Klappentext Ein großes Ereignis steht Smallville bevor. Der Tag der Kulturen soll nicht nur die zahlreichen ausländisch...
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Klappentext Ein großes Ereignis steht Smallville bevor. Der Tag der Kulturen soll nicht nur die zahlreichen ausländischen Einwohner der Kleinstadt repräsentieren, sondern auch ein Zeichen gegen zunehmende Fremdenfeindlichkeit setzen. Doch kaum sind die Vorbereitungen in Gange, wird das Festival von heimtückischen Anschlägen überschattet. Als Ersten trifft es Shaaban, Clarks besten Freund aus Tansania. Mit der großzügigen Unterstützung Lex Luthors können Clark und Chloe noch ein weiteres Verbrechen aufdecken. Denn es gab schon einmal einen fremdenfeindlichen Anschlag in der Geschichte Smallvilles. Clark und seine Freunde setzen alles daran, dieses Geschehen dem Vergessen zu entreißen. Zu alldem ist Clark in seinen Gefühlen für Lana hin- und hergerissen. Ist das Besondere, das sie beide verbindet, nur ein Trugbild seiner Fantasie?
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Cherie Bennett und Jeff Gottesfeld
Anschlag aus dem Nichts Aus dem Amerikanischen von Catherine Shelton
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Bibliografische Information Der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http:://dnb.ddb.de abrufbar.
Erstveröffentlichung bei DC Comics 2002 Titel der amerikanischen Originalausgabe: Smallville – Speed Smallville and all related characters, names and indicia are trademarks of DC Comics © 2003. Das Buch »Smallville – Anschlag aus dem Nichts« entstand parallel zur TV-Serie Smallville, ausgestrahlt bei RTL. © 2003 Warner Bros. Television © RTL Television 2003. Vermarktet durch RTL Enterprises.
© der deutschsprachigen Ausgabe: Egmont vgs Verlagsgesellschaft mbH, Köln 2003 Alle Rechte vorbehalten. Lektorat: Ilke Vehling Produktion: Wolfgang Arntz Umschlaggestaltung: Sens, Köln Satz: Greiner & Reichel, Köln Druck: Clausen & Bosse, Leck Printed in Germany ISBN 3-8025-3241-4
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1 »DIE SEHEN SUPER AUS«, fand Clark Kent und warf einen Blick über Lana Langs Schulter, um die Flugblätter zu betrachten, die sie in der Hand hielt. Lana und er hatten gerade ihren Wagen auf dem Schülerparkplatz der Smallville High geparkt und waren nun auf dem Weg in das Gebäude, wo sie die Flyer in den Fluren aufhängen wollten. »Nicht wahr«, stimmte Lana ihm zu. »Chloe hat mir erzählt, dass sie jemanden von der Fackel überreden konnte, das Layout zu gestalten. Wer auch immer das war, er ist ein fantastischer Graphiker.« Sie blieben einen Augenblick stehen, um eines der Flugblätter zu betrachten. Auf dem regenbogenfarbenen Rand tanzten zahlreiche Kinder verschiedener Nationalitäten Hand in Hand. In der Mitte des Blattes stand zu lesen: SMALLVILLES TAG DER KULTUREN Essen, Trinken, Spaß, Tanz und viele Events Feiern Sie die kulturelle Vielfalt von Smallville! Die Termine und die Ortsangaben für die verschiedenen Veranstaltungen wurden etwas weiter unten auf dem Blatt mitgeteilt. »Es ist so cool, dass am nächsten Sonntag in Smallville ein multikulturelles Fest stattfindet«, fand Clark, während sie den Weg ins Schulgebäude wieder aufnahmen. »Wie viele amerikanische Kleinstädte haben schon einen ›Tag der Kulturen‹?« »Oh, wahrscheinlich alle, die einen Lex Luthor haben, der in der Lage ist, ein Festival zu finanzieren«, antwortete Lana. Clark lachte und hielt ihr die Tür auf. Sie betraten den kühlen, neonbeleuchteten Flur. Niemand war zu sehen, denn 5
die Schüler hatten heute eine Stunde früher freibekommen. »Lana, du denkst doch nicht wirklich, dass Lex der einzige Grund dafür ist, dass wir dieses Festival ausrichten können?« »Nicht der einzige«, gab sie zu, während sie eine Rolle Klebeband aus ihrer Jeansjacke zog. Sie riss einige Streifen ab und reichte sie Clark, damit er die Flugblätter an den Wänden und den Klassentüren befestigen konnte. Direktor Reynolds hatte ihnen erlaubt, die Flugblätter überall aufzuhängen. »Jedenfalls bin ich die Letzte, die sich über Lex’ Großzügigkeit beklagt«, fuhr Lana fort. »Wenn er mein Projekt nicht unterstützen würde, hätte ich das Talon nicht aufmachen können!« Sie reichte Clark einen neuen Streifen Klebeband. »Nicht jedes Mädchen in deinem Alter ist Chefin eines Restaurants!«, witzelte Clark und klebte einen Flyer an Mr. Balusters Zimmertür. Der Geschichtslehrer war nicht allzu beliebt bei den Schülern, und ihr gemeinsamer Freund Pete Ross konnte ihn nicht ausstehen. Auch Clark hatte nicht viel für ihn übrig, denn Mr. Baluster war jähzornig. »Es ist so«, erklärte Lana, »weil Lex das Talon gehört, werde ich das Gefühl nicht los, dass auch ich sein Eigentum bin.« Sie sah nachdenklich aus. »Ich glaube, manchmal habe ich einfach Angst vor seiner Macht. Er scheint über alle Bescheid zu wissen, doch wir wissen nichts über ihn.« »Nun, mir gegenüber ist er jedenfalls immer ehrlich gewesen.« Clark klebte ein Flugblatt an das schwarze Brett vor dem Sekretariat. Daneben stand eine Glasvitrine, in der die Sportpokale ausgestellt waren, die die Schulmannschaften im Laufe der Jahre gewonnen hatten. Der Pokal vom letzten Jahr stand direkt vorne an der Scheibe. Auf dem vergoldeten Metall war der Name des besten Spielers der Mannschaft eingraviert: Whitney Fordmann. Lanas Freund, dachte Clark, während er einen weiteren Flyer 6
aufhängte. Auch wenn er jetzt seinen Militärdienst absolviert und nicht mehr in Smallville lebt, scheint es so, als ob er immer noch bei ihr ist. Und obwohl ich derjenige bin, der in ihrer Nähe ist, komme ich keinen Schritt weiter bei ihr. »Whitneys Pokal«, sagte Clark und hoffte gelassen zu klingen. »Die Ravens haben ihn dieses Jahr sicher vermisst, aber wahrscheinlich nicht so sehr wie du.« Jetzt lege ich schon Köder aus, um zu sehen, was sie sagt, musste sich Clark eingestehen. Also bin ich nicht perfekt. Ich bin auch nur ein Mensch. Er unterbrach seine Gedanken, um nicht lauthals lachen zu müssen. Das war nämlich genau das, was er nicht war – ein Mensch. Er kam von einem anderen Planeten, weit weg von hier. Und so sehr Clark sich auch als Teil von Smallville fühlte, er würde dennoch nie ganz dazugehören. Es war ein Geheimnis, dass er nur mit seinen Adoptiveltern, Jonathan und Martha Kent, teilen konnte. Er musste den Rest seines Lebens mit diesem Geheimnis leben. Er sah zu Lana hinüber und fragte sich, wie es sein würde, ihr die Wahrheit zu sagen? Würde sie sich vor ihm fürchten oder ihn verabscheuen? Ihr schimmerndes Gesicht spiegelte sich in dem Glas der Vitrine. Sie hatte schon viel Schreckliches in ihrem Leben erfahren. Im Alter von drei Jahren hatte Lana ihre Eltern verloren, und obwohl die Trauer darüber zu einem Teil ihres Wesens geworden war, ließ sie sich nicht von ihr bestimmen. Dafür bewunderte Clark sie sehr. Ich würde alles tun, um sie glücklich zu machen!, dachte er im Stillen. Seine Gefühle für Lana gingen weit über die übliche HighSchool-Schwärmerei hinaus. Er war sicher, dass es eine Verbindung zwischen ihnen gab, bei der Zeit und Raum keine Rolle spielten. Er konnte keine Worte dafür finden, aber er hatte auch nicht das Gefühl, dass dies notwendig war. Was er 7
auch tat, Lana war immer in seinem Herzen. Und immer öfter ertappte er sich bei dem Gedanken, dass sie genauso fühlte. Aber da war noch Whitney. Immer wieder Whitney. »Whitney schreibt mir oft«, begann Lana und reichte Clark neue Klebestreifen. »Stets fragt er nach den Ravens. Ich habe ihm erzählt, dass sie schon wieder einen neuen Trainer haben, was nicht gerade den Mannschaftsgeist stärkt. Er vermisst es, Football zu spielen. Er vermisst... alles.« »Das Video, dass du für ihn gemacht hast, ist ein echter Knaller«, versuchte Clark sie aufzumuntern, während er weiter Flugblätter auf die Bürotüren klebte. Vor einer Woche hatte Lana ein Video für Whitney gedreht, auf dem alle seine alten Freunde zu sehen waren – sogar Clark. Als die Kamera auf ihn gerichtet war, hatte er versucht, gut gelaunt und freundlich zu wirken. Aber er hatte sich seltsam unehrlich dabei gefühlt, weil er und Whitney dasselbe Mädchen liebten. »Also, von dem Video war er begeistert, oder?«, fragte Clark. »Äh... nicht wirklich.« Lana ritzte mit ihrem Daumennagel das ausgefranste Ende des Klebebands ein. Sie hielt den Kopf gesenkt, sodass er nur ihre glänzenden Haare sehen konnte. »Was?«, rief Clark aus. »Wie kann er nicht davon begeistert gewesen sein?« Clark wusste, dass Lana am Ende des Videobands eine persönliche Nachricht für Whitney aufgezeichnet hatte. Sie war sehr intim, denn Lana hatte Whitney erzählt, wie sehr sie seine Umarmungen und seine Küsse vermisste. Clark hatte diesen Teil des Bandes natürlich nicht zu sehen bekommen, aber eine seiner besten Freundinnen – Chloe Sullivan – hatte es. Und Chloe hatte Clark bereitwillig davon erzählt. Natürlich auch darüber, dass Lana das Video nicht der Post anvertrauen wollte, sondern beschlossen hatte, es mit FedEx zu Whitneys Militärbasis zu schicken. 8
Lana sah sanft zu Clark auf. Ihre Augenbrauen waren über ihren traurigen Augen zusammengezogen. »Ehrlich gesagt, Clark, muss ich dir ein Geständnis machen.« Sie biss sich auf die Unterlippe. »Ich komme mir ziemlich idiotisch vor, es dir zu sagen.« »Mir was zu sagen?« Sie zögerte. »Nun, in Wirklichkeit... habe ich das Video für Whitney niemals abgeschickt.« Clark war platt. »Wieso nicht?« »Ich wünschte, ich wüsste es selbst.« Sie lehnte sich mit dem Rücken an die Glasvitrine. »Also, die Sache ist die, ich habe am Ende der Kassette sehr intime Dinge aufgezeichnet und...« Clark murmelte irgendetwas Unverbindliches. Er wollte ihr keinesfalls zu erkennen geben, dass Chloe ihm davon erzählt hatte. »Nun, jedenfalls habe ich gedacht, dass ich diese Sache besser lösche und ihm dann das Video schicke«, fuhr Lana fort. »Aber das ist auch nicht das Richtige. Also habe ich etwas Neues aufgenommen, aber das fand ich auch schrecklich. Und so habe ich es noch mal versucht, was mir aber auch nicht gefallen hat. Und deshalb ist das Video immer noch in einem Umschlag bei mir zu Hause.« Clark hätte am liebsten vor Freude getanzt. Es konnte nur einen Grund geben, warum Lana die persönliche Liebesnachricht, die sie aufgezeichnet hatte, nicht an Whitney schicken wollte: Sie war sich offensichtlich nicht über ihre Gefühle sicher. Was bedeuten könnte, dass Lana und ich... Clarks Euphorie hörte abrupt auf, als er sich plötzlich an Whitneys Abschiedsworte erinnerte. Bevor dieser in den Bus gestiegen war, der ihn zu seinem Ausbildungslager bringen sollte, hatte er zu Clark gesagt: »Pass für mich auf Lana auf, Clark.« Und Clark hatte zugestimmt. Nicht völlig überzeugt, aber in 9
diesem Moment hatte er keine andere Möglichkeit gesehen. Welcher Typ würde nach so einem Versprechen ein Mädchen angraben? »Nun, ich bin mir sicher, du weißt, was du tust, Lana«, beruhigte er sie, sorgfältig bemüht, ihrem Blick auszuweichen. »Also ehrlich gesagt, Clark, wenn es um mein Privatleben geht, weiß ich überhaupt nicht, was ich tue«, gestand Lana. »Ich habe viel darüber nachgedacht. Es gibt nur einen Grund, warum ich ihm keine Versprechungen machen konnte.« »Und welchen?« Diesmal war ihr Blick so direkt, dass er ihm nicht ausweichen konnte. »Weißt du, was man über die Wahrheit sagt, Clark? Sie macht frei! Nun, die Wahrheit ist...« »Ja?«, fiel er ein. Sie seufzte und sah einen Moment zur Seite. »Es ist schwer, die ganze Wahrheit zu sagen, auch wenn man es unbedingt will. Man weiß nie, ob man dafür bereit ist. Hast du schon mal jemandem etwas versprochen, obwohl du es in Wirklichkeit überhaupt nicht wolltest?« Clark schluckte mühsam. Hast du eine Ahnung, dachte er. Lana strich sich einige Haarsträhnen hinter die Ohren und schenkte ihm ein etwas schiefes Lächeln. »Tut mir Leid. Ich rede sonst nicht so kryptisch. Ich denke, es ist das Beste, wenn ich schon mal in dem anderen Gang Flugblätter aufhänge. Ich habe noch eine extra Rolle Klebeband mitgebracht.« Sie zog die Rolle aus ihrer Jacke, nahm sich einen Stapel Flugblätter und verschwand um die Ecke. Clark starrte frustriert auf den Linoleumboden. Was hatte Lana ihm sagen wollen? Dass ihre Gefühle für ihn stärker waren als für Whitney? Und wieso macht Wahrheit frei? Eine Weile hing er seinen Gedanken nach, als ihn plötzlich etwas stutzig machte: Es roch nach Rauch! Er fuhr herum und starrte atemlos auf das, was er sah. In der ganzen Halle war jedes Flugblatt, das sie aufgehängt hatten, heruntergerissen 10
worden. Sie lagen alle auf dem Boden. Und sie standen alle in Flammen.
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2 »ALSO, DIE FLYER HABEN FEUER gefangen und sind dann verbrannt. Richtig?«, fragte Chloe, während sie auf dem Rathausplatz im Stadtzentrum einen Parkplatz ansteuerte. »Also, ehrlich gesagt, ist dass noch nicht mal eine Meldung in der Fackel wert. Wenn wenigstens das Brandschutzsystem angesprungen wäre...« Ich bin ja auch mit Supergeschwindigkeit den Flur entlanggerast und habe jedes Feuer mit meinen bloßen Händen gelöscht, bevor das Brandschutzsystem überhaupt reagieren konnte, dachte Clark. Aber ich verschweige diesen Teil am besten. Clark hatte den seltsamen Brand auch am Abend des nächsten Tages noch nicht vergessen. Zum Glück hatte es keinen Schaden gegeben. Die Feuerwehrleute, mussten nichts weiter tun, als Lanas und Clarks Aussagen aufzunehmen. Doch keiner von ihnen wusste, wie das Feuer ausgebrochen war. Clark, der mit Chloe auf dem Weg zu einer Versammlung im Rathaus war, ließ nicht locker. »Ich muss mich wirklich wundern, Chloe«, beharrte er. »Bist du nicht das Mädchen, das für jedes sonderbare Ereignis in unserer Stadt eine übernatürliche Erklärung bereithält?« »Einige kleine Feuerchen, die ein Vandale gelegt hat, sind kaum der Rede wert und erst recht kein Material für die ›Wand der Merkwürdigkeiten‹, Clark!« »Wir sprechen hier über zwanzig Flugblätter, die gerade erst aufgehängt wurden«, stellte Clark richtig. »Sie lagen alle auf dem Boden und brannten. Zwanzig kleine einzelne Feuer. Wenn das kein Material für die ›Wand der Merkwürdigkeiten‹ ist?« Die ›Wand der Merkwürdigkeiten‹ war eine Collagenwand in den Büroräumen der Schülerzeitung Die Fackel. Chloe hatte 12
sie selbst zusammengestellt. Es waren Zeitungsausschnitte und Fotos über die seltsamen und ungewöhnlichen Ereignisse, die sich so häufig in Smallville ereigneten. Chloe schüttelte den Kopf. »Nein. Dieses Mal handelt es sich nur um ein paar Idioten, die dir einen Schreck einjagen wollten. Zehn Kids, die dir folgen, die Flyer abreißen und sie mit Streichhölzern in Brand setzen.« »Wir waren allein.« Clark war hartnäckig. »Und wir hatten die Türen hinter uns geschlossen.« »Dann sind sie eben durchs Fenster eingedrungen«, erwiderte Chloe. Sie stellte sich auf die Zehenspitzen, um ihm einen Kuss auf die Wange zu geben. »Es ist wirklich süß von dir, dass du versuchst, Material für meine ›Wand der Merkwürdigkeiten‹ aufzutreiben, Clark.« Sie lächelte. »Assanti«, fügte sie auf Suaheli hinzu, um sich bei ihm zu bedanken. »Je! Iko namna.« »Angeber! Machst du dir die Mühe zu übersetzen?« »Wörtlich heißt das: Gibt es einen Weg? Es bedeutet aber: Siehst du hier irgendwas Verdächtiges?« Chloe verdrehte die Augen. »Ehrlich, Clark, das ist schon übermenschlich. Du kannst wahrscheinlich schon Krieg und Frieden auf Suaheli lesen. Oder bist schon dabei, Russisch zu lernen?« »Njet«, witzelte Clark. »Nur Suaheli.« Nun, die Entwicklung meines Gedächtnisses gehört eben auch zu meinen übermenschlichen Fähigkeiten, wusste Clark. Aber es war wohl besser, diese Dinge nicht laut auszusprechen. »Du bist doch die Einzige von uns, die eine glatte Eins in Französisch bekommt«, sagte er stattdessen. Chloe sah auf ihre Uhr. »Wir sollten uns beeilen. Wir sind spät dran.« Sie hatten einen guten Grund für ihre Verspätung. Sie waren zusammen in der Stadtbibliothek von Metropolis gewesen, um für eine Hausarbeit im Fach Amerikanische Geschichte zu 13
recherchieren. Aber kurz nachdem sie die Stadt verlassen hatten, bemerkten sie, dass der Wagen einen Platten hatte. Und da Chloe darauf bestand, ihm bei der Reparatur zu helfen, mussten sie den Reifen auf die altmodische Art und Weise wechseln. Was Clark mit seinen Super-Kräften mühelos in dreißig Sekunden geschafft hätte, dauerte so dreißig Minuten. »Du solltest dir mal überlegen, ob du nicht in der Disziplin Schnell-Gehen bei der Olympiade mitmachen solltest, Clark.« Um mit Clarks Schritten mithalten zu können, musste Chloe fast rennen. »Selbst wenn du neben mir joggen würdest, wäre ich immer noch schneller.« »Das heißt wohl, dass meine Chancen, den nächsten Metropolis-Marathon zu gewinnen, ungefähr bei Null stehen«, japste sie. Als sie das Rathaus erreichten, sahen sie ein leuchtendes rotweißes Transparent, das über der Eingangstür zwischen den beiden Säulen hing. Es war die Ankündigung des multikulturellen Festivals. Durch die großen Flügeltüren betraten sie die Eingangshalle. »Meinst du nicht, dass eine Kleinstadt, die groß genug ist, um einen ›Tag der Kulturen‹ zu feiern, das Recht bekommen sollte, sich ›Mediumville‹ zu nennen?«, fragte Chloe. »Mir reicht es, wenn Smallville ›Smallville‹ heißt«, antwortete Clark, als sie den vereinbarten Treffpunkt erreichten. Die Tür zum Versammlungsraum stand offen und sie waren beide froh, als sie bemerkten, dass das Treffen noch nicht offiziell begonnen hatte. »Yo, Clark! Chloe!«, rief Pete Ross zu ihnen herüber und winkte ihnen zu. Pete saß neben Lana und Shaaban Mwariri im vorderen Teil des Raumes. Shaaban war ein neuer Freund von ihnen, der erst vor kurzem mit seinen Eltern von Tansania nach Smallville gezogen war. Tina Wu, auch eine Freundin von 14
ihnen, saß neben Lana. Shaaban war derjenige, der ihnen Suaheli beibrachte. »Wir haben uns schon gefragt, wo ihr bleibt«, begrüßte Tina Clark und Chloe, während sie zur Seite rutschte, um Platz für sie zu machen. »Meine Oma ist schon drei Mal rübergekommen, um nach dir zu fragen.« Clark warf einen Blick durch den Raum und erkannte die alte Mrs. Wu, die seinen Blick bemerkte, ihn breit anlächelte und heftig mit dem Kopf wackelte. »Warum hat sie das gemacht?«, fragte Clark. »Weil sie ganz extrem für dich schwärmt«, erklärte Tina. »Das meine ich total ernst. Sie hat gesagt, du wärst fast so nett wie ein Junge, den sie in Singapur gekannt hat. Glaub mir, das ist ihre Vorstellung von einem großen Kompliment.« »Sieht so aus, als wenn wir anfangen müssten, uns um deine Mitgift zu kümmern, Clark«, zog ihn Lana auf. Dann wechselte sie das Thema. »Ich habe gerade von dem Brand erzählt. Ich begreife immer noch nicht, wie alle Feuer gleichzeitig ausbrechen konnten.« »Wirklich nicht?«, warf Chloe ein. »Verglichen mit dem, was hier in der Stadt sonst an bizarren Dingen vorgeht, ist das doch nichts Ungewöhnliches.« »Genau. Wenn Balusters Geschichtsraum abbrennen würde...«, begann Pete. Er blickte nach vorne und verzog das Gesicht. Mr. Baluster war im Stadtrat, und er saß mit den anderen hohen Tieren an einem Tisch, der vorne auf einem kleinen Podest stand. »Du würdest alles tun, um aus diesem Kurs rauszukommen«, grinste Tina. »Dieser Mann hasst mich«, beharrte Pete. »Die Sache ist persönlich. Ich meine es ernst.« »Warum glaubst du, dass er dich hasst?«, hakte Tina nach. Statt einer Antwort stellte Pete eine Gegenfrage: »Wie kommt es, dass er nicht in dieselbe Kirche geht wie Clark und 15
ich? Die ist bei ihm um die Ecke!« Shaaban kratzte sich am Kinn. »Ich habe keine Idee, worauf du hinauswillst, Mann.« »Vielleicht ist ihm unsere Kirche ein bisschen zu gemischt«, schlug Pete vor. »Deshalb geht er in Jaspar zur Kirche. Dort gehen nur Weiße hin.« »Pete, ich glaube, du machst aus einer Mücke einen Elefanten. Baluster unterrichtet schon seit Ewigkeiten an unserer Schule«, erinnerte Lana. »Er war schon der Lehrer von meiner Tante Nell. Ich glaube kaum, dass ein Rassist Amerikanische Geschichte unterrichten würde.« »Ganz davon abgesehen, dass er im Komitee des multikulturellen Festivals ist«, fügte Clark hinzu. Peter seufzte. »Vergesst es«, murmelte er leise. Er sah Clark an. »Und, wo wart ihr beiden?« »Wir haben auf dem Weg von Metropolis nach Smallville einen Platten gehabt«, erklärte Chloe. »Es ist kaum zu glauben, aber die Bibliothek hier hat kein Archivmaterial über die Geschichte Smallvilles! Also mussten wir uns in die Stadt schleppen.« Shaabans zwinkerte mit den Augen. »Machst du Witze, Chloe? Dir ist doch jeder Grund recht, um nach Metropolis zu fahren«, zog er sie auf. »Also gut, ich bin wirklich kein Kleinstadtmädchen«, gab Chloe zu. »Ich auch nicht«, sagte Lana. »Wenn ich meinen Abschluss habe, geht es direkt aufs College – weit weg von hier!« Clark nickte. Er wusste, dass Chloe bis vor ein paar Jahren in Metropolis gelebt hatte, bevor ihr Vater mit seiner Familie nach Smallville zog, um bei der LuthorCorp Düngemittelfabrik zu arbeiten. Er konnte verstehen, dass sie immer noch die Lichter und das Leben der Großstadt vermisste. Aber mit Lana war es etwas anderes. Sie hatte in Smallville gelebt, seit sie ein kleines Kind war. 16
Vielleicht will sie aus einem anderen Grund raus aus Smallville, überlegte er. Lana war drei Jahre alt gewesen, als ihre Eltern einen Tagesausflug nach Smallville gemacht hatten, um ihre alten Freunde wiederzusehen. Die kleine Lana hatte ihr Märchenprinzessinnen-Kostüm angezogen und war bei ihrer Tante Nell geblieben, damit ihre Eltern zu dem alljährlichen Treffen der ehemaligen Schüler gehen konnten. Das war vor zwölf Jahren gewesen, genau an dem Tag, als das Raumschiff mit Clark mitten in einem gewaltigen Meteoritenschauer auf die Erde gestürzt war. Einer dieser Meteoriten hatte Lanas Eltern direkt vor den entsetzten Augen des kleinen Mädchens getötet. So etwas lässt eine Narbe für das ganze Leben zurück. Man kann sich nicht an einem Ort zu Hause fühlen, wo so etwas Schreckliches passiert ist! Und wie sollte man denjenigen, der dafür verantwortlich war, nicht hassen?, dachte Clark. Er erschauderte. Wenn er Lana seine Liebe irgendwann erklären würde, musste er ihr auch gestehen, dass er in gewisser Weise den Tod ihrer Eltern verschuldet hatte. Shaabans Stimme riss Clark aus seinen Gedanken. »Smallville ist ein sehr fortschrittliches kleines Dorf«, erklärte er gerade und versuchte ein ernstes Gesicht zu machen. »Beispielsweise hat jedes Haus eine eigene Wasserleitung.« Tina schlug ihm leicht mit ihrem Notizbuch auf den Schädel. Shaaban und seine Eltern stammten aus der Hauptstadt Tansanias, aus Daressalam. Shaabans Vater war ein bekannter Landwirtschaftsexperte, der sich auf unterentwickelte Länder spezialisiert hatte. Lex Luthor hatte Dr. Mwariri nach Smallville geholt, damit dieser ihm half, neue Märkte für die LuthorCorp-Produkte zu erschließen. Nachdem er nach Smallville gezogen war, hatten sich Shaaban und Clark rasch angefreundet. Auch ihre Familien hatten sich inzwischen kennen gelernt. Zusammen mit Pete 17
Ross und seinen Eltern gingen sie alle in dieselbe Kirche, die für Anhänger aller Religionen offen war. Nachdem er sich mit Shaabans Vater unterhalten hatte, hatte Jonathan Clark gestanden, dass Dr. Mwariri in der Tat ein landwirtschaftliches Genie sei. Aber nicht nur das, Dr. Mwariri war auch ein geborener Geschichtenerzähler und begeisterte mit seinen Berichten von seinen zahlreichen Weltreisen. Dr. Mwariri war in einem winzigen Bergdorf an der Grenze Kenias aufgewachsen, in dem es weder Elektrizität noch fließendes Wasser gab – deshalb Shaabans Witz über die Wasserleitungen. Aber Clark wusste, dass es in Shaabans Zuhause in Daressalam die gleiche moderne Ausstattung gab wie hier in den USA. »Was verzögert die Besprechung?«, fragte Chloe und sah sich suchend im Raum um. »Siehst du vielleicht den reichen Kahlkopf irgendwo?«, erwiderte Pete und meinte damit Lex Luthor, auf dessen Eintreffen alle warteten. Pete konnte Lex nicht ausstehen. Er war davon überzeugt, dass Lex’ Vater seinen eigenen Vater vor Jahren bei einem Geschäft übel hereingelegt hatte. Pete versuchte erst gar nicht, seinen Hass auf Lex zu verbergen. Es war manchmal schwierig für Clark, da Pete und Lex seine beiden besten Freunde waren und er manchmal das Gefühl hatte, zwischen den Stühlen zu sitzen. Schon oft hatte Clark versucht, Pete davon zu überzeugen, dass Lex für die Sünden seines Vaters nicht verantwortlich war. Doch Pete wollte davon nichts hören. »Ich persönlich finde ja, dass Lex Luthor heiß ist«, erklärte Tina und verschränkte die Arme vor der Brust. »Letzte Woche hast du mir noch erzählt, du fändest Justin Timberlake heiß«, erinnerte Chloe sie. »Seinen LangweilerFaktor wollen wir hier besser nicht erwähnen.« »Mach dir keine Sorgen, Tina, einen Jungen im Kopf zu haben ist keine tödliche Krankheit«, beruhigte sie Lana. 18
Tina zuckte mit den Schultern. »Wenn es nach meiner Großmutter ginge, dürfte ich mich mit niemandem treffen, bevor ich verheiratet bin«, erklärte sie lachend. »Und ich darf natürlich nur einen Jungen aus Singapur heiraten... obwohl sie für dich vielleicht eine Ausnahme machen würde, Clark.« Clark schmunzelte. »Ich fühle mich geehrt.« »Lass mich mal zu deiner Großmutter gehen, ich regle das schon mit ihr«, bot Chloe sich an und tat so, als wenn sie aufstehen würde. Tina lachte und zog sie zurück auf ihren Stuhl. »Pete, ich verstehe deine Abneigung gegen Mr. Luthor nicht«, meinte Shaaban. »Er behandelt meine Familie sehr gut. Und das multikulturelle Festival ist schließlich auf seine Initiative hin zu Stande gekommen.« »Hey, Lex kauft alles, was man für Geld bekommen kann«, beharrte Pete. »Und ich sollte eigentlich zu Hause sein und meine Hausaufgaben erledigen. Wessen Idee war das eigentlich, in dieses Komitee einzutreten?« »Deine«, erinnerte ihn Chloe. »Wir bekommen dafür ExtraPunkte in Amerikanischer Geschichte, erinnerst du dich? Was übrigens auch deine Theorie, dass Baluster ein Rassist ist, zunichte macht, wenn du mal darüber nachdenkst. Ich glaube, dein Problem im Augenblick ist, dass du eine Fünf in seinem Fach hast.« Shaaban klopfte Pete auf den Rücken. »Kein Grund, ärgerlich zu sein. Ich garantiere dir, nach dieser Sitzung bekommst du das beste Essen, das du jemals in deinem Leben gegessen hast.« Clark lächelte. Shaabans Eltern hatten sie alle zu sich nach Hause zum Essen eingeladen, zu einem traditionell tansanischen Fest. Petes Stimmung hellte sich auf. »Ich kann es kaum erwarten, dieses... wie heißt das noch... Uglie zu probieren?« Shaaban lachte. 19
»Ugali. Uuh-gah-lih« »Kann ich nicht aussprechen«, seufzte Pete und alle lachten. »Es tut mir sehr Leid«, entschuldigte sich Lex Luthor, als er hastig den Raum betrat und sofort seinen Platz hinter dem Tisch auf der Bühne einnahm. »Ich wurde aufgehalten.« Jetzt, nachdem Lex erschienen war, machte man sich schnell an die Arbeit. Ms. Parson, eine Lehrerin der Mittelstufe, die von Lex als Mitvorsitzende des Komitees ausgewählt worden war, berichtete über den Fortschritt bei den Vorbereitungen. Sie war Clarks Lehrerin in der achten Klasse gewesen und gehörte einer Familie an, die schon seit vielen Generationen in Smallville lebte. Dass die Parsons schon immer in der Stadtverwaltung Positionen besetzt hatten, war sicher einer der Gründe, warum Lex sie ausgewählt hatte. Sie sprach rasch über die verschiedenen Aktivitäten, die am Tag des Festivals in der Sporthalle der Schule stattfinden sollten. Als Hauptveranstaltung waren Aufführungen geplant, die die verschiedenen Länder und Kulturen in Smallville repräsentieren sollten. Ms. Parson beendete ihren Bericht und warf einen Blick zu Clark und seinen Freunden. »Und jetzt möchte ich unser junges Komitee bitten, die Aufführungen am Sonntag vorzustellen«, schloss Ms. Parson ihre Rede und nickte den Jugendlichen zu. Clark gab Tina einen leichten Stoss. »Du bist dran.« Tina stand auf und räusperte sich. »Wir bereiten zwölf Aufführungen vor«, berichtete sie. »Es soll Tanz, Musik, Theater und Literaturlesungen geben, die die kulturelle Vielfalt in unserer Schule widerspiegeln.« Im Raum wurde beifällig genickt. »Frage, Ms. Wu«, rief Mr. Baluster scharf dazwischen. Jeder wusste, dass er ursprünglich die Leitung des Festivals übernehmen wollte. Doch obwohl er viel älter war als Ms. Parson, hatte Lex ihn übergangen. Lex hatte Clark erklärt, dass er für die Leitung des Festivals unbedingt eine Frau einsetzten 20
wollte, um auch hier deutlich zu machen, dass die Zeiten sich geändert hatten. »Wer wird an den Vorführungen teilnehmen? Nur Mitglieder des jeweiligen Landes?« »Ich weiß nicht, welchen Unterschied das macht«, gab Tina sachlich zurück. Mr. Baluster zupfte an seinem silbrigen Schnurrbart. »Es ist ja gut und schön, wenn unsere Schüler und die Gemeinde sich diese Vorführungen anschauen, aber der Lerneffekt ist doch nur dann gegeben, wenn die Gruppen aus unterschiedlichen Kulturen bestehen.« »Ja«, stimmte Tina ihm zu. »Deshalb haben wir auch geplant, möglichst viele Schüler daran zu beteiligen. Zum Beispiel werden alle Mitglieder dieses Komitees an dem afrikanischen Tanz von Shaaban teilnehmen. In traditioneller Kleidung.« Was?, durchzuckte es Clark. Wer hat denn das entschieden? Er sah seine Freunde an. Sie waren offensichtlich ebenso überrascht. »Und es gibt weitere Gruppen von Schülern, die auch an Vorführungen und Darbietungen mitarbeiten, die nicht ihre eigene Kultur repräsentieren«, fuhr Tina enthusiastisch fort. Dem konnte Mr. Baluster nichts mehr entgegenhalten. Ms. Parson lobte Tina ausdrücklich, bevor sie das Wort an Lex weitergab. Sobald sich Tina gesetzt hatte, lehnte sich Pete zu ihr hinüber. »Seit wann führen wir afrikanische Tänze auf?«, zischte er. »Ich hab mich eben mitreißen lassen«, flüsterte Tina zurück. Mr. Baluster warf einen strengen Blick auf die Gruppe der Jugendlichen. Sie hörten auf zu flüstern. Lex warf Clark ein geheimnisvolles Lächeln zu. »Wie ich bereits sagte«, fuhr Lex fort, »zeigt Smallville das neue Gesicht von Amerika. So wie Amerika sich verändert, 21
verändert sich auch Smallville... mit rasender Geschwindigkeit. Wir können dies als Fortschritt begrüßen, oder wir können weiter mit einem kleinen, eingeschränkten Horizont leben. Amerika hat immer seine Arme für Menschen aus anderen Kulturen geöffnet. Es macht mich stolz zu sehen, wie Smallville diese Söhne und Töchter willkommen heißt, und ich glaube, dass es auch mich als einer der ihren willkommen geheißen hat.« Pete verzog das Gesicht zu einer skeptischen Grimasse und stieß Clark bei diesem Satz in die Seite. Später, nachdem Lex seine Rede beendet und sich bei allen für die Mitarbeit bedankt hatte, verteilte er T-Shirts mit dem Logo des Festivals, die er hatte anfertigen lassen. Clark fiel auf, dass sein Freund der Einzige unter den Anwesenden war, der sich kein T-Shirt nehmen wollte.
