemmal nicht mehr wohl in seiner Haut. Ein dumpfer Druck in der Magengegend machte ihm zu schaffen. Und er wußte aus Erfahrung, daß dies nichts Gutes zu bedeuten hatte. Plötzlich tauchten die Indianer hinter einer Bodenwelle auf. Sie hielten ihre Pferde an. Dunkel hoben sich ihre Silhouetten ab, denn die Sonne stand blutrot hinter ihnen. Es mochten gut zwei Dutzend Apachen sein, die reglos auf ihren struppigen Mustangs saßen. Der Reiterpulk der Weißen geriet ins Stocken. Einige
lästerliche Flüche wurden ausgestoßen. Viele der rauhen Burschen preßten die Lippen aufeinander. »Nicht schießen«, murmelte Earp. Zu spät. Einer der Männer riß seine Winchester hoch und feuerte auf die Indianer. Einer der Apachen sank vom Pferderücken und schlug hart am Boden auf. Earp schimpfte. Fast sah es so aus, als wollte er auf seinen Partner schießen. »Du verdammter Narr!« fauchte er. »Jetzt hast du uns alles verdorben. Die Apachen hatten sich noch nicht zum Angriff entschlossen, denn sonst hätten sie sich nicht so offen gezeigt. Die wollten uns nur Angst einjagen. Nun bleibt uns nichts anderes übrig, als abzuhauen. Das lassen die sich nicht gefallen.« Die Apachen trieben ihre Pferde aber nicht an, wie es Wyatt Earp erwartet hatte. Sie verschwanden wieder in der Bodenwelle. Ihren verwundeten oder vielleicht auch toten Gefährten hatten sie mitgenommen. Die 17 Männer sahen sich an. Der junge Bursche, der vor wenigen Sekunden geschossen hatte, grinste. »Ach was, Earp. Du regst dich umsonst auf. Die Indsmen haben die Nasen voll und verduften. Die legen sich mit uns nicht an, weil sie erkannt haben, daß sie es mit einem rauhen Rudel zu tun haben.« »Wir werden sehen«, sagte Waytt Earp düster. »Du kennst die Apachen nicht. Die geben so schnell nicht auf. Die brüten jetzt irgendeine Teufelei aus, um uns dann alles mit Zins und Zinseszins wieder heimzuzahlen. Vorwärts, Leute, wir müssen so schnell wie möglich den Treck erreichen!« Wyatt Earp schlug seinem Pferd die flache Hand auf die Kruppe. Das Tier preschte los. Die anderen Reiter folgten ihm. Eine große Staubwolke blieb zurück.
* Wie lautlose Schemen tauchten eine halbe Stunde später die Apachen hinter Felsbrocken und Mesquitebüschen auf. Sie sprangen aus Bodenmulden hervor und eröffneten sofort das Feuer. Pfeile sirrten heran, Geschosse pfiffen Wyatt Earp und seinen Revolverschwingern um die Ohren. Der Angriff kam völlig überraschend. Die 17 Männer hatten längst geglaubt, den Apachentrupp hinter sich gelassen zu haben. Earp und seine Begleiter sahen keine andere Möglichkeit einem Blutbad zu entkommen, als ihre Pferde anzutreiben und die Flucht zu ergreifen. Sie feuerten zwar zu den Angreifern hinüber, doch sie schossen zu überhastet. Der bullige Typ, der dicht neben Wyatt Earp ritt, schrie plötzlich auf. Der gellende Schrei übertönte sogar die trommelnden Hufschläge der Pferde. Ein Pfeil ragte aus seinem Rücken. Der schwergewichtige Mann fiel nach vorn und klammerte sich mit beiden Händen am Hals seines Pferdes fest. Ein anderer wurde von einer Kugel in den linken Oberarm getroffen. Er ließ sein Gewehr fallen. Auch er konnte sich nur mit großer Mühe im Sattel halten. Dann war der höllische Spuk vorbei. Die Apachen blieben zurück und stellten das Feuer ein. Die Weißen waren längst außer Schußweite. Der Mann mit dem Pfeil im Rücken konnte sich nicht mehr halten. Er rutschte vom Pferderücken, überschlug sich mehrmals und blieb dann reglos liegen. Earp glaubte den Schaft des Pfeiles brechen zu hören. Während seine 15 Begleiter weiterritten, als wäre der
Leibhaftige persönlich hinter ihnen her, zügelte er nach einigen Yards sein Pferd und ritt zu dem bulligen Burschen zurück. Der junge Revolvermann schwang sich aus dem Sattel, nachdem er durch einen schnellen Blick festgestellt hatte, daß ihm im Moment keine Gefahr von Indianern drohte. Wyatt Earp kniete sich neben den am Boden liegenden Gefährten nieder und wälzte ihn auf den Rücken. Seine Hände färbten sich rot von Blut. Seelenlose Augen starrten in die seidige Bläue des Himmels. Das Gesicht des Toten glich einer einzigen schmerzverzerrten Grimasse. Earp drückte dem Getöteten die Lider zu und erhob sich. Dann sah er die Apachen kommen. Sie galoppierten auf ihren Mustangs aus einer Bodenwelle hervor und hielten auf ihn zu. Ihr gellendes Kriegsgeschrei ging Earp durch Mark und Bein. Er warf einen letzten Blick auf den toten Gefährten, sprang mit langen Sätzen zu seinem Pferd und trieb es an, nachdem er sich in den Sattel geschwungen hatte. Der Vorsprung seiner Gruppe betrug 200 Yards. Earp verlangte seinem Pferd alles ab und holte auch schnell auf. Mehrmals sah sich der Flüchtende um. Die Apachen blieben zurück. Sie hatten wohl nur die Verfolgung aufgenommen, weil sie in ihm eine leichte Beute zu haben glaubten. Seine Gefährten ritten noch langsamer und ermöglichten Wyatt Earp aufzuschließen. Die Indianer hatten inzwischen ihre Mustangs gezügelt und ritten dann zu dem Toten zurück. Sie würden ihn skalpieren und dann den Geiern zum Fraß liegen lassen. Earp und sein Anhang wußten, daß sie dies nicht ändern konnten. Sie mußten nun alles daransetzen, so schnell wie möglich den Treck der Siedler zu erreichen. *
Les Tanner hob seine rechte Hand bis in Schulterhöhe. Die hinter ihm reitenden Soldaten zügelten die müden Pferde, die zum Teil mit hängenden Köpfen dastanden. John Haggerty warf dem Major, dessen Gesicht verschlossen wie selten wirkte, einen Blick zu. Eine tiefe Falte kerbte die Stirn des Offiziers. »Warum haben Sie anhalten lassen, Major?« Tanner räusperte sich und spuckte einige Sandkörner aus, die ihm in den Mund geraten waren. »Wie weit sind wir noch vom Siedlertreck entfernt, Mr. Haggerty? Können Sie mir eine präzise Antwort geben?« »Ich kann nur schätzen, Sir. Noch ungefähr fünf Meilen. Es kommt ganz darauf an, wie viele Meilen der Wagenzug während meiner Abwesenheit zurückgelegt hat.« Der Major nickte. Noch immer stand die tiefe Sorgenfalte auf seiner gebräunten Stirn. »Mir gefällt da einiges nicht, Mr. Haggerty. Sie vertrauen diesem Cochise zusehr. Ich aber bin für das Leben und die Gesundheit meiner Leute verantwortlich. Irgendwie werde ich das Gefühl nicht los, schnurstracks in eine Falle zu reiten.« »Unsinn, Major«, widersprach der Chiefscout. »Wir können dem Apachen-Häuptling vertrauen. Er meint es ehrlich, sonst hätte er uns längst angegriffen, und zwar bereits im Morgengrauen. Er vertraut meinen Worten, Sir. Ich habe ihm gesagt, daß die Soldaten den Auftrag haben, den Treck zur Umkehr zu bewegen. Und wenn es sein muß, mit Waffengewalt.« Les Tanners nachdenkliche Miene blieb. Hinter seiner Stirn arbeitete es. Dann sagte er: »Ich werde einen Spähtrupp losschicken, der das vor uns liegende Gelände erkunden soll. Lieber verliere ich nur drei oder vier meiner Leute, als mit den drei Zügen in eine gut vorbereitete Falle zu reiten.« Der Scout winkte heftig ab.
»Sie fordern die Apachen dann geradezu heraus, sich des Spähtrupps ›anzunehmen‹, Major. Cochise hält sich längst nicht mehr in dieser Gegend auf. Der ist bestimmt schon wieder in der Nähe des Wagenzuges. Und wenn sie drei oder vier Soldaten als Spähtrupp einsetzen, dann wird er für die Apachen eine leichte Beute werden. Die paar Meilen legen wir auch noch so zurück, ohne von den Indianern behelligt zu werden. Hören Sie bitte auf mich, Sir.« »Halten Sie sich da raus, Mr. Haggerty. Ich tue nichts anderes als meine Pflicht, wenn ich das vor uns liegende Terrain erkunden lasse. Das wissen Sie so gut wie ich.« »In Ordnung, Major, dann überlassen Sie es mir. Ich werde den Auftrag durchführen.« »Das werden Sie nicht tun«, herrschte Les Tanner ihn an. »Sie bleiben hier bei der Truppe. Wenn ich Sie verliere, finde ich womöglich den Treck nicht. Meine Leute und ich kennen sich in dieser Gegend nicht aus. Und Landkarten führen wir nicht mit. Sie bleiben hier.« John Haggerty zuckte resignierend mit den Achseln. Es gelang ihm einfach nicht, Tanner von dessen Plan abzubringen. Wenige Minuten später ritten zwei Corporals unter der Führung eines Sergeanten los. John Haggerty blickte nachdenklich hinter ihnen her. Seine Sorge um das Leben dieser drei Soldaten war groß. Zwar vertraute er Cochise. Wer aber konnte in das Herz eines Apachen sehen, wenn ihm drei verhaßte Langmesser wie auf einem Präsentierteller serviert wurden? * Sergeant Ryan McDonald war ein altgedienter Haudegen, der schon oft in seinem Leben in Schwierigkeiten gesteckt hatte. So ließ er sich auch keine grauen Haare wachsen, sondern nahm den Befehl, den Spähtrupp anzuführen, gelassen hin.
Die beiden Corporals waren jünger als er, aber sie hatten auch schon in einigen Einsätzen ihren Mann gestanden. Der Sergeant setzte sich an die Spitze. Seine beiden Begleiter folgten ihm in kurzem Abstand. Vor den drei Soldaten lag hügeliges Land, in dem es Tausende von Verstecken gab, um einen Hinterhalt zu legen. McDonald wandte sich seinen beiden Kameraden zu. Er sah ihnen an, daß sie auf diesen Auftrag liebend gern verzichtet hätten. »Heiliger Rauch, Jungs«, sagte der Sergeant. »Laßt bloß eure Ohren nicht noch länger hängen, denn sonst treten bald eure Pferde darauf. Es wird alles nicht so heiß gegessen, wie es gekocht wird. Stellt euch vor, wir unternehmen einen kleinen Spazierritt, um uns die Gegend anzusehen. Mehr ist es nicht. General Howard hat einen Vertrag mit den Apachen. Sie werden uns nicht angreifen. Der Major will nur auf Nummer Sicher gehen.« Einer der Corporals lachte gezwungen und sagte dann mit heiserer Stimme: »Ich traue diesen roten Teufeln nicht. Niemand dürfte sich groß darum kümmern, wenn wir drei ins Gras beißen. Man wird bestimmt gleich wieder zur Tagesordnung übergehen. Wir aber frieren an den Köpfen, weil wir unsere Skalps losgeworden sind, Sergeant.« »Das macht dann auch nichts mehr, mein Junge. Wenn wir unsere Haarpracht los sind, haben die Apachen vorher noch ein paar andere unangenehme Dinge mit uns angestellt.« Die drei Soldaten ließen das vor ihnen liegende Gelände nicht aus den Augen, hielten sich meistens zwischen den Hügeln und wichen jeweils dort Felsbrocken und Dornenhecken aus, wo sie Hinterhalte vermuteten. Nichts geschah. Von den drei Zügen Kavallerie war schon längst nichts mehr zu sehen. Die Soldaten wurden durch eine Hügelkette verdeckt. »Wir sollten umkehren«, sagte einer der Corporals nervös.
