Heinz G. Francis Revolution der Genies Rex Corda Band Nr. 19 Version 1.0 Revolution der Genies Teckan ist erreicht! Lata...
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Heinz G. Francis Revolution der Genies Rex Corda Band Nr. 19 Version 1.0 Revolution der Genies Teckan ist erreicht! Latak Decimo konnte sich trotz größter Schwierigkeiten bis in die sicherste Festung der Laktonen vorkämpfen. Noch weiß niemand, daß Decimo auf dem Planeten der Wissenschaft gelandet ist. Aber jetzt kann sein Aufenthalt nicht länger geheim bleiben. Decimo muß Rex Corda benachrichtigen, damit der Präsident der Erde »DIE FLUCHT VON TECKAN« in Angriff nehmen kann. Wenn Latak Decimo Corda nach Teckan holt, wird die Abwehr auf Teckan sofort zuschlagen. Doch Rex Corda darf nicht zögern. Die Erde hat nur dann eine Chance im gewaltigen Spiel der gigantischen Mächte Lakton und Orathon, wenn es den Terranern gelingt, auch die Technik der Giganten zu beherrschen. Die Erde muß die Wissenschaftler zu ihrer Unterstützung gewinnen – oder sie wird im Strudel des galaktischen Krieges versinken. Es gibt nur einen einzigen Weg, das Luxusgefängnis der Laktonen zu verlassen. Rex Corda muß einen Spezialtransmitter einsetzen. Dieser Schritt ist mit ungeheurem Risiko verbunden, da die gesamte Aktion vor den Augen der kampfgewohnten teckanischen Abwehr verlaufen muß. »DIE FLUCHT VON TECKAN« kann nur gelingen, wenn die Abwehr überrumpelt und abgelenkt wird. Die wichtigsten Personen Rex Corda : Präsident der Vereinigten Staaten der Erde Latak Decimo : der Laktone arbeitet im Dienste der Erde Bir Osgo : der Laktone leidet unter Minderwertigkeitskomplexen Fan Kar Kont : Chefwissenschaftler auf Teckan Estrer Yho : sein Assistent Ierra Kretan : eine Mathematikerin seines Stabes Hark Axthon : Abwehroffizier auf Teckan Hent Marat : laktonischer Biochemiker *** »Er ist tot!« sagte der MedoRoboter zögernd. Seine metallene Stimme vibrierte leicht. Er war ein Ungetüm von zweieinhalb Meter Größe und erfüllte die Funktion eines Arztes. Sein tropfenförmiger Schädel drehte sich, während der gigantische Körper ruhig stehenblieb. Oben, auf dem monströsen Körper erlosch die kleine Lampe, die das Gesicht des Liegenden aus dem Dunkeln gerissen hatte. Der MedoRoboter wandte sich ab. Die blitzenden Instrumente zogen sich in den Brustteil seine titanischen Körpers zurück. Seine stählernen Gelenke knackten leise. Die Brennweite seiner Spezialoptik verstellte sich abermals. Er drehte sich um und setzte zu einem Schritt an. Die Gyros jaulten kurz auf, dann schlugen die Sicherungen durch. Der Roboter stand wie ein toter Metallklotz neben dem Leblosen. Der Mann, der das empfindliche elektronische System des Roboters durcheinander gebracht hatte, lag auf einem Antigravkissen. Sein wachsbleiches Gesicht hatte eine grauenerregende Starre angenommen. Steif und reglos lag er da. Sein Körper wies keine Verletzungen auf. Die drei Laktonen sahen scheu auf den Wissenschaftler zu ihren Füßen. Sie standen vor einem Rätsel. Vor wenigen Minuten war der Forscher plötzlich zusammengebrochen. In jagender Eile erschien der MedoRoboter, bevor noch irgend jemand Alarm gegeben hatte. Er war ein bedrückender Beweis für die Wachsamkeit und Allgegenwart des Sicherheitsdienstes. Die beiden Laktonen beugten sich über das tragende Antigravfeld. Ihre Gesichter waren fahl und verkniffen. Es war nicht der erste Tote den sie sahen. Aber keiner von ihnen hatte jemals eine so furchterregende Starre im Antlitz eines Mannes gesehen. Es war auch noch nie vorgekommen, daß ein Medo seine Hilflosigkeit zu verstehen gab. Als harte Schritte hinter ihnen laut wurden, richteten sie sich langsam auf. Der Größere von ihnen
zuckte heftig zusammen, bevor er den Kopf wandte. Er glaubte, eine flüchtige Bewegung der starren Augen bemerkt zu haben. Aber jetzt – als er sie abermals fixierte – regten sie sich nicht mehr. * Gebannt starrte Latak Decimo auf das flimmernde Transmitterfeld, das in dem Rahmen vor ihm schwankte. Es war geschafft! Erstmals in der Geschichte der Transmittertechnik war es gelungen, ein so kleines Gerät zu konstruieren, daß es in einem gewöhnlichen Handkoffer transportiert werden konnte! Das war die Chance der Wissenschaftler und der Terras! Latak Decimo hatte sich Zeit gelassen. Jetzt war er davon überzeugt, daß es sich gelohnt hatte. Die erwarteten Kontrollen der Abwehr waren gekommen. Doch die Agenten hatten an seinen Unterlagen keine Mängel feststellen können. Es hatte sich gelohnt, auf Szahan Zwischenstation zu machen! Der schlanke Synoptiker wußte seine Chancen genau abzuschätzen. Instinktiv spürte er, welchen Schritt er als nächsten unternehmen mußte. War dieser Schritt erst einmal getan, dann gab es nur noch den überlegenen Sieg – oder die totale Niederlage. Ein Zwischending gab es einfach nicht. Latak Decimo war der Gesandte der laktonischen Wissenschaftler von TECKAN. Seine Aufgabe war es, eine Welt zu finden, die laktonischen Wissenschaftlern Freiheit bieten konnte. Latak Decimo hatte sie gefunden! Er wußte, wohin die Wissenschaftler fliehen konnten – wenn es ihnen gelang, von Teckan zu entkommen. Terra wartete auf das Wissen, das Lakton bieten konnte. Terra, jene winzige Welt am Rande der Galaxis, war in den Strudel des Galaktischen Krieges gekommen. Nur ganz knapp war Terra der totalen Vernichtung entgangen. Die Terraner verlangten eine Entschädigung von Lakton. Sie erwarteten – mit Recht – von Lakton, daß ihr entschlossener Kampf an der Seite der Laktonen belohnt wurde. Doch Lakton plante einen Betrug, den Terra rechtzeitig erkannte. Jetzt griff Terra nach dem kostbarsten Gut, das Lakton besaß – nach dem Genie der wichtigsten Wissenschaftler des laktonischen Reiches. Er – Latak Decimo – war der Bote Terras. Er war gleichzeitig der Bote jener Wissenschaftler, die das Leben in dem goldenen Gefängnis Teckan nicht mehr ertrugen. Latak Decimo war nach Teckan gekommen, um vierzig Wissenschaftler aus der sichersten Festung in diesem Bereich der Galaxis zu entführen. Es war ihm gelungen, teckanischen Boden zu betreten. Mit seinen gefälschten Papieren konnte er sämtliche Kontrollen durchstoßen. Und jetzt stand in seinem Hotelzimmer eine Verbindung zum Nichts. Aus der Mitte seines Zimmers führte ein verbotener Weg bis hinein in die Weiten des Alls! Es war ihm gelungen, einen Kleintransmitter nach Teckan einzuschmuggeln und die Einzelteile hier zu einem funktionsfähigen Ganzen zusammenzubauen. Der Transmitter stand! Es gab einen Fluchtweg nach draußen! Doch Decimo wußte, daß jedesmal, wenn der Transmitter in Funktion trat, ein brüllendes Echo durch die ungemein empfindlichen Ortungsinstrumente der teckanischen Abwehr rollte. Nur deshalb zögerte er noch. Ein Signal war hinausgegangen. Es hatte eine Dauer von knapp einer zehntausendstel Sekunde gehabt. Das war lange genug gewesen, um Rex Corda zu verständigen. Latak Decimo hoffte, daß der Terraner Corda die vereinbarte Position erreicht hatte. Rex Corda sollte in diesem Augenblick etwa drei Lichtjahre von Teckan entfernt sein. Der Laktone entblößte seine rötlichen Zähne. Sein Finger stach gegen die Schaltknöpfe. »Beeil dich, Rex Corda!« sagte er drängend. In diesem Augenblick verzerrte sich das nur wenige Zentimeter tiefe Transmissionsfeld. Wie aus kreisendem Dunst tauchte das verkniffene Gesicht Bir Osgos in dem Rahmen des Transmitters auf. Eine Hand kam aus dem Nichts. Sie schob sich aus dem Feld hervor. Latak Decimo ergriff sie. Seine Blicke folgten unwillkürlich dem Arm, der zum Ellenbogen hin immer durchsichtiger wurde. Doch dann verdichtete sich der Arm. Aus dem Dunst wurde eine Schulter, der Oberkörper eines Mannes. Rasend schnell entstand der laktonische Wissenschaftler in dem flirrenden, schwankenden Feld. Er stieg durch den Rahmen und stand plötzlich neben Latak Decimo. Die Spannung in seinem Gesicht milderte sich, als er sich blitzschnell umgesehen hatte und Decimo allein in dem Hotelzimmer fand. Keine Sekunde war vergangen, seit Bir Osgo aus dem Transmitterfeld hervorgekommen war, als Rex
Corda ihm folgte. Mit einem energischen Schritt brach er durch das Transmitterfeld. Seine scharfen
Augen streiften Bir Osgo und Latak Decimo mit einem knappen Blick. Dann fuhr Corda herum. Seine
Hand zuckte zu den Schaltungen. Die winzigen Schalter am Kunststoffrahmen des Kleinsttransmitters
klickten in Ruhestellung zurück. Das rote Feld sackte in sich zusammen. Nichts ließ jetzt noch
erkennen, daß dieses Tor eben noch eine Verbindung mit der Weite des Raumes geboten hatte.
*
Schrill heulten die kleinen Alarmsirenen auf.
Hark Axthon, Sicherheitsoffizier im Bereich OR, in dessen Zentrum die Stadt Teck lag, fuhr aus
seinem Sitz hoch. Im gleichen Augenblick flammte das Holografensystem auf, das ihn mit den
wichtigsten Stationen des Abwehrkomplexes verband. In der TransmitterOrtung stürzten die
Offiziere an die Geräte. Fieberhaft schalteten sie. Eine gleichzeitig bei Axthon einlaufende
Todesmeldung ging in der Erregung unter.
Axthon verließ sein Büro und eilte in den Raum hinüber. Er störte die Agenten nicht. Er wußte auch so,
was geschehen war. Mühsam unterdrückte er seine Erregung, als er die Alarmsirenen ausschaltete.
»Ein Transmitter, Axthon!« rief ihm einer der Ortungsspezialisten zu. »Er muß in Teck stehen! Wir
werden ihn gleich haben!«
»Roboter bereit?«
»Sie kreisen das Gebiet bereits ein, in dem der Transmitter steht!«
Hark Axthon verfolgte die Lichtzeichen, die sich zangenförmig um ein kleines Gebiet innerhalb der
Stadt Teck schlossen. Der Spezialholograf zeigte ein plastisches Luftbild der Stadt.
»Wir haben ihn gleich!«
Hark Axthon hörte, wie der leitende Offizier dieser Station Verbindung mit den in Teck stationierten
Agenten aufnahm. Er biß sich auf die Lippen. Unwillkürlich krampfte er die Hände zusammen. Sie alle
waren sich seit jeher darüber klar, daß eine Transmitterverbindung den einzigen Fluchtweg von Teckan
bot. Sie hatten alle damit gerechnet, daß irgendwann einmal ein Transmitter eingesetzt werden würde.
Irgendwann würde es vielleicht einmal einem Wissenschaftler gelingen, das planetare
Transmissionsstörungsfeld zu durchbrechen, das bisher jede Transmission unmöglich machte.
War es jetzt soweit?
Es ging nur noch um wenige Sekunden, dann würden sie wissen, wo der Transmitter stand!
Hark Axthon wurde unruhig. Die Zeit war kurz. Jeden Augenblick konnte der Transmitter
ausgeschaltet werden.
Ein Flimmerlicht tauchte auf dem Holografen auf. Der Standort des Transmitters war bereits bis auf
knapp 500 Meter eingekreist.
Da zischte der Ortungsspezialist wütend auf.
»Aus!« sagte er. Ärgerlich schlug er die flache Hand auf die Schalttafel des Gerätes vor sich. »Nur
noch wenige Augenblicke, dann hätten wir ihn gehabt!«
Hark Axthon drehte sich um und kehrte in seinen Raum zurück. Er setzte sich mit der Abwehrzentrale
auf Teckan in Verbindung und veranlaßte, daß jeder Neuangekommene scharf überprüft wurde.
Ein dichter Ring aus Kampfrobotern spannte sich um den Bezirk, in dem der Transmitter sich verbarg.
Dann machte Hark Axthon sich auf, um sich mit dem noch ungeklärten Todesfall auf seiner Station zu
befassen. Er glaubte nicht, daß die Transmission mit dem Zusammenbruch des Assistenten Fan Kar
Konts zusammenhing, obwohl der Zusammenbruch genau mit dem Alarm zusammenfiel.
*
Der Wissenschaftler Fan Kar Kont trat auf die drei verstörten Männer zu. Sie wichen zur Seite und
gaben den Blick auf die Gestalt auf dem Antigravfeld frei.
Fan Kar Kont blieb stehen. Lange sah er in das Gesicht des Toten.
Dann ruckten die kühlen Augen zu den beiden Wissenschaftlern. Kein Muskel regte sich in dem
fremdartigen Gesicht des Mannes von FAR. Fan Kar Kont war ein Koloniallaktone. Braune und weiße
Streifen zogen sich über sein Gesicht. Die ZebraZeichnung gab den Zügen eine eigentümliche
Bewegung, die es schwer machte, die Formen in diesem Gesicht zu erfassen. Nur die dunklen
distanzierenden Augen boten einen festen Halt, aber es war schwer, diesen Blicken zu begegnen. »Was ist passiert?« fragte er kühl. Die Laktonen zuckten unmerklich zusammen. Ihre Augen richteten sich auf die Gestalt auf dem Antigravkissen. »Ihr Assistent brach einfach zusammen. Wir konnten nichts tun. Der Medo konnte sich offensichtlich nicht entscheiden. Er behauptete, Yho sei tot. Aber es scheint, daß das nicht ganz richtig ist!« Fan Kar Konts Blick fiel wie zufällig auf die Überwachungskamera, die den Gang kontrollierte. Er wußte, daß jedes seiner Worte registriert wurde, daß jede seiner Bewegungen erfaßt wurde, daß ein Zucken seiner Lippen ihn schon verraten konnte. Es war nicht leicht, den Triumph zu verbergen! Nie war er allein, wenn er in den Laboratorien war. Als Chefwissenschaftler genoß er das höchste Ansehen, aber gleichzeitig auch die geringste Freiheit. Kont trat auf den Reglosen zu. Seine Hand strich über das starre Gesicht. Die Zebrazeichnung seiner schlanken Hand hob sich scharf von der fahlen Haut ab. In diesem Augenblick faltete sich tiefer Schmerz um die Augen des Mannes, von dem der Roboter behauptete, er sei tot. Fan Kar Kont richtete sich scharf auf. »Lassen Sie den Medo kontrollieren! Er hat versagt!« ordnete er mit scharfer Stimme an. Er wandte sich abrupt ab und schritt auf den Ausgang zu. * Ohne sich um Rex Corda und den schmächtigen Bir Osgo zu kümmern, zerlegte Latak Decimo den Transmitter und versenkte ihn wieder in dem Koffer. »Wollen Sie uns nicht endlich sagen, wie es weitergeht?« fragte Bir Osgo heftig. Der kleine Laktone fuhr sich mit der linken Hand ungeschickt durch das Haar. Es machte ihn unsicher, daß Latak Decimo sich so wenig mit ihm beschäftigte. Der Synoptiker verschloß den Koffer und stellte ihn neben das Antigravlager, das in diesem Hotel als Bett diente. »Es bleibt alles so wie abgesprochen! Sie setzen sich mit Fan Kar Kont in Verbindung und bereiten den Abschluß der Aktion vor!« antwortete Decimo gleichgültig. »Alles Weitere ergibt sich!« Rex Corda nickte. Er sah sich flüchtig in dem Raum um. Er war nicht mit einem Hotelzimmer auf Terra zu vergleichen. Über dem Antigravlager wölbte sich der Holograf aus der Decke. Das Gerät war jetzt jedoch nicht eingeschaltet. Es mochte reinen Unterhaltungszwecken dienen. Die Frontwand des Zimmers bestand aus einem durchsichtigen Material, so daß Corda direkt in einen außerordentlich blumenreichen Park sehen konnte. Da Decimo sich so ungezwungen bewegte, vermutete Corda, daß die Scheiben von außen nicht zu durchsehen waren. Vor dem Fenster standen mehrere Polstersessel um einen kleinen Tisch. Bir Osgo war etwas vor Latak Decimo zurückgewichen. Corda lächelte verstohlen. Obwohl der Synoptiker Latak Decimo nicht sonderlich groß war für einen Laktonen, mußte Bir Osgo zu ihm aufsehen. Osgo haßte das. Dieser mit Minderwertigkeitskomplexen behaftete Mann haßte alles, was ihm bewußt machte, daß er mit 1,70 m dreißig Zentimeter unter den durchschnittlichen Körpergrößen der Laktonen lag. Wenn der Abstand größer war, brauchte er nicht so steil nach oben zu sehen. Corda sah das Gesicht des Organisationstechnikers von der Seite. Jetzt konnte er das Verdichtungsfeld erkennen, das bei Osgo als optische Hilfe für seine kurzsichtigen Augen diente. Durch die hochverdichtete Luft zeigten die Konturen der Nase leichte Verzerrungen. »Fan Kar Kont ist über Ihre Ankunft bereits informiert«, sagte Decimo, wobei er sich mehr zu Corda wandte als zu Bir Osgo. »Er erwartet Sie…« Bir Osgo richtete sich scharf auf. »Wie ist das möglich? Wir sind erst ein paar Augenblicke hier!« Latak Decimo lächelte hintergründig. Er drückte die Tastatur des Bedienungsautomaten auf dem Tisch. Fast im gleichen Augenblick schob sich ein großes Glas mit einer rötlichen Flüssigkeit aus dem Bedienungssockel. Decimo hielt es Osgo hin, der es nahm und mit vorsichtigen Schlucken trank. Seine
erregten Augen ließen den Synoptiker jedoch nicht frei. »Selbstverständlich ist unser Transmitter geortet worden, als wir ihn einschalteten. Das ist unvermeidlich. Fan Kar Kont und ich haben damit gerechnet, daß dabei ein Alarm in OR 228, der Forschungsstation Konts, ausgelöst wird. Kont hatte eine Möglichkeit, die Alarmanlage ein klein wenig zu beeinflussen. Er konnte sie auf die Individualfrequenz seines Assistenten Estrer Yho abstimmen!« »Das verstehe ich nicht ganz«, warf Rex Corda ruhig ein. »Wenn es einen Transmitteralarm in OR 228 gibt, dann bricht Estrer Yho bewußtlos zusammen. Das ist für Fan Kar Kont das Zeichen, daß wir angekommen sind!« »Ausgerechnet Yho!« murmelte Bir Osgo. »Ausgerechnet er!« »Haben Sie etwas gegen ihn?« fragte Decimo scharf. »Nichts«, beruhigte Osgo. »Nichts – er tut mir nur leid! Er verehrt seinen Chef wie einen Gott. Und jetzt muß er ihm ausgerechnet auf diese Weise Nachricht geben!« Bir Osgo trank jetzt etwas hastiger. »Die Abwehr wird ihn in die Mangel nehmen!« sagte er. »Das wird sie wirksam von uns ablenken, denn Yho ahnt von nichts!« »Diese Art der Benachrichtigung erscheint mir nicht besonders zuverlässig zu sein. Es kann viele Gründe dafür geben, daß Fan Kar Kont die Nachricht nicht erhält!« versetzte Rex Corda. Der Terraner hob fragend die Augenbrauen. »Oder ist das überhaupt die einzige Möglichkeit, Fan Kar Kont zu benachrichtigen?« »Es gibt keine andere!« bestätigte Latak Decimo. * Estrer Yho konnte diese kleinen schwarzen Augen zwischen den schmalen Lidern nicht mehr ertragen. Er fühlte die Unsicherheit, die ihn überfiel. Er haßte sie, denn er wußte, je weniger es ihm gelang, ihrer diesmal Herr zu werden, je weniger würde Hark Axthon ihm glauben. Axthon war nicht umsonst der Abwehroffizier der wichtigsten Forschungsstation auf Teckan! Axthon galt als ein Mann, der erbarmungslos jeden vernichtete, der gegen die Ordnung auf Teckan verstieß. Estrer Yho war verzweifelt. Niemand konnte wissen, daß er vorgehabt hatte, aus dieser Hölle zu entfliehen! Er hatte niemanden eingeweiht. Er hatte keine Notizen gemacht. Er hatte nirgendwo eine Spur seiner geheimen Tätigkeit hinterlassen. Niemand – nicht einmal Fan Kar Kont konnte wissen, was er plante. Dieser rätselhafte Zusammenbruch hätte nicht kommen dürfen. Dadurch lenkte er die Aufmerksamkeit des Geheimdienstes zu sehr auf sich. »Also?« lächelte Hark Axthon. »Was wollen Sie uns jetzt erzählen?« Yho fuhr zusammen. Diese Stimme, dieses Lächeln konnten so unerhört täuschen – wenn man die Agenten Axthons nicht beachtete. »Ich habe nichts zu berichten!« antwortete Yho kurz. »Ich hörte die Sirene. Mir wurde dunkel vor Augen. Dann muß ich wohl zusammengebrochen sein!« Hark Axthon knurrte unwillig. Seine Augenbrauen wanderten ärgerlich die Stirn hinauf. Der Offizier erhob sich und kam langsam zu Estrer Yho herüber. Er stellte sich hinter den Sessel, in dem der Assistent Fan Kar Konts saß. Yho fühlte, wie sein Nacken steif wurde. Schweiß brannte ihm in den Augenwinkeln. »Seltsam ist nur, daß Ihr Zusammenbruch auf die Sekunde genau mit einem Ortungsalarm zusammenfiel, Yho!« Der Wissenschaftler hob die Schultern. »Ich kann nichts dafür. Das muß ein Zufall sein.« Hark Axthon kannte den Assistenten und dessen Schwächen sehr genau. Er stützte seine Hände auf die Schultern Yhos und sprach mit einer Stimme auf ihn ein, die beruhigen sollte. »Sie kennen unsere Situation sehr genau, Yho! Sie wissen, wie sehr wir gegen die Orathonen zu kämpfen haben, sie wissen, wie gefährlich die Agenten Orathons sind. Es erfordert unseren ganzen Einsatz, ihre Arbeit unschädlich zu machen. Teckan ist eine Festung, die sich einem ständigen unsichtbaren Angriff ausgesetzt sieht.«
»Wozu erzählen Sie mir das? Ich kenne unsere Situation! Halten Sie mich für einen Agenten Orathons?« stieß Estrer Yho stockend aus. Seine Stimme bebte vor Zorn. »Natürlich nicht, Yho!« beruhigte Axthon ihn. Der Offizier belauerte den Assistenten. Er wartete auf Anzeichen der Schwäche, um sofort zuschlagen zu können. »Yho – ich will Ihnen gestehen, daß seit einiger Zeit seltsame Dinge auf Teckan geschehen! Ich weiß, daß eine Gefahr auf uns alle zukommt! Mit Ihnen ist etwas Rätselhaftes geschehen. Sagen Sie mir, was Sie zur Erklärung sagen können!« »Ich kann Ihnen nicht helfen!« Urplötzlich wechselte Hark Axthon seine Taktik. Seine Stimme wurde schneidend kalt. »Überlegen Sie!« schrie er. Seine Finger krampften sich so hart in die Schulter Yhos, daß dieser aufstöhnte. »Ich brach unmittelbar neben der Sirene zusammen!« keuchte Estrer Yho. »Lassen Sie mich diese untersuchen!« Der Griff lockerte sich. Hark Axthon lächelte. »Ich gebe Ihnen sechs Stunden Zeit, mein Freund!« * »Es kann durchaus sein, daß bald aufgedeckt wird, weshalb Estrer Yho zusammenbrach«, versetzte Latak Decimo scharf. »Wir dürfen keine Zeit mehr verlieren. Wir müssen den Transmitter herausbringen. Das können nur Sie schaffen. Auf Sie achtet niemand. Man wird nur diejenigen unter die Lupe nehmen, die in der letzten Zeit angekommen sind.« Bir Osgo ging zu dem Koffer und schaltete den Antigrav ein. Der Koffer hob sich und verharrte schwebend in der Luft neben Osgo. Der schmächtige Wissenschaftler legte seine Hand um den Griff. Er brauchte den Koffer nur zu lenken, das Kraftfeld trug ihn. Zusammen mit Rex Corda sprach er die nächsten Schritte durch. Dann trat er an den Teil des Raumes heran, der als Tür gekennzeichnet war. Das Kraftfeld, das überzeugend echt eine glatte Wand vortäuschte, brach zusammen. Osgo und Corda traten durch die Öffnung, ohne sich noch nach dem Synoptiker Latak Decimo umzusehen. Decimo aber sah dem kleinen Laktonen nach. Der Anblick, der sich ihm bot, ließ keine Zweifel an der Eignung Bir Osgos in ihm aufsteigen. Mit dem birnenförmigen Kopf, dem dünnen Hals, den hängenden schmalen Schultern und dem unsicheren Schritt bot Bir Osgo einen bejammernswerten Anblick. Latak Decimo preßte die Lippen fest zusammen und wandte sich ab. Starr sah er auf den Holografen. Bir Osgo blieb kurz stehen, um sich zu orientieren. Rex Corda tippte ihn leicht an, um ihn auf den weißhaarigen Laktonen aufmerksam zu machen, der unter einem wandhohen Holografen stand und die Szenerie einer Tropenlandschaft bewunderte. Das Kraftfeld zu seinem Salon ruhte. Rex Corda konnte in den Raum sehen. Er war leer. Osgo sah den Terraner zustimmend an. Latak Decimo hatte alles ihnen überlassen. Sie mußten das Hotel verlassen können, ohne sich in den elektronischen Sperren zu verfangen. Die Abwehr würde hier bald auftauchen. Das war unvermeidlich. Dann durfte kein Verdacht auf Latak Decimo fallen. Kurz entschlossen ging Bir Osgo auf den Weißhaarigen zu, der sich in diesem Augenblick zu seinem Salon zurückwandte. Osgo stand hinter ihm, als er den Durchgang erreichte. Seine Hand zuckte hoch. Die harten Finger prallten gegen die Nervenstränge seines Nackens. Der Laktone brach lautlos zusammen. Eine geschickte Bewegung Osgos beförderte ihn in den Salon. Hinter Osgo und Corda schloß sich das Kraftfeld. Der Wissenschaftler beugte sich über den Bewußtlosen. Seine Hände tasteten seinen Gürtel ab. Er hatte richtig vermutet. Im Gürtel steckte der CodeSchlüssel für einen Privatgleiter. Bir Osgo nahm ihn an sich. Dann fesselte er dem Alten die Hände auf den Rücken. Er wußte, daß das nicht viel half. Sobald der Weißhaarige erwachte, würde die Situation seinen Blutdruck schlagartig erhöhen. Gleichzeitig würden seine Nebennierenrinden Hormone ausschütten, um den Kreislauf zu stützen. Die Sensoren der Abwehrelektronik würden die Reaktionen erfassen, die Überwachungsholografen würden sich einschalten. Sekunden später würden Medo und Kampfroboter hier sein und den Alten befreien. Das war unvermeidlich. Und dennoch konnten sie einige Sekunden gewinnen, wenn sie den Alten behinderten.
Osgo nahm die Ausweissteckkarte an sich und verließ den Salon. Der Gang war leer.
»Kommen Sie!« flüsterte er Corda zu.
Sie ließen sich in den Liftschacht gleiten. Das Antigravitationsfeld trug sie nach oben. Auf dem
Gleiterdach stiegen die beiden Männer aus. Bir Osgo stieß die Identitätskarte des Weißhaarigen in den
Tastschlitz und schob einen hauchdünnen, weißen Draht über das Hologramm des Alten auf der Karte.
Die Elektronik surrte leise – und schaltete ab.
Osgo lachte leise.
»Die Abwehr wird sich vergeblich den Kopf zerbrechen, wie wir das geschafft haben. Bisher glaubte
man, diese Geräte seien absolut sicher!«
Er zog die Steckkarte mit dem Hologramm heraus, ließ den Draht in der Tasche verschwinden und
führte Corda in großer Eile zu einem der sechs Gleiter, die auf dem Parkdach standen. Der Code
Schlüssel sagte ihm sofort, welchen Gleiter er nehmen mußte.
Corda schwang sich auf den Sitz und half Osgo. Der Wissenschaftler stieß den Schlüssel in die
Automatik und startete. Er lehnte sich seufzend zurück.
»Wenn wir Glück haben, haben wir jetzt einen Vorsprung von vielleicht fünf bis sechs Minuten!« sagte
er zu Rex Corda. »Dann haben wir die Abwehr auf unseren Spuren!«
*
Der Abwehroffizier Hark Axthon sah dem jungen Assistenten Fan Kar Konts nach. Axthon war
überzeugt davon, daß er alles richtig gemacht hatte. Er ahnte, daß sich eine Gefahr über Teckan
herabsenkte. Es brodelte auf diesem Planeten der Wissenschaft. Die Wissenschaftler waren
unzufrieden. Obwohl sie unter extrem luxuriösen Bedingungen lebten, lehnten sie sich immer mehr
gegen die Überwachung auf.
»Vielleicht hätten wir etwas weniger Sorgen, wenn wir etwas weniger mißtrauisch wären!« sagte eine
helle Stimme hinter ihm.
Axthon fuhr blitzschnell herum. Zornig verengten sich seine Augen. Doch das Gesicht entspannte sich
sofort wieder, als er die junge Wissenschaftlerin sah, die lautlos eingetreten war. Ierra Kretan
musterte ihn aus dunklen Mandelaugen. Spöttisch kräuselte sich ihr Mund. Kretan war eine
hochbegabte Wissenschaftlerin, die zum engen Mitarbeiterstab des Chefwissenschaftlers Fan Kar
Kont gehörte.
»Was wissen Sie, Kretan?« fragte Axthon.
Sie hob die Schultern.
»Wenn Fan Kar Kont Verrat plant, dann läßt er es mich nicht wissen«, versetzte sie. »Ich weiß
ebensowenig wie Sie!«
Hark Axthon stand langsam auf. Sein strenger Mund lockerte sich etwas, als er dem dunkelhaarigen
Mädchen in die Augen sah.
»Wir müssen mehr erfahren, Ierra«, sagte er drängend. »Sie müssen es schaffen! Er vertraut Ihnen!
Versuchen Sie, etwas zu erfahren!«
»Offensichtlich vertraut er mir nicht genug!«
»Hat es etwas mit Orathon zu tun?« forschte er.
»Unmöglich!« fauchte sie empört. »Ich kenne niemanden, der die Orathonen mehr haßt als Fan Kar
Kont!«
Hark Axthon winkte ab.
»Achten Sie auch auf Estrer Yho. Er gefällt mir nicht besonders!«
*
Bir Osgo jagte den Gleiter mit der höchsten, erlaubten Geschwindigkeit über den duftenden
Blumenpark, der sich hinter dem Hotel erstreckte. Zwischen den farbenprächtigen Blumenbeeten
stolzierten zierliche Svizza, stolze Abkömmlinge einer hochentwickelten Insektenrasse.
