Alexander Nofftz
Erschienen am:
17.04.2001
PROC STORIES Fan-Stories aus dem PERRY RHODAN ONLINE CLUB
Am Rand der Welt
PROC STORIES Am Rand der Welt von Alexander Nofftz Erschienen am: 17.04.2001
FAN-STORIES AUS DEM PERRY RHODAN ONLINE CLUB
In einer fernen Zukunft... Melka ist eine Forschernatur. Trotz der düsteren Legenden über den Tod und Verbote, lässt sie sich nicht davon abhalten, eine Expedition AM RAND DER WELT durchzuführen...
PROC STORIES – Fan-Stories aus dem PROC – ist eine nicht kommerzielle Publikation des PERRY RHODAN ONLINE CLUBs. Kurzgeschichte »Am Rand der Welt« von Alexander Nofftz. Letzte Änderung/Erscheinungsdatum: 17.04.2001. Titelbild: Alexander Nofftz. Redaktion: Alexander Nofftz. c 2001. Alle Rechte beim Autor! Satz: Xtory (SAXON, PDFLATEX). Internet: http://www.proc.org/stories/. eMail:
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PROC STORIES
Am Rand der Welt 1.
Melka wagte sich an den Rand der Welt. Sie wusste nicht, warum sie das tat. Langeweile? Vielleicht. Vorsichtig schlich sie den Weg entlang. Hier am Rand der Welt war es merkwürdig dunkel, denn bis hier reichte das Licht der Sonne nicht. Vorsichtig schaute sie um die nächste Ecke. Bald musste sie da sein. Ihr Herz klopfte bis zum Hals. Was, wenn die ganzen Geschichten, die man ihr als Kind erzählt hatte, wahr waren? Wenn sie vom Rand hinab fallen, oder von der Finsternis verschlungen wurde? Es wurde immer dunkler. Jetzt war eigentlich kein Licht mehr vorhanden, nur ein schwacher Schein ließ sich noch ausmachen, wenn sie zurück blickte. Sie blieb stehen, nachdem sie sich umgeschaut hatte. Erst jetzt bemerkte sie, dass ihre Knie zitterten. Umkehren? Nein, nicht jetzt, wo sie schon fast da war. »Nur ein paar Schritte noch«, flüsterte sie sich selbst zu. »Dann habe ich es geschafft. Dann habe ich Sicherheit...« Sie machte einen kleinen Schritt. Ihr Fuß tastete langsam nach vorne, damit sie in der völligen Dunkelheit nicht irgendwo gegen stieß oder gar – herabfiel! Sie schluckte und machte einen weiteren Schritt. Dabei schloss sie die Augen, denn es war sowieso nichts mehr zu sehen. Sie streckte die Arme aus und ging noch einen Schritt. Dann noch einen, und noch einen. Da! Ihre Fingerspitzen stießen gegen ein Hindernis. Es fühlte sich rau und kalt an. Sie öffnete die Augen, doch es war nichts zu sehen. War das der Rand der Welt? Es schien eher eine Mauer zu sein. Sie tastete sich an dem Rand entlang, doch so hoch oder so tief sie auch tastete, sie fand kein Loch. Jedoch stellte sie fest, dass der Rand der Welt sehr unregelmäßig geformt war. Mal konnte sie einige Schritte nach vorne machen, mal musste sie etwas zurück weichen, um dem Rand zu folgen. Doch so weit sie auch ging, der Rand schien endlos lang zu sein.
