Chunxiao Jing
30 Minuten für
mehr Chinakompetenz
30-Minuten-Reihe
Bibliografische Information Der Deutschen Bibliothek
Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.ddb.de abrufbar.
Umschlag und Layout: die imprimatur, Hainburg Lektorat: Diethild Bansleben, Eppstein/Offenbach Satz: ZeroSoft, Timisoara, Rumänien Druck und Verarbeitung: Salzland Druck, Staßfurt
© 2006 GABAL Verlag GmbH, Offenbach
Alle Rechte vorbehalten. Nachdruck, auch auszugsweise, nur mit schriftlicher Genehmigung des Verlags.
Hinweis: Das Buch ist sorgfältig erarbeitet worden. Dennoch erfolgen alle Angaben ohne Gewähr. Weder Autor noch Verlag können für eventuelle Nachteile oder Schäden, die aus den im Buch gemachten Hinweisen resultieren, eine Haftung übernehmen.
Printed in Germany ISBN 3-89749-621-6
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Inhalt Vorwort
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1. Interkulturelle Kompetenz ist der Schlüssel 8 Was ist interkulturelle Kompetenz? 9 Wozu nützt interkulturelle Kompetenz? 10
2. Grundlagen chinesischer Kultur und Mentalität Basiswissen China Das Deutschlandbild der Chinesen Unterschiede zwischen deutscher und chinesischer Mentalität
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12 13 20 22
3. Elementare chinesische Umgangsformen „Gesicht“ Höflichkeit Bescheidenheit Zurückhaltung Indirektes Formulieren
26 27 29 31 32 33
4. Die erste Begegnung Begrüßungsformeln und -gesten Reihenfolge bei der Begrüßung Visitenkarten
36 37 38 39
40 41
5. Verhandlungen mit Chinesen Chinesischer Verhandlungsstil Verhandlungsgestaltung
42 43 47
6. Beziehungspflege guanxi Beziehungsnetzwerke und Geschäft – lao pengyou Beziehungsaufbau und -pflege Geschenke, Gefälligkeiten, Korruption
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7. Herausforderung chinesisches Essen Chinesische Esskultur Tischsitten Geschäftsessen
64 65 69 72
8. Zeichen, Symbole, Feiertage Zahlen Farben Geschenke Chinesische Feiertage
74 75 76 77 78
Register
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Inhaltsverzeichnis
Körperkontakt Blickkontakt
56 60 61
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Vorwort China ist weltweit die sechstgrößte Volkswirtschaft, die drittgrößte Handelsnation und das bevölkerungsreichste Land mit 1.300 Millionen Einwohnern. Als Produktionsstandort seit langem von herausragender und weiter wachsender Bedeutung gewinnt nun der chinesische Markt selbst zunehmendes Gewicht. Europäische Produkte, Kultur und Lebensart genießen in China hohes Ansehen und der wachsende Wohlstand der Chinesen verstärkt die Nachfrage nach qualitativ hochwertigen Waren und westlichem Lebensstil. Aber Wirtschaftssystem und Kultur in China erschließen sich Europäern nicht von alleine, Mentalität und Sprache stellen hohe Hürden dar. Dieses Buch will Ihnen helfen, positiv und aktiv aufzutreten, Fehler zu vermeiden und Ihre chinesischen Geschäftspartner besser zu verstehen. Vor allem jedoch soll es Ihnen in einer kulturell ungewohnten Umgebung die Sicherheit vermitteln, die Ihnen Kopf und Blick frei hält für China, seine Menschen und Chancen. Dazu werden Sie erfahren: – was die Grundlagen der chinesischen Mentalität und Kultur sind, – warum persönliche Beziehungen in China so wichtig sind, – was chinesische Geschäftspartner als korrekten Umgang empfinden, – welchen Eindruck Ihr Verhalten auf Chinesen macht, – wie Sie am besten mit Chinesen verhandeln. Sind Chinesen denn wirklich so kompliziert? Natürlich nicht, aber ihre Mentalität und Kultur unterscheiden sich
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Vorwort
sehr von vielem, was Sie aus Europa kennen. Wundern Sie sich also auch nicht, wenn Ihnen meine Hinweise nicht immer als mit den westlichen Vorstellungen von Logik vereinbar erscheinen oder wenn ich hier und da Wiederholungen eingebaut habe. Chinesen betonen nämlich wichtige Punkte durch Wiederholung, nicht durch Hervorhebung! Wenn Sie solche Unterschiede berücksichtigen und damit umgehen können, haben Sie den ersten Schritt auf dem Weg zu dauerhaften Erfolgen mit Ihren chinesischen Geschäftspartnern schon geschafft. Ich hoffe, dass Ihnen die Lektüre der folgenden Seiten Spaß macht und Ihre Lust auf China und die Chinesen verstärkt! Sollten Sie noch Fragen haben, schreiben oder rufen Sie mich einfach an. Ihre Chunxiao Jing Schüttorfweg 19 D-48161 Münster Tel: 02 51 / 9 82 98 47 Fax: 07 21 / 1 51 36 09 59 E-Mail:
[email protected] Internet: www.Auf-der-Seidenstrasse.com PS.: Frauen und Männer sind von mir immer gleichermaßen angesprochen und gemeint, auch dort wo ich aus Gründen des Leseflusses nur eine Geschlechtsform verwendet habe. Danken möchte ich Frau Junmei Song für die Abbildungen sowie meinem Mann Pero von Strasser für seine ideelle und redaktionelle Unterstützung.
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1. Interkulturelle Kompetenz ist der Schlüssel
Was bedeutet interkulturelle Kompetenz? Seite 9 Welchen greifbaren Nutzen haben Sie von Ihrer interkulturellen Kompetenz? Seite 10 Wie können Sie ohne chinesische Sprachkenntnisse kommunizieren? Seite 11
1.1
Erfolg haben im Reich der Mitte
Ich stelle mir vor, wie Sie sich gerade auf eine Reise nach China oder Ihre Begegnungen mit chinesischen Gesprächspartnern vorbereiten. Überall auf der Welt leisten Ihnen Ihre fachlichen, sprachlichen und emotionalen Kompetenzen gute Dienste, aber das wird umso schwieriger, je weiter weg von Ihrem heimatlichen kulturellen Umfeld Sie sich bewegen. Um Ihnen das fremde China, seine Kultur, Sitten und Gebräuche vertrauter zu machen, möchte ich Sie unterstützen, Ihre interkulturelle Kompetenz in Bezug auf China zu entwickeln und auszubauen. Diese besondere Chinakompetenz ist Ihre persönliche Schlüsselqualifikation für aktiv gestaltete und dauerhafte Erfolge im Reich der Mitte.
Was ist interkulturelle Kompetenz?
Konkret erfährt man die Unterschiede zwischen der eigenen und fremden Kulturen in Sprache, nonverbaler Kommunikation, Wahrnehmung, Umgangsformen, Beziehungsformen, Denkmustern, Wertorientierungen. Diese Unterschiede zu erkennen und zu berücksichtigen, ist die Voraussetzung, um mit dem „Fremden“ in Beziehung treten zu können und sinnvoll zu interagieren. Um die Unterschiede zu überbrücken, sind weitere Fähigkeiten nötig. Zusammengefasst bilden diese Fähigkeiten die interkulturelle Kompetenz. Zweckgerichtet verstanden ist interkulturelle Kompetenz die Befähigung, über Kulturgrenzen hinweg mit Menschen erfolgreich zu kommunizieren.
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1. Interkulturelle Kompetenz ist der Schlüssel
1.2
Wozu nützt interkulturelle Kompetenz?
Die unaufhaltsame Akzeptanz globalisierter Produktions- und Handelsformen bedeutet noch keine automatische Akzeptanz weltweit angeglichener Kulturformen auf dem kleinsten gemeinsamen Nenner des Business-Englisch. Viele, die am internationalen Wirtschaftsprozess teilnehmen, beharren bewusst auf ihrer kulturellen Eigenart, andere, wie z. B. China, haben aber auch noch gar nicht Zeit und Gelegenheit gehabt, die internationale „Geschäftskultur“ umfassend anzunehmen. Ohne interkulturelle Kompetenz werden ausländische Unternehmen auf solchen Märkten weder ihre Interessen kommunizieren noch sich dauerhaft positionieren können. Es ist zweifellos ein Akt vorausblickender Höflichkeit, einem Menschen mit fremdem kulturellen Hintergrund zu zeigen, dass man um diesen Hintergrund weiß und ihn respektiert. Auf dieser Haltung gründende Kommunikationsprozesse können nie wirklich misslingen. Erwerb von und Auseinandersetzung mit interkultureller Kompetenz sind Herausforderungen, da das Bewusstsein für die Elemente und Grenzen der eigenen kulturellen Identität geschärft wird; sie sind Chancen, weil vertieftes Wissen und echtes Verständnis neue Möglichkeiten erschließen. „Wer den Gegner und sich selbst kennt, wird in 100 Schlachten siegreich bleiben“, besagt ein chinesisches Sprichwort. Es liegt auf der Hand, dass interkulturelle Kompetenz ein wirkungsvolles Mittel ist, das eigene und das „gegnerische“ Verhalten besser einzuordnen. Dazu müssen
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Beherrschen Sie die chinesische Sprache?
Sie gar nicht alles verstehen. Natürlich gilt, je mehr, desto besser. Entscheidend ist für Sie, über ein Basiswissen zu verfügen, das es Ihnen erlaubt, in unklaren Situationen kulturell so angemessen reagieren zu können, dass Ihnen keine Nachteile erwachsen. Bereits die Kenntnis weniger Grundlinien der chinesischen Kultur bedeutet sehr viel bei der Vermeidung nicht wieder gutzumachender Fehler und beim Setzen positiver Akzente. Das Beherrschen der chinesischen Sprache ist natürlich das wichtigste Element erfolgreicher Kommunikation mit Chinesen. Die chinesische Art, sich auszudrücken, werden Sie auf der Basis interkultureller Kompetenz aber auch in einer übersetzten deutschen oder englischen Version besser verstehen. Zudem können und sollten Sie gerade ohne eigene chinesische Sprachkenntnisse selber kommunikativ handeln. Außersprachliche Kommunikation ist zwar weniger differenziert, aber dafür im zwischenmenschlichen und persönlichen Bereich besonders wirksam. Und eben dieser Bereich ist der für Chinesen wichtigste! Interkulturelle Kompetenz öffnet Ihnen Zugänge: z Mit Worten und ohne kommunizieren Sie Ihre Botschaften so, dass Chinesen diese richtig verstehen können. z Sie können Gestik, Mimik und Ausdrucksweise Ihrer chinesischen Gesprächspartner besser einordnen und verstehen. z Sie erhalten ein deutlicheres Bild Ihrer eigenen kulturellen Identität und Ihres Umgangs damit.
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2. Grundlagen chinesischer Kultur und Mentalität
Warum sind Grundkenntnisse über China und seine Kultur für Sie nützlich? Seite 13 Auf welche Themen, die China betreffen, reagieren Chinesen empfindlich? Seite 19 Was beeindruckt Chinesen an Deutschland? Seite 20
Kennen Sie Chinas Geschichte?
Um im Umgang mit Chinesen Fehler zu vermeiden, sollten Sie einige Grundregeln beherzigen. Sie werden diese Regeln leichter verstehen und anwenden, wenn Sie den kulturellen Rahmen, in dem sie gelten, kennen. Vor allem aber werden Sie über ein verbessertes Beurteilungsvermögen hinsichtlich des Verhaltens Ihrer chinesischen Partner verfügen und eigenes Gespür für das richtige Wort und die richtige Geste am richtigen Platz entwickeln. Das Befolgen von erlernbaren Verhaltensregeln erleichtert zunächst einmal die Kontaktaufnahme mit Chinesen und vermittelt eine gewisse Sicherheit, im Umgang keine fatalen Fehler zu begehen. Um souverän handeln zu können, sollten Sie jedoch Ihr eigenes Verständnis für jede Situation entwickeln. Das ist auf einer Basis von Grundkenntnissen über China, seine Geschichte und Kultur gut möglich, da chinesisches Verhalten sehr stark von Traditionen bestimmt ist.
2.1
Basiswissen China
Geschichte Die chinesische Kultur kann auf über 5.000 Jahre Geschichte zurückblicken. Sie ist die einzige der ursprünglichen Hochkulturen der Menschheit, die bis heute bruchlos fortbesteht. Auf diese Tradition und auf die Leistungen ihrer Kultur sind alle Chinesen stolz. Vom Untergang des Römischen Reiches bis ins 18. Jahrhundert war China immer eine der kulturell und machtpolitisch führenden Nationen der Welt gewesen. Auch
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2. Grundlagen chinesischer Kultur und Mentalität
in Zeiten fremder Herrschaft wie z. B. der Mongolen während des 13. Jahrhunderts oder der Mandschu, die über 250 Jahre lang die letzte Kaiserdynastie stellten, dominierte die chinesische Kultur. Im Verlauf des 19. Jahrhunderts geriet das damals technologisch und politisch rückständige China immer mehr unter den Einfluss der westlichen Länder und Japans. Sie unterwarfen das von inneren Aufständen zusätzlich geschwächte Riesenreich mit militärischen und wirtschaftlichen Mitteln ihren Interessen. Die erste Hälfte des 20. Jahrhunderts war von Bürgerkriegen und vor allem dem Krieg gegen Japan mit seinen Millionen chinesischer Opfer geprägt. Nach der kommunistischen Machtübernahme 1949 wurde zwar eine bis heute anhaltende totalitäre Staatsform installiert, zugleich begann aber trotz vieler innenpolitischer Rückschläge Chinas Wiederaufstieg zur Weltmacht. Seit der wirtschaftspolitischen Öffnung vor über 20 Jahren entwickelt sich die chinesische Wirtschaft rasant. Die Regierung verfügte gewisse innenpolitische Lockerungen und Reformen, allerdings ohne dass die führende Rolle der kommunistischen Partei dabei irgendwie in Gefahr geriet. Viele geschichtliche Ereignisse sind im Bewusstsein der Chinesen fest verankert. Das Verhältnis zu den westlichen Ländern und Japan steht unter dem Eindruck der Erfahrung der Macht- und Hilflosigkeit Chinas im 19. und 20. Jahrhundert. Die Empfindlichkeit der chinesischen Regierung, aber auch vieler Chinesen in internationalen Statusfragen erklärt sich hieraus. Diskussionen historischer Fragestellungen sollten Sie am besten gar nicht oder nur mit äußerstem Fingerspitzengefühl führen.