Rex Corda lauschte auf das Summen des Holografen. Nur noch wenige Augenblicke, dann mußte der
Alarm kommen. Osgo landete den Gleiter auf einem kleinen Parkplatz, der von blaublühenden Büschen
umspannt wurde. Hastig wischte er die Instrumente ab, die er angefaßt hatte.
»Das hilft zwar nicht viel«, bemerkte er zu Corda. »Aber es dauert ein bißchen länger, bis sie mich
identifiziert haben. Bis dahin müssen wir untergetaucht sein!« »Sie glauben, daß man Sie so bald identifizieren kann?« Bir Osgo nickte. »In spätestens zwanzig Stunden weiß Hark Axthon, der für diesen Bezirk zuständige Sicherheitsoffizier, wer ich bin. Aber dann sollte unsere Aktion bereits beendet sein!« Er stieg aus. Corda folgte ihm. Osgo lenkte den Koffer neben sich her. Sie gingen zu dem Rollband hinüber, das unter dem Fluß hindurchführte. Niemand war im Augenblick zu sehen. Corda fühlte, daß die Kraft Teckans an ihm zerrte. Die Schwerkraft war nur geringfügig höher als auf der Erde, aber es war spürbar. Ganz in der Nähe marschierten zwei Bedienungsroboter vorbei. Sie sahen starr geradeaus und beachteten die beiden Männer nicht. Zwischen überschwenglich ausgestatteten Blumenbeeten erhoben sich phantastische Gewächse von rotbrauner Farbe mit ungemein farbenprächtigen Blüten. In zahlreichen zierlichen Sicherheitsbereichen bewegten sich exotische Tiere, die so verblüffend fremdartig in ihren Formen waren, daß Corda sich zwingen mußte, seine Aufmerksamkeit nur auf ihre Sicherheit zu lenken. »Achtung!« raunte Bir Osgo. »Jetzt kommt es darauf an!« Corda entdeckte die vier Kampfroboter und den Agenten, die urplötzlich zwischen den Blumenbüschen am anderen Ende des Rollbandes auftauchten. Sie erwarteten sie an der Öffnung des Tunnels, der unter dem Fluß hindurchführte. »Denken Sie daran!« flüsterte Osgo. »Sie dürfen Ihre Zähne nicht zeigen! Die weiße Farbe ihrer Zähne würde sofort auffallen!« Er lächelte. Seine Zähne waren rötlich – wie bei allen Laktonen! * Ierra Kretan fuhr sich mit der Zungenspitze langsam über ihre Lippen. »Ein Transmitter hat in Teck gearbeitet, nicht wahr?« fragte sie sinnend. Hark Axthon bestätigte ihre Frage. Sie sah ihn an. In ihren Augen blitzte es kurz auf. »Wie nun, wenn eine Massenflucht laktonischer Wissenschaftler vorbereitet wird?« sagte sie langsam. Hark Axthon zeigte durch nichts an, ob er überrascht war oder nicht. Kein Muskel zuckte in seinem kalten Gesicht. »Es gibt ein Schutzfeld, das verhindert, daß jemand mit einem Transmitter von Teckan flieht!« betonte er. »Es ist noch keinem geglückt, Teckan mit einem Transmitter zu verlassen, wenn wir es nicht wollten!« »Vergessen Sie nicht, daß Sie es mit Wissenschaftlern zu tun haben. Wenn eine Möglichkeit gefunden wurde, Transmissionen zu unterbinden, dann kann diese Behinderung auch wieder abgebaut werden!« Hark Axthon überlegte einen Augenblick. Scharf spannte sich die lederartige Haut über seinem Gesicht. Schließlich nickte er. Sein Blick suchte die Augen der Mathematikerin. »Sie haben vielleicht recht, Kretan. Wenn ich versuchte, die Möglichkeit einer Massenflucht von Teckan auszuschließen, dann nur deshalb, weil ich Angst davor habe!« Er wandte sich scharf ab und ging zu seinem Arbeitstisch zurück. Zögernd setzte er sich. »Finden Sie heraus, was Fan Kar Kont plant – wenn er etwas damit zu tun hat! Melden Sie es mir unverzüglich, wenn Sie etwas erfahren, aber verhindern Sie, daß Fan Kar Kont etwas merkt!« Ierra Kretan nickte. Sie verließ den Trakt der Abwehr und ließ sich von einem Gravitationsfeld nach unten tragen. Wenig später trat sie in die warme Sonne hinaus. Sie sah zu den flachen Gebäuden hinüber, die sich bis an den Rand des Zeitfeldes erstreckten. Niemand konnte diese Anlagen betreten, ohne die Zeitbarriere zu durchbrechen. Draußen – außerhalb der Forschungsstation – herrschte eine andere Zeit. Ierra Kretan wußte nicht, wie groß die Zeitspanne war, um die die Station innerhalb des Zeitfeldes versetzt war. Es konnte eine Sekunde sein, es konnten auch Jahre sein. Einen vollkommeneren Schutz gab es nicht. Ierra Kretan konnte sich deshalb auch nicht vorstellen, wie Fan Kar Kont fliehen wollte – wenn er das wollte. Bis jetzt war es nur möglich, Zeitbarrieren wie diese zu schaffen. Sie waren fest an den Platz
gebunden. Es war unmöglich, ihn zu verlassen, ohne in die Zeit überzugehen, die außerhalb der Station gültig war. Deshalb blieb eine »Zeitreise« auch völlig ausgeschlossen. Sie wünschte, sie könnte sich in die Zukunft versetzen, um zu erfahren, was die Wissenschaftler planten. Sie hätte sich einfach nur die Folgen der Unternehmung in der Zukunft angesehen, wäre in das Jetzt zurückgekehrt und hätte die Aktionen unterbunden. Sie schrak heftig zusammen, als sich eine gestreifte Hand auf ihren Arm legte und sie aus ihren irrealen Träumen holte. »So nachdenklich?« Sie blickte in das braungelb gestreifte Gesicht des Chefwissenschaftlers empor. Ein kalter Schauer fuhr ihr über den Rücken, als sie die Augen sah. Das gesamte Gesicht schien sich zu bewegen, zu schwanken. Es war, als ob die Streifen taumelten und schwirrten. Nur die Augen waren ruhig. Erschreckend ruhig. Ierra Kretan hatte für einen Augenblick die schreckliche Vorstellung, ihr Chef könne ihr bis in die Tiefe der Seele sehen. »Ich muß Sie um einen Gefallen bitten«, sagte Fan Kar Kont. Sie schluckte, bevor sie ihre Bereitschaft erklärte. »Kommen Sie«, sagte er. Ierra Kretan folgte dem gefährlichsten Gegner, den Hark Axthon und die Abwehr Teckans jemals gehabt hatten. Niemand verfügte über ein derart umfassendes Wissen wie Fan Kar Kont. Niemand wußte, was er noch in der Hinterhand hielt. Mit welcher Waffe würde Fan Kar Kont zurückschlagen, wenn Hark Axthon ihn behinderte? Plante er tatsächlich – Flucht? Ierra Kretan erschauerte. Sie wußte oder ahnte, daß in den nächsten Stunden entscheidende Wendungen in ihrem Leben eintreten würden. * Estrer Yho blieb unwillkürlich stehen, als er seinen Vorgesetzten Fan Kar Kont mit der Mathematikerin Ierra Kretan an seinem Laborfenster vorbeigehen sah. Er wunderte sich über den eigentümlich eckigen Gang der Wissenschaftlerin. Auch Fan Kar Kont machte einen gespannten Eindruck. Yho biß sich auf die Lippen. Er warf die Tabellen, an denen er lange gearbeitet hatte, auf einen Tisch und eilte aus dem Raum. Erst im letzten Augenblick sah er die beiden, Wissenschaftler im spiegelnden Bezug der Frontwand des Labors. Er erkannte trotz der Eile, daß die beiden sichtlich erschraken, als sie ihn bemerkten. Während das Kraftfeld des Ausgangs sich hinter ihm wieder errichtete, sah er zurück. Die beiden Kollegen starrten hinter ihm her. Niemals zuvor hatte er einen solchen eigentümlichen Gesichtsausdruck bei einem anderen Wissenschaftler gesehen. Er wußte nicht, was er von ihrem Verhalten denken sollte. Er hatte das Gefühl, daß sie über ihn gesprochen hatten. Er fühlte sich unsicher und zornig. Hastig eilte er weiter. Es war wie eine Flucht. Er fürchtete sich plötzlich davor, daß sie ihn ansprechen und in ihr Gespräch mit einbeziehen könnten. In aller Eile verließ er das Gebäude, ängstlich darauf bedacht, seine Unsicherheit nicht durch ungeschickte Bewegungen zu verraten. Er stürzte auf den Startraum hinaus. Ierra Kretan stieg gerade in einen schnellen Gleiter ein. Fan Kar Kont wandte sich ab und kam auf Yho zu. Ein Lächeln entspannte das gemusterte Gesicht. »Ich habe sie mit wichtigen Papieren nach OR 227 geschickt!« sagte er. Estrer Yho ließ die Schultern sinken. Sein leeres Gesicht bemühte sich, die Autorität anzunehmen, die für Fan Kar Kont keine Frage des Willens war. Die dunklen Augen kämpften um einen strengen, distanzierenden Blick, die weichen Falten in den Mundwinkeln strafften sich. Estrer Yho, der wie Kont eine Schußwaffe im Gürtel trug, obwohl sie hier völlig überflüssig war, straffte seine rote Hüftbluse. Dabei senkte er in gleicher Weise die rechte Schulter, wie es Fan Kar Kont zu tun pflegte. »Wie geht es Ihnen, Yho? Alles gut überstanden?« fragte Kont, auf den Zusammenbruch seines Assistenten anspielend.
Yho nickte krampfhaft.
Kont klopfte ihm grinsend auf die Schulter.
»Teufelskerl! Ich wäre nie auf den Gedanken gekommen, daß Sie den Mut haben könnten, dem
verdammten Hark Axthon so einen Streich zu spielen!«
Fan Kar Konts Lippen zuckten. Dann tobte ein brüllendes Gelächter über das gestreifte Gesicht.
Estrer Yho biß sich erst auf die Lippen. Er wollte erzählen, daß er die Sirene – vergeblich – untersucht
hatte. Doch er schaffte es nicht. Die Schmeichelei des Chefwissenschaftlers riß ihn mit. Er lachte
ebenfalls. Es sah etwas gezwungen aus. Doch Estrer Yho heimste zufrieden das unverdiente
Kompliment ein.
Plötzlich konnte er sich überhaupt nicht mehr vorstellen, daß Fan Kar Kont irgend etwas tun könnte,
ohne ihn zu informieren.
Seine Blicke glitten zu der Zeitblase hinüber, die als grauer Schleier die Station abtrennte. Ierra
Kretan schwebte mit ihrem Gleiter gerade durch die Barriere. Ein uniformierter Agent der Abwehr
schleuste sie in die Zeitebene hinüber, die draußen gültig war.
*
Rex Corda und Bir Osgo rollten auf dem Band auf den Agenten und die vier Kampfroboter zu. Beide
schwiegen. Sie durften keine Worte mehr wechseln, wenn sie nicht Verdacht erregen wollten. Es war
damit zu rechnen, daß die Roboter mit Spezialmikrophonen ausgerüstet waren, die ihre Stimmen aus
großer Entfernung aufnehmen konnten. Beide Männer trugen laktonische Strahler an den Hüften. Sie
waren bereit, sie einzusetzen, wenn es notwenig sein sollte.
Der Agent war ein kleiner Laktone mit runden Schultern. Er war noch kleiner als Bir Osgo, wie Corda
bemerkte, als die beiden Männer auf gleicher Höhe waren. Die Augen des Agenten waren leblos, doch
sie folgten den Bewegungen des Wissenschaftlers.
Unwillkürlich fiel der Blick Rex Cordas auf den kleinen Koffer, der den Transmitter enthielt. Niemals
zuvor war es gelungen, einen Transmitter in dieser Größe zu bauen. Das war ihre einzige Chance!
Als Bir Osgo merkte, daß er nicht einfach an dem Agenten vorbeigehen konnte, blieb er stehen. Der
Koffer schwankte leicht unter seiner Hand.
»Was gibt es? Können wir jetzt nicht einmal mehr in Ruhe Spazierengehen, ohne euch Bluthunde auf
den Fersen zu haben?« keifte er zornig.
Der Agent musterte Bir Osgo unerschüttert.
»Wir haben eine Transmission geortet!« erklärte er kühl.
»Das geht mich nichts an!« fauchte Osgo.
Corda bewunderte den Mut des kleinen Laktonen. Nichts war jetzt noch von seiner Unsicherheit
geblieben. Bir Osgo wußte genau, wo seine Chancen lagen, und nutzte sie kalt aus.
»Vielleicht geht Sie das doch etwas an«, versetzte der Abwehrmann ruhig. »Wir hätten gar zu gern
gewußt, wer hier einen Transmitter in Betrieb genommen hat!«
Bir Osgo sah erst Rex Corda an, der mit gleichgültiger Miene neben ihm stand und die Kampfroboter
musterte. Die Panzerplastkolosse regten sich jedoch nicht. Nur die flimmernden Abstrahlfelder ihrer
Strahler wiesen drohend darauf hin, daß sie einsatzbereit waren. Sie benötigten nur Bruchteile von
Sekunden, um ein Ziel zu fassen und es zu vernichten.
Bir Osgo grinste breit. Er griff den Koffer fester, hob ihn ein wenig hoch und zeigte ihn dem Agenten.
»Wenn’s weiter nichts ist, mein Freund«, spottete er. »Ich bin zwar nicht durch einen Transmitter
gesprungen, aber ich habe den Transmitter bei mir! Hier im Koffer!«
Der Agent zuckte zusammen. Die Lippen schlossen sich zu einem schmalen Spalt. Eine flammende Ader
kroch seine Stirn hinauf.
»Verschwinden Sie!« zischte er zornig.
Bir Osgo stellte sich verblüfft.
»Was?« staunte er. »Sie wollen den Koffer nicht einmal kontrollieren?«
Corda unterdrückte mühsam einen Impuls, mit dem er Bir Osgo unterbrechen, wollte. Seine Extrasinne
lauschten auf die Gefühle des Agenten. Eine Welle kalten Zornes brandete ihm entgegen. Der Laktone
beherrschte sich nur mühsam.
»Treiben Sie es nicht auf die Spitze!« warnte der Agent. »Sie wissen genau, daß ich Ihnen genügend Schwierigkeiten machen kann, um Ihnen das Leben zur Hölle…« Corda merkte, daß der Zeitpunkt nahte, an dem der Agent seine Rücksichtnahme vergessen würde. Er stieß Bir Osgo an und schob ihn weiter. Der Wissenschaftler zuckte mit den Schultern und ging an dem Agenten vorbei, der ihnen aus verengten Augen unsicher nachsah. Rex Corda, dessen durch eine Mutation verändertes Hirn für die Empfindungen anderer empfänglich war, bemerkte die wachsende Unsicherheit des Wächters. Jeden Augenblick erwartete er den Anruf. Was konnte der Agent schon falsch machen, wenn er den Koffer kontrollierte? Bir Osgo blieb vor einer Automattaxe stehen. Er ließ die Tür aufspringen und ließ Rex Corda zuerst einsteigen. Der kleine Koffer schwebte auf die hinteren Sitze. Die Tür knallte zu. Aus den Augenwinkeln heraus sah Corda, daß der Agent auf sie zukam. »Starten! Schnell! Nicht umsehen!« raunte er fast unhörbar. Doch Bir Osgo erfaßte sofort, um was es ging. Die Gravitationsmotoren der Taxe sprangen an. Steil jagte das Dienstfahrzeug nach oben, über die Spitzen der zarten Blumenbäume hinweg. Der Agent blieb einen Augenblick zögernd stehen, dann kehrte er zu seinen Kampfrobotern zurück. * Hark Axthon, der für den Bereich verantwortliche Sicherheitsoffizier, schlug die Hand krachend auf den Tisch. Scharf stieß er den Atem aus, bevor er aufsprang. Fan Kar Kont und sein Assistent Estrer Yho verschwanden auf dem Holografen, da sie den Bereich des Aufnahmesystems verlassen hatten. Axthon hatte alles gehört und alles gesehen. Er hatte beobachtet, wie Fan Kar Kont die Mathematikerin Ierra Kretan wegschickte, und wie er sich mit Estrer Yho über dessen Zusammenbruch unterhielt. Axthon sah den Agenten an, der in dem bequemen Sessel an seiner Seite saß. Die gespannte Haltung des Agenten verriet, unter welcher Erregung er stand. »Fan Kar Kont hatte nichts damit zu tun! Er glaubt tatsächlich, daß sein Assistent Yho uns mit dem vorgetäuschten Zusammenbruch zum Narren halten wollte!« »Und?« »Ich halte es für möglich, daß es so ist. Yho ist ein Schwächling. Er möchte so sein wie der von ihm verehrte Fan Kar Kont. Er versucht es auch, aber er wird es nie schaffen. Es ist durchaus möglich, daß er den Zwischenfall nur inszeniert hat, um Kont zu imponieren – oder Ierra Kretan!« Hark Axthon fuhr blitzschnell herum. »Was wollen Sie damit sagen?« zischte er. Seine stechenden Augen lohten in zorniger Erregung. »Meine Güte, weil er verliebt ist, Axthon!« versetzte der andere nachlässig. Er bemerkte, wie Axthon reagierte. Er sprang plötzlich auf. »Vielleicht aber hat auch Kont das alles in Szene gesetzt, um uns zu täuschen!« Hark Axthon zuckte wie unter einem elektrischen Schlag zusammen. Doch bevor er etwas sagen konnte, zerschlugen die aufheulenden Alarmsirenen seine Wut. Der Holograf, der allein der Verbindung mit der Abwehrzentrale auf Teckan vorbehalten war, flammte dröhnend auf. Der Kopf eines ungemein erregten Ortungsspezialisten formte sich aus dem zunächst noch flirrenden Hologramm. »Wir haben einen TerraJet erfaßt!« rief der Spezialist. »Er bewegt sich mit hoher Geschwindigkeit auf OR 229 zu. Er wird ihn zu einer Zeit erreichen, in der dort mit Planetenbomben experimentiert wird!« Mit überschnappender Stimme gab er die genauen Kursdaten und die Geschwindigkeit des Jets durch. Hark Axthon erbleichte. Unverzüglich blockierte er sämtliche manuelle Schaltungen für die Zeitfelder, die die einzelnen Forschungsstationen umspannten. Das bedeutete, daß keiner der Wissenschaftler nunmehr noch eine Station durch die Zeitschleusen betreten oder verlassen konnte. Die Aufsicht lag in den Händen der unbestechlichen Elektronik. Der Agent trat hinter den Offizier. »Was ist passiert, Axthon? Ich verstehe das alles nicht!« »Passen Sie doch auf!« brüllte der Offizier. »Dann begreifen Sie das auch!«
»Verzeihung, Axthon! Ich bin erst seit zwei Tagen von der Patrouille von den Randbezirken zurück!« »Schon gut«, winkte Axthon nervös ab. »Der TerraJet ist eine Neuentwicklung, die auf dem Planeten Terra erstmals im Kampf gegen die Orathonen erprobt wurde. Mit glänzendem Erfolg. Es handelt sich um ein Düsenfahrzeug, das durch feste Materie fliegen kann – Sie erleben es gerade! Das Ding fliegt quer durch Teckan!« »Das klingt unwahrscheinlich!« »Ist es aber nicht. Mit speziellen Projektoren gelingt es, jegliche Materie so schnell zu vergasen, daß das Gas in Düsenmotoren gesaugt werden kann. Es funktioniert. Der TerraJet wandert in einer von ihm selbst erzeugten Gasblase durch den Planeten!« »Terra?« dehnte der Agent. »Ist das nicht jener Planet, in dessen Nähe die letzte große Schlacht mit den Orathonen ausgetragen wurde?« »Ja, ja«, knurrte Hark Axthon unwillig. »Ein völlig unwichtiger Planet am Rande der Galaxis.« »Die einzige Bedeutung dieses Planeten ist wohl, daß er dem Jet den Namen gab, eh?« grinste der Agent. Hark Axthon grinste ebenfalls. Aber bei ihm sah das etwas gezwungen aus. Der Offizier hatte im Augenblick viel zu viel Sorgen, um sich amüsieren zu können. »Und wie ist das mit der Zeit?« forschte der Agent weiter. »Das habe ich nicht ganz verstanden!« »Es ist ganz einfach. Jede Station wird kugelförmig von einem Zeitfeld umspannt. Das Feld ist nur an einigen bestimmten Stellen beeinflußbar, damit wir es jederzeit verlassen und betreten können. Elektronische Sperren verhindern jedoch, daß es an anderen Stellen verändert wird. Der TerraJet wird jetzt mit einem Zeitfeld in Berührung kommen, das ihn um einige Jahre in die Vergangenheit schleudern kann. Wenn es das wirklich macht, dann könnte der TerraJet jene SuperBombe zur Entzündung bringen, die wir PlanetenBomben getauft haben. Sie wissen, die Experimente wurden aufgegeben, weil die Bomben in ihrer Wirkung gegen die ›Großen Gesetze‹ verstoßen!« Jetzt erbleichte auch der Agent. »Und wie kann man den TerraJet aufhalten?« »Noch weiß ich es nicht!« flüsterte Hark Axthon! Der Agent biß sich auf die Lippen. »Glauben Sie, daß Fan Kar Kont etwas damit zu tun hat?« Axthon fuhr herum. Er starrte den Agenten an. Blitzschnell schaltete er an einem kleineren Holografen. Sekunden später erschien Fan Kar Kont auf dem Bild. Er hatte eine Wandplatte in seinem Labor entfernt. Dahinter war eine Schalttafel zu sehen, an der Kont arbeitete. »Verhaften Sie ihn!« befahl Axthon mit schneidender Stimme. »Und verhindern Sie weitere Schaltungen!« * »Ich glaube, wir haben Glück gehabt!« sagte Corda. Er zeigte über seine Schulter zurück. Hinter ihnen war kein Abwehrfahrzeug zu sehen. Über den üppig blühenden Parkanlagen schwebten nur einige Privatfahrzeuge. »Deshalb haben wir trotzdem keine Zeit zu verlieren«, winkte Bir Osgo ab. »Der Posten gibt mit Sicherheit einen Bericht. Die Abwehr wird Latak Decimo nichts nachweisen können. Also wird man die Leute überprüfen, die die Sperre passieren konnten. Dazu gehören wir!« Osgo zeigte auf das versiegelte Schaltpult der Taxe. »Die Bordelektronik untersucht uns. Es wird nicht mehr lange dauern, bis sie sich mit der zentralen Überwachung von Teckan in Verbindung setzt. Dann hat die Abwehr bald heraus, wer wir sind – wenn wir nicht eingreifen!« Während er sprach, begann er schon damit, die Deckplatten an der Seite der Elektronik zu lösen. Er erklärte, was er unternahm, um zu verhindern, daß ein vorzeitiger Alarm gegeben wurde. Rex Corda beobachtete währenddessen das Gebiet, das sie überflogen. Es war ein einziger unglaublich schöner Park, der unter ihnen blühte. Die Laktonen hatten alles getan, um diesen Planeten zu verschönern. Das alles hatte nur den einen Zweck, den Käfig zu vergolden, in dem die laktonischen Wissenschaftler gefangen waren. Bir Osgo trennte den Impulsgeber der Elektronik ab und prüfte hastig nach, ob bereits ein
Alarmzeichen abgestrahlt worden war. Erleichtert atmete er auf, um dann auf manuelle Steuerung
umzuschalten. Er lenkte das Taxi in südliche Richtung.
Knapp zehn Minuten später hatten sie die kleine Felsengruppe am Hang des Bergrückens erreicht. Bir
Osgo schaltete die in dem Transmitterkoffer enthaltenen Kontrollinstrumente ein und registrierte
befriedigt, daß es hier keine Spionaugen gab.
Zusammen mit Corda verließ er den Gleiter. Er zeigte in das Tal hinab.
»Dort unten liegen die Forschungslaboratorien von OR 228, in denen Fan Kar Kont arbeitet. Der
dunstige Schleier, der über der Station steht, ist das Zeitfeld!«
»Man kann hindurchsehen!« bemerkte Corda.
Bir Osgo lachte leise.
»Ja – aber niemand weiß, wann das so aussieht oder so aussah, was wir jetzt sehen. Vielleicht sahen die
Gebäude vor fünf Jahren so aus, vielleicht sehen sie erst in zwei Jahren so aus.«
»Niemand weiß das?«
»Nur sehr wenige Abwehragenten sind informiert. Sonst niemand!« nickte Osgo.
Sie fuhren heftig herum, als sich jemand hinter ihnen räusperte.
Chefwissenschaftler Fan Kar Kont trat hinter einem massigen Felsbrocken hervor. Fasziniert sah
Corda auf die Tigerhand, die schwer auf dem Kolben seines Hüftstrahlers lag. Die kalten Augen in dem
gestreiften Gesicht starrten sie zornig an.
Das Bild verschwamm etwas vor den Augen Bir Osgos. Der Organisationstechniker kniff die Augen
zusammen. Er ärgerte sich darüber, daß er seine Brille nicht schon längst nachjustiert hatte. Es wäre
ohne Schwierigkeiten zu bewältigen gewesen. Er brauchte nur die Kraftfeldprojektoren nachzustellen,
die die Luftverdichtung vor seinen Augen erzeugten. Optische Helfer dieser Art mußten sehr genau
eingestellt werden, wenn sie zufriedenstellend funktionieren sollten. Bir Osgo zerbiß einen Fluch auf
den Lippen. Der komplexbehaftete Mann trat einige Schritte vor, um Fan Kar Kont genauer sehen zu
können.
Rex Corda beobachtete die beiden Männer genau. Die Unsicherheit des kleinen Laktonen fiel ihm
besonders auf. Das von dunklen Streifen überzogene Gesicht Fan Kar Konts betonte dessen
Fremdartigkeit ungemein. Rex Corda konnte ein Gefühl der Unwirklichkeit nicht ganz unterdrücken,
zumal es ihm nicht gelang, Kontakt mit der Gefühlssphäre Fan Kar Konts zu bekommen.
»Sie kommen sehr spät!« sagte der Gestreifte.
»Es ging nicht schneller! Ich bin froh, daß wir es überhaupt geschafft haben!«
»Schon gut!« Der Chefwissenschaftler winkte ärgerlich ab. Er verschränkte die Arme vor der Brust. »
Fliegen Sie jetzt sofort zum KatSee. Dort ist das Haus von Hent Marat. Sie kennen es. Landen Sie auf
dem Parkdach. Warten Sie alles Weitere ab. Marat wird Ihnen weiterhelfen.«
Bir Osgo wischte sich mit dem Handrücken über den Mund. Unsicher sah er auf den
Chefwissenschaftler. Er hätte gern noch Fragen gestellt, aber er wagte es nicht. Die dunklen kalten
Augen Fan Kar Konts sahen durch ihn hindurch, als wäre er nicht vorhanden.
»Gehen Sie jetzt!« befahl Kont scharf.
Bir Osgo, der sich schon abgewandt hatte, blieb verblüfft stehen. Er sah zurück. Fan Kar Kont stand
noch immer an der gleichen Stelle, die Augen auf Rex Corda gerichtet.
Der Terraner bückte sich. Er nahm einen faustgroßen Stein auf und warf ihn mit leichtem Schwung auf
Fan Kar Kont.
Der Chefwissenschaftler hätte mühelos ausweichen können – aber er tat es nicht.
Der Stein flog mitten durch die Stirn Fan Kar Konts. Das Streifenmuster teilte sich und ließ den Stein
durch.
*
Fan Kar Kont ließ die Arme fallen, als Estrer Yho, sein Assistent, durch die Türöffnung hereinstürzte.
Mit ihm kam das Schrillen der Alarmsirene.
»Sie haben die Zeitsperre geblockt!« rief Yho. »Kont – was hat das zu bedeuten?«
Fan Kar Kont fuhr herum. Für einen Augenblick versteinerte sein Gesicht. Er stand langsam auf. Seine
Haltung, seine Bewegungen drückten höchste Spannung aus.
»Ich fürchte, das werden Sie nicht verstehen, Yho!«
Mit weiten Schritten eilte er auf das Kraftfeld zu, das ihn von seinen Privaträumen neben dem Labor
trennte. Doch in diesem Augenblick erschienen zwei Agenten der Abwehr. Sie trugen schwarze enge
Kampfkombinationen. In ihren Händen blinkten schwere Strahlwaffen.
»Bleiben Sie stehen, Kont!«
Der Chefwissenschaftler drehte sich langsam um. Kühl musterte er die beiden Agenten. Sie trugen
blanke Schutzhelme, in denen Kraftfeldprojektoren eingebaut waren. Es war unmöglich, sie jetzt mit
Schußwaffen zu verletzen.
»Darf ich fragen, was das zu bedeuten hat?«
»Sie sind verhaftet, Fan Kar Kont. Ich habe nur den Auftrag, Sie zu verhaften. Fragen kann ich nicht
beantworten, weil ich die Antworten nicht kenne«, antwortete der Größere der beiden Agenten, ein
Mann mit weit ausladenden Schultern und mächtigen Händen, in denen die tödliche Strahlwaffe fast
verschwand.
Fan Kar Kont seufzte.
»Ich wußte, daß Hark Axthon sein Narrenspiel eines Tages auf die Spitze treiben würde! Yho – tun Sie
mir einen Gefallen?«
»Sicher«, antwortete der Assistent hastig.
Kont grinste. Die Streifen in seinem Gesicht tanzten.
»Drücken Sie den grünen Knopf auf der Schalttafel!«
»Das werden Sie unterlassen, Yho!« brüllte der Große.
Estrer Yho reagierte mit ungewohnter Schnelligkeit. Sein Finger zuckte auf den Knopf herab. Doch
nichts geschah. Die Waffen der Agenten fuhren zu ihm herum, doch sie schossen nicht.
»Danke«, lächelte Fan Kar Kont.
Er drehte sich gelassen um und ging auf die Tür zu, die zu seinen Privaträumen führte. Als das
tarnende Kraftfeld zusammenbrach, feuerten die beiden Agenten auf den Chefwissenschaftler.
Die tödlichen Strahlen schossen fauchend aus den schweren Waffen.
*
Bir Osgo lachte leise, als er bemerkte, daß der Stein durch den gestreiften Kopf Fan Kar Konts
hindurchflog.
»Sie haben es entdeckt, Corda! Eine Projektion! Ich begreife kaum, daß ich mich so täuschen lassen
konnte!«
Er ging auf den Chefwissenschaftler zu und drückte ihm die Hand quer durch die Brust. Er stieß auf
keinen Widerstand.
Bir Osgo zog die Hand zurück und ging dann um den Chefwissenschaftler herum. Fan Kar Kont regte
sich nicht. Starr sah er in die Ferne.
Suchend blickte der Wissenschaftler sich um. Es dauerte einige Augenblicke, bis er gefunden hatte,
was er suchte. Rex Corda beobachtete ihn. Als Osgo zu einem kleinen Felsen hinüberging, trat er auf
ihn zu.
»Osgo – die Zeit brennt uns auf den Nägeln«, sagte er. »Können wir es uns erlauben, hier nach dem
Projektor zu suchen?«
Bir Osgo drückte den Stein zur Seite. Darunter lag ein kleiner schwarzer Kasten. Osgo drückte eine
kleine Taste herunter – und Fan Kar Kont verschwand. Er drückte die Taste abermals, und der
Chefwissenschaftler stand wieder an dem gleichen Punkt wie zuvor.
Bir Osgo richtete sich auf.