»Wir werden dem Major berichten, daß alles ruhig geblieben ist. Die Apachen haben sich zurückgezogen. Seine Vorsicht ist völlig unbegründet gewesen.« »So, glaubst du das wirklich, mein Junge?« knurrte Sergeant Ryan McDonald und sah an dem Corporal vorbei. Der folgte dem Blick seines Vorgesetzten. Seine Augen weiteten sich. Plötzlich saß ihm die Angst wie eine Bestie im Nacken. »Laßt die Pfoten von den Waffen«, flüsterte der Sergeant. »Das ist ein Befehl.« Die drei Soldaten starrten auf fünf Apachen, die hinter einem großen Felsbrocken hervorgeglitten waren. Alle hielten Gewehre in den Händen, deren Läufe auf die Soldaten gerichtet waren. Die Krieger glitten heran. Sie sahen weiß Gott nicht wie Sonntagsschüler aus, die keinem ein Haar krümmen wollten. Hart wirkten ihre Gesichter. Verwegenheit leuchtete aus ihren leicht mandelförmigen Augen. »Ganz ruhig bleiben, Jungs«, raunte der Sergeant. »Wir können jetzt nur noch beten. Eine andere Möglichkeit bleibt uns nicht.« McDonald hatte die Situation völlig richtig eingeschätzt. Sich zu wehren, wäre Selbstmord gleichgekommen. Gegen fünf zu allem entschlossene Apachen gab es keine Chance. Ehe auch nur einer der Soldaten sein Gewehr herumgerissen hätte, wären sie alle tot gewesen. Ein Indianer sagte einige Worte mit gutturaler Stimme. Der Sergeant, dessen Gesichtsfarbe nun wieder einigermaßen normal geworden war, zuckte mit den Achseln. Dann deutete der Apache den Männern an, abzusteigen. Sie befolgten den Befehl. Sekunden später hatten die anderen Indianer ihnen die Waffen weggenommen. »Was haben die Kerle mit uns vor?« fragte einer der Corporals mit zitternder Stimme.
»Das werden wir gleich erleben. Nur die Nerven behalten. Mehr als umbringen können sie uns nicht.« Das war zwar kein großer Trost, doch die beiden Soldaten verhielten sich ruhig. Sie wehrten sich auch nicht, als sie und der Sergeant an Händen und Füßen gefesselt wurden. Bald lagen sie auf dem sandigen Boden. Heiß knallte die Sonne auf ihre ungeschützten Gesichter. Die fünf Apachen standen vor den Gefangenen und blickten ernst auf sie herunter. Einer von ihnen fuhr sich mit der flachen Hand über die Kehle. Nun verlor auch McDonald ein wenig von seiner sonst so sprichwörtlichen Ruhe. Eine heiße Angst pulsierte durch seinen Körper. Er begann an den Fesseln zu zerren, obwohl er wußte, wie sinnlos das war. Die Indianer lachten scheppernd. Einer bückte sich, ließ die Hose herunter und zeigte den drei Soldaten sein bloßes Hinterteil. Dann eilten zwei der Apachen leichtfüßig davon, während die drei anderen sich in die Sättel der Kavalleriepferde zogen und lospreschten. »Herr im Himmel«, keuchte Ryan McDonald. »Das hat mir einige Jahre meines Lebens und wohl auch die nächste Beförderung gekostet. Die Hauptsache ist aber, daß wir noch am Leben sind. Die roten Heldensöhne haben nur mit uns gespielt und sich einen makabren Scherz erlaubt. Die werden in ihren Wickiups noch lange über uns lachen. Das könnt ihr mir ruhig glauben.« »Die kommen doch nicht mehr zurück?« fragte einer der jüngeren Soldaten, der wohl noch immer nicht so richtig wahrhaben wollte, dem Tod in letzter Sekunde entgangen zu sein. »Die sind längst über alle Berge, mein Junge«, sagte Sergeant McDonald im väterlichen Ton. »Das alles ist nur ein großer Spaß für die roten Heiden gewesen. Die wollten uns nur zeigen, wie leicht sie mit uns fertig werden, wenn sie es darauf anlegen.
Wir brauchen nur noch auf den Major und seine Leute zu warten. Die werden unsere Fesseln durchschneiden und uns wieder Mut zusprechen, nachdem ich mir eine Standpauke des Majors angehört habe.« Ryan McDonald lächelte verkrampft. Seine beiden Kameraden lächelten nicht mit. Ihnen steckte der Schreck der vergangenen Minuten noch zu tief in den Knochen. »Was soll's, Jungs. Wir können noch atmen. Und später werdet ihr euren Söhnen von dieser Heldentat erzählen können.« Schweigen legte sich über die drei Gefesselten. Gnadenlos brannte die Sonne. Irgendwo rasselte eine Klapperschlange und ließ die Soldaten zusammenzucken. Sie sehnten die Ankunft von Major Tanner herbei, obwohl sie wußten, daß der von ihrer »Heldentat« nicht gerade begeistert sein würde. * »Die Wagenburg ist umzingelt, Hank«, sagte Ben Kincaid und spuckte eine Zigarettenkippe aus. »Die Apachen geben sich auch keine Mühe mehr, sich zu verstecken. Überall zeigen sie sich. Fast sieht es so aus, als würden sie uns bald angreifen.« Hank Coolidge fuhr sich verschlafen über die geröteten Augen. Er richtete seinen Oberkörper auf und gähnte. »Du hättest mich ruhig noch etwas pennen lassen können«, brummte er. »Du hast doch gesagt, daß ich dich sofort wecken soll, sobald Indianer auftauchen«, entgegnete Kincaid mürrisch. »Dir kann man auch wirklich nichts recht machen.« Coolidge erhob sich und griff nach seinem Gewehr, das am Rad eines Conestogas lehnte. »Schon gut, Ben, war nicht so gemeint. Dann will ich mir mal unsere roten Freunde unter die Lupe nehmen.« Schon bald stellte der Treckführer fest, daß Ben Kincaid
keinesfalls übertrieben hatte. Überall wimmelte es von Apachen. Sie postierten sich auf Klippen, Hügeln, Felszacken und Mesas rings um die Wagenburg. Mancher von ihnen schwang drohend sein Gewehr oder den Kriegsbogen. Eine fast unheimliche Stille breitete sich aus. Die meisten Siedler starrten voller Angst zu den Indianern hinüber. Schon der Anblick der Rothäute genügte, um die Weißen vor Furcht erbleichen zu lassen. Zwei Männer näherten sich Hank Coolidge: Wes Montgomery und sein Sohn Frank. Der Treckboß sah Ärger auf sich zukommen und kniff die Lider zusammen. »Wir möchten mit dir sprechen, Coolidge«, sagte der Oldtimer. Er hielt seinen verbeulten Hut in der einen Hand und kraulte mit der anderen sein angegrautes Haar. Sein Sohn nickte. Das jungenhafte Gesicht war von Sommersprossen übersät. »Was wollt ihr?« fragte Coolidge ungehalten. »Macht ihr euch schon wieder die Hosen voll, nur weil ein paar Rothäute um die Wagen herumschleichen?« »Es sind mehr als nur ein paar Rothäute, Coolidge. Die gesamte Streitmacht der Apachen hat sich um uns versammelt. Die lassen uns keinen Yard mehr weiterziehen. Ich habe mit den meisten der Siedler gesprochen. Sie möchten, daß wir umkehren.« »Ach, wirklich?« höhnte Coolidge. »So dicht vor dem Ziel wollt ihr die Flinte ins Korn werfen? Das sieht euch feigen Schollenbrechern ähnlich. Und für solche Leute habe ich seit Tagen Kopf und Kragen riskiert. Nun wollt ihr mir in den Rücken fallen. Da spiele ich nicht mit, Montgomery.« »Sie werden von uns bezahlt, Coolidge«, ließ sich Frank Montgomery vernehmen. »Was geschehen soll, bestimmen noch immer die Siedler. Und wir fordern Sie auf, umzukehren, bevor die Apachen über uns herfallen. Wir sind nicht stark
genug, um sie vernichtend zu schlagen. Das wissen Sie ebenso gut wie wir. Dieser Cochise hat bisher ungeheuren Großmut gezeigt. Seine Geduld ist zu Ende. Er wird uns angreifen und uns alle töten.« Hank Coolidge lächelte breit und hielt sich dann seine gerötete Knollenase zu. »Es stinkt«, knurrte er. »Zum Henker, hier stinkt es, daß es einem schlecht werden kann.« Frank Montgomery grinste. »Was so stinkt, hängt an Ihrem rechten Stiefel, Coolidge. Und nun sollten Sie sich den Forderungen der Siedler endlich beugen, sonst entheben wir Sie Ihres Postens als Treckführer.« Hank Coolidge schnappte nach Luft wie ein Fisch auf dem Trockenen. Seine Hände ballten sich zu Fäusten. Er starrte den jungen Mann wie eine übernatürliche Erscheinung an. Wes Montgomery sagte: »So ist es und nicht anders, Coolidge. Mein Sohn und ich sprechen im Namen aller Siedler. Wir hätten schon längst umkehren sollen. Es ist heller Wahnsinn, noch weiter zu ziehen. Was nützt es, wenn wir die Nordschleife des Aravaipa erreichen? Nichts, überhaupt nichts. Auch dort ist Apachengebiet. Sollten wir uns wirklich hier durchkämpfen können, dann bringen uns dort andere Indianer um.« Die Stimme des Oldtimers hatte entschlossen geklungen. Hank Coolidge blickte die beiden Männer noch immer sprachlos an. »Oh, was seid ihr nur für Narren«, polterte er dann los. »Wir werden siegen, Leute. Das steht fest. Ihr laßt euch doch wohl nicht von den Apachen einschüchtern? Die hätten uns schon lange angegriffen, wenn sie sich eines Erfolges sicher wären. In einigen Stunden erwarte ich Wyatt Earp mit rund zwanzig Revolvermännern. Die lassen hier die Puppen tanzen. Außerdem holt dieser Scout Soldaten, die auch bald hier eintreffen dürften. Dann vernichten wir die Rothäute endlich ein
für allemal. Die werden sich aus diesem Landstrich zurückziehen und euch in Ruhe lassen.« Hank Coolidge schnaufte laut. Um die beiden Montgomerys versammelten sich immer mehr Siedler. Der Treckführer sah seine Chance gekommen. So fuhr er mit zwingender Stimme fort: »Ihr müßt ausharren. Wir haben es bald geschafft. Zum Henker, Leute, so dicht vor dem Ziel gibt man einfach nicht auf. Denkt an die Mühen und Strapazen, die ihr in den letzten Wochen auf euch genommen habt. Soll das alles vergebens gewesen sein?« Er blickte einigen Siedlern fest in die Augen. Mancher von ihnen senkte eingeschüchtert den Kopf. »Umkehren können wir immer noch, Leute. Wir sollten wenigstens auf Wyatt Earp warten, auch auf die Soldaten. Wenn wirklich keiner von ihnen auftaucht, dann kehren wir um. Das verspreche ich euch. Okay, ich gebe ja zu, daß wir sehr hoch pokern. Das geschieht aber bereits seit einigen Tagen. Wenn ihr jetzt aufgebt, dann frage ich mich, was aus euch werden soll. Ihr habt keinen rostigen Nickel mehr in den Taschen, um euch woanders Land zu kaufen. Ihr geht alle vor die Hunde. Denkt doch mal an eure Familien. Mir kann es doch egal sein, was ihr tut. Ich habe meine Dollars längst von euch erhalten. Meine Helfer auch. Ich bin aber bekannt dafür, daß ich jeden Siedlertreck bisher ans Ziel gebracht habe. Das verpflichtet. Also, überlegt euch gut, was geschehen soll.« Hank Coolidge ließ seinen Blick über die vielen Menschen schweifen, wandte sich dann um und stiefelte davon. Natürlich hatten seine Worte bewirkt, daß viele der Siedler wieder unentschlossen wurden. Wes und Frank Montgomery nickten ihren Gefährten zu. »Nun seid ihr wieder alle unschlüssig geworden, nicht wahr?« sagte der Oldtimer. »Wenn ihr auf mich hört, dann sollten wir bei unserem Entschluß bleiben. Auch dieser Wyatt Earp und einige Revolverschwinger werden uns nicht herauspauken
