Waldmann Poisson-Geometrie und Deformationsquantisierung
Stefan Waldmann
Poisson-Geometrie und Deformationsquantisierung Eine Einführung
Mit 32 Abbildungen
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HD Dr. Stefan Waldmann Fakultät für Mathematik und Physik Physikalisches Institut Albert-Ludwigs-Universität Hermann Herder Straße 3 79104 Freiburg E-mail:
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Mathematics Subject Classification (2000): 53D05, 53D17, 53D20, 53D55, 81S10
ISBN 978-3-540-72517-6 Springer Berlin Heidelberg New York Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt. Die dadurch begründeten Rechte, insbesondere die der Übersetzung, des Nachdrucks, des Vortrags, der Entnahme von Abbildungen und Tabellen, der Funksendung, der Mikroverfilmung oder der Vervielfältigung auf anderen Wegen und der Speicherung in Datenverarbeitungsanlagen, bleiben, auch bei nur auszugsweiser Verwertung, vorbehalten. Eine Vervielfältigung dieses Werkes oder von Teilen dieses Werkes ist auch im Einzelfall nur in den Grenzen der gesetzlichen Bestimmungen des Urheberrechtsgesetzes der Bundesrepublik Deutschland vom 9. September 1965 in der jeweils geltenden Fassung zulässig. Sie ist grundsätzlich vergütungspflichtig. Zuwiderhandlungen unterliegen den Strafbestimmungen des Urheberrechtsgesetzes. Springer ist ein Unternehmen von Springer Science+Business Media springer.de © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2007 Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, daß solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften. Text und Abbildungen wurden mit größter Sorgfalt erarbeitet. Verlag und Autor können jedoch für eventuell verbliebene fehlerhafte Angaben und deren Folgen weder eine juristische Verantwortung noch irgendeine Haftung übernehmen. Umschlaggestaltung: WMXDesign GmbH, Heidelberg Herstellung: LE-TEX Jelonek, Schmidt & Vöckler GbR, Leipzig Satz: Datenerstellung durch den Autor unter Verwendung eines Springer TEX-Makropakets Gedruckt auf säurefreiem Papier 175/3180YL - 5 4 3 2 1 0
F¨ ur Sonja, Richard, Silvia und Viola
Vorwort
Dieses Buch entstand aus einem – anfangs bei weitem nicht so ausf¨ uhrlich geplanten – Vorlesungsskript zu einer zweisemestrigen Vorlesung u ¨ ber Poisson¨ Geometrie und Deformationsquantisierung mit w¨ochentlichen Ubungen, die ich in Freiburg am Physikalischen Institut im Wintersemester 2003/2004 und im Sommersemester 2004 und dann wieder im Wintersemester 2006/2007 und Sommersemester 2007 hielt. Die Zielgruppe dieser Veranstaltung waren Physik- und Mathematikstudenten im Hauptstudium. Mein wesentliches Ziel bei diesen Vorlesungen und nun auch bei diesem Buch war es, eine koh¨ arente Darstellung der klassischen Mechanik (in Form von symplektischer und Poisson-Geometrie) und ihrer Quantisierung (in Form von Deformations¨ quantisierung) zu geben, da meiner Uberzeugung nach eine klassische physikalische Theorie ohne Blick auf ihre Quantisierung ebenso unvollst¨andig sein muß wie eine quantentheoretische Theorie ohne das genaue Wissen um die klassischen Urspr¨ unge. An der Entstehung dieses Buches haben mir viele Kollegen und Freunde mit Rat und Tat beigestanden, es sei ihnen an dieser Stelle daher herzlich gedankt: vor allem Martin Bordemann, Nikolai Neumaier und Hartmann R¨omer verdanke ich viele Diskussionen zur Differentialgeometrie, mathematischen Physik und insbesondere zur Deformationsquantisierung, welche auf die eine oder andere Art in diesem Buch mit eingeflossen sind. Thomas Strobl m¨ochte ich besonders f¨ ur seine wichtigen Kommentare und Hinweise zur Quantisierung danken. Martin Schlichenmaier und Gerd Rudolph geb¨ uhrt ebenfalls großer Dank f¨ ur ihre zahlreichen Verbesserungsvorschl¨age und Kommentare. Juan-Pablo Ortega sei f¨ ur hilfreiche Erkl¨ arungen zur Bl¨atterungstheorie gedankt. Den Freiburger Diplomanden und Doktoranden Florian Becher, Svea Beiser, Michael Carl, Jakob Heller, Hans-Christian Herbig, Stefan Jansen, Frank Keller und Stefan Weiß m¨ ochte ich herzlich f¨ ur ihre Kommentare und das eifrige Korrekturlesen danken. Den H¨ orerinnen und H¨orern meiner Vor¨ lesung sei ebenfalls f¨ ur die vielen Kommentare insbesondere zu den Ubungen gedankt. Weiter m¨ ochte ich Julius Wess ganz besonders f¨ ur die Ermutigung danken, dieses Buch zu schreiben, auch wenn es urspr¨ unglich etwas anders
VIII
Vorwort
geplant war. Ebenfalls danke ich Herrn Prof. Wolf Beiglb¨ock f¨ ur seine Kommentare zu den ersten Versionen des Manuskripts. Schließlich m¨ochte ich den Damen und Herren vom Springer-Verlag f¨ ur ihre Unterst¨ utzung bei der Umsetzung dieses Buchprojekts danken. Der gr¨ oßte Dank geb¨ uhrt aber sicherlich meinen Kindern Silvia, Richard und Sonja, die mit viel Geduld lange Abwesenheiten meinerseits ertrugen, und meiner Frau Viola, die mir jederzeit Diskussionspartner, St¨ utze und Inspiration bei der Entstehung dieses Buches war.
Freiburg, Mai 2007
Stefan Waldmann
Inhaltsverzeichnis
Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Aspekte der Hamiltonschen Mechanik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.1 Analytische Aspekte der Hamiltonschen Mechanik . . . . . . . . . . . 1.2 Geometrische Aspekte der Hamiltonschen Mechanik . . . . . . . . . 1.2.1 Geometrische Eigenschaften von Fl¨ ussen . . . . . . . . . . . . . 1.2.2 Hamiltonsche Fl¨ usse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.2.3 Die symplektische Form . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.3 Algebraische Aspekte der Hamiltonschen Mechanik . . . . . . . . . . 1.3.1 Observable und Zust¨ ande . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.3.2 Die Poisson-Klammer und die Zeitentwicklung . . . . . . . . 1.4 Warum Geometrische Mechanik“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ” 1.5 Aufgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
9 10 12 12 13 15 16 16 20 21 22
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Differentialgeometrische Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.1 Differenzierbare Mannigfaltigkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.1.1 Karten und Atlanten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.1.2 Tangentialvektoren und das Tangentenb¨ undel . . . . . . . . . 2.1.3 Vektorfelder, Fl¨ usse und Lie-Klammern . . . . . . . . . . . . . . 2.2 Vektorb¨ undel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2.1 B¨ undelkarten und erste Eigenschaften . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2.2 Konstruktionen von Vektorb¨ undeln . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2.3 Algebraische Strukturen f¨ ur Schnitte von Vektorb¨ undeln 2.2.4 Kovariante Ableitungen und Kr¨ ummung . . . . . . . . . . . . . 2.2.5 Orientierung und α-Dichtenb¨ undel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.3 Kalk¨ ul auf Mannigfaltigkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.3.1 Tensorfelder und Lie-Ableitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.3.2 Differentialformen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.3.3 Multivektorfelder und die Schouten-Nijenhuis-Klammer 2.3.4 Integration auf Mannigfaltigkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.4 Aufgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
29 30 30 35 41 45 46 50 54 60 63 72 72 75 82 87 92
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Symplektische Geometrie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 105 3.1 Symplektische Mannigfaltigkeiten als Phasenr¨aume . . . . . . . . . . 105 3.1.1 Definitionen und erste Eigenschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . 106 3.1.2 Hamiltonsche Vektorfelder und Poisson-Klammern . . . . . 108 3.1.3 Das Darboux-Theorem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 113 3.2 Beispiele von symplektischen Mannigfaltigkeiten . . . . . . . . . . . . . 118 3.2.1 Kotangentenb¨ undel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 118 3.2.2 Von Lagrangescher zu Hamiltonscher Mechanik . . . . . . . 130 3.2.3 Fast-Komplexe Strukturen und K¨ahlerMannigfaltigkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 138 3.3 Impulsabbildungen und Phasenraumreduktion . . . . . . . . . . . . . . 151 3.3.1 Lie-Gruppen und Gruppenwirkungen . . . . . . . . . . . . . . . . 152 3.3.2 Impulsabbildungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 175 3.3.3 Die Marsden-Weinstein-Reduktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 185 3.4 Aufgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 191
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Poisson-Geometrie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 209 4.1 Poisson-Mannigfaltigkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 210 4.1.1 Poisson-Klammern und Poisson-Tensoren . . . . . . . . . . . . . 211 4.1.2 Hamiltonsche und Poisson-Vektorfelder . . . . . . . . . . . . . . . 215 4.1.3 Beispiele von Poisson-Mannigfaltigkeiten . . . . . . . . . . . . . 218 4.1.4 Symplektische Bl¨ atterung und das Splitting-Theorem . . 225 4.1.5 Poisson-Abbildungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 233 4.2 Lie-Algebroide und Poisson-Kohomologie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 237 4.2.1 Lie-Algebroide . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 238 4.2.2 Poisson-Kohomologie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 247 4.2.3 Die fundamentale und die modulare Klasse . . . . . . . . . . . 253 4.2.4 Formale Poisson-Tensoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 257 4.3 Aufgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 271
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Quantisierung: Erste Schritte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 281 5.1 Die Problemstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 281 5.1.1 Klassische Mechanik und Quantenmechanik im Vergleich283 5.1.2 Quantisierung und klassischer Limes . . . . . . . . . . . . . . . . . 288 5.2 Kanonische Quantisierung f¨ ur polynomiale Funktionen . . . . . . . 292 5.2.1 Das Groenewold-van Hove-Theorem . . . . . . . . . . . . . . . . . 294 5.2.2 Ordnungsvorschriften: Standard- und Weyl-Ordnung . . . 299 5.2.3 Wick-, Anti-Wick- und κ ˜-Ordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 303 5.2.4 Die ersten Sternprodukte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 306 5.3 Symbolkalk¨ ul f¨ ur Pseudodifferentialoperatoren . . . . . . . . . . . . . . 314 5.3.1 Integralformeln und Pseudodifferentialoperatoren . . . . . . 315 5.3.2 Integralformeln f¨ ur die Sternprodukte . . . . . . . . . . . . . . . . 324 5.3.3 Asymptotische Entwicklungen und ihre Konvergenz . . . . 331 5.3.4 Asymptotische Entwicklung und klassischer Limes . . . . . 336 5.4 Geometrische Verallgemeinerung: Kotangentenb¨ undel . . . . . . . . 337
Inhaltsverzeichnis
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5.4.1 Standardgeordnete Quantisierung auf T ∗ Q . . . . . . . . . . . 338 5.4.2 κ-Ordnung und Sternprodukte auf T ∗ Q . . . . . . . . . . . . . . 347 5.5 Aufgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 355 6
Formale Deformationsquantisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 371 6.1 Sternprodukte auf Poisson-Mannigfaltigkeiten . . . . . . . . . . . . . . . 372 6.1.1 Ziele und Erwartungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 372 6.1.2 Die Definition von Sternprodukten . . . . . . . . . . . . . . . . . . 374 6.1.3 Existenz und Klassifikation von Sternprodukten . . . . . . . 380 6.2 Algebraische Deformationstheorie nach Gerstenhaber . . . . . . . . 386 6.2.1 λ-Adische Topologie und der Banachsche Fixpunktsatz . 389 6.2.2 Die Gerstenhaber-Klammer und der Hochschild-Komplex393 6.2.3 Formale Deformationen assoziativer Algebren . . . . . . . . . 402 6.2.4 Eine formale assoziative Deformation . . . . . . . . . . . . . . . . 410 6.2.5 Das Hochschild-Kostant-Rosenberg-Theorem . . . . . . . . . . 413 6.3 Kalk¨ ul mit Sternprodukten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 419 6.3.1 Inverse, Exponential- und Logarithmusfunktion . . . . . . . 419 6.3.2 Derivationen von Sternprodukten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 423 6.3.3 Automorphismen von Sternprodukten . . . . . . . . . . . . . . . . 429 6.3.4 Zeitentwicklung und die Heisenberg-Gleichung . . . . . . . . 433 6.3.5 Spurfunktionale . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 437 6.4 Die Fedosov-Konstruktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 444 6.4.1 Das formale Weyl-Algebrab¨ undel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 446 6.4.2 Die Fedosov-Derivation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 453 6.4.3 Die Fedosov-Taylor-Reihe und das Fedosov-Sternprodukt464 6.4.4 Die Fedosov-Klasse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 470 6.5 Aufgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 474
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Zust¨ ande und Darstellungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 485 7.1 Zust¨ ande als positive Funktionale . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 486 7.1.1 Geordnete Ringe, Pr¨ a-Hilbert-R¨aume und ∗ -Algebren . . 487 7.1.2 Positivit¨ atsbegriffe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 495 7.1.3 Positive Funktionale in der Deformationsquantisierung . 501 7.1.4 Die KMS-Bedingung und thermodynamische Zust¨ande . 507 7.1.5 Positive Deformationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 512 7.2 Darstellungen und GNS-Konstruktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 517 7.2.1 Elementare Darstellungstheorie einer ∗ -Algebra . . . . . . . 518 7.2.2 Die allgemeine GNS-Konstruktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 522 7.2.3 GNS-Darstellungen in der Deformationsquantisierung . . 525 7.2.4 Deformation und klassischer Limes von ∗ -Darstellungen 537 7.3 Aufgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 544
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Differentialoperatoren auf Mannigfaltigkeiten . . . . . . . . . . . . . . 551 A.1 Zerlegungen der Eins . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 551 A.2 Algebraische Definition von Differentialoperatoren . . . . . . . . . . . 556 A.3 Differentialoperatoren der Algebra C ∞ (M ) . . . . . . . . . . . . . . . . . 560 A.4 Algebraische Definition von Multidifferentialoperatoren . . . . . . . 566 A.5 Multidifferentialoperatoren auf Schnitten von Vektorb¨ undeln . . 573
Kommentiertes Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 579 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 583 Sachverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 601
Einleitung
In diesem Lehrbuch der mathematischen Physik soll eine koh¨arente Darstellung der Poisson-Geometrie und der Deformationsquantisierung erreicht werden. Das Buch gliedert sich daher in zwei große Teile, den der klassischen Mechanik und den der Quantenmechanik. Beide Teil sind jedoch inhaltlich eng verzahnt und nehmen Bezug aufeinander, nicht zuletzt um die Problematik der Quantisierung zu verdeutlichen: ohne genaue Kenntnis der klassischen Situation bleibt Quantisierung ein leerer Begriff. Die Quantentheorie ist andererseits ohne R¨ uckgriff auf klassische Begriffe in weiten Teilen nicht interpretierbar, so daß der Quantisierung und dem klassischen Limes eine Schl¨ usselrolle beim Verst¨ andnis der Quantentheorie zukommt. Dar¨ uberhinaus lassen sich viele Konstruktionen und Begriffe in der klassischen Mechanik nur im Hinblick auf ihre quantentheoretischen Analoga vollst¨andig verstehen und motivieren. Daher ist es das erkl¨ arte Ziel dieses Buches, die klassische Mechanik gemeinsam mit ihrer Quantisierungstheorie zu beschreiben und daf¨ ur die angemessenen mathematischen Techniken zu entwickeln. Hier beschreitet das vorliegende Buch nicht nur den u ¨ blichen Weg eines Lehrbuchs der Mathematik, es wird vielmehr versucht, die physikalische Motivation, Interpretation und Bedeutung der einzelnen mathematischen Strukturen klar herauszustellen. Gerade durch diese koh¨ arente Darstellung soll der engen Verbindung von Physik und Mathematik im Bereich der Mechanik und Quantisierungstheorie Rechnung getragen werden.
Klassische Mechanik. . . Die klassische Mechanik besitzt viele mathematische Formulierungen und gilt nicht zuletzt deshalb als eine der bestverstandenen physikalischen Theorien, weil je nach konkreter Situation verschiedene, bestens angepaßte Techniken zur Verf¨ ugung stehen. Aber auch auf konzeptueller Ebene ist die klassische Mechanik diejenige physikalische Theorie, die der Anschauung und damit der Interpretation am wenigsten Probleme bereitet.
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Einleitung
Im Hinblick auf die angestrebte Quantisierung gilt es eine geeignete Auswahl unter den mathematischen Formulierungen zu treffen, die im vorliegenden Buch auf die Hamiltonsche Formulierung der klassischen Mechanik fallen wird. Diese erweist sich zum einen als besonders nahe an der Quantenmechanik, was sie attraktiv f¨ ur Quantisierungstheorien macht, zum anderen ¨offnet der Hamiltonsche Zugang die T¨ uren zu einer geometrischen Beschreibung der Mechanik mit Hilfe der symplektischen Geometrie und der Poisson-Geometrie. An dieser Stelle sollte jedoch nicht verschwiegen werden, daß die klassische Mechanik mehr Ph¨ anomene bereit h¨ alt also die, die mit der Hamiltonschen Formulierung angemessen beschrieben werden k¨onnen, insbesondere seien hier dissipative Systeme, bei denen die Energieerhaltung verletzt ist, und Systeme mit stochastischen Einfl¨ ussen genannt. Der wesentliche Aspekt der Hamiltonschen Mechanik, welcher sich in der symplektischen Geometrie wie auch der Poisson-Geometrie wiederfindet, ist ja gerade die Energieerhaltung: Die fundamentalen Hamiltonschen Gleichungen q(t) ˙ =
∂H (q(t), p(t)) ∂p
Ê
und
p(t) ˙ =−
∂H (q(t), p(t)) ∂q
Ê
f¨ ur gesuchte Kurven q, p : −→ n bei gegebenen Anfangsbedingungen q(0) = q0 und p(0) = p0 zu einer vorher festgelegten Hamilton-Funktion H beschreiben eine Dynamik, so daß die Funktion H selbst immer eine Erhaltungsgr¨ oße ist. Entscheidend hierf¨ ur ist das vielleicht wichtigste Minuszeichen der mathematischen Physik in den Hamiltonschen Gleichungen sowie die Tatsache, daß partielle Ableitungen vertauschen, sofern H von der Klasse C 2 ist, was immer angenommen werden soll. Diese Antisymmetrie in den Hamiltonschen Gleichungen unter Vertauschung von Orten q und Impulsen p wird nun zum grundlegenden Prinzip in der symplektischen Geometrie: Gegenstand der symplektischen Geometrie sind Mannigfaltigkeiten mit einer antisymmetrischen nichtausgearteten Bilinearform ω auf jedem Tangentialraum, der symplektischen Form. Ganz anders verh¨ alt es sich beispielsweise mit der Riemannschen Geometrie, wo die Symmetrie eines Skalarprodukts als Ausgangspunkt genommen wird, um symmetrische Bilinearformen zu betrachten. W¨ ahrend nun die Hamiltonsche Mechanik auf dem einfachsten Phasenraum 2n im wesentlichen durch symplektische lineare Algebra beschrieben werden kann, ben¨ otigt man im allgemeinen geometrischen Kontext eine Integrabilit¨atsbedingung, die Geschlossenheit der symplektischen Form. Diese gestattet es letztlich, die aus dem 2n bekannte Poisson-Klammer von Funktionen n ∂f ∂g ∂f ∂g − {f, g} = ∂q k ∂pk ∂pk ∂q k
Ê
Ê
k=1
auch geometrisch zu verallgemeinern, so daß die algebraischen Eigenschaften beibehalten werden k¨ onnen: Antisymmetrie (erneut das wichtigste Minuszeichen) und Jacobi-Identit¨ at. Daß es sich bei der Geschlossenheit tats¨achlich um eine Integrabilit¨ atbedingung handelt, ist gerade die Aussage des Darboux-
Einleitung
3
Theorems: es lassen sich auf jeder symplektischen Mannigfaltigkeit lokale Koordinaten finden, so daß die Hamiltonschen Gleichungen und die PoissonKlammer die obige einfache Gestalt annehmen. Es stellt sich nun die Frage, warum sich insbesondere auch Physiker mit symplektischer Geometrie besch¨ aftigen sollten, wo doch die relevanten“ me” chanischen Systeme bequem mit dem Phasenraum 2n beschrieben werden k¨ onnen. Hier gibt es mindestens zwei Antworten: zum einen sind auch mechanische Systeme mit Zwangsbedingungen relevant, welche im einfachsten Fall zu Phasenr¨ aumen f¨ uhren, die mathematisch durch das Kotangentenb¨ undel eines geometrisch nicht-trivialen Konfigurationsraumes beschrieben werden. Globale Effekte, wie sie in diesem Fall beispielsweise bei einem geladenen Teilchen im magnetischen Feld eines (hypothetischen) magnetischen Monopols auftreten, zeigen, daß eine rein lokale Sicht der Dinge wesentliche physikalische Ph¨ anomene u ¨bersehen muß. Zum anderen, und dies ist vermutlich der fundamentalere Grund, treten bei mechanischen Systemen mit Symmetrien bei der Beschreibung der reduzierten Phasenr¨aume, wo also bestimmte Erhaltungsgr¨ oßen, die Komponenten einer Impulsabbildung, in ihren Werten fixiert wurden, symplektischen Mannigfaltigkeiten auf, welche eine nahezu generische Komplexit¨ at aufweisen k¨ onnen, auch wenn das urspr¨ ungliche System den trivialen Phasenraum 2n besaß. Der Schritt von der symplektischen Geometrie zur allgemeineren PoissonGeometrie ist dagegen vergleichsweise leicht zu verstehen, insbesondere im Hinblick auf die angestrebte Quantisierung. Es ist letztlich nicht die Geometrie, welche f¨ ur ein mechanisches System ausschlaggebend ist, sondern die algebraische Beschreibung der Observablen mit Hilfe der Poisson-Algebra der Funktionen auf dem Phasenraum, welche geometrischen Strukturen der Phasenraum selbst auch immer haben mag. Fordert man daher nur die Existenz einer Poisson-Klammer f¨ ur die Funktionen, so erh¨alt man als zugrundeliegende geometrische Struktur einen Poisson-Tensor auf dem Phasenraum, der nun im Gegensatz zum symplektischen Fall auch ausgeartet sein darf. Auf diese Weise erh¨ alt man dann eine willkommene Verallgemeinerung der symplektischen Geometrie, die immer noch die relevanten algebraischen Strukturen bereith¨ alt, die bei der Quantisierung von N¨ oten sind, aber nun neue Beispielklassen und Ph¨ anomene erm¨ oglicht. Als erstes wichtiges Strukturmerkmal von Poisson-Mannigfaltigkeiten erh¨ alt man das Resultat, daß sie sich auf kanonische Weise in immersierte symplektische Untermannigfaltigkeiten zerbl¨attern, wobei die Bl¨ atterung im allgemeinen singul¨ ar und damit sehr kompliziert ist. Eines der wichtigsten Beispiele f¨ ur eine Poisson-Mannigfaltigkeit ist der Dualraum g∗ einer Lie-Algebra g, auf dem es eine kanonische lineare PoissonStruktur gibt. Dieses Beispiel erlaubt es zugleich, Poisson-Geometrie als eine Verallgemeinerung von Lie-Algebratheorie zu sehen. Mit diesem Beispiel erweist sich Poisson-Geometrie als u utzlich beim Verst¨andnis von Sym¨ beraus n¨ metrien: die Impulsabbildung eines Hamiltonschen Systems mit Symmetrie ist eine Poisson-Abbildung J : M −→ g∗ , womit Poisson-geometrische Methoden auch Einzug in die symplektische Geometrie halten. Dar¨ uberhinaus liefern
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Einleitung
Poisson-Mannigfaltigkeiten erste Beispiele f¨ ur Lie-Algebroide, die ihrerseits ebenfalls zur Verallgemeinerung von Symmetriekonzepten herangezogen werden k¨ onnen. Die beiden letzten Aspekte von Poisson-Geometrie zeigen klar das Potential dieser Konzepte auch jenseits von Anwendungen in der geometrischen Mechanik.
. . . und ihre Quantisierung ¨ Die fundamentale physikalische Konstante, die den Ubergang von klassischer Physik zu Quantenphysik kontrolliert, ist das Plancksche Wirkungsquantum = 1.05457168 × 10−34 Js der physikalischen Dimension Wirkung. Bei der Beschreibung eines physikalisches System muß mit Quanteneffekten gerechnet werden, wenn typische Gr¨ oßen des Systems der Dimension Wirkung von der Gr¨ oßenordnung sind, und es ist leider sehr schwer zu sagen, was nun typischen Gr¨ oßen“ sein sollen, die in Relation zu gesetzt werden m¨ ussen. ” Eine Theorie der Quantisierung soll nun diese Vorstellungen genauer fassen und mathematisch pr¨ azisieren. W¨ ahrend es bei der mathematischen Modellierung klassischer mechanischer Systeme einen großen Konsens gibt, welche Situation welche Beschreibung erfordert, zeigt sich das Bild deutlich weniger einheitlich, wenn es um ¨ den Ubergang von klassischer Physik zur Quantenphysik geht. Abgesehen von Zug¨ angen zur Quantenphysik, die die Notwendigkeit und N¨ utzlichkeit einer Quantisierung g¨ anzlich negieren, gibt es sehr viele konkurrierende Methoden der Quantisierung, wie etwa die sogenannte kanonische Quantisierung, gruppentheoretische Techniken, Pfadintegralquantisierung, geometrische Quantisierung und eben Deformationsquantisierung, um nur einige –ohne jeden Anspruch auf Vollst¨ andigkeit– zu nennen. Bevor man nun die Diskussion um die richtige“ Quantisierung beginnt, sollte man zun¨achst klarstellen, daß Quan” tisierung von einem physikalischen Standpunkt aus ein im wesentlichen irrelevantes Problem darstellt: nach allem, was zur Beziehung von klassischer Physik und Quantenphysik bekannt ist, handelt es sich bei der Quantentheorie um die fundamentalere und universellere Beschreibung der Natur, womit letztere sowieso schon quantisiert“ ist. Das eigentliche physikalische und auch ” ungleich schwierigere Problem ist es, zu erkl¨ aren, wieso in einer reinen Quantenwelt in gewissen Bereichen u berhaupt eine klassische Beschreibung m¨oglich ¨ und sinnvoll ist. Ein konzeptuell klares Verst¨ andnis dieses klassischen Limes ist sicherlich noch nicht erreicht, geht es dabei doch um sehr viel mehr als die bloße Rechtfertigung gewisser N¨ aherungen: das Auftreten einer deterministischen klassischen Mechanik aus einer indeterministischen Quantenmechanik r¨ uhrt letztlich an den fundamentalen Fragen zur Interpretation der Quantenmechanik selbst. In diesem Lichte l¨ aßt sich der Wunsch nach einer Quantisierung als ein sehr viel bescheidenerer erkennen: gesucht werden Kandidaten f¨ ur ein mathematisches Modell der Quantentheorie unter Benutzung der Vorkenntnis der
Einleitung
5
klassischen Beschreibung, auch wenn klar ist, daß es letztlich nur eine physikalisch richtige Beschreibung geben wird. Quantisierung l¨aßt sich daher als pragmatischer Zugang zu einer mathematischen Modellierung eines Quantensystems verstehen, f¨ ur welches das Aufstellen einer a priori quantentheoretischen Beschreibung zu schwierig und unzug¨ anglich ist. Ohne auf einen detaillierten Vergleich der einzelnen Quantisierungsmethoden einzugehen, dies erforderte sicherlich ein eigenst¨andiges Lehrbuch, lassen sich doch folgende Charakteristika erkennen: da es sich bei der Quantisierung mathematisch gesehen um ein recht schlecht gestelltes Problem handelt, sind zun¨ achst die klassischen Voraussetzungen zu kl¨aren und einzugrenzen. Je besser das klassische System bekannt ist und je genaueres Vorwissen u ¨ ber es benutzt werden kann, desto spezifischere Resultate kann man von einer Quantisierung erwarten. Im Idealfall l¨ aßt sich so eine (und damit die) quantentheoretische Beschreibung gewinnen. Der Preis daf¨ ur ist jedoch, daß unter Umst¨ anden eben sehr viele, stark beispielabh¨angige Informationen benutzt werden m¨ ussen und so allgemeine Aussagen u ¨ber das Verh¨altnis von klassischer Physik zu Quantenphysik kaum m¨ oglich sind. Dies hingegen w¨are das Ziel einer Quantisierungstheorie, die von einer m¨oglichst generischen klassischen Situation ausgeht, etwa von einer symplektischen oder gar PoissonMannigfaltigkeit, und anschließend damit Kandidaten f¨ ur die entsprechende Quantentheorie zu konstruieren sucht. F¨ ur diesen, ebenfalls extremen Standpunkt gilt entsprechend, daß sich kaum erwarten l¨aßt, einen eindeutigen Kandidaten zu finden. Vielmehr wird man sich begn¨ ugen m¨ ussen, die vielen Kandidaten in sinnvoller Weise zu klassifizieren. Erst durch anschließende Spezialisierung der klassischen Ausgangssituation wird sich die Wahl eingrenzen lassen. Es ist klar, daß beide Extreme ihre Vor- und Nachteile besitzen: f¨ ur eine relevante Anwendbarkeit in der Physik muß der Weg zu Ende gegangen werden, was f¨ ur eine Ber¨ ucksichtigung aller zur Verf¨ ugung stehenden Information spricht. Umgekehrt erlaubt nur eine einigermaßen generische klassische Situation eine vern¨ unftige Axiomatisierung und damit Mathematisierung des Quantisierungsvorhabens. Die Deformationsquantisierung und damit der Gegenstand des zweiten großen Teils dieses Buches ist sicherlich eine derjenigen Quantisierungsmethoden, die mit sehr geringen Voraussetzungen auf klassischer Seite auskommt. Die grundlegende Motivation bezieht die Deformationsquantisierung aus folgender Beobachtung: F¨ ur den trivialen Phasenraum 2n ist die Quantentheorie bekannt und l¨ aßt sich beispielsweise im Schr¨odingerschen Bild realisieren: Der relevante Hilbert-Raum der Zustandsvektoren ist der Raum der quadratintegrablen Wellenfunktionen L2 ( n , dn x), und die Observablen werden durch typischerweise unbeschr¨ ankte Operatoren in L2 ( n , dn x) beschrieben. Die fundamentalen Observablen sind die u ¨blichen Orts- und Impulsoperatoren und deren Polynome. Nach Wahl einer Ordnungsvorschrift lassen sich den klassischen Polynomen in Orts- und Impulskoordinaten nun entsprechende Polynome der nicht l¨ anger kommutativen Orts- und Impulsoperatoren zuord-
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Ê
Ê
6
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nen. Mathematisch gesehen f¨ uhrt dies zu einem (vollst¨andigen) Symbolkalk¨ ul f¨ ur Differentialoperatoren mit glatten Koeffizienten, wobei die Symbole also durch glatte Funktionen auf 2n beschrieben werden, die in den Impulsen polynomial sind. Mit Hilfe dieser Quantisierungsabbildung l¨aßt sich nun das nichtkommutative Operatorprodukt der Differentialoperatoren auf die Symbole zur¨ uckziehen, und man erh¨ alt so die ersten Beispiele f¨ ur das fundamentale Objekt in der Deformationsquantisierung, ein Sternprodukt. W¨ahlt man beispielsweise als Ordnungsvorschrift die Weylsche Symmetrisierungsvorschrift, so erh¨ alt man das Weyl-Sternprodukt
Ê
r r ∞ ∂rf ∂rg 1 i r (−1)r−s s r−s s r−s , f ⋆Weyl g = s r! 2 ∂q ∂p ∂p ∂q s=0 r=0 wobei die vermeintlich unendliche Reihe abbricht, da f , g in den Impulsen polynomial sind. Es sind nun genau die Eigenschaften von solchen konkret gewonnenen Sternprodukten, welche verallgemeinert und axiomatisiert werden k¨ onnen: In nullter Ordnung des Planckschen Wirkungsquantums ist ⋆Weyl gerade das punktweise, kommutative Produkt f g, in erster Ordnung liefert der ⋆Weyl -Kommutator die Poisson-Klammer i{f, g}, die h¨oheren Ordnungen schließlich bestehen aus Bidifferentialoperatoren, so daß ⋆Weyl insgesamt assoziativ ist. Da es sich bei ⋆Weyl um ein isomorphes Abbild der u ¨blichen Operatormultiplikation handelt, enth¨ alt ⋆Weyl per constructionem die selbe Information wie die u ¨ bliche Formulierung der Quantenmechanik mit Operatoren in L2 ( n , dn x). Um nun die Eigenschaften von ⋆Weyl zu axiomatisieren, gilt es zun¨achst folgendes Problem zu bew¨ altigen: auf einer generischen symplektischen oder gar Poisson-Mannigfaltigkeit gibt es keine ausgezeichnete Funktionenklasse, ur die den in den Impulsen polynomialen Funktionen auf 2n entspricht. F¨ beliebige glatte Funktionen ist ⋆Weyl aber sicher nicht konvergent und daher nur als eine formale Potenzreihe in zu verstehen. In einem ersten Schritt betrachtet man daher nur solche formalen Sternprodukte, dann allerdings ist eine allgemeine Definition f¨ ur Poisson-Mannigfaltigkeiten unmittelbar klar: ⋆ ist eine assoziative Multiplikation f¨ ur die formalen Reihen C ∞ (M )[[λ]], wobei der formale Parameter λ in konvergenten Situationen entspricht, derart daß in nullter Ordnung von λ die punktweise Multiplikation und in erster Ordnung im Kommutator die Poisson-Klammer erhalten wird. Einer der großen Vorz¨ uge der Deformationsquantisierung ist, daß sowohl die Existenz allgemein f¨ ur Poisson-Mannigfaltigkeiten gesichert als auch die Klassifikation von Sternprodukten gut verstanden ist. Die verbleibenden Schwierigkeiten sind trotzdem zahlreich. So m¨ achtig die allgemeinen Existenzund Klassifikationss¨ atze auch sind, so schwierig ist es, konkrete Formeln und explizite Beispiele anzugeben. Viele dieser wenigen werden jedoch in diesem Buch eingehend diskutiert. Weiter ist der formale Charakter der Sternprodukte physikalische sicherlich unbefriedigend und muß in einem weiteren Schritt u ultige Aus¨ berwunden werden. Hier zeigt sich, daß es nur wenige allgemein g¨
Ê
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sagen gibt, vielmehr h¨ angt die L¨ osung des Konvergenzproblems sehr spezifisch von den betrachteten Beispielen ab und ist dann mitunter auch sehr technisch. Die physikalische Interpretation der so erhaltenen Sternproduktalgebren, sieht man von den Konvergenzproblemen einmal ab, ist die der Observablenalgebra der Quantentheorie. Es ist einer der wesentlichen Z¨ uge der Deformationsquantisierung, die Observablenalgebra als das prim¨are Objekt der Quantentheorie zu verstehen und als zweiten Schritt daraus die Zust¨ande sowie Hilbert-Raumdarstellungen abzuleiten. Dieser zweite Schritt sollte in seiner Bedeutung jedoch nicht untersch¨ atzt werden, da f¨ ur eine vollst¨andige quantenmechanische Beschreibung sicherlich auch ein angemessener Begriff f¨ ur Zust¨ ande vorhanden sein muß. In der Deformationsquantisierung, wie auch in anderen Zug¨ angen zur Quantentheorie, die auf der Observablenalgebra basieren, bedient man sich dabei der positiven Funktionale als Zust¨ande, ganz analog zur Vorgehensweise f¨ ur C ∗ - oder allgemeiner O∗ -Algebren. Eine kleine Schwierigkeit ist jetzt jedoch, daß zun¨ achst ein geeigneter Positivit¨atsbegriff im Rahmen der formalen Potenzreihen gefunden werden muß. Ist dies aber erreicht, so lassen sich auch die weiteren Konzepte der Theorie der C ∗ - und O∗ -Algebren u ¨ bertragen und insbesondere Darstellungen konstruieren.
Zum Gebrauch dieses Buches Als ein Lehrbuch der mathematischen Physik richtet sich dieses Buch vor allem an Studenten und Studentinnen der Mathematik und Physik, welche sich bereits im Hauptstudium befinden. Des weiteren mag das Buch als koh¨arente Darstellung der Poisson-Geometrie und der Deformationsquantisierung und damit als Nachschlagewerk oder auch als Grundlage f¨ ur Vorlesungen und Seminare zu diesem Thema dienen. Es wird stillschweigend vorausgesetzt, daß der Leser oder die Leserin neben den Grundvorlesungen in Mathematik (Analysis und (multi-)lineare Algebra) und Physik (vor allem theoretische Mechanik) auch u ¨ ber ein solides Grundwissen in der Quantenmechanik verf¨ ugt. Vorwissen in Differentialgeometrie ist hingegen nicht erforderlich, da alle ben¨ otigten Konzepte und Techniken teilweise zwar knapp aber doch vollst¨ andig entwickelt werden. Das Buch kann und will jedoch ein Lehrbuch zur Differentialgeometrie nicht ersetzen, so daß f¨ ur etliche Beweise und weiterf¨ uhrendes Material auf entsprechende Lehrb¨ ucher zur¨ uckgegriffen werden sollte. Dar¨ uberhinaus ist eine gewisse Vertrautheit mit elementaren Begriffen der Algebra und der mengentheoretischen Topologie sicherlich n¨ utzlich. Die wichtigste Voraussetzung ist jedoch sicherlich wie immer das Interesse am Gegenstand der Betrachtungen. ¨ Zum Abschluß jedes Kapitels findet sich ein Abschnitt mit Ubungsaufgaben, denen eine zentrale Bedeutung zukommt: zum einen l¨aßt sich wohl kein Gebiet der mathematischen Physik erlernen und verstehen, wenn man nicht Hand anlegt und eine bestimmte Menge an Rechnungen selbst durchf¨ uhrt. Zum ¨ anderen beinhalten die teilweise ausf¨ uhrlichen und umfangreichen Ubungen
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erg¨ anzendes Material wie auch Details zu Beweisen, die im Haupttext nicht ¨ ausgef¨ uhrt werden. Es gibt zwar keine expliziten L¨osungen zu den Ubungen, jedoch sind sie mit zahlreichen Hinweisen und Anleitungen versehen, so daß einer erfolgreichen Bearbeitung nichts im Wege stehen sollte. Das Literaturverzeichnis gliedert sich in zwei Teile, zum einen gibt es eine nach Kapiteln geordnete kommentierte Sammlung von Verweisen auf ¨ Lehrb¨ ucher und einzelne Ubersichtsartikel, welche gerade Studentinnen und Studenten als erste Anlaufstelle zum Weiterlesen dienen sollten. Das eigentliche Literaturverzeichnis ist alphabetisch geordnet und die Verweise im Haupttext beziehen sich auf diesen Teil. Hier findet sich eine F¨ ulle von Originalarbeiten, welche jedoch trotzdem notwendigerweise unvollst¨andig bleiben muß. Dieser Teil ist daher eher f¨ ur die fortgeschrittenere Leserschaft gedacht, die einzelne, speziellere Aspekte recherchieren will. Das Ende eines Beweises wird mit dem Symbol ⊓ ⊔, ein Teilabschnitt eines Beweises mit ▽ gekennzeichnet. Neue Begriffe, Bezeichnungen und Notationen werden sowohl in abgesetzten Definitionen als auch direkt im laufenden Text erkl¨art. Dar¨ uberhinaus werden folgende Konventionen allgemein benutzt: Die nat¨ urliche Zahlen beginnen mit {1, 2, . . .} und 0 = ∪ {0}. Wie in der Differentialgeometrie u ¨blich wird die Einsteinsche Summenkonvention verwendet: u ¨ ber doppelt vorkommende (Koordinaten-) Indizes ist automatisch zu summieren. Unter glatten Funktionen werden unendlich oft stetig differenzierbare Funktionen verstanden, was synonym zur Bezeichnung C ∞ verwendet wird. Allgemeiner steht C k f¨ ur k-mal stetig differenzierbar und C ω f¨ ur reell-analytisch. DieBezeichnung V • soll andeuten, daß der Vektorraum V gradiert ist, also V = k∈ V k , wobei die Summe auch u ¨ ber Teilmengen von laufen kann. Entsprechend bedeutet φ : V • −→ W •+ℓ , daß die lineare Abbildung φ homogen vom Grade ℓ ist,
i
also φ(V k ) ⊆ W k+ℓ f¨ ur alle k. In einer Aufz¨ ahlung bedeutet a1 , . . . , ∧, . . . , an , daß ai nicht auftritt. Schließlich bezeichnet δij das Kronecker-Symbol und ǫijk den total antisymmetrischen ǫ-Tensor, also ǫijk = sign(ijk) falls ijk eine Permutation von 123 ist und 0 sonst. Die Tensorprodukte ⊗ sind meistens oder zu verstehen, gelegentlich wird der Grundring auch explizit u ¨ ber angegeben, um Mißverst¨ andnissen vorzubeugen. Jeder wissenschaftliche Text gr¨ oßeren Umfangs enth¨alt zweifellos und unweigerlich Fehler verschiedener Natur. Bekannte Fehler und deren Korrekturen sowie weitere Informationen zur Poisson-Geometrie und Deformationsquantisierung, Links zum Thema, weitere Hinweise zu den Aufgaben sowie aktualisierte Literaturangaben finden sich im Internet unter:
http://idefix.physik.uni-freiburg.de/~stefan/
1 Aspekte der Hamiltonschen Mechanik
Die klassische Mechanik ist aus mehrerlei Gr¨ unden diejenige physikalische Theorie, welche als Vorbild f¨ ur jeden anderen Zweig der Physik dienen sollte. Zum einen bietet sie die am besten verstandene Begrifflichkeit: Die Zuordnung von physikalischen Ph¨ anomenen und mathematischen Modellen ist nirgends so gut verstanden wie in der klassischen Mechanik, weshalb sich in diesem Aspekt jede andere physikalische Theorie an der Mechanik messen lassen muß. Zum anderen ist die klassische Mechanik Ausgangspunkt f¨ ur vielerlei ¨ Verallgemeinerungen: Der Ubergang von endlich vielen zu unendlich vielen Freiheitsgraden f¨ uhrt ins Reich der Feldtheorie und der statistischen Physik, ¨ der Ubergang von klassischer Physik zur Quantenphysik wird in den folgenden Kapiteln noch eingehend studiert werden. Ziel dieses Kapitels ist es, die wohlbekannte Hamiltonsche Mechanik im 2n zu wiederholen, siehe beispielsweise [11, 140, 171], und eine Formulierung bereitzustellen, die sich auf geometrischere Situationen verallgemeinern l¨aßt. Der Konfigurationsraum eines klassischen Hamiltonschen Systems ist von der Form n mit (verallgemeinerten) Ortskoordinaten x1 , . . . , xn . Der zugeh¨ orige Phasenraum ist dann 2n mit den induzierten kanonischen Koordinaten q 1 , . . . , q n , p1 , . . . , pn , wobei q 1 , . . . , q n die Ortskoordinaten und p1 , . . . , pn die dazu kanonisch konjugierten Impulskoordinaten sind. Die Dynamik eines Hamiltonschen Systems ist durch die Angabe einer (reellwertigen) Hamilton-Funktion H : 2n −→
Ê
Ê
Ê
Ê
Ê
festgelegt: Gesucht werden die L¨ osungen der Hamiltonschen Bewegungsgleichungen q(t) ˙ =
∂H (q(t), p(t)) ∂p
und
p(t) ˙ =−
∂H (q(t), p(t)) ∂q
zu vorgegebenen Anfangsbedingungen q(0) = q0 und p(0) = p0 . Hier und im folgenden werden gelegentlich die Koordinatenindizes unterdr¨ uckt, solange der Kontext klar ist.
10
1 Aspekte der Hamiltonschen Mechanik
1.1 Analytische Aspekte der Hamiltonschen Mechanik Die Hamiltonschen Gleichungen sind gew¨ ohnliche Differentialgleichungen erster Ordnung, also von der Form x˙ i (t) = X i (x(t))
f¨ ur
i = 1, . . . , d,
(1.1)
Ê
wobei X i ∈ C ∞ ( d ) vorgegebene reellwertige Funktionen sind und d = 2n gilt. Im allgemeinen besitzen solche (gekoppelten) Differentialgleichungen zu gegebenen Anfangsbedingungen x(0) = x0 ∈ d eine eindeutige maximale L¨ osung, auch Integralkurve oder Flußlinie genannt:
Ê
Êd )
Sei X i ∈ C ∞ (
Satz 1.1.1 (Picard-Lindel¨ of, lokale Version). i = 1, . . . , d und x0 ∈ d vorgegeben. Dann gilt:
Ê
f¨ ur
i.) Es existiert eine auf einem offenen Intervall I um 0 definierte glatte Kurve x:I ⊆
Ê −→ Êd,
(1.2)
welche (1.1) l¨ost und x(0) = x0 erf¨ ullt. Sind x und x′ L¨osungen zur selben ′ Anfangsbedingung x(0) = x0 = x (0), so gilt x(t) = x′ (t) auf I ∩ I ′ . ii.) Sei Ix0 das maximale Intervall, auf dem die L¨osungskurve mit Anfangsbedingung x0 definiert ist. Dann ist U= (1.3) Ix0 × {x0 } ⊆ × d x0 ∈
Ê Ê
Ê
d
eine offene Umgebung von {0} × iii.) Die Abbildung
Êd in Ê × Êd.
Φ : U ∋ (t, x0 ) → Φ(t, x0 ) = x(t) ∈
Êd,
(1.4)
welche der Anfangsbedingung x0 und der Zeit t den Wert der zugeh¨origen L¨osungskurve zur Zeit t zuordnet, ist glatt. iv.) F¨ ur alle x0 ∈ d und alle t, s ∈ mit (t, x0 ), (s, x0 ), (t + s, x0 ) ∈ U gilt
Ê
Ê
Φ(t, Φ(s, x0 )) = Φ(t + s, x0 ) = Φ(s, Φ(t, x0 ))
und
Φ(0, x0 ) = x0 . (1.5)
Einen Beweis f¨ ur diesen Satz findet man in jedem Lehrbuch zu gew¨ohnlichen Differentialgleichungen. Der Beweis folgt im wesentlichen direkt aus dem Banachschen Fixpunktsatz, siehe beispielsweise [1, Thm. 2.1.2]. Bemerkung 1.1.2 (Flußabbildung). i.) Die Abbildung Φ heißt Flußabbildung oder auch Fluß der Differentialgleichung (1.1). Eine Differentialgleichung der Form (1.1) heißt auch (lokales) dynamisches System. Die Hamiltonschen Bewegungsgleichungen sind also ein spezielles dynamisches System.
1.1 Analytische Aspekte der Hamiltonschen Mechanik
11
Ê Ê
ii.) Gilt U = × d , ist der Fluß also f¨ ur jede Anfangsbedingung f¨ ur alle Zeiten definiert, so heißt der Fluß vollst¨andig, siehe auch Abbildung 1.1. In der klassischen Mechanik treten sowohl vollst¨andige als auch unvollst¨ andige Fl¨ usse auf: der harmonische Oszillator hat einen vollst¨andigen Fluß, das Kepler-System hat einen unvollst¨andigen Fluß, siehe auch Aufgabe 1.1 sowie Aufgabe 1.3. iii.) Der Satz ist ebenfalls richtig, nach den offensichtlichen Modifikationen, falls die Funktionen X i und damit die Differentialgleichung (1.1) nur auf einem offenen Teil W ⊆ d definiert sind. iv.) Die Glattheit von Φ heißt insbesondere, daß der Wert einer L¨osung x(t) sowohl glatt von der Zeit als auch glatt von den Anfangsbedingungen abh¨ angt.
Ê
U
IR Ix
0
x0
IR
d
Abb. 1.1. Die Umgebung U f¨ ur einen unvollst¨ andigen Fluß
Im folgenden betrachten wir haupts¨ achlich vollst¨andige Fl¨ usse. Ansonsten muß man sich auf einen kleinen offenen Bereich W von d um einen gegebenen Punkt x0 einschr¨ anken, um f¨ ur alle Anfangsbedingungen in W den Fluß f¨ ur eine gewisse Zeit t > 0 definiert zu haben. Man definiert
Ê
Φt :
Êd −→ Êd ,
Φt (x) = Φ(t, x).
(1.6)
Dann gilt offenbar Φ0 = id sowie
und Φt ◦ Φs = Φt+s d Φt = X ◦ Φt . dt
(1.7) (1.8)
Folgerung 1.1.3. Sei Φt ein (vollst¨andiger) Fluß. i.) Die Abbildung t → Φt ist eine Einparametergruppe von Diffeomorphismen Φt : d −→ d und es gilt Φ−1 t = Φ−t . ii.) Umgekehrt definiert jede (glatte) Einparametergruppe von Diffeomorphismen {t → Φt }t∈Ê via (1.8) eine gew¨ohnliche Differentialgleichung der Form (1.1), deren Fluß sie ist.
Ê
Ê
12
1 Aspekte der Hamiltonschen Mechanik
Es besteht also eine eineindeutige Korrespondenz zwischen Differentialgleichungen der Form (1.1) und Einparametergruppen von Diffeomorphismen. Die Definition einer erhaltenen Gr¨ oße ist in der gesamten Mechanik und weit dar¨ uber hinaus von fundamentaler Bedeutung: Zum einen n¨ utzen sie beim praktischen L¨ osen der Bewegungsgleichungen, zum anderen sind Erhaltungsgr¨ oßen, wie wir noch im Detail sehen werden, untrennbar mit Symmetrien verkn¨ upft. Hier nun also die wohlbekannte Definition. Definition 1.1.4 (Erhaltungsgr¨ oße). Eine (glatte) Erhaltungsgr¨oße f f¨ ur (1.1) ist eine Funktion f ∈ C ∞ ( d ) mit
Ê
f ◦ Φt = f
(1.9)
f¨ ur alle t. Mit anderen Worten: der Wert von f bei x h¨angt nur von der (eindeutigen) L¨ osungskurve durch x, nicht aber vom Punkt auf der L¨osungskurve ab. Offenbar ist dies zur infinitesimalen Charakterisierung d i=1
Xi
∂f =0 ∂xi
(1.10)
aquivalent. Durch Ableitung von (1.9) nach t bei t = 0 erh¨alt man offenbar ¨ (1.10). Umgekehrt liefert (1.10) unter Verwendung der Einparametergruppeneigenschaft von Φt auch (1.9).
1.2 Geometrische Aspekte der Hamiltonschen Mechanik Wir wollen nun die analytische Beschreibung auf geometrischere Weise deuten. Da der Fluß Φt eines dynamischen Systems eine Einparametergruppe von Diffeomorphismen ist, liegt es nahe, die Eigenschaften dieser Abbildung von einem geometrischen Standpunkt aus zu studieren. 1.2.1 Geometrische Eigenschaften von Fl¨ ussen Ein dynamisches System x˙ i (t) = X i (x(t)),
i = 1, . . . , d,
(1.11)
l¨ aßt sich als glattes Vektorfeld X:
Êd −→ Êd
(1.12)
Ê
auffassen. Eine L¨ osungskurve x(t) von (1.11) ist somit eine Kurve in d , die an jedem Punkt tangential an das vorgegebene Vektorfeld X ist, siehe Abbildung 1.2. Dies legt folgende intuitive Interpretation nahe: Das Vektorfeld X
1.2 Geometrische Aspekte der Hamiltonschen Mechanik
X
13
x(t)
Abb. 1.2. Vektorfeld und Flußlinie
kann als Geschwindigkeitsvektorfeld“ einer Fl¨ ussigkeit“ aufgefaßt werden. ” ” Die L¨ osungskurven sind dann die Trajektorien von kleinen Testteilchen, welche in der Fl¨ ussigkeit treiben. Daher auch der Name Flußabbildung“ und ” Flußlinie“. ” Auch wenn man die Flußabbildung in vielen F¨allen nicht explizit bestimmen kann, so lassen sich anhand des geometrischen Bildes bestimmte Eigenschaften zumindest qualitativ verstehen. Dabei sind insbesondere folgende Fragestellungen und Eigenschaften von Interesse: • • • •
Volumenerhaltender Fluß, entspricht einer inkompressiblen Fl¨ ussigkeit. Fixpunkte entsprechen X(m) = 0. Attraktoren/Repelloren. Geschlossene Bahnen.
Diese Fragestellungen sind der Ausgangspunkt zur qualitativen Analyse dynamischer Systeme, siehe beispielsweise [275, Kap. 9] sowie [1, Part III] und [11]. 1.2.2 Hamiltonsche Fl¨ usse Die Hamiltonschen Bewegungsgleichungen liefern ein spezielles dynamisches System, welches wir nun im Lichte der vorangegangenen Diskussion n¨aher betrachten wollen. Das zugeh¨ orige Hamiltonsche Vektorfeld ist durch ∂H ∂p (q, p) XH (q, p) = (1.13) − ∂H ∂q (q, p) gegeben. Das Vektorfeld XH kann man als Schiefgradient“ von H auffassen: ” Mit der Matrix 0 ½ Ω0 = (1.14) −½ 0
14
1 Aspekte der Hamiltonschen Mechanik
gilt XH = Ω0 ∇H,
(1.15)
wobei ∇H den u ¨blichen Gradienten von H bezeichnet. Das Minuszeichen in (1.14), also die Antisymmetrie der Matrix Ω0 stellt in gewisser Hinsicht das wichtigste Minuszeichen in der mathematischen Physik dar. Die Fl¨ ussigkeit“ eines Hamiltonschen Vektorfeldes ist inkompressibel, es ” gilt n¨ amlich der Satz von Liouville: Satz 1.2.1 (Liouville). Ein Hamiltonsches Vektorfeld XH ist divergenzfrei. Damit ist ein Hamiltonscher Fluß volumenerhaltend. Beweis. Der Beweis erfolgt durch elementares Nachrechnen, denn die Divergenz ist durch 2n n k ∂H ∂H ∂ ∂XH ∂ =0 − = div XH = ∂xk ∂q k ∂pk ∂pk ∂q k k=1
gegeben.
k=1
⊓ ⊔
Bemerkung 1.2.2. In Dimension 2n = 2 ist umgekehrt jedes divergenzfreie Vektorfeld Hamiltonsch. In h¨ oheren Dimensionen 2n ≥ 4 gilt diese Umkehrung allerdings nicht mehr: es gibt divergenzfreie Vektorfelder und damit volumenerhaltende Fl¨ usse, die nicht Hamiltonsch sind. Ein Hamiltonscher Fluß erh¨ alt mehr als nur das Volumen. Er erh¨alt auch die Matrix Ω0 in folgendem Sinne: Proposition 1.2.3. Sei Φt der Hamiltonsche Fluß eines Hamiltonschen Vekur alle t und torfeldes XH und sei D Φt die Jacobi-Matrix von Φt . Dann gilt f¨ x ∈ 2n T T (D Φt ) x ◦ Ω0 ◦ (D Φt ) x = Ω0 = (D Φt ) x ◦ Ω0 ◦ (D Φt ) x . (1.16)
Ê
Beweis. Mit Hilfe der Kettenregel und der Bewegungsgleichung (1.8) erh¨alt man aus (1.15) die Beziehung d (D Φt ) x = Ω0 ◦ D2 H Φt (x) ◦ (D Φt ) x , (1.17) dt
wobei D2 H die (symmetrische) Hesse-Matrix der Hamilton-Funktion H ist. Da Ω0T = −Ω0 , folgt aus (1.17) leicht, daß
d
T (1.18) (D Φt ) x ◦ Ω0 ◦ (D Φt ) x = 0. dt Da Gleichung (1.16) f¨ ur t = 0 sicherlich richtig ist, folgt mit (1.18) die Aussage auch f¨ ur t = 0. Die zweite Gleichheit in (1.16) folgt durch Invertieren der ⊓ ⊔ ersten mit Ω0−1 = Ω0T = −Ω0 und (D Φt )−1 = (D Φ−t ).
Bemerkung 1.2.4. Diese recht technisch scheinende Proposition besitzt eine konzeptuell viel klarere Deutung im Rahmen der symplektischen Geometrie, welche wir in Kapitel 3 kennenlernen werden.
1.2 Geometrische Aspekte der Hamiltonschen Mechanik
15
1.2.3 Die symplektische Form Die Matrix Ω0 kann auch dazu verwendet werden, eine Bilinearform zu definieren. F¨ ur Vektoren X, Y ∈ 2n definiert man
Ê
ω0 (X, Y ) = X, Ω0 Y .
(1.19)
Entsprechend kann man ω0 (X, Y ) f¨ ur Vektorfelder X, Y auf definieren und erh¨ alt eine Funktion ω0 (X, Y ) ∈ C ∞ ( 2n ).
Ê
Ê2n punktweise
Lemma 1.2.5. Die Bilinearform ω0 erf¨ ullt folgende Eigenschaften: i.) ω0 ist antisymmetrisch: ω0 (X, Y ) = −ω0 (Y, X). ur alle Y impliziert X = 0. ii.) ω0 ist nichtausgeartet: ω0 (X, Y ) = 0 f¨ ¨ Aquivalent dazu ist die Aussage, daß die Abbildung ♭:X∈
Ê2n → X ♭ ∈ (Ê2n)∗
(1.20)
ein Vektorraumisomorphismus ist, wobei X ♭ (Y ) = ω0 (X, Y ). ⊓ ⊔
Beweis. Klar.
Definition 1.2.6 (Kanonische symplektische Form). Die Zweiform ω0 heißt kanonische symplektische Form auf 2n . Eine Matrix A ∈ M2n ( ) heißt symplektisch, falls (1.21) ω0 (AX, AY ) = ω0 (X, Y ),
Ê
Ê
und infinitesimal symplektisch, falls ω0 (AX, Y ) + ω0 (X, AY ) = 0 f¨ ur alle X, Y ∈
(1.22)
Ê2n.
Proposition 1.2.7 (Die symplektische Gruppe und ihre Lie-Algebra). Bez¨ uglich der kanonischen symplektischen Form ω0 gilt: i.) Die Menge der symplektischen Matrizen
Ê
Ê
Sp2n ( ) = {A ∈ M2n ( ) | A symplektisch}
(1.23)
Ê
ist eine topologisch abgeschlossene Untergruppe von GL2n ( ). ii.) Die Menge der infinitesimal symplektischen Matrizen
Ê
Ê
sp2n ( ) = {A ∈ M2n ( ) | A infinitesimal symplektisch}
(1.24)
Ê
ist eine Lie-Unteralgebra von gl2n ( ). Beweis. Der Beweis erfolgt durch direktes Verifizieren der Gruppen- beziehungsweise der Lie-Algebrenaxiome. Die topologische Abgeschlossenheit folgt aus der Stetigkeit der Bedingung (1.21), siehe auch Aufgabe 1.5. ⊓ ⊔
16
1 Aspekte der Hamiltonschen Mechanik
Bemerkung 1.2.8. Die symplektische Zweiform kann als antisymmetrisches Analogon zu einem Euklidischen Skalarprodukt ·, · auf 2n gesehen werden. Dann entsprechen die symplektischen Matrizen gerade den orthogonalen Matrizen, also den Isometrien des Skalarprodukts ·, ·. ur alle t und x Satz 1.2.9. Sei Φt ein Hamiltonscher Fluß. Dann ist D Φt x f¨ eine symplektische Matrix.
Ê
Beweis. Der Beweis erfolgt durch Nachrechnen mittels Proposition 1.2.3, Gleichung (1.16). ⊓ ⊔
Im Hinblick auf Bemerkung 1.2.8 zeigt sich hier bereits ein drastischer Unterschied zu einem Euklidischen Skalarprodukt ·, ·: Ein Diffeomorphismus Φ, f¨ ur den D Φ x f¨ ur alle x ∈ d eine Isometrie bez¨ uglich ·, · ist, ist selbst eine affine Euklidische Transformation, also eine Drehspiegelung mit einer Verschiebung. Dagegen gibt es nach Satz 1.2.9 viel mehr Diffeomorphismen, f¨ ur welche D Φ x die symplektische Form ω0 erh¨alt.
Ê
1.3 Algebraische Aspekte der Hamiltonschen Mechanik Im Hinblick auf die Quantentheorie, welche in erster Linie eine algebraische Theorie ist, wollen wir hier eine Formulierung der klassischen Mechanik bereitstellen, welche ebenso algebraische Eigenschaften in den Vordergrund stellt. Zudem sollen die wichtigen Begriffe Observable“ und Zustand“ auch f¨ ur die ” ” klassische Mechanik detailliert vorgestellt werden. 1.3.1 Observable und Zust¨ ande Die reinen Zust¨ande eines klassischen mechanischen Systems entsprechen Punkten im zugeh¨ origen Phasenraum, da durch Angabe aller Orts- und Impulskoordinaten eines Teilchens/Systems sein Zustand bereits eindeutig charakterisiert wird. Die Observablen des Systems sind physikalisch zumindest prinzipiell realisierbare Meßvorschriften, welche in einem reinen Zustand einen eindeutigen Erwartungswert besitzen. Dabei k¨ onnen bestimmte Eigenschaften eines physikalischen Systems offenbar durch verschiedene Meßvorschriften erfaßt werden, man kann beispielsweise den Abstand zweier Teilchen auf verschiedene Weise messen. Daher wollen wir die zugeh¨orige Observable“ als die ” ¨ Aquivalenzklasse der entsprechenden Meßvorschriften auffassen. Dies liefert zwar noch keine im mathematischen Sinne axiomatische Definition einer Observablen, stellt aber vom physikalischen Standpunkt aus eine gute Arbeitsdefinition dar. Insbesondere ist diese Sichtweise f¨ ur klassische wie quantenmechanische Systeme gleichermaßen g¨ ultig.
1.3 Algebraische Aspekte der Hamiltonschen Mechanik
17
Da die Zust¨ ande in der klassischen Mechanik eindeutig durch die Ortsund Impulskoordinaten der betrachteten Teilchen bestimmt sind, sind Observablen Funktionen der Orts- und Impulskoordinaten und damit Funktionen auf dem Phasenraum. Die m¨oglichen Meßwerte sind dann der Wertevorrat der Funktion. Hier gibt es verschiedene Optionen f¨ ur die Funktionenklasse, beispielsweise i.) ii.) iii.) iv.) v.)
