Stephan M. Kalhamer
Dem Optimismus Detlef Erhardts, dem Einsatz Sven Luchas, den Entbehrungen meiner Familie.
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Stephan M. Kalhamer
Dem Optimismus Detlef Erhardts, dem Einsatz Sven Luchas, den Entbehrungen meiner Familie.
Inhaltsverzeichnis Vorwort 1. Spielregeln 1.1 Basics 1.2 Spielablauf 1.3 Kartenkombinationen 1.4 Spielvarianten 1.4.1 Draw Poker 1.4.2 Texas Hold’em 1.4.3 Omaha 1.4.4 Seven Card Stud 1.5 Setzstrukturen 1.5.1 Limit 1.5.2 Pot-limit 1.5.3 No-limit
2. Strategie 2.1 Handlungsspielraum 2.1.1 Check 2.1.2 Bet
2.1.3 Fold 2.1.4 Raise 2.1.5 Call
Extra: 10 Gebote 2.2 Ablauf 2.2.1 Pre-flop 2.2.2 Flop 2.2.3 Turn 2.2.4 River 2.3 Generelle Taktik 2.3.1 Spieleranzahl 2.3.2 Spielertypen 2.3.3 Table-Image 2.3.4 Position 2.3.5 Blinds & Stacks 2.3.6 Pot-odds 2.4 Situationsspezifische Taktik 2.4.1 Made-Hands & Draw-Hands 2.4.2 Deception 2.4.3 Bluff
2.4.4 Semi-bluff 2.4.5 Slowplay 2.4.6 Check-raise 2.4.7 Free-card 2.5 Das Lesen der Gegenseite 2.5.1 Nachvollziehen einer Hand 2.5.2 Tells 2.6 Online-Poker 2.6.1 Pro und Contra 2.6.2 Grundvoraussetzungen 2.6.3 Unterschiede zum traditionellen Poker 2.6.4 Tischwahl 2.6.5 Geldmanagement 2.7 Turniere 2.7.1 Unterschiede zu Cash-Games 2.7.2 Turnierverlauf und Taktik
3. Berechnungen und Tabellen 3.1 Berechnungen 3.2 Tabellen
4. Hall of Fame
Phil Ivey Howard Lederer Phil Hellmuth Jr. Chris Ferguson Gustav „Gus“ Hansen Dave Ulliott Thuan „Scotty“ Nguyen Jennifer Harman Chris Moneymaker Doyle Brunson Johnny Chan Stuart „Stu“ Ungar
5. Glossar
Vorwort In Frankreich geboren. In Amerika berühmt geworden: Poker – das spannendste aller Kartenspiele. Jedermann hat schon davon gehört, doch gespielt haben es bis vor einigen Jahren die wenigsten Europäer. Durch die amerikanische Filmindustrie entsprechend typisiert, verbindet man das Spiel hier zu Lande häufig mit Gaunereien. Ob im Western oder Mafiafilm: Immer sitzen dubiose Gestalten zwischen grünem Filz und grauem Rauch. Zu große Gewinne oder eine Niederlage kosten nicht selten das Leben. Solche Szenen sind dafür verantwortlich, dass Poker in den Köpfen vieler nicht den Ruf als herausragendes Strategiespiel genießt, den es verdient hätte. Statt dessen wird es als Glücksspiel verkannt. Wie sehr man hier irrt, werden Sie bei der Lektüre des Buches nach und nach erfahren. Poker stellt die ultimative Verbindung von Mathematik und Kunst dar. Gutes Spiel verlangt eine ausgeklügelte Mischung rationaler und emotionaler Entscheidungen. So macht uns ein Studium der Wahrscheinlichkeitsrechnung oder Statistik nicht notwendigerweise zu einem guten Spieler, doch die gänzliche Ausblendung mathematischer Grundgegebenheiten verdammt uns zu schlechtem Spiel.
Das fantastische Moment des Spiels ist es, dass die vielen rationalen Elemente so gut in der zufälligen Verteilung der Spielkarten versteckt sind, dass erfolgreiche Spieler häufig eher als Glücksritter, denn als große Taktiker gesehen werden. Glück tarnt gutes Spiel. Hier kommt die Komponente Kunst zum Tragen. Dauerhaft erfolgreich zu spielen, ist vor allem dann möglich, wenn das eigene Spiel besser ist, als es von den Gegnern gesehen wird. Zudem darf das Spiel der Gegner nie auf die leichte Schulter genommen werden. „Der häufigst begangene Fehler in der Geschichte ist die Unterschätzung des Gegners; trotzdem passiert dies am Pokertisch andauernd.“David Shoup, amerikanischer General Schwächer zu wirken, als man ist und jeden Gegner unvoreingenommen zu respektieren, ist eine Kunst. Am Pokertisch ist kein Platz für Eitelkeiten. Beim Poker gibt es keinen allgemein gültigen Königsweg, spieltheoretisch gesprochen: keine dominierende Strategie. Genau das macht Poker aus. Was gestern und heute richtig war und ist, kann im nächsten Moment schon völlig falsch sein. Denn der Gegner lernt! Im Schach gibt es auf jede noch so verzwickte Situation einen optimalen Zug und dieser ist auch dann optimal, wenn die gleiche Situation bei anderen Spielern zu einer anderen Zeit auf einem anderen Brett auftritt. Beim Poker dagegen ist jede Situation einzigartig.