»Jetzt möchte ich wissen, ob Fan Kar Kont nicht gekommen ist, weil ihm das Risiko zu hoch erschien,
oder ob er nicht kam, weil er nicht konnte«, versetzte er langsam.
»Sie halten es für möglich, daß die Abwehr uns eine Falle stellte?«
Osgo hob die Schultern.
»Warten Sie einen Augenblick!«
Er kehrte an die Stelle zurück, an der er zuerst gestanden hatte, als Fan Kar Kont hinter dem Felsen
hervortrat, als also der Projektor den Betrieb aufnahm. Sehr schnell entdeckte er das raffiniert
angelegte, elektronische System unter dem Felsgeröll, mit dem er identifiziert worden war.
»Sehen Sie sich das an, Corda!« sagte er nachdenklich. »Mit Hilfe dieser Sensoren bin ich identifiziert
worden. Fan Kar Kont wußte, daß ich kommen würde. Niemand sonst konnte den Projektor aktivieren.
Wäre jemand anders erschienen, hätte der Projektor die gesamte Anlage und schließlich auch sich
selbst zerstört. Was halten Sie davon?«
Skeptisch sah er Corda an.
»Es ist fraglich, ob Fan Kar Kont das System tatsächlich selbst angelegt hat. Es kann auch eine Falle
sein, die die Abwehr uns gestellt hat«, überlegte Corda. »Aber wir haben keine Wahl. Wir werden zu
dem See fliegen. Wir müssen das Risiko auf uns nehmen. Kommen Sie!«
Rex Corda beobachtete den kleinen Wissenschaftler genau. Als Bir Osgo den Gleiter startete, sah
Corda, daß Osgos Fingerspitzen merklich bebten.
*
Ein Orkan unvorstellbaren Ausmaßes tobte durch die Laboratorien. Er packte die beiden Agenten mit
seiner titanenhaften Gewalt und warf sie aus dem Labor Fan Kar Konts, während die glutenden
Hitzestrahlen aus ihren Handfeuerwaffen brüllend an einem unsichtbaren Kraftschirm zerplatzten.
Die Hitze schweißte die Stoffe der Kombinationen an die Körper der Agenten. Nur die augenblicklich
reagierenden Löschvorrichtungen retteten die Agenten vor dem Tode. Sie überschütteten die Männer
mit eisigem Schaum, der die Glut auf ihrer Haut erstickte.
Estrer Yho brachte keinen Laut heraus, als er sah, was sich dicht vor seinen Augen abspielte. Das
Kraftfeld trennte ihn von den turbulenten Ereignissen. Er verspürte nur einen harmlosen Lufthauch.
Fassungslos starrte er auf den offenen Rahmen, durch den der Chefwissenschaftler verschwunden
war. Und plötzlich begriff er, wie unhaltbar seine eigene Situation geworden war. Er jagte Fan Kar
Kont nach.
Er sah seinen Vorgesetzten gerade noch in einem anderen Labor verschwinden. Mit weiten Sprüngen
hetzte er über den breiten Gang und stürzte sich durch die Öffnung.
Fan Kar Kont und vier Wissenschaftler wirbelten herum, als er hereinkam. Vier Strahler richteten sich
auf ihn.
»Hier ist kein Kindergarten, Yho!« spottete einer der vier. Es war ein riesenhafter Laktone mit
tiefschwarzen Augen und zynischen Lippen. Er schob den Strahler in seinen Gürtel zurück und wendete
sich ab. »Verschwinden Sie, Yho, ehe es hier wirklich turbulent zugeht.«
»Kont!« keuchte der Assistent. »Sie können mich nicht zurücklassen!«
Dicht unter der Decke, über dem Kopf Yhos, klappte ein Schott herunter. Ein Holograf flammte auf.
Das wutverzerrte Gesicht Hark Axthons stieß gegen sie vor.
»Kont! Schalten Sie sofort das Kraftfeld ab!«
Fan Kar Kont hob seine getigerte Hand. Ohne das Gesicht zu verziehen, schoß er einen nadelfeinen
Glutstrahl auf den Holografen ab. Die Befehle Axthons endeten in einer dumpfen Explosion.
Kont schnellte sich zu der Ecke des Raumes hinüber, die dem Eingang genau gegenüber lag. Der Boden
brach auseinander. Estrer Yho erkannte ein quadratisches Loch, das eben groß genug war, einen
erwachsenen Mann durchzulassen.
»Kont!« schrie er.
Der Chefwissenschaftler drehte sich langsam um, während die anderen Laktonen bereits in der
Öffnung verschwanden.
»Gehen Sie, Yho! Hier ist kein Platz für Sie!«
Estrer Yho taumelte zurück. Alle Farbe wich aus seinem Gesicht. Seine schlaffen Lippen zuckten. Er
konnte und wollte nicht glauben, was der von ihm vergötterte Chefwissenschaftler gesagt hatte.
»Sie wollen mich wirklich zurücklassen, Kont?« fragte er. Seine Stimme wurde zunehmend ruhiger.
Kont kam auf seinen Assistenten zu. Er legte ihm die gestreiften Hände schwer auf die Schultern.
»Sie halten das nicht durch, mein Junge! Finden Sie zu sich selbst, nur dann kommen Sie weiter!«
Yho packte Kont, als dieser sich umdrehte, und riß ihn zurück.
»Wissen Sie, daß ich seit drei Jahren meine Flucht aus dieser Hölle plane?« sagte er heftig. »Wissen
Sie, daß ich keinen Tag länger hierbleiben will, ob ich mit Ihnen gehen kann oder nicht? Ich habe lange
genug versucht, Kontakt mit der Organisation zu bekommen, über deren Existenz ich ziemlich gut informiert bin. Ich bekam keinen Kontakt! Ich werde es auf eigene Faust versuchen, wenn ich mich Ihnen nicht anschließen darf!« »Sie schaffen es nie allein!« »Das wird sich zeigen!« fauchte Yho kampfeslustig. »Warten Sie einen Augenblick!« »Wir haben keine Zeit mehr!« »So lange haben wir noch Zeit!« Yho sprang auf den Gang zurück. Kont sah ihn drei, vier Schritte gehen, dann riß Yho die Wand des Ganges auf. Nichts hatte darauf hingewiesen, daß sich hier ein Versteck verbarg. Die Hände Yhos stießen in den Hohlraum und kehrten mit einem Helm zurück. Yho stülpte ihn sich über den Kopf und trat dann auf Kont zu. »Was soll das?« fragte Kont. In diesem Augenblick brach der hintere Teil des Ganges krachend zusammen. Staub, Schmutz und Hitze wälzten sich heran. Die dunklen Gestalten einiger Abwehragenten sprangen aus dem Dunst. Kont riß Yho mit sich. Er stieß seinen Assistenten in die Bodenöffnung und sprang ihm nach. Im gleichen Augenblick donnerten über ihnen die ersten Strahlschüsse durch das Labor. * Hark Axthon trieb seine Agenten erbarmungslos voran. »Keine Rücksichtnahme mehr!« schrie er, während die ersten Strahlenschüsse schon durch die Laboratorien peitschten. Axthon stand unter unerhörtem Zeitdruck. Er hatte das Gefühl, daß die sorgfältig zementierte Ordnung auf Teckan mit unaufhaltsamer Gewalt eingerammt wurde. Der geortete TerraJet bohrte sich mit ständig steigender Fahrt auf die Nachbarstation OR 229 zu. Noch hatte niemand eine Möglichkeit gefunden, das Fahrzeug aufzuhalten. Auf einen scharfen Befehl Axthons stellten die Agenten das Feuer ein. Heiße Luft fauchte ihnen entgegen. Axthon zerschmetterte eine Transparentscheibe. Die brennende Hitze linderte sich rasch. Der Rauch verzog sich. Hark Axthon drückte zwei Agenten mit seinem Strahler zur Seite und stieg an ihnen vorbei über die herabgebrochenen Trümmer. Mit dem Strahler stieß er immer wieder nach vorn, um ein Sperrfeld rechtzeitig erkennen zu können. Aber es gab kein Kraftfeld mehr, das wie eine unsichtbare Mauer in ihrem Weg stand. Hark Axthon hustete heftig. Er verengte die Augen, um durch den wirbelnden Schmutz sehen zu können. Nur langsam klärte sich das Bild. Die halbe Wand zu dem Labor, in dem Fan Kar Kont verschwunden war, war zusammengebrochen. Die Trümmer bedeckten den Boden. Schwelende Glut kroch aus den Hartplastikbrocken hervor. Hark Axthon schob sich vorsichtig an den scharfen Splittern vorbei ins Labor hinein. Für einen Augenblick glaubte er, eine Bewegung in dem wirbelnden Staub zu erkennen. Er ließ sich gedankenschnell fallen. Doch nichts geschah. Niemand feuerte auf ihn. Axthon konnte nicht bis in den hintersten Winkel des Raumes sehen. Er hörte kratzende Geräusche und schob sich langsam vor. Er wußte, daß jede Sekunde, die er verschenkte, die Vorteile der Wissenschaftler erhöhte. Doch er wollte kein Risiko eingehen. Erst als er die Öffnung am Boden deutlich ausmachte, sprang er auf. Einige scharfe Befehle brachten die anderen Agenten an seine Seite. Er leuchtete mit einer kleinen Lampe in den Raum unter dem Loch hinab. Das Licht holte nichts aus der Dunkelheit als ein paar staubige Fußspuren auf grauweißem Kunststoffboden. Die Spuren zeigten nach rechts in die Richtung des Zeitschirmes! Hark Axthon schüttelte beunruhigt den Kopf. »Das kann doch nicht angehen!« murmelte er. »Die Verräter haben keine Chance! Auch Fan Kar Kont weiß nicht, wie der Zeitschirm neutralisiert werden kann!« Er schickte einen Agenten in das Loch hinab und ließ es ausleuchten. »Hier ist ein Gang«, berichtete der Laktone. »Er führt genau auf den Zeitschirm zu!« Der Agent machte zwei, drei Schritte in den Gang hinein, wirbelte dann jedoch sofort herum und
schnellte sich aus dem Loch. Im gleichen Augenblick zischten wütend brodelnde Flammen aus dem Gang. Sie schossen in grellen Stichflammen zu Hark Axthon empor, der sich mit einem blitzschnellen Sprung in Sicherheit brachte. Axthon riß die Katastrophenautomatik auf und entnahm ihr einen faustgroßen Kasten. Er drückte einen kleinen Knopf auf der Oberseite des Kastens und schleuderte ihn dann mitten in das Feuer. »Wenn ihr noch darin seid, dann wird euch das den Rest geben!« knurrte er zornig. In der gleichen Sekunde gab es einen dumpfen Knall. Die Brandautomatik platzte und band augenblicklich sämtlichen Sauerstoff innerhalb des Tunnels an sich. Schlagartig brach das Feuer zusammen. Nur sehr, sehr langsam glitt sauerstoffreiche Luft in den Tunnel. »Wenn da noch jemand drin war, Axthon, dann ist es mit ihm vorbei!« bemerkte einer der Agenten. Hark Axthon antwortete nicht. Er wußte, was er getan hatte. Aus seiner Sicht konnte er auch nicht anders handeln. Er war für die Sicherheit des Bezirks verantwortlich. Zu seinen Aufgaben gehörte aber auch, zu verhindern, daß einer der Wissenschaftler zur Gefahr für Lakton wurde. Wenn er das mit einer einfachen Brandautomatik verhindert hatte, dann war alles gut. Er wartete einige Minuten ab und stieg dann in das Loch. Die Agenten kamen nach und leuchteten den Gang aus. »Die Leute Fan Kar Konts haben ihn trotz aller Sicherheitsmaßnahmen heimlich bauen können«, bemerkte Axthon. »Wir werden sehr bald wissen, wer dafür verantwortlich ist, daß so etwas möglich war. Irgend jemand wird keine besonders angenehmen Tage vor sich haben!« Die Agenten hinter ihm sahen sich beunruhigt an. Ihre Blicke glitten zu Hark Axthon zurück. Sie wußten nur zu gut, daß der Offizier jetzt seine ungemütlichsten Stunden durchmachte. Wenn es Fan Kar Kont wirklich gelang, aus OR 228 zu fliehen, dann hatte Axthon nichts mehr zu lachen. Axthon wußte das. Deshalb dachte er auch nicht daran, ein Risiko bei der Verfolgung einzugehen. Er bekämpfte Fan Kar Kont und seine Helfer jetzt nach der Devise, daß ein tödlich verunglückter Fan Kar Kont weniger schädlich war als ein entkommener. Die Agenten kannten den Offizer gut genug. Sie wußten, daß Axthon jetzt keine Fragen mehr stellte. Er schlug nur noch zu, um damit die Ruhe wiederherzustellen. Plötzlich blieb Hark Axthon fluchend stehen. Er prallte gegen ein unsichtbares Hindernis, das den Gang überspannte. Die Agenten rückten auf. Sie leuchteten mit den Lampen durch das Kraftfeld, hindurch. Das Licht verfing sich in dem grauen Zeitschirm, der wenige Schritte weiter den Gang verschloß. Von Fan Kar Kont, Estrer Yho und den anderen Wissenschaftlern war keine Spur mehr zu entdecken. * »Dort müßten wir die anderen Wissenschaftler treffen«, sagte Bir Osgo. Der schmächtige Laktone zeigte mit unruhiger Hand auf den KatSee, der sich wie eine riesige blaue Niere um ein langgestrecktes Gebäude legte. Das weiße Haus verbarg sich zur Hälfte unter üppig blühenden Zierpflanzen. Auf dem Dach standen mehrere Gleiter. »Das ist also das Haus von Hent Marat«, sagte Corda. »Dann ist das der KatSee! Landen Sie, Osgo! Wir müssen es wagen!« Bir Osgo sah den Terraner kurz an. Er umspannte das spitze Kinn mit der Hand. »Wissen Sie, was die mit uns machen, wenn wir in eine Falle laufen?« Rex Corda winkte unwillig ab. »Es hat keinen Zweck, darüber zu reden. Landen Sie!« Der Laktone beugte sich langsam vor. Seine Zungenspitze fuhr unruhig über die Lippen. Dann zwangen seine Finger den TaxiGleiter auf das Dach hinunter. Das Fahrzeug kam neben einem anderen Gleiter zum Stehen. »Der Gleiter gehört zur Station OR 228! Das ist die Station in der Fan Kar Kont arbeitet. Wenn wir Glück haben, ist er schon hier!« »Ich weiß nicht, ob wir das wirklich als Glück bezeichnen können!« lächelte Corda hintergründig. Er stieß die Tür auf und stieg aus. Wenige Schritte von ihm entfernt glitt eine Bodenplatte zur Seite. Ein weißhaariger korpulenter Laktone schwebte auf das Dach herauf. Er kratzte sich mit kurzen dicken
Fingern unter der Nase und kam mit schweren dröhnenden Schritten auf Corda zu.
»Das ist Hent Marat«, sagte Bir Osgo. »Er ist ein Genie. Ein Biochemiker ersten Ranges!«
Er ging auf den weißhaarigen Riesen zu, der ihn um mehr als zwei Kopflängen überragte.
»Ich bin Bir Osgo. Kont schickt mich!«
Der Biochemiker legte Osgo seine fleischigen Pranken auf die schmalen Schultern und starrte ihn
schmunzelnd an.
»Du bist ja richtig groß geworden, Kleiner!« grinste er.
Osgo fuhr heftig zusammen. Marat ließ keine weitere Reaktion zu. Er wußte, daß er Osgo empfindlich
getroffen hatte, nahm das aber nicht so wichtig.
»Wer ist das, Osgo?«
»Dieser Mann ist ein Terraner! Er kommt von einer der Randwelten der Galaxis und bietet unserer
Organisation Freiheit an!«
Hent Marat schob die Daumen in seinen Hosenbund und musterte Rex Corda ausgiebig. Er schmunzelte
und wartete darauf, daß Corda seinem Blick auswich. Doch der Terraner hielt seinen Blick. Corda
lächelte und starrte dem fetten Laktonen fest in die Augen. Er spürte nur zu deutlich, wie Marat sich
amüsierte. Er konzentrierte sich voll auf die Emotionen Hent Marats. Daher merkte er viel früher als
Bir Osgo, daß alles in Ordnung war. Marat faßte Vertrauen zu ihm.
»Kommen Sie«, sagte er schließlich. Er wuchtete ächzend herum und wollte zu der Öffnung
zurückgehen. Doch er ging nicht. Er blieb wie angewurzelt stehen.
Von allen unbemerkt war Ierra Kretan herangetreten. Sie mußte alles gehört haben, was sie gesagt
hatten. Jetzt bemerkte Rex Corda auch, wie erregt die Laktonin war.
Hent Marat lachte dunkel.
»Das ist Ierra Kretan«, machte er bekannt, »Ierra ist Mathematikerin!«
Sie grüßte Corda durch ein leichtes Neigen ihres Kopfes. Ihre dunklen Augen hingen an seinem Gesicht.
Ihre Erregung ließ nicht nach.
»Kommen Sie mit herunter, Ierra! Wir haben viel zu besprechen!« sagte Marat.
Sie zögerte. Fieberhaft arbeiteten die Gedanken unter ihrer gekrausten Stirn. Sie bemerkte die
wachen Blicke aus den Augen des Terraners.
»Ich wollte nur noch eine Kleinigkeit erledigen«, erklärte sie langsam. »Ist die Besprechung sehr
wichtig?«
Sie machte Anstalten, auf einen der Gleiter zuzugehen.
Hent Marat zögerte. Fragend sah er Bir Osgo an. Der schmächtige Laktone schlug seine Hände nervös
hinter dem Rücken zusammen. Seine Blicke wichen nicht von dem schönen Gesicht Ierra Kretans. Seine
Lippen zuckten, aber er brachte keine Worte heraus. Er schien noch nicht einmal gehört zu haben, was
Marat gesagt hatte.
»Ich denke, alles, was von jetzt an geschieht, ist so wichtig, daß alles andere zweitrangig ist«,
versetzte Rex Corda. Der elektronische Übersetzer auf seiner Brust übersetzte so schnell und so
flüssig, daß es der Mathematikerin und dem Alten gar nicht auffiel, daß Corda eine andere Sprache
sprach als sie selbst.
Die Augen Ierra Kretans blitzten hell auf.
»Soll das heißen, daß Sie Einspruch gegen eine Trennung erheben?« fragte sie mit betonter Schärfe.
»Genau das habe ich gemeint«, lächelte Corda gelassen. Er ging auf die quadratische Öffnung im Dach
des Hauses zu und blieb davor stehen. Er sah zu der Mathematikerin zurück. Sie war erheblich kleiner
als er, sie war sogar noch kleiner als Bir Osgo, doch das konnte sie nicht beeindrucken. Arrogant warf
sie den Kopf in den Nacken.
»Bestimmen Sie, was hier geschieht?«
»Keineswegs«, gab Corda ruhig zurück. »Aber ich bestimme mit. Da auch die anderen der Meinung sind,
daß wir jetzt zusammen bleiben, habe ich nicht das Gefühl, mich ungewöhnlich verhalten zu haben!«
»Die anderen haben keine Meinung geäußert!« fauchte sie zornig. Sie drehte sich um und öffnete ihren
Gleiter.
»Seltsam«, sagte Corda. »Ich war fest davon überzeugt, daß wir uns einig waren. Wem wollen Sie eine
Nachricht geben?« Sie fuhr blitzschnell herum. Ihre Wangen röteten sich heftig. Corda erfaßte durch seine Sondersinne, in welches Gefühlschaos sie stürzte. Sein Gesicht versteinerte. »Kretan, ich bestehe darauf, daß Sie bei uns bleiben«, rief er mit scharfer, kalter Stimme. »Machen Sie keine Ausflüchte, das kann mich nicht beeindrucken!« Bir Osgo und Hent Marat starrten den hochgewachsenen Terraner überrascht an. Ierra Kretan, die Mathematikerin, schloß den Gleiter. Sie war totenbleich, als sie zu dem Gravitationsschacht kam. Ihre Augen sahen an Corda vorbei. »Bringen Sie uns nach unten, Marat!« forderte sie mit eisiger Stimme. Rex Corda wußte, daß er sich eine Feindin geschaffen hatte. Er beobachtete die schöne Laktonin unauffällig. Er würde auf der Hut sein. Er warf einen letzten Blick über die fremde Landschaft an den Ufern des nierenförmigen Sees. Über dem Wasser kreiste eine mehrere Meter lange Schlange mit hellen weichen Flügeln. * Fan Kar Kont hantierte mit faszinierender Schnelligkeit und Geschicklichkeit an dem komplizierten Schaltmuster, das die anderen Wissenschaftler schon freigelegt hatten, als der Mann mit dem zebragestreiften Gesicht herankam. Estrer Yho war völlig außer Atem. Fassungslos beobachtete er, welche Vorbereitungen getroffen worden waren, um die Abwehr zu überlisten. Seine Erfolge waren minimal gegen die Fan Kar Konts. Er selbst hatte jahrelang an seinen Plänen geschmiedet und hatte nichts als diesen Helm zustande gebracht, den er jetzt auf dem Kopf trug. Unruhig musterte er das graue Zeitfeld, das sich direkt vor ihnen erhob. Würde Fan Kar Kont es tatsächlich schaffen, die Zeitschaltung zu verändern, so daß sie hinausgehen konnten, ohne in eine falsche Zeit zu geraten? Fan Kar Kont schaltete mit absoluter Sicherheit. Dem Chefwissenschaftler war jetzt keine Erregung mehr anzusehen. Estrer Yho wandte sich an einen der anderen Wissenschaftler, einen athletischen Mann mit eng zusammenstehenden Augen. »Wie geht es weiter?« fragte er. »Ich kann mir nicht vorstellen, wohin wir fliehen sollen! Wie können wir Teckan verlassen?« Der Biologe grinste breit. Das Lachen zeigte deutlich, was er von dem Assistenten hielt. »Abwarten, Junge. Sie werden schon sehen!« Estrer Yho biß sich verärgert auf die Lippen. Heißer Zorn kroch in ihm hoch. Er konnte es nicht ertragen, daß die Kollegen ihn wie einen einfältigen Knaben behandelten. Er schwor sich, es dem Biologen zurückzuzahlen. Fan Kar Kont stieß einen kurzen Laut aus. Das graue Zeitfeld verschwand plötzlich. Kont stieß die Platte wieder an die Wand. Sie blieb haften. »Schnell!« rief er. Mit erregter Geste trieb er die Männer weiter in den Gang hinein. Sie passierten das Zeitfeld, ohne das Gefühl einer Veränderung zu haben. Hinter ihnen schloß sich das Feld wieder. Aus den Augenwinkeln heraus bemerkte Estrer Yho, daß Fan Kar Kont einen kleinen Gegenstand in den Gang zurückwarf. Im nächsten Augenblick tobte ein Feuersturm hinter dem Zeitfeld, der jedoch blitzschnell erlosch und in der Zeit verschwand. Der Gang führte noch zwanzig Meter weiter und endete dort an einer glatten weißen Wand. Fan Kar Kont blieb vor dem Verschluß stehen. Seine Hand glitt gedankenschnell über eine Seitenleiste. Die Tür rollte lautlos zur Seite. Vor ihnen öffnete sich ein kreisrunder Raum, der höchstens fünf Schritte durchmaß. Fassungslos blieb Estrer Yho, der als letzter eintrat, in dem Eingang stehen. »Ein Transmitter!« rief er. »Fan Kar Kont – wie können Sie glauben, daß wir es damit schaffen? Es ist unmöglich, diesen Planeten mit einem Transmitter zu verlassen!« Kont lächelte dünn. »Warten wir es ab, Yho! Mit diesem Transmitter können wir Teckan allerdings nicht verlassen!« Er ging zu dem Gerät. Es hatte einen kreisrunden Sockel, in dem sich die wichtigsten Schaltungen verbargen.
Zwei hohe Stufen führten zu dem Metallplastbogen hinauf, der sich über dem Kreis wölbte. Fan Kar Kont stieg hinauf und hockte sich vor dem Bogen hin. Seine gestreiften Finger stießen in kleine Bodenöffnungen. Fast im gleichen Augenblick baute sich das orangerotflimmernde Transmissionsfeld auf. Kont programmierte den Transmitter an einem Schaltbrett an der Seite des Transmissionsbogens. Atemlos vor Erregung sah ihm Estrer Yho zu. Kont fuhr langsam fort: »Ich habe zunächst einmal nichts anderes vor als eine Täuschung. Wir werden einige Transmissionen durchführen, die auf andere Transmitter zielen.« Er wandte sich zu Estrer Yho um und lächelte. »Wir konnten in den letzten Jahren einige Transmitter in Verstecken errichten!« Yho trat an den Mann mit dem gestreiften Gesicht heran. »Jede Transmission wird geortet werden, Kont!« »Eben deshalb führen wir sie durch. Hark Axthon wird schließlich nicht mehr wissen, wo er noch suchen soll. Natürlich wird er auch hier einbrechen, aber das geht nicht so schnell. Wir haben dieses Gewölbe sorgfältig abgesichert. Dann wird er an den anderen Stellen suchen – und nichts finden als Gerümpel!« Kont gab einem der anderen Wissenschaftler einen Wink. Der Laktone öffnete ein kleines Schott in der Wand und schleppte zwei große Kisten herbei. Kont nahm sie und warf sie achtlos in das Transmissionsfeld. Estrer Yho wußte, daß in dieser Sekunde die Ortung über ihnen mit gellender Sirene ansprach. Kont veränderte die Schaltungen und warf die nächste Kiste in den Transmitter. Darauf änderte er die Schaltungen abermals und ließ dann noch zwei Kisten folgen. »Wie haben Sie das nur alles errichten können, Kont?« staunte Estrer Yho benommen. Die Vorgänge gewannen nach wie vor nicht wesentlich an Wirklichkeit für ihn. Ihm war, als lebe er in einer Traumwelt. »Daß Sie nie darauf gekommen sind, Yho«, grinste der Biologe. »Wir arbeiteten mit Projektionen! Während wir hier unten den Tunnel bauten, ließen wir Projektionen in den Laboratorien arbeiten. Axthon konnte ruhig hinter seinem SpionageHolografen sitzen, er konnte nicht feststellen, ob er eine Projektion beobachtete oder uns!« Zum erstenmal seit langer Zeit lachte Estrer Yho schallend. * Für Hark Axthon brach eine Welt zusammen. Er hatte immer gewußt, daß er auf einem Pulverfaß lebte. Er war aber auch immer der Überzeugung gewesen, daß es ihm gelingen würde, die Ereignisse in kurzer Zeit in seinen Griff zu bekommen. Jetzt aber liefen ihm die Ereignisse unter den Händen weg. Er konnte kaum noch folgen. Fan Kar Kont war geflohen. Die TransmitterOrtungsStation meldete mehrere Transmissionen. Die AusgangsStation war sofort ermittelt worden. Sie lag unmittelbar vor der Station. Hark Axthon beorderte sofort zehn Kampfroboter an die Ortungsstelle. Nach kurzer Rücksprache mit der Zentralen Abwehr befahl er den Robotern, mit schweren Strahlwaffen gegen die Stellung vorzugehen. Minuten später schon jagte ein kleineres Kampfboot vom Raumhafen Teck heran. Die KampfRoboter zogen sich in höchster Eile zurück. Hark Axthon gab mit scharfer Stimme die genauen Koordinaten der ermittelten TransmitterStation durch und befahl dem Kommandanten des Kampfbootes, sofort mit stärksten Strahlwaffen zu feuern. Das raketenförmige Kampfboot gehörte zu Spezialeinheiten, die es nur auf Teckan gab. Es war im Grunde kaum mehr als eine fliegende Strahlwaffe mächtigen Ausmaßes. Der Flugkörper war insgesamt siebzig Meter lang. Achtzig Prozent seines Rauminhaltes wurden von der Strahlwaffe beansprucht. Hark Axthon konnte über seine Holografen sowohl das Kampfboot beobachten als auch mit dem Kommandanten direkt sprechen, obwohl der Offizier sich außerhalb des Zeitfeldes befand. Die Holografen waren jedoch elektronisch so abgestimmt, daß die Zeitdifferenzen zwischen Forschungsstation und Außenwelt ausgeglichen wurden. »Feuern Sie!« schrie Axthon in das Mikrophon. Im gleichen Augenblick donnerte der weiße Strahl schon aus dem kleinen Raumfahrzeug. Mit ohrenbetäubendem Krachen bohrte sich die Energiewelle in den Boden, der sich augenblicklich
brodelnd aufwarf. Hark Axthon erhob sich und ging in den Nebenraum, seine Zentrale, zurück. Er wußte, wenn noch Wissenschaftler bei dem Transmitter gewesen waren, dann waren sie jetzt schon erledigt. Hark Axthon kam gerade noch rechtzeitig, um sich in die erregte Debatte zu mischen, die zwischen seinen Assistenten und der Zentralen Abwehr geführt wurde. »Axthon!« rief der Agent. »Die Zentrale will den TerraJet, der sich OR 229 jetzt in rasendem Tempo nähert, mit einer Transmissionsbombe vernichten!« Axthon zuckte zusammen. »Was wollen Sie?« brüllte er auffahrend. Er konnte es sich leisten, mit der Zentrale in diesem Ton zu sprechen, obwohl er nicht im gleichen Rang stand wie der Offizier, der mit ihm sprach. Hark Axthon galt trotz seiner Jugend als der fähigste Abwehrmann Teckans. Ihm ließ man viel durchgehen. »Sie wissen genau, daß die GROSSEN GESETZE es verbieten, diese Bomben einzusetzen!« Der Offizier aus der Zentrale winkte ärgerlich ab. »Wir können den TerraJet jetzt nur noch erreichen, wenn wir diese Bomben verwenden. Sonst wird die Station restlos vernichtet!« Die Gedanken Hark Axthons überschlugen sich. Er wußte, daß der Offizier recht hatte. Die Transmissionsbombe war im Grunde ein MiniaturRaumschiff. Es war mit einem HyperTriebwerk ausgerüstet. Die Bombe konnte also in den Hyperraum gleiten. Das bedeutete, sie konnte durch einen Planeten fliegen, da sie während ihrer Bewegung durch den Hyperraum den Bedingungen eines anderen Universums unterlag. Die Zentrale Abwehr plante jetzt, eine Transmissionsbombe durch den Hyperraum zum TerraJet rasen zu lassen und sie im TerraJet aus dem Hyperraum kommen zu lassen. »Die GROSSEN GESETZE verbieten es!« sträubte sich Hark Axthon abermals. Der Offizier der Zentrale schüttelte den Kopf. »Wir haben nichts zu befürchten, Axthon! Die GROSSEN GESETZE verbieten die Anwendung dieser Bombe gegen andere Völker!« »Schlagen Sie zu!« brüllte Axthon, der sofort begriff. »Schlagen Sie zu! Gegen uns selbst dürfen wir die Bombe verwenden!« Die Hand des Offiziers zuckte herunter. »Ich wußte, daß Sie als Leiter dieser Aktion die Einwilligung geben würden!« sagte er. Vielleicht sagte er noch mehr. Hark Axthon hörte es nicht. Über die Außenmikrophone der Holografen, die nicht der Zeitsperre unterworfen waren, kam das unheimliche Grollen einer mächtigen Explosion. Axthons Kopf fuhr herum. Er starrte auf den Holografen, der auf OR 229 gerichtet war. Ein Vulkan hatte sich geöffnet. Eine brüllende Glut und Schmutzwelle raste in den Himmel Teckans hinauf. Der TerraJet bestand nicht mehr. Hark Axthon lehnte sich in seinem Sessel zurück. Mit einem Knopfdruck an der Armlehne setzte er die Kraftfeldmassage in Betrieb, die seine verkrampften Nackenmuskeln lockerte. Axthon blinzelte zufrieden zu seinem Assistenten hinüber. »Das wär’s wohl!« gähnte er. »Fan Kar Kont und seine Leute sind erledigt. Der TerraJet wurde abgeschossen. Machen Sie einen Bericht. Der Fall ist so gut wie abgeschlossen. Warten wir ab, was uns Ierra Kretan zu melden hat. Ich denke, Fan Kar Kont hat sie nicht umsonst weggeschickt. Ich bin gespannt, wohin Kont sie geschickt hat!« »Sie glauben, daß Sie sich meldet?« »Bestimmt!« sagte Axthon mit Überzeugung. »Ierra Kretan war bisher eine äußerst zuverlässige Informantin. Falls es jetzt noch jemanden gibt, der nicht so will, wie wir wollen, dann wird sie ihn ans Messer liefern!« * Fan Kar Kont entblößte das kleine Gerät an seinem Handgelenk. »So, Yho, jetzt kennen Sie unsere Pläne ziemlich genau. Ich bin sicher, daß alles so abläuft, wie wir es uns vorgestellt haben!« Der Transmitter wurde eingeschaltet. Das Transmissionsfeld flimmerte etwas. Dicht neben dem Transmitter stand eine kleine Kiste. Sie enthielt eine Zeitbombe, die eine so große Hitze entwickeln
würde, daß sie alles vernichtete.