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Warum hatte sie eigentlich keine Lampe mitgenommen? Weil sie selbst nicht geglaubt hatte, tatsächlich einen Rand zu finden? Sie tastete sich noch eine Weile weiter, bevor sie es dann frustriert aufgab und in die Stadt zurück kehrte. * »Doch! Ich bin da gewesen!« »Das glaube ich nicht«, gab ihre Freundin Ganya kopfschüttelnd zurück. »Niemand war bis jetzt am Rand der Welt.« »Und?« antwortete Melka trotzig. »Es gibt immer ein erstes Mal.« »Du wärest von der Dunkelheit verschluckt worden. Oder runtergefallen. Oder...« »Ich bin aber hier«, unterbrach Melka sie. »Und ich kann es dir beweisen, komm mit!« Erst jetzt fiel Ganya auf, dass Melka eine Lampe bei sich hatte. »Du willst doch nicht etwa...« »Klar! Kommst du mit?« Auf Ganyas Stirn bildete sich eine steile Falte. Auch konnte Melka beobachten, wie Schweißperlen über die Falte liefen. Dann schüttelte sich Ganya wie bei Schüttelfrost. »Gut, ich komme mit«, sagte sie leise. »Aber nur bis zum Ende des Lichtes.« »Meinetwegen«, grinste Melka und hielt die Lampe hoch. »Rate mal, warum ich das hier habe.« Ganya guckte nicht besonders glücklich, doch dann beeilte sie sich doch, mit Melka, die bereits voraus gegangen war, Schritt zu halten. * »Bis hierher und keinen Schritt weiter!« rief Ganya und blieb stehen. Melka zuckte mit den Schultern und aktivierte die Lampe. Im deren Schein bemerkte sie, dass der zuvor glatte Boden – so glatt, wie er in der gesamten Welt war – jenseits der Sonnenlichtgrenze spröde und rau wurde. Sie konnte auch einige Einkerbungen und Ausbuchtungen ausmachen, als wenn jemand daran gekratzt
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hätte. Haben sich vielleicht daran armselige Gestalten festgekrallt, bevor sie in die Dunkelheit gerissen worden? »Melka, ich habe Angst«, kam es leise von unmittelbar hinter ihr. Sie zuckte gewaltig zusammen, bevor sie bemerkte, dass es Ganya war, die ihr unbemerkt gefolgt war. Gemeinsam schlichen sie nun weiter, bis dann der Rand der Welt in den Schein der Lampe kam. Ganya zog langsam die Luft ein, und auch Melka hielt den Atem an. Vor ihnen erstreckte sich eine Wand. Jedoch nicht glatt, wie jede andere Wand in der Stadt der Welt war, sondern ebenfalls so seltsam rau, wie es auch der Boden war, auf dem sie standen. »Das ist der Rand der Welt?« fragte Ganya fast ungläubig. »Wie soll denn da jemand aufgesaugt werden oder runterfallen?« »Ich weiß es auch nicht. Lass’ uns mal schauen, wie hoch der Rand ist...« Doch so hoch sie die Lampe auch hielten, sie konnten kein Ende feststellen. Selbst, als sich Melka auf die Schultern der kräftigeren Ganya stellte und versuchte, die Lampe möglichst hoch zu halten, natürlich ohne sich dabei an dem Rand abzustützen – vielleicht gab er doch nach! –, konnten sie kein Ende erkennen. »Wir brauchen etwas, damit wir höher können«, fasste Melka die Problematik zusammen. »Und was?« fragte Ganya zurück. »Hier gibt es keine Treppe!« Das war in der Tat das Problem. Eine andere Möglichkeit, weiter von dem Boden weg zu kommen, als einige Treppenstufen zu erklimmen, konnte sie sich nicht vorstellen. Und Treppen gab es nur in einigen wenigen großen Häusern der Stadt. »Wir müssen hier ein Haus bauen!« »Wie willst du ein Haus bauen?!« Auch wieder ein Problem. Ja, ein Haus konnte man nicht bauen. Alle Häuser auf der Welt waren schon da. Es hieß zwar – auch wieder eins dieser Kindermärchen – die ersten Menschen hätten sie »gebaut«, doch das musste schon Ewigkeiten her sein. Außerdem zweifelte sie die Märchen nun immer mehr an, je länger sie sich am Rand aufhielt. »Hmm«, machte Melka deshalb nur.
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»Komm«, meinte Ganya. »Darüber können wir nach der Nacht nachdenken. Lass’ uns lieber schnell in die Stadt zurückkehren, bevor uns jemand beim Abendessen vermisst...« * Zwar schafften sie es nicht, eine Treppe dorthin zu bewegen, oder gar ein Haus zu bauen, doch die nächsten Tage eröffneten ihnen viele neue Erkenntnisse. So liefen sie etwa die gesamte »Rand-Wand« entlang, über 30 Kilometer! Ferner stellten sie mit einer Lampe, die sie an einem langen Gegenstand festgebunden hatten, fest, dass der Rand in Wirklichkeit schräg war, und nach oben hin immer weiter in die Welt hinein ragte. Auch sah der Rand – von Weitem betrachtet – genauso aus wie der Himmel hinter der Sonne. »Ob der Himmel aus der Nähe auch so aussieht?« fragte Ganya und strich an dem Rand entlang. »Vielleicht«, überlegte Melka. »Es könnte sein, dass der Rand wie eine Kuppel geformt ist, und damit bis hinter die Sonne reicht.« »Aber das hieße doch...« »Dass der Himmel genauso massiv und unpassierbar ist, wie dies hier«, nickte Melka und starrte den Rand an. »Wir müssen heraus finden, was dahinter liegt!« »Die Welt verlassen?!« Ganya stockte der Atem. »Du bist verrückt... Was machst du da, Melka?« Melka hatte ihr Ohr an die Wand gelegt und die Augen geschlossen. »Horch mal«, forderte sie ihre Freundin auf. Diese presste nun ebenfalls den Kopf auf die kalte Oberfläche des Weltenrandes. »Ein Brummen!« stieß sie erstaunt hervor. »Was ist das?« »Keine Ahnung, aber ich habe das Gefühl...« »Melka! Es wird lauter! Melka!« Exakt gleichzeitig wichen sie von dem Rand weg und starrten sich gegenseitig entsetzt an. Dann begannen sie, mit panischer Angst in die Stadt zurück zu laufen.