Polynomiale Funktionen Pol( 2n ), Analytische Funktionen C ω ( 2n ), Glatte Funktionen C ∞ ( 2n ), eventuell mit kompaktem Tr¨ager C0∞ ( 2n ), Stetige Funktionen C( 2n ), eventuell mit kompaktem Tr¨ager C0 ( 2n ), Integrierbare Funktionen wie beispielsweise Lp ( 2n ) oder L∞ ( 2n ),
und viele mehr. Neben den Regularit¨ atsforderungen lassen sich auch Bedingungen an das Wachstumsverhalten im Unendlichen stellen. Welche Klasse angemessen ist, h¨ angt typischerweise vom konkreten Problem ab. Zum einen sollte die Klasse nicht zu klein sein, um bestimmte wichtige Observablen, wie beispielsweise die Hamilton-Funktion selbst und wichtige Erhaltungsgr¨ oßen, zu enthalten, zum anderen sollte sie nicht zu groß sein, um noch physikalisch realisierbaren Meßvorschriften zu entsprechen. F¨ ur unsere Zwecke wird daher die Wahl meistens auf die glatten Funktionen fallen, eventuell mit Bedingungen an den Tr¨ ager oder das Wachstumsverhalten im Unendlichen. Wichtig ist auch der Wertebereich: i.) Reellwertige Funktionen, ii.) Komplexwertige Funktionen, iii.) Vektorwertige Funktionen mit Werten in einem (reellen oder komplexen) Vektorraum. k¨onnen sicher Vektorwertige Funktionen wie beispielsweise der Drehimpuls L auf die ersten beiden F¨ alle zur¨ uckgef¨ uhrt werden, indem man entsprechende Komponenten der Vektoren betrachtet. Die komplexwertigen Funktionen scheinen zun¨ achst auch ein Spezialfall davon zu sein, bieten aber in Hinblick auf die Quantenmechanik eine entscheidende zus¨atzliche Struktur, die komplexe Konjugation. Daher werden wir als Observablen komplexwertige Funktionen verwenden. Im eigentlichen Sinne observabel sind aber nur die reellwertigen Funktionen (1.25) f = f. ¨ Diese Uberlegungen f¨ uhren zu folgender Definition: Definition 1.3.1 (Klassische Observablenalgebra). Die Observablenalgebra eines klassischen mechanischen Systems ist die ∗ -Algebra C ∞ ( 2n ) der komplexwertigen glatten Funktionen auf dem Phasenraum. Observable sind Elemente f ∈ C ∞ ( 2n ) mit f = f . Dazu ist noch folgende Definition einer ∗ -Algebra u ¨ ber
nachzutragen:
18
1 Aspekte der Hamiltonschen Mechanik
Definition 1.3.2 (∗ -Algebra). Eine ∗ -Algebra u ist ein Vektorraum ¨ber mit einem -bilinearen assoziativen Produkt (a, b) → ab und einer uber ¨ ∗ -Involution a → a∗ , also einem -antilinearen, involutiven Antiautomorphismus. Ausgeschrieben bedeutet dies
(za + wb)∗ = za∗ + wb∗ , f¨ ur a, b ∈ A und z, w ∈
(a∗ )∗ = a
und
(ab)∗ = b∗ a∗
(1.26)
.
Bemerkung 1.3.3. Es ist klar, daß C ∞ ( 2n ) auf kanonische Weise eine ∗ Algebra in diesem Sinne ist: Das assoziative Produkt von C ∞ ( 2n ) ist einfach das punktweise Produkt von Funktionen und damit insbesondere auch kommutativ. Die ∗ -Involution ist die punktweise komplexe Konjugation. Die Erwartungswerte einer Observablen f ∈ C ∞ ( 2n ) in einem reinen Zustand x ∈ 2n sind dann einfach durch die Auswertung Ex (f ) = f (x)
(1.27)
bei x gegeben. Die Varianz ist definitionsgem¨aß Varx (f ) = Ex (f 2 ) − Ex (f )2 = Ex ((f − Ex (f ))2 ), womit in einem reinen Zustand insbesondere f¨ ur alle f ∈ C ∞ ( Varx (f ) = 0
(1.28) 2n
) (1.29)
gilt. In der klassischen Mechanik erh¨ alt man in einem reinen Zustand also immer scharfe Meßwerte“ f¨ ur alle Observablen, ganz im Gegensatz zur ” Quantenmechanik. Um statistische Mechanik betreiben zu k¨onnen, ben¨otigt man auch gemischte Zust¨ande, welche durch Dichtefunktionen ̺ auf 2n beschrieben werden. Dieses Konzept l¨ aßt sich folgendermaßen algebraisch verallgemeinern und vereinfachen: Definition 1.3.4 (Positive Funktionale und Zust¨ ande). Sei A eine ∗ Algebra ¨ uber . Ein lineares Funktional ω : A −→ heißt positiv, falls
ω(a∗ a) ≥ 0 f¨ ur alle a ∈ A. Besitzt A ein Einselement zudem ω( ) = 1.
(1.30)
, so heißt ω ein Zustand, falls
(1.31)
Die Zahl Eω (a) = ω(a) heißt Erwartungswert von a im Zustand ω.
(1.32)
1.3 Algebraische Aspekte der Hamiltonschen Mechanik
19
Bemerkung 1.3.5. Die Erwartungswertfunktionale Ex (f ) = f (x) = δx (f ) von C ∞ ( 2n ) sind offenbar positiv und normiert, also Zust¨ande im Sinne der Definition 1.3.4. Ist ̺ ≥ 0 eine stetige Funktion, so ist auch f (x)̺(x)d2n x (1.33) E̺ (f ) =
Ê
2n
ein positives Funktional, sofern man durch Bedingungen an das Wachstum im Unendlichen sicherstellt, daß das Integral konvergiert. Umgekehrt gilt folgender nicht-trivialer Satz: Satz 1.3.6 (Rieszscher Darstellungssatz). Jedes positive Funktional ω : C ∞ ( 2n ) −→ ist von der Form ω(f ) = f dμ (1.34)
mit einem positiven Borel-Maß μ mit kompaktem Tr¨ager. Einen detaillierten Beweis findet man beispielsweise in [279, Thm. 2.14] und die Formulierung f¨ ur glatte Funktionen findet man in [57, App. B]. Bemerkung 1.3.7 (Reine und gemischte Zust¨ande von C ∞ (
2n
)).
i.) Je nach Anwendung haben die Maße keinen kompakten Tr¨ager, beispielsweise f¨ ur den thermischen Zustand mit Temperatur T ̺(x) =
1 −βH(x) e Z
(1.35)
1 die inverse Temperatur, aus der statistischen Mechanik, wobei β = kT k die Boltzmann-Konstante und Z die kanonische Zustandssumme ist. In diesem Fall ist das zugeh¨ orige Funktional nur auf einer geeigneten ∗ 2n ∞ ) definiert, etwa auf C0∞ ( 2n ). Unteralgebra von C ( ii.) Die Varianz ist genauso definiert wie in (1.28). Jetzt gilt aber Varω (f ) = 0 f¨ ur alle f genau dann, wenn ω = δx ein reiner Zustand war. Im allgemeinen gilt Varω (f ) ≥ 0. iii.) Von allen positiven Funktionalen von C ∞ ( n ), also allen positiven BorelMaßen mit kompaktem Tr¨ ager, sind typischerweise keineswegs alle physikalisch auch relevant: Physikalisch realisierbare Zust¨ande besitzen gewisse Regularit¨ atseigenschaften, welche u ¨ber die eines Borel-Maßes hinausgehen, aber mathematisch recht schwer zu fassen sind und vom physikalischen Kontext abh¨ angen. Aus diesem Grunde sollte man die Definition 1.3.4 eines Zustandes als eine gewisse Idealisierung betrachten, welche die Situation erheblich vereinfacht.
Diesen algebraischen Zugang zum Zustandsbegriff in der klassischen Mechanik werden wir an verschiedenen Stellen wieder aufgreifen und auch auf die Quantenmechanik u ¨bertragen, siehe insbesondere Abschnitt 7.1.
20
1 Aspekte der Hamiltonschen Mechanik
1.3.2 Die Poisson-Klammer und die Zeitentwicklung Die kanonische Poisson-Klammer auf 2n erweist sich als die zentrale algebraische Struktur, mit deren Hilfe die gesamte Hamiltonsche Mechanik formuliert werden kann. Definition 1.3.8 (Kanonische Poisson-Klammer). F¨ ur f, g ∈ C ∞ ( 2n ) ist die kanonische Poisson-Klammer durch n ∂f ∂g ∂g ∂f − k (1.36) {f, g} = ∂q k ∂pk ∂q ∂pk k=1
definiert. Proposition 1.3.9. F¨ ur die kanonische Poisson-Klammer gilt i.) ii.) iii.) iv.) v.) vi.)
{f, g} ∈ C ∞ ( 2n ) f¨ ur f, g ∈ C ∞ ( 2n ). {·, ·} ist -bilinear. {f, g} = −{g, f } (Antisymmetrie). {f, gh} = {f, g}h + g{f, h} (Leibniz-Regel). {f, {g, h}} = {{f, g}, h} + {g, {f, h}} (Jacobi-Identit¨at). {f, g} = {f , g} (Realit¨at).
Beweis. Der Beweis erfolgt durch einfaches Nachrechnen.
⊓ ⊔
Diese Eigenschaften der kanonischen Poisson-Klammer werden uns im weiteren noch oft begegnen, womit die folgende Definition gut motiviert sein sollte: Definition 1.3.10 (Poisson-Algebra). Eine assoziative, kommutative Algebra A ¨ uber mit einer -bilinearen und antisymmetrischen Klammer {·, ·} : A × A −→ A, welche die Leibniz-Regel und die Jacobi-Identit¨at erf¨ ullt, ullt die Poissonheißt Poisson-Algebra. Ist A zudem eine ∗ -Algebra und erf¨ Klammer die Realit¨atsbedingung, so heißt A Poisson-∗ -Algebra.
Die Relevanz der kanonischen Poisson-Klammer liegt in ihrer Bedeutung f¨ ur die Zeitentwicklung: Ist Φt der Hamiltonsche Fluß zu einer HamiltonFunktion H, so definiert man f¨ ur f ∈ C ∞ ( 2n ) die Hamiltonsche Zeitentwicklung f (t) durch f (t) = f ◦ Φt = Φ∗t f. (1.37) Die Abbildung Φ∗t : C ∞ ( Fluß Φt .
2n
) −→ C ∞ (
2n
) heißt auch pull-back mit dem
Satz 1.3.11 (Hamiltonsche Zeitentwicklung). Sei Φt der Hamiltonsche Fluß zu H ∈ C ∞ ( 2n ). i.) Φ∗t ist ein ∗ -Automorphismus von C ∞ (
2n
), d.h.
Φ∗t (zf + wg) = zΦ∗t f + wΦ∗t g, Φ∗t (f g) = (Φ∗t f )(Φ∗t g),
(1.38) (1.39)
Φ∗t f = Φ∗t f .
(1.40)
1.4 Warum Geometrische Mechanik“ ”
21
ii.) Φ∗t ist eine Poisson-Abbildung, d.h. Φ∗t {f, g} = {Φ∗t f, Φ∗t g}.
(1.41)
iii.) Es gelten die Hamiltonschen Bewegungsgleichungen d ∗ Φ f = {Φ∗t f, H}. dt t
(1.42)
iv.) Es gilt die Energieerhaltung Φ∗t H = H.
(1.43)
v.) Eine Observable f ist genau dann Erhaltungsgr¨oße Φ∗t f = f , wenn {f, H} = 0. vi.) Sind f und g Erhaltungsgr¨oßen, so ist auch {f, g} eine Erhaltungsgr¨oße. Beweis. Der erste Teil ist trivial. F¨ ur den zweiten Teil rechnet man zun¨achst die Identit¨ at {f, g} = ∇f, Ω0 ∇g f¨ ur die Poisson-Klammer nach. Mit der Kettenregel findet man dann ∇(Φ∗ f ) = (D Φt )T ◦ (∇f ) , t
Φt
womit aus (1.16) die Gleichung (1.41) leicht folgt. F¨ ur den dritten Teil verwendet man zun¨achst (1.8) sowie (1.15), womit unter Verwendung des zweiten Teiles d ∗ Φ f = Φ∗t {f, H} = {Φ∗t f, Φ∗t H} dt t folgt. Damit folgt zun¨ achst (1.43), da trivialerweise {H, H} = 0. Dies liefert dann auch (1.42). Der f¨ unfte Teil ist mit den bereits erzielten Resultaten klar und der letzte folgt aus der Jacobi-Identit¨ at der Poisson-Klammer. ⊓ ⊔ Bemerkung 1.3.12. Als Fazit erh¨ alt man also folgende Struktur: Ein klassisches mechanisches System wird durch seine Observablenalgebra A, eine ande sind die positiven FunktioPoisson-∗-Algebra, charakterisiert. Die Zust¨ nale auf A, und die Zeitentwicklung ist eine Einparametergruppe von Poisson∗ -Automorphismen von A mit infinitesimalem Erzeuger H ∈ A.
1.4 Warum Geometrische Mechanik“ ” Die Geometrie von Phasenr¨ aumen ist in physikalisch interessanten F¨allen komplizierter als 2n , weshalb eine geometrisch formulierte Mechanik erforderlich wird. Die vorangegangene Diskussion legt nahe, daß dies m¨oglich ist. Folgende Beispiele und Situationen seien hier genannt:
Ê
22
1 Aspekte der Hamiltonschen Mechanik
A Systeme mit Zwangsbedingungen Insbesondere Zwangsbedingungen Zα ∈ C ∞ ( n ) an die Konfigurationen, also holonome und skleronome Zwangsbedingungen der Form
Ê
Zα (x1 , . . . , xn ) = 0 f¨ ur
α = 1, . . . , k ≤ n
(1.44)
spielen in der klassischen Mechanik eine wichtige Rolle. Solche Zwangsbedingungen definieren eine Untermannigfaltigkeit Q ⊆ n von zul¨assigen Konfigurationen. Die erlaubten Geschwindigkeiten sind dann notwendigerweise tangential an Q. Allein um beschreiben zu k¨onnen, was unter tangential“ zu verstehen ist, ben¨ otigt man bereits differentialgeometri” sche Konzepte. Gesucht ist dann die Hamiltonsche Mechanik f¨ ur eine solche Situation. B Systeme mit Symmetrien Das Ausnutzen von Erhaltungsgr¨ oßen beziehungsweise Festlegen derselben auf numerische Werte verringert effektiv die Zahl der Freiheitsgrade. Auch wenn man mit dem geometrisch trivialen Phasenraum 2n startet, liefert diese Phasenraumreduktion“ im allgemeinen niedrigdimensionale” re Phasenr¨ aume mit komplizierterer Geometrie. Eine genaue Formulierung im Rahmen der symplektischen Geometrie werden wir in Abschnitt 3.3 finden. C Systeme mit Eichfreiheitsgraden Typischerweise treten solche Systeme erst f¨ ur unendlich viele Freiheitsgrade, also Feldtheorien, auf. Dann ist aber jede physikalisch relevante fundamentale Feldtheorie von dieser Form: die allgemeine Relativit¨atstheorie, die Elektrodynamik, das Standardmodell der Teilchenphysik, etc. Die echten“ physikalischen Freiheitsgrade sind diejenigen modulo Eich” ” transformationen“. Die resultierenden Quotientenr¨aume haben dann im allgemeinen eine komplizierte Geometrie. Feldtheorien haben nat¨ urlich noch andere Schwierigkeiten, die von der unendlichen Zahl der Freiheitsgrade kommen, insbesondere funktionalanalytische Probleme vielf¨ altiger Natur. Trotzdem sind endlichdimensionale Modelle, also klassische mechanische Systeme, gute Spielzeugmodelle“, ” bei denen man zumindest diejenigen Schwierigkeiten und Effekte studieren kann, die ihre Ursache in der komplizierten Geometrie haben. Bemerkenswerterweise sind die mathematischen Techniken zur Beschreibung dieser Situation in weiten Bereichen die selben wie bei der Phasenraumreduktion, wohingegen die physikalische Interpretation eine v¨ollig andere ist.
Ê
Ê
1.5 Aufgaben Aufgabe 1.1 (Hamiltonsche Fl¨ usse). Betrachten Sie folgende drei (eindimensionale) Hamiltonsche Systeme: •
Das freie Teilchen mit Hamilton-Funktion H(q, p) =
p2 2m .
1.5 Aufgaben
•
•
Der freie Fall mit Hamilton-Funktion H(q, p) =
p2 2m
23
+ mgq.
Der harmonische Oszillator mit Hamilton-Funktion H(q, p) = 1 2 2 2 mω q .
p2 2m
+
i.) Berechnen und zeichnen Sie die jeweiligen Hamiltonschen Vektorfelder. ii.) Berechnen Sie explizit die jeweiligen Flußabbildungen und zeichnen Sie exemplarisch Flußlinien in das Phasenraumdiagramm von Teil i.). iii.) Sind die Fl¨ usse vollst¨ andig? Wenn ja, weisen Sie die Eigenschaft einer Einparametergruppe explizit nach. iv.) Geben Sie mit einer kurzen Begr¨ undung ein Beispiel f¨ ur ein Hamiltonsches System, dessen Fluß unvollst¨ andig ist. Aufgabe 1.2 (Lie-Algebren). In dieser Aufgabe sei an die elementaren Eigenschaften einer Lie-Algebra erinnert: Sei g ein Vektorraum u ¨ ber , wobei f¨ ur uns meistens oder sein wird, im allgemeinen aber ein beliebiger K¨ orper der Charakteristik ungleich 2 sein darf. Dann heißt g Lie-Algebra, wenn g mit einer bilinearen Abbildung, der Lie-Klammer, [·, ·] : g × g −→ g versehen ist, welche antisymmetrisch ist, [ξ, η] = −[η, ξ], und die JacobiIdentit¨ at [ξ, [η, χ]] = [[ξ, η], χ] + [η, [ξ, χ]] (1.45)
f¨ ur alle ξ, η, χ ∈ g erf¨ ullt. Sind g und h Lie-Algebren, heißt eine lineare Abbildung φ : g −→ h Lie-Algebrahomomorphismus, oder auch kurz Morphismus von Lie-Algebren, falls φ Klammern auf Klammern abbildet, also φ([ξ, η]) = [φ(ξ), φ(η)] f¨ ur alle ξ, η ∈ g. Ein Untervektorraum h ⊆ g heißt Lie-Unteralgebra, wenn h unter Klammern abgeschlossen ist, also [ξ, η] ∈ h ur f¨ ur alle ξ, η ∈ h. Ein Untervektorraum h ⊆ g heißt Lie-Ideal, falls [ξ, η] ∈ h f¨ alle ξ ∈ h und η ∈ g.
i.) Zeigen Sie, daß die Verkettung von Lie-Algebrahomomorphismen wieder ein Lie-Algebrahomomorphismus ist. Zeigen Sie weiter, daß die Nullabbildung immer ein Morphismus von Lie-Algebren ist. ii.) Zeigen Sie, daß ein Lie-Ideal immer eine Lie-Unteralgebra ist. iii.) Zeigen Sie, daß der Kern eines Lie-Algebrahomomorphismus ein Lie-Ideal und das Bild eine Lie-Unteralgebra ist.
iv.) Sei h ⊆ g ein Lie-Ideal. Zeigen Sie, daß der Quotientenvektorraum g h auf kanonische Weise eine Lie-Algebra wird, so daß die Projektion π : g −→
g h ein Morphismus von Lie-Algebren ist. Aufgabe 1.3 (Poisson-Klammern im Kepler-System). Betrachten Sie das 3-dimensionale Kepler-System mit Hamilton-Funktion 2
H( q , p) =
α p − , 2m q
(1.46)
wobei q = q der Betrag von q und α > 0 die Kopplungskonstante ist. Der Konfigurationsraum ist entsprechend 3 \ {0}, und der Phasenraum ist ( 3 \ {0}) × 3 .
24
1 Aspekte der Hamiltonschen Mechanik
Weiter sei der Drehimpuls und
q , p) = L( q × p
(1.47)
1 q ( M q , p) = + L × p (1.48) q αm der Lenz-Runge-Vektor, beide aufgefaßt als vektorwertige Funktionen auf dem Phasenraum mit Komponenten Li und Mi , i = 1, 2, 3. Berechnen Sie folgende Poisson-Klammern {Li , H},
{Mi , H},
{Li , Lj },
{Mi , Lj },
{Mi , Mj },
(1.49)
und M Erhaltungsgr¨oßen des Kepler-Systems sind. und zeigen Sie so, daß L Zeigen Sie weiter, daß die Li bez¨ uglich der Poisson-Klammern eine LieUnteralgebra bilden. Bilden auch die Mi eine Lie-Unteralgebra? Aufgabe 1.4 (Symplektische Vektorr¨ aume und das lineare DarbouxTheorem). Sei V ein reeller m-dimensionaler Vektorraum und ω : V ×V −→ eine antisymmetrische Bilinearform. Dann heißt (V, ω) symplektischer Vektorraum mit symplektischer Form ω, falls die Bilinearform ω nichtausgeartet ist. Sei W ⊆ V ein Untervektorraum. Dann ist das ω-orthogonale Komplement W ⊥ von W als
Ê
ur alle w ∈ W } W ⊥ = {v ∈ V | ω(v, w) = 0 f¨
(1.50)
definiert. Eine lineare Abbildung zwischen zwei symplektischen Vektorr¨aumen φ : (V, ω) −→ (V ′ , ω ′ ) heißt symplektisch, wenn ω ′ (φ(v), φ(w)) = ω(v, w) f¨ ur alle v, w ∈ V . Gilt zudem, daß φ ein Isomorphismus ist, so heißt φ Symplektomorphismus. i.) Zeigen Sie, daß ein symplektischer Vektorraum notwendigerweise gerade Dimension m = 2n hat. ii.) Zeigen Sie, daß ω genau dann symplektisch ist, wenn ♭ : V −→ V ∗ mit v ♭ = ω(v, ·) ein Isomorphismus ist. iii.) Zeigen Sie, daß W ⊥ ein Untervektorraum ist. Zeigen Sie weiter, daß W ⊥ ⊆ U ⊥ , falls U ⊆ W , und daß W ⊆ W ⊥⊥ . Gilt auch W = W ⊥⊥ ? Bestimmen Sie dazu dim W ⊥ in Abh¨ angigkeit von dim W . Vorsicht: Es gilt im allgemeinen nicht, daß W + W ⊥ = V . Vielmehr kann W ∩ W ⊥ = {0} sein. iv.) Zeigen Sie induktiv, daß es eine Basis e1 , . . . , en , f1 , . . . , fn von V gibt, so daß ω(ei , ej ) = 0, ω(fi , fj ) = 0 und ω(ei , fj ) = δij gilt. v.) Zeigen Sie, daß (V, ω) zu 2n , versehen mit der Standardsymplektik ω0 , symplektomorph ist, es also einen Symplektomorphismus von (V, ω) nach ( 2n , ω0 ) gibt.
Ê
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Aufgabe 1.5 (Die symplektische Gruppe und ihre Lie-Algebra). Betrachten Sie 2n mit der Standardsymplektik ω0 . Sei weiterhin Sp2n ( ) die symplektische Gruppe und sp2n ( ) die symplektische Lie-Algebra.
Ê
Ê
Ê
1.5 Aufgaben
25
i.) Zeigen Sie, daß Sp2n ( ) eine topologisch abgeschlossene Untergruppe von GL2n ( ) ist und daß sp2n ( ) eine Lie-Unteralgebra von gl2n ( ) ist. Hinweis: Formulieren Sie die Frage zun¨ achst mit Hilfe der Matrix Ω0 . ii.) Zeigen Sie: Ist t → A(t) ∈ GL2n ( ) eine glatte Kurve mit Werten in ˙ Sp2n ( ) und A(0) = , so gilt A(0) ∈ sp2n ( ). Ist umgekehrt X ∈ ur alle t ∈ . sp2n ( ), so gilt etX ∈ Sp2n ( ) f¨ iii.) Zeigen Sie, daß Sp2n ( ) sogar eine Untergruppe von SL2n ( ) ist. Hinweis: Zeigen Sie zun¨ achst, daß Ω0 (v1 , . . . , v2n ) = sign(σ)ω0 (vσ(1) , vσ(2) ) · · · ω0 (vσ(2n−1) , vσ(2n) )
σ∈S2n
(1.51) ein von Null verschiedenes Vielfaches der Determinantenfunktion det ist. iv.) Zeigen Sie, daß Sp2 ( ) = SL2 ( ) und sp2 ( ) = sl2 ( ).
Aufgabe 1.6 (Das Tensorprodukt). Seien V , W nicht notwendigerweise endlichdimensionale Vektorr¨ aume u ¨ber einem K¨orper . Zeigen Sie folgenden Satz:
Satz. Es gibt einen Vektorraum V ⊗ W zusammen mit einer -bilinearen Abbildung ⊗ : V × W −→ V ⊗ W derart, daß es f¨ ur jede andere -bilineare Abbildung φ : V × W −→ U in einen weiteren -Vektorraum U eine eindeutig bestimmte -lineare Abbildung Φ : V ⊗ W −→ U gibt, so daß
V ×W φ
⊗
V ⊗W
Φ
(1.52)
U
kommutiert. Anleitung:
i.) Betrachten Sie den Vektorraum M = [V × W ], also die lineare H¨ ulle von Basisvektoren ev,w , welche durch Paare (v, w) ∈ V × W indiziert werden (dieser Vektorraum ist wirklich sehr groß). Sei ι : V × W −→ M die (keineswegs lineare!) Abbildung (v, w) → ev,w . Zeigen Sie dann, daß durch : M ∋ ev,w → φ(v, w) ∈ U eine wohldefinierte lineare die Festlegung Φ ◦ι = φ Abbildung gegeben ist, welche eindeutig durch die Eigenschaft Φ bestimmt ist. ii.) Definieren Sie weiter einen Untervektorraum M0 ⊆ M, welcher durch Vektoren der Form αev,w − eαv,w , αev,w − ev,αw , ev+v′ ,w − ev,w − ev′ ,w und ev,w+w′ − ev,w − ev,w′ aufgespannt wird, wobei α ∈ und v, v ′ ∈ V , w, w′ ∈ W beliebig sind (auch M0 ist wirklich sehr groß). Zeigen Sie
0 ) = 0. Damit ist Φ auch auf dem Quotientenraum M M0 dann, daß Φ(M wohldefiniert und liefert eine lineare Abbildung
26
1 Aspekte der Hamiltonschen Mechanik
Φ : M M0 ∋ [X] → Φ(X) ∈ U. (1.53)
iii.) Bezeichnet π : M −→ M M0 die kanonische Projektion, so ist π◦ι bilinear. iv.) Zeigen Sie, daß V ⊗ W = M M0 und ⊗ = π ◦ ι den Anforderungen des Satzes gen¨ ugen. Jedes solche Paar (V ⊗ W, ⊗) heißt (ein) Tensorprodukt von V und W .
W, ⊗) ein weiteres Tensorprodukt, so gibt es einen v.) Zeigen Sie: Ist (V ⊗ eindeutigen Isomorphismus I : V ⊗ W −→ V ⊗W mit der Eigenschaft, daß V ×W e ⊗
⊗
V ⊗W
I
V ⊗W
(1.54)
kommutiert. Daher ist das Tensorprodukt von V und W eindeutig bis auf einen eindeutigen Isomorphismus bestimmt, und man spricht von dem Tensorprodukt V ⊗ W .
Betrachten Sie nun zwei endlichdimensionale Vektorr¨aume V , W . Mit Bil(V ∗ × W ∗ , ) seien die Bilinearformen auf V ∗ × W ∗ mit Werten in bezeichnet.
vi.) Zeigen Sie, daß Bil(V ∗ × W ∗ , ) zusammen mit der Abbildung ⊗ : V × W −→ Bil(V ∗ × W ∗ , ) ein und damit das Tensorprodukt (V ⊗ W, ⊗) ist, wobei die Bilinearform v ⊗ w auf V ∗ × W ∗ durch (v ⊗ w)(α, β) = α(v)β(w),
α ∈ V ∗, β ∈ W ∗
(1.55)
definiert ist. Benutzen Sie zum Beweis Basen von V und W sowie die zugeh¨ origen dualen Basen von V ∗ und W ∗ . Damit erweist sich die obige Definition des Tensorprodukts als eine Verallgemeinerung des Tensorprodukts von endlichdimensionalen Vektorr¨ aumen. Bemerkung: Die obige Konstruktion des Tensorprodukt l¨aßt sich auf offensichtliche Weise auch f¨ ur mehrere Faktoren“ V1 , . . . , Vk verallgemeinern und ” liefert ein Tensorprodukt V1 ⊗ · · · ⊗ Vk . Dann erf¨ ullt das Tensorprodukt die u atseigenschaften, wie man diese vom endlichdimensiona¨ blichen Assoziativit¨ len Tensorprodukt her kennt. Wir werden allerdings auch unendlichdimensionale Vektorr¨ aume und deren Tensorprodukte ben¨otigen, deshalb ist die etwas allgemeinere Konstruktion hier vorgestellt worden. Nachlesen kann man das Ganze beispielsweise in [219, Kapitel XVI] oder [127, Abschnitt 6.3]. Aufgabe 1.7 (Tensorprodukte und Abbildungen). Seien V , V ′ , V ′′ , aume und seien lineare Abbildungen φ : V −→ V ′ W , W ′ und W ′′ Vektorr¨ ′ und ψ : W −→ W sowie φ′ : V ′ −→ V ′′ und ψ ′ : W ′ −→ W ′′ vorgegeben.
1.5 Aufgaben
27
i.) Zeigen Sie, daß es eine eindeutig bestimmte lineare Abbildung φ ⊗ ψ : V ⊗ W −→ V ′ ⊗ W ′ gibt, welche (φ ⊗ ψ)(v ⊗ w) = φ(v) ⊗ ψ(w)
(1.56)
erf¨ ullt. Zeigen Sie (φ′ ⊗ψ ′ )◦(φ⊗ψ) = (φ′ ◦φ)⊗(ψ ′ ◦ψ) sowie
idV ⊗ idW = idV ⊗W . (1.57)
ii.) F¨ ur α ∈ (V ′ )∗ definiert man den pull-back φ∗ α ∈ V ∗ durch (φ∗ α)(v) = α(φ(v)).
(1.58)
Der pull-back φ∗ : (V ′ )∗ ⊗ · · ·⊗(V ′ )∗ −→ V ∗ ⊗ · · ·⊗V ∗ ist als φ∗ ⊗ · · ·⊗φ∗ im Sinne von Teil i.) definiert. Zeigen Sie: (φ′ ◦ φ)∗ = φ∗ ◦ (φ′ )∗
und
(idV )∗ = idV ∗ ⊗···⊗V ∗ .
(1.59)
Aufgabe 1.8 (Algebren und Derivationen). Sei A eine assoziative Algebra u ¨ber , also ein -Vektorraum mit einer -bilinearen assoziativen Verkn¨ upfung A × A −→ A, der Algebra-Multiplikation. i.) Zeigen Sie, daß die Multiplikation mit einer linearen Abbildung μ : A ⊗ A −→ A identifiziert werden kann und daß A genau dann assoziativ ist, wenn μ ◦ (μ ⊗ id) = μ ◦ (id ⊗μ) (1.60) gilt. Sei mit τ : A ⊗ A −→ A ⊗ A die kanonische Flip-Abbildung bezeichnet, also τ (a ⊗ b) = b ⊗ a. Wie k¨ onnen Sie die Kommutativit¨at von μ formulieren? ii.) Sei D : A −→ A eine Derivation, also eine lineare Abbildung mit D(ab) = D(a)b + aD(b). Sei weiter Φ : A −→ A ein Algebrahomomorphismus, also eine lineare Abbildung mit Φ(ab) = Φ(a)Φ(b). Formulieren Sie diese Bedingungen auf ¨ aquivalente Weise mit Hilfe von μ. iii.) Zeigen Sie, daß der Kommutator [a, b] = ab − ba = ad(a)b
(1.61)
die Algebra zu einer Lie-Algebra macht. Zeigen Sie weiter, daß jede Linearkombination und der Kommutator zweier Derivationen wieder eine Derivation ist und folgern Sie, daß die Derivationen Der(A) von A eine Lie-Algebra bilden. iv.) Eine Derivation D heißt innere Derivation, wenn D = ad(a) f¨ ur ein a ∈ A. Zeigen Sie, daß die inneren Derivationen InnDer(A) von A einen Untervektorraum von Der(A) bilden, so daß f¨ ur eine beliebige Derivation D′ und eine innere Derivation D = ad(a) immer [D′ , ad(a)]
∈ InnDer(A) gilt. Zeigen Sie so, daß der Quotient OutDer(A) = Der(A) InnDer(A) der ¨außeren Derivationen in kanonischer Weise (wie?) zu einer Lie-Algebra wird.
28
1 Aspekte der Hamiltonschen Mechanik
Aufgabe 1.9 (Isotrope, Lagrangesche und koisotrope Unterr¨ aume). Sei (V, ω) ein symplektischer Vektorraum der Dimension 2n. Ein Teilraum W ⊆ V heißt • • • •
isotrop, falls W ⊆ W ⊥ , Lagrangesch, falls W = W ⊥ , koisotrop, falls W ⊥ ⊆ W , symplektisch, falls W ∩ W ⊥ = {0}.
Der sportliche Ehrgeiz bei dieser Aufgabe besteht darin, einen unabh¨angigen Beweis f¨ ur das lineare Darboux-Theorem zu finden und dabei auch noch etwas Neues zu lernen. Die Aufgabe 1.4, Teil iv.) soll also nicht verwendet werden. Die Idee ist im wesentlichen aus [234, Sect. 1.2].
i.) Zeigen Sie, daß W genau dann isotrop ist, wenn W ⊥ koisotrop ist. Zeigen Sie, daß W genau dann symplektisch ist, falls ω eingeschr¨ankt auf W symplektisch ist. ii.) Zeigen Sie, daß jeder symplektische Vektorraum einen Lagrangeschen Teilraum besitzt, indem Sie mit einem isotropen Teilraum starten und diesen maximal vergr¨ oßern, so daß er noch isotrop ist. Folgern Sie so, daß jeder isotrope Unterraum in einem (nicht notwendigerweise eindeutigen) Lagrangeschen Unterraum enthalten ist. aume von V . Zeigen Sie, daß es dann iii.) Seien W1 , . . . , Wr Lagrangesche Teilr¨ einen weiteren Lagrangeschen Teilraum W0 gibt, welcher W0 ∩ Wj = {0} f¨ ur alle j = 1, . . . , r erf¨ ullt. ullt. Hinweis: Sei W0 ein isotroper Teilraum, welcher W0 ∩ Wj = {0} erf¨ Solch einen Teilraum gibt es immer (warum?). Zeigen Sie: ist W0 maximal mit dieser Eigenschaft (also in keinem isotropen Unterraum enthalten, der alle Wj transversal schneidet), so ist W0 Lagrangesch. iv.) Seien nun W1 und W2 zwei transversale Lagrangesche Unterr¨aume von V , deren Existenz nach ii.) und iii.) garantiert ist. Es gilt also insbesondere W1 ⊕ W2 = V (warum?). Zeigen Sie, daß die Einschr¨ankung von ω auf W1 × W2 nichtausgeartet ist und daher einen Isomorphismus W1∗ ∼ = W2 induziert. Zeigen Sie, daß eine Basis e1 , . . . , en von W1 und die zugeh¨orige duale Basis von W1∗ mit diesem Isomorphismus eine Basis f1 , . . . , fn von W2 liefert, so daß e1 , . . . , en , f1 , . . . , fn eine Darboux-Basis von (V, ω) ist. v.) Zeigen Sie damit: F¨ ur zwei symplektische Vektorr¨aume (V, ω) und (V ′ , ω ′ ) der selben Dimension mit jeweils zwei transversalen Lagrangeschen Unterr¨ aumen Wi ⊂ V und Wi′ ⊆ V ′ , i = 1, 2, gibt es einen linearen Symplektomorphismus φ : V −→ V ′ , so daß φ(Wi ) = Wi′ , i = 1, 2. vi.) Zeigen Sie, daß es f¨ ur einen k-dimensionalen isotropen Unterraum W eine Darboux-Basis e1 , . . . , en , f1 , . . . , fn gibt, so daß W = span{e1 , . . . , ek }. vii.) Sei nun W koisotrop. Zeigen Sie, daß es einen Lagrangeschen Unterraum L ⊆ W gibt. W¨ ahlen Sie einen Lagrangeschen Unterraum L′ transversal ahlen Sie nun auf geeignete Weise eine zu L und sei U = W ∩ L′ . W¨ Basis von U , L′ und L, um eine Darboux-Basis zu erhalten, so daß W = span{e1 , . . . , en , f1 , . . . , fn−k }, wobei k = codim(W ).
2 Differentialgeometrische Grundlagen
In diesem Kapitel stellen wir kurz die f¨ ur uns wesentlichen Grundlagen der Differentialgeometrie zusammen, wobei wir zum Teil auf die Beweise verzichten oder diese nur skizzieren werden. So erhalten wir das R¨ ustzeug f¨ ur alle weiteren Betrachtungen in der geometrischen Mechanik. Weiterf¨ uhrende Techniken und Resultate der Differentialgeometrie werden bei Bedarf sp¨ater sowie in den Aufgaben diskutiert werden. Wir ben¨ otigen einige elementare Begriffe der mengentheoretischen Topologie: Ein topologischer Raum (M, M) ist eine Menge M zusammen mit einer Topologie M, also einer Menge M von Teilmengen von M , den offenen Teilmengen, derart, daß ∅, M ∈ M und daß beliebige Vereinigungen und endliche Durchschnitte von offenen Mengen wieder offen sind. Dann heißt eine Teilmenge A ⊆ M abgeschlossen, falls M \ A offen ist. Der topologische Abschluß U cl einer Teilmenge U ⊆ M ist die kleinste abgeschlossene ˚ einer Teilmenge Teilmenge von M , welche U enth¨ alt. Der offene Kern U U ⊆ M ist die gr¨ oßte offene Menge, welche in U enthalten ist. Eine Abbildung f : (M, M) −→ (N, N) heißt stetig, wenn die Urbilder offener Teilmengen von N wieder offen in M sind. Eine bijektive stetige Abbildung f : (M, M) −→ (N, N) heißt Hom¨ oomorphismus, wenn auch f −1 stetig ist. In diesem Falle heißen die topologischen R¨ aume M und N hom¨oomorph. Ein topologischer Raum heißt Hausdorffsch, wenn es zu je zwei Punkten x1 = x2 in M zwei offene Mengen O1 , O2 ∈ M gibt, so daß xi ∈ Oi und O1 ∩ O2 = ∅. Ein topologischer Raum erf¨ ullt das zweite Abz¨ahlbarkeitsaxiom, wenn es abz¨ ahlbar viele offene Mengen {On }n∈ gibt, so daß jede andere offene Menge durch Vereinigung von diesen On ’s erhalten werden kann. Ein ¨ topologischer Raum heißt kompakt, wenn es zu jeder offenen Uberdeckung eine endliche Teil¨ uberdeckung gibt. Weiter heißt M zusammenh¨angend, falls M nicht als disjunkte Vereinigung zweier offener Mengen geschrieben werden kann. Diese Grundbegriffe der mengentheoretischen Topologie werden im folgenden als bekannt vorausgesetzt. Weiteres findet man beispielsweise in [179, 199, 270].
30
2 Differentialgeometrische Grundlagen
Differenzierbare Mannigfaltigkeiten werden nun topologische R¨aume mit bestimmten, zus¨ atzlichen Strukturen und Eigenschaften sein, welche nicht nur einen Begriff von Stetigkeit sondern auch von Differenzierbarkeit erlauben. Wir werden zun¨ achst die elementaren Eigenschaften von differenzierbaren Mannigfaltigkeiten vorstellen und in einem zweiten Schritt Vektorb¨ undel u ¨ ber differenzierbaren Mannigfaltigkeiten betrachten. Im drittem Abschnitt werden wir schließlich den Tensor- und Formenkalk¨ ul auf differenzierbaren Mannigfaltigkeiten einf¨ uhren. Eine gut verst¨ andliche Einf¨ uhrung ist beispielsweise in [180,275] zu finden. Weiterf¨ uhrende Darstellungen und Lehrb¨ ucher zur Differentialgeometrie sind zahlreich, als Auswahl sei [1, 220, 235] erw¨ ahnt.
2.1 Differenzierbare Mannigfaltigkeiten Grundlegend f¨ ur die Definition einer differenzierbaren Mannigfaltigkeit ist der Begriff der lokalen Karte und der lokalen Koordinatensysteme. Diese gestatten, in konsistenter Weise von Differenzierbarkeit auf einem topologischen Raum zu sprechen, und erlauben eine intrinsische Definition und Konstruktion von Tangentialvektoren, ohne sich den zugrundeliegenden topologischen ussen. Raum als in einen großen N eingebettet vorstellen zu m¨
Ê
2.1.1 Karten und Atlanten
Æ
Im folgenden ist M ein topologischer Raum und n ∈ 0 . Die Definition einer Karte ist unmittelbar durch die Anschauung motiviert, lokale Koordinaten f¨ ur die Punkte in M einf¨ uhren zu wollen. Definition 2.1.1 (Karte). Eine n-dimensionale Karte f¨ ur M ist eine offene Teilmenge U ⊆ M zusammen mit einer Abbildung x : U −→ V ⊆ n , so daß V offen ist, x bijektiv ist und x sowie x−1 stetig sind.
Ê
Bemerkung 2.1.2 (Karten und Koordinaten). i.) Ist p ∈ M und (U, x) eine Karte mit p ∈ U , so nennen wir (U, x) eine Karte um p. Gilt x(p) = 0, so heißt die Karte (U, x) um p zentriert. Durch aßt sich offenbar eine um p zentrierte geeignete Verschiebungen im n l¨ Karte finden. ii.) Es wird nicht verlangt, daß V zusammenh¨angend oder gar zusammenziehbar ist. Es sei daran erinnert, daß eine offene Teilmenge V ⊆ n (im glatten Sinne) zusammenziehbar heißt, falls es eine bijektive glatte Abbildung f : V −→ B1 (0) auf den offenen Einheitsball im n gibt, so daß auch f −1 glatt ist. iii.) Die Komponenten x1 , . . . , xn der Kartenabbildung x heißen auch lokale Koordinaten. Eine Karte heißt auch lokales Koordinatensystem. Die Werte x1 (p), . . . , xn (p) heißen daher auch die lokalen Koordinaten des Punktes p ∈ U bez¨ uglich der Karte (U, x).
Ê
Ê
Ê
2.1 Differenzierbare Mannigfaltigkeiten
31
x IRn
U M
V
x
1
Abb. 2.1. Eine Karte
Oft wird auch x−1 anstelle von x angegeben, wie beispielsweise f¨ ur die Polarkoordinaten x(r, ϕ) = r cos ϕ
und y(r, ϕ) = r sin ϕ.
Ê
(2.1)
Hier ist der topologische Raum der 2 , und das Inverse der Kartenabbildung geht von V = + × (0, 2π) nach U = 2 \ [0, +∞). Offenbar sind die Polarkoordinaten stetig, bijektiv und haben eine stetige Umkehrabbildung auf dem angegebenen Bereich U . Oft wird die explizite Angabe der Definitionsbereiche der Karten unterdr¨ uckt. In diesen F¨ allen erschließt sich U beziehungsweise V typischerweise aus der Forderung nach maximaler G¨ ultigkeit der in Definition 2.1.1 gew¨ unschten Eigenschaften. , x Seien nun zwei Karten (U, x) und (U ) von M gegeben. Dann ist U ∩ U offen, eventuell leer. Falls U ∩ U nicht leer ist, liefert die Abbildung ) −→ x ) x ◦ x−1 : x(U ∩ U (U ∩ U (2.2)
Ê
Ê
e x(U∩U)
eine bijektive, stetige Abbildung mit stetigem Inversen x ◦ x −1 xe(U∩Ue ) . Diese , x Abbildung heißt Kartenwechsel von der Karte (U, x) zur Karte (U ). Die folgende Definition formalisiert die Vorstellung, daß wir f¨ ur jeden Punkt p der Mannigfaltigkeit eine lokale Karte mit zugeh¨ origen lokalen Koordinaten um p w¨ unschen.
Definition 2.1.3 (Atlas und differenzierbare Struktur). Ein n-dimensionaler Atlas A f¨ ur M ist eine Menge von n-dimensionalen Karten , x )} , so daß die Kartenbereiche M ganz ¨ uberdecken, also M = {(U α α α∈I U . Ein Atlas A heißt differenzierbar, wenn f¨ u r je zwei Karten (U, x) α α∈I und (U , x ) in A entweder U ∩ U = ∅ oder der Kartenwechsel x ◦ x−1 x(U∩U) e differenzierbar ist. Eine differenzierbare Struktur f¨ ur M ist ein maximaler differenzierbarer Atlas. Bemerkung 2.1.4 (Differenzierbare Atlanten). i.) F¨ ur einen differenzierbaren Atlas sind also alle Kartenwechsel Diffeomor−1 differenzierbar sind. Diese phismen, da sowohl x ◦ x−1 als auch x ◦ x
32
2 Differentialgeometrische Grundlagen
U
x IR
n
~ U
~ x °x
1
IR
M
~ x
n
~ V
V
e, x Abb. 2.2. Der Kartenwechsel von (U, x) nach (U e)
Vertr¨ aglichkeit wird es erlauben, konsistent von Differenzierbarkeit“ auf ” M zu sprechen. k ii.) Man kann differenzierbar“ auch durch C mit k ∈ , also k-mal stetig ” ur uns ist differenzierbar, oder durch C ω , also reell-analytisch, ersetzen. F¨ aber im wesentlichen nur die C ∞ -Version relevant. iii.) Man beachte, daß zur Definition einer differenzierbaren Struktur f¨ ur M nur der (bekannte) Differenzierbarkeitsbegriff im n verwendet wird. iv.) Ein differenzierbarer Atlas A legt bereits einen maximalen differenzierbaren Atlas fest, indem man alle mit A vertr¨aglichen Karten noch hinzunimmt. Diese sind dann automatisch auch untereinander vertr¨aglich (warum?). In der Praxis kann man sich daher darauf beschr¨anken, einen m¨ oglichst kleinen differenzierbaren Atlas anzugeben, um eine differenzierbare Struktur festzulegen.
Æ
Ê
Wir k¨ onnen nun die zentrale Definition der Differentialgeometrie formulieren: Definition 2.1.5 (Differenzierbare Mannigfaltigkeit). Eine differenzierbare Mannigfaltigkeit der Dimension n ist ein topologischer HausdorffRaum, welcher dem zweiten Abz¨ahlbarkeitsaxiom gen¨ ugt, zusammen mit einer n-dimensionalen differenzierbaren Struktur. Zur Vereinfachung werden wir im folgenden nur von einer Mannigfaltigkeit“ ” sprechen. Daß die Hausdorff-Eigenschaft sinnvoll und n¨ utzlich ist, sollte unmittelbar einsichtig sein, auch wenn es Gebiete in der Differentialgeometrie gibt, in denen diese Forderung eine unn¨ otige Einschr¨ankung bedeutet. Die Bedeutung des zweiten Abz¨ ahlbarkeitsaxioms ist nicht unmittelbar zu ersehen, stellt aber letztlich sicher, daß die differenzierbaren Mannigfaltigkeiten nicht zu groß“ werden. Eine wichtige Konsequenz wird die Existenz einer ” Zerlegung der Eins sein, welche ein wichtiges technisches Hilfsmittel in der Differentialgeometrie darstellt. Die Details hierzu finden sich in Anhang A.1.
2.1 Differenzierbare Mannigfaltigkeiten
33
Beispiel 2.1.6 (Differenzierbare Mannigfaltigkeiten). i.)
ii.) iii.)
iv.) v.)
n
mit dem globalen Koordinatensystem id : n −→ n ist eine ndimensionale Mannigfaltigkeit, ebenso jede offene Teilmenge von n . Jeder reelle n-dimensionale Vektorraum ist ebenfalls eine Mannigfaltigkeit: nach Wahl einer Basis e1 , . . . , en erh¨alt man eine globale Karte x → (x1 , . . . , xn ), wobei x = xi ei . Diese Karte ist um den Ursprung zentriert. Analog wird jeder endlichdimensionale reelle affine Raum zu einer differenzierbaren Mannigfaltigkeit. Jede offene Teilmenge einer Mannigfaltigkeit ist wieder eine Mannigfaltigkeit der selben Dimension. Die n-Sph¨ are n = {x ∈ n+1 | x = 1} mit den beiden Koordinatensystemen, die man aus der stereographischen Projektion vom Nordpol beziehungsweise S¨ udpol aus erh¨ alt, ist eine Mannigfaltigkeit. Eine einfache Rechnung zeigt, daß der Kartenwechsel glatt ist, siehe auch Aufgabe 2.2. Der n-Torus n = 1 × · · · × 1 mit den Koordinatensystemen, die von den beiden Karten der 1 kommen, ist auch eine Mannigfaltigkeit. Ganz allgemein ist das Kartesische Produkt M × N auf kanonische Weise eine (m + n)-dimensionale Mannigfaltigkeit, wenn M und N Mannigfaltigkeiten der Dimensionen m und n sind.
W¨ ahrend i.) (und im allgemeinen auch ii.)) nichtkompakte Mannigfaltigkeiten sind, sind n und n kompakt. Wann immer man in der Mathematik neue Objekte definiert, will man auch u ¨ber Abbildungen zwischen ihnen reden, welche die vorhandenen charakterisierenden Strukturen ber¨ ucksichtigen. Im Falle von Mannigfaltigkeiten will man also von glatten Abbildungen sprechen.
Definition 2.1.7 (Differenzierbare Abbildung). Seien M und N Mannigfaltigkeiten und sei φ : M −→ N eine stetige Abbildung. Dann heißt φ differenzierbar (auch: glatt, C ∞ ) bei p ∈ M , wenn es eine Karte (U, x) um p , x und eine Karte (U ) um φ(p) gibt, so daß die Abbildung x ◦φ◦x−1 x(φ−1 (U)∩U) e differenzierbar ist. Weiter heißt φ differenzierbar (auch: glatt, C ∞ ), wenn φ bei allen Punkten von M differenzierbar ist. Die Menge der glatten Abbildungen von M nach N wird mit C ∞ (M, N ) bezeichnet. Bemerkung 2.1.8 (Differenzierbarkeit). ) offen in M und somit i.) Da φ als stetig angenommen wurde, ist φ−1 (U m −1 . Damit ist x ◦ φ ◦ x−1 x(φ−1 (U)∩U) ist auch x(φ (U ) ∩ U ) offen in e eine n -wertige Funktion auf einer offenen Teilmenge von m , f¨ ur die man den u ¨ blichen Differenzierbarkeitsbegriff verwenden kann, siehe auch Abbildung 2.3. ii.) Da Kartenwechsel Diffeomorphismen sind, gilt die Eigenschaft, daß x ◦ φ ◦ x−1 x(φ−1 (U)∩U) differenzierbar ist, auch in allen anderen Paaren von e Karten, wenn sie einmal in einem Kartenpaar gilt.
34
2 Differentialgeometrische Grundlagen
U
M
p
φ N
~ U
φ (p)
x
x~ ~ x ( φ(p))
x(p)
~ V
x~ ° φ ° x
1
~ V
Abb. 2.3. Zur Definition von Differenzierbarkeit bei p.
Von besonderer Bedeutung sind nat¨ urlich die glatten Funktionen, also die glatten Abbildungen von M in die reellen oder komplexen Zahlen. Diese werden einfach mit C ∞ (M ) bezeichnet, bzw. mit C ∞ (M, ) oder C ∞ (M, ), wenn man sich festlegen will, ob die Werte in oder in liegen sollen. Offenbar ist C ∞ (M, ) ein reeller Vektorraum und C ∞ (M, ) ein komplexer Vektorraum. Wie u ¨ blich hat man die Unterr¨aume der Funktionen mit kompaktem Tr¨ager , die mit C0∞ (M ) bezeichnet werden. Hier ist der Tr¨ager einer glatten Funktion als
supp f = {p ∈ M | f (p) = 0}cl ⊆ M
(2.3)
definiert, wobei cl den topologischen Abschluß in M bezeichnet. Es ist klar, daß uber C ∞ (M, ) bzw. C ∞ (M, ) sogar assoziative, kommutative Algebren (¨ bzw. ) mit Eins sind und daß C0∞ (M ) in beiden F¨allen ein Ideal in C ∞ (M ) ist.
Bemerkung 2.1.9 (Fr´echet-Topologie von C ∞ (M )). Wie bereits f¨ ur glatte Funktionen auf einer offenen Teilmenge V ⊆ n kann man ein System von Halbnormen f¨ ur C ∞ (M ) definieren, bez¨ uglich dessen C ∞ (M ) ein Fr´echetoder Raum wird. Ein Fr´echet-Raum ist hierbei ein Vektorraum V u ¨ ber mit abz¨ ahlbar vielen Halbnormen {pℓ }ℓ∈ , welcher bez¨ uglich der durch diese Halbnormen festgelegten (lokal konvexen) Topologie vollst¨andig ist: Jede ¨ Cauchy-Folge hat einen Grenzwert in V . Ublicherweise fordert man zudem, daß die Topologie Hausdorffsch ist, Folgen also eindeutige Grenzwerte besitzen. Wir skizzieren kurz die Konstruktion der Halbnormen f¨ ur C ∞ (M ): Man betrachtet alle Kompakta K ⊆ M , welche in Kartenbereichen U enthalten sind. Dann definiert man zu solch einem Kompaktum K, einer entsprechenden Karte (U, x) und ℓ ∈ 0 die Halbnorm
2.1 Differenzierbare Mannigfaltigkeiten
ℓ ∂ (f ◦ x−1 ) , pK,U,x,ℓ (f ) = max i1 (x(p)) p∈K,i1 ,...,iℓ ∂x · · · ∂xiℓ
35
(2.4)
Ê
wobei wir die partiellen Ableitungen in V = x(U ) ⊆ n verwenden. Das System aller dieser Halbnormen definiert dann eine Topologie, welche sich als Fr´echet-Topologie f¨ ur C ∞ (M ) herausstellt. Die Details hierzu sind beispielsweise in [169] zu finden. Wir werden diese analytischen Eigenschaften von C ∞ (M ) jedoch im folgenden zun¨ achst nicht weiter ben¨otigen. Der lokale Begriff des Diffeomorphismus verallgemeinert sich nun leicht auch auf Mannigfaltigkeiten: Definition 2.1.10 (Diffeomorphismus). Eine glatte Abbildung φ : M −→ N heißt Diffeomorphismus, falls φ bijektiv ist und φ−1 ebenfalls glatt ist. In diesem Fall heißen M und N diffeomorph. Sind M und N diffeomorph, so bezeichnet man mit Diffeo(M, N ) die Menge der Diffeomorphismen von M nach N und entsprechend mit Diffeo(M ) die Gruppe der Diffeomorphismen von M . 2.1.2 Tangentialvektoren und das Tangentenb¨ undel Um einen sinnvollen Begriff f¨ ur Tangentialvektoren zu finden, der nicht auf eine Einbettung in einen großen N Bezug nimmt, sondern intrinsisch“ de” finiert ist, bieten sich drei M¨ oglichkeiten an:
Ê
• • •
Algebraische Definition: Richtungsableitung“. ” Kinematische Definition: Tangente an eine Kurve“. ” Physikalische Definition: ein Tangentialvektor ist ein Tangentialvektor, ” wenn er sich wie ein Tangentialvektor transformiert“.
Alle drei M¨ oglichkeiten sind a ¨quivalent und gleichermaßen wichtig. Wir verwenden die erste zur Definition, werden aber sp¨ater unbek¨ ummert zwischen den verschiedenen Sichtweisen wechseln. Dazu ben¨otigen wir zuerst den Begriff des Funktionenkeims“: ” Definition 2.1.11 (Funktionenkeim). Eine lokal definierte, glatte Funktion um p ∈ M ist eine glatte Funktion f ∈ C ∞ (U ), wobei U ⊆ M eine offene Teilmenge mit p ∈ U ist. Zwei lokale Funktionen (f, U ) und (g, V ) um p heißen ¨aquivalent, wenn es eine offene Umgebung W ⊆ U ∩ V von p gibt, so daß f W = g W . (2.5) ¨ Eine Aquivalenzklasse von lokalen Funktionen bei p heißt Funktionenkeim, die Menge der Funktionenkeime bei p wird mit Cp∞ bezeichnet.
Offenbar ist Cp∞ ein reeller Vektorraum, ja sogar eine assoziative, kommutative Algebra mit Eins. Ist U ⊆ M eine offene Umgebung von p, so ist die Einschr¨ ankung
36
2 Differentialgeometrische Grundlagen
C ∞ (U ) ∋ f → [f ] ∈ Cp∞
(2.6)
ein Algebrenhomomorphismus. Im allgemeinen ist dieser nicht injektiv, aber man kann zeigen, daß (2.6) surjektiv ist, indem man eine Abschneidefunktion um p verwendet. Dies zeigt, daß die Algebra der Funktionenkeime Cp∞ letztlich nicht von der umgebenden Mannigfaltigkeit M abh¨angt, sondern bereits durch eine beliebig kleine offene Umgebung von p festgelegt ist. Die Auswertung bei p (2.7) δp : Cp∞ ∋ [f ] → f (p) ∈
Ê
liefert ein wohl-definiertes lineares Funktional auf Cp∞ (warum?). Wenn keine ¨ Verwechslung m¨ oglich ist, schreiben wir einfach f f¨ ur die Aquivalenzklasse ∞ von f in Cp . Definition 2.1.12 (Tangentialraum). Ein Tangentialvektor vp bei p ist eine lineare Abbildung (2.8) vp : Cp∞ −→
Ê
mit der Eigenschaft vp (f g) = vp (f )g(p) + f (p)vp (g).
(2.9)
Die Menge aller Tangentialvektoren bei p heißt Tangentialraum Tp M . Offenbar gilt f¨ ur eine lokal konstante Funktion f um p immer vp (f ) = 0. Da die Bedingung (2.9) linear in vp ist, ist der Tangentialraum ein reeller Vektorraum. Die weitere Struktur von Tp M wird nun durch folgenden Satz gekl¨ art, wobei wir von nun an die Summenkonvention benutzen: Satz 2.1.13. Sei M eine n-dimensionale Mannigfaltigkeit und p ∈ M . Sei weiter (U, x) eine Karte um p. i.) Die Abbildungen ∂(f ◦ x−1 ) ∂ ∞ : C ∋ f → ∈ p ∂xi p ∂xi x(p)
Ê
(2.10)
mit i = 1, . . . , n bilden eine Basis von Tp M . Insbesondere ist dim Tp M = ∂ gilt n. F¨ ur vp ∈ Tp M mit vp = vpi ∂x i p
vpi = vp (xi ),
(2.11)
wobei xi als lokale Funktion um p aufgefaßt wird. , x ii.) Ist (U ) eine weitere Karte um p, so transformieren sich die Komponenten vpi von vp ∈ Tp M mit der Jacobi-Matrix des Koordinatenwechsels, genauer ∂( xj ◦ x−1 ) vpj = vpi . (2.12) ∂xi x(p)
2.1 Differenzierbare Mannigfaltigkeiten
37
iii.) Ist γ : (−ǫ, ǫ) −→ M eine glatte Kurve durch p = γ(0), so definiert d γ(0)f ˙ = (f ◦ γ) f¨ ur f ∈ Cp∞ (2.13) dt t=0
einen Tangentialvektor. Mit γ i (t) = xi ◦ γ(t) gilt ∂ γ(0) ˙ = γ˙ i (0) i . (2.14) ∂x p ∂ ¨ Beweis. Zun¨ achst ist klar, daß ∂x f nur von der Aquivalenzklasse von f i p −1 ∂(f ◦x ) ∞ angt, da nur von der Gestalt von f in einer beliebig in Cp abh¨ ∂xi x(p) ∂ linear kleinen offenen Umgebung von x(p) abh¨ angt. Weiter ist klar, daß ∂x i p ∂ ist und die Derivationseigenschaft (2.9) erf¨ ullt. Damit ist ∂xi p also tats¨achlich ein Tangentialvektor. ad i.) Sei nun vp ∈ Tp M beliebig und f eine lokale Funktion. Dann gibt es lokale Funktionen fi mit f (q) = f (p) + (xi (q) − xi (p))fi (q) f¨ ur q nahe genug bei p, wobei xi wieder die lokale Koordinatenfunktion bezeichnet, und ∂(f ◦ x−1 ) . fi (p) = ∂xi x(p)
Dies ist gerade der Anfang der Taylor-Entwicklung mit Restglied, insbesondere liefert 1 ∂(f ◦ x−1 )
t(x(q) − x(p)) + x(p) dt fi (q) = i ∂x 0
eine explizite Form f¨ ur die fi . Also gilt wegen vp (const ) = 0 und (xi − i x (p)) p = 0 die Gleichung vp (f ) = vp (xi )fi (p) = vp (xi )
Damit gilt also
∂(f ◦ x−1 ) . ∂xi x(p)
∂ vp = vp (xi ) i , ∂x p ∂ ein Erzeugendensystem von Tp M bilden. womit die Tangentialvektoren ∂x i p Offenbar sind sie auch linear unabh¨ angig, was man durch Anwenden auf die lokalen Funktionen xi sieht. ad ii.) Dies ist einfach die Kettenregel, die wir in einer hinreichend kleinen Umgebung um p, wo der Kartenwechsel eben definiert ist, anwenden k¨onnen: ∂(f ◦ x−1 ) vp (f ) = vpi ∂xi x(p)
38
2 Differentialgeometrische Grundlagen
∂(f ◦ x −1 ) ∂( x ◦ x−1 )j ∂ xj ∂xi x e(p) x(p) −1 j ∂ ∂( x◦x ) = vpi f. ∂xi xj xe(p) x(p) ∂
= vpi
epj v
ad iii.) Offenbar ist γ(0)f ˙ wohl-definiert auf Cp∞ , da wieder nur die Gestalt von f auf einer beliebig kleinen offenen Umgebung von p bekannt sein muß. Die Linearit¨ at und Derivationseigenschaft sind ebenfalls offensichtlich, womit γ(0) ˙ tats¨ achlich ein Tangentialvektor ist. Gleichung (2.14) ist dann eine einfache ⊓ ⊔ Rechnung, indem man γ(0) ˙ auf xi anwendet und (2.11) verwendet. Bemerkung 2.1.14. Teil ii.) liefert die physikalische“ Definition, w¨ahrend ” Teil iii.) die kinematische“ Definition liefert. Einen sch¨onen und detaillierte” ren Vergleich findet man beispielsweise in [180, Kap. 2]. Da jeder Punkt p ∈ M nun seinen eigenen Tangentialraum hat, kann man die Gesamtheit aller Tangentialr¨ aume betrachten. Man definiert TM = Tp M, (2.15) p∈M
wobei die Vereinigung als disjunkte Vereinigung zu verstehen ist (etwas anderes ist auch nicht sinnvoll). Jedes Element in T M ist also Element vp ∈ Tp M in einem bestimmten Tangentialraum an einem bestimmten Punkt p ∈ M . Daher hat man eine Projektion π : T M ∋ vp → p ∈ M.
(2.16)
Satz 2.1.15. Die Menge T M ist auf kanonische Weise eine 2n-dimensionale Mannigfaltigkeit, wobei jede Karte (U, x) von M eine Karte (T U, T x = (q, v)) von T M induziert, n¨amlich Tp M ⊆ T M (2.17) TU = p∈U
und
Ê
T x = (q, v) : T U ∋ vp → q 1 (vp ), . . . , q n (vp ), v 1 (vp ), . . . , v n (vp ) ∈ x(U )× n , (2.18) wobei q i (vp ) = xi (p) und v i (vp ) = vp (xi ). Damit wird insbesondere π : T M −→ M glatt. Beweis. Die topologische Struktur von T M wird dadurch erkl¨art, daß man Urbilder (unter T x) und deren endliche Durchschnitte und beliebige Vereiniur alle Karten (U, x) der gungen von offenen Teilmengen in T x(T U ) ⊆ 2n f¨
Ê
2.1 Differenzierbare Mannigfaltigkeiten
39
differenzierbaren Struktur von M als offen erkl¨art. Dann ist es leicht nachzurechnen, daß (2.18) tats¨ achlich Karten definiert und daß die Kartenwechsel glatt sind. Dies folgt unmittelbar aus der Glattheit der Kartenwechsel von x nach x . Die Hausdorff-Eigenschaft sowie das zweite Abz¨ahlbarkeitsaxiom kann man ebenfalls leicht einsehen. Die Abbildung π in den Koordinaten (T U, T x) f¨ ur T M und (U, x) f¨ ur M ist gerade die Projektion auf die ersten n Koordinaten und damit sicherlich glatt. Somit erh¨ alt man aus einem differenzierbaren Atlas von M einen differenzierbaren Atlas von T M . ⊓ ⊔ Die Konstruktion der Mannigfaltigkeit T M aus einer gegebenen Mannigfaltigkeit M wird uns weiterhin begleiten und ist von fundamentaler Wichtigkeit in der gesamten Differentialgeometrie. Definition 2.1.16 (Tangentenb¨ undel). Die Mannigfaltigkeit T M mit der Projektion π : T M −→ M (2.19) heißt Tangentenb¨ undel von M . Satz 2.1.17. Sei φ : M −→ N eine glatte Abbildung. i.) Dann definiert (Tp φ(vp ))f = vp (f ◦ φ)
f¨ ur
∞ f ∈ Cφ(p)
(2.20)
einen Tangentialvektor Tp φ(vp ) ∈ Tφ(p) N f¨ ur alle p ∈ M und vp ∈ Tp M . Die Abbildung (2.21) Tp φ : Tp M −→ Tφ(p) N ist linear. ii.) Sind (U, x) und (V, y) Koordinaten um p und φ(p), so gilt ∂(y j ◦ φ ◦ x−1 ) ∂ i ∂ Tp φ vp i = vpi . ∂x p ∂xi x(p) ∂y j φ(p)
(2.22)
iii.) Ist γ : (−ǫ, ǫ) −→ M eine glatte Kurve durch γ(0) = p, so gilt
. Tp φ(γ(0)) ˙ = (φ ◦ γ) (0). (2.23) iv.) Die Abbildung T φ : T M −→ T N mit T φ Tp M = Tp φ ist glatt und es gilt die Kettenregel T idM = idT M
und
T (φ ◦ ψ) = T φ ◦ T ψ.