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Überblick über Chinas politische Rahmenbedingungen
Gesellschaft In China leben über 1,3 Milliarden Menschen. Ihre Lebensbedingungen sind von außerordentlicher und zunehmender Ungleichheit gekennzeichnet. Die Landbevölkerung mit ca. 800 Millionen Menschen stellt die größte und am meisten benachteiligte Gruppe dar. Seriöse Schätzungen gehen davon aus, dass beständig mindestens 100 Millionen. Wanderarbeiter aus der Landbevölkerung unterwegs sind auf der Suche nach Arbeit. Der Durchschnittsjahresverdienst in den Städten lag in 2005 mit ca. 980 € mehr als dreimal so hoch wie auf dem Land. Die anteilsmäßig noch kleine, urban und bürgerlich geprägte Mittelschicht nimmt rasch zu, bleibt dabei jedoch noch zumeist unpolitisch. Wachsende politische und wirtschaftliche Bedeutung erlangt eine international ausgebildete, global denkende Elite. Die immer wieder in Protesten sich manifestierenden gesellschaftlichen Ungleichgewichte beunruhigen die Regierung in Peking und veranlassen sie zu Maßnahmen, um die Entwicklung des ländlichen Raumes und strukturell benachteiligter Regionen voranzutreiben. Erklärtes Ziel ist die Herstellung gesellschaftlich und wirtschaftlich stabiler Zustände. Politik Verglichen mit der wirtschaftlichen Dynamik verändern sich die politischen Rahmenbedingungen nur sehr langsam. Das politische System Chinas ist autoritär, die Führung liegt allein bei der kommunistischen Partei. Dennoch erweist sich der Partei- und Staatsapparat als nicht mehr so monolithisch wie früher. In
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2. Grundlagen chinesischer Kultur und Mentalität
vielen Bereichen machen sich sehr vorsichtige, oft allerdings widersprüchliche Lockerungen bemerkbar, ohne dass der grundsätzliche Gegensatz von wirtschaftlicher Freiheit und politischer Bevormundung aufgehoben würde. Außenpolitisch drängt China zunehmend in die Rolle einer Weltmacht, die sich die USA zum Maßstab genommen hat. Insbesondere bei der Sicherung des Zugriffs auf Energieressourcen gibt es eine scharfe Konkurrenz. Chinesen sind nationalstolz und reagieren, selbst wenn sie regierungskritisch eingestellt sind, zumeist äußerst empfindlich auf alles, was als Kritik an China verstanden werden könnte. Strittige Themen wie Taiwan und Tibet oder den Umgang mit Dissidenten sollten Sie in Gesprächen vorsichtshalber nicht berühren. Wirtschaft Die Wirtschaft ist als sogenannte sozialistische Marktwirtschaft organisiert. Der Staat beherrscht große Bereiche des Wirtschaftslebens und setzt die Regeln nach den ihm geeignet erscheinenden Prioritäten. Dies kann vor allem ausländischen Unternehmen immer wieder unerwartete Probleme bereiten, zumal das Justizsystem rechtsstaatlichen Ansprüchen nicht genügt. Der Großteil der Staatsbetriebe und hier besonders die Banken befinden sich in desolatem Zustand. 2005 betrug Chinas Bruttosozialprodukt ca. 1,29 Billionen €. Pro Kopf sind das etwa 1.500 €, das Niveau eines Entwicklungslandes. Seit ca. 20 Jahren erlebt der privatwirtschaftliche Sektor einen beispiellosen Aufschwung (durchschnittliches jährliches Wirtschaftswachstum nie unter 9 %). Die weitere wirtschaftliche
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Sprache / Schrift Chinesisch, das amts- und hochsprachliche Mandarin, ist die Sprache mit der weltweit größten Zahl muttersprachlicher Sprecher. Sein Schriftsystem ist das älteste der heute gebräuchlichen. Für gebildete Chinesen stellt es kein Problem dar, 3.000 Jahre alte Inschriften zu lesen und zu verstehen. Der Aufbau des Chinesischen unterscheidet sich deutlich von allen europäischen Sprachen. Es gibt ausschließlich unflektierte Grundformen, die zu Sätzen aneinandergereiht werden. Allein Kombination und Reihenfolge der Worte entscheiden über den Sinn, der sich stets nur aus dem Gesamtzusammenhang erschließt. Das gilt in China nicht nur für die Sprache, sondern für alle Lebensbereiche. Das Ganze, die Gruppe, die Familie, das Unternehmen, der Staat, sie sind immer wichtiger als die Teile, aus denen sie bestehen. Der gesamte Wortschatz besteht aus rund 420 Silben in vier verschiedenen Betonungen, daher existieren sehr viele gleich klingende Worte mit unterschiedlicher Bedeutung (Homophone). Gesprochenes Chinesisch ist vieldeutig, anspielungsreich und leistet gewollten oder ungewollten Missverständnissen Vorschub. Neue Silben können nicht gebildet werden, also auch keine
Der Wortschatz: 420 Silben in vier verschiedenen Betonungen
Entwicklung wird vor allem davon abhängen, inwieweit die chinesische Regierung die drängendsten Probleme lösen kann: Energie- und Ressourcenverknappung, Umweltzerstörung, Sanierung des staatswirtschaftlichen Sektors, Rechtssicherheit, Verteilungsgerechtigkeit, innenpolitische Stabilität.
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2. Grundlagen chinesischer Kultur und Mentalität
Fremdworte aus anderen Sprachen übernommen werden. Bei der Übersetzung westlicher Markennamen versucht man, sich an den Klang des Originals anzulehnen und zugleich eine chinesische Bedeutung zu transportieren: Mercedes-Benz = ben chi = schnell fahren, Coca-Cola = ke kou ke le = Geschmack und Spaß. Die chinesische Schrift ist eine symbolhafte Silbenschrift. Es gibt für jeden Begriff, und nicht etwa nur für jede gesprochene Silbe, ein eigenes, unverwechselbares Zeichen. Das umfangreichste Wörterbuch verzeichnet ca. 87.000 Zeichen. Normale Zeitungslektüre setzt die Kenntnis von ca. 5.000 Zeichen voraus. Die einzelnen Zeichen haben sich ursprünglich aus Abbildern oder Symbolen entwickelt. Zum Teil sind die zu Grunde liegenden Bilder noch heute erkennbar: = ren = Mensch oder = zhong = Mitte, Reich der Mitte, China (Pfeil trifft in die Mitte einer eckigen Zielscheibe). Konfuzianismus / Religion Ein weiterer zum Verständnis Chinas notwendiger kultureller Aspekt ist der Konfuzianismus. Im Westen wird der Konfuzianismus häufig als Religion begriffen. Er hat zwar religiöse Aspekte, ist jedoch in viel höherem Maß die geistig-moralische Grundlage der chinesischen Gesellschaft. Konfuzius (551-479 v. Chr.) lebte in einer Zeit der politischen Zersplitterung und des Chaos in China. Seine Lehre zielt daher darauf, Ordnung in die unordentlichen Verhältnisse zu bringen. Für ihn bestimmen vor allem von Ungleichheit geprägte Beziehungen das menschliche Leben. Gerade diese Ungleichheit ist die
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Konfessionslos - aber traditionell!
Voraussetzung gesellschaftlicher Stabilität. Das Individuum im westlichen Sinne als ein Subjekt eigenen und gleichen Rechts hat in diesem Modell keinen Platz. Ausschließlich gesellschaftliche Stellung und soziale Beziehungen machen die Bedeutung eines Menschen aus. Im täglichen Leben spielt Religion eine untergeordnete Rolle. Die meisten Chinesen sind konfessionslos und ohne jeden Dogmatismus, beachten aber traditionelle Riten wie den Ahnenkult. In einer persönlichen Notlage können sie dennoch schon mal in mehrere Tempel gehen und verschiedenen Gottheiten spenden. Die freie Religionsausübung wird inzwischen geduldet, solange sie das staatliche Machtmonopol nicht berührt. Konflikte bestehen deswegen mit der katholischen Kirche, islamischen Gruppen in Xingjiang und der auch im Westen bekannten Falun-Gong-Sekte. Mögliche Gespräche über diese Themen sollten Sie zurückhaltend führen. Auch selbstkritische Chinesen können auf fremde Kritik an China und allem, was damit in Zusammenhang steht, empfindlich reagieren. Sie fühlen sich als Teil ihrer Nation und jede Bemerkung, die weniger als ein Lob ist, bedeutet für sie persönlichen Gesichtsverlust. Wird Kritik von Chinesen selbst geäußert, dürfen Sie nicht zustimmen. Bleiben Sie am besten neutral. Besonders heikle Themen sind: Taiwan, Tibet/Dalai Lama, Japan, Menschenrechte.
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2. Grundlagen chinesischer Kultur und Mentalität
2.2
Das Deutschlandbild der Chinesen
Deutschland ist in China eine ziemlich beliebte Nation. Gebildete Chinesen wissen eine Menge über deutsche Geschichte und Kultur, jeder Chinese kennt deutsche Autos. Deutsche Markenprodukte und deutsche Geistesgrößen sind imagebildend in China. Geschichte / Kultur Direkte deutsch-chinesische Handelsbeziehungen bestanden bereits über 100 Jahre, als 1861 die diplomatischen Beziehungen zwischen China und Preußen aufgenommen wurden. Preußen und später das Deutsche Reich wurden von der chinesischen Regierung als friedfertige Handelspartner geschätzt, die sich dem imperialistischen Auftreten anderer Westmächte nicht anschlossen. Vor diesem Hintergrund gelang es z. B. Krupp, zum größten Waffenlieferanten Chinas aufzusteigen. Die Phase guter Beziehungen fand ihr abruptes Ende, als Deutschland im Jahr 1900 in die Allianz zur Niederschlagung des Boxeraufstandes eintrat. Bereits 1897 hatte Deutschland die Jiaozhou-Bucht besetzt, wo es das Fischerdorf Qingdao zum groß angelegten Brückenkopf ausbaute. Bekanntestes Überbleibsel dieser Zeit ist die Tsingtao-Brauerei. Intensiver wurden die Beziehungen erst wieder mit Beginn der 1970er-Jahre und der Aufnahme der diplomatischen Beziehungen 1972. Heute ist Deutschland Chinas wichtigster europäischer Handels- und Investitionspartner und das erste westliche Land, das privat reisende chinesische Touristen besuchen dürfen. Chinesische Intellektuelle
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Deutsche Produkte – Autos, Maschinen, Sport ... Leichter verdaulichen Gesprächsstoff, den jeder Chinese beherrscht, bieten Autos und Sport aus Deutschland. Der Besitz eines BMW oder Porsche ist der – zumeist noch – unerfüllbare Traum chinesischer Autofahrer. Michael Schumacher und deutscher Bundesligafußball sind populär und sehr präsent in den chinesischen Medien. Neben dem alles dominierenden Auto genießt in Fachkreisen der deutsche Maschinenbau hohes Ansehen. Seine Produkte gelten als hervorragend aber teuer. Genauso wie das prestigeträchtige deutsche Bier! Wenige können es sich zwar leisten, doch das einheimische chinesische Bier wird überwiegend in deutschen Brauanlagen erzeugt.
Wie Chinesen Deutschland sehen
kennen und bewundern die Geistesgrößen der deutschen Kulturgeschichte. Hegel, Goethe, Bach oder Beethoven sind Namen, mit denen sich ein kulturell inspiriertes Gespräch gut beginnen lässt.
Deutschland hat in China ein positives, vor allem durch seine Exportartikel bestimmtes Image. Autos (Autobahnen ohne Geschwindigkeitsbegrenzung!) und Sport aus Deutschland sind Themen, über die alle Chinesen sich gerne mit Ihnen unterhalten. Gebildete Chinesen schätzen die klassischen Werke der deutschen Kultur.
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2. Grundlagen chinesischer Kultur und Mentalität
2.3
Unterschiede zwischen deutscher und chinesischer Mentalität
Die oben kurz angerissenen Fakten der chinesischen Geschichte, Kultur und Gesellschaft lassen die Unterschiede zwischen deutscher und chinesischer Mentalität erahnen. Natürlich ist die Wirklichkeit deutscher und chinesischer Menschen weit komplexer und komplizierter. Dennoch zeigen sich im Umgang miteinander bestimmte Verhaltensmuster, die immer wieder auftauchen. Das Erkennen der Muster erleichtert das gegenseitige Verständnis, hilft Ihnen bei der Überprüfung des eigenen Verhaltens und der Vermeidung von Missverständnissen. Individuum / Gruppe Die chinesische Mentalität formte sich im Verlauf einer mindestens 5.000-jährigen ungebrochenen Zivilisationsgeschichte. Ihr Idealziel ist das Erreichen eines Zustands von Harmonie. Harmonie meint, dass das große Ganze – also die Welt – „in Ordnung“ ist, weil alle Elemente an ihrem Platz sind und dort ihre vorgesehenen Funktionen erfüllen. Die Ordnung der Harmonie ist kein starrer Zustand, sondern ein Prozess des goldenen Mittelwegs, der die existierenden Gegensätze und Widersprüche in sich ausgleicht. Wahrheit oder Gerechtigkeit sind in diesem Prozess nur individuelle Aspekte. Bedeutung hat allein das übergeordnete Ganze, das den individuellen Aspekten Sinn verleihen kann. Richtig und Falsch schließen sich nicht gegenseitig aus. Ihre Berechtigung hängt von den Bezügen ab, in denen sie stehen. Das Streben des westlichen Individuums nach Selbst-
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Direkt / indirekt Chinesen lieben den Umweg, die indirekte Formulierung, das Offenhalten möglichst vieler Optionen. Unverblümtes Aussprechen der eigenen Wünsche oder Ideen empfinden Chinesen als vorlaut, ungezogen und rücksichtslos. Europäern mag es bisweilen vorkommen, dass der Punkt, mit dem Chinesen beginnen, der ist, um den es am wenigsten geht. Chinesische Gesprächsführung folgt keiner linear-logischen Gedankenführung. Durch Andeutungen, Wiederholungen und Verknüpfungen versuchen die Gesprächspartner, Interesse, Sympathie, Zustimmung und Handlungsimpulse zu wecken. Deutschen erscheint diese umkreisende Gesprächsführung als Reden um den heißen Brei. Je heikler ein Thema ist, desto vorsichtiger formulieren Chinesen. Das Wort „Nein“ wird stets so gut verpackt, dass Sie es vielleicht schon mal überhören können. Besondere Aufmerksamkeit sollten Sie auf alle relevanten Themen richten, die Ihre chinesischen Gesprächspart-
Chinesen lieben den Umweg, die indirekte Formulierung
ständigkeit, Selbstverwirklichung und Selbstverantwortung ist für die meisten Chinesen kein verlockender Weg. Sie lernen von klein auf, sich als Bestandteil von Gruppen zu fühlen. Ihre persönlichen Lebensinteressen entwickeln sie in Harmonie mit den Gruppeninteressen der Familie, der Schulklasse, des Unternehmens ... Indem man sich der Gruppe unterordnet, wird man umgekehrt von ihr geschützt und gefördert. Die Betonung einer äußerlichen Harmonie führt dazu, dass viele Chinesen nicht selten unselbstständig, angepasst, risikoscheu und leicht beeinflussbar sind.