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Am Rand der Welt 2.
»Glaubt uns doch!« beteuerten sie immer wieder. »Warum sollten wir?« fragte man zurück. »Bisher hat sich niemand bis an den Rand der Welt gewagt. Warum solltet gerade ihr das wagen?« »Wir waren aber da!« Melka reichte es langsam. »Dann gehen wir eben alleine!« Kaum hatte sie es gesagt, da machte sie sich auch schon auf den Weg. Ganya zögerte zunächst, doch dann folgte sie ihr. Die Menschenmenge starrte den beiden hinterher, bis dann einige schließlich den Mut fassten und ihnen vorsichtig hinterher gingen. Sofort, als Melka den dunklen Bereich erreichte, aktivierte sie die Lampe. Ein Raunen ging durch die Verfolger, als sie tatsächlich einen Schritt aus dem Sonnen-Bereich machte. Ganya folgte ihr natürlich sofort, doch niemand sonst. Die beiden Freundinnen drehten sich erst um, als sie die Wand erreicht hatten. Als Ganya die Leute sah, die wie angewurzelt stehen geblieben waren und sie entgeistert anstarrten, musste sie lachen. »Kommt doch her«, rief sie ihnen zu. »Hier passiert nichts.« Zögernd traten die anderen näher. Sie konnten es immer noch nicht so recht glauben. Als die nun gestärkte Gruppe dem Rand näher kam, beschlich Melka erneut ein ungutes Gefühl. Was waren das für Geräusche? Was, wenn sie eine Gefahr darstellten? Da war es wieder! Melka schreckte aus ihren Gedanken hoch und stellte fest, dass es nur noch wenige Schritte bis zur der Stelle waren, an der sie die Geräusche zum ersten Mal vernommen hatten. Sie blieb stehen und lauschte. Die restlichen Welt-Bewohner waren ebenfalls stehen geblieben. Die Gespräche, die einige flüsternd geführt hatten, verstummten. Nun war es deutlich zu hören. Melka blickte sich um und sah im Schein der Lampe nur erschrockene und ängstliche Gesichter. Einige machten sogar einen unwillkürlichen Schritt
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rückwärts. »Als wenn jemand über den Boden oder eine Wand schabt...« murmelte sie. Ganya nickte. »Jemand oder etwas gräbt.« »Gräbt?« »Ja«, bestätigte ein älterer Mann. »Es hört sich genauso an, wie wenn man ein Loch in ein Gemüsebeet gräbt und den festen Boden erreicht.« »Aber man könnte theoretisch auch weiter graben«, setzte Melka den Gedankengang fort. »Das würde sich sicherlich so ähnlich anhören«, nickte der Weißhaarige. »Nur in diesem Fall gräbt etwas durch den Rand der Welt, von außen!« Melka zuckte zusammen, als ihr die Konsequenz dieser Schlussfolgerung bewusst wurde. »V-von außen?« stammelte sie. »Von Außerhalb der Welt?« »Ja!« quälte der Mann hervor. »Aber außerhalb der Welt ist nur Tod!« rief Melka in Erinnerung der Legenden über die Entstehung der Welt. »Selbst falls es nicht der Tod persönlich ist...« Sie schauerte. »...wird es ihn sicherlich den Weg öffnen...« * So weit es möglich war, hatte man Möbel und alles, was irgendwie beweglich war, herangeschleppt und im Halbkreis um die Stelle am Rand, an der die Grabegeräusche am stärksten waren, aufgebaut. So richtig glaubte niemand daran, dass sich der Tod durch so etwas aufhalten lassen würde, aber jeder in der Welt wusste, dass es alles war, was sie tun konnten. Alles war in Aufruhr und Panik. Hatten sich früher nur die Kinder um die Alten gescharrt, um deren Geschichten zu hören, saß nun beinahe jeder beim Erzähler und lauschte dessen Bericht vom Anfang der Welt. »Vor vielen, vielen Generationen«, erzählte der Greis die Legende, die jedem bekannt war, »als eure Urahnen noch nicht geboren waren, entstand die Welt inmitten des Todes. Um sie herum war nur Tod. Einige wenige Menschen bevölkerten die Welt. Sie waren vor dem Tod