können. Diese Kerle kämpfen nur für Geld und sind nicht mit dem Herzen dabei. Ich gehe jede Wette ein, daß sie uns im Stich lassen, wenn es hart auf hart kommt und sich der Kampf zugunsten der Indianer wendet. Mehr habe ich nicht mehr zu sagen. Laßt es euch durch den Kopf gehen, Leute. – Komm, Frank.« Frank folgte seinem Vater, der mit langen Schritten auf seinen Conestoga zumarschierte. Er legte seinem Dad die Hand auf die Schulter, als der mit gesenktem Kopf stehenblieb. »Die Siedler werden schon vernünftig werden«, sagte der junge Mann tröstend. »Ich habe den Eindruck, als wollte dieser Coolidge den Kampf mit den Apachen. Er scheint die Indianer zu hassen.« Der Oldtimer nickte. »Wir müssen abwarten. Noch drängt die Zeit nicht, denn die Apachen werden nicht vor heute abend angreifen. Bis dahin aber muß alles geklärt sein.« * »Sie sind noch immer hinter uns her«, rief Wyatt Earp. Er löste seinen Blick von dem Apachenrudel, das hinter einem Hügel hervorritt und sich langsam näherte. Seine 15 Angeworbenen zogen mürrische Gesichter. Anscheinend hatten sie sich den Ritt ungefährlicher vorgestellt. »Wie weit ist es noch bis zum Treck?« fragte einer der zwielichtigen Typen. »Ehrlich gesagt, Earp, ich bedauere es schon, mich auf deinen Plan eingelassen zu haben. Ich…« Wyatt Earp unterbrach den Bärtigen. »Niemand hat euch einen Spazierritt versprochen, Leute. Dies hier ist etwas für ganze Männer. Da frage ich mich, ob ich mich nicht in euch getäuscht habe. In Tombstone habt ihr den Eindruck gemacht, als wäre es für euch eine Kleinigkeit, mit beiden Stiefeln in die Hölle zu springen. Davon scheint nichts
mehr geblieben zu sein, Jungs. Wenn ihr die Nase voll habt, dann könnt ihr ja abhauen.« Earp trieb sein Pferd an, ohne seinem Gefolge noch einen Blick zu gönnen. Er war sicher, daß sie ihren Entschluß nicht bereuten. Das allein bewirkten schon die Apachen, die wie ein hungriges Wolfsrudel auf ihrer Fährte ritten, aber in den letzten Stunden jeder Berührung ausgewichen waren. Earp hatte sich nicht getäuscht. Die 15 Revolverschwinger aus Tombstone folgten ihm Sekunden später. Bald schlossen wie wieder auf. Niemand sprach. Nur hin und wieder blickte sich einer im Sattel um. Die Indianer waren nach wie vor auf ihren Fersen. Obwohl sich Wyatt Earp ganz gelassen gab, wuchsen ihm die Sorgen fast über den Kopf. Er ahnte, daß sich auch vor ihnen bestimmt Apachen befanden. Und die Indianergefahr wurde von Meile zu Meile größer, je mehr sie sich dem Siedlertreck näherten. Wyatt atmete auf, als er es in der Ferne glitzern sah. Es war der Aravaipa River, der als schmales Rinnsal durch die wüstenähnliche Ebene floß. »Na endlich«, sagte einer von Wyatts Begleitern. »Dort ist der Fluß, von dem du gesprochen hast, Earp. Der Wagenzug kann nicht mehr weit sein. Zuerst aber werden wir uns erfrischen. Auch unsere Pferde brauchen dringend Wasser.« Die Reiter trieben die müden Tiere nochmals an, die auch willig schneller liefen, denn das Wasser lockte. Während seine Gefährten eine Weile später am Ufer des Flusses lagen und tranken, wandte sich Wyatt Earp den Verfolgern zu. Die Apachen parierten in diesem Moment ihre Mustangs. Wie in Bronze gegossen saßen sie auf den Pferderücken und blickten herüber. Nichts deutete auf einen Angriff hin. Wyatt Earp erfrischte sich nun ebenfalls. Die Indianer verharrten noch immer wie Reiterstandbilder in der Ebene, als er
sich in den Sattel zog. Die 15 Revolverschwinger aus Tombstone sahen ihn an. Ihre Gesichter glänzten. Die meisten hatten ihre Köpfe in das Wasser gesteckt, um sich zu erfrischen. »Wie geht's weiter, Earp?« »Der Treck ist höchstens vier oder fünf Meilen weitergezogen, Jungs. Wir folgen ihm. Die Rothäute machen uns wahrscheinlich keine Schwierigkeiten. Ich werde aus ihnen nicht ganz klug. Entweder haben sie Angst vor uns, oder, was ich eher für möglich halte, sie haben den Befehl, uns nur zu beobachten und nicht anzugreifen.« »Das wäre zu schön, um wahr zu sein«, bemerkte jemand grinsend. »Wir sind viel zu ängstlich gewesen, Leute. Mit unseren Colts können wir den Teufel tanzen lassen. Wir alle sind gestandene Männer, die doch nicht vor ein paar halbwilden Indianern in die Hosen machen. Okay, Earp, wir reiten weiter mit. Wenn wir erst den Treck erreicht haben, kann uns nichts mehr passieren.« Einige aus dem bunt zusammengewürfelten Haufen nickten. Einer sagte mit skeptisch verzogenem Mund: »Was ist, wenn die roten Halunken uns den Weg zum Treck verlegen wollen?« Wyatt Earps Gesicht bekam einen harten Ausdruck. Er starrte den Bärtigen durchbohrend an. »Dann kämpfen wir uns durch. Ganz einfach, Mensch. Gegen unsere geballte Feuerkraft haben die Rothäute nichts aufzubieten. Ich glaube daran. Und ihr müßt es auch glauben. – Vorwärts, Leute!« Der junge Earp trieb sein Pferd an und übernahm die Führung. Der 15köpfige Pulk aus Tombstone folgte ihm. * Les Tanner hob kurz die linke Hand. Die Reiterkolonne hinter ihm geriet ins Stocken. Alle sahen in ungefähr einer Meile
Entfernung die zu einer Wagenburg zusammengefahrenen Conestogas und Murphys. Der Major seufzte zufrieden und wandte sich an John Haggerty, der locker im Sattel saß und Erleichterung verspürte, als er feststellte, daß der Treck unversehrt geblieben war. »Na endlich«, sagte Les Tanner. »Würden Sie mir eine Bitte erfüllen, Mr. Haggerty?« Der Scout unterdrückte nur mit großer Mühe ein Lächeln. Seitdem die Sache mit dem Spähtrupp beinahe in die Hose gegangen war, hielt sich Major Tanner grundsätzlich an Haggertys Vorschläge. »Natürlich, Sir, wenn es in meinen Kräften steht.« »Was schlagen Sie vor, wie wir den Siedlertreck angehen sollen, Mr. Haggerty?« Nun lächelte der Chiefscout doch. »Danke für Ihr Vertrauen, Major. Ihre Leute sollen die Wagen einkreisen und nicht näher als fünfundzwanzig Yards heranreiten. Wir müssen diesem Hank Coolidge sofort klarmachen, daß wir nicht zu seiner Hilfe gekommen sind. Dann sollten Sie mit ihm verhandeln.« Major Les Tanner nickte. Der Vorschlag seines Scouts schien ihm akzeptabel zu sein. »So ähnlich habe ich es mir auch vorgestellt. Dann wollen wir weiterreiten.« Er winkte Captain Shuster zu sich, der den ersten Zug anführte, und sagte zu ihm: »Geben Sie Befehl, die Wagenburg zu umzingeln! Sorgen Sie dafür, daß die Leute zwischen sich ausreichend Abstand halten.« Captain Shuster bestätigte die Befehle und gab sie gleich weiter. Sekunden später trieben die Soldaten ihre Pferde an, hielten auf die Wagenburg zu, um sie im Abstand von 25 Yards kreisförmig zu umstellen. John Haggerty sah die aufgeregten Menschen, die vor Begeisterung brüllten und wohl alle glaubten, daß die Soldaten
die erhoffte Rettung vor den Apachen brachten. Die Siedler winkten. John Haggerty ahnte, daß viele der Frauen Freudentränen in den Augen hatten. Und John wußte, daß es nicht leicht war, diese Menschen davon zu überzeugen, daß die Soldaten keine Hilfe brachten, sondern den Treck zur Umkehr zwingen wollten. Les Tanner hatte neben dem Scout sein Pferd gezügelt. Die beiden Männer sahen sich im weiten Rund um. Kein Apache war zu entdecken, obwohl John instinktiv spürte, daß sich die Indianer längst um die Wagenburg verteilt hatten. Die Soldaten hatten inzwischen Position bezogen, saßen in den Sätteln und hielten ihre Gewehre auf den Knien aufgestützt. »Dort kommt Coolidge«, sagte Haggerty und deutete auf den stämmigen Treckführer, der über eine Wagendeichsel kletterte und heranstampfte. »Soll ich mit ihm sprechen, Major?« »Das werde ich tun, Mr. Haggerty«, antwortete der Offizier und musterte das stoppelbärtige Gesicht des sich nähernden Mannes. Dessen Knollennase erinnerte an eine überreife Erdbeere. Der Treckführer blieb nur wenige Schritte vor den beiden Reitern stehen. Er strahlte übers ganze Gesicht und lachte dann breit von einem Ohr zum anderen. Dann stieß er hervor: »Das ist prächtig, Sie und Ihre Leute zu sehen, Major. Sie können sich nicht vorstellen, was für ein großer Stein mir vom Herzen gefallen ist. Seien Sie herzlich willkommen!« Major Les Tanner winkte ab. »Danke für Ihre Worte, Mr. Coolidge. Von Mr. Haggerty habe ich Ihren Namen. Sie sind also der Mann, durch dessen Dickschädel es beinahe zu einem neuen Indianerkrieg gekommen wäre.« Hank Coolidge war die personifizierte Verblüffung. Seine Blicke huschten zwischen dem Offizier und dem Scout wieselflink hin und her. Der Treckführer massierte brummelnd