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2. Grundlagen chinesischer Kultur und Mentalität
ner gar nicht ansprechen. Die indirekteste Aussage ist nämlich die gar nicht erfolgte. Gehen Sie davon aus, dass etwas bewusst weggelassen und nicht bloß vergessen wurde! Sachbezug / Personenbezug Jemandem zu sagen, er kommuniziere und arbeite sachbezogen, ist in Deutschland ein Lob. In China wäre ein solches Lob schwer verständlich. Dort behält man zwar genauso seine Ziele im Auge, erreicht sie aber durch personenbezogenes Vorgehen. Geschäftstreffen drehen sich für deutsche Manager um Produkte, Preise, Abschlüsse. Für Chinesen werden diese Dinge von Menschen gemacht. Man muss also zu den entscheidenden Menschen gute Beziehungen pflegen, gemeinsame Interessen entwickeln und auf dieser Basis zu Regelungen gelangen. Im Mittelpunkt chinesischen Handelns stehen deswegen immer Personen. Wenn mit dem Geschäftspartner erst eine Ebene persönlicher, vertrauensvoller Verständigung gefunden ist, stellt die geschäftliche Einigung kein Problem mehr dar. Wundern Sie sich also nicht, wenn Ihre Gesprächspartner sich zunächst mehr für Ihr Familienleben, Ihre Hobbys und Ihre berufliche Position als für Ihre geschäftlichen Absichten interessieren. Weitere Informationen zu diesem wichtigen Thema finden Sie im Kapitel guanxi auf S. 55. Die Kenntnis kultureller und geschichtlicher Grundlinien hilft Ihnen beim Verständnis chinesischer Mentalität:
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Dinge werden von Menschen gemacht
China hat eine 5.000-jährige kulturelle und geschichtliche Tradition, auf die alle Chinesen stolz sind; entsprechend empfindlich reagieren sie auf Kritik. z Die chinesische Sprache mit ihrer Unschärfe und Vieldeutigkeit prägt Denken und Mentalität der Chinesen. Ein anderer wichtiger Faktor ist der Konfuzianismus mit seinen Ordnungs- und Hierarchieprinzipien. z Die chinesische Mentalität liegt der deutschen fern. Sehr zugespitzt formuliert wirken Chinesen auf Deutsche biegsam, zurückhaltend und undurchsichtig, Deutsche auf Chinesen steif, diszipliniert und direkt. Versuchen Sie wenn möglich Ihr Wissen über chinesische Geschichte und Kultur als einen Teil Ihrer Chinakompetenz weiter zu vertiefen. z
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3. Elementare chinesische Umgangsformen
Warum ist Gesichtswahrung für Chinesen so wichtig? Seite 27 Was macht chinesische Höflichkeit aus? Seite 29 Warum führt in China bescheidene Zurückhaltung am weitesten? Seite 32
3.1
Das Gesicht, die persönliche Würde und soziale Stellung
Hierarchische Beziehungen prägen die chinesische Gesellschaft und das Leben des Einzelnen – Beziehungen im Rahmen von Familie, Staat und Institutionen. Wo keine derartigen Beziehungen bestehen, regeln persönliche Beziehungen die Umgangsformen, und wo die persönlichen Beziehungen fehlen, herrscht Gleichgültigkeit. Daraus erklärt sich das für westliche Chinabesucher häufig als widersprüchlich empfundene Verhalten der Chinesen. Menschen, die sich persönlich kennen oder die in hierarchischen Beziehungen zueinander stehen, sind außerordentlich höflich und zuvorkommend, zumeist in höherem Maß, als das in Europa üblich ist. Im ungeregelten Umgang miteinander, etwa auf der Straße oder im Bus, können Chinesen recht rüde und unfreundlich sein. Grundsätzlich höfliche Umgangsformen sind in China nicht selbstverständlich. Zeremonielle Höflichkeit und rücksichtsloses Benehmen liegen oft verwirrend dicht beieinander.
„Gesicht“
Die im Westen nicht ungewöhnliche Haltung der Gleichgültigkeit gegenüber dem Urteil anderer findet in China kaum Verständnis. „Gesicht“ ist hier alles. Es ist der Ausdruck der persönlichen Würde und der sozialen Stellung des Einzelnen, so wie die Gesellschaft als beurteilende Instanz sie widerspiegelt. Dabei muss das gesellschaftliche Urteil nicht erst ausgedrückt werden. Jeder spürt die Instanz als Schamgefühl in sich und fühlt, wie die anderen ihn beurteilen. Es ist daher sehr wichtig, nicht nur auf das eigene Gesicht zu ach-
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3. Elementare chinesische Umgangsformen
ten, sondern dafür zu sorgen, dass das Gegenüber sein Gesicht wahren und mehren kann. Man muss ihm „Gesicht geben“. Vor diesem Hintergrund werden zwei Dinge klar: – Herstellung und Pflege persönlicher Beziehungen haben eine viel höhere Bedeutung als im Westen üblich. Persönliche Beziehungen stellen einen geschützten, von Vertrauen gekennzeichneten, kontrollierbaren Raum dar, in dem die Partner durch Lob und Anerkennung sich gegenseitig Gesicht geben können. – Kritik oder Ablehnung dürfen nur äußerst zurückhaltend und indirekt formuliert werden. Sie richten sich immer gegen Personen, denen damit ein kränkender Gesichtsverlust zugefügt würde. Zur Wahrung des Gesichts gehört auch die strenge Beachtung der Hierarchien. Chinesen erwarten eine ihrem Rang und Status entsprechende Behandlung. Dahinter verbirgt sich neben dem Anspruch auf Respekt der Anspruch der Macht, die immer wieder neu bestätigt werden will, zumal sie nicht unbedingt formal hierarchisch abgesichert sein muss; z. B. können Alter oder soziales Prestige Macht verleihen. Wer in der Gesellschaft über Gesicht verfügt, verfügt über Macht. Verliert er sein Gesicht, verliert er alles. Deswegen sind für Chinesen das Geben und das Wahren des Gesichts zentrale Lebensaspekte. Gesichtswahrung ist der Kern chinesischer Höflichkeit. Die Anwendung chinesischer Umgangsformen ermöglicht ein Verhalten, mit dem man in keiner Situation sein Gesicht verlieren kann. Der Zwang zur Gesichtswahrung führt zum Unwillen vieler Chinesen, nach begangenen Fehlern sich offen zu
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Zeremonie und Höflichkeit als Handlungsanweisung
korrigieren oder zu entschuldigen. Ebenso typisch ist es, in Abstimmungsprozessen autoritäre Lösungen zu vermeiden und Einvernehmen anzustreben. Bei Uneinigkeit redet man so lange und höflich miteinander, bis man zu einer verträglichen Lösung kommt, die niemandem eine sichtbare Niederlage beibringt. Das kostet zwar Zeit, beschädigt aber nicht das Ansehen der Beteiligten und fördert die Kooperationsbereitschaft. In festgefahrenen Konflikten ziehen Chinesen gerne einen Vermittler hinzu. Vorzugsweise ist das eine Person, die beide Seiten kennt und von beiden Seiten geschätzt wird. Ein über sie erreichter Kompromiss kommt dann von einem „Freund“ und trägt deswegen nicht den Charakter einer Niederlage, die das Gesicht einer Seite beschädigen würde. Gesicht ist das wichtigste gesellschaftliche Kapital jedes Chinesen und er reagiert höchst empfindlich auf alles, was dieses Kapital bedroht. Gesichtsverlust bedeutet soziale Entwertung. Jeder achtet daher nicht allein auf das Bild, das er nach außen abgibt, sondern vermeidet alles, was das Gesicht anderer verletzen könnte. Schroffes Verhalten, unverblümte Kritik und Ablehnung sind beleidigend und inakzeptabel.
3.2
Höflichkeit
Li mao, auf Chinesisch Höflichkeit, vereinigt in sich die beiden Begriffe für Zeremonie und Höflichkeit. Damit ist auf den Umstand hingewiesen, dass Höflichkeit für Chinesen weniger ein Herzensanliegen als
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3. Elementare chinesische Umgangsformen
eine Handlungsanweisung ist. Die Grundlagen dieser Anweisungen gehen im Wesentlichen auf die Lehre des Konfuzius zurück. Danach ist Höflichkeit Ausdruck hierarchischer, nicht gleichberechtigter Verhältnisse. Rangniedere oder Jüngere grüßen z. B. Ranghöhere oder Ältere zuerst, Kritik von „unten“ nach „oben“ ist respektlos usw. Sinn chinesischer Höflichkeit ist es, die menschlichen Beziehungen harmonisch zu gestalten. Harmonie herrscht, wenn offene Konflikte vermieden werden. Explizite Kritik, Widerspruch oder Ablehnung sind unhöfliche, ungezogene Verhaltensweisen, da sie Meinungsverschiedenheiten offenbaren. Die Unterschiede zwischen ehrlicher Anerkennung, formaler Höflichkeit und Heuchelei sind fein. Zurückhaltendes Lob, Nachfragen, Hinweise auf Alternativen oder gar das Aufkommen einer Diskussion sind bei chinesischen Gesprächspartnern immer deutliche Anzeichen von Meinungsabweichung. Ähnliches gilt für demonstratives Schweigen oder auch Zustimmung ohne konkrete Umsetzungsvereinbarung. Das Bild vom unablässig und undurchdringlich lächelnden Chinesen ist nicht ganz falsch. Wenn sie es für nötig halten, können Chinesen „eisern“ höflich bleiben. Korrektes Verhalten an den Tag zu legen, ist ebenso eine Frage der Gesichtswahrung wie der Zweckmäßigkeit. Chinesen halten sich gerne bedeckt und ihr Gegenüber im Unklaren. Hinter der Fassade der Höflichkeit kann dann alles liegen – von klaren Zielvorstellungen bis Ratlosigkeit. Herzlichkeit spielt nur in länger bestehenden persönlichen Beziehungen eine Rolle. Trotzdem ist der soziale Stellenwert von Höflichkeit in
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Chinesische Höflichkeit ist keine Sache des Herzens, sondern der Vernunft. Sie folgt Regeln, die sicherstellen sollen, dass man in keiner denkbaren Situation das Gesicht verliert. Jeder Regelverstoß kann unerwünschte Folgen haben, wenn ein Beteiligter seine Gesichtswahrung bedroht fühlt. Echte Herzlichkeit entwickeln Chinesen erst im Verlauf längerer Bekanntschaft, dann allerdings oft wärmer und intensiver, als man das aus Europa gewohnt ist.
3.3
Bescheidenheit ist für Chinesen selbstverständlich
China wesentlich höher als in westlichen Ländern. Zwar geschieht es hier wie dort, dass jemand „nur aus Höflichkeit" etwas sagt oder tut, Chinesen fiele es jedoch sehr schwer, mit einem unhöflichen Geschäftspartner handelseinig zu werden, wenn sie sich respektlos behandelt fühlen. Die Respektlosigkeit beschädigt das Gesicht und verletzt das Ansehen. Kein Chinese akzeptiert unter solchen Bedingungen eine Geschäftspartnerschaft.
Bescheidenheit
Chinesische Bescheidenheit ist das relativierende Verhalten, sich selbst zurückzunehmen, sich klein und unwichtig zu geben. Je kleiner und unwichtiger man selbst ist, desto größer und wichtiger wird der andere. Das wertet ihn auf, bezeugt ihm Respekt und gibt ihm Gesicht. Das chinesische Bescheidenheitsritual verlangt, sich selbst kleinzureden und Lob abzuwehren, jedoch dem anderen Lob im Übermaß zu spenden. Diese Bescheidenheit betrifft nicht nur die eigene Person und Leistung, sondern spiegelt sich auch in den Aus-
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3. Elementare chinesische Umgangsformen
sagen über die eigene Familie oder das eigene Unternehmen wider. Als Gesprächspartner sollten Sie auf keinen Fall den Fehler begehen, einen Chinesen in seiner Klage zu bestätigen. Korrekt verhalten Sie sich, wenn Sie ihm mit wortreichen Komplimenten widersprechen. Solche Bescheidenheit verlangt Selbstbeherrschung und ist ein wichtiges Element chinesischer Höflichkeit. Demonstrationen von Überlegenheitsgefühlen wie Besserwisserei oder arrogantes Auftreten sind in China nicht nur unangebracht, sondern schaden den eigenen Interessen. Aufmerksames Zuhören, Lächeln, den Gesprächspartner ausreden lassen, zurückhaltend bestätigende Gesten, eigenen Ärger unterdrücken, den Ärger des Partners mit Lächeln und Schweigen beantworten, das sind bescheidene Reaktionsweisen, die Respekt bezeugen und Gesicht geben. Aus Furcht vor Gesichtsverlust, aber auch aus wenig ausgeprägtem Ich-Bewusstsein heraus agieren viele Chinesen äußert vorsichtig. Das tatsächliche Maß an Selbstsicherheit und Selbstvertrauen einer Person lernt man erst im Verlauf einer längeren Bekanntschaft abzuschätzen.
3.4
Zurückhaltung
Ein weiterer Aspekt chinesischer Höflichkeit ist die Zurückhaltung. Sie steht in engem Zusammenhang mit Bescheidenheit. Chinesen sehen nicht in egozentrischer Perspektive sich selbst im Mittelpunkt, sondern sind auf den Gast, den Vorgesetzten, die eigene Gruppe (z. B. Firma, Familie) hin orientiert.
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3.5
Chinesische Fachleute streichen ihr Können nicht heraus
Viele Chinesen fühlen sich unwohl, wenn sie spüren, dass sie Interesse auf sich ziehen. Sie bleiben lieber passiv, beobachten und hören zu, besonders wenn Ranghöhere anwesend sind. Anstatt selbst zu handeln und dabei vielleicht Fehler zu begehen, versuchen sie, Charakter und Fähigkeiten der anderen einzuschätzen. Ihre eigenen Kompetenzen stellen sie möglichst zurück, um jeden Eindruck von Überheblichkeit zu vermeiden. Chinesische Fachleute streichen ihr Können nicht heraus, sondern überlassen das Lob anderen. Anerkennung kann nie durch Selbstdarstellung erreicht werden. Sie erwächst aus dem positiven Urteil der Umgebung.