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geflohen. Hier nun fanden sie endlich Ruhe vor der ewigen Flucht. Sie errichteten die Häuser, in denen wir noch heute wohnen, sie bestellten die Beete, von denen wir uns noch heute ernähren und sie gebaren Kinder, die unsere Vorfahren waren. In der Welt war man sicher vor Tod, der Schein der Sonne wärmte und erfreute die Menschen. Mit den Generationen verschwand die Angst vor der Bedrohung, denn es wurde klar, das der Tod die Welt nicht erreichen konnte – und wer wollte schon freiwillig diese verlassen?« Der Erzähler blickte bei diesen Worten Melka und Ganya an. Melka glaubte, ihr Herz hatte aufgehört zu schlagen. Was, wenn sie die Gefahr nicht entdeckt hatte? Was, wenn sie den Tod angelockt hatte? * Die Geräusche waren mittlerweile so laut, dass man es in der Nähe der Stelle nur noch aushalten konnte, wenn man sich die Ohren zuhielt. Melka hatte panische Angst, doch ebenso war sie von einer Neugier erfüllt. Sie wollte einfach wissen, was passieren würde, sobald das Loch entstand. Sollte der Tod durch dieses Loch in die Welt gelangen (Wieso hatte man ihr früher nur immer erzählt, der Rand wäre ein Abgrund?), wäre sie sowieso nirgends in der Welt sicher. Ganya saß neben ihr. Melka war froh, dass sie ebenfalls hier war. Das gab ihr zumindest etwas Mut. Sie wusste genau, dass sie niemals vor Ganya flüchten würde, also blieb sie. Ganya harrte vermutlich aus demselben Grund aus, aber darüber dachte Melka nicht nach. Außer ihnen waren nicht viele andere da. Der ältere Mann, der auch beim ersten Untersuchen des Randes dabei war und sich mittlerweile als Pet vorgestellt hatte, hatte es sich auf einem Hocker einige Schritte neben den beiden bequem gemacht. Ansonsten sah sie noch einige Bekannte und natürlich ihre Eltern, die ihre Tochter keinesfalls alleine lassen wollten. Es hatte bitteren Streit gegeben. Ihre Eltern waren – wie viele andere in der Welt – der Meinung, dass Melka und Ganya den Tod durch ihr leichtsinniges Herumspazieren am Rand der
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Welt angezogen hatten. Die meisten Menschen waren allerdings froh, dass Melka die Gefahr entdeckt und auf sie aufmerksam gemacht hatte. Wie auch immer, ihre Eltern wollten Melka bei dem Versuch, etwas zu unternehmen, unterstützen, auch wenn sie – wie alle anderen – auch nicht wussten, wie. Melka fixierte die Stelle, auf die schon seit vielen Tagen mehrere Lampen gerichtet waren. Hatte sich dort etwas bewegt? Tatsächlich. Kleinere Steinchen bröckelten herab. Sie beugte sich unwillkürlich vor und öffnete den Mund. Sie starrte weiter die Stelle an. Die Steine wurden größer, dann entstand ein Riss in dem Rand. Ein Riss! Melka wurde das jedoch in diesem Moment gar nicht so recht bewusst, was dies bedeutete, denn sie wurde von dem Fleckchen wie magisch angezogen. Jeden Moment musste... Es brach mit einem Riesenlärm heraus! Steine flogen zur Seite und bohrten sich in die Absperrung. Sie sah noch etwas Langes, Spitzes, Glänzendes, dann fiel sie – vom Ruck ihres Erschreckens angetrieben – rückwärts mit dem Stuhl um und schlug hart auf dem Boden auf. Noch ihm Fallen fing sie an zu Schreien, dann wurde es dunkel. * »Melka!« drängte sich ein Wort in ihr Bewusstsein. Jeder Laut schmerzte, verursachte unerträgliche Schmerzen. »Komm zu dir!« Langsam wurde ihr bewusst, dass sie gemeint war. Sie stöhnte. Wo war sie? Das Loch! durchzuckte sie die Erinnerung. Sie fuhr hoch und stieß gegen irgendetwas. Von neuen Schmerzen durchflutet, fiel sie zurück. Auch die Stimme stöhnte. »Melka«, brachte diese schließlich hervor. »Immer ruhig. Du brauchst mich nicht umzuwerfen.« Jetzt erst erkannte Melka die Stimme von Ganya. Sie seufzte, als sie plötzlich etwas Kühles auf den schmerzenden Stellen an Stirn und Nacken spürte. Nun erst kam sie auf die Idee, die Augen zu öffnen und blickte genau in das gequält lächelnde Gesicht von Ganya.