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3 DAS HAUS, IN DEM DIE MWARIRIS WOHNTEN, lag nicht weit vom Stadtzentrum entfernt. Deshalb ließen die Freunde ihre Autos stehen und gingen zu Fuß. »Hört mal, wir müssen alle an Shaabans Tanz teilnehmen«, bat Tina. »Sonst sieht es aus, als hätte ich gelogen.« »Wenn du dir den Schuh anziehst...«, bemerkte Pete. »Ich habe aber nicht gelogen, ich habe... vorausgesehen«, stellte Tina richtig. Sie legte ihre Handflächen zusammen, als wenn sie beten würde. »Bitte-bitte-bitte-bitte.« »Das könnte doch lustig werden«, meinte Lana. »Danke!«, rief Tina und ergriff Lanas Arm. »Ja, ich bin dabei«, entschied Chloe, wenn auch etwas zögernd. »Jungs?« Tina wandte sich an Pete und Clark. Pete schüttelte den Kopf. »Ich stelle mich nicht in irgendeinem komischen Kostüm auf die Bühne und mache mich vor den Augen der ganzen Stadt lächerlich.« »Aber du bist doch Afroamerikaner«, wandte Shaaban ein. »Ja, sicher«, antwortet Pete mit Stolz. »Und meine Familie lebt schon genauso lange in Smallville wie alle anderen Familien. Und ich unterstütze auch die Afrika-Sache. Aber der Tanz kommt nicht infrage. Ich bin mir sicher, dass mein alter Freund Clark genauso denkt wie ich.« Tina warf Clark einen großen Hundeblick zu. »Clark?« Durch Clarks Kopf schoss die Erinnerung an das Theaterstück, in dem er die Rolle des Cyrano de Bergerac übernehmen sollte. Am Anfang erschien es ihm unmöglich, aber dann hatte er seine Bühnenangst verloren und sehr viel Spaß gehabt. Nur habe ich die Rolle am Ende doch nicht gespielt, erinnerte er sich, weil ich ein unsichtbares Mädchen daran hindern 23
musste, das Theatergebäude in Schutt und Asche zu legen. »Clarkie«, flötete Tina. »Du wirst mich doch nicht hängen lassen, oder?« »Clark ist auf meiner Seite«, beharrte Pete. »Ich weiß nicht...«, begann Clark unsicher. Schauspielern war eine Sache, ein afrikanischer Tanz in traditionellen Kostümen eine andere. »Oh, nun komm schon«, forderte Shaaban ihn auf und fasste Clark am Arm. »Wovor hast du Angst, Mann?« »Vor der ganzen Stadt blöd auszusehen – zum Beispiel.« Shaaban nickte. »Okay, hier ist mein Angebot. Nach dem Essen zeigen mein Vater und ich dir den Tanz, den ich ausgewählt habe. Du wirst sehen, er ist wirklich cool. Die modernen Hip-Hop-Bewegungen kommen ursprünglich alle von traditionellen afrikanischen Tänzen.« »Ja, aber die Hip-Hopper tragen keine Baströckchen«, rief Pete dazwischen. »Baströcke trägt man auf Hawaii, Pete«, erklärte Lana. »Und wenn schon. Du weißt, was ich meine.« Die Gruppe war angekommen, und Shaaban führte sie um das Haus herum zum Seiteneingang. »Das Auto meiner Mutter ist nicht hier«, bemerkte er, während er sie in die Küche eintreten ließ. »Sie ist wohl noch nicht vom Einkaufen zurück. Kommt rein. Ich lege Musik aus Afrika auf. Dann könnt ihr hören, was...« Er stockte mitten im Satz, denn das, was er sah, verschlug ihm die Sprache. Überall lag zerbrochenes Glass und Geschirr herum. Die Tür des Kühlschranks stand weit offen, Lebensmittel waren auf dem Boden verteilt. Sämtliche Stühle war umgeworfen oder kaputt. Über den schön geschnitzten Esstisch aus Holz lief leuchtend rote Farbe, die auf den Boden tropfte. »Oh, Gott«, flüsterte Shaaban mit rauer Stimme. »Jemand muss die Polizei anrufen«, entschied Clark. Dann 24
rannte er mit Supergeschwindigkeit durch das Haus, um den Einbrecher zu suchen. Er bewegte sich so schnell, dass die Welt um ihn herum stillzustehen schien. Er nannte diese Supergeschwindigkeit die ›Clark-Zeitzone‹. Als Letztes erreichte er das Wohnzimmer. Auch hier war alles verwüstet. Aber er fand noch etwas anderes dort – etwas, das noch schlimmer als alle anderen Verwüstungen war und ihm fast den Magen umdrehte. Er raste zurück zu seinen Freunden und trat aus der ›ClarkZeitzone‹ heraus. »Sehen wir uns mal im Wohnzimmer um«, begann er. Shaaban trat als Erster ins Zimmer. Tränen rannen ihm übers Gesicht, als er las, was auf der Wand stand: GEHT ZURÜCK NACH AFREAKA!
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4 CLARK FUHR HERUM, ALS ER HÖRTE, wie jemand die Seitentür zum Haus der Mwariris öffnete. Für die Polizei war es noch zu früh. Kehrte der Irre, der das hier angerichtet hatte, etwa zum Ort seines Verbrechens zurück? Nein. Es war kein Einbrecher. Es war Shaabans Vater. »Pa?«, fragte Shaaban mit leiser Stimme. Clark sah, wie Dr. Mwariri beim Anblick dieses Chaos das Wort im Hals stecken blieb. »Jemand muss hier eingebrochen sein, Sir«, begann Clark. »Ich habe mich schon im ganzen Hauses umgesehen. Er ist nicht mehr hier.« »Und ich habe schon die Polizei angerufen«, fügte Lana hinzu. Dr. Mwariri bedeckte seinen Mund mit der Hand, so fassungslos war er. »Wie konnte das passieren?«, fragte er schließlich. »Das ist doch unmöglich. Wir sind in Amerika!« »Es gibt nicht viele Verbrechen hier in Smallville, Sir«, versicherte ihm Pete, der nicht wollte, dass Dr. Mwariri einen schlechten Eindruck von der ganzen Stadt bekam. »Und der Rest des Hauses...?« »Verwüstet«, unterbrach sein Sohn ihn. »Leider. Und im Wohnzimmer...« Clark sah, dass Shaaban es nicht übers Herz brachte, seinem Vater zu sagen, was auf der Wand des Wohnzimmers geschrieben stand. »Das ist doch unmöglich«, wiederholte Dr. Mwariri. Bevor er erklären konnte, was er damit meinte, unterbrach ihn die heulende Sirene des Polizeiwagens. Der Wagen fuhr die Auffahrt hoch. Clark erkannte Sheriff Wayne Melrose, als er ausstieg. Melrose war etwa fünfzig Jahre alt, ein scharfäugiger Mann mit kurzem, eisengrauen Haar. 26
Sein Sohn Mark war in Clarks Klasse. Damals in der Grundschule hatte Mark den Schülern stolz seinen Vater bei einer Schulversammlung vorgestellt. Clark erinnerte sich daran, wie Sheriff Melrose mit Mark zusammen vorgeführt hatte, was man tun sollte, wenn man von einem Fremden angesprochen oder in ein Auto gelockt wurde. Schon damals war es Clark so vorgekommen, dass dieser Mann etwas Hartes an sich hatte. Clark, Pete, Lana und Chloe warteten in der Küche, während Shaaban und sein Vater Sheriff Melrose durch das zerstörte Haus führten. Sie waren alle so schockiert und entsetzt über das Geschehene, dass kaum jemand ein Wort sagte. »Ein Verbrechen aus Hass in Smallville.« Clark konnte es einfach nicht fassen. »Nicht hier. In Metropolis vielleicht, aber nicht hier. Ich sollte meine Eltern anrufen. Sie wollen sicher wissen, was passiert ist.« Für den Fall, dass der Sheriff vom Haustelefon Fingerabdrücke nehmen wollte, lieh sich Clark Lanas Mobiltelefon. Er sprach mit seinem Vater, der von den Neuigkeiten entsetzt war. Er versprach, sofort mit Martha herüberzukommen. Sheriff Melrose fotografierte alles und versammelte dann die Anwesenden im Hinterhof, um ihre Aussagen aufzunehmen. Er begann mit Dr. Mwariri.»Also, wenn Sie mir alles noch einmal erzählen könnten, Sir«, forderte Sheriff Melrose ihn auf und zog seinen Notizblock und einen Stift heraus. »Wie ich bereits sagte«, antwortete Dr. Mwariri. »Ich war die ganze Zeit zu Hause.« »Sie waren was?«, platzte Clark heraus. »Ich war hier, ich versichere es!« »Aber sie kamen doch von draußen!«, stellte Clark verwirrt fest. »Du bist Clark Kent, nicht wahr?«, fragte Sheriff Melrose scharf. 27
»Ja, Sir.« »Wenn ich was von dir hören will, dann frage ich dich.« »Entschuldigung«, antwortete Clark und riss sich zusammen. »Ich war höchstens für eine Minute draußen!«, erklärte Dr. Mwariri. »Ich habe hinten einen Garten und habe den Bio-Müll zum Komposthaufen gebracht.« Der Sheriff sah skeptisch aus. »Vielleicht waren sie länger draußen, als Sie dachten, Sir.« Dr. Mwariri war außer sich. »Ich sage Ihnen, ich weiß genau, wie lange ich draußen war. Ich bin direkt nach den Nachrichten rausgegangen. Die Fünf-Uhr-Nachrichten«, fügte er lebhaft hinzu. »Sie enden um sechs Uhr.« »Wir sind hier um fünf nach sechs angekommen«, warf Tina ein. »Ich kann mich daran erinnern, auf die Uhr gesehen zu haben, weil ich meiner Großmutter versprochen hatte, sie um halb sieben anzurufen.« »Deine Uhr geht vielleicht nach, oder sie ist stehen geblieben«, wandte der Sheriff ein. Clark überlegte: Ich kann beweisen, dass wir um fünf nach sechs angekommen sind. »Ich bin gleich wieder da«, informierte er die anderen. »Kent, komm sofort wieder her«, rief der Sheriff ihm nach. Aber Clark lief in die Küche und betrat sie noch vor der Polizei, die dort nach Hinweisen suchen wollte. Er erinnerte sich daran, etwas mit seinem Röntgenblick gesehen zu haben – eine kleine Uhr auf dem Boden, die in den schmalen Spalt zwischen Kühlschrank und Arbeitsplatte gefallen war. Er schaute sich um, ob ihn auch niemand beobachtete, dann hob er den Kühlschrank mit einer Hand an, ergriff die Uhr mit einem Küchentuch und stellte den Kühlschrank wieder zurück. Treffer, dachte Clark, als er die Uhr betrachtete. Er hastete zurück zu Melrose und seinen Freunden und reichte dem Sheriff die Uhr. »Ich habe sie auf dem Küchenboden gefunden«, erklärte er 28
schnell. »Die Batterie ist nicht mehr da. Sie lag wahrscheinlich vor dem Einbruch auf der Arbeitsplatte. Als sie zu Boden fiel, muss auch die Batterie herausgefallen sein. Sehen Sie, welche Uhrzeit sie anzeigt.« Die Uhr zeigte fünf Minuten nach sechs. »Also, um diese Zeit muss der Anschlag stattgefunden haben«, schloss Chloe. Aber das ist nicht möglich, dachte Clark. »Tina hat Recht«, sagte Lana mit einem Blick auf die Uhr. »Was glaubt ihr eigentlich, wo ihr hier seid?«, bellte Melrose. »In einem Agatha-Christie-Roman?« »Aber Clark hat Ihnen doch gerade einen Hinweis daraufgegeben, zu welcher Uhrzeit das Verbrechen stattfand«, rief Pete aus. »Das beweist gar nichts«, sagte Sheriff Melrose. Er blickte Clark mit zusammengekniffenen Augen an. »Ist dir klar, dass du in den Tatort eingedrungen bist? Und Beweisstücke entfernt hast? Und außerdem sind jetzt deine Fingerabdrücke auf der Uhr.« Clark wurde rot. »Nein. Deswegen habe ich das Küchentuch benutzt. Ich dachte...« »Tu mir einen Gefallen und lass das«, unterbrach ihn der Sheriff scharf. Er ließ die Uhr in einen Plastiksack für Beweisstücke fallen. »Vielleicht haben sich die Zeiger der Uhr bewegt, als sie zu Boden fiel. Oder vielleicht hast du sie verstellt, Kent.« »Das macht doch keinen Sinn!« Dr. Mwariri verlor langsam die Geduld mit Sheriff Melrose. »Mit unserem Haus war alles in Ordnung, als ich es verließ. Alles! Wenn jemand eingebrochen und so viel verwüstet hat, während ich draußen war, hätte ich das doch hören müssen. Aber die Uhr besagt eindeutig, dass es zu diesem Zeitpunkt geschehen sein muss.« »Bei allem Respekt, Sir, ich beantworte keine Fragen, ich 29
stelle sie!«, zischte Sheriff Melrose mit eisiger Stimme. »Fangen wir noch mal von vorne an. Sie haben die Nachrichten gesehen...« »Donneth? Ist alles in Ordnung?«, fragte Jonathan Kent, während er und Martha die Auffahrt hocheilten. Dr. Mwariri kam ihnen entgegen und umarmte dankbar seine Freunde. »Wie nett von Ihnen, dass Sie gekommen sind.« »Clark hat uns angerufen«, erklärte Martha. »Wo ist Sarah?« »Zum Glück ist sie noch nicht nach Hause gekommen«, antwortete Dr. Mwariri. »Mir geht es gut und Shaaban auch.« »Zumindest physisch«, murmelte Shaaban. Sheriff Melrose stand auf. »Jonathan. Martha.« »Wayne«, sagte Jonathan knapp. An der Art, wie sein Vater ›Wayne‹ sagte, erkannte Clark, dass Jonathan nicht viel von dem Sheriff hielt. »Das Letzte, was uns fehlt, sind noch mehr Leute am Tatort«, murmelte Melrose. »Wir werden das Haus nicht betreten, solange Ihre Leute noch darin nach Beweisen suchen. Aber wir werden auch nicht fortgehen«, erklärte Martha. »Die Mwariris sind unsere Freunde.« »Kann ich mir denken«, sagte der Sheriff so leise, dass man ihn kaum verstehen konnte. »Was haben Sie gerade gesagt?«, fragte Jonathan nach. Sheriff Melroses sah ihm in die Augen. »Ich sagte: ›Kann ich mir denken.‹ Ich meinte, es passt zu einem aufrechten Mann wie Ihnen, dass er seine Freunde nicht im Stich lässt.« Clark war davon überzeugt, dass der Sheriff etwas anderes gemeint hatte, sagte aber nichts. Auch sein Vater wirkte skeptisch. »Ein fremdenfeindliches Verbrechen in Smallville ist ein fremdenfeindliches Verbrechen zu viel«, beharrte Jonathan. »Wir müssen diesen Typ kriegen.« »Wahrscheinlich ein fremdenfeindliches Verbrechen«, 30
korrigierte Sheriff Melrose. »Ehrlich gesagt, weiß ich noch nicht, was es ist.« Das war mehr, als Clark ertragen konnte. »Einen Augenblick, Sir. Sie beschuldigen doch nicht etwa Dr. Mwariri, sein eigenes Haus zerstört zu haben, oder?« »Das ist absurd«, stimmte Martha ihrem Sohn zu. »Ich beschuldige niemanden. Noch nicht«, fügte der Sheriff betont hinzu. Shaabans Augen blickten zornig, seine Stimme klang hart. »Mein Vater ist ein ehrbarer Mann.« »Ich bestätige das«, sagte Jonathan. »Ihre Theorie ist absurd und beleidigend.« »Genau«, stimmte Pete lebhaft zu. »Ganz davon abgesehen: Wer würde schon sein eigenes Haus verwüsten und sich ein rassistisches Graffiti auf die Wand sprühen?« Sheriff Melrose zählte die möglichen Gründe an den Fingern ab. »Aufmerksamkeit. Mitgefühl. Öffentlichkeit. Um jemand anderen in Verdacht zu bringen. Ich könnte noch viele Gründe nennen.« »Haben Sie den Verstand verloren?«, fragte Clark wütend. Sein Vater legte eine Hand auf seinen Arm, um ihn zu beruhigen. »Sorry, Pa, aber wir können doch nicht einfach herumstehen und zuhören, wie er solche Anschuldigungen ausspricht!« »Ich habe keine Theorie und beschuldige auch niemanden«, stellte der Sheriff erneut richtig. »Ich weiß nur, dass die Fakten, so wie sie geschildert wurden, keinen Sinn ergeben.« »Die Fakten sind«, begann Lana bestimmt, »dass dies ein fremdenfeindliches Verbrechen ist. Die Leute, die das getan haben, versuchen eine Familie aus Smallville zu vertreiben. Wer weiß, was sie als Nächstes tun werden?« »Mchzea wembe humkata mwenyewe«, murmelte Shaaban düster. »Wer mit dem Messer spielt, wird sich selber schneiden«, 31
übersetzte Clark. Shaaban nickte. »Mit anderen Worten: Wer mit dem Feuer spielt, verbrennt sich.« »Du hast Recht, Shaaban«, stimmte Clark zu. »Wer auch immer das getan hat, wird nicht ungestraft davonkommen. Das verspreche ich dir.«
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5 »VON ALLEN LEUTEN IN SMALLVILLE mag ich ihn am wenigsten«, gab Jonathan zu, während er beobachtete, wie Sheriff Melrose mit seinem Wagen davonfuhr. »Aber er ist immer ein guter Sheriff gewesen.« »Vielleicht kennst du ihn nicht so gut, wie du denkst, Pa«, antwortete Clark. Bevor Dr. Mwariri das Haus verließ, um davor auf seine Frau zu warten – er wollte sie schonend auf den schrecklichen Anblick vorbereiten –, bestand er darauf, dass außer den Kents alle Freunde von Shaaban nach Hause gingen. Er schätzte ihre Anteilnahme, aber er wollte sein Haus so schnell wie möglich in Ordnung bringen. Lana, Chloe, Pete und Tina machten sich auf den Weg, jedoch nicht, ohne ihm ihre Hilfe anzubieten und zu versichern, dass ein Telefonanruf genügen würde. Als Sarah Mwariri endlich nach Hause kam, ging sie wortlos an den Kents vorbei und betrat zusammen mit ihrem Mann das Haus. Als sie nach einigen Minuten wieder herauskamen, war sie völlig aufgelöst. »Das Wichtigste ist, dass niemand verletzt ist«, sagte sie und umarmte ihren Sohn. »So etwas darf in Smallville nicht passieren«, wiederholte Jonathan wahrscheinlich zum sechsten Mal. »Schon gut, Jonathan«, beruhigte Sarah ihn. »Mann kann nicht eine ganze Stadt für die Taten eines einzelnen Verrückten verantwortlich machen.« »Warum bleiben Sie nicht bei uns?«, fragte Martha sie. Sarah und ihr Mann wechselten einen Blick. »Vielen Dank, aber ich glaube, wir bleiben besser hier!«, erklärte Dr. Mwariri. »Ich halte das für keine gute Idee«, antwortete Jonathan. »Hier herrscht ein totales Chaos. Vielleicht war das ja nur irgendein Verrückter, aber was ist, wenn er zurückkommt?« 33
»Bitte kommen Sie doch mit uns und bleiben auf der Farm«, bat Martha wieder. Sarah zögerte. »Ich weiß nicht...« »Es gibt genug Platz«, versuchte Clark sie zu überreden. »Shaaban und ich können im ›Loft‹ schlafen, und Sie und Ihr Mann können mein Zimmer haben!« Ich wünschte, ich könnte ihnen erklären, dass das der sicherste Ort ist, den sie sich vorstellen können, dachte Clark. Dr. Mwariri schüttelte den Kopf. »Wir schätzen Ihr großzügiges Angebot sehr. Aber niemandem wird es gelingen, uns aus unserem eigenen Haus zu vertreiben...« »Donneth? Sarah?« Lex Luthor kam mit schnellen Schritten die Auffahrt hoch. Sein Gesicht war aschfahl. »Ich bin sofort losgefahren, als ich von dem Verbrechen hörte. Geht es Ihnen gut?« »Wir sind alle in Ordnung, Mr. Luthor«, versicherte Shaaban ihm. Clark war nicht überrascht, dass Lex schon von dem Einbruch gehört hatte. Smallville hatte seinen Namen nicht umsonst, und Neuigkeiten verbreiteten sich schnell. »Ich möchte, dass Sie wissen, dass LuthorCorp hinter seinen Mitarbeitern steht«, sagte Lex. »Ich werde alles tun, was nötig ist, um die Leute, die Ihnen dies angetan haben, ihrer gerechten Strafe zuzuführen.« »Komisch, Lex. Ich habe Sie mir nie in der Rolle des weißen Ritters vorgestellt«, sagte Jonathan trocken. Clark schüttelte den Kopf. Sein Vater war genau wie sein Freund Pete. Auch er übertrug die alte Feindschaft mit Lionel Luthor auf seinen Sohn Lex. Nichts, was Lex sagte oder tat, schien seine Meinung ändern zu können. »Ich versichere Ihnen, Jonathan«, begann Lex, »wenn es um die Familien und Freunde der LuthorCorp-Mitarbeiter geht, werde ich mich persönlich dafür einsetzen, ihre Feinde unschädlich zu machen.« 34
Er wandte sich an die Mwariris. »Ich möchte Ihnen meinen Schutz anbieten. Ich hoffe, Sie sind meine Gäste, bis dieses Verbrechen aufgeklärt ist.« »Wir haben sie schon eingeladen, bei uns auf der Farm zu wohnen«, erklärte Jonathan. »Unsinn«, beharrte Lex. »Sie werden bei mir wohnen. Ich habe die neueste Sicherheitstechnik.« Er wandte sich wieder an die Mwariris. »Sie und Ihr Sohn werden den ganzen Gästeflügel für sich allein haben. Sie werden es sehr bequem haben, das kann ich Ihnen versichern. Das Anwesen ist der sicherste Ort, den es gibt.« Unsere Farm ist sicherer, dachte Clark. Sarah ergriff die Hand ihres Mannes. »Donneth, ich denke, wir sollten das freundliche Angebot der Kents annehmen. Aus Vorsicht. Und Shaaban kann mit seinem Freund zusammen sein. Es ist ja nur für kurze Zeit. Wir kommen zurück, sobald die Polizei sagt, dass alles wieder in Ordnung ist.« Ihr Mann nickte widerwillig. »Shaaban?« Er wartete auf die Antwort seines Sohnes. Shaaban nickte. »Danke, Mann«, sagte er zu Clark. Mrs. Mwariri wandte sich an Lex. »Ihr Angebot ist sehr großzügig, und wir wissen es zu schätzen. Aber ich glaube trotzdem, dass wir besser das Angebot der Kents annehmen sollten. Wir sind persönlich befreundet.« Wenn Lex durch die Entscheidung der Mwariris beleidigt war, dann zeigte er es zumindest nicht. »Das ist in Ordnung, Donneth«, sagte er. »Ich hoffe, Sie haben nichts dagegen, wenn ich einen privaten Sicherheitsdienst engagiere, der ihr Haus bewacht, während Sie bei den Kents wohnen.« »Vielen Dank, aber das ist nicht nötig«, antwortete Dr. Mwariri. »Ich halte das für eine gute Idee, Sir«, sagte Clark. »Ich auch, Pa«, sagte Shaaban. 35
»Also gut, abgemacht«, sagte Lex. »Ich fühle mich irgendwie verantwortlich für das, was geschehen ist, Dr. Mwariri. Durch mich sind Sie nach Smallville gekommen. Nichts würde mich mehr freuen, als diesen Idioten, der Ihnen das angetan hat, zu überführen!« Mich auch, dachte Clark. Und ich bin genau der Richtige, um ihn zu jagen. Als Erstes werde ich versuchen herauszubekommen, wo Sheriff Melrose war, als das Haus der Mwariris verwüstet wurde. Denn manchmal liegt die Antwort direkt vor der Nase!