Indirektes Formulieren
Westlichen Gesprächspartnern kann es zuweilen schwerfallen, chinesischen Formulierungen die wesentliche Information zu entnehmen. Unmissverständliche, eindeutige Aussagen sind in Gesprächen mit Chinesen eher die Ausnahme. Das liegt einmal an der besonderen Struktur der chinesischen Sprache, die auf Mehrdeutigkeit geradezu angelegt ist. Zum anderen kommt es der chinesischen Mentalität entgegen, die Interpretation einer Aussage dem Zuhörer zu überlassen. Indirektes, elegantes Formulieren ist für Chinesen der Ausdruck höchster Sprachverfeinerung und -kultur. Wer sich so zu artikulieren vermag, beweist Bildung, Höflichkeit und Rücksichtnahme, da er seine Interessen vertreten kann, ohne anderen einen Gesichtsverlust zuzufügen. Chinesische Kommunikationsprozesse zeichnen sich durch Unschärfe und Symbolhaftigkeit aus. Die Kunst
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3. Elementare chinesische Umgangsformen
besteht darin, bei der Wahl des Symbols die Balance zwischen einem Mindestmaß an Information und einem Höchstmaß an Unverbindlichkeit zu finden. Als Deng Xiaoping vor über 20 Jahren die Abkehr von der Planwirtschaft einleitete, sagte er in einer beispielhaft indirekten Formulierung, dass es egal sei, ob eine Katze schwarz oder weiß ist, solange sie Mäuse fängt. Damit machte er die Wende klar, vermied aber jede Festlegung, wie sie ausgestaltet werden sollte. Ein chinesisches „Ja“, begleitet von einem Lächeln und einem Nicken, signalisiert zunächst Aufmerksamkeit, nicht jedoch Verständnis oder gar Einverständnis. Es ist eine Geste der Höflichkeit, des Zeitgewinnens oder des Schutzes. Möglich ist nämlich, dass der Gesprächspartner nicht folgen kann oder etwas nicht begriffen hat. Zugeben will er das nicht, um sich nicht beschämen zu lassen. Daher sollten westliche Verhandlungsführer bei Verhandlungen, die nicht auf Chinesisch erfolgen, sichergehen, dass ihre chinesischen Gesprächspartner tatsächlich über entsprechende fremdsprachliche Kompetenzen verfügen. Bestehen Zweifel, müssen Dolmetscher eingesetzt werden, um Missverständnisse zuverlässig auszuschließen. Besonderes Feingefühl ist bei der Formulierung von Kritik und Ablehnungen nötig. Chinesen reagieren darauf sehr empfindlich. Eine nach westlichem Vorbild reine Sachbezogenheit kennen sie nicht. Kritik und Ablehnung richten sich nach chinesischem Verständnis immer auch gegen Personen und können leicht zu Gesichtsverlust führen. Vor der Ablehnung eines Vorschlags, eines Wunsches, einer Bitte stehen daher die Betonung des guten Willens, das Lob des
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Kritik nur in abgeschwächter Form, niemals direkt
Ansinnens und die Bereitschaft zur Suche nach Alternativen. Ausreden – „das kann ich nicht allein entscheiden, das müssen wir noch prüfen“ – sind für Chinesen eher akzeptabel als ehrliche Ablehnungen. Äußern Chinesen, wenn überhaupt, Kritik, sprechen sie nie sofort das eigentliche Thema an. Begonnen wird auch hier mit Lob. Die Kritik kommt zuletzt und in sehr abgeschwächter, indirekter Form. „Das erfüllt noch nicht ganz unsere Bedürfnisse“ oder „vielleicht könnte noch etwas verbessert werden“ sind für Chinesen bereits sehr deutliche kritische Formulierungen. Westliche Gesprächspartner müssen hellhörig werden, wenn derartige Bemerkungen fallen. Scheinbar unangebrachtes Lachen sollte gleichfalls stutzig machen. Es kann nämlich das chinesische Signal für überspielte negative Gefühle wie Ärger, Ablehnung oder Peinlichkeit sein. Hauptzweck chinesischer Umgangsformen ist es, allen Beteiligten die Gesichtswahrung zu ermöglichen: z Höflichkeit ist ein kalkulierbares Ritual, das gegenseitigen Respekt signalisiert. z Bescheidenheit und Zurückhaltung dienen dazu, das Bild des Gesprächspartners heller leuchten zu lassen und keine Aufmerksamkeit auf sich selbst zu ziehen. z Indirekte, vage Formulierungen schaffen Rückzugsmöglichkeiten und beleidigen niemanden. Achten Sie auf Feinheiten in Worten und Gesten Ihrer Gesprächspartner und haken Sie, ggf. mithilfe des Dolmetschers, nach.
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4. Die erste Begegnung
Wie machen Sie von Anfang an einen guten Eindruck? Seite 37 Wie setzen Sie Visitenkarten richtig ein? Seite 39 Warum sollten Sie auf Abstand achten? Seite 40
4.1
Die wichtigsten Begrüßungsformeln und -gesten
Die ersten Sekunden der ersten Begegnung zwischen unbekannten Menschen sind vorentscheidend für ihr zukünftiges Verhältnis. Hier werden die Grundlagen einer auf gegenseitiger Sympathie beruhenden persönlichen Beziehung gelegt. Was später kommt, wird den anfänglich gewonnenen Eindruck verstärken oder abschwächen, aber nur selten noch umkehren. Das kennen Sie aus Ihrem Umfeld und ist in China nicht anders. Machen Sie von Anfang an einen positiven Eindruck auf Ihre chinesischen Gesprächspartner. Das ist gar nicht schwer, da es nur um jederzeit höfliches, bescheidenes und zurückhaltendes Auftreten sowie die Beachtung einiger weniger Formalien geht, die Ihnen und Ihren Partnern „Gesicht geben“.
Begrüßungsformeln und -gesten
Chinesen legen großen Wert auf fest gefügte Formeln und Abläufe. Achten Sie daher vor allem bei Erstkontakten auf die Vermeidung von Missverständnissen. Höflichkeit, Zurückhaltung und Respektsbekundung sind die richtigen Verhaltensmuster, mit deren Hilfe Sie die ersten Minuten sicher meistern. Die klassische chinesische Begrüßung erfolgt mit ineinander gelegten Fäusten bei einer gleichzeitigen Verbeugung. Das wird aber niemand von einem Ausländer erwarten. Mittlerweile setzt sich der Handschlag immer mehr durch und ist im Geschäftsleben zum Standard geworden, jedoch in einer für mitteleuropäische Hände eher schlaffen Form. Zupackendes, festes Händeschütteln gilt als unhöflich und aufdringlich, Schulter-
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4. Die erste Begegnung
klopfen oder Umarmungen als inakzeptabel. Sind Sie sich unsicher, ob ein Handschlag angebracht ist, belassen Sie es bei einer einfachen leichten Verbeugung. Ganz besonders schätzen es Chinesen, wenn Sie dem noch einige Begrüßungsworte in ihrer Sprache hinzufügen können. Ni hao entspricht in seiner Bedeutung etwa dem englischen how are you. So haben Sie Ihren Respekt vor der chinesischen Sprache und Kultur bezeugt. Wenn Sie ein Geschenk überreichen wollen, sollte es Sie angemessen repräsentieren und dem Empfänger „Gesicht geben“, also seiner Stellung gerecht werden. Was bei Auswahl, Verpackung und Übergabe zu berücksichtigen ist, finden Sie im 8. Kapitel auf S. 77 beschrieben. Bei geschäftlichen Begegnungen ist ein leichter Händedruck angebracht; in privatem Rahmen eine leichte Verbeugung, seltener ein Händedruck. Grundsätzlich gilt: Überhaupt kein oder sehr reduzierter Körperkontakt!
4.2
Reihenfolge bei der Begrüßung
Bei der Reihenfolge der Begrüßung gilt der europäische Grundsatz „Ladies first“ nicht. Bestimmend ist der Rang, ersatzweise das Alter; Damen kommen also nicht zwangsläufig zuerst. Es wird für Sie vielleicht bei größeren Gruppen nicht auf den ersten Blick erkennbar sein, wer der Ranghöchste ist. Zumeist übernehmen jedoch dann Ihr Dolmetscher oder die chinesische Seite die Führung, sodass die Gesprächspartner Ihnen in der korrekten Reihenfolge vorgestellt werden. Fast alle Chinesen sind statusbewusst und legen gro-
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Die Begrüßungsreihenfolge richtet sich nach der Hierarchie. Diese ist nicht immer sofort erkennbar. Üblicherweise stellt man Ihnen die Gesprächspartner in der richtigen Reihenfolge vor. Begrüßen Sie alle mit ihren Titeln.
4.3
Visitenkarten
Visitenkarten sind ein sehr persönliches Symbol und repräsentieren ihren Besitzer mit allen seinen Funktionen und Titeln. Daher sollten Sie Ihre Visitenkarte in einer chinesischen oder besser einer zweisprachigen Version zur Verfügung halten. Die Form des Austauschs und der Umgang mit den erhaltenen Visitenkarten sind einmal mehr Ausdruck gegenseitigen Respekts. Nehmen Sie Visitenkarten mit beiden Händen unter einer leichten Verbeugung entgegen. Auf die gleiche Weise überreichen Sie Ihre Visitenkarte. Achten Sie darauf, dass die Schrift Ihrer Karte dem Geschäftspartner zugewandt ist. Sie geben Ihrem Geschäftspartner Gesicht und das gute Gefühl Ihrer Hochachtung, wenn Sie sich die von ihm empfangene Karte aufmerksam betrachten, positiv beeindruckt sind und das auch sagen. Sparen Sie nicht an der Übersetzung Ihrer eigenen Visitenkarte! Der Name Ihres Unternehmens, Ihre Titel und nicht zuletzt Ihr Name müssen ins Chinesische übersetzt
Visitenkarten sind sehr persönlich und ein wichtiges Symbol
ßen Wert auf eine Anrede mit vollem Titel. Dies gilt für geschäftliche oder administrative Rangbezeichnungen ebenso wie für akademische Titel.
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4. Die erste Begegnung
werden, d. h., eigene chinesische Wörter müssen dafür gefunden werden, da das Chinesische keine Fremdwörter kennt und neue Begriffe aus alten zusammenzusetzen sind. Dabei kann es leicht zu Peinlichkeiten kommen, wenn die chinesischen Begriffe ungewollt aus Bestandteilen mit lächerlicher oder anstößiger Bedeutung gebildet worden sind. Darüber hinaus soll ein „guter“ Name Glück verheißend und ästhetisch befriedigend sein. Achten Sie auf das Logo Ihres Unternehmens. Es könnte bei Chinesen andere Assoziationen und Gefühle als bei Ihnen auslösen. Das Äußere ist hier sehr wichtig und Chinesen schließen durchaus von dessen Qualität auf andere Qualitäten. Visitenkarten repräsentieren ihre Träger. Behandeln Sie Visitenkarten entsprechend respektvoll. Achten Sie für Ihre eigene Visitenkarte auf eine korrekte, „schöne“ chinesische Übersetzung.
4.4
Körperkontakt
Traditionell ist in China jeglicher Körperkontakt in der Öffentlichkeit verpönt, auch wenn sich das unter westlichem Einfluss zu ändern beginnt. Dennoch werden Sie auf der Straße, vor allem abseits der Metropolen, z. B. kaum „Händchen haltende“ oder gar sich küssende Paare sehen. Oben wurde schon auf die zurückgenommene Form des Handschlags hingewiesen. Jede darüber hinausgehende Körperberührung wie Schulterklopfen wäre ungehörig und könnte Ihrem chinesischen Gegenüber
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4.5
Blickkontakt
Der freie Raum zeigt gegenseitigen Respekt
unangenehme Gefühle verursachen. Distanz gilt es gleichfalls während des Gesprächs zu wahren. Halten Sie zum Gesprächspartner etwa bei der Begrüßung oder bei einem Stehempfang einen eher größeren Abstand ein als in Mittel- oder gar Südeuropa üblich. Der erweiterte freie Raum um jede Person ist Teil des Ausdrucks gegenseitigen Respekts.
Fortgesetzter Blickkontakt fällt negativ auf. Den direkten Blick in die Augen des Gesprächspartners empfinden Chinesen als ungezogene, aggressive Geste. Wenden Sie Ihren Kopf in Richtung des Sprechers/Zuhörers und richten Sie Ihre Augen z. B. auf einen Punkt neben seinem Gesicht. Kreuzen Sie seinen Blick gelegentlich, ohne dabei „hängen“ zu bleiben. Damit Ihre erste Begegnung mit Chinesen erfolgreich verläuft, sollten Sie: z zurückhaltend und bescheiden auftreten, z Körperkontakt vermeiden; schon zu geringer Abstand zum Nachbarn, intensiver Blickkontakt oder heftiges Gestikulieren können unhöflich und aufdringlich wirken, z Rangfolgen und Titel beachten, z Visitenkarten als persönliches Symbol respektieren, z ein repräsentatives Geschenk überreichen.
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5. Verhandlungen mit Chinesen
Warum dauert es so lange, bis Chinesen endlich zur Sache kommen? Seite 43 Wie setzen Sie die richtigen Rahmenbedingungen für erfolgreiche Verhandlungen ? Seite 47 Warum ist ein guter Dolmetscher wichtig? Seite 51
5.1
Persönliches Vertrauen als Geschäftsgrundlage für Verhandlungen
Ob Sie chinesische Lieferanten suchen oder Kunden gewinnen wollen, die Verhandlungen fordern nicht allein Ihre geschäftlichen Fähigkeiten, sondern stellen auch an Ihre interkulturellen Kompetenzen hohe Ansprüche. Zwar gibt es immer mehr chinesische Manager mit westlichen, zumeist amerikanischen Umgangsformen, dennoch ist der Stil der meisten von den traditionellen chinesischen Wertvorstellungen geprägt – Respekt, Höflichkeit, Geduld, Gastfreundschaft sowie dem Interesse am Aufbau langfristiger Geschäftsverbindungen. Ganz gleich wer Ihr Gegenüber ist, alle Chinesen, westerfahren oder nicht, schätzen ein Verhalten, das den Respekt vor China, seinen Traditionen und Sitten deutlich zum Ausdruck bringt. Es wird nie ein Fehler sein, wenn Sie ein eher chinesischen als westlichen Vorstellungen angepasstes Verhalten an den Tag legen. Das gilt gerade auch für die kleinen Gesten und Rituale der Wertschätzung, mit denen Sie schnell das Eis brechen können.
Chinesischer Verhandlungsstil
Persönliches Vertrauen als Geschäftsbasis In Verhandlungen mit Chinesen gelten dieselben geschäftlichen Regeln, die Sie aus Ihrem gewohnten Umfeld kennen. Allerdings finden die Verhandlungen vor einem Ihnen fremden kulturellen Hintergrund statt. Für Chinesen steht vor dem geschäftlichen Abschluss die Notwendigkeit, zunächst persönliches und nicht nur geschäftliches Vertrauen zum Geschäftspartner zu fassen.