»Sie glauben, daß Hark Axthon den TerraJet zerstören wird, den Sie auf OR 229 zufliegen lassen?«
wiederholte Estrer Yho.
»Er muß! Es geht nicht anders!«
Wieder sah er auf das kleine Gerät. Er hatte behauptet, daß es ein kurzes Signal abstrahlen würde,
sobald der TerraJet zerstört wurde.
»Kont!« rief einer der Wissenschaftler. Er wies nach oben zur Decke des Gewölbes. »Axthon greift an!
«
Ein anderer Wissenschaftler schleuderte abermals Gerümpel in den Transmitter.
Estrer Yho zuckte zusammen. Die Decke hatte sich rot gefärbt. Mit jeder Sekunde wurde sie heller.
Die Temperatur stieg schnell an.
»Keine Sorge!« rief Kont. »Wir haben genügend Zeit! Die Decke hält die Hitze lange genug zurück!«
Fast im gleichen Augenblick schon piepte das kleine Gerät an seinem Arm. Kont riß es herunter und
warf es achtlos weg. Das Signal ertönte ununterbrochen.
»Sie haben den TerraJet erwischt!«
»Schnell!« befahl Kont. Er schaltete an dem Transmitter. »Die Explosion des TerraJet verhindert,
daß die Transmissionen geortet werden! Schnell!«
Er stieß die vier Wissenschaftler in den Transmitter. Sie versackten in dem rötlichen Feld wie in
wallendem Nebel.
»Jetzt Sie!« brüllte Kont. Er riß Yho herum. Der Assistent stolperte in den Transmitter und
verschwand wie die Wissenschaftler.
Fan Kar Kont sah zur Decke. Die Hitze war erheblich gestiegen. Die Luft trocknete seine Lippen aus.
Dennoch ging ein Lächeln über das gestreifte Gesicht des Chefwissenschaftlers.
Der entscheidende Schritt war getan. Er führte durch den Transmitter in die Freiheit.
Hark Axthon würde alles tun, um die Flucht zu verhindern. Er würde die ganze Macht seiner
Organisation aufbieten, um die Wissenschaftler zurückzuhalten.
Es durfte nicht gelingen.
Latak Decimo hatte die Welt gefunden, die ihnen Freiheit bot. Ein jahrelanger, verbissener Kampf mit
der Abwehrorganisation auf Teckan näherte sich seinem Ende.
Terra!
Fan Kar Kont war gespannt auf die Welt, die der Synoptiker Latak Decimo ausgesucht hatte.
Fan Kar Kont wußte bereits viel über Terra. Kont hatte alle Informationen über Terra, die er
bekommen konnte, begierig in sich aufgesogen, seit Latak Decimo diesen Planeten das erstemal
erwähnte!
Die glühende Decke verformte sich. Jetzt hielt das Material die Gluthitze auch nicht mehr
ausreichend zurück. Fan Kar Konts Gesicht brannte.
Der Chefwissenschaftler drehte sich herum und ließ sich in den Transmitter gleiten.
Sekunden später brach die Grotte zusammen. Alles verging in tobender Glut.
*
Fan Kar Kont lachte, als er durch den Transmitter in Hent Marats Haus kam. Doch das Lachen erlosch,
als er Estrer Yho mit angeschlagener Waffe in dem Raum sah. Sein Assistent bedrohte zwei zivil
gekleidete Männer mit harten, kantigen Gesichtern. Ihre Hände lagen auf den klobigen Kolben ihrer
Strahlwaffen.
Der Transmitter erlosch kurz nachdem einige Gluttropfen durch das Feld in den Raum schossen.
Estrer Yho trug den von ihm konstruierten Helm auf dem Kopf. Zwei Metallspangen wölbten sich über
seiner Nase von einer Helmseite zur anderen. Ein flimmerndes, zitterndes Etwas in blaugrüner Farbe
umgab Estrer Yho wie eine wogende Gasglocke.
»Was geht hier vor?« herrschte Fan Kar Kont seinen Assistenten an.
Yho wies mit dem Strahler auf die Zivilen. Die harten Gesichter der beiden Männer entspannten sich.
»Ein Mißverständnis, Kont! Wir haben nicht damit gerechnet, daß dieser Mann dabei sein würde, wenn
Sie kommen!« erklärte einer von ihnen.
»Ich hätte es mir denken sollen! Es ist in Ordnung, Yho!« Er wartete, bis Estrer Yho eine Schaltung an
seinem Helm vornahm. Das flirrende Feld, das ihn umgeben hatte, erlosch.
»Von jetzt an seien Sie vorsichtig, Yho«, mahnte Kont. »Jedes kleine Mißverständnis kann tödlich sein!
Wir sind alle nervös – und die Abwehr macht keine Scherze!«
Ein beruhigendes Lächeln huschte über das gestreifte Gesicht. Fan Kar Kont ging auf die beiden
Laktonen zu, die sie erwartet hatten und begrüßte sie. Sie führten ihn zu einer einfachen Tür, die
lautlos vor ihnen zurückwich.
»Hent Marat erwartet uns! Der Terraner Rex Corda ist bei ihm. Wir haben uns eine Erklärung von ihm
angesehen. Er hat zusammen mit Latak Decimo ein Schreiben aufgesetzt, das er Freiheitsbrief nennt!
« berichteten die beiden.
Estrer Yho hörte mit wachen Sinnen zu. Nie hätte er geglaubt, daß die Fluchtidee Fan Kar Konts schon
soweit durchdacht war.
Eine geräumige Kabine nahm sie auf und trug sie sanft nach oben. Als sich die Kabine öffnete, fiel der
Blick Estrer Yhos in einen langen Gang, an dessen Seiten sich Aquarien und Methanarien erhoben.
Stereophonische Musik in absoluter Vollendung kam aus verborgenen Lautsprechersystemen.
Estrer Yho hatte keine Augen für die überwältigende Schönheit der zahlreichen farbenprächtigen
Lebewesen hinter den transparenten Wänden. Er sah nur das schwarzhaarige Mädchen und den
athletischen Mann an ihrer Seite. Die klaren intelligenten Augen des Mannes fielen ihm sofort auf. In
ihnen lag etwas, daß Estrer Yho unsicher machte. Bevor noch ein Wort gefallen war, erkannte Yho die
Macht der Persönlichkeit dieses Mannes. Bestürzt sah er auf Fan Kar Kont, der neben ihm stand.
Fan Kar Konts Gesichtszüge zeigten äußerste Spannung. Auch er schien überrascht. Vielleicht hatte er
nicht erwartet, auf einen Mann zu stoßen, dessen persönliche Ausstrahlung so viel Selbstbewußtsein
und Intelligenz verriet.
Der Terraner lächelte. Estrer Yho und alle anderen wußten sofort, daß dies der Terraner war, da er
weiße Zähne hatte. Nur dadurch unterschied er sich auf den ersten Blick von einem Laktonen.
»Das ist Rex Corda«, bemerkte Hent Marat. Der Biochemiker legte seinen kurzen fetten Arm auf den
Cordas.
Rex Corda wich dem mißtrauisch prüfenden Blick Fan Kar Konts nicht aus. Erstaunlicherweise empfand
er die Fremdartigkeit des Mannes von Far nicht so sehr. Das Streifenmuster seiner Haut störte Corda
nicht. Entscheidend für sein Urteil waren allein die kühlen dunklen Augen und die klare
Emotionalsphäre Fan Kar Konts. Corda entdeckte weder Abneigung noch Zuneigung in den Gefühlen des
Chefwissenschaftlers, doch ein gewisses Maß von Vertrauen.
Fan Kar Kont kam auf Corda zu. Nur einen Schritt vor ihm blieb er stehen. Er lächelte kaum merklich.
»Ich glaube, Latak Decimo hat eine gute Wahl getroffen«, versetzte er. Seine Stimme klang so klar
und ruhig wie die des elektronischen Übersetzers.
»Das wird sich zeigen!« warf Ierra Kretan scharf ein. Sie trat einen Schritt vor. »Ich verlange, daß wir
uns genauestens über diesen Mann informieren, bevor wir uns ihm anvertrauen.«
Fan Kar Kont sah die Mathematikerin nicht an.
»Wissen Sie eigentlich, weshalb ich Sie hierhergeschickt habe, Kretan?« fragte er sie, ohne seinen
Blick von dem Präsidenten der Erde zu wenden.
Sie antwortete nicht, doch ihr Atem ging etwas schneller. Plötzlich schien sie zu begreifen, daß sie
nicht zufällig in diese Gruppe von Wissenschaftlern geraten war.
»Ich weiß und wußte nicht, zu welcher Seite Sie gehören, Kretan«, erklärte Fan Kar Kont langsam.
Jetzt sah er sie an. Sie hatte sichtlich Mühe, seinen Blick zu halten.
»Was wollen Sie damit sagen?«
»Wenn Sie zu uns gehören, möchte ich Sie mitnehmen. Wenn Sie zu Axthon gehören, können Sie kein
Unheil mehr anrichten!« antwortete er.
»Ich nehme an, Axthon ist unser Gegner?« fragte Corda.
Fan Kar Kont sah ihn lächelnd an.
»So ist es!«
Corda drehte sich langsam zu der Mathematikerin um. Er lächelte nicht mehr. Er lauschte mit allen
Sinnen auf das emotionelle Chaos, das sie beherrschte!
»Ich verbürge mich für Ierra Kretan!« warf Estrer Yho atemlos ein.
*
Fan Kar Kont ließ sich den Transmitter, den Bir Osgo im Koffer mitgebracht hatte, von dem kleinen
Laktonen erklären. Bir Osgo sprach wieder betont langsam. Rex Corda war bereits aufgefallen, daß
Osgo fast immer in dieser Art sprach. Er vermutete, daß der von Minderwertigkeitskomplexen
geplagte Mann damit seine Unsicherheit überspielen wollte.
»Ist der Transmitter jetzt schon voll betriebsbereit?« fragte Kont.
Bir Osgo verneinte.
»Es genügen einige Handgriffe, um ihn in Betrieb zu nehmen«, erklärte er.
»Und er funktioniert wirklich ausreichend? Mit ihm können wir das Schutzfeld, das sonst jede
Transmission über den Planeten hinaus verhindert, wirklich durchschlagen?«
»Ganz bestimmt«, warf Rex Corda ein. »Schließlich sind Bir Osgo und ich auf diesem Wege nach
Teckan gekommen!«
»Es ist gut«, sagte Fan Kar Kont. Er wandte sich an den Hausherrn, Hent Marat. »Wie lange benötigen
die anderen, um hier einzutreffen?«
Der Biochemiker zögerte kurz, bevor er sagte: »Vor Anbruch der Nacht sind alle hier. Noch während
der Nacht müßten wir verschwinden können!«
»Bis morgen ist die Aktion also mit Sicherheit abgeschlossen?« erkundigte sich Kont.
»Mit Sicherheit!« bestätigte der Laktone.
Kont wandte sich an Rex Corda.
»Von Ihrer Seite sind keine Schwierigkeiten zu erwarten?«
»Nein!«
Fan Kar Kont sah die Wissenschaftler an, die sich in dem Forschungslabor des Hausherrn versammelt
hatten. Der Arbeitsraum lag in einem Keller unter dem Wohntrakt.
»Wir können einen Zeitschirm einrichten«, verkündete er. Die anderen Wissenschaftler fuhren
überrascht auf.
»Unmöglich!« stammelte Estrer Yho. »Woher wollen Sie die Energie nehmen?«
Fan Kar Kont lächelte dünn.
»Dieses Geheimnis wird zwar sehr streng gehütet. Aber schließlich war ich an der Entwicklung dieser
Technik beteiligt. Die Abwehr wollte wie bei allen Beteiligten mein Wissen löschen – aber mit einem
kleinen Trick konnte ich das verhindern! Das ist jetzt unsere Chance!«
Bir Osgo wischte sich aufgeregt mit den Händen durch das struppige Haar.
»Aber das würde bedeuten, daß wir unangreifbar werden!«
»Genau das, Osgo!« bestätigte der Gestreifte. »Wir werden das Zeitfeld auf einen Tag in die Zukunft
schieben. Sollte man uns also in letzter Sekunde noch aufhalten wollen, dann kann die Abwehr immer
erst morgen eingreifen! Auch wenn Sie in diesem Augenblick über unsere Pläne informiert werden
würde! Raketen, die auf uns abgeschossen werden, würden frühestens morgen einschlagen!«
»Dann schalten Sie ein!« forderte Osgo.
»Noch sind nicht alle Mitglieder unserer Organisation hier! Wir müssen warten!«
»Warum nur einen Tag!« forschte Estrer Yho erregt. »Warum nicht mehr?«
»Wir haben nicht soviel Energie. Wir schaffen gerade einen Tag«, antwortete Fan Kar Kont. »Es
erfordert ungeheuer viel Energie, das RaumZeitKontinuum zu öffnen. Unsere Mittel sind leider
beschränkt. Wir konnten nicht die Anlagen errichten, die bei den Forschungsstationen gebaut wurden.
Außerdem ist die Zeitverschiebung bei den Stationen nur in ganz außergewöhnlichen Fällen, so wie bei
OR 229, das Ziel für unseren TerraJet, länger als ein Tag!«
Rex Corda, der an einem der Arbeitstische gelehnt hatte, löste sich von seinem Platz.
»Ein Tag genügt«, sagte er. »Die Aktion ist in wenigen Minuten abgeschlossen, wenn alles so verläuft
wie geplant!«
Einer der Holografen flammte auf. Einer der Helfer des kahlköpfigen Hausherrn meldete: »Soeben ist
Latak Decimo mit neun Kollegen eingetroffen. Er befindet sich auf dem Dach. Alles in Ordnung!«
*
Ierra Kretan, die Mathematikerin, hatte überhaupt keinen Zweifel daran, was sie tun mußte.
Als die Nachricht von der Ankunft des Synoptikers Latak Decimo kam, verließen die Wissenschaftler
das Labor.
Ierra Kretan blieb allein zurück.
Sie wartete noch einige Augenblicke, dann eilte sie zu einem Holografen, der an das planetare Netz
angeschlossen war. Sie rief die CodeNummer von Hark Axthons Holografen in die Programmierung.
Der Holograf schaltete sich sofort ein, doch in dem pulsierenden Feld blitzte monoton des
Besetztzeichen auf.
Ierra Kretan lachte hysterisch auf. In diesem Augenblick, in dem Lakton ein unersetzlicher Verlust
drohte, war Axthon nicht zu erreichen.
Ierra Kretan entschied sich sofort für den Bruch der Vereinbarungen mit Axthon. Sie wählte neu.
Diesmal die allgemeine Rufnummer der Abwehr.
Das kantige Gesicht des Laktonen tauchte sofort in dem dreidimensionalen Bild auf.
»Geben Sie mir die Abwehr in der Station OR 228! Ich muß Hark Axthon sprechen!« rief sie hastig.
»Moment!« Das Bild erlosch.
Ierra Kretan biß sich auf die Lippen. Nervös sah sie sich um. Nur deshalb merkte sie, daß Bir Osgo den
Raum betrat. Blitzschnell zuckte ihre Hand vor. Sie schaltete den Holografen aus.
Bir Osgo blieb dicht vor dem Kraftfeld stehen, das sich hinter ihm in der Öffnung der Wand wieder
geschlossen hatte. Seine fleischigen kleinen Ohren röteten sich heftig. Seine Lippen zuckten. Osgo
versuchte etwas zu sagen, aber er schaffte es nicht. Seine Augen hingen an dem schönen Gesicht der
Mathematikerin.
Sie ging auf ihn zu. Sie lächelte.
»Lassen Sie mich bitte durch?« bat sie. Sie sah ihm in die Augen. Bir Osgo schluckte heftig – und trat
zur Seite.
»Mit… mit wem haben Sie gesprochen?« stammelte er.
Sie lachte hell auf.
»Osgo! Sie mißtrauen mir?« fragte sie belustigt.
»Nein, nein! Natürlich nicht!« stotterte der Organisationstechniker. Hilflos sah er der schönen
Laktonin nach. Er verdammte sich selbst, weil er es nicht fertigbrachte, ihr selbstsicher
gegenüberzutreten. Wieder einmal verfluchte er seine Größe. Mehr und mehr fraß sich in ihm die
Überzeugung fest, daß niemand ihn respektieren könne, weil er einfach zu klein war. Schon gar nicht
eine Frau wie Ierra Kretan.
Zögernd ging er zu dem Holografen. Er rief die CodeNummer der zentralen Elektronik und forderte
von dieser unbestechlichen Einrichtung eine Auskunft darüber, mit wem Kretan hatte sprechen wollen.
Es dauerte einige Augenblicke, bis die Überwachung ihm eine völlig unverbindliche private Adresse
mitteilte. Er atmete auf. Nicht eine einzige Sekunde zweifelte er daran, daß die Auskunft richtig war.
*
Latak Decimo strahlte!
»Corda! Ihre ›Aktion Pilzjagd‹ klappt wie am Schnürchen!« rief er, nachdem sie sich begrüßt hatten. »
Jetzt sind wir schon 28 Personen! 28 Wissenschaftler für Terra, Corda! Was sagen Sie dazu?«
Der schlank wirkende Synoptiker grinste Corda vergnügt an.
»Noch sind wir nicht auf der Erde, Decimo!« winkte Corda ab. »Ich glaube, es wird noch mehr
Schwierigkeiten geben, als uns lieb ist!«
Corda trat an das hohe Fenster des Raumes. Hinter ihm lagerten in hohen Gestellen zahlreiche
Tonbänder mit Musik der bedeutendsten laktonischen Künstler. Das Fenster bestand aus einem leicht
getönten Material, das alle Außenwelteinflüsse abhielt. Über dem See tauchten zwei Gleiter auf, die
sich dem Haus schnell näherten.
»Glauben Sie wirklich, Decimo, daß es der Abwehr nicht auffällt, wenn in so kurzer Zeit so viele
Wissenschaftler hierherkommen?«
»Sicher fällt das auf«, gab Latak Decimo zu. »Doch ich glaube, daß die Abwehr zu spät reagieren wird!«
»Da bin ich noch nicht so sicher!«
Bir Osgo kam zögernd in den Raum. Er rieb sich sein spitzes Kinn nachdenklich. Corda fühlte die
Unsicherheit und den wachsenden Zweifel des Organisationstechnikers.
»Was gibt es, Osgo?«
»Mr. Corda, glauben Sie, daß Ierra Kretan uns durch eine Unvorsichtigkeit schaden könnte?«
»Warum?«
»Sie hat mit irgend jemand außerhalb dieses Hauses gesprochen!«
Latak Decimo stürzte an Bir Osgo vorbei zum nächsten Holografen. Seine peitschende Stimme
erweckte das Gerät.
»Fan Kar Kont!« brüllte der Synoptiker. »Schalten Sie das Zeitfeld ein! Sofort!«
Corda erkannte eine Gruppe von mehreren Wissenschaftlern, die im Labor arbeiteten. Unter ihnen war
Fan Kar Kont.
»Was ist passiert?« fragte er. Er war sehr ruhig.
»Fragen Sie nicht! Schalten Sie ein! Dann kann ich alles erklären! Schnell!«
»Sind Sie sicher, daß alles klappt? Sind alle Mitglieder unserer Organisation hier?« Die Stimme Konts
war jetzt erregter. »Decimo, Sie wissen, wenn das Feld eingeschaltet ist, muß alles – auch das letzte
Detail – stimmen!«
Latak Decimo zögerte.
»Ierra Kretan hat ein Holografengespräch nach außerhalb gehabt! Können Sie sich denken, was das
bedeutet?«
Die Mathematikerin tauchte im Bild auf. Ihr Gesicht war heftig gerötet. Ihre Augen blitzten zornig.
»Ich habe keinen Verrat geübt, Decimo!« sagte sie mit schneidender Schärfe. »Sie können sich
jederzeit davon überzeugen!«
»Schalten Sie ein, Kont!« verlangte Corda, der schnell an den Holografen getreten war.
»Es fehlen noch zwölf Männer, Corda! Sie müssen jeden Augenblick eintreffen!« wandte Kont ein.
Er sagte noch etwas, aber niemand verstand das. Automatisch schalteten sich die AußenHolografen
ein, die zur Verbindung mit anderen Teilnehmern außerhalb des Hauses dienten. Auf allen Holografen
zeichnete sich das absolut plastische Bild Hark Axthons ab.
»Hent Marat!« brüllte der Sicherheitsoffizier. »In Ihrem Hause findet eine nicht genehmigte
Versammlung von mehr als dreißig Personen statt. Äußern Sie sich dazu!«
Hent Marat strich sich sein nackenlanges schlohweißes Haar gelassen zurück. Langsam trat er vor den
Holografen. Corda bemerkte, daß Fan Kar Kont sich hastig zurückzog.
»Sie gehen ein bißchen zu weit, mein Guter!«
»Das wird sich zeigen, Marat! Wir werden Sie kontrollieren. Bis dahin verhalten Sie sich ruhig. Wir
werden Ihr Haus sofort unter Beschuß nehmen, wenn wir eine Abweichung des normalen
Energieumsatzes feststellen!«
Hent Marat öffnete den Mund zu einer spöttischen Bemerkung, doch Axthon schaltete einfach ab.
Betroffen sahen sich die Wissenschaftler an.
»Er muß das Zeitfeld jetzt endlich einschalten!« stöhnte Latak Decimo verzweifelt. »Sonst war alles
umsonst! Corda – helfen Sie mir! Kont muß jetzt handeln!«
Sie eilten aus dem Raum und fuhren in der Antigravitationskabine nach unten zu den unterirdisch
angelegten Laboratorien, in denen Fan Kar Kont sich aufhielt.
Nur noch wenige Wissenschaftler standen bei Hent Marat. Die meisten waren im Nebenraum
verschwunden. Corda und Decimo eilten mit dem Rest der Laktonen hinüber.
Verblüfft blieb Rex Corda stehen, als er das Kraftfeld passiert hatte, das als Tür diente. Er sah in
eine riesige Halle hinunter, auf deren Boden wahre Maschinengiganten hockten.
Fan Kar Kont arbeitete mit mehreren Wissenschaftlern an einer weitausladenden Schalttafel. Die
Giganten erwachten. Sie rüttelten in ihren Verankerungen. Wenig später liefen die Aggregate donnernd
an.
Hinter Corda und Decimo stand Ierra Kretan. Als die MaschinenGiganten aufbrüllten, eilte sie lautlos
in das Labor zurück, in dem sie eben noch alle gearbeitet hatten. Auf einem der breiten Tische stand
der geöffnete Koffer Latak Decimos. Das halb errichtete Gerüst des Kleinsttransmitters ragte daraus
hervor.
Ierra Kretan sah sich hastig um. Sie war allein. Niemand achtete auf sie.
Ihre Hand glitt in den Koffer, spannte sich um ein kleines Gerät und hob es heraus. Es glitt in die
Tasche ihrer engen Kombination. Sie drehte sich herum und kehrte in die Maschinenhalle zurück.
Latak Decimo und Rex Corda hatten sich von einem Antigravitationsfeld nach unten tragen lassen. Die
Mathematikerin glitt in das Feld und folgte den Männern. Auch jetzt achtete niemand auf sie.
Sie stellte sich zu den anderen. Niemand fiel auf, daß sie für einige Zeit nicht bei ihnen gewesen war.
*
Die lederne Haut Hark Axthons spannte sich hart über den Wangenknochen, als er die Nachricht
bekam, daß eine auffällig große Zahl von Wissenschaftlern zu dem Haus Marats am KatSee kam.
Wenige Augenblicke später nur informierte ihn die elektronische Kontrolle, daß Ierra Kretan versucht
hatte, ihn aus dem Haus Marats anzurufen.
Der Assistent des Offiziers, der die Nachrichten mitgehört hatte, kam mit schnellen Schritten zu
Axthons Arbeitstisch herüber. Axthon sah ihn kurz an und forderte dann eine Sofortverbindung zum
Hause Marats nach den besonderen Alarmbestimmungen.
Als er abschaltete, sah er seinen Assistenten wieder an.
»Was glauben Sie, was da passiert?« fragte der Assistent.
»Flucht!« behauptete Axthon hart.
»Unmöglich!« protestierte der Assistent. »Es ist unmöglich von Teckan zu fliehen!«
»Mit einem Transmitter, der nicht auf das Störfeld um Teckan reagiert, wäre es möglich!«
»Einen solchen Transmitter gibt es nicht!«
»Wer sagt das?« versetzte Axthon ruhig. Nur in seinen Augen glomm der abgrundtiefe Haß auf die
Männer, die es gewagt hatten, sich der extrem scharfen Ordnung auf Teckan zu widersetzen. »
Vergessen Sie nicht, daß auf diesem Planeten die wichtigsten und fähigsten Wissenschaftler unseres
Reiches arbeiten. Viele von Ihnen scheinen jetzt bei Marat zu sein. Diese Männer waren es, die das
TransmissionsStörfeld schaffen konnten. Wenn sie das konnten, dann konnten sie vielleicht auch einen
Transmitter konstruieren, der nicht darauf anspricht!«
»Geben Sie Alarm!«
Hark Axthon grinste kalt. Seine Blicke wanderten zu seiner linken Hand. Seine Finger lagen schon seit
einigen Augenblicken auf dem GeneralAlarmKnopf. Dicht darüber blinkte der SpezialTaster in
ununterbrochener Folge auf. Mit ihm beobachteten die elektronischen Einrichtungen das Haus Hent
Marats.
»Sie haben ein Zeitfeld errichtet!« schrie der Assistent. »Axthon – das darf nicht sein!«
Hark Axthon beugte sich erregt vor. Die Muskeln unter der lederartigen Haut seiner Wangen
arbeiteten hart.
Die Blicke des Assistenten saugten sich an dem Blinkfeuer der SpezialEnergieOrtung fest.
Blitzschnell stellte er eine Verbindung zur AbwehrZentrale auf Teckan her. Gleichzeitig alarmierte er
sämtliche im TeckanSektor stationierten Raumschiffe.
Wissenschaftler der Station OR 228 waren ausgebrochen. Hark Axthon war für diese Männer
verantwortlich. Er behielt die Leitung der Gegenaktionen in der Hand.
Der ungeheure Abwehrapparat Teckans, der das gesamte Sonnensystem umfaßte, erwachte
schlagartig. Auf allen zwölf Planeten des TeckanSystems aktivierte sich das sorgfältig ausgeklügelte
System, das für den Katastrophenfall eingerichtet war.
Aus dem gigantischen Leib eines Raumschiffes der TrakonKlasse löste sich ein ganzes Rudel
hochbrisanter Raketengeschosse. Es stürzte sich auf das Haus Hent Marats herab.
Unwillkürlich schrie Hark Axthon auf, als er beobachtete, daß das Zeitfeld über dem Haus am KatSee
urplötzlich zusammenbrach.
In wenigen Sekunden mußten die Atomraketen das Haus erreicht haben. Sie würden in seine völlig
ungeschützten Flanken schlagen!
*
Mit einer donnernden Explosion flog einer der Maschinengiganten auseinander, die das Zeitfeld mit Energie versorgten. Die Trümmerstücke fegten kreischend über die Panzerplastwandungen der unterirdischen Halle. Einer der Wissenschaftler brach – von einem zentnerschweren Trümmerstück getroffen – vor der Schalttafel zusammen. Er schützte ungewollt die unersetzliche Elektronik mit seinem Leib. Er bezahlte mit dem Leben. Der Chefwissenschaftler Fan Kar Kont wirbelte mit ungeheurer Wucht gegen Rex Corda. Der Anprall schleuderte den Terraner zu Boden. Kont schnellte sich sofort wieder hoch. Er warf sich über die Schalttafel und schaltete in atemberaubendem Tempo. Sekunden später erzitterte das Haus unter schweren Erschütterungen. Latak Decimo warf Corda ein kleines Gerät zu. Damit eilte er zu dem Maschinenblock hinüber. Ein meterbreiter Spalt klaffte in der Seite des Aggregates, dessen Funktion Corda nicht kannte. Weißglühende Stichflammen schossen daraus hervor. Decimo, der ein ähnliches Gerät wie Corda trug, sprühte damit eine blaue Flüssigkeit in die Glut. Die Hitze sank augenblicklich. Jetzt kam Corda dem Laktonen zur Hilfe. Er sah, wie Decimo das Gerät betätigte, und machte es ebenso. Die Flüssigkeit zischte in die Flammen. Beißende Dämpfe schlugen Corda in die Augen. Er bedeckte sich das Gesicht mit dem Arm, ohne das Gerät abzusetzen. Rasch sank die Hitze ab. Die Flammen wurden immer kleiner. Aber das Zittern und Beben des Bodens blieb. Als Decimo endlich das Sprühgerät absetzte, sah Corda ihn fragend an. Latak Decimo drehte sich langsam zu Fan Kar Kont um. Vor dem Chefwissenschaftler leuchtete ein Holograf auf dem Schalttisch. Auf ihm zeichnete sich nichts als weiße und rote Glut ab. Corda ließ den Sprüher fallen und ging zu Kont hinüber. »Was ist geschehen?« fragte er. »Der Generator versagte«, erklärte Kont mit unruhiger Stimme. »Das Zeitfeld brach sofort zusammen. Ich habe einen starken Schutzschirm aufgebaut, der uns vor den Raketen Hark Axthons schützt!« Corda sah auf den Holografen. Ununterbrochen explodierten die Raketen auf dem energetischen Schutzschirm. »Halten wir das lange genug durch?« fragte er. »Ich hoffe – ja!« Kont lächelte flüchtig. »Es trifft mich nicht ganz unvorbereitet. Für diesen Fall habe ich noch etwas mehr aufzubieten als nur dies!« * Hark Axthon bekam sehr bald zu spüren, wie schwer sein Kampf gegen Fan Kar Kont werden würde. Jetzt zeigte es sich, daß Lakton seine Wissenschaftler nicht ungestraft wie Gefangene halten konnte. Die jahrtausendealte Furcht der Laktonen vor ihren Wissenschaftlern schien auf Teckan ihre Bestätigung zu finden. Hark Axthon, der Sicherheitsoffizier von OR 228, litt unter dem gleichen Komplex wie fast alle Laktonen. Die Wissenschaftler hatten etwas Unbegreifliches für ihn. Obwohl Hark Axthon einen ungewöhnlich hohen Bildungsstand besaß, mußte er immer wieder erleben, daß Wissenschaftler sich in seiner Anwesenheit unterhielten, ohne daß er ein Wort begriff. Es war ihm nicht gelungen, die psychologische Brücke zu den Wissenschaftlern zu finden, die notwendig gewesen wäre, um ihre Sympathie und ihre Achtung zu gewinnen. Hark Axthons ständige Furcht, die Wissenschaftler könnten ihr ungeheures Wissen gegen ihn und die Ordnung Teckans richten, sah sich bestätigt. Obwohl ihm sein Verstand sagte, daß er mit der Loyalität der anderen, auf Teckan verbliebenen Wissenschaftler rechnen konnte, gelang es ihm nicht, seine Furcht auch vor ihnen zu überwinden. So versuchte er, sie mit hartem brutalem Griff unter seine Gewalt zu zwingen. Und das war genau das, was er nicht hätte tun dürfen. Die Ereignisse am KatSee sprachen sich ungeheuer schnell herum. Es war keine Stunde seit dem ersten Beschuß des Hauses von Hent Marat mit schweren Raketen vergangen, als die Nachricht den Planeten Teckan schon umlaufen hatte.