sein stoppelbärtiges Kinn und spuckte dann aus. »Unsinn, Major. Wir wollen keinen Kampf und schon gar keinen Krieg. Die Apachen sind es, die uns nicht in Frieden weiterziehen lassen. Sie hängen wie Kletten an dem Treck. Erst in den letzten Minuten haben sie sich unsichtbar gemacht, als Sie und Ihre Soldaten kamen. Ich bitte Sie im Namen der Siedler, uns Hilfe zu gewähren und uns sicher bis an unser Ziel zu geleiten.« Major Tanner schüttelte entschieden den Kopf. »Sie werden ab sofort in die entgegengesetzte Richtung fahren, Coolidge. Das ist ein Befehl, den ich Ihnen hiermit im Namen von General Oliver Howard erteile. Haben Sie das kapiert?« Hank Coolidge stand da wie zur Salzsäule erstarrt. Seine Miene verdüsterte sich, erinnerte an eine Bulldogge. Dann plusterte er beide Wangen auf. Es sah aus, als drohte der Treckführer jeden Moment zu platzen. »Wenn Sie sich weigern sollten, Mr. Coolidge, werde ich Sie verhaften und in Eisen legen lassen. Das ist mein letztes Wort. Sie haben durch Ihren Dickschädel das Leben vieler Menschen aufs Spiel gesetzt. Und ich werde nicht mit Ihnen verhandeln. Dies nur, damit Sie sich keinen falschen Hoffnungen hingeben.« Coolidge rang nach Atem. Sein Mund öffnete sich. Er keuchte wie eine Lokomotive unter zu starkem Dampfdruck. »Das ist – das ist doch nicht Ihr Ernst, Major«, stammelte er. »Wenn ich Sie richtig verstanden habe, ergreifen Sie die Partei der Apachen. Sie stehen zu diesen rothäutigen Bastarden. Das will mir einfach nicht in den Kopf hinein.« »Das ist Ihr Problem, Mr. Coolidge«, entgegnete Major Les Tanner kalt. »Sie kennen meine Befehle. Ich gebe Ihnen eine Stunde Zeit, um alles zur Abfahrt vorzubereiten. So, und nun können Sie das den Siedlern mitteilen.« Hank Coolidge nagte an seiner Unterlippe. Er sah seine Felle davonschwimmen. Ein haßerfüllter Blick traf John Haggerty,
der sich bewußt nicht eingeschaltet hatte. »Das habe ich nur dir zu verdanken, Indianerfreund«, sagte Coolidge bissig. »Dich habe ich schon lange im Verdacht, daß du auf der anderen Seite stehst. Du steckst mit diesem Cochise unter einer Decke. Ich hätte es ahnen müssen.« »Du kannst denken, was du für richtig hältst, Coolidge«, konterte der Armee-Scout. »Du hättest meine Warnungen für bare Münze nehmen sollen. Hinter mir liegt ein wahrer Höllenritt. Und ich danke wirklich Gott, noch rechtzeitig hier eingetroffen zu sein, ehe die Apachen viele unschuldige Menschen abschlachten konnten.« »Das werde ich dir heimzahlen, du verdammter Indianerfreund«, schrie Coolidge außer sich vor Wut. Mit geballten Händen stand er vor den beiden Männern, die noch immer hoch zu Pferd saßen. Coolidge wandte sich nochmals an Major Tanner, dessen Gesicht wie versteinert wirkte. »Verdammt, ich begreife das nicht, Major. Sie müssen auch an die Leute hier denken. Die haben für das Land an der Nordschleife des Aravaipa River bezahlt, wo sie siedeln wollen. Es soll zu ihrer neuen Heimat werden. Wenn Sie diese Menschen zurückschicken, dann stehen die vor dem finanziellen Ruin. Das hat Ihnen Haggerty wohl nicht erzählt, Major. Ich spreche nicht für mich, sondern für die Siedler.« Les Tanner schüttelte den Kopt. »Ich bin über alles informiert, Mr. Coolidge. Meine Befehle bleiben bestehen. Wenn Sie sich diesen widersetzen, lasse ich Sie festnehmen und stelle den ganzen Treck unter Kriegsrecht. Sie können mir glauben, daß ich über diese Vollmachten verfüge.« Hank Coolidge schob seinen staubigen Stetson in den Nacken. Ohnmächtige Wut funkelte in seinen Augen. Wieder traf den Scout ein vernichtender Blick. Dann drehte sich der Treckführer abrupt um und stiefelte zur
Wagenburg hinüber. Les Tanner und John Haggerty sahen mit skeptischen Mienen hinter ihm her. »Wenn das nur klappt«, sagte der Offizier. »Ich möchte wirklich ungern mit Gewalt gegen die Siedler vorgehen. Der Büffelbulle bringt es fertig, diese Menschen gegen uns aufzuwiegeln.« »Wir müssen abwarten, Major. Sie haben richtig gehandelt. General Howard würde Ihnen jetzt ein Lob aussprechen. Mir steht das leider nicht zu, Sir.« Die beiden Männer lächelten sich an. Sie sahen, wie Hank Coolidge in der Wagenburg verschwand und sofort von einer dichten Menschentraube umringt wurde. »Dann warten wir ab, Mr. Haggerty. Ich hoffe nur, daß die Apachen sich ruhig verhalten und uns nicht noch in letzter Sekunde einen Strich durch die Rechnung machen.« Johns Lächeln wurde breiter. »Das glaube ich nicht, Sir. Cochise beobachtet uns schon längst. Und der Apachen-Häuptling ist clever genug, um zu verstehen, was sich hier inzwischen ereignet hat.« »Wir werden es sehen«, sagte Les Tanner. »Ich hoffe, Cochise noch persönlich sprechen zu können, Mr. Haggerty. Ich möchte mich bei ihm bedanken, daß seine Krieger meine drei Soldaten nicht umgebracht haben.« * Major Tanner legte eine Hand vor die Augen, um nicht von der Sonne geblendet zu werden. »Uns nähern sich mehr als ein Dutzend Reiter«, sagte er dann erstaunt. John Haggerty folgte dem Blick des Offiziers und erkannte auch sehr schnell die Staubwolke, die auf sie zukam. Schon bald konnten er und der Major einzelne Reiter unterscheiden.
»Wer mag das sein?« »Keine Ahnung«, antwortete John Haggerty. »Ich glaube nicht, daß es Apachen sind. Ich möchte nur wissen, was da wieder ausgebrütet worden ist.« Minuten vergingen. In der Wagenburg war Hank Coolidge noch immer von einer aufgeregten Menschenmenge umringt. Hin und wieder wurde der Stimmenlärm so laut, daß er sogar bis zu John Haggerty und Les Tanner herüberschallte. »Dort geht es rund, Major. Es scheinen sich zwei Gruppen gebildet zu haben. Eine ist für und die andere gegen die Umkehr.« Nun schienen auch die Siedler den heranpreschenden Reitertrupp entdeckt zu haben. Der Stimmenlärm legte sich. Alle Augenpaare richteten sich auf den Pulk, der direkt auf die Wagenburg zuhielt. Major Tanner bemerkte plötzlich Unruhe unter seinen Soldaten und erkannte auch bald den Grund. Die Apachen tauchten aus ihren Verstecken auf. Und sie waren überall. Sie standen auf Plateaus und Hügelkämmen, kauerten auf Felsschroffen und Klippen. Sie hatten die Wagenburg eingeschlossen, mit ihnen die Soldaten und auch den sich nun schnell nähernden Reitertrupp. Major Tanner war sich der gefährlichen Situation bewußt. Unsicher wandte er sich an den Chiefscout. »Das sind mehr als hundert Krieger, Haggerty«, sagte er mit gefurchter Stirn. »Cochise ist es gelungen, eine gewaltige Streitmacht heranzuführen. Die Indianer wären mit den Siedlern spielend fertig geworden. Auch meine Soldaten könnten da nicht viel ändern.« John nickte. Noch immer tauchten Indianer aus den verschiedensten Verstecken auf. Sie schienen regelrecht aus dem Boden zu wachsen. Haggerty und Tanner sahen auch eine Apachenhorde, die dem Reitertrupp folgte, der sich bis auf 100 Yards den
Conestogas und Murphys genähert hatte. »Earp«, stieß der Scout hervor, »das ist Wyatt Earp, Major! Die anderen sind wohl Revolverschwinger, die er aus Tombstone geholt hat, um den Schutz der Siedler zu verstärken. Mein Gott, es sind fünfzehn rauhe Burschen, die er da anschleppt. Nun wird Hank Coolidge nicht so schnell klein beigeben. Auch werden diese Kerle nicht in Cochises Konzept passen.« »Jetzt spitzt sich alles noch mehr zu«, sagte der Offizier. Tiefe Sorge ließ seine Stimme dunkler erklingen. »Dieser Earp hat uns gerade noch gefehlt. Der stellt sich doch garantiert auf Coolidges Seite. Wenn der Treckführer nicht aufgibt, wird es schwer werden, ihn dort rauszuholen. Ich möchte wirklich nicht gegen meine eigenen Landsleute kämpfen.« John Haggerty verstand genau, was ihm der Major damit sagen wollte. Sein Blick wanderte in die Runde. Die Apachen verhielten noch immer reglos auf der Stelle. Die meisten saßen auf drahtigen Mustangs, viele der Krieger waren auch zu Fuß. Sie mußten innerhalb kürzester Zeit die Wagenburg erreichen. Cochise hatte seine Leute gut postiert. Das mußte ihm der Scout neidlos zugestehen. Es sah aber so aus, als wollte sich der Chiricahua-Häuptling vorerst noch an den Friedensvertrag halten. Wyatt Earp und sein Anhang hatten inzwischen die Wagenburg erreicht. Die meisten der Siedler jubelten ihm zu, als wäre er der große Retter, der sich durchzusetzen vermochte. Earp winkte Haggerty zu. Dabei grinste er breit, was dem Scout überhaupt nicht benagte. »Ich werde mit dem Revolvermann reden, Sir«, sagte John Haggerty. »Es muß mir gelingen, ihn davon zu überzeugen, daß seine Hilfe nicht mehr benötigt wird. Nur so können wir das Blutbad verhindern.« »In Ordnung, Mr. Haggerty. Ich bleibe hier. Sie haben eine
halbe Stunde Zeit, um die Siedler zur Aufgabe zu bewegen. Dann muß ich einschreiten, obwohl ich es wirklich nicht gern tue. Wenn die Apachen sehen, daß wir uns uneinig sind, dann besteht die Gefahr eines sofortigen Angriffs.« John trieb sein Pferd an. Nun waren seine Sorgen noch größer geworden. Die Lage hier am Siedlertreck glich einem Tanz auf dem Pulverfaß, an dem die Lunte bereits brannte. * Der Chiefscout und Lieutenant zügelte sein Pferd vor einem Conestoga und glitt aus dem Sattel. Eine schweigende Menge starrte ihn an. Die Menschen schienen ihn für einen Verräter zu halten. Hank Coolidges befehlsgewohnte Stimme durchschnitt die fast unheimlich wirkende Stille. »Geht auf eure Plätze, Leute!« rief er. »Achtet auf jede Bewegung der Apachen! Kincaid, du kümmerst dich um die Burschen, die Earp mitgebracht hat! Postiere sie zwischen den Siedlern! Und haltet alle eure Waffen bereit! Die Stunde der Entscheidung ist angebrochen. Die Apachen werden in den nächsten Minuten angreifen.« Die Siedler eilten davon, gefolgt von den 15 Revolverschwingern aus Tombstone und den 30 Männern der Schutzmannschaft. Frauen und Kinder hockten sich unter die Wagen und Planen. Bald kauerten alle wehrfähigen Männer hinter Wagenrädern und Deichseln. Viele lagen unter den Wagen oder hinter den Kutschböcken. Eine unheimliche Stille kehrte ein. John Haggerty wischte sich über die Augen. Er wurde den Eindruck nicht los, einen Alptraum zu haben. Er sah sich um.