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5. Verhandlungen mit Chinesen
Deutsche Manager handeln sachbezogen und konzentrieren sich auf die geschäftlichen Dinge. Chinesen wollen den Verhandlungspartner kennen und schätzen lernen. Erst danach machen sie mit ihm Geschäfte. Persönliches Vertrauen verleiht ihnen die Sicherheit zum Vertragsabschluss und steht gleichrangig neben Produktqualität und Preis. Je gefestigter das gegenseitige Vertrauen ist, desto einfacher und schneller laufen die Verhandlungen. Ist eine auf Vertrauen basierende Beziehung erst einmal aufgebaut und hat sich als belastbar erwiesen, wird für chinesische Geschäftsleute der Business-Partner zum lao pengyou, zum Freund. Verhandlungen mit Chinesen sind daher in erster Linie als vertrauensbildende Maßnahme mit nachfolgendem Geschäft zu verstehen. Gemeinsamkeiten suchen Chinesen beginnen Verhandlungen bei den Gemeinsamkeiten der Gesprächspartner. Gemeinsamkeiten bilden die Ausgangsbasis und man versucht einvernehmlich, sie zu erweitern. Stecken die Verhandlungen an einem Punkt fest, weil hier eben keine Gemeinsamkeiten zu finden sind, lässt man ihn zunächst fallen und wendet sich einem anderen Thema zu. Die Konzentration auf Übereinstimmungen bewirkt eine positive, harmoniegeprägte, vertrauensvolle Gesprächsatmosphäre, in der vorhandene Gegensätze sich leichter überwinden lassen. Scheinbare Widersprüchlichkeiten Natürlich gibt es Chinesen mit rüden Verhandlungsformen oder der eben noch freundliche Verhandlungspartner ändert plötzlich den Ton, wird laut, stößt Drohungen aus oder bricht gar das Gespräch ab. Das kommt
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Verhandlungen erfordern Geduld und Freundlichkeit
sehr selten vor und ist fast immer von taktischem Kalkül bestimmt. Man testet Sie auf die Wirksamkeit anderer Methoden und entsprechend sollten Sie reagieren. Bleiben Sie „chinesisch“ freundlich, betont gelassen, zeigen Sie keinen Ärger. Bald wird Ihr Verhandlungspartner zu gewohnten Umgangsformen zurückfinden! Die übliche Harmonieseligkeit darf Sie jedoch nicht täuschen. Es mag Ihnen wie ein Widerspruch erscheinen, aber Verhandlungen sind für Chinesen Krieg ohne Gewalt. Wie das zusammenpasst? Chinesen sind sich ihrer Interessen und Ziele sehr bewusst und verfolgen sie zäh, hartnäckig und mit Weitblick. Dem „Gegner“ unterstellen sie die gleiche Haltung. Wenn beide Seiten um ihre „Kriegsziele“ wissen, ist nicht einzusehen, warum die Ziele unter unangenehmen Umständen erreicht werden müssen. Eine harmonische Atmosphäre ist viel geeigneter, sich gegenseitig Respekt zu bekunden, persönliches Vertrauen zu fassen und zu den unvermeidlichen Kompromissen zu gelangen, ohne dass eine Seite ihr Gesicht verliert. Für chinesische Verhandlungstaktik gilt ganz besonders: Hart in der Sache, weich im Auftreten. Wiederholungen / umkreisende Gesprächsführung Verhandlungen mit Chinesen erfordern neben Freundlichkeit vor allem Geduld. Chinesen steuern ihr Ziel nicht geradlinig an, sondern schweifen ab, wollen den Verhandlungspartner besser kennen lernen, Gemeinsamkeiten feststellen. Dabei verlieren sie ihr Ziel keineswegs aus den Augen. In immer engeren Kurven umkreisen sie es, bis es erreicht ist. Solche Verhandlungen kosten Zeit. Wichtige Punkte erhalten im Vortrag chinesischer Ver-
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5. Verhandlungen mit Chinesen
handlungspartner ihre Bedeutung nicht durch eine hervorgehobene Position, sondern durch Wiederholungen. Je öfter etwas angesprochen wird, desto wichtiger ist es. Wiederkehrende Formulierungen und Aspekte sind keine Zeichen von Fantasielosigkeit oder Ermüdung, sondern für die Wichtigkeit des Gesagten. Dies gilt bei einem einzelnen Gesprächspartner ebenso wie für eine Delegation, bei der jedes Mitglied die Botschaft des Vorredners wiederholt. Greifen Sie die Botschaft dann selbst auf, um zu zeigen, dass Sie die Wichtigkeit verstanden haben und respektieren. Knackpunkte umschiffen, auf Umwegen zur Einigung Aus dem, was Sie bisher gelesen haben, ist vielleicht schon deutlich geworden, dass chinesische Verhandlungspartner Problempunkte nur sehr zögerlich oder am liebsten gar nicht offen ansprechen. Vergessen haben sie diese jedoch keineswegs! Zunächst umgehen Chinesen jedes Problem und betonen die Gemeinsamkeiten. Haben sich die Verhandlungen schließlich an den kritischen Punkten festgefahren, legen sie Pausen ein, ziehen die Verhandlungen hin, gehen gemeinsam essen. Wenn alles nichts hilft, kann ein von beiden Seiten akzeptierter Vermittler versuchen, die Einigung herbeizuführen. Ist es unmöglich, die Vorbehalte auszuräumen, sind die Verhandlungen gescheitert – zunächst. Chinesen denken in geschäftlichen Dingen langfristig. Haben die Verhandlungspartner trotz der Schwierigkeiten gegenseitigen Respekt und Vertrauen gefasst, wird diese persönliche Beziehung nicht wegen geschäftlicher Unvereinbarkeiten aufgekündigt. Vielleicht ändern sich die Rahmenbedingungen, vielleicht die Einschätzung der
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Chinesen verhandeln am liebsten in einer harmonischen, von persönlichem Vertrauen gekennzeichneten Atmosphäre. Daher bleibt das Geschäftliche zunächst im Hintergrund. Man geht essen, man spricht über Privates, man sucht gemeinsame Interessen, auf denen aufgebaut werden kann. Der chinesische Kommunikationsstil vermeidet direkte Formulierungen und gradlinige Zielbezogenheit. Das Ziel wird umkreist, die Wortwahl mehrdeutig gehalten, um sich ohne Gesichtsverlust zurückziehen zu können. Chinesen versuchen nicht, Hindernisse auszuräumen, sondern sie zu umgehen. Dabei setzen sie auch bewusst auf den Faktor Zeit. Im Vordergrund steht, dass keine Seite beim notwendigen Kompromiss ihr Gesicht verliert.
5.2
Chinesen umgehen Probleme, betonen aber die Gemeinsamkeiten
Lage, vielleicht sind die Unvereinbarkeiten in einem Jahr gegenstandslos geworden, vielleicht findet man in einer anderen Sache zusammen. Chinesen werden einen momentan fallengelassenen Verhandlungsfaden auch nach geraumer Zeit wieder aufnehmen, wenn sie meinen, dass es sich lohnt. Und die Pflege langfristiger Geschäftskontakte auch jenseits konkreter Abschlüsse ist für Chinesen selbstverständliche Geschäftsstrategie.
Verhandlungsgestaltung
Oben haben Sie erfahren, auf welche Weise Chinesen in Verhandlungen vorgehen und ihre geschäftlichen Ziele dabei zu erreichen versuchen. Wie können Sie dieses Wissen nun im Umgang mit chinesischen Geschäftspartnern für Ihre Zwecke aktiv einsetzen?
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5. Verhandlungen mit Chinesen
Vertrauen und Harmonie fördern Chinesen schätzen vor allem eine entspannte, freundliche und von persönlicher Wertschätzung getragene Atmosphäre. Wenn Sie bereits die in diesem Sinne richtige Richtung bei der Begrüßung eingeschlagen haben, machen Sie einfach weiter so! Leiten Sie nicht aufs Geschäftliche über, sondern pflegen Sie Small Talk. Vor allem aber loben Sie – China, die Chinesen, die Produkte der Geschäftspartner, den Konferenzraum, den freundlichen Empfang usw. usf. Vermeiden Sie umgekehrt alle Themen, die irritieren könnten: Chinesische Innen- und Außenpolitik (besonders heikel sind Menschenrechte, Taiwan und Tibet), Religion, Kritik an Land oder Kultur. Geben Sie Ihren Gesprächspartnern „Gesicht“, verleihen Sie Ihrem Respekt deutlichen Ausdruck. Lassen Sie sich nicht beirren, wenn die Gesprächspartner Ihr Lob bescheiden zurückweisen. Das ist Teil höflicher chinesischer Manieren, sich selbst kleiner zu machen. Ihre Fähigkeit zur Gestaltung einer positiven Gesprächsatmosphäre wird auch davon abhängen, in welchem Maß Sie selbst entspannt sind und Vertrauen zu Ihren Verhandlungspartnern fassen können. Dazu müssen Sie nicht naiv vertrauensselig sein, sondern aktiv und gezielt Impulse setzen, die einerseits der Höflichkeit genügen, andererseits auf zuverlässiger Information beruhen. Machen Sie sich klar, wer Ihre Verhandlungspartner sind. Eine chinesische Delegation setzt sich aus sehr verschiedenen Teilnehmern zusammen – z. B. Fachleuten, Führungskräften, Parteifunktionären, aber auch Menschen mit nicht auf den ersten Blick erkennbaren Funktionen. Bei einem Staatsunternehmen oder einer
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Gute Vorbereitungen sind unverzichtbar!!!!!!
Behörde treten Ihnen andere Partner gegenüber als bei einem Großkonzern oder einem familiengeführten Mittelständler. Versuchen Sie frühzeitig zu erfahren, wer die Entscheider sind und ob sie anwesend sind. Bedenken Sie auch, dass Chinesen sehr auf Status achten, und wenn auf Ihrer Seite keine Entscheidungsträger dabei sind, kann ein hochkarätig besetztes chinesisches Verhandlungsteam sich schnell brüskiert fühlen. Gute Vorbereitung ist für Sie in Verhandlungen mit Chinesen unverzichtbar. Je mehr Informationen Ihnen über Ihre Verhandlungspartner, das Unternehmen, seine Produkte und seine Leistungsfähigkeit zur Verfügung stehen, desto mehr Sicherheit strahlen Sie aus, desto zuverlässiger können Sie Aussagen Ihrer Gesprächspartner nach Relevanz und Belastbarkeit einordnen. In einem kulturell fremden Umfeld ist das noch wichtiger als in vertrauter Umgebung. Da die eigenständige Informationsbeschaffung aus China sich für Europäer nicht einfach gestaltet, sollten sich Sie bei entsprechend bedeutenden Vorhaben sich professionell beraten lassen und vorab Erkundigungen durch fachlich und kulturell geeignete Experten einziehen lassen. Weitere wichtige Hinweise, wie Sie für die richtige Gesprächsatmosphäre sorgen können, finden Sie im 7. Kapitel unter „Geschäftsessen“ auf S. 72. Niemals „Nein“ Vor allem in Nordamerika und in Teilen Europas sind eindeutig ablehnende oder kritische Meinungsäußerungen durchaus akzeptiert. Ein betroffener Chinese erlebt eine derartige Situation als peinliche und kränkende Zurückweisung, die ihm Gesichtsverlust zufügt. Vermeiden
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5. Verhandlungen mit Chinesen
Sie jede unverblümte Ablehnung und verklausulieren Sie Ihre Haltung. Etwa so: „Wir müssen noch Rücksprache mit der Zentrale halten, die Entscheidung kommt zu früh, zunächst muss anderes geklärt werden ...“ Bedenken Sie, dass Ihre chinesischen Partner umgekehrt genauso formulieren. Verstehen Sie daher solche Floskeln mit der entsprechenden Nuancierung (die Ihr Dolmetscher erkennen sollte) als das, was sie sind, eine Ablehnung. Dies kann so weit gehen, dass ein scheinbares „Ja“, dem sich viele „Aber“ anschließen, „Nein“ heißt. Haben die Verhandlungen sich an einer solchen Stelle festgefahren, sollten Sie keine negativen Gefühle oder Anzeichen von Ungeduld zeigen. Damit würden Sie in chinesischen Augen ein Bild mangelhafter Selbstkontrolle abgeben. Bewahren Sie gleichbleibend Ruhe und Höflichkeit. Betonen Sie den Wert der verschiedenen Standpunkte und Ihren Respekt für die Haltung Ihrer Verhandlungspartner. Bieten Sie Kompromisse an, die das Gesicht beider Seiten wahren. Lassen Sie die Zeit für sich arbeiten. Zeitmanagement / Geduld Chinesen denken und leben in anderen, weiter gefassten Zeitvorstellungen als westlich geprägte Menschen. Verhandlungen mit Chinesen erfordern daher Zeit und Geduld. Small Talk, gegenseitiges Kennenlernen, gemeinsames Essen stehen vor dem Beginn der eigentlichen Geschäftsverhandlungen. Die Art der chinesischen Gesprächs- und Verhandlungsführung (Umkreisung des Themas, häufige Wiederholungen), die Zähigkeit und Ausdauer chinesischer Verhandler lassen manche Unterredung für westliche Manager zur
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Zeit und Geduld - denn Chinesen leben in anderen Zeitvorstellungen!