Danach war bekannt, daß ungefähr 50 Wissenschaftler, Männer und Frauen, unter der Schutzglocke waren. Es blieb jedoch auch nicht unbekannt, daß 12 Männer getötet worden waren. Diese Wissenschaftler hatten versucht, in einem großen Gleiter das Haus Marats zu erreichen. Sie waren bis auf wenige hundert Meter an das Haus herangekommen, als der Kreuzer seine Raketen abfeuerte. Hark Axthon beorderte die bedeutendsten Wissenschaftler Teckans zu sich und erteilte ihnen den Befehl, eine Methode zu finden, die Schutzglocke zu brechen. Das war eine Stunde nach dem Beginn des Angriffs. Die Wissenschaftler waren in OR 228 eingetroffen. Hark Axthon sprach im großen Konferenzraum mit ihnen. »Wir konnten bisher soviel feststellen, daß es sich um eine neue Art von Abwehrschirm handelt«, erklärte Axthon. Er saß hinter einem niedrigen Pult auf einer Art Bühne vor den Wissenschaftlern. Seine kalten stechenden Blicke glitten von einem Laktonen zum anderen. Sie waren voller Mißtrauen und Zorn. »Wir konnten den Schirm bisher nicht brechen, obwohl wir die Angriffe verstärkten. Es ist Ihre Aufgabe, so schnell wie möglich eine Methode zu finden, mit der der Schirm zu durchschlagen ist.« Ein greiser Laktone erhob sich. Seine eigentümliche Haltung – er spreizte die dürren Arme auffällig ab – zeigte Hark Axthon, daß der Wissenschaftler durch Gravitationsmechanismen gestützt werden
mußte.
»Ich werde diese Aufgabe nur in Angriff nehmen, Axthon, wenn Sie die Absicht aufgeben, Fan Kar
Kont zu töten!«
Axthon sprang erregt auf. Seine Faust knallte auf das Pult vor ihm.
»Was soll das bedeuten? Wollen Sie sich meinen Befehlen widersetzen?« brüllte er. Er fühlte, wie ihm
eine eisige Welle der Abneigung entgegenflutete.
»Sie wissen sehr genau, weshalb sich Fan Kar Kont unter den Schutzschirm zurückgezogen hat«,
behauptete der Alte. »Er will fliehen! Sie wissen auch, warum!«
»Das steht nicht zur Debatte!« versetzte Axthon schneidend.
»Wenn wir einen Weg finden, den Schirm zu brechen, dann genügt es, mit Schockern auf die Kollegen
zu schießen! Sie müssen nicht getötet werden!«
Hark Axthon trat zwei Schritte vor. Er setzte zu einer scharfen Antwort an, als sich plötzlich alle
Wissenschaftler erhoben.
»Wir sind der gleichen Meinung!« sagte ein Laktone. Er hatte ein ZebraGesicht, wie Fan Kar Kont.
Graue und braune Streifen zogen sich über sein sonst absolut humanoides Gesicht.
Der Sicherheitsoffizier ließ sich auf keine Debatte ein. Er wußte, wie er sich zu entscheiden hatte.
»Wir werden Fan Kar Kont nicht töten! Wir werden nur mit betäubenden Waffen arbeiten!« versetzte
er scheinbar gelassen, doch ein sardonisches Lächeln kräuselte seine Lippen. »Gehen Sie an Ihre
Arbeit!«
Die Wissenschaftler verließen den Raum. Hark Axthon wollte sich abwenden. Er nahm seine Notizen
vom Pult und wollte den Konferenzraum durch einen anderen Ausgang verlassen, als sein Assistent auf
ihn zutrat.
»Axthon! OR 224 liegt unter PSGBeschuß!«
Axthon erbleichte.
»Das kann doch nicht wahr sein!«
»Doch! Es stimmt! Seit wenigen Augenblicken wird die Station von der nahen Höhe aus ununterbrochen
beschossen. Das Vierlingsgeschütz verfeuert ungefähr 800 Geschosse in der Minute. Die Geschosse
durchschlagen den Zeitschirm mühelos!«
Hark Axthon stürzte aus dem Raum. Er lief in sein Büro hinüber und eilte zum Holografen. Darauf
konnte er den Angriff auf die Station deutlich verfolgen.
Blitzschnell schaltete er um auf GeheimCode und rief dann die Programmierungsdaten in den
Holografen. Sekunden später hatte er eine direkte Verbindung mit der Forschungsstation OR 224.
Eine Sonderschaltung überbrückte den Zeitunterschied zwischen Station und Außenwelt.
Das quadratische Gesicht des dort stationierten Sicherheitsoffiziers tauchte auf.
»Räumen Sie die Station sofort! OR 224 liegt unter PSGBeschuß. Die Geschosse schlagen
ununterbrochen durch den Zeitschirm!«
»Wir merken nichts!« stammelte der Offizier verwirrt.
»Sie Narr! Die Geschosse explodieren in einigen Minuten, sobald sie den Zeitunterschied überbrückt
haben! Beeilen Sie sich!«
Jetzt schaltete der Offizier. Seine Hände zuckten vor. Hark Axthon hörte die schrillen Alarmsirenen.
Er ließ den Holografen eingeschaltet und verfolgte, wie der Offizier nunmehr energisch die
Räumungsaktion leitete. Als die Wissenschaftler in bereitstehende Gleiter sprangen, verließ Axthon
seinen Beobachtungsposten.
»Kommen Sie! Ich muß zu OR 224! Ich muß wissen, wer hinter diesem Angriff steckt!«
Er setzte sich mit der Abwehrzentrale auf Teckan in Verbindung und forderte zehn leichtere
Kampfeinheiten für den Einsatz an der Höhe bei OR 224 an.
Dann verließ er sein Büro und stieg in den Gleiter. Sein Assistent saß hinter den Kontrollen. Er startete
sofort, als Hark Axthon an Bord war.
Als sie den Zeitschirm durch die Zeitschleuse passiert hatten, sah Axthon die Wissenschaftler, mit
denen er eben gesprochen hatte, in einem größeren Gleiter in Richtung auf den KatSee fliegen.
»Schneller!« befahl er.
Sein Assistent beschleunigte hart.
*
Unter der Energiekuppel über dem Haus am KatSee arbeiteten die Wissenschaftler mit fieberhafter
Eile an der Reparatur des Generators. Auch Latak Decimo wollte sich daran beteiligen, doch Rex Corda
kam zu ihm und zog ihn zur Seite.
»Das alles ist nicht so wichtig, Decimo!« ermahnte er ihn. »Denken Sie daran, daß es uns nur auf den
Transmitter ankommt! Lassen Sie sich nicht ablenken!«
Latak Decimo biß sich ärgerlich auf die Lippen.
»Es tut mir leid, Corda! Ich hätte mich nicht ablenken lassen dürfen! Wir hätten schon viel weiter sein
können! Kommen Sie!«
Er zerrte Corda zu dem Gleitfeld hinüber, das sie rasch in die oberen Stockwerke trug. Der kleine
Transmitter stand in dem Musikzimmer Hent Marats. Er stand vor den Regalen mit den Musikbändern.
Der Koffer war offen. Bir Osgo und Estrer Yho standen daneben. Sie sahen erregt aus, als Corda und
der Synoptiker kamen.
»Ich habe versucht, den Transmitter aufzubauen, Decimo«, erklärte Bir Osgo mit hilfloser Geste. »
Aber ich habe es nicht geschafft!«
»Sie sollten bei Ihren Disziplinen bleiben, Osgo!« verwies ihn Decimo scharf. »Der Transmitter ist zu
kostbar! Ihm darf nichts geschehen. Er ist unser einziger Weg zur Corocon 3.«
»Corocon 3? Was ist das?« fragte Estrer Yho. Nervös nestelte der Assistent Fan Kar Konts an seinem
Helm, den er immer noch auf dem Kopf trug.
»Die Corocon 3 ist ein Raumschiff der WachbootKlasse«, erläuterte Corda. »Wir sind mit diesem
Schiff von Terra gekommen. In der Corocon 3 steht die Gegenstation zu diesem Transmitter!«
Latak Decimo sah auf den elektronischen Dolmetscher, den Corda benutzen mußte, um sich mit Yho
verständigen zu können. Der Übersetzer sah aus wie ein auf Terra gebräuchlicher Belichtungsmesser
mit zwei grünen Lichtern und einem pendelnden Pfeil.
»Corda, der Transmitter ist nicht funktionsfähig!« Rex Corda brach mitten im Satz ab, als er die
Worte Decimos hörte. Bir Osgo fuhr heftig herum. Mit einem Schlag verlor er seine Hemmungen und
seine Zurückhaltung. Seine kleinen Hände schossen vor und krallten sich in die Bluse Latak Decimos.
»Das ist nicht wahr!« keuchte er. »Das kann doch nicht wahr sein! Ich habe ihn funktionsfähig
übergeben, Decimo! Das können Sie nicht bestreiten!«
Decimo setzte zu einer Reaktion an, die nicht minder heftig zu werden drohte wie die Osgos. Doch
Corda fuhr rechtzeitig dazwischen. Seine eiskalte ruhige Stimme trennte die beiden ungleichen
Männer.
Sie drehten sich langsam zu Corda um. Decimo senkte den Kopf. Osgos Lippen zuckten.
»Sie haben recht, Sir, die Lage ist wirklich zu ernst. Entschuldigen Sie!«
Estrer Yho schluckte. Er glaubte, sich verhört zu haben. Er suchte den Blick der Augen des Terraners.
Und die panikartig aufwallende Angst erlosch, als er das Gefühl hatte, in einen Gletscher zu stürzen.
»Was ist geschehen, Decimo?«
Der Synoptiker, der als einziger der hier im Haus versammelten Wissenschaftler einen Überblick über
sämtliche wichtigen Disziplinen besaß und der deshalb allen überlegen war, hockte sich auf die Knie. Er
begann schweigend damit, den Transmitterbogen zu montieren. In wenigen Minuten entstand der
Transmitter. Er sah so aus, wie Rex Corda ihn in dem Hotel in Teck, der Hauptstadt, gesehen hatte.
Im Koffer ballten sich die elektronischen Geräte, die den außerordentlich komplizierten
Steuerungsprozeß beherrschen sollten. Das kleine Energieaggregat, daß Corda und Bir Osgo den
Transport nach Teckan ermöglicht hatte, war verbrannt. Das war keine Überraschung. Es war vorher
bekannt gewesen, daß das Aggregat nur eine geringe Leistung hatte. Im Haus Hent Marats konnten
andere Energiequellen aufgeschlossen werden.
Latak Decimo legte seinen Finger auf den Rand einer deutlichen Lücke in dem dichten Kabelgewirr.
»Hier sitzt ein kleiner Computer. Er arbeitet mit diesen beiden anderen hier zusammen. Diese
Computer schlüsseln die atomare Struktur der zu transportierenden Objekte in ein kompliziertes
Impulsmuster auf. Der Computer ist verschwunden!«
»Können wir einen neuen bauen?« fragte Corda.
Decimo lächelte zögernd. Er fragte nicht mehr, wo der Computer geblieben war. Er fragte nicht
danach, ob ein Eingriff vorgenommen worden war oder nicht. Er suchte nur nach einer Möglichkeit,
trotz des Verlustes den Transmitter zu benutzen.
»Wir müssen es versuchen, Corda«, sagte der Synoptiker. »Eine kleine Chance haben wir noch. Wir
benötigen jedoch mindestens vierundzwanzig Stunden!«
»Das ist viel Zeit!«
Corda wandte sich ab, um in den Generatorraum zurückzukehren.
»Veranlassen Sie alles Notwendige, Decimo! Sie, Yho, Sie bleiben von jetzt an ständig bei dem
Transmitter und bewachen ihn!«
Corda blieb stehen, als Yho nicht antwortete. Der junge Assistent Konts stemmte seine Hand fest auf
den Kolben seiner Strahlwaffe an der Hüfte. Er drückte das Kinn etwas herab und versuchte, das
unsichere Zucken seiner Mundwinkel zu überwinden. Rex Corda zögerte, als er sah, wie dieser Laktone
mit seinen Komplexen kämpfte.
»Sie können sich ganz fest auf mich verlassen, Corda«, antwortete Yho mit fester Stimme und fügte
zögernd hinzu: »Sir!«
Latak Decimo sprang auf und kam zu Corda.
»Bitte kommen Sie mit mir! Ich muß mit Hent Marat und den anderen sprechen. Sie sind in einem Labor!
« sagte er.
Rex Corda ging neben ihm her. Er fühlte, daß Decimo zorngeladen war. Mühsam beherrschte sich der
Synoptiker.
»Es ist mir ein Rätsel, daß Kont Ester Yho mitgenommen hat«, versetzte er, als sie den Raum verlassen
hatten. »Yho ist eine glatte Gefahr für uns!«
Corda antwortete nicht. Er trat mit dem Laktonen in das Labor ein, in dem die meisten Wissenschaftler
sich aufhielten. Sie versuchten, Ersatzteile für den zerstörten Generator herzustellen. Die beiden
Männer gingen sofort zu Marat.
Ierra Kretan, die Mathematikerin, war bei ihm. Sie senkte ihre Augen, als Corda zu Marat kam. Corda
berichtete in knappen Worten, was vorgefallen war. Der elektronische Dolmetscher übersetzte exakt.
»Wie lange benötigen Sie?« fragte Marat, als Corda seinen Bericht beendet hatte.
»Das ist die Frage! Wieviel Männer können Sie auf die Aufgabe ansetzen? Wieviel Spezialisten haben
wir zur Verfügung?« warf Decimo ein. »Ich rechne mit einem Tag!«
Corda sah, daß die schöne Laktonin sich auf die Lippen biß. Ihre dunklen Mandelaugen flammten auf.
»Wir sollten aufgeben!« sagte sie entschlossen. »Es hat keinen Zweck! Wir schaffen es nie mehr
rechtzeitig!«
Decimo sah überrascht auf. Sein Blick glitt zu dem mannshohen Holografen, der am Ende des
Laborraumes in die Wand eingelassen war. Auf ihm sah Decimo den fluoreszierenden Schutzschirm und
dahinter den KatSee. Lebende Vegetation gab es jenseits des Schirms nicht mehr. Die ParkerS
Geschosse hatten alles Leben am KatSee ausgelöscht.
Doch ein großer Gleiter war in der Nähe des Schutzschirmes gelandet. Gerade stiegen mehrere
Männer aus. Sie entluden zahlreiche Geräte.
»Warum sollten wir aufgeben?« fragte Corda.
Ierra Kretan wich seinen Blicken aus. Sie zeigte mit bebender Hand auf die Männer am Gleiter.
»Deshalb!« sagte sie heftig. »Das sind Kollegen von OR 224! Ich kenne Sie! Sie werden diesen
Schutzschirm in spätestens fünf Stunden analysiert haben. Danach ist es keine Schwierigkeit mehr für
die Abwehr, den Schirm zu zerschlagen! Mit anderen Worten, wir haben nur noch fünf Stunden zu
leben, wenn wir hierbleiben!«
Corda konzentrierte sich scharf auf sie. Seine Sondersinne achteten auf jeden Impuls. Schmerzend
trat in seinem Hinterkopf das Sonderzentrum in Aktion, das ihn befähigte, die Gefühle anderer
Menschen zu erfassen.
»Haben Sie den Transmitter Decimos zerstört?« fragte er blitzschnell. Die Frage kam so schnell, daß
Ierra Kretan keine Zeit hatte, sich darauf einzustellen. Ihre Reaktion mußte spontan kommen.
»Nein!« antwortete sie kalt.
Sie sah ihn mit kühlen spöttischen Augen an und ging hautnah an ihm vorbei. Auf ihren vollen Lippen lag
ein herausforderndes überlegenes Lächeln.
Rex Corda zuckte gleichmütig mit der Schulter.
»Es war nur eine Frage«, versetzte er gähnend.
Die emotionelle Reaktion auf seine Frage hatte Ierra Kretan entlastet. Sie hatte nicht gelogen. Das
wußte Corda jetzt.
Sie hatte den Transmitter nicht zerstört. Sonst hätte sie anders reagiert.
Corda fühlte sich ein wenig erleichtert. Ihm fiel nicht auf, daß seine Frage nicht absolut richtig
gewesen war.
Zerstört hatte Kretan den Transmitter nicht – sie hatte ihn nur funktionsunfähig gemacht, indem sie
ein kleines Teil daraus entfernte.
Ein helles Blitzen auf dem Holografen schreckte Corda auf. Dicht unter dem Horizont schoß eine
gleißende Stichflamme zum grünlichblauen Himmel Teckans empor.
»Das ist die Station OR 224!« rief Hent Marat.
*
Hark Axthon sah sich erschrocken um, als Teckan donnernd hinter ihm aufbrach. Auch sein Assistent
sah zurück.
Dort, wo die Forschungsstation OR 224 gewesen war, peitschte jetzt ein zuckendes Strahlenbündel
aus dem grünblauen Boden. Bäume, Büsche, Hausteile und Maschinen wirbelten durch die Glutmassen.
Der Zeitschirm über der Station war verschwunden. Jede einzelne ParkerSGranate, die vor Minuten
in den Schirm geschlagen war, explodierte jetzt. Hark Axthon konnte die Explosionen nicht zählen,
aber er wußte, daß es annähernd 800 in der Minute waren. Inmitten der Glut entstand ein Krater, der
sich tiefer und tiefer in die Erde bohrte.
Niemand, der sich in der Station aufgehalten hätte, hätte diesen Angriff überlebt!
Der Assistent Hark Axthons zwang den Gleiter in ruhige Flugbahnen. Die erschütterten Luftmassen
schlugen mit geballter Kraft nach dem Fahrzeug und versuchten, es auf dem Boden zu zerschmettern.
Trotz größter Geschicklichkeit konnte der Agent nicht verhindern, daß die Unterseite des Gravo
Gleiters über einige hochragende Blumenbäume ratschte.
Hark Axthon krallte sich mit verbissenem Gesicht an die Haltevorrichtungen. Seine Blicke richteten
sich starr auf die Höhe, von der die Angriffe gekommen waren. Er war fest entschlossen, jeden
Widerstand zu zerschlagen.
Der Assistent flüchtete mit dem Gleiter dicht an die Oberfläche eines blauen Sees heran, da er hier
im Windschutz der Bäume flog. Über ihnen rauschte die gequälte Luft vorbei. Weit hinter ihnen wuchs
ein grauschwarzer Atompilz in den Himmel Teckans.
»Axthon!« schrie der Assistent. Er zeigte mit einer Hand auf den Rand des Sees.
Axthons Kopf flog herum. Blitzschnell machte er die kleine Gruppe von schwarzgekleideten Männern aus, die sich mit großer Hast in die dichten Büsche des Parks zurückzogen. »Dort hinüber!« schrie Axthon. Sein Assistent versuchte, den Gleiter herumzureißen, doch in diesem Augenblick wirbelte ein Metallstück über die Bäume heran, das nur unwesentlich kleiner war als der Gleiter. Brüllend grub sich das Metall in das Heck des Gleiters und schleuderte ihn mit verheerender Wucht auf den See hinab. Mit letzter Kraft schrie der Assistent einen Notruf in den Holografen. Dann prallte der Gleiter auf das Wasser. Die Wucht stauchte die beiden Sicherheitsoffiziere so fest auf ihre Sitze, daß sie für wenige Augenblicke das Bewußtsein verloren. Als Hark Axthon wieder zu sich kam, stieß der Boden des Gleiters dicht unter dem Ufer auf den Grund des Sees. Er atmete erleichtert auf, beugte sich vor, riß den Unfallkasten auf und entnahm ihm eine Hochdruckspritze. Er setzte sie an den Hals seines Assistenten und drückte ab. Sekunden später schon tauchte der Agent aus seiner Bewußtlosigkeit. Hark Axthon versuchte währenddessen den Gleiter wieder in Betrieb zu nehmen, doch das gelang ihm nicht. Die Gravitationsmotoren schwiegen. Sein Assistent fuhr heftig hoch, als er das Bewußtsein wiedererlangt hatte. »Axthon!« stöhnte er entsetzt. Der Sicherheitsoffizier fuhr herum. Der Atem stockte ihm. Die blauen Fluten des Sees teilten sich und der gigantische Schädel eines extrateckanischen Sauriers starrte sie an. Hark Axthon begriff in dieser Sekunde überhaupt nicht, wie er das System dieser Parkanlage vergessen konnte. Er hätte wissen müssen, daß dieser See die Heimstätte mehrerer Gigantsaurier war. Er hätte auch sofort wissen müssen, daß es kein Entkommen gab. Die Anlage war für die Wissenschaftler errichtet worden. Sie sollten hier Freude und Entspannung finden. Sie sollten vergessen, daß sie in einem Gefängnis lebten. Aber sie durften keiner Gefahr ausgesetzt werden. Deshalb schlossen unsichtbare Kraftfelder den See ein. Die Saurier konnten den See nicht verlassen. Es war das besondere Pech Hark Axthons, daß der Gleiter gerade eben noch über die Kraftfelder hinweggekommen war. Der Saurier stieß einen schrillen Schrei aus. Er hob seinen Kopf um weitere zehn Meter. Schnaufend rückte er näher. Hark Axthons Finger trommelten auf die Notruftaste. * Die Notrufe wurden auch innerhalb des Hauses von Hent Marat registriert. Die Wissenschaftler hatten eine kleine Gruppe mit der Überwachung der Maßnahmen der Abwehr beauftragt. Die Informationen kamen zunächst jedoch nur sehr spärlich. Doch sehr bald erfuhren Rex Corda und Latak Decimo, daß die Forschungsstation OR 224 vernichtet worden war. Sie konnten sich auch darüber informieren, daß Hark Axthon als Leiter der Gegenaktionen die Höhe angreifen wollte, von der die ParkerSGeschosse gekommen waren. Bir Osgo war es, der Corda davon unterrichtete, daß die Gruppe der gegnerischen Wissenschaftler vor dem Schutzschirm offensichtliche Fortschritte machte. »Ich habe erst mit Fan Kar Kont gesprochen«, berichtete der kleine Laktone. Er sprach langsam, aber sehr laut. Auf seiner massigen Stirn perlte dichter Schweiß. »Kont sagte, er habe den Schutzschirm nicht sonderlich kompliziert aufgebaut. Er ist der Meinung, daß die Abwehr schon in zwei Stunden weiß, wie sie ihn brechen kann. Bis dahin aber können wir den Transmitter unmöglich einsatzbereit machen!« »Kommen Sie!« Abermals eilte Corda zu Hent Marat. Der Biochemiker saß allein in seinem Eßzimmer und brütete über einem heißen, herb duftenden Getränk. Er sah auf, als Corda den Raum betrat. »Auf Teckan ist die Hölle los!« sagte Marat. »Wenn wir nicht bald von hier verschwinden, schaffen wir es nie! Ierra Kretan hat nicht ganz unrecht!« »Ich dachte nicht, daß Sie genauso denken wie Kretan!« Marat zuckte unter den scharfen Worten zusammen.
»Was ist mit dem Transmitter, durch den Fan Kar Kont ins Haus gekommen ist?« forschte Corda.
»Mit ihm können wir nicht fliehen!« sagte der Alte. »Das Sperrfeld über Teckan verhindert jede
Transmission. Es geht nur mit dem Transmitter Latak Decimos!«
»Vielleicht ist es einfacher für Decimo, den anderen Transmitter umzubauen, als seinen mit einem
neuen Computer auszustatten?«
Hent Marat sprang auf.
»Kommen Sie, Corda! Schnell!«
Er eilte an der Seite Cordas und Bir Osgos aus dem Raum. Der kleine Organisationstechniker runzelte
gewichtig die Stirn, als sie an Ierra Kretan vorbei hasteten. Die Mathematikerin wollte offensichtlich
das Eßzimmer gerade betreten.
»Wohin wollen Sie?« fragte sie Osgo.
Der Organisationstechniker errötete heftig. Er blieb zögernd stehen. Er zwang sich, der schönen
Laktonin in die Augen zu sehen. Er erklärte ihr den Vorschlag des Terraners.
Ierra Kretan lächelte geheimnisvoll. Sie fing den Blick des schmächtigen Laktonen. Bir Osgo verstand
das Lächeln falsch.
»Ich mag nicht allein essen, Osgo«, sagte sie. »Wollen Sie nicht einen Augenblick bei mir bleiben?«
Osgo folgte ihr in das Eßzimmer, während Rex Corda und Hent Marat zu dem Transmitterraum
hasteten.
»Früher waren Transmissionen auf Teckan erlaubt«, erklärte Marat. »Aus dieser Zeit stammt der
Transmitter noch. Heute fürchtet die Abwehr, daß wir mit Hilfe eines Transmitters fliehen könnten!«
»Vielleicht nicht zu Unrecht!« bemerkte Corda.
Hent Marat grinste. Es machte ihn jünger. Sie eilten über einen Gang, an dessen Wänden Bilder in
seltsam melancholischen Farben hingen.
»Natürlich bietet ein Transmitter die einzige Möglichkeit, Teckan zu verlassen. Doch jetzt gibt es das
Sperrfeld. Die Transmitter traditioneller Bauweise funktionieren nicht mehr. Auch im Verkehr auf dem
Planeten selbst ist die Funktion der Transmitter beschränkt. Aber vielleicht kann Decimo wirklich
etwas machen!«
Er blieb zwischen zwei großen Bildern stehen. Auch hier bildete ein Kraftfeld die Tür. Es füllte den
leeren Raum in der Wand und täuschte eine glatte Fläche vor. Marat drückte auf einen geschickt
verborgenen Knopf neben dem rechten Bild. Das Kraftfeld sank in sich zusammen.
Hent Marat trat als erster in den kleinen Raum. Corda wollte ihm folgen. Doch Marat blieb so abrupt in
der Tür stehen, daß er gegen ihn prallte.
Aus den Wänden heraus kam das Licht, das die Trümmer beleuchtete. Der Mechanismus schien bei der
Explosion gelitten zu haben. Das ausgeschüttete Licht war nicht mehr weiß, sondern rötlich.
Das rötliche Licht machte den Eindruck der Zerstörung vollkommen.
Der von einer Thermobombe zerfetzte Transmitter hatte einmal im Zentrum des Raumes gestanden.
Der klägliche Rest des Sockels bewies es.
*
Die Faust Hark Axthons fuhr auf das Armaturenbrett herab. Krachend flog das Dach des Gleiters weg.
»Wir nehmen die Schocker!« bestimmte der Sicherheitsoffizier.
Der Saurier glich jenem gigantischen Urocordyli des terranischen Karbon. Flammendrot leuchtete die
Unterseite des mächtigen Leibes auf, als das Urzeitwesen seinen dreieckigen Kopf bis in eine Höhe von
fast zwanzig Metern hinaufreckte. Mordlustig funkelten die faustgroßen gelben Augen auf die beiden
Agenten herab.
Hark Axthon riß seinen Schocker hoch. Die Waffe sah aus wie ein kurzläufiges Gewehr mit nußgroßen
Nocken an dem Beschleuniger der Schockwellen. Es knackte leise, als Axthon die Waffe auslöste.
Lautlos schossen die Wellen zu dem Ungeheuer hinauf.
Der Gigant warf den Schuppenkopf aufbrüllend zur Seite. Mit einem wütenden Satz schnellte sich der
Riese aus dem schlammigen Wasser. Er hob sich mit seinem gesamten Leib über die Flut. Hark Axthon
krallte sich an die Polster des Gleiters, als der Saurier vor ihm aufwuchs. Im Sprung drehte sich das
Tier, von zwei weiteren Schocks getroffen. Es warf sich weit zurück und landete auf dem Rücken im
Wasser. Eine schlammig stinkende Flutwelle ergoß sich über den offenen Gleiter.
Bevor Hark Axthon in dem stinkenden Wasser versank, sah er eine jener kleinen Kampfeinheiten, die
gegen die Höhe eingesetzt werden sollten, über den Baumwipfeln auftauchen. Fast im gleichen
Augenblick fühlte er sich von der paramagnetischen Zugwelle gepackt, die ihn aus dem Gleiter
emporriß. Neben ihm wirbelte sein unmäßig fluchender Assistent durch die Luft.
Hark Axthon sah den Giganten unten im blauen Wasser. Er wälzte sich zuckend unter dem
Nervenschock. Der rote Leib flammte immer wieder heftig auf.
Axthon landete in der kleinen Schleuse. Krachend schlossen sich die Schotts. Hark Axthon wollte
aufspringen, als sich eine eiskalte Wasserflut über ihn und seinen Assistenten ergoß.
Er warf sich herum, kippte den Hebel des Holografen um und brüllte seinen wütenden Protest in das
Mikrophon. Das dreidimensionale Bild des Bordkommandanten formte sich direkt vor seinen Augen. Das
Gesicht war hart und unbeteiligt. Nur die rechte Augenbraue wanderte leicht auf die Stirn hinauf, als
der Kommandant Axthon sah.
»Stellen Sie das Wasser ab, verdammt!« brüllte Axthon immer wieder. Wütend trommelte er mit den
Fäusten gegen die Bildfläche des Holografen.
Doch die Wasserflut blieb. Die dünnen Strahlen brannten auf der Haut des Offiziers. Sie schwemmten
jedes Tröpfchen Schmutz von ihm ab. Nach Minuten erloschen endlich die Duschen.
Hark Axthon keuchte erschöpft.
»Das werden Sie mir büßen!« knurrte er.
Der Kommandant zog die Augenbraue etwas höher auf die Stirn hinauf.
»Sie scheinen sich mit den spezifischen Bordgesetzen schlecht auszukennen, Axthon«, versetzte er
kühl. »Sie waren mit dem Schmutz aus dem Tümpel verseucht. Es ist ganz selbstverständlich, daß wir
Sie erst gründlich säubern müssen, bevor Sie das Schiff betreten dürfen!«
Er schnippte mit den Fingern. Im gleichen Augenblick zischte heiße trockene Luft aus den zahlreichen
Düsen in die Schleuse. Hark Axthon und sein Assistent waren in wenigen Sekunden trocken.
Das innere Schleusenschott öffnete sich vor ihnen. Der Kommandant trat ihnen entgegen. Er war ein
Riese von Mann. Sein breiter Kopf berührte fast die Rohre, die in drei Meter Höhe unter der Decke
entlangliefen.
»Bringen Sie mich sofort zu der Höhe bei OR 224!«
»Sie meinen die Höhe, von der aus die Station beschossen wurde?«
»Natürlich!« warf der Assistent scharf ein.
Der Kommandant lächelte.
»Die Höhe existiert nicht mehr. Wir haben das Gelände bereits nivelliert!«
»Und?«
»Die Geschützstellungen wurden vernichtet!«
»Und? Von wem wurden sie gesteuert? Wer waren die Schützen?« forschte Axthon zornig.
Der Kommandant des Kampfbootes hob gleichmütig die Schultern.