Die Soldaten saßen noch immer auf ihren tänzelnden Pferden. John konnte sich die Nervosität der Blauröcke vorstellen, die ohne jegliche Deckung die Wagenburg umringten. Die Apachen lauerten noch immer überall. Es schien die trügerische Ruhe vor dem Sturm zu sein. So empfand es John Haggerty. Er blickte auf Hank Coolidge und Wyatt Earp, die ihn scharf musterten. Der Scout sprang über eine Deichsel und blieb vor den beiden Männern stehen. »Du kannst dem Major ausrichten, daß er mit seinen Leuten verschwinden soll. Wir brauchen ihn nicht mehr, denn wir sind nun stark genug, um mit den Rothäuten allein fertig zu werden.« Diese Worte stieß Coolidge brummig hervor. Er stand da wie ein verkleideter Grislybär. Seine Zähne mahlten. Fast sah es so aus, als wollte er Haggerty an die Kehle springen. »Du redest Unsinn, Coolidge«, entgegnete der Scout und fühlte es heiß in sich aufsteigen. »Warum willst du ein sinnloses Blutvergießen? Sieh dich um. Mehr als hundert Apachen haben den Treck eingeschlossen. Die fünfzehn Kerle, die Earp da angeschleppt hat, werden zwar einen Kampf verlängern, aber nicht gewinnen. So sehe ich es.« Wyatt Earp grinste, während seine sehnige Rechte über dem Griff des Revolvers schwebte. »Wir bringen den roten Bastarden das Fürchten bei, großer Scout. Die Indsmen sollen ruhig angreifen. Ihr Angriff würde in einem Bleihagel zusammenbrechen. Du glaubst doch nicht im Ernst, daß sich die Soldaten gegen uns stellen, wenn die Indianer anstürmen? Sie werden die ersten sein, die etwas abkriegen. Die Blauröcke können heilfroh sein, wenn wir sie in die Wagenburg lassen.« »Ich habe dir schon einmal gesagt, daß du ein Narr bist, Earp«, stieß John grimmig hervor. »Du bist nur auf schnelles Geld scharf, alles andere scheint dich nicht zu interessieren. Und laß
nur deine Pfoten vom Colt. Ich weiß, daß du ein verdammt guter Schütze bist und dich meistens mit Waffengewalt durchzusetzen verstehst.« Wyatt Earps Lächeln war wie weggewischt. Seine Augen glühten in einem haßerfüllten Feuer. Die rechte Hand hatte sich um den Griff seines Colts geschraubt. Der Scout reagierte nicht darauf, sondern wandte sich wieder an den Treckführer. »Du kennst den Befehl des Majors. Wenn du dich ihm widersetzt, wanderst du für einige Jahre hinter Gitter. Das ist dir doch klar, Coolidge? Auch er hat seine Befehle und ist verpflichtet, sie auszuführen. Daran geht kein Weg vorbei. Und kein Siedler oder Revolverschwinger würde es wagen, auf Soldaten in Ausübung ihrer Pflicht zu schießen.« Hank Coolidge grinste hämisch. »Darauf würde ich mich an Stelle des Majors nicht so sehr verlassen. Dies ist hier eine Ausnahmesituation, die auch der General hinter seinem Schreibtisch nicht voraussehen konnte. Die Soldaten sind dazu da, um weiße Einwanderer zu schützen und nicht, um sie anzugreifen oder den Apachen auszuliefern. Das solltest du mal überdenken. Ich habe mit den Siedlern gesprochen. Wir geben nicht auf, zumal uns Earp nun wesentlich verstärkt hat. Das kannst du deinem Major ausrichten, Haggerty. Und dich würde ich am liebsten ungespitzt in den Boden rammen, nachdem ich dir die schlimmste Tracht Prügel deines Lebens verabreicht habe.« Die zornbebende Stimme des Treckführers verstummte. Wyatt Earp nickte und nahm seine Hand vom Revolvergriff. »Verzieh dich, Haggerty!« fauchte er. »Entweder schlagen sich die Blauröcke auf unsere Seite, oder sie sollen möglichst schnell Leine ziehen. Mehr gibt es wohl nicht zu sagen.« John stand mit unbewegtem Gesicht vor den beiden Männern, die einfach nicht zur Einsicht kommen wollten. Sie glaubten noch immer, den Apachen trotzen zu können und wagten es
sogar, einem Major und dessen Soldaten die Stirn zu bieten. »Worauf wartest du noch, Indianerfreund?« höhnte Hank Coolidge. »Mehr gibt es nicht zu sagen. Es ist unser letztes Wort gewesen. Hau ab, ehe wir die Geduld verlieren.« John Haggerty mußte sich eingestehen, daß seine Mission gescheitert war. Nichts würde die Männer mehr umstimmen. »Ihr schaufelt euer eigenes Grab«, murmelte der Chiefscout voller Bitterkeit, ehe er sich abwandte, zu seinem Pferd ging und sich müde in den Sattel zog. Dann ritt er zu Major Les Tanner hinüber, der ihn mit fragendem Blick erwartete. * John Haggerty sah dem Offizier an, daß der sich nur noch mit großer Mühe beherrschen konnte. Tanners Lippen zuckten nervös. Er sah den Scout fassungslos an, nachdem der seinen Bericht beendet hatte. »Das darf doch nicht wahr sein«, stieß Les Tanner hervor. »Diese beiden Kerle sind verrückt geworden. Anders kann ich es mir beim besten Willen nicht erklären.« Der zornige Gesichtsausdruck wandelte sich in Hilflosigkeit. Tanners Hände bewegten sich unruhig, während er zuerst zur »Burg« und dann auf seine Leute starrte, die nach wie vor die Conestogas und Murphys umstellt hatten. »Wie werden sich die Apachen verhalten, Haggerty?« fragte er lauernd. »Besteht die Gefahr, daß sie uns in den nächsten Minuten angreifen?« »Das glaube ich nicht, Sir. Cochise ist ein schlauer Fuchs. Der ahnt ganz genau, was sich hier abspielt. Er wird abwarten, wie sich alles weiter entwickelt. Sollten Sie aber nicht Herr der Lage werden, dann wird er angreifen. Ein Zurück gibt es diesmal nicht für ihn. Das würde ihn für alle Zeiten als Häuptling erledigen. Keiner seiner Krieger würde ihm diesen Fehler
verzeihen. Außerdem ist auch noch Victorio mit seinen Mimbrenjos da. Er würde das Heft in die Hand nehmen und losschlagen. In dieser Beziehung sieht alles sehr düster aus.« Major Tanner nickte. Anscheinend hatte er mit keiner anderen Antwort gerechnet. »Ich werde selbst mit Coolidge, Earp und den Siedlern sprechen«, sagte der Major. »Es muß mir einfach gelingen, sie alle von der Notwendigkeit einer Umkehr zu überzeugen.« »Sie haben keine andere Wahl, Sir. Ich werde Sie begleiten. Trotzdem sollten einige Solaten mit uns reiten, um Ihren Worten mehr Ausdruck zu verleihen. Vielleicht wird der Treckführer nachgeben, wenn er erkennt, wie ernst es Ihnen ist.« Les Tanner winkte fünf Soldaten zu sich heran, die links und rechts von ihm postiert waren. Unter ihnen befand sich Sergeant Rayn McDonald, dessen Gesicht sich rötete, als er den Blick seines Vorgesetzten auf sich gerichtet sah. »Uns steht die schwere Aufgabe bevor, diesen Treckführer verhaften zu müssen, Leute«, erklärte Major Tanner. »Er widersetzt sich meinem Befehl zur Umkehr. Vorher aber werde ich nochmals mit diesem Coolidge reden.« McDonald nickte, während sich sein Körper straffte. Der bärtige Sergeant nahm sich wohl in diesen Sekunden vor, die Scharte wieder auszuwetzen, die er auf seinem Patrouillenritt angerichtet hatte. Les Tanner ließ sein Pferd angehen Haggerty blieb an seiner Seite, während die fünf Soldaten, angeführt von dem Sergeanten, in Zweierreihen folgten. Der Scout blickte zu den Apachen im weiten Rund, die noch immer wie Bildsäulen wirkten, aber alles mit scharfen Augen beobachteten. Der Reitertrupp wurde von Hank Coolidge und Wyatt Earp erwartet. Breitbeinig standen die beiden Männer da und hatten die Hände in die Hüften gestützt. Sie machten den Eindruck, als wollten sie keinen Zoll weichen.
Major Les Tanner salutierte und blickte dann den Anführer des Wagentrecks zwingend an. »Sie wissen, warum wir gekommen sind, Mr. Coolidge. Ich fordere Sie nochmals auf, Ihren Entschluß rückgängig zu machen, sonst muß ich Sie von meinen Leuten verhaften lassen.« Coolidge spuckte aus und verzog dann seine Lippen zu einem verächtlichen Grinsen. »Meine Einstellung kennen Sie, Major. Und Sie werden es nicht wagen, mich auch nur anzurühren. Verschwinden Sie mit Ihren Leuten. Mehr habe ich nicht zu sagen.« Der Chiefscout hatte mit der drastischen Zuspitzung der Situation gerechnet. Um vielleicht noch zu retten, was zu retten war, sagte er: »So nimm doch endlich Vernunft an, Coolidge. Du stehst auf verlorenem Posten. Von den Siedlern bekommst du keine Rückendeckung, weil sich niemand mit den Soldaten anlegen möchte.« »Da täuschst du dich aber gewaltig, Haggerty«, schaltete sich Wyatt Earp in das Gespräch ein. »Ich stehe fest zu meinem Boß, genauso wie meine Leute und die von der Schutzmannschaft.« Der Major zuckte zusammen, als hätte er einen Hieb mit einer Peitsche erhalten. »Dann erkläre ich auch Sie für verhaftet, Mr. Earp«, klang es drohend aus seinem Mund. Schon wollte Tanner sich an Sergeant Ryan McDonald wenden und ihm die entsprechenden Befehle geben, als plötzlich einige Siedler erschrocken aufschrien. Alle Augenpaare richteten sich auf die hochgewachsene Gestalt von Cochise, die wie die personifizierte Drohung auf einen Felsenkamm getreten war. Mit weit ausgebreiteten Armen stand der Apachen-Häuptling dort. Dunkel zeichnete sich die Silhouette seines Körpers gegen den helleren Horizont ab. Lastendes Schweigen breitete sich aus. Angst fraß sich in viele Gesichter. Irgendwo begann ein Kind
zu weinen, das gleich darauf von der zitternden Stimme einer Frau beruhigt wurde. Selbst Hank Coolidge und Wyatt Earp verspürten einen Druck in der Magengegend. John Haggerty, Les Tanner und die fünf Kavalleriesoldaten zogen ihre Pferde herum. »Cochise«, flüsterte Haggerty. »Er will zu uns sprechen. Seine Geduld ist zu Ende.« Der Chiricahua-Chief kreuzte nun beide Arme über dem Kopf, ehe er sie sinken ließ. Dann erklang seine weit hallende Stimme zur Wagenburg hinüber. Jeder konnte sie gut verstehen. »Ich fordere die Bleichgesichter auf, binnen einer Stunde abzuziehen! Sonst wird ein Kampf unvermeidlich sein. Schlagt meine Worte nicht in den Wind! Dieses Land gehört den Apachen seit undenkbaren Zeiten. Es bedeutet uns sehr viel. Dieser Boden wird immer bestehen. Solange die Sonne scheint und der Wind weht, wird er unsere Heimat sein. Der Große Geist hat es den Apachen gegeben. Wir werden um dieses Land kämpfen. Ich verlange für mich und meine Krieger nur das Recht, hier in Frieden zu leben.« Cochise breitete erneut beide Arme aus. »Wir haben euch nicht gebeten, hierherzukommen. Ihr hattet eure Heimat. Wir tragen nicht die Schuld, daß ihr sie verlassen mußtet. Der Große Geist hat uns reichlich Land zum Wohnen gegeben, mit Büffeln, Hirschen, Antilopen und anderem Wild. Doch nun dringt ihr in unsere Jagdgründe ein und versucht sie uns zu stehlen.« Der Chiricahua schwieg für Sekunden, um seine Worte auf die Bleichgesichter wirken zu lassen. Dann rief er: »Mein Herz wird zu Stein werden, wenn ihr nicht umkehrt. Es ist schwer von der Sorge um mein Volk, aber hart im Entschluß Widerstand zu leisten, solange ich lebe und atme.« Cochise verstummte. Wie eine Statue harrte er auf dem Felsen aus, als erwartete er eine Antwort von den Weißhäutigen.