Geduldsprobe werden. Ist eine grundsätzliche Übereinkunft erzielt, können Detailfragen immer noch viel Zeit in Anspruch nehmen. Die Gewährung von Konzessionen dauert lange, da niemand sein Gesicht verlieren soll. Bleiben Sie genauso zäh wie Ihr Gegenpart, pflegen Sie aber gleichzeitig die positive Atmosphäre. Vielleicht wird das Dehnen der Verhandlungen als Taktik eingesetzt, um Sie „weichzukochen“. Die Verhandlungen stocken, an gefundene Übereinkünfte erinnert sich Ihr Verhandlungspartner nicht mehr. Lassen Sie sich keinen Ärger anmerken, zeigen Sie, dass Sie mit dem Faktor Zeit nicht unter Druck gesetzt werden können. Planen Sie für Verhandlungen mit chinesischen Partnern viel Zeit ein, und zwar deutlich mehr, als Sie das von zu Hause gewohnt sind. So engen Sie sich nicht selbst durch ein zu starres Zeitkorsett ein und verursachen umgekehrt auch Ihren Partnern kein Gefühl gehetzter Verhandlungsführung, bei der kein Raum für das unerlässliche „Drumherum“ bleibt. Nehmen Sie Rücksicht auf die chinesischen Erwartungen bezüglich Harmonie und Gesichtswahrung. Sorgen Sie für eine gute Verhandlungsatmosphäre durch gemeinsame Essen und häufiges Lob für alles, was in Zusammenhang mit Ihren Verhandlungspartnern steht. Äußern Sie keine direkte Ablehnung oder Kritik. Bewahren Sie Zähigkeit, Geduld und Gleichmut. Planen Sie viel Zeit ein. Gute Beratung und Übersetzung Trotz immer engerer internationaler Verflechtungen sind viele chinesische Manager im Umgang mit auslän-
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5. Verhandlungen mit Chinesen
dischen Geschäftspartnern wenig erfahren. Ihre Kenntnisse internationaler Geschäftsgepflogenheiten und -regeln sind lückenhaft, die Bedeutung juristischer Detailfragen ist ihnen oft nicht ausreichend bewusst. Das gilt vor allem für die mittlere und die ältere Generation. Die junge Generation chinesischer Manager ist dagegen oft bereits im Westen ausgebildet worden und mit den Erfordernissen internationaler Geschäfte vertraut. Ihr Management- und Umgangsstil folgt meistens dem US-amerikanischen Vorbild. Auf die Fremdsprachenkenntnisse Ihrer Geschäftspartner ist nicht immer Verlass. Chinesische Manager behaupten gerne, Englisch zu verstehen, fühlen sich im Gespräch jedoch dann unsicher und wollen die Probleme nicht zugeben. Stellen Sie die zweifelsfreie Kommunikation sicher, indem Sie alle Vorbereitungen für Verhandlungen auf Chinesisch treffen. Ein guter Dolmetscher übersetzt nicht nur den Gesprächswortlaut zutreffend, sondern nimmt den gesamten kommunikativen Kontext in seiner Bedeutung wahr und kann Sie situativ korrekt orientieren. Neben den Sprachkenntnissen sind daher Kulturkenntnisse wichtig. Ein Dolmetscher, der Deutschland kennt, wird Sie besser verstehen und unterstützen können. Die Vieldeutigkeit des gesprochenen Chinesisch und die chinesische Lust an der Verklausulierung stellen hohe Anforderungen an den Dolmetscher. Geschriebenes Chinesisch hingegen ist eindeutig (soweit man das von einem Text behaupten kann), aber hochkomplex, da für jeden Begriff ein eigenes Schriftzeichen existiert. Bringen Sie ausreichend Informationsmaterial über Ihr Unternehmen und Ihr Anliegen mit. Folien, Broschü-
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Verhandlungen mit Chinesen können für Europäer zur Geduldsprobe werden. Ausufernde Geschäftsessen, Abschweifungen, Wiederholungen, weiche Formulierungen, unklare Positionen sollten Sie aber nicht beirren. Verfolgen Sie konsequent Ihre Ziele, aber passen Sie sich flexibel dem chinesischen Stil an: z Handeln Sie vor allem auf der Beziehungsebene, d. h., arbeiten Sie zunächst an guten persönlichen Beziehungen und kommen Sie erst später zum Geschäftlichen. z Tun Sie alles für eine harmonische Atmosphäre, ohne dabei vertrauensselig zu sein. z Unterlassen Sie alles, was das Gesicht Ihrer Verhandlungspartner beschädigen könnte. z Organisieren Sie sich gut – durch zuverlässige Vorinformationen über die Gegenseite, Präsentationsmaterial auf Chinesisch, ggf. Dolmetscher, viel Zeit und Geduld.
Geschäftsbesprechungen sollten Dolmetscher beinhalten!
ren, Warenmuster vermindern das Risiko von Missverständnissen. Ihr Material sollte unbedingt auf Chinesisch vorliegen. Das ist ein Zeichen des Respekts vor Ihren Verhandlungspartnern und garantiert, dass Ihre Botschaft so ankommt, wie von Ihnen vorgesehen.
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6. Beziehungspflege
Wie funktionieren Beziehungen und Beziehungsnetzwerke in China? Seite 56 Warum kann guanxi Ihnen helfen? Seite 58 Wie bauen Sie Ihr eigenes Beziehungsnetzwerk auf? Seite 60
6.1
„Vitamin B“ oder „guanxi“ - ohne wird es schwierig!
Die vorigen Kapitel haben Ihnen bereits vielfache Hinweise darauf gegeben, dass in der chinesischen Gesellschaft und im Geschäftsleben die persönlichen Beziehungen der Menschen untereinander eine viel wichtigere Rolle spielen als beispielsweise in Deutschland. Persönliche Beziehungen und ihre Pflege sind die verklammernden Elemente der chinesischen Gesellschaft und die handlungsleitenden Elemente im Leben jedes Chinesen. Chinesen wissen, dass es ohne tragfähige persönliche Beziehungen kaum möglich ist, langfristig funktionierende geschäftliche Beziehungen zu etablieren. Ihr Kommunikationsstil bevorzugt daher immer die Beziehungsebene gegenüber der Sachebene.
guanxi
Zu den klassischen Mechanismen des Marketings tritt in China ein weiterer Faktor, der das Wirtschaftsleben bestimmt – guanxi. Was immer Sie in China unternehmen, Sie werden recht bald auf diesen Begriff stoßen. Das Wörterbuch übersetzt guanxi mit Beziehungen, greift damit aber viel zu kurz. Schon näher kommt das umgangssprachliche „Vitamin B“. Beziehungen sind universale soziale Phänomene. Jeder Mensch hat persönliche Beziehungen zur engeren und weiteren Familie, zu Freunden, Arbeitskollegen usw. guanxi erweitert diese „natürlichen“ Beziehungen unter Nützlichkeitsaspekten zu Kontaktnetzwerken und Austauschmechanismen. Es ist ein Handlungskonzept, das darauf angelegt ist, über persönliche Beziehungen, ohne zwischen privat oder beruflich zu unterscheiden, Ziele zu erreichen und zu sichern.
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6. Beziehungspflege
6.2
Beziehungsnetzwerke und Geschäft – lao pengyou
Um Verhaltensweisen Ihrer chinesischen Partner und Mechanismen des Wirtschaftslebens richtig zu verstehen, müssen Sie die Funktionsweise des guanxi begreifen, auch wenn Sie nicht unbedingt nach seinen Regeln handeln möchten. Es ist ein bestimmender Faktor fast aller Lebensbereiche in China. Da berufliche und private Sphäre eng miteinander verzahnt sind, ist das private Beziehungsnetzwerk immer auch ein geschäftliches. Kernbereich jedes chinesischen Beziehungsnetzwerks ist die Familie. Die gesamte Großfamilie bildet das nächstliegende und wichtigste Beziehungssystem jedes Chinesen. So wie ihn dieses Netzwerk unterstützt und sichert, so ist er verpflichtet, andere Familienmitglieder zu unterstützen und zu sichern. Dabei gibt es Abstufungen. Eltern und Kinder stehen sich näher als Neffen oder Nichten. Die Unterscheidungen sind jedoch noch viel differenzierter. Die chinesische Sprache kennt jeweils eigene Worte für Großmutter väterlicherseits oder mütterlicherseits, für älteren oder jüngeren Bruder, für ältere oder jüngere Tante väterlicherseits oder mütterlicherseits etc. Die Sprache spiegelt sowohl die absolute Priorität der Familie als auch ihre hierarchische Ordnung wider. Dem inneren Kreis des Familiennetzwerks schließt sich der erweiterte Kreis der Freunde, Schulfreunde oder Arbeitskollegen an, also aller Menschen, mit denen man Umgang hatte oder hat bzw. durch wichtige gemeinsame Erfahrungen verbunden ist. Dies gilt auch
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Die Familie ist der Kern jedes chinesischen Beziehungsnetzwerkes
für Freunde, die man hierzulande lediglich als Bekannte einstufen würde. In allen Fällen besteht die akzeptierte Pflicht zu gegenseitiger Unterstützung und Hilfe. Eine Verweigerung riefe Unverständnis hervor. Hinter dem Kreis der Freunde liegt ein weiterer Kreis. In China braucht man nicht unbedingt jemanden persönlich zu kennen, um von ihm Unterstützung erwarten zu dürfen. Freunde von Verwandten oder von Freunden sind gleichfalls Netzwerkfreunde. Es ist klar, dass ein solches Beziehungsnetzwerk Dimensionen hat, die der Einzelne nicht mehr überblickt, da es letztlich die gesamte Gesellschaft umfasst.
Abb.1: Jeder Chinese ist Teil vieler Beziehungsnetze.
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6. Beziehungspflege
Chinesen pflegen Beziehungen, ohne dabei zwischen privat und geschäftlich zu unterscheiden. Entscheidend ist der persönliche Charakter der Beziehung. Im Geschäftsleben bevorzugt man Partner aus dem Beziehungsnetzwerk. Auf der Basis persönlicher, vertrauensvoller Beziehungen lassen sich geschäftliche Vereinbarungen leichter treffen, zumal Chinesen Absprachen unter Freunden oft höhere Bedeutung beimessen als Regelungen auf Papier. Wen man kennt und wer zum guanxi-Netzwerk gehört, der wird gern als lao pengyou – alter Freund – bezeichnet. Das Wort vom lao pengyou mag zwar oft floskelhaften Charakter besitzen, dennoch hat es ebenso oft sehr handfeste, reale Bedeutung. Ist es Ihnen gelungen, als lao pengyou Teil des guanxi-Geflechts zu werden, stehen Ihnen Hilfe und Unterstützung in ungeahntem Maß zur Verfügung. Sie müssen aber auch damit rechnen, umgekehrt genauso in Anspruch genommen zu werden. Mit einem lao pengyou pflegt man einen aktiven, vertrauensvollen und engen Umgang und darf von ihm das entsprechende dazugehörige Entgegenkommen erwarten. Die überragende Bedeutung von guanxi liegt zum einen in der Mentalität der Chinesen. Da für sie alle Kontakte vor allem persönlichen Charakter haben, ist ein auf persönlichen Beziehungen aufbauendes Netzwerk die ideale Organisationsform gegenseitiger Hilfe. Zum anderen ist China trotz Wandlung von der Planwirtschaft zur Marktwirtschaft ein autoritäres Einparteiensystem mit ausgeprägter Bürokratie. Verwaltungsvorgänge sind oft undurchsichtig, langsam und verwirrend. Parteibürokraten und Beamte haben beträchtlichen Einfluss auf
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Lao Pengyou - mehr als nur ein alter Freund
jeden Lebensbereich. Gegenüber einem solchen System ist der Einzelne ohne guanxi ziemlich hilflos. Frühzeitig zuverlässige Informationen aus dem Beziehungsnetzwerk zu erhalten, in der Verwaltung den entscheidenden Ansprechpartner genannt zu bekommen, ein Genehmigungsverfahren zu beschleunigen – diese und andere Notwendigkeiten regeln Chinesen durch guanxi. Missverstehen Sie guanxi nicht als chinesische Form des Klüngels oder der organisierten Korruption. Tatsächlich findet das alles im Zusammenhang mit guanxi auch statt. guanxi ist jedoch kein System der gegenseitigen Vorteilsgewährung, sondern Ausdruck und umfassende Spielregel sozialen Handelns der Chinesen. Sie müssen die Spielregel zu Ihrem Nutzen anwenden und dabei die Risiken kennen. Ohne Verständnis für guanxi wird Ihnen vieles der chinesischen Mentalität und Gesellschaft unzugänglich bleiben. Wie man es anwendet, liegt bei einem selbst. Das gilt für Chinesen und Ausländer gleichermaßen. Gute Beziehungen sind überall auf der Welt wichtig, wenn auch in China vielleicht noch ein bisschen mehr. Das guanxi-Beziehungsnetzwerk ist das wirkungsvollste Instrument, um Ihre China-Aktivitäten voranzubringen. Als „alter Freund“ verfügen Sie nicht nur über nützliche Kontakte zu Ihren Freunden, sondern auch zu den Freunden Ihrer Freunde. Das ist ein unschätzbarer Vorteil in einem Land, wo persönliche Beziehungen und Empfehlungen alles sind, wo Ihnen Sprache und Mentalität fremd sind, wo das Rechtssystem nicht immer europäischen Vorstellungen entspricht und wo der Umgang mit einer allmächtigen Bürokratie gelernt sein will.
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6. Beziehungspflege
6.3
Beziehungsaufbau und -pflege
Erfolge in China zu erzielen, ist ohne guanxi nicht unmöglich, aber schwer. Besser bauen Sie sich, wenn Sie in China Fuß fassen wollen, von Anfang an Ihr eigenes Beziehungsnetzwerk auf. Das ist einfacher, als es zunächst scheint. Vergessen Sie nicht, dass Sie schließlich nicht nur etwas von anderen wollen, sondern zugleich sich selbst, Ihre Kompetenzen, Verbindungen und Kenntnisse in das Netzwerk Ihrer Partner einbringen. Das ist kein geringes Kapital! Nutzen Sie jede Gelegenheit der Kontaktaufnahme zu Chinesen und Menschen mit Chinaverbindungen. In China ist das besonders leicht, da Chinesen kontaktfreudig sind – sie wollen schließlich ihr Beziehungsnetzwerk ausbauen – und Sie als Ausländer auffallen. Aber auch in Europa gibt es genügend Gelegenheiten. An vielen Messen und Kongressen nehmen Chinesen teil. Viele IHKs und Branchenverbände bieten Informationsveranstaltungen, Kontaktbörsen und Matchings an. Verteilen und sammeln Sie großzügig Visitenkarten. Das ist Teil der chinesischen Umgangsformen und ein wichtiges Instrument der Kontaktanbahnung. Jeder neue Kontakt vergrößert Ihr Netzwerk nicht bloß, sondern potenziert es durch die wiederum an ihm hängenden Kontakte. Die Kontaktaufnahme benötigt keinen besonderen Anlass. Gegenseitiges Interesse an einer unverbindlichen Unterhaltung genügt vollkommen. Geschäftliche Themen wären da eher hinderlich. Chinesische Gesprächspartner würden sie als unangenehm direkt empfinden. Wichtig ist die entspannte, harmonische Atmosphäre, die den richtigen
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6.4
Pflegen Sie Ihre Beziehungen - und schenken Sie gerne!
Rahmen bildet, um sich besser kennen lernen zu können und Vertrauen zu fassen. Wenn das erst geschehen ist, werden geschäftliche Dinge ganz von selbst zur Sprache kommen. Was in Deutschland lediglich eine Bekanntschaft wäre, bedeutet in China oft schon Freundschaft, durch die man schnell in das guanxiNetzwerk gegenseitiger Unterstützung gelangt. Haben Sie Ihre ersten guanxi-Beziehungen geknüpft und sich darüber in andere Netzwerke eingeklinkt, müssen Sie Ihr „Beziehungskapital“ pflegen, damit es langfristig Zinsen trägt. Hier Zeit zu investieren, zahlt sich in China aus. Der überwiegende Teil Ihrer Investition wird gesellschaftlicher Natur sein. Gratulieren Sie zu Jubiläen und Familienfeiern, erkundigen Sie sich nach den schulischen Fortschritten der Kinder, rufen Sie einfach auch mal ohne konkreten Anlass an oder sprechen Sie eine Einladung zum Essen aus. guanxi ist ein System von Geben und Nehmen, d. h., Sie müssen bereit sein, Gefälligkeiten und Hilfen, die Sie erbitten, ggf. auch selbst zu leisten.