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6 GENESIS-TAGEBUCH: EINTRAG NR. 1 OH, MANN. Ich bin unbesiegbar. Ich kann die Welt beherrschen. Es hat perfekt geklappt. Ich war wie in einem Rausch, als ich das Haus der Afrikaner auseinander genommen habe. Das war noch besser als das Feuer in der Schule zu legen. Jetzt weiß ich, dass mich niemand aufhalten kann. Dieses Tagebuch hier wird einmal ein historisches Dokument von monumentaler Wichtigkeit sein. Mein Name wird berühmt sein. Meine Geschichte wird in Büchern stehen und von den besten Wissenschaftlern der ganzen Welt untersucht werden. Deshalb werde ich alles aufzeichnen, damit nichts in Vergessenheit gerät. Die Welt soll es wissen: Der erste Tag der Genesis war vor zwei Tagen, am Samstag. Sie hat mich mit dem üblichen Genörgel geweckt: »Warum ist dein Zimmer so chaotisch? Alles, was du tust, ist in deinem Zimmer an deinem Computer zu hocken. Du hast früher gezeichnet und im Chor gesungen und nette Freunde gehabt. Was ist los mit dir?« Sie ist so dumm. So absolut vorhersehbar. Ich antwortete: »Es ist Samstag. Ich will ausschlafen.« Also hat sie mich aus dem Bett gezerrt und das Gemecker ging weiter: »Räum dein Zimmer auf! Geh duschen! Mach deine Hausarbeiten! Du bist doch intelligent, warum hast du so schlechte Noten! Du bist zu faul! Du warst früher ein guter Junge! Was ist nur los mit dir?« Und so weiter und so weiter bis ich nicht mehr denken konnte. Sie hat ihn wieder »deinen Vater« genannt. Ich habe ihr zwar 37
schon hundert Mal gesagt, dass ich seine Fresse hasse und dass er niemals mein Vater sein wird, auch nicht, wenn sie ihn heiratet. Ich habe ihr ins Gesicht gesagt: »Ich habe einen richtigen Vater, erinnerst du dich?« Es ist, als sei sie taub. Plötzlich merkte ich, wie alles rot wurde. So nenne ich das Gefühl, wenn ich richtig wütend bin. Mehr als wütend. Es ist, als gäbe es dann nur noch dieses glühende, pulsierende Blutrot. Ich fühle mich dann wie eine menschliche Zeitbombe, die darauf wartet zu explodieren. Ich habe versucht, mich auf etwas anderes zu konzentrieren als auf den Lärm ihres Gejammers, und mein Blick fiel auf das Geschenk meines richtigen Vaters. Am Freitag habe ich das Paket auf meinem Bett gefunden. In dem Paket war so eine komische Sanduhr. Sie sieht wirklich seltsam aus – voll mit weißem Sand, der grüne Flecken hat. Auf der Karte, die dabei lag, stand Folgendes: Sohn, ich hoffe, dass Dich das Geschenk an die guten alten Zeiten erinnert. Wenn Du die Uhr siehst, dann weißt Du, dass ich mir wünsche, wir würden wie früher zusammenleben. In Liebe, Dein Vater An ihr vorbeizusehen und auf die Sanduhr zu schauen, machte das Rote erträglicher. Ich wusste, wenn ich zum Frühstück hinunterginge, würde sie wieder von vorne anfangen. Also musste ich verschwinden. Ich warf mir was zum Anziehen über. Bevor ich losging, drehte ich meine Sanduhr zum ersten Mal um. Dann ging ich in die Garage, um mir mein altes Fahrrad zu holen. Ich wollte sie nicht nach dem Wagen fragen! Ich will sie überhaupt um nichts mehr bitten. Ich dachte, ich fahre einfach ins Grüne und entspanne mich. 38
Mein Weg führte mich an dem Rathaus mit seinem riesigen Transparent für das multikulturelle Festival vorbei. Meine Knöchel wurden ganz weiß, so fest habe ich den Lenker umklammert. Nachdem ich die Stadt hinter mir gelassen hatte, fuhr ich die alte Landstrasse entlang, die kaum noch jemand benutzt, weil sie parallel zur Autobahn verläuft. Es gibt aber immer noch Bushaltestellen dort. Eine alte schwarze Frau und ein kleines Mädchen warteten auf den Bus. Mann, sie sind überall! Ich radelte an der Kent-Farm vorbei. Ich kann diesen Clark Kent nicht ausstehen. Sein bester Kumpel ist schwarz, sie sind unzertrennlich und mit diesem neuen Typ aus Afrika – ich nenne es Afreaka – befreundet. Sie gehen in eine Kirche, wo sich Leute aller Rassen treffen. Kent starrt immer Lana Lang an. Ich habe in der Grundschule versucht, nett zu Lana zu sein, aber sie kann sich noch nicht mal an meinen Namen erinnern. Keiner kann mir erzählen, dass dieses Mädchen ›reines‹ Blut in den Adern hat, aber alle in Smallville finden sie ja so schön. Was für ein Witz. Mit jedem Pedaltritt wurde ich wütender. Ich spürte, wie das Rote wiederkam, stärker denn je. In meinem Kopf klopfte es, und mein Herz fühlte sich an, als würde es mir aus der Brust springen. Ich trat immer schneller in die Pedalen, aber man kann dem Roten nicht entkommen, und plötzlich fuhr ich über irgendwas drüber – ein Abflussrohr, das aus dem Asphalt hervorstach, glaube ich. Ich verlor die Kontrolle über das Fahrrad und raste auf eine Weide mit grasenden Kühen zu. Ich flog in hohem Bogen vom Fahrrad und kopfüber durch die Luft. Dann landete ich in einem Heuhaufen, und alles wurde ganz still. Ich lag für einige Minuten einfach nur da. Als ich wieder zu Atem kam, überprüfte ich, ob alles in Ordnung war. Ich habe zunächst nichts Komisches bemerkt, bis ich mich hinsetzte und zu den Kühen rübergesehen habe, die unter einem alten Baum 39
grasten. Sie bewegten sich nicht. Okay. Kühe bewegen sich meistens nicht viel, aber das war etwas anderes. Sie standen absolut still. Ich sah in den Himmel. Über mir kreiste ein Adler. Seine ausgebreiteten Schwingen schienen am blauen Himmel zu kleben, als wenn ihn jemand dort festgenagelt hätte. Ich starrte ihn lange an. Und dann dämmerte es mir – die Wolken hinter ihm bewegten sich auch nicht. Ich sah mich um. Die Blätter der Bäume raschelten nicht im Wind und das Gras auf dem Boden bewegte sich auch nicht. Es gab überhaupt keinen Wind. Aber wir sind in Kansas, und in Kansas gibt es immer Wind. Es gab nur ein Wesen, das sich bewegte – nämlich mich. Ich dachte, ich würde träumen und habe mich selbst gekniffen – aber es hat weh getan. Ich hob mein Fahrrad auf und radelte den gleichen Weg zurück, den ich gekommen war, an der Kent-Farm vorbei bis zur Bushaltestelle. Ich dachte mir, dass die alte Frau und das schwarze Mädchen noch dort stehen müssten, wenn der Bus nicht gekommen war. Und so war es auch. Wie Statuen standen sie da. Jedes Auto und jeder Mensch, an dem ich auf meinem Weg vorbeikam, war genauso versteinert wie die Kühe und der Adler. Alles war eingefroren, außer mir. Ich weiß nicht, warum ich auf die Uhr des kleinen Mädchens sah. Vielleicht weil die billigen Strasssteinchen auf den Zahlen im Licht glitzerten. Egal, ich näherte mich der Sitzbank und sah auf ihre Uhr – so eine Kinderuhr mit einem rosa Plastikband und Blumen darauf. Es war acht Uhr dreißig. Aber es konnte nicht acht Uhr dreißig sein. Ich hatte das Haus um acht Uhr fünfzehn verlassen und war bestimmt vier Kilometer gefahren, bevor ich in den Heuhaufen gestürzt war. Und dann war ich die zwei Kilometer zur Bushaltestelle wieder zurückgefahren, und das hatte alles ziemlich lange gedauert. Es 40
musste schon nach neun sein. Also sah ich auf die Uhr der alten Frau. Auch acht Uhr dreißig. Obwohl ich die Situation langsam nicht mehr komisch fand, musste ich lachen. Bei dem Tempo würden die beiden ja noch ewig warten! Dann sah ich auf meine eigene Uhr. Acht Uhr dreißig. Und der Sekundenzeiger bewegte sich nicht. Ich erinnerte mich noch mal daran, wie ich mit dem Fahrrad gestürzt und durch die Luft geflogen war. Und dann begriff ich es plötzlich. Ich hatte irgendwie die Zeit durchbrochen! Ich hatte mich so schnell bewegt, dass alles um mich herum einfror?! Ich radelte zurück in die Stadt. Die Hauptstraße sah aus wie ein Wachsfigurenkabinett. Nichts bewegte sich. Ich ging in ein Lebensmittelgeschäft und nahm mir einen Schokoladenriegel. Der Mann an der Kasse war mitten in der Bewegung erstarrt, als er einem fetten Typ das Wechselgeld geben wollte. Ich aß den Riegel direkt vor seiner Nase. Nun, ich begriff sofort, was das bedeutete. Ich konnte ihm das Geld aus der Hand nehmen, und niemand würde es jemals erfahren. Ich konnte mir auch das ganze Geld aus der Kasse nehmen. Ich konnte alles machen, was ich wollte. Aber mein Vater hat mich richtig erzogen. Ich bin kein Dieb, noch nicht mal dann, wenn ich weiß, dass ich nicht erwischt werden kann. Ich nahm noch nicht mal einen Cent. Aber das Gefühl, alles tun zu können, was ich wollte, war berauschend. Doch in der Supergeschwindigkeitszone war ich allein. Was war, wenn ich nicht mehr in das reale Zeitgefüge zurückkehren konnte? Das jagte mir einen Riesenschreck ein, und ich zwang mich dazu, mich zu konzentrieren. Ich hatte all diesen Kram im Internet über Wurmlöcher im Zeit-Raum-Kontinuum gelesen. Vielleicht habe ich eines dieser Löcher in das Zeitgefüge gerissen. Oder es hat sich einfach für mich geöffnet. Es passiert viel komisches Zeug in Smallville, dachte ich. Ich erinnerte 41
mich an den ehemaligen Football-Trainer, der mit telekinetischen Kräften Sachen in Brand setzte, oder an diesen Typ, der Autos wie Spielzeug herumwarf. Warum sollte nicht auch mir so etwas passieren? Aber konnte ich diesen Prozess auch umkehren? Ich habe einmal irgendwo gelesen, dass es für jede Handlung ein Äquivalent gibt. Also fuhr ich wieder die Landstraße hinunter, vorbei an der eingefrorenen Frau mit ihrem kleinen Mädchen, vorbei an der Kent-Farm. Ich radelte so schnell, als wäre ich gerade der Hölle entkommen, bis ich wieder über dem Abflussrohr ins Schleudern geriet und fiel... Als ich diesmal unter dem alten Baum landete, blickte ich direkt vor mir in die blöden, runden Augen einer Kuh. Sie muhte vor Überraschung und wich zurück. Zum Teufel! Es funktionierte! Die Welt war wieder normal. Zumindest, was andere Leute für normal hielten. Aber jetzt, da ich die größte Entdeckung aller Zeiten gemacht hatte, würde sie für mich nie wieder ›normal‹ sein. Eines Tages wird dieses Tagebuch Millionen Dollar wert sein. Ich werde als der Mann, der die Zeit eroberte, berühmt werden. Ich könnte meine Macht dafür nutzen, reich zu werden. Ich könnte das Weiße Haus ausrauben, und kein Mensch würde wissen, dass ich es war. GESTERN: GENESIS-TAG ZWEI Ich fand heraus, wie ich meine Kräfte steuern kann. Zuerst benahm ich mich wie ein Idiot. Ich fuhr mit meinem Fahrrad immer wieder die Landstraße entlang, über das Abflussrohr und ließ mich fallen. Jedes Mal, wenn ich auf der Weide landete, war die Welt normal. Ich brauchte ein Dutzend Versuche, um zu begreifen, dass ich diese Kraft nicht von dem Abflussrohr oder dem Sturz 42
bekam. Es musste etwas anderes sein. Ich bekam es zufällig heraus, als ich nach Hause kam und meine Sanduhr umdrehte und den glühenden, grün gefleckten Sand betrachtete, wie er durch das winzige Loch in der Mitte rann. Nur aus Spaß sprang ich mit einem Riesensatz wieder auf mein Bett – und war in der Zeitzone. Jetzt weiß ich, dass die Sanduhr der Katalysator ist und dass ich meine Fähigkeit, das Zeitgefüge zu durchbrechen, überall einsetzen kann, solange ich die Sanduhr umdrehe und der Sand durchrieselt. Ich habe mir die Zeit gemerkt, die der Sand braucht, um durchzulaufen – es ist eine Zwei-StundenSanduhr. Ich muss sie nur umdrehen, einen schnellen Sprung machen und schon öffnet sich mir das Zeitgefüge. Um zurück in die ›normale‹ Zeit zu kommen, brauche ich nur zu warten, bis der Sand durch die Uhr gelaufen ist. Sogar wenn ich außerhalb meiner Zeitzone bin, kann ich sehen, wie der Sand weiterläuft. Nun musste ich endlich die Sanduhr für einen guten Zweck verwenden. Ich begann mit meinem Kreuzzug, indem ich Kent und die hochnäsige Miss Lang verfolgte, während sie durch die Schule gingen, um die Flyer für den ›Tag der Kulturen‹ aufzuhängen. Ich hatte die Sanduhr mitgenommen und drehte sie um. Ich sprintete los, sprang in die Luft – und BOOM! Ich flog direkt durch das Zeitloch. Es war leicht, diese dämlichen Flugblätter abzureißen und sie in Brand zu setzen. Ich habe beiden eine Scheißangst eingejagt. Als der Sand durchgelaufen war, kehrte ich wieder in die Welt zurück. HEUTE: GENESIS-TAG DREI Ich bin zu größeren und bedeutenderen Aufgaben übergegangen. Ich brauchte einen Plan, und mein Plan war folgender: Ich würde die ANDEREN aus Smallville verjagen, 43
und dann würde Smallville wieder so sein wie früher. Wie mein Vater es immer beschrieben hatte. Und wo könnte ich ein besseres Exempel statuieren als bei den Afrikanern? Jeden Tag, wenn ich diesen Shaaban im Schulfoyer sehe, möchte ich ihm ins Gesicht schreien, dass er nicht nach Smallville gehört. Shaabans Vater hat einen tollen Job bei LuthorCorp und nimmt einem richtigen Amerikaner den Arbeitsplatz weg. Also bin ich vorhin in die Zeitzone gesprungen und zu dem Haus der Afrikaner gegangen. Das Haus ist sogar noch schöner als das, was wir hatten. Das machte mich wütend. Shaabans Vater war im Garten, versteinert, über seine Pflanzen gebeugt, die er gerade mit Kompostdünger bestreute. Ich ging an ihm vorbei und marschierte ins Haus, als würde es mir gehören. Ich nahm mir eine Limonade aus dem Kühlschrank. Ein paar Kekse. Und dann verwüstete ich alles wie ein Rockstar, der sein Hotelzimmer demoliert. Das war ein Kick! Das krönende Detail war das Graffiti, dass ich auf ihre Wohnzimmerwand sprühte: GEHT ZURÜCK NACH AFREAKA! Freunde, echte Amerikaner, Landsleute, hört mir zu. Ich bin gekommen, um die ANDEREN auszulöschen. Wenn sie Anerkennung wollen, lasst sie dorthin gehen, wo sie hingehören. Aber nicht in meine Stadt. Nicht nach Smallville. Ich werde dafür sorgen, dass du stolz auf mich sein kannst, Pa!
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7 AM NÄCHSTEN TAG IN DER SCHULE sprachen alle über den Einbruch. Clark war froh, dass viele Schüler auf Shaaban zugingen und ihm sagten, wie entsetzt sie waren. Immer wieder versicherte man seinem Freund, dass der Täter in keiner Weise repräsentativ für die Menschen in Smallville war. Direktor Reynolds berief am Nachmittag aus aktuellem Anlass eine Versammlung ein. Als Leiterin des geplanten Festivals hielt Ms. Parson eine kurze Rede, genau wie eine Reihe von Vertretern der verschiedenen Kirchen. Sie sprachen alle über die Tradition der Toleranz in Smallville und verurteilten das fremdenfeindliche Verbrechen. Ms. Parson betonte, was für eine besondere Schande dieses Ereignis darstellte, da es das ›Festival der Kulturen‹ überschattete. Auch Lex wurde aufgefordert, eine Rede zu halten. Er hielt sie zum Abschluss. »Es ist nicht genug, dass wir als Bürger gegen eine solche Form von Hass zusammenhalten«, rief Lex mit mächtiger Stimme. »Wir müssen die Wahrheit herausfinden und den Schuldigen suchen. Wir müssen für Gerechtigkeit sorgen, denn nur eine schnelle Justiz kann uns davon überzeugen, dass niemand mit einem solchen Verbrechen davonkommt. Wahrheit und Gerechtigkeit – das ist Amerika. Das ist Smallville!« Überall im Publikum wurde zustimmend gemurmelt und genickt. Neben Clark rutschte Pete auf seinem Sitz herum, als wenn er das Ende der Versammlung kaum abwarten könnte. »He, er sendet uns eine wichtige Botschaft«, flüsterte Clark seinem Freund zu. »Stimmt, aber der Botschafter ist nicht richtig«, flüsterte Pete zurück. 45
»Als einen kleinen Beitrag und als Zeichen unseres Zusammenhalts gegen den Hass habe ich mir die Freiheit genommen, für Smallville eine Flagge der Solidarität machen zu lassen.« Er bückte sich und zog eine Flagge aus einem Karton zu seinen Füßen heraus und hielt sie dem Publikum entgegen. In der Mitte sah man die amerikanische Flagge, von der regenbogenfarbene Strahlen ausgingen. »Diese Flagge repräsentiert unseren Glauben, dass Smallville, dass Amerika für Menschen jeder Hautfarbe, jeder Religion und jeder Nationalität offen ist. Neben den Ausgangstüren werden Sie Kartons mit Flaggen finden. Wenn Sie diese Versammlung verlassen, nehmen Sie bitte eine Flagge mit. Ich hoffe, Sie werden ihre Flaggen genauso stolz in Ihrem Vorgarten hissen, wie ich meine.« Die Schüler sprangen auf, um ihm zu applaudieren. Sogar Pete stand auf und klatschte Beifall, wenn auch etwas widerwillig. Shaaban, der auf der anderen Seite von Clark saß, applaudierte am lautesten. »Lex Luthor ist ein wundervoller Mensch«, sagte er während des Beifalls zu Clark. Clark bemerkte zwei Typen in einer Reihe vor ihnen, die nicht aufgestanden waren. Im Gegenteil, sie hingen tief in ihren Sitzen und hatten die Arme über der Brust verschränkt. Sie hatten beide kurz rasierte Haare. Ihre Gesichter konnte er nicht sehen. Chloe beobachtete sie auch. »Wer ist das?«, fragte er sie. Sie zuckte mit den Schultern. »Die müssen in der Oberstufe sein«, vermutete Clark. »Ich muss sie von vorne sehen.« Chloe tippte nachdenklich mit ihrem Finger gegen ihre Lippen. 46
»Hmm, ich dachte eigentlich, dass ich alle Leute kenne, die auf unserer Schule sind.« Die Schüler begannen die Aula zu verlassen. Chloe sah sich um und versuchte die beiden Typen, die nicht aufgestanden waren, nicht aus den Augen zu verlieren. Sie hielten sich abseits von allen anderen, während sie den Saal verließen. Ihre Gesichter waren hinter dunklen Sonnenbrillen versteckt. »Nun, jedenfalls steckt Melrose nicht hinter der Sache«, erzählte Chloe. »Wollt ihr wissen, wo er zur Zeit des Einbruchs war? In Handschellen im Büro des Sheriffs. Es wurden nämlich neue Handschellen getestet!« »Schön. Melrose war es nicht. Aber mir gefällt nicht, wie die beiden Typen da aussehen«, antwortete Clark, während Brian Parson, der Sohn von Ms. Parson, der Leiterin des Festivalkomitees, zu ihnen stieß. »Die beiden? Die kenne ich«, erklärte Brian. Er war in der gleichen Stufe wie Clark und Pete. Clark hielt ihn für einen ganz netten Typen. »Also wer ist das?«, fragte Chloe. »Dennis Jones und Phil Richards. Die sind vor einigen Monaten aus Idaho hergezogen. Ich glaube, dass sie in ihrem Abschlussjahr sind«, berichtete Brian. »Wie sind die drauf?«, fragte Chloe weiter. Brian zuckte mit den Schultern. »Dennis hat eine kleine Schwester in der Mittelstufe. Meine Mutter unterrichtet sie. Ich habe gehört, dass sie alle Privatunterricht hatten, bevor sie hierher gezogen sind.« »Das heißt gar nichts«, warf Clark ein. »Sie waren die Einzigen, die Lex keinen Beifall gespendet haben«, bemerkte Shaaban. »Ich stimme Clark zu, das heißt gar nichts«, meinte Pete. »He, vielleicht war es Baluster!« »Klar«, schnaubte Chloe. »Unser Geschichtslehrer hat sich in das Haus von Shaabans Eltern eingeschlichen und dort alles 47
verwüstet, während gerade keiner hingeschaut hat.« »Wenn Shaaban eine Sechs in der letzten Klausur gehabt hätte, würde ich Pete zustimmen«, meinte Brian. »Ich muss jedenfalls jetzt zum Unterricht.« Pete nickte, während Brian sich auf den Weg zum Klassenraum machte. Petes schlaues Lächeln täuschte nicht über seinen ernsten Tonfall hinweg: »Baluster. Ich sehe es genau vor mir.« »So etwas solltest du noch nicht mal zum Spaß sagen«, ermahnte Clark ihn. »Leute, wenn es heute zum letzten Mal klingelt, werde ich mehr Informationen über die beiden haben«, versprach Chloe. »Siehst du, Clark, dass ist eine Sache, die meine Aufmerksamkeit verdient. Ich treffe euch später im Büro der Fackel, sagt es den anderen!« Sie schlängelte sich durch die dichte Schülermenge und verschwand. Shaaban sah ihr nach. »Sie ist ein ziemlich energisches Mädchen.« Pete schlug ihm auf den Rücken. »Das ist gar nichts! Du hast noch nicht mal die Hälfte gesehen, Bruder!« Clark entschuldigte sich bei den Freunden und folgte der Richtung, die Dennis und Phil eingeschlagen hatten. Während sie sich einen Weg durch das Gewühl bahnten, heftete er sich an ihre Fersen. Er wusste, dass Pete eine Abneigung gegen Baluster hatte. Aber Pete hegte in der letzten Zeit gegen viele Leute eine Abneigung. Clark war sich sicher, dass der Lehrer nichts mit den Verwüstungen von Shaabans Zuhause zu tun hatte. Als Dennis und Phil vor ihren Schließfächern stehen blieben, um ihre Bücher zu verstauen, prägte sich Clark genau ihre Nummern ein. Er wusste, dass er wiederkommen würde.