(2.24)
Die Abbildung T φ heißt auch Tangentialabbildung von φ. Beweis. ad i.) Zun¨ achst ist klar, daß Tp φvp tats¨achlich ein wohl-definierter Tangentialvektor ist, denn f ◦ φ ist eine lokal definierte Funktion um p, deren ∞ ¨ ¨ von f in Cφ(p) abh¨angt. Aquivalenzklasse in Cp∞ nur von der Aquivalenzklasse
40
2 Differentialgeometrische Grundlagen
Die Linearit¨ ats- und Derivationseigenschaft sind offensichtlich, womit Tp φvp ∈ Tφ(p) N . Die Linearit¨ at der Abbildung (2.21) ist auch klar. ad ii.) Nach Definition rechnet man die behauptete Eigenschaft einfach nach, indem man die Kettenregel verwendet und auf einer hinreichend kleinen Umgebung von φ(p) beziehungsweise p die Karte (V, y) einschiebt“ ” −1 ∂ ∂(f ◦ φ ◦ x ) Tp φ vpi i f = vpi ∂x p ∂xi x(p) −1 ∂(f ◦ y ◦ y ◦ φ ◦ x−1 ) = vpi ∂xi x(p) −1 j ∂(f ◦ y ) ∂(y ◦ φ ◦ x−1 ) = vpi ∂y j ∂xi y(φ(p)) x(p) j −1 ∂ ∂(y ◦ φ ◦ x ) f. = vpi ∂xi x(p) ∂y j φ(p) ad iii.) Dies rechnet man ebenso mit Hilfe der Definition direkt nach, Tp φ(γ(0))f ˙ = γ(0)(f ˙ ◦ φ) =
d . (f ◦ φ ◦ γ) = (φ ◦ γ) (0)f, dt t=0
da ja φ ◦ γ : (−ǫ, ǫ) −→ N eine Kurve durch φ(p) ist. ad iv.) Mit (2.22) folgt die Differenzierbarkeit von T φ unmittelbar, explizit gilt mit den Karten (T U, T x) beziehungsweise (T V, T y) sowie der Abk¨ urzung φi = y i ◦ φ ◦ x−1 −1 i ∂ T y ◦ T φ ◦ (T x) = Ty ◦ Tφ v ∂xi p T x(vp ) ∂φj ∂ = T y vi i ∂x p ∂y j φ(p) ∂φn ∂φ1 , = φ1 , . . . , φn , v i i , . . . , v i i ∂x ∂x x(p)
wobei T x(vp ) = (x1 , . . . , xm , v 1 , . . . , v m ). Damit folgt die Glattheit, da ja angigkeit von den Koordinaten v 1 , . . . , v m y ◦ φ ◦ x−1 glatt ist und die Abh¨ sowieso linear und damit glatt ist. Die Abbildung T φ sieht also in Koordinaten so aus, daß f¨ ur die ersten m Koordinaten die Abbildung φ verwendet wird und f¨ ur die zweiten m Koordinaten die Jacobi-Matrix von φ, beides in den jeweiligen Koordinaten. Die Kettenregel ist v¨ollig banal, denn (Tp (φ ◦ ψ)vp )f = vp (f ◦ φ ◦ ψ) = (Tp ψ(vp ))(f ◦ φ) = (Tψ(p) φ(Tp ψ(vp )))f, sowie (T id(vp ))f = vp (f ◦ id) = vp (f ) = (idT M vp )f. ⊓ ⊔
2.1 Differenzierbare Mannigfaltigkeiten
41
Bemerkung 2.1.18 (Der Tangentialfunktor). Mit etwas mehr high-tech“ kann ” man diese Resultate, insbesondere (2.24), auch folgendermaßen verstehen: Mannigfaltigkeiten und glatte Abbildungen bilden Objekte und Morphismen einer Kategorie Mf. Dann ist die Zuordnung T : M → T M f¨ ur Objekte und T : (φ : M −→ N ) → (T φ : T M −→ T N ) f¨ ur Morphismen ein (kovarianter) Funktor T von Mf nach Mf. Diese funktoriellen Aspekte der Differentialgeometrie werden beispielsweise in [202] zum zentralen Gegenstand der Betrachtungen gemacht. Da die Tangentialabbildung an jedem Punkt eine lineare Abbildung ist, kann man vom Rang der Tangentialabbildung an jedem Punkt sprechen. Interessant sind nun die beiden extremen F¨ alle, daß die Tangentialabbildung punktweise surjektiv beziehungsweise injektiv ist: Definition 2.1.19 (Submersion und Immersion). Sei φ : M −→ N eine glatte Abbildung. Ist dann Tp φ f¨ ur alle p ∈ M surjektiv (injektiv), so heißt φ Submersion (Immersion). Diffeomorphismen sind offenbar sowohl Submersionen als auch Immersionen. 2.1.3 Vektorfelder, Fl¨ usse und Lie-Klammern Nachdem das Tangentenb¨ undel T M erkl¨ art ist, kann man die lokalen Vorstellungen von Vektorfeldern wie in Abschnitt 1.2.1 leicht auf Mannigfaltigkeiten u ¨ bertragen. Definition 2.1.20 (Vektorfeld). Eine glatte Abbildung X : M −→ T M mit π ◦X = idM heißt Vektorfeld. Die Menge aller Vektorfelder wird mit Γ∞ (T M ) bezeichnet. Entsprechend definiert man auch lokale Vektorfelder X : U ⊆ M −→ T U ⊆ T M , die nur auf einer offenen Teilmenge U von M erkl¨art sind. Die Bedeutung der Bedingung π ◦ X = idM ist, daß ein Vektor X(p) des Vektorfeldes X : M −→ T M am richtigen“ Tangentialraum, n¨amlich dem ” zum Fußpunkt p, angeheftet ist, siehe auch Abbildung 2.4. Proposition 2.1.21. Die Menge der Vektorfelder Γ∞ (T M ) ist in nat¨ urlicher Weise ein Modul ¨ uber der Algebra C ∞ (M ), via (αX + βY )(p) = αX(p) + βY (p)
(2.25)
(f X)(p) = f (p)X(p),
(2.26)
und wobei α, β ∈
Ê, X, Y ∈ Γ
∞
∞
(T M ), p ∈ M und f ∈ C (M ).
Der Beweis ist offensichtlich.
42
2 Differentialgeometrische Grundlagen
Tp M p Tq M
q
X(p)
X(q)
M
Abb. 2.4. Der Vektor X(p) eines Vektorfeldes X ist bei p angeheftet, also im Tangentialraum Tp M von p.
Beispiel 2.1.22. Sei (U, x) eine Karte von M , dann sind die Abbildungen U ∋ ∂ ∂ ∈ Tp M offenbar glatt. Also definieren sie lokale Vektorfelder ∂x p → ∂x i i. p Jedes Vektorfeld X ist lokal von der Form ∂ X U = X i i ∂x
(2.27)
mit eindeutig bestimmten, lokal definierten glatten Funktionen X i ∈ C ∞ (U ). Vektorfelder definieren schon im lokalen Fall eine gew¨ohnliche Differentialgleichung, deren L¨ osung eine Kurve in M ist. Global formuliert sich dies folgendermaßen:
Ê
Definition 2.1.23 (Integralkurve). Eine Kurve γ : I ⊆ −→ M heißt Integralkurve durch γ(0) = p f¨ ur das Vektorfeld X ∈ Γ∞ (T M ), falls γ(t) ˙ = X(γ(t)).
(2.28)
In lokalen Koordinaten bedeutet dies gerade γ˙ i (t) = X i (γ 1 (t), . . . , γ n (t)),
(2.29)
womit (2.28) also eine gew¨ ohnliche Differentialgleichung ist, deren L¨osbarkeit durch den Satz 1.1.1 von Picard-Lindel¨ of garantiert wird. So erh¨alt man durch ¨ die lokale Uberlegung und anschließendes Zusammenkleben“ der L¨osungen ” u ¨ ber die Geltungsbereiche der jeweiligen Karten hinweg folgenden Satz, siehe auch Abbildung 2.5: Satz 2.1.24 (Picard-Lindel¨ of, globale Version). Sei X ∈ Γ∞ (T M ) ein Vektorfeld. Dann gibt es eine eindeutig bestimmte maximale offene Umgebung U ⊆ ×M von {0}×M mit einer eindeutigen glatten Abbildung Φ : U −→ M derart, daß Φ(0, p) = p und
Ê
d Φ(t, p) = X(Φ(t, p)) dt
(2.30)
2.1 Differenzierbare Mannigfaltigkeiten
43
~ U
U γ
M x~
x
~ V V
~ x°γ
x° γ
Abb. 2.5. Zusammenkleben lokaler L¨ osungskurven aufgrund der Eindeutigkeit der ¨ L¨ osung bei gegebenen Anfangsbedingungen im Uberlappgebiet.
f¨ ur alle (t, p) ∈ U. Es gilt Φ(t, Φ(s, p)) = Φ(t + s, p),
(2.31)
wann immer Φ auf den angegebenen Punkten erkl¨art ist.
Ê
Wie schon im d nennt man Φ den Fluß von X und Φ heißt vollst¨andig, falls U = × M , die L¨ osungen also zu allen Anfangsbedingungen f¨ ur alle Zeiten definiert sind. Ist der Fluß vollst¨ andig, so ist Φt = Φ(t, ·) eine Einparametergruppe von Diffeomorphismen von M . Vektorfelder besitzen noch eine weitere Interpretation, n¨amlich als Derivationen der Algebra C ∞ (M ), siehe auch Aufgabe 1.8.
Ê
Definition 2.1.25 (Derivation). Sei A eine assoziative Algebra und D : A −→ A eine lineare Abbildung. Dann heißt D Derivation, falls D(ab) = D(a)b + aD(b).
(2.32)
Die Menge aller Derivationen von A bezeichnen wir mit Der(A). Satz 2.1.26. Die Vektorfelder Γ∞ (T M ) sind kanonisch in linearer Bijektion zu den Derivationen von C ∞ (M ) mittels (Xf )(p) = X(p)f.
(2.33)
Man schreibt auch X(f ) = Xf oder LX f = Xf,
(2.34)
und nennt den Operator LX die Lie-Ableitung der Funktion f in Richtung des Vektorfelds X.
44
2 Differentialgeometrische Grundlagen
Beweis (Skizze). Zun¨ achst ist klar, daß LX eine Derivation ist. Dies rechnet man unmittelbar mit Hilfe der Derivationseigenschaft eines Tangentialvektors (2.9) nach. Damit erh¨ alt man sofort, daß X → LX eine injektive (warum?) lineare Abbildung in die Derivationen von C ∞ (M ) ist. Schwieriger ist die Surjektivit¨ at. Hierzu muß man zun¨ achst zeigen, daß sich eine beliebige Derivation D von C ∞ (M ) auf offene Teilmengen einschr¨anken l¨aßt, also eine Derivation DO von C ∞ (O) f¨ ur alle offenen Teilmengen O liefert. Dies ist der eigentliche und nichttriviale Schritt. Anschließend kann man mit einem lokalen Argument uhren diese Details in einer Karte die genau Form von DO bestimmen. Wir f¨ hier nicht aus, sondern verweisen auf Anhang A.3, Korollar A.3.8. ⊓ ⊔ Da im allgemeinen der Kommutator [D1 , D2 ] = D1 ◦ D2 − D2 ◦ D1 zweier Derivationen wieder eine Derivation ist, kann man aus zwei Vektorfeldern X, Y ein neues Vektorfeld konstruieren: Definition 2.1.27 (Lie-Klammer). Die Lie-Klammer [X, Y ] von X, Y ∈ Γ∞ (T M ) ist das eindeutig bestimmte Vektorfeld mit L[X,Y ] = [LX , LY ] .
(2.35)
Satz 2.1.28. Die Lie-Klammer [·, ·] von Vektorfeldern erf¨ ullt folgende Eigenschaften f¨ ur alle f ∈ C ∞ (M ) und X, Y, Z ∈ Γ∞ (T M ): i.) ii.) iii.) iv.)
[·, ·] ist bilinear. [X, Y ] = −[Y, X] (Antisymmetrie). [X, [Y, Z]] = [[X, Y ], Z] + [Y, [X, Z]] (Jacobi-Identit¨at). [X, f Y ] = f [X, Y ] + X(f )Y (Leibniz-Regel). ⊓ ⊔
Beweis. Der Beweis erfolgt durch einfaches Nachrechnen. ∂ j ∂ In lokalen Koordinaten gilt mit X = X i ∂x i und Y = Y ∂xj die Gleichung
j ∂ ∂X j i i ∂Y − Y , [X, Y ] = X i i ∂x ∂x ∂xj
(2.36)
was man entweder mittels der Definition oder mit Satz 2.1.28 leicht nachpr¨ uft. Satz 2.1.28 besagt insbesondere, daß die Lie-Klammer von Vektorfeldern wirklich eine Lie-Klammer ist und Γ∞ (T M ) so zu einer Lie-Algebra wird. Eine weitere ¨ aquivalente Formulierung f¨ ur die Lie-Ableitung erh¨alt man u ¨ ber den Fluß Φt von X. Ganz allgemein definieren wir: Definition 2.1.29 (pull-back). Sei φ : M −→ N eine glatte Abbildung. Dann ist der pull-back von Funktionen auf N mit φ als φ∗ f = f ◦ φ ∈ C ∞ (M ) erkl¨art.
(2.37)
2.2 Vektorb¨ undel
45
Bemerkung 2.1.30 (Algebrahomomorphismen von C ∞ (M )). Der pull-back φ∗ : C ∞ (N ) −→ C ∞ (M ) ist offenbar linear und erf¨ ullt φ∗ (f g) = (φ∗ f )(φ∗ g),
(2.38)
ist also ein Algebrahomomorphismus. Weiter gilt (φ ◦ ψ)∗ = ψ ∗ ◦ φ∗
und
id∗M = idC ∞ (M) .
(2.39)
Man kann nun sogar zeigen, daß jeder Algebrahomomorphismus von C ∞ (N ) nach C ∞ (M ) von dieser Form ist (Milnor’s Exercise [236]). Insbesondere sind alle Algebraautomorphismen von C ∞ (M ) pull-backs mit Diffeomorphismen von M , siehe etwa [144, 245] f¨ ur einen neueren Zugang. Proposition 2.1.31. Sei X ∈ Γ∞ (T M ) und sei Φt der (vollst¨andige) Fluß von X. Dann gilt d (2.40) LX f = Φ∗t f dt t=0 und (2.41) LX ◦ Φ∗t = Φ∗t ◦ LX . Beweis. Beide Behauptungen sind einfache Rechnungen, welche unmittelbar aus der Definition und der Einparametergruppeneigenschaft von Φt folgen. ⊓ ⊔ Insbesondere gilt f¨ ur alle t die Gleichung d ∗ Φ f = Φ∗t LX f = LX Φ∗t f, dt t
(2.42)
was unmittelbar aus den beiden Gleichungen (2.40) und (2.41) folgt. Daher schreibt man auch symbolisch Φ∗t = et LX “. ”
(2.43)
Abschließend bemerken wir noch folgendes Resultat, welches eine geometrische Interpretation der Lie-Klammer von Vektorfeldern liefert. Einen Beweis findet man beispielsweise in [235, Cor. 3.15]. Satz 2.1.32. Seien X, Y ∈ Γ∞ (T M ) mit Fl¨ ussen Φt und Ψs . Dann gilt [X, Y ] = 0 genau dann, wenn Φt ◦ Ψs = Ψs ◦ Φt f¨ ur alle t, s.
2.2 Vektorbu ¨ndel Das Tangentenb¨ undel π : T M −→ M ist der Prototyp eines Vektorb¨ undels. Sowohl in differentialgeometrischen und auch in physikalischen Anwendungen werden aber auch andere Vektorfelder“ als nur solche mit Werten in den ”
46
2 Differentialgeometrische Grundlagen
Tangentialvektoren ben¨ otigt. Beispiele sind Felder mit Werten in bestimmten Tensorr¨ aumen, die man aus den Tangentialr¨ aumen gewinnt, aber auch Spinorfelder in Yang-Mills-Theorien. Diese Beispiele rechtfertigen es, die allgemeine Theorie der Vektorb¨ undel hier zumindest in ihren Ans¨atzen zu entwickeln. Vektorb¨ undel sollen folgende Situation axiomatisch fassen und verallgemeinern: Auf einer Mannigfaltigkeit M will man Felder mit Werten in einem bestimmten Vektorraum V betrachten, also Abbildungen M −→ V . Da ein endlichdimensionaler Vektorraum selbst eine Mannigfaltigkeit ist, kann man problemlos von C ∞ (M, V ) als dem Raum aller glatten V -wertigen Felder auf M sprechen. Wir ben¨ otigen jedoch eine geringf¨ ugig allgemeinere Definition. 2.2.1 B¨ undelkarten und erste Eigenschaften Im folgenden sei π : E −→ M eine surjektive glatte Abbildung zwischen zwei Mannigfaltigkeiten der Dimensionen N + n und n, und V sei ein N dimensionaler reeller Vektorraum. Definition 2.2.1 (B¨ undelkarte). Eine B¨ undelkarte (U, ϕ) von π : E −→ M mit typischer Faser V ist eine offene Teilmenge U ⊆ M zusammen mit einem Diffeomorphismus ϕ : π −1 (U ) ⊆ E −→ U × V , so daß ϕ
π −1 (U ) ⊆ E
U ×V pr1
π
U
(2.44)
kommutiert. Hier ist pr1 : U × V −→ U die Projektion auf den ersten Faktor.
Eine B¨ undelkarte heißt auch lokale Trivialisierung. Beim Begriff der B¨ undelkarte ist etwas Vorsicht geboten, da es in der Differentialgeometrie auch andere B¨ undel“ als nur Vektorb¨ undel gibt. Daher sollte man eigentlich von ” einer Vektorb¨ undelkarte“ sprechen. Wir werden aber im folgenden keine an” deren B¨ undel ben¨ otigen, so daß dies hier eine unn¨otige Verkomplizierung der Sprechweise darstellte. Definition 2.2.2. Zwei B¨ undelkarten (U1 , ϕ1 ) und (U2 , ϕ2 ) von π : E −→ M heißen vertr¨aglich, wenn die Abbildung ϕ2 ◦ ϕ−1 : (p, v) → (p, ϕ21 (p)v) (2.45) 1 (U1 ∩U2 )×V
auf (U1 ∩ U2 ) × V linear in v ∈ V ist.
Da ϕ1 und ϕ2 Diffeomorphismen sind, ist ϕ21 (p) : V −→ V bijektiv, also ein linearer Isomorphismus f¨ ur jedes p ∈ U1 ∩ U2 . Diesen p-abh¨angigen Isomorphismus kann man daher auch als glatte Abbildung ϕ21 : U1 ∩ U2 −→ GL(V )
¨ auffassen. Dann heißt ϕ21 Ubergangsmatrix .
(2.46)
2.2 Vektorb¨ undel
47
E UxV Ep φ
π p
U
M
pr1 U
Abb. 2.6. Eine B¨ undelkarte liefert eine lokale Trivialisierung
Definition 2.2.3 (Vektorb¨ undel). i.) Ein Vektorb¨ undelatlas ist eine Menge von paarweise miteinander vertr¨aglichen B¨ undelkarten {(Uα , ϕα )}α∈I , so daß M = α∈I Uα . ii.) Ein Vektorb¨ undel ist eine glatte Abbildung π : E −→ M vom Totalraum E auf die Basis M zusammen mit einem (maximalen) Vektorb¨ undelatlas. Wie schon bei einer differenzierbaren Mannigfaltigkeit kann man einen gegebenen Vektorb¨ undelatlas durch Hinzunahme aller vertr¨aglicher B¨ undelkarten zu einem maximalen Atlas ausbauen. Der Name Vektorb¨ undel“ rechtfertigt sich durch die Beobachtung, daß ” f¨ ur jeden Punkt p ∈ M die Faser u ¨ ber p, also Ep = π −1 ({p}) ⊆ E ein zu V isomorpher Vektorraum ist. Die Wohl-Definiertheit der Vektorraumstruk¨ tur folgt unmittelbar daraus, daß die Ubergangsmatrix ϕ21 zwischen je zwei B¨ undelkarten linear ist. Entsprechend nennt man die Dimension der Fasern Ep auch die Faserdimension des Vektorb¨ undels. Ein Vektorb¨ undel mit eindimensionaler Faser heißt dann auch Geradenb¨ undel . Beispiel 2.2.4 (Das Tangentenb¨ undel). Das Tangentenb¨ undel π : T M −→ M einer Mannigfaltigkeit M ist ein Vektorb¨ undel. Ist n¨amlich (U, x) eine Karte von M , so ist ϕ : π −1 (U ) = T U ⊆ T M ∋ vp → (p, vp (x1 ), . . . , vp (xn )) ∈ U ×
Ên
(2.47)
undelkarte im Sinne von Definition 2.2.1. Die Vermit x = (x1 , . . . , xn ) eine B¨ tr¨ aglichkeit verschiedener solcher B¨ undelkarten folgt leicht aus dem Transfor¨ mationsverhalten (2.12). Insbesondere sind die Ubergangsmatrizen gerade die Jacobi-Matrizen der Koordinatenwechsel. Beispiel 2.2.5 (Das triviale Vektorb¨ undel). Sei V ein reeller Vektorraum, dann undel mit typischer Faser ist π : E = M × V −→ M mit π = pr1 ein Vektorb¨ V , wobei (M, id) eine globale B¨ undelkarte also bereits ein Vektorb¨ undelatlas ist.
48
2 Differentialgeometrische Grundlagen
Beispiel 2.2.6 (M¨obius-Band). Das wohlbekannte M¨obius-Band, siehe Abbildung 2.7 sowie Aufgabe 2.12, l¨ aßt sich auf naheliegende Weise als nichttriviales Vektorb¨ undel u ¨ ber 1 mit eindimensionaler reeller Faser auffassen.
Abb. 2.7. Das M¨ obius-Band als nichttriviales Vektorb¨ undel u ¨ber
Ë1 .
Beispiel 2.2.7 (Eingeschr¨anktes Vektorb¨ undel). Ist π : E −→ M ein Vektorb¨ undel und U ⊆ M eine offene Teilmenge, so k¨onnen wir nur diejenigen Fasern betrachten, die an Punkten aus U angeheftet sind, also E U = π −1 (U ). Dann ist π E|U : E U −→ U ein Vektorb¨ undel u ¨ber U . Proposition 2.2.8. Sei π : E −→ M ein Vektorb¨ undel mit Vektorb¨ undelatlas ¨ ur die Ubergangsmatrizen die Kozyklusidentit¨at {(Uα , ϕα )}α∈I . Dann gilt f¨ ϕαβ = ϕ−1 βα
und
ϕαβ ◦ ϕβγ ◦ ϕγα = idV ,
(2.48)
auf dem Durchschnitt der jeweiligen Definitionsbereiche. ¨ Beweis. Dies folgt unmittelbar aus der Definition der Ubergangsmatrizen und −1 der Beobachtung, daß f¨ ur die B¨ undelkarten offenbar ϕα ◦ ϕ−1 ◦ ϕ ◦ ϕ ◦ ϕ β γ◦ γ β ϕ−1 = id gilt. ⊓ ⊔ α ¨ Bemerkung 2.2.9. Hat man umgekehrt eine offene Uberdeckung {Uα }α∈I von ¨ M gegeben und sind auf den Uberlappgebieten Uα ∩ Uβ , sofern sie nicht leer sind, GL(V )-wertige glatte Funktionen ϕαβ gegeben, welche (2.48) erf¨ ullen, so l¨ aßt sich aus diesen Daten ein Vektorb¨ undel mit typischer Faser V u ¨ ber ¨ M konstruieren, so daß die Ubergangsmatrizen gerade die ϕαβ sind, siehe beispielsweise [235, Sect. 6]. Ganz analog zur Definition von Vektorfeldern, die Werte in den Tangentialr¨ aumen annehmen, definiert man nun E-wertige Vektorfelder, welche in der Differentialgeometrie vorzugsweise Schnitte genannt werden: Definition 2.2.10 (Schnitte). Sei π : E −→ M ein Vektorb¨ undel. Eine glatte Abbildung
2.2 Vektorb¨ undel
s : M −→ E
mit
π ◦ s = idM
49
(2.49)
heißt Schnitt von E oder E-wertiges Vektorfeld. Die Menge der Schnitte von ∞ E wird mit Γ (E) bezeichnet. Analog definiert man die lokalen Schnitte ∞ ur eine offene Teilmenge U ⊆ M . Γ (E U ) f¨
F¨ ur das triviale Vektorb¨ undel E = M × V erh¨alt man gerade die V -wertigen Abbildungen auf M Γ∞ (M × V ) ∼ (2.50) = C ∞ (M, V ) und damit die urspr¨ ungliche Vorstellung von Vektorfeldern mit Werten in einem Vektorraum V . In Analogie zu Proposition 2.1.21 erh¨alt man allgemein, daß auch Γ∞ (E) ein C ∞ (M )-Modul ist: Proposition 2.2.11. Die Schnitte Γ∞ (E) eines Vektorb¨ undels π : E −→ M sind in nat¨ urlicher Weise ein C ∞ (M )-Modul. Bemerkung 2.2.12. Da wir im folgenden sowohl reellwertige als auch komplexwertige Funktionen betrachten, sollte man bei der Formulierung von Proposition 2.2.11 zumindest einmal etwas Vorsicht walten lassen: Die Schnitte Γ∞ (E) eines reellen Vektorb¨ undels sind ein C ∞ (M, )-Modul. F¨ ur ein komplexes Vektorb¨ undel π : E −→ M (mit offensichtlicher Definition) sind die Schnitte Γ∞ (E) sogar ein C ∞ (M, )-Modul. Im folgenden werden wir nur von Vektorb¨ undeln“ und Funktionen“ sprechen, sofern aus dem Zusam” ” menhang klar ist, ob man im reellen oder komplexen Kontext arbeitet. Wir werden in Abschnitt 3.2.3 nochmals auf diese Problematik zur¨ uckkommen.
Ein spezieller Schnitt in jedem Vektorb¨ undel ist der Nullschnitt , der jedem p ∈ M den Nullvektor 0p ∈ π −1 ({p}) = Ep zuordnet. Auf diese Weise erh¨alt man also eine injektive glatte Abbildung ιE : M ∋ p → 0p ∈ E.
(2.51)
Bemerkung 2.2.13. Ist (U, ϕ) eine B¨ undelkarte von π : E −→ M und w¨ahlt man in der typischen Faser V eine Basis e1 , . . . , eN , so liefert dies lokale Schnitte von E, definiert auf U , indem man f¨ ur p ∈ U eα (p) = ϕ−1 (p, eα ),
α = 1, . . . , N,
(2.52)
setzt. Diese sind an jedem Punkt linear unabh¨angig und spannen Ep auf. Ist daher s ∈ Γ∞ (E) ein anderer Schnitt, eventuell auch nur lokal auf U definiert, so gibt es eindeutig bestimmte lokale Funktionen sα ∈ C ∞ (U ) derart, daß s(p) = sα (p)eα (p)
(2.53)
f¨ ur p ∈ U . Dies entspricht den lokalen Ausdr¨ ucken eines Tangentialvektorfeldes im Beispiel 2.1.22. Umgekehrt liefern solche lokale Basisschnitte eine lokale Trivialisierung, indem man punktweise die Koeffizienten bez¨ uglich der Basisschnitte zusammen mit dem Fußpunkt als B¨ undelkarte verwendet.
50
2 Differentialgeometrische Grundlagen
Die folgende Definition verallgemeinert den Begriff einer linearen Abbildung zwischen Vektorr¨ aumen auf die Situation von Vektorb¨ undeln: Definition 2.2.14 (Vektorb¨ undelmorphismus). Seien πE : E −→ M und πF : F −→ N zwei Vektorb¨ undel. Eine glatte Abbildung Φ : E −→ F heißt Vektorb¨ undelmorphismus, falls Φ fasertreu, also Fasern auf Fasern abbildet, und faserweise linear ist. Proposition 2.2.15. Sei Φ : E −→ F ein Vektorb¨ undelmorphismus. Dann gibt es eine eindeutig bestimmte glatte Abbildung φ : M −→ N , so daß E
Φ
πE
M
F πF
φ
N
(2.54)
kommutiert. Ist insbesondere Φ ein Vektorb¨ undelisomorphismus, so ist φ ein Diffeomorphismus. Beweis. Sei p ∈ M . Dann wird Ep in irgendeine Faser Fp′ abgebildet, wobei p′ ∈ N . Dies definiert eine eindeutige Abbildung φ : p → p′ , so daß (2.54) kommutiert. Offenbar ist φ = πF ◦ Φ ◦ ιE , also ist φ glatt. ⊓ ⊔ Bemerkung 2.2.16. Zwei Vektorb¨ undel u ¨ber M heißen isomorph, wenn es einen Vektorb¨ undelisomorphismus Φ gibt, der zudem φ = idM erf¨ ullt. Dies ist eine etwas sch¨ arfere Version von Isomorphismus, als Definition 2.2.14 zun¨achst nahelegt. Ein Vektorb¨ undel heißt trivial (trivialisierbar), wenn es zum trivialen Vektorb¨ undel M × V isomorph ist. Ein solcher Isomorphismus heißt dann auch globale Trivialisierung. Zum Schluß erw¨ ahnen wir ohne Beweis noch folgenden Satz, welcher die Trivialit¨ at von Vektorb¨ undeln zumindest lokal immer garantiert: Satz 2.2.17. Sei E −→ M ein Vektorb¨ undel und U ⊆ M eine offene zusammenziehbare Teilmenge. Dann ist das auf U eingeschr¨ankte Vektorb¨ undel E U −→ U trivial.
2.2.2 Konstruktionen von Vektorb¨ undeln
In der linearen Algebra werden aus endlichdimensionalen Vektorr¨aumen neue konstruiert, indem man zu direkten Summen, Tensorprodukten, Dualr¨aumen, etc. u ¨ bergeht, siehe beispielsweise die Aufgaben 1.6, 1.7 und 2.1. Diese Konstruktionen lassen sich auf Vektorb¨ undel u ¨ bertragen, indem man sie zun¨achst faserweise f¨ ur die Fasern der B¨ undel durchf¨ uhrt und anschließend wieder richtig zusammenklebt“. ” undel u Im folgenden sind also πi : Ei −→ M , i = 1, 2, . . . Vektorb¨ ¨ ber M mit typischen Fasern Vi . Dann sind folgende kanonische Konstruktionen relevant:
2.2 Vektorb¨ undel
i.) Die direkte Summe (oder Whitney-Summe) E1 ⊕ E2 Als Menge definiert man den Totalraum als E1,p ⊕ E2,p , E1 ⊕ E2 =
51
(2.55)
p∈M
mit der offensichtlichen kanonischen Projektion πE1 ⊕E2 : E1 ⊕ E2 −→ M . undelkarten, so definiert man auf U1 ∩ U2 die Sind (U1 , ϕ1 ) und (U2 , ϕ2 ) B¨ B¨ undelkarte ϕ1 ⊕ ϕ2 durch
ϕ1 ⊕ ϕ2 : v1,p ⊕ v2,p → p, pr2 ◦ ϕ1 (v1,p ) ⊕ pr2 ◦ ϕ2 (v2,p ) , (2.56)
wobei pr2 : Ui × Vi −→ Vi die entsprechende Projektion auf den zweiten Faktor ist. Damit erh¨ alt man einen Vektorb¨ undelatlas f¨ ur E1 ⊕ E2 . Offenbar addieren sich die Faserdimensionen. Analog verf¨ahrt man f¨ ur mehrere Summanden und es gilt auf die u ¨ bliche kanonische Weise E1 ⊕ (E2 ⊕ E3 ) ∼ = (E1 ⊕ E2 ) ⊕ E3 = E1 ⊕ E2 ⊕ E3 ∼ und
E1 ⊕ E2 ∼ = E2 ⊕ E1 .
ii.) Das Tensorprodukt E1 ⊗ E2 Hier definiert man E1 ⊗ E2 = E1,p ⊗ E2,p
(2.57) (2.58)
(2.59)
p∈M
mit den Vektorb¨ undelkarten
ϕ1 ⊗ ϕ2 : v1,p ⊗ v2,p → p, pr2 ◦ ϕ1 (v1,p ) ⊗ pr2 ◦ ϕ2 (v2,p ) .
(2.60)
Wie beim Tensorprodukt von endlichdimensionalen Vektorr¨aumen multiplizieren sich auch hier die Faserdimensionen. Weiter gilt die Assoziati” vit¨ at“ und Bilinearit¨ at“ bez¨ uglich der direkten Summe bis auf kanonische ” Isomorphismen: E1 ⊗ (E2 ⊗ E3 ) ∼ = (E1 ⊗ E2 ) ⊗ E3 , = E1 ⊗ E2 ⊗ E3 ∼ ∼ E2 ⊗ E1 , E1 ⊗ E2 = E1 ⊗ (E2 ⊕ E3 ) ∼ = (E1 ⊗ E2 ) ⊕ (E1 ⊗ E3 ).
(2.61) (2.62) (2.63)
∗
iii.) Das duale Vektorb¨ undel E Hier ist Ep∗ E∗ =
(2.64)
p∈M
mit den B¨ undelkarten ϕ∗ : αp →
T −1 p, (pr2 ◦ ϕ) p (αp ) .
(2.65)
52
2 Differentialgeometrische Grundlagen
T Hier ist (pr2 ◦ϕ) p : V ∗ −→ Ep∗ die transponierte Abbildung zu (pr2 ◦ϕ) p : Ep −→ V . Von besonderer Bedeutung wird das Kotangentialb¨ undel oder auch Kotangentenb¨ undel T ∗ M von M sein, welches als das zu T M duale B¨ undel definiert ist. Die Vertr¨ aglichkeit mit direkter Summe und Tensorprodukten ist wie gewohnt (2.66) (E1 ⊕ E2 )∗ ∼ = E1∗ ⊕ E2∗ und
(E1 ⊗ E2 )∗ ∼ = E1∗ ⊗ E2∗ .
iv.) Das Homomorphismenb¨ undel Hom(E1 , E2 ) Der Totalraum ist Hom(E1,p , E2,p ), Hom(E1 , E2 ) =
(2.67)
(2.68)
p∈M
und die B¨ undelkarten sind −1 Hom(ϕ1 , ϕ2 ) : Ap → p, (pr2 ◦ ϕ2 ) p ◦ Ap ◦ (pr2 ◦ ϕ1 ) p .
(2.69)
Dann gelten die u aglichkeiten mit ⊕, ⊗ und ∗ . Insbesondere ¨blichen Vertr¨ gilt (2.70) Hom(E1 , E2 ) ∼ = E1∗ ⊗ E2 .
Von besonderer Bedeutung ist auch das Endomorphismenb¨ undel End(E) = Hom(E, E) ∼ = E∗ ⊗ E
(2.71)
eines Vektorb¨ undels. v.) Kern- und Bildb¨ undel ker Φ und im Φ Ist Φ : E −→ F ein Vektorb¨ undelmorphismus f¨ ur zwei Vektorb¨ undel E −→ M und F −→ N u ¨ber φ : M −→ N , so kann man punktweise den Kern und das Bild von Φ Ep mit p ∈ M betrachten. Ist der Rang der linearen Abbildung Φ : Ep −→ Fφ(p) konstant, also nicht von p Ep
abh¨ angig, so definiert
ker Φ =
p∈M
ker Φ Ep ⊆ E
(2.72)
ein Untervektorb¨ undel von E. Ist zudem φ ein Diffeomorphismus, so definiert auch das punktweise gebildete Bild im Φ = (2.73) im ΦEφ−1 (p) ⊆ F p∈N
ein Untervektorb¨ undel von F . F¨ ur den (nun eher offensichtlichen) Begriff eines Untervektorb¨ undels sowie die Konstruktion der entsprechenden B¨ undelkarten f¨ ur ker Φ und im Φ verweisen wir auf [54, Kap. 3].
2.2 Vektorb¨ undel
53
vi.) Das Quotientenb¨ undel E F Ist E −→ M ein Vektorb¨ undel mit einem Untervektorb¨ undel F −→ M , so ist auch das punktweise gebildete Quotientenb¨ undel
(2.74) Ep Fp E F = p∈M
ein Vektorb¨ undel u undelkarten sollte auch ¨ ber M . Die Konstruktion der B¨ in diesem Fall klar sein. Die punktweise definierte Projektion Ep −→ undelhomomorphismus u Ep Fp definiert dann einen Vektorb¨ ¨ ber der Identit¨ at idM . vii.) Das Annihilatorb¨ undel F ann Sei F ⊆ E ein Untervektorb¨ undel eines Vektorb¨ undels. Dann betrachtet man punktweise die Annihilatorr¨ aume Fpann ⊆ Ep∗ , welche durch Fpann = {αp ∈ Ep∗ | αp (vp ) = 0 f¨ ur alle vp ∈ Fp } definiert sind. Dann ist das Annihilatorb¨ undel F ann von F Fpann ⊆ E ∗ F ann =
(2.75)
(2.76)
p∈M
ein Untervektorb¨ undel von E ∗ . Durch Kombination der obigen Konstruktionen erh¨alt man weitere neue Vektorb¨ undel. Als wichtigste Beispiele seien folgende genannt: r s ∗ E⊗ E mit r, s ∈ 0 . Als Konventii.) Die Tensorpotenzen Tsr (E) = on setzt man hierbei T00 (E) = M × oder T00 (E) = M × , je nachdem, ob E komplex oder reell ist. ii.) Das Grassmann-Algebrab¨ undel
Λ• (E) =
∞
Λk (E),
(2.77)
k=0
k E bezeichnet und wobei Λk (E) die antisymmetrischen k-Tensoren in wie immer Λ0 (E) = M × bzw. Λ0 (E) = M × . Die direkte Summe ist in Wirklichkeit endlich, da Λk (E) = M × {0}, sobald k gr¨oßer als die Faserdimension N ist. iii.) Das symmetrische Algebrab¨ undel
S• (E) =
∞
Sk (E),
(2.78)
k=0
k wobei Sk (E) die symmetrischen k-Tensoren in E bezeichnet. Diese direkte Summe ist nicht endlich, S• (E) ist also ein Vektorb¨ undel mit unendlichdimensionaler Faser. Das f¨ allt streng genommen nicht unter unsere
54
2 Differentialgeometrische Grundlagen
Definition von Vektorb¨ undel, aber wir werden sehen, daß die Definition von glatten Schnitten aufgrund der direkten Summe kein Problem darstellt. F¨ ur jedes feste k hingegen ist Sk (E) −→ M ein Vektorb¨ undel mit endlicher Faserdimension. Bemerkung 2.2.18. Alle diese Konstruktionen lassen sich von einem funktoriellen Standpunkt aus einheitlich und etwas systematischer verstehen, siehe [235, Sect. 6] sowie [202, Sect. 6] Als letzte Konstruktion sei das Zur¨ uckziehen von Vektorb¨ undeln genannt. Hier betrachtet man ein Vektorb¨ undel πF : F −→ N und eine glatte Abbildung φ : M −→ N . Dann definiert man das mit φ zur¨ uckgezogene Vektorb¨ undel πφ# F : φ# F −→ M durch φ# F =
(φ# F )p
mit
(φ# F )p = Fφ(p)
(2.79)
p∈M
und verwendet folgende B¨ undelkarten: Zu einer B¨ undelkarte (V, ψ) f¨ ur F ist φ−1 (V ) = U offen in M und ϕ : πφ−1 p, (pr2 ◦ ψ) φ(p) (vp ) (2.80) # F (U ) ∋ vp →
liefert eine lokale Trivialisierung. Die Fasern von φ# F erh¨alt man also dadurch, daß man die Fasern vom Bildpunkt φ(p) bei p ”anheftet“. Offenbar gilt mit Φ (φ# F )p = id(φ# F ) = idFφ(p) , daß φ# F
Φ
π φ# F
M
F
πF
φ
N
(2.81)
ein kommutierendes Diagramm ist und daß Φ ein Vektorb¨ undelmorphismus ist. Vorsicht ist bei (2.81) jedoch geboten, denn Φ ist zwar faserweise ein Vektorraumisomorphismus, jedoch im allgemeinen keineswegs ein Vektorb¨ undelisomorphismus, da weder alle Fasern von F erreicht werden m¨ ussen (φ nicht surjektiv) oder bestimmte Fasern mehrfach erreicht werden (φ nicht injektiv). 2.2.3 Algebraische Strukturen f¨ ur Schnitte von Vektorb¨ undeln Wir wollen nun untersuchen, welche algebraischen Strukturen die Schnitte von Vektorb¨ undeln erben, wenn die obigen Konstruktionen durchgef¨ uhrt wurden. Die Beweise f¨ ur die folgenden Resultate bestehen in langweiligen und einfachen Rechnungen, was ohne große M¨ uhen geschieht.
2.2 Vektorb¨ undel
55
i.) Direkte Summe: F¨ ur si ∈ Γ∞ (Ei ), i = 1, 2, definiert man s1 ⊕ s2 ∈ ∞ Γ (E1 ⊕ E2 ) punktweise durch (s1 ⊕ s2 )(p) = s1 (p) ⊕ s2 (p).
(2.82)
Damit erh¨ alt man einen Isomorphismus Γ∞ (E1 ⊕ E2 ) ∼ = Γ∞ (E1 ) ⊕ Γ∞ (E2 ).
(2.83)
ii.) Tensorprodukt: F¨ ur si ∈ Γ∞ (Ei ), i = 1, 2, definiert man s1 ⊗ s2 ∈ ∞ Γ (E1 ⊗ E2 ) punktweise durch (s1 ⊗ s2 )(p) = s1 (p) ⊗ s2 (p).
(2.84)
Das Tensorprodukt ist damit offenbar assoziativ und bilinear. iii.) Nat¨ urliche Paarung: Sei s ∈ Γ∞ (E) und α ∈ Γ∞ (E ∗ ), dann definiert man die nat¨ urliche Paarung α, s = α(s) als C ∞ -Funktion auf M punktweise durch (α(s))(p) = α(p)(s(p)). (2.85) Offenbar gilt α(s) ∈ C ∞ (M ), und α(s) ist linear in α und in s. iv.) Anwenden von Homomorphismen: Sei s ∈ Γ∞ (E1 ) ein Schnitt und A ∈ Γ∞ (Hom(E1 , E2 )). Dann definiert man A(s) ∈ Γ∞ (E2 ) punktweise durch (A(s))(p) = A(p)(s(p)) (2.86) und erh¨ alt so eine lineare Abbildung A : Γ∞ (E1 ) −→ Γ∞ (E2 ).
(2.87)
Bemerkung 2.2.19. Alle diese Operationen sind sogar C ∞ (M )-linear bez¨ uglich der Modulstrukturen als C ∞ (M )-Moduln, es gilt also beispielsweise (f s1 ) ⊗ s2 = f (s1 ⊗ s2 ) = s1 ⊗ (f s2 ) f¨ ur f ∈ C ∞ (M ). Durch Kombination der faserweisen Operationen erh¨alt man insbesondere folgende algebraische Strukturen f¨ ur die Vektor- und Tensorfelder. F¨ ur die entsprechenden punktweisen Konstruktionen sei auf Aufgabe 2.1 verwiesen. i.) Die Tensoralgebra T • (E) =
∞
T k (E)
mit
T k (E) = Γ∞ (T k (E))
(2.88)
k=0
ist eine assoziative Algebra mit Einselement 1 ∈ T 0 (E) = C ∞ (M ) bez¨ uglich des punktweisen Tensorprodukts von Schnitten. ii.) Die Grassmann-Algebra Ω• (E ∗ ) =
∞ k=0
Ωk (E ∗ ) mit
Ωk (E ∗ ) = Γ∞ (Λk E ∗ )
(2.89)
56
2 Differentialgeometrische Grundlagen
ist eine assoziative, superkommutative Algebra mit Eins bez¨ uglich des punktweise erkl¨ arten ∧-Produkts von Schnitten. Explizit ist α ∧ β ∈ Γ∞ (Λk+ℓ E ∗ ) f¨ ur α ∈ Γ∞ (Λk E ∗ ) und β ∈ Γ∞ (Λℓ E ∗ ) durch (α ∧ β) p (s1 , . . . , sk+ℓ )
1 = (−1)σ α p sσ(1) , . . . , sσ(k) β p sσ(k+1) , . . . , sσ(k+ℓ) k!ℓ! σ∈Sk+ℓ
(2.90)
definiert, wobei si ∈ Ep , i = 1, . . . , k + ℓ. Die behaupteten Eigenschaften a) ∧ ist bilinear, b) ∧ ist assoziativ, also α ∧ (β ∧ γ) = (α ∧ β) ∧ γ, c) ∧ ist superkommutativ, also α ∧ β = (−1)kℓ β ∧ α, d) α ∧ 1 = α = 1 ∧ α, k¨ onnen punktweise u uft werden, siehe Aufgabe 2.1 sowie [145]. Da¨ berpr¨ mit k¨ onnen also die bekannten Eigenschaften des ∧-Produkts f¨ ur endlichdimensionale Vektorr¨ aume u ¨ bernommen werden. Es sei abermals betont, daß ∧ sogar C ∞ (M )-bilinear ist, es gilt also ∞
(f α) ∧ β = f (α ∧ β) = α ∧ (f β) 0
(2.91) ∗
∞
f¨ ur f ∈ C (M ), was auch aus (b) und (c) sowie Ω (E ) = C (M ) folgt. Ist nun s ∈ Γ∞ (E) ein Vektorfeld, dann kann man die Einsetzderivation i(s) punktweise erkl¨ aren, (i(s)α) p (s2 , . . . , sk ) = α p (s(p), s2 , . . . , sk ), s2 , . . . , sk ∈ Ep . (2.92) So erh¨ alt man eine (k − 1)-Form i(s)α ∈ Γ∞ (Λk−1 E ∗ ). Es gelten die u ¨ blichen Rechenregeln, wie man sie von der linearen Algebra kennt, siehe ebenfalls Aufgabe 2.1 und [145]: a) i(s) : Ω• (E ∗ ) −→ Ω•−1 (E ∗ ) ist C ∞ (M )-linear. b) i(s) ist eine Antiderivation i(s)(α ∧ β) = i(s)α ∧ β + (−1)k α ∧ i(s)β.
(2.93)
c) Einsetzderivationen antikommutieren i(s1 ) i(s2 ) + i(s2 ) i(s1 ) = 0,
(2.94)
insbesondere gilt i(s) i(s) = 0. iii.) Die symmetrische Algebra S• (E ∗ ) =
∞
Sk (E ∗ )
mit Sk (E ∗ ) = Γ∞ (Sk E ∗ )
(2.95)
k=0
ist eine assoziative, kommutative Algebra mit Eins bez¨ uglich des punktweise erkl¨ arten ∨-Produkts von Schnitten. Auch hier ist ∨ sogar C ∞ (M )bilinear und man hat Einsetzderivationen i(s) f¨ ur s ∈ Γ∞ (E), mit entsprechenden algebraischen Identit¨ aten analog zur Grassmann-Algebra, nur ohne Vorzeichen.
2.2 Vektorb¨ undel
57
Manchmal werden wir simultan Ω• (E ∗ ) und S• (E ∗ ) verwenden, dann bezeichnen wir die antisymmetrischen Einsetzderivationen“ mit ia (s) und die sym” ” metrischen“ mit is (s). • ∗ Die symmetrische Algebra S (E ) besitzt noch eine weitere Interpretation, welche wir nun diskutieren wollen. Wir beginnen mit folgender Definition, welche eine spezielle Funktionenklasse auf einem Vektorb¨ undel auszeichnet: Definition 2.2.20 (Polynomiale Funktionen). Sei π : E −→ M ein Vek∞ torb¨ undel. Dann heißt fk ∈ C (E) polynomial (in den Fasern) vom Grade ur alle p ∈ M . Die polynomialen Funktionen k ∈ 0 , falls f E ∈ Pol (Ep ) f¨
Æ
p
vom Grade k werden mit Polk (E) bezeichnet, und wir setzen •
Pol (E) =
∞ k=0
Polk (E) ⊆ C ∞ (E).
(2.96)
Da jede Faser Ep ein Vektorraum ist, ist es offenbar wohl-definiert, von Polynomen auf Ep bez¨ uglich dieser Vektorraumstruktur zu sprechen. Lemma 2.2.21. Die polynomialen Funktionen Pol• (E) auf E bilden eine gradierte Unteralgebra von C ∞ (E) und es gilt Pol0 (E) = π ∗ C ∞ (M ). Beweis. Der Beweis ist unmittelbar klar.
(2.97) ⊓ ⊔
Um die polynomialen Funktionen Pol• (E) auf E besser charakterisieren zu k¨ onnen, ben¨ otigen wir das Euler-Vektorfeld von E. Wir betrachten folgende Abbildung (2.98) Φ : × E ∋ (t, vp ) → Φt (vp ) = et vp ∈ E.
Ê
Offenbar definiert Φt eine glatte Einparametergruppe von Diffeomorphismen von E, ja sogar von Vektorb¨ undelautomorphismen u ¨ ber der Identit¨at, da π ◦ Φt = π und Φt sicherlich faserweise linear ist. Daher ist Φt der Fluß eines Vektorfelds: Definition 2.2.22 (Euler-Vektorfeld). Sei π : E −→ M ein Vektorb¨ undel. Dann heißt das durch d (2.99) ξ(vp ) = Φt (vp ) dt t=0 definierte Vektorfeld ξ ∈ Γ∞ (T E) das Euler-Vektorfeld von E. Da Φt nach Konstruktion der Fluß von ξ ist, besitzt das Euler-Vektorfeld einen vollst¨ andigen Fluß. Wir wollen nun einige lokale Ausdr¨ ucke f¨ ur ξ und auch f ∈ Pol• (E) gewinnen. Dazu w¨ahlen wir eine geeignete offene Teilmenge U ⊆ M mit lokal auf U definierten Basisschnitten e1 , . . . , eN von E wie in Bemerkung 2.2.13.
58
2 Differentialgeometrische Grundlagen
Dann bezeichnen wir mit e1 , . . . , eN die entsprechenden lokalen dualen Basisschnitte von E ∗ . Diese definieren lineare Koordinatenfunktionen auf E durch die nat¨ urliche Paarung (2.100) sα (vp ) = eα (p), vp , welche wir ebenfalls in Bemerkung 2.2.13 bereits verwendet haben. Es handelt sich bei s1 Ep , . . . , sN Ep gerade um die linearen Koordinaten auf der Faser Ep bez¨ uglich der Vektorraumbasis e1 (p), . . . , eN (p). Weiter verwenden wir die durch ∂ d (v + te (p)) = (2.101) p α ∂sα vp dt t=0 definierten lokalen Vektorfelder. Diese sind tangential an die Fasern und entsprechend den Koordinatenvektorfeldern zu den linearen Koordinaten, wenn wir sie auf eine Faser einschr¨ anken. Dies rechtfertigt die Bezeichnung (2.101). Satz 2.2.23. Sei π : E −→ M ein Vektorb¨ undel und e1 , . . . , eN ∈ Γ∞ (E U ) lokal auf einer offenen Teilmenge U ⊆ M definierte Basisschnitte mit indu zierten linearen Koordinatenfunktionen s1 , . . . , sN ∈ C ∞ (E U ). Dann gilt: i.) Lokal gilt f¨ ur das Euler-Vektorfeld ξ
E|U
= sα
∂ . ∂sα
(2.102)
ii.) F¨ ur f ∈ C ∞ (E) gilt genau dann f ∈ Polk (E), falls Lξ f = kf.
iii.) F¨ ur f ∈ C ∞ (E) gilt genau dann f ∈ Polk E U , falls lokal 1 f E|U = π ∗ fα1 ···αk sα1 · · · sαN k!
(2.103)
(2.104)
mit gewissen, in den Indizes α1 , . . . , αk total symmetrischen Funktionen fα1 ···αk ∈ C ∞ (U ). iv.) Die Abbildung J : S• (E ∗ ) −→ Pol• (E) (2.105) mit J(F )(vp ) =
1 Fp (vp , . . . , vp ) k!
(2.106)
f¨ ur F ∈ Sk (E ∗ ) ist ein Isomorphismus von gradierten Algebren. Beweis. Der erste Teil ist eine einfache Auswertung der Definition (2.99) in den lokalen Koordinaten, womit sich auch die Bezeichnung Euler-Vektorfeld“ ” erkl¨ art. Der zweite Teil kann faserweise u uft werden, da ξ offenbar tan¨ berpr¨ gential an die Faser ist. Auf Ep f¨ ur p ∈ M ist (2.103) Dank (2.102) aber eine bekannte Charakterisierung von homogenen Polynomen vom Grad k auf dem
2.2 Vektorb¨ undel
59
Vektorraum Ep . Der dritte Teil ist ebenfalls klar, da die sα gerade die linearen Koordinaten auf Ep bez¨ uglich der Basis e1 (p), . . . , eN (p) sind. Der vierte Teil l¨ aßt sich ebenfalls faserweise beziehungsweise punktweise in M u ufen, so ¨ berpr¨ daß Aufgabe 2.1 zur Anwendung kommt. ⊓ ⊔ Auf diese Weise erhalten wir nun die bereits angek¨ undigte Interpretation der symmetrischen Algebra S• (E ∗ ) als die polynomialen Funktionen Pol• (E). Man beachte, daß in der lokalen Formel (2.104) die lokalen Koeffizientenfunktionen fα1 ···αk von f ∈ Polk (E) gerade den Koeffizienten des Tensorfeldes F ∈ Sk (E ∗ ) bez¨ uglich der dualen Basisschnitte e1 , . . . , eN entsprechen, wobei J(F ) = f . Nach Bemerkung 2.2.19 sind alle oben genannten algebraischen Strukturen beziehungsweise u auf den Schnitten nicht nur (multi-) linear u ¨ ber ¨ ber sondern sogar u ¨ ber C ∞ (M ). Ist umgekehrt eine C ∞ (M )-(multi-) lineare Verkn¨ upfung auf Schnitten gegeben, so handelt es sich dabei um ein Tensorfeld in folgendem Sinne:
Satz 2.2.24. Seien πi : Ei −→ M , i = 1, . . . , k und π : F −→ M Vektorb¨ undel ¨ uber M und sei A : Γ∞ (E1 ) × · · · × Γ∞ (Ek ) −→ Γ∞ (F )
(2.107)
eine C ∞ (M )-multilineare Abbildung, also A(s1 , . . . , f si , . . . , sk ) = f A(s1 , . . . , sk )
(2.108)
f¨ ur f ∈ C ∞ (M ) und si ∈ Γ∞ (Ei ), i = 1, . . . , k. Dann gibt es ein eindeutig ∈ Γ∞ (E ∗ ⊗ · · · ⊗ E ∗ ⊗ F ), so daß im Sinne der bestimmtes Tensorfeld A 1 k punktweisen nat¨ urlichen Paarung 1 , . . . , sk ). A(s1 , . . . , sk ) = A(s
Beweis. Den Beweis erbringen wir in Anhang A.5, Satz A.5.1.
(2.109) ⊓ ⊔
Die letzte Bemerkung bezieht sich auf die Schnitte eines zur¨ uckgezogenen B¨ undels. Sei also π : F −→ N ein Vektorb¨ undel und φ : M −→ N eine uckgezogenen Schnitt glatte Abbildung. F¨ ur s ∈ Γ∞ (F ) definiert man den zur¨ # ∞ # φ s ∈ Γ (φ F ) durch (φ# s)(p) = s(φ(p)) ∈ Fφ(p) = (φ# F )p .
(2.110)
Dadurch erh¨ alt man eine lineare Abbildung φ# : Γ∞ (F ) −→ Γ∞ (φ# F ),
(2.111)
φ# (f s) = (φ∗ f )(φ# s)
(2.112)
welche erf¨ ullt. Im allgemeinen ist φ weder surjektiv noch injektiv. #
60
2 Differentialgeometrische Grundlagen
2.2.4 Kovariante Ableitungen und Kr¨ ummung Nachdem mit Satz 2.2.24 jede C ∞ (M )-lineare Operation auf Schnitten durch ein geeignetes Tensorfeld beschrieben werden kann, wollen wir nun Schnitte auch ableiten“ k¨ onnen. Intrinsisch geht das im allgemeinen nicht, man ” ben¨ otigt vielmehr eine zus¨atzliche Struktur: Definition 2.2.25 (Kovariante Ableitung). Sei π : E −→ M ein Vektorb¨ undel. Eine kovariante Ableitung (auch: Zusammenhang) ∇ f¨ ur E ist eine bilineare Abbildung ∇ : Γ∞ (T M ) × Γ∞ (E) −→ Γ∞ (E)
(2.113)
mit den Eigenschaften i.) ∇f X s = f ∇X s ii.) ∇X (f s) = X(f )s + f ∇X s
f¨ ur f ∈ C ∞ (M ), X ∈ Γ∞ (T M ) und s ∈ Γ∞ (E). Wegen ii.) ist ∇ kein Tensorfeld mehr, der Schnitt s wird nun wirklich“ ” in Mannigfaltigkeitsrichtung abgeleitet. Trotzdem ist ∇ noch eine lokale Operation (2.114) supp(∇X s) ⊆ supp X ∩ supp s, wobei der Tr¨ager von Vektorfeldern im offensichtlichen Sinne definiert ist. Der Beweis folgt direkt aus der Funktionenlinearit¨at in X und der Leibniz-Regel in s, siehe Anhang A.5, Beispiel A.5.6. Diese Lokalit¨at erlaubt es nun, ∇ auch auf lokalen Schnitten auszuwerten. Sei also e1 , . . . , eN eine lokale Basis von Schnitten von E, definiert auf einer geeigneten offenen Umgebung U ⊆ M . Dann gilt (2.115) ∇X eα = Aβα (X)eβ ,
mit gewissen lokalen Funktionen Aβα (X) ∈ C ∞ (U ). Da ∇ im Γ∞ (T M )Argument sogar C ∞ (M )-linear ist, muß nach Satz 2.2.24 die Matrix A = (Aβα ) auch C ∞ (M )-linear in X sein. Also sind die Aβα lokale Einsformen Aβα ∈ Γ∞ (T ∗ U ).
(2.116)
Diese Einsformen heißen auch Zusammenhangseinsformen. Offenbar charak terisieren sie ∇ lokal. F¨ ur einen beliebigen (lokalen) Schnitt s ∈ Γ∞ (E U ) gilt mit s = sα eα dann ∇X s = X(sα )eα + sα Aβα (X)eβ .
(2.117)
Umgekehrt liefert die Angabe von N 2 lokalen Einsformen Aβα offenbar einen zumindest lokal definierten Zusammenhang, indem man (2.117) zur Definition erhebt. Daß es auch global, also nicht nur auf einer kleinen Umgebung U ⊆ M , einen Zusammenhang gibt, zeigt folgender Satz:
2.2 Vektorb¨ undel
61
Satz 2.2.26. F¨ ur jedes Vektorb¨ undel π : E −→ M existieren kovariante Ableitungen. F¨ ur je zwei kovariante Ableitungen ∇ und ∇′ ist die Differenz ′
S ∇−∇ (X)s = ∇X s − ∇′X s
(2.118)
′
ein Tensorfeld S ∇−∇ ∈ Γ∞ (T ∗ M ⊗ End(E)). Umgekehrt liefert zu jedem Tensorfeld S ∈ Γ∞ (T ∗ M ⊗ End(E)) und zu einer fest gew¨ahlten kovarianten Ableitung ∇ die Formel ∇′X s = ∇X s − S(X)s
(2.119)
eine neue kovariante Ableitung. Beweis. Der Existenzbeweis verwendet eine Zerlegung der Eins und die lokale Existenz, indem man die lokalen Zusammenhangseinformen einfach mit Hilfe der Zerlegung der Eins zusammenklebt, siehe auch Satz A.1.7. Der Rest ist eine einfache Rechnung, siehe Aufgabe 2.13. ⊓ ⊔ Bemerkung 2.2.27. Die Zusammenh¨ ange bilden also einen affinen Raum u ¨ ber dem unendlichdimensionalen Vektorraum Γ∞ (T ∗ M ⊗ End(E)). Anders als partielle Ableitungen brauchen kovariante Ableitungen in verschiedene Richtungen“ X, Y ∈ Γ∞ (T M ) nicht zu vertauschen, selbst dann ” nicht, wenn [X, Y ] = 0. Dieses Ph¨ anomen wird durch folgende Definition erfaßt: Definition 2.2.28 (Kr¨ ummung). Sei ∇ eine kovariante Ableitung f¨ ur π : E −→ M . Dann ist der Kr¨ ummungstensor R ∈ Γ∞ (Λ2 T ∗ M ⊗ End(E)) von ∇ durch R(X, Y )s = ∇X ∇Y s − ∇Y ∇X s − ∇[X,Y ] s (2.120) definiert. Nach Satz 2.2.24 ist R tats¨ achlich ein Tensor vom angegebenen Typ, da (2.120) in jedem Argument C ∞ (M )-linear ist, was eine leichte Rechnung zeigt. Lokal l¨ aßt sich R aus den Zusammenhangseinsformen berechnen, es gilt
R(X, Y )eα = X(Aβα (Y )) − Y (Aβα (X)) − Aβα ([X, Y ]) + [A(X), A(Y )]βα eβ . (2.121) Die lokalen Zweiformen Rβα (X, Y ) = X(Aβα (Y )) − Y (Aβα (X)) − Aβα ([X, Y ]) + [A(X), A(Y )]βα (2.122) heißen lokale Kr¨ ummungszweiformen. Bemerkung 2.2.29 (Kovariante Ableitungen in der Feldtheorie). Die lokalen Formeln f¨ ur die kovariante Ableitung (2.117) sowie f¨ ur die Kr¨ ummungszweiform (2.121) legen nahe, die lokalen Zusammenhangseinsformen als Eichpotentiale einer Eichfeldtheorie zu deuten, wobei die Materiefelder die Schnitte
62
2 Differentialgeometrische Grundlagen
von E sind. Dann sind die Kr¨ ummungszweiformen gerade die Feldst¨arken der Eichpotentiale. In der Tat lassen sich die u ¨ blichen Modelle der Teilchenphysik auf diese Weise geometrisch deuten, was wir hier jedoch nicht weiter vertiefen wollen, siehe aber etwa [82, 83, 248, 302]. Des weiteren ist die Kr¨ ummung auch die zentrale Gr¨ oße in der Allgemeinen Relativit¨atstheorie, siehe auch Bemerkung 3.2.23. Als n¨ achstes zeigen wir, wie kovariante Ableitungen und die kanonischen Konstruktionen von Vektorb¨ undeln zusammenpassen. Im folgenden seien also E −→ M und F −→ M Vektorb¨ undel mit Zusammenh¨angen ∇E und ∇F . i.) Die direkte Summe ∇E⊕F f¨ ur E ⊕ F erkl¨art man durch E⊕F F ∇X (s ⊕ t) = ∇E X s ⊕ ∇X t.