»Wir konnten niemanden mehr finden. Entweder war die Station bereits verlassen – oder wir haben
alles vernichtet, was dort lebte!«
»Axthon!« Der Assistent griff nach dem Arm seines Chefs. »Wir haben doch die Schwarzen im Park
gesehen!«
»Welche Schwarzen?« fragte der Kommandant.
»Natürlich!« rief Axthon. Mit knappen Worten informierte er den Kommandanten. Er eilte mit ihm zur
Funkbrücke und rief von dort aus die anderen Kampfraumer. Er befahl die konsequente Einkesselung
des Parks.
Die RundsichtHolografen flammten auf. Sie erlaubten eine Totalsicht auf das vor ihnen liegende
Gelände mit einem Blickwinkel von annähernd 230 Grad. Unter ihnen lag der Park. Blau und rot blühende
Zierbäume strebten aus dem vielfach differenzierten Grün empor. Axthon machte die anderen
Kampfeinheiten aus, die Stellung bezogen hatten.
Aus dem Grün tauchte etwas Helles auf. Axthon sah es kurz aufblitzen. Im nächsten Augenblick schon
schüttelte sich das Kampfboot unter einem schweren Treffer im Heck.
»Feuern Sie!« bellte Axthon.
Der Kommandant gab den Befehl präzise an die elektronisch gesteuerte Kampfzentrale weiter. Er
ordnete den Beschuß des gesamten Gebietes mit Bordschockern an. Doch jetzt unterbrach ihn Hark
Axthon.
»Feuern Sie mit Strahlwaffen!«
»Der Park…«, protestierte der Kommandant, doch wieder unterbrach der Sicherheitsoffizier ihn.
»Der Park ist mir völlig gleichgültig! Vernichten Sie den Gegner! Ich habe viel wichtigere Dinge zu tun!
Ich will und kann mich nicht lange hier aufhalten!«
Der Kommandant wollte den Befehl weitergeben, als abermals ein Geschoß in den Leib des Kampfbootes
schlug. Für wenige Sekunden fiel die Verbindung zur Kampfelektronik aus. Irgendwo krachten
Sicherungen. Der Kommandant zog sein Schiff zurück.
»Sehen Sie! Dort!« rief der Assistent. Er packte seinen Chef am Arm und zeigte auf das Randgebiet
des Parks. Axthon sah zehn schwarz gekleidete Männer über eine Lichtung hasten.
»Landen Sie!« befahl er.
Der Kommandant zögerte nicht. Er beschleunigte kurz und setzte den Kampfraumer dann am Rande des
Parks auf. Hark Axthon ließ sich neue Waffen geben, da er fürchtete, seine eigenen Strahlwaffen
könnten im entscheidenden Moment versagen. Aus den hinteren Bereichen des Kampfbootes kamen
alarmierende Meldungen durch.
»Kommen Sie!« rief Axthon seinem Assistenten zu. »Geben Sie mir Feuerschutz! Und schicken Sie mir
fünf Männer nach!«
Der Kommandant bestätigte und beorderte die Soldaten zur Schleuse. Axthon traf mit ihnen
zusammen, als er und sein Assistent dort ankamen. Hastig erteilte er seine Befehle.
Die Schleuse sprang auf. Die Männer hetzten hinaus. Aus den Augenwinkeln heraus sah Hark Axthon,
daß der Kommandant gehorchte. Die schweren Termoprojektoren an der Flanke der Kampfeinheit
schwenkten herum.
Im gleichen Augenblick entdeckte er einen der Gegner zwischen den Büschen. Der Saboteur schien ihn
erst jetzt bemerkt zu haben. Er versuchte zu flüchten.
Hark Axthon zögerte keine Sekunde. Er riß seine Strahlwaffe hoch und feuerte. Nur die
gedankenschnelle Bewegung des Schwarzen rettete diesem das Leben. Der gleißende Hitzestrahl
fauchte röhrend an seinem Kopf vorbei. Der Saboteur wurde ruckartig herumgerissen. Die ungeheure
Hitze schleuderte ihn zur Seite. Sein Kopf schien in Glut aufzugehen.
Hark Axthon schrie voller Schrecken auf.
Eine Hülle sprang krachend vom Kopf des Saboteurs ab. Darunter wurde ein anderes Gesicht sichtbar.
Das Gesicht war grün. Die Augenlider leuchteten in einem satten Rot. Und helmförmig schmiegten sich
schwarzschillernde kurze Federn um seinen runden Kopf.
»Orathonen!« brüllte sein Assistent.
*
»Wir schaffen es nicht! Wir schaffen es einfach nicht!« stöhnte Latak Decimo. »Die Männer arbeiten
wie die Besessenen, aber es ist einfach nicht zu schaffen!«
Er wies auf den Holografen.
»Die da draußen werden früher fertig als wir«, erklärte er Corda. »Und dann ist alles vorbei! Ich weiß
keine Lösung mehr!«
Rex Corda hatte sich davon überzeugt, daß die Laktonen wirklich in größter Eile an der Reparatur des
Zeitfeldgenerators und an der Neukonstruktion des Kleinstcomputers arbeiteten.
Seit er in diesem Hause war, hatte er sich bemüht, jeden Anwesenden zu testen. Er hatte versucht,
sich auf jeden einzelnen zu konzentrieren, um dessen Gefühle zu erfassen. Er war der Ansicht, daß sich
ein Verräter durch seine Empfindungen selbst entlarven müßte.
Er hatte sich geirrt. Keiner der laktonischen Männer und Frauen hatte ihm Grund zu einem Verdacht
gegeben. Ierra Kretan hatte er mehrfach überprüft, aber auch bei ihr hatte er nichts feststellen
können. Alle Bemühungen, den Computer wiederzufinden, waren gescheitert.
Rex Corda gab dennoch nicht auf. Für ihn und die Erde ging es um mehr als für die Wissenschaftler.
Die laktonischen Wissenschaftler boten Terra durch ihr Können eine einmalige Chance. Nur durch ihre
Hilfe konnte es den Menschen der Erde gelingen, auf das geistige Niveau hinaufzuwachsen, das als
Existenzgrundlage für ein freies Volk innerhalb der Galaxis notwendig war. Ohne die Wissenschaftler
würde es nicht gelingen, die vielen Rätsel zu lösen, die sich der Erde nach der Invasion der Laktonen
und Orathonen gestellt hatten.
Die Flucht der Wissenschaftler mußte gelingen!
Corda merkte, daß er mit Estrer Yho allein war. Der Assistent Fan Kar Konts stand wie angenagelt
neben dem Transmitter. Er stützte die rechte Hand auf den Kolben, seiner Strahlwaffe und bemühte
sich um einen entschlossenen männlichen Gesichtsausdruck. Es gelang ihm nicht.
Rex Corda musterte den Mann. Er wußte inzwischen, daß Estrer Yho ein Koloniallaktone war, der auf
FAR aufgewachsen war, einem Planeten, den die Laktonen zu den Randwelten zählten.
Langsam ging er auf Yho zu. Die Blicke des Mannes trafen ihn. Und plötzlich begriff Rex Corda die
Tragödie dieses Wissenschaftlers. Er wußte von Latak Decimo, daß Estrer Yho eine geniale Intelligenz
besaß.
»Warum, Yho, sind Sie nicht bei Ihrem Chef Fan Kar Kont und helfen ihm, den Generator zu
reparieren? Warum nicht, Yho?« fragte er ruhig.
»Ich kann Fan Kar Kont nicht helfen. Er braucht keine Hilfe!«
»Yho – haben Sie den Transmitter funktionsunfähig gemacht?« Estrer Yho sah ihn entsetzt an.
»Sir – das würde ich nie tun! Ich habe keinen größeren Wunsch, als den Transmitter funktionsfähig zu
machen!« beteuerte Yho.
»Warum verschließen Sie sich, Yho?« lächelte Corda. »Glauben Sie nicht, daß Sie ohne Fan Kar Kont
bestehen können?«
Estrer Yho zuckte zusammen. Er wich den bohrenden Blicken Cordas aus.
»Wir brauchen eine Frist, Yho! Die Wissenschaftler da draußen dürfen noch nicht herausfinden, wie
der Energieschirm zu brechen ist! Wissen Sie, wie wir einen Aufschub gewinnen können?«
Rex Corda wartete ab. Seine Blicke hingen an den nervös zuckenden Augenlidern des Assistenten. Er
sah, daß es hinter der hohen Stirn Yhos arbeitete. Irgend etwas zerbröckelte in Yho. Ungewohnte
Sicherheit stieg in die Augen des Laktonen.
»Ich glaube, ich habe eine Idee, Sir!« sagte er fest. »Erlauben Sie mir, meinen Posten für eine Weile
zu verlassen?«
Corda lächelte.
»Gehen Sie, Yho! Besorgen Sie uns den Aufschub, ohne den wir verloren sind! Es liegt jetzt alles in
Ihren Händen! Sie können uns retten!«
Estrer Yho lächelte scheu. Er schob sich an Rex Corda vorbei. Er trat in den AntigravSchacht und
sank nach unten. Rex Corda sah ihn wenig später wieder. Er konnte ihn auf dem Holografen beobachten,
wie er mit festem Schritt auf den flimmernden Schutzschirm zuging. Die Wissenschaftler auf der
anderen Seite legten ihre Geräte zur Seite. Sie sahen überrascht auf.
Rex Corda bemerkte aber auch die beiden Männer, die dicht neben dem großen Gleiter standen. Sie
griffen in das Fahrzeug. Corda konnte mehr sehen als Estrer Yho, der mit diesen Männern auf gleicher
Höhe stand.
Rex Corda sah, daß die beiden Laktonen schwere Handstrahler aus dem Wagen holten. Sie entsicherten
und justierten die Waffen hinter den geöffneten Türen des Gleiters.
Rex Corda wandte sich nicht um, als Latak Decimo an ihn herantrat.
»Was hat Yho vor?« fragte der Synoptiker.
»Sagen Sie Fan Kar Kont, daß er den Schutzschirm für dreißig Sekunden abschalten soll!« bat Corda,
ohne Decimo anzusehen.
Der Synoptiker zögerte, doch dann wandte er sich um und ging in das Gewölbe zurück, in dem Fan Kar
Kont arbeitete.
Unbeweglich stand Estrer Yho vor dem Schirm. Selbst auf dem Holografen konnte Corda erkennen, daß
der rasche Atem des Laktonen dessen Schultern bewegte. Yho rückte seinen Helm zurecht.
Die beiden laktonischen Abwehragenten hoben die Strahlwaffen.
Sie würden schießen, sobald der Schutzschirm zusammenbrach. * Der Abwehroffizier Hark Axthon war für einen Augenblick wie gelähmt, als er die unfaßliche Tatsache begriff, daß sich Orathonen auf den am besten abgesicherten Planeten des laktonischen Machtbereiches geschlichen hatten. Er schoß sofort noch einmal. Und diesmal traf er den Orathonen. Hark Axthon schnellte sich hoch und sprang in den Kampfraumer zurück. Er schleuderte zwei Soldaten zur Seite, die in den Kampf eingreifen wollten, und raste zur Zentrale. »Orathonen!« keuchte er. Der Bordkommandant fuhr entsetzt zurück. Hark Axthon schaltete fieberhaft an dem Holografen. In Bruchteilen von Sekunden stellte er eine Verbindung zur Zentralen Abwehr Teckans her. Die Sonderschaltung rief den Sektorkommandanten an den Apparat. Dieser höchste Offizier auf Teckan war dem Rat der Sektoren, der höchsten politischen Institution der sechs Sonnensysteme, zu denen Teckan gehörte, direkt verantwortlich. Hark Axthon hatte nie zuvor mit diesem Mann gesprochen. Er hatte ihn nie zuvor gesehen und hatte auch nicht gewußt, wie er aussah. Er hatte unwillkürlich einen verweichlichten fetten Beamten erwartet, der sich dieser Situation nicht gewachsen zeigen würde. Hark Axthon war immer der Meinung gewesen, daß die eigentliche Arbeit und Verantwortung bei den Bezirkskommandanten lag, zu denen er auch gehörte. Er erschrak, als er den höchsten Beamten dieses SonnensystemVerbandes sah. Das Gesicht strahlte eine so überragende Intelligenz und eine solche Kraft aus, daß Axthon die Worte zunächst auf den Lippen hängenblieben. Dann jedoch änderte sich alles für ihn. Er fühlte sich von einer erdrückenden Last befreit, weil er wußte, daß die Verantwortung jetzt in die Hände dieses Mannes übergehen würde. »Orathonen!« sagte er hastig. »Es sind Orathonen in meinem Bezirk! Sie haben die Station OR 224 vollkommen zerstört!« Die Lider des Sektorkommandanten zuckten nur unmerklich. Sonst bewegte sich das Gesicht nicht. Hark Axthon aber glaubte, die Turbulenz der Gedanken hinter der massigen Stirn sehen zu können. »Es ist gut«, sagte der Hartgesichtige. »Räuchern Sie die Orathonen aus! Vergessen Sie dabei nicht, daß Fan Kar Kont auf keinen Fall entkommen darf!« Hark Axthon lächelte dünn. »Er wird nicht entkommen! Ierra Kretan, eine meiner Agentinnen ist mit im Haus Hent Marats. Sie wird eine Flucht – falls sie beabsichtigt ist – mit Sicherheit verhindern. Wenn jedoch eine Verbindung zwischen Fan Kar Kont und den Orathonen besteht, dann kann ich keine der Reaktionen Konts voraussagen!« »Heben Sie die Orathonen aus!« befahl der Sektorkommandant. Er schaltete ab. Hark Axthon stieß den Atem, den er unwillkürlich angehalten hatte, pfeifend aus. Er drehte seinen Sessel langsam herum, so daß er die Außenholografen übersehen konnte. Die Kampftruppe des Raumschiffes drang gerade jetzt in den Park ein. Die Soldaten feuerten ununterbrochen mit ihren Schockern. Axthon erhob sich und verließ das Raumschiff. An der Schleuse wartete sein Assistent auf ihn. Er hielt den tödlichen Strahler im Anschlag. »Bisher konnten wir fünf Orathonen ausschalten!« berichtete er knapp. »Wir konnten sie nicht lebend bekommen. Wir mußten mit den Strahlern schießen.« Hark Axthon nickte. In diesem Augenblick schnellten sich mindestens zwanzig Orathonen über die Büsche. Erst jetzt erkannte Axthon, daß sie mit Antigravitationsmechanismen ausgerüstet waren. Deshalb war seine Truppe auch noch nicht erfolgreicher gewesen. Die Orathonen hatten sich bis in die Baumkronen zurückgezogen und stürzten sich jetzt von oben herab. Die Gefiederten schossen ebenfalls mit Schockern. Hark Axthon glaubte, einen grellen Feuerball an
seiner linken Schulter zu sehen. Gleichzeitig raste ein fürchterlicher Schmerz durch seine linke Seite. Er brach schlagartig zusammen. Er fiel auf die linke Seite, und er war unfähig, sich zu bewegen, obwohl die Schmerzen sich bis ins Unerträgliche steigerten. Hark Axthon schrie auf seinen Assistenten ein, bis dieser sich zu ihm herabbeugte und ihn auf die andere Seite legte. Jetzt konnte Axthon wenigstens den Kampf verfolgen, und die Schmerzen waren nicht mehr ganz so grausam. Er krallte seine rechte Hand in die geschockte linke Schulter und massierte sie. Es half jedoch nur wenig. Über ihm kamen die Orathonen herab. Ihr Einsatz war von vornherein sinnlos gewesen. Die Schocks aus den zielsicheren Händen der Kampfeinheit trafen die Grünhäutigen in der Luft. Ein Orathone nach dem anderen segelte sich überschlagend ins Gras hinab. Fünf Minuten nach dem Ausbruch der Orathonen aus dem Park war alles vorbei. Jetzt versiegten die Schmerzen in Hark Axthons Schulter auch allmählich. Er konnte wieder aufstehen. Als sein Assistent ihm auf die Beine half, sah Axthon direkt zum Himmel hinauf. Deshalb sah er auch als erster, welches Unheil über Teckan herabkam. Zwölf gigantische OrathonenRaumer, zwölf schwarze Hanteln brachen durch die tiefhängenden Wolken! Die Orathonen griffen mit massierter Macht an! * Estrer Yho, der Assistent Fan Kar Konts, lächelte. Dicht vor seinen Augen flimmerte der Energieschirm, der das Haus Hent Marats einhüllte. Yho wußte, daß er in wenigen Augenblicken verschwinden würde. Es störte ihn nicht. Yho fieberte diesem Augenblick entgegen. Es war das erstemal in seinem Leben, daß er unabhängig von Fan Kar Kont arbeitete. Er war fest entschlossen, die ihm gestellte Aufgabe allein zu lösen – ohne die Hilfe irgendeines anderen. Er war Rex Corda dankbar dafür, daß dieser ihm den Hinweis gegeben hatte. Der Energieschirm brach zusammen. Estrer Yho trat hastig zwei Schritte vor. Jetzt stand er außerhalb des Schirms. Seine Hand glitt zu seinem Helm. Er zog ihn sich fest über den Kopf. Die zwei Spangen liefen jetzt quer über sein Gesicht und verdeckten seine Nase. Ein blaßblau glänzendes Etwas umwogte seinen Körper. Die Wissenschaftler, die an der Analyse des Schirms arbeiteten, kamen zögernd zu ihm heran. Estrer Yho ging ihnen entgegen. Die beiden Agenten standen noch immer bei dem Gleiter. »Was wollen Sie, Yho?« fragte einer der älteren Wissenschaftler. Yho kannte ihn von einer Konferenz her, die sie in der Station OR 336 gehabt hatten. Er lächelte. »Wir sind dabei, einen alten Traum aller Wissenschaftler zu verwirklichen«, sagte er mit geringer pathetischer Betonung. »Unter diesem Energieschirm leben mehr als vierzig Wissenschaftler. Sie alle werden sich auf einen Planeten zurückziehen, auf dem sie in Freiheit der Wissenschaft dienen können!« Die Augen des Alten vor ihm flammten auf. »Dann macht doch, daß ihr fortkommt!« zischte er mit einem wütenden Seitenblick auf die beiden Sicherheitsoffiziere bei den Gleitern. »Wir können noch nicht! Es ist ein Schaden an unseren Geräten eingetreten. Wir benötigen noch mindestens zehn Stunden!« »Ihr Narren!« fluchte der Alte. »Wir wissen längst, wie wir diesen Energieschirm knacken können! Bis jetzt haben wir unsere Nachricht noch zurückgehalten – aber lange können wir das nicht mehr!« »Wieviel Zeit gebt ihr uns?« »Ihr habt höchstens noch zwei Stunden Zeit!« Estrer Yho runzelte die Stirn. Scharf behielt er die beiden Agenten im Auge, die mit angeschlagenen Waffen neben dem Gleiter standen. »Weshalb kommt ihr nicht mit unter den Schirm und flieht mit uns? Macht es euch Spaß, von diesen wilden Schützen bewacht zu werden wie Sträflinge?« flüsterte Yho gedehnt. »Sie schießen uns über den Haufen!« fluchte der alte Wissenschaftler. »Wir kämen keine drei Schritte weit!« »Laßt das meine Sorge sein!« lächelte Estrer Yho. Er hatte alle Furcht und alle Unsicherheit
abgeschüttelt. Er ging an dem Wissenschaftler vorbei und legte seine Strahlwaffe auf die beiden Agenten an. Noch bevor er etwas sagen konnte, feuerten sie auf ihn. Sie schossen zwölfmal auf ihn. Jedesmal bildete sich ein kleiner glühender Ring um die Abstrahlfelder ihrer Strahler, durch den die gleißenden Strahlen zischten. Die Strahlen krachten brodelnd in den MannSchutzschirm, den Estrer Yho konstruiert hatte. Die Wissenschaftler, die sich instinktiv zu Boden warfen, hörten die winzigen Absorberbänke im Helm des Assistenten aufjaulen. Doch die Strahlen durchschlugen den Schutzschirm nicht. Estrer Yho stampfte schwerfällig auf die beiden Gleiter zu. Die kinetische Energie der Strahlschüsse setzte ihm schwer zu. Sie drohte ihn von den Beinen zu reißen. Er hielt sich nur deshalb aufrecht, weil er sich weit nach vorn beugte und mit aller Willenskraft gegen die Glutwelle ankämpfte. Rex Corda kam dem verzweifelt mit sich selbst ringenden Mann in diesem entscheidenden Augenblick zur Hilfe. Er veranlaßte Fan Kar Kont dazu, den Schutzschirm abermals für einen kurzen Augenblick auszuschalten. Die Wissenschaftler reagierten blitzschnell. Sie alle hatten gehofft, daß der Schirm erlöschen würde. Jetzt, als es geschah, schnellten sie sich alle hoch und hetzten über den verbrannten Boden in das üppige blühende Grün unterhalb der Schutzglocke. Estrer Yho blieb allein draußen. Er feuerte auf die beiden Agenten, zielte jedoch bewußt an ihnen vorbei, weil er sie nicht töten wollte. Sie wichen ihm aus. Sie liefen nach zwei Seiten auseinander. Zögernd blieb Yho stehen. Er hörte die verzweifelten Rufe Rex Cordas nicht, der ihn veranlassen wollte, umzukehren und unter den Schutz des Schirms zurückzukehren. Estrer Yho blieb stehen. Er sah sich um, ein stolzes, zufriedenes Lächeln auf den Lippen. In diesen Sekunden reifte er zum Mann, wurde er unabhängig von seinem vergötterten Idol Fan Kar Kont. Doch er war kein erfahrener Kämpfer. Er war ein Wissenschaftler, für den diese Situation völlig neu war. Er erfaßte nicht, daß er den Zeitpunkt für seinen Rückzug bereits versäumt hatte. Anstatt in das Haus Marats zurückzukehren, ging er weiter gegen die Agenten vor. Er schoß noch immer nicht auf sie. Er feuerte in den verbrannten Boden vor ihre Füße und trieb sie durch die Hitze weiter und weiter zurück. Sie umkreisten ihn wie kaltrechnende Roboter. Sie umlauerten ihn so lange, bis er genau zwischen ihnen stand. Aus den Augenwinkeln heraus entdeckte Estrer Yho Rex Corda, der aus dem Haus Marats stürzte und ihm aufgeregt zuwinkte. Er lächelte. Corda brauchte sich keine Sorgen um ihn zu machen. Die beiden Agenten nahmen Estrer Yho unter Feuer. Seine Schutzschirme flammten grell auf. Die kinetische Energie schüttelte ihn durch. Die Agenten schossen abwechselnd. Die röhrenden Strahlen warfen den Assistenten hin und her. Sie entfesselten eine mörderische Hölle für ihn, aus der er nicht entkommen konnte. Als es schon viel zu spät war, versuchte Estrer Yho seine beiden Gegner zu erledigen. Er versuchte, auf sie zu feuern. Doch sie ließen ihm keine Chance. Er konnte kein Ziel fassen. Hinter dem Energieschirm stand Rex Corda. Er ballte die Fäuste verzweifelt und hoffte, daß Fan Kar Kont den Energieschirm endlich abschalten würde. Aber der Mann mit dem Zebragesicht schaltete nicht ab. Corda stürzte in das Haus zurück. Fan Kar Kont begegnete ihm schon auf halbem Weg. »Kont! Tun Sie etwas! Retten Sie Yho!« keuchte Corda. Viel zu langsam schien ihm der elektronische Dolmetscher zu übersetzen. Kont sah ihn traurig an. Er ging zu einem Holografen in der Nähe und schaltete ihn an. Corda stöhnte entsetzt auf. Innerhalb weniger Sekunden waren zwölf große Gleiter herangekommen. Das gesamte Gelände wimmelte plötzlich von Agenten der Abwehr. Niemand schoß noch auf Estrer Yho. Es war nicht mehr nötig. »Es stand alles zu seiner Rettung bereit«, erklärte Kont. »Er brauchte nur den Rückzug anzutreten, dann wäre alles in Ordnung gewesen. Wir hätten die beiden Agenten in Schach halten können, aber wir konnten Yho nicht holen, weil niemand von uns einen tragbaren Schirmfeldprojektor besitzt. Die
Agenten hätten uns sofort erschossen!«
Corda biß sich so hart auf die Lippen, daß sie bluteten. Er suchte nach irgendeiner Möglichkeit, mit der
sie Estrer Yho hätten retten können. Es gab keine.
Als seine Blicke zu dem Holografen zurückkehrten, zuckte er zusammen.
»Kont!« rief er.
Das gestreifte Gesicht zeigte keinerlei Reaktion, als Kont die OrathonenRaumer entdeckte, die durch
die Wolkendecke brachen.
*
Die Abwehr Teckans reagierte mit gewohnt kühler Präzision.
Kaum waren die Hantelraumer der Orathonen geortet, als die notwendigen Befehle schon erteilt
wurden. Sekunden nur nach dem Auftauchen der Orathonen schloß sich ein gigantischer
Strahlenschirm um den Planeten der Forschung, der undurchdringlich war.
Alle sahen es!
Ein drohendes rotes Leuchten schoß krachend über den Himmel. Es schien von allen Seiten gleichzeitig
über den Horizont heraufzustreben, wie lange spitze Pfeile. Es dauerte nur ungefähr zehn Sekunden,
bis sich die rote Decke über den Wolken geschlossen hatte. Die Sonne verfärbte sich. Sie nahm das
Aussehen eines sterbenden roten Zwerges an. Düstere rote Finsternis senkte sich über den Planeten.
Das Laub verlor das strahlende Grün, die Seen und Flüsse leuchteten wie blutende Wunden aus der
Oberfläche des Planeten.
Gleichzeitig ging der Sektoralarm hinaus.
Rex Corda und Latak Decimo, der sich für einige Augenblicke von seinem Transmitter zurückgezogen
hatte, um sich ein wenig zu erholen, beobachteten die Vorgänge auf den Holografen.
»Sektoralarm? Was ist das?« fragte Corda.
»Der gesamte Sektor wird alarmiert«, lächelte Decimo. »Die Raumstreitkräfte von sieben
Sonnensystemen erscheinen hier in diesem System und werden es von den Orathonen säubern!«
Er sah Corda an. Seine Augen funkelten belustigt.
»Lakton verdient diese Ohrfeige!« sagte er. »Das Reich wird nicht zugrunde gehen, wenn wir paar
Wissenschaftler nach Terra abwandern. Aber Lakton wird nicht mehr lange bestehen können, wenn es
sein Verhältnis zu seinen Wissenschaftlern nicht ändert. Unsere Flucht wird Lakton mehr helfen als
schaden!«
»Es beunruhigt Sie kaum, daß plötzlich Orathonen aufgetaucht sind!« wunderte sich Corda.
Latak Decimo grinste breit.
»Sie werden bald wissen warum!«
Corda wußte nicht, was er von den Worten des Synoptikers halten sollte. Der Angriff der Orathonen
auf einen Planeten, der zu den bestbehütetsten des laktonischen Reiches gehörte, löste soviel Wirbel
aus, daß die Männer um Far Kont hoffen konnten, dadurch einen kleinen Aufschub zu gewinnen.
Zeit – das war ihr Problem. Jede Minute war kostbar.
Latak Decimo, der sich schon abgewandt hatte, kehrte zu Corda zurück.
»Vielleicht ist das wirklich eine gute Gelegenheit«, versetzte er nachdenklich. »Ich habe eine Idee,
wie wir uns vielleicht noch besser retten können!«
»Erzählen Sie!«
»Wir müssen einen Computer haben, der die Transmissionsvorgänge genau überwacht. Wir schaffen es
hier vielleicht in letzter Minute, einen zu bauen. Aber wir könnten uns auch einen außerhalb des Hauses
besorgen!«
Corda antwortete nicht. Er wartete voller Spannung ab, was Decimo vorzuschlagen hatte.
»Ja – Corda! Ich werde das Haus verlassen und nach Teck zurückkehren. Dort gibt es Computer genug,
die wir verwenden können!«
»Sie werden das Haus nicht verlassen!« entgegnete Corda.
»Es muß sein!«
Rex Corda lächelte.
»Schön, Decimo! Dann gehen wir beide. Ich bin der einzige hier, der keine wirkliche Aufgabe hat!«
sagte Rex Corda entschlossen. »Kommen Sie! Beeilen wir uns!«
Latak Decimo lächelte.
»Ich wußte, daß Sie mitkommen würden, Corda!«
»Wie können wir das Haus verlassen?«
»Durch den See! Kommen Sie!«
*
Hark Axthon kehrte in den kleinen Raumer zurück. Er wurde vom Bordkommandanten zu dem kleinen
Operationsraum geführt.
Zwei Orathonen lagen auf den Operationstischen.
»Sehen Sie sich das an, Axthon!« sagte der Arzt. Er zog die Tücher zur Seite, mit denen die reglosen
grünhäutigen Gestalten zugedeckt gewesen waren.
Hark Axthon fuhr unwillkürlich zurück. Er glaubte, seinen Augen nicht trauen zu können. Sehr langsam
ging er an die Operationstische heran und sah sich die Männer an, die auf den Tischen lagen. Das
Surren einer elektronischen Uhr war für lange Minuten das einzige Geräusch in dem kleinen Raum.
Die Haut war olivgrün, wie es für Orathonen sein sollte. Das Fleisch der Wunden war hell. Auch das war
richtig. Doch darunter zeigten sich blaßblaue Knochen.
»Panzerplast!« stellte Hark Axthon endlich fest.
Der Arzt trat neben ihn.
»Ja, Panzerplast! Androiden, Axthon! Keine echten Orathonen!« sagte er. »Und das ist bei allen so.
Dies sind biomechanische Roboter, mehr nicht!«
»Das verstehe ich nicht«, warf der Kommandant ein. »Was soll das? Was haben sich die Orathonen von
dieser Aktion versprochen?«
Der Assistent Axthons stürzte herein. Er hatte keine Augen für die Androiden.
»Axthon! Kommen Sie! Das müssen Sie sehen!«
Der Sicherheitsoffizier folgte seinem Assistenten wie benommen. Seine Gedanken kreisten immer
noch um die orathonischen Androiden. Dies waren die ersten biomechanischen Roboter, die im
galaktischen Krieg auftauchten. Niemals vorher war es gelungen, Roboter dieser Art zu konstruieren.
Diese Roboter waren die gefährlichste Waffe, die jemals in den Krieg geworfen wurde.
In der Schleuse blieb der Assistent stehen. Axthon konnte in den blutigroten Himmel hinaufsehen.
Über ihnen schwebten die gigantischen Hantelraumer der Orathonen. Gleißend hell zuckten mächtige
Energiestrahlen aus den Bordgeschützen.
Doch der Assistent Axthons lachte.
»Projektionen, Axthon! Es sind keine Raumschiffe, sondern Projektionen! Wir schießen schon gar nicht
mehr auf sie, weil es sinnlos ist. Sie richten keinen Schaden an! Hier irgendwo in der Nähe müssen die
Projektoren stehen! Das Sektorkommando verlangt von uns, daß wir sie finden!«
Hark Axthon erwachte wie aus einem Traum.
Seine Blicke wanderten nach Südwesten, dorthin, wo die Energiekuppel stand, unter der sich Fan Kar
Kont verbarg.
»Ich glaube, ich weiß schon, wo der Projektor steht! Wir werden nicht sehr lange suchen müssen!«
sagte er zornig.
Er kehrte ohne große Eile in die Zentrale des Raumschiffes zurück. Kurz nach ihm traf der
Kommandant ein.
»Starten Sie!« befahl Axthon. »Fliegen Sie zum KatSee. Ich vermute, dort finden wir auch die Leute,
die uns die Androiden auf den Kopf geschickt haben!«
Als der Kommandant startete, erschien der Sektorkommandant der Abwehr im Holografen.
»Der PlanetenSicherheitsschirm muß so lange bestehen, bis eindeutig bewiesen ist, daß sich keine
Orathonen im Sonnensystem aufhalten«, sagte er. »Wir haben eine allgemeine Warnung ausgestrahlt.