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»Na, geht’s wieder?« versuchte Ganya, fröhlich zu klingen, was ihr aber misslang. »Gleich geht es dir besser. Du hast von dem Umkippen eine ganz schöne Beule bekommen...« »Was... ist... mit... Loch?« brachte Melka mühsam hervor. »Nicht warten, keine Zeit... Gefahr!« »Im Moment gibt es keine Gefahr«, antwortete Ganya. »Das Ding ist stehen geblieben und hat sich seitdem nicht mehr bewegt. Nichts ist passiert, solange du bewusstlos warst...« »Loch«, unterbrach Melka sie. Das Sprechen strengte sie immer noch an und verursachte höllische Schmerzen im Kopf. »Was ist mit dem Loch?« »Derzeit gibt es kein Loch«, erklärte ihre Freundin. »Das Ding ragt einfach aus dem Rand heraus, es gibt praktisch kaum eine Lücke zwischen ihm und dem Rand. Es muss sich selbst irgendwie durch eine Drehbewegung durch den Rand bewegt haben. Und es muss sehr heiß sein. Niemand hat sich getraut, es anzufassen, so haben wir etwas Wasser gespritzt – es ist sofort verdampft! « Melka hielt es nun vor Neugier nicht mehr aus. Mühsam und von neuen Schmerzen durchflutet, die sie sich aber tapfer verbiss, raffte sie sich auf. Dann sah sie das Ding. Wie ein Stachel ragte es aus dem Rand in die Welt hinein. Während der hintere Teil, der einige Handbreit weit aus dem Rand hervor ragte (Wie lang mochte es wohl insgesamt sein?) mit etwa drei Schritt einen festen Durchmesser hatte, lief der restliche Teil auf einer Länge von ungefähr 6 Schritten spitz zu. Alles, was von dem Ding zu sehen war, war mit Spitzen bedeckt, auch der gerade Teil hinten. Bei diesen Spitzen musste Melka unwillkürlich an kleine Beinchen denken. Die vorderen Spitzen hatten aber weniger mit Beinen gemeinsam eher mit, sie erschauderte, Zähnen... »Unheimlich, oder?« fragte Ganya leise, die Melkas Blick gefolgt war. »Diese... Zähne machen mir irgendwie angst. Was, wenn das da doch der Tod ist?« In diesem Moment tauchte etwas in Melkas Blickfeld auf. Sie zuckte zunächst zusammen, dann erkannte sie Pet.
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»Es dürfte mittlerweile abgekühlt sein«, erläuterte er und versuchte, möglichst sachlich und emotionslos zu klingen. Melka war aber sicher, dass er ebenfalls Furcht empfand. Jetzt erst viel ihr auf, dass sie die einzigen hier waren, sogar ihre Eltern waren verschwunden. »Alle geflohen«, kommentiere Ganya Melkas Rundblick. »Ich auch, dann bemerkte ich aber, dass du nicht dabei warst und das der Krach aufgehört hatte. So kam ich zurück und fand nur Pet vor.« Melka blickte wieder zum Ding. »Sollen wir wirklich...« begann sie, wurde aber sofort von einem markerschütternden Quietschen und Kreischen unterbrochen. Fassungslos beobachteten die drei, wie sich an der Seite des Dings ein rechteckiger Spalt bildete. Plötzlich klappte ein Teil der Außenhaut, mit allen Spitzen, wie eine Tür zur Seite weg. Zurück blieb an der Stelle nur ein dunkles Loch. Melka starrte einfach nur hin, unfähig, sich zu bewegen oder gar wegzurennen. Dann bewegte sich in der dunklen Öffnung etwas.
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Melka schloss die Augen, hoffend, dass sie nur einer Sinnestäuschung erlegen gewesen war. Doch als sie die Augen nach einigen Augenblicken wieder öffnete, sich vielmehr dazu zwang, wieder hinzuschauen, war das Loch immer noch da. Und aus dem Loch ragte ein Kopf. Der Kopf blinzelte zunächst irritiert in das Licht der Lampe, fing dann aber zu lächeln an. Melka musste zugeben, dass ihr das Gesicht sympatisch war, wenn da nicht... »Hallo«, sagte da der Kopf plötzlich. Seine Stimme war tief und in gewisser Art merkwürdig. Melka stellte fest, dass er das Wort ungewohnt eigenartig betonte. »Schön, dass es woanders auch noch Menschen gibt!« rief er freudestrahlend aus. »Aber nimmt doch bitte das Licht von mir. Ihr blendet mich.«
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Tatsächlich wurde die Lampe verschoben, so dass das Ding nicht mehr im Lichtkreis lag. Sofort verschwand es in der undurchdringlichen Dunkelheit des Weltenrandes. »So ist es schon besser«, fuhr die Stimme aus der Finsternis fort. »Wartet, ich komme zu euch!« Komme zu euch! hallte es in Melka nach. Es... er will kommen! Mühsam unterdrückte sie den Fluchtreflex und zwang sich, stehen zu bleiben. Das ist doch nur ein Mensch, flößte sie sich Mut ein, nicht der Tod – oder vielleicht getarnt? Melkas Knie fingen an, zu zittern. Sie zwang sich, ruhig stehen zu bleiben, doch sie widersetzten sich ihrer Kontrolle. Dann tauchte der Unbekannte direkt vor ihr aus der Dunkelheit auf. Mit einem überraschten Aufschrei sprang sie einige Schritte zurück. Jetzt erst fiel ihr auf, dass sie zuletzt nur noch auf ihre Knie und nicht mehr auf den Rest geachtet hatte. »Keine Angst!« Der Unbekannte machte eine beschwichtigende Geste und lächelte beruhigend. Melka fiel erneut die fremdartige Wortbetonung auf. »Ich bin harmlos.« »Wer?« brachte sie mühsam hervor. »Mein Name ist Vries«, antwortete er freundlich. »Und deiner?« »Melka«, sagte sie mit bereits etwas festerer Stimme. »Und die anderen sind Ganya und Pet.« »Welche anderen? Ich sehe nur Einen.« Melka blickte sich schnell um. Einige Schritte neben ihr stand Pet mit der inzwischen ausgeschalteten Lampe. Von Ganya war nichts zu sehen. Ganya! durchfuhr es sie wütend. Was für ein Angsthase! »Sie hatte offenbar, äh, angst«, musste sie zugeben. Vries ging nicht darauf ein, sondern machte eine umschweifende Geste. »Wie nennt ihr diese Welt hier?« »Diese Welt?« fragte Melka irritiert. »Ja, euer Überlebensbunker muss doch einen Namen haben!« »Überlebensbunker?!« Diesen Begriff hatte Melka noch nie gehört.