John Haggerty massierte seine Stirn. Er sah, daß Cochises Worte Eindruck bei Major Tanner hinterlassen hatten. Auch die fünf Soldaten machten betroffene Gesichter. Der Chiefscout blickte aus den Augenwinkeln auf Hank Coolidge und Wyatt Earp, deren Mienen ausdruckslos blieben. John las Haß in den funkelnden Augen des Treckführers. Er wandte sich an Les Tanner. »Ich spreche mit Cochise, Sir, wenn Sie einverstanden sind. Jetzt genügt eine einzige unvernünftige Reaktion, und dann ist der Konflikt nicht mehr aufzuhalten.« »Reiten Sie, Haggerty. Berichten Sie Cochise, wie die Dinge stehen. Er soll es wissen. Dann werden wir weitersehen. Diese beiden Starrköpfe knöpfe ich mir anschließend vor.« John Haggerty trieb sein Pferd an und ritt auf Cochise zu, der noch immer auf dem Felsenkamm stand und nicht reagierte. John schloß für einen Moment die Augen. Er wußte um das große Risiko, das er in diesen Minuten einging. Wenn einer der Apachen die Nerven verlor und auf ihn schoß, dann war es um ihn geschehen. Er passierte die Kette der Soldaten, die schon bald hinter ihm zurückblieben. John hoffte auf eine Verständigung mit Cochise, sonst überschlugen sich die Ereignisse mit Sicherheit. Das Pulverfaß, auf dem sie alle seit Tagen gesessen hatten, mußte dann explodieren. * John Haggerty zügelte sein Pferd. Er mußte den Kopf in den Nacken legen, um zu Cochise hochsehen zu können. Er betrachtete das wie versteinert wirkende Antlitz – des Chiricahua-Häuptlings, der ihn forschend musterte. Der Scout nickte dem Apachen-King zu. »Ich bitte dich um eine Unterredung, Cochise. Bitte, gewähre sie mir. Es liegt mir viel daran.«
Cochises Körper lockerte sich. Ein sanftes Lächeln spielte um seine Mundwinkel. »Wir werden miteinander sprechen, Falke«, sagte er dann. »Reite ein wenig zurück. Ich folge dir. Wenn du aber nur mit leeren Worten und sinnlosen Versprechungen zu mir kommst, dann kehre sofort zu den Bleichgesichtern zurück.« »Ich werde dir später alles erklären, Cochise. Vertraue mir, so wie ich auch dir vertrauen werde. So haben wird es doch bis jetzt immer gehalten und sind dabei gut miteinander ausgekommen.« Der Scout lenkte sein Pferd herum und ritt einige Yards zurück, bis er sich ungefähr in der Mitte zwischen der Wagenburg und den Indianern befand. Dort sprang er aus dem Sattel und ließ sich im Schneidersitz am Boden nieder. Minuten vergingen. Alles blieb ruhig bei den Apachen, die nach wie vor die weißen Eindringlinge umzingelt hatten, wie auch in der Wagenburg. Major Tanner befand sich mit seinen fünf Soldaten noch immer vor dem Conestoga. Wyatt Earp und Hank Coolidge waren nicht zu sehen. John Haggerty hoffte nur, daß diese beiden Männer nicht seine gesamten Pläne vereitelten. Der Scout wurde aus seinen Gedanken gerissen, als Cochise plötzlich vor ihm auftauchte. Er war hinter einigen Feigenkakteen hervorgetreten und blieb vor John Haggerty stehen. Als der sich erheben wollte, deutete er diesem an, sitzen zu bleiben und kauerte sich dann ihm gegenüber nieder. Dem Scout war klar, daß viele hundert Augenpaare jede seiner Bewegungen und natürlich auch die des Apachen-Häuptlings verfolgten. Vielleicht hingen Kampf oder Frieden von diesem Palaver ab. Dies konnte natürlich nicht dazu beitragen, John ruhiger werden zu lassen. Er fuhr sich nervös über das Kinn und fühlte den forschenden Blick des legendären Apachen auf sich ruhen.
John suchte nach Worten. Die Bedeutung dieses Augenblicks nahm den ansonsten so erfahrenen Mann völlig gefangen. Cochise sagte mit ruhiger Stimme: »Die Stunde der Entscheidung ist da, Falke. Wir beide wissen, daß wir alles getan haben, um den Kampf zu verhindern. Du hast meine Worte vernommen. An und für sich gibt es dem nichts mehr hinzuzufügen. Die Fronten sind klar. Entweder die fahrende Schlange tritt binnen einer Stunde den Rückweg an, oder ich werde das Zeichen zum Angriff geben. Auch die Soldaten werden mich nicht von diesem Entschluß abbringen können. Ich weiß nun, es ist ein Fehler gewesen, sie zum Treck reiten zu lassen.« Cochise schwieg. Ein harter Ausdruck stand in seinen dunklen Augen, die unverwandt auf den Scout gerichtet waren. »Das stimmt nicht«, warf John ein. »Die Soldaten werden die Leute zur Umkehr zwingen. Major Tanner war gerade im Begriff, den Treckführer verhaften zu lassen. Er ist nur noch nicht dazu gekommen, weil du dort oben auf dem Felsenkamm erschienen bist und zu den Bleichgesichtern gesprochen hast.« Cochise lächelte vage. »Und du glaubst, dieser weiße Narr, der die Siedler anführt, würde sich festnehmen lassen?« Der Chiefscout zuckte mit den Achseln. »Er widersetzt sich dem Befehl des Offiziers. Wir hätten mit Gewalt vorgehen müssen, es aber bestimmt geschafft. Von den Siedlern wäre er nicht gedeckt worden.« »Ich weiß, du sprichst die Wahrheit, Falke. Das ist es, was ich an dir so schätze.« Cochises Stimme wurde plötzlich drängender. »Was ist mit dem jungen Mann, der so schnell schießen kann? Er holte Männer aus jener Stadt, die von den Weißen Tombstone genannt wird. Es sind keine guten Männer. Sie griffen auf dem Ritt meine Krieger an, obwohl diese sich friedlich verhalten haben. Einer aus meinem Stamm mußte sterben, ein anderer
wurde verletzt. Um ehrlich zu sein, will ich dir aber auch nicht verschweigen, daß einer der Weißen sterben mußte, als meine tapferen Krieger dann später angriffen.« »Es ist eine üble Horde von Revolverschwingern, die den Treck schützen sollen«, sagte John Haggerty. »Sie werden aber nicht kämpfen, denn die Blauröcke sorgen dafür, daß die Wagen wieder zurückfahren. Du mußt mir vertrauen, Cochise.« »Wir werden sehen, Falke. Die Frist von einer Stunde gilt noch immer. Dann wird es sich erweisen, wer von uns beiden recht behält.« John Haggerty zuckte plötzlich zusammen. Ein Indianer war auf dem Felsenkamm erschienen. Seine langen schwarzen Haare, die nicht von einem Stirnband gehalten wurden, flatterten im Wind. Der Apache glich einer düsteren Drohung, so ähnlich wie der Häuptling einige Minuten zuvor. Cochise wandte den Kopf. Sein Gesichtsausdruck verhärtete sich kurz, dann sah er den Armee-Scout wieder an. »Victorio«, flüsterte John. Der Jefe nickte. »Er will noch immer den Kampf, nicht wahr, Cochise?« »Er hätte nicht so lange gezögert, wenn er an meiner Stelle gewesen wäre«, antwortete der Chiricahua. John sah wieder hoch zu dem Häuptling der Mimbrenjos. Victorio stand noch immer in Siegerpose auf dem Felsen und ließ kein Auge von ihm und Cochise. Als der Scout den Blick von Old Vic, wie Victorio manchmal von den Weißen genannt wurde, nahm, bemerkte er, daß sich die Zweige eines Gestrüpps aus Yucca und Speerdorn bewegten. »Wer steckt dort drüben?« fragte der Scout. »Sind es einige deiner Krieger, die mir mißtrauen?« Cochise lächelte sanft. »Du hast wirklich die Augen eines Falken«, sagte er. Etwas wie Bewunderung drückte er damit aus. »Du hast meine Krieger bemerkt. Sie sind in Sorge um mich, weil sie keinem
Bleichgesicht vertrauen. Dort drüben lauern Naiche, Ulzana, Victorio und Loco. Die meisten von ihnen kennst du ja. Verzeih ihnen. Sie werden unser Gespräch nicht stören.« John Haggertys schlanker Körper entspannte sich wieder. Er nagte an seiner Unterlippe. »In Ordnung, Cochise. Ich werde zur Wagenburg reiten und mit Major Tanner reden. Die Einstundenfrist gilt nach wie vor. Du wirst schon sehen, daß dann der Treck in die Gegenrichtung aufbrechen wird. Zuvor aber solltest du deine Krieger noch zurückziehen, als Zeichen deines guten Willens.« Der Chiricahua runzelte die Stirn. »Eine Wagenburg ist schwerer anzugreifen als die fahrende Schlange«, fuhr John eindringlich fort. »Es ist doch wirklich nichts anderes, als eine kleine Geste von dir.« »Wenn sich die Wagenburg auflöst, werde ich deinen Wunsch befolgen, Falke.« Die beiden Männer erhoben sich. Alles schien bestens geregelt. Wie sollten der Apache Cochise und John Haggerty auch ahnen, was sich in den letzten Minuten in der Wagenburg ereignet hatte. Dieses Geschehen drohte den entscheidenden Funken auszulösen, der das Pulverfaß zur Explosion bringen konnte. * »Absitzen, Leute!« befahl Major Les Tanner einige Minuten zuvor, wahrend der Scout mit dem Häuptling ungefähr 50 Yards von ihnen entfernt verhandelte. Sergeant Ryan McDonald und die vier Soldaten schwangen sich aus den Sätteln, der Offizier ebenfalls. »Wir werden den Treckführer und diesen wild gewordenen Revolverschwinger festnehmen, Leute. Wenn irgend möglich, ohne Blutvergießen.« Die fünf Soldaten standen stramm und folgten dann Major Les
Tanner in die Wagenburg hinein. Von Hank Coolidge und Wyatt Earp war nichts zu sehen. Die Blauröcke erkannten nur die aschgrauen und furchtsamen Gesichter der Siedler, die sich an ihren Gewehren festhielten, sie sozusagen als letzten Strohhalm umklammerten. Nur die Rauhbeine aus Tombstone musterten die Soldaten feindselig. Der Major gönnte diesen Typen keinen Blick. Er näherte sich Coolidge und Earp, die er hinter einem Conestoga entdeckte. Die beiden wirbelten herum, als sie die Schritte der Soldaten vernahmen. Keiner von ihnen hatte wohl noch angenommen, daß der Offizier sein Vorhaben noch ausführen würde. »Halt!« rief Tanner mit schneidender Stimme. »Nehmt diese beiden Männer fest! Wenn nötig, mit Gewalt!« Hank Coolidges Gesicht verwandelte sich in eine wuterfüllte Fratze. Er riß plötzlich sein Gewehr hoch, zielte damit aber nicht auf Tanner oder dessen Soldaten, sondern richtete den Lauf auf einen Apachen, der ungefähr 70 Yards entfernt auf einer Felsklippe kauerte und von der drohenden Gefahr nichts ahnte. »Noch einen Schritt, Major, dann schieße ich!« drohte der Treckführer. »Pfeifen Sie Ihre Leute zurück, sonst geschieht ein Unglück! Sie wissen, was es in dieser Situation bedeutet, wenn ich einen Apachen abknalle.« Die fünf Soldaten verhielten mitten im Schritt. Sie blickten Major Tanner fragend an, der mit blassem Gesicht auf den Anführer des Siedlertrecks starrte. »Legen Sie das Gewehr weg, Coolidge!« befahl Tanner, der seine Überraschung schnell überwunden hatte. »Wenn Sie schießen, bringen Sie uns alle in des Teufels Küche. Dann ist unser aller Leben verwirkt. Die Apachen werden uns umbringen.« »Verschwinden Sie, Major, sonst schieße ich!« zischelte Hank Coolidge. »Mir ist es verdammt ernst. Ich lasse mich nicht von Ihnen wie ein Verbrecher verhaften. Ich habe bisher nichts
anderes als meine Pflicht getan. Zurück, bei der geringsten falschen Bewegung feuere ich! Und man sagt mir nach, ein ausgezeichneter Schütze zu sein.« Die fünf Soldaten rührten sich nicht. Major Tanner nagte an seiner Unterlippe, während Wyatt Earp spöttisch grinste. Dann sagte der junge Spieler und Revolvermann: »Coolidge ist völlig durcheinander, Sir. Sie sollten ihn in Ruhe lassen, dann wird er auch wieder vernünftig werden. Wir wollen nicht unbedingt einen Kampf. Ich habe Coolidge in den letzten Minuten wie einem störrischen Maultier gut zugeredet. Er wird einer Umkehr zustimmen, denn auch die Siedler sind dafür. Nun sollten Sie und Ihre Leute die Wagenburg verlassen.« Die jugendliche Unbekümmertheit war aus Wyatt Earps Gesicht gewichen. Les Tanner zögerte. Irgendwie traute er dem Revolvermann nicht, genauso wenig wie er Coolidge traute. Der Treckführer hielt noch immer das Gewehr auf den Apachen gerichtet. Der Finger am Abzug bewegte sich nervös. Dabei äugte Coolidge zu dem Offizier. Schon wollte Major Tanner seinen Leuten den Befehl zum Abmarsch geben, als es geschah. Es war nur eine leere Kiste, die von einem Conestoga-Wagen stürzte und hart auf den Boden prallte. Irgendein Siedler mußte versehentlich daran gestoßen sein. Das aber erschreckte Hank Coolidge derart, daß er plötzlich den Abzug durchriß. Und bestimmt war es ein Zufall, daß seine Kugel den Apachen traf. Laut donnernd brach sich der Schuß. Der Indianer bäumte sich auf, drehte sich halb um die Achse und stürzte dann von der ungefähr 60 Fuß hohen Felsklippe in die Tiefe. Hank Coolidge ließ die Waffe fallen. Er schrie gellend auf. Aus geweiteten Augen blickte er Tanner an. Dann begann das Inferno.