(2.123)
E⊗F F (s ⊗ t) = ∇E ∇X X s ⊗ t + s ⊗ ∇X t.
(2.124)
ii.) Das Tensorprodukt ∇E⊗F f¨ ur E ⊗ F erkl¨art man durch ∗
iii.) Den dualen Zusammenhang ∇E f¨ ur E ∗ erkl¨art man durch ∗
E ∇E X α (s) = X(α(s)) − α ∇X s .
(2.125)
iv.) Schließlich erkl¨ art man den Zusammenhang ∇Hom(E,F ) f¨ ur Hom(E, F ) durch
E Hom(E,F ) ∇X A (s) = ∇F (2.126) X (A(s)) − A ∇X s . Eine einfache Rechnung zeigt, daß dies tats¨ achlich kovariante Ableitungen f¨ ur die angegebenen Vektorb¨ undel definiert, siehe auch Aufgabe 2.13 f¨ ur weitere Konstruktionen mit Zusammenh¨ angen. Zum Abschluß betrachten wir den wichtigen Spezialfall des Tangentenb¨ undels. Ist ∇ eine kovariante Ableitung f¨ ur T M , so k¨onnen wir f¨ ur zwei Vektorfelder X, Y ∈ Γ∞ (T M ) sowohl ∇X Y als auch ∇Y X berechnen. Man beachte, daß dies tats¨ achlich nur f¨ ur das Tangentenb¨ undel m¨oglich ist. Da ∇X Y in Y eine Leibniz-Regel erf¨ ullt, in X dagegen nicht, betrachtet man die antisymmetrische Version ∇X Y − ∇Y X, welche nun in beiden Argumenten eine Leibniz-Regel analog zur Lie-Klammer erf¨ ullt. Dies motiviert folgende Definition: Definition 2.2.30 (Torsionstensor). Sei ∇ eine kovariante Ableitung f¨ ur T M . Dann heißt Tor(X, Y ) = ∇X Y − ∇Y X − [X, Y ]
(2.127)
der Torsionstensor der kovarianten Ableitung ∇. Gilt Tor = 0, so heißt ∇ torsionsfrei. In der Tat rechnet man leicht nach, daß Tor funktionenlinear in beiden Argumenten ist, womit erneut Satz 2.2.24 zur Anwendung kommt und die Torsion ein Tensor (2.128) Tor ∈ Γ∞ (Λ2 T ∗ M ⊗ T M ) ist, siehe auch Aufgabe 2.14.
2.2 Vektorb¨ undel
63
2.2.5 Orientierung und α-Dichtenb¨ undel Wir erinnern zun¨ achst an den Begriff der α-Dichte auf einem reellen Vektorraum, bevor wir dies auf Vektorb¨ undel verallgemeinern, siehe auch [16, App. A] oder [235, Sect. VI.8]. Definition 2.2.31 (α-Dichten). Sei V ein n-dimensionaler reeller Vektorraum und α ∈ . Eine Abbildung
μ : V × · · · × V −→
(2.129)
n-mal
heißt α-Dichte, falls f¨ ur alle v1 , . . . , vn ∈ V und A ∈ End(V ) μ(Av1 , . . . , Avn ) = |det(A)|α μ(v1 , . . . , vn )
(2.130)
gilt, wobei konventionsgem¨aß 0α = 0 gesetzt wird. Die Menge aller α-Dichten auf V wird mit |Λn |α V ∗ bezeichnet. F¨ ur α = 1 schreiben wir auch kurz |Λn |1 V ∗ = |Λn |V ∗ . Analog definiert man f¨ ur reelles α auch reellwertige α-Dichten, womit unsere Notation nicht ganz konsequent ist. Da wir aber haupts¨achlich den komplexen Fall betrachten, ignorieren wir diese marginalen Schwierigkeiten in unserer Notation. Lemma 2.2.32. Sei V ein n-dimensionaler reeller Vektorraum. i.) Ist μ ∈ |Λn |α V ∗ , und sind v1 , . . . , vn ∈ V linear abh¨angig, so gilt μ(v1 , . . . , vn ) = 0. ii.) |Λn |α V ∗ ist ein eindimensionaler komplexer Vektorraum. iii.) Ist μ ∈ |Λn |α V ∗ und ν ∈ |Λn |β V ∗ , so ist das punktweise Produkt μν eine (α + β)-Dichte μν ∈ |Λn |α+β V ∗ . Dies induziert einen kanonischen Isomorphismus |Λn |α V ∗ ⊗ |Λn |β V ∗ ∋ μ ⊗ ν → μν ∈ |Λn |α+β V ∗ .
(2.131)
iv.) Ist μ ∈ |Λn |α V ∗ , so definiert μ(v1 , . . . , vn ) = μ(v1 , . . . , vn ) eine α-Dichte μ ∈ |Λn |α V ∗ und μ → μ ist ein antilinearer Isomorphismus ∼ =
|Λn |α V ∗ −→ |Λn |α V ∗ .
(2.132)
v.) Ist μ ∈ |Λn |α V ∗ , so definiert μ∗ ∈ |Λn |−α V mit μ∗ (e1 , . . . , en ) = μ(e1 , . . . , en )
(2.133)
einen kanonischen Isomorphismus |Λn |α V ∗ ∼ = |Λn |−α V,
(2.134)
wobei e1 , . . . , en eine Basis von V und e1 , . . . , en die zugeh¨orige duale Basis von V ∗ ist.
64
2 Differentialgeometrische Grundlagen
Beweis. Der erste Teil ist klar, da 0α = 0 und vi = Aei mit einer Basis e1 , . . . , en von V und einer linearen Abbildung A ∈ End(V ) mit det(A) = 0. F¨ ur den zweiten Teil seien μ, ν ∈ |Λn |α V ∗ und z, w ∈ gegeben. Dann gilt f¨ ur v1 , . . . , vn ∈ V und A ∈ End(V )
(zμ + wν)(Av1 , . . . , Avn ) = z|det(A)|α μ(v1 , . . . , vn )+w|det(A)|α ν(v1 , . . . , vn ) = |det(A)|α (zμ + wν)(v1 , . . . , vn ),
womit zμ + wν wieder eine α-Dichte ist und daher |Λn |α V ∗ ein komplexer Vektorraum wird. Weiter ist μ durch den Wert auf einer Basis e1 , . . . , en bereits eindeutig bestimmt, da μ auf linear abh¨ angigen Vektoren 0 ist und f¨ ur eine andere Basis f1 , . . . , fn gilt μ(f1 , . . . , fn ) = μ(Ae1 , . . . , Aen ) = |det(A)|n μ(e1 , . . . , en ), mit dem durch fi = Aei eindeutig bestimmten Basiswechsel A ∈ Gl(V ). Dies zeigt, daß |Λn |α V ∗ eindimensional ist. F¨ ur den dritten Teil gilt (μν)(Av1 , . . . , Avn ) = μ(Av1 , . . . , Avn )ν(Av1 , . . . , Avn ) = |det(A)|α |det(A)|β μ(v1 , . . . , vn )ν(v1 , . . . , vn )
= |det(A)|α+β (μν)(v1 , . . . , vn ),
womit μν ∈ |Λn |α+β V ∗ . Da offenbar μν = 0 f¨ ur μ = 0 = ν, folgt die Surjektivit¨ at von (2.131). Die Injektivit¨ at folgt aus Dimensionsgr¨ unden, was den dritten Teil zeigt. Der vierte Teil ist klar, da |det(A)|α = |det(A)|α , weil |det(A)| ∈ reell ist. Die Isomorphie (2.132) ist ebenfalls klar. F¨ ur den f¨ unften Teil verwendet man zun¨ achst, daß durch die Festlegung der f¨ ur eine Basis e1 , . . . , en tats¨achlich eine α-Dichte Zahl μ(e1 , . . . , en ) ∈ μ ∈ |Λn |α V ∗ eindeutig festgelegt wird, da f¨ ur jede andere Basis genau eine invertierbare Abbildung A mit fi = Aei existiert. Damit ist μ∗ als (−α)Dichte wohl-definiert. Es bleibt zu zeigen, daß μ∗ nicht von der Wahl der Basis e1 , . . . , en abh¨ angt. Ist daher fi = Aei , so gilt f¨ ur die dualen Basen f i = (AT )−1 ei , womit folgt, daß
μ∗ (f 1 , . . . , f n ) = |det((AT )−1 )|−α μ(e1 , . . . , en )
= |det(A)|α μ(e1 , . . . , en ) = μ(f1 , . . . , fn ),
womit die Definition von μ∗ nicht von der gew¨ahlten Basis abh¨angt. Die Isomorphie (2.134) ist klar. ⊓ ⊔ Bemerkung 2.2.33 (α-Dichten).
reell, so liefert μ → μ einen antilinearen involutiven Automori.) Ist α ∈ phismus |Λn |α V ∗ −→ |Λn |α V ∗ und man kann von einer reellen α-Dichte μ = μ sprechen. Dar¨ uberhinaus folgt f¨ ur μ = μ = 0, daß μ(e1 , . . . , en ) f¨ ur eine und damit f¨ ur alle Basen e1 , . . . , en entweder positiv oder negativ ur reelles α immer ist. Dies ist nach Definition (2.130) klar, da |det(A)|α f¨ ≥ 0 ist. Daher kann man f¨ ur alle reellen α von einer positiven α-Dichte sprechen. Die 1-Dichten bezeichnen wir einfach als Dichten.
2.2 Vektorb¨ undel
65
ii.) Ist α, β reell, so ist das Produkt von reellen α- und β-Dichten eine reelle (α + β)-Dichte, ebenso f¨ ur positive Dichten. iii.) Eine 0-Dichte ist eine konstante Funktion auf der Menge der Basen. Der Zusammenhang von n-Formen und Dichten l¨aßt sich folgendermaßen formulieren. Hierzu ist zun¨ achst die Wahl einer Orientierung von V notwendig: Wir erinnern daran, daß zwei Basen e1 , . . . , en und f1 , . . . , fn von V gleich orientiert heißen, falls det(A) > 0 f¨ ur den Basiswechsel fi = Aei gilt. Dies ¨ definiert eine Aquivalenzrelation auf der Menge der Basen von V mit genau ¨ ¨ zwei Aquivalenzklassen. Die Wahl einer dieser Aquivalenzklassen entspricht ¨ dann der Wahl einer Orientierung. Die Basen dieser Aquivalenzklasse heißen dann positiv orientiert, die der anderen entsprechend negativ orientiert. Eine ur eine n-Form ω ∈ Λn V ∗ heißt positiv orientiert, falls ω(e1 , . . . , en ) > 0 f¨ und damit alle positiv orientierten Basen e1 , . . . , en von V . Eine n-Form ω ist demnach entweder gleich 0, positiv oder negativ orientiert. Daher erh¨alt man eine alternative und a ¨quivalente Beschreibung der Orientierung von V durch die Angabe einer von Null verschiedenen n-Form ω ∈ Λn V ∗ . Lemma 2.2.34 (α-Dichten und n-Formen). Sei V ein n-dimensionaler reeller Vektorraum. i.) Sei ω ∈ Λn V ∗ (oder in Λn V ∗ = Λn V ∗ ⊗
), dann definiert
|ω|α (v1 , . . . , vn ) = |ω(v1 , . . . , vn )|α eine α-Dichte |ω|α ∈ |Λn |α V ∗ und es gilt |zω|α = |z|α |ω|α f¨ ur z ∈ ii.) Sei V orientiert und μ ∈ |Λn |V ∗ eine Dichte. Dann definiert ωμ (v1 , . . . , vn ) = det(A)μ(e1 , . . . , en )
(2.135)
. (2.136)
eine (komplexe) n-Form ωμ ∈ Λn V ∗ , wobei e1 , . . . , en eine positiv orientierte Basis ist und A ∈ End(V ) durch vi = Aei festgelegt ist. Die Zuordnung n ∗ V (2.137) |Λn |V ∗ ∋ μ → ωμ ∈ Λ ist ein linearer Isomorphismus, der nur von der Orientierung aber nicht von der Wahl der positiv orientierten Basis abh¨angt. Positive Dichten werden auf positiv orientierte n-Formen abgebildet, und f¨ ur positive Dichten gilt |ωμ | = μ. Beweis. Der erste Teil ist eine einfache Verifikation. F¨ ur den zweiten Teil m¨ ussen wir zun¨ achst zeigen, daß ωμ multilinear und antisymmetrisch ist. Dies ist aber klar, da die Determinante det(·) bez¨ uglich der Spalten und Zeilen diese Eigenschaft besitzt. Damit ist ωμ ∈ Λn V ∗ . Offenbar ist (2.136) linear und injektiv, also aus Dimensionsgr¨ unden auch bijektiv. Sei nun eine andere positiv orientierte Basis f1 , . . . , fn gegeben mit Bei = fi . Dann gilt det(B) > 0 und deshalb
66
2 Differentialgeometrische Grundlagen
μ(f1 , . . . , fn ) = |det(B)|μ(e1 , . . . , en ) = det(B)μ(e1 , . . . , en ). W¨ ahlen wir nun die f1 , . . . , fn f¨ ur die Definition von ωμ , so gilt f¨ ur vi = Afi ωμ (v1 , . . . , vn ) = det(A)μ(f1 , . . . , fn ) = det(A) det(B)μ(e1 , . . . , en ) = det(AB)μ(e1 , . . . , en ), womit gezeigt ist, daß die Definition (2.136) nicht von der Wahl der positiv orientierten Basis abh¨ angt, da ja vi = ABei . Ist weiter μ > 0 eine positive Dichte, so gilt ωμ (e1 , . . . , en ) = μ(e1 , . . . , en ) > 0 f¨ ur jede positiv orientierte Basis e1 , . . . , en . Also ist ωμ positiv orientiert. Schließlich gilt |ωμ |(v1 , . . . , vn ) = |det(A)μ(e1 , . . . , en )|
= |det(A)|μ(e1 , . . . , en ) = μ(v1 , . . . , vn ), ⊓ ⊔
da μ > 0. Damit ist das Lemma gezeigt.
Dieses Lemma rechtfertigt unsere Bezeichnungen f¨ ur α-Dichten, wobei wir einen gewissen Notationsmißbrauch bei der Unterscheidung von komplexwertigen und reellen α-Dichten im Falle reeller α in Kauf nehmen. Wir kommen nun zu den geometrischen Verallgemeinerungen. Sei dazu ein reelles Vektorb¨ undel π : E −→ M der reellen Faserdimension k vorgegeben. ur p ∈ M den Raum der α-Dichten |Λk |α Ep∗ . Dann definiert jede Faser Ep f¨ Deren Vereinigung ist dann das B¨ undel der α-Dichten |Λk |α Ep∗ , (2.138) |Λk |α E ∗ = p∈M
wobei wir lokale Trivialisierungen auf folgende Weise erhalten: Sei (U, ϕ) eine Vektorb¨ undelkarte von E im Sinne von Definition 2.2.1. Seien weiter e1 , . . . , ek ∈ Γ∞ (E U ) die entsprechenden lokalen Basisschnitte ei (p) = ur ϕ−1 (p, ei ), wobei ei ∈ k die kanonische Basis ist. Dann definiert man f¨ k α k ∗ μp ∈ |Λk |α Ep∗ die α-Dichte μϕ ∈ |Λ | ( ) p
Ê
Ê
μϕ v1 , . . . , vk ) = |det(A)|α μp (e1 (p), . . . , ek (p)) = μp (v1 , . . . , vk ), p ( wobei v1 , . . . , vk ∈ Somit wird
(2.139)
Êk und A = (v1 , . . . , vk ) sowie vi = Aei(p) = ϕ−1(p, vi ). Êk )∗
−1 ϕ k α |ϕ|α : π|Λ k |α E ∗ (U ) ∋ μp → (p, μp ) ∈ U × |Λ | (
(2.140)
eine Vektorb¨ undelkarte, und glatte Kartenwechsel von E induzieren glatte Kartenwechsel des α-Dichtenb¨ undels |Λk |α E ∗ . Proposition 2.2.35. Sei π : E −→ M ein reelles Vektorb¨ undel der Faserdimension k. Dann ist |Λk |α E ∗ −→ M ein komplexes Vektorb¨ undel mit eindiundel und jede positive mensionaler Faser. Zudem ist |Λk |α E ∗ ein triviales B¨
2.2 Vektorb¨ undel
67
Dichte μ ∈ Γ∞ (|Λk |E ∗ ) (also μp > 0 f¨ ur alle p ∈ M ) liefert eine Trivialisierung, da durch α μα p (v1 , . . . , vk ) = |μp (v1 , . . . , vk )|
f¨ ur
v1 , . . . , vk ∈ Ep
(2.141)
ein nirgends verschwindender Schnitt μα ∈ Γ∞ (|Λk |α E ∗ ) definiert ist. undel ist, wird durch die Beweis. Daß |Λk |α E ∗ −→ M ein komplexes Vektorb¨ lokalen Trivialisierungen (2.140) erreicht. Eine leichte Rechnung zeigt, daß die Kartenwechsel glatt sind. Wir zeigen nun zun¨ achst, daß es immer eine positive undelatlas Dichte μ ∈ Γ∞ (|Λk |E ∗ ) gibt. Sei dazu ein lokal endlicher Vektorb¨ {(Ui , ϕi )}i∈I von E gegeben und sei {χi }i∈I eine dazu untergeordnete, lokal endliche Zerlegung derEins, siehe Anhang A.1. Es gilt also χi ∈ C ∞ (M ) mit supp χi ⊆ Ui und i χi = 1, wobei die Summe lokal endlich ist. Weiter k¨ onnen wir 0 ≤ χi ≤ 1 annehmen. Sei nun μi auf Ui durch (i)
(i)
μi (v1 , . . . , vk ) = |det(v1 , . . . , vk )| (i)
definiert, wobei vℓ = ϕi (vℓ ) ∈ k und ℓ = 1, . . . , k. Dies ist die eindeutig bestimmte, auf Ui glatte Dichte mit μi (e1 , . . . , ek ) p = 1
f¨ ur p ∈ Ui und die lokalen Basisschnitte e1 , . . . , ek , welche durch die Vek torb¨ undelkarte (Ui , ϕi ) festgelegt sind. Es ist also μi ∈ Γ∞ |Λk |E ∗ Ui und
daher ist χi μi ∈ Γ∞ (|Λk |E ∗ ) eine global definierte glatte Dichte mit supp(χi μi ) ⊆ Ui
und
χi μi ≥ 0.
Da die χi lokal endlich sind, ist χi μi ∈ Γ∞ (|Λk |E ∗ ) μ= i
eine wohl-definierte glatte Dichte. Nun gilt f¨ ur linear unabh¨angige v1 , . . . , vk ∈ Ep ′ (i) (i) χi (p) det(v1 , . . . , vk ) , μp (v1 , . . . , vk ) = i
wobei die Summe nun nur u u r die p ∈ Ui gilt. Da ¨ ber diejenigen i l¨auft, f¨ ′ (i) (i) aber f¨ ur diese Indizes bereits i χi (p) = 1 gilt und da det(v1 , . . . , vk ) > 0 gilt, folgt, daß μp (v1 , . . . , vk ) > 0 ist. Damit ist μ eine u ¨ berall positive Dichte und somit ein nirgends verschwindender Schnitt von |Λk |E ∗ , womit dieses B¨ undel global trivialisiert wird. Sei nun μ > 0 eine solche positive Dichte. und p ∈ M die Abbildung (2.141) definiert, indem Dann ist f¨ ur alle α ∈ man den eindeutigen positiven Logarithmus von μp (v1 , . . . , vk ) > 0 verwendet. α Somit erh¨ alt man eine glatte Abbildung p → μα p und offenbar ist μp = 0 ein k α ∗ undel nirgends verschwindender Schnitt. Also ist auch |Λ | E ein triviales B¨ und (2.141) liefert eine Trivialisierung. ⊓ ⊔
68
2 Differentialgeometrische Grundlagen
Bemerkung 2.2.36. Auch wenn die B¨ undel |Λk |α E ∗ −→ M alle trivial sind, so sind sie nicht kanonisch trivialisiert. Die Trivialisierung aus Proposition 2.2.35 h¨angt von der nichtkanonischen Wahl einer positiven Dichte μ > 0 ab. Ausnahme bilden die 0-Dichten von Ep : Diese sind einfach konstante Funktionen auf den Basen von Ep und somit nur Funktionen von p, womit kanonisch Γ∞ (|Λk |0 E ∗ ) ∼ = C ∞ (M )
(2.142)
gilt. Die Wahl einer nirgends verschwindenden α-Dichte μ0 ∈ Γ∞ (|Λk |α E ∗ ) liefert einen Isomorphismus Γ∞ (|Λk |α E ∗ ) ∋ μ →
μ ∈ C ∞ (M ) μ0
(2.143)
von C ∞ (M )-Moduln. Als n¨ achstes wollen wir auch Lemma 2.2.34 auf Vektorb¨ undel verallgemeinern. Hier zeigt sich, daß dies nicht immer m¨ oglich ist, sondern nur, falls wir das Vektorb¨ undel auf konsistente Weise orientieren k¨onnen. Proposition 2.2.37. Sei π : E −→ M ein reelles Vektorb¨ undel der Faserdimension k. Dann ist ¨aquivalent: ur alle i.) Es gibt einen Vektorb¨ undelatlas {(Uα , ϕα )}α∈I von E, so daß f¨ ¨ α, β ∈ I mit Uα ∩ Uβ = ∅ die Ubergangsmatrizen (2.144) det ϕαβ p > 0
f¨ ur alle p ∈ Uα ∩ Uβ erf¨ ullen. ii.) Das Vektorb¨ undel Λk E ∗ −→ M ist trivial. ur alle p ∈ M . iii.) Es gibt eine k-Form ω ∈ Γ∞ (Λk E ∗ ) mit ωp = 0 f¨
Beweis. Da das B¨ undel Λk E ∗ eindimensionale Fasern besitzt, ist es genau dann trivial, wenn es einen nirgends verschwindenden Schnitt gibt, womit die zweite und dritte Aussage ¨ aquivalent sind. Sei also zun¨ achst {(Uα , ϕα )}α∈I ein Atlas mit (2.144). Sei weiter μ ∈ Γ∞ (|Λk |E ∗ ) eine positive Dichte. Ist nun p ∈ M und v1 , . . . , vk ∈ Ep eine Basis, so nennen wir sie positiv orientiert bez¨ uglich des Atlases {(Uα , ϕα )}α∈I , (α) ¨ ur ein α mit p ∈ Uα eine positive falls die Ubergangsmatrix vi = Aei (p) f¨ (α) (α) Determinante det(A) > 0 besitzt, wobei e1 , . . . , ek ∈ Γ∞ (E U ) die durch die B¨ undelkarte (Uα , ϕα ) festgelegten lokalen Basisschnitte sind, siehe Bemerkung 2.2.13. Aufgrund von (2.144) ist dies tats¨achlich unabh¨angig von α und somit wohl-definiert. Wir definieren dann ωp ∈ Λk Ep∗ durch ωp (v1 , . . . , vk ) = μp (v1 , . . . , vk ) > 0 f¨ ur positiv orientierte Basen v1 , . . . , vk ∈ Ep . Dadurch ist ωp offenbar festgelegt und liefert einen glatten Schnitt ω ∈ Γ∞ (Λk E ∗ ), welcher Dank μp > 0 offenbar nirgends verschwindet.
2.2 Vektorb¨ undel
69
Sei umgekehrt ω ∈ Γ∞ (Λk E ∗ ) ein nirgends verschwindender Schnitt, und sei {(Uα , ϕ α )}α∈I ein Vektorb¨ undelatlas mit entsprechenden lokalen Basis(α) (α) schnitten e1 , . . . , ek , wobei wir ohne Einschr¨ankung annehmen d¨ urfen, angend sind. Dann gilt f¨ ur alle p ∈ Uα entweder daß alle Uα zusammenh¨ (α) (α) (α) (α) e1 (p), . . . , ek (p)) < 0, da ω nirgends e1 (p), . . . , ek (p)) > 0 oder ωp ( ωp ( verschwindet und stetig ist. Im zweiten Fall vertauschen wir die Reihenfolge (α) (α) von e1 und e2 und erhalten so eine neue Karte und insgesamt einen Vek(α) (α) ur alle α ∈ I torb¨ undelatlas {(Uα , ϕα )}α∈I mit ωp (e1 (p), . . . , ek (p)) > 0 f¨ und p ∈ Uα . Aus dem Transformationsverhalten von k-Formen unter Basiswechsel folgt dann sofort (2.144). ⊓ ⊔ Wir w¨ ahlen eine der drei ¨ aquivalenten Charakterisierungen zur Definition der Orientierbarkeit von Vektorb¨ undeln: Definition 2.2.38 (Orientierbarkeit). Ein reelles Vektorb¨ undel π : E −→ M mit k-dimensionaler Faser heißt orientierbar, falls Λk E ∗ −→ M trivial ist.
Sei also nun π : E −→ M orientierbar. Dann heißen zwei nirgends verschwindende k-Formen ω, ω ′ ∈ Γ∞ (Λk E ∗ ) gleich orientiert, falls die eindeutig bestimmte Funktion f ∈ C ∞ (M ) mit ω = f ω ′ u ¨ berall positiv ist f > 0. Analog nennen wir zwei Vektorb¨ undelatlanten {(Uα , ϕα )}α∈I und β , ϕ β )}β∈J mit der Eigenschaft (2.144) gleich orientiert, falls der At{(U β , ϕ las {(Uα , ϕα )}α∈I ∪ {(U β )}β∈J immer noch die Eigenschaft (2.144) besitzt. Der Beweis von Proposition 2.2.37 zeigt nun, daß es sich hierbei um aquivalente Konzepte handelt. Weiterhin ist klar, daß es sich bei gleich ori¨ ” ¨ entiert“ in beiden F¨ allen um eine Aquivalenzrelation handelt. Dies liefert nun, analog zur Definition einer Orientierung eines Vektorraums, folgende Definition: Definition 2.2.39 (Orientierung). Sei π : E −→ M ein orientierbares reelles Vektorb¨ undel mit k-dimensionaler Faser. Eine Orientierung von E ist ¨ die Wahl einer Aquivalenzklasse von gleich orientierten k-Formen, oder dazu undelatlanten. ¨aquivalent, von gleich orientierten Vektorb¨ Bemerkung 2.2.40 (Orientierbarkeit und Orientierung). i.) Ist M zusammenh¨ angend, so besitzt ein orientierbares reelles Vektorb¨ undel aus Stetigkeitsgr¨ unden offenbar genau zwei Orientierungen. In diesem Fall k¨ onnen wir also nach Wahl einer Orientierung von positiv und negativ orientierten k-Formen, Vektorb¨ undelkarten, und Basisschnitten sprechen. Im allgemeinen Fall gibt es 2N Orientierungen bei N Zusammenhangskomponenten. ii.) Die Orientierbarkeit ebenso wie die Orientierung vertr¨agt sich gut mit direkten Summen und Tensorprodukten, sowie mit Dualisieren und Zur¨ uckziehen von Vektorb¨ undeln. Dies sieht man unmittelbar an den in Ab¨ schnitt 2.2.2 konstruierten Ubergangsfunktionen. Man beachte jedoch, daß Unterb¨ undel im allgemeinen nicht orientierbar zu sein brauchen, wie das n¨ achste Beispiel zeigt.
70
2 Differentialgeometrische Grundlagen
Beispiel 2.2.41. Ein reelles Geradenb¨ undel L −→ M ist offenbar genau dann orientierbar, wenn es trivial ist. Somit ist das M¨obius-Band, siehe Abbildung 2.7, nicht orientierbar. Man beachte, daß das M¨obius-Band als Unundels u terb¨ undel eines trivialen 2 -B¨ ¨ ber 1 angesehen werden kann, siehe auch Aufgabe 2.12.
Nach der Wahl einer Orientierung k¨ onnen wir nun Lemma 2.2.34 auf orientierte Vektorb¨ undel verallgemeinern: Proposition 2.2.42. Sei π : E −→ M ein orientiertes Vektorb¨ undel. Der punktweise Vektorraumisomorphismus (2.137) liefert einen Vektorb¨ undelisomorphismus (2.145) |Λk |E ∗ ∼ = Λk E ∗ und damit einen C ∞ (M )-linearen Isomorphismus
Γ∞ (|Λk |E ∗ ) ∋ μ → ωμ ∈ Γ∞ (Λk E ∗ ).
(2.146)
Beweis. Da die Wahl der Orientierung von E glatt vom Fußpunkt abh¨angt, liefert die punktweise Definition von (2.136) eine glatte k-Form ωμ . Da (2.146) punktweise einen Isomorphismus liefert, folgt (2.145) und so auch (2.146). ⊓ ⊔ Umgekehrt k¨onnen wir f¨ ur jedes Vektorb¨ undel π : E −→ M aus einer kForm ω ∈ Γ∞ (Λk E ∗ ) immer eine nicht-negative α-Dichte |ω|α ∈ Γ0 (|Λk |E ∗ ) bilden, welche im allgemeinen jedoch nur noch stetig aber nicht l¨anger glatt ist. Die m¨ oglichen Nullstellen von ω k¨ onnen dies verhindern. Wir wollen nun beschreiben, wie man α-Dichten kovariant ableiten kann. ur E −→ M und sei e1 , . . . , ek eine Sei dazu ∇E eine kovariante Ableitung f¨ lokale Basis von Schnitten von E auf U ⊆ M . Dann sind durch r ∇E X eℓ = Aℓ (X)er
(2.147)
die Zusammenhangseinsformen von ∇E bez¨ uglich der lokalen Basis e1 , . . . , ek festgelegt, wobei X ∈ Γ∞ (T M ). Man definiert nun f¨ ur eine α-Dichte μ ∈ Γ∞ (|Λk |α E ∗ ) lokal Aℓℓ (X)μ(e1 , . . . , ek ) (2.148) (∇α X μ)(e1 , . . . , ek ) = X(μ(e1 , . . . , ek )) − α ℓ
k α ∗ ∞ und setzt dies zu einer lokal definierten α-Dichte ∇α |Λ | E U fort. Xμ ∈ Γ
Proposition 2.2.43. Sei ∇E eine kovariante Ableitung f¨ ur E −→ M .
i.) Die Definition von ∇α h¨angt nicht von der Wahl der lokalen Basisschnitte e1 , . . . , ek ab und definiert deshalb eine globale kovariante Ableitung ∇α f¨ ur das α-Dichtenb¨ undel |Λk |α E ∗ −→ M . F¨ ur α = 0 gilt ∇0X = LX mit der Identifikation (2.142).
2.2 Vektorb¨ undel
71
ii.) F¨ ur μ ∈ Γ∞ (|Λk |α E ∗ ) und ν ∈ Γ∞ (|Λk |β E ∗ ) gilt
β α+β ∇X (μν) = ∇α X μ ν + μ ∇X ν .
(2.149)
Ist μ > 0 eine positive Dichte, so gilt
α α−1 1 ∇α ∇X μ, X μ = αμ
(2.150)
wobei μα die durch (2.141) festgelegte α-Dichte ist. ummungstensor von ∇E , so iii.) Ist RE ∈ Γ∞ (End(E) ⊗ Λ2 T ∗ M ) der Kr¨ α ∞ gilt f¨ ur den Kr¨ ummungstensor R ∈ Γ (End(|Λk |α E ∗ ) ⊗ Λ2 T ∗ M ) ∼ = Γ∞ (Λ2 T ∗ M ) Rα = −α trEnd(E) RE , (2.151) wobei wir verwenden, daß End(|Λk |α E ∗ ) auf kanonische Weise ein triviales Vektorb¨ undel ist. Mit Hilfe der lokalen Kr¨ ummungszweiformen (RE )rℓ E von ∇ gilt f¨ ur die Kr¨ ummungszweiform (RE )ℓℓ (X, Y ), (2.152) Rα (X, Y ) = −α ℓ
∞
wobei X, Y ∈ Γ (T M ).
Wenn keine Verwechslung m¨oglich ist, schreiben wir ∇ anstelle von ∇α . Beweis. Der erste Teil wird durch Nachrechnen bewiesen: Sei also e˜i = Φji ej ˜ ) eine weitere lokale Basis von Schnitten auf U ˜ mit mit Φji ∈ C ∞ (U ∩ U ˜ = ∅. Dann gilt f¨ U ∩U ur die lokalen Zusammenhangseinsformen A˜ji bez¨ uglich der e˜1 , . . . , e˜k A˜ji (X) = (Φ−1 )jk LX Φki + (Φ−1 )jk Akr (X)Φri , siehe auch Aufgabe 2.13. Wir zeigen nun zun¨ achst, daß f¨ ur die Ableitung der Determinante von Φ LX |det(Φ)| = |det(Φ)| tr(Φ−1 LX Φ)
(∗)
gilt. Da auf einer Zusammenhangskomponente von U entweder det(Φ) > 0 oder det(Φ) < 0 gilt, k¨ onnen wir in (∗) den Betrag getrost weglassen und die Gleichung LX det(Φ) = det(Φ) tr(Φ−1 LX Φ) (∗∗) betrachten. Diese Gleichung ist aber ganz allgemein f¨ ur die Ableitung einer Determinante g¨ ultig, sofern Φ invertierbar ist. Am einfachsten sieht man dies wohl mit dem Laplaceschen Entwicklungssatz f¨ ur die Determinante, siehe auch Aufgabe 5.10. Damit rechnet man die Unabh¨ angigkeit von der Wahl der Basis direkt nach, denn mit der Invertierbarkeit der Matrix Φ gilt (∇α e1 , . . . , e˜k ) X μ)(˜
72
2 Differentialgeometrische Grundlagen
= LX (μ(˜ e1 , . . . , e˜k )) − αA˜ℓℓ (A)μ(˜ e1 , . . . , e˜k ) α = LX (|det(Φ)| μ(e1 , . . . , ek )) − αA˜ℓℓ (X)|det(Φ)|α μ(e1 , . . . , ek ) = α|det(Φ)|α−1 LX |det(Φ)| − αA˜ℓℓ (X)|det(Φ)|α μ(e1 , . . . , ek )
+ |det(Φ)|α LX (μ(e1 , . . . , ek ))
(∗) = |det(Φ)|α LX (μ(e1 , . . . , ek )) − αAℓℓ (X)μ(e1 , . . . , ek ) ,
wobei wir im letzten Schritt das Transformationsgesetz der lokalen Zusammenhangseinsformen verwendet haben. Daher ist die Basisunabh¨angigkeit gezeigt. Daß ∇α nun tats¨achlich eine kovariante Ableitung definiert, ist leicht zu sehen, da (2.148) in X funktionenlinear und in μ derivativ ist. Damit ist der erste Teil gezeigt. Der zweite Teil folgt durch einfaches Nachrechnen mit Hilfe der lokalen Formel. F¨ ur den dritten Teil bemerken wir zun¨achst, daß f¨ ur ein beliebiges Geradenb¨ undel L −→ M das Endomorphismenb¨ undel End(L) −→ M kanonisch trivial ist, da id ∈ Γ∞ (End(L)) einen nirgends verschwindenden Schnitt liefert und die Faser eindimensional ist. Daher ist der Kr¨ ummungstensor einer kovarianten Ableitung f¨ ur ein Geradenb¨ undel einfach eine Zweiform RL ∈ Γ∞ (End(L) ⊗ Λ2 T ∗ M ) ∼ = Γ∞ (Λ2 T ∗ M ). Die Beziehung (2.151) beziehungsweise (2.152) rechnet man dann mit Hilfe der lokalen Formeln einfach nach. ⊓ ⊔
2.3 Kalku ¨l auf Mannigfaltigkeiten F¨ ur die kanonisch definierten Vektorb¨ undel T M und T ∗ M sowie ihre Tensorb¨ undel gibt es nat¨ urliche Operationen“, welche u ¨ ber die rein tensoriellen ” hinausgehen. Diese Tensoranalysis, die auch an vielen Stellen in der mathematischen Physik zum Einsatz kommt, wollen wir nun vorstellen. 2.3.1 Tensorfelder und Lie-Ableitung Im folgenden betrachten wir das Tangentenb¨ undel T M −→ M sowie das dazu duale Kotangentenb¨ undel T ∗ M −→ M und deren Tensorpotenzen. Zur Abk¨ urzung setzen wir · · ⊗ T ∗ M) Tsr (M ) = Γ∞ (T · · ⊗ T M ⊗ T ∗ M ⊗ · M ⊗ · r-mal
(2.153)
s-mal
und nennen Tensorfelder S ∈ Tsr (M ) s-fach kovariante und r-fach kontravariante Tensoren, wobei r, s ≥ 0. Die Stellung der Indizes ist Konvention und wird in der Literatur zum Teil auch entgegengesetzt verwendet.
2.3 Kalk¨ ul auf Mannigfaltigkeiten
73
Definition 2.3.1 (pull-back). Sei φ : M −→ N eine glatte Abbildung und sei ω ∈ Tr (N ) ein r-fach kovarianter Tensor. Dann ist der pull-back φ∗ ω von ω mit φ durch (φ∗ ω) p (v1 , . . . , vr ) = ω φ(p) (Tp φ(v1 ), . . . , Tp φ(vr )) (2.154) erkl¨art, wobei p ∈ M und v1 , . . . , vr ∈ Tp M .
Proposition 2.3.2. Es gilt φ∗ ω ∈ Tr (M ) und φ∗ : Tr (N ) −→ Tr (M ) ist linear. Weiter gilt φ∗ (ω ⊗ μ) = φ∗ ω ⊗ φ∗ μ (2.155)
sowie
id∗M = idTr (M)
und
(φ ◦ ψ)∗ = ψ ∗ ◦ φ∗ .
(2.156)
Beweis. Das ist im wesentlichen die Kettenregel (2.24) sowie einfaches Nachrechnen. ⊓ ⊔ Bemerkung 2.3.3. Damit wird also der pull-back von Funktionen (2.37) auf beliebige kovariante Tensorfelder verallgemeinert. Man beachte jedoch den uckgezogenen Unterschied des pull-backs φ∗ ω ∈ Γ∞ (T r (T ∗ M )) und des zur¨ undel φ# T r (T ∗ N ) Schnitts φ# ω ∈ Γ∞ (φ# T r (T ∗ N )). Im allgemeinen sind die B¨ und T r (T ∗ M ) nicht einmal isomorph. Kontravariante Tensorfelder lassen sich dagegen nicht so ohne weiteres zur¨ uckziehen. Dies geht vielmehr nur, wenn φ ein Diffeomorphismus ist: Definition 2.3.4. Sei φ : M −→ N ein Diffeomorphismus und S ∈ Tsr (N ) ein r-fach kontravarianter und s-fach kovarianter Tensor. Dann definiert man den pull-back φ∗ S mit φ durch (φ∗ S) p (v1 , . . . , vs , α1 , . . . , αr ) (2.157)
= S φ(p) Tp φ(v1 ), . . . , Tp φ(vs ), α1 ◦ (Tp φ)−1 , . . . , αr ◦ (Tp φ)−1 f¨ ur p ∈ M , v1 , . . . , vs ∈ Tp M und α1 , . . . , αr ∈ Tp∗ M .
∗ N wirklich eine Einsform am richtigen Punkt Offenbar ist αi ◦ (Tp φ)−1 ∈ Tφ(p) φ(p), so daß (2.157) tats¨ achlich wohl-definiert ist.
Proposition 2.3.5. Sei φ : M −→ N ein Diffeomorphismus und S ∈ Tsr (N ). Dann gilt φ∗ S ∈ Tsr (M ) und φ∗ : Tsr (N ) −→ Tsr (M )
(2.158)
ist eine lineare Bijektion mit Inversem (φ∗ )−1 = (φ−1 )∗ .
(2.159)
φ∗ (S ⊗ S ′ ) = φ∗ S ⊗ φ∗ S ′
(2.160)
Weiter gilt und
id∗M = idTsr (M)
und
(φ ◦ ψ)∗ = ψ ∗ ◦ φ∗ .
(2.161)
74
2 Differentialgeometrische Grundlagen
Beweis. Auch f¨ ur diese Proposition ben¨ otigt man letztlich nur ein bißchen lineare Algebra. Die Glattheit von φ∗ S ist klar, siehe auch Aufgabe 2.6. ⊓ ⊔ Man nennt φ∗ = (φ∗ )−1 = (φ−1 )∗ auch den push-forward bez¨ uglich des Diffeomorphismus φ. Der pull-back φ∗ ebenso wie der push-forward ist mit der nat¨ urlichen Paarung vertr¨ aglich. Es gilt
φ∗ (S(X1 , . . . , Xs , α1 , . . . , αr )) = (φ∗ S)(φ∗ X1 , . . . , φ∗ Xs , φ∗ α1 , . . . , φ∗ αr ) (2.162) f¨ ur X1 , . . . , Xs ∈ Γ∞ (T N ) und α1 , . . . , αr ∈ Γ∞ (T ∗ N ). Da der Fluß Φt zu einem Vektorfeld X ∈ Γ∞ (T M ) zumindest auf einer kleinen offenen Umgebung um jeden Punkt U f¨ ur kleine Zeiten t definiert ist und dann einen Diffeomorphismus liefert, kann man die Lie-Ableitung von beliebigen Tensorfeldern wie folgt definieren: Definition 2.3.6 (Lie-Ableitung). Sei Φt der (lokale) Fluß eines Vektorfeldes X ∈ Γ∞ (T M ) und S ∈ Tsr (M ) ein Tensor. Dann definiert man die Lie-Ableitung LX S von S in Richtung X durch d (2.163) LX S = Φ∗t S . dt t=0 Satz 2.3.7. Seien X, Y, Xi ∈ Γ∞ (T M ) Vektorfelder, αj ∈ Γ∞ (T ∗ M ) Einsformen, S, S ′ ∈ T•• (M ) Tensorfelder und Φt der Fluß von X. Dann gilt:
i.) LX : Tsr (M ) −→ Tsr (M ) ist linear. ii.) LX f = X(f ) stimmt mit der zuvor erkl¨arten Lie-Ableitung von Funktionen u ¨berein und (2.164) LX Y = [X, Y ].
iii.) LX vertauscht mit dem zugeh¨origen Fluß LX ◦ Φ∗t = Φ∗t ◦ LX .
(2.165)
iv.) LX ist eine Derivation bez¨ uglich des Tensorprodukts LX (S ⊗ S ′ ) = (LX S) ⊗ S ′ + S ⊗ (LX S ′ ).
(2.166)
v.) L : X → LX ist eine Lie-Algebrendarstellung [LX , LY ] = L[X,Y ] .
(2.167)
vi.) LX ist derivativ bez¨ uglich der nat¨ urlichen Paarung LX (S(X1 , . . . , Xs , α1 , . . . , αr )) = (LX S)(X1 , . . . , Xs , α1 , . . . , αr ) s S(X1 , . . . , LX Xi , . . . , Xs , . . . , α1 , . . . , αr ) + +
i=1 r j=1
S(X1 , . . . , Xs , α1 , . . . , LX αj , . . . , αr ).
(2.168)
2.3 Kalk¨ ul auf Mannigfaltigkeiten
75
vii.) LX ist vertr¨aglich mit Diffeomorphismen Ψ : M −→ N LX ◦Ψ ∗ = Ψ ∗ ◦ L(Ψ −1 )∗ X .
(2.169)
Beweis. Teil i.) ist klar und Teil ii.) ist auch klar f¨ ur Funktionen. F¨ ur Vektorfelder muß man hier wirklich etwas rechnen, siehe beispielsweise [235, Sect. 3.13]. Teil iii.) folgt aus der Einparametergruppeneigenschaft von Φt . Teil iv.) erh¨ alt man durch Ableiten nach t von (2.160) mit φ = Φt bei t = 0. Teil v.) ist nach Definition f¨ ur Funktionen und Vektorfelder erf¨ ullt. F¨ ur andere Tensorfelder folgt das Resultat aus der Derivationseigenschaft iv.) sowie aus vi.). Diese Aussage erh¨ alt man wieder leicht durch Ableiten von (2.162). Der letzte Teil vii.) folgt, wenn man die Einparametergruppe Ψ ◦ Φt ◦ Ψ −1 auf N betrachtet, dann muß man (2.169) nur f¨ ur Funktionen u ufen, um das ¨berpr¨ ⊓ ⊔ richtige“ Vektorfeld, n¨ amlich (Ψ −1 )∗ X zu identifizieren. ” Bemerkung 2.3.8. Man kann alternativ und v¨ollig a¨quivalent zu (2.163) die ur Lie-Ableitung von Tensorfeldern auch dadurch erkl¨aren, daß man LX f¨ Funktionen und Vektorfelder wie bisher erkl¨ art und dies derivativ“ fortsetzt, ” also via (2.166) und (2.168). Dann sind die Aussagen des Satzes einigermaßen offensichtlich, jedoch die Gleichheit (2.163) muß mit einigen Schwierigkeiten bewiesen werden. 2.3.2 Differentialformen Die Differentialformen verallgemeinern in gewisser Hinsicht die Funktionen auf einer Mannigfaltigkeit und spielen entsprechend eine zentrale Rolle. In einer eher heuristischen Weise werden Differentialformen an vielen Stellen in der Physik gebraucht, so beispielsweise in der ph¨anomenologischen Thermodynamik, wo die Energieerhaltung dE = T dS − pdV + μdN als eine Gleichung zwischen Einsformen verstanden werden kann. In der Maxwellschen Elektrodynamik lassen sich die Feldst¨ arken und deren Potentiale ebenfalls als Zweiund Einsformen interpretieren, wie wir dies noch genauer sehen werden. Definition 2.3.9 (Differentialformen). Die Algebra der Differentialformen (oder Grassmann-Algebra) einer n-dimensionalen Mannigfaltigkeit ist die assoziative, superkommutative Algebra n ∞
k ∗ k ∗ ∞ • ∞ Λ T M , (2.170) Γ Λ T M =Γ Ω (M ) = k=0
k=0
wobei wie immer Ω0 (M ) = C ∞ (M ) gesetzt wird. Da wir mit Ω• (E) in Abschnitt 2.2.2 auch die Grassmann-Algebra eines Vektorb¨ undels bezeichnet haben, ergibt sich hier eventuell ein Notationskonflikt, falls E = T ∗ M . Beide Bezeichnungen sind jedoch gebr¨auchlich, die jeweilige Bedeutung sollte immer aus dem Zusammenhang klar werden.
76
2 Differentialgeometrische Grundlagen
Ist M eine n-dimensionale Mannigfaltigkeit, so bezeichnet man die nFormen Γ∞ (Λn T ∗ M ) auch als Volumenformen. Die Motivation hierf¨ ur ist, daß f¨ ur einen n-dimensionalen Vektorraum V der eindimensionale Vektorraum der n-Formen Λn V ∗ gerade durch die Determinantenfunktion aufgespannt wird, siehe auch Abschnitt 2.3.4. Bis jetzt haben wir folgende Operationen auf Ω• (M ) erkl¨art: i.) Das ∧-Produkt, welches die assoziative, superkommutative Algebrastruktur definiert. ur X ∈ ii.) Die Einsetzderivationen iX = i(X) : Ω• (M ) −→ Ω•−1 (M ) f¨ Γ∞ (T M ), welche Antiderivationen bez¨ uglich des ∧-Produkts vom Grad −1 sind. iii.) Die pull-backs φ∗ : Ω• (N ) −→ Ω• (M ), da der pull-back die Antisymmetrie von kovarianten Tensorfeldern offenbar nicht zerst¨ort und sich somit auf anken l¨ aßt. Ein pull-back ist immer ein Algebramorphismus Ω• (M ) einschr¨ bez¨ uglich des ∧-Produkts φ∗ (α ∧ β) = (φ∗ α) ∧ (φ∗ β),
(2.171)
da dies f¨ ur ⊗ richtig ist und φ∗ mit dem Antisymmetrisieren in (2.90) vertauscht. iv.) Die Lie-Ableitungen LX : Ω• (M ) −→ Ω• (M ), welche sich ebenfalls auf antisymmetrische Tensoren einschr¨ anken und Derivationen vom ∧Produkt liefern LX (α ∧ β) = LX α ∧ β + α ∧ LX β,
(2.172)
was man entweder durch Ableiten von (2.171) f¨ ur φ = Φt oder direkt aus der Derivationseigenschaft von LX bez¨ uglich ⊗ erh¨alt. Ziel dieses Abschnitts ist es nun, eine weitere kanonische Operation auf den Differentialformen Ω• (M ) zu konstruieren, n¨ amlich das deRham Differential d : Ω• (M ) −→ Ω•+1 (M ). Wir beginnen mit dem Differential einer Nullform, also einer Funktion: Definition 2.3.10 (Differential). Sei f ∈ C ∞ (M ). Das Differential df ∈ Ω1 (M ) ist die Einsform, welche durch df p (vp ) = vp (f ) vp ∈ Tp M (2.173) eindeutig bestimmt ist.
Anders ausgedr¨ uckt: Ist X ∈ Γ∞ (T M ) ein Vektorfeld, so ist df durch df (X) = X(f ) = LX f (2.174) eindeutig bestimmt. Offenbar ist df p nur vom Funktionenkeim von f bei p abh¨ angig, daher ist das Differential ein lokales Konzept auf M .
2.3 Kalk¨ ul auf Mannigfaltigkeiten
77
∂ Bemerkung 2.3.11. Ist (U, x) eine lokale Karte, so bilden die Vektorfelder ∂x i, i = 1, . . . , n, an jedem Punkt p ∈ U eine Basis von Tp M . Umgekehrt sind die Differentiale dxi , i = 1, . . . , n, der lokalen Koordinatenfunktionen an jedem Punkt p eine Basis von Tp∗ M , denn es gilt ∂ ∂xi (2.175) dxi p = = δji , j ∂x p ∂xj p
womit dx1 , . . . , dxn sogar als die duale Basis von Bez¨ uglich dieser Basis gilt offenbar df =
∂ ∂ ∂x1 , . . . , ∂xn
∂(f ◦ x−1 ) i dx . ∂xi
identifiziert ist.
(2.176)
Bemerkung 2.3.12. Bei einem Koordinatenwechsel transformieren sich die Baaß sisvektoren dxi von Tp∗ M gem¨ ∂( xi ◦ x−1 ) dxj p , d xi p = j ∂x x(p)
(2.177)
∩ U . Dies folgt entweder aus (2.176) f¨ sofern p ∈ U ur f = x i oder aus dem ∂ entsprechenden Transformationsverhalten der dualen Basis ∂x i nach (2.12). ur alle p ∈ U bilden, Bemerkung 2.3.13. Da die dxi p eine Basis von Tp∗ M f¨ erh¨ alt man auch induzierte Basen f¨ ur die ¨ außeren Potenzen Λk Tp∗ M durch i1 (2.178) dx ∧ · · · ∧ dxik 1 ≤ i1 < · · · < ik ≤ n .
Jede (lokale) k-Form ω ∈ Ωk (U ) l¨ aßt sich also als ωi1 ···ik dxi1 ∧ · · · ∧ dxik ω=
(2.179)
1≤i1 0, so definiert φψμ φ, ψμ =
(2.222)
M
f¨ ur φ, ψ ∈ C0∞ (M ) ein positiv definites Skalarprodukt auf C0∞ (M ), womit C0∞ (M ) ein Pr¨ a-Hilbert-Raum wird. Dieser ist zum kanonischen Pr¨aHilbert-Raum der Halbdichten durch die lineare und sogar C ∞ (M )-lineare Abbildung 1 φ → φμ 2 (2.223) isometrisch isomorph. Man beachte jedoch, daß sich Funktionen auf M im Gegensatz zu Dichten nicht intrinsisch integrieren lassen sondern die Wahl einer Referenzdichte μ > 0 erfordern. In Abschnitt 2.2.5 haben wir gesehen, daß f¨ ur orientierbare und orientierte Vektorb¨ undel die Dichten zu den Formen maximalen Grades isomorph sind. Daher k¨ onnen wir auch n-Formen integrieren, sofern das Tangentenb¨ undel orientierbar ist. Diese wichtige Situation motiviert folgende Definition: Definition 2.3.42 (Orientierbarkeit und Orientierung). Eine Mannigfaltigkeit M heißt orientierbar, wenn ihr Tangentenb¨ undel π : T M −→ M orientierbar ist. In diesem Fall ist eine Orientierung von M eine Orientierung des Tangentenb¨ undels. Ist M nun orientiert, so gibt der allgemeine Isomorphismus aus Proposition 2.2.42 einen C ∞ (M )-linearen Isomorphismus Γ∞ (|Λn |T ∗ M ) ∼ = Γ∞ (Λn T ∗ M ),
(2.224)
n ∗ welcher es gestattet, auch n-Formen ω ∈ Γ∞ 0 (Λ T M ) zu integrieren, indem man μ (2.225) ω= M
M
n ∗ Γ∞ 0 (|Λ |T M )
setzt, wobei μ ∈ diejenige eindeutig bestimmte Dichte mit ω = ωμ ist. F¨ ur die Integration von n-Formen gilt dann der wichtige Satz von Stokes ι∗ ω. (2.226) dω = M
n−1 ∗ Γ∞ T M) 0 (Λ
∂M
Hier ist ω ∈ eine (n − 1)-Form und ι : ∂M −→ M der (m¨ oglicherweise nichtleere) glatte Rand von M . Da wir bisher noch nicht definiert haben, was Mannigfaltigkeiten mit Rand sind, wollen wir den Satz von Stokes nicht weiter diskutieren, eine ausf¨ uhrliche Darstellung findet man
90
2 Differentialgeometrische Grundlagen
beispielsweise in [180]. F¨ ur unsere Mannigfaltigkeiten ohne Rand folgt insbesondere dω = 0. (2.227) ∞
n α
M ∗
F¨ ur α-Dichten μ ∈ Γ (|Λ | T M ) lassen sich weitere kanonische Operationen definieren: der pull-back und die Lie-Ableitung. Da f¨ ur μ ∈ |Λn |α W ∗ und eine lineare Abbildung φ : V −→ W zwischen reellen Vektorr¨aumen der selben Dimension n die Definition (φ∗ μ)(v1 , . . . , vn ) = μ(φ(v1 ), . . . , φ(vn ))
(2.228)
offenbar eine α-Dichte φ∗ μ ∈ |Λn |α V ∗ definiert, verhalten sich α-Dichten wie kovariante Tensorfelder. Dies erlaubt eine Definition von pull-back und LieAbleitung analog zu den Definitionen aus Abschnitt 2.3.1. Im folgenden haben M und N immer dieselbe Dimension n. Ist dann φ : M −→ N eine glatte Abbildung, so definiert φ∗ : Γ∞ (|Λn |α T ∗ N ) ∋ μ → φ∗ μ ∈ Γ∞ (|Λn |α T ∗ M ) mit
(φ∗ μ) p (v1 , . . . , vn ) = μ φ(p) (Tp φ(v1 ), . . . , Tp φ(vn ))
(2.229) (2.230)
eine glatte α-Dichte φ∗ μ. Ist weiter X ∈ Γ∞ (T M ) ein Vektorfeld mit lokalem Fluß Φt , so definiert man die Lie-Ableitung LX μ durch d (2.231) LX μ = Φ∗t μ. dt t=0 Folgende Rechenregeln erh¨ alt man mit den u ¨blichen Argumenten analog zu Abschnitt 2.3.1. Lemma 2.3.43. Sei φ : M −→ N glatt und α, β ∈
.
i.) Der pull-back φ∗ : Γ∞ (|Λn |α T ∗ N ) −→ Γ∞ (|Λn |α T ∗ M ) ist eine wohldefinierte lineare Abbildung und es gilt φ∗ (μν) = (φ∗ μ)(φ∗ ν)
(2.232)
f¨ ur μ ∈ Γ∞ (|Λn |α T ∗ N ) und ν ∈ Γ∞ (|Λn |β T ∗ N ). ii.) Ist φ eine Submersion, so ist f¨ ur eine positive Dichte η ∈ Γ∞ (|Λn |T ∗ N ) ∗ die Dichte φ η wieder positiv und es gilt (φ∗ η)α = φ∗ η α . iii.) Es gilt (φ ◦ ψ)∗ = ψ ∗ ◦ φ∗ und id∗ = id. iv.) Ist φ ein Diffeomorphismus, so gilt μ φ∗ μ = M
n ∗ f¨ ur alle μ ∈ Γ∞ 0 (|Λ |T N ).
N
(2.233)
(2.234)
2.3 Kalk¨ ul auf Mannigfaltigkeiten
91
v.) Ist X ∈ Γ∞ (T M ) ein Vektorfeld, so gilt LX (μν) = (LX μ)ν + μ(LX ν)
und
LX (η α ) = αη α−1 LX η (2.235)
f¨ ur μ ∈ Γ∞ (|Λn |α T ∗ M ), ν ∈ Γ∞ (|Λn |β T ∗ M ) und eine positive Dichte η ∈ Γ∞ (|Λn |T ∗ M ). vi.) Ist X ∈ Γ∞ (T M ) ein Vektorfeld, so gilt LX μ = 0 (2.236) M
n ∗ f¨ ur alle μ ∈ Γ∞ 0 (|Λ |T M ).
Beweis. Die ersten drei Teile lassen sich leicht punktweise nachpr¨ ufen. Der vierte Teil ist die globale Version von Proposition 2.3.40 und dr¨ uckt erneut die Koordinatenunabh¨ angigkeit der Integration aus. Nachgepr¨ uft wird dies ebenfalls mit der Transformationsformel f¨ ur den Variablenwechsel beim Integrieren. Der f¨ unfte Teil folgt durch Ableiten von (2.232) und (2.233) f¨ ur φ = Φt bei t = 0. Der letzte Teil folgt durch Ableiten von (2.234), ebenfalls ⊓ ⊔ f¨ ur φ = Φt bei t = 0. Die Lie-Ableitung erlaubt es nun, f¨ ur eine positive Dichte μ > 0 eine Divergenz von Vektorfeldern zu definieren. Sei X ∈ Γ∞ (T M ), dann ist LX μ ∈ Γ∞ (|Λn |T ∗ M ) wieder eine Dichte und damit ein Funktionenvielfaur alle p ∈ M und der Vektorraum der Dichten bei p ches von μ, da μ p > 0 f¨ eindimensional ist. Dies motiviert folgende Definition: Definition 2.3.44 (Divergenz). Sei μ ∈ Γ∞ (|Λn |T ∗ M ) eine positive Dichte μ > 0 und X ∈ Γ∞ (T M ) ein Vektorfeld. Die durch die Gleichung LX μ = divμ (X)μ
(2.237)
eindeutig bestimmte Funktion divμ (X) ∈ C ∞ (M ) heißt Divergenz von X bez¨ uglich μ. Die Eigenschaften der Divergenz sowie die Abh¨angigkeit von divμ von der (nicht kanonischen) Wahl von μ kl¨ art folgendes Lemma: Lemma 2.3.45. Sei μ ∈ Γ∞ (|Λn |T ∗ M ) eine positive Dichte μ > 0. Dann gilt divμ (f X) = f divμ (X) + X(f )
(2.238)
f¨ ur alle f ∈ C ∞ (M ) und X ∈ Γ∞ (T M ) und X → divμ (X) ist linear. Ist μ ˜ eine weitere positive Dichte, so gilt μ ˜ = eg μ mit einer eindeutig bestimmten reellwertigen Funktion g ∈ C ∞ (M ) und divμ˜ (X) = divμ (X) + X(g).
(2.239)
92
2 Differentialgeometrische Grundlagen
Beweis. Wir zeigen zun¨ achst eine n¨ utzliche lokale Formel. Sei dazu (U, x) eine lokale Karte von M und sei Φt der (lokale) Fluß von X, wobei X U = k ∂ k X ∂xk . Mit ∂ ∂Φkt ∂ Tp Φt = ∂xi ∂xi p ∂xk f¨ ur p ∈ U und t klein genug, damit Φt (p) ∈ U , folgt k ∂ ∂Φt ∂ ∂ ∂ ∗ (Φt μ) ,..., n . , . . . , n = det μ ∂x1 p ∂x p ∂xi p ∂x1 ∂x Φt (p) p
Die Ableitung bei t = 0 liefert dann zwei age:den der Ableitung der De ∂ Beitr¨ ∂ . Es gilt daher unter terminante und den der Funktion μ ∂x 1 , . . . , ∂xn Φt (p) Verwendung von Φ0 (p) = p sowie Tp Φt t=0 = id ∂ d ∂ (Φ∗t μ) , . . . , dt t=0 ∂x1 p ∂xn p p k ∂ ∂Φt ∂ ∂ d ∂ μ , . . . , , . . . , = + L μ det X dt t=0 ∂xi p ∂x1 ∂xn ∂x1 ∂xn p p n k ∂Φ ∂ ∂ ∂ d ∂ t (p) μ , . . . , , . . . , μ = + L X dt t=0 ∂xk ∂x1 ∂xn ∂x1 ∂xn p p k=1
=
n ∂X k k=1
∂xk
(p)μ
∂
∂x
1
,...,
∂
∂x
n
+ LX μ p
∂
∂x
1
,...,
∂
∂x
n
, p
wobei wir wieder die Rechenregeln f¨ ur die Ableitung einer Determinante wie auch im Beweis von Proposition 2.2.43 benutzt haben. Also folgt die lokale Formel ∂ ∂ ∂ , . . . , k ∂μ n ∂x ∂X ∂ ∂ ∂ ∂x1 μ . , . . . , n divμ (X) = , . . . , n + Xk μ 1 1 k k ∂x ∂x ∂x ∂x ∂x ∂x (2.240) Aus dieser Gleichung folgt (2.238) sofort. Weiter ist klar, daß f¨ ur zwei positive Dichten μ und μ ˜ die Funktion f = μ ˜ /μ ∈ C ∞ (M ) ebenfalls positiv ist. Damit besitzt f einen eindeutigen glatten reellen Logarithmus g = g ∈ C ∞ (M ), wour die Multimit μ ˜ = eg μ folgt. Aus dieser Darstellung und der Leibniz-Regel f¨ plikation einer Dichte mit einer Funktion in (2.235) folgt die Beziehung (2.239) direkt. ⊓ ⊔
2.4 Aufgaben Aufgabe 2.1 (Grassmann-Algebra und Symmetrische Algebra). Sei V ein -Vektorraum und T k (V ) = k V = V ⊗ · · · ⊗ V die k-te Tensorpotenz von V sowie T 0 (V ) = und
k-mal
2.4 Aufgaben
T • (V ) =
∞
T k (V ).
93
(2.241)
k=0
Elemente T in T • (V ) mit T ∈ T k (V ) heißen homogene Tensoren vom Grad k. Man definiert die lineare Gradabbildung deg : T • (V ) −→ T • (V ) durch deg T k (V ) = k idT k (V ) f¨ ur k ∈ 0 . Also ist T genau dann homogen vom Grade k, wenn deg T = kT .
i.) Zeigen Sie, daß das Tensorprodukt ⊗ den Vektorraum T • (V ) zu einer assoziativen Algebra mit Eins macht, wobei man α ⊗ v = αv = v ⊗ α f¨ ur α ∈ und v ∈ V setzt und die u ¨ bliche Assoziativit¨at von ⊗ verwendet. Zeigen Sie weiter, daß deg eine Derivation ist. ii.) Zeigen Sie, daß durch lineare Fortsetzung von
σ ⊲ (v1 ⊗ · · · ⊗ vk ) = vσ(1) ⊗ · · · ⊗ vσ(k)
(2.242)
eine Darstellung der symmetrischen Gruppe Sk auf T k (V ) definiert wird. Zeigen Sie weiter, daß Aℓt k =
1 sign(σ)σ ⊲ k!
und
Sym k =
σ∈Sk
1 σ⊲ k!