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8 »MEINE DAMEN UND HERREN, die Starreporterin ist eingetroffen, genau wie angekündigt«, rief Chloe aus, als sie zehn Minuten nach Schulende in die Büroräume der Schülerzeitung hereinschwebte. Clark, Lana, Shaaban und Tina warteten bereits auf sie. »Also, was hast du herausgefunden?«, wollte Clark wissen. »Ist es wahr, was Brian über die beiden erzählt hat?« »Korrekt.« Chloe setzte sich auf eine Tischplatte und ließ die Beine baumeln. »Es sieht so aus, als wären ihre Familien dick befreundet. Deshalb sind sie auch zusammen hierher gezogen. Die Eltern des kleineren Typs mit den blonden Haaren – das ist Dennis – haben sich vor einigen Monaten getrennt. War wohl eine ziemlich hässliche Sache und sehr hart für den Sohn. Jedenfalls ist er mit seiner Mutter und ihrem neuen, stinkreichen Freund hierher gezogen. Sie haben eines von diesen riesigen Häusern auf dem LuthorCorp-Gelände gekauft. Der andere, Phil, ist ein echt schlechter Schüler. Als Hobby haben sie beide ›Jagen‹ angegeben.« »Wow, ich bin beeindruckt!«, gab Tina zu. »Wie hast du das alles herausgefunden?« »Ich habe ihren Vertrauenslehrer angegraben«, erklärte Chloe. »Ich habe ihm erzählt, dass ich einen Artikel über die neuen Schüler für die Fackel schreiben möchte, um sie der Schule vorzustellen. Dann habe ich ihm angeboten, ihm während meiner Freistunde zu helfen und habe dabei einen heimlichen Blick in die Schülerakten riskiert, während er mal austreten war.« »Beeindruckend!«, fand auch Shaaban. »Ihr seid zu gütig«, sagte Chloe, machte eine große Geste mit ihrem Arm und senkte den Kopf wie bei einer höfischen Verbeugung. 49
»Ich gebe ja zu, dass das alles verdächtig klingt«, überlegte Lana. »Aber es bedeutet trotzdem nicht, dass sie diejenigen waren, die Shaabans Zuhause kurz und klein geschlagen haben.« »He, die haben einen Skinhead-Haarschnitt, die sind in der Aula nicht aufgestanden und sie kommen aus Idaho – wo all diese verrückten Militärtypen leben«, rief Chloe aus. »Ich wollte in der Aula auch nicht aufstehen«, erinnerte sie Pete. »Chloe, nichts von dem, was du sagst, würde vor einem Gericht anerkannt werden«, wandte Tina ein. Pete warf ihr einen Blick zu. »Wir sind aber nicht vor Gericht.« »Man kann nie früh genug anfangen, seine Karriere zu planen«, erklärte Tina. »Ich werde mal sehen, was ich noch herausfinden kann«, bot Clark an. Er tat ganz lässig und unbeteiligt, obwohl er bereits genau wusste, was er tun würde. »Ich werde natürlich nicht an die Bemühungen unserer TopSpionin heranreichen«, fügte er mit selbstironischem Grinsen hinzu. »Also, Treffen vertagt?«, fragte Tina. »Wenn ich nämlich nicht bald zu Hause auftauche und mein Geschichtsreferat zu Ende schreibe, schickt mich meine Oma per Luftpost zurück nach Singapur.« »Hmm... wir müssen auch für unseren afrikanischen Tanz üben«, erinnerte Shaaban alle. Clark und Pete seufzten gleichzeitig. »Ich kann es nicht fassen, dass du immer noch daran denkst, nach allem, was deiner Familie angetan wurde«, kommentierte Lana. »Es lenkt mich ab.« »He, wir sind alle dabei«, sagte Chloe. »Abgesehen davon: Gibt es eine bessere Art, unsere Solidarität mit Shaaban und 50
seiner Familie zu zeigen?« »Und ihr werdet ohne Hemden so süß aussehen«, schnurrte Tina. »Ich gehe nur oben ohne, wenn du auch oben ohne gehst«, verteidigte sich Pete, worauf Tina ihn mit einer Papierkugel beschoss. Clark versuchte einen Kompromiss. »Vielleicht könnten wir... ich weiß nicht... ein afrikanisches Gedicht vortragen oder so was. Wäre das nicht genauso gut?« »Nein, das wäre nicht das Gleiche«, sagte Lana. Sie sah Clark an. »Ernsthaft, ich glaube, es ist wichtig, dass wir den Tanz machen.« Ein langer Blick von Lana genügte, um Clarks Widerstand schmelzen zu lassen. »Du hast Recht«, stimmte er zu. Es ist, als wenn diese Augen das Einzige auf der Welt sind, dem ich nicht widerstehen kann. »Hallo, Eure Hoheit?«, rief Chloe und wedelte mit einer Hand vor seinen Augen herum. Clark blinzelte. »Entschuldige. Was?« »Ich sagte gerade, dass wir noch einige Sachen hier in der Bibliothek recherchieren müssen. Sollen wir das jetzt machen?« Ich brauche erst etwas Zeit für mich selbst, überlegte Clark. »Wie wär’s, wenn wir uns in anderthalb Stunden treffen?«, schlug er vor. »Ich muss erst mal zur Farm, um meinem Vater bei einigen Arbeiten zu helfen.« Chloe grinste. »Clark Kent, zukünftiger Farmer von Amerika!« »Und heute Abend, nach dem Abendessen können wir den Tanz in Clarks ›Loft‹ üben«, fügte Shaaban hinzu. »Passt das allen zeitlich? Ich bringe die Musik mit. Wenn wir Glück haben, kommt mein Vater und hilft uns. Der Mann hat Tanzschritte drauf!« Der Plan war perfekt. 51
Nachdem alle gegangen waren, waren die Schulflure menschenleer. Das war genau das, was Clark gehofft hatte. Er schlug den Weg zum neuen Flügel ein, wo sich Dennis’ und Phils Schließfächer befanden. Als er dort eintraf, stand er einen Moment vor den beiden Schränken. Dann nahm er je eins der Zahlenschlösser in die Hand. Er wusste, dass er sie mühelos aufreißen konnte, aber danach würden sie offen stehen und Verdacht erregen. Er warf seinen Röntgenblick auf die Schränke. Doch sie waren offensichtlich vor ein paar Jahren mit bleihaltiger Farbe gestrichen worden. Und Blei konnte sein Röntgenblick nicht durchdringen. Dumme Sache! Andererseits schützte Blei ihn auch vor der tödlichen Wirkung des grünen Meteoritengesteins. Und das war wiederum eine gute Sache! Während er sein Supergehör aktivierte, drehte er gleichzeitig die Rädchen beider Zahlenschlösser hin und her. Er lauschte angestrengt, wie die Zahnrädchen im Schloss klickten und erinnerte sich an den Klang der richtigen Kombination. Und dann sprangen beide Schlösser gleichzeitig auf. Schnell warf Clark einen Blick in beide Schränke. Da gab es die üblichen Bücher und Rucksäcke. Aber auch Hockey- und Baseballschläger. Die man auch als Waffen gebrauchen kann, dachte Clark. Oder die beiden machen einfach nur viel Sport. Chloe weiß bestimmt, ob sie in einer Hockey- oder Baseballmannschaft mitspielen. Er durchsuchte die Schränke. Baseballhandschuhe. Bücher. CDs. Noch mehr Bücher. Und dann, im obersten Fach von Dennis’ Schrank – eine Dose mit Farbspray. Clark sog scharf die Luft ein, während er sich lebhaft an die Farbe erinnerte, mit der in Shaabans Zuhause die Wohnzimmerwand beschmiert worden war. Die Erinnerung daran machte ihn so wütend, dass er am liebsten mit der Faust 52
Dennis’ Schrank zertrümmert hätte. Doch dann betrachtete er die Sprühdose im Schrank genauer. Die Farbe war Blau, nicht Rot – wie das fremdenfeindliche Graffiti. Ich kann Dennis nicht beschuldigen, nur weil er eine Dose mit blauem Farbspray in seinem Schrank hat. Aber ich werde ihn im Auge behalten. Denn warum sollte jemand eine Dose Farbspray mit in die Schule bringen? »Also, was müssen wir noch recherchieren?«, fragte Clark Chloe später, während sie mit ihrem Auto unterwegs waren. »Als wir in der Bibliothek in Metropolis waren, habe ich etwas gelesen, dass mir irgendwie hängen geblieben ist... also habe ich weiter nachgeforscht und...« Sie warf ihm einen Blick zu und sah dann wieder auf die Straße. »Ehrlich gesagt, fahren wir gar nicht in die Bibliothek. Ich habe das nur gesagt, weil die anderen dabei waren.« »Warum so geheimnisvoll?« »Es hat in einer seltsamen Weise mit dem Anschlag auf das Haus von Shaabans Eltern zu tun«, erklärte Chloe. »Aber warte ab, ich zeige es dir gleich.« Clark lächelte und deutete auf seinen Sicherheitsgurt. »Ich bin gefesselt!« Nach zwanzig Minuten erreichten sie den Stadtrand von Smallville und fuhren holpernd in die Mitte eines Maisfeldes. »Ich glaube, das ist es«, verkündete Chloe. Clark verschränkte die Arme. »Du hast mich in ein Maisfeld gebracht. Und du kannst niemandem etwas davon erzählen. Sicher, wir sind in Kansas. Und Kansas hat nur einige Milliarden Maisfelder. Also muss dieses ein besonders geheimes Top-Secret-Maisfeld sein.« »Spar dir deine Ironie. Die Details zeigte ich dir jetzt.« Sie zog einen kopierten Zeitungsausschnitt aus ihrer Tasche und reichte ihn Clark. 53
Er stammte aus einer alten Ausgabe der Smallviller Zeitung The Ledger. Der Artikel war vom 16. Dezember 1941, mit dem Redaktionsschluss des vorherigen Tages. Clark las ihn in einer Millisekunde. HAUS AM STADTRAND ABGEBRANNT Smallville, 15. Dezember. In der letzten Nacht hat ein Feuer das Haus von Yoshi Hiromura, der erst seit kurzer Zeit in Kansas lebt, zerstört. Das Haus brannte vollständig ab, und nichts von Wert blieb erhalten. Die Familie Hiromura ist nach San Fransisco zurückgekehrt, um dort bei Verwandten Unterkunft zu finden. Manfred Bikums, der Hauptmann der Feuerwehr von Smallville, sagte gegenüber dem Ledger, dass einige Lumpen in der Scheune plötzlich in Flammen aufgingen und das Feuer verursacht haben. »Als wir mit den Feuerwagen anrückten, war schon nichts mehr zu retten«, sagte Bikums. Clark reichte Chloe den Zeitungsartikel. »Es gab also ein Feuer hier. Das Haus brannte ab. Es blieb nichts übrig. Und jetzt ist hier ein Maisfeld.« Er sah über die wogenden Maisstauden, die im späten Nachmittagslicht golden schimmerten. »Ich gebe zu, das ist eine Tragödie, aber es geschah 1941. Noch nicht mal meine Eltern waren 1941 schon auf der Welt. Warum also der Ausflug?« »Denk mal nach, Clark«, forderte sie ihn auf und hielt ihm wieder den Zeitungsartikel hin. »Sieh dir das Datum an.« Clark sah sich das Datum an. »15. Dezember 1941.« »Sagt dir das etwas?« »Was hat denn...« Clarks Stimme brach mitten im Satz ab. Weil er plötzlich verstanden hatte. Es war, als wenn er einen Schlag in die Magengrube erhalten hätte. Zumindest stellte er sich vor, dass sich ein Schlag in die Magengrube so anfühlen musste. Wenn 54
man nicht wie er einen Körper aus Stahl hatte. »Pearl Harbor«, sagte er. »Der japanische Angriff auf Pearl Harbor.« »Hat genau acht Tage vorher stattgefunden«, vollendete Chloe den Satz für ihn. »Genau.« Clark betrachtete das Feld, das so harmlos aussah und das ihm wie eine Oase der Ruhe erschien. Ihm wurde klar, dass er bestimmt schon tausend Male daran vorbeigekommen war. Es sah überhaupt nicht besonders aus. Und doch war hier vielleicht vor langer Zeit etwas Entsetzliches geschehen. Angst kroch ihm den Nacken hoch. »Denkst du auch, was ich denke, Chloe?« »Ja.« »Wir denken beide, dass es vielleicht kein Unfall war?«, versicherte Clark sich. Chloe nickte. »Der Name der Familie war Hiromura, ein japanischer Name. Das Feuer war so schlimm, dass es ihr ganzes Haus zerstört hat und die Familie gezwungen hat, wieder nach San Fransisco zu ziehen...«, überlegte Clark laut. »Der Hauptmann der Feuerwehr hat zwar gesagt, es sei ein Unfall gewesen, aber es wäre ja nicht das erste Mal, dass sich die Verantwortlichen in Smallville in so einer Sache getäuscht haben.« »Wenn das Feuer absichtlich gelegt wurde, dann wäre der Angriff auf das Haus der Mwariris also nicht das erste fremdenfeindliche Verbrechen in Smallville.« Mit weit ausholenden Schritten lief Clark in das hohe Maisfeld hinein. »Du und deine endlosen Beine«, klagte Chloe, während sie sich bemühte, mit ihm Schritt zu halten. »Wo gehen wir hin?« »Ich will wissen, wo das Haus einmal gestanden hat.« »Clark, das ist jetzt ein Maisfeld, du wirst es nie...« Plötzlich blieb Clark stehen. Er hatte den Boden mit seinem 55
Röntgenblick nach den Überresten eines Fundamentes abgesucht. Und da war es, genau unter seinen Füßen. Aus Beton. »Hier hat es gestanden«, verkündete Clark. »Ich kann es spüren.« »Huh«, spottete Chloe. »Ich weiß ja, dass du ein Landei bist, aber ich dachte immer, Jungs vom Land können nur Wasserquellen aufspüren und keinen Zement.« Clark schob mit den Füßen die lehmige Erde an der Oberfläche beiseite. Wenn er alleine gewesen wäre, hätte er in einer Sekunde ein Loch ausgehoben. Doch schon ein kurzes Graben genügte ihm, um das Betonfundament erkennen zu können. Chloe pfiff bewundernd. »Wunder geschehen immer wieder. Du könntest eine Karriere bei Law and Order machen, wenn du wolltest. Oder vielleicht sollten wir dich einfach in einer Las-Vegas-Show einsetzen.« »Jetzt im Augenblick will ich nur eins – die Wahrheit über die fremden feindlichen Verbrechen in Smallville herausfinden«, antwortete Clark. Sein Blick traf Chloes Augen. »Ich weiß, dass Smallville für dich nur eine austauschbare, langweilige Kleinstadt ist. Und ich weiß, dass du in ein College gehen willst, das so weit wie möglich von Smallville entfernt ist. Aber für mich ist Smallville das einzige Zuhause, das ich jemals hatte.« Wie könnte ich ihr auch erklären, was Smallville für mich bedeutetet. Wo doch meine wahre Heimat Lichtjahre von diesem Planeten entfernt liegt und ich nie wieder dorthin zurückkehren werde, dachte Clark bei sich. »Clark.« Berührt von den Emotionen in seiner Stimme ergriff Chloe seine Hand. »Ich liebe Smallville, Chloe. Dass hier solche Dinge geschehen...« »He, wir sind ein Team«, versicherte sie ihm und schenkte 56
ihm ein strahlendes Lächeln. »Wir werden die Wahrheit herausfinden, okay?« Er nickte. Sie stellte sich auf die Zehenspitzen und umarmte ihn kurz. »Noch etwas, Clark.« »Was?« »Smallville ist keine austauschbare, langweilige Kleinstadt für mich. Nicht solange hier Menschen leben, die ich liebe.« Ohne dass Chloe es aussprechen musste, wusste Clark, dass er einer dieser Menschen war.
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9 CLARK LAG IN SEINEM SCHLAFSACK und lauschte auf den tiefen, gleichmäßigen Atem seines Freundes Shaaban, der auf der anderen Seite des ›Lofts‹ in seinem Schlafsack lag. Clark war überrascht, dass Shaaban überhaupt so ruhig schlafen konnte. Vielleicht hatte der afrikanische Tanz das möglich gemacht, den sie am Abend eingeübt hatten. Shaaban hatte eine große Trommel aus Tansania mitgebracht, die glücklicherweise bei dem Anschlag auf ihr Haus nicht beschädigt worden war. Er hatte ihnen einige Grundschritte für den Tanz gezeigt und dann den Rhythmus dafür auf der Trommel geschlagen. Wie Shaaban erklärt hatte, war der Tanz ein Ausdruck für Gemeinschaft und Harmonie, zwischen den Nachbarn wie auch zwischen zwei besonderen Personen. Clark war nicht gut im Tanzen, und Pete war noch schlechter. Aber immerhin hatten sie herausgefunden, dass sie am kommenden Sonntag keine peinlichen Kostüme tragen mussten. Dr. Mwariri hatte ihnen für diese Gelegenheit Dashikis geliehen – weit geschnittene, farbenfrohe Gewänder. Clark sah auf die Uhr. Es war schon fast drei Uhr. Seit Stunden wälzte er sich schlaflos herum. Darüber hinaus hatte er einen schrecklichen Alptraum gehabt. Er hatte geträumt, dass er sich in einem brennenden Haus befand. Eigentlich hätte er aufgrund seiner übermenschlichen Kräfte gefahrlos durch die Flammen gehen können. Aber die Flammen in seinem Traum waren nicht rot gewesen. Sie waren grün und nährten sich von der einzigen Substanz, die Clark schwach und hilflos machte – von den grünlichen Meteoriten, die zusammen mit seinem Raumschiff auf die Erde gekommen waren. Clark hatte gespürt, wie die tödliche Hitze die Luft aus seinen Lungen sog. Seine Venen hatten sich schwarzen Schlangen gleich unter 58
seiner Haut gewunden, und er hatte sich selber dabei zugesehen, wie er atemlos auf dem weiß glühenden Boden zusammenbrach – schreiend und sterbend. Mit einem erstickten Schrei war er aufgefahren – in Schweiß gebadet. Es hatte mit dem Hiromura-Haus zu tun, das wusste Clark. Daher der schreckliche Alptraum. Aber obwohl er jetzt den Grund kannte, fiel es ihm immer noch schwer einzuschlafen. Jedes Mal, wenn er die Augen schloss, konnte er die roten Buchstaben sehen, die auf die Wand von Shaabans Haus gesprüht waren: GEHT ZURÜCK NACH AFREAKA! Clark wälzte sich noch eine Weile unruhig in seinem Schlafsack hin und her, dann beschloss er, aufzustehen und etwas zu essen. Nicht weil er wirklich hungrig war, sondern weil er etwas tun musste. Er zog sein Sweatshirt und seine Jeans über, verließ die Scheune und ging zum Haupthaus hinüber. Zu seiner Überraschung brannte Licht in der Küche. Und als er die Küche betrat, fand er seinen Vater am Küchentisch, der den Ledger las und an Marthas selbst gemachten Erdnussbutter- und Nusskeksen knabberte. Clark freute sich, seinen Vater zu sehen, Jonathan hatte den Tag in Metropolis verbracht, wo er ein Seminar der Landwirtschaftskammer besuchte und war noch nicht wieder zurückgewesen, als Clark und Shaaban zum Abendessen nach Hause gekommen waren. Jonathan lächelte schwach, als er seinen Sohn durch die Küchentür kommen sah. »Du kannst auch nicht schlafen, hm?« »Ich hatte einen schrecklichen Albtraum«, erzählte Clark und schenkte sich ein Glas Milch ein. Er setzte sich seinem Vater gegenüber. »Ich war in einem grünen Feuer gefangen, das von diesem Meteoritenstein kam und war kurz davor zu sterben.« Jonathan schob seinem Sohn den Teller mit den Keksen 59
hinüber. »Die Kekse deiner Mutter sind ein gutes Heilmittel gegen so ziemlich jedes Problem. Zumindest hast du das als Kind immer gedacht.« Clark biss in einen Keks. »Wie lange bist du schon wach?« Jonathan schüttelte den Kopf. »Eigentlich seitdem ich schlafen gegangen bin. Alles, woran ich denken kann, ist dieser Typ, der das Haus der Mwariris verwüstet hat. Ich bin mir nicht sicher, ob Wayne Melrose diesmal seine Arbeit gut macht.« »Ich dachte, du hältst ihn für einen guten Sheriff?« »Er hat gestern angerufen und eine Nachricht hinterlassen. Er will dich noch mal vernehmen«, informierte Jonathan seinen Sohn. »Er scheint zu denken, dass ihr, du und deine Freunde, etwas mit dem Anschlag auf das Haus zu tun habt.« Clark stieß einen angewiderten Laut hervor. »Klasse. Diese Geschichte macht doch überhaupt keinen Sinn.« »Ich habe ihn auch schon darüber aufgeklärt, dass er den falschen Baum anbellt.« Jonathan starrte nachdenklich in sein Glas. »Wer würde so etwas tun, Clark? Ich frage mich das immer wieder. Ich weiß, ich klinge wie eine Platte, die einen Sprung hat-« »Kein Mensch hat noch Vinyl, Pa«, bemerkte Clark. »Danke, dass du mich an mein Alter erinnerst«, antwortete sein Vater trocken. »Eigentlich meinte ich, dass mir immer und immer wieder derselbe Satz durch den Kopf geht: Ich kann es einfach nicht glauben, dass so etwas in Smallville passiert ist.« »Ich auch nicht.« Clark nahm einen großen Schluck Milch. »Ich schätze, dass ich einfach nicht wahrhaben will, dass irgendjemand in Smallville so viel Hass mit sich herumträgt.« Jonathan vertilgte einen weiteren Keks. »Diese Stadt war immer schon etwas Besonderes. Wusstest du, dass Kansas zu den Staaten gehörte, in denen vor dem Bürgerkrieg Sklaverei erlaubt war? Aber dass es nicht eine einzige Familie hier in Smallville gab, die Sklaven hatte?« 60
»Nein, das wusste ich nicht«, gab Clark zu. »Aber das ist doch toll.« »Oder dass ein Vorfahre deines Freundes Pete einer der ersten Afroamerikaner war, der zum Bürgermeister gewählt wurde? Und zwar in einer Stadt, deren Bevölkerung hauptsächlich weiß war? Das war in den frühen sechziger Jahren.« »Pete hat es einmal erwähnt. Na ja, eher zwanzig Mal«, gab Clark grinsend zu. »Was ich damit sagen will, ist Folgendes: Nur weil Smallville eine Kleinstadt ist, heißt das nicht, dass sie auch rückständig ist. Hier ist noch nie so etwas passiert wie das, was die Mwariris jetzt durchmachen müssen.« »Ich bin mir da nicht sicher, Pa.« Jonathan sah seinen Sohn fragend an. »Hast du jemals von der Familie Hiromura gehört?« Jonathan schüttelte den Kopf, also erzählte ihm Clark alles, was er über die japanische Familie wusste, deren Haus abgebrannt war. »Der Leiter der Feuerwehr hat damals gesagt, es sei ein Unfall gewesen«, schloss er seinen Bericht. »Aber ich habe handfeste Zweifel. Hast du niemals jemand darüber sprechen hören? Noch nicht einmal früher, als du noch ein Kind warst?« »Ich weiß, du denkst, dass ich ein Fossil bin, aber tatsächlich bin ich erst viele Jahre nach dem Brand geboren. Ich habe auch meine Eltern nie davon sprechen hören.« »Es war eine Woche nach Pearl Harbor«, erklärte Clark. »Und ich habe das Gefühl, dass es kein Unfall war.« Jonathan stieß einen leisen, lang gezogenen Pfiff aus. »In diesem Fall hoffe ich wirklich, dass du dich irrst.« »Ich auch. Aber ich muss die Wahrheit herausfinden, Pa. Wenn das, was den Hiromuras passiert ist, kein Unfall war, und wenn jemand versuchte, sie aus Smallville zu vertreiben, weil sie Japaner waren, dann darf das nicht vertuscht werden.« 61
Jonathan fuhr sich mit der Hand durchs Haar. »Es gibt viele Dinge in Amerika, auf die man stolz sein kann«, sagte er schließlich. »Aber es gibt auch Dinge, für die man sich schämen muss. Wie unsere Regierung und unser Volk die japanisch-amerikanischen Bürger während des Zweiten Weltkriegs behandelt hat, ist eines davon.« »In der Schule haben wir das nicht durchgenommen«, sagte Clark. »Niemand spricht darüber. Wie sollen wir es je besser machen, wenn wir nichts über die Dinge erfahren, die in der Vergangenheit geschehen sind?« Jonathan seufzte. »Die Menschen werfen nicht gerne ein helles Licht auf schmutzige Ecken, Clark. So ist die menschliche Natur.« Clarks Kiefermuskeln spannten sich. »Kann sein. Aber ich bin nicht so.« Er trug sein Glas zum Spülbecken und wusch es aus. »Ich will herausfinden, wer die Mwariris bedroht hat. Und wenn das Feuer von 1941 auch ein fremdenfeindliches Verbrechen war, dann will ich das auch wissen.« Jonathan verzog die Lippen. »Das wird nicht einfach sein. Ich sage es dir, die Leute wecken nicht gerne schlafende Hunde.« »Aber ich weiß, dass du nicht so denkst«, beharrte Clark. »Und ich bin mir sicher, Ma auch nicht.« »Da hast du Recht«, stimmte sein Vater zu. »Was ist, wenn es in den ›guten alten Tagen‹ genauso viele Probleme und genauso viel Hass gab wie heute?«, fragte Clark. »Ich denke, wenn wir es nicht herausfinden und uns nicht der Vergangenheit stellen, werden wir die alten Fehler immer wieder machen.« »Ich weiß das, Clark. Ich habe dir ja schon gesagt, ich bin deiner Meinung. Ich meine nur, dass es vielleicht Leute gibt, die nicht so denken.« »Die Wahrheit macht frei. Das hat mir Lana vor ein paar 62
Tagen gesagt, auch wenn sie sich nicht überwinden konnte, mir zu erklären, was sie damit meinte«, erzählte Clark. »Aber so viel weiß ich, Lana hat Recht! Chloe und ich werden alles tun, damit wir die Wahrheit herausfinden.« Jonathan lächelte. »Ich dachte mir, dass du das sagen würdest.« »Wirklich?« »So bist du eben.« Jonathan trug sein Glas zum Spülbecken. »Ich möchte, dass du weißt, Clark, dass deine Mutter und ich in dieser Sache zu hundert Prozent an deiner Seite stehen, egal was ihr herausfinden werdet.« Clark hatte plötzlich einen Kloß im Hals. Mein Vater kann manchmal ganz schön hart zu mir sein. Aber wenn es darum geht, gegen Ungerechtigkeiten zu kämpfen, ist er immer auf der richtigen Seite. »Vielen Dank, Pa. Das bedeutet mir sehr viel«, brachte Clark hervor. Sein Vater lächelte traurig. »Du bist ein guter Mensch, Clark. Und es sind viel zu oft die Guten, die verletzt werden.« »Ich bin hier, um den guten Menschen zu helfen«, erwiderte sein Sohn mit ruhiger Bestimmtheit. »Ich verstehe nicht, warum es das Böse geben muss. Aber ich glaube nicht, dass es stärker ist als die Kräfte des Guten.« »Deine Mutter denkt über diese Dinge viel philosophischer als ich, Clark. Aber vielleicht... nun vielleicht kann es keine Liebe in der Welt geben, wenn es nicht auch Hass gibt.« »Vielleicht nicht in jeder Welt«, murmelte Clark. Sein Vater sah ihn fragend an. »Manchmal frage ich mich, was passiert ist... dort, wo ich herkomme. Ist mein Planet vielleicht von einem schrecklichen Krieg zerstört worden? Hat der Hass alle getötet?« Er konnte nicht weitersprechen. Es tat zu weh. Jonathan legte seine Hand auf die Hand seines Sohnes. 63
»Ich wünschte, ich könnte deine Fragen beantworten, Clark, aber ich kann es nicht. Was ich weiß, ist Folgendes: Diese Welt ist jetzt deine Welt. Und dass du hier bist, macht aus ihr eine bessere Welt.«
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10 AM NÄCHSTEN TAG GINGEN LANA UND CHLOE direkt nach der Schule in das Büro der Fackel. Als Clark eintraf, warteten sie schon auf ihn. Er und Chloe hatten am Morgen in ihrer Freistunde schon damit begonnen, im Fall der Familie Hiromura zu recherchieren. Später wollten sich alle mit Tina und Pete treffen, um über ihre Vorführung am ›Tag der Kulturen‹ zu beratschlagen. »Da bist du ja endlich, Clark«, begrüßte Chloe ihn. »Ich hätte fast ohne dich angefangen.« Lana schüttelte den Kopf. »Die ganze Sache ist wirklich schrecklich. Ich habe Nell gefragt, und sie hat noch nie etwas von einer Familie Hiromura gehört. Was habt ihr herausgefunden?« »Wir haben einen alten Artikel über sie in der Fackel gefunden, aus dem Jahr 1938«, berichtete Clark, zog eine Kopie aus seinem Notizbuch und reichte sie Lana. »Die Hiromuras sind 1938 von Kalifornien nach Smallville gezogen. Sie haben ein Farmhaus gekauft, das am Stadtrand lag«, berichtete Chloe. »Mr. Hiromura ist in den USA geboren, seine Frau war eine Einwanderin aus Kyoto«, nahm Clark den Faden wieder auf. »Sie hatten zwei Kinder. Eines der Kinder, eine Tochter mit dem Namen Joellen, hat in dem Jahr die Smallville High besucht.« »Und dann ist ihr Zuhause abgebrannt«, sagte Lana traurig. Außer dem Artikel gab es noch ein Foto, auf dem Joellen abgebildet war. Sie hatte langes dunkles Haar und eine zierliche Figur. Sie hatte sich offensichtlich für das Foto besonders schön gemacht und ein Lächeln voller Hoffnung lag auf ihrem Gesicht. Lana reichte den Artikel an Clark zurück. Das Foto ist etwas unscharf, und die Details sind verblasst, 65
aber ich finde, dass Joellen ein bisschen wie Lana aussieht, überlegte Clark, was ihm die Tragödie nur noch dramatischer erscheinen ließ. »Wenn sie immer noch lebt, muss sie jetzt ungefähr achtzig Jahre alt sein«, überlegte Chloe. »Was ich nicht verstehe, ist, warum niemand darüber spricht. Ich weiß, dass es viele Leute in der Gegend gibt, die damals schon gelebt haben.« »Wenn sie davon überzeugt waren, dass es ein Unfall war, werden sie nicht weiter darüber nachgedacht haben«, vermutete Lana. »Hallo, wie geht’s?«, begrüßte Brian Parson alle, als er das Büro betrat. »Ich habe nicht erwartet, dass du hier bist, Chloe. Ich wollte nur die Kritik des neusten Laura-CrawfordComputerspiels abgeben, die ich geschrieben habe.« Er reichte Chloe einige Textseiten. »Danke, Brian.« Chloe stopfte den Artikel in ihr »Eingang« Fach. »Kein Problem.« Brian war schon dabei, den Raum zu verlassen, als er sich plötzlich noch einmal umdrehte. »Hört mal, ich dachte, dass euch das vielleicht interessiert.« »Was denn?«, fragte Chloe. »Dennis Jones ist nach dem Mittagessen zu mir gekommen und hat mich gefragt, ob ich ihm Mathenachhilfe geben kann – jemand hat mich empfohlen.« »Und weiter?«, fragte Chloe ungeduldig. Es war offensichtlich, dass sie mit der Besprechung weitermachen wollte. Brian zuckte mit den Schultern. »Er hat angefangen, mir zu erzählen, dass die Minderheiten alles versauen und die ganze Zeit der Lehrer beanspruchen. Deshalb muss jemand wie er Nachhilfe nehmen.« »Was für ein Ekel«, stieß Lana hervor. »Nun ja... ich dachte, dass euch das vielleicht interessiert, wo 66
doch bald der ›Tag der Kulturen‹ ist und so. Jedenfalls treffe ich mich heute Abend mit ihm in der Bibliothek, wenn ihr ihn also mal unter die Lupe nehmen wollt...« »Ich übernehme das«, versicherte Clark seinen Freunden, als Brian gegangen war. Er konnte ihnen schließlich nicht erzählen, was er in Dennis’ Schrank gefunden hatte, weil er ihnen nicht erklären konnte und durfte, wie er den Schrank geöffnet hatte. »Was wirst du tun?«, fragte Lana. »Du kannst den Typ doch nicht fragen, ob er und sein idiotischer Freund das Haus der Mwariris verwüstet haben.« »Mir fällt schon was ein«, erwiderte Clark. »Die ganze Sache gibt mir ein Gefühl von Machtlosigkeit«, stellte Lana fest. »Ich wünschte, ich könnte irgendetwas tun.« Ein nachdenklicher Ausdruck erschien auf ihrem Gesicht. »Wartet. Vielleicht können wir etwas tun.« »Ich sehe, wie Geistesblitze funken«, witzelte Pete. Lana sah auf ihre Uhr. »Wir haben noch eine Stunde, bevor wir bei Tina sein sollen. Ich dachte gerade, dass wir vielleicht einen Karton von Lex’ Fahnen mitnehmen können und auf dem Weg an die Leute verteilen, die noch keine haben.« »Ist das der Gandhi in dir?«, fragte Chloe entzückt. »Ich bin auf jeden Fall dabei.« Alle anderen außer Clark stimmten zu. »Wir sehen uns bei Tina«, sagte er. »Es gibt da noch etwas, was ich vorher erledigen muss.« »Was für ein geheimnisvoller Typ du bist!«, spöttelte Chloe kokett. »Ich weiß nicht«, sagte Lana. »Ich finde nicht, dass Clark Geheimnisse hat.« Chloe zog auf ihre spezielle Art die Augenbrauen hoch. »Ich sage ja, stille Wasser sind tief.« Lana lächelte. »Ich weiß, dass Clark Tiefen hat. Aber ich weiß auch, dass er genauso ist, wie er sich nach außen hin gibt. 67
Ich würde sogar sagen, dass Clark Kent der ehrlichste und offenste Mensch ist, den ich kenne.« Moment mal, die streiten sich doch nicht etwa um mich?, überlegte Clark. »Äh...« Mehr fiel ihm nicht ein. »Treffend gesagt, Clark.« Chloe tätschelte seinen Arm, glitt vom Tisch und warf sich ihren Rucksack über die Schulter. »Lana und ich müssen es wahrscheinlich wie König Salomon machen und dich in zwei Hälften teilen.« »Warum sollten wir das tun? Ich bin nicht hinter Clark her«, erwiderte Lana. »Ich habe einen Freund. Nur weil Whitney jetzt in der Armee ist, heißt das noch lange nicht, dass wir nicht mehr zusammen sind.« »Klar doch«, flötete Chloe. Clark kannte diesen übertrieben freundlichen Tonfall nur allzu gut. Chloe glaubte Lana kein Wort.