* John Haggerty und Cochise vernahmen den Schuß, der peitschend die Stille zerriß, und sahen dann den Apachen von der hohen Felsklippe fallen. Sie vernahmen auch den gellenden Schrei, der in der Wagenburg erscholl und allen durch Mark und Bein ging. »Mein Gott«, murmelte der Chiefscout entsetzt. Auch Cochise erschrak. Seine Miene verzerrte sich. Für Sekunden war er offenbar verwirrt. Johns Augen richteten sich unwillkürlich auf Victorio, der noch immer auf dem Felsenkamm stand. In diesem Moment stieß der Häuptling der Mimbrenjos einen hallenden Schrei aus und riß seine Arme hoch, die er über dem Kopf kreuzte. Der Scout wußte zu genau, was das zu bedeuten hatte. Es war das Zeichen zum Angriff. Dann war der Teufel los. Salve auf Salve unzähliger Schüsse wurde von den Klippen und zahllosen anderen Stellen abgegeben. Tod und Verderben wütete in den Reihen der Soldaten und Siedler. Das gellende und nervenzermürbende Kriegsgeschrei der Apachen übertönte alle anderen Geräusche. Natürlich feuerten nun auch die Siedler, die Schutzmannschaft und die Revolverschwinger aus Tombstone, was ihre Waffen hergaben. Und zwischen diesen Fronten standen Cochise und John Haggerty wie erstarrt. Sie wußten, das Unheil hatte seinen Lauf genommen. Es war ihnen nicht möglich gewesen, es aufzuhalten, obwohl es keiner von ihnen beabsichtigt hatte. »Wir müssen eingreifen«, rief der Chiefscout. Schweiß ließ sein Gesicht wie Öl glänzen. Fast schien es, als lächelte der Häuptling der Apachen. Es war aber dann mehr ein verzweifeltes Lächeln, das seinem Mund für den Bruchteil einer Sekunde umspielte.
Dann lief Cochise los, und zwar auf seine noch immer schießenden Krieger zu. Er schwenkte die Arme. John Haggerty griff in seine Tasche und zog zwei Dynamitpatronen hervor. Um ihn herum pfiffen Kugeln. Neben seinen Stiefeln spritzen kleine Dreckfontänen hoch. Mit dem Mut der Verzweiflung riß der Scout ein Zündholz an. Zischend fraßen sich die Funken weiter. John schleuderte die Sprengpatronen weit von sich. Eine Kugel streifte seinen linken Arm und ließ den Armee-Scout taumeln. Ein weiteres Geschoß schabte an seinem Stiefelschaft entlang und nahm einige Lederfetzen mit. Dann explodierten die beiden Dynamitpatronen. Das Krachen war ohrenbetäubend. Eine riesige Wolke aus Rauch und Staub breitete sich aus. John Haggerty flogen Erdbrocken, Grasbüschel und Steinsplitter um den Kopf. Der Explosionsknall bewirkte aber auch, daß beide Seiten, Weiße wie Indianer, das Feuer einstellten. Und genau das war es, was John mit seiner Tat bewirken wollte. Er lief mit großen Schritten durch die Staubwolke, die ihm den Atem nahm. Dann tauchte der Scout wieder auf, erinnerte für Momente an ein geisterhaftes Wesen, als er sich hervorschälte und hob dann beide Arme gen Himmel. John Haggerty schrie schallend zur Wagenburg hinüber: »Aufhören! Stellt das Feuer ein! Der Kampf ist völlig sinnlos. Die Apachen wollen ihn nicht und wir auch nicht. Was geschehen ist, können wir nicht mehr rückgängig machen. Nicht mehr schießen!« Seine Stimme verklang. John Haggerty fühlte eine unsagbare Erleichterung in sich aufsteigen, als er Cochise hörte, der zu seinen Kriegern sprach und sie ebenfalls aufforderte, das Feuer einzustellen. Zwar fielen noch vereinzelte Schüsse, die aber keinen Schaden anrichteten. Dann verebbte das Gewehr- und
Revolverfeuer völlig. Cochise und der Scout standen noch immer mit erhobenen Armen da. Wie durch ein Wunder waren sie dem Bleihagel entgangen, der zwischen den Fronten herniedergegangen war. Die beiden tapferen Männer vernahmen bewundernde Zurufe, die von den Apachen und den Siedlern erklangen. Es schien, als wären alle froh, daß nicht mehr geschossen und gekämpft wurde. Haggerty sah einige reglose Körper vor der Wagenburg liegen. Ein verwundeter Soldat kroch mit letzter Kraft auf einen Conestoga zu. Sein schmerzhaftes Stöhnen drang durch die Stille. Einige tote Pferde waren hier und da zu sehen. John ahnte, daß das Schlimmste verhindert worden war. Er und Cochise hatten in letzter Sekunde gehandelt und den blutigen Vernichtungskampf stoppen können. Noch immer wehte der Atem des Todes über die Felsen und Hügel, über die Ebene und die Wagenburg. Der Scout schloß vor Erleichterung die Augen! Und er hoffte, daß nicht wieder ein unüberlegter Schuß alle seine Bemühungen in Frage stellte. Langsam ließ Haggerty seine Arme sinken. Er wandte sich Cochise zu, der sich ebenfalls umgedreht hatte. Die Blicke der beiden Männer trafen sich. John Haggerty erkannte, daß auch Cochise über diesen glimpflichen Ausgang sehr froh war. Und dann gingen die beiden gemessenen Schrittes aufeinander zu, blieben stehen und reichten sich die Hände, um auf diese Art den Frieden zu besiegeln. Einer der Siedler brach in Hochrufe aus. Bald stimmten andere mit ein. »Ich danke dir, Cochise«, sagte John. Der Chiricahua schüttelte den Kopf. »Du brauchst mir nicht zu danken, Falke. Auch ich freue mich, daß wir das Schlimmste verhüten konnten. Einige meiner
Krieger und wohl auch einige der Bleichgesichter mußten sterben. Sie haben für die unsinnige Tat eines einzelnen büßen müssen. Du wirst den Schuldigen finden und mir und meinen Kriegern übergeben.« Der Scout erschrak. »Ich will tun, was in meiner Macht steht, Häuptling. Ich bitte dich aber, nicht auf dieser Bedingung zu bestehen. Laß mich zuerst aufklären, warum dieser verhängnisvolle Schuß gefallen ist. Wir sollten uns in einer halben Stunde wieder treffen. Bringe deine wichtigsten Unterführer mit. Auch ich will den Jefe der Blauröcke, den Treckführer und Wyatt Earp, den Mann mit dem schnellen Revolver, hierher bringen. Dann werden wir nochmals über alles sprechen.« Cochise hob eine Hand. »So soll es sein, Falke«, sagte er, drehte sich um und schritt auf einen Hügel zu, wo er bereits von einer Schar seiner tapferen Krieger erwartet wurde. * »Sie sind ein Teufelskerl, Lieutenant Haggerty«, sagte Major Tanner und klopfte dem Scout auf die Schulter. »Nachdem der Schuß gefallen war, glaubte ich alles verloren.« Sein Blick wurde düster. »Zwei meiner Leute sind tot, drei andere schwer verwundet. Auch einer aus Coolidges Schutzmannschaft kam ums Leben. Einige Siedler wurden verletzt. Ich habe den Eindruck, daß wir alle die Nase gestrichen voll haben. Coolidge wird klein beigeben, genau wie die Siedler. Sie sind froh, wenn sie das Apachenland verlassen können.« Les Tanner fuhr sich über die Stirn, die gefurcht war. Dann deutete er auf einen älteren Mann, dessen ergrautes Haar unter einem verbeulten Hut hervorlugte. »Dies ist Mr. Montgomery, Lieutenant. Er ist von den
Siedlern beauftragt worden, in ihrem Namen zu sprechen und besitzt alle Vollmachten. Coolidge wurde seines Postens enthoben.« Der Scout reichte Wes Montgomery die Hand. »Wir werden umkehren, Mr. Haggerty«, sagte der Oldtimer. »Wir haben nun alle eingesehen, daß dies kein Land für uns ist. Es ist Besitz der Apachen und soll es auch bleiben. Sagen Sie das diesem Indianer-Chief. Es tut uns leid, so viel Aufregung und Ärger verursacht zu haben. Das wollten wir nicht, Sir. Wir haben genug vom Pulverdampf und Blei. Wir sehnen uns nach Ruhe und Frieden und wollen irgendwo etwas mit unserer Hände Arbeit aufbauen« »Ich danke Ihnen für diese Worte, Mr. Montgomery, die vom Herzen gekommen sind. Ich werde alles in meiner Macht stehende tun, damit Sie und Ihre Gefährten eine andere Heimat finden, um in Frieden siedeln zu können. Ich möchte Sie bitten, mich in wenigen Minuten zu begleiten. Wir müssen noch mal mit Cochise sprechen.« John wandte sich an Major Tanner. »Sie sollten auch mitgehen. Cochise möchte Sie kennenlernen.« Der Offizier nickte. »Selbstverständlich, Lieutenant.« »Wo ist dieser Coolidge?« Der Major deutete auf einen Planwagen. Davor standen der Treckführer und zwei Soldaten, die ihre Gewehre auf den breitschultrigen Mann gerichtet hatten. »Ich muß mit ihm reden. Warum nur hat dieser Narr geschossen? Er wußte doch, was dann geschehen würde.« Tanner berichtete mit wenigen Worten, wie es zu dem Zwischenfall gekommen war. Dann traten John Haggerty und der Major auf den abgesetzten Treckführer zu. Hank Coolidge hatte den Kopf gesenkt. Er stand mit hängenden Schultern da. Sein Gesicht war grau.