(2.243)
σ∈Sk
∞ k Projektoren ∞ in T (V ) sind. Zeigen Sie so, daß auch Aℓt = k=0 Aℓt k und Sym = k=0 Sym k mit Aℓt 0 = id = Sym 0 Projektoren sind. iii.) Sei nun Λ(V ) = Aℓt(T • (V )) und S(V ) = Sym(T • (V )). Zeigen Sie, daß Λ• (V ) =
∞
Λk (V )
mit Λk (V ) = Aℓt k (T k (V ))
(2.244)
Sk (V )
mit Sk (V ) = Sym k (T k (V )).
(2.245)
k=0
und S• (V ) =
∞ k=0
Definieren Sie entsprechend den antisymmetrischen und symmetrischen ankung von deg auf Λ• (V ) und S• (V ). Grad dega und degs als die Einschr¨ k iv.) Definieren Sie f¨ ur v ∈ Λ (V ) und w ∈ Λℓ (V ) beziehungsweise p ∈ Sk (V ) ℓ und q ∈ S (V ) das ∧-Produkt beziehungsweise das ∨-Produkt durch v∧w =
(k + ℓ)! Aℓt(v ⊗ w) k!ℓ!
und
p∨q =
(k + ℓ)! Sym(p ⊗ q). (2.246) k!ℓ!
und setzen Sie es zu einer bilinearen Verkn¨ upfung auf Λ• (V ) beziehungs• • weise S (V ) fort. Zeigen Sie, daß Λ (V ) beziehungsweise S• (V ) dadurch zu einer assoziativen, superkommutativen (bzw. kommutativen) Algebra mit Eins wird.
94
2 Differentialgeometrische Grundlagen
Hinweis: Zeigen Sie zun¨ achst, daß f¨ ur σ ∈ Sk und idℓ ∈ Sℓ die Permutation σ × idℓ ∈ Sk+ℓ das selbe Signum wie σ besitzt. Zeigen Sie weiter, daß Aℓt k+ℓ ◦(σ × id)⊲ = sign(σ) Aℓt k+ℓ . Folgern Sie so, daß Aℓt k+ℓ ◦(Aℓt k ⊗ id) = Aℓt k+ℓ = Aℓt k+ℓ ◦(id ⊗ Aℓt ℓ ). Verwenden Sie dieses Resultat um die Assoziativit¨ at von ∧ zu zeigen, indem Sie zun¨achst Aℓt(Aℓt (T ) ⊗ S) = Aℓt(T ⊗ S) = Aℓt(T ⊗ Aℓt(S)) f¨ ur beliebige Tensoren T und S zeigen. Die Verteilung der Fakult¨aten in (2.246) ist dabei essentiell. Verfahren Sie analog f¨ ur ∨. v.) Zeigen Sie, daß dega beziehungsweise degs Derivationen von ∧ beziehungsweise von ∨ sind. vi.) Sei nun dim V = n < ∞ und sei e1 , . . . , en eine Basis von V . Welche Dimensionen haben dann Λk (V ) und Sk (V ). Geben Sie jeweils eine Basis an. Welche Dimension hat Λ• (V ) und S• (V )? vii.) Sei wieder dim V = n < ∞. Mit [x1 , . . . , xn ] werde die Polynomalgebra in n Variablen u ¨ ber bezeichnet. Zeigen Sie, daß es einen eindeutig bestimmten Algebraisomorphismus
∼ =
J : S• (V ) −→ [x1 , . . . , xn ]
(2.247)
mit J(ei ) = xi und J(1) = 1 gibt. viii.) Sei wieder dim V = n < ∞ und sei V ∗ der Dualraum zu V . Sei Pol• (V ∗ ) die assoziative, kommutative gradierte Algebra der polynomialen -wertigen Funktionen auf V ∗ . Zeigen Sie, daß es einen eindeutig bestimmten, kanonischen und mit den Gradierungen vertr¨aglichen Algebraisomorphismus ∼ = S• (V ) −→ Pol• (V ∗ ) (2.248)
gibt, welcher v ∈ V ⊆ S• (V ) die lineare Funktion V ∗ ∋ α → α(v) ∈ zuordnet. K¨ onnen Sie den Beweis f¨ uhren, ohne eine Basis zu w¨ahlen?
Die Algebra Λ• (V ) heißt ¨außere Algebra oder Grassmann-Algebra von V . Die Algebra S• (V ) heißt symmetrische Algebra von V , siehe beispielsweise [145]. Aufgabe 2.2 (Die stereographische Projektion). Betrachten Sie die 2Sph¨ are im 3 , definiert durch 2 = p ∈ 3 p = 1 , (2.249)
versehen mit der von 3 induzierten Topologie. Offene Teilmengen von 2 sind also diejenigen Teilmengen, die sich als Schnitt von 2 mit einer offenen Teilmenge von 3 schreiben lassen. Betrachten Sie dann die stereographische udpol S = (0, 0, −1) ∈ Projektion vom Nordpol N = (0, 0, 1) ∈ 2 und vom S¨ 2 aus, siehe Abbildung 2.8.
i.) Gegen Sie den (maximalen) Definitionsbereich und den Bildbereich der stereographischen Projektion an und berechnen Sie explizit die Koordinaten yS ( p) und xN ( p) in Abh¨ angigkeit der kartesischen Koordinaten p ∈ 2 ⊆ 3 . Offenbar sind sowohl xN als auch yS stetig. p1 , p2 , p3 von
2.4 Aufgaben
95
N p
S2 RS
yS ( p ) xN (p )
RN S
Abb. 2.8. Die stereographische Projektion
ii.) Bestimmen Sie die Umkehrabbildungen von xN und yS explizit. Hier ist 2 es hilfreich, die Abk¨ urzung RN = (x1N )2 + (x2N )2 und entsprechend RS2 = (yS1 )2 + (yS2 )2 zu verwenden. iii.) Geben Sie den maximalen Definitionsbereich des Kartenwechsels xN ◦ yS−1 sowie yS ◦ x−1 N an und zeigen Sie, daß der Kartenwechsel glatt, ja sogar reell-analytisch ist. Damit wird 2 zu einer differenzierbaren (bzw. sogar reell-analytischen) Mannigfaltigkeit. iv.) Schreiben Sie die Koordinaten der Nordpolkarte als zN = x1N + ix2N und onnen Sie durch geeignete Redefinition der identifizieren Sie 2 ∼ = . K¨ S¨ udpolkarte erreichen, daß der Kartenwechsel holomorph wird? Auf diese Weise wird 2 sogar zu einer komplexen Mannigfaltigkeit.
Bemerkung: Auch die h¨ oheren Sph¨ aren n , n ≥ 3 lassen sich so zu differenzierbaren (bzw. reell-analytischen) Mannigfaltigkeiten machen, allerdings l¨ aßt sich f¨ ur n = 2, 6 nicht mehr erreichen, daß die Kartenwechsel holomorph art, aber das ist eine andere Geschichte. . . sind. Bei 6 ist es nicht ganz gekl¨
Aufgabe 2.3 (Der Satz vom konstanten Rang). Sei φ : M −→ N glatt. Dann definiert man den Rang von φ bei p ∈ M als rangp (φ) = rang(Tp φ),
(2.250)
wobei rang(Tp φ) den Rang der linearen Abbildung Tp φ : Tp M −→ Tφ(p) N bezeichnet. i.) Zeigen Sie, daß der Rang lokal nicht kleiner wird: Ist rangp (φ) = k, so gibt ur alle q ∈ U . es eine offene Umgebung U ⊆ M von p mit rangq (φ) ≥ k f¨ Hinweis: Berechnen Sie den Rang in Koordinaten und nutzen Sie die Stetigkeit der Determinante! ii.) Zeigen Sie folgenden Satz vom konstanten Rang: Satz (Satz vom konstanten Rang). Sei p ∈ M so, daß rang(φ) auf einer offenen Umgebung von p konstant gleich k ist. Dann gibt es Karten (U, x) von M um p und (V, y) von N um φ(p) derart, daß x(p) = 0 und y(φ(p)) = 0 sowie
96
2 Differentialgeometrische Grundlagen
y ◦ φ ◦ x−1 : x(U ) ∋ (x1 , . . . , xm ) → (x1 , . . . , xk , 0, . . . , 0) ∈ y(V ). (2.251) Anleitung (nach [54, Satz 5.4]): Zeigen Sie zun¨achst, daß man sich auf den Fall M ⊆ m , N ⊆ n , jeweils offen, sowie φ(0) = 0 beschr¨anken kann. Zeigen Sie weiter, daß man nach Umsortieren der Koordinaten j rang( ∂φ ∂xi )i,j=1,...,k = k annehmen kann. Betrachten Sie dann neue Koordinaten im Urbildraum und im Bildraum, welche folgendermaßen definiert werden: Sei
Ê
Ê
χ : (x1 , . . . , xm ) → (φ1 (x), . . . , φk (x), xk+1 , . . . , xm ) = (z 1 , . . . , z m ). Zeigen Sie zun¨ achst mit Hilfe des Satzes von der Umkehrfunktion, daß auf einer gen¨ ugend kleinen offenen Umgebung von 0 ∈ m die Abbildung χ ein Diffeomorphismus ist und betrachten Sie dann ψ = φ◦ χ−1 . Berechnen i ur i = k + Sie die Jacobi-Matrix von ψ und zeigen Sie, daß ∂ψ ∂z j = 0 f¨ ur i = k + 1, . . . , n, 1, . . . , n. Setzen Sie y˜i = y i − ψ i (y 1 , . . . , y k , 0, . . . , 0) f¨ und betrachten Sie weiter die Abbildung
Ê
η : (y 1 , . . . , y n ) → (y 1 , . . . , y k , y˜k+1 , . . . , y˜n ) und zeigen Sie, daß auch η auf einer gen¨ ugend kleinen Umgebung von 0 ∈ n ein Diffeomorphismus ist. Betrachten Sie dann Φ = η ◦ φ ◦ χ−1 .
Ê
Aufgabe 2.4 (Untermannigfaltigkeiten und regul¨ are Werte). Sei N ⊆ M eine Teilmenge einer Mannigfaltigkeit M . Eine Karte (U, x) um p ∈ N von M heißt Untermannigfaltigkeitskarte f¨ ur N der Dimension n ≤ m, falls
Ên × {0} ⊆ Êm (2.252) n n und das Bild aufgefaßt als Teilmenge in Ê offen ist. Hier wird Ê × {0} in der u ¨blichen Weise als Unterraum von Êm aufgefaßt, siehe Abbildung 2.9. x(U ∩ N ) ⊆
Gibt es zu jedem Punkt p ∈ N eine Untermannigfaltigkeitskarte um p, so heißt N Untermannigfaltigkeit von M . Die Zahl codim(N ) = m − n heißt Kodimension von N in M . Der Tangentialraum Tp N von p an N ist ein Untervektorraum von Tp M , den man beispielsweise dadurch erh¨alt, daß man nur solche Tangentialvektoren an M nimmt, die sich als Tangentialvektoren von Kurven in N schreiben lassen. Sei φ : M −→ N eine glatte Abbildung. Ein Punkt w ∈ N heißt regul¨arer Wert von φ, wenn f¨ ur alle Punkte p ∈ φ−1 ({w}) die Abbbildung Tp φ surjektiv ist. Insbesondere ist w ein regul¨ arer Wert, wenn w nicht im Bild liegt. i.) Zeigen Sie, daß eine Untermannigfaltigkeit N eine n-dimensionale Mannigfaltigkeit ist, indem Sie die Untermannigfaltigkeitskarten dazu verwenden, um einen Atlas f¨ ur N zu konstruieren. ii.) Sei w ∈ N ein regul¨ arer Wert von φ : M −→ N und sei φ−1 ({w}) ⊆ M nicht leer. Zeigen Sie, daß dann φ−1 ({w}) eine Untermannigfaltigkeit uckt durch die von M ist. Was ist die Dimension von φ−1 ({w}), ausgedr¨ Dimensionen von M und N ? Hinweis: Verwenden Sie den Satz vom lokal konstanten Rang.
2.4 Aufgaben
x
97
m n
U N M
n
Abb. 2.9. Untermannigfaltigkeitskarte
iii.) Zeigen Sie daß folgende Teilmengen von N Untermannigfaltigkeiten sind und geben Sie die Dimensionen an: (a) Die Sph¨ aren n ⊆ n+1 . 2 (b) Die invertierbaren n × n Matrizen GLn ( ) ⊆ n . (c) Die speziellen invertierbaren n × n Matrizen SLn ( ). (d) Die speziell orthogonalen Matrizen SO(n) sowie die speziellen pseudoorthogonalen Matrizen SO(n, m) bez¨ uglich des Skalarprodukt η = diag(+1, . . . , +1, −1, . . . , −1) der Signatur (n, m). (e) Die unit¨ aren Matrizen U(n) und die speziellen unit¨aren Matrizen SU(n). (f) Die symplektischen Matrizen Sp2n ( ). Hinweis: Finden Sie geeignete Abbildungen, so daß obige Teilmengen die Urbilder eines regul¨ aren Wertes sind.
Aufgabe 2.5 (Lie-Ableitung und a ¨ußere Ableitung). Sei H ∈ C ∞ (M ), ∞ ∗ ∞ 2 ∗ α ∈ Γ (T M ) und ω ∈ Γ (Λ T M ). Weiter seien X, Y, Z ∈ Γ∞ (T M ). Zeigen Sie mit Hilfe von Satz 2.2.24, daß durch die rechten Seiten folgender Gleichungen tats¨achlich Differentialformen definiert werden und daß sie mit den linken Seiten u ¨bereinstimmen: (LX α)(Y ) = X(α(Y )) − α([X, Y ]) (LX ω)(Y, Z) = X(ω(Y, Z)) − ω([X, Y ], Z) − ω(Y, [X, Z])
(2.253) (2.254)
(dH)(X) = X(H)
(2.255)
(dα)(X, Y ) = X(α(Y )) − Y (α(X)) − α([X, Y ])
(2.256)
(dω)(X, Y, Z) = X(ω(Y, Z)) + Y (ω(Z, X)) + Z(ω(X, Y )) − ω([X, Y ], Z) − ω([Y, Z], X) − ω([Z, X], Y )
(2.257)
98
2 Differentialgeometrische Grundlagen
Aufgabe 2.6 (Pull-back und push-forward von Vektorfeldern). Sei φ : M −→ N ein Diffeomorphismus. Sei weiterhin X ∈ Γ∞ (T M ) und Y ∈ Γ∞ (T N ). Bestimmen Sie explizit und punktweise den push-forward φ∗ X von X sowie den pull-back φ∗ Y von Y mit Hilfe der Tangentialabbildung Tp φ. Aufgabe 2.7 (Surjektive Submersionen). Betrachten Sie eine surjektive Submersion π : M −→ M ′ .
i.) Zeigen Sie, daß es f¨ ur jeden Punkt p ∈ M ′ eine offene Umgebung U ⊆ M ′ und eine glatte Abbildung σ : U −→ M mit π ◦ σ = idU gibt. Hinweis: Satz vom lokal konstanten Rang, Aufgabe 2.3. ii.) Zeigen Sie, daß eine Abbildung φ : M ′ −→ N in eine weitere Mannigfaltigkeit N genau dann glatt ist, wenn φ ◦ π : M −→ N glatt ist.
Bemerkung: Dieses Kriterium f¨ ur die Glattheit von Abbildungen wird sich als sehr wichtig f¨ ur den Fall erweisen, daß M ′ = M/G der Quotientenraum einer netten (beispielsweise freien und eigentlichen) Gruppenwirkung einer Lie-Gruppe G auf M ist, siehe dazu auch Abschnitt 3.3.1. Aufgabe 2.8 (φ-verwandte Vektorfelder). Im allgemeinen kann man mit einer beliebigen glatten Abbildung φ : M −→ N Vektorfelder weder von M nach N noch zur¨ uck transportieren. Aus diesem Grunde nennt man Vektorfelder X ∈ Γ∞ (T M ) und Y ∈ Γ∞ (T N ) φ-verwandt (oder φ-bezogen), wenn punktweise Tp φ (Xp ) = Yφ(p) (2.258) f¨ ur alle p ∈ M gilt. Man schreibt in diesem Fall auch X ∼φ Y . i.) Begr¨ unden Sie, warum man bei gegebenem X durch die linke Seite von (2.258) im allgemeinen kein Vektorfeld auf N definieren kann. ii.) Zeigen Sie, daß f¨ ur X ∼φ Y und X ′ ∼φ Y ′ und α, β ∈
Ê
αX + βX ′ ∼φ αY + βY ′
(2.259)
[X, X ′ ] ∼φ [Y, Y ′ ]
(2.260)
sowie gilt. Hinweis: Es gen¨ ugt, die Definition eines Tangentialvektors und die punktweise Definition von T φ zu verwenden.
Ê
Aufgabe 2.9 (Das Poincar´ e-Lemma). Sei ξ ∈ Γ∞ (T n ) das EulerVektorfeld ξ(x) = x, wobei hier wie im folgenden der Tangentialraum Tx n bei x mit n identifiziert werde. Sei weiter α : × n −→ n definiert durch
Ê
Ê Ê
α : (t, x) → α(t, x) = αt (x) = tx.
Ê
Ê
(2.261)
2.4 Aufgaben
99
i.) Berechnen Sie den Fluß zu ξ und zeigen Sie so, daß d ∗ 1 αt = α∗t Lξ dt t
(2.262)
f¨ ur t = 0. Da die linke Seite offenbar auch f¨ ur t = 0 definiert ist, liefert dies eine Fortsetzung der rechten Seite f¨ ur t = 0. Hinweis: Es gen¨ ugt, Funktionen zu betrachten, da die ¨außere Ableitung mit jedem pull-back vertauscht. Somit kann man das u ¨ bliche Argument mit den lokalen Erzeugenden der Differentialformen anwenden. ur alle t und zeigen Sie ii.) Berechnen Sie Tx αt f¨ 1 ∗ αt (iξ ω) (· · · ) = tk−1 ω (x, · · · ). t x tx
(2.263)
Da die rechte Seite auch f¨ ur t = 0 definiert ist, liefert dies eine Fortsetzung der linken Seite f¨ ur t = 0. iii.) Definieren Sie nun den Homotopie-Operator h : Ωk ( n ) −→ Ωk−1 ( n ) durch 1 1 ∗ h(ω) = αt (iξ ω)dt (2.264) 0 t
Ê
Ê
und zeigen Sie, daß
hdω + dhω = ω − α∗0 ω.
(2.265)
Die Integration ist so zu verstehen, daß man zuerst punktweise auf k − 1 Tangentialvektoren auswertet und dann die verbleibende t-abh¨angige Funktion integriert. Hinweis: Hauptsatz der Differential- und Integralrechnung und CartanFormel. iv.) Bestimmen Sie α∗0 ω und berechnen Sie so die deRham-Kohomologie von n in allen Formengraden. Zeigen Sie so das Poincar´e-Lemma und insbesondere Korollar 2.3.26.
Ê
Ê
Ê
∈ Γ∞ (T 3 ) ein Vektorfeld im Aufgabe 2.10 (div-rot-grad im 3 ). Sei A ∂ 3 i mit Komponenten A(x) = A (x)ei , wobei ei = ∂x i die Koordinaten1 vektorfelder der kanonischen globalen Koordinaten x , x2 , x3 sind. Durch die Definition A(x) = Ai (x)dxi mit Ai (x) = Ai (x) (2.266)
Ê
eine Einsform A ∈ Γ∞ (T ∗ k¨ onnen Sie jedem Vektorfeld A
Ê
Ê3) zuordnen.
i.) Zeigen Sie, daß die Zuordnung (2.266) eine C ∞ ( 3 )-lineare Bijektion ist. eine Finden Sie eine entsprechende Bijektion, die jedem Vektorfeld B Zweiform B zuordnet. Dies ist (nur) in drei Dimensionen m¨oglich. Finden Sie weiter eine m¨ oglichst kanonische“ C ∞ ( 3 )-lineare Bijektion von ” ∞ 3 ∞ 3 ∗ 3 ). Hier bestehen gewisse Freiheiten bei der Wahl C ( ) und Γ (Λ T von Vorzeichen.
Ê
Ê
Ê
100
2 Differentialgeometrische Grundlagen
ii.) Zeigen Sie, daß der Gradient grad f einer Funktion f unter den obigen Bijektionen gerade dem Differential df entspricht. W¨ahlen Sie die Vorzei gerade der ¨außeren Ableitung chen geschickt, so daß die Rotation rot A der ¨ dA und ebenso die Divergenz div B außeren Ableitung dB entspricht. Folgern Sie so, daß div ◦ rot = 0
und
rot ◦ grad = 0.
(2.267)
iii.) Zeigen Sie, daß jedes auf 3 glatte rotationsfreie Vektorfeld ein Gradientenfeld und jedes glatte divergenzfreie Vektorfeld die Rotation eines anderen Vektorfeldes ist. Benutzen Sie die explizite Homotopie h aus Auf explizit ein Vektorpotential A zu gabe 2.9, um zu einem Magnetfeld B konstruieren. Aufgabe 2.11 (Polynomiale Differentialformen). Betrachten Sie einen n-dimensionalen reellen Vektorraum V als differenzierbare Mannigfaltigkeit und die Differentialformen Ω• (V ) auf V . Sei weiter e1 , . . . , en eine Basis von V und e1 , . . . , en die duale Basis von V ∗ . i.) Zeigen Sie, daß als
-gradierte C ∞(V )-Moduln auf kanonische Weise Ω• (V ) ∼ = C ∞ (V ) ⊗ Λ• (V ∗ )
(2.268)
∞
gilt, wobei die C (V )-Modulstruktur der rechten Seite einfach durch Multiplikation im ersten Tensorfaktor gegeben ist, indem Sie Tensoren in Λ• (V ∗ ) als konstante Differentialformen auf V interpretieren. ii.) Eine Differentialform ω ∈ Ωk (V ) heißt polynomial, wenn die Koeffizientenfunktionen von ω bez¨ uglich der kanonischen Basis ei1 ∧· · ·∧eik polynomial sind. Diese Definition h¨ angt offenbar nicht von der Wahl der Basis von V ab (warum?). Die polynomialen Differentialformen seien mit Ω•pol (V ) bezeichnet. Zeigen Sie, daß unter obigem Isomorphismus (2.268) gilt, daß Ω•pol (V ) ∼ = S• (V ∗ ) ⊗ Λ• (V ∗ ),
(2.269)
wobei der erste Grad der rechten Seite dem Polynomgrad entspricht. Zeigen Sie, daß dem ∧-Produkt der Differentialformen folgendes Produkt (f ⊗ α)(g ⊗ β) = (f ∨ g) ⊗ (α ∧ β)
(2.270)
in S• (V ∗ ) ⊗ Λ• (V ∗ ) entspricht, wobei f, g ∈ S• (V ∗ ), α, β ∈ Λ• (V ∗ ) und (2.270) bilinear fortgesetzt sei. Hinweis: Verwenden Sie Aufgabe 2.1, Teil viii.). iii.) Zeigen Sie, daß sich der Operator δ(f ⊗ α) = is (ei )f ⊗ ei ∧ α
(2.271) •
∗
•
linear zu einem basisunabh¨ angigen Operator δ : S (V ) ⊗ Λ (V ∗ ) −→ •−1 ∗ •+1 ∗ ullt. Zeigen Sie weiter, daß δ S (V ) ⊗ Λ (V ) fortsetzt und δ 2 = 0 erf¨ eine Superderivation des Produkts (2.270) vom antisymmetrischen Grad +1 ist. Welchem Operator entspricht δ unter dem Isomorphismus (2.269)?
2.4 Aufgaben
101
iv.) Definieren Sie analog den Operator δ ∗ (f ⊗ α) = ei ∨ f ⊗ ia (ei )α,
(2.272)
und zeigen Sie, daß δ ∗ eine Superderivation vom antisymmetrischen Grad −1 ist und (δ ∗ )2 = 0 erf¨ ullt. Betrachten Sie weiter die Grad-Derivationen degs und dega , welche durch lineare Fortsetzung von degs (f ⊗ α) = kf ⊗ α
und
dega (f ⊗ α) = ℓf ⊗ α
festgelegt sind, wobei f ⊗ α ∈ Sk (V ∗ ) ⊗ Λℓ (V ∗ ). v.) Zeigen Sie, daß δδ ∗ + δ ∗ δ = degs + dega .
(2.273)
(2.274)
als Projektion auf den Anteil vi.) Definieren Sie σ : S• (V ∗ ) ⊗ Λ• (V ∗ ) −→ mit symmetrischem und antisymmetrischem Grad 0. Definieren Sie weiter den Operator δ −1 durch lineare Fortsetzung von 0 falls k = 0 = ℓ −1 δ (f ⊗ α) = (2.275) 1 ∗ k+ℓ δ (f ⊗ α) falls k + ℓ = 0, wobei degs f = kf und dega α = ℓα. Zeigen Sie damit die Gleichung δδ −1 + δ −1 δ + σ = id,
(2.276)
und folgern Sie das Poincar´e-Lemma f¨ ur polynomiale Differentialformen: Ist ω eine geschlossene polynomiale ℓ-Form mit ℓ > 0, so gibt es eine polynomiale (ℓ − 1)-Form μ mit dμ = ω. vii.) Vergleichen Sie (2.276) mit der Homotopie h in Aufgabe 2.9 unter Verwendung des Isomorphismus (2.269). Aufgabe 2.12 (Das M¨ obius-Band). Basteln Sie aus einem langen und schmalen Streifen Papier ein M¨ obius-Band.
i.) Interpretieren Sie dieses als Geradenb¨ undel u ¨ber 1 und zeichnen Sie den Nullschnitt ein. Zeichnen Sie ebenfalls die Fasern ein und machen Sie sich so klar, wieso das M¨ obius-Band ein nichttrivales Geradenb¨ undel ist. ii.) Benutzen Sie nun einige kreisf¨ ormige Papierscheiben, deren Durchmesser gleich der Breite des M¨ obius-Bandes ist, und schneiden Sie jene l¨angs eines Radius ein. Stecken Sie sie auf das M¨ obius-Band und visualisieren Sie so, daß das M¨ obius-Band als Unterb¨ undel eines trivialen Vektorb¨ undels mit 1 ber aufgefaßt werden kann. Zeichnen Sie schließtypischer Faser 2 u ¨ lich das punktweise in 1 gebildete orthogonale Komplement des M¨obiusundel ein und argumentieren Sie so, daß das KomBandes in dem 2 -B¨ plement selbst wieder ein M¨ obius-Band ist. iii.) Fassen Sie nun das M¨ obius-Band als eine nichtkompakte zweidimensionale Mannigfaltigkeit auf. Zeichnen Sie in Ihr Modell die Definitionsbereiche von zwei Karten ein, so daß diese einen Atlas bilden.
102
2 Differentialgeometrische Grundlagen
iv.) Argumentieren Sie graphisch mit Ihrem Modell, daß das M¨obius-Band als Mannigfaltigkeit nicht orientierbar ist. Zeichnen Sie hierzu in Ihrem Atlas die Koordinatenlinien ein und argumentieren Sie, wieso es keine Redefinition der Karten gibt, welche eine positive Jacobi-Determinante des Kartenwechsels erm¨ oglicht. Aufgabe 2.13 (Der zur¨ uckgezogene Zusammenhang). Betrachten Sie zun¨ achst ein Vektorb¨ undel F −→ N u ¨ber N mit Faserdimension k und eine glatte Abbildung φ : M −→ N . Sei weiter E = φ# F −→ M das mit φ nach M zur¨ uckgezogene Vektorb¨ undel. Sei nun eine kovariante Ableitung ∇F ∞ f¨ ur F gegeben. Sind eα ∈ Γ (F V ), α = 1, . . . k, auf V ⊆ N definierte, lokale Basisvektorfelder von F , so sind die Zusammenhangseinsformen Aβα ∈ Γ∞ (T ∗ V ) durch (2.277) ∇X eα = Aβα (X)eβ definiert. Umgekehrt liefert die Vorgabe von Zusammenhangseinsformen Aβα auf V lokal einen Zusammenhang (wie?).
i.) Bestimmen Sie das Transformationsverhalten der Zusammenhangseinsformen unter einem Basiswechsel“. ” Anleitung: Seien also e˜γ ∈ Γ∞ (F V˜ ), γ = 1, . . . , k auf V˜ definierte, lokale Basisvektorfelder mit auf V˜ definierten Zusammenhangseinsformen A˜δγ . Zeigen Sie zun¨ achst, daß es eine Matrix von lokal auf V ∩ V˜ definierten γ Funktionen Φα ∈ C ∞ (V ∩ V˜ ) mit eα = Φγα e˜γ gibt, wobei die Matrix (Φγα ) invertierbar ist. Zeigen Sie so, daß Aβα (X) = (Φ−1 )βγ (dΦγα )(X) + (Φ−1 )βδ A˜δγ (X)Φγα
(2.278)
gilt, was man kurz in Matrixschreibweise als ˜ A = Φ−1 (dΦ) + Φ−1 AΦ
(2.279)
schreibt. ii.) Zeigen Sie umgekehrt, daß die Angabe von lokalen Einsformen Aβα auf V bez¨ uglich von Basisvektorfeldern eα einen globalen Zusammenhang definiert, falls die V ’s ganz N u ¨berdecken und die A’s sich bei Basiswechsel gem¨ aß (2.279) transformieren. iii.) Betrachten Sie nun die Kr¨ ummungszweiformen B(X, Y )βα , welche durch R(X, Y )eα = B(X, Y )βα eβ ,
(2.280)
definiert werden, wobei R ∈ Γ∞ (Λ2 T ∗ N ⊗End(F )) den Kr¨ ummungstensor von ∇ darstellt. Zeigen Sie, daß die Kr¨ ummungszweiformen Bαβ durch uckt die Zusammenhangseinsformen Aβα und deren Differentiale ausgedr¨ werden k¨ onnen (2.281) Bαβ = dAβα + Aβγ ∧ Aγα , also kurz B = dA + A ∧ A. Zeigen Sie so die Bianchi-Identit¨at
2.4 Aufgaben
dB = [B, A],
103
(2.282)
wobei der Matrixkommutator bez¨ uglich des ∧-Produkts zu nehmen ist. iv.) Betrachten Sie nun das zur¨ uckgezogene B¨ undel. Zeigen Sie, daß die zur¨ uckgezogenen Schnitte φ# eα auf φ−1 (V ) lokale Basisvektorfelder von φ# F bilden und dr¨ ucken Sie den Basiswechsel zwischen φ# eα und φ# e˜γ durch die Matrix Φ aus. v.) Zeigen Sie, daß die Definition α # α ∗ β # ∇# Y s = (L Y s )φ eα + s (φ Aα )(Y )φ eβ ,
Y ∈ Γ∞ (T M ) (2.283) lokal einen Zusammenhang ∇# auf U = φ−1 (V ) von E = φ# F definiert, wobei s = sα φ# eα die lokale Darstellung eines beliebigen Schnittes bez¨ uglich der zur¨ uckgezogenen Basisvektorfelder φ# eα ist. Betrachten Sie explizit einen Basiswechsel und zeigen Sie so, daß ∇# tats¨achlich global erkl¨ art ist, also nicht von der Wahl der lokalen Basisvektorfelder eα abh¨angt uckgezogenen und somit einen global erkl¨ arten Zusammenhang ∇# , den zur¨ # Zusammenhang, von φ F definiert. vi.) Berechnen Sie die Zusammenhangseinsformen und die Kr¨ ummungszweiformen des zur¨ uckgezogenen Zusammenhangs bez¨ uglich der zur¨ uckgezogenen Basisvektorfelder. Was f¨ allt auf? mit
Aufgabe 2.14 (Torsion und torsionsfreie Zusammenh¨ ange). Sei ∇ eine kovariante Ableitung f¨ ur das Tangentenb¨ undel T M und Tor(X, Y ) = ∇X Y − ∇Y X − [X, Y ] die Torsion von ∇. Seien weiter in einer lokalen Karte (U, x) die Christoffel-Symbole Γijk von ∇ durch ∇
∂ ∂xi
∂ ∂ = Γijk k ∂xj ∂x
(2.284)
definiert. i.) Zeigen Sie, daß die Torsion von ∇ ein Tensorfeld Tor ∈ Γ∞ (Λ2 T ∗ M ⊗T M ) ist, indem Sie Satz 2.2.24 verwenden. ii.) Bestimmen Sie die Koeffizientenfunktionen Tijk des Torsionstensors in Abh¨ angigkeit der Christoffel-Symbole. Welche Eigenschaft der ChristoffelSymbole kennzeichnet also eine torsionsfreie kovariante Ableitung? X Y = ∇X Y − 1 Tor(X, Y ) eine torsionsfreie kovariante iii.) Zeigen Sie, daß ∇ 2 Ableitung ist. iv.) Sei nun ∇ torsionsfrei. Setzen Sie ∇ wie u undel u ¨ blich auf alle Tensorb¨ ¨ ber M fort und betrachten Sie insbesondere die antisymmetrischen Differentialformen. Zeigen Sie, daß dxi ∧ ∇
∂ ∂xi
α = dα
(2.285)
f¨ ur alle α ∈ Γ∞ (Λ• T ∗ M ), indem Sie die Derivationseigenschaften beider Seiten ausnutzen und die Identit¨ at auf Funktionen und Einsformen nachpr¨ ufen.
104
2 Differentialgeometrische Grundlagen
v.) Zeigen Sie: Ist ∇ torsionsfrei und ω ∈ Γ∞ (Λ• T ∗ M ) eine kovariant konstante Differentialform ∇ω = 0, so ist ω geschlossen. vi.) Sei R der Kr¨ ummungstensor eines torsionsfreien Zusammenhangs ∇. Zeigen Sie die (erste) Bianchi-Identit¨at R(X, Y )Z + R(Y, Z)X + R(Z, X)Y = 0 f¨ ur X, Y, Z ∈ Γ∞ (T M ).
(2.286)
3 Symplektische Geometrie
In der symplektischen Geometrie werden die f¨ ur die Hamiltonsche Mechanik relevanten Eigenschaften des Phasenraumes 2n geometrisch gedeutet und entsprechend verallgemeinert. Dazu werden wir in diesem Kapitel zun¨achst die Grundlagen der symplektischen Geometrie diskutieren und allgemeine symplektische Mannigfaltigkeiten als Phasenr¨aume betrachten. Der zentrale Begriff ist dabei die symplektische Form, aus dem alle weiteren Begriffe wie Hamiltonsche Vektorfelder und Poisson-Klammern erhalten werden. Das Darboux-Theorem wird schließlich zeigen, daß jede symplektische Mannigfaltigkeit zumindest lokal so aussieht wie unser Beispiel 2n . In einem zweiten Abschnitt diskutieren wir die f¨ ur die Physik besonders wichtigen Beispiele. Zuerst sind dabei die Kotangentenb¨ undel mit ihrer kanonischen symplektischen Struktur zu nennen. Diese erfahren ihre physikalische Deutung als Phasenr¨ aume von Teilchen, die sich in einem beliebigen Konfigurationsraum bewegen. Hier l¨ aßt sich die Beziehung von Lagrangescher und Hamiltonscher Mechanik auf einfache geometrische Weise verstehen. Die zweite große Beispielklasse sind die K¨ ahler-Mannigfaltigkeiten, welche sp¨ater insbesondere in der Quantisierung besondere Aufmerksamkeit verdienen. Abschließend diskutieren wir in diesem Kapitel die Beziehungen von Symmetrien und Erhaltungsgr¨ oßen in der Hamiltonschen Mechanik, wobei der Begriff der symplektischen Gruppenwirkung und der Impulsabbildung im Vordergrund stehen werden. So erh¨ alt man zum einen eine geometrische Version des wohlbekannten Noether-Theorems, zum anderen einen ersten Zugang zur Theorie der Phasenraumreduktion. Als weiterf¨ uhrende Literatur seien vor allem [1, 11, 72, 149, 221, 231, 259, 275, 301] genannt.
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3.1 Symplektische Mannigfaltigkeiten als Phasenr¨ aume Der Begriff der symplektischen Mannigfaltigkeit verallgemeinert die symplektische Struktur ω0 des Phasenraumes 2n und stellt die Geometrie, die der Hamiltonschen Mechanik zugrundeliegt, in ein klareres Licht.
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106
3 Symplektische Geometrie
3.1.1 Definitionen und erste Eigenschaften Wir beginnen mit dem grundlegenden Begriff einer symplektischen Mannigfaltigkeit: Definition 3.1.1 (Symplektische Mannigfaltigkeit). Eine symplektische Mannigfaltigkeit ist eine Mannigfaltigkeit M mit einer punktweise nichtausgearteten geschlossenen Zweiform ω ∈ Γ∞ (Λ2 T ∗ M ), der symplektischen Form.
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Unser bisheriges Beispiel eines Phasenraums, n¨amlich 2n , ist mit der kanonischen symplektischen Form ω0 = dq i ∧ dpi offenbar eine symplektische Mannigfaltigkeit. Die Bedeutung der Geschlossenheit von ω, also dω = 0,
(3.1)
wird im Laufe dieses Abschnitts klar werden. Als erste Motivation f¨ ur (3.1) mag die Tatsache dienen, daß im fundamentalen Beispiel 2n die kanonische symplektische Form ω0 konstant also insbesondere geschlossen ist, siehe Definition 1.2.6. Der Begriff konstant“ ist geometrisch nat¨ urlich nur in Bezug ” auf die globale Karte von 2n sinnvoll.
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Bemerkung 3.1.2. Notwendigerweise ist dim M = 2n gerade. Trotzdem gibt es 2n-dimensionale Mannigfaltigkeiten, die keine symplektische Form zulassen. Definition 3.1.3 (Symplektomorphismus). Ein Diffeomorphismus φ : M −→ N zwischen zwei symplektischen Mannigfaltigkeiten (M, ω) und (N, ω ′ ) heißt symplektisch (kanonische Transformation, Symplektomorphismus), falls φ∗ ω ′ = ω.
(3.2)
Es ist klar, daß die symplektischen Diffeomorphismen M −→ M eine Gruppe bilden. Diese wird als Symplektomorphismengruppe Sympl(M ) bezeichnet. Die infinitesimale Version von (3.2) liefert den Begriff des symplektischen Vektorfeldes: Definition 3.1.4. Ein Vektorfeld X ∈ Γ∞ (T M ) heißt symplektisch, falls LX ω = 0.
(3.3)
Proposition 3.1.5. Die symplektischen Vektorfelder bilden eine Lie-Unteralgebra von Γ∞ (T M ). Ist Φt der Fluß von X ∈ Γ∞ (T M ), so ist X genau dann symplektisch, wenn Φt : M −→ M f¨ ur alle t symplektisch ist. Beweis. Es gilt L[X,Y ] ω = LX LY ω − LY LX ω = 0, also ist [X, Y ] wieder symplektisch. Damit folgt die erste Behauptung. Weiter gilt f¨ ur symplektisches X d ∗ Φ ω = Φ∗t LX ω = 0, dt t ur also Φ∗t ω = Φ∗0 ω = ω. Ist umgekehrt Φ∗t symplektisch, so gilt also Φ∗t ω = ω f¨ alle t und damit d d LX ω = Φ∗t ω = ω = 0. dt t=0 dt t=0 ⊓ ⊔
3.1 Symplektische Mannigfaltigkeiten als Phasenr¨ aume
107
Der Satz von Liouville aus Abschnitt 1.2.2 l¨aßt sich folgendermaßen verallgemeinern: Proposition 3.1.6 (Satz von Liouville). Sei (M, ω) eine 2n-dimensionale symplektische Mannigfaltigkeit. Dann ist die 2n-Form Ω = ω ∧ · · · ∧ ω ∈ Γ∞ (Λ2n T ∗ M )
(3.4)
n-mal
eine nirgends verschwindende Volumenform, womit M orientierbar ist. Ist X ein symplektisches Vektorfeld beziehungsweise φ ∈ Sympl(M ) ein Symplektomorphismus, so gilt LX Ω = 0
beziehungsweise
φ∗ Ω = Ω.
(3.5) Beweis. Die Volumenform Ω p ist genau dann ungleich Null, wenn ω p nicht ausgeartet ist. Dies wird (implizit) in Aufgabe 1.5, Teil iii.), gezeigt und folgt auch leicht aus dem linearen Darboux-Theorem in Aufgabe 1.4. Mit ⊓ ⊔ den u ur LX und φ∗ ist (3.5) offensichtlich. ¨ blichen Rechenregeln f¨ Definition 3.1.7 (Liouville-Volumenform). Die Volumenform Ω = ω ∧ · · ·∧ω auf einer symplektischen Mannigfaltigkeit heißt Liouville-Volumenform. Da symplektische Mannigfaltigkeiten also immer orientierbar sind, verwenden wir die Liouville-Volumenform, um (M, ω) zu orientieren. In der Literatur sind auch andere Vorfaktoren bei der Definition von Ω gebr¨auchlich. Da ω nicht ausgeartet ist, l¨ aßt sich punktweise aus einem Vektorfeld X eine Einsform X ♭ bilden, indem man analog zu Lemma 1.2.5 X ♭ = iX ω
(3.6)
definiert. Dies liefert eine C ∞ (M )-lineare Abbildung ♭ : Γ∞ (T M ) −→ Γ∞ (T ∗ M ),
(3.7)
welche sogar eine Bijektion ist, da ω nicht ausgeartet ist. Die Umkehrabbildung von ♭ wird mit ♯ : Γ∞ (T ∗ M ) −→ Γ∞ (T M )
(3.8)
bezeichnet. In lokalen Koordinaten x1 , . . . , x2n gilt also mit ω=
1 ωij dxi ∧ dxj 2
(3.9)
und X = X k ∂x∂ k die Beziehung X ♭ = X k ωkj dxj .
(3.10)
108
3 Symplektische Geometrie
Die Indizes von X k werden also mit der Matrix ωkj heruntergezogen“. Mit ” ω ij wird die zu ωjk inverse Matrix bezeichnet, also ω ij ωjk = δki .
(3.11)
F¨ ur eine Einsform α = αi dxi folgt entsprechend α♯ = αi ω ij
∂ . ∂xj
(3.12)
Da das Hoch- und Runterziehen punktweise geschieht, erh¨alt man Vektorb¨ undelhomomorphismen zwischen den Vektorb¨ undeln T M und T ∗ M u ¨ ber der Identit¨ at idM , welche die entsprechenden Abbildungen zwischen den Schnitten gem¨ aß Abschnitt 2.2.3 induzieren. Wir fassen zusammen: Proposition 3.1.8. Sei (M, ω) symplektisch. Dann sind die Abbildungen ♭ : T M −→ T ∗ M
und
♯ : T ∗ M −→ T M
(3.13)
zueinander inverse Vektorb¨ undelisomorphismen, welche die zueinander inversen C ∞ (M )-linearen Isomorphismen ♭ : Γ∞ (T M ) −→ Γ∞ (T ∗ M )
und
♯ : Γ∞ (T ∗ M ) −→ Γ∞ (T M )
(3.14)
induzieren. Bemerkung 3.1.9. Die Isomorphismen ♭ und ♯ heißen auch musikalische Isomorphismen. F¨ ur ihre Definition und auch die folgenden gibt es (leider) zahllose Vorzeichenkonventionen. Die obige entspricht der aus [1]. Weitere Eigenschaften der musikalischen Isomorphismen werden in Aufgabe 3.2 diskutiert. 3.1.2 Hamiltonsche Vektorfelder und Poisson-Klammern
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Wie schon im 2n wollen wir nun zeigen, wie sich aus einer Hamilton-Funktion H ∈ C ∞ (M ) auf einer symplektischen Mannigfaltigkeit (M, ω) ein Vektorfeld gewinnen l¨ aßt, das Hamiltonsche Vektorfeld, mit dessen Hilfe dann die Hamiltonsche Zeitentwicklung formuliert werden soll. Es zeigt sich, daß auch in diesem geometrischen Rahmen die Funktionen C ∞ (M ) eine Poisson-Klammer besitzen, mit deren Hilfe die Zeitentwicklung ebenfalls beschrieben werden kann. Wir beginnen mit der Definition des Hamiltonschen Vektorfeldes: Definition 3.1.10 (Hamiltonsches Vektorfeld). Sei (M, ω) symplektisch und H ∈ C ∞ (M ). Das durch die Bedingung iXH ω = dH
(3.15)
eindeutig festgelegte Vektorfeld XH ∈ Γ∞ (T M ) heißt Hamiltonsches Vektorfeld zur Hamilton-Funktion H. Das Tripel (M, ω, XH ) heißt Hamiltonsches System. Der Fluß Φt zu XH heißt Hamiltonscher Fluß oder Hamiltonsche Zeitentwicklung zu H.
3.1 Symplektische Mannigfaltigkeiten als Phasenr¨ aume
109
Bemerkung 3.1.11 (Hamiltonsche Vektorfelder). achlich eindeutig durch (3.15) bei.) Da ω nicht ausgeartet ist, ist XH tats¨ stimmt. Es gilt offenbar XH = (dH)♯ . ii.) Ist M zusammenh¨ angend und H, H ′ ∈ C ∞ (M ) mit XH = XH ′ , so gilt ′ dH = dH und daher H ′ = H + const . Die Hamilton-Funktion zu einem Hamiltonschen Vektorfeld ist also bis auf eine Konstante eindeutig bestimmt. Interpretiert man wie u ¨ blich die Hamilton-Funktion als Energiefunktion, so entspricht dies gerade der Freiheit bei der Wahl des Energienullpunkts. ¨ iii.) Es ist eine kleine Ubung, zu zeigen, daß diese Definitionen im Fall 2n , ω0 ) die in Abschnitt 1.2 bereits definierten Begriffe reproduzieren. (
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Bis jetzt wurde die Geschlossenheit von ω nicht benutzt; die obigen Definitionen nehmen nur auf die Nichtausgeartetheit von ω Bezug. Dies ¨andert sich im folgenden Satz: Satz 3.1.12. Sei (M, ω) symplektisch. i.) Ein Hamiltonsches Vektorfeld XH ist symplektisch LXH ω = 0.
(3.16)
ii.) Jedes symplektische Vektorfeld ist lokal Hamiltonsch. iii.) Die Lie-Klammer von zwei symplektischen Vektorfeldern X, Y ist Hamiltonsch (3.17) i[X,Y ] ω = −d(ω(X, Y )), n¨amlich mit Hamilton-Funktion −ω(X, Y ). iv.) Ein Vektorfeld X ∈ Γ∞ (T M ) ist genau dann symplektisch, wenn LX XH = [X, XH ] = XLX H
(3.18)
f¨ ur alle H ∈ C ∞ (M ). v.) Ein Diffeomorphismus φ : M −→ M ist genau dann symplektisch, wenn φ∗ XH = Xφ∗ H
(3.19)
f¨ ur alle H ∈ C ∞ (M ). Beweis. Mit dem in Kapitel 2 entwickelten Kalk¨ ul l¨aßt sich dieser Satz koordinatenfrei beweisen: ad i.) LXH ω = iXH dω + d iXH ω = 0 + ddH = 0. ad ii.) Sei X symplektisch. Dann gilt 0 = LX ω = iX dω +d iX ω = d iX ω. Also ist iX ω ∈ Ω1 (M ) geschlossen und nach dem Poincar´e-Lemma (Satz 2.3.25) lokal exakt, also von der Form iX ω U = dH mit H ∈ C ∞ (U ). Damit ist aber X U = XH . Global muß dies jedoch nicht notwendigerweise der Fall sein. ad iii.) Sei LX ω = 0 = LY ω. Dann gilt mit der Cartan-Formel und dω = 0 die Gleichung
110
3 Symplektische Geometrie
i[X,Y ] ω = LX iY ω − iY LX ω
= (d iX + iX d) iY ω − 0 = −d(ω(X, Y )) + iX (d iY + iY d)ω − iX iY dω = −d(ω(X, Y )) + iX LY ω − 0 = −d(ω(X, Y )) + 0,
womit (3.17) bewiesen ist. ad iv.) Die Hamiltonschen Vektorfelder spannen an jedem Punkt p ∈ M den Tangentialraum Tp M auf, da die Einsformen dH f¨ ur H ∈ C ∞ (M ) den Ko∗ ∗ tangentialraum Tp M aufspannen und ♯ : Tp M −→ Tp M ein Vektorraumisomorphismus ist. Daher gen¨ ugt es, Identit¨ aten f¨ ur Formen auf Hamiltonschen Vektorfeldern nachzupr¨ ufen. Von dieser Argumentation werden wir im folgenden gelegentlich Gebrauch machen, ohne dies jedesmal zu erw¨ahnen. Wir berechnen f¨ ur beliebiges Y (LX ω)(XH , Y ) = X(ω(XH , Y )) − ω([X, XH ], Y ) − ω(XH , [X, Y ]) = X(dH(Y )) − ω([X, XH ], Y ) − (dH)([X, Y ])
= (LX dH)(Y ) + (dH)([X, Y ]) − ω([X, XH ], Y ) − (dH)([X, Y ]) = (d LX H)(Y ) − (i[X,XH ] ω)(Y ) = (iXLX H ω)(Y ) − (i[X,XH ] ω)(Y ) = ω(XLX H − [X, XH ], Y ).
Damit folgt die Behauptung, da ω nichtausgeartet und Y beliebig ist. ad v.) Im wesentlichen ist dies die globale Version von Teil iv.). Es gilt φ∗ (ω(XH , Y )) = (φ∗ ω)(φ∗ XH , φ∗ Y ) und andererseits φ∗ (ω(XH , Y )) = φ∗ (dH(Y )) = (dφ∗ H)(φ∗ Y ) = ω(Xφ∗ H , φ∗ Y ), also insgesamt ω(Xφ∗ H , φ∗ Y ) = (φ∗ ω)(φ∗ XH , φ∗ Y ) f¨ ur alle Vektorfelder Y ∈ Γ∞ (T M ) und H ∈ C ∞ (M ). Ist nun φ∗ ω = ω, so folgt φ∗ XH = Xφ∗ H , da ω nichtausgeartet ist. Ist umgekehrt φ∗ XH = Xφ∗ H f¨ ur alle H, so gilt φ∗ ω = ω, da die Hamiltonschen Vektorfelder an jedem Punkt den Tangentialraum aufspannen. ⊓ ⊔ Bemerkung 3.1.13 (Satz von Liouville). Da Hamiltonsche Vektorfelder symplektisch sind, gilt f¨ ur sie und ihre Fl¨ usse insbesondere der Liouvillesche Satz, also LXH Ω = 0 beziehungsweise Φ∗t Ω = Ω. Fundamental f¨ ur die physikalische Interpretation einer symplektischen Mannigfaltigkeit M als Phasenraum ist die Poisson-Klammer von M .
3.1 Symplektische Mannigfaltigkeiten als Phasenr¨ aume
111
Definition 3.1.14 (Poisson-Klammer). Sei (M, ω) symplektisch. Dann ist die Poisson-Klammer {f, g} von f, g ∈ C ∞ (M ) durch {f, g} = ω(Xf , Xg )
(3.20)
definiert. Den Namen Poisson-Klammer“ tr¨ agt (3.20) zu Recht. Zum einen zeigt ” man leicht, daß (3.20) im Fall ( 2n , ω0 ) tats¨achlich die kanonische PoissonKlammer aus Definition 1.3.8 reproduziert. Im allgemeinen zeigt folgender Satz, daß (3.20) alle Eigenschaften der kanonischen Poisson-Klammer besitzt. Hierbei ist es durchaus illustrativ, den differentialgeometrischen Beweis mit den wenig erhellenden Rechnungen in lokalen Koordinaten wie etwa in [140] zu vergleichen.
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Satz 3.1.15. Sei (M, ω) symplektisch. i.) Die Poisson-Klammer (3.20) macht C ∞ (M ) zu einer Poisson-Algebra. Es gilt (3.21) {f, g} = (df )(Xg ) = Xg f sowie [Xf , Xg ] = −X{f,g} .
(3.22)
LX {f, g} = {LX f, g} + {f, LX g}
(3.23)
ii.) Ein Vektorfeld X ∈ Γ∞ (T M ) ist genau dann symplektisch, wenn
f¨ ur alle f, g ∈ C ∞ (M ). iii.) Ein Diffeomorphismus φ : M −→ M ist genau dann symplektisch, wenn φ∗ {f, g} = {φ∗ f, φ∗ g}
(3.24)
f¨ ur alle f, g ∈ C ∞ (M ). Beweis. Wieder erfolgt der Beweis durch einfaches und koordinatenfreies Nachrechnen: ad i.) Antisymmetrie und Bilinearit¨ at von (3.20) sind klar, ebenso {f, g} ∈ C ∞ (M ). Die Gleichung (3.21) folgt direkt aus der Definition 3.1.10 von Xf . Damit folgt auch unmittelbar die Leibniz-Regel in jedem Argument von {·, ·}, da Xg beziehungsweise Xf Derivationen von C ∞ (M ) sind. Gleichung (3.22) ist eine einfache Konsequenz von (3.18), denn [Xf , Xg ] = XLXf
g
= Xdg(Xf ) = −X{f,g} .
Damit folgt {f, {g, h}} = X{g,h} f = −[Xg , Xh ]f
112
3 Symplektische Geometrie
= −Xg Xh f + Xh Xg f
= −Xg {f, h} + Xh {f, g} = −{{f, h}, g} + {{f, g}, h},
also die Jacobi-Identit¨ at. ad ii.) Sei X ∈ Γ∞ (T M ) und f, g ∈ C ∞ (M ). Dann gilt X{f, g} = X(ω(Xf , Xg )) = (LX ω)(Xf , Xg ) + ω([X, Xf ], Xg ) + ω(Xf , [X, Xg ]).
(∗)
Andererseits gilt dX(f ) = d LX f = LX df = LX iXf ω = iXf LX ω + iLX Xf ω, und ausgewertet auf dem Vektorfeld Xg liefert dies die Beziehung {X(f ), g} = (dX(f ))(Xg ) = (LX ω)(Xf , Xg ) + ω([X, Xf ], Xg ).
(∗∗)
Nach Vertauschen von f und g sowie unter Verwendung der Antisymmetrie von ω liefern (∗) und (∗∗) schließlich die Beziehung X{f, g} − {X(f ), g} − {f, X(g)} = −(LX ω)(Xf , Xg ).
(3.25)
Da die Hamiltonschen Vektorfelder punktweise jeden Tangentialraum aufspannen, folgt die Behauptung. ad iii.) Sei nun φ : M −→ M ein Diffeomorphismus. Ist φ symplektisch, so gilt φ∗ Xf = Xφ∗ f nach (3.19) und damit φ∗ {f, g} = φ∗ ((df )(Xg )) = (dφ∗ f )(φ∗ Xg ) = (dφ∗ f )(Xφ∗ g ) = {φ∗ f, φ∗ g}, also (3.24). Ist umgekehrt (3.24) g¨ ultig f¨ ur alle f, g ∈ C ∞ (M ), so folgt ω(Xφ∗ f , Xφ∗ g ) = {φ∗ f, φ∗ g} = φ∗ {f, g} = (φ∗ df )(φ∗ Xg ) = (dφ∗ f )(φ∗ Xg ) = ω(Xφ∗ f , φ∗ Xg ),
also ω(Xφ∗ f , Xφ∗ g − φ∗ Xg ) = 0. Damit folgt Xφ∗ g = φ∗ Xg , da ω nichtausgeartet ist und die Hamiltonschen Vektorfelder Xf punktweise jeden Tangentialraum aufspannen. Aufgrund von Satz 3.1.12 ist dies aber gleichbedeutend ⊓ ⊔ mit φ∗ ω = ω. Als geometrisches Analogon und Verallgemeinerung von Satz 1.3.11 erh¨alt man folgende Struktur f¨ ur die Hamiltonsche Zeitentwicklung: Folgerung 3.1.16. Ist (M, ω, XH ) ein Hamiltonsches System auf (M, ω) mit Hamilton-Funktion H ∈ C ∞ (M ), so liefern die Hamiltonschen Bewegungsgleichungen (3.26) γ(t) ˙ = XH (γ(t))
3.1 Symplektische Mannigfaltigkeiten als Phasenr¨ aume
113
eine Einparametergruppe von symplektischen Diffeomorphismen, die Hamiltonsche Zeitentwicklung Φt : M −→ M , so daß f¨ ur eine beliebige Observable f ∈ C ∞ (M ) d ∗ Φ f = {Φ∗t f, H} (3.27) dt t gilt. Insbesondere ist H selbst eine Erhaltungsgr¨oße und f ist genau dann erhalten, wenn {f, H} = 0. Mit f und g ist auch {f, g} erhalten. Weiter ist der pull-back (3.28) Φ∗t : C ∞ (M ) −→ C ∞ (M ) eine Einparametergruppe von Poisson-Automorphismen.
Beweis. Es ist bereits gezeigt worden, daß Φt eine Einparametergruppe von symplektischen Diffeomorphismen ist, siehe Satz 3.1.12, Teil i.) und Proposition 3.1.5. Nach Satz 3.1.15, Teil iii.) ist Φ∗t eine Einparametergruppe von Poisson-Automorphismen von C ∞ (M ). Gleichung (3.27) folgt mit (2.163) und d ∗ Φt f = LXH Φ∗t f = {Φ∗t f, H}. Damit folgt insbesondere (2.165) sofort, denn dt d ∗ d ∗ ∗ ∗ ∗ dt Φt H = 0, da dt Φt H = Φt L XH H = Φt {H, H} = 0. Da Φt ein PoissonAutomorphismus ist, folgt aus (3.27) auch, daß f genau dann erhalten ist, wenn {f, H} = 0. Die Jacobi-Identit¨ at liefert sofort, daß {f, g} erhalten ist, sofern f und g erhalten sind. ⊓ ⊔ 3.1.3 Das Darboux-Theorem
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n Bis jetzt ist M = 2n mit ω0 = i=1 dq i ∧ dpi unser einziges Beispiel einer symplektischen Mannigfaltigkeit. Bevor wir im n¨achsten Abschnitt eine F¨ ulle von Beispielen diskutieren werden, zeigt das Darboux-Theorem, daß lokal jede symplektische Mannigfaltigkeit (M, ω) so aussieht wie eine offene Teilmenge von ( 2n , ω0 ). Um diesen Satz beweisen zu k¨onnen, ben¨otigt man einige Eigenschaften von zeitabh¨angigen Vektorfeldern und ihren Zeitentwicklungen, welche auch von unabh¨ angigem Interesse sind.
Ê
Definition 3.1.17 (Zeitabh¨ angiges Vektorfeld). Ein zeitabh¨angiges Vektorfeld auf M ist eine glatte Abbildung
wobei J ⊆
X : J × M −→ T M,
(3.29)
π ◦ X = pr2 ,
(3.30)
Ê ein offenes Intervall ist, so daß
wobei pr2 : J × M −→ M die Projektion ist. F¨ ur (t, p) ∈ J × M schreibt man X(t, p) = Xt (p) ∈ Tp M.
(3.31)
Eine lokale Integralkurve γ : I ⊆ J −→ M von X ist eine Kurve mit γ(t) ˙ = X(t, γ(t)). Hier ist I ⊆ J ein offenes Teilintervall.
(3.32)
114
3 Symplektische Geometrie
Man kann die zeitabh¨ angige gew¨ ohnliche Differentialgleichung (3.32) immer auf eine zeitunabh¨ angige zur¨ uckf¨ uhren, f¨ ur deren L¨osungstheorie man dann den Satz von Picard-Lindel¨ of zu Rate ziehen kann. Dies erreicht man durch Hinzunahme eines weiteren Parameters, wie dies auch schon im lokalen Fall von zeitabh¨angigen Differentialgleichungen im n u ¨ blich ist.
Ê
Proposition 3.1.18. Sei X : J × M −→ T M ein zeitabh¨angiges Vektorfeld und sei X ∈ Γ∞ (T (J × M )) das durch ∂ (3.33) X(t, p) = , X(t, p) ∂t t
definierte (zeitunabh¨angige) Vektorfeld. Dann gilt:
i.) Eine Kurve γ : I −→ M ist genau dann Integralkurve von X mit γ(t0 ) = p0 , wenn γ(t) = pr2 ◦ Φt−t0 (t0 , p0 ), (3.34) wobei Φ der Fluß zu X und pr2 : J × M −→ M die Projektion auf den zweiten Faktor ist. ii.) Zu jeder Anfangszeit t0 ∈ J und jeder Anfangsbedingung p0 ∈ M existiert eine eindeutig bestimmte, auf It0 ,p0 definierte, maximale L¨osung von (3.32) von der Form (3.34). iii.) Es existiert eine offene Umgebung U ⊆ J × J × M von ∆J × M , wobei ∆J = {(s, s) ∈ J × J | s ∈ J} die Diagonale ist, derart, daß die Abbildung Φ : U −→ M mit Φ(t, t0 , p0 ) = γ(t) mit γ(t0 ) = p0 glatt ist. Es gilt Φ(t, t0 , p0 ) = pr2 ◦ Φt−t0 (t0 , p0 ),
(3.35)
und daher gilt f¨ ur Φt,t0 (p0 ) = Φ(t, t0 , p0 ) die Zeitentwicklungsgleichung Φt,s ◦ Φs,t0 (p0 ) = Φt,t0 (p0 )
und
Φt,t = idM ,
(3.36)
sofern die Abbildungen auf den angegebenen Punkten erkl¨art sind. Beweis. Wir zeigen, wie man aus Integralkurven von X solche von X gewinnt und umgekehrt. Sei t → Φt (t0 , p0 ) die Integralkurve von X durch (t0 , p0 ), wobei t, t0 derart gew¨ ahlt seien, daß die Integralkurve definiert ist. Dann gilt also d Φ (t , p ) = X(Φ t 0 0 t (t0 , p0 )). Seien Φt (t0 , p0 ) = (τ (t), p(t)) die beiden Kompodt nenten gem¨ aß J ×M . Mit der Zerlegung (3.33) von X erh¨alt man also folgende Gleichungen als ¨ aquivalent zur urspr¨ unglichen Zeitentwicklungsgleichung τ˙ (t) = 1
mit τ (0) = t0
und p(t) ˙ = X(τ (t), p(t))
mit
p(0) = p0 .
Die erste Gleichung hat die triviale L¨ osung τ (t) = t + t0 , so daß p(t) ˙ = X(t + t0 , p(t)) gilt. Die Definition γ(t) = p(t − t0 ) = pr2 ◦ Φt−t0 (t0 , p0 ) liefert
3.1 Symplektische Mannigfaltigkeiten als Phasenr¨ aume
115
dann eine und damit die eindeutige maximale L¨osung von Gleichung (3.32) zur richtigen Anfangsbedingung und Anfangszeit. Ist umgekehrt γ(t) eine solche L¨ osung, dann l¨ aßt sich entsprechend die L¨osungskurve zu X rekonstruieren, indem man die obigen Schritte in der umgekehrten Reihenfolge durchl¨ auft. Damit hat man das Problem vollst¨ andig auf den zeitunabh¨angigen Fall zur¨ uckgef¨ uhrt und kann Satz 2.1.24 anwenden. ⊓ ⊔ Bemerkung 3.1.19. Ist X zeitunabh¨ angig, so liefert die obige Proposition das bereits bekannte Resultat aus Satz 2.1.24, wobei der Fluß Φt mit der Zeitentwicklung Φt,t0 u ¨ ber Φt−t0 = Φt,t0 zusammenh¨angt und letztere nur von der Differenz t− t0 abh¨ angt. Im allgemeinen Fall h¨angt Φt,t0 (p) aber nicht nur von der Differenz t − t0 sondern eben getrennt von t und von der Anfangszeit t0 ab. Daher erh¨ alt man auch keine Einparametergruppe von Diffeomorphismen, sondern nur eine Zeitentwicklungsidentit¨ at der Form (3.36). Umgekehrt erh¨ alt man aus einer beliebigen glatten Kurve Φt von Diffeomorphismen mit Φ0 = idM ein zeitabh¨ angiges Vektorfeld Xt . Glattheit soll hier bedeuten, daß Φ : J × M −→ M mit Φ(t, p) = Φt (p) glatt ist. Man definiert Xt durch
d (3.37) (p) Φt+s Φ−1 X(t, p) = . t ds s=0
Diese Definition h¨ angt nun im allgemeinen wirklich von t ab, außer Φt ist eine Einparametergruppe. Wegen Φ0 = idM ist s → γ(s) = Φt+s (Φ−1 t (p))
(3.38)
eine glatte Kurve durch γ(0) = p, welche auch glatt von p abh¨angt. Daher ist X(t, p) ∈ Tp M wohl-definiert, und X h¨ angt glatt von t und p ab. Proposition 3.1.20. Sei Φt : M −→ M eine im obigen Sinne glatte Kurve von Diffeomorphismen von M mit Φ0 = idM . Dann definiert (3.37) ein glattes zeitabh¨angiges Vektorfeld und die Zeitentwicklung Φt,t0 von X ist durch Φt,t0 (p) = Φt (Φ−1 t0 (p))
(3.39)
gegeben. Beweis. Es gen¨ ugt zu zeigen, daß (3.39) die richtige Differentialgleichung erf¨ ullt. Zun¨ achst gilt wie gew¨ unscht Φt,t (p) = p. Weiter gilt d d −1 −1 = X(t, Φt (Φ−1 Φt (Φ−1 Φ (p)) = (p)) ◦ Φ (Φ ◦ Φ t+s t t0 (p))), t0 t t0 dt ds s=0
womit t → Φt (Φ−1 osungskurve von X t0 (p)) eine und damit die eindeutige L¨ ⊓ ⊔ zur richtigen Anfangsbedingung f¨ ur t = t0 ist.