Danach wird jedes Flugobjekt, das nicht gemeldet ist, vernichtet, wenn es sich nicht sofort zu
erkennen gibt. Sie sehen, Hark Axthon, wir lassen nicht mit uns spaßen.«
»Ich habe keineswegs die Absicht, Fan Kar Kont in dem Glauben zu lassen, er könne sich auf unsere
Kosten amüsieren!« entgegnete Hark Axthon steif.
Der Sektorkommandant lächelte mokant und schaltete ab. Minuten später landete der Bordkommandant des Raumschiffes in einer Entfernung von etwa 1000 Metern vom Haus Hent Marats auf der verbrannten Ebene. Hark Axthon ließ sich mit seinem Assistenten bis auf hundert Meter an die Energieglocke heranbringen. Hier erfuhr er von dem Tod Estrer Yhos und von der Desertation der mit der Schirmuntersuchung beauftragten Wissenschaftler. Hark Axthon enttäuschte alle, die ihn kannten. Er reagierte keineswegs mit dem Wutausbruch, den sie erwartet hatten. Er blieb vielmehr ausgesprochen ruhig. Er trat einige Schritte aus der Gruppe der Agenten hervor und sah aus verkniffenen Augen zu dem langgestreckten Haus Hent Marats hinüber. »Sie haben Schwierigkeiten«, sagte er zu seinem Assistenten. »Das ist ganz klar. Sonst wären sie längst weg. Sonst hätten sie den Transmitter längst in Betrieb genommen. Das bedeutet, daß es ihnen jetzt nur auf einen Zeitgewinn ankommt! Und gerade den werden wir ihnen nicht mehr gewähren!« Er rief die Agenten zusammen. »Wir können den Schirm mit größter Wahrscheinlichkeit brechen, wenn wir die richtigen Mittel einsetzen. Aber das dauert mir zu lange«, versetzte er mit klarer, scharfer Stimme. »Mir kommt es nur darauf an, daß die Pläne Fan Kar Konts zerstört werden. Gegen alles sind sie geschützt, nicht aber gegen die kinetische Energie! Wir werden also vier Schächte schräg unter die Energiekugel graben. Dann werden wir einige Nuklearbomben unter die Glocke legen. Das Haus ist auf gar keinen Fall mit Antigravitationsautomaten ausgestattet. Die Erschütterung wird sie also alle vernichten!« Hark Axthon lächelte kalt. »Axthon! Ierra Kretan ist im Haus!« mahnte der Assistent. Axthon sah ihn kühl an. »Und? Wenn sie es für richtig befunden hätte, uns zu helfen, dann hätten wir jetzt keine Schwierigkeiten. Sie braucht ja nur den Schirm abzuschalten. Dann ist alles in Ordnung. Der Schirm steht noch, also ist kein Verlaß auf sie! Einfach, nicht?« Der Assistent verzog die Lippen unmerklich, als Hark Axthon sich abrupt abwandte. »Axthon! Sie handeln ja nur aus verletzter Eitelkeit – so! Sie wollen sich an Ierra rächen, nur weil sie nicht das tut, was Sie verlangen! Wer sagt Ihnen denn überhaupt, daß sie so handeln kann, wie Sie möchte?« »Wir jagen das Haus Marats in die Luft – mit und ohne Ierra Kretan! Ist das klar?« schnappte Axthon. * Die Bedenken aller anderen waren schnell zerstreut. Fan Kar Kont erteilte dem Plan Latak Decimos sofort seine volle Zustimmung. Ierra Kretan äußerte sich nicht. Sie überlegte fieberhaft, wie sie das Vorhaben der Wissenschaftler durchkreuzen konnte, ehe es zu spät war. Sie wußte sehr genau, daß die Abwehr jetzt nicht mehr viel Rücksicht nehmen würde. Sie glaubte, nur eine Chance zu haben. Der Transmitter Latak Decimos mußte so nachhaltig zerstört werden, daß er nicht mehr zu reparieren war. Rex Corda vertraute Ierra Kretan nicht ganz. Er hatte sie überprüft und keinen Grund für seinen Verdacht gefunden. Dennoch hatte er ein unwohles Gefühl. Deshalb schärfte er Bir Osgo ein, den Transmitter nicht aus den Augen zu lassen. »Es gibt jemanden, der Sabotage verübt hat«, sagte er zu dem schmächtigen Laktonen. Bir Osgo stand ziemlich dicht vor ihm. Deshalb sah Corda auf ihn herab. Dabei bemerkte er eine besonders starke Verzerrung der Augen Osgos, die hervorgerufen wurde durch die Luftverdichtung der Kraftfeldbrille. »Ich habe Ierra Ketan ein bißchen im Verdacht, Osgo! Achten Sie besonders auf sie!« Osgo errötete heftig. Zornig biß er die Lippen aufeinander. »Sie machen sich unbeliebt, Corda!« »Das ist mir gleich! Achten Sie nur darauf, daß dem Transmitter nichts geschieht! Alles andere ist uninteressant. Flirten können Sie, wenn wir wieder auf der Corocon III sind!« Rex Corda ließ Bir Osgo keine Zeit zu einer Entgegnung. Er drehte sich um und ging hinter Latak Decimo her, der in dem AntigravSchacht nach unten gefahren war.
Der Synoptiker erwartete ihn neben den Maschinenblöcken, die das Zeitfeld mit Energie versorgen
sollten. Er überreichte Rex Corda einen SchockStrahler.
»Der ist unauffälliger als ein Thermostrahler! Und jetzt kommen Sie!« sagte Decimo. Er berührte die
Wand mit der flachen Hand. Eine Öffnung tat sich auf. Dahinter war ein schmaler weißer Gang zu
erkennen. Auf dem Boden des Ganges zeichneten sich zahlreiche schmutzige Fußabdrücke ab.
Latak Decimo ging voraus. Die Öffnung schloß sich hinter Corda.
»Wir kommen gleich an den Energieschirm. Er läßt sich an dieser Stelle unterbrechen!« erklärte
Decimo.
Schweigend gingen sie bis an die flimmernde Wand. An der Seite leuchteten zwei Knöpfe. Decimo
drückte sie kurz. Der Schirm öffnete sich. Sie gingen hindurch.
Von jetzt an konnte ihnen niemand innerhalb der Station mehr helfen!
Der Gang wurde noch schmaler und niedriger. Sie mußten gebückt gehen. Cordas Schultern scheuerten
an den glatten Wänden des Ganges entlang.
»Wir sind jetzt schon unter dem See«, sagte Decimo.
»Woher kommt das Licht?« fragte Corda.
»Direkt aus den Wänden. Es strahlt nur nach innen. Im Wasser sieht man nichts!«
Der Gang führte schräg in die Tiefe. Corda schätzte, daß sie schon über hundert Meter tief waren, als
sich allmählich eine Aufwärtsrichtung bemerkbar machte. Die Luft wurde feucht und stickig. Das Licht
färbte sich erst gelb, dann rötlich.
»Durch diesen Schacht sind viele der Materialien hereingebracht worden, die Hent Marat und seine
Freunde für den Bau der wichtigsten Maschinen brauchten«, erklärte Latak Decimo, »ein anderer Weg
war nicht möglich. Sie ahnen ja nicht, Corda, mit welchen Schwierigkeiten wir zu kämpfen hatten!«
»Sie waren also auch hier auf Teckan?«
»Lange Jahre, Corda! Unser Fluchtplan besteht seit mehr als zehn Jahren! Deshalb darf er auch nicht
in letzter Sekunde scheitern!«
»Er wird nicht scheitern, Decimo!« sagte Corda überzeugt.
Der Synoptiker mahnte ihn zur Ruhe. Ganz überraschend erlosch das Licht, das aus den Wänden kam.
»Weiter! Keine Beunruhigung! Das ist ganz normal!« flüsterte der Laktone.
Corda tastete sich hinter ihm an der Wand entlang. Unwillkürlich riß er die Augen auf, doch er konnte
nichts erkennen. Dann endlich, nach endlosen Minuten, tauchte ein dünner, roter Lichtschimmer aus
dem Dunkel.
Danach ging es schnell. Die rote Öffnung wurde immer größer und heller, bis sie vor dem unsichtbaren
Kraftfeld hockten, das den Gang versperrte.
Latak Decimo nestelte im Dunkeln an der Seite des Ganges. Durch das matte Rot hindurch erkannte
Rex Corda dichte Büsche und dahinter einen kleinen Fluß.
»Zwei kleine Bergrücken trennen uns jetzt von dem Haus«, flüsterte der Synoptiker. »Man kann uns
hier jetzt nicht mehr sehen! Kommen Sie!«
Leise zischend versank das trennende Kraftfeld. Rex Corda und der Laktone verließen den Gang. Sie
betraten einen jener zahllosen Parks, die Teckan verschönten. Auf der gegenüberliegenden Seite des
kleinen Flusses bewegten sich zahlreiche Tiere, die so überraschend fremdartig und so faszinierend
schön waren, daß Rex Corda für einen Augenblick die Gefahr vergaß.
»Kommen Sie!« lächelte der Synoptiker, der Corda gut verstehen konnte. »Dafür haben wir jetzt keine
Zeit!«
Corda drehte sich um, um den Eingang zu dem Verbindungsgang zu suchen. Er fand ihn nicht mehr. Die
Büsche und Blumen standen so dicht, daß nicht zu erkennen war, wo sich die Öffnung verbarg.
Latak Decimo lief am Rande des Flusses entlang. Corda folgte ihm jetzt. Immer wieder sah er zu dem
roten Himmel hinauf. Er wußte inzwischen, daß die Hantelraumer Projektionen waren, die Fan Kar Kont
von Hent Marats Haus gesteuert hatte, um die Abwehr zu täuschen und zu behindern.
Doch jetzt glitten laktonische Kreuzer aller Klassen über den Himmel. Mehrere Raumschiffe waren
hinter den Hügeln gelandet.
»Wir haben wirklich nicht mehr viel Zeit«, sagte Decimo, als sie eine Hügelkuppe erreicht hatten, von
der aus sie das Haus Hent Marats sehen konnten. Die fast tropisch wuchernde Vegetation in dem Park öffnete sich an einer Stelle und gewährte ihnen einen weiten Blick über die Ebene. »Sehen Sie!« rief Decimo. »Axthon will das Haus einfach in die Höhe sprengen, er will es wie einen Ball springen lassen! Damit macht er uns fertig! Kommen Sie!« Decimo kannte sich sehr gut aus. Ohne auf einen Laktonen gestoßen zu sein, erreichten sie einen Gleiterstand am Rande des Parks. Decimo warf einige Münzen in die Programmierung und lenkte den Gleiter in die Stadt Teck zurück, aus der er gekommen war. Corda sah unentwegt zu der leuchtenden Energiekuppel hinüber. Er schätzte, daß dort jetzt schon einige tausend Männer an der Kuppel arbeiteten. Trotz der großen Entfernung erkannte er auch die blitzenden Leiber von zahlreichen Arbeitsrobotern. In Teck, der wichtigsten Stadt Teckans, war wenig von dem Alarm zu bemerken, den die Abwehr gegeben hatte. Die Straßen waren weniger belebt, als Latak Decimo es kannte, aber sonst gab es keinen Unterschied. Decimo setzte seinen Gleiter am Rande der Stadt in einem kleinen Park ab. »Stecken Sie Ihren Dolmetscher unter das Hemd!« mahnte er Corda. Doch der Terraner hatte das schon selbst getan. »Sehen Sie dort drüben die hohen Häuser? Das ist die PlanetareSofortPost. Dort stehen mehrere Transmitter. Sie dienen zum Transport sehr wichtiger Güter, die auf dem Planeten verschickt werden sollen. Das sind die einzigen Transmitter auf Teckan, die noch arbeiten dürfen. Jede Transmission muß bei der Abwehr angemeldet werden und von dieser genehmigt werden. Das geht elektronisch, also sehr schnell.« »Wie lange arbeitet die Station?« fragte Corda. Latak Decimo lächelte. »Sie arbeitet immer. Aber es sind nur drei Männer anwesend. Alle anderen Arbeiten werden von Arbeitsrobotern erledigt!« Er gab Corda einen Wink und verließ mit ihm den Park. Entschlossenen Schrittes gingen sie auf die Gebäude der PlanetarenSofortPost zu. Verstohlen beobachtete Rex Corda andere Laktonen, die sich in der Einkaufsstraße bewegten. Er sah Frauen und Männer, die alle den Eindruck ungewöhnlicher Intelligenz vermittelten. Sehr schnell entdeckte er, daß die Auslagen der zahlreichen Geschäfte nicht in Schaufenstern lagen wie auf der Erde. Die Geschäfte zeigten in übermannshohen Hologrammen, was sie zu verkaufen hatten. Leichte Reflexionen auf der Oberfläche der Hologramme verrieten Corda, daß es sich um Bilder handelte. Corda und Decimo gingen nicht übermäßig schnell, um nicht aufzufallen. Sie blieben vor einem Geschäft stehen, das Kunstwerke eines Planeten aus der Nähe des galaktischen Zentrums zeigte. »Diese Dinge sind selten geworden!« sagte Decimo. »Die Orathonen haben uns viele der Welten genommen, die früher zu unserem Bereich gehörten!« Latak Decimo wandte sich langsam um und ging an einem schwarzgekleideten Laktonen vorbei auf den Eingang der PlanetarenSofortPost zu. Rex Corda wußte sofort, daß der Schwarze zur Abwehr gehörte. Er ließ sich nichts anmerken, beachtete den Laktonen nicht und folgte Decimo. Sie traten durch einen Rundbogen in eine kleine Halle. Mehrere Laktonen saßen in bequemen Antigravitationssesseln, die dicht über dem Boden schwebten. Decimo schritt über den weichen Boden, der alle Schrittgeräusche schluckte, zum gegenüberliegenden Torbogen. Corda blieb ihm dicht auf den Fersen. Seine Sondersinne, die ihn befähigten, die Gefühlssphäre anderer Menschen zu erfassen, verrieten ihm, daß ihnen der Agent folgte. Er war von wachem Mißtrauen beherrscht. Hinter dem Torbogen zweigten zwei Gänge ab. Latak Decimo winkte Corda blitzschnell in den linken ab, während er selbst nach rechts ging. Kaum war Corda drei Schritte gegangen, als er die Stimme des Agenten hinter sich hörte. »Stehenbleiben!« Langsam drehte Corda sich um. Der Sicherheitsoffizier stand breitbeinig vor ihm. In der Armbeuge hielt er seinen Energiestrahler. Der Projektor flimmerte in tödlichem Licht. Hinter dem Agenten war der Gang leer. Latak Decimo war nicht zu sehen.
»Zeigen Sie mir Ihre Identifikationskarten!« Corda biß sich auf die Lippen. Er hatte nichts, womit er sich ausweisen konnte. Plötzlich glitt Latak Decimo aus der Wand unmittelbar hinter dem Agenten. Dort, wo eben noch glatte Wand war, zeichnete sich jetzt ein Torbogen ab. Das täuschende Kraftfeld war verschwunden. Latak Decimo riß seinen Schocker hoch und feuerte. Es knackte leise, als er schoß. Der Agent brach schlagartig zusammen. Rex Corda sprang vor und fing ihn auf. Er riß ihm den Strahler aus der Hand, bevor sich ein Schuß lösen konnte. * Innerhalb der Energiekugel machte sich Hoffnungslosigkeit breit. Während die Wissenschaftler zunächst mit Feuereifer versuchten, die Schäden zu beheben, arbeiteten sie jetzt immer langsamer. Ierra Kretan fand immer mehr Gehör für ihren Vorschlag, sich rechtzeitig zu ergeben. Nur Fan Kar Kont, Hent Marat und Bir Osgo kämpften mit aller Energie und ungebrochenem Eifer gegen die Stimmung an. Noch folgten die Wissenschaftler den Befehlen Fan Kar Konts. Aber das konnte nicht mehr lange dauern. Außerhalb der Energiekugel arbeiteten die Laktonen dagegen mit wesentlich mehr Eifer. Hark Axthon leitete die Aktion voller zorniger Energie. Vier mächtige Spezialbohrer gruben schmale Schächte schräg unter die Energiekugel. Hark Axthon wollte ganz sicher gehen. Die Vorschläge, die Kugel schon jetzt mit Raketen zu beschießen, gefielen ihm nicht. Er wollte wirkliche Sicherheit. Er wollte die ihm gestellte Aufgabe sauber und präzise lösen. In einem Spezialgleiter standen die Ortungsgeräte, die Aufschluß über das Geschehen im Inneren des Hauses gaben. Hark Axthon wußte, daß noch keine Transmission durchgeführt worden war. »Sobald die Ortungsgeräte eine Transmission erfassen, werde ich den Raketenbeschuß freigeben«, sagte er mehrfach zu seinem Assistenten. »Vorher nicht! Fan Kar Kont soll sehen, wie er sich sein Grab gräbt! Er braucht nur herauszukommen und aufzugeben! Dann ist alles gut!« Der Assistent lächelte dünn. »Wirklich?« fragte er zweifelnd. »Es passiert ihm nichts?« Die kalte Miene Hark Axthons bewies dem Assistenten, daß es für Fan Kar Kont ziemlich gleich war, ob er unter der Energieglocke blieb oder nicht. Kont hatte keine Chance mehr! »Ich verstehe nicht, daß es noch immer nicht gelungen ist, die Gegenstation des Transmitters zu finden«, murmelte Axthon unzufrieden. »Das kann doch nicht so schwierig sein. Der Gegen Transmitter muß in einem Raumschiff stehen. Das ist klar. Er muß in einer Entfernung von ungefähr zwei Lichtjahren zu suchen sein!« »Ein riesiges Gebiet, das abzusuchen ist, Axthon!« erinnerte der Assistent. Er beobachtete die Arbeitsroboter, die die Bohrer in rasendem Tempo in die Erde trieben. Es war abzusehen, daß die Löcher bald tief genug waren. Auf einem Spezialtransporter kamen in diesem Augenblick die vier Atombomben an, die Axthon einsetzen wollte. Er wollte sie nacheinander zünden. Jede Explosion würde die Energiekugel hochschleudern. Keine von ihnen würde die Energiewand durchschlagen können. Aber die ungeheuere Erschütterung würde sich bis ins Innere der Kugel fortpflanzen. Schon nach der ersten Explosion mußte das Haus Hent Marats in Trümmern versinken. Auch die Energieversorgung der starken Schutzschirme mußte dann zerschlagen werden. Der Assistent gab zu, daß der Plan Axthons gut war. Er nahm weniger Zeit in Anspruch als die analytische Arbeit der Wissenschaftler, und er war zuverlässiger. »Wie lange noch, Axthon?« »Eine halbe Stunde! Dann ist es soweit!« * Ierra Kretan beobachtete auf dem Holografen, was sich außerhalb der Kugel abspielte. Das Geschehen war überdeutlich. Sie wußte, daß sie sich jetzt entscheiden mußte. Noch immer trug sie den Kleinst Computer in der Tasche. Sie hatte keine Gelegenheit gefunden, ihn zu vernichten. Sie erhob sich aus dem Sessel, in dem sie gesessen hatte. Bir Osgo hockte schweigend neben dem
Transmitter Latak Decimos und bewachte ihn. Sein Gesicht war verschlossen und ernst. Nur seine
Augen leuchteten. Fanatischer Freiheitswille leuchtete darin.
Ierra Kretan ging dicht an ihm vorbei. Doch er beachtete sie nicht. Sie hoffte, eine Gelegenheit zu
finden, den gesamten Transmitter zu zerstören, aber diese Gelegenheit ergab sich nicht. Bir Osgo
beachtete sie nicht.
Sie nahm die andere Möglichkeit in Angriff, die sie sich errechnet hatte.
Sie begab sich in die große Maschinenhalle, in der Fan Kar Kont mit den Wissenschaftlern an der
Reparatur des Generators arbeitete. Erschreckt erkannte sie, daß der Generator fast ganz
wiederhergestellt war. Fan Kar Kont überprüfte nur noch die wichtigsten Verbindungen.
Das Schaltpult war unbewacht!
Das hatte sie gehofft! Darauf kam es ihr an.
Wenn es gelang, den Schutzschirm lange genug abzuschalten, dann fand Hark Axthon genügend Zeit,
mit seinen Leuten in das Haus einzudringen und jeden weiteren Widerstand völlig zu ersticken!
Niemand achtete auf sie, als sie auf die Schalttafel zuging. Sie fühlte ihr Herz wie rasend schlagen.
Sie wußte, daß sie ein hohes Risiko einging. Hark Axthon konnte seine Aktion auch mit einem
Paukenschlag beenden. Er konnte auch eine einzige Rakete in das Haus jagen und damit alle Probleme
mit einem Schlag zur Seite fegen. Dann hätte auch sie keine Chance mehr, dies zu überleben.
Sie mußte nicht viel tun!
Sie atmete tief durch. Ihr Herz schlug bis zum Hals.
Die nächste Sekunde mußte über alles entscheiden.
Sie packte entschlossen den Hebel.
*
Latak Decimo riß den Agenten hoch. »Er darf hier nicht liegenbleiben!« keuchte er. Er zerrte ihn durch
den Torbogen in den Nebenraum. Corda, der ihm gefolgt war, sah zwei Laktonen, die bewußtlos auf dem
Boden lagen. Decimo wies stumm auf seinen Schocker.
»Dort steht der Transmitter!« sagte er und zeigte auf die gegenüberliegende Wand. Als er auf sie
zueilte, fiel das Kraftfeld zusammen, und ein Bogen öffnete sich vor ihm. Latak Decimo eilte hindurch.
Corda entdeckte den Transmitter, der in dem Raum stand. Er folgte dem Synoptiker etwas langsamer.
Nur deshalb entdeckte er den Laktonen rechtzeitig, der sich plötzlich von hinten auf Decimo stürzte.
Rex Corda riß den Schocker hoch – und ließ ihn wieder sinken. Er durfte nicht schießen, wenn er Decimo
nicht gleichzeitig schocken wollte.
»Decimo!« schrie er.
Der Laktone, der sich auf den Synoptiker werfen wollte, fuhr noch eher herum als Decimo. Plötzlich
hatte er einen Strahler in der klobigen Faust. Latak Decimo erfaßte blitzschnell, worum es ging. Er ließ
sich flach auf den Boden fallen.
Rex Corda feuerte seine Schockwaffe ab. Der Laktone brach mitten in der Bewegung zusammen. Sein
zuckender Arm schleuderte den Strahler weg, der scheppernd auf Corda zuflog.
Während Decimo aufsprang und schon an dem Transmitter zu hantieren begann, überprüfte Corda, ob
der Laktone ausreichend geschockt war. Der Herzschlag kam sehr langsam. Es mußte ausreichen.
Latak Decimo arbeitete mit fliegenden Händen. Es kam jetzt auf jede Sekunde an. Einen Zeitverlust
konnten sie sich nicht mehr leisten.
»Klappt es?« fragte Corda.
Latak Decimo grinste übermütig. Der Schweiß lief ihm in breiten Bahnen den Hals herab. Mit
geschickten Händen löste er ein kleines Gerät an der Unterseite des Transmitters heraus. Dazu hatte
er die Verschalung des Sockels aufgerissen. Jetzt ging alles sehr schnell. Kaum vier Minuten waren
seit Beginn der Arbeit vergangen, als Decimo triumphierend den kleinen Computer hob.
»Das sollte reichen, Corda!« lachte er.
»Das glaube ich auch!« sagte eine energische Stimme vom Durchgang her.
Die beiden Männer fuhren wie vom Blitz getroffen herum.
Im Durchgang standen drei Abwehragenten in schwarzen Uniformen. Sie standen nebeneinander, und
sie alle zielten mit ihren schweren Strahlwaffen auf die beiden Männer am Transmitter.
»Aus!« sagte Decimo. »Das hat ja wohl keinen Zweck mehr!«
*
Bir Osgo schrie wütend auf, als er entdeckte, was Ierra Kretan plante.
Als die Mathematikerin an ihm vorbeiging und ihn nicht beachtete, konnte er nicht ruhig sitzenbleiben.
Er kämpfte noch einige Minuten mit sich und seinem Pflichtbewußtsein, das ihn an den Transmitter
band. Dann jedoch folgte er der schönen Laktonin.
Jetzt sah er, daß sie den Hebel packte, der den Energieschirm beseitigen mußte.
Er riß seinen Schocker hoch und feuerte auf sie, ohne lange zu überlegen. Er gab sieben Schockstöße
ab, wie blind vor Zorn.
Schon der erste Schock schmetterte die Mathematikerin vom Schaltpult zurück. Doch sie riß den
Hebel um eine Winzigkeit mit sich. Die aufjaulende Sirene verriet, daß die Energieglocke erheblich
geschwächt worden war. Von den nächsten Schockschüssen trafen nur zwei, aber das reichte, um Ierra
Kretan in abgrundtiefe Bewußtlosigkeit zu schleudern.
Bir Osgo stand mit zitternden Händen dicht unter der Decke der Halle im AntigravFeld und starrte
auf die Mathematikerin hinunter. Jetzt aktivierte er das Feld und ließ sich nach unten tragen.
»Sie hat versucht, den Schirm auszuschalten«, erklärte er.
Fan Kar Kont, der Mann mit dem gestreiften Gesicht, kam langsam zu ihm heran. Seine Blicke glitten
über das bewußtlose Mädchen, das auf dem Boden lag.
»Sie hat die Nerven verloren«, sagte Osgo. »Sie glaubte, es sei schon alles vorbei!«
Hent Marat bückte sich und versuchte, ihr mit seiner klobigen Hand in die Tasche zu fassen, schaffte
es aber gerade, zwei Finger hineinzuschieben. Langsam und vorsichtig brachte er den kugelförmigen
Computer hervor, den sie aus dem Transmitter genommen hatte.
»Sieh da! Sieh da!« murmelte Hent Marat ohne große Aufregung. Er warf den Computer wie einen Apfel
hoch und fing ihn wieder in der Hand auf. »Wenn das nicht das ist, was wir schon lange suchen, dann
will ich auf der Stelle zu so einer schändlichen Größe zusammenschrumpfen wie unser guter Bir Osgo!«
Er warf Osgo nur einen belustigten Blick zu, wandte sich ab und ging mit schaukelnden Schritten zum
GravoSchacht, der ihn rasch nach oben trug.
»Ich glaube, Latak Decimo und Rex Corda hätten sich den Weg sparen können!« rief er von der Höhe
herab.
Fan Kar Kont eilte ihm nach.
»Osgo! Bringen Sie Kretan mit!« rief er über die Schulter zurück.
Die anderen Wissenschaftler eilten hinter Fan Kar Kont her. Osgo blieb mit dem Mädchen allein.
»He!« rief er hilflos. »Ihr könnt mich doch nicht…«
Hent Marat lachte schallend.
»Ich wußte es doch, Osgo! Sie sind einfach nicht in der Lage, Ierra zu tragen!« frotzelte er.
Bir Osgo ärgerte sich über seine glühend heißen Ohren. Er schob die Hände unter das geschockte
Mädchen und hob es ächzend hoch. Er nahm alle Willenskräfte zusammen und hob sie langsam hoch. Er
glaubte, die Adern in seinem Kopf müßten zerspringen. Mühsam nach Luft ringend taumelte er mit der
Last zum GravoFeld. Er lächelte erleichtert, als die Antigravitationsmechanismen ihn von der Last
befreiten. Er drückte das Kreuz fest durch und ließ sich nach oben tragen.
Er wäre fast zusammengebrochen, als er das schwerkraftfreie Feld oben verließ. Doch da alle
Wissenschaftler ihm zusahen, raffte er seine letzten Kräfte zusammen und stolperte bis zu dem
Transmitter.
Dort schaffte er es gerade noch, Ierra Kretan einigermaßen sanft auf den Boden zu legen. Mit
zitternden Muskeln richtete er sich auf. Doch jetzt plötzlich hatte keiner mehr Interesse für ihn.
Fan Kar Kont, der Chefwissenschaftler, versuchte den Computer in den Transmitter einzubauen. Seine
gestreiften Hände arbeiteten mit größter Behutsamkeit.
Kont hatte keine Gelegenheit gehabt, sich mit dem Transmitter vertraut zu machen. Der Transmitter
war von Latak Decimo gebaut worden, wobei der Synoptiker laktonische und orathonische Ideen zu
einem Ganzen verschmolz. Nur deshalb war es ihm gelungen, ein Gerät zu bauen, das nicht durch die
Sperrfelder der teckanischen Abwehr beeinflußt werden konnte.
Jetzt zeigte sich das Genie Fan Kar Konts. Er begriff die Funktionsweise des Transmitters in wenigen
Minuten. Es gelang ihm, den Computer richtig einzubauen.
»Latak Decimo muß her!« sagte er, als er fertig war. »Er muß kontrollieren, ob alles in Ordnung ist!«
Bir Osgo sah auf die Uhr.
»Decimo und Corda müßten eigentlich schon hier sein«, sorgte er sich. »Wenn es keine Schwierigkeiten
gegeben hat, dann müssen sie wirklich bald eintreffen!«
*
»Damit habe ich nun überhaupt nicht mehr gerechnet«, sagte Latak Decimo. Ein fatalistisches Lächeln
kräuselte seine Lippen. »Muß das denn jetzt sein?«
»Legen Sie Ihre Waffen ab!« sagte der Agent, der schon vorher zu ihnen gesprochen hatte. »Wir
kennen kein Pardon, wenn Sie Unsinn machen!«
Decimo blinzelte Corda zu. Corda, der engen Kontakt mit der Emotionalsphäre des Synoptikers hatte,
wußte, was kommen mußte.
Wenn sie sich verhaften ließen, war ihre letzte Chance vertan. Das wußten beide. Sie mußten es
versuchen, koste es, was es wolle.
Mit den Fingerspitzen hob Corda seine Schockwaffe aus dem Gürtel, als Latak Decimo sich
gedankenschnell fallen ließ und seine Waffe hochriß.
Rex Corda schnellte sich mit einem weiten Satz zur Seite. Ein Glutstrahl von unerträglicher Hitze
zischte dicht an seinem Rücken vorbei. Sein Hemd drohte in Flammen aufzugehen. Doch Rex Corda ließ
sich ebenfalls fallen. Er überschlug sich, kam für den Bruchteil einer Sekunde auf den Rücken zu liegen
– und schoß.
Doch die Agenten waren verschwunden!
»Schnell!« rief Decimo.
Corda blinzelte verwirrt. Er zögerte kurz, dann folgte er Decimo, der direkt auf eine Wand zulief.
Inzwischen wußte Corda, daß sich dort eine Tür befinden mußte. Die Laktonen schienen es zu lieben, die
Durchgänge so zu tarnen.
Natürlich waren die Agenten dem Angriff dadurch ausgewichen, daß sie durch das Kraftfeld
zurücksprangen und sich so in Sicherheit brachten.
Vor Decimo öffnete sich die Wand. Decimo sprang hindurch. Corda folgte ihm. Sofort fühlte er sich
von einem Sog gepackt, der ihn nach oben zog. Latak Decimo packte ihn und zog ihn zu sich heran.
Unter ihnen gähnte ein grundloser Schlund. Über ihnen öffnete sich der rote Himmel, während sie im
Schacht nach oben schwebten.
Latak Decimo feuerte seine Strahlwaffe nach unten ab. Donnernd fauchte der heiße Glutstrahl in die
schwarze Tiefe. Gleichzeitig stieß er die beiden Männer mit scharfer Beschleunigung nach oben.
Decimo lachte.
»Passen Sie auf! Oben warten sie auf uns!« rief er.
Im gleichen Augenblick schon schleuderte der Antigravitationsschacht sie auf das Parkdach hinauf.