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»Ah, ich verstehe. Hier ist viel Wissen verloren gegangen...« * Die nächsten Stunden wurden zu den interessantesten in Melkas Leben. Sie erfuhr viele faszinierende Dinge. Sie erfuhr, dass Menschen vor Urzeiten an der Oberfläche gelebt hatten. Melka stellte sich die Oberfläche als eine riesige Welt vor, in der es keine Decke und keinen Rand gab und die Sonne in unermesslichen Höhen schwebte. Besonders den fehlenden Rand fand sie aufregend, denn Vries erklärte ihr, dass man, wenn man immer in eine Richtung ging, irgendwann wieder an seinem Ausgangspunkt ankam. Sie konnte sich dies einfach nicht vorstellen. Irgendwann, auch dies war schon viele hundert Generationen her, kam der Tod über die Menschen. Vries erklärte, dass die damaligen Menschen ihn selbst herbeigeführt hatten, da sie sich gegenseitig bekämpft hatten. Jetzt erkannte Melka auch ihre Legenden wieder, als Vries berichtete, dass einige Menschen im Angesicht der tödlichen Bedrohung Welten wie die, in der sie lebte, schufen und in diese flüchteten. Der Versuch gelang und die Flüchtlinge überlebten, fortan aber isoliert vom Rest der Menschheit. »Meine Vorfahren nannten ihre Welt nach dem Teil der Oberfläche, den sie zuvor bewohnt hatten, Kanada«, schloss Vries. »Bei uns ging allerdings im Gegensatz zu dieser Welt hier das Wissen um das Vorher und die Existenz anderer Welten, genannt Überlebensbunker, nicht verloren.« »Wieso hat man keinen Kontakt gehalten?« kombinierte Melka. »Man hätte doch die Welten durch Türen...« »Du hast gar keine Vorstellung davon«, unterbrach Vries sie, »wie weit Kanada und eure Welt, die wir anhand des Ortes für Europa halten müssen, auseinander liegen.« Europa... ließ Melka den Namen nachklingen. So hieß ihre Welt also, wahrscheinlich. Bis vor kurzem hätte sie nicht mal zu träumen gewagt, dass ihre Welt überhaupt einen Namen hatte, geschweige denn, dass es noch andere
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wie Kanada gab. »Vor der Flucht muss es wohl Funkgeräte gegeben haben«, fuhr Vries fort. »Aber sie scheinen in den Überlebensbunkern nicht mehr funktioniert zu haben.« »Was sind Funkgeräte?« »Kleine Kästen, in die man hineinspricht. Derjenige, mit dem man sich unterhalten will, hat auch so eines und kann das hören. Das funktioniert über große Entfernungen und ohne direkten Kontakt der Funkgeräte, selbst wenn man den anderen aufgrund der Weite oder eines Hindernisses nicht mehr sehen kann. Aber offenbar nicht durch den Weltenrand.« »Hmm«, machte Melka nur nachdenklich. So etwas war ihr doch zu unbegreiflich. Stattdessen wies sie auf das Ding, mit dem Vries gekommen war. »Aber damit konntest du den Rand durchdringen?« »Nur den Rand?« Er lachte humorlos auf. »Die ganze Strecke zwischen hier und Kanada: Tausende von Kilometern! Und überall bohren!« Tausende von Kilometern. Tausende! durchfuhr es Melka. Sie erinnerte sich an die Tage, an denen sie mit Ganya den Rand der Welt abgeschritten war. Dreißig Kilometer hatten sie dabei zurückgelegt, und das war ihr schon ungeheuer viel vorgekommen. Vries hatte ihr Erstaunen offensichtlich nicht übersehen und nickte übertrieben. »Viele Generationen hat es gedauert, bis hierhin vorzustoßen. Ich habe nicht mit der Bohrung angefangen, sondern einer meiner Ahnen war es. Bis vor kurzem hatte ich noch gedacht, bis an mein Lebensende weiterbohren zu müssen, nur unterbrochen durch Aufenthalte in Kanada, wenn man abgelöst wurde und mit dem Nahrungstransport zur Welt zurückfuhr.« »Bis vor kurzen? Also, bis du hier ankamst?« »Nein, schon viel früher. Hätten wir einfach willkürlich gegraben, hätten wir euch nie gefunden. Nur aufgrund alter Oberflächenkarten, auf denen die Welten eingetragen wurden und eines Hilfsmittels namens Sonartomograf konnten wir Europa finden. Denn dieser Sonartomograf, mit dem man im Prinzip durch Wände wie den Weltenrand und den Raum dazwischen sehen kann, zeigte uns eure Welt zumindest der