Durch die Vorausberechnung eines immer größeren Anteils der möglichen Konstellationen am Schachbrett wird es immer leistungsfähigeren Computern letzten Endes gelingen, besser Schach zu spielen, als jeder Mensch. Doch Poker spielen können wir Menschen besser, denn es bedarf der Unvorhersehbarkeit der menschlichen Intelligenz, das Spiel zu beherrschen und von Zeit zu Zeit neu zu gestalten: „Das Falsche zu tun, aber im richtigen Augenblick“, wurde von Edward G. Robinson alias Lancey Howard, dem Pokermeister im Film „Cincinnati Kid“ als das Wesen des Pokerspiels bezeichnet, nachdem er seinen Herausforderer Steve McQueen alias Cincinnati Kid durch eine sehr unorthodox gespielte und glücklich gewonnene Hand endgültig besiegt hatte. Das ständige Pendeln zwischen zwei Polen macht Poker für Maschinen unberechenbar. Der eine Pol ist der bluff. Er ist die Hoffnung. Blufft der Gegner, gewinnen wir. Der andere ist die unsterbliche Hand, das nuts. Sie ist die Angst. Ist sie in Händen des Gegners, verlieren wir. So sind wir immer hin-und hergerissen, zwischen der Versuchung, Gegner in das Spiel zu locken, um mehr zu gewinnen, und dem Verlangen, Gegner aus dem Spiel zu nehmen, um den aktuellen Gewinn zu sichern. Poker ist ein ewiges Ringen: Mal drücken wir, mal ziehen wir. Das Buch gliedert sich in zwei große Blöcke. Der erste widmet sich vor allem dem Neuling. Es werden generelle Gegebenheiten, Regeln und Spielarten erklärt. Der zweite
geht ins Detail und taucht in das tiefere Verständnis des Spiels ab. Es werden verschiedene taktische und strategische Konzepte vorgestellt und erläutert. Es kann vorkommen, dass einzelne Passagen nicht unmittelbar verstanden werden oder in scheinbarem Widerspruch zu anderen Stellen stehen. Manches kann zu vage, anderes zu exakt erscheinen. Wichtig ist das Konzept, den generellen Gedanken zu verstehen und das eigene Spiel dadurch zu verbessern. Es gibt im Poker keine unumstößliche Wahrheit. Das Buch versucht, Denkanstöße zu geben, ein Kompass bei der Findung des eigenen Spiels zu sein. Kein Pokerspieler ist am Ziel, jeder ist unterwegs. Gute Reise!
Ehe es nun endlich losgehen kann, verlieren wir noch ein paar Worte zum Sprachgebrauch. Wir haben versucht einen sinnvollen Kompromiss zwischen dem Gebrauch der deutschen Sprache und der Verwendung international üblicher Fachausdrücke zu finden. So kommt es manchmal zu Wortneuschöpfungen, manchmal zu Übersetzungen, wie die folgende Tabelle exemplarisch zeigt:
1. Spielregeln Poker zu erlernen dauert nur Minuten, Poker zu beherrschen ein Leben lang. Wir beginnen bei der Klärung der Frage nach den Spielregeln. Dass dies einige Seiten in Anspruch nimmt, sollte nicht gleich abschrecken. Poker spielen ist grundsätzlich sehr leicht. Dennoch möchten wir ein solides Regelwerk als Fundament bieten, von dem ausgehend an jeder noch so individuell gestalteten Pokerrunde ohne Probleme teilgenommen werden kann. Zudem führen wir wichtige Begrifflichkeiten ein, die für das Verständnis des weit reichenden Strategieteils hilfreich sind. Für sich gesehen ist Poker geradezu einfältig: Es werden Karten verteilt, diese verglichen und wieder eingesammelt. Worin besteht also die Faszination? Anders als beim Skat oder Rommé macht Poker nur Sinn in Kombination mit Einsätzen. Spielkultur entsteht beim Poker ausschließlich über das Management der Jetons. Die Chancen eines Sieges mit den Risiken einer Niederlage abzuwägen und entsprechend zu handeln, macht den Reiz des Spieles aus. In diesem ersten Abschnitt des Buches werden der
generelle Spielablauf, die Kartenrangfolgen, gängige Regeln und Setzweisen erläutert.