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11 CLARK LIEF DIE STRASSE HINUNTER und kämpfte gegen die Versuchung an, den Weg zu Tina in Supergeschwindigkeit zurückzulegen. Es waren einfach zu viele Autos unterwegs. Er wusste, wie komisch es für einen zufälligen Beobachter aussehen würde, wenn er von einem Augenblick auf den anderen verschwand. Hüte dein Geheimnis, Clark! Wie oft hatten seine Eltern ihm das schon gesagt! Und wie viele Male hatte er das schon vergessen und sich beinahe verraten. Nachdem die anderen sich auf den Weg gemacht hatten, um die Flaggen zu verteilen, war er zu Dennis’ und Phils Schließfächern zurückgekehrt, um sie noch einmal zu durchsuchen. Er hatte sie wieder geöffnet, ohne Spuren zu hinterlassen. Aber in dem Moment, wo er einen Blick hineinwerfen wollte, war Direktor Reynolds um die Ecke gekommen. Alles, was Clark noch hatte tun können, war die Schranktüren wieder unauffällig zu verschließen, bevor der Direktor etwas merkte. Es war ihm aber trotzdem gelungen, einen schnellen Blick in die Schränke zu werfen. Mittlerweile befanden sich zwei Dosen Farbspray in Dennis’ Schrank. Aber sie waren beide nicht rot. Misstrauischer als zuvor verließ Clark das Schulgebäude. Er lief die Straße entlang. Viele der Häuser, an denen er vorbeiging, hatten die Solidaritätsflaggen in den Fenstern oder über der Eingangstür hängen. Er freute sich darüber. Nach etwa zehn Minuten erreichte er die Straße, in der Tina lebte. Es war eine Sackgasse. Obwohl er langsam gegangen war, wusste er, dass er als Erster eintreffen würde. Er war schon ein paar Mal bei Tina gewesen. Es war ein weißes Haus, umgeben von einem Garten, der der ganze Stolz der Großmutter war. Das Anwesen lag auf dem Gipfel einer 69
kleinen Anhöhe, die im flachen Kansas sogar als Hügel gelten konnte. Auf der anderen Seite des Hauses reichte der Garten bis zur nächsten Straße. Clark erinnerte sich daran, dass die alte Mrs. Wu sich darüber beklagt hatte, dass es im Haus immer kalt war. Er musste daran denken, als ein riesiger HeizölLastwagen an ihm vorbeirumpelte. Ich wette, der LKW ist auf dem Weg zu... Plötzlich sog Clark scharf die Luft ein. Statt vor dem Haus anzuhalten, steuerte der riesige Tanklaster direkt darauf zu. Ist der Fahrer etwa eingeschlafen? Wenn der LKW das Haus rammt... Aber es blieb ihm keine Zeit zum Nachdenken, keine Zeit, um zu überlegen, ob ihn jemand beobachtete. Er setzte sich in Bewegung, und mit einer unglaublichen Geschwindigkeit sprang er in die ›Clark-Zeitzone‹. Während in der realen Zeitzone der LKW weiter auf das Haus zufuhr, schien er in der ›Clark-Zeitzone‹ eingefroren zu sein. Clark sprang durch das Seitenfenster auf der Fahrerseite. Klirrende Glassplitter flogen nach allen Seiten. Er wollte seinen Augen nicht trauen. Niemand saß auf dem Fahrersitz – niemand fuhr den Wagen! Eine Holzplanke klemmte das Gaspedal ein und drückte es nach unten. Clark riss das Lenkrad nach links, trat mit aller Kraft gegen das Holzstück, sodass es krachend zersplitterte und stieß mit dem Fuß auf die Bremse. Das Gaspedal löste sich, und der LKW rumpelte über den Bordstein in den Vorgarten der Wus, quer über eines von Großmutter Wus Blumenbeeten und rammte dabei fast die Seite des Hauses. Endlich gelang es Clark, den Wagen auf dem Gipfel der Anhöhe zum Stehen zu bringen. Er stieß einen Seufzer der Erleichterung aus. Unter sich, am Fuß des Hügels, sah er Häuser. Häuser, die alle vollständig zerstört worden wären, wenn der LKW über den Hügel gerast wäre. 70
»Hey, du! Du in dem LKW!« Hat mich jemand gesehen? Ich muss mir eine Geschichte ausdenken, eine glaubwürdige Erklärung. Denken, Gehirn, denken! Clark öffnete die Fahrertür und stieg aus. Viele Anwohner waren jetzt auf der Straße, und jeden Moment kamen weitere hinzu. Clarks Freunde waren angekommen und rannten auf ihn zu, als sie die Reifenspuren auf dem Rasen erblickten. »He, du in dem Wagen!« Der LKW-Fahrer bahnte sich einen Weg durch die Menge. Clark erkannte ihn an seiner Arbeitsuniform. Er ergriff Clarks Hand und schüttelte sie heftig. »Gott sei Dank! Vielen Dank, Junge, was für ein Glück! Wie zum Teufel hast du den Wagen zum Stehen gebracht?« »Er fuhr nicht so schnell«, log Clark. »Also habe ich es geschafft, aufzuspringen. Ich glaube, ich war einfach zur richtigen Zeit am richtigen Ort.« Lana drängte sich neben den Fahrer. »Clark, ist alles in Ordnung?« Clark fegte einige Glassplitter von seiner Schulter. »Alles in Ordnung, danke.« »Es ist ein Wunder, dass dir nichts passiert ist«, meinte sie. Die Sorge stand ihr ins Gesicht geschrieben. »Es geht mir gut«, versicherte Clark. Während die Leute auf den LKW-Fahrer einredeten, trafen die restlichen Freunde ein und umringten Clark. »Mann, wenn das gefilmt worden wäre, wärst du heute Abend in den Nachrichten! Mit Sicherheit!«, rief Pete aus. »Unglaublich!« Zum Glück gibt es kein Filmmaterial, dachte Clark. »Du erstaunst mich wirklich«, stellte Chloe fassungslos fest »Es passiert so oft, dass du derjenige bist, der irgendjemand oder irgendetwas vor einer Katastrophe rettet.« »Ich weiß nicht, ob ich Glück oder Unglück habe«, erwiderte 71
er bedauernd. Es war die beste Antwort, die ihm einfiel. »Jedenfalls ist es ein Glück für Smallville«, meinte Tina. »Nun, ich bin froh, dass nichts passiert ist.« Clark wandte sich an den LKW-Fahrer. »Das ist doch Ihr LKW?« Der Fahrer nickte. »Alle fragen mich, wie das geschehen konnte, aber ich weiß es selber nicht. Ich sitze ganz normal in der Fahrerkabine und biege in diese Straße ein, und auf einmal liege ich auf dem Asphalt.« »Sie erinnern sich nicht daran, wie Sie ausgestiegen sind?« »Nein«, antwortete der Fahrer. »Denn ich bin nicht ausgestiegen.« »Vielleicht hat er getrunken«, rief jemand aus der Menge. »Hey, ich fahre schon seit zwanzig Jahren LKW und hatte noch nie ein Problem«, verteidigte er sich. »Und ich nehme nie einen Drink, wenn ich fahre. Ich sage Ihnen, das ist eine ziemlich verrückte Geschichte!« »Da war eine Holzplanke in der Fahrerkabine, um das Gaspedal runterzudrücken«, erklärte Clark. »Die haben Sie nicht dort befestigt?« Der Fahrer sah entsetzt aus. »Machst du Witze?« Clark war davon überzeugt, dass der Mann die Wahrheit sagte. »Ich habe die Polizei angerufen«, sagte eine Frau in der Menge. »Sie sind auf dem Weg hierher.« »Wo ist das Holzstück, von dem du redest, Clark?«, fragte Chloe, die einen Blick in den Wagen warf. »Die Cops werden das sehen wollen, wenn sie hier sind.« »Äh, ich habe es geschafft, es durchzutreten«, log Clark. Chloe hob einen Holzsplitter auf. »Meinst du diese Dinger? Da sind tausende von im Wagen. Und das hast du mit dem Absatz deines Turnschuhs gemacht?« »Es war wahrscheinlich... nur ein ziemlich dünnes Stück Pressholz.« 72
Zu seiner Erleichterung schien Chloe diese Geschichte zu schlucken. Zum Glück hat niemand gesehen, wie ich meine übermenschlichen Kräfte eingesetzt habe, um diesen LKW anzuhalten, und hoffentlich guckt sich Chloe die Holzsplitter nicht zu genau an. Mit Sicherheit war das kein dünnes Pressholz, sondern eher ein Zaunpfahl, dachte Clark. Er sah sich um, und sein Blick blieb an einer Baustelle haften, die sich an der Straßeneinfahrt befand. Ein neues Haus sollte dort gebaut werden. Ich bin mir sicher, dass das Holz von dort stammt, überlegte er. Er zog Chloe zur Seite. »Wir haben ein großes Problem. Erst werden die Flyer für den ›Tag der Kulturen‹ in Brand gesetzt. Dann wird das Haus von Shaabans Eltern verwüstet. Und jetzt hätte ein LKW mit einer Ladung Heizöl fast das Haus von Tinas Großmutter geplättet. Ich glaube, das hängt alles zusammen.« »Du meinst, jemand hat die Wus im Visier gehabt?«, fragte Chloe so leise, dass niemand sie hören konnte. »Weil sie aus Singapur kommen?« »Ich wünschte, es wäre nicht so«, antwortet Clark. »Aber ich glaube, dass es so ist.« Chloe verschränkte die Arme. »Ich auch.« Clark gab sich Mühe, leise zu sprechen. »Wenn wir Recht haben, Chloe, sind eine Menge Menschen in Gefahr. Der erste Anschlag war gegen öffentliches Eigentum gerichtet, der zweite und dritte gegen Privatbesitz, aber das nächste Mal könnte es...« Er brauchte den Satz nicht zu beenden. Chloe verstand ihn auch so. Das nächste Mal könnte es Mord sein.
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12 GENESIS-TAGEBUCH: EINTRAG NR. 2 UNGLAUBLICH. Meine Kräfte wachsen! Ich habe eine Liste von den ANDEREN gemacht, die ich aus Smallville vertreiben muss. Der nächste Name auf meiner Liste war Wu. Das Mädchen, Tina, ist Ehrenschülerin auf der Smallville High. Ich bin mir sicher, ihre Familie hofft, dass sie ein Stipendium an einem teuren College bekommt. Und dann nimmt sie einem echten Amerikaner den Platz weg. Nun. gegen solche Ungerechtigkeiten kann ich etwas unternehmen. Und das habe ich getan. Ich habe mir das Haus der Wus vorher angesehen. Ich wollte die Sache nach der Schule durchziehen. Als ich nach Hause kam, hörte ich, wie meine Mutter in der Küche mit einer Sprachkassette Spanisch übte. Sie hat gesagt, das sei hilfreich, weil doch jetzt so viele Spanier hierher ziehen. Ich war fassungslos. Mein Vater hatte mir erzählt, dass die Leute früher nur Spanisch gelernt haben, wenn sie an der Schule dazu gezwungen wurden. Jetzt lernen sogar Farmer Spanisch, um sich mit ihren Gastarbeitern unterhalten können. Dabei sind das gar keine Gastarbeiter mehr. Denen gefällt es doch in Smallville, und deshalb entscheiden sie sich hier zu bleiben. Und eines Tages wird die Mehrzahl der Leute in Smallville nicht mehr weiß sein. Wacht auf, ihr Idioten. Während ihr Händchen haltet und ›Kumbayah‹ singt und die ›kulturelle Vielfalt‹ feiert, übernehmen sie das Land! Das Schlimmste war, dass eine von diesen Solidaritätsflaggen über der Tür hing. Über der Tür von meinem Zuhause! Was, wenn mein Vater aufgetaucht wäre und das gesehen hätte! Wahrscheinlich bekam ich deshalb wieder einen Anfall. 74
Ich riss die Flagge herunter und rannte in mein Zimmer, wo ich sie in tausend Fetzen zerschnitt. Das half mir, wieder runterzukommen. Dann drehte ich die Sanduhr um und wechselte die Zeitzone. Ich schlenderte lässig zum Haus von Tinas Großmutter hinüber. Ich genoss die bewegungslose Welt um mich herum. Ich kam an einer Gruppe von Cheerleadern vorbei, die mit ihren Freunden in einen Jeep einsteigen wollten. Diese Mädchen glauben, sie können machen, was sie wollen, nur weil sie scharf aussehen. Einen Typen wie mich sehen die noch nicht mal an. Ich ging rüber zu der Gruppe, sah mich ein bisschen um, und bewunderte die schöne ›Landschaft‹. In Normalzeit hätten die gesagt, ich solle verschwinden und ihre Freunde aufgefordert, mich in den Hintern zu treten. Aber jetzt konnten sie nichts tun, um mich daran zu hindern. Es war fantastisch, wirklich unglaublich. Ich hätte alles tun können, was ich wollte. Alles. Aber wie ich schon in meinem ersten Eintrag geschrieben habe – das ist nicht die Art, die mein Vater mir beigebracht hat. Nicht lügen, nicht stehlen, und Leute deinesgleichen mit Respekt behandeln. Also hätte ich diesen Cheerleadern niemals etwas getan. Mein Vater hat meine Mutter immer gut behandelt. Und wie hat sie ihm dafür gedankt? Bye, bye, Miss American Pie. Hat meinen Vater durch ihn ersetzt. Und jetzt gibt es sogar eine Verfügung, dass mein Vater mich nicht mehr sehen darf. Ist das etwa fair? Schon alleine beim Gedanken daran spüre ich, wie das Rote wieder über mich kommt. Rot, rot, rot, rot... Okay, ich bin jetzt wieder ruhig. Habe das Rote verjagt. Manchmal schaffe ich das. Als ich sah, wie einer von diesen riesigen Heizöllastern in die Sackgasse fuhr, musste ich grinsen. Oh, Mann, was konnte ich mit diesem Ding nicht alles anfangen! Ich riss die Tür der 75
Fahrerkabine auf und zerrte den Fahrer heraus. Er war irre schwer, aber zum Glück war es wenigstens kein großer Typ. Ich sah mich nach etwas um, dass mir bei meinem Plan helfen konnte. Auf einer Baustelle lag ein Haufen Holzplanken herum. Ich schnappte mir eine und kletterte in den LKW. Dann platzierte ich die Holzplanke so, dass sie das Gaspedal runtergedrückt hielt und klemmte sie in dieser Position ein. Der fahrerlose LKW wurde schneller. Er würde geradewegs in das Haus der Wus rasen. Ich wusste, dass meine zwei Stunden fast um waren und meine Zeit in der Zone fast abgelaufen war. Aber ich war so angetan von den genialen Früchten meines Denkens, dass ich mich hinter dem Haus neben dem der Wus versteckte, um die Show nicht zu verpassen. Doch dann... Mist. Meine Mutter hat gerade an die Tür geklopft. Sie hat mich gefragt, ob ich weiß, was mit der Flagge über der Eingangstür passiert ist. Später mehr.
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13 LEX SAß IN DEM PRUNKVOLLEN ARBEITSZIMMER seines Anwesens hinter seinem Schreibtisch und ging einige Unterlagen mit Ms. Parson durch. Ein Angestellter führte Clark hinein. Lex erhob sich und gab ihm die Hand. »Clark, mein Freund. Immer schön, dich zu sehen!« »Guten Morgen, Clark«, sagte Ms. Parson mit einem warmen Lächeln. »Guten Morgen.« Er wandte sich an Lex. »Vielen Dank, dass du so kurzfristig zugesagt hast, aber ich will nicht deine Arbeit unterbrechen.« »Unsinn«, fuhr Lex dazwischen. »Nur ein paar letzte Details für unser Festival. Ms. Parson hat alles hervorragend organisiert. Und im Licht der letzten Ereignisse könnte das Festival nicht angemessener sein.« »Danke, Mr. Luthor, ich freue mich über das Vertrauen, das Sie in mich setzen.« Sie stand auf und schob die Unterlagen in ihre Arbeitstasche. »Und Clark, wie geht es mit dem afrikanischen Tanz voran?« »Er ist ziemlich... afrikanisch«, antwortete Clark lahm. »Ich bin mir sicher, dass es wundervoll wird«, meinte Ms. Parson. »Und nach allem, was die Mwariris durchmachen mussten...« Sie schüttelte den Kopf und seufzte: »Ich glaube, dass es jetzt wichtiger denn je ist, ihnen das Gefühl zu geben, dass sie ein Teil unserer Gemeinschaft sind.« »Ich stimme Ihnen voll und ganz zu«, betonte Lex. »Es gibt so viele gute Menschen in dieser Stadt«, setzte Ms. Parson hinzu. »Ich weiß, dass wir alle gegen diesen Hass sind. Ich finde den Weg hinaus, Mr. Luthor.« Sie verließ den Raum. »Eine nette Frau«, fand Lex und verschränkte die Arme über 77
der Brust. »Also Clark, mein Freund, setz dich.« »Danke.« Clark setzte sich auf ein weiches Ledersofa. »Möchtest du frühstücken? Kaffee? Irgendwas trinken vielleicht?« »Nein, danke. Ich konnte schon von den Pfannekuchen meiner Mutter nichts essen.« »Zu viel im Kopf, eh?«, erriet Lex. »Ich habe von der FastTragödie gestern vor dem Haus der Wus gehört. Sie haben Glück gehabt, dass du den LKW stoppen konntest. Das war ein ziemlich heldenhafter Einsatz.« »Halb so wild«, murmelte Clark. »Du bist immer so bescheiden, Clark. Wolltest du mit mir darüber sprechen?« »Nein. Es geht um etwas anderes.« Clark wusste nicht so recht, wie er das Thema angehen sollte, also sprang er mitten ins kalte Wasser. »Es ist wirklich beschämend, wie einige Leute die japanischen Amerikaner während des Zweiten Weltkriegs behandelt haben.« Lex brach in Gelächter aus. »Ich habe mir angewöhnt, immer eine Überraschung von dir zu erwarten, Clark, aber das ist jetzt wirklich außergewöhnlich.« »Weißt du, was damals geschehen ist?« »Tule Lake, Minidoka, Manzanar«, rasselte Lex herunter und zählte die seltsamen Namen an den Fingerspitzen seiner rechten Hand ab. »Was bedeuten diese Namen?« »Es sind die Namen einiger Internierungslager im Westen«, erklärte Lex. »Orte, an denen unsere Regierung Japaner internieren ließ. Oh ja. Der oberste Gerichtshof hat zugestimmt. Koramatsu versus Vereinigte Staaten von Amerika hieß die Akte dieses Prozesses, wenn ich mich nicht irre.« Lex drückte auf einen kleinen Knopf auf seinem Schreibtisch 78
und aus einer in die Decke eingelassenen Öffnung erschien eine Karte der Vereinigten Staaten. Lex kam hinter seinem Schreibtisch hervor, nahm einen Billardstock aus der Halterung an der Wand und deutete auf verschiedene Orte auf der Karte. »Sie befanden sich hier, hier und hier.« Clark nickte nachdenklich. »Woher weißt du das alles?« Lex brachte ein dünnes Lächeln zu Stande. »Als ich langsam begriff, dass sich mein Lernpensum im Klassenraum ab einem gewissen Zeitpunkt nicht mehr erweiterte, habe ich angefangen, mich selbst über die Dinge zu informieren, die wirklich wichtig sind.« Er zeigte auf die Landkarte. »Macht. Missbrauch von Macht. Stolz und Vorurteile. Ich denke, man kann sagen, dass dies meine Hauptfächer wurden.« »Wegen deines Vaters?« »In dem Sinn, dass er ein ganzes Buch über Machtmissbrauch schreiben könnte, ja.« Lex ließ den Billardstock wieder in den Halter gleiten. »In dem Sinn, dass ich nie so werden wollte wie er, nein.« »Ich weiß«, begann Clark. Lex hob die Hand. »Ist schon gut, Clark. Um ehrlich zu sein, habe ich ein besonderes Interesse an diesem Thema.« »Ich auch«, sagte Clark grimmig. Lex wandte seinen Kopf in Clarks Richtung. »Hm, eigenartig. Ich will dir etwas zeigen, auch wenn ich Gefahr laufe, jetzt mit ›meinem Spielzeug‹ anzugeben.« Lex trat wieder hinter seinen Schreibtisch und drückte verschiedene Knöpfe einer Konsole. Die Landkarte wurde hochgezogen und verschwand in der Decke, während gleichzeitig zwei Bücherregale auseinander glitten. Hinter ihnen befanden sich ein Fernsehbildschirm, ein Video- und ein DVD-Gerät, sowie einige Regale mit Videos und DVDs. Clark wartete, während Lex die Bänder durchwühlte und schließlich das fand, was er gesucht hatte. 79
»Voilà!«, triumphierte er und schob die Kassette in das Videogerät. »Eigentlich ist es komisch, dass ich dir das noch nicht gezeigt habe. Es ist ungefähr fünf Jahre alt.« Eine Aufzeichnung von einer Nachrichtensendung erschien auf dem Fernsehmonitor. Eine Journalistin stand vor einem Regierungsgebäude und berichtete. »Wir sind hier vor dem Polizeihauptquartier in Brader Beach, Florida«, begann sie. »Der Polizeipräsident von Brader Beach, Gary Gentry, wird gleich eine Erklärung zu der Verhaftung des siebzehnjährigen Lex Luthor abgeben, der in der letzten Nacht gefangen genommen wurde. Er ist der Sohn des bekannten Unternehmers Lionel Luthor.« »Du bist verhaftet worden?«, fragte Clark erstaunt. Lex legte seinen Zeigefinger auf die Lippen. Clark sah erstaunt, wie das Bild zu einem mikrofonumringten Rednerpult wechselte, das vor dem Eingang des Polizeipräsidiums aufgestellt worden war. Hinter dem Rednerpult standen der Polizeichef, der junge Lex und Lionel Luthor selbst. Der Polizeichef zog mit grimmigem Gesichtsausdruck eine vorbereitete Presseerklärung aus der Tasche seiner Weste, räusperte sich und begann, die Erklärung laut vorzulesen. »Die Polizei und die Stadtverwaltung von Brader Beach sprechen Lionel Luthor und seinem Sohn das tiefste Bedauern aus über die fälschliche Verhaftung von Lex Luthor gestern Nacht am Strand.« Seine Augen glitten für einen Augenblick über die versammelten Journalisten, dann hefteten sie sich wieder auf das Blatt Papier in seinen Händen. »Gestern Abend«, fuhr er fort, »wurde ein afroamerikanisches Paar am Strand von einer Gruppe weißer Skinheads angegriffen. Lex Luther intervenierte, um zu verhindern, dass das Paar schwer verletzt wurde. Als die Polizei eintraf, hielt sie Lex Luthor fälschlicherweise für einen 80
der Kriminellen.« Hinter dem Polizeichef nickte Lionel Luthor fast unmerklich. Lex’ Kinnmuskeln waren angespannt und seine Augen hatten einen harten Ausdruck. Der Polizeichef fuhr fort: »Aufgrund von Lex Luthors Kahlköpfigkeit, die ungewöhnlich für einen jungen Mann seines Alters ist, hielten ihn die Polizisten irrtümlicherweise für einen Skinhead. Nichts könnte weiter von der Realität entfernt sein. Ich habe diese Pressekonferenz einberufen, um für eine öffentliche Richtigstellung zu sorgen und um Mr. Luthor und seinem Sohn Lex unser tiefstes Bedauern über diesen Vorfall auszusprechen.« Die Journalisten begannen, Fragen zu stellen, aber der Polizeichef flüchtete, und Lex trat nach vorne. »Ich akzeptiere die Entschuldigung des Polizeichefs«, begann er. »Dennoch möchte ich, dass die Bewohner von Brader Beach und alle, die sonst noch zuhören, wissen, dass der Fehler der Polizei unentschuldbar ist.« Die Journalisten bombardierten ihn mit Fragen, aber Lex winkte mit seiner Hand ab, und es wurde wieder still. »Die Polizei hat mich gestern aufgrund meiner äußeren Erscheinung verdächtigt. Diese Verdächtigung entsprach nicht der Wahrheit. Wenn wir endlich aufhören würden, Menschen nach ihrer Hautfarbe, ihrer Kleidung, ihren Haaren – oder dem Mangel an Haaren – zu beurteilen und zu verurteilen, wäre diese Welt eine bessere Welt für alle von uns.« Der Bildschirm wurde schwarz, als Lex die Videokassette anhielt und sich lächelnd an Clark wandte. »Ich weiß, ich klinge ein bisschen pathetisch. Aber ich war erst siebzehn, und ich war wütend. Ich glaube, du verstehst warum.« »Ich finde, du hast das sehr gut gemacht, Lex«, sagte Clark zu ihm. »Ich bin beeindruckt.« Lex griff in einen kleinen Kühlschrank und zog eine der 81
blauen Glasflaschen mit seinem bevorzugten Mineralwasser heraus. »Willst du wissen, was mein Vater hinterher zu mir gesagt hat?« »Was?« »Er hat gesagt, dass es eine Fehlentscheidung von mir war zu versuchen, die Skinheads aufzuhalten.« Lex drehte den Verschluss der Flasche auf und nahm einen tiefen Schluck. »Was denkt er denn, was man tun soll, wenn man mit einem Verbrechen konfrontiert ist? Nichts?« »Für ihn war es dumm, ohne eine Waffe fünf Männern entgegenzutreten«, erklärte Lex. »Wenn es um die Kunst des Krieges geht, ist Lionel der ultimative Pragmatiker. Jedenfalls sind es Erfahrungen wie diese gewesen, die mich dazu gebracht haben, Vorurteile zu bekämpfen. Weil ich ihnen in einer gewissen Weise auch ausgesetzt war.« Clark sah auf seine Uhr. Wenn er sich nicht bald mit Supergeschwindigkeit auf den Weg zur Schule machte, würde er zu spät kommen. Aber das, was ihn hierher geführt hatte, war jetzt wichtiger. »Lex, ich brauche deine Hilfe. Es geht eigentlich um genau das, worüber du gerade gesprochen hast.« Lex legte seinen Arm über die Lehne des Sofas. »Ich bin ganz Ohr.« Clark fasste rasch zusammen, was er über das Feuer erfahren hatte, das 1941 das Haus der Familie Hiromura zerstört hatte. Er erwähnte auch seinen Verdacht, dass dieses Feuer Brandstiftung gewesen war, auch wenn die offizielle Untersuchung einen Unfall festgestellt hatte. Lex stieß einen leisen Pfiff aus. »Du glaubst also, dass der Anschlag auf das Haus der Mwariris nicht das erste Verbrechen dieser Art in Smallville war. Interessant.« Clark nickte. »Ich habe gehofft, dass du Chloe und mir dabei 82
helfen könntest, mehr darüber herauszufinden.« Lex’ Gesicht war angespannt. »Es hört nie auf, nicht wahr?« »Was hört nie auf?« »Die Angst vor allem, was anders ist.« »Ich glaube auch«, stimmte Clark zu. »Neulich hat mir Lana gesagt, dass die Wahrheit frei macht. Sie hat eigentlich über etwas anderes gesprochen, aber es stimmt. Wir müssen die Wahrheit über das herausfinden, was geschehen ist, auch wenn sie unangenehm ist.« Lex leerte seine Flasche Mineralwasser und stellte sie auf den Schreibtisch. »Ich bringe dich zur Tür. Du bist schon spät dran für die Schule.« Er hat noch nicht gesagt, ob er mir helfen wird, dachte Clark, als sie die Treppe der riesigen Eingangshalle heruntergingen. »Ich bin froh, dass ich dir das Video gezeigt habe«, überlegte Lex laut, während sie auf die Eingangstür zugingen. »Du hast schon öfters mitbekommen, dass ich es bevorzuge, wenn sich die Polizei nicht einmischt. Jetzt verstehst du vielleicht, warum ich der Polizei nicht besonders traue.« »Ja, das tue ich«, stimmte Clark ihm zu. »Gut!« Lex schlug Clark freundschaftlich auf den Rücken. »Diese Erfahrung in Florida hat mich stark geprägt. Ich war eine Nacht im Gefängnis. Als ich versucht habe, den Cops zu erklären, wer ich bin, haben sie mir nicht geglaubt. Erst als mein Vater mit einer Armee von Rechtsanwälten aus Metropolis auftauchte, bin ich entlassen worden. Wenn ich nicht Lionel Luthors Sohn wäre, säße ich vermutlich immer noch im Gefängnis.« »Unangenehme Vorstellung, hm?«, flüsterte Clark. Lex nickte. »Es gibt nichts, was ich mehr verabscheue als Vorurteile, Clark. Nichts. Ich bekämpfe sie, wo ich nur kann. Und wenn ich die ganze Welt bekämpfen muss.« Er reichte Clark die Hand. »Ich helfe dir.« 83
»Danke.« »Ruf mich morgen Nachmittag an«, schlug Lex vor. »Bis dahin habe ich neue Informationen.« Clark war verblüfft. »So schnell?« »Wenn mein Freund Clark Kent mich um einen Gefallen bittet, steht das auf meiner Liste ganz oben.« Zum Glück gehört Lex zu den Guten, überlegte Clark, während er Lex’ erstarrtes Lächeln betrachtete. Wenn er sich jemals für die dunkle Seite entscheiden würde, wäre er ein überlegener Gegner.