Geschenke, Gefälligkeiten, Korruption
Geschenke stellen Beziehungen her, festigen sie und sind ein wichtiges Element des guanxi. Ein Geschenk muss immer dem Anlass, dem Nehmer und dem Geber angemessen sein. Es ist ein Symbol des Respekts, der Gesichtswahrung und des Gesichtsgebens. Einer privaten Einladung bei Chinesen sollten Sie niemals mit leeren Händen Folge leisten. Auch bei geschäftlichen Anlässen machen Sie keinen Fehler, wenn
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6. Beziehungspflege
Sie ein Geschenk mitbringen. Unüblich ist das Schenken von Blumen. Gut eignen sich europäische Produkte wie Wein, Spirituosen oder Lederwaren. Geschäftspartnern können Sie auch qualitativ hochwertige Werbegeschenke Ihres Unternehmens überreichen. Zu Glück bringenden und Unglück verheißenden Geschenken und zur richtigen Verpackung finden Sie weitere Informationen im 8. Kapitel ab S. 77. Gefälligkeiten schätzen Chinesen ebenso wie die meisten Menschen. Wie weit Gefälligkeiten gehen dürfen, ist seriös kaum zu beantworten. Es gibt eine Grauzone zur Korruption, die auch hier schwer zu definieren ist. Ein festliches Essen in gehobenem Ambiente wird nie falsch sein. Ob Sie als deutscher Partner die zweiwöchige Europareise einer zehnköpfigen chinesischen Delegation finanzieren sollten, müssen Sie für sich selbst entscheiden. Fakt ist, dass in China Korruption zur Herbeiführung bestimmter Entscheidungen und Begünstigungen vor allem im öffentlichen Bereich nicht selten vorkommt. Im privatwirtschaftlichen Bereich hält sie sich nach allen Erfahrungen in beherrschbarem Rahmen. Neben erhöhter Sensibilität und Vorsicht sind ein vertrauensvolles persönliches Verhältnis zum Geschäftspartner sowie kompetente Beratung der beste Schutz vor wirtschaftlichen Schäden. Knüpfen Sie Ihr eigenes guanxi-Kontaktnetzwerk mit Chinesen und werden Sie Teil dieses ganz China umfassenden Beziehungssystems: z Nutzen Sie jede Gelegenheit zu Gespräch und Informationsaustausch, ohne dabei auf unmittel-
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Chinesen schätzen und lieben Gefälligkeiten!
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bare geschäftliche Interessen zu achten. Sorgen Sie für ein entspanntes Gespräch in angenehmer Atmosphäre, aus dem sich dann zwanglos alles Weitere ergibt. Seien Sie aktiv! Sie haben viele und wichtige Kompetenzen, die Sie in das Netzwerk einbringen können und die Sie für andere interessant machen. Pflegen Sie Ihre etablierten Kontakte. Sie sind die Basis Ihrer langfristigen Geschäftserfolge in China.
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7. Herausforderung chinesisches Essen
Wie gehen Sie am besten mit riskanten Trinksitten um? Seite 65 Warum sollten Sie sich nicht über „schlechte“ chinesische Tischmanieren wundern? Seite 69 Wie gestalten Sie Geschäftsessen erfolgreich? Seite 72
7.1
Reis ist das traditionelle Grundnahhrungsmittel
„Für das Volk ist das Essen der Himmel“ … sagt das chinesische Sprichwort. Das bezieht sich keineswegs auf ausgesuchte Luxuslebensmittel, sondern die tägliche Schüssel Reis. Nahrungsmangel und schreckliche Hungersnöte durchziehen die gesamte chinesische Geschichte. Von den 9,6 Millionen km² des chinesischen Festlands sind gerade 13 % landwirtschaftlich nutzbar. China hat 1,3 Milliarden Menschen zu versorgen, die 20 % der Weltbevölkerung ausmachen, verfügt aber nur über 7 % der weltweiten Ackerfläche.
Chinesische Esskultur
Essen und Genießen Traditionelles Grundnahrungsmittel ist im Süden der Reis und im Norden, wo Reis nicht gedeiht, Getreide, das in Form von Nudeln oder unterschiedlichsten Brotsorten zubereitet wird. Diese kohlenhydratreichen Lebensmittel, fan, dienen der Sättigung, cai, alles was an Fleisch, Fisch, Gemüse etc. dazu gereicht wird, macht die Verfeinerung aus und dient dem Genuss. Alle Chinesen haben eine Vorliebe für verfeinertes Essen, also für Lebensmittel und Zubereitungsarten, die die tägliche Nahrungsaufnahme zu einem umfassenden kulinarischen Erlebnis werden lassen. Tabus kennt man dabei kaum. Einen Sonderfall stellen Milch und Milchprodukte dar, die viele abstoßend finden bzw. wegen Laktoseintoleranz nicht vertragen. Weitere Ausnahmen können religiöser Natur sein. Ein chinesischer Gastgeber trägt Ihnen gegenüber spezielle Verantwortung für Ihre respektvolle Behandlung und Ihr Wohlbefinden. Als Gast sollten Sie daher möglichst
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7. Herausforderung chinesisches Essen
alle Speisen verkosten und loben. In der Regel dürfte das westlichen Essern nicht schwerfallen. Die Erfahrung zeigt, dass die meisten Speisen, die Chinesen mögen, Europäern ebenfalls schmecken. Die berüchtigten exotischen Dinge wie Seegurke oder Schlange schätzen auch viele Chinesen nicht. Wenn Sie zum Essen bei einer Familie eingeladen sind, richten sich natürlich besonders hohe Erwartungen an Sie, alle Gerichte zu verkosten und Lob und Anerkennung zu spenden. Zu Tisch mit Stäbchen In China ist das gemeinsame Essen der wichtigste Anlass sozialen Zusammenkommens und jede Mahlzeit mit auch nur ein wenig Anspruch besteht aus mehreren Gängen. Die Gänge werden nicht wie im Westen üblich hintereinander, sondern gleichzeitig serviert und in der Mitte eines runden Tisches aufgebaut, sodass sich jeder nach Geschmack von kalten und warmen Speisen, Fisch, Fleisch, Gemüse und weiteren Beilagen bedienen kann. Dazu nimmt man mit den Essstäbchen einige Happen auf seinen Teller oder sein Schüsselchen und führt sie erst von dort zum Mund.
Abb. 2: So benutzen Sie Essstäbchen am sichersten: Das untere Stäbchen festhalten und mit dem oberen den Happen dagegendrücken. Achten Sie darauf, dass die Enden nebeneinanderliegen.
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Getränke – Vorsicht mit „gan bei“ Das klassische Getränk zur Begleitung des Essens ist der chinesische Tee. Seine Sorten und Zubereitungsarten sind eine Wissenschaft für sich. Probieren Sie einfach! Die im Vergleich zur europäischen Gewohnheit leichten Suppen werden von den Chinesen als Getränk angesehen und dementsprechend zum Essen getrunken. Wenn man sich in einer größeren Runde mit chinesischen Freunden oder Geschäftspartnern befindet, wird Alkohol oft flaschenweise konsumiert. Der Schnapsverzehr ist mit Ritualen verbunden, bei denen unbedachten Trinkern die Kontrolle über ihren Verzehr entgleiten kann. Während des Essens bringen Chinesen einen Toast aus oder sprechen ein paar Dankesworte, die Sie möglichst auch erwidern sollten. Mit den gefüllten Gläsern wird dann angestoßen und sich zugeprostet. Dem deutschen „Prost“ entspricht „gan bei“. Chinesen leeren danach zumeist ihr Glas in einem Zug. Dem müssen und sollten Sie (vor allem bei geschäftlichen Anlässen) nicht folgen, sondern können sich mit einem Höflichkeitsschluck begnügen. Prostet
Können Sie mit Stäbchen essen? Vorsicht vor „gan bei“!
Die Stäbchen sollten Sie nicht in den Mund stecken, da sie ja auch dem Zugriff auf die Servierplatten dienen. Immer häufiger findet man jedoch ein zweites Paar Stäbchen, das nur zum Vorlegen benutzt wird. Das eigene Schüsselchen kann angehoben werden, um den Weg zum Mund zu verkürzen und die Gefahr zu verringern, dass etwas auf den Tisch fällt. Die Reisschüssel darf sogar die Lippen berühren, wobei der Reis mit den Stäbchen direkt in den Mund geschaufelt wird.
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7. Herausforderung chinesisches Essen
ein Gast der Tischrunde Ihnen zu, ist es geschickt, zunächst umgekehrt dankend der gesamten Runde zuzuprosten, damit Sie nicht bald als Einziger alkoholisiert sind, sondern jeder mithält. Trotz aller Höflichkeitserwartungen ist es kein Problem, wenn Sie mit einer entsprechenden Erklärung jeglichen Alkoholkonsum ablehnen. Immer akzeptiert werden gesundheitliche, medizinische oder religiöse Gründe. Das gilt ebenso für abgelehnte Speisen. Zeremonie und Symbol Neben der regionalen Ausrichtung bestimmen repräsentative, zeremonielle und symbolische Ansprüche ein chinesisches Festmahl. Natürlich müssen Sie diese Feinheiten nicht alle wissen. Aber es schadet nicht, wenn Sie als Eingeladener die Ihnen entgegengebrachte Wertschätzung wahrnehmen bzw. bei einer selbst ausgesprochenen Einladung bestimmte Dinge berücksichtigen können. Äußerer Rahmen und servierte Speisen sollten den Gastgeber angemessen repräsentieren und dem Gast durch den betriebenen Aufwand (das gilt auch für den zeitlichen Rahmen) Respekt bezeugen und Gesicht geben. In guten chinesischen Restaurants stehen für geschlossene Gesellschaften abgesonderte Räume mit eigenem Personal zur Verfügung. Buchen Sie als Gastgeber einer Gruppe immer einen vom Hauptraum getrennten Raum. Man bleibt in China beim Essen gerne unter sich und für geschäftliche Anlässe ist das ohnehin sinnvoll. Der beste Platz der Tafel liegt der Tür gegenüber und/oder befindet sich in der Mitte der Sitzordnung. Er gebührt dem ranghöchsten Gast. An
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Chinesisches Essen soll Genuss bereiten sowie das Repräsentationsbedürfnis von Gast und Gastgeber befriedigen. Zeigen Sie Ihrem Gastgeber, wie wohl Sie sich bei ihm fühlen, zeigen Sie Ihrem Gast, wie sehr Sie sich um ihn bemühen. Problematisch können chinesische Trinksitten sein. Gegenseitiges Zuprosten mit Hochprozentigem und anschließendes Austrinken „auf ex“ sind zwar in China gern gesehen, aber kein Muss. Nehmen Sie nur einen Höflichkeitsschluck oder weisen Sie Alkohol mit einer entsprechenden Erklärung, z. B. aus gesundheitlichen Gründen, grundsätzlich zurück, wenn Sie die Kontrolle behalten wollen.
7.2
Chinas Tischsitten - anders als in Europa??
seiner rechten Seite sitzt der Gastgeber. Jeder Gast bestellt nach seinem Geschmack, wovon aber dann jeder mitessen darf. Erscheint das dem Gastgeber als noch zu wenig, bestellt er weitere Gänge, vorzugsweise in gerader Anzahl. Das verheißt Glück und ehrt die Gäste. Sie können Alkoholika bereitstellen lassen, auch wenn Sie selbst nicht trinken wollen.
Tischsitten
Was bei Tisch fein oder unfein, erlaubt oder unerlaubt ist, sehen Chinesen und Europäer recht unterschiedlich. Traditionen und Erziehung führen dazu, dass das Benehmen des jeweiligen Gegenübers bisweilen als befremdlich oder sogar unangenehm empfunden werden kann. Wenn es Ihnen so ergeht, denken Sie daran, wie Ihr Verhalten möglicherweise bei Chinesen vergleichbar gemischte Empfindungen auslöst.
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7. Herausforderung chinesisches Essen
Akzeptable Tischsitten Schmatzen und schlürfen Schmatzen und Schlürfen beim Essen und Trinken sind üblich und Ausdruck von Genuss. Rauchen Chinesen rauchen nicht nur viel, sondern auch bei Tisch und sogar während des Essens. In der Regel fragen Raucher nicht, sondern zünden sich eine Zigarette an. Rücksichtnahme auf Nichtraucher ist in China so gut wie unbekannt. Wenn Sie selbst rauchen, bieten Sie Ihre Zigaretten vorher unbedingt der Tischrunde an. Geschirr zum Mund führen Reis- und Suppenschüssel dürfen an die Lippen gehoben werden, Reis, Nudeln, Suppe dürfen eingeschaufelt und geschlürft werden. Reden mit vollem Mund Sinn jedes Essens ist neben der Nahrungsaufnahme der soziale Kontakt. Chinesen reden gern und viel, wobei das Essen kein Hindernis bildet. Zähne säubern Die Zähne dürfen bei Tisch mit dem Zahnstocher gesäubert werden. Rücksichtsvollerweise sollte das hinter der vorgehaltenen Hand erfolgen. Inakzeptable Tischsitten Nase putzen Lautes Naseputzen beim Essen und in der Öffentlichkeit ekelt Chinesen als unreine Handlung. Am besten
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Stäbchen in die Reisschüssel stecken Stecken Sie niemals die Essstäbchen aufrecht in den Reis. Dies ist ein Teil des Beisetzungsrituals und bei Tisch völlig deplatziert. Austrinken Sein (Schnaps-)Glas unaufgefordert zu leeren und sich selbst nachzuschenken gilt als unhöflich. Zum Austrinken werden Sie von anderen Teilnehmern des Essens aufgefordert oder Sie laden andere, zumindest Ihren Nachbarn, zum Mittrinken ein. Getränke schenken Sie sich nicht selber nach, sondern überlassen das Ihrem Nachbarn (oder der Bedienung). Umgekehrt achten Sie darauf, ob Sie sein Glas auffüllen können – am besten bevor es leer ist. Zum Nachschenken heben Sie Ihr Glas mit beiden Händen an.
Typische aktzeptable und unakzeptable Tischsitten
verlassen Sie den Raum oder wischen sich abgewandt vom Tisch die Nase geräuschlos ab. Verdecken Sie dabei das Taschentuch mit der Hand und packen Sie es rasch weg.