1.1 Basics Alles braucht einen Anfang. An einem vollbesetzten Pokertisch finden zehn Spieler Platz. Poker kann ab zwei Teilnehmern gespielt werden. Es wird mit einem Kartenspiel von 52 Blatt und Jetons gespielt. Die Spieler treten gegeneinander mit dem Ziel an, das aktuelle Spiel und damit das Recht auf den pot – alle Jetons in der Tischmitte – zu gewinnen. Dazu müssen sie entweder in der vorteilhaften Situation sein, aus den jeweils zur Verfügung stehenden Karten die beste Pokerhand aller noch am Spiel beteiligten Spieler zu formen, oder einen vorzeitigen Sieg erringen, indem sie sich als letzter am Spiel beteiligter Spieler erweisen. Noch am Spiel beteiligte Spieler werden als aktiv (active) bezeichnet. Jeder Spieler erhält im Laufe eines Spiels mindestens 5 Karten, aus denen er seine stärkste Hand – eine Hand besteht immer aus exakt fünf Karten – bildet. Die höchste Hand gewinnt das Spiel. Nicht vergessen: Das Spiel wird vorzeitig ohne Kartenvergleich gewonnen, wenn es nur noch einen aktiven Spieler am Tisch gibt.
1.2 Spielablauf „Same procedure as every year.”1 1Aus dem legendären TV-Sketch „Dinner for One“
Es gibt gewisse grundsätzliche Abläufe, die jedem Pokerspiel gemein sind. Der Geber gibt zunächst Karten im Uhrzeigersinn aus. Die Anzahl der auszuteilenden Karten richtet sich nach der Spielvariante. Gehen wir von einem mit zehn Spielern vollbesetzten Pokertisch aus (vgl. folgende Grafik), bekommt Spieler eins die erste, Spieler zehn die letzte Karte.
Diese letzte Position wird auch button genannt und erfüllt im privaten Rahmen die Funktion des Gebers (dealer). Die Spieler links des Gebers müssen vor Ausgabe der
Karten erste erzwungene Einsätze entrichten (blinds). Der Spieler nach den blinds (under-the-gun) eröffnet die erste Setzrunde. In jeder Setzrunde haben die Spieler der Reihe nach die Möglichkeit zu handeln (act). Die Spieler i n early position erklären sich immer zuerst, gefolgt von denen in middle position. Das letzte Wort haben die Spieler in late position. Man kann zunächst abwarten (check) oder einen Einsatz (bet) tätigen. Sobald aber ein Einsatz gebracht ist, sind die nachfolgenden Spieler aufgefordert, diesem zu entsprechen. Tun sie dies nicht, so scheiden sie aus dem Spiel aus (fold), sind also nicht mehr aktiv. Die Pflicht einem Einsatz nachzukommen (call), ist immer gekoppelt mit dem zusätzlichen Recht, selbst den Einsatz zu erhöhen (raise). Eine Setzrunde ist zu Ende, wenn alle noch aktiven Spieler den gleichen Einsatz zur Mitte (pot) gebracht haben. Nachdem sich alle Mitspieler erklärt haben, werden weitere Karten ausgegeben bzw. es erfolgen neue Setzrunden. Das Spiel wird vorzeitig beendet, wenn nur noch ein Spieler aktiv ist. Verbleiben mindestens zwei Spieler im Spiel, erfolgt nach der letzten Setzrunde der Abgleich der Karten (showdown). Es gewinnt die höchste, aktive Pokerhand den gesamten pot. Bei gleichwertigen höchsten Händen wird unter diesen geteilt (splitpot). Ist das Spiel beendet, wandern alle Positionen im Uhrzeigersinn zum nächsten Spieler weiter. So wird Spieler eins zum dealer. Er befindet sich on the button, der ultimativen late position.
Zum Benehmen am Pokertisch: Man handelt erst dann, wenn man an der
Reihe ist. Frühzeitiges Handeln beeinflusst das Spiel, ist somit unfair. Solange man nicht als aktiver Spieler in einer eins gegen eins Situation (heads-up) ist, spricht man nicht über das aktuelle Spiel. Auch dies hat Fairness-Gründe. Man handelt eindeutig. Fehlinterpretiertes Handeln wirkt sich negativ auf das eigene Spiel aus. Wollen wir zum Beispiel erhöhen, setzen wir den gesamten Betrag in einem Zug, statt „portionsweise“ vorzugehen. Man ist höflich. Das hat auch taktischen Hintergrund: Wir wollen unsere Gegner nicht zusätzlich motivieren, mit maximaler Aufmerksamkeit gegen uns zu spielen.
1.3 Kartenkombinationen Der Royal Flush und seine Untergebenen Ein Pokerspiel besteht aus 52 Karten. Es gibt 13 Ränge – von der 2 bis zum Ass – zu je vier Farben: Kreuz (clubs), Karo (diamonds), Herz (hearts), Pik (spades). 2