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14 »HOFFENTLICH DAUERT ES NICHT SO LANGE, bis wir uns in passable afrikanische Tänzer verwandelt haben«, sagte Clark zu Chloe, während sie vor der Farm parkte. »Wir könnten danach zu Dennis’ Haus rübergehen. Ich möchte wissen, ob er ein Alibi für den Zeitpunkt hat, an dem der Angriff auf das Haus von Shaabans Eltern stattfand.« »An der Tür klingeln und ihn einfach zu fragen, macht auf mich nicht gerade den Eindruck eines guten Plans«, zog ihn Chloe auf. »Du hast Recht, ich weiß«, antwortete er mit einem Grinsen. Sie lachte laut, während sie auf die Scheune zugingen, wo der afrikanische Tanzunterricht von Dr. Mwariri stattfinden sollte. »Ich habe das Gefühl, dass es die beiden waren. Wirklich.« »Aber wie haben sie es zu Stande gebracht?«, fragte Clark. »So ungern ich es auch zugebe, ich habe nicht die leiseste Ahnung«, gab Chloe zu. »Die Sache mit der Uhrzeit verwirrt mich. Wie können zwei Jungs ein ganzes Haus in wenigen Sekunden verwüsten, ohne dass jemand sie hört oder sieht?« »Ich weiß es auch nicht«, gab Clark zu. »Als wenn die Zeit irgendwie stillgestanden hätte.« Sie klimperte mit den Wimpern. »Wow, Clark, es ist so gruselig, ausgerechnet von dir so etwas zu hören. Und ich meine das in der nettesten Weise, die du dir vorstellen kannst.« Einige Minuten später waren sie oben in Clarks ›Loft‹. Dr. Mwariri warf ihnen vor, die Letzten zu sein. Dann begann er, den Rhythmus auf der Trommel zu schlagen. »Wie ich gehört habe, habt ihr jungen Leute schon zwei Mal mit meinem Sohn geübt«, sagte er, während er fortfuhr zu trommeln. Alle nickten. 85
»In unserem Land kann ein Tanz viele Dinge ausdrücken. Er schlägt eine Brücke zwischen der Weisheit der Alten und der Neugierde der Jungen. Shaaban hat mir erzählt, dass er euch schon einige einfache Grundbewegungen des afrikanischen Tanzes beigebracht hat.« »Mir kamen die nicht so einfach vor«, murmelte Pete. »Ich versichere dir, Pete, sobald der Rhythmus in deine Seele eindringt, wirst du von der Kraft des Tanzes mitgerissen werden.« »Du musst ihn einfach spüren«, erklärte Shaaban. Clark tänzelte zu Lana herüber und ließ seine Handinnenflächen vorwärts und rückwärts schwingen, auf sie zu und wieder von ihr fort. Sie sah es und erwiderte die Geste. Beide begannen breit zu grinsen. Der Tanz machte wirklich Spaß! Shaaban brachte das Trommeln mit einem kunstvollen Schlussakkord zu Ende, und die Gruppe hörte auf zu tanzen und applaudierte ihm. Er verbeugte sich spöttisch. »Ihr seid zu gütig, meine Freunde.« »Solange ich keine dämlichen Klamotten anziehen muss, bin ich absolut dabei«, betonte Pete mit einem breiten Grinsen. »Dein Dashiki wird höchst angemessen und kein bisschen dämlich sein«, versicherte ihm Shaaban. Sie probten den Tanz noch einmal, und dann trennte sich die Gruppe mit dem beruhigenden Gefühl, für die Aufführung am Sonntag gut vorbereitet zu sein. Shaaban und Pete hatten vor, mit Tina nach Hause zu gehen, um dort zu lernen. Und ich kann sie nicht begleiten, um sie zu beschützen, dachte Clark. »Seid ihr sicher, dass ihr das wirklich machen wollt?«, fragte er, während er über das Sicherheitsrisiko nachdachte. »Ihr könnt auch hier lernen, wenn ihr wollt.« »Meine Oma hat gebacken«, erklärte Tina. »Sie erwartet uns. 86
Abgesehen davon, hat sie die Geister aller unserer Ahnen gerufen, damit sie sich erheben und jeden töten, der sich an den Wus oder ihrem Haus vergreifen will!«, informierte Tina. »Mit anderen Worten, sie wäre beleidigt, wenn wir nicht zu ihr kommen würden. Und außerdem hat Mr. Luthor Sicherheitskräfte vor unserer Tür postiert. Mindestens ein halbes Duzend.« Clark lächelte. »Das sieht ihm ähnlich.« »Die ganze Sache erinnert mich an diesen alten DavidLynch-Film Blue Velvet«, meinte Shaaban düster. »Ich habe ihn in London gesehen. Auf den ersten Blick ist Smallville eine tolle, kleine Stadt, aber unter der Oberfläche...« »Smallville ist eine tolle Stadt«, beharrte Clark. »Seltsam«, fügte Chloe hinzu, »aber großartig!« »Kein Mensch bei klarem Verstand würde mit einem LKW ein Haus attackieren«, sagte Dr. Mwariri. »Und ich möchte nicht, dass du anfängst, die Leute hier zu verurteilen, nur weil ein Idiot unser Haus zertrümmert hat, Shaaban.« Shaabans Augen wurden schmal. »Komm schon, Pa. Wir können uns ja noch nicht einmal mehr in unserem eigenen Haus sicher fühlen. Ich wünschte, wir hätten Tansania niemals verlassen.« Es tat Clark weh, als er hörte, wie sein Freund dies sagte. »Wir sind froh, dass du hier bist, Shaaban«, versicherte er. »Und wir werden es nicht zulassen, dass irgend jemand den Ruf Smallvilles ruiniert.« »Vielleicht war die Sache mit dem LKW ja auch wirklich ein Unfall«, meinte Tina hoffnungsvoll. »Trotzdem bin ich froh, dass die Sicherheitskräfte vor unserem Haus stehen.« Dann machte sie sich mit Shaaban und Pete auf den Weg. Dr. Mwariri hatte eine Besprechung bei LuthorCorp, und Chloe wollte zum Farmhaus hinübergehen und den Kühlschrank plündern. Also blieb Clark mit Lana allein zurück. Nicht, dass mich das stört, dachte Clark. Er warf einen 87
verstohlenen Blick zu ihr hinüber. Ihr Gesicht war vom Tanzen noch leicht gerötet. Wie kommt es nur, dass es immer so aussieht, als würde sie von innen strahlen? »Macht Spaß, der afrikanische Tanz, nicht wahr?«, fragte Lana. »Ich hoffe, dass ich nicht so trampelig aussehe, wie ich mich fühle«, gab Clark zu. »Du bist ein sehr guter Tänzer, Clark.« Und in meinen Träumen habe ich schon so oft mit dir getanzt. Er zuckte mit den Schultern. »Es geht so.« Sie betrachtete den Boden, als wenn es dort etwas Interessantes zu sehen gäbe. »Also...«, begann sie schließlich. »Ich bin aus einem bestimmten Grund hier geblieben.« »Um mir zu sagen, wie toll ich den ›Tanz der Wahrheit‹ tanze?«, witzelte er. »Ehrlich gesagt, könntest du noch etwas daran feilen.« Clark legte seine Hände aufs Herz. »Au!« Sie schmunzelte. »Eigentlich habe ich gehofft, wir könnten miteinander reden.« »Klar.« »Vielleicht ist es nicht der richtige Zeitpunkt. Chloe kommt gleich zurück.« Sie will alleine mit mir sprechen, begriff Clark aufgeregt. »Vielleicht könnte ich später noch mal vorbeikommen«, schlug Lana vor. »Wenn du nichts anderes vorhast.« »Nein, ich habe nichts vor«, versicherte Clark ihr rasch, während sich der Plan, Dennis Jones’ Alibi zu überprüfen in seinem Gehirn in Luft auflöste. »Ist etwas nicht in Ordnung?« »Das ist eine ziemlich weit gefasste Frage«, bemerkte Lana. »Gibt es irgendein Problem, kann ich irgendwas tun?« »He, Clark, beweg dich und hilf mir mal«, rief Chloe, während sie die Leiter zum ›Loft‹ mit einem Tablett in den Händen hochkletterte. Lana und Clark erröteten beide, als 88
wenn man sie ertappt hätte. »Oh, Lana, ich wusste nicht, dass du noch hier bist.« Chloe legte den Kopf auf die Seite. »Störe ich euch?« »Eigentlich wollte ich gerade gehen«, versicherte Lana. »Das sollte kein Wink mit dem Zaunpfahl sein«, sagte Chloe. »Wenn du nach dem Essen mit uns kommen willst...?« Lana sah Clark fragend an. »Ich dachte, du hast nichts vor?« Clark wurde rot. »Uh, ich schätze, das hatte ich vergessen.« Lana nickte. »Kein Problem. Wir sehen uns später.« Chloe sah Lana hinterher, als sie die Scheune verließ. »Ich frage dich in meiner Funktion als kritische Journalistin«, begann sie. »Was ist zwischen dir und Lana?« »Wovon redest du?« »Weibliche Intuition.« »Es gibt nichts, Chloe.« »Sie hat gesagt, dass ihr euch später seht«, erinnerte ihn Chloe. »Aber wenn das ein großes Geheimnis ist...« »Ist es nicht! Sie hat gesagt, dass sie später vorbeikommt. Das ist alles.« »Oh-ha.« »Sie will nur mit mir reden, Chloe. Halt das mal. Ich will meinen Eltern einen Zettel schreiben, damit sie wissen, wo ich bin.« Er griff nach einem Blatt Papier, das in der Schublade neben dem Telefon lag, und begann eilig ein paar Zeilen zu schreiben. »Ich lege den Zettel in die Küche, bevor wir gehen.« Chloe lehnte sich über seine Schulter und las, was er geschrieben hatte. »Ich habe doch nur ›Oh‹ gesagt, Clark.« Clark warf ihr einen Blick zu, der sie hätte töten können. »Es war ein bedeutungsschwangeres ›Oh‹.« »Och.« Clark ächzte. »Abgesehen davon«, fuhr Chloe mit süßlicher Stimme fort, 89
»bin ich mir sicher, dass wenn ihr euch bei dem großen Treffen heute Abend verlobt, ich es bestimmt als Erste erfahren werde.«
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15 »ES MACHT MICH WIRKLICH VERRÜCKT, dass niemand etwas über das Feuer bei den Hiromuras zu wissen scheint«, meinte Chloe, während sie auf die LuthorCorpSiedlung zufuhren. »Ich habe eine Liste von allen Leuten gemacht, die 1941 zur Zeit des Feuers in Smallville wohnten und jetzt noch am Leben sind.« Sie wies mit dem Kinn auf ihre Tasche, die zwischen ihnen auf dem Sitz lag. »Dieses Papier da, das aus der Tasche herausguckt.« Clark überflog die Liste. Die meisten Namen waren durchgestrichen. »Und alle, die du durchgestrichen hast, haben sich geweigert mit dir zu sprechen?« »Einige haben geredet. Aber die meisten konnten sich noch nicht mal erinnern. Und die anderen haben gesagt, dass es ein Unfall war und dass sie nichts weiter darüber wissen.« »Scharf rechts an der nächsten Ecke«, sagte Clark, um Chloe den Weg zu zeigen, während er immer noch die Liste studierte. »Hm. Wer ist Gilbert Melrose? Ist er der Vater von Sheriff Melrose?« »Sein Großvater. Er lebt in diesen betreuten Appartements an der Straße nach Metropolis. Immer noch klar bei Verstand. Ich habe ihn nach dem Feuer gefragt. Er hat mir gesagt, ich soll meine Nase nicht in Sachen stecken, die mich nichts angehen.« »Das ist ja komisch. Machst du Witze?«, sagte Chloe. »Die Nächste links und dann bis zum Ende des Wohnblocks«, dirigierte Clark und betrachtete dann wieder die Liste. Er bemerkte, dass Chloe hinter manche Namen die Buchstaben NH geschrieben hatte und fragte sie, was das bedeutete. »Nachricht hinterlassen«, erklärte sie. »Siehst du den letzten Namen auf der Liste? Richter Caldwell Williams? Das ist Ms. 91
Parsons Vater. Ich werde ihn morgen nach der Schule treffen. Er ist meine letzte Hoffnung.« »Das ist Dennis’ Haus. 1212 Forest Hill Lane. Schönes Haus«, bemerkte Clark. »Kann sein.« Sie parkte das Auto auf der Querstraße neben Dennis’ Haus. »Also, großer Junge. Wie sieht dein Plan aus?« »Brian hat mir gesagt, dass er Dennis heute wieder eine Nachhilfestunde in der Bibliothek gibt. Und dass Dennis’ Eltern sie beide um neun Uhr nach dem Kino abholen. Was bedeutet, dass jetzt hoffentlich keiner zu Hause ist.« »Ich bin immer für einen guten Einbruch zu haben!«, quietschte Chloe. »Vielleicht ist ja nicht abgeschlossen.« Clarks schlechtes Gewissen meldete sich, als er daran dachte, was er vorhatte, aber die Notwendigkeit zu handeln war stärker. »Wenn wir darauf warten, dass Sheriff Melrose etwas unternimmt, dann warten wir noch bis zum nächsten Jahrhundert. Melrose ist ja immer noch mit meinen Aussagen beschäftigt.« »Ich gebe zu, das ist ein Argument.« Sie näherten sich dem Haus. Das Schild auf dem Rasen war unübersehbar. BEWACHT VON DER METROPOLIS ALARM COMPANY. SELBSTSCHUSSANLAGE. »Hoffen wir, dass die Tür wirklich offen ist«, flüsterte Chloe. Sie versuchten es an der Eingangstür. Sie war verschlossen. Die Hintertür ebenso. Clark sah zu den Fenstern hoch. Ebenfalls verschlossen. Wie kommen wir hier rein? Ich will keine Spuren hinterlassen. Und die Selbstschussanlage will ich definitiv nicht ausprobieren. Er sah sich um. An einer Ecke des Hauses befand sich der Eingang zu einem Sturmkeller, ähnlich wie auf der Farm der Kents. Wenn sie Glück hatten, gab es im Sturmkeller eine Tür, 92
die von dort aus ins Haus führte. Aber der Sturmkeller war mit einer zentimeterdicken Metallkette verschlossen. Er wusste, dass er die Kette mühelos mit seinen Super-Kräften zerreißen konnte, aber nur, wenn Chloe nicht dabei war. Ich muss sie für eine Minute loswerden. Sonst geht gar nichts. »Oh, Mann«, stieß er hervor, griff sich an den Bauch und krümmte sich vornüber. »Was?« Chloe sah alarmiert aus. »Ein Krampf. Ein schlimmer. Meine Mutter hat mich mit so einer Magen-Darm-Grippe angesteckt«, erfand er. »Jetzt fängt es ganz plötzlich wieder an.« »Wir können ein anderes Mal zurückkommen...« »Argh«, ächzte Clark. »Ich habe Tabletten dagegen. In meinem Rucksack. In deinem Auto.« Er ließ sich auf den Rasen fallen und versuchte, überzeugend zu stöhnen. »Ich hole sie dir. Beweg dich nicht.« »Danke, Chloe!« Sobald Chloe außer Sicht war, flitzte Clark zum Sturmkeller hinüber, griff die schwere Kette mit beiden Händen und zeriss sie wie ein Kinderspielzeug, dann öffnete er die Tür und kletterte in den Keller. Vergiss bloß nicht, die Kette wieder zusammenzuschweißen, erinnerte er sich selbst. Mit Supergeschwindigkeit raste er durch den Keller, fand die Verbindungstür zum Haus und betrat den eigentlichen Keller des Hauses. Er sah die Laserstrahlen, die ein Gitter vor der Tür bildeten, die nach oben in das Haus führte. Er wusste, dass der Alarm ausgelöst werden würde, sobald einer der Strahlen ihn berührte. Also musste er unter ihrem feinen Netzwerk hindurchkriechen und sich dabei in alle Richtungen verrenken und verbiegen. Dann lief er rasch ins Haus und fand den Kontrollschalter des Sicherheitssystems im Wohnzimmer. Es 93
genügte, dass er ihn mit seinem rechten Zeigefinger kurz antippte, und das System war deaktiviert. »Clark? Clark!« Er hörte, wie Chloe nach ihm rief. Er raste in die Küche, öffnete die Hintertür für Chloe und winkte ihr zu. »Wie bist du hier reingekommen?«, fragte sie. »Äh... Kellerfenster«, deutete er an. »Ich hab mich umgesehen, es ist niemand hier.« »Was ist mit deinen Krämpfen?« Sie hielt ihm seinen Rucksack hin. Für einen Moment wusste er nicht, wovon sie redete. Richtig! Seine »Tabletten«! »Ich konnte keine Tabletten hier drin finden, Clark. Aber du scheinst dich ja auf geheimnisvolle Weise wieder erholt zu haben.« »Die Krämpfe kommen und gehen«, erklärte Clark. Sie sah nicht sehr überzeugt aus. »Und was hast du mit dem Alarmsystem gemacht?« »Glück gehabt. Sie haben vergessen, es einzuschalten«, antwortete Clark. »Bist du sicher?« Clark nickte. »Komm schon. Wir sollten Dennis’ Zimmer durchsuchen.« »Du gehst vor.« Es war leicht, das Zimmer zu finden. Die Wände waren mit Postern von Heavy-Metal-Bands aus den späten siebziger Jahren bepflastert. An einer Wand stand ein Fernseher, darauf ein Videogerät. Eine ganze Reihe von Kassetten stapelte sich auf der anderen Seite des Zimmers. »Dass er AC/DC hört, macht noch keinen Kriminellen aus ihm, denke ich«, meinte Clark. »Das ist nur ein Fall für die Stilpolizei.« Chloe durchsuchte den Raum. »Wenn wir nur ein Tagebuch oder so etwas finden würden.« Sie suchten noch eine Weile, aber es gab nichts, was ihn 94
belastete. »Vielleicht sollten wir jetzt den Rest des Hauses durchsuchen«, schlug Clark vor. »Ich will nicht zu lange hier bleiben, für den Fall, dass sie früher nach Hause kommen.« Sie sahen sich so gründlich wie möglich um, aber sie fanden nichts. Ihre letzte Etappe war die Garage. Clark öffnete vorsichtig die Tür. »Uh, oh!«, ächzte Chloe, als sie sah, was darin war. Die Garage wurde offensichtlich als Lagerraum genutzt. Der Boden war mit Plastikplanen bedeckt. Einige lange Leitern lehnten an der Wand. In einer Ecke stapelten sich Dutzende von Farbeimern. Auf der anderen Seite befanden sich professionelle Werbetafeln – Poster die auf Holzrahmen aufgezogen waren: ZWEI JUGENDLICHE STREICHEN IHR HAUS Neu in der Gegend – Günstige Preise! 555-8756 Also gut, das erklärt die Farbdosen in seinem Schrank, dachte Clark. Er begann wahllos, das Gerümpel mit seinem Röntgenblick zu durchleuchten. »Ehrlich gesagt, glaube ich, dass wir hier nichts finden werden.« Er ging hinüber zu einer der Planen und zog sie beiseite, um Chloe zu zeigen, was er mit seinem Röntgenblick schon gesehen hatte. Ein paar Lautsprecher, einige E-Gitarren in ihren Kästen und ein vollständiges Schlagzeug kamen zum Vorschein. »Eine Garage-Band«, sagte Chloe. »In einer Garage.« Clark fand einige Zettel auf der einen Box und betrachtete sie näher. »Sieh dir das an, Chloe.« Sie beugte sich über seinen Arm. Die Zettel waren 95
Rechnungen für einen Proberaum in einem Musikstudio in Metropolis. Clark ging sie alle durch, dann hielt er einen von ihnen hoch. »Hier ist ihr Alibi. Als das Haus von Shaabans Eltern verwüstet wurde, haben sie in Metropolis mit ihrer Band geprobt. Hier ist die Rechnung. Unterschrieben von Dennis und Phil.« »Super«, sagte Chloe. »Statt sie zu überführen, haben wir sie entlastet.« »Ich bin froh, dass wir uns geirrt haben«, erklärte Clark. »Weißt du, dass wir Dennis und Phil aufgrund ihres Aussehens verdächtigt haben? Und das ist wirklich nicht in Ordnung, oder Chloe?« »Es war auch ihr Benehmen«, erinnerte ihn Chloe. »Er und sein Kumpel haben auf der Versammlung nicht applaudiert.« »Wir haben sie verurteilt, ohne die Tatsachen zu kennen«, erwiderte Clark, während er sich noch mal daran erinnerte, dass er nicht vergessen durfte, die Metallkette wieder zu verschweißen. »Okay, wir haben einen Fehler gemacht«, seufzte Chloe. »Aber wenn es nicht die Typen aus Idaho waren, wer dann?« »Ich weiß nicht, Chloe. Wir sind wieder genau da, wo wir angefangen haben. Aber wir kriegen das raus.« Sie atmete tief ein, bevor sie ihn wieder ansah. »Wir müssen es rauskriegen, Clark. Ich kann es sonst nicht mehr ertragen, in dieser Stadt zu leben.«
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16 CLARK FOKUSSIERTE MIT SEINEM TELESKOP Lanas Haus und blickte durch den Sucher. Er hoffte, Lana, die versprochen hatte, zur Kent-Farm herüberzukommen, in den Maisfeldern zu entdecken. Er seufzte. Vielleicht war es albern gewesen zu erwarten, dass sie tatsächlich vorbeikam. Aber alles war einfach perfekt: Shaaban war mit seinen Eltern ins Kino gegangen und Clark hatte sein ›Loft‹ für sich alleine. Er hatte die Dave-MathewsBand aufgelegt, und die Nacht war sternenklar. Alles, was jetzt noch fehlte, war das richtige Mädchen. Er warf noch einen Blick durch das Teleskop. Nichts. »Utumaliza limau shaba haiwi dhahabu«, murmelte Clark vor sich hin, während er das Haus von Lanas Tante betrachtete. Das war ein Sprichwort auf Suaheli, das wörtlich übersetzt bedeutete: Kupfer verwandelt sich niemals in Gold. Mit anderen Worten: Wünsch dir niemals das Unmögliche. Und Lana ist für mich unerreichbar, dachte er. »Clark?« Er fuhr herum. Lana stand auf der obersten Sprosse der Leiter. Plötzlich wusste er nicht mehr, was er mit seinen Händen tun sollte. Er entschied sich dafür, sie tief in die Taschen seiner Jeansjacke zu stecken. »Du bist doch noch gekommen.« »Fast hätte ich es nicht getan«, gab sie zu. »Ich habe einen Umweg gemacht. Deshalb konntest du mich mit deinem Teleskop auch nicht sehen.« »Ich habe nicht nach dir...« Er sprach nicht weiter. Es war eine zu offensichtliche, eine zu blöde Lüge. »Erwischt«, gab er zu. »Vergeben.« Sie kam zu ihm herüber. Sie richtete das 97
Teleskop auf den Sternenhimmel. »Fragst du dich jemals, was da draußen ist, Clark?« Öfter, als du dir vorstellen kannst, dachte er, doch stattdessen antwortete er: »Manchmal.« »Ich stelle mir oft vor, dass es Leben auf anderen Planeten gibt«, sagte sie melancholisch. »Dann wäre unsere Welt irgendwie nicht so einsam. Manchmal sehe ich den Mond an und denke an Whitney... ob er vielleicht in diesem Augenblick auch den Mond anschaut.« Clark war sich jetzt sicher, dass sie ihm zu sagen versuchte, wie tief sie für Whitney empfand. Er würde es akzeptieren müssen. Er konnte sie ja nicht dazu zwingen, ihn zu lieben. Warum muss es nur so wehtun?, dachte er. »Ich verstehe dich, Lana«, zwang er sich zu sagen. »Ich bin mir sicher, dass er dich genauso vermisst wie du ihn.« Lana drehte sich zu Clark um. »Nein, du verstehst mich nicht. Wenn ich dem Mond eine Nachricht schicken könnte, dann würde ich sagen, dass ich mir nicht mehr sicher bin, ob ich Whitney überhaupt liebe. Ich kann ihn nicht mit einer Lüge leben lassen. Und ich will nicht, dass er mich für jemanden hält, der ich nicht bin.« Sie fuhr sich unruhig mit ihren Händen durchs Haar. »Himmel, ich klinge bestimmt verrückt.« »Weißt du, du solltest warten, bis Whitney wieder nach Hause kommt, bevor du...« »Ich weiß, was ich sollte, Clark. Ich sage es mir ja selber die ganze Zeit. Aber es geht schließlich um mein Leben, und deshalb finde ich es so schrecklich. Aus genau diesem Grund habe ich ihm keine Versprechungen gemacht, bevor er gegangen ist.« »Ich verstehe«, sagte Clark. »Ich aber nicht. Jedenfalls nicht ganz«, gab Lana zu. »Ich finde nicht die richtigen Worte.« Langsam hob sie die Arme und langsam drehte sie ihre 98
Handflächen zu Clark. Das Zeichen für Liebe: Die Handflächen zeigen nach außen auf den Geliebten. »Lana...« »Du musst nichts sagen. Ich wollte nur, dass du weißt, warum ich das Videoband nicht abgeschickt habe.« Clark kämpfte mit sich. Nichts würde ihn glücklicher machen, als Lana in seine Arme zu nehmen und sie jetzt zu küssen, so wie er es sich schon oft vorgestellt hatte. Aber wie konnte er? »Du und Whitney, ihr seid schon lange zusammen, Lana. Und Whitney hat viel durchgemacht, als sein Vater krank war...« »Glaubst du etwa, ich weiß das nicht?«, erwiderte Lana sanft. »Ich sage dir ja auch nicht, dass ich keine Gefühle für Whitney habe. Das wäre nämlich eine Lüge. Ich sage nur, dass... ich auch Gefühle für jemand anderen habe. Ich werde zwar nichts dafür tun. Aber ich musste dir die Wahrheit sagen. Damit du weißt, dass ich nicht leichtsinnig mit Gefühlen umgehe.« »Das weiß ich doch, Lana«, versicherte Clark. Und dann, ganz langsam, hob er auch seine Handflächen und drehte sie nach außen, ihr entgegen. Sie ging auf ihn zu, bis sich ihre Handflächen berührten. »Es gibt in der letzten Zeit so viel Hass in Smallville, Clark«, flüsterte sie. »Es tut gut zu wissen, dass es hier auch Liebe gibt.«
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17 GENESIS-TAGEBUCH: EINTRAG NR. 3 ICH KANN NICHT SCHLAFEN. Das Rote kommt immer öfter. Ich weiß auch warum. Weil ich meinen Vater enttäuscht habe. Ihn hängen gelassen habe, nachdem er mir die Sanduhr anvertraut hat. Kein Wunder, dass er nicht nach Smallville zurückgekehrt ist, um mich zu holen. Ich habe meine besondere Gabe verschwendet. Was ist, wenn meine Besuche in der Zeitzone begrenzt sind? Oder wenn mir die Sanduhr gestohlen wird? Um sicher zu sein, werde ich sie immer bei mir haben. Ich werde auf die richtige Gelegenheit warten. Noch einen Anschlag vielleicht. Auf das vietnamesische Nagelstudio auf der Hauptstraße. Und dann schenke ich Smallville einen ›Tag der Kulturen‹, an den es sich für immer erinnern wird. Aber nicht am Tag des Festivals selbst – es wird von Polizei nur so wimmeln, da bin ich mir sicher. Aber an diesem Sonntag findet eine Messe in der Kirche an der Straße nach Jaspar statt. Sie werden alle dort sein. Kent, Lang, Ross, Wu, sogar die Familie aus Afreaka. Und wenn ich mit denen dann fertig bin, wird es niemanden mehr geben, der das Festival besuchen könnte. Pa, lass es dir gesagt sein, ich bin dein Sohn – Brian Parson.