Den letzten Bissen nehmen Wenn Sie noch gelernt haben sollten, Ihren Teller möglichst leer zu essen, würden Sie damit in China Ihren Gastgeber in Verlegenheit bringen. Lassen Sie einen Rest stehen, um ihm zu zeigen, dass er ausreichend für Sie gesorgt hat und Sie wirklich gesättigt sind. Die Tischsitten sind in China eher lockerer als in Europa und Chinesen haben weniger Probleme mit den europäischen Sitten als vielmehr Europäer mit den
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7. Herausforderung chinesisches Essen
chinesischen Sitten. Für Chinesen geht es beim Essen in erster Linie um den Genuss in harmonischer Atmosphäre! Dieser Haltung kann man sich auch als Gast entspannt anschließen. Übersehen Sie, was für Sie ungewohnt ist, überlassen Sie sich den Freuden der chinesischen Tafel und bewahren Sie beim Alkohol den Überblick.
7.3
Geschäftsessen
Chinesen bezeichnen Geschäftsessen als den „Drachenkopf“ einer Verhandlung – wer ihn bezwingt, hat gewonnen. Gemeinsame Essen sind unverzichtbarer Bestandteil von Geschäftsverhandlungen, um den Geschäftspartner zu beeindrucken, zu ehren und positiv einzunehmen. In ihnen verbinden sich die Freude der Chinesen an gutem Essen und zielgerichtete Repräsentation. Hier werden häufig die Weichen zum Erfolg gestellt. Rolle von Gast, Gastgeber und richtigem Rahmen Über den gemeinsamen Genuss in anregender Atmosphäre finden Gast und Gastgeber zu einer persönlichen Beziehung und bauen das für wichtige Entscheidungen nötige Vertrauen auf. Der Gastgeber ist verantwortlich, das dafür optimale Ambiente zu schaffen. Der Gast respektiert und würdigt diesen Aufwand, indem er dem Gastgeber sein Wohlbefinden signalisiert und Anerkennung ausdrückt. Wenn irgend möglich sollten Sie daher Einladungen nicht nur annehmen, sondern auch umgekehrt selber Einladungen aussprechen. In einem
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Timing für Geschäftliches Beachten Sie für das Ansprechen geschäftlicher Dinge das richtige Timing; d. h., beginnen Sie vor allem nicht zu früh damit. Wenn Sie nicht vergessen, dass die Voraussetzung guter Geschäftsgespräche in China eine harmonische und entspannte Atmosphäre ist, werden Sie den richtigen Zeitpunkt von selbst erkennen. Ihre chinesischen Partner leitet ja das gleiche geschäftliche Interesse, sodass sich in einem angenehmen Rahmen das Gespräch automatisch diesem Thema zuwenden wird. Bleiben Sie geduldig und überstürzen Sie nichts.
Was müssen Sie bei einem Geschäftsessen beachten?
geeigneten Restaurant setzen Sie den Rahmen, der dem Anlass, Ihren Gästen und Ihnen angemessen ist.
Chinesisches Essen schmeckt und bekommt eigentlich allen Europäern. Vergessen Sie über dem Genuss – egal ob als Gast oder Gastgeber – aber nicht die sozialen Funktionen gemeinsamer Mahlzeiten: z Sorgen Sie für eine entspannte, harmonische Atmosphäre. z Seien Sie als Gastgeber aufmerksam und großzügig, als Gast lobend und anerkennend. z Lassen Sie sich nicht zu ungewolltem Alkoholkonsum verleiten. z Stören Sie sich nicht an chinesischen Tischsitten, beachten Sie aber chinesische Empfindlichkeiten. z Chinesische Geschäftsessen sind der richtige Rahmen für Kontaktpflege, Verhandlungsführung und Vertragsschluss.
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8. Zeichen, Symbole, Feiertage
Müssen Sie im chinesischen Geschäftsleben Aberglauben berücksichtigen? Seite 75 Was sollten Sie besser nicht schenken? Seite 77 Warum sollten Sie bei offiziellen Feiertagen Ihre Terminplanung lieber großzügig gestalten? Seite 78
8.1
Aberglaube und Symbolik spielen eine große Rolle
In Alltag und Geschäftsleben vieler Chinesen spielen Aberglaube und Symbolik eine große Rolle. Erfolg, Reichtum und Gesundheit werden von übernatürlichen Kräften beeinflusst, die man durch bestimmte Handlungen oder Unterlassungen günstig stimmen kann. Viele beachten glückliche und unglückliche Kalenderdaten, glückliche und unglückliche Zahlen und Farben, Glück bringende Speisen und Orte. Das Verhalten Ihrer chinesischen Geschäftspartner kann durchaus von solchen Empfindlichkeiten veranlasst sein und Sie können ihnen möglicherweise ungute Gefühle ersparen, wenn Sie diese Empfindlichkeiten berücksichtigen.
Zahlen
Zwei Zahlen sind im Chinesischen von besonderer „Wirksamkeit“, da ihre chinesischen Begriffe Homonyme sind; d. h. sie tragen weitere Bedeutungen. Vier, auf Chinesisch si, bringt Unglück, da si auch „Tod“ heißt. In vielen Hotels oder Krankenhäusern gibt es keine Zimmernummer 4 und keine 4. Etage. Nach westlichem Vorbild gilt zunehmend die 13 als Unglückszahl, sodass auch schon mal in Ihrem Hotel das Zimmer Nummer 13 fehlen kann. Acht hingegen, ba, bedeutet „Reichtum“ und ist somit Glück verheißend. Besonders im Geschäftsleben sind die Acht und ihre Kombinationen, beispielsweise bei der Preisgestaltung, sehr beliebt. Als ideale Zahl gilt die 888. Wohlhabende Chinesen zahlen hohe Summen, um sich solche Zahlen als Auto- oder Handynummer zu reservieren.
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8. Zeichen, Symbole, Feiertage
Bestimmte Verhaltensweisen Ihrer Geschäftspartner, wie das scheinbar unmotivierte Beharren auf einem bestimmten Datum oder einem bestimmten Konferenzraum, können von Aberglauben bestimmt sein. Bei der Übersetzung europäischer Namen, der Findung neuer chinesischer Namen oder der Gestaltung von chinesischer Werbung und PR sollten Sie sich unbedingt kompetent beraten lassen, um Peinlichkeiten bei Wortwahl und Symbolik zuverlässig auszuschließen.
8.2
Farben
So wie in Europa Schwarz die Farbe der Trauer ist, ist es in China das Weiß. Trauernde tragen weiße Bänder um Kopf und Hüften geschlungen. Weiße Blumen dienen als Begräbnisschmuck. Ein Strauß weißer Blumen als Gastgeschenk wäre auf jeder Veranstaltung außer einer Bestattung völlig unpassend. Ebenso sollten Sie keine weißen Geschenkverpackungen oder -verzierungen benutzen. Vermeiden Sie bei Essen oder anderen festlichen Zusammenkünften weiße Tisch- oder Wanddekoration. Allerdings ändert sich unter westlichem Einfluss diese Tradition zunehmend. So heiraten immer mehr Brautpaare in europäischem Weiß anstatt im traditionellen Rot. Rot ist die glückliche und positive Farbe schlechthin. Es steht für Freude, Feierlichkeit, Kraft, Mittag, Sommer, Feuer. Bei jedem Fest dominiert Rot die Farben der Dekoration. Rote Inschriften spenden Segen. Glückwunschkarten sind rot. Vielleicht fällt Ihnen nun auf, wie viele chinesische Produkte auch in Europa rot verpackt
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8.3
Geschenke
Chinesen pflegen eine ausgeprägte Geschenkkultur. Schenken ist ein unverzichtbarer Bestandteil der persönlichen Beziehungspflege, der Darstellung des eigenen Status sowie der Respektsbekundung. Ein Geschenk steht zu Beginn einer Kette von weiteren Geschenken und Leistungen oder es ist die Fortsetzung empfangener Geschenke und Leistungen. Die daraus erwachsende Verpflichtung ist nie geschäftlicher, sondern persönlicher Natur, wobei für Chinesen diese Unterscheidung ohnehin kaum Relevanz besitzt. Geschenke haben einen hohen symbolischen Wert. Ähnlich wie Visitenkarten sollten sie mit beiden Händen ausgehändigt und entgegengenommen werden. Beliebte Geschenke in China sind europäische Luxusartikel oder Genussmittel: Lederwaren, Schokolade, Wein, Spirituosen, Schweizer Taschenmesser. Besonders gut kommen prestigeträchtige Markenartikel an. Geschäftspartnern können Sie Geschenke mit dem Logo Ihres Unternehmens überreichen. Zu bestimmten privaten Anlässen wie Hochzeiten, Geburtstagen oder Neujahr wird gerne eine Bargeldgabe genommen, die Sie in einem roten Umschlag überreichen. Oft wird der Empfänger Ihr Geschenk zunächst mehrfach ablehnen. Es gehört zum guten Ton, ein Geschenk niemals umstandslos anzunehmen. Dann jedoch wird es
Farben und Geschenke – symbolhafter Charakter
sind: Chinakracher, Seidenschals, Sojasauce ... Wenn Sie etwas zu verpacken, zu präsentieren oder zu verschenken haben, können Sie nie zu viel Rot verwenden.
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8. Zeichen, Symbole, Feiertage
zumeist unausgepackt beiseitegelegt. Das Auspacken erfolgt erst in Abwesenheit des Schenkers. Seien Sie beim Schenken nicht kleinlich, Geschenke werden trotz ritueller Ablehnung gern genommen. Vermeiden Sie dabei Dinge, deren Bezeichnungen an Tod und Unglück erinnern: Schirme – erinnern an Trennung, können Auflösung der Beziehung andeuten. Uhren (außer Armbanduhren) – erinnern an Tod und Beerdigung. Weiße Blumen – erinnern an Tod und Beerdigung. Weiße Verpackung und Geschenkpapier – Weiß ist die chinesische Trauerfarbe.
8.4
Chinesische Feiertage
In China gibt es wie in Europa Feiertage, an denen das gesamte öffentliche Leben ruht und keine Geschäfte getätigt werden. Planen Sie für diese Tage keine Termine ein. Vor der Buchung einer Chinareise erkundigen Sie sich vorsichtshalber bei Ihren Geschäftspartnern (oder im Internet) wegen beweglicher Feiertage. Üblicherweise werden Brückentage für verlängerte Wochenenden genutzt. Offizielle Feiertage werden gerne großzügig verlängert. Persönliche Treffen und Gesprächstermine sollten Sie daher auf jeden Fall frühzeitig absprechen und bestätigen lassen. 1. Januar – Neujahrsfeiertag nach westlichem Kalender, gesetzlich ist ein Feiertag, tatsächlich passiert ca. drei Tage lang nichts.
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1. Mai – Tag der Arbeit; gesetzlich sind drei Feiertage, tatsächlich passiert ca. eine Woche lang nichts. 1. Oktober – chinesischer Nationalfeiertag, gesetzlich sind drei Feiertage, tatsächlich passiert ca. eine Woche lang nichts.
Feiertage in China - vom Frühlingsfest zum 1. Oktober
Frühlingsfest – ist das mit Abstand wichtigste Fest aller Chinesen, wie Weihnachten und Neujahr auf einmal. Da der Termin nach dem chinesischen Mondkalender berechnet wird, ändert sich das genaue Datum jedes Jahr (Januar/Februar). Gesetzlich sind drei Feiertage, tatsächlich passiert ca. eine Woche lang nichts.
Chinesen gehen mit Glauben, Aberglauben und Magie tolerant um. Wer daran glaubt, tut es, wer nicht daran glaubt, stört sich nicht. Daher ist es besser, wenn Sie die wichtigsten Glücks- und Unglückszeichen kennen und berücksichtigen: z Vermeiden Sie die Trauerfarbe Weiß und die an Tod erinnernde Zahl 4. z Verwenden Sie die Glücksfarbe Rot und die Reichtum versprechende Zahl 8. Geschenke dienen der Beziehungspflege: Geben Sie Ihren Partnern und sich Gesicht. Schenken Sie großzügig und repräsentativ.
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Denken Sie bei Ihrer Reiseplanung an die chinesischen Feiertage: z Offizielle Feiertage werden gerne verlängert.
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Register
Register Aberglauben 74-76, 79 Ablehnung 28-30, 34, 35, 50, 51, 78 Alkohol 67-69, 72, 73 Begrüßung 37-39, 41, 48 Bescheidenheit 31, 32, 35 Beziehungen 54, 55, 58 ff. Beziehungsnetzwerk 54, 56-60 Beziehungspflege 54 ff., 60, 77 ff. Blickkontakt 41 Dolmetscher 34, 35, 38, 42, 50, 52, 53 Einladung 61, 68, 72 Empfindlichkeit 14, 73, 75 Essen 70, 72, 73, 76 Esskultur 65 Essstäbchen 66, 71 Farben 75, 76 Feiertage 74, 78, 79 Freunde 55-59, 67 Gast 68, 72, 73 Gastfreundschaft 43 Gastgeber 65, 68 ff. Geduld 43, 45, 50, 51, 53 Geschäftsessen 49, 53, 64, 72, 73 Geschenke 62, 76-79 Geschichte 13, 20, 25, 65 Gesellschaft 18, 22, 27, 28, 55, 57, 59, 68 Gesicht 37-39, 41, 45, 47, 48, 50, 51, 53, 61, 68, 79 Gespräch 16, 19, 21, 33, 41, 44, 49, 52, 62, 63, 73, 78 Gesprächsführung 23, 45, 50 Gesprächspartner 9, 11, 23, 24, 30, 32-35, 37-39, 41, 44, 46, 48, 49, 60 Getränke 67, 71 Guanxi 56, 58-62
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Harmonie 22, 23, 30, 44, 45, 48, 51 Hierarchie 25, 28, 39 Höflichkeit 10, 26-35, 37, 43, 48, 50, 68 Höflichkeitsschluck 67 ff. Indirektes Formulieren 33 Interkulturelle Kompetenz 8-11, 43 Kompetenzen 60, 63 Konfuzianismus 18, 25 Körperkontakt 38, 40, 41 Korruption 59, 61, 62 Kultur 6, 9-14, 20-22, 25, 33, 38, 48 Lao pengyou 44, 56, 58 Mentalität 12, 22, 24, 25, 33, 58, 59 Politik 15, 48 Respekt 28, 31, 32, 35, 37-41, 43 ff., 53, 61, 65, 68, 77 Respektlosigkeit 31 Schriftzeichen 52 Sensibilität 62 Sitzordnung 68 Sprache 6, 9, 11, 17, 18, 25, 33, 38, 56, 59 Tischsitten 69-71, 73 Titel 39, 41 Übersetzung 18, 39, 40, 51, 76 Umgangsformen 9, 26-28, 35, 43, 45, 60 Verhandlungen 34, 42-47, 49-53, 72, 73 Verhandlungsstil 43 Vertrauen 28, 43 ff., 61, 72 Visitenkarten 36, 39-41, 60, 77 Zurückhaltung 26, 32, 35, 37