116
3 Symplektische Geometrie
Bemerkung 3.1.21. Die Aussage, daß Vektorfelder in 1 : 1-Korrespondenz zu glatten Einparametergruppen von Diffeomorphismen stehen, verallgemeinert sich also dahingehend, daß zeitabh¨ angige Vektorfelder in 1 : 1-Korrespondenz zu glatten Kurven von Diffeomorphismen mit Φ0 = idM stehen. Das folgende technische Lemma zeigt den Zusammenhang zwischen dem pullback mit Φt und der Lie-Ableitung in Richtung Xt f¨ ur festes t. Der Einfachheit wegen formulieren wir nur den Fall von Differentialformen. Lemma 3.1.22. Sei Φt eine glatte Kurve von Diffeomorphismen mit Φ0 = id und sei Xt das zugeh¨orige zeitabh¨angige Vektorfeld. Dann gilt f¨ ur ω ∈ Ω• (M ) und alle t d ∗ Φ ω = Φ∗t LXt ω. (3.40) dt t Beweis. Da Φ∗t ein Automorphismus von ∧ und LXt eine Derivation ist, gen¨ ugt es wieder, (3.40) f¨ ur die lokalen Erzeugenden von Ω• (M ) zu zeigen, also f¨ ur Funktionen und exakte Einsformen. Da aber zudem die ¨außere Ableitung ugt es, (3.40) sogar nur f¨ ur Funktionen mit Φ∗t sowie mit LXt vertauscht, gen¨ allein zu zeigen. Zun¨ achst gilt d d ∗ (Φt f )(p) = f (Φt+s (p)) . dt ds s=0 Da der Tangentialvektor an die Kurve t → Φt (p) gerade durch Xt (Φt (p)) gegeben ist, folgt weiter d ∗ (Φ f )(p) = Xt (Φt (p))f = (Xt f )(Φt (p)) = (Φ∗t LXt f )(p), dt t ⊓ ⊔
womit die Behauptung gezeigt ist.
Bemerkung 3.1.23. Im allgemeinen zeitabh¨ angigen Fall gilt Φ∗t LXt = LXt Φ∗t im Gegensatz zum zeitunabh¨ angigen Fall (2.165). Mit diesem R¨ ustzeug k¨ onnen wir das Darboux-Theorem beweisen. Der folgende Beweis stammt von Weinstein [317] und basiert auf einer Arbeit von Moser [244]. Satz 3.1.24 (Darboux-Theorem). Sei (M, ω) eine 2n-dimensionale symplektische Mannigfaltigkeit und p ∈ M . Dann existiert eine offene Umgebung U ⊆ M von p und eine offene Umgebung V ⊆ 2n sowie ein Symplektomorphismus ∼ = ϕ : (U, ω U ) −→ (V, ω0 V ). (3.41)
Ê
Beweis. Da die Aussage des Satzes lokal ist, gen¨ ugt es zu zeigen, daß jede symplektische Form ω auf 2n zu ω0 lokal symplektomorph ist. Da je zwei konstante symplektische Formen zueinander linear symplektomorph sind, siehe Aufgabe 1.4, gen¨ ugt es zu zeigen, daß ω zu einer konstanten symplektischen Form lokal symplektomorph ist.
Ê
3.1 Symplektische Mannigfaltigkeiten als Phasenr¨ aume
117
Ê
Sei also ω auf U ⊆ 2n mit 0 ∈ U vorgegeben, und sei ω0 diejenige konstante symplektische Form, welche durch ω0 (x) = ω(0) f¨ ur x ∈ U festgelegt ist. Dann stimmen ω und ω0 offenbar f¨ ur x = 0 u unden ¨ berein. Aus Stetigkeitsgr¨ ist ωt = ω0 + t(ω − ω0 )
f¨ ur alle t ∈ [0, 1] zumindest auf einer eventuell kleineren Umgebung U ′ von 0 nichtausgeartet, also symplektisch, da ωt offenbar geschlossen ist. Gesucht wird nun eine glatte Kurve von Diffeomorphismen Φt , welche f¨ ur t ∈ [0, 1] auf einer eventuell noch kleineren Umgebung von 0 definiert sind, so daß Φ0 = id und Φ∗t ωt = ω0 (∗) f¨ ur alle t ∈ [0, 1]. Dann w¨ are insbesondere Φ∗1 ω1 = ω0 und ω1 stimmt ja gerade mit ω u are Φ1 der gesuchte Symplektomorphismus ϕ von ω ¨berein. Somit w¨ nach ω0 . Um Φt zu finden, stellt man eine Differentialgleichung f¨ ur Φt auf, von deren L¨ osbarkeit man sich dann zu u ¨ berzeugen hat. Da dω = 0 = dω0 findet man nach dem Poincar´e-Lemma auf einer eventuell kleineren Umgebung U ′′ von 0 eine Einsform ψ ∈ Ω1 (U ′′ ) mit dψ = ω − ω0 und ψ(0) = 0, da man sonst die konstante Einsform ψ(0) von ψ abziehen k¨onnte, ohne dψ = ω − ω0 zu verletzen. Angenommen, man h¨ atte nun Φt mit (∗) gefunden, dann g¨alte mit Lemma 3.1.22 0=
d ∗ Φ ωt dt t
= Φ∗t LXt ωt +
d ωt dt
(∗∗)
= Φ∗t (iXt dωt + d iXt ωt + ω − ω0 ) = Φ∗t (d (iXt ωt + ψ)) , orige zeitabh¨ angige Vektorfeld ist. Da ωt symplektisch wobei Xt das zu Φt geh¨ ist, ist nach Vorgabe von ψ durch die Gleichung iXt ωt + ψ = 0 tats¨ achlich ein zeitabh¨ angiges Vektorfeld Xt definiert. Da ψ(0) = 0 ist, gilt ur alle t. Nach Proposition 3.1.18 besitzt Xt eine Zeitentzudem Xt (0) = 0 f¨ wicklung Φt , welche wegen Xt (0) = 0 den Ursprung 0 fest l¨aßt. Daher bildet Φt f¨ ur alle t ∈ [0, 1] eine eventuell abermals verkleinerte Umgebung von 0 diffeomorph auf eine t-abh¨ angige Umgebung von 0 ab. R¨ uckw¨arts gelesen zeigt achlich die gew¨ unschte Eigenschaft hat und die Rechnung (∗∗), daß Φt tats¨ daher ist Φ1 der gesuchte Symplektomorphismus. ⊓ ⊔ Mit anderen Worten, eine symplektische Mannigfaltigkeit sieht lokal so aus wie unser Standardbeispiel ( 2n , ω0 ). Es gibt also, ganz anders als in der Riemannschen Geometrie, keine lokalen Invarianten in der symplektischen
Ê
118
3 Symplektische Geometrie
Geometrie. Symplektische Geometrie ist also lokal gesehen trivial, interessant wird symplektische Geometrie daher von einem globalen Standpunkt aus betrachtet. Ein lokaler Symplektomorphismus wie in (3.41) ist offenbar insbesondere eine Karte. Derartige Karten heißen auch Darboux-Karten und die zugeh¨ origen Koordinaten heißen Darboux-Koordinaten oder auch kanonische Koordinaten. Das Darboux-Theorem besagt also, daß es zu jeder symplektischen Mannigfaltigkeit einen Atlas aus Darboux-Karten gibt. Mit diesem Satz ist also endg¨ ultig der Kontakt zur Hamiltonschen Mechaur den 2n f¨ ur die nik im 2n hergestellt. Insbesondere gelten die Formeln f¨ Poisson-Klammer, das Hamiltonsche Vektorfeld, die Bewegungsgleichungen etc. auf jeder symplektischen Mannigfaltigkeit, sofern man lokale DarbouxKoordinaten verwendet. Von praktischer Bedeutung ist Satz 3.1.24 jedoch nur bedingt. Die Konstruktion von Darboux-Koordinaten ist ja reichlich inexplizit gewesen. In konkreten Beispielen wird man daher entweder direkt Darboux-Koordinaten vorliegen haben oder aber andere, geometrischere Techniken verwenden m¨ ussen.
Ê
Ê
3.2 Beispiele von symplektischen Mannigfaltigkeiten In diesem Abschnitt werden wir nun aufzeigen, wie sich zwei große Beispielklassen von symplektischen Mannigfaltigkeiten, die Kotangentenb¨ undel und die K¨ ahler-Mannigfaltigkeiten, erschließen lassen. Jedes Kotangentenb¨ undel T ∗ Q besitzt eine kanonische symplektische Struktur und erlaubt die Interpretation als Impulsphasenraum eines Teilchens, welches sich im Konfigurationsraum Q bewegt. Nachdem wir die grundlegenden Eigenschaften von Kotangentenb¨ undeln vorgestellt haben, werden wir diese Aussage rechtfertigen, indem wir eine geometrische Formulierung der Lagrange-Mechanik und der Legendre-Transformation geben. Die K¨ ahler-Mannigfaltigkeiten werden uns Beispiele liefern, welche u undel hinausgehen und in der ¨ber Kotangentenb¨ Quantisierungstheorie eine besondere Rolle spielen. 3.2.1 Kotangentenb¨ undel Kotangentenb¨ undel stellen die f¨ ur die Physik wichtigste Beispielklasse von symplektischen Mannigfaltigkeiten dar. Sei also Q eine Mannigfaltigkeit, der undel von Konfigurationsraum, und sei π : T ∗ Q −→ Q das Kotangentenb¨ Q, der Phasenraum zum Konfigurationsraum Q. Punkte in Q werden durch q ∈ Q bezeichnet, Punkte in T ∗ Q sind Einsformen αq ∈ Tq∗ Q auf dem Tangentialraum Tq Q bei q ∈ Q. Sind x1 , . . . , xn lokale Koordinaten auf U ⊆ Q, so sind die induzierten lokalen Koordinaten auf T ∗ U ⊆ T ∗ Q durch q i (αq ) = xi (q) = xi ◦ π(αq ) und
(3.42)
3.2 Beispiele von symplektischen Mannigfaltigkeiten
pi (αq ) = αq
∂ ∂xi q
119
(3.43)
f¨ ur i = 1, . . . , n definiert. Wie schon beim Tangentenb¨ undel T Q liefert ein Atlas von Q auf diese Weise einen Atlas von T ∗ Q. Definition 3.2.1 (Kanonische Einsform). Die kanonische Einsform θ0 ∈ Γ∞ (T ∗ (T ∗ Q)) auf T ∗ Q ist durch
θ0 wαq = αq Tαq π(wαq ) (3.44) αq
definiert, wobei αq ∈ Tq∗ Q und wαq ∈ Tαq (T ∗ Q).
Da π den Kotangentialraum Tq∗ Q bei q auf q ∈ Q projiziert, bildet Tαq π den Tangentialraum Tαq (T ∗ Q) auf den Tangentialraum Tq Q ab. Daher l¨aßt sich f¨ ur wαq ∈ Tαq (T ∗ Q) die Einsform αq tats¨ achlich auf Tαq π(wαq ) anwenden und θ0 ist wohl-definiert. Daß θ0 glatt von αq abh¨ angt, folgt aus der Glattheit von π. In lokalen Koordinaten erh¨ alt man folgenden Ausdruck f¨ ur θ0 , der ebenfalls zeigt, daß θ0 glatt ist: Lemma 3.2.2. Seien x1 , . . . , xn lokale Koordinaten auf U ⊆ Q und q 1 , . . . , q n , p1 , . . . , pn die induzierten lokalen Koordinaten auf T ∗ U ⊆ T ∗ Q. Dann gilt θ0 = pi dq i , (3.45) T ∗U
womit θ0 insbesondere glatt ist.
Beweis. Allgemein ist jede Einsform θ ∈ Γ∞ (T ∗ (T ∗ Q)) lokal von der Form θ = βi dq i + γ i dpi , ∂ ) lokale Funktionen sind. Wir berechnen f¨ ur wobei βi = θ( ∂q∂ i ) und γ i = θ( ∂p i ∞ f ∈ C (U ) ∂ ∂ ∂
−1 (f ◦ π) f ◦ x ◦ x ◦ π Tαq π = f = ∂q i αq ∂q i ∂q i αq αq −1 j −1 ∂(f ◦ x ) ∂q ∂(f ◦ x ) = , = ∂xj ∂xi x(q) ∂q i αq x(q)
also
Tαq π
∂ ∂q i αq
F¨ ur die verbleibenden Basisvektoren Tαq π
∂ ∂pi αq
f=
∂ ∂pi
=
∂ . ∂xi q
erhalten wir
∂
∂ (f ◦ π) = f ◦ x−1 ◦ x ◦ π ∂pi ∂pi αq αq
(3.46)
120
3 Symplektische Geometrie
= also
∂q j ∂(f ◦ x−1 ) = 0, ∂xj x(q) ∂pi αq Tαq π
∂ ∂pi αq
Daher gilt ∂ ∂ θ0 = αq = pi (αq ) ∂q i αq ∂xi q αq womit (3.45) folgt.
= 0.
und θ0
(3.47)
αq
∂ ∂pi αq
= 0, ⊓ ⊔
Definition 3.2.3 (Kanonische Zweiform). Die kanonische Zweiform ω0 ∈ Γ∞ (Λ2 T ∗ (T ∗ Q)) auf T ∗ Q ist durch ω0 = −dθ0
(3.48)
definiert. Satz 3.2.4. Sei Q eine Mannigfaltigkeit und π : T ∗ Q −→ Q ihr Kotangentenb¨ undel. i.) (T ∗ Q, ω0 ) ist eine (exakte) symplektische Mannigfaltigkeit. ii.) Jede lokale Karte (U, x) f¨ ur Q liefert eine Darboux-Karte (T ∗ U, (q, p)) f¨ ur ∗ (T Q, ω0 ), denn lokal gilt ω0 ∗ = dq i ∧ dpi . (3.49) T U
Beweis. Dies folgt unmittelbar aus der lokalen Gestalt (3.45) von θ0 .
⊓ ⊔
Um die symplektische Geometrie von T ∗ Q genauer zu untersuchen, betrachtet man speziellere Funktionen auf T ∗ Q als allgemeine glatte Funktionen. Da die Fasern von T ∗ Q u ¨ ber jedem Punkt q ∈ Q Vektorr¨aume Tq∗ Q sind, ist es wohl-definiert, von glatten Funktionen f : T ∗ Q −→ (oder ) zu sprechen, welche polynomial in den Fasern (also in den Impulsen) sind. Offenbar sind alle physikalisch relevanten Observablen typischerweise polynomial in den Impulsen. Dies werden wir im n¨ achsten Abschnitt noch im Detail zu diskutieren haben. Wir werden also nun die polynomialen Funktionen Pol• (T ∗ Q) genauer betrachten, wobei wir auf unsere allgemeinen Ergebnisse aus Abschnitt 2.2.3 zur¨ uckgreifen k¨ onnen. Dabei hatte sich insbesondere das Euler-Vektorfeld als hilfreich erwiesen.
Definition 3.2.5 (Liouville-Vektorfeld). Das durch iξ ω0 = −θ0
(3.50)
eindeutig festgelegte Vektorfeld ξ ∈ Γ∞ (T (T ∗ Q)) auf T ∗ Q heißt LiouvilleVektorfeld.
3.2 Beispiele von symplektischen Mannigfaltigkeiten
121
Satz 3.2.6. Sei π : T ∗ Q −→ Q das Kotangentenb¨ undel von Q. i.) Das Liouville-Vektorfeld ξ ist konform-symplektisch, also L ξ ω0 = ω0
und sogar
L ξ θ0 = θ0 .
(3.51)
ii.) F¨ ur f, g ∈ C ∞ (T ∗ Q) gilt Lξ {f, g} = −{f, g} + {Lξ f, g} + {f, Lξ g}.
(3.52)
iii.) In induzierten lokalen Darboux-Koordinaten gilt ξ
T ∗U
= pi
∂ , ∂pi
(3.53)
womit das Liouville-Vektorfeld ξ mit dem Euler-Vektorfeld des Vektorb¨ undels π : T ∗ Q −→ Q ¨ ubereinstimmt. iv.) Eine Funktion f ∈ C ∞ (T ∗ Q) ist genau dann in Polk (T ∗ Q), wenn Lξ f = kf . v.) Die polynomialen Funktionen Pol• (T ∗ Q) bilden eine Poisson-Unteralgebra von C ∞ (T ∗ Q) und es gilt Polk (T ∗ Q), Polℓ (T ∗ Q) ⊆ Polk+ℓ−1 (T ∗ Q). (3.54) Beweis. Der erste Teil folgt aus
Lξ θ0 = iξ dθ0 + d iξ θ0 = − iξ ω0 − d iξ iξ ω0 = θ0 und aus dem Vertauschen von Lie-Ableitung und ¨außerer Ableitung d. F¨ ur den zweiten Teil benutzt man (3.25) aus dem Beweis zu Satz 3.1.15. Damit folgt die Behauptung sofort aus dem ersten Teil. Mit den Koordinatenausdr¨ ucken f¨ ur θ0 und ω0 ist (3.53) ebenfalls offensichtlich. Damit folgt aber mit Satz 2.2.23 der dritte Teil. Der vierte Teil ist nach den allgemeinen Resultaten aus Satz 2.2.23 auch klar. Der f¨ unfte Teil folgt damit direkt aus dem zweiten. ⊓ ⊔ Bemerkung 3.2.7. Physikalisch interpretiert z¨ahlt“ die Lie-Ableitung Lξ be” z¨ uglich des Liouville-Vektorfeldes die Impulsdimensionen“. Insbesondere ver” ringert die Poisson-Klammer nach (3.52) die Impulsdimension um eins, was nach der lokalen Form (1.36) offensichtlich ist und mit (3.52) seine globale Formulierung findet. Dies ist jedoch eine Besonderheit von Kotangentenb¨ undeln, da es auf einer allgemeinen symplektischen Mannigfaltigkeit kein konform-symplektisches Vektorfeld geben muß. Die Existenz eines konformsymplektischen Vektorfeldes ist ja nach der Cartan-Formel gleichbedeutend mit der Exaktheit von ω, was beispielsweise f¨ ur kompakte symplektische Mannigfaltigkeiten nie der Fall sein kann. Selbst wenn ω exakt ist, muß es keine physikalisch ausgezeichnete Wahl f¨ ur ein konform-symplektisches Vektorfeld geben.
122
3 Symplektische Geometrie
Der kanonische Isomorphismus von gradierten Algebren aus Satz 2.2.23 J : S• (T Q) −→ Pol• (T ∗ Q)
(3.55)
induziert in diesem speziellen Fall eine Poisson-Klammer f¨ ur S• (T Q), welche mit der Gradierung im Sinne von (3.54) vertr¨aglich ist. Es gilt also k (3.56) S (T Q), Sℓ (T Q) ⊆ Sk+ℓ−1 (T Q)
f¨ ur alle k, ℓ. Diese l¨ aßt sich nun sehr einfach bestimmen:
Proposition 3.2.8. Seien X, Y ∈ Γ∞ (T Q) Vektorfelder auf Q und f ∈ C ∞ (Q). Dann gilt {J(X), J(Y )} = −J([X, Y ]). (3.57) und {J(X), π ∗ f } = −π ∗ (LX f ).
(3.58)
Damit ist die Poisson-Klammer auf S• (T Q) gerade die negative Lie-Klammer von Vektorfeldern, die auf kanonische Weise zu einer Poisson-Klammer fortgesetzt wird. Beweis. Der einfachste Beweis vermutlich im schlichten Nachrechnen besteht ∂ = Y j ∂ j . Dann gilt in Koordinaten. Sei also X U = X i ∂x i und Y ∂x U j j i ∂X i ∂Y ∗ J([X, Y ]) = π X −Y pj ∂xi ∂xi U
∂(pk π ∗ X k ) ∂(pj π ∗ Y j ) ∂(pj π ∗ Y j ) ∂(pk π ∗ X k ) − ∂pi ∂q i ∂pi ∂q i = {pj π ∗ Y j , pk π ∗ X k } = −{J(X), J(Y )} .
=
U
Die zweite Gleichung (3.58) ist mit den lokalen Ausdr¨ ucken trivial. Damit folgt aber auch die letzte Behauptung, da S• (T Q) von S0 (T Q) = π ∗ C ∞ (Q) und S1 (T Q) = Γ∞ (T Q) lokal erzeugt wird und eine Poisson-Klammer durch die Werte auf den lokalen Erzeugern eindeutig bestimmt ist. ⊓ ⊔ Bemerkung 3.2.9. Vergleicht man den Beweis und das Resultat dieser Proposition mit der Konstruktion der Schouten-Nijenhuis-Klammer in Satz 2.3.33 so ergibt sich folgende u ¨ berraschende Interpretation von ·, ·: Wir k¨onnen die Schouten-Nijenhuis-Klammer offenbar als eine ungerade Super-PoissonKlammer interpretieren. Demnach w¨ are die Gerstenhaber-Algebra X• (Q) als die Algebra der polynomialen Funktionen auf dem Superkotangentenb¨ undel“ ” von Q zu interpretieren. F¨ ur uns ist dies nichts weiter als eine Analogie, welche helfen kann, die Schouten-Nijenhuis-Klammer zu interpretieren. Man kann dies jedoch in der Theorie der Supermannigfaltigkeiten pr¨azisieren, siehe etwa [93, 211].
3.2 Beispiele von symplektischen Mannigfaltigkeiten
123
Zum vorl¨ aufigen Abschluß unserer Betrachtungen zu Kotangentenb¨ undeln werden wir noch zwei Typen von Diffeomorphismen von T ∗ Q n¨aher studieren: die Punkttransformationen und die Fasertranslationen. Wir beginnen mit den Punkttransformationen: Definition 3.2.10 (Punkttransformation). Sei φ : Q −→ Q′ ein Diffeomorphismus. Dann ist der Kotangentiallift T ∗ φ : T ∗ Q′ −→ T ∗ Q durch (T ∗ φ(αq′ ))(vq ) = αq′ (Tq φ(vq ))
(3.59)
definiert, wobei q ′ = φ(q). Die zu φ geh¨orende Punkttransformation ist durch ∗
T∗ φ = φT = T ∗ φ−1 : T ∗ Q −→ T ∗ Q′
(3.60)
definiert. ∗
Der Name Punkttransformation“ r¨ uhrt daher, daß φT von einer Transfor” mation der Punkte des Konfigurationsraumes kommt. Man beachte die unterschiedliche Bedeutung von ∗ im pull-back φ∗ und dem Kotangentiallift T ∗ φ beziehungsweise der Punkttransformation T∗ φ. Die Eigenschaften von Punkttransformationen kl¨ art folgender Satz: Satz 3.2.11. Seien φ : Q −→ Q′ und ψ : Q′ −→ Q′′ Diffeomorphismen. Sei X ∈ Γ∞ (T Q) ein Vektorfeld auf Q mit (lokalem) Fluß φt .
i.) T ∗ φ ist ein Vektorb¨ undelisomorphismus von T ∗ Q′ nach T ∗ Q l¨angs φ−1 . Es gilt (3.61) φ ◦ π ◦ T ∗φ = π′ und
′
T ∗ φ ◦ ι′ ◦ φ = ι,
(3.62) ′
wobei π und π die B¨ undelprojektionen und ι und ι die Nullschnitte sind. ii.) Es gilt (3.63) T ∗ (ψ ◦ φ) = T ∗ φ ◦ T ∗ ψ und T ∗ idQ = idT ∗ Q und somit auch
T∗ φ = (T ∗ φ)−1 ,
T∗ (ψ ◦ φ) = T∗ ψ ◦ T∗ φ
und
T∗ idQ = idT ∗ Q . (3.64)
iii.) Ein Diffeomorphismus Φ : T ∗ Q′ −→ T ∗ Q ist genau dann der Kotangentiallift Φ = T ∗ φ eines Diffeomorphismus φ : Q −→ Q′ , wenn Φ∗ θ0 = θ0′ .
(3.65)
iv.) T ∗ φ und ebenso T∗ φ sind Symplektomorphismen. v.) Der Hamiltonsche Fluß Φt zur Hamilton-Funktion J(X) ∈ Pol1 (T ∗ Q) ist durch (3.66) Φt = T∗ φt gegeben. Das Hamiltonsche Vektorfeld XJ(X) ist π-verwandt zu X, es gilt also (3.67) T π ◦ XJ(X) = X ◦ π.
124
3 Symplektische Geometrie
Beweis. ad i.) Daß T ∗ φ ein Vektorb¨ undelisomorphismus l¨angs φ−1 ist, folgt unmittelbar aus der Definition und der Beobachtung, daß T∗ φ das Inverse ist. Sei αq′ ∈ Tq∗′ Q′ vorgegeben. Dann ist T ∗ φ(αq′ ) definitionsgem¨aß eine Einsform auf Tq Q, wobei φ(q) = q ′ . Also gilt π(T ∗ φ(αq′ )) = φ−1 (q ′ ) = φ−1 (π ′ (αq′ )) und somit (3.61). Ist umgekehrt q ∈ Q, so ist 0φ(q) ∈ Tφ(q) Q und daher T ∗ φ(0φ(q) ) ∈ Tq Q. Da aber T ∗ φ faserweise linear ist, folgt (3.62). Diese Eigenschaften gelten allgemein f¨ ur jeden Vektorb¨ undelmorphismus l¨angs eines vorgegebenen Diffeomorphismus φ beziehungsweise φ−1 . ad ii.) Dies ist eine Folgerung zur Definition und der Kettenregel (2.24). ad iii.) & iv.) Wir zeigen zun¨ achst, daß T ∗ φ die kanonische Einsform erh¨alt. ∗ ′ ′ Wie vorher sei αq ∈ Tq′ Q und wαq′ ∈ Tαq′ (T ∗ Q′ ). Dann gilt (T ∗ φ)∗ θ0
αq′
(wα′q ) = θ0
T ∗ φ(αq′ )
Tαq′ (T ∗ φ)(wαq′ )
= T ∗ φ(αq′ ) TT ∗ φ(αq′ ) π Tαq′ (T ∗ φ)(wαq′ ) = αq′ Tπ(T ∗ φ(αq′ )) φ TT ∗ φ(αq′ ) π Tαq′ (T ∗ φ)(wαq′ ) = αq′ Tαq′ (φ ◦ π ◦ T ∗ φ) (wαq′ ) = αq′ Tαq′ π ′ (wαq′ ) = θ0′ (wαq′ ). αq′
Damit ist die eine Richtung von (3.65) gezeigt. Sei nun Φ : T ∗ Q′ −→ T ∗ Q ein Diffeomorphismus mit Φ∗ θ0 = θ0′ . Damit gilt zun¨achst, daß Φ∗ ω0 = ω0′ , womit Φ auch symplektisch ist. Dies zeigt insbesondere Teil iv.). Es gilt iΦ∗ ξ ω0′ = Φ∗ (iξ Φ∗ ω0′ ) = Φ∗ (iξ ω0 ) = −Φ∗ θ0 = −θ0′ = iξ′ ω0′ , womit Φ∗ ξ = ξ ′ aus der Nichtausgeartetheit von ω0′ folgt. Da das LiouvilleVektorfeld gerade das Euler-Vektorfeld ist, ist sein Fluß durch (2.98) bestimmt. Insbesondere folgt, daß die Punkte von Q, aufgefaßt als Nullpunkte in T ∗ Q unter dem Fluß von ξ invariant sind. Andererseits zeigt Φ∗ ξ = ξ ′ , daß Φ Integralkurven von ξ ′ auf Integralkurven von ξ abbildet, also insbesondere Fixpunkte des Flusses auf Fixpunkte abbildet. Dies liefert eine eindeutig bestimmte bijektive Abbildung φ−1 : Q′ −→ Q, welche glatt ist, da φ−1 aus der Einschr¨ ankung einer glatten Abbildung Φ auf eine Untermannigfaltigkeit ι′ (Q′ ) ⊆ T ∗ Q′ entsteht. Es bleibt also nur noch zu zeigen, daß T ∗ φ = Φ gilt. Zun¨ achst zeigen wir, daß Φ Fasern auf Fasern abbildet. Da Φ Flußlinien von ξ ′ auf Flußlinien von ξ abbildet, folgt, daß Φ(et αq′ ) von der Form et βq mit einem bestimmten βq ∈ Tq∗ Q ist. Da Φ stetig ist, folgt t
t
0q = lim e βq = lim Φ(e α ) = Φ t→−∞
t→−∞
q′
t
lim e α
t→−∞
q′
= Φ(0q′ ) = 0φ−1 (q′ ) .
3.2 Beispiele von symplektischen Mannigfaltigkeiten
125
ur alle αq′ ∈ Tq∗′ Q′ . Es gilt also q = φ−1 (q ′ ) und damit Φ(αq′ ) ∈ Tφ∗−1 (q′ ) Q f¨ Somit ist Φ fasertreu und es gilt π ◦ Φ = φ−1 ◦ π ′ . Sei nun wαq′ ∈ Tαq′ (T ∗ Q′ ) vorgegeben. Dann gilt αq′ Tαq′ π ′ (wαq′ ) = θ0′ wαq′ αq′ ∗ = (Φ θ0 ) wαq′ αq′ = θ0 Tαq′ Φ(wαq′ ) Φ(αq′ ) = Φ(αq′ ) TΦ(αq′ ) π Tαq′ Φ(wαq′ ) = Φ(αq′ ) Tαq′ (π ◦ Φ)(wαq′ ) = Φ(αq′ ) Tαq′ (φ−1 ◦ π ′ )(wαq′ ) = Φ(αq′ ) Tπ′ (αq′ ) φ−1 Tαq′ π ′ (wαq′ ) = (T ∗ φ−1 )(Φ(αq′ )) Tαq′ π ′ (wαq′ ) . Da nun die Tangentialabbildung T π ′ von π ′ punktweise surjektiv ist, siehe unscht. (3.46), folgt, daß αq′ = T ∗ φ−1 (Φ(αq′ )) und damit Φ = T ∗ φ wie gew¨ ad v.) Nach dem bisher Gezeigten ist T∗ φt eine Einparametergruppe von symplektischen Diffeomorphismen, weshalb LY =
d (T∗ φt )∗ dt t=0
ein symplektisches Vektorfeld Y auf T ∗ Q definiert. Wir wollen zeigen, daß Y mit dem Hamiltonschen Vektorfeld XJ(X) zur Hamilton-Funktion J(X) u achst folgt aus (T∗ φt )∗ θ0 = θ0 , daß LY θ0 = 0. Daher ist ¨ bereinstimmt. Zun¨ Y das Hamiltonsche Vektorfeld zur Hamilton-Funktion θ0 (Y ), denn 0 = LY θ0 = d iY θ0 + iY dθ0 = d(θ0 (Y )) − iY ω0 . Es bleibt also θ0 (Y ) = J(X) zu zeigen. Dazu berechnen wir f¨ ur f ∈ C ∞ (Q) ∗ und αq ∈ Tq Q (Tαq π(Yαq ))f = Yαq (f ◦ π) = = Xq f.
d d (f ◦ π ◦ T∗ φt (αq )) = (f ◦ φt (q)) dt dt t=0 t=0
Also projiziert Y auf X. Es gilt T π ◦ Y = X ◦ π, womit die Vektorfelder Y und X π-verwandt sind, siehe auch Aufgabe 2.8 zum Begriff der π-Verwandtschaft ∂ von Vektorfeldern. Sei also X U = X i ∂x i in lokalen Koordinaten (U, x) und ∂ i ∂ entsprechend Y T ∗ U = Y ∂qi + Yi ∂pi in den induzierten lokalen Koordinaten
126
3 Symplektische Geometrie
(T ∗ U, (q, p)). Mit (3.46), (3.47) und der π-Verwandtschaft folgt, daß Y i (αq ) = X i (q) und damit θ0 (Y )(αq ) = pi (αq )Y i (αq ) = pi (αq )X i (q) = J(X)(αq ) ⊓ ⊔
wie gew¨ unscht.
Bemerkung 3.2.12 (Universelle Impulsabbildung). F¨ ur X ∈ Γ∞ (T Q) heißt 1 ∗ die Hamilton-Funktion J(X) ∈ Pol (T Q) auch Impuls zu X. Die Abbildung J : Γ∞ (T Q) −→ Pol1 (T ∗ Q)
(3.68)
heißt auch universelle Impulsabbildung des Kotangentenb¨ undels T ∗ Q. Beispiel 3.2.13 (Linearer Impuls und Drehimpuls). Sei Q = Pi =
Ê3 und
∂ ∂xi
(3.69)
sowie
∂ (3.70) ∂xk f¨ ur i = 1, 2, 3. Dann ist das Vektorfeld Pi gerade der infinitesimale Erzeuger der linearen Translation in i-Richtung und Li ist der infinitesimale Erzeuger der Drehung um die i-te Koordinatenachse. Mit anderen Worten, die Fl¨ usse zu Pi beziehungsweise zu Li sind die entsprechenden Einparametergruppen von Translationen und Drehungen. Dies sieht man elementar. Nun gilt f¨ ur die zugeh¨ origen Impulse“ im Sinne von Bemerkung 3.2.12 ” J(Pi ) (q,p) = pi = Pi (q, p) (3.71) Li = ǫkij xj
und
J(Li ) (q,p) = ǫkij xj pk = Li (q, p).
(3.72)
Man erh¨ alt also gerade die Komponenten des linearen Impulses P und des Weitere Details werden wir in Abschnitt 3.3.2 und in AufgaDrehimpulses L. be 3.25 diskutieren. Wir kommen nun zur zweiten Klasse von Diffeomorphismen von T ∗ Q, den Fasertranslationen: Definition 3.2.14 (Fasertranslation). Sei A ∈ Γ∞ (T ∗ Q) eine Einsform auf Q. i.) Der vertikale Lift Av ∈ Γ∞ (T (T ∗Q)) von A ist das durch Av (αq ) = bestimmte Vektorfeld.
d (αq + tA(q)) dt t=0
(3.73)
3.2 Beispiele von symplektischen Mannigfaltigkeiten
Tq*Q
127
T*Q
TA (Q) A(q)
q
Q
Abb. 3.1. Der Konfigurationsraum Q als Nullschnitt von T ∗ Q und sein Bild unter der Fasertranslation um eine Einsform A
ii.) Die Fasertranslation um A ist der Diffeomorphismus TA (αq ) = αq + A(q)
(3.74)
von T ∗ Q. Bemerkung 3.2.15 (Vertikale Lifts und Fasertranslationen). Daß der vertikale Lift Av und die Fasertranslation TA tats¨ achlich wohl-definiert sind, liegt daran, daß die Fasern von T ∗ Q Vektorr¨aume sind. Offenbar ist das Vektorfeld Av ein vertikales Vektorfeld in dem Sinne, daß T π(Av ) = 0.
(3.75)
Die Fasertranslation TA ist ein Diffeomorphismus mit Inversem T−A und der Eigenschaft (3.76) π ◦ TA = π. Dies wird auch durch Abbildung 3.1 illustriert. F¨ ur verschiedene Einsformen A, B ∈ Γ∞ (T ∗ Q) und s, t ∈ gilt offenbar
Ê
[Av , B v ] = 0
(3.77)
TtA ◦ TsB = TtA+sB = TsB ◦ TtA ,
(3.78)
sowie ∗
da die faserweise Addition in T Q kommutativ und distributiv ist. Insbesondere ist t → TtA eine Einparametergruppe von Diffeomorphismen von T ∗ Q und es gilt d Av (αq ) = TtA (αq ) , (3.79) dt t=0 womit TtA der vollst¨ andige Fluß von Av ist.
128
3 Symplektische Geometrie
Weiter sei hier noch angemerkt, daß die Definition einer Fasertranslation und des zugeh¨ origen vertikalen Lifts auch f¨ ur ein beliebiges Vektorb¨ undel sinnvoll ist. Es gelten auch in diesem Fall die analogen Beziehungen zwischen Fasertranslationen und vertikalen Lifts. Eine genauere Ausformulierung findet sich in den Aufgaben 5.15 und 5.20. Der n¨ achste Satz dagegen benutzt die symplektische Struktur eines Kotangentenb¨ undels: Satz 3.2.16. Sei A ∈ Γ∞ (T ∗ Q) eine Einsform auf Q. i.) Es gilt und damit
T∗A θ0 = θ0 + π ∗ A
(3.80)
T∗A ω0 = ω0 − π ∗ dA.
(3.81)
ii.) Es gilt L Av θ0 = π ∗ A
und
LAv ω0 = −π ∗ dA.
(3.82)
iii.) Der vertikale Lift Av beziehungsweise die Fasertranslation TA ist genau dann symplektisch, wenn A geschlossen ist dA = 0. iv.) Lokal gilt mit A U = Ai dxi und somit θ0 (Av ) = 0,
Av
T ∗U
= (π ∗ Ai )
iAv ω0 = −π ∗ A
und
(3.83)
∂ ∂pi
[ξ, Av ] = −Av .
(3.84)
(3.85)
v.) Der vertikale Lift Av ist genau dann Hamiltonsch, wenn A = dS exakt ist mit S ∈ C ∞ (Q). In diesem Fall ist Av = −Xπ∗S .
(3.86)
Beweis. ad i.) Mit π ◦ TA = π erh¨ alt man durch Nachrechnen
wαq = θ0 (T∗A θ0 ) Tαq TA (wαq ) αq TA (αq )
Tαq TA (wαq ) = θ0 αq +A(q)
= (αq + A(q)) Tαq +A(q) π Tαq TA (wαq )
= (αq + A(q)) Tαq (π ◦ TA )(wαq ) = αq (Tαq π(wαq )) + A(q)(Tαq π(wαq )) = θ0 (wαq ) + (π ∗ A) (wαq ), αq
αq
3.2 Beispiele von symplektischen Mannigfaltigkeiten
129
womit (3.80) gezeigt ist. Gleichung (3.81) folgt dann aus der Vertauschbarkeit von ¨ außerer Ableitung mit pull-backs. ad ii.) Da TtA gerade der Fluß zu Av ist, folgt (3.82) durch Ableiten von (3.80) beziehungsweise (3.81) bei t = 0. ad iii.) Anhand von (3.81) beziehungsweise (3.82) ist dies offensichtlich. ad iv.) Sei f ∈ C ∞ (T ∗ Q), dann gilt lokal d Av (αq )f = f (αq + tA(q)) dt t=0 ∂f ∂q i (αq + tA(q)) ∂f ∂pi (αq + tA(q)) = i + ∂q αq ∂t ∂pi αq ∂t t=0 t=0 ∂f =0+ Ai (q), ∂pi αq
woraus die lokale Darstellung (3.84) folgt. Damit kann man die u ¨brigen Behauptungen leicht nachpr¨ ufen. Alternativ dazu erh¨alt man ein globales Argument auf folgende Weise: Zun¨ achst folgt iAv θ0 = 0 direkt aus der Definition von θ0 und (3.75). Damit gilt dann iAv ω0 = − iAv dθ0 = − LAv θ0 + d iAv θ0 = − LAv θ0 = −π ∗ A.
Die Behauptung [ξ, Av ] = −Av gilt allgemein, siehe Aufgabe 5.15, Teil v.). ad v.) Mit iAv ω0 = −π ∗ A folgt sofort, daß Av genau dann Hamiltonsch ist, wenn π ∗ A exakt ist. Dies ist aber genau dann der Fall, wenn A selbst exakt ist. Gilt n¨ amlich π ∗ A = df mit f ∈ C ∞ (T ∗ Q), so folgt aus ι∗ π ∗ A = (π ◦ ι)∗ A = id∗Q A = A, daß ι∗ df = dι∗ f = A, womit A selbst exakt ist. Ist also A = dS mit S ∈ C ∞ (Q), so folgt aus iAv ω0 = −π ∗ A = −π ∗ dS = −dπ ∗ S auch (3.86). ⊓ ⊔ Bemerkung 3.2.17. Ist H ∈ C ∞ (T ∗ Q) eine Hamilton-Funktion, die nur von den Orten, aber nicht von den Impulsen abh¨ angt, also von der Form H = π ∗ S mit S ∈ C ∞ (Q) ist, so ist das Hamiltonsche Vektorfeld gerade durch −(dS)v gegeben, und der Hamiltonsche Fluß ist T−tdS und damit vollst¨andig. Die Fasertranslation um eine Einsform A ∈ Γ∞ (T ∗ Q) hat eine nat¨ urliche physikalische Interpretation. Einsformen A auf dem Konfigurationsraum Q f¨ welche der Zweiform entsprechen Vektorpotentialen A ur Magnetfelder B, B = dA entsprechen. F¨ ur Q = 3 ist dies in der Tat die geometrische For = rot A, und die resultierende Geschlossenheit dB = 0 von mulierung von B = 0, siehe Aufgabe 2.10. B ist gerade die Maxwell-Gleichung div B Sei also Q der Konfigurationsraum eines geladenen Teilchens mit Ladung e und B ∈ Γ∞ (Λ2 T ∗ Q) ein Magnetfeld mit Vektorpotential A ∈ Γ∞ (T ∗ Q), also B = dA. Ist nun H ∈ C ∞ (T ∗ Q) die Hamilton-Funktion des Teilchens bei abgeschaltetem“ Magnetfeld, so liefert HA = T∗−eA H die richtige Hamilton” Funktion bei angeschaltetem“ Magnetfeld. Explizit gilt ”
Ê
130
3 Symplektische Geometrie
HA (αq ) = (T∗−eA H)(αq ) = H(T−eA (αq )) = H(αq − eA(q)).
(3.87)
Die neue Hamilton-Funktion HA geht aus H durch minimale Kopplung hervor, also dadurch, daß man alle Impulse pi durch pi − eAi (q) ersetzt. Es zeigt sich, daß HA im Falle eines freien Teilchens im 3 tats¨achlich die richtige Bewegungsgleichung liefert, welche durch die Lorentz-Kraft bestimmt wird. Man kann die minimale Kopplung aber auch anders interpretieren, n¨amlich so, daß man die Hamilton-Funktion beibeh¨ alt aber die symplektische Form andert. Es gilt folgender Satz: ¨
Ê
Satz 3.2.18 (Minimale Kopplung). Sei B ∈ Γ∞ (Λ2 T ∗ Q) eine exakte Zweiform auf Q mit B = dA und A ∈ Γ∞ (T ∗ Q), und sei H ∈ C ∞ (T ∗ Q) eine Hamilton-Funktion. Dann ist das Hamiltonsche System (T ∗ Q, ω0 , HA ) mit HA = T∗−eA H ¨aquivalent zum Hamiltonschen System (T ∗ Q, ω0 − eπ ∗ B, H) via T−eA . Beweis. Offenbar ist T−eA ein Diffeomorphismus von T ∗ Q mit T∗−eA H = HA (nach Definition) und T∗−eA (ω0 − eπ ∗ B) = ω0 + eπ ∗ dA − eπ ∗ B = ω0 , da T∗−eA π ∗ = π ∗ aufgrund von π ◦ T−eA = π.
⊓ ⊔
Bemerkung 3.2.19 (Magnetische Monopole). Der Satz impliziert insbesondere, daß ω0 − eπ ∗ B wieder eine symplektische Form ist. Dies gilt nicht nur f¨ ur exaktes B sondern auch, falls B nur geschlossen ist. In diesem Fall gibt es eventuell kein (globales) Vektorpotential A mit dA = B, und man spricht von einem magnetischen Monopol. Die Formulierung der minimalen Kopplung ahrend die Formulierung mittels mittels (T ∗ Q, ω0 , HA ) scheitert deshalb, w¨ (T ∗ Q, ω0 − eπ ∗ B, H) nach wie vor sinnvoll ist und die richtigen“ Bewegungs” ¨ gleichungen liefert. Lokal ist der Ubergang zu HA nat¨ urlich immer m¨oglich, wie das Poincar´e-Lemma zeigt, siehe auch Aufgabe 3.4. 3.2.2 Von Lagrangescher zu Hamiltonscher Mechanik Das Tangentenb¨ undel T Q eines Konfigurationsraumes Q ist die Mannigfaltigkeit aller m¨ oglichen Geschwindigkeitsvektoren von Kurven in Q und wird daher auch als Geschwindigkeitsphasenraum bezeichnet, w¨ahrend T ∗ Q der Impulsphasenraum ist. Wir wollen nun den Zusammenhang von Lagrangescher Mechanik und Hamiltonscher Mechanik genauer untersuchen. 2 Die u q, v ) = 12 m v ist eine positiv defini¨ bliche kinetische Energie T ( te homogene quadratische Funktion der Geschwindigkeiten v . Dies l¨aßt sich geometrisch folgendermaßen formulieren: Definition 3.2.20 (Kinetische Energie). Eine Funktion T ∈ C ∞ (T Q) ur alle q ∈ Q eine homogene, positiv heißt kinetische Energie, falls T Tq Q f¨ definite Quadratform ist.
3.2 Beispiele von symplektischen Mannigfaltigkeiten
131
Bemerkung 3.2.21. Da Tq Q ein Vektorraum ist, ist es wohl-definiert, von einer (homogenen) Quadratform zu sprechen. Positiv definit heißt dann einfach T (vq ) > 0 f¨ ur
vq = 0q .
(3.88)
Wir betrachten wieder die Unteralgebra der in den Fasern polynomialen glatten Funktionen Pol• (T Q) auf dem Vektorb¨ undel T Q. Eine kinetische Energie ist also eine Funktion T ∈ Pol2 (T Q) mit T (vq ) > 0 f¨ ur vq = 0q . Nach Satz 2.2.23 entspricht T daher ein symmetrisches kovariantes Tensorfeld g ∈ Γ∞ (S2 T ∗ Q) auf Q mit der Eigenschaft, daß gq (vq , vq ) > 0 f¨ ur
vq = 0q ,
(3.89)
wobei T (vq ) = 12 gq (vq , vq ). Umgekehrt liefert jedes solche Tensorfeld g eine kinetische Energie. Offenbar wird jeder Tangentialraum Tq Q mittels gq zu einem Euklidischen Vektorraum verm¨ oge vq , wq q = gq (vq , wq ).
(3.90)
Umgekehrt wird durch die Wahl eines glatt vom Fußpunkt q abh¨angenden Skalarprodukts ·, ·q auf jedem Tangentialraum Tq Q ein solches Tensorfeld g ∈ Γ∞ (S2 T ∗ Q) definiert. Diese Struktur ist auch weit jenseits der geometrischen Mechanik derart wichtig, daß sie einen eigenen Namen verdient. Tats¨achlich ist unsere Interpretation von Tensorfeldern g vom Typ (3.89) als kinetische Energie eher exotisch und sicherlich nicht die urspr¨ ungliche. Definition 3.2.22 (Riemannsche Metrik). Ein symmetrisches kovarianur alle vq = 0q heißt tes Tensorfeld g ∈ Γ∞ (S2 T ∗ Q) mit gq (vq , vq ) > 0 f¨ Riemannsche Metrik f¨ ur Q. Falls g nichtausgeartet aber indefinit ist, heißt g Pseudo-Riemannsche Metrik. Ist bei einer Pseudo-Riemannschen Metrik g die Signatur von gq an jedem Punkt (+, −, · · · , −), so heißt g Lorentz-Metrik. In einer lokalen Karte (U, x) ist eine (Pseudo-) Riemannsche Metrik g durch 1 g U = gij dxi ∨ dxj 2
(3.91)
mit gewissen lokalen Funktionen gij ∈ C ∞ (U ) gegeben. Die symmetrische ur jeden Punkt p ∈ U nichtausgeartet und im RiemannMatrix (gij (p)) ist f¨ schen Fall sogar positiv definit. Das Inverse dieser Matrix wird u ¨ blicherweise mit (g ij ) bezeichnet, wobei also g ij gjk = δki auf U gilt. Es ist physikalisch sehr plausibel, daß es f¨ ur die Bewegung eines Teilchens auch eine kinetische Energie geben sollte. Tats¨achlich l¨aßt sich zeigen, daß es auf jeder Mannigfaltigkeit eine Riemannsche Metrik gibt, siehe Satz A.1.7. Bemerkung 3.2.23. Die Riemannsche Geometrie befaßt sich mit dem Studium von Riemannschen Mannigfaltigkeiten (M, g), siehe beispielsweise [235,
132
3 Symplektische Geometrie
Chap. V], [100, 133, 220] und die Literaturverweise dort. Lorentz-Mannigfaltigkeiten bilden den Ausgangspunkt und die mathematische Arena der Allgemeinen Relativit¨atstheorie, siehe beispielsweise [290, 295, 302]. Wir werden hier jedoch einen bescheidenen Standpunkt einnehmen und nur die von uns ben¨ otigten Anfangsgr¨ unde der (Pseudo-) Riemannschen Geometrie diskutieren. In den Aufgaben 3.7, 3.8 und 3.10 werden wir weitere Aspekte der Riemannschen Geometrie vom Standpunkt der Hamiltonschen Mechanik aus diskutieren. Wir kommen nun zur zentralen Funktion in der Lagrangeschen Formulierung der Mechanik: Definition 3.2.24 (Lagrange-Funktion). Eine potentielle Energie U ∈ C ∞ (T Q) ist eine Funktion U ∈ Pol0 (T Q), also von der Form U = π ∗ V mit V ∈ C ∞ (Q). Die zu einer kinetischen Energie T ∈ Pol2 (T Q) und einer potentiellen Energie U ∈ Pol0 (T Q) geh¨orende Lagrange-Funktion L ∈ C ∞ (T Q) ist durch L=T −U (3.92) definiert. Bemerkung 3.2.25. Allgemein heißt jede Funktion L ∈ C ∞ (T Q) LagrangeFunktion. Der f¨ ur die Physik wichtigste Fall ist sicherlich der, in dem L die Form (3.92) besitzt. Es gibt jedoch auch dar¨ uber hinausgehende Beispiele. Es gilt also nun, die Euler-Lagrange-Gleichungen als Bewegungsgleichungen der Lagrangeschen Mechanik auch geometrisch zu formulieren und die Beziehung zur Hamiltonschen Mechanik zu verstehen. Wir beginnen mit folgendem Begriff der Faserableitung, der die geometrische Formulierung der Legendre-Transformation erm¨ oglichen: Definition 3.2.26 (Faserableitung). Sei L ∈ C ∞ (T Q) gegeben. Dann ist die Faserableitung L : T Q −→ T ∗Q (3.93) durch
( L(vq ))(wq ) =
definiert. Lemma 3.2.27. Sei L ∈ C ∞ (T Q).
d L(vq + twq ) dt t=0
(3.94)
i.) Es gilt L(vq ) ∈ Tq∗ Q, also insbesondere πT ∗ Q ◦ L = πT Q , und L : T Q −→ T ∗ Q ist glatt. ii.) Sei (U, x) eine Karte f¨ ur Q und (T U, (q, v)) beziehungsweise (T ∗ U, (q, p)) die induzierten Karte f¨ ur T Q beziehungsweise T ∗ Q. Dann gilt ∂L ∂L i also p ( dx (3.95) L(vq ) = ∂v L(v )) = . i q i v ∂v i vq q q
3.2 Beispiele von symplektischen Mannigfaltigkeiten
133
Beweis. Zun¨ achst ist zu zeigen, daß ( L(vq ))wq tats¨achlich linear von wq abh¨ angt. Nach der Kettenregel ist dies aber klar. Damit ist L(vq ) also eine Einsform auf Tq Q, womit auch der Fußpunkt von L(vq ) mit dem von vq u ¨ bereinstimmt. Die Glattheit folgt aus der lokalen Darstellung, welche man wie folgt nachrechnet d ( L(vq ))(wq ) = L(vq + twq ) dt t=0 ∂L ∂v i (vq + twq ) ∂L ∂q i (vq + twq ) + i = i ∂q vq ∂t ∂v vq ∂t t=0 t=0 ∂L i = 0 + i v (wq ) ∂v vq ∂L = dxi (wq ), ∂v i vq ⊓ ⊔
womit auch (3.95) gezeigt ist.
Beispiel 3.2.28. Sei T ∈ Pol2 (T ∗ Q) die kinetische Energie zur Riemannschen Metrik g und U eine potentielle Energie. Dann gilt f¨ ur L = T − U
L(vq ) = gq (vq , ·) = vq♭
g
,
(3.96)
wobei ♭g : T Q −→ T ∗ Q der durch g induzierte musikalische Vektorb¨ undelisomorphismus (analog zum symplektischen Fall in Bemerkung 3.1.9) ist. Man rechnet n¨ amlich nach, daß
L(vq )(wq ) = dtd L(vq +twq ) t=0 = dtd 12 gq (vq +twq , vq +twq ) t=0 = gq (vq , wq ),
(3.97) da gq bilinear ist und die potentielle Energie U nur vom Fußpunkt abh¨angt.
Offenbar ist in diesem Beispiel die Faserableitung L ein Diffeomorphismus T Q −→ T ∗ Q, da die Riemannsche Metrik g ja nichtausgeartet ist. Dies motiviert folgende allgemeine Definition: Definition 3.2.29 (Hyperregul¨ are Lagrange-Funktion). Eine Lagrange-Funktion L ∈ C ∞ (T Q) heißt hyperregul¨ar, falls L ein Diffeomorphismus ist. Ist γ : I −→ Q eine glatte Kurve, so ist γ˙ : I ∋ t → γ(t) ˙ ∈ Tγ(t) Q
(3.98)
eine glatte Kurve in T Q und es gilt πT Q ◦ γ˙ = γ. Ist umgekehrt c : I −→ T Q eine glatte Kurve in T Q, so ist zwar
(3.99)
134
3 Symplektische Geometrie
γ = πT Q ◦ c : I −→ Q
(3.100)
eine glatte Kurve in Q, aber im allgemeinen gilt γ(t) ˙ =
d πT Q ◦ c(t) = Tc(t) πT Q (c(t)) ˙ = c(t). dt
(3.101)
Es ist also sicher nicht jede Kurve in T Q von der Form (3.98). Dies motiviert folgende Begriffsbildung: Definition 3.2.30 (Gleichung zweiter Ordnung). Ein Vektorfeld X ∈ Γ∞ (T (T Q)) auf T Q definiert eine Gleichung zweiter Ordnung auf Q, falls T πT Q ◦ X = idT Q .
(3.102)
Lemma 3.2.31. Ein Vektorfeld X ∈ Γ∞ (T (T Q)) definiert genau dann eine Gleichung zweiter Ordnung auf Q, wenn f¨ ur jede Integralkurve c : I −→ T Q von X d (πT Q ◦ c) = c (3.103) dt gilt. Beweis. Mit (3.101) gilt (3.103) genau dann, wenn f¨ ur alle Integralkurven c c(0) = Tc(0) πT Q (c(0)) ˙ = Tc(0) πT Q ◦ X ◦ c(0) gilt. Also muß T πT Q ◦ X = idT Q gelten, da ja die Anfangsbedingungen c(0) ∈ T Q beliebig sind. Die Umkehrung folgt analog. ⊓ ⊔ Nun k¨ onnen wir die Euler-Lagrange-Gleichungen geometrisch formulieren: Definition 3.2.32. Sei L ∈ C ∞ (T Q) eine Lagrange-Funktion. i.) Die Funktion E ∈ C ∞ (T Q)
E(vq ) = ( L)(vq )vq − L(vq )
(3.104)
heißt Energie zu L. ii.) Die geschlossene Zweiform ωL = ( L)∗ ω0 ∈ Γ∞ (Λ2 T ∗ (T Q))
(3.105)
heißt Lagrange-Zweiform zu L. Entsprechend definiert man die LagrangeEinsform durch θL = ( L)∗ θ0 ∈ Γ∞ (T ∗ (T Q)). iii.) Ein Vektorfeld XE ∈ Γ∞ (T (T Q)) mit iXE ωL = dE heißt Lagrangesches Vektorfeld zu L.
(3.106)
3.2 Beispiele von symplektischen Mannigfaltigkeiten
135
Offenbar gilt immer ωL = −dθL ,
(3.107)
aber ωL braucht nicht symplektisch zu sein. Daher ist die Existenz von XE wie in (3.106) im allgemeinen keineswegs gesichert. Selbst wenn es ein XE mit (3.106) gibt, braucht es nicht eindeutig bestimmt zu sein. Dieser Fall ist f¨ ur die Physik von constraints durchaus von Bedeutung, soll jedoch hier nicht weiter vertieft werden, siehe hierzu etwa [95, 167, 292]. Im Falle einer hyperregul¨aren Lagrange-Funktion, also insbesondere f¨ ur L = T − U mit T und U wie gehabt, ist die Situation viel einfacher: Satz 3.2.33 (Euler-Lagrange-Gleichungen). Sei L ∈ C ∞ (T Q) eine Lagrange-Funktion. i.) Es gilt
θL
vq
wvq = L(πT (T Q) wvq )(Tvq πT Q (wvq ))
(3.108)
und lokal in einer induzierten Karte (T U, (q, v)) gilt
ωL
TU
=
θL
TU
=
∂L i dq ∂v i
∂2L ∂2L dq i ∧ dq j + i j dq i ∧ dv j . i j ∂v ∂q ∂v ∂v
(3.109) (3.110)
Insbesondere ist ωL genau dann symplektisch, falls an jedem Punkt vq ∈ T Q die zweite Faserableitung 2 L von L (Definition analog zu ) nichtausgeartet ist, also lokal 2 ∂ L = 0. (3.111) det ∂v i ∂v j vq
ii.) Ist L hyperregul¨ar, so ist ωL symplektisch und das Lagrangesche Vektorfeld XE existiert, ist eindeutig und definiert eine Gleichung zweiter Ordnung auf Q. iii.) Sei L hyperregul¨ar. Eine Kurve c : I −→ T Q ist genau dann eine Integralkurve von XE , falls die Fußpunktkurve γ = πT Q ◦ c lokal die EulerLagrange-Gleichungen d ∂L ∂L (γ(t)) ˙ − i (γ(t)) ˙ = 0, i = 1, . . . , n, (3.112) i dt ∂v ∂q erf¨ ullt und c = γ. ˙ Beweis. Der Beweis zum ersten Teil erfolgt durch einfaches Nachrechnen mit Hilfe der Definition von und (3.95). Der zweite Teil benutzt folgendes Lemma:
136
3 Symplektische Geometrie
Lemma 3.2.34. Ein Vektorfeld X ∈ Γ∞ (T (T Q)) definiert genau dann eine Gleichung zweiter Ordnung, wenn in lokalen Koordinaten (T U, (q, v)) X
TU
(q, v) = v i
∂ ∂ + X2i (q, v) i i ∂q ∂v
(3.113)
mit lokalen Funktionen X2i ∈ C ∞ (T U ). Beweis (von Lemma 3.2.34). Zum Beweis wertet man die Bedingung T πT Q ◦ X = idT Q auf den lokalen Basisvektorfeldern ∂q∂ i und ∂v∂ i aus. Analog zum Fall des Kotangentenb¨ undels gilt ∂ ∂ ∂ π und T = = 0, Tvq πT Q T Q v q ∂q i vq ∂xi q ∂v i vq woraus (3.113) leicht folgt, siehe auch Aufgabe 3.9.
▽
Es bleibt nun zu zeigen, daß die lokale Gestalt von XE tats¨achlich so beschaffen ist, daß XE eine Gleichung zweiter Ordnung definiert. Diese Rechnung, sowie auch die verbleibende Rechnung zum dritten Teil, wird in Aufgabe 3.9 besprochen. ⊓ ⊔ Bemerkung 3.2.35. Im hyperregul¨ aren Fall, also insbesondere f¨ ur L = T − U , sind die u ¨blichen Euler-Lagrange-Gleichungen also die lokale Version der Bewegungsgleichungen (3.114) c(t) ˙ = XE ◦ c(t), wobei das Lagrangesche Vektorfeld XE das Hamiltonsche Vektorfeld zur uglich der symplektischen Struktur ωL Hamilton-Funktion E ∈ C ∞ (T Q) bez¨ ist. Diese Beobachtung legt nahe, die Faserableitung L dazu zu verwenden, ein ¨ aquivalentes Hamiltonsches System direkt auf T ∗ Q zu definieren, was in der Tat m¨ oglich ist: Satz 3.2.36 (Legendre-Transformation). Sei L ∈ C ∞ (T Q) eine hyperregul¨are Lagrange-Funktion und sei H = E ◦ ( L)−1 ∈ C ∞ (T ∗ Q)
(3.115)
die Legendre-Transformierte von L. Dann gilt: i.) Das Hamiltonsche System (T Q, ωL, E) ist zum Hamiltonschen System (T ∗ Q, ω0 , H) via L : T Q −→ T ∗ Q ¨aquivalent. ii.) L bildet Integralkurven von XE in T Q bijektiv auf Integralkurven von XH in T ∗ Q ab, und die Fußpunktkurven in Q von entsprechenden Integralkurven stimmen ¨ uberein.
3.2 Beispiele von symplektischen Mannigfaltigkeiten
137
Beweis. Der erste Teil ist klar, da L : T Q −→ T ∗ Q nach Definition von ωL ein Symplektomorphismus ist und E = ( L)∗ H. Insbesondere folgt daraus, daß XE und XH L-verwandt sind, sogar ( L)∗ XH = XE
und ( L)∗ XE = XH .
Sei nun c : I −→ T Q eine Integralkurve von XE , dann gilt f¨ ur c˜(t) = L ◦ c(t) nach der Kettenregel ˙ = Tc(t) L ◦ XE ◦ c(t) = XH ( Lc(t)) = XH (˜ c(t)). c˜˙(t) = Tc(t) L ◦ c(t) Die Umkehrung folgt analog. In der Tat sind ganz allgemein die Integralkurven von φ-verwandten Vektorfeldern immer in Bijektion via φ. F¨ ur die Fußpunktkurven gilt γ˜ (t) = πT ∗ Q ◦ c˜(t) = πT ∗ Q ◦ L ◦ c(t) = πT Q ◦ c(t) = γ(t),
da πT ∗ Q ◦ L = πT Q , womit die Fußpunktkurven u ¨ bereinstimmen.