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18 AM NÄCHSTEN NACHMITTAG saßen Clark und Chloe auf dem Rücksitz von Familie Kents Zweitwagen; Jonathan saß am Steuer, Martha saß neben ihm. Sie verließen Smallville auf der Landstraße. Clark lehnte sich zu Chloe hinüber. »Vielleicht gibt es noch andere Informationsquellen, die wir übersehen haben?« »Gibt es nicht«, antwortete Chloe. »Ich habe mit allen gesprochen. Mit manchen sogar zweimal. Ich habe nichts herausbekommen, Clark. Nix. Null. Nada.« Martha drehte sich auf ihrem Sitz um. »Ich weiß, wie wichtig es für euch ist zu beweisen, dass das Feuer im Haus der Hiromuras kein Unfall war«, sagte sie. »Aber mal im Ernst, was bringt das? Hass hat es immer gegeben, wisst ihr.« »Genau aus diesem Grund wollen wir Gerechtigkeit«, betonte Clark und erinnerte sich daran, was Lex gesagt hatte. »Und aus diesem Grund werden wir auch nicht aufgeben«, grollte Chloe. Jonathan warf ihr über den Rückspiegel einen Blick zu. »Ich bewundere deine Energie, Chloe. Deshalb habe ich auch versucht, herauszufinden, wo Sid und Mary Wilson in Jaspar leben. Sie waren Freunde meiner Eltern und wohnten früher in Smallville. Vielleicht können sie sich an etwas erinnern.« »Danke«, sagte sie finster und starrte aus dem Fenster auf die Maisfelder, die draußen vorüberflogen. Clark stieß sie leicht mit dem Ellbogen an. »He. Ich habe etwas, was dich vielleicht aufheitern wird.« »Was?« »Ich habe gestern ein bisschen im Internet recherchiert. Ich glaube, dass ich Joellen Hiromura gefunden habe.« Chloes Augen weiteten sich. »Du machst Witze!« »Nun, es ist kein sehr häufiger Name. Eine Frau mit diesem 101
Namen lebt in San Francisco. Sie war Kuratorin am DeYoungMuseum im Golden-Gate-Park, aber sie ist jetzt pensioniert. Was bedeutet, dass sie das richtige Alter hat. Ich glaube, sie ist es.« »Das ist großartig, Clark. Warum schreibt ihr ihr nicht einen Brief?«, schlug Martha vor. »Um ihr was zu sagen?«, fragte Chloe. »Wir wissen, dass damals jemand ihr Haus angezündet und ihr Leben zerstört hat, aber wir können es leider nicht beweisen?« »Wir können es noch nicht beweisen«, korrigierte Clark. »Es ist gut möglich, dass ihr nicht findet, wonach ihr sucht, Clark«, schaltete sich Jonathan ein, während er das Auto an einem Weidengatter vorbeisteuerte. »Auf welcher Seite bist du, Pa?«, fragte Clark scharf. »Wow, immer langsam Clark. Ich fahre euch zu den Wilsons, oder etwa nicht? Ich weiß, du bist enttäuscht, aber ich bin nicht euer Feind.« »Entschuldige«, murmelte Clark. Wütend über seine Hilflosigkeit in dieser Situation sah er aus dem Fenster. Sie fuhren an dem Maisfeld vorbei, auf dem einst das Haus der Hiromuras gestanden hatte. Aber es sah plötzlich ganz anders aus. Chloe war fassungslos. »Was zum Teufel ist hier los?« Von dem idyllischen, ruhigen Maisfeld war nichts mehr zu erkennen. Fast alle Maisstauden waren niedergetrampelt. Traktoren, Planierraupen und Schaufelbagger, die alle das LuthorCorp-Zeichen trugen, wühlten die Erde auf. In der Mitte des ehemaligen Feldes stand eine Baubaracke, die eine Art improvisierte Kommandozentrale zu sein schien. »Lex«, vermutete Clark. »Willst du uns verraten, was du meinst?«, fragte Jonathan. »Ich habe ihn um Hilfe gebeten.« Martha sah aus dem Fenster. »Nun, es sieht so aus, als wenn du bekommst, wonach du gefragt hast.« 102
»Pa, können wir anhalten?« »Ich hoffe, dass Lex eine Genehmigung hierfür hat«, stieß Jonathan hervor, während er das Auto an den Straßenrand steuerte und auf einen Feldweg fuhr, der zwischen den umgeknickten Maisstauden freigeräumt worden war. »Aber so etwas Unwichtiges wie das Gesetz kann Lex Luthor wohl nicht aufhalten.« Jonathan hielt neben der Baracke, aus der Lex gerade herauskam. »Hallo zusammen«, grüßte er in die Runde. »Tut mir Leid, dass ich noch nicht zurückgerufen habe, Clark. Aber wie du siehst, versuche ich dir die Unterstützung zu geben, nach der du gefragt hast.« »Wofür ich sehr dankbar bin«, gab Clark zu. »Aber das hier ist nicht dein Grundstück. Wie kommt es, dass du es umgräbst?« »Die rechtzeitige und gerechtfertigte Anwendung von Kapital, kann grundlegende Resultate zur Folge haben«, dozierte Lex, während er mit einer weit ausholenden Geste über das Feld deutete. »Deshalb die gründliche Untersuchung eines Ortes, an dem vielleicht ein Verbrechen stattgefunden hat.« »Smallville gehört den Luthors nicht«, erinnerte Jonathan ihn. »Die Leute hier nehmen es nicht freundlich auf, wenn man ihr Eigentum beschädigt.« Lex lächelte. »Ich bin ganz und gar Ihrer Meinung, Jonathan. Und aus exakt diesem Grund habe ich das Grundstück, auf dem Sie stehen, auch gekauft.« »Meinen Sie das ernst?«, fragte Martha. Lex lächelte. »Geld schafft Möglichkeiten«, warf Chloe ein. Sie beobachtete, wie die Arbeiter schwere Plastikbeutel voller Erde in die Baracke schleppten. »Ich bin beeindruckt.« Lex verneigte sich leicht vor ihr. »Danke, Chloe. Es freut 103
einen immer, wenn Bemühungen anerkannt werden.« Clark wies mit dem Kinn auf die Baracke. »Was passiert dort drinnen?« »Ein mobiles kriminalistisches Labor«, erklärte Lex. »Man muss nur die richtigen Leute kennen und die richtigen Anrufe ausführen. Einige der bekanntesten Gerichtslaboranten dieses Staates sind uns zu Hilfe geeilt. Es wird nicht lange dauern, bis wir gefunden haben, wonach wir suchen...« In diesem Augenblick kam eine rothaarige Wissenschaftlerin in einem weißen Kittel aus der Baracke, sah sich nach Lex um und kam dann auf ihn zu. »Wo wir gerade von renommierten Wissenschaftlern sprechen«, sagte Lex. »Dies ist Dr. Mariah Berman. Sie leitet die Untersuchung.« Dr. Berman nickte ihnen flüchtig zu und reichte Lex einen Zettel. »Unsere Vermutungen haben sich bestätigt. Wir haben Erde aus verschieden Schichten unter der Oberfläche und auch nahe des Fundaments entnommen und eine Reihe von Untersuchungen durchgeführt.« »Und das Ergebnis?« »Genau wie wir dachten. Wir haben Reste von Asche und anderen Elementen gefunden«, erklärte Dr. Berman. »Vor allem haben wir unwiderlegbare Beweise für Brandstiftung gefunden.« »Hervorragende Arbeit, Dr. Berman.« »Warten Sie mal«, platzte Clark aufgeregt heraus. »Wollen Sie damit sagen, dass jemand eine entzündliche Substanz verwendet hat, um das Feuer zu legen?« »Nicht ganz. Ich sage, dass, nachdem das Feuer einmal ausgebrochen war, jemand etwas in das Gebäude hineingeschüttet hat, um den Brand zu beschleunigen.« Dr. Berman schob sich ungeduldig die roten Haare aus dem Gesicht. »In diesem Fall war es Benzin. Nach meiner chemischen Analyse bleihaltiges Benzin.« 104
»Bleihaltiges Benzin?«, fragte Jonathan. »Aber das wird doch seit Jahren nicht mehr hergestellt.« »Genau, Pa«, sagte Clark mit klopfendem Herzen. »Damit können wir die Möglichkeit ausschließen, dass der Brandbeschleuniger erst kürzlich in den Grund gesickert ist.« Dr. Berman lächelte. »Richtig, junger Mann. Wie heißt du?« »Clark Kent.« »Vielleicht solltest du eine Karriere in der kriminalistischen Laborarbeit anstreben.« »Ich habe größere Pläne für Clark«, unterbrach Lex. Jonathan warf Lex einen vernichtenden Blick zu. »Ich auch!« »Ich auch!«, rief Chloe. Alle starrten sie überrascht an. »Ich wollte nur mit einstimmen«, sagte sie mit einem verlegenen Grinsen. »Ich möchte eigentlich meine Zukunft selber planen«, gab Clark zu verstehen. »Aber im Augenblick konzentriere ich mich lieber auf die Gegenwart. Dr. Berman, kann der Brand ein Unfall gewesen sein?« Sie schüttelte den Kopf. »Nein, unmöglich.« »Gibt es eine Möglichkeit herauszufinden, wo das Benzin herkam?«, fragte Martha. »Es gibt eine kleine Chance, dass wir die Marke bestimmen«, erklärte Dr. Berman. »Wenn der Hersteller eine Art chemisches Markenzeichen hatte. Aber das ist recht unwahrscheinlich.« »Versuchen Sie es trotzdem«, wies Lex sie an. »Und alle anderen sollen sich an die Arbeit machen, um Ihnen zu helfen.« »Ich kümmere mich darum, Mr. Luthor. Nett, Sie kennen gelernt zu haben.« Sie verschwand wieder in der Baracke. »Vielen Dank für das alles«, sagte Clark. Lex winkte ab. »Jeder, dem Smallville genauso wichtig ist wie mir, hätte dasselbe getan.« Chloe verschränkte die Arme über der Brust. »Also hatten wir die ganze Zeit Recht, Clark. Es war Brandstiftung.« 105
Clark nickte. »Aber wir wissen nicht, wer der Brandstifter war?« »Das herauszufinden wird vielleicht unmöglich sein, Clark«, gab Martha zu bedenken. »Dieses Verbrechen wurde vor sechzig Jahren begangen.« »Wenn man die Geschichte der Welt betrachtet, ist das nur ein Herzschlag«, bemerkte Lex. »Ich verspreche euch, wenn es möglich ist, den Brandstifter zu finden, wird es geschehen. Egal, wie lange es dauert, egal, wie viel es kostet.« »Danke, Lex«, sagte Clark erleichtert. Lex schlug ihm freundschaftlich auf den Rücken. »Du brauchst mir nicht zu danken, Clark. Ich versuche nur das Richtige zu tun.«
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19 PETE, CLARK UND SHAABAN hingen müde mit den anderen zwanzig Typen, die in ihrem Sportkurs waren, auf der Tribüne herum. Es war Freitag morgen. Mr. Baluster vertrat den Sportlehrer, der den Anruf bekommen hatte, dass seine Frau in den Wehen lag. Auf dem Programm des Kurses stand Leichtathletik. »Früh am Morgen ein Hundert-Meter-Lauf«, grummelte Clark. »Wessen brillante Idee war das wohl?« Pete schmunzelte. »Himmlische Gerechtigkeit für den Typen, der immer zu spät kommt.« Er schlug Clark freundschaftlich auf den Rücken. »Du musst mal ein bisschen beschleunigen, Mann.« »Er stolpert morgens herum, als wenn er sich in Zeitlupe bewegen würde«, zog ihn Shaaban auf. »Vielleicht brauchst du mal ein paar Vitamintabletten, Clark.« Clark konnte sich das Lachen kaum verkneifen. »Mir geht es gut, keine Sorge.« »Ich sag dir was«, fuhr Shaaban fort. »Wenn die Schuldigen, die unser Haus ruiniert haben, gefunden worden sind und wir wieder dort einziehen können, dann darfst du bei mir übernachten, so oft du willst. Immerhin liegt unser Haus ganz in der Nähe der Schule.« »Wenn die Schuldigen gefunden worden sind«, betonte Pete. Brian Parson lief mit einigen Freunden vorüber und winkte Clark zu. Clark winkte zurück. »Dieser Typ ist wirklich blass«, registrierte Pete und betrachtete Brians Arme und Beine. »Er hat wahrscheinlich in Aktien von Firmen investiert, die Sunblocker herstellen.« »Aber wenn du einen guten Nachhilfelehrer brauchst, ist er dein Mann, Pete«, sagte Shaaban. 107
Pete kniff die Augen zusammen und starrte auf Mr. Baluster, der in der Mitte des Sportplatzes stand und Zeiten notierte. »Was ich brauche, ist ein Geschichtslehrer, der meine Visage nicht hasst.« Shaaban zuckte mit den Schultern. »Ich kann mich nicht beklagen.« »Kommen Sie hier rüber, meine Herren«, rief Mr. Baluster und winkte die Jungs zu der mit Sand gefüllten Weitsprunggrube. »Also, Weitsprung ist meine Stärke«, fuhr Pete fort. »Es geht um Schnelligkeit, und deshalb bin ich ein verdammter Weitsprung-Meister! Aber wenn Baluster mich jetzt wieder anmacht, dann ist wohl klar, dass der Typ Vorurteile hat. Auf jeden Fall werde ich mir Mühe geben, dass du nicht zu schlecht aussiehst, Clark.« »Mann, du bist vielleicht ein Freund!« Clark betrachtete die Football-Torpfosten, die sich in weiter Entfernung auf der anderen Seite des Sportplatzes befanden. Ich könnte aus dem Stand hochspringen und da drüben landen. Und das wäre nicht nur ein Weltrekord, sondern der Galaxierekord. »Ross!«, rief der Sportlehrer. »Sie sind als Erster dran.« Pete stieß Clark an. »Denk daran, was ich gesagt habe.« Er lief zu dem Start der Weitsprungbahn, holte tief Luft und begann dann auf die Absprungmarke zuzurennen. Obwohl er nicht besonders groß war, war er extrem schnell. Er rannte los, stieß sich mit dem rechten Fuß ab und sprang in die Luft. Er flog über die Markierung, bis er mit den Füßen voran im Sand landete. »Vier Meter und sechzig Zentimeter für Ross«, verkündete der Schüler, der die Abstände maß. Die anderen Schüler applaudierten und pfiffen. »Gute Arbeit, Ross«, rief Baluster. »Martinez, Sie sind dran!« Pete kam zu Shaaban und Clark zurück. 108
»Jetzt hat er dich aber fair bewertet«, bemerkte Shaaban. »Ja«, gab Pete zu. »Das stimmt, das hat er.« »Joaquin Martinez, drei Meter neunzig«, rief der Schüler, nachdem Martinez gelandet war. »Guter Versuch, Martinez«, lobte Mr. Baluster den letzten Springer. »Warum ist Baluster plötzlich so nett?«, wunderte sich Pete. »Verstehe ich nicht.« »Pete, vielleicht solltest du nicht den Überbringer der Botschaft töten, nur weil dir die Botschaft nicht gefällt«, riet ihm Clark. Pete starrte ihn an. »Was meinst du damit?« »Nach meiner Erfahrung ist Baluster cool, wenn er den Eindruck hat, dass man sein Bestes gibt... auch wenn das nicht die beste Leistung ist«, erklärte Clark. »Und vielleicht macht er dich in Geschichte nur an, weil er weiß, dass du bessere Noten haben könntest. Vorausgesetzt, du würdest mehr lernen.« »Vielleicht«, sagte Pete zögernd. »Du weißt Clark, ich hasse es, wenn du Recht hast.« »Kent, Sie sind dran«, rief Baluster. Clark trabte langsam zur Weitsprungbahn. Er wollte einen anständigen Sprung hinlegen, aber nicht so gut, dass er Baluster oder alle anderen beeindruckte. Vor allem will ich nicht riskieren, dass sie mich darum bitten, der Leichtathletikmannschaft beizutreten. Baluster blies in seine Pfeife, und Clark lief bis zur Absprungmarke, sorgfältig darauf bedacht, einen – in seinen Augen – kläglichen Sprung abzuliefern. »Drei Meter und fünf Zentimeter!«, rief der Schüler, der die Maße aufnahm. »Nicht schlecht, Kent«, rief Baluster. »Aber bis jetzt ist noch niemand an Mr. Ross herangekommen.« »Ich bin der König!«, witzelte Pete. »Sieht ganz so aus«, kommentierte Clark. 109
»Wie wär es, wenn du mit Clark Weitsprung trainierst, und er gibt dir Geschichtsnachhilfe?«, schlug Shaaban vor. Pete nickte, »Ja, das könnten wir hinkriegen. Was denkst du Clark?« »Ja, klar!«, erwiderte Clark. »Abgemacht.« Er und Pete schlugen ihre Fäuste gegeneinander. »Parson!«, rief Baluster. Clark beobachtete, wie Brian zur Anlaufbahn hinübertrabte. Seine weiße Haut leuchtete im Morgenlicht noch heller. Pete bemerkte es ebenfalls.»Wow«, sagte er. »Vielleicht sollten wir ihm etwas von dieser Selbstbräunungscreme kaufen, die Chloe benutzt. Er ist so weiß wie ein Schneesturm auf zwei Beinen.« Brians lange Beine flogen über die Laufbahn. Er sprang ab und ruderte mit Armen und Beinen, um keinen Zentimeter zu verschenken. »Vier Meter und neunzig Zentimeter!« »Oh, yeah!« Brian stieß triumphierend seine Faust in die Luft. Die Klasse jubelte ihm zu und applaudierte. »Gute Leistung!«, rief Pete ihnen zu, der kein schlechter Verlierer sein wollte. »Hiermit hat Mr. Parson um...« Mr. Baluster sah auf seine Uhr »um neun Uhr einen neuen Klassenrekord aufgestellt. Brian, Sie sollten der Leichtathletikmannschaft beitreten.« »Ja, cool. Vielleicht mache ich das«, überlegte Brian. Mit einem noch vom Sieg geröteten Gesicht ging er zu seinen Freunden zurück. »Puh, wenn ich viel trainiere, könnte ich ihn schlagen«, überlegte Pete. »Er ist nicht soo viel besser als...« Pete unterbrach sich mitten im Satz. Clark starrte Brian wie gebannt an. »Was ist los, großer Junge?«, fragte Pete. »Er hat einen hervorragenden Sprung hingelegt, aber deshalb 110
muss man ihn noch nicht anstarren«, witzelte Shaaban. »Irgendwas ist nicht in Ordnung«, murmelte Clark. »Yeah, ich kann dir sagen, was nicht in Ordnung ist«, begann Pete. »Brian hat mich geschlagen, du bist gar nicht so weit hinter mir, und Shaaban ist noch gar nicht gesprungen. Was bedeutet, dass ich viel mehr Zeit im Trainingsraum verbringen muss!« »Nein. Es ist viel schlimmer.« Clark konnte seine Augen nicht von Brian lösen. »Irgendetwas ist nicht in Ordnung. Ich weiß es. Ich kann nicht sagen, was, aber...« Clarks Augen weiteten sich, als es ihm plötzlich klar wurde. »Jungs«, zischte er. »Seht euch mal Brians Beine an.« »Was ist mit seinen Beinen?«, fragte Shaaban. Clarks Blick war immer noch auf Brian gerichtet. »Und seine Arme. Unglaublich.« Er wandte sich an seine Freunde. »Er hat einen Verband um den Arm. Und die Haut darum ist rot, als wenn er sich verbrannt hätte. Und an seinem Bein hat er auch einen Verband.« Pete war verwirrt. »Na und?« Clark schloss die Augen und rief sich das Bild von Brian ins Gedächtnis, wie er wenige Minuten vor seinem großen Sprung zur Anlaufbahn getrabt war. Ja, ich bin mir sicher, dachte er. »Jungs, als er gesprungen ist, waren die Verbände noch nicht da.« Pete runzelte die Stirn. »Du spinnst. Sie müssen da gewesen sein.« Shaaban nickte. »Ich stimme ihm zu. Wir haben sie nur nicht bemerkt.« Aber Clark war sich sicher. »Ich sage euch, sie waren nicht da.« Pete schüttelte den Kopf. »Was willst du uns damit sagen? Dass sie wie ein Wunder auf seiner Haut erschienen sind?« »So etwas in der Art.« 111
Pete schlug sich in gespielter Überraschung gegen die Stirn. »Klar. Warum haben wir nicht gleich daran gedacht. Brian ist ein Alien vom Verband-Planeten.« Shaaban lachte. »Komm schon, Clark. Du hast mir schon mal erzählt, dass manchmal komische Sachen in Smallville passieren. Aber Verbände, die aus dem Nichts kommen?« »Ich weiß, dass es verrückt klingt«, gab Clark zu. »Aber ich bin mir sicher...« »Mwariri!«, rief Mr. Baluster. Shaaban lief zur Weitsprungbahn, und Pete applaudierte ihm. »Okay, Shaaban. Jetzt lass mal echte Magie sehen, großer Junge!« Clark, Pete und Shaaban verließen mit ihren schwer beladenen Tabletts die Schlange vor der Essensausgabe und drängelten sich durch die überfüllte Cafeteria zu ihrer Lieblingsecke, wo sie sich auf einige freie Sitze fallen ließen. Clark betrachtete den Riesenberg Spaghetti auf Petes Teller. »Du musst ziemlich hungrig sein!« »Kohlenhydrate aufstocken.« Pete drehte seine Gabel in die Spaghetti. »Ich meine es ernst mit dem Trainieren. Ich will Brians Klassenrekord brechen. Vielleicht haben diese magischen Verbände Brian ja übermenschliche Kräfte verliehen, oder so.« Clark riss seine Milchtüte auf. »Das ist nicht lustig, Pete. Ich muss nur...« »Große Neuigkeiten«, rief Chloe, die hastig zu ihnen eilte. »Wo brennt’s?«, fragte Pete, während er neue Spaghetti aufrollte. »Im Zentrum«, berichtete Chloe. »Und zwar richtig.« Pete sah sie ungläubig an. »He, ich habe einen Witz gemacht.« »Ich wünschte, das wäre ein Witz. Kennt ihr das vietnamesische Nagelstudio auf der Hauptstraße. Das von 112
Tran? Jemand hat heute Morgen einen Brandanschlag darauf verübt.« »Oh, Gott«, flüsterte Shaaban, »noch ein fremdenfeindliches Verbrechen. Ich wusste es.« »Jemand verletzt?«, fragte Clark schnell. Chloe nickte. »Zwei von Trans Angestellten liegen mit Verbrennungen im Krankenhaus. Tran war auf dem Bürgersteig, um den Müll rauszubringen, sonst wäre sie jetzt wahrscheinlich auch im Krankenhaus.« »Und keine Kunden?«, fragte Pete. »Es ist um neun Uhr passiert, und der Laden macht erst um zehn Uhr auf«, erklärte Chloe. »Dafür kann man ja fast dankbar sein, schätze ich.« Plötzlich spürte Clark, wie die vielen Puzzlestücke, die in seinem Kopf herumschwirrten, sich zu einem festen Bild zusammensetzten. »Wann sagst du, ist es passiert, Chloe?« »Nach dem Polizeibericht ging der Alarm um exakt neun Uhr los. Warum?« »Es war Brian«, erklärte Clark. »Unmöglich«, schnappte Pete. »Brian war in der Schule damit beschäftigt, mich im Weitsprung zu schlagen, Mann!« »Er hat seinen Sprung exakt um neun Uhr gemacht«, erklärte Clark. »Mr. Baluster hat es gesagt, erinnert ihr euch?« »Ich verstehe nichts mehr«, gestand Chloe. »Was hat Brian Parson denn damit zu tun?« »Ich glaube, er ist der Typ, nach dem wir suchen.« Eine von Chloes Augenbrauen richtete sich gen Norden. »Brian Parson? Der Typ, der allen Nachhilfeunterricht gibt? Dessen Mutter den ›Tag der Kulturen‹ am Sonntag organisiert. Das glaube ich nicht!« »Ich meine es ernst«, insistierte Clark. »Ich denke, dass Brian das Zeitgefüge durchbrochen hat.« Er wandte sich an Pete und Shaaban. »Deshalb hatte er keine 113
Verbände um, bevor er gesprungen ist, sondern erst danach – nachdem er Trans Nagelstudio in Brand gesetzt hat.« Chloe sah fassungslos aus. »Ich komme mir vor, als wenn ich in den letzten Akt einer Rätselauflösung hineingeraten wäre.« Clark erklärte ihr rasch, was am Morgen in der Sportstunde geschehen war. »Du meinst, dass er zur gleichen Zeit an zwei Orten war?«, fragte Chloe. »Doppelte Existenz?« »Nein. Er bewegt sich so schnell, dass es scheint, als ob die Zeit für einen Moment einfriert.« »Wie ist das möglich?«, fragte Shaaban fassungslos. »Das klingt wie aus einem Science-Fiction-Film.« »Das klingt nach grünem Meteorit und seinen Auswirkungen«, ahnte Chloe. »Und nach dem MwaririAnschlag und dem Wu-Anschlag und...« »Und auch nach den verbrannten Flugblättern, die Lana und ich aufgehängt haben«, schloss Clark. »Ich glaube, Brian hat das alles getan.« Shaaban schüttelte den Kopf. »Was ihr beiden da sagt, das ist unmöglich.« »Nicht in Smallville«, informierte ihn Pete. »Also gut, selbst wenn es möglich wäre, warum sollte Brian so etwas tun?« »Ich weiß es nicht«, gab Clark zu. »Wir müssen zu den Cops gehen«, sagte Pete. »Bitte«, schnaubte Chloe. »Du willst, dass wir Sheriff Melrose erzählen, dass Brian Parson Wurmlöcher im Zeitgefüge gefunden hat und dass er diese Kraft nutzt, um fremdenfeindliche Verbrechen zu begehen?« Pete nickte. »Du hast ja Recht. Ich kann es selbst nicht glauben.« Shaaban sah Clark an. »Und was sollen wir jetzt machen?« »Ich weiß nicht«, gab Clark zu. »Aber es liegt jetzt an uns, seinen nächsten Anschlag zu verhindern.« 114
20 »WO WIR GERADE VOM TEUFEL SPRECHEN«, meinte Pete und deutete mit seinem Kinn in Richtung der Eingangstüren. Brian war mit seinen Freunden aufgetaucht. »Ich gehe rüber und rede mit ihm«, entschied Clark und erhob sich. Pete und Shaaban standen ebenfalls auf. »Wir kommen mit«, beschloss Shaaban. »Wir halten dir den Rücken frei«, fügte Pete hinzu. »Danke, aber ich glaube, ich sollte besser alleine mit ihm sprechen. Es kann sein, dass er sich sonst bedroht fühlt. Wenn wir zu dritt auf ihn losgehen, wer weiß, was er dann tun wird?«, gab Clark zu bedenken. »Was ist, wenn er plötzlich im Zeitgefüge verschwindet?«, fragte Chloe. »Du redest mit ihm, und plötzlich ist die Hölle los, und du kannst nichts dagegen tun!« Nicht ganz, dachte er. Weil ich ihm folgen kann – nämlich in die ›Clark-Zeit‹. »Ich komme mit ihm zurecht«, versicherte Clark seinen Freunden. »Wir sind hier für den Fall, dass du uns brauchst«, ermutigte Pete ihn. »Danke!« Clark drehte sich um und ging auf den Tisch zu, wo Brian mit seinen Freunden saß. Er ging langsam auf Brian zu und überlegte sich angespannt, was er sagen sollte. Plötzlich spürte er eine Hand auf seinem Arm, drehte sich um und sah Lana, die ihn anlächelte. »Du siehst aber ernst aus, Clark. Es ist schön draußen, sollen wir einen Spaziergang machen, bevor der Unterricht wieder anfängt?« 115
Clark ließ Brian nicht aus den Augen. »Ich kann nicht, Lana, tut mir Leid. Entschuldige mich.« Er wusste, dass er kurz angebunden klang, und er sah aus dem Augenwinkel den verletzten Ausdruck auf ihrem Gesicht. Aber er konnte jetzt nicht darüber nachdenken. Er hatte eine Aufgabe zu erledigen. Er war fast bei Brians Tisch angelangt, als eine Welle von Schmerz über ihn rollte. Er taumelte ein bisschen, aber er konnte sich an einem Tisch neben ihm festhalten. Irgendwo hier müssen Meteoritenstücke sein! Aber wo?, fragte er sich. Dann sah er, wie Brian eine Sanduhr aus seinem Rucksack holte, sie aus ihrer schützenden Verpackung wickelte und sie seinen Freunden zeigte. Clark erkannte sofort, dass in dem weißen Sand der Uhr grüne Meteoritensplitter glommen. Für mich sind sie tödlich. Aber Brian verleihen sie Kraft, überlegte er. Ich darf mich nicht davon aufhalten lassen. Ich darf nicht! Clark biss die Zähne zusammen und zog die Ärmel seiner Jacke über seine Hände. Er wollte nicht, dass jemand sah, wie sich die Venen unter seiner Haut schwarz färbten, sich wanden und anschwollen – wie immer, wenn er der Strahlung des Meteoritengesteins ausgesetzt war. Er zwang sich, vorwärts zu gehen und schleppte sich über den Linoleumboden. Er fühlte sich dabei, als wenn jemand sein Rückrat zu einer Doppelschleife verbog. Ich muss ihn dazu bringen, sich selber auszuliefern. »Brian«, keuchte er. »Kann ich dich sprechen?« »He, Clark. Ist alles in Ordnung mit dir? Du siehst krank aus.« »Mir... geht es gut. Können wir reden? Allein?« Brian warf seinen Freunden achselzuckend einen Blick zu. »Sicher«, sagte er lächelnd zu Clark. »Setz dich.« Trotz seines geschwächten Zustands ging Clark ein Sprichwort in Suaheli durch den Kopf, dass Shaaban ihm 116
beigebracht hatte: Machoni rafiki, moyoni mnafiki. Freundliche Augen, aber ein falsches Herz. Schwarze Punkte tanzten vor Clarks Augen. »Lass uns... draußen... sprechen. Wichtig.« »Sicher«, sagte Brian leichthin. Aber Clark sah die Unsicherheit in seinen Augen aufflackern, und seine Kinnmuskeln spannten sich. Er weiß es, wurde ihm klar. Und jetzt weiß er, dass ich es auch weiß. Was soll ich jetzt machen? Ich fühle mich so schwach! Plötzlich drehte Brian die Sanduhr um. Der grün gesprenkelte Sand begann nach unten zu rinnen. Die Bewegung löste eine neue Welle von Schmerz in Clark aus. Seine Knie versagten, und er konnte sich kaum am Tischrand festhalten. »Ich meine es ernst, Clark. Du siehst elend aus«, meinte Brian. »Ich bring dich runter zum Erste-Hilfe-Raum.« Mit diesen Worten trat er auf Clark zu. Dann machte er plötzlich einen riesigen Satz. Er verschwindet in der Zeitzone... ich darf ihn nicht entkommen lassen! Mit einem animalischen Geheul sprang Clark mit letzter Kraft weg von dem Tisch mit der tödlichen Sanduhr. Dann geriet er mit einem Wirbel in die ›Clark-Zeit‹ – gleichzeitig verwandelte sich die Cafeteria in ein Stillleben: Gabeln schwebten vor offenen Mündern; Türen blieben aufgeschwungen; Schüler erstarrten mitten im Gespräch. Er wandte seinen Kopf suchend in alle Richtungen. Aber wo war Brian? Plötzlich spürte er, wie ihn jemand in ein Regal mit frisch gewaschenem Geschirr warf. Teller und Glaser zerbrachen um ihn herum in tausend Stücke. Er stemmte das Regal, das auf seiner Brust gelandet war, hoch und warf es zur Seite. Dort, nicht weit von ihm entfernt, stand Brian. »Wie bist du 117
hierher gekommen, Clark?«, fragte er. »Du gehörst hier nicht hin!« »Du bist derjenige, der hier nicht hin gehört. Ich weiß, was du getan hast, Brian. Du brauchst Hilfe.« »Ich glaube, du bist derjenige von uns, der Hilfe braucht«, lachte Brian und spuckte dabei einige Speicheltropfen aus. »Ich bin der Retter von Smallville, du Idiot.« »Nein, Brian, das bist du nicht!« »Ich habe dich für jemanden gehalten, der halbwegs intelligent ist, Clark. Ich hätte es besser wissen sollen.« Er zeigte auf Pete und Shaaban, die wie versteinert an ihrem Tisch saßen. »Du hängst immer mit den ANDEREN herum. Mit denen, die nicht hierher gehören.« »Du bist krank, Brian.« »Nein, jemand, der wirklich verrückt ist, hätte die Afrikaner oder die Wus umgebracht. Ich will nur erreichen, dass sie von hier fortgehen.« Clark versuchte, seinen Ärger zu beherrschen. »Du hast das Nagelstudio in Brand gesetzt. Menschen sind deinetwegen im Krankenhaus!« »Weil niemand meine Botschaft verstehen will!« Brians Stimme wurde lauter, und seine Augen glitzerten unnatürlich. »Die Afrikaner sind nicht weggegangen. Die Asiaten sind auch nicht abgehauen! Ich hatte keine andere Wahl!« »Warum tust du das?« Brian sah Clark neugierig an. »Kapierst du es nicht? Ich nutze meine Kraft, um die Dinge wieder in Ordnung zu bringen. Du weißt schon, zurück zur guten alten Zeit.« »Ich werde dich daran hindern!« »Du kannst mich nicht aufhalten«, antwortete Brian achselzuckend. »Alles wird mir gelingen. Und dann kommt mein Vater zurück und holt mich.« »Wo ist dein Vater jetzt, Brian?« 118