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Richtung nach an.«
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Einige Wochen später machte sich ein Erkundungstrupp auf dem Weg nach Kanada, zu dem natürlich auch Melka und Ganya gehörten. Sie lernten eine völlig neue Welt kennen, im wahrsten Sinne des Wortes. Die Besucher aus der Welt Europa wurden herzlich willkommen geheißen und erzählte sich viele Geschichten, doch viel mehr als von Vries konnte Melka hier nicht erfahren. Nach einigen Monaten beschloss man, nach diesem Erfolg auch weitere Tunnel zu anderen Überlebensbunkern zu graben. Im Gespräch waren Russland, Arabien und Japan. Letztlich entschloss man sich für Russland. Quälend langsam schob sich der Bohrer, mit dem Vries ursprünglich nach Europa gekommen war, in den Rand, Handbreit für Handbreit, tagein, tagaus. Zuerst beobachtete das Melka voller Interesse, doch dann beschäftigte sie sich mit etwas völlig anderen... »Schau mal, wie locker hier das Gestein wird, wie Erde!« rief Melka überrascht und ließ das Material verbröseln, das sie aus der Wandung gegriffen hatte. »Wie kann es hier oben Erde geben?« fragte Ganya zweifelnd, tastete dann aber auch nach der Wand. »Tatsächlich!« Nachdem sich Melka den Bohrer im Betrieb lange genug angeschaut hatte, gelang es ihr schließlich, selbst einen Bohrer zu bauen, wofür sie viele Werkzeuge aus der Stadt verwendete. Glücklicherweise bemerkte niemand etwas davon und so konnte Melka schließlich ihren eigenen Tunnel graben. Melkas Bohrer war ein reines Werkzeug, nicht mit einer Kabine ausgestattet wie der der Kanadier, so mussten sie ihn von Hand weiter schieben. Einen Zerstäuber hatten sie auch nicht, so dass sie den Abraum von Hand aus dem Tunnel räumen mussten. Glücklicherweise fiel dies in der Dunkelheit am Rand der Welt nicht weiter auf. Zuerst gruben sie nur geradeaus, eine anstrengende Arbeit, wenn man den Bohrer im-
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mer von Hand gegen den Felsen pressen musste, doch dann stiegen sie in immer steileren Winkel nach oben, bis es nicht mehr steiler ging. Dadurch, dass sie nur einen kleinen Tunnel gruben, kamen sie sogar schneller voran als die Anderen und so hatten sie etwa 6 Wochen später schon etwa 3 Kilometer Höhenunterschied zurück gelegt. »Dann stimmt es also wirklich«, murmelte Melka, »dass die Menschen früher oben gelebt haben und der ganze Boden von Erde bedeckt war... Bald müssten wir es geschafft haben!« »Und wenn da jetzt doch der Tod lauert?« flüsterte Ganya. »Hat er am Rand gelauert?« fragte Melka zurück. »Nein! Stattdessen haben wir eine neue Welt voller freundlicher Menschen gefunden.« »Ja, aber diese Legende kannten diese Menschen auch!« »Wenn du so viel angst hat, warum bist du dann überhaupt mitgekommen?« Darauf fiel Ganya nichts mehr ein und sie schwieg. Durch die Erde kamen sie nun viel schneller voran, dafür merkten sie aber, dass der Gang unsicher wurde. Immer wieder bröckelte etwas von der Decke ab und sie hofften, dass er nicht einstürzen würde. Doch die Neugier war stärker, so liefen sie auch nicht zurück, um etwas zum Abstützen zu holen. »Gleich müssten wir an der Oberfläche sein!« sagte Melka immer wieder, wenn einige Brocken von der Decke fielen und beide ängstlich dorthin blickten. »Dann wissen wir bescheid.« Sie hatte es gerade wieder gesagt, als der Bohrer plötzlich einen Satz nach vorne machte und verschwand. Ganya, die momentan mit der Bedienung dran war, fiel zu Boden. »W-was... ?« murmelte sie. »Ganya, schau dir das an!« rief Melka nur. Ganya stand auf, wischte sich den Staub aus dem Gesicht und starrte dann aus dem Loch. Hinter diesem war nur Dunkelheit, die auch ihre Lampe nicht erhellen konnte, doch diese Dunkelheit war nicht vollkommen. Sie wurde durch unzählige kleine Lichtpunkte teilweise erhellt, die über dem Loch zu schweben schienen. Melka und Ganya kletterten aus dem Loch