Der Scout und Tanner blieben vor ihm stehen. Hank Coolidge blickte auf, musterte John Haggerty lange. Verzweiflung und Resignation lagen in seinem Blick. »Es tut mir leid«, sagte Coolidge. »Ich wollte mit dem Kopf durch die Wand. Es liegt eben in meiner Natur. Ich sehe jedoch ein, einen großen Fehler gemacht zu haben. Eines aber mußt du mir glauben, Haggerty: Ich hätte nicht geschossen. Irgend etwas erschreckte mich aber so sehr, und dann …« Coolidge brach mitten im Satz ab. Dann zuckte er hilflos mit den Achseln und starrte auf seine Stiefelspitzen. Ehe Major Tanner lospoltern konnte, sagte der Scout: »Ich glaube dir, Coolidge. Ich verstehe nur nicht warum du alles bis auf die Spitze getrieben hast. Du konntest niemals gewinnen und hast die Apachen immer wieder bis aufs Blut gereizt. Warum haßt du die Indianer so? Diese Frage solltest du mir noch beantworten.« »Sie ermordeten vor vielen Jahren meine Eltern. Es waren keine Apachen, sondern Kiowas, die damals über den Treck wie blutgierige Teufel herfielen. Ich fand später Vater und Mutter. Man hatte sie skalpiert und übel zugerichtet.« Coolidge schwieg und schluckte. Sein Gesicht wirkte noch bleicher. »Damals habe ich mir geschworen, ein guter Treckführer zu werden und es den Rothäuten zu zeigen. Ich wollte die Siedler sicher ans Ziel bringen. Nun sehe ich ein, falsch gehandelt zu haben.« »Okay, Coolidge. Ich hoffe nur, du hast aus deinen Fehlern gelernt. Vielleicht konntest du nicht anders handeln, und es liegt wirklich in deiner Natur, ein so verdammter Dickschädel zu sein. Ich will mich nicht zum Richter aufspielen. Das alles mußt du mit dir und deinem Gewissen aushandeln. Mehr habe ich nicht zu sagen.« John Haggerty wandte sich an den Major. »Was soll mit ihm geschehen, Sir?«
Tanner überlegte kurz. »Lassen Sie ihn laufen«, schlug der Armee-Scout vor. »Was nützt es, wenn man ihn in Eisen legt. Nichts. Er hat seine Fehler eingesehen. Und Coolidge sieht wie ein Mann aus, der einen Fehler niemals zweimal begeht.« »Ich werde darüber nachdenken«, sagte Major Les Tanner, noch immer unentschlossen. »Was soll mit diesem Earp und seinem bunt zusammengewürfelten Haufen geschehen?« »Schicken Sie diese Burschen fort«, sagte Hank Coolidge. Er gab sich irgendwie beschämt. »Wir brauchen sie nicht mehr.« »Das werde ich übernehmen«, sagte John Haggerty. Er blickte zu dem jungen Wyatt Earp hinüber, der in der Mitte der Wagenburg stand. Um ihn drängten sich die Revolverschwinger aus Tombstone. Der Scout näherte sich ihnen mit langen Schritten und blieb vor dem rauhen Rudel stehen. * »Für euch gibt es hier nichts mehr zu erben, Leute«, machte John ihnen klar. »Ihr solltet auf eure Klepper steigen und nach Tombstone zurückreiten.« Wyatt Earp spuckte einen Grashalm aus und zog ein zerknirschtes Gesicht. Der mit allen Wassern gewaschene Bursche hatte längst eingesehen, daß er nicht mehr benötigt wurde. »Okay«, sagte er bedächtig. »Wir verschwinden, nachdem wir unsere Bucks kassiert haben. Coolidge soll sich jetzt nur nicht drücken, denn sonst kriegt er noch mehr Ärger, als er ihn in den letzten Minuten hatte.« »Das geht mich nichts an, Earp. Das ist eine Angelegenheit zwischen dir und Coolidge. Du mußt sehen, wie du dich mit ihm einigst. Dann aber solltet ihr Leine ziehen.« Wyatt Earp brummte einige Worte, die keiner verstehen
konnte. Er wollte sich abwenden, sprach dann aber nochmals den Scout an. »Werden uns die Apachen reiten lassen, Haggerty? Wenn die hundert roten Jungs sich an uns wetzen wollen, dann sind unsere Chancen sehr gering. Ich möchte eine Garantie von dir, unbehelligt den Rückritt antreten zu können.« »Ich werde mit Cochise sprechen und hoffe, daß er damit einverstanden ist. Ihm ist dein Rudel da ein Dorn im Auge, zumal ihr einen seiner Krieger getötet habt.« »Auch einer von uns mußte sterben«, entgegnete Wyatt Earp. »Wir sind quitt.« John nickte. »Ich werde mich für euch einsetzen.« Major Tanner hatte die Unterredung mit angehört, ohne sich einzumischen. Seine Blicke aber sprachen Bände. Er schätzte diesen Pulk von Revolverschwingern und dunklen Existenzen nicht besonders hoch ein. »Ich werde jetzt mit Coolidge sprechen, damit wir unsere Prämien erhalten«, sagte Wyatt Earp. Er stiefelte los. Sein Anhang folgte ihm. Coolidge sah ihnen nicht gerade begeistert entgegen. * Eine Stunde war vergangen. John Haggerty, Major Les Tanner, Wyatt Earp und Wes Montgomery näherten sich jener Stelle, an der sich der Scout schon einmal mit Cochise getroffen hatte. Hank Coolidge war nicht dabei. Der hatte es vorgezogen, Cochise nicht mehr unter die Augen zu treten. John war damit einverstanden. »Dort kommen sie«, sagte Tanner plötzlich. Vier Apachen traten hinter einem Mesquite-Gebüsch hervor: Cochise, Naiche, Ulzana und Victorio.
Die beiden Gruppen standen sich gegenüber. Wes Montgomerys Mundwinkel zuckten wie wild und zeigten die Nervosität des Oldtimers. So nahe war er noch nie in seinem Leben einem Indianer gewesen. Wyatt Earp blieb ruhig, wirkte wieder einmal wie ein Mann ohne Nerven. Major Tanner salutierte und nickte dem Häuptling, der kurz den Kopf senkte, freundlich zu. John und Cochise verständigten sich mit einem schnellen Blick, der beiderseitige Zufriedenheit ausdrückte. Naiches Miene blieb unbewegt, während Ulzana die vier Bleichgesichter feindlich musterte. Victorio gab sich überhaupt keine Mühe, seinen abgrundtiefen Haß zu verbergen. Ihm sah man deutlich an, daß er lieber gekämpft hätte, als hier an einem Friedenspalaver teilzunehmen. Die Weißen und die Indianer setzten sich gegenüber. Schwer lastete das Schweigen auf den Männern. Erst als Cochise dem Scout zunickte, ergriff John Haggerty das Wort. »Ich danke dir, großer Häuptling, daß du mit deinen tapferen Kriegern erschienen bist.« Haggerty sah, wie sich Victorios Gesicht noch mehr verfinsterte. Daher verneigte er sich leicht in dessen Richtung und sagte: »Ich danke auch dem Jefe der Mimbrenjos für sein Erscheinen.« John legte eine Pause ein. Er merkte, daß er von Earp, Montgomery und Major Tanner gespannt gemustert wurde. »Der Treck wird umkehren, Cochise. Die ersten Vorbereitungen sind bereits getroffen worden. Die Siedler erhalten woanders Land zugewiesen. Dieser Mann«, Haggerty deutete auf den alten Wes Montgomery, »wird die Geschicke der fahrenden Schlange nun in die Hände nehmen und sie aus dem Land der tapferen Apachen führen. Du kannst ihm vertrauen. Du solltest uns nur dein Wort geben, ihn ziehen zu lassen.«
Cochise nickte und fixierte den Oldtimer. »Wenn dieser Mann ohne Falschheit ist und die Apachen nicht zu betrügen versucht, dann ist ihm freier Abzug gewährt. Ich verbürge mich mit meiner Ehre dafür.« Wes Montgomery atmete auf. Seine Stimme krächzte, als er antwortete: »Ich danke dir, großer Häuptling. Wir sehen alle ein, falsch gehandelt zu haben. Du hast uns mit deiner Rede überzeugt. Wir sind auf die Lügen und falschen Versprechungen von einigen weißen Männern im Osten hereingefallen und wußten nicht, daß wir euch das Land stehlen würden, sondern glaubten, es rechtskräftig gekauft zu haben.« Cochises Blick richtete sich auf Major Tanner. »Du wirst mit deinen Blauröcken wieder abziehen, Langmesser. So ist es doch?« »Selbstverständlich, Häuptling, sobald sich der Treck auf dem Rückweg befindet. Meine Leute und ich werden ihn noch einige Meilen lang begleiten.« Cochise lächelte leicht spöttisch, ehe er wieder ernst wurde. Er hatte aus den Worten des Offiziers herausgehört, daß dieser dem Frieden noch immer nicht so recht traute. Er nahm es dem Major aber nicht übel, wußte er doch, daß der nichts anderes als seine Pflicht tat. »Du solltest deinen Jefe grüßen, den einarmigen Blaurock, den die Bleichgesichter Howard nennen. Er wird nun wissen, wie ernst es mir mit dem Vertrag zwischen ihm und den Apachen ist.« Major Tanners Stimme klang herzlich, als er antwortete: »Das werde ich gern tun, großer Häuptling. Und ich danke dir in seinem Namen für die große Geduld, die du gezeigt hast.« Victorio bewegte sich unruhig. Sein Gesicht wirkte finster. Ihm schienen diese Worte überhaupt nicht zu gefallen. Er fraß aber alles in sich hinein. Auch Cochises Sohn Naiche und Ulzana beteiligten sich nicht
an dem Gespräch. Sie saßen wie versteinert da und starrten zu Boden. Cochise sah nun Wyatt Earp an, der den Blick des Jefe gelassen erwiderte. »Wirst du mit deinen Männern aus Tombstone weiterhin bei der fahrenden Schlange bleiben?« »Wenn du uns freien Abzug gewährst und dich dafür verbürgst, dann werden wir nach Tombstone zurückreiten, Cochise«, erwiderte der junge Earp. »Das Blut eines ermordeten Apachen schreit nach Rache«, stieß Victorio wutschnaubend hervor. »Diese weißen Männer haben unsere Krieger angegriffen, ohne zum Kampf gezwungen worden zu sein.« Earp legte Haggerty eine Hand auf das Knie, als der gerade antworten wollte. »Ich kann mich selbst verteidigen, Haggerty«, sagte er und sah dann den Häuptling der Mimbrenjos ernst an. »Es stimmt, was du da sagst, Victorio. Einer meiner Männer drehte durch, als die Krieger so plötzlich auftauchten. Vor lauter Angst schoß der Mann. Er hat dafür bezahlt, denn er wurde von deinen Kriegern getötet. Ich kann es nicht ändern, wenn du deine Rache willst. Es würde viele Tote auf beiden Seiten geben. Niemand kann wissen, wie dieser Kampf enden wird.« Cochise wandte sich an Victorio. Sie unterhielten sich in der Sprache der Apachen. Die Weißen bemerkten, daß sich Victorios Gesicht plötzlich verfärbte. Der Chiricahua wandte sich an Wyatt Earp. »Du kannst mit deiner Mannschaft reiten. Ihr dürft aber niemals wieder in das Land der Apachen zurückkehren, denn dann wird man euch töten. Du solltest diese Warnung beherzigen.« Earp nickte, gab sich furchtlos. »Ich danke dir, Cochise.« Der Jefe erhob sich. Seine drei Begleiter folgten seinem
Beispiel. Ulzana, Naiche und Victorio gingen grußlos davon und verschwanden schon bald hinter dem Buschwerk. Wes Montgomery, Wyatt Earp und Major Les Tanner nickten dem Apachen-Häuptling freundlich zu. »Geht nur, Leute«, sagte John Haggerty. »Ich möchte noch kurz privat mit Cochise sprechen.« Dann waren die beiden allein. Sie sahen sich an. Vom Siedlertreck her vernahm man das Muhen der Ochsen, die vor die Conestogas und Murphys gespannt wurden. »Nun werden sich unsere Wege wieder trennen, Cochise«, sagte John Haggerty. »Wir haben großes Unheil verhindert und den Frieden bewahrt.« Cochises Blick schien in unendliche Fernen zu schweifen. »Für wie lange, Falke? Niemand kann diese Frage beantworten – du nicht und auch ich nicht. Wir Apachen werden irgendwann in diesem Ringen unterliegen. Wir kämpfen aber bis zum letzten Atemzug um unsere Freiheit.« Der Scout reichte Cochise die Hand. Der Druck war fest und wie ein Versprechen. John wußte, daß er und Cochise sich immer wieder begegnen würden, denn sie waren beide untrennbar mit diesem Land verbunden. Diesem wilden, trostlosen und doch gleichzeitig so großartigen Land, für das es sich sogar zu sterben lohnte.
ENDE