Brians Augen bekamen einen wilden Ausdruck. »Niemand will es mir sagen. Aber er schickt mir Sachen. Er hat mir die Sanduhr geschickt.« »Warum gehen wir nicht wieder in die reale Zeit zurück«, schlug Clark vor, während er langsam auf Brian zuging. »Ich helfe dir, ihn zu finden.« »Sicher machst du das«, zischte Brian. Er zog etwas aus seiner Jeans – ein Messer, das im Neonlicht der Cafeteria aufblitzte. »Brian, was machst du...?« »Halt dein Maul!«, schrie Brian wild. Im selben Augenblick sprang er vor, griff sich Lana und hielt ihr das Messer an Kehle. »Tu ihr nichts!« »Dann verschwinde aus der Zone«, flüsterte Brian drohend. »Du wirst nur alles ruinieren, und das lasse ich nicht zu.« Sehen zu müssen, wie sich das Messer in Lanas Fleisch grub, erfüllte Clark mit Entsetzen. Er hielt seine offenen Hände hoch, damit Brian sie sehen konnte. »Langsam, immer mit der Ruhe. Sag mir, was du willst, und ich tue es.« »Dann verschwinde aus meiner Welt«, zischte Brian. »Okay. Ich verschwinde. Siehst du?« Clark zog sich langsam zurück und schlängelte sich durch die versteinerten Körper seiner Mitschüler. »Ich glaube nicht, dass du Lana wirklich verletzen willst. Ich mache genau das, was du sagst.« Er war jetzt schon recht weit von Brian entfernt. »Lass das Messer sinken, Brian. Ganz ruhig jetzt.« Brians Arm entspannte sich. In dem Moment, als Clark das sah, machte er seinen Sprung und hoffte nur noch, das Richtige zu tun. Er versuchte nicht, Lana zu erreichen, sondern sprang auf den Tisch zu, auf dem immer noch die Sanduhr stand. Vor Schmerz schreiend landete er. Der Stoß ließ die Sanduhr 119
umkippen und in hohem Bogen durch die Luft fliegen. »Neiiiiiiiin!«, schrie Brian und rannte los, um seinen Schatz aufzufangen. Aber es war zu spät. Die Sanduhr flog gegen die Wand und zersprang in tausend Stücke, während der Sand und der grüne Kristallstaub sich in einer Wolke ausbreiteten, die auch Clark bedeckte. »Argh!«, schrie Clark auf, als die tödlichen grünen Partikel auf ihn herabsanken. Das Gefühl glich dem, was er in seinem schrecklichen Alptraum erlebt hatte, als grüne Flammen seine Haut verglühten. Obwohl er versuchte, den Sand aus seinen Haaren zu schütteln, konnte er spüren, wie die Luft aus seinen Lungen gesogen wurde. Er stolperte hilflos herum. »Wie konntest du das tun?«, schrie Brian. »Das ist ein Geschenk von meinem Vater.« Rasend vor Wut schleuderte er das Messer nach Clark und verfehlte ihn nur um wenige Zentimeter. Clark krümmte sich am Boden und sah sich um. Die Cafeteria bot immer noch dasselbe bizarre Bild. Er war verblüfft. Er hatte gedacht, dass die Zerstörung der Sanduhr Brian in die echte Welt zurückbringen würde. Aber dem war nicht so. Alle waren immer noch wie versteinert. Und jetzt stand Brian über ihm und bedrohte ihn mit einem Stuhl. Trotz seines geschwächten und elenden Zustandes bemerkte Clark, dass Brian keine direkte Gefahr mehr für Lana darstellte. »Ich... muss...«, stammelte Clark, sogar zu schwach um einen Satz zu formen. »Was musst du?« Brian hob den Stuhl hoch und ließ ihn dann mit aller Kraft auf Clarks Magen hinunterkrachen. Der Aufprall lief in Vibrationswellen durch den Raum, und Clark jaulte vor Schmerz. »Hör auf, Brian!« Clarks Worte waren nur ein leises 120
Flüstern. Aber Brian hörte nicht auf. Er fuhr fort, den Stuhl auf ihn niedersausen zu lassen, und Clark krümmte sich auf dem Boden in dem nutzlosen Versuch, dem Hagel von Schlägen zu entkommen. »Du hast mich hier gefangen!«, schrie Brian. »Gefangen, gefangen, gefangen! Ich komme hier nie wieder raus!« Ein schwerer Schlag mit dem Stuhl traf Clarks Schulter. Aber statt Schmerzen fühlte er ein wenig Erleichterung. Clark begriff plötzlich warum: Ein Lufthauch hatte einige der Meteoritenpartikel aus seinem Haar entfernt. Diese Staubpartikel sind überall in der Cafeteria. Wie Sporen. Ich muss hier raus, dachte er panisch, während er versuchte, auf die Türen zuzukriechen. »Willst du schon gehen?«, fragte Brian ironisch. »Dann verschwinde! Dann habe ich wenigstens genug Zeit, deine Freunde fertig zu machen!« Er ließ den Stuhl mit kraftvollem Schwung durch die Luft fliegen, sodass er gegen Clark krachte und diesen durch die Cafeteriatüren nach draußen schleuderte. Dann wandte er sich mit einem bösen Ausdruck in den Augen Pete, Shaaban und Tina zu. Sobald er aus der Cafeteria heraus war, schüttelte sich Clark die restlichen Meteoritenpartikel aus dem Haar und aus den Kleidern und fühlte sich sofort besser. Er wusste jetzt genau, was er tun musste. Er rannte nach unten, wo die Schränke von Dennis und Phil standen, und riss eine der Türen heraus – ein zwei Meter hohes und einen Meter breites, dünnes Schutzschild aus Metall, das mit bleihaltiger Farbe lackiert war. Das Blei in der Farbe wird mich vor der Strahlung des Meteoritenstaubs schützen, dachte er. Er rannte zurück zur Cafeteria und kam gerade rechzeitig, um zu verhindern, dass Brian Shaaban das Messer an die Kehle 121
setzte. »Gib auf, Brian!«, rief er und lief auf ihn zu. Der improvisierte Schutzschild funktionierte perfekt – Clark spürte nichts mehr von der Strahlung. »Da bist du ja wieder«, rief Brian herausfordernd. »Ist mir auch egal. Du kannst mich nicht aufhalten!« »Und ob!«, gab Clark zurück. Mit übermenschlicher Kraft begann er, den Schild hin und her zu wedeln und entfesselte so einen sturmartigen Luftsog. Nicht nur, dass auf diese Weise der ganze Meteoritenstaub in die Ecke der Cafeteria gewirbelt wurde, auch alles andere, was nicht irgendwie befestigt war, flog hinterher – Papier, Bücher und Geschirr, alles in dieselbe Richtung. Auch Brian wurde durch den Luftstrom aus dem Gleichgewicht gebracht und fiel auf die Knie. Clark war im Bruchteil einer Sekunde über ihm und schleuderte ihn durch den ganzen Raum gegen die Eingangstür – weit weg von seinen Freunden. Brian landete krachend am Türpfosten und stürzte fast bewusstlos auf den Boden. Das war’s!, dachte Clark. Es ist aus! Er sah zu dem Tisch hinüber, an dem seine Freunde wie Wachsfiguren aus einem Museum saßen. Er wusste, dass er jederzeit zu ihnen und seiner Familie in die reale Welt zurückkehren konnte. Alles, was er tun musste, war seine Bewegungen zu verlangsamen und aus der ›Clark-Zeit‹ herauszutreten. Aber was war mit Brian? Würde er für immer in diesem Abgrund gefangen sein? Als wenn Brian seine Gedanken lesen könnte, begann er zu wimmern: »Clark, du musst mir helfen. Ohne die Sanduhr komme ich hier nie wieder heraus.« Plötzlich hatte er eine Idee, wie er Brian wieder in die Realität zurückbringen konnte – und gleichzeitig auch vor Gericht. Er ging zu einem Mädchen hinüber, die einen Stift in der Hand hielt, weil sie etwas in ihr Notizbuch geschrieben 122
hatte. Er nahm ihr den Stift aus der erstarrten Hand und warf ihn Brian zu. »Ich kann dir helfen«, sagte Clark. »Aber: Mchimba kisima huingia mwnyewe.« »Was soll dieses Gebrabbel?«, wollte Brian wissen. »Es ist ein Sprichwort auf Suaheli«, antwortete Clark. »Es bedeutet: Wer anderen eine Grube gräbt, fällt selbst hinein. Und in diesem Augenblick, Brian, kann ich nur sagen, dass du dir eine verdammt tiefe Grube gegraben hast!« »Was meinst du damit?« »Ich bin dein einziger Weg zurück. Du wirst dir jetzt ein Blatt Papier nehmen und ein Geständnis von all den schrecklichen Verbrechen ablegen, die du in dieser Woche begangen hast – und dieses Geständnis gibst du mir.« »Das tu ich im Leben nicht, Clark!« Clark zuckte mit den Schultern. »Auch gut. Dann eben nicht! Du wolltest all die Leute loswerden, die anders sind als du? Gratuliere! Jetzt bist du alle Leute losgeworden. Ich wünsche dir viel Spaß, so ganz alleine!« Clark drehte sich um und begann, sich von ihm zu entfernen. »Warte! Du willst mich wirklich hier alleine lassen?« Clark drehte sich zu ihm um. »Wenn du nicht ein Geständnis schreibst und es unterzeichnest – ja.« »Mein Vater hat mich verlassen«, sagte Brian leise. »Es ist das Schlimmste auf der Welt, alleine gelassen zu werden.« »Dann schreib!« Clark wartete, während Brian ein vollständiges Geständnis ablegte. Dann bestand er darauf, dass Brian das Datum und seine Unterschrift darunter setzte. »Und schreib, dass du das Geständnis aus freiem Willen machst«, wies ihn Clark an. Brian war fertig und reichte Clark das Geständnis. »Und jetzt?« »Jetzt werde ich das hier Direktor Reynolds übergeben, den ich draußen auf dem Flur vor der Cafeteria gesehen habe. Dann 123
muss ich noch etwas erledigen. Und danach hole ich dich zurück in die reale Zeit.« Hoffentlich! Clark verband Brian die Augen, lief hinaus auf den Flur zu dem Direktor und schob ihm das Geständnis in die eingefrorene Hand. Dann schnappte er sich die Schranktür, brachte sie wieder zurück und schweißte sie mit seinem Röntgenblick in wenigen Sekunden wieder an die Schließfächer. Danach kehrte er zu Brian zurück und nahm ihn in die Arme. »Was zum Teufel...« »Wirst du gleich sehen«, würgte Clark ihn ab. »Halt dich an mir fest.« Clark begann zu laufen, schneller und schneller, so schnell, wie er noch nie in seinem Leben gelaufen war. Wieder und wieder drehte er seine Runden in der Cafeteria, bis er plötzlich, als seine Geschwindigkeit den Höhepunkt erreicht hatte, die Augen schloss und seine Füße mit aller Kraft in den Boden rammte. Er öffnete die Augen und stand in der Mitte der Cafeteria. Er hielt Brian immer noch fest, dann ließ er den Jungen mit den verbundenen Augen wenig gefühlvoll zu Boden fallen. »Lass mich los!«, kreischte Brian und zog sich die Augenbinde herunter. »Ich meine, was ich sage!« Sie waren zurück in der realen Welt. Von allen Seiten kamen Schüler auf sie zu, alle redeten zur selben Zeit auf ihn ein. Wie Clark gehofft hatte, war die Zeit wieder zu ihrem normalen Lauf zurückgekehrt. Chloe war atemlos. »Was hast du gemacht, Clark? Und wieso ist die Cafeteria so verwüstet?« »Ich glaube, Brian ist nicht ganz so ›speedy‹, wie er dachte«, deutete Clark an. »Und ich glaube, er hat einiges angestellt, als er weg war.« Die Leiterin der Cafeteria kam im Laufschritt hinter der 124
Theke hervor. »Wer hat das ganze Geschirr zerbrochen?«, bellte sie. »Und all die Gläser?« »Brian Parson!«, donnerte der Direktor, der Brians Geständnis in seiner Hand schwenkte, während er sich einen Weg durch die Menge bahnte. »Lasst ihn nicht entkommen!« »Werden wir nicht«, rief Pete. Er und Shaaban ergriffen Brian und drehten ihm die Arme auf den Rücken. Reynolds zog sein Funkgerät hervor. »Rufen Sie die Polizei an und sagen Sie denen, dass sie in die Cafeteria kommen sollen«, ordnete er an. »Sofort!« Er wandte sich an die versammelte Menge. »Zurück, Leute! Das ist keine Show hier!« Clark wich wie alle anderen zurück, als Brian ihn plötzlich zu sich rief. »Clark?« Clark hockte sich neben ihn. »Ja?« »Komme ich ins Gefängnis?« »Darüber entscheide nicht ich.« »Ich habe Angst«, sagte Brian leise. Trotz der vielen schrecklichen Verbrechen, die Brian begangen hatte, sah Clark in ihm jetzt nichts anderes mehr als einen verängstigten Jungen – einen Jungen, dem man vielleicht eines Tages vergeben konnte. »Wohin auch immer dein Weg dich führt, Brian, du wirst nicht allein sein.« Clark legte ihm mit einer tröstenden Geste die Hand auf die Schulter. »Ich meine, was ich vorhin gesagt habe. Du brauchst Hilfe. Und ich hoffe, du wirst sie bekommen.«
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Epilog DER ›TAG DER KULTUREN‹ war in vollem Gange, und in der Sporthalle drängten sich die begeisterten Besucher. Es schien, als wollte die ganze Stadt die Aufklärung der Verbrechen feiern. Fahnen aller Nationen hingen über den verschiedenen Ständen, die rings um die Halle errichtet worden waren. Die amerikanische Flagge wehte stolz über der Bühne. Am mexikanischen Stand waren kleinere Kinder dabei, eine farbenfrohe Pinãta mit Stöcken zu schlagen. Die Pinãta, ein hohler Strohesel, war mit Süßigkeiten und kleinem Spielzeug gefüllt, und wenn die Kinder gut trafen, platzte der Esel auf und alle Geschenke quollen hervor. Am griechischen Stand konnte man lernen, gefüllte Weinblätter zuzubereiten. Und am russischen Stand brachte ein Junge einer Gruppe Kinder bei, »Hallo«, »Auf Wiedersehen« und »Ist das cool!« auf russisch zu sagen. Am Stand aus Singapur unterhielt Tinas Großmutter die Besucher mit Volksmärchen aus Malaysia. Die Mwariris, die Kents, Pete, Tina, Chloe und Lana saßen auf einem Tuch am Stand aus Tansania und genossen dass Mittagessen, das Mrs. Mwariri vorbereitet hatte. »Es hat sich wirklich gelohnt, so lange darauf zu warten«, erklärte Pete und schob sich eine weitere Ladung Ugali in den Mund. »Sie sollten ein afrikanisches Restaurant auf der Hauptstraße eröffnen, Mrs. Mwariri«, schlug Tina vor. Sie nahm sich ebenfalls noch etwas von dem scharf gewürztem Gemüseeintopf. »Sie würden ein Vermögen machen!« Mrs. Mwariri nickte anmutig. »Essen schmeckt besser, wenn man es für Freunde kocht. Aber vielen Dank für eure Komplimente! Ich bin so glücklich, wieder in meinem eigenen Haus zu wohnen und wieder in 126
meiner Küche kochen zu können.« »Ich habe immer noch nicht verstanden, wie du herausgefunden hast, dass es Brian Parson war, Clark.«, meinte Tina. »Oh, irgendwie hat er sich selbst verraten«, grinste Clark. »Zuerst habe ich gesehen, wie der Typ diese Sanduhr in der Cafeteria ausgepackt hat...«, begann Pete, »und im nächsten Augenblick wird er schon von Direktor Reynolds festgenommen. Wie kann das sein?« »Es ging alles ziemlich schnell«, bestätigte Clark und nahm noch etwas Gemüse. Chloe drohte ihm mit dem Finger. »Wie ich immer sage, in dir steckt mehr, als man auf den ersten Blick sieht, Clark Kent.« »Was glaubst du, was sie jetzt mit ihm machen werden?«, fragte Shaaban. Clark zuckte mit den Achseln. »Ich bin mir nicht sicher. Soweit ich weiß, ist er jetzt im Arkum-Heim. Die haben dort eine psychologische Abteilung für Jugendliche. Vielleicht können die ihm helfen.« »Mir ist es lieber zu glauben, dass Brian krank ist«, erklärte Lana, »als anzunehmen, dass Hass die Ursache seiner Handlungen war.« »Hass ist etwas, was man lernt«, wusste Martha. »Und den hat er bestimmt nicht von seiner Mutter gelernt. Marilyn Parson ist eine gute Frau. Sie hat mir erzählt, dass Brian sich nie wirklich davon erholt hat, dass sein Vater ihn verlassen hat.« »Das ist ja auch mies«, urteilte Tina. »Ja«, sagte Pete, während er den Rest seines Ugalis verzehrte. »Aber es ist trotzdem keine Entschuldigung.« »Okay, ich muss das jetzt aussprechen, weil es mich sonst verrückt macht«, verkündete Chloe. »Brian hat gedacht, er kennt die Menschen, von denen er in Wirklichkeit überhaupt 127
nichts wusste. Und im Fall von Dennis und Phil habe ich genau das Gleiche gemacht. Ich meine, ich habe mich immer für einen toleranten und offenen Menschen gehalten, aber auch ich hatte Vorurteile.« »Und ich auch«, gab Pete zu. »Sheriff Melrose, Mr. Baluster...« »Seid nicht zu hart mit euch selbst«, sagte Mrs. Mwariri. »Es liegt in der Natur aller Lebewesen, gegenüber denen, die anders sind, misstrauisch zu sein. Ihr solltet sehen, wie Zebras sich in der Savanne benehmen. Wenn sie nicht aus derselben Herde stammen, bekämpfen sie sich.« »Wir sind aber keine Zebras«, bemerkte Dr. Mwariri. »Und deshalb ist das, was ihr über euch selbst gelernt habt, auch eine Lektion für euer ganzes Leben. Die Wahrheit über einen Menschen weiß man erst, wenn man sich die Zeit genommen hat, ihn wirklich kennen zu lernen.« Wenn die Leute die Wahrheit über mich wüssten, dämmerte es Clark, würden viele von ihnen vielleicht Angst bekommen oder verlangen, dass ich dahin zurückkehre, wo ich herkomme. Und ich weiß noch nicht einmal, wo dieser Ort sein soll. Bei dem Gedanken wurde ihm die Kehle eng. Er entschuldigte sich, um sich etwas Wasser holen zu gehen. Als er auf den Flur ging, hörte er hinter sich seinen Namen rufen. »Clark?« Er drehte sich um. Es war seine Mutter. »Ist alles in Ordnung?«, fragte sie ihn. »Ich habe gerade nachgedacht, Ma. Brian wirkte so ›normal‹, dass alle gedacht haben, sie wissen, wie er wirklich ist. Auch ich bin nach außen hin so ›normal‹.« »Die Leute wissen, wie du wirklich bist!«, erwiderte sie. »Dass du einen guten Charakter hast und mitfühlend bist. Menschen definieren sich nicht über ihre Herkunft, Clark. Sondern über ihre Handlungen!« Sie kam auf ihren Sohn zu und nahm seine Hand. »Und am 128
meisten über das Innere ihres Herzens.« Sie lächelte. »Komm, lass uns wieder reingehen.« Zusammen gingen sie zurück in die Sporthalle, wo gerade eine Gruppe von Schülern ein italienisches Volkslied sang, was mit einem freundlichen Applaus belohnt wurde. Tina trat ans Mikrophon. »Vielen Dank«, sagte sie und warf einen Blick auf den Programmplan. »Diese Vorführung wurde von Rafaella Platini organisiert, deren Familie aus Rom gekommen ist, als sie noch ein Kleinkind war. Ich möchte alle darauf aufmerksam machen, dass im Kunstraum der Schule eine riesige Flagge aller Kulturen angefertigt wird. Mit der freundlichen Unterstützung von LuthorCorp wird sie auf Tournee durch ganz Kansas gehen.« Tina fuhr mit ihrer Ansage fort, während Clark hinter einigen Vorhängen verschwand, die eine improvisierte Umkleidekabine bildeten. Clever, dass Lex so viel Gutes tut und gleichzeitig Werbung für sein Unternehmen macht, überlegte Clark. »Clark!« Shaaban winkte Clark hinüber zu der kleinen Gruppe, die gleich auf die Bühne treten sollte, um den afrikanischen Tanz aufzuführen. »Noch gerade rechtzeitig. Hier ist dein Dashiki!« Clark zog sein Hemd aus und stülpte die farbenfrohe Tunika über seinen Kopf. Dann bewunderte er Chloe und Lana, die Kanga-Kleider trugen, die sie sich von Mrs. Mwariri geliehen hatten. »Ihr seht toll aus!« »Du machst aber auch eine ziemlich gute Figur«, antwortete Chloe. Lana nahm etwas von einem langen Tisch, drehte sich um und hielt eine Videokamera auf Clark gerichtet. »Also Clark, was hältst du von dem Tanz, den wir gleich aufführen werden?«, fragte sie. »Den ›Tanz der Wahrheit‹?« Nimmt sie das für Whitney auf?, fragte sich Clark. 129
»Ich finde, dass Shaaban ziemlich mutig ist, sich mit mir auf dieselbe Bühne zu stellen«, sagte Clark in die Kamera. »Ich werde versuchen, ihn nicht umzurempeln.« Chloe steckte ihren Kopf neben seinen und winkte in die Kamera. »Hallo, Whitney!«, rief sie und warf dem Objektiv einen Handkuss zu. Nun, das beantwortet wohl meine Frage, dachte er bei sich. Während Tina die nächste Vorführung ankündigte, unterhielt sich Clark lachend mit seinen Freunden. Aber immer wieder musste er aus dem Augenwinkel zu Lana hinübersehen, die alles mit der Videokamera festhielt. Einige Minuten später tippte sie ihm auf die Schulter. »Lana, ich möchte eigentlich lieber nicht... keine Kamera.« Sie ließ die Kamera sinken. »Du machst Whitney also eine neue Kassette, hm?«, fragte Clark. Sie nickte. »Ich habe gedacht, dass es eigentlich lächerlich ist, ihm kein Band zu schicken, nur weil ich mir über unsere Beziehung nicht mehr sicher bin. Aber es gibt keine persönliche Nachricht am Ende mehr.« Sie strich sich einige Haarsträhnen glatt, die eigentlich schon glatt genug waren. »Was in der letzten Zeit passiert ist, hat mich zum Nachdenken gebracht – über das, was wirklich wichtig ist.« Ihre Augen suchten seinen Blick. »Was immer mich mit Whitney verbindet, ändert nichts daran, dass zwischen uns beiden, zwischen dir und mir, etwas Besonders ist.« »Ja, Lana«, flüsterte er und wusste, dass er nichts mehr sagen musste. Trotzdem schmerzte es, als er sie ansah. »Wir sind in zwei Sekunden dran!«, rief Tina den Freunden zu, während sie sich hektisch in ihren Kanga wickelte. »Wer wird uns ansagen?«, fragte Lana. »Lex« antwortete Tina achselzuckend. »Er hat darauf bestanden.« Lex’ Stimme erklang über den Lautsprecher. »Meine Damen 130
und Herren und Kinder aller Nationen«, dröhnte seine Stimme. »Ich möchte die letzte Vorführung der Smallville High ankündigen, die Ihnen hier Kunst und Musik aus allen Kulturen präsentiert hat. Der Vorführung wird eine besondere Ankündigung folgen!« »Wovon redet er?«, fragte Chloe. Niemand, noch nicht einmal Clark, hatte eine Ahnung. »Und jetzt ist es mir eine Freude, Shaaban Mwariri, Tina Wu, Pete Ross, Chloe Sullivan, Lana Lang und Clark Kent und meinen Freund Dr. Donneth Mwariri an den Drums anzukündigen, die den ›Tanz der Wahrheit‹ aufführen werden«, fuhr Lex fort. »Die Aufführung repräsentiert Tansania und die Region Ostafrika.« »Und jetzt raus mit euch und zeigt, was ihr könnt«, flüsterte Tina laut und schob die Gruppe auf die Bühne. Die sechs Freunde starrten auf ein Meer von Gesichtern hinunter, was ziemlich einschüchternd war. Aber noch überwältigender war der Anblick einer Menschenmenge, die die Flagge der Solidarität schwenkte. Clark sah zu Dr. Mwariri hinüber, der seinen Platz hinter den Drums einnahm. Er hatte Tränen in den Augen. Dann begann Dr. Mwariri, gleichmäßig seine Trommel zu schlagen. Die Gruppe wiegte sich im Rhythmus. Als der Rhythmus komplizierter wurde, begannen sie die Schrittfolgen und Armbewegungen auszuführen, die ihnen Dr. Mwariri beigebracht hatte. Sie bildeten einen Kreis und tanzten aufeinander zu. Die Bewegung sollte den Zusammenhalt des Dorfes darstellen. Ihre Handinnenflächen bewegten sich abwechselnd nach außen und wieder nach innen. Bevor sie sich wieder nach vorne drehten, um auf das Publikum zuzutanzen, spürte Clark Lanas Hand auf seinem Herzen. Für einen winzigen Augenblick legte er seine Hand auf ihre. Dann kam Dr. Mwariri zu dem komplizierten Trommelwirbel, und die Gruppe verteilte sich mit nach innen 131
gedrehten Handflächen zum Schlussbild auf der Bühne – zum Zeichen, dass sie alle zusammen gehörten. Das Publikum applaudierte, rief Bravo und schwenkte die Flaggen, als sich Dr. Mwariri verbeugte. »Ich könnte mich an das Tanzen gewöhnen«, sagte Pete zu Clark, während sie den Applaus genossen. »Vielleicht habe ich heute ganz neue Berufswege eingeschlagen!« Der Beifall brandete wieder auf, als sich die Tänzer noch einmal verbeugten und dann Dr. Mwariri in ihre Mitte nahmen und ihm zusammen mit der Menge Beifall spendeten. Als sie die Bühne verliefen, nahm Lex Clark beiseite. »Ich wäre dir dankbar, wenn du auf der Bühne bleiben könntest, Clark. Du sollst jemand ganz Besonderen zum Mikrofon führen, mein Freund!« Clark hatte keine Ahnung, wen Lex meinte, aber er tat, worum ihn Lex gebeten hatte und wartete neben der Bühne. Lex ging zurück zum Mikrophon und bedeutete der Menge ruhig zu sein. »Meine Freunde, Smallville hat in der letzten Woche schlechte Zeiten durchgemacht. Aber wenn ich mir diese riesige Menge anschaue, und die Flaggen, die Sie mitgebracht haben, dann weiß ich, dass Sie genauso denken wie ich: Dass unsere Unterschiede und unsere Gemeinsamkeiten respektiert und geschätzt werden müssen. Und genau das feiern wir heute hier.« »Vor über sechzig Jahren«, fuhr Lex fort, »wurde einer Familie in Smallville ein schreckliches Unrecht angetan, nur weil sie anders war. Eine Woche nach dem Angriff auf Pearl Harbor brannte das Haus von Yoshi Hiromura ab. Alle hatten angenommen, es wäre ein Unfall. Aber durch neue Nachforschungen – die durch Clark Kent und Chloe Sullivan angeregt wurden – konnte bewiesen werden, dass es sich um Brandstiftung gehandelt hatte. Man kann nur vermuten, dass das Haus der Familie wegen Fremdenhass angezündet wurde. Und Hass ist etwas, das man niemals hinnehmen darf.« 132
Vorne in der Menge erkannte Clark seine Eltern, die sich an den Händen hielten, und er sah, dass sein Vater Lex mit einem fast respektvollen Ausdruck betrachtete. »Traurigerweise haben Yoshi Hiromura und seine Frau das Unrecht, das ihnen angetan wurde, nicht mehr erfahren können. Aber ihre Tochter, Joellen Hiromura, die damals gerade achtzehn Jahre alt war, lebt heute noch in San Fransisco, und es geht ihr gut.« Ein Raunen ging durch die Menge. Das waren aufregende Neuigkeiten. Aber nicht so aufregend, wie das, was jetzt noch folgen sollte. »Mit der Hilfe von Clark Kent habe ich Joellen Hiromura finden können«, fuhr Lex fort. »Und ich habe sie eingeladen, diesen besonderen Tag mit uns zu feiern.« Lex machte ein Zeichen, und Clark drehte sich um und entdeckte eine alte asiatische Dame mit weißen Haaren, die direkt hinter ihm saß. Lex überrascht mich immer wieder, dachte Clark lächelnd, während Ms. Hiromura seinen Arm nahm. Unter den begeisterten Rufen der Menge führte er sie vorsichtig die Stufen hinauf zu Lex ans Mikrophon. »Vielen Dank, junger Mann«, flüsterte Mrs. Hiromura. »Mr. Luthor hat mir erzählt, dass Sie derjenige sind, der die Wahrheit über die Brandstiftung herausgefunden hat. Das bedeutet mir sehr viel.« Als sie bei Lex ankamen, legte er seinen Arm um Clarks Schultern und winkte auch Chloe zu, auf die Bühne zu kommen. »Meine Damen und Herren, ohne Clark Kent und Chloe Sullivan hätten wir die Wahrheit niemals herausgefunden. Ms. Hiromura hat mir erzählt, dass es der Traum ihrer Eltern war, dass sie an dieser Schule ihren Abschluss macht. Und deshalb bitte ich jetzt meinen Freund Clark Kent, Ms. Hiromura diese Urkunde für eine Ehrenschülerschaft zu überreichen.« 133
Lex bückte sich, hob eine gerahmte Urkunde hoch und gab sie Clark, während die Rufe die ganze Halle erfüllten. Clark hielt die Urkunde mit beiden Händen hoch, um sie der Menge zu zeigen und bat dann alle, still zu sein. »Ms. Hiromura«, verkündete Clark. »Im Namen der Einwohner von Smallville bitten wir Sie für das Unrecht, das ihrer Familie angetan wurde, um Entschuldigung. Ich wünsche mir, dass wir eines Tages den Brandstifter finden werden. Vielleicht gelingt es uns.« Ms. Hiromura nickte zustimmend. »Es ist wahr, dass es überall Hass gibt«, fuhr Clark fort. »Aber diese Stadt ist voller guter Menschen, und die Liebe hier ist stärker als der Hass. Also überreiche ich Ihnen im Namen der ganzen Stadt diese Urkunde.« Die Menge jubelte wieder und winkte mit ihren Fahnen, während Clark Ms. Hiromura die gerahmte Urkunde überreichte. Sie hatte Tränen in den Augen und viele der Zuschauer ebenfalls. Lex schob das Mikrofon zu der kleinen Frau, sodass sie einige Worte sagen konnte. »Vielen Dank, Clark Kent.« Ihre sanfte Stimme hallte durch die Sporthalle. »Vielen Dank, Mr. Luthor. Ich habe wunderschöne Erinnerungen an Smallville, die auch das schreckliche Feuer nicht auslöschen konnte. Ich danke Ihnen im Namen meiner Familie.« Jetzt stand das Publikum auf und klatschte Beifall, bis allen die Hände schmerzten. Schließlich führten Clark und Lex Ms. Hiromura wieder von der Bühne herunter. Sie war sofort von Menschen umringt, die ihr Glück wünschten. Clark grinste Lex an. »Wie hast du das geschafft?« »Ich habe sie mit unserem Firmenjet hierher geflogen. Ich finde, sie hat das Beste verdient, was meinst du?« »Absolut. Ich weiß überhaupt nicht, wie ich dir für alles danken soll, was du getan hast. Das Grundstück zu kaufen, die Spezialisten anzufordern, sie hierher zu bringen...« 134
»Du brauchst mir nicht zu danken, Clark. Der einzige Unterschied zwischen uns ist, dass ich mein Vermögen im Rücken habe, wenn ich für etwas kämpfe.« Clark lächelte in sich hinein. Wenn Lex nur wüsste, was ich für Kräfte im Rücken habe, dachte er. »Übrigens«, fuhr Lex fort, »plane ich, Ms. Hiromura das Grundstuck wieder zurückzugeben. Ich sage es ihr nachher. Ich wollte ihr den schönen Moment nicht verderben.« »Lex, alles, was ich sagen kann, ist: Wenn du dich jemals dafür entscheiden solltest, Präsident zu werden, möchte ich in deinem Wahlkampf-Team sein!« »Ich komme darauf zurück, Clark. Entschuldige mich jetzt, die Pflicht ruft.« Clark beobachtete, wie die Menschen Ms. Hiromuras Hand schüttelten – es waren alles Menschen, die Smallville so besonders machten. Ihre Gesichter leuchteten vor Freude. Wahrheit und Gerechtigkeit, überlegte Clark, beides ist wichtig. Aber wenn sie zusammenkommen, so wie hier, dann ist es großartig. In diesem Augenblick zogen ihn seine Freunde in die ausgelassene Menschenmenge. Clark folgte ihnen glücklich, denn er wusste nun, dass auch er ein Teil von Smallville war – nicht nur jetzt, sondern für immer.
ENDE
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