Latak Decimo schoß sofort auf die beiden Agenten, die auf sie warteten. Sie kamen gerade durch einen
anderen Schacht nach oben. Der Druck des Hitzestrahls, der dicht an ihnen vorbeifauchte, riß sie mit.
Rex Corda feuerte mit dem Schocker auf sie.
Sie brachen auf der Stelle zusammen.
»Kommen Sie! Schnell!«
Latak Decimo zerrte ihn in einen der zahlreichen Gleiter, die auf dem Dach der PlanetarenSofortPost
standen. Blitzschnell aktivierte er das Antigravitationstriebwerk. Die Motoren heulten auf. Der Gleiter
hob ab.
Corda sah nun mehrere Männer in schwarzen Uniformen auf dem Dach erscheinen. Sie rissen die
Waffen hoch und feuerten. Corda erhielt zwei harte Schläge gegen die Unterschenkel. Er zuckte
zusammen und krümmte sich auf seinem Sitz. Seine Hände packten die Schenkel, die tobenden
Schmerzen zu bändigen.
»Seien Sie froh, daß Sie nur geschockt wurden!« keuchte der Synoptiker. Rex Corda grinste verzerrt.
Er versuchte, die Stadt zu überblicken.
Überall stiegen Gleiter auf. Durch die Transparentscheiben erkannte er zahllose schwarze Gestalten.
Die gnadenlose Jagd war schon auf Hochtouren, bevor die Gejagten noch recht begriffen hatten, wie
niedrig ihre Chancen waren.
Latak Decimo sah nur nach vorn. Er achtete auf nichts anderes als auf den Gleiter. Er beschleunigte so
scharf, wie es nur eben ging. Die roten Lampen auf dem Armaturenbrett flackerten warnend. Eine
kleine Sirene wimmerte, und eine flüsternde Stimme warnte davor, die Leistungsfähigkeit des Gleiters
so auszunutzen.
Decimo hieb mit der Faust auf den Lautsprecher der Warnanlage. Sie verstummte schon nach dem
ersten Schlag.
Ununterbrochen fühlte Corda die Schläge gegen seinen Körper. Die Schocks kamen viel zu schwach, um
ihn zu lähmen, weil die Abwehragenten zu weit entfernt waren, aber sie trafen ihn immer wieder.
»Dort ist es schon!« rief Decimo.
Cordas Kopf fuhr herum. Es war wirklich nicht mehr weit. Nur wenige hundert Meter trennten sie von
dem Park, in dem der Geheimgang endete.
»Gehen Sie runter! Fliegen Sie zwischen die Bäume!« empfahl Corda.
»Dann haben sie uns sofort!«
»Das glaube ich nicht! Hier können sie uns sehen. Dort unten sind wir für sie verschwunden! Wenn sie
sehen, wo wir im Boden untertauchen, dann werden sie das Gebiet so lange mit ihren Schockern
bearbeiten, bis wir irgendwo im Gang geschockt liegenbleiben! Damit wäre uns nicht gedient!«
Latak Decimo sah Corda kurz an. Er grinste verwegen.
Im nächsten Augenblick schon heulte der Gleiter steil nach unten. Mit atemberaubendem Tempo jagte
Latak Decimo das scheibenförmige Fahrzeug zwischen die Bäume. Krachend zersplitterten einige Äste
an den Verschalungen des Gleiters.
»Dort ist es! Noch fünfzig Meter! ‘raus hier!« rief der Synoptiker.
Er landete den Gleiter und sprang hinaus. Corda warf sich auf der anderen Seite durch die Tür hinaus.
Er kugelte durch das Gras. In den ersten Augenblicken versuchte er vergeblich, auf die Füße zu
kommen. Die Unterschenkel waren wie gelähmt. Sie hielten seinen schweren Körper nicht.
Doch dann war es wie ein Wunder. Dicht über den Baumwipfeln zischte ein Gleiter vorbei. Rex Corda
sah die verbissenen Gesichter zweier Agenten, die direkt auf ihn herabsahen. Er wußte, daß der Gleiter
sofort zurückkommen würde.
Plötzlich ging es.
Er rannte hinter Latak Decimo her, der gar nicht erfaßt hatte, wie mühsam Corda sich tat. Der
Terraner taumelte auch jetzt noch auf den Beinen, an jedem zweiten Baum mußte er sich abstützen, um
nicht ins Gras zu stürzen, aber er kämpfte sich voran.
Er hörte den Gleiter der Agenten durch die Bäume herabkommen. Krachend zersplitterte das Geäst. Er
hörte die zornigen Stimmen der Laktonen.
Und dann plötzlich teilte sich das Gebüsch, die entschlossene Hand Latak Decimos packte ihn und riß
ihn in den Gang.
»Kommen Sie, Corda! Schnell! Wir haben keine Sekunde mehr übrig!« brüllte der Synoptiker.
Rex Corda warf sich nach vorn. Er kroch auf Händen und auf Füßen hinter Latak Decimo her, der immer
wieder zusammenbrach. Beide fühlten das verräterische und schmerzhafte Zupfen ihrer Muskeln,
wenn die Agenten sie mit Schockfeldern bestrichen.
Es war ihr Glück, daß die Agenten sie an anderer Stelle vermuteten, so daß sie nur von den
Streufeldern erfaßt wurden. Sonst wären sie keine drei Schritte mehr weitergekommen. Latak Decimo
ließ sich ebenfalls fallen. Sie nutzten das Gefälle des Ganges aus.
Latak Decimo stieß einen erleichterten Seufzer aus, als das Licht aufflammte. Ihre Muskeln erholten
sich schnell. Sie kamen schneller und schneller voran.
Plötzlich packte Rex Corda das Bein Latak Decimos!
»Hören Sie!« wisperte er.
Sie verharrten auf dem Fleck. Hinter ihnen ertönten harte laute Stimmen, die sich hallend durch den
Gang fortpflanzten!
»Sie haben den Eingang gefunden!« flüsterte Decimo entsetzt. »Schnell! Wenn Sie jetzt mit einem
Strahler in den Gang schießen, sind wir verloren!«
Die grausame Drohung trieb sie noch schneller voran. Mehr als einmal glaubten sie ein spontanes
Steigen der Temperaturen zu bemerken. Doch sie irrten sich jedesmal.
»Hier ist das Feld!« keuchte Decimo. Eine endlose Zeit schien vergangen zu sein. Corda war es, als
wären sie kilometerweit durch den Gang gehastet.
Das Kraftfeld neutralisierte sich. Die beiden Männer warfen sich erschöpft über die unsichtbare
Grenze. Eine Sekunde später stand das Kraftfeld schon wieder, das sie jetzt vor den Gegnern
schützte.
Sie waren noch keine zwanzig Schritte gegangen, als blutig rotes Licht über sie hereinschwemmte.
Rex Corda drehte sich um. Der Schutzschirm glühte in heißen Farben.
»Sie schießen tatsächlich!« flüsterte Latak Decimo. Er lehnte seinen Kopf gegen die kühle Wand und
rang mühsam nach Atem.
*
»Kommen Sie! Kommen Sie schnell!« schrie Bir Osgo, als er Latak Decimo und Rex Corda im Gang
erreichte. »Wir haben den Computer gefunden und auch schon eingebaut, aber Sie müssen das Gerät
noch überprüfen!«
Latak Decimo eilte zum Transmitter. Irgend jemand reichte ihm eine Erfrischung. Fieberhaft
überprüfte er das Gerät.
»Alles in Ordnung!« sagte er endlich. »Ich hoffe, daß alles hält!«
Er stand auf.
»Kont – können Sie das Zeitfeld noch einmal einschalten? Wir brauchen jetzt eine halbe Stunde, um
alle durch den Transmitter zu bringen!«
Kont schüttelte den Kopf.
»Eine halbe Stunde Zeit kann ich nicht herausschlagen. Das halten die Generatoren nicht durch.
Fünfzehn Minuten sind das Äußerste!« erklärte er.
»Wir müssen es versuchen«, sagte Rex Corda. »Es ist unsere letzte Chance!«
Fan Kar Kont strich sich mit einer Hand über das gestreifte Gesicht. Seine beherrschten Augen sahen
jeden im Raum an.
»Corda, Sie sind einer der ersten, die durch den Transmitter gehen. Ich möchte, daß Sie auf dem
Raumschiff sind, wenn wir dort ankommen!«
»Nur, wenn die anderen einverstanden sind!« sagte Corda fest.
Niemand erhob Widerspruch.
»Unsere Chancen sind gut«, sagte Corda. »Die Abwehr vermutet uns nicht in dem Bereich, in dem wir
uns aufhalten. Wir haben eine Zwischenstation errichtet, die aus zwei Transmittern besteht, einem
Empfangstransmitter und einem Sendegerät. Wir werden von einem Gerät in das andere fallen. Durch
diese Zwischenstation konnten wir eine größere Gesamtstrecke überbrücken. Unsere Chancen sind also
wirklich gut!«
Latak Decimo schleppte jetzt mit Bir Osgo die Kabel herbei und schloß den Transmitter an die
Energieversorgung der Station an.
»Achtung!« rief Decimo.
Fan Kar Kont verließ den Raum und eilte in die große Halle hinab, in der die Steuerzentrale für die
Zeit und Energieschirme war.
Bir Osgo zeigte Decimo die Bereitschaft Konts an. Er hob den Arm.
Die Wissenschaftler einigten sich blitzschnell darüber, in welcher Reihenfolge sie durch den
Transmitter steigen wollten.
Das Kommando von Fan Kar Kont kam.
Bir Osgo schrie auf.
Latak Decimo aktivierte den Transmitter. Das orangerote Feld flammte hell auf.
Mit dieser Schaltung aktivierte er gleichzeitig die Zwischenstation, die anderthalb Lichtjahre
entfernt von Teckan im Raum stand, und den Transmitter an Bord der Corocon III.
»Ab!« rief Latak Decimo.
Rex Corda zögerte kurz. Dann stieg er in den Transmitter. Das flirrende Feld nahm ihn auf und riß ihn
in die Weite des Nichts hinaus.
*
»Zünden!« brüllte Hark Axthon, als der graue Zeitschirm sich plötzlich über dem Hause Hent Marats
wölbte.
Eine Sirene heulte schrill auf.
Die Roboter rasten zu den Raumschiffen zurück. Die Agenten sprangen in die wartenden Gleiter. In
Minutenschnelle zogen sich die Kräfte der Abwehr zurück. Die Gleiter schossen sternförmig von dem
Haus Hent Marats weg. Die Raumschiffe ritten auf glosenden Heckflammen in den rötlichen Himmel
hinauf.
Darüber verstrichen genau drei Minuten Teckanzeit.
»Zünden!« wiederholte Axthon.
Die Hand des Assistenten senkte sich auf einen der vier Zündknöpfe. Ein schwaches rotes Leuchten
schoß aus einem der vier Schächte.
Sonst geschah nichts.
»Sie können nicht viel Zeit gewonnen haben!« fluchte Axthon erregt. »Sie können höchstens einige
Minuten gewonnen haben!«
»Sie nehmen einen Transmitter in Betrieb!« rief die Stimme des Spezialisten in dem MeßGleiter aus
dem Bordholografen.
Mit monotoner Stimme begann er die Transmissionen zu zählen. Je weiter er kam, desto blasser wurde
Hark Axthon. Er hatte plötzlich das Gefühl, einen schweren Fehler gemacht zu haben.
Eine andere Stimme brüllte aus einem anderen Holografen.
»Raumortung! Raumortung! Gegenstation erfaßt! Entfernung annähernd anderthalb Lichtjahre.
Raumsektor r/c3 blau!«
Hark Axthon beugte sich vor.
»Laß sie!« keuchte er. »Laß sie! Sie haben trotzdem keine Chance! Wir erwischen sie alle!«
Schlagartig erlosch das rote Kraftfeld, das den Planeten Teckan wie eine unzerbrechliche Eischale
eingehüllt hatte. Die Zentrale Abwehr begriff sofort, daß die Transmissionen mit diesem
Energieschirm nicht verhindert werden konnten. Sie verwandte ihre gesamte Energie jetzt auf die
Jagd nach der Gegenstation.
Der graue Zeitschirm über dem Haus von Hent Marat zitterte. Er wurde heller.
Wenige Minuten erst waren verstrichen.
Die beiden Agenten beugten sich erregt vor. Sie glaubten erste Anzeichen eines Zusammenbruchs bei
dem Zeitschirm zu bemerken, doch nach einigen Sekunden leuchtete der Schirm so ruhig wie zuvor, er
war nur etwas heller geworden.
*
Als Rex Corda durch den Transmitter in das Innere der Corocon III stolperte, schrie John Haick
unwillkürlich auf.
John Haick, der junge Atomwissenschaftler, stand direkt vor dem Transmitter. Er hielt in der linken
Hand einen Becher mit heißem Kaffee, in der rechten eine brennende Zigarette.
Beides ließ er fallen, um Rex Corda aufzufangen.
»Jetzt wird es aber Zeit, Rex!« rief er. »Hier wird es bald verdammt mulmig werden!«
»Schnell! Hilf mir!« sagte Corda. Er trat die Zigarette aus und drehte sich um.
Er kam gerade recht, um Ierra Kretan, die Mathematikerin, die im hohen Bogen durch das
Transmissionsfeld flog, aufzufangen. Irgend jemand hatte sie auf Teckan in den Transmitter
geworfen. Sie kam mit dem gleichen Schwung auf der Corocon III an.
Der nächste war Hent Marat. Er grinste über das ganze Gesicht, watschelte auf John Haick zu und
klatschte ihm mit solcher Begeisterung die Hand auf die Schulter, daß John ächzend in die Knie ging.
»Wo bleibt Latak Decimo?« rief Corda erregt.
»Natürlich ist der einer der letzten!« lachte Marat vergnügt. Er half zwei Mathematikern vom
Transmitter weg, durch den sie sich fast gleichzeitig gezwängt hatten.
»Ich brauche Decimo! Er muß die Corocon III übernehmen!«
In der Kommandobrücke jaulten die Sirenen rhythmisch auf.
»Ortungsalarm!« brüllte Marat. Er wuchtete sich hoch und schnaufte mit schnellen Schritten zur
Kommandobrücke.
Corda arbeitete wie besessen, um so schnell wie möglich Platz am Transmitter zu schaffen. Fast jeder
Ankommende zögerte vor dem Transmitter und sah sich verstört, neugierig oder erleichtert um.
Bir Osgo kam mit einem Schmerzenslaut durch das rote Feld geschossen. Er hielt sich den
verlängerten Rücken. Sein weiches Gesicht glühte vor Zorn.
»Kont kann etwas erleben, wenn er kommt!« schrie er mit überschnappender Stimme. »Corda – er hat
mich mit einem Fußtritt in den Transmitter befördert!«
Verständnislos glotzte er Rex Corda an. Er hatte überhaupt kein Verständnis dafür, daß der Terraner
lachte.
»Gehen Sie auf die Kommandobrücke Osgo! Dort werden sie dringend gebraucht! Man hat uns schon
geortet!«
Jetzt schüttelte sich das kleine Wachboot. Die schweren Aggregate im Heck des Raumschiffes liefen
dröhnend an. Die Erschütterungen pflanzten sich bis zur Spitze des Schiffes fort.
John Haick drängte Corda vom Transmitter weg.
»Geh nach vorn! Du wirst dort ebenfalls gebraucht!« rief er durch den Lärm.
Corda wendete sich halb ab, doch dann fuhr er heftig herum.
Eine meterlange Stichflamme schoß brüllend aus dem Transmitter!
Sekunden später erlosch das orangerote Feld völlig.
Tot und leer stand der kalte Rahmen des Transmitters vor ihnen.
Betretenes Schweigen senkte sich über die 31 Männer in der Messe.
Latak Decimo, Fan Kar Kont und acht andere Wissenschaftler fehlten noch!
*
»Jetzt sollte ich noch ein paar von den Humunkuli haben, mit denen ich OR 224 angegriffen habe!«
lachte Fan Kar Kont. »Dann könnte ich Hark Axthon ganz schön anheizen!«
Latak Decimo sah besorgt auf den Holografen. Das graue Zeitfeld zitterte merklich.
»Schneller! Schneller!« keuchte er. »Wir haben keine Zeit mehr!«
In diesem Augenblick erlosch das Zeitfeld völlig. Mit einem Schlag konnten sie wieder über die Ebene
sehen. Der energetische Schutzschirm trübte die Sicht nur wesentlich.
Latak Decimo wollte etwas sagen. Doch er kam nicht mehr dazu. Er sah ein grauenhaftes Licht vor dem
Schirm aufblitzen und warf sich instinktiv nach unten. Er riß Fan Kar Kont, der neben ihm stand, mit. Er
umklammerte ihn und krallte sich an dem Transmitter fest.
Eine fürchterliche Gewalt griff nach ihnen. Sie schleuderte sie wie Spielbälle hinweg. Das, was eben
noch oben war, kehrte sich während eines Herzschlages nach unten.
Donnernde Explosionen zerrissen die Aggregate. Die Trümmerstücke der Maschinen bohrten sich mit
infernalischer Gewalt in die Decke der Halle und zerfetzten sie wie mürbes Papier.
Latak Decimo sah zuckende Blitze über sich hinwegjagen und im Transmitter verschwinden. Er hörte
die anderen Männer schreien. Er entdeckte, daß plötzlich nichts mehr um sie war. Die Decke des
Raumes fehlte, die Wände fehlten.
Irgendwo in der Nähe wirbelte einer jener gigantischen Maschinenblöcke wie ein Spielzeug durch die
Luft. Die Holografen zerbarsten mit dem entsetzlichsten Kreischen, das der Synoptiker jemals gehört
hatte.
Und dann plötzlich war alles still.
Latak Decimo rieb sich benommen die Augen. Er schüttelte den Kopf und befreite sein Gesicht von
Staub und Dreck. Er begriff, daß er einige Minuten bewußtlos gewesen sein mußte.
Er sah sich um und konnte es nicht fassen, daß er noch lebte. Er lag noch immer dicht neben dem
Transmitter. Der Boden, an den er sich klammerte, befand sich jetzt jedoch auf der Höhe des
ehemaligen Erdgeschosses. Über ihm war nichts als bewölkter Himmel.
Irgendwo rumpelte eine Maschine.
Latak Decimo suchte die anderen.
Er fand niemanden. Er war allein.
Eine richtig angesetzte Atombombe hatte genügt, um die Aggregate, die den Schutzschirm stützten,
zu zertrümmern. Damit brach alles zusammen, was dieses Haus gehalten hatte.
In dem Schutthaufen neben Latak Decimo regte sich etwas. Er stöhnte, raffte sich auf und kroch
hinüber. Eine graue gestreifte Hand streckte sich ihm entgegen.
»Decimo!« krächzte Fan Kar Kont. »Verdammt! Holen Sie mich ‘raus!«
Der Synoptiker warf sich keuchend über den Schutthaufen. Die Steine und der Schotter flogen zur
Seite. Es genügte, den Kopf des Chefwissenschaftlers frei zu machen. Den Rest schaffte Fan Kar Kont
fast allein.
Als Kont den Kopf hob, starrte er auf den Transmitter. Seine Augen weiteten sich. Seine Lippen
zuckten heftig, bevor sie ein leises nervöses Kichern ausstießen.
Latak Decimo folgte dem Blick des Chefwissenschaftlers.
»Das kann doch nicht wahr sein!« stammelte er.
Die Kontrollampe am Transmitter glühte noch. Das bedeutete, daß das Gerät nach wie vor ausreichend
Energie erhielt! Es konnte nur eine Kleinigkeit daran beschädigt sein.
Hinter einem umgestürzten Regal stöhnte jemand. Latak Decimo wollte sich sofort dorthin wenden,
doch Fan Kar Kont packte seinen Arm und schüttelte den Kopf.
»Sie kümmern sich um den Transmitter! Vielleicht haben wir doch noch eine Chance!«
*
Hark Axthon lachte dumpf auf, als er verfolgte, wie das Haus Hent Marats in zeitlupenhafter
Langsamkeit zersplitterte.
Unmittelbar nach dem Zusammenbruch des Zeitfeldes explodierte die Atombombe. Ihre Wucht
reichte aus, um auch den Energieschirm zu zerschlagen.
»Das wäre es!« versetzte Axthon.
»Es sind zu viele entkommen!« sagte sein Assistent unzufrieden.
»Noch nicht! Sie entkommen auch nicht, mein Freund! Sie haben uns unterschätzt!«
Er wartete, bis die letzten Trümmer zusammengebrochen waren, dann gab er seinem Assistenten einen
Wink. Der Agent startete den Gleiter und flog ihn in mäßiger Fahrt auf die Trümmerstätte zu.
»Da regt sich nichts mehr!« lachte Hark Axthon maliziös, als sie bis auf hundert Meter
herangekommen waren.
Doch da bellte die Stimme des Ortungsspezialisten aus dem Holografen.
»Ortung! Transmission!«
Hark Axthon schrie wütend auf. Er riß seinen Strahler aus dem Gürtel.
»Los! Die holen wir uns!« brüllte er.
Der Gleiter beschleunigte jaulend. Wie ein Geschoß stürzte er sich auf das Trümmerfeld herab.
Ein einsamer Mann stand mitten in den Trümmern.
Braungraue Streifen zogen sich über das Gesicht des Mannes. Er winkte spöttisch zu Hark Axthon
hinauf. Der Sicherheitsoffizier stieß das Seitenfenster auf. Seine Hand mit der Strahlwaffe zielte
auf den Chefwissenschaftler.
Fan Kar Kont erreichte den Transmitter mit einem Schritt. Er war schon mehr als eine Sekunde lang
verschwunden, als der Glutstrahl aus der Energiewaffe Hark Axthons in den Transmitter einschlug und
ihn zerschmetterte.
Zu spät!
*
»Es war nur eine Kleinigkeit«, sagte Latak Decimo zu Rex Corda, der neben Hent Marat auf der
Kommandobrücke in einem Sessel saß. »Der Schaden konnte mit einem Handgriff behoben werden. Kont
und ich warfen die beiden letzten Überlebenden noch in den Transmitter, und dann kamen wir selbst!
Es ist also nichts Besonderes passiert!«
Rex Corda lächelte dünn.
Er zeigte auf den Holografen. Die Sonne Teckans war kaum noch zu erkennen. Sie wurde mit jeder
Sekunde kleiner. Doch zwischen ihr und der fliehenden Corocon III stand eine andere Sonne, die
ständig wuchs.
»Nichts Besonderes?« fragte Corda. »Sie haben unwahrscheinliches Glück gehabt, Decimo! Sie und
Kont hätten keine Sekunde später kommen dürfen! Kont hatte die Zwischenstation gerade passiert, als
diese von der Abwehr abgeschossen wurde.«
Latak Decimo biß sich auf die Lippen. Seine Stirn runzelte sich besorgt.
Auf den Orterschirmen wimmelte es von Reflexen – Raumschiffe der Abwehr, die sie suchten.
»Sie sind noch langsamer als wir. Wir können den Hyperraum vor ihnen erreichen!« bemerkte Hent
Marat trocken. Er lutschte zufrieden ein Stückchen Schokolade, das John Haick ihm gegeben hatte. »
Wir sind zu klein. Wir sind zu schwer zu erfassen. Die Idee war nicht schlecht, Terraner, mit diesem
Wachboot zu kommen!«
Hent Marat verschluckte sich. Alle Farbe wich aus seinem sonst so rosigen Gesicht.
Unmittelbar vor ihnen tauchte ein Riese aus dem unfaßbaren Hyperraum. Ein Raumkreuzer der Trakon
Klasse, über zweitausend Meter lang, raste in kaum hundert Kilometer Entfernung an ihnen vorbei.
Wenn der Gigant schnell genug reagierte, konnte er sie mit einem einzigen Schuß aus seinen gewaltigen
Energiegeschützen vernichten. Die elektronisch gesteuerten Waffen des Riesen konnten in Bruchteilen
von Sekunden mit maßloser Gewalt zuschlagen und alles zu Staub zerblasen, was sich ihnen in den Weg
stellte.
Krachend flammte der Holograf vor Hent Marat auf.
»TETROKON IV an Wachboot! TETROKON IV an Wachboot! Bitte melden!«
Hent Marat legte nur einen kleinen Hebel um. Er wußte, daß die Gegenstation ihn jetzt sehen konnte.
»Corocon III an TETROKON IV!« schnarrte er mit einer Stimme, die wundervoll gelangweilt klang. »
Sondierungsfahrt am Rande des Systems Teckan!«
»Das ich nicht lache!« brüllte der Funkoffizier im Holografen. »Am Rande des Systems? Welcher Narr
sitzt dort am Hebel?«
»Kümmert euch lieber um die TransmitterStation, die sich genau zwischen der TETROKON und
Teckan befindet!« brüllte Hent Marat aufbrausend. »Wenn wir eingreifen dürften, hätten wir Fan Kar
Kont und seine Privatarmee längst wieder geschnappt!«
Marat starrte das junge Gesicht, das sich vor ihm auf dem Holografen abzeichnete, wütend an. Das
Gesicht wurde schlagartig blaß.
»Wir schnappen ihn! Verlaß dich drauf!« keuchte er.
Hent Marat kippte den Hebel um. Das Bild erlosch.
Latak Decimo wischte sich über das schweißnasse staubbedeckte Gesicht.
»Was ist eigentlich los mit Ihnen, Kont, daß Sie so gesucht sind?« grinste er den Chefwissenschaftler
an.
Das gestreifte Gesicht zuckte belustigt.
»Ich bin so schön!« schmunzelte Fan Kar Kont in beispielloser Bescheidenheit.
»Achtung – Übergang zum Hyperflug!« rief Marat dazwischen.
Übergangslos glitt die Corocon III in den Hyperraum, jenes Universum, in dem sich die gewohnten
Dimensionen verschoben, das dadurch Geschwindigkeiten erlaubt, die weit über der des Lichtes lagen.
Rex Corda fühlte für einen kurzen Augenblick leichte Übelkeit.
Die Corocon III raste mit einer Geschwindigkeit, die weit über der des Lichtes lag, auf die ferne Erde
zu. Fünfunddreißig Wissenschaftler an Bord der kleinen Corocon III hofften, daß ihnen der
gefährliche Durchbruch zur Erde gelingen würde.
»Dann sind Sie und ich also völlig umsonst nach Teck geflogen, Decimo?« fragte Corda den Synoptiker.
»Nein, Sir! Mit Sicherheit nicht! Durch die Erschütterungen wurde der Transmitter beschädigt, kleine
Speicherelemente fielen aus. Ierra Kretan hatte den Computer doch ein wenig beschädigt. Ich konnte
die Reparatur in dieser Eile nur durchführen, weil ich die Speicherelemente mit dem Computer aus der
PlanetarenSofortPost in Teck ersetzen konnte!« Latak Decimo lächelte. »Hätte ich es nicht getan,
hätten Fan Kar Kont und ich wahrscheinlich einen erheblichen Volumenzuwachs erfahren!«
»Was?« schnaufte Hent Marat. »Wie ist das mit dem Volumenzuwachs? Bedeutet das, daß Zwerg Osgo als voll ausgewachsener Mann aus dem Transmitter herausgekommen wäre, wenn wir ihn durchgepustet hätten?« Bir Osgo bemühte sich krampfhaft um eine würdevolle Haltung. Hilflos suchte er den Blick der Mathematikerin Ierra Kretan, die im Hintergrund der Kommandobrücke stand. Die Laktonin sah erleichtert aus. Die Spannung der letzten Stunden war von ihr abgefallen. Ein unbestimmbares Lächeln lag auf ihren Lippen. Bir Osgo konnte nicht sagen, weshalb sie die Sabotageakte verübt hatte. Er wußte es nicht. Aus Angst und Verzweiflung, weil sie nicht mehr an ein Gelingen der Aktion glaubte? Oder stand sie doch auf der Seite der Abwehr? Bir Osgo bemerkte, daß auch Rex Corda die Mathematikerin ansah. Er beruhigte sich rasch. Bir Osgo war fest davon überzeugt, daß Rex Corda einen weiteren Verrat Ierra Kretans verhindern würde. Wenn sie eine Verräterin war, dann würde sie es zumindest sehr schwer haben, Lakton davon zu benachrichtigen, wo die entflohenen fünfunddreißig Genies geblieben waren. ENDE WER IST WAS? Kleines Lexikon des Kosmos Uniter: United Intelligence Division of Terra ist nach dem Vorbild des amerikanischen CIA aufgebaut. In der UNITER arbeiten Agenten aller Völker der Erde. Ihr Sitz ist Norad. Amerikanischer Chef: Boyd Clifton, Organisationsleiter J.K.S. Diamidow. Forschungsstätte »Will Rimson« liegt bei Salt Lake City und beherbergt den größten Computer der Erde (mehrere hundert Meter lang. Der größte Teil ist unterirdisch in einer VakuumKammer angelegt). Chefprogrammiererin im Computerraum: Katja Leskow. Hyperraum: dem bestehenden Kontinuum übergeordneter Raum, der Geschwindigkeiten erlaubt, die über denen des Lichts liegen. Es ist möglich, Beobachtungen aus dem Hyperraum heraus in das Normalkontinuum zu führen und umgekehrt. Es ist ebenfalls möglich, von einem Raum in den anderen zu kämpfen. Der Hyperraum verfärbt die Angriffswaffen und überzieht sie mit einem seltsamen Lichtglanz. Beim Eintauchen in den Hyperraum werden nahe Objekte für wenige Augenblicke zu roten Streifen. Beim Verlassen des Hyperraums tritt ein leichtes Prickeln auf der Haut auf. BlauLighter: Schockwaffe, tintenblauer Schockstrahl lähmt das Nervensystem durch elektrische Aufladung bzw. Veränderung der statischen Körperelektrizität. Radars: Auf Swamp beheimatete 4 Meter hohe schwarzblaue Pflanze mit am unteren Ende befindlichem Hornschnabel, der mühelos Metall zerbeißt. Auf den Blättern der Pflanze wachsen Diamantenaugen, die nach »Radarprinzip« sehen können. Radars leben im Sumpf, sind in der Lage, teleportationsverwandte Sprünge auszuführen, d. h. sie verschwinden im Boden und tauchen unvermutet an anderer Stelle wieder auf, um so ihr Opfer einzukesseln. Teckan: Planet der Wissenschaftler, Forschungszentrum des laktonischen Reiches. Die hier lebenden Wissenschaftler sind von ungeheurem Luxus umgeben. Teckan ist dennoch ein Gefängnis, da es keine Freiheit für die Wissenschaftler gibt. Die Forschungsstationen sind durch Zeitkuppeln geschützt. Der Verschiebungsfaktor ist nur sehr wenigen Laktonen bekannt. Sylper: Drei bis vier Meter lange Engerlinge. Weißlichgrün, nicht sehr intelligent, wenn auch hochentwickelt. Sie können Energie in den verschiedensten Formen absorbieren, sind aber gegenüber äußeren Gewalteinflüssen äußerst unempfindlich. Man kann sie mit einem Knüppel erschlagen. Sie treten immer zu mehreren auf. Giftiger Stachel am hinteren Ende, Kopf und Schwanz, starke Hornklauen. Sie sind blind, da sie sich in Höhlen entwickeln. Orientierung durch Radar. Ypse: Formlose Masse, die man vergleichsweise als Riesenamöbe bezeichnen könnte. Menge ca. 100 Liter und 75 kg. Ihre galertartige Kompaktmasse sieht aus wie ein zähflüssiger Pudding. Die Ypse können durch Betonwände kriechen und stecken dabei winzige Fühler aus, mit denen sie wahrnehmen können, was außerhalb der Wände passiert. Sobald sie ein Opfer festgestellt haben, springen sie überfallartig mit einem Teil des Körpers aus der Wand heraus und überschwemmen das Opfer. Die
Ypse saugen Blut auf.