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und schauten sich um. Zwei Schritte vor ihnen lag der Bohrer, immer noch aktiviert, doch das war den Freundinnen egal. Rings um das Loch, dass sie gegraben hatten, breitete sich ein gigantisches Beet aus, jedoch mit sehr trockener Erde und ohne Pflanzen. In einiger Entfernung hob sich gegen die Lichtpunkte ein zerstörtes Haus ab, noch weiter hinten war eine Fläche, in der sich der Himmel spiegelte. Melka schaltete jetzt doch den Bohrer ab. Eine vollkommene Stille breitete sich aus. »Mir gefällt das hier nicht«, raunte Ganya. »Hier gibt es gar keine Sonne...« »Kalt ist es auch«, stellte Melka fest. »Wer weiß, wie die Menschen damals gelebt haben.« »Was das da wohl für eine Fläche ist?« Ganya deutete auf die Spiegelfläche. »Lass’ uns doch einfach nachschauen!« Der Weg erwies sich als weiter, als erwartet und so benötigten sie etwa eine halbe Stunde, bis sie endlich ankamen. »Wasser!« rief Melka überrascht. »Das ist Wasser!« »So eine gigantische Menge!« stellte Ganya fest. Melka hockte sich hin und hielt die Hand hinein. »Es ist kalt.« Sie führte die Hand zum Mund und nahm einen Schluck. »Hmm... viel besser als das Wasser bei uns. Probiere mal!« »Lecker! Wir sollten uns etwas mitnehmen«, schlug Melka vor. »Aber verrate niemanden, wo wir es her haben.« Sie leerten ihre eigenen Proviantflaschen und füllten sie mit dem Wasser der Oberfläche, dann machten sie sich auf dem Rückweg. Kurz bevor sie das Loch erreichten, blieb Melka plötzlich stehen. »Da sind andere«, sagte sie zu Ganya. »Wo?« »Da vorne. Ich kann ihre Lichter sehen!« »Ich sehe nichts.« »Doch direkt da vorne.« Melka drehte sich zu Ganya um. »Jetzt sind sie hinter... nein vor dir!« Sie rieb sich die Augen, dann stockte sie
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plötzlich und ließ die Fäuste auf die Augen gepresst. »Sie sind in meinen Kopf!« Sie ließ sich zu Boden sinken und zitterte. »Mir ist kalt...« Ganya setzte sich neben sie. »Was ist los mit dir?« »Ich weiß nicht... Ich sehe helle, intensive Punkte, die vor meinen Augen tanzen. Wie Lampen, die jemand in einiger Entfernung umher schwingt. Es hört nicht auf, selbst wenn ich die Augen schließe.« »Setzt sehe ich sie auch!« stammelte Ganya fassungslos. Währenddessen zog Melka sich die Jacke aus. »Was für eine Hitze...« Ganya zitterte. »Mir ist kalt.« »Das war mir auch, aber jetzt ist mir heiß... und diese Punkte...« Sie legte sich hin. »Ich halte das nicht mehr aus...« »Wir sollten schnell zurück nach Hause!« flüsterte Ganya verzweifelt. Melka nickte und versuchte aufzustehen, was ihr aber misslang. »Ich kann nicht, mir ist ganz schwindelig...« Ganya versuchte es ebenfalls vergeblich. »Was geschieht mit uns... ?«
Sie schauten sich gegenseitig an und stellten entsetzt fest, dass sich ihre Gesichter rötlich verfärbt hatten. »Der Tod...« raunte Ganya. »Nein!« schrie Melka und krabbelte auf das Loch zu. »Das haben wir jetzt von unserer Neugier, Melka«, krächzte Ganya hinter ihr. »Lass’ es sein, es hat keinen Zweck mehr...« »Es... gibt... keinen... Tod!« keuchte Melka und schob sich weiter auf das Loch zu. »Ich... entkomme... ihm!« Die schrie triumphierend, als ihre Finger den Rand zu fassen bekamen. Nur noch ein Stückchen, dann würde die Neigung des Tunnels sie von alleine nach untern rutschen lassen. Dann wurden ihre Finger taub. Fassungslos wollte sie sich vor die Augen halten, doch dabei verhakten sich ihre Hände mit der Flasche an ihrem Gürtel, die daraufhin in das Loch fiel und den Tunnel hinunter polterte. Zuerst konnte Melka ihr hinterher schauen, doch dann wurde es dunkel, oder vielmehr – sie wurde blind! »Ganya« rief sie hysterisch nach der Freundin, doch ihr antwortete nur ein leises Gurgeln, dann erstarb auch dieses Geräusch.
ENDE Alexander Nofftz, Leverkusen, August 1999
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