⊓ ⊔
Bemerkung 3.2.37. Umgekehrt kann man f¨ ur eine hyperregul¨are HamiltonFunktion mittels der entsprechenden Faserableitung H (Definition analog zu L) von Hamiltonscher zu Lagrangescher Mechanik wechseln. Beispiel 3.2.38. Sei T ∈ Pol2 (T Q) die kinetische Energie zur Riemannschen Metrik g und U = πT∗ Q V ∈ Pol0 (T Q) eine potentielle Energie. Dann gilt mit Beispiel 3.2.28 E =T +U (3.116) und entsprechend
˜, H = T˜ + U
(3.117)
˜ = π ∗ ∗ V und g −1 das zu g inverse wobei T˜(αq ) = 12 gq−1 (αq , αq ) und U T Q −1 ∞ 2 kontravariante Tensorfeld g ∈ Γ (S T Q) bezeichnet. Wir schließen diesen Abschnitt mit einer Bemerkung zur kr¨aftefreien Bewegung in einer Riemannschen Mannigfaltigkeit. Definition 3.2.39 (Geod¨ ate). Sei g eine (Pseudo-) Riemannsche Metrik auf Q. Eine Kurve γ in Q heißt Geod¨ate bez¨ uglich g, falls die Kurve c = γ˙ in T Q eine Integralkurve von XE mit L = T = E ist, also eine L¨osung zur kr¨aftefreien Bewegung. Diese etwas eigent¨ umliche Definition einer Geod¨aten liefert tats¨achlich die u bliche Definition: ¨ Satz 3.2.40 (Geod¨ atengleichung). Sei g eine (Pseudo-) Riemannsche Metrik auf Q. Dann ist eine Kurve γ in Q genau dann eine Geod¨ate bez¨ uglich g, falls lokal in einer Karte (U, x) f¨ ur γ i (t) = xi (γ(t)) γ¨ k (t) + Γijk (γ(t))γ˙ i (t)γ˙ j (t) = 0
(3.118)
138
3 Symplektische Geometrie
gilt, wobei Γijk
1 = g kℓ 2
∂gℓi ∂gℓj ∂gij + − ∂xj ∂xi ∂xℓ
∈ C ∞ (U )
(3.119)
die lokalen Christoffel-Symbole von g sind und (g kℓ ) die zu (gij ) inverse Matrix 1 i bezeichnet und g U = 2 gij dx ∨ dxj .
Beweis. Mit den lokalen Ausdr¨ ucken f¨ ur L, XE und T ist die Verifikation ¨ von (3.118) in lokalen Koordinaten eine leichte Ubung, siehe Aufgabe 3.10. ⊓ ⊔ Weitere Details zur Hamiltonschen Sichtweise“ in der Riemannschen Geo” metrie werden in den Aufgaben 3.7, 3.8 und 3.10 besprochen. 3.2.3 Fast-Komplexe Strukturen und K¨ ahler-Mannigfaltigkeiten Eine zweite große Beispielklasse von symplektischen Mannigfaltigkeiten mit Extrastruktur“ bilden die K¨ahler-Mannigfaltigkeiten. Wir beginnen mit eini” ¨ gen Uberlegungen zu komplexen Mannigfaltigkeiten, siehe etwa [146,177,201, 325] f¨ ur Details. Definition 3.2.41 (Fast-komplexe Struktur). Eine fast-komplexe Struktur auf M ist ein Tensorfeld J ∈ Γ∞ (End(T M )) mit der Eigenschaft J 2 = − id .
(3.120)
Eine Mannigfaltigkeit M mit einer fast-komplexen Struktur J heißt fastkomplexe Mannigfaltigkeit. Eine glatte Abbildung φ : (M, J) −→ (M ′ , J ′ )
(3.121)
T φ ◦ J = J ′ ◦ T φ.
(3.122)
heißt fast-holomorph, falls
In (3.122) werden J und J ′ als faserweise lineare Diffeomorphismen J : T M ∋ vp → Jp (vp ) ∈ T M
(3.123)
verstanden. Bemerkung 3.2.42. Ist (M, J) eine fast-komplexe Mannigfaltigkeit, so ist also auf jedem Tangentialraum Tp M eine lineare fast-komplexe Struktur Jp : Tp M −→ Tp M vorgegeben. Insbesondere folgt, daß dim M = 2n gerade ist, siehe Aufgabe 3.5.
3.2 Beispiele von symplektischen Mannigfaltigkeiten
139
Definition 3.2.43 (Komplexe Mannigfaltigkeit). Eine komplexe Mannigfaltigkeit M der komplexen Dimension n ist eine differenzierbare (reelle) Mannigfaltigkeit der reellen Dimension 2n, welche einen holomorphen Atlas {(Uα , zα )} besitzt, so daß es also lokale glatte Karten
∼ =
zα : Uα −→ zα (Uα ) = Vα ⊆ n (3.124) mit der Eigenschaft gibt, daß zβ ◦ zα−1 zα (Uα ∩U ) f¨ ur alle α, β holomorph ist. β Eine Abbildung φ : M −→ N zwischen zwei komplexen Mannigfaltigkeiten heißt holomorph, falls φ in lokalen holomorphen Karten holomorph ist. Sind also zα = (zα1 , . . . , zαn ) und zβ = (zβ1 , . . . , zβn ) Koordinaten auf Uα und Uβ mit Uα ∩Uβ = ∅, so gelten die Cauchy-Riemannschen Differentialgleichungen ∂(xkβ ◦ zα−1 ) ∂xjα
−
∂(yβk ◦ zα−1 ) ∂yαj
=0=
∂(xkβ ◦ zα−1 ) ∂yαj
+
∂(yβk ◦ zα−1 ) ∂xjα
(3.125)
f¨ ur alle k, j = 1, . . . , n genau dann, wenn der Kartenwechsel zβ ◦ zα−1 holomorph ist. Hier bezeichnet xkα den Realteil von zαk und yαk entsprechend den Imagin¨ arteil von zαk , etc. Es gilt also zαk = xkα + iyαk . Beispiel 3.2.44 (Komplexe Mannigfaltigkeiten).
i.) Jede offene Teilmenge von n ist eine komplexe Mannigfaltigkeit der komplexen Dimension n. Allgemeiner ist jede offene Teilmenge einer komplexen Mannigfaltigkeit wieder eine komplexe Mannigfaltigkeit der selben Dimension. ii.) Die 2-Sph¨ are 2 besitzt mittels den stereographischen Projektionen vom Nordpol und S¨ udpol aus einen holomorphen Atlas und ist daher eine kompakte komplexe Mannigfaltigkeit der komplexen Dimension 1, siehe Aufgabe 2.2. iii.) Allgemeiner betrachtet man in n+1 \ {0} die Menge der komplexen n , welcher sich Strahlen. Dies definiert den komplex-projektiven Raum als eine komplexe n-dimensionale Mannigfaltigkeit erweist. Es gilt dann 1 ∼ 2 = , siehe auch Aufgabe 3.27.
Proposition 3.2.45. Seien M , M ′ komplexe Mannigfaltigkeiten. i.) Sei (Uα , zα ) eine holomorphe Karte. Die durch ∂ ∂ ∂ ∂ und Jα Jα = =− k k k k ∂xα ∂yα ∂yα ∂xα
(3.126)
lokal auf Uα definierte fast-komplexe Struktur Jα ist unabh¨angig von der holomorphen Karte und definiert daher eine kanonische fast-komplexe Struktur J ∈ Γ∞ (End(T M )).
140
3 Symplektische Geometrie
ii.) Eine glatte Abbildung φ : M −→ M ′ ist genau dann holomorph, falls φ fast-holomorph bez¨ uglich der kanonischen fast-holomorphen Strukturen J und J ′ ist, also T φ ◦ J = J ′ ◦ T φ. Beweis. Aus dem Transformationsverhalten von Koordinatenvektorfeldern nach Satz 2.1.13 und aus (3.125) folgt, daß f¨ ur je zwei holomorphe Karten (Uα , zα ) und (Uβ , zβ ) auf Uα ∩ Uβ die Gleichheit Jα = Jβ gilt. Diese Rech¨ nung sei als eine einfache Ubung gestellt. Damit folgt aber der erste Teil, da ur den zweiten Teil zeigt man, daß (3.122) lokal dazu offenbar Jα2 = − id. F¨ a ullt ¨quivalent ist, daß die Cauchy-Riemannschen Differentialgleichungen erf¨ sind, φ also holomorph ist. Die Rechnung ist ebenfalls einfach und benutzt nur die lokale Form der Tangentialabbildung aus Satz 2.1.15. ⊓ ⊔ Es stellt sich also die Frage, ob eine fast-komplexe Struktur J auf einer reellen Mannigfaltigkeit nicht vielleicht von einer komplexen Mannigfaltigkeitsstruktur von M kommt. Dies ist im allgemeinen nicht so, aber es l¨aßt sich eine einfache notwendige und hinreichende Bedingung formulieren: Definition 3.2.46 (Nijenhuis-Torsion). Sei A ∈ Γ∞ (End(T M )), und seien X, Y ∈ Γ∞ (T M ). Dann ist die Nijenhuis-Torsion NA von A durch NA (X, Y ) = [AX, AY ] − A[AX, Y ] − A[X, AY ] + A2 [X, Y ]
(3.127)
definiert. Man rechnet leicht nach, daß NA (X, Y ) = −NA (Y, X) und daß NA funktionenlinear ist, siehe Aufgabe 3.11. Daher ist nach Satz 2.2.24 die NijenhuisTorsion ein Tensorfeld vom Typ NA ∈ Γ∞ (Λ2 T ∗ M ⊗ T M ).
(3.128)
Satz 3.2.47 (Newlander-Nirenberg-Theorem). Sei (M, J) eine fastkomplexe Mannigfaltigkeit. Dann gilt, daß M genau dann eine komplexe Mannigfaltigkeit mit zugeh¨origer kanonischer fast-komplexer Struktur J ist, falls NJ = 0.
(3.129)
Beweis. Die Notwendigkeit von (3.129) l¨ aßt sich leicht nachpr¨ ufen, da NJ ein Tensor ist und (3.129) daher lokal in einer holomorphen Karte gepr¨ uft werden kann. Mit (3.126) ist dies aber eine triviale Rechnung, da ja alle Koordinatenvektorfelder Lie-kommutieren. Die Umkehrung dagegen ist ein h¨ochst nichttrivialer Satz, siehe beispielsweise die Diskussion in [201, App. 8]. ⊓ ⊔ Eine fast-komplexe Struktur J mit NJ = 0 heißt auch integrabel oder einfach komplexe Struktur . Der große Vorteil der Bedingung (3.129) liegt darin, daß NJ = 0 lokal in einer Karte durch einfaches Berechnen von Ableitungen von J gepr¨ uft werden kann, da NJ ja ein Tensor ist.
3.2 Beispiele von symplektischen Mannigfaltigkeiten
141
Bevor wir nun den Begriff einer K¨ ahler-Mannigfaltigkeit definieren k¨onnen, ben¨ otigen wir einige genauere Aussagen u ¨ ber komplexwertige Differentialformen und Vektorfelder. Man betrachtet dazu das komplexifizierte Tangentenb¨ undel T M = T M ⊗ , (3.130)
welches das Tensorprodukt (im Sinne von Vektorb¨ undeln) des reellen Tangentenb¨ undels mit dem trivialen Vektorb¨ undel M × mit reell zweidimensionaler typischer Faser ist. Die Faser von T M am Punkt p ∈ M ist also der komplexifizierte Tangentialraum Tp M ⊗ . Als reelles Vektorb¨ undel hat T M nun (2 dim M )-dimensionale, als komplexes Vektorb¨ undel (dim M )-dimensionale Fasern. Ebenso wie T M komplexifiziert man auch das Kotangentenb¨ undel
T∗ M = T ∗ M ⊗
,
(3.131)
sowie die anderen, daraus abgeleiteten Tensorb¨ undel. Die Fasern von T∗ M sind dann als der komplexe Dualraum vom komplexifizierten Tangentialraum aufzufassen, also T∗ M p = α : T M p −→ α ist -linear . (3.132)
In jedem komplexifizierten reellen Vektorb¨ undel E⊗ weise komplexe Konjugation, definiert durch
hat man die punkt-
v ⊗ z → v ⊗ z = v ⊗ z,
(3.133)
wobei v ∈ Ep und z ∈ . Dann wird (3.133) ein -linearer, involutiver und -antilinearer Vektorb¨ undelautomorphismus. Angewandt auf das Tangentenb¨ undel und die daraus abgeleiteten Vektorb¨ undel erh¨alt man also folgendes Bild:
das komplexifizierte TangenProposition 3.2.48. Sei T M = T M ⊗ tenb¨ undel einer differenzierbaren Mannigfaltigkeit und entsprechend T rs T M die komplexen Tensorb¨ undel.
i.) Komplexe Vektorfelder X ∈ Γ∞ (T M ) sind in linearer Bijektion zu linearen Derivationen der komplexwertigen Funktionen C ∞ (M, ), und es gilt X(f ) = X(f ). (3.134)
ii.) Das komplexe Tensorb¨ undel T rs T M ist kanonisch isomorph zur Komplexifizierung des reellen Tensorb¨ undels Tsr T M . iii.) Die komplexe Konjugation von Tensorfeldern ist vertr¨aglich mit der nat¨ urlichen Paarung, d.h. f¨ ur S ∈ Γ∞ (T rs T M ) und X1 , . . . , Xs ∈ Γ∞ (T M ), α1 , . . . , αr ∈ Γ∞ (T∗ M ) gilt S(X1 , . . . , Xs , α1 , . . . , αr ) = S(X1 , . . . , Xs , α1 , . . . , αr ).
(3.135)
142
3 Symplektische Geometrie
iv.) Jedes komplexe Tensorfeld S ∈ Γ∞ (T rs T M ) l¨aßt sich eindeutig in Realund Imagin¨arteil zerlegen, S = S1 + iS2 , mit S1 , S2 ∈ Γ∞ (Tsr T M ). v.) Die Operationen LX , d, iX , ·, · etc. werden -multilinear fortgesetzt. Dann gilt LX S = LX S, (3.136)
dα = dα
und
iX α = iX α, Y, Z = Y , Z ,
wobei X ∈ Γ∞ (T M ), S ∈ Γ∞ (T • T M ). Γ∞ (Λ
r sT
(3.137)
(3.138)
M ), α ∈ Γ∞ (Λ• T∗ M ) und Y, Z ∈
Beweis. Die elementare Verifikation wird in Aufgabe 3.6 besprochen.
⊓ ⊔
Bemerkung 3.2.49 (Reelle und komplexe deRham-Kohomologie). Im Hinblick auf die Bezeichnungen aus Definition 2.3.22 sollten wir bei Differentialformen nun etwas mehr Sorgfalt walten lassen. Deshalb schreiben wir nun auch Z k (M, ) beziehungsweise Z k (M, ), um zu betonen, daß wir reelle oder komplexwertige geschlossene k-Formen betrachten. Entsprechend schreiben wir B k (M, ) und B k (M, ). F¨ ur die resultierenden deRham-Kohomologien zeigt man nun leicht, daß
H•dR (M, ) ∼ = H•dR (M,
) ⊕ iH•dR (M,
)∼ = H•dR (M,
)⊗
,
(3.139)
indem man eine komplexe Differentialform in ihren Real- und Imagin¨arteil zerlegt. Die obigen Aussagen sind noch f¨ ur beliebige Mannigfaltigkeiten g¨ ultig. Interessant wird es, wenn M eine fast-komplexe Struktur J besitzt. Da eine -lineare Abbildung J : V −→ V mit J 2 = − id immer komplex diagonalisierbar ist mit Eigenwerten ±i und
v(1,0) =
1 (v − iJ(v)) 2
und v(0,1) =
1 (v + iJ(v)) 2
(3.140)
die entsprechende Zerlegung v = v(1,0) +v(0,1) in die (±i)-Eigenvektoren liefert, induziert eine fast-komplexe Struktur auf M eine Zerlegung von T M in zwei komplexe Unterb¨ undel: Proposition 3.2.50. Sei (M, J) eine fast-komplexe Mannigfaltigkeit der reellen Dimension 2n. i.) Das komplexifizierte Tangentenb¨ undel T M ist die direkte Summe der Eigenraumb¨ undeln von J zu den Eigenwerten ±i T M = T M (1,0) ⊕ T M (0,1) ,
(3.141)
wobei punktweise v = v(1,0) +v(0,1) und v(1,0) und v(0,1) wie in (3.140). Die Eigenraumb¨ undel T M (1,0) und T M (0,1) sind komplexe Vektorb¨ undel der komplexen Dimension n.
3.2 Beispiele von symplektischen Mannigfaltigkeiten
143
ii.) Die Zerlegung (3.141) induziert eine Zerlegung T∗ M = T∗ M (1,0) ⊕ T∗ M (0,1) ,
(3.142)
wobei T∗ M (1,0) das zu T M (1,0) und T∗ M (0,1) das zu T M (0,1) duale B¨ undel ist. iii.) Die Zerlegungen (3.141) und (3.142) induzieren Zerlegungen aller Tensorb¨ undel. Speziell f¨ ur das Grassmann-B¨ undel erh¨alt man (r,s) k ∗ T M = (3.143) Λ T∗ M Λ r+s=k
(r,s)
r T∗ M (1,0) ⊗ Λs T∗ M (0,1) . mit Λ T∗ M = Λ
Der Beweis ist offensichtlich. Definition 3.2.51. Sei (M, J) eine fast-komplexe Mannigfaltigkeit. i.) Ein Vektorfeld X ∈ Γ∞ (T M ) heißt vom Typ (1, 0) beziehungsweise von Typ (0, 1), falls X ∈ Γ∞ (T M (1,0) ) beziehungsweise X ∈ Γ∞ (T M (0,1) ). ∞ k ∗ Λ T M heißt vom Typ (r, s), wobei k = ii.) Eine Differentialform α∈Γ (r,s)
(r,s)
r + s, falls α ∈ Γ∞ Λ T∗ M . Die Projektion auf Λ T∗ M wird mit (r,s)
k ∗ T M −→ Λ T∗ M π (r,s) : Λ
(3.144)
bezeichnet.
(r,s) Sei nun α ∈ Γ∞ Λ T∗ M , dann kann α lokal als Summe von (r + s) Einsformen der Form α = β1 ∧ · · · ∧ βr ∧ γ1 ∧ · · · ∧ γs (3.145)
geschrieben werden, wobei βi ∈ Γ∞ T∗ M (1,0) und γj ∈ Γ∞ T∗ M (0,1) Einsformen vom Typ (1, 0) beziehungsweise (0, 1) sind. Anwenden der ¨außeren Ableitung d liefert in dα aufgrund der Leibniz-Regel neben den Termen dβi und dγj mindestens (r − 1) Einsformen βi und (s − 1) Einsformen γj . Daher sind die m¨ oglichen Typen, die in dα auftreten k¨onnen, Einschr¨ankungen unterworfen: Insgesamt erh¨ alt man, daß dα Beitr¨age von (k + 1)-Formen mit Typ (r − 1, s + 2), (r, s + 1), (r + 1, s) und (r + 2, s − 1) enthalten kann. F¨ ur eine komplexe Mannigfaltigkeit wird die Situation sehr viel einfacher, da nur 2 der a priori 4 M¨ oglichkeiten tats¨ achlich auftreten. Um dies sehen zu k¨ onnen, ben¨ otigen wir aber noch einige lokale Ausdr¨ ucke in lokalen holomorphen Koordinaten. Sei also (U, z) eine holomorphe Karte einer komplexen Mannigfaltigkeit (M, J). Dann definiert man die lokalen komplexen Vektorfelder 1 1 ∂ ∂ ∂ ∂ ∂ ∂ = = − i + i und (3.146) ∂z k 2 ∂xk ∂y k 2 ∂xk ∂y k ∂z k
144
3 Symplektische Geometrie
sowie die lokalen komplexen Einsformen dz k = dxk + idy k
und
dz k = dxk − idy k = dz k ,
(3.147)
wobei z k = xk + iy k die u ¨bliche Zerlegung in Real- und Imagin¨arteil der Koordinatenfunktionen ist. Offenbar ist (3.147) konsistent mit unserer u ¨brigen Notation, da die ¨ außere Ableitung ja -linear fortgesetzt ist und daher dz k achlich die Differentiale der komplexen Koordinatenbeziehungsweise dz k tats¨ funktionen z k beziehungsweise z k sind.
Proposition 3.2.52. Sei (M, J) eine komplexe Mannigfaltigkeit und (U, z) eine lokale holomorphe Karte. i.) Die Vektorfelder und es gilt
∂ ∂z k
und
∂ ∂z k
sind vom Typ (1, 0) beziehungsweise (0, 1) ∂ ∂ = k. ∂z k ∂z
ii.) Es gilt ∂ ∂ k k k = δℓ = dz dz ∂z ℓ ∂z ℓ
(3.148)
∂ . und dz = 0 = dz ∂z ℓ (3.149) Damit sind die Vektorfelder ∂z∂k lokale Basisfelder von T U (1,0) und entsprechend sind die ∂z∂ k lokale Basisfelder von T U (0,1) . Die Einsformen dz k beziehungsweise dz k bilden dann die entsprechenden dualen Basisfelder von T∗ U (1,0) und T∗ U (0,1) . iii.) Eine lokale Funktion f ∈ C ∞ (U, ) ist genau dann holomorph in U , wenn k
∂ ∂z ℓ
k
∂ f = 0 f¨ ur alle k = 1, . . . , n. (3.150) ∂z k (r,s) iv.) Jede k-Form α ∈ Γ∞ Λ T∗ M vom Typ (r, s) mit r + s = k l¨aßt sich als 1 α (3.151) dz k1 ∧ · · · ∧ dz kr ∧ dz ℓ1 ∧ · · · ∧ dz ℓs α U = r!s! k1 ...kr ℓ1 ...ℓs mit eindeutig bestimmten Funktionen αk1 ...kr ℓ1 ...ℓs ∈ C ∞ (U ), antisymmetrisch in k1 , .. . , kr und antisymmetrisch in ℓ1 , . . . , ℓs , darstellen. (r,s) ∗ ∞ Λ T M wie in (3.151) gilt lokal v.) F¨ ur α ∈ Γ
1 ∂αk1 ...kr ℓ1 ...ℓs k0 dα U = dz ∧ dz k1 ∧ · · · ∧ dz kr ∧ dz ℓ1 ∧ · · · ∧ dz ℓs r!s! ∂z k0 (−1)r ∂αk1 ...kr ℓ1 ...ℓs k1 dz ∧ · · · ∧ dz kr ∧ dz ℓ0 ∧ dz ℓ1 ∧ · · · ∧ dz ℓs . + r!s! ∂z ℓ0 (3.152) (r+1,s) ∗ (r,s+1) ∗ Damit gilt also insbesondere dα ∈ Γ∞ Λ T M ⊕ Λ T M .
3.2 Beispiele von symplektischen Mannigfaltigkeiten
145
Beweis. Den ersten Teil erh¨ alt man durch konkretes Nachrechnen, etwa ∂ ∂ ∂ i ∂ ∂ 1 1 ∂ J J − i + = i k. = = k k k k k ∂z 2 ∂x ∂y 2 ∂y 2 ∂x ∂z und analog f¨ ur ∂z∂ k . Da ∂x∂ k und ∂y∂ k reelle Vektorfelder sind, ist (3.148) offensichtlich. Den zweiten Teil rechnet man ebenfalls elementar nach, beispielsweise ∂ ∂ ∂ 1 1 1 k k k − i ℓ = δℓk + 0 + 0 + δℓk = δℓk dz = (dx + idy ) ∂z ℓ 2 ∂xℓ ∂y 2 2 und analog f¨ ur die u ¨ brigen Kombinationen. Die weiteren Behauptungen folgen dann einfach aus den Gleichungen (3.149). F¨ ur den dritten Teil findet man, daß die Bedingung (3.150), aufgespaltet in Real- und Imagin¨arteil von f , gerade die Cauchy-Riemannschen Differentialgleichungen sind. Daher folgt die Behauptung. F¨ ur den vierten Teil verwendet man, daß die dz k und dz ℓ lokale Basisfelder der Einsformen vom Typ (1, 0) beziehungsweise (0, 1) sind. Damit folgt die lokale Darstellung (3.151) sofort. Der f¨ unfte Teil folgt ebenfalls durch eine einfache Rechnung und d2 = 0, wobei die partiellen Ableitungen“ nach ” z k0 beziehungsweise z ℓ0 als Anwendung der Vektorfelder ∂z∂k0 beziehungsweise ∂ zu verstehen sind. ⊓ ⊔ ∂z ℓ0 Die lokale Gestalt von α gem¨ aß (3.151) sowie die von dα nach (3.152) zeigt, daß von den a priori vier m¨ oglichen Beitr¨agen in dα auf einer komplexen Mannigfaltigkeit nur zwei tats¨ achlich auftreten. Dies erlaubt folgende Definition: Definition 3.2.53 (Dolbeault-Operator). Sei (M, J) eine komplexe Mannigfaltigkeit. Die Zerlegung (3.152) liefert eine Zerlegung der ¨außeren Ableitung d in zwei Operatoren (3.153) d = ∂ + ∂, (r+1,s) (r,s+1) wobei ∂ = ⊕∞ ◦ d ◦ π (r,s) und ∂ = ⊕∞ ◦d◦ k=0 ⊕r+s=k π k=0 ⊕r+s=k π (r,s) π . Der Operator ∂ heißt Dolbeault-Operator.
In lokalen holomorphen Koordinaten (U, z) sind ∂α und ∂α gerade durch die beiden Beitr¨ age in (3.152) gegeben, also 1 ∂αk1 ...kr ℓ1 ...ℓs k0 dz ∧ dz k1 ∧ · · · ∧ dz kr ∧ dz ℓ1 ∧ · · · ∧ dz ℓs (3.154) ∂α U = r!s! ∂z k0
und
(−1)r ∂αk1 ...kr ℓ1 ...ℓs k1 dz ∧· · · ∧dz kr ∧dz ℓ0 ∧dz ℓ1 ∧· · · ∧dz ℓs . (3.155) ∂α U = r!s! ∂z ℓ0
Satz 3.2.54 (Dolbeault-Komplex). Sei (M, J) eine komplexe Mannigfaltigkeit. Dann gilt
146
3 Symplektische Geometrie
∂α = ∂ α und ∂2 = 0 = ∂
2
sowie
∞
(3.156) ∂∂ = −∂∂.
(3.157)
Eine lokale Funktion f ∈ C (U ) ist in U genau dann holomorph, falls ∂f = 0.
(3.158)
Beweis. Anhand der lokalen Formeln (3.154) und (3.155) ist (3.156) klar. 2 Wegen d2 = 0 folgt auch ∂ 2 +∂ +∂∂ +∂∂ = 0. Da aber aufgrund der direkten Summe (3.143) die Resultate in jeweils verschiedenen disjunkten Teilr¨aumen liegen, muß (3.157) gelten. Aus der lokalen Form (3.150) folgt unmittelbar (3.158). ⊓ ⊔ Nachdem komplexe Mannigfaltigkeiten erkl¨art sind, will man nun nach symplektischen Mannigfaltigkeiten suchen, welche auf eine kompatible Weise auch komplex sind. Hier ist folgende Definition naheliegend: Definition 3.2.55. Sei (M, ω) eine symplektische Mannigfaltigkeit und J eine fast-komplexe Struktur auf M . Dann heißt J kompatibel mit ω, falls g(X, Y ) = ω(X, JY )
(3.159)
mit X, Y ∈ Γ∞ (T M ) eine Riemannsche Metrik g auf M definiert. Satz 3.2.56. Auf jeder symplektischen Mannigfaltigkeit existieren kompatible fast-komplexe Strukturen. Beweis. Nach Satz A.1.7 k¨ onnen wir eine Riemannsche Metrik g auf M ausw¨ ahlen. Dann definiert gp (vp , wp ) = ωp (vp , Ap wp ) einen invertierbaren linearen Endomorphismus Ap ∈ End(Tp M ). Offenbar ist A : p → Ap ein glatter Schnitt A ∈ Γ∞ (End(T M )), da sowohl g als auch ω glatt sind. Dies sieht man in einer lokalen Karte, wo g = 12 gij dxi ∨ dxj und ω = 21 ωij dxi ∧dxj . Dann gilt mit der inversen Matrix ω ij zu ωij die Gleichung Aji = ω jr gri , womit A glatt ist, da sowohl die Koeffizienten gij als auch die Koeffizienten ω ij lokale glatte Funktionen sind. Mit der Polarzerlegung (bez¨ uglich g) von A gilt √ A = J|A|, wobei |A| = AT A die eindeutig bestimmte, positive Wurzel von AT A ist und AT der bez¨ uglich g transponierte Endomorphismus ist. Da die Wurzel eines invertierbaren Endomorphismus wieder glatt und ebenfalls invertierbar ist, sind |A| ∈ Γ∞ (End(T M )) und J ∈ Γ∞ (End(T M )) ebenfalls glatt und invertierbar. Im
3.2 Beispiele von symplektischen Mannigfaltigkeiten
147
√ allgemeinen w¨ are AT A nur stetig, nicht aber glatt. Durch eine punktweise durchgef¨ uhrte Rechnung folgt schließlich, daß J 2 = − id und [A, |A|] = [A, J] = [|A|, J] = 0, siehe Aufgabe 3.5. Daher definiert g˜(X, Y ) = g(|A|−1/2 X, |A|−1/2 Y ) = ω(X, JY ) eine neue, glatte Riemannsche Metrik g˜ sowie eine fast-komplexe Struktur J, so daß J kompatibel mit ω wird. ⊓ ⊔ In der Tat zeigt der obige Beweis sogar mehr, da ja |A| und J = A|A|−1 glatt von A abhingen. Dies l¨ aßt sich folgendermaßen nutzen: Satz 3.2.57. Sei (M, ω) eine symplektische Mannigfaltigkeit. Sei gt eine glatte Kurve von Riemannschen Metriken (Im offensichtlichen Sinne, also g : I × M −→ T M sei glatt mit π ◦ g = pr2 und gt = g(t, ·) sei eine Riemannsche Metrik f¨ ur alle t ∈ I). Dann liefert die obige Konstruktion eine glatte Kurve Jt von kompatiblen fast-komplexen Strukturen auf M . Sind umgekehrt zwei fast-komplexe Strukturen J0 und J1 auf M vorgegeben, dann lassen sie sich durch eine auf [0, 1] stetige und in (0, 1) glatte Kurve Jt von kompatiblen fast-komplexen Strukturen verbinden. Beweis. Da die Abbildung At mit gt (X, Y ) = ω(X, At Y ) glatt von t abh¨angt, gilt dies auch f¨ ur |At | und Jt = At |At |−1 . Dies zeigt die erste Aussage. Sind umgekehrt J0 und J1 vorgegeben und sind g0 und g1 die zugeh¨origen Riemannschen Metriken, so ist auch gt = tg1 + (1 − t)g0 eine Riemannsche Metrik (warum?), die offenbar glatt von t ∈ (0, 1) und stetig von t ∈ [0, 1] abh¨angt. Auf diese Kurve wendet man den ersten Teil nun an. ⊓ ⊔ Es folgt insbesondere, daß der Raum aller kompatiblen fast-komplexen Strukturen nicht nur weg-zusammenh¨ angend sondern sogar kontrahierbar ist, da dies f¨ ur den Raum aller Riemannschen Metriken gilt. Bemerkung 3.2.58. Ist J kompatibel mit ω, so folgt durch eine einfache Rechnung ω(JX, JY ) = ω(X, Y ) (3.160) g(JX, JY ) = g(X, Y )
(3.161)
ω(JX, Y ) = −ω(X, JY )
(3.162)
g(JX, Y ) = −g(X, JY )
(3.163)
Auch wenn es immer eine kompatible fast-komplexe Struktur J auf (M, ω) gibt, ist diese im allgemeinen nicht integrabel. Man kann sogar symplektische Mannigfaltigkeiten konstruieren, f¨ ur die es keine integrable kompatible fastkomplexe Struktur J gibt, siehe beispielsweise die Diskussion in [317, Sect. 2]. Dies motiviert nun die Definition einer K¨ahler-Mannigfaltigkeit:
148
3 Symplektische Geometrie
Definition 3.2.59 (K¨ ahler-Mannigfaltigkeit). Eine K¨ahler-Mannigfaltigkeit (M, ω, J, g) ist eine symplektische Mannigfaltigkeit (M, ω) mit integrabler kompatibler fast-komplexer Struktur J und zugeh¨origer Riemannscher Metrik g. Bemerkung 3.2.60. Nach dem Newlander-Nirenberg-Theorem 3.2.47 ist M mittels J also insbesondere eine komplexe Mannigfaltigkeit. Damit stehen die durchaus sehr m¨ achtigen Werkzeuge der komplexen Differentialgeometrie zur Verf¨ ugung. Insbesondere k¨ onnen wir von holomorphen Karten Gebrauch machen. Gleichzeit k¨ onnen wir aber auch die Resultate der Riemannschen Geometrie zum Einsatz bringen, da (M, g) auch eine Riemannsche Mannigfaltigkeit ist. Damit ist insbesondere mit dem Levi-Civita-Zusammenhang, siehe Aufgabe 3.7, bez¨ uglich g ein Zusammenhang ∇ ausgezeichnet, den man auf einer K¨ ahler-Mannigfaltigkeit dann den K¨ahler-Zusammenhang nennt, siehe Aufgabe 3.14. Die K¨ ahler-Geometrie befindet sich also im Schnittpunkt dreier differentialgeometrischer Disziplinen, der komplexen Differentialgeometrie, der symplektischen Geometrie und der Riemannschen Geometrie. Beispiel 3.2.61 (K¨ahler-Mannigfaltigkeiten).
uglich der kanonischen symplektischen i.) Jede offene Teilmenge in n ist bez¨ Form ω0 auf n ∼ = 2n und der kanonischen (fast-) komplexen Struktur ahler-Mannigfaltigkeit. Es gilt J0 eine K¨ ∂ ∂ ∂ ∂ ∂ ∂ g0 , , , = δij , g0 = 0, und g0 = δ ij , ∂q i ∂q j ∂q i ∂pj ∂pi ∂pj (3.164) womit die zugeh¨ orige K¨ ahler-Metrik g0 also gerade die u bliche Euklidische ¨ (flache) Metrik auf 2n ist. In diesem Fall sind die kanonischen DarbouxKoordinaten auch orthonormale Koordinaten und gleichzeitig die Realund Imagin¨ arteile der kanonischen holomorphen Koordinaten. Im allgemeinen ist dies jedoch keineswegs zu erreichen. ii.) Die 2-Sph¨ are 2 mit der komplexen Struktur aus der stereographischen Projektion und der kanonischen Volumenform als symplektische Form ist eine kompakte K¨ ahler-Mannigfaltigkeit, siehe Aufgabe 2.2 und 3.12. n Ebenso erweisen sich die komplex-projektiven R¨aume als kompakte K¨ ahler-Mannigfaltigkeiten, siehe auch Aufgabe 3.28. iii.) Allgemeiner ist jede zweidimensionale symplektische Mannigfaltigkeit eine K¨ ahler-Mannigfaltigkeit, siehe Aufgabe 5.11.
Da eine K¨ ahler-Mannigfaltigkeit (M, ω, J, g) insbesondere eine komplexe Mannigfaltigkeit ist, besitzt M einen holomorphen Atlas. Von diesen holomorphen Koordinaten k¨ onnen wir also Gebrauch machen, um einige lokale Ausdr¨ ucke f¨ ur ω und g zu finden. Es zeigt sich, daß hier die holomorphen Koordinaten f¨ ur bestimmte Probleme sehr viel n¨ utzlicher sind als DarbouxKoordinaten. Zun¨ achst erweitert man ω und g aber, wie schon erw¨ahnt, auf
3.2 Beispiele von symplektischen Mannigfaltigkeiten
149
-bilineare Weise auf das komplexifizierte Tangentenb¨undel. Daher faßt man ω und g als reelle Schnitte
ω = ω ∈ Γ∞ Λ2 T∗ M ,
2 ∗ g = g ∈ Γ∞ S T M
(3.165)
in den komplexifizierten B¨ undeln auf.
Satz 3.2.62. Sei (M, ω, J, g) eine K¨ahler-Mannigfaltigkeit und (U, z) eine lokale holomorphe Karte von M . i.) Lokal gilt i ω U = ωkℓ dz k ∧ dz ℓ 2
und
1 g U = ωkℓ dz k ∨ dz ℓ 2
(3.166)
mit lokalen Funktionen ωkℓ ∈ C ∞ (U ), wobei die Matrix (ωkℓ ) Hermitesch, also ωkℓ = ωℓk , und invertierbar ist. ii.) Die symplektische Form ω ist vom Typ (1, 1) und erf¨ ullt ∂ω = 0 = ∂ω.
(3.167)
k iii.) Bezeichnet (ω kℓ ) die zu (ωkℓ ) inverse Matrix (mit ω kℓ ωmℓ = δm und entℓ kℓ sprechend ω ωkm = δm ), so gilt ∂f ∂ 2 ∂f ∂ Xf = ω kℓ − (3.168) i ∂z k ∂z ℓ U ∂z ℓ ∂z k
und
∂f ∂g 2 kℓ ∂f ∂g {f, g} = ω − ℓ k . i ∂z k ∂z ℓ U ∂z ∂z
(3.169)
Es gilt also insbesondere {z k , z ℓ } = 0 = {zk , z ℓ } und {z k , z ℓ } = 2i ω kℓ . Beweis. Lokal bilden die {dz k , dz ℓ }k,ℓ=1,...,n und die { ∂z∂k , ∂z∂ ℓ }k,ℓ=1,...,n zueinander duale Basisvektorfelder von Einsformen beziehungsweise Vektorfeldern. Daher kann man alle Tensorfelder bez¨ uglich dieser Basen darstellen, und es verbleibt die Aufgabe, die entsprechenden Koeffizienten zu finden. ad i.) Jede Zweiform ω l¨ aßt sich als ω=
i i i ωkℓ dz k ∧ dz ℓ + ωkℓ dz k ∧ dz ℓ + ωk ℓ dz k ∧ dz ℓ 2 2 2
(∗)
schreiben. Da die Vektorfelder ∂z∂k vom Typ (1, 0) sind, gilt mit (3.160) ∂ ∂ ∂ ∂ ∂ ∂ ω , , = −ω J , J = −ω = 0. ∂z k ∂z ℓ ∂z k ∂z ℓ ∂z k ∂z ℓ Analog zeigt man, daß ω auf zwei Vektorfeldern vom Typ (0, 1) verschwindet. Daher verbleiben von den m¨ oglichen Koeffizienten in (∗) nur die ωkℓ ,
150
3 Symplektische Geometrie
womit Gleichung (3.166) f¨ ur ω gezeigt ist. Da ω = ω reell ist und die komplexe Konjugation mit der nat¨ urlichen Paarung (3.135) vertr¨aglich ist, folgt aus (3.148), daß die Koeffizienten ωkℓ tats¨ achlich eine Hermitesche Matrix bilden. Die Nichtausgeartetheit von ω ist dann gleichbedeutend mit der Invertierbarkeit der Matrix (ωkℓ ). Mit derselben Argumentation findet man, daß auch g auf zwei Vektorfeldern vom Typ (1, 0) beziehungsweise auf zwei Vektorfeldern vom Typ (0, 1) verschwindet, indem man (3.161) verwendet. F¨ ur den verbleibenden Beitrag gilt ∂ ∂ ∂ ∂ ∂ ∂ i 1 gkℓ = g , ℓ =ω ,J , ℓ = −i ωkℓ , = −iω ℓ k k k 2 ∂z ∂z ∂z ∂z ∂z 2 ∂z womit in der Tat gkℓ = ωkℓ folgt und der erste Teil bewiesen ist. ad ii.) Nach der lokalen Form ist ω offensichtlich vom Typ (1, 1). Daher ist ∂ω eine 3-Form vom Typ (2, 1) und ∂ω ist eine 3-Form vom Typ (1, 2). Da aber d = ∂ + ∂ und dω = 0, folgt ∂ω = 0 = ∂ω, da die Summe in (3.143) direkt ist. ad iii.) Lokal gilt f¨ ur eine Funktion ∂f ∂f k dz + ℓ dz ℓ df = k ∂z U ∂z
und entsprechend f¨ ur ihr Hamiltonsches Vektorfeld ∂ ∂ Xf = Xfk k + Xfℓ ℓ . ∂z U ∂z
Einsetzen von Xf in ω liefert nach einem einfachen Koeffizientenvergleich mit df die lokale Darstellung (3.168). Die Gleichung f¨ ur die Poisson-Klammer ⊓ ⊔ {f, g} = df (Xg ) folgt damit unmittelbar.
Der K¨ ahler-Zusammenhang als Levi-Civita-Zusammenhang der K¨ahlerMetrik erh¨ alt nicht nur diese sondern auch die symplektische K¨ahler-Form und die komplexe Struktur. Dar¨ uber hinaus verschwinden viele der ChristoffelSymbole in holomorphen Koordinaten: Satz 3.2.63 (K¨ ahler-Zusammenhang). Sei (M, ω, J, g) eine K¨ahler-Mannigfaltigkeit und ∇ der K¨ahler-Zusammenhang. Sei weiter (U, z) eine lokale holomorphe Karte. i.) Es gilt ∇ω = 0
und
∇J = 0.
(3.170)
ii.) F¨ ur die komplexen Christoffel-Symbole des K¨ahler-Zusammenhangs bez¨ uglich der holomorphen Koordinaten gilt ∂ωkt m = ωmt Γℓk ∂z ℓ
und
∂ωkt = ωkm Γℓmt , ∂z ℓ
und alle anderen Kombinationen verschwinden.
(3.171)
3.3 Impulsabbildungen und Phasenraumreduktion
151
iii.) Die einzigen nichtverschwindenden Komponenten des Kr¨ ummungstensors sind durch ∂ ∂ ∂ ∂ ∂ ∂ ∂ ∂ n n R , = R und R , m = Rmkℓ ℓ ℓ k m mkℓ n k ∂z ∂z ∂z ∂z ∂z ∂z ∂z ∂z n (3.172) n n . gegeben und es gilt Rmkℓ = −Rmℓk Beweis. Hier ist ∇ wie immer auf alle Tensorb¨ undel fortgesetzt. Der Beweis ist Gegenstand der Aufgaben 3.13 und 3.14. ⊓ ⊔
Beispiel 3.2.64. Sei M = n (oder eine offene Teilmenge in n ) mit kanonischer symplektischer Struktur ω0 und komplexer Struktur J0 und entsprechender kanonischer Euklidischer Riemannscher Metrik g0 wie in Beispiel 3.2.61. Dann gelten folgende Formeln, siehe auch Aufgabe 3.6, n
ω0 =
i k dz ∧ dz k 2
n
und
k=1
g0 =
1 k dz ∨ dz k , 2
∂f ∂ ∂f ∂ , − ∂z k ∂z k ∂z k ∂z k k=1 n 2 ∂f ∂g ∂f ∂g {f, g} = , − i ∂z k ∂z k ∂z k ∂z k k=1 n
Xf =
2 i
(3.173)
k=1
(3.174)
(3.175)
2 kℓ (3.176) δ . i Da der K¨ ahler-Zusammenhang gerade die flache kovariante Ableitung auf n ist, verschwinden alle Christoffel-Symbole sowie der Kr¨ ummungstensor. Die Vertauschungsrelationen (3.176) k¨ onnen als klassisches Analogon zu den Vertauschungsrelationen der Erzeugungs- und Vernichtungsoperatoren in der Quantenmechanik angesehen werden. Damit werden K¨ahler-Mannigfaltigkeiten also diejenigen Phasenr¨ aume, auf denen man auf geometrische Weise ¨ von Erzeugern und Vernichtern sprechen kann. Dies wird beim Ubergang zur Quantentheorie eine zus¨ atzliche und sehr n¨ utzliche Eigenschaft darstellen. {z k , z ℓ } = 0 = {zk , z ℓ }
und {z k , z ℓ } =
3.3 Impulsabbildungen und Phasenraumreduktion Symmetrien sind in der Physik von fundamentaler Bedeutung, nicht nur deshalb, weil sie uns erlauben, konkrete Beispiele faktisch auch zu l¨osen, sondern auch, weil sie in vielen Bereichen der Physik schlichtweg die Grundlage der Theoriebildung darstellen. Um im Rahmen der klassischen Mechanik den Symmetriebegriff genauer fassen zu k¨ onnen, ben¨otigt man den Begriff der LieGruppe und der Gruppenwirkung, welcher weit u ¨ ber die Mechanik hinaus fundamentale Bedeutung in der mathematischen Physik besitzt. Darauf aufbauend l¨ aßt sich dann die infinitesimale Version einer Gruppenwirkung definieren,
152
3 Symplektische Geometrie
mit deren Hilfe das Noether-Theorem in seiner Hamiltonschen Form formuliert wird. Systematisches Eliminieren von Freiheitsgraden kann man durch Ausnutzen von Erhaltungsgr¨ oßen erreichen, was auf die Marsden-WeinsteinReduktion und ihre vielen Varianten f¨ uhren wird. Die wesentlichen Referenzen f¨ ur diesen Abschnitt sind beispielsweise in den B¨ uchern [1,87,108,231,259] zu ¨ finden. Eine sch¨ one historische Ubersicht bietet [232]. 3.3.1 Lie-Gruppen und Gruppenwirkungen In diesem Abschnitt werden wir die Anf¨ ange der Theorie der Lie-Gruppen und ihrer Wirkungen vorstellen. Ein großer Teil der Beweise ist Gegenstand der Aufgaben, insbesondere der Aufgaben 3.17, 3.18, 3.19, 3.20, 3.21 sowie 3.23, 3.24 und 3.26. F¨ ur die u ¨ brigen Beweise von anderen S¨atzen muß auf die Literatur verwiesen werden. Als weiterf¨ uhrende Literatur zur Theorie der Lie-Gruppen und ihrer Gruppenwirkungen seien vor allem [1, 108, 163, 166, 231, 235, 289, 316] genannt. Definition 3.3.1 (Lie-Gruppe). Eine Lie-Gruppe G ist eine differenzierbare Mannigfaltigkeit mit einer Gruppenstruktur, so daß die Gruppenmultiplikation μ : G × G −→ G (3.177) und die Inversenabbildung glatt sind. Mit ℓg : G ∋ h → gh ∈ G
und
rg : G ∋ h → hg ∈ G
(3.178)
werden die Diffeomorphismen der Links- und Rechtsmultiplikationen mit festen Gruppenelementen g ∈ G bezeichnet. Ein Vektorfeld X ∈ Γ∞ (T G) heißt linksinvariant, falls ℓ∗g X = X (3.179) f¨ ur alle g ∈ G gilt. Das Einselement von G wird mit e bezeichnet.
Man kann mit dem Satz von der Umkehrfunktion zeigen, daß bei glatter Multiplikation μ die Inversenabbildung notwendigerweise selbst auch glatt ist, siehe beispielsweise [235, Cor. 4.3]. Satz 3.3.2. Sei G eine Lie-Gruppe der Dimension n. i.) F¨ ur jeden Tangentialvektor ξ ∈ Te G existiert genau ein linksinvariantes Vektorfeld X ξ ∈ Γ∞ (T G) mit X ξ (e) = ξ
n¨amlich
X ξ (g) = Te ℓg (ξ).
(3.180)
ξ
Die Abbildung ξ → X ist linear. ii.) Die Lie-Klammer zweier linksinvarianter Vektorfelder ist wieder linksinvariant. Damit wird durch ur ξ, η ∈ Te G (3.181) [ξ, η] = X ξ , X η (e) f¨ eine Lie-Algebrastruktur auf Te G induziert. Man nennt g = (Te G, [·, ·]) die Lie-Algebra der Lie-Gruppe G.
3.3 Impulsabbildungen und Phasenraumreduktion
153
iii.) Jedes linksinvariante Vektorfeld X ξ hat einen vollst¨andigen Fluß Φξt und ur alle g ∈ G und t ∈ . es gilt Φξt ◦ ℓg = ℓg ◦ Φξt f¨ iv.) F¨ ur jedes ξ ∈ g ist die Kurve t → exp(tξ) = Φξt (e) = Φtξ 1 (e)
(3.182)
eine glatte Einparameteruntergruppe in G. Es gilt also exp(tξ) exp(sξ) = exp((t + s)ξ) f¨ ur t, s ∈
und
exp(0) = e
(3.183)
und ξ ∈ g. Weiter gilt
d exp(tξ) = ξ, dt t=0
(3.184)
und jede glatte Einparameteruntergruppe in G ist von dieser Form. v.) Die Exponentialabbildung exp : g ∋ ξ → exp(ξ) ∈ G
(3.185)
ist glatt und erf¨ ullt T0 exp = idg . Daher gibt es eine offene Umgebung U ⊆ g von 0 und eine offene Umgebung V ⊆ G von e, so daß exp U : U −→ V ⊆ G (3.186) ein Diffeomorphismus ist.
Beweis. Der Beweis findet sich in jedem Lehrbuch u ¨ber Lie-Gruppen und wird in Aufgabe 3.17 besprochen. ⊓ ⊔ Bemerkung 3.3.3 (Lie-Gruppen).
i.) Alle g¨ angigen Matrixgruppen wie GLn ( ), GLn ( ), SLn ( ), SLn ( ), SO(n, m), U(n), SU(n), Sp2n ( ) sind Lie-Gruppen bez¨ uglich ihrer Untermannigfaltigkeitsstruktur als Untermannigfaltigkeiten von GLN ( ), mit N passend gew¨ ahlt. Ihre Lie-Algebren sind die entsprechenden LieUnteralgebren gln ( ), gln ( ), sln ( ), sln ( ), so(n, m), u(n), su(n), sp2n ( ) von glN ( ) bez¨ uglich des Kommutators als Lie-Klammer. Die Exponentialabbildung ist dabei immer die u ¨ bliche exp-Funktion von Matrizen, siehe Aufgaben 3.18, 3.19 und 3.20. ii.) Im allgemeinen ist die Exponentialabbildung exp : g −→ G weder injektiv noch surjektiv. Es gilt jedoch, daß Elemente der Form exp(ξ) die Zusammenhangskomponente des Einselements multiplikativ erzeugen. Die Exponentialabbildung liefert auch den Fluß der linksinvarianten Vektorfelder: Der Fluß zu X ξ ist durch die Rechtsmultiplikation rexp(tξ) mit exp(tξ) gegeben, was man direkt aus dem dritten Teil des Satzes erh¨alt. iii.) Jede zusammenh¨ angende abelsche Lie-Gruppe ist von der Form G ∼ = k × n−k , wobei die Gruppenmultiplikation durch Addition in k und Multiplikation der komplexen Phasen eiϕ in = 1 ⊆ gegeben ist.
154
3 Symplektische Geometrie
iv.) Analog zu den linksinvarianten Vektorfeldern lassen sich beliebige linksinvariante Tensorfelder konstruieren. Diese sind eindeutig durch ihren Wert bei e ∈ G bestimmt und k¨ onnen nach Vorgabe dieses Wertes durch Links” translation“ desselben global gewonnen werden. Von besonderem Interesse werden linksinvariante Einsformen und Volumenformen sein. Ebenso gibt es nach Wahl eines Skalarprodukts auf g immer eine linksinvariante Riemannsche Metrik auf G, siehe auch Abbildung 3.2. v.) Ist e1 , . . . , en ∈ g eine Basis von g, so sind die linksinvarianten Vektorfelder X1 = X e1 , . . . , Xn = X en an jedem Punkt g ∈ G linear unabh¨angig. Ist weiter e1 , . . . , en ∈ g∗ = Te∗ G die duale Basis, so sind die linksinvarianten Einsformen θ1 , . . . , θn mit θk (e) = ek an jedem Punkt g ∈ G linear unabh¨ angig und {X1 (g), . . . , Xn (g)}
und {θ1 (g), . . . , θn (g)}
(3.187)
bilden zueinander duale Basen von Tg G und Tg∗ G f¨ ur alle g ∈ G. Damit kann jeder Tangentialvektor vg ∈ Tg G als (3.188) vg = v i Xi (g) mit v i = θi g (vg ) ∈
Ê
geschrieben werden, was eine globale Vektorb¨ undelkarte f¨ ur T G liefert T G ∋ vg → (g, v i ei ) ∈ G × g.
(3.189)
TG ∼ = G × g und genauso T ∗ G ∼ = G × g∗ .
(3.190)
Es gilt daher
Damit sind die Vektorb¨ undel T G und T ∗ G triviale Vektorb¨ undel, ebenso alle h¨ oheren Tensorb¨ undel. Insbesondere ist (3.189) nicht von der Wahl der Basis in g abh¨ angig sondern kanonisch, siehe auch Aufgabe 3.26.
Te l g X ξ (g) g
ξ
e G
Te G
lg
Tg G
Abb. 3.2. Linkstranslationen und linksinvariante Vektorfelder
3.3 Impulsabbildungen und Phasenraumreduktion
155
Definition 3.3.4 (Lie-Gruppenmorphismus). Ein Morphismus von LieGruppen ist ein glatter Gruppenmorphismus φ : H −→ G.
(3.191)
Dies definiert die Kategorie der Lie-Gruppen. Satz 3.3.5. Seien G und H Lie-Gruppen und sei φ : H −→ G ein glatter Gruppenmorphismus. i.) Es gilt φ ◦ expH = expG ◦ Te φ.
(3.192)
Te φ : h −→ g
(3.193)
ii.) Die Abbildung ist ein Homomorphismus von Lie-Algebren. iii.) Die Zuordnung G → g und (φ : H −→ G) → (Te φ : h −→ g) liefert einen kovarianten Funktor von der Kategorie der Lie-Gruppen in die Kategorie der endlichdimensionalen reellen Lie-Algebren. ⊓ ⊔
Beweis. Der Beweis ist Gegenstand der Aufgabe 3.20.
Bemerkung 3.3.6 (Lies III. Theorem). Ein nichttrivialer Satz (Lies III. Theorem) besagt, daß jede endlichdimensionale reelle Lie-Algebra g tats¨achlich die Lie-Algebra einer bis auf Isomorphie eindeutig bestimmten, zusammenh¨angenden und einfach-zusammenh¨ angenden Lie-Gruppe G ist, siehe beispielsweise [108, Sect. 1.14] f¨ ur einen neuen Zugang zu dieser Aussage. Es sei hier daran erinnert, daß ein topologischer Raum M einfach-zusammenh¨angend genannt wird, wenn sich jede geschlossene stetige Kurve in M auf stetige Weise zu einem Punkt zusammenziehen l¨ aßt. Sei M eine Menge. Eine Symmetrie“ von M mit Symmetriegruppe“ G ” ” zu haben, bedeutet, daß die Gruppe G auf der Menge M wirkt“. F¨ ur Man” nigfaltigkeiten und Lie-Gruppen wird diese naive Vorstellung durch folgende Begriffsbildung genauer gefaßt: Definition 3.3.7 (Gruppenwirkung). Sei M eine Mannigfaltigkeit und G eine Lie-Gruppe. Eine Linkswirkung (Wirkung von links) von G auf M ist eine glatte Abbildung Φ : G × M −→ M (3.194) mit Φ(e, p) = p
und
Φ(g, Φ(h, p)) = Φ(gh, p)
(3.195)
f¨ ur alle g, h ∈ G und p ∈ M . Analog definiert man eine Rechtswirkung.
156
3 Symplektische Geometrie
Fixiert man das Gruppenelement g in (3.194), so schreibt man auch Φg : M ∋ p → Φg (p) = Φ(g, p) ∈ M.
(3.196)
Insbesondere ist die Abbildung Φg ein Diffeomorphismus mit Inversem Φ−1 g = Φg−1 und es gilt Φe = idM und Φg ◦ Φh = Φgh . (3.197) Manchmal schreibt man auch einfach g · p = Φg (p),
(3.198)
wenn klar ist, um welche G-Wirkung es sich handelt. Analog bezeichnet man mit Φp : G ∋ g → Φp (g) = Φ(g, p) ∈ M (3.199) die Abbildung, wo in (3.194) der Punkt p ∈ M fixiert ist. Offenbar ist Φp ebenfalls eine glatte Abbildung. Die folgenden Begriffe dienen nun dazu, eine Gruppenwirkung n¨ aher zu charakterisieren: Definition 3.3.8. Sei Φ : G × M −→ M eine G-Wirkung. i.) Die Bahn (Orbit) durch p ∈ M ist als G · p = {Φg (p) ∈ M | g ∈ G} = Φp (G) ⊆ M
(3.200)
definiert. ii.) Die Isotropiegruppe (Standgruppe, Stabilisatorgruppe) von p ∈ M ist durch Gp = {g ∈ G | Φg (p) = p} = Φ−1 p ({p})
(3.201)
definiert. iii.) Die Wirkung heißt transitiv, falls es nur eine Bahn gibt, also G · p = M . Die Wirkung heißt effektiv (treu), falls Φg = idM nur f¨ ur g = e. Die Wirkung heißt frei, falls Gp = {e} f¨ ur alle p ∈ M , also kein Φg außer Φe einen Fixpunkt hat. Von besonderem Interesse, nicht nur in der Quantenmechanik, sind die Wirkungen einer Gruppe auf einem Vektorraum, welche zudem mit der linearen Struktur vertr¨ aglich sind: Definition 3.3.9 (Lie-Gruppendarstellung). Sei V ein (reeller, endlichdimensionaler) Vektorraum. Eine (glatte) Darstellung von G auf V ist eine (glatte) G-Wirkung Φ auf V , so daß alle Φg : V −→ V lineare Abbildungen sind. Bemerkung 3.3.10. F¨ ur Lie-Gruppen und ihre Wirkungen gen¨ ugt es oft, eine geringere Differenzierbarkeit als C ∞ zu fordern. Es folgt aus C 2 gleich C ∞ oder sogar C ω , siehe beispielsweise die Diskussion in [108, 235, 316].
3.3 Impulsabbildungen und Phasenraumreduktion
157
Beispiel 3.3.11 (Gruppenwirkungen und Bahnen). Wir betrachten die LieGruppe 1 , welche wir durch Rotation um die z-Achse auf der 2-Sph¨are 2 wirken lassen. Die Bahnen dieser glatten Wirkung sind zum einen der Nordund der S¨ udpol, zum anderen die Breitenkreise, siehe auch Abbildung 3.3. Hier gibt es also zwei Typen von Bahnen, die Fixpunkte N und S, sowie die Breitenkreise. Ein etwas komplizierteres Beispiel erh¨alt man auf dem Torus 2 , welchen man am einfachsten durch Paare von komplexen Phasen (eiϕ1 , eiϕ2 ) beschreibt. Durch die Vorschrift
×
2 ∋ (t, (eiϕ , eiϕ )) 1
2
→ (ei(ϕ1 +t) , ei(ϕ2 +αt) )
(3.202)
erh¨ alt man f¨ ur jedes α ∈ eine glatte -Wirkung. Ist nun α irrational, so liegt jede Bahn dicht in 2 , siehe Abbildung 3.4.
Um eine G-Wirkung Φ : G × M −→ M zu verstehen, muß man offenbar zum einen verstehen, welche Bahnen G · p ⊆ M auftreten, und zum anderen, wie die Gruppe auf den Bahnen wirkt. Nach Definition einer Bahn G · p ist die eingeschr¨ ankte G-Wirkung auf G · p transitiv. Daher beschreibt man die Wirkung auf der Bahn durch Angabe der Isotropiegruppe Gp . Die Struktur
N
S
2
S S
1
2
S Abb. 3.3. Bahnen in der 2-Sph¨ are bez¨ uglich der Drehungen um die z-Achse und der zugeh¨ orige Bahnenraum
T
2
...
...
Abb. 3.4. F¨ ur irrationale Steigung“ wickeln sich die Bahnen dicht um den Torus ”
158
3 Symplektische Geometrie
des Bahnenraums beschreibt man dadurch, daß man alle Punkte einer Bahn identifiziert. Man definiert also p ∼ p′
falls
p′ = Φg (p),
f¨ ur ein g ∈ G,
(3.203)
′ ′ ¨ was aquivalent ist. Die Menge der Aquivalenzklassen
zu p ∈ G·p oder p ∈ G·p ¨ M ∼ wird mit M G bezeichnet und auch Quotientenraum M modulo G ¨ genannt. Die Projektion auf die Aquivalenzklassen wird mit
π : M −→ M G (3.204)
bezeichnet. Der Quotientenraum M G wird auf kanonische Weise zu einem
topologischen Raum, mittels der Quotiententopologie: Man erkl¨art U ⊆ M G f¨ ur offen, falls π −1 (U ) ⊆ M offen ist. Dies ist die feinste Topologie f¨ ur M G, so daß π stetig ist. Soweit die gute Nachricht. Das Komplizierte an der Quotiententopologie ist, daß viele sch¨one Eigen schaften, die M besitzt, f¨ u r M G verloren gehen k¨onnen. Im allgemeinen ist
M G beispielsweise nicht einmal Hausdorffsch, wie etwa f¨ ur die -Wirkung auf dem Torus aus Beispiel 3.3.11. Selbst wenn M G Hausdorffsch ist, ist
keineswegs klar, daß M G selbst wieder eine Mannigfaltigkeit ist und daß π eine glatte (m¨ oglichst submersive) Abbildung ist. Als Beispiel betrachte man erneut die 1 -Wirkung auf 2 , deren Quotientenraum topologisch zum abgeschlossenen Intervall [0, 1] hom¨ oomorph und damit keine differenzierbare Mannigfaltigkeit ist, siehe Abbildung 3.3. Wir m¨ ussen also weitergehende Annahmen an die Wirkung stellen, um einen guten“ Quotienten zu erhalten. ” Zun¨ achst betrachten wir nur die Gruppe G selbst und Untergruppen in G. Hierf¨ ur ben¨ otigen wir folgenden Satz, der auch von unabh¨angigem Interesse ist.
Satz 3.3.12 (Abgeschlossene Untergruppe). Sei H ⊆ G eine algebraische Untergruppe einer Lie-Gruppe G. Ist H = H cl topologisch abgeschlossen in G, so ist H eine Untermannigfaltigkeit von G und damit insbesondere eine Lie-Gruppe. Beweis (nach [235, Thm. 5.5]). Als Kandidaten f¨ ur die Lie-Algebra h von H definiert man folgende Teilmenge h = {γ(0) ˙ |γ:
−→ H ⊆ G, γ(0) = e} ⊆ g
der Lie-Algebra g von G, also gerade die Tangentialvektoren bei e an Kurven durch e, die ganz in H verlaufen. Das erste Ziel ist es, zu zeigen, daß h ein Untervektorraum von g ist. Dazu ben¨ otigen wir folgendes Lemma: Lemma 3.3.13. Seien g, h ∈ G und vg ∈ Tg G, wh ∈ Th G. Dann gilt T(g,h) μ(vg , wh ) = Tg rh (vg ) + Th ℓg (wh ).
(3.205)
3.3 Impulsabbildungen und Phasenraumreduktion
159
Beweis. Mit irg , iℓg : G −→ G × G werden die Rechts- und Linkseinsetzungen irg (h) = (g, h) und iℓg (h) = (h, g) bezeichnet. Dann gilt (vg , wh ) = Tg iℓh (vg ) + Th irg (wh ). Da weiter μ ◦ iℓh (g) = gh = rh (g) und μ ◦ iℓg (h) = gh = ℓg (h) gilt, folgt
T(g,h) μ(vg , wh ) = T(g,h) μ ◦ Tg iℓh (vg ) + Th irg (wh ) = Tg (μ ◦ iℓh )(vg ) + Th (μ ◦ irg )(wh )
= Tg rh (vg ) + Th ℓg (wh ).
▽
Ê
Ê
Seien nun γ1 , γ2 : −→ G mit γi (t) ∈ H und γi (0) = e, sowie t1 , t2 ∈ vorgegeben. Dann gilt f¨ ur alle t ∈ , daß γ(t) = γ1 (tt1 )γ2 (tt2 ) ∈ H und γ(0) = e, da ja H als Untergruppe vorausgesetzt ist. Es gilt
Ê
d (γ1 (tt1 )γ2 (tt2 )) dt t=0 d = μ (γ1 (tt1 ), γ2 (tt2 )) dt t=0 d d γ (tt ), γ (tt ) = T(e,e) μ 1 1 2 2 dt t=0 dt t=0
γ(0) ˙ =
= T(e,e) μ (t1 γ˙ 1 (0), t2 γ˙ 2 (0))
= Te re (t1 γ˙ 1 (0)) + Te ℓe (t2 γ˙ 2 (0)) = t1 γ˙ 1 (0) + t2 γ˙ 2 (0),
da re = idG = ℓe . Damit folgt aber t1 γ˙ 1 (0)+t2 γ˙ 2 (0) = γ(0) ˙ ∈ h, womit gezeigt ist, daß h ein Untervektorraum von g ist. Als n¨achstes zeigen wir, daß h = {ξ ∈ g | exp(tξ) ∈ H f¨ ur alle t ∈
Ê},
(∗)
wobei offenbar ⊇“ gilt. Sei also ξ = γ(0) ˙ ∈ h mit γ(t) ∈ H und sei ” η(t) = exp−1 (γ(t)) ∈ g, was zumindest f¨ ur kleine t wohl-definiert ist, da exp ein lokaler Diffeomorphismus ist und γ(0) = e. Dann gilt ξ=
d d = = T0 exp(η(0)) ˙ = η(0), ˙ γ(t) exp(η(t)) dt dt t=0 t=0
da T0 exp = idg . Demnach ist η( n1 ) zumindest f¨ ur große n ∈ und es gilt 1 η(0) ˙ = lim nη . n→∞ n Dann gilt mit tn =
1 n
und ξn = nη( n1 )
Æ wohl-definiert
160
3 Symplektische Geometrie
ξn −→ η(0) ˙ =ξ
und
1 1 exp(tn ξn ) = exp η =γ ∈ H, n n
zumindest f¨ ur diejenigen großen n, so daß γ( n1 ) in der Exponentialkarte liegt. Sei nun t ∈ vorgegeben und mn ∈ , so daß mn tn −→ t, also beispielsweise mn ∈ ( ttn − 1, ttn ] ∩ . Damit gilt auch mn tn ξn −→ tξ und daher mit der Stetigkeit der exp-Abbildung
exp(tξ) = lim exp(mn tn ξn ) = lim (exp(tn ξn ))mn , n→∞
n→∞
da exp eine Einparametergruppe liefert und mn ganzzahlig gew¨ahlt ist. Nun ist aber exp(tn ξn ) = γ( n1 ) ∈ H und H ist eine Untergruppe. Daher ist auch exp(tn ξn )mn ∈ H. Da H aber zudem abgeschlossen ist, folgt, daß der Grenzwert der Folge exp(tn ξn )mn ebenfalls in H liegt. Damit ist also exp(tξ) ∈ H und (∗) ist gezeigt. Wir betrachten nun einen zu h komplement¨aren Unterraum k ⊆ g, so daß also k ⊕ h = g. Dann gibt es eine offene Umgebung W ⊆ k von 0 mit der Eigenschaft exp(W ) ∩ H = {e}. (∗∗) Um dies zu zeigen, nehmen wir an, (∗∗) sei falsch. Dann gibt es eine Folge ur alle n ∈ . Sei nun · 0 = ηn ∈ k mit ηn −→ 0, so daß exp(ηn ) ∈ H f¨ eine Norm auf g (welche ist egal, da alle Normen sowieso ¨aquivalent sind). Sei weiter ηn ∈ k, ξn = ηn
womit also ξn = 1. Daher gibt es in der kompakten Sph¨are mit Radius 1 bez¨ uglich der Norm · in g einen H¨ aufungspunkt ξ von ξn , so daß eine Teilfolge von ξn gegen ξ konvergiert. Wir denken uns diese Teilfolge bereits ausgew¨ ahlt, so daß also ξn −→ ξ. Da aber ξn ∈ k und k ⊆ g als Untervektorraum abgeschlossen ist, folgt ξ ∈ k. Nun gilt aber exp(ηn ξn ) = exp(ηn ) ∈ H, und ηn −→ 0, so daß mit dem selben Argument wie zum Beweis von (∗) folgt, daß auch exp(tξ) ∈ H f¨ ur alle t ∈ und damit ξ ∈ h nach (∗). Da aber k ∩ h = {0} folgt ξ = 0, womit ein Widerspruch zu ξ = 1 erreicht ist. Daher folgt (∗∗). Wir verwenden die Aufspaltung g = h ⊕ k und (∗∗), um eine Karte f¨ ur H zu konstruieren. Dazu betrachtet man die Abbildung ϕ : g = h ⊕ k ∋ (ξ, η) → exp(ξ) exp(η) ∈ G. Es gilt offenbar ϕ(0) = e und mit Lemma 3.3.13 T0 ϕ = T0 μ ◦ (exp h × exp k ) = T(e,e) μ ◦ T0 exp h × T0 exp k = Te re ◦ T0 exp h + Te ℓe ◦ T0 exp k
3.3 Impulsabbildungen und Phasenraumreduktion
161
= T0 exp h + T0 exp k
= T0 exp = idg .
Damit ist also T0 ϕ = idg , und ϕ ist ein lokaler Diffeomorphismus. Es gibt also offene Umgebungen der Null W ⊆ k und V ⊆ h und eine offene Umgebung U ⊆ G von e, so daß ∼ = ϕ : V × W −→ U ein Diffeomorphismus ist. Nach (∗∗) k¨ onnen wir W so w¨ahlen, daß exp(W ) ∩ H = {e}. Weiter gilt nach der Konstruktion von h, daß exp(h) ⊆ H, womit exp(V ) ⊆ H ∩ U . Sei nun h ∈ H ∩ U vorgegeben. Dann gibt es eindeutig bestimmte (ξ, η) ∈ V × W mit exp(ξ) exp(η) = h, da ϕ ein Diffeomorphismus ist. Da aber exp(ξ) ∈ H, weil H eine Untergruppe ist, folgt exp(η) ∈ H. Nach (∗∗) ist dies aber nur f¨ ur exp(η) = e und damit η = 0 m¨oglich, da auch exp ein Diffeomorphismus ist (eventuell muß man V, W, U noch etwas kleiner w¨ahlen). Damit ist aber h = exp(ξ) mit einem eindeutig bestimmten ξ ∈ V f¨ ur alle h ∈ H ∩ U . Somit ist exp V : V −→ H ∩ U
also eine bistetige Bijektion. Also ist ϕ−1 : U −→ V × W eine Untermannigfaltigkeitskarte f¨ ur H ∩ U ⊆ U um den Punkt e ∈ H. Durch Linkstranslation ur h ∈ H erh¨alt man dann aus dieser Karte mit dem Diffeomorphismus ℓh f¨ eine Untermannigfaltigkeitskarte von H um jedes vorgegebene h ∈ H. So wird H zu einer Untermannigfaltigkeit von G. Insbesondere ist h ⊆ g tats¨achlich die Lie-Algebra von H als Lie-Untergruppe von G. ⊓ ⊔ Folgerung 3.3.14. Sei G eine Lie-Gruppe.
i.) Sei H ⊆ G eine Untergruppe. Dann ist H cl ⊆ G ebenfalls eine Untergruppe und daher sogar eine Untermannigfaltigkeit und Lie-Gruppe. ii.) Ist Φ : G × M −→ M eine G-Wirkung auf einer Mannigfaltigkeit M , so ist f¨ ur jedes p ∈ M die Isotropiegruppe Gp ⊆ G eine abgeschlossene Untergruppe und daher selbst eine Lie-Gruppe. iii.) Jede abgeschlossene Untergruppe H = H cl ⊆ GLn ( ) ist eine Lie-Gruppe. Solche Lie-Gruppen heißen Matrix-Lie-Gruppen. Alle Gruppen aus Bemerkung 3.3.3, Teil i.) sind offenbar von dieser Form, was einen neuen Beweis liefert, daß es sich um Lie-Gruppen handelt. Es gibt aber auch Lie-Gruppen, die keine Matrix-Lie-Gruppen sind.
Ê
Beweis. Die erste Aussage folgt direkt aus der Stetigkeit der Gruppenmultiplikation. Der zweite Teil ist ebenfalls klar, da Gp das Urbild einer abgeschlossenen Teilmenge von M unter einer stetigen Abbildung ist, n¨amlich Gp = Φ−1 ⊓ ⊔ p ({p}). Der dritte Teil ist klar.
Wir kommen nun zur Frage zur¨ uck, ob der Quotient M G f¨ ur eine GWirkung eine Mannigfaltigkeit ist. Diese l¨ aßt sich f¨ ur eigentliche und freie
162
3 Symplektische Geometrie
Gruppenwirkungen positiv beantworten. Wir beginnen mit folgender Definition: Definition 3.3.15 (Eigentliche Wirkung). Eine stetige Abbildung Φ : M −→ M ′ zwischen topologischen R¨aumen M, M ′ heißt eigentlich, falls f¨ ur jede kompakte Teilmenge K ′ ⊆ M ′ auch K = Φ−1 (K ′ ) eine kompakte Teilmenge von M ist. Eine G-Wirkung Φ : G × M −→ M heißt eigentlich, falls die Abbildung Φ : G × M ∋ (g, p) → (Φg (p), p) ∈ M × M
(3.206)
eine eigentliche Abbildung ist. Zur Erinnerung: Nicht jede stetige Abbildung ist eigentlich. Im allgemeinen sind die Bilder von kompakten Teilmengen unter stetigen Abbildungen wieder kompakt, nicht aber deren Urbilder. Bemerkung 3.3.16. Ist die Gruppe G kompakt, so ist jede (stetige) G-Wirkung Φ eigentlich. Ist n¨ amlich K ⊆ M × M kompakt, so gibt es kompakte Teilmen−1 ge K1 , K2 ⊆ M mit K ⊆ K1 × K2 . Damit ist aber Φ (K) ⊆ G × K2 in einem Kompaktum enthalten. Da das Urbild eines Kompaktums aber immer abgeschlossen ist und jede abgeschlossene Teilmenge eines Kompaktums −1 selbst kompakt ist, folgt, daß Φ (K) kompakt ist. Daher ist Φ eigentlich. F¨ ur kompakte Lie-Gruppen sind die folgenden Theoreme also trivialerweise anwendbar. Proposition 3.3.17. Sei Φ : G × M −→
M eine eigentliche G-Wirkung. Dann ist die Quotiententopologie von M G Hausdorffsch.
Beweis (nach [1, Prop. 4.1.19]). Angenommen, M G ist nicht Hausdorffsch mit zwei Punkten [x] = [y], welche nicht getrennt werden k¨onnen. F¨ ur je zwei offene Teilmengen [x] ∈ U x und [y] ∈ U y gilt also U x ∩ U y = ∅. Seien nun Unx und Uny offene Umgebungen von x und y in M , welche eine (abz¨ahlbare) Umgebungsbasis von x beziehungsweise y bilden. In einer Karte kann man beispielsweise die offenen Kugeln um x mit Radius n1 nehmen. Dann ist Φg (Unx ) und ebenso Φg (Uny ) wieder offen, da Φg ein Diffeomorphismus ist. Daher sind auch Φg (Uny ) Φg (Unx ) und Wny = Wnx = g∈G
g∈G
offen in M und enthalten x beziehungsweise y. Dar¨ uberhinaus sind Wnx und Wny invariant unter der G-Wirkung. Damit sind Vnx = π(Wnx )
und Vny = π(Wny )
offen in M G, da n¨ amlich π −1 (Vnx ) = Wnx und π −1 (Vny ) = Wny offen in M −1 sind. In der Tat, π (Vnx ) besteht aus all den Punkten p ∈ M mit π(p) ∈ aquivalent zu einem Punkt p′ in Wnx oder p = Φg (p′ ). π(Wnx ). Daher ist p ¨
3.3 Impulsabbildungen und Phasenraumreduktion
163
Damit ist p aber bereits in Wnx enthalten. Da nach Voraussetzung Vnx ∩Vny = ∅, ur [zn ] und gibt es ein [zn ] ∈ Vnx ∩ Vny . Sei nun xn ∈ Wnx ein Repr¨asentant f¨ genauso yn ∈ Wny . Es gibt also Gruppenelemente gn , hn ∈ G mit Φgn (xn ) = zn = Φhn (yn ). Da die Unx und Uny Umgebungsbasen von x und y bilden, folgt (xn ) = zum einen xn −→ x sowie yn −→ y. Zum anderen gilt yn = Φh−1 n gn −1 Φkn (xn ) mit kn = hn gn ∈ G. Da sowohl xn als auch yn konvergente Folgen sind, liegen die Punkte yn ∈ K1 und xn ∈ K2 in kompakten Teilmengen K1 , K2 von M . Damit liegt aber auch (yn = Φkn (xn ), xn ) ∈ K1 × K2 in −1 einer kompakten Teilmenge. Da Φ eigentlich ist, ist Φ (K1 × K2 ) ⊆ G × M kompakt, und da (yn , xn ) = Φ(kn , xn ) gilt, folgt, daß die Gruppenelemente kn alle in einem Kompaktum K3 ⊆ G liegen. Nach Auswahl einer konvergenten Teilfolge (die wir uns ohne Einschr¨ ankung als bereits gew¨ahlt denken k¨onnen) folgt, daß kn −→ k ∈ G konvergiert. Dann folgt aber aus der Stetigkeit von Φ, daß y = lim yn = lim Φkn (xn ) = Φk (x). n→∞
n→∞
Also sind x und y a ¨quivalent und daher [x] = [y], was einen Widerspruch zur Annahme darstellt. ⊓ ⊔ Ist die Gruppenwirkung nicht nur
eigentlich, sondern auch noch frei, erh¨alt man einen guten“ Quotienten M G: ” Satz 3.3.18 (Freie und eigentliche Wirkung). Sei Φ : G×M −→ M eine eigentliche und freie G-Wirkung einer Lie-Gruppe G auf einer Mannigfaltig keit M . Dann besitzt M G eine eindeutig bestimmte differenzierbare
Struktur, so daß f¨ ur jeden Punkt in M G eine offene Umgebung U ⊆ M G und ein Diffeomorphismus τ : π −1 (U ) ∋ p → (π(p), χ(p)) ∈ U × G
(3.207)
mit der Eigenschaft τ (Φg (p)) = (π(p), gχ(p))
existiert. Die Topologie von M G ist die Quotiententopologie und
π : M −→ M G
(3.208)
(3.209)
ist eine surjektive Submersion.
Beweis (nach [108, Thm. 1.11.4]). Sei p ∈ M und Φp : G −→ M die Abbildung Φp (g) = Φ(g, p). Das Bild von Φp ist dann gerade die Bahn G · p durch p. Zuerst zeigt man, daß die Tangentialabbildung Te Φp injektiv ist. Ist n¨amlich Te Φp (ξ) = 0, so gilt d d Φexp(tξ) (p) = Φexp((t+s)ξ) (p) dt ds s=0 d = Φexp(tξ) Φexp(sξ) (p) ds s=0
164
3 Symplektische Geometrie
d Φexp(sξ) (p) ds s=0 d = Tp Φexp(tξ) ◦ Φp (exp(sξ)) ds s=0 = Tp Φexp(tξ) ◦ Te Φp (ξ) = 0.
= Tp Φexp(tξ) ◦
Ê
Daher ist Φexp(tξ) (p) = p konstant f¨ ur alle t ∈ . Da die G-Wirkung frei ist, folgt aber exp(tξ) = e f¨ ur alle t ∈ . Durch Ableiten bei t = 0 erh¨alt man schließlich ξ = 0, womit Te Φp wie behauptet injektiv ist. Insbesondere ist dim G = dim g ≤ dim M = dim Tp M eine notwendige Voraussetzung f¨ ur eine freie Wirkung. ⊆ M eine (kleine) Untermannigfaltigkeit von M mit p ∈ U , Sei nun U so daß der Tangentialraum Tp U von U bei p ein Komplement zu Te Φp (g) darstellt. Lokal gibt es eine solche Untermannigfaltigkeit immer: Man w¨ahlt beispielsweise eine Karte um p, so daß die ersten (dim g)-Koordinaten dem Untervektorraum Te Φp (g) entsprechen. Dann erkl¨art man diese Karte zu einer Untermannigfaltigkeitskarte f¨ ur eine Untermannigfaltigkeit, welche durch die verbleibenden dim M −dim g Koordinaten beschrieben wird. Dies l¨aßt sich durch eine einfach Rotation um den Punkt p in einer beliebigen Karte errei zu einer Untermannigfaltigkeit U chen. Nach eventuellem Verkleinern von U ′ kann man annehmen, daß f¨ ur alle p ∈ U
Ê
Tp′ U ⊕ Te Φp′ (g) = Tp′ M
(∗)
gilt. Dies folgt aus Stetigkeitsgr¨ unden. Insbesondere kann man U diffeomorph zu einer (dim M −dim g)-dimensionalen offenen Kugel in dim M−dim g w¨ahlen, siehe auch Abbildung 3.5. Der Untervektorraum Te Φp (g) hat die folgende Interpretation als Vektorraum aller Tangentialvektoren von Kurven durch p, die ganz in der Bahn G · p verlaufen. Dies deutet bereits an, daß Te Φp (g) als Tangentialraum an die Bahn G · p interpretiert werden kann, auch wenn wir noch nicht wissen, ob G · p u ¨ berhaupt eine Untermannigfaltigkeit von M ist. Insofern kann (∗)
Ê
U
Tp U p
G.p’
p’
Vp Vp’
G .p
Tp’U Abb. 3.5. Die Konstruktion der Untermannigfaltigkeit U mit Vp = Te Φp (g)
3.3 Impulsabbildungen und Phasenraumreduktion
165
also so interpretiert werden, daß U eine Untermannigfaltigkeit von M ist, die transversal zu allen Bahnen G · p′ mit p′ ∈ U liegt, siehe Abbildung 3.5. Da U jede Bahn zumindest lokal um p nur einmal schneidet, was noch zu zeigen ist, liegt es nahe, U als lokale Karte vom Quotientenraum M G zu verwenden. Es gilt also, diese geometrische Vorstellung, die Abbildung 3.5 nahelegt, zu pr¨ azisieren. Wir betrachten die Abbildung Ψ : G × U ∋ (g, p′ ) → Φ(g, p′ ) ∈ M , also die Einschr¨ ankung von Φ auf die Untermannigfaltigkeit G × U ⊆ G × M . Damit ist Ψ auf jeden Fall glatt und bei (e, p′ ) ∈ G × U gilt, daß T(e,p′ ) Ψ : g × Tp′ U −→ Tp′ M bijektiv ist. In der Tat, sei t → p′ (t) ∈ U eine Kurve in U durch p′ , so gilt Ψ (e, p′ (t)) = p′ (t) und daher d ′ T(e,p′ ) Ψ (e, p (t)) = p˙ ′ (0) ∈ Tp′ U. dt t=0 Auf diese Weise erh¨ alt man unter T(e,p′ ) Ψ also zun¨achst alle Vektoren in Tp′ U in bijektiver Weise. Andererseits gilt f¨ ur festes p′ ∈ U und ξ ∈ g Ψ (exp tξ, p′ ) = Φp′ (exp(tξ)), womit T(e,p′ ) Ψ auf Tangentialvektoren an G ebenfalls injektiv ist, da Te Φp′ injektiv ist. Dank der direkten Summe in (∗) ist T(e,p′ ) Ψ damit insgesamt injektiv und aus Dimensionsgr¨ unden bijektiv. Als n¨ achstes berechnet man die Tangentialabbildung von Ψ f¨ ur beliebige Punkte (g, p′ ) ∈ G × U . Da Φ eine G-Wirkung ist, gilt Ψ (g, p′ ) = Φ(g, p′ ) = Φ(g, Φ(e, p′ )) = Φg (Ψ (e, p′ )), so daß nach der Kettenregel T(g,p′ ) Ψ = Tp′ Φg ◦ T(e,p′ ) Ψ . Da Φg ein Diffeomorur alle (g, p′ ) ∈ G × U . phismus ist, ist mit T(e,p′ ) Ψ auch T(g,p′ ) Ψ bijektiv f¨ Daher ist Ψ ein lokaler Diffeomorphismus auf das Bild Ψ (G × U ). Der entscheidende Schritt besteht nun darin zu zeigen, daß Ψ auf G × U mit einer eventuell nochmals verkleinerten Untermannigfaltigkeit U sogar injektiv und damit wirklich ein Diffeomorphismus auf das Bild ist. Man muß also folgende Situation ausschließen: In der Abbildung 3.6 ist Ψ zwar lokal um p injektiv, l¨ aßt man aber alle Elemente g ∈ G zu, kann man q ∈ Ψ (G×U ) auf zwei Weisen erreichen, n¨ amlich als q = Ψ (e, q) = Ψ (g, p) f¨ ur ein geeignetes großes“ g ∈ G. ” Die Eigentlichkeit von Φ garantiert nun, daß man U klein genug w¨ahlen kann, so daß dies schließlich nicht mehr passieren kann. Bildlich gesprochen durchst¨ oßt die Bahn G · p die Untermannigfaltigkeit U eben nur selten“ genug. ” H¨ auften sich dagegen diese Durchstoßpunkte um p, so k¨onnte man U nicht geeignet verkleinern. Sei also Ψ auf keiner offenen Umgebung von p ∈ U injektiv. Dann gibt es Folgen (gn , xn ) und (hn , yn ) in G × U mit (gn , xn ) = (hn , yn ) f¨ ur alle n und xn −→ p, yn −→ p sowie Φgn (xn ) = Ψ (gn , xn ) = Ψ (hn , yn ) = Φhn (yn ).
166
3 Symplektische Geometrie
p G .p q U
Abb. 3.6. Zur Nichtinjektivit¨ at der Abbildung Ψ
Insbesondere gilt gn = hn f¨ ur alle n, da sonst xn = Φgn−1 hn (yn ) impliziert, daß auch xn = yn also (gn , xn ) = (hn , yn ). Sei also kn = gn−1 hn = e. Da nun Φkn (yn ) = xn −→ p ebenso wie yn −→ p konvergiert, ist die Folge Φ(kn , yn ) = (Φkn (yn ), yn ) in einem Kompaktum in M × M enthalten. Damit folgt, daß auch die Folge (kn , yn ) in einem Kompaktum in G×M enthalten ist, da Φ eine eigentliche G-Wirkung ist. Es gibt also eine konvergente Teilfolge ankung bereits ausgew¨ahlt denken. Daher von kn , welche wir uns ohne Einschr¨ gilt kn −→ k und deshalb p = lim xn = lim Φkn (yn ) = Φk (p). n→∞
n→∞
Da die G-Wirkung frei ist, folgt k = e. Daher gibt es also Folgen (e, xn ) −→ (e, p) und (kn , yn ) −→ (e, p) mit (e, xn ) = (kn , yn ) aber Ψ (e, xn ) = xn = Φkn (yn ) = Ψ (kn , yn ). Damit kann Ψ also auf keiner Umgebung von (e, p) ∈ G × U injektiv sein, was ein Widerspruch zur lokalen Injektivit¨at von Ψ ist. Also ist Ψ auf G × U mit eventuell verkleinertem U injektiv.
Damit ist die Abbildung p ∈ U → G · p ∈ M G injektiv. Somit kann man durch U eine lokale Karte f¨ ur M G erkl¨aren. Insbesondere ist ja Bild von U unter π eine in der G×U ∼ = π −1 (π(U )) ⊆ M offen, womit das Quotiententopologie offene Teilmenge von M G ist. Es bleibt also zu zeigen, daß die Kartenwechsel“ glatt sind und daß man tats¨achlich eine Abbildung ” τ der Form (3.207) findet. Es gilt Φg (Ψ (h, p)) = Φg (Φh (p)) = Φgh (p) = Ψ (gh, p) also Φg ◦ Ψ = Ψ ◦ (ℓg × idU ). Daher gilt f¨ ur die zu Ψ inverse Abbildung Ψ −1 ◦ Φg−1 = (ℓg−1 × idU ) ◦ Ψ −1 . Wir setzen τ = Ψ −1 mit τ (p′ ) = (π(p′ ), χ(p′ )) ∈ U × G. Dann folgt die ′ ′ ¨ Aquivarianzeigenschaft τ (Φg (p′ )) = (idU ×ℓg ) ◦ τ (p′ ) = (π(p ur
), gχ(p )) wie f¨ (3.207) gew¨ unscht. Da wir die Differenzierbarkeit in M G gerade durch die Untermannigfaltigkeit U ⊆ M erkl¨ aren wollen, wird τ ein Diffeomorphismus. Ebenso folgt aus der Diffeomorphismeneigenschaft von Ψ beziehungsweise τ ,
3.3 Impulsabbildungen und Phasenraumreduktion
167
U’
G.p’ U0
U
U0’
G .p
Abb. 3.7. Der Kartenwechsel von U nach U ′ entlang der Bahnen
daß die Projektion π auf U eine Submersion ist. Es bleibt also nur noch zu zeigen, daß die Kartenwechsel“ glatt sind. ” Seien also p, p′ ∈ M vorgegeben und U, U ′ Untermannigfaltigkeiten wie oben konstruiert, so daß Ψ : G × U −→ V ⊆ M und Ψ ′ : G × U ′ −→ V ′ ⊆ M Diffeomorphismen sind, wobei Ψ (g, x) = Φg (x) und Ψ ′ (g, x′ ) = Φg (x′ ) mit x ∈ U und x′ ∈ U ′ . Sei weiterhin π(V ) ∩ π(V ′ ) = ∅, so daß es also mindestens eine Bahn gibt, in Abbildung 3.7 ist das beispielsweise G·p′ , die sowohl U also auch U ′ trifft. Daher ist also V ∩ V ′ = ∅ und somit offen. Weil V = π −1 (π(V )) und ebenso V ′ = π −1 (π(V ′ )), folgt, daß auch π(V ) ∩ π(V ′ ) = π(V ∩ V ′ ) offen ist. Es ist daher zu zeigen, daß es offene Untermannigfaltigkeiten U0 ⊆ U und U0′ ⊆ U ′ gibt, welche diffeomorph sind, so daß Ψ (G × U0 ) = V ∩ V ′ = Ψ ′ (G × U0′ ).
(∗∗)
Der Diffeomorphismus U0 −→ U0′ ist dann der Kartenwechsel. Abbildung 3.7 legt nahe, daß es einen solchen Diffeomorphismus geben sollte, indem man einfach von U0 aus den Bahnen folgt, bis man auf U0′ trifft. Tats¨achlich ist dies auch der Fall. Da Ψ ebenso wie Ψ ′ ein Diffeomorphismus und V ∩ V ′ offen −1 ist, folgt, daß Ψ −1 (V ∩ V ′ ) und Ψ ′ (V ∩ V ′ ) offen in G × U beziehungsweise ′ in G × U sind. Da mit p ∈ V ∩ V ′ auch Φg (p) ∈ V ∩ V ′ gilt, folgt aus der ¨ Aquivarianzbedingung (3.208), daß Ψ −1 (V ∩ V ′ ) ⊆ G × U invariant unter der −1 Linksmultiplikation mit g ∈ G im ersten Argument ist, ebenso f¨ ur Ψ ′ (V ∩ V ′ ). Damit gibt es aber offene Teilmengen U0 ⊆ U beziehungsweise U0′ ⊆ U ′ −1 mit Ψ −1 (V ∩ V ′ ) = G × U0′ beziehungsweise Ψ ′ (V ∩ V ′ ) = G × U0′ , womit ′ (∗∗) erreicht ist. Da U0 und U0 jede Bahn in V ∩ V ′ genau einmal schneiden, zeigt dies, daß Ψ −1 (U0′ ) von der Form (χ(y), y) ∈ G × U0 ist. Die Abbildung χ : U0 −→ G ist glatt und injektiv, da Ψ glatt ist. Also ist U0 ∋ y → Φχ(y) (y) ∈ U0′ ebenfalls glatt und bijektiv. Durch Vertauschen der Rolle von U und U ′ erh¨ alt man schließlich, daß diese Abbildung ein Diffeomorphismus ist. Damit ist der Satz schließlich gezeigt. ⊓ ⊔ Bemerkung 3.3.19 (Hauptfaserb¨ undel). Bei der obigen Struktur handelt es sich um ein Hauptfaserb¨ undel . Wir werden diesen Aspekt jedoch nicht wei-
168
3 Symplektische Geometrie
ter ben¨ otigen, daher verweisen wir auf die Literatur, insbesondere auf [235, Chap. VI] und [202, Chap. III]. Der Satz erweist sich aus vielerlei Gr¨ unden als sehr n¨ utzlich. Wir diskutieren nun einige Anwendungen, siehe auch Aufgabe 3.27. Beispiel 3.3.20. Die G-Wirkung auf G durch Linksmultiplikationen ist frei und eigentlich: Es ist klar, daß ℓ : G × G −→ G eine Gruppenwirkung ist. Gilt ℓg (h) = h, so folgt g = e, womit ℓ frei ist. Da die Abbildung ℓ : G×G −→ G×G −1 mit ℓ(g, h) = (gh, h) ein Diffeomorphismus ist, folgt, daß ℓ (K) ⊆ G × G f¨ ur jedes kompakte
K ⊆ G × G wieder kompakt ist. Daher ist ℓ eigentlich. Der Quotient G G ist in diesem Fall nat¨ urlich nur ein Punkt und daher ist
π : G −→ G G trivialerweise eine surjektive Submersion.
Interessanter ist die Situation, wenn man nicht G sondern nur eine (abgeschlossene) Untergruppe H von G auf G durch Linksmultiplikationen wirken l¨ aßt. Dies liefert eine große Klasse von differenzierbaren Mannigfaltigkeiten, die homogenen R¨aume: Konventionsbedingt betrachtet man hier die Rechtswirkung durch Rechtsmultiplikation, wof¨ ur der Satz 3.3.18 nach trivialer Umformulierung selbstverst¨ andlich genauso g¨ ultig ist.
Proposition 3.3.21. Sei H = H cl eine abgeschlossene Untergruppe einer Lie-Gruppe G, welche durch Rechtsmultiplikationen auf G wirkt. Dann ist die H-Wirkung auf G frei und eigentlich, womit
π : G −→ G H (3.210)
eine surjektive Submersion auf G H liefert.
Beweis. Nach Satz 3.3.18 m¨ ussen wir nur noch zeigen, daß H frei und eigentlich wirkt. Da bereits G frei wirkt, wirkt jede Untergruppe auch frei. Sei also uglich K ⊆ G × G kompakt und r −1 (K) ⊆ H × G. Da rG −1 (K) ⊆ G × G (bez¨ der gesamten Rechtsaktion rG von ganz G auf G) kompakt ist, folgt, daß auch (H × G) ∩ rG −1 (K) = r −1 (K) kompakt ist, da H abgeschlossen ist. Also ist r eigentlich. ⊓ ⊔ Definition 3.3.22 (Homogener
Raum). Eine differenzierbare Mannigfaltigkeit M von der Form M = G H mit einer Lie-Gruppe G und einer abgeschlossenen Untergruppe H heißt homogener Raum.
Folgerung 3.3.23. Sei G H ein homogener Raum. Dann definiert g ′ [g] = [g ′ g]
(3.211)
f¨ ur [g] ∈ G H und g ′ ∈ G eine glatte Linkswirkung von G auf G H, welche transitiv ist. Die Isotropiegruppe G[g] von [g] ∈ G H ist die abgeschlossene Untergruppe gHg −1 ⊆ G. Daher sind alle Isotropiegruppen isomorph.
3.3 Impulsabbildungen und Phasenraumreduktion
169
Beweis. Zun¨ achst ist (3.211) wohl-definiert, da Links- und Rechtsmultiplikationen vertauschen. Weiter ist (3.211) glatt, da die Abbildung auf dem Niveau
von G glatt ist und π : G −→ G H eine surjektive Submersion ist, siehe Aufgabe 2.7. Die Transitivit¨ at ist auch klar, da G auf sich transitiv wirkt. Schließlich gilt g ′ [g] = [g] genau dann, wenn g ′ g = gh mit h ∈ H, also g ′ = ghg −1 . ⊓ ⊔ Wir betrachten nun eine allgemeine G-Wirkung auf M . Da die Isotropiegruppe
Gp eines Punktes p ∈ M eine abgeschlossene Untergruppe von G ist, ist G Gp ein homogener Raum. Die Abbildung Φp : G ∋ g → Φp (g) = Φg (p) ∈ G · p
(3.212)
ist per definitionem surjektiv und faktorisiert zu einer bijektiven Abbildung
p : G Gp ∋ [g] → Φg (p) ∈ G · p, Φ (3.213)
−1 ′ ′ denn
Φg (p) = Φg′ (p) gilt genau dann, wenn g g ∈ Gp , also [g] = [g ] ∈ G Gp . Wir haben also folgendes kommutatives Diagramm
G
Φp
G·M ⊆ M
π
G Gp
ep Φ
.
(3.214)
Diese Beobachtung hilft, die Struktur der Bahnen einer G-Wirkung zu kl¨aren: Proposition 3.3.24. Sei Φ eine G-Wirkung auf M und p ∈ M . Die Abbildung
p : G Gp −→ M Φ (3.215)
p p (G Gp ) = G · p. Ist Φ eigentlich, so ist Φ ist eine injektive Immersion mit Φ sogar eine Einbettung, und die Bahn G · p ist eine abgeschlossene Untermannigfaltigkeit von M . p ◦ π = Φp auch Φ p glatt, da Beweis. Da Φp : G −→ M glatt ist, ist mit Φ π eine surjektive Submersion ist, siehe Aufgabe 2.7. Es bleibt also zu zeigen, p eine Immersion ist, da die Injektivit¨ daß Φ at ja schon gezeigt wurde. Sei also
m¨ u ssen wir zun¨ achst eine handlichere Form f¨ ur [g] ∈ G Gp gegeben. Dann
achst betrachten wir Gp , dann den Tangentialraum T[g] G Gp finden. Zun¨ gilt (3.216) Te Gp = {ξ ∈ g | exp(tξ) ∈ Gp }, da Gp ⊆ G eine abgeschlossene Untergruppe ist und daher ι : Gp −→ G ein injektiver Morphismus von Lie-Gruppen ist. Daher kann man Satz 3.3.5 mit den Gleichungen (3.192) und (3.193) zur Anwendung bringen. Wir hatten
170
3 Symplektische Geometrie
dies auch schon im Beweis von Proposition 3.3.21 gesehen. Die Bedingung exp(tξ) ∈ Gp ist ¨ aquivalent zu Φexp(tξ) (p) = p oder eben Φp (exp(tξ)) = p f¨ ur alle t. Damit folgt d d exp(tξ) = Te Φp (ξ). 0 = Φp (exp(tξ)) = Te Φp dt t=0 dt t=0 Gilt umgekehrt Te Φp (ξ) = 0, so ist
d d d Φp (exp(tξ)) = Φ(exp(tξ) exp(sξ), p) = Φexp(tξ) ◦ Φexp(sξ) (p) dt ds s=0 ds s=0 = Tp Φexp(tξ) (Te Φp (ξ)) = 0. Daher ist Φp (exp(tξ)) = Φp (e) = p konstant und folglich exp(tξ) ∈ Gp . Also gilt Te Gp = {ξ ∈ g | Te Φp (ξ) = 0} = ker Te Φp . p ◦ π = Φp zun¨ Damit folgt aber aus Φ achst
p ◦ Te π = Te Φp , T[e] Φ
p injektiv ist, da der Kern von Te π und weil Te π surjektiv ist, folgt, daß T[e] Φ gerade Te Gp ist und Te Gp mit dem Kern von Te Φp u ¨ bereinstimmt. Damit ist
Φp also zumindest beim Punkt [e] ∈ G Gp immersiv. Die anderen Punkte
erreicht man nun durch folgendes Homogenit¨atsargument“. Sei [g] ∈ G Gp ” beliebig. Dann gilt
und daher
p ([g]) = Φp (g) = Φ(g, p) = Φg ◦ Φp (e) = Φg ◦ Φ p ([e]) Φ p = Tp Φg ◦ T[e] Φ p . T[g] Φ
Da aber Tp Φg bijektiv ist, weil Φg ein Diffeomorphismus ist, folgt, daß auch p injektiv ist. Dies zeigt die erste Aussage. T[g] Φ Sei also Φ nun zudem eine eigentliche G-Wirkung. Wir m¨ ussen also zeip nicht nur injektiv und immersiv ist, sondern Φ −1 gen, daß Φ : G · p −→ p
G Gp ebenfalls stetig ist. Dann ist Φp ein Hom¨oomorphismus und mit dem Satz u ussen wir ¨ ber die Umkehrfunktion ein Diffeomorphismus. Daher m¨ p eine abgeschlossene Abbildung ist, da dann die nur noch zeigen, daß Φ Hom¨ oomorphismuseigenschaft allgemein folgt, siehe etwa [270, Satz 22.28].
p (A) ⊆ G · p. Sei weiter Sei also A ⊆ G Gp abgeschlossen und A′ = Φ xn ∈ G·p eine gegen x ∈ M konvergente Folge mit entsprechender Urbildfolge −1 yn = Φ p (xn ). Da xn ∈ G·p, gibt es eine Folge gn ∈ G mit xn = Φgn (p). Dann liegen die Punkte (xn , p) in einem Kompaktum in M × M , da xn −→ x konvergiert. Also liegen auch die Punkte (gn , p) in einem Kompaktum in G × M , da die Wirkung eigentlich ist. Somit gibt es eine konvergente Teilfolge von ahlt denken. Daher gilt gn −→ g, womit gn , welche wir uns bereits ausgew¨
3.3 Impulsabbildungen und Phasenraumreduktion
171
x = limn xn = limn Φgn (p) = Φg (p) ∈ G · p. Damit ist die Bahn G · p ⊆ M p ([gn ]) = xn und selbst abgeschlossen. Da Φp (gn ) = Φgn (p) = xn , folgt Φ
daher yn = [gn ]. Also konvergieren auch die yn −→ y ∈ G Gp und da die yn in A mit A abgeschlossen liegen, gilt y ∈ A. Somit gilt x = limn xn = p (yn ) = Φ p (y) ∈ Φ p (A) = A′ . Daher ist A′ ⊆ M abgeschlossen und limn Φ deshalb auch abgeschlossen in der abgeschlossenen Teilmenge G · p. Dies zeigt, p eine abgeschlossene Abbildung und damit ein Hom¨oomorphismus auf daß Φ das Bild ist. ⊓ ⊔
Zusammen mit Proposition 3.3.21 folgt, daß f¨ ur eine transitive G-Wirkung
auf M die Mannigfaltigkeit M diffeomorph zum homogenen Raum G Gp ist, wobei Gp die Isotropiegruppe eines beliebigen Punktes p ∈ M ist. Alle Isotropiegruppen sind zueinander konjugiert. Die G-Wirkung auf M stimmt dann mit der kanonischen G-Wirkung auf G Gp u ¨ berein. Wir kommen nun zur infinitesimalen Version einer G-Wirkung. Wenn eine Lie-Gruppe durch Diffeomorphismen auf M wirkt, so soll eine Lie-Algebra entsprechend durch Vektorfelder auf M wirken“. Um diese Vorstellung zu ” pr¨ azisieren, starten wir zun¨ achst mit einer G-Wirkung Φ : G × M −→ M . Sei dann ξ ∈ g und t → exp(tξ) die zugeh¨ orige Einparametergruppe in G. Damit wird (3.217) t → Φexp(tξ) eine glatte Einparametergruppe von Diffeomorphismen von M . Diese entspricht aber gerade dem Fluß eines Vektorfeldes:
Definition 3.3.25 (Fundamentales Vektorfeld). Sei Φ : G × M −→ M eine G-Wirkung auf M . Das durch d (3.218) ξM (p) = Φexp(tξ) (p) dt t=0 f¨ ur p ∈ M und ξ ∈ g festgelegte Vektorfeld heißt fundamentales Vektorfeld (auch: infinitesimaler Erzeuger) der G-Wirkung zu ξ ∈ g. Bemerkung 3.3.26. Aus dem Beweis von Proposition 3.3.24 folgt insbesondere, daß der Tangentialraum an die immersierte Untermannigfaltigkeit G · p ⊆ M durch Tp′ (G · p) = {ξM (p′ ) | ξ ∈ g} (3.219) beschrieben werden kann, was anschaulich auch unmittelbar klar ist, siehe Abbildung 3.8.
Proposition 3.3.27. Sei Φ : G × M −→ M eine G-Wirkung auf M . Dann ist g ∋ ξ → ξM ∈ Γ∞ (T M ) (3.220)
ein Antihomomorphismus von Lie-Algebren. Es gilt also, daß (3.220) linear ist und daß [ξM , ηM ] = −[ξ, η]M (3.221) f¨ ur alle ξ, η ∈ g.
172
3 Symplektische Geometrie
ξM p’
Φexp(tξ)(p’)
Tp’ G . p
G. p
Abb. 3.8. Der Tangentialraum bei p′ an die Bahn G · p
Beweis. Der Beweis wird mit Hilfe der adjungierten Darstellung konzeptuell etwas klarer in den Aufgaben 3.23 und 3.24 besprochen, siehe auch Proposition 3.3.50. Hier geben wir eine direkte Herleitung, welche implizit nat¨ urlich von der adjungierten Darstellung Gebrauch macht. Wir zeigen zun¨achst die Linearit¨ at von (3.220). Sei also ξ ∈ g. Dann gilt d Φexp(tξ) (p) dt t=0 d = Φ(exp(tξ), p) dt t=0 d exp(tξ), 0 = T(e,p) Φ dt t=0
ξM (p) =
= T(e,p) Φ(ξ, 0),
(∗)
womit (3.220) linear ist, da die Tangentialabbildung linear ist. Um die zweite Gleichung zu zeigen, betrachten wir
∗ Φg ηM (p) = TΦg (p) Φ−1 g (ηM (Φg (p))) d = TΦg (p) Φ−1 Φexp(sη) (Φg (p)) g ds s=0 d = TΦg (p) Φ−1 Φexp(sη)g (p) g ds s=0
d Φg−1 Φexp(sη)g (p) = ds s=0 d = (p) Φ −1 ds s=0 g exp(sη)g d −1 = T(e,p) Φ g exp(sη)g, 0 ds s=0 d −1 (p). (∗∗) = g exp(sη)g ds s=0 M
3.3 Impulsabbildungen und Phasenraumreduktion
173
f¨ ur η ∈ g und g ∈ G. Die Kurve g −1 exp(sη)g geht f¨ ur s = 0 durch e und definiert daher u ¨ ber ihren Tangentialvektor ein Lie-Algebraelement. Tats¨achlich ist diese Kurve ja sogar eine Einparametergruppe. Wir betrachten nun den Fall g = exp(tξ) und berechnen die Ableitung sowohl nach t als auch nach s, jeweils bei 0. Dazu verwenden wir, daß der Fluß Φξt des linksinvarianten Vektorfeldes X ξ zu ξ ∈ g durch die Rechtsmultiplikation mit exp(tξ) gegeben ist und mit allen Linksmultiplikationen vertauscht, siehe Satz 3.3.2 und Bemerkung 3.3.3. Es gilt d d exp(−tξ) exp(sη) exp(tξ) dt t=0 ds s=0 d d = rexp(tξ) ◦ ℓexp(−tξ) (exp(sη)) dt t=0 ds s=0 d d η = Texp(−tξ) rexp(tξ) ℓexp(−tξ) ◦ Φs (e) dt t=0 ds s=0 d d η = Texp(−tξ) rexp(tξ) Φs (exp(−tξ)) dt t=0 ds s=0 d η −1 = Texp(−tξ) rexp(−tξ) Xexp(−tξ) dt t=0 ∗ d Φξ−t X η (e) = dt t=0 = − (LX ξ X η ) (e) = −[ξ, η].
(∗∗∗)
Diese beiden Rechnungen kombinieren sich nun folgendermaßen d Φ∗exp(tξ) ηM (p) dt t=0 d (∗∗) d exp(−tξ) exp(sξ) exp(tξ), 0 T(e,p) Φ = dt t=0 ds s=0 d d (∗∗∗) = T(e,p) Φ exp(−tξ) exp(sη) exp(tξ), 0 dt t=0 ds s=0
[ξM , ηM ] (p) =
= T(e,p) Φ (−[ξ, η], 0)
(∗)
= −[ξ, η]M (p).
Damit ist die Proposition bewiesen.
⊓ ⊔
Diese Beobachtung motiviert folgende Definition einer infinitesimalen GWirkung beziehungsweise einer g-Wirkung, wenn g eine (reelle) Lie-Algebra ist. Definition 3.3.28 (Lie-Algebrawirkung). Sei g eine endlichdimensionale Lie-Algebra ¨ uber , und sei M eine Mannigfaltigkeit. Eine Lie-Algebrawirkung von g auf M ist eine lineare Abbildung
Ê
174
3 Symplektische Geometrie
ϕ : g −→ Γ∞ (T M ),
(3.222)
[ϕ(ξ), ϕ(η)] = −ϕ([ξ, η]).
(3.223)
so daß Mit anderen Worten, ϕ ist ein Antihomomorphismus von Lie-Algebren. Der Wechsel von Homomorphismus zu Antihomomorphismus ist trivial, da ϕ genau dann ein Antihomomorphismus ist, wenn −ϕ ein Homomorphismus ist. Daher ist die (seltsame) Bedingung (3.223) nur eine (sehr praktische) Konvention, siehe auch Aufgabe 3.22. Die Aussage von Proposition 3.3.27 l¨ aßt sich somit auf folgende Weise umformulieren: Folgerung 3.3.29. Jede G-Wirkung Φ auf M liefert ¨ uber ϕ : g ∋ ξ → ϕ(ξ) = ξM ∈ Γ∞ (T M )
(3.224)
eine g-Wirkung ϕ der Lie-Algebra g von G. Es stellt sich also die berechtigte Frage, inwieweit die infinitesimale g-Wirkung ϕ die G-Wirkung Φ bereits festlegt beziehungsweise ob Φ aus ϕ (re-) konstruiert werden kann. In bestimmten Situationen ist dies tats¨achlich m¨oglich, wie folgendes Theorem von Palais zeigt: Satz 3.3.30 (Palais). Sei ϕ : g −→ Γ∞ (T M ) eine g-Wirkung auf M , so daß f¨ ur alle ξ ∈ g das Vektorfeld ϕ(ξ) einen vollst¨andigen Fluß hat. Sei weiter G die (bis auf Isomorphie eindeutig bestimmte) zusammenh¨angende und einfachzusammenh¨angende Lie-Gruppe mit Lie-Algebra g. Dann gibt es eine eindeutig uglich Φ. bestimmte G-Wirkung Φ von G auf M , so daß ϕ(ξ) = ξM bez¨ d Die Notwendigkeit der Bedingung ist leicht einzusehen, da ξM = dt Φ t=0 exp(tξ) immer einen vollst¨ andigen Fluß hat, n¨ amlich Φexp(tξ) . F¨ ur einen Beweis sei auf [235, Thm. 14.12] verwiesen. Wir schließen diesen Abschnitt mit einigen Bemerkungen zum Spezialfall einer (glatten) G-Darstellung. Sei also V ein reeller endlichdimensionaler Vektorraum und Φ : G × V −→ V eine G-Darstellung auf V . Das fundamentale Vektorfeld ξV ∈ Γ∞ (T V = V × V ) ist daher an jedem Punkt ein Element in V . Weiter ist ξV (v) im Argument v linear, da Φg linear ist. Daher k¨onnen wir ξV mit einer linearen Abbildung ξV ∈ End(V ) identifizieren, wobei wie immer Tv V = V verwendet wird. Definition 3.3.31 (Lie-Algebradarstellung). Sei g eine (reelle) Lie-Algebra und V ein (reeller) Vektorraum. Eine Darstellung ϕ von g auf V ist ein Lie-Algebrenhomomorphismus ϕ : g −→ End(V ),
(3.225)
wobei End(V ) die ¨ ubliche, durch den Kommutator gegebene Lie-Algebrastruktur tr¨agt.
3.3 Impulsabbildungen und Phasenraumreduktion
175
Proposition 3.3.32. Sei G eine zusammenh¨angende und einfach-zusammenh¨angende Lie-Gruppe mit Lie-Algebra g und sei V ein endlichdimensionaler reeller Vektorraum. Jede glatte G-Darstellung Φ von G auf V liefert uber ϕ(ξ) = ξV eine g-Darstellung ϕ von g auf V . Umgekehrt l¨aßt sich je¨ de g-Darstellung ϕ von g auf V zu einer eindeutig bestimmten glatten GDarstellung Φ integrieren. Beweis. Man rechnet direkt nach, daß mit den obigen Identifikationen ϕ tats¨ achlich eine g-Darstellung liefert, siehe auch Aufgabe 3.22. Ist umgekehrt eine g-Darstellung gegeben, so ist t → etϕ(ξ) der vollst¨andige Fluß zu ξV , insbesondere ist der Fluß selbst wieder eine lineare Abbildung. Daher k¨onnen wir den Satz von Palais anwenden und erhalten eine glatte G-Wirkung. Da diese f¨ ur kleine“ Gruppenelemente eine Darstellung ist und jedes Gruppenelement ” endliches Produkt von kleinen“ Elementen ist, folgt, daß die Wirkung insge” samt eine Darstellung ist. ⊓ ⊔ Einige fundamentale Beispiele wie die adjungierte und koadjungierte Darstellung von G werden in Aufgabe 3.23 besprochen. Die folgende Bemerkung zeigt, daß die Voraussetzungen an die Lie-Gruppe in Proposition 3.3.32 im allgemeinen nicht fallen gelassen werden k¨ onnen. Bemerkung 3.3.33. Ist die Gruppe nicht zusammenh¨angend und nicht einfachzusammenh¨ angend, so ist das Integrationsproblem“ schwieriger: Bekann” termaßen haben SU(2) und SO(3) isomorphe Lie-Algebren su(2) ∼ = so(3), aber nur SU(2) ist einfach-zusammenh¨ angend, w¨ahrend SO(3) nicht einfachzusammenh¨ angend ist. Dies zeigt man etwa durch Angabe eines expliziten Diffeomorphismus SU(2) ∼ = 3 . Daraus resultiert, daß nur diejenigen so(3)Darstellungen zu ganzzahligem Spin“ sich zu SO(3)-Darstellungen integrie” ren lassen, w¨ ahrend der allgemeine Fall nur eine Darstellung von SU(2) liefert. Als weiteres Beispiel sei die Lorentz-Gruppe L(1,3) = O(1, 3) genannt, welche in 4 Zusammenhangskomponenten SO(1, 3), SO(1, 3) , SO(1, 3), SO(1, 3) zerf¨allt, wobei und die Raum- und Zeitspiegelung sind. Ob nun zu einer gegebenen Darstellung von SO(1, 3), also der eigentlichen, orthochronen Lorentz-Gruppe auch eine der gesamten Lorentz-Gruppe geh¨ort, kann nicht mit Lie-algebraischen Methoden entschieden werden. Diese beiden f¨ ur die Physik fundamentalen Beispiele werden in großem Detail in [163, 291] diskutiert. 3.3.2 Impulsabbildungen In diesem Abschnitt werden wir untersuchen, wie Symmetrien eines Hamiltonschen Systems zu formulieren sind und wie sie Erhaltungsgr¨oßen liefern. Auf diese Weise wird die Aussage des Noetherschen Theorems in einem geometrischen Kontext bewiesen. Die Relevanz folgender Definition ist dabei naheliegend.
176
3 Symplektische Geometrie
Definition 3.3.34. Sei (M, ω) eine symplektische Mannigfaltigkeit und Φ : G × M −→ M eine glatte G-Wirkung. Dann heißt die G-Wirkung symplektisch, falls (3.226) Φ∗g ω = ω f¨ ur alle g ∈ G. Analog heißt eine g-Wirkung ϕ : g −→ Γ∞ (T M ) symplektisch, falls (3.227) Lϕ(ξ) ω = 0 f¨ ur alle ξ ∈ g. Die folgende Aussage ist mit den bekannten Rechenregeln f¨ ur Lie-Ableitung und pull-back offensichtlich. Proposition 3.3.35. Sei (M, ω) symplektisch und G eine zusammenh¨angende Lie-Gruppe mit Lie-Algebra g. Sei Φ : G × M −→ M eine G-Wirkung mit zugeh¨origer g-Wirkung ϕ. Dann ist Φ genau dann symplektisch, wenn ϕ symplektisch ist. Beweis. Ist Φ symplektisch, so erh¨ alt man durch Ableiten von Φ∗exp(tξ) ω = ω nach t bei t = 0, daß auch ϕ symplektisch ist. Da andererseits Φexp(tξ) der Fluß zu ξM = ϕ(ξ) ist, folgt aus Lϕ(ξ) ω = 0 direkt Φ∗exp(tξ) ω = ω f¨ ur alle t. Da nun jedes Gruppenelement endliches Produkt von kleinen“ Gruppenelementen ” ur alle g ∈ G symplektisch ist. ⊓ ⊔ ist, folgt, daß Φg f¨ Wir wollen nun die Frage pr¨ azisieren, wann eine symplektische Gruppenwirkung Erhaltungsgr¨oßen liefert. Dazu wollen wir zun¨achst erreichen, daß die symplektischen Vektorfelder ξM f¨ ur alle ξ ∈ g sogar Hamiltonsch sind und nicht nur symplektisch. Wir suchen daher f¨ ur jedes ξ ∈ g eine Funktion J(ξ) ∈ C ∞ (M ) mit XJ(ξ) = ξM . (3.228) Sei nun e1 , . . . , en ∈ g eine Basis. Dann gilt f¨ ur beliebiges ξ ∈ g mit ξ = ξ i ei die Gleichung ξM = ξ i (ei )M , da ξ → ξM ja linear ist. Daher erwarten wir XJ(ξ) = ξM = ξ i (ei )M = ξ i XJ(ei ) = Xξi J(ei ) , womit es also eine Konstante c(ξ) ∈ mit J(ξ) = ξ i J(ei ) + c(ξ) (3.229)
Ê
gibt (falls M nicht zusammenh¨ angend ist, kann c(ξ) auf jeder Zusammenhangskomponente einen anderen Wert annehmen). Dies zeigt aber, daß wir ohne Beschr¨ ankung der Allgemeinheit J(ξ) als linear in ξ annehmen d¨ urfen. Genauer gilt sogar, daß, falls wir J(ei ) mit (3.228) f¨ ur eine Basis e1 , . . . , en von g finden, J(ξ) = ξ i J(ei ) (3.230) ur alle eine in ξ lineare Funktion J(ξ) ∈ C ∞ (M ) definiert, welche (3.228) f¨ ξ ∈ g erf¨ ullt. Dies motiviert folgende Definition einer Impulsabbildung:
3.3 Impulsabbildungen und Phasenraumreduktion
177
Definition 3.3.36 (Impulsabbildung). Sei Φ : G × M −→ M eine symplektische G-Wirkung. Eine glatte Abbildung J : M −→ g∗
(3.231)
heißt Impulsabbildung f¨ ur Φ, falls f¨ ur alle ξ ∈ g XJ(ξ) = ξM ,
(3.232)
wobei J(ξ) ∈ C ∞ (M ) als punktweise nat¨ urliche Paarung J(ξ)(p) = J(p), ξ zu verstehen ist. Sind J1 und J2 Impulsabbildungen f¨ ur dieselbe G-Wirkung, so ist J1 (ξ) − ur jedes ξ ∈ g eine konstante Funktion auf M . Hier und im folJ2 (ξ) = μ(ξ) f¨ genden ist es zweckm¨ aßig, M als zusammenh¨angend anzunehmen, anderenfalls ¨ gelten diese Uberlegungen entsprechend f¨ ur jede Zusammenhangskomponente separat. Daher gibt es also ein μ ∈ g∗ mit J1 − J2 = μ = const.
(3.233)
Bevor wir nun die Frage nach der Existenz einer Impulsabbildung zu einer gegebenen G-Wirkung n¨ aher diskutieren, zeigen wir die sicherlich wichtigste Konsequenz f¨ ur die klassische Mechanik: Satz 3.3.37 (Noether-Theorem). Sei Φ : G×M −→ M eine symplektische G-Wirkung mit Impulsabbildung J : M −→ g∗ . Ist H ∈ C ∞ (M ) eine Ginvariante Hamilton-Funktion, so ist f¨ ur jedes ξ ∈ g die Funktion J(ξ) ∈ C ∞ (M ) eine Erhaltungsgr¨oße bez¨ uglich der Zeitentwicklung von H. Beweis. Die G-Invarianz bedeutet Φ∗g H = H f¨ ur alle g ∈ G. Daher gilt f¨ ur alle ξ ∈ g die Gleichung 0=
d H = LξM H = LXJ(ξ) H = {H, J(ξ)}, Φ∗ dt t=0 exp(tξ)
womit der Satz bewiesen ist.
⊓ ⊔
Bemerkung 3.3.38 (Erhaltungsgr¨oßen und Symmetrien). i.) Ist G zusammenh¨ angend, so gilt auch die Umkehrung: eine HamiltonFunktion H ist G-invariant, falls alle J(ξ) Erhaltungsgr¨oßen sind. ii.) Aufgrund der Linearit¨ at von ξ → J(ξ) gibt es h¨ochstens dim g viele unabh¨ angige Erhaltungsgr¨ oßen. iii.) Der obige Satz zeigt also, daß Symmetrien und Erhaltungsgr¨oßen f¨ ur symplektische G-Wirkungen mit Impulsabbildung letztlich ein und dasselbe sind. Daher kann man Satz 3.3.37 zu Recht als geometrische Verallgemeinerung des wohlbekannten Noether-Theorems der Hamiltonschen Mechanik ansehen.
178
3 Symplektische Geometrie
Eine wichtige Beispielklasse bilden wieder die Kotangentenb¨ undel. Hier betrachtet man Symmetrien des Konfigurationsraumes Q, also eine G-Wirkung φ : G × Q −→ Q
(3.234)
und deren Lift zu einer symplektischen G-Wirkung auf T ∗ Q durch Φ : G × T ∗ Q −→ T ∗ Q,
Φg = T∗ φg .
(3.235)
Nach Satz 3.2.11, Teil ii.) ist Φ in der Tat eine G-Wirkung auf T ∗ Q, welche sogar exakt symplektisch ist, also Φ∗g θ0 = θ0 f¨ ur alle g ∈ G erf¨ ullt. Es zeigt sich, daß in dieser Situation immer eine Impulsabbildung existiert, die universelle Impulsabbildung aus Bemerkung 3.2.12: Satz 3.3.39. Sei φ : G × Q −→ Q eine G-Wirkung auf Q. Die entsprechende geliftete G-Wirkung Φ : G × T ∗ Q −→ T ∗ Q durch Punkttransformationen besitzt eine kanonische Impulsabbildung, n¨amlich J : g ∋ ξ → J(ξ) = J(ξQ ) ∈ Pol1 (T ∗ Q).
(3.236)
Es gilt zudem {J(ξ), J(η)} = J([ξ, η]). (3.237) d Beweis. Sei ξQ = dt φ das fundamentale Vektorfeld zu ξ auf Q. Dann t=0 exp(tξ) ist nach Satz 3.2.11, Teil v.) der Hamiltonsche Fluß zu J(ξQ ) gerade durch die Punkttransformation T∗ φexp(tξ) gegeben. Daher ist Φexp(tξ) tats¨achlich der Hamiltonsche Fluß zur Hamilton-Funktion J(ξQ ) = J(ξ). Weiter ist ξ → J(ξ) offenbar linear, womit J eine Impulsabbildung ist. Nach Proposition 3.2.8 und Proposition 3.3.27 gilt {J(ξ), J(η)} = {J(ξQ ), J(ηQ )} = −J ([ξQ , ηQ ]) = +J ([ξ, η]Q ) = J([ξ, η]), womit auch (3.237) gezeigt ist.
⊓ ⊔
Als n¨ achstes wollen wir die Obstruktionen f¨ ur die Existenz einer Impulsabbildung zu einer gegebenen symplektischen G-Wirkung bestimmen. Folgendes Lemma ist eine kleine Umformulierung von bisherigen Resultaten: Lemma 3.3.40. Sei (M, ω) symplektisch. Ein Vektorfeld X ist genau dann symplektisch, wenn iX ω geschlossen ist, und Hamiltonsch, wenn iX ω exakt ist. Damit erh¨ alt man unmittelbar folgendes Kriterium f¨ ur die Existenz einer Impulsabbildung: Proposition 3.3.41. Sei Φ : G × M −→ M eine symplektische G-Wirkung auf einer symplektischen Mannigfaltigkeit (M, ω). Es existiert genau dann eine Impulsabbildung J : M −→ g∗ f¨ ur Φ, falls es eine Basis e1 , . . . , eN von g gibt, ur alle ℓ = 1, . . . , N . so daß i(eℓ )M ω exakt ist f¨
3.3 Impulsabbildungen und Phasenraumreduktion
179
Folgerung 3.3.42. Sei Φ : G × M −→ M eine symplektische G-Wirkung. Dann sind folgende Bedingungen hinreichend f¨ ur die Existenz einer Impulsabbildung: i.) H1dR (M ) = {0}. ii.) [g, g] = g (Lie-Algebren mit dieser Eigenschaft heißen vollkommen). Beweis. Der erste Teil ist klar, da mit H1dR (M ) = {0} jedes symplektische Vektorfeld Hamiltonsch ist. Der zweite Teil folgt aus der Beobachtung, daß die Lie-Klammer symplektischer Vektorfelder Hamiltonsch ist, siehe Satz 3.1.12, Teil iii.). Sei also e1 , . . . , eN eine Basis von g und seien ξℓ,i und ηℓ,i mit [ξℓ,i , ηℓ,i ] eℓ = i
gegeben. Dann gilt (eℓ )M = − ist.
i [(ξℓ,i )M , (ηℓ,i )M ],
womit (eℓ )M Hamiltonsch ⊓ ⊔
Die kanonische Impulsabbildung f¨ ur Punkttransformationen von T ∗ Q, al∗ so nach T Q geliftete G-Wirkungen auf Q, besitzt eine weitere Eigenschaft, n¨ amlich {J(ξ), J(η)} = J([ξ, η]). (3.238)
Damit ist ξ → J(ξ) ein Homomorphismus von Lie-Algebren g −→ C ∞ (M ) in die Poisson-Algebra C ∞ (M ). Wir wollen nun untersuchen, ob dies immer der Fall ist beziehungsweise die Obstruktionen daf¨ ur bestimmen. Um diese genauer fassen zu k¨ onnen, ben¨ otigen wir die (skalare) Lie-Algebrenkohomologie von g. Definition 3.3.43 (Chevalley-Eilenberg-Operator). Sei g eine (reelle, endlichdimensionale) Lie-Algebra und C • (g, ) = Λ• g∗ die GrassmannAlgebra ¨ uber g∗ . Dann definiert man den Chevalley-Eilenberg-Operator
Ê
δCE : C • (g,
Ê) −→ C •+1 (g, Ê)
(3.239)
durch (δCE α)(ξ0 , . . . , ξk ) =
i<j
wobei α ∈ C k (g,
j i (−1)i+j α [ξi , ξj ], ξ0 , . . . , ∧, . . . , ∧, . . . , ξk , (3.240)
Ê) und ξ0 , . . . , ξk ∈ g.
Proposition 3.3.44. Sei g eine (reelle, endlichdimensionale) Lie-Algebra. i.) Ist e1 , . . . , eN eine Basis von g mit dualer Basis e1 , . . . , eN von g∗ und gilt uglich [ei , ej ] = ckij ek (die Zahlen ckij heißen Strukturkonstanten von g bez¨ dieser Basis), so gilt 1 δCE = − ckij ei ∧ ej ∧ i(ek ). 2
(3.241)
180
3 Symplektische Geometrie
ii.) Es gilt 2 δCE =0
und
Ê
δCE (α ∧ β) = δCE α ∧ β + (−1)k α ∧ δCE β,
(3.242)
Ê
f¨ ur α ∈ C k (g, ) und β ∈ C • (g, ). Damit ist δCE insbesondere eine Superderivation von C • (g, ) vom Grad +1.
Ê
¨ Beweis. Der erste Teil ist eine kleine Ubung in multilinearer Algebra mit Grassmann-Algebren 1 − ctrs er ∧ es ∧ i(et )α (ξ0 , . . . , ξk ) 2 k j 1 = − ctrs (−1)j er (ξj )(es ∧ i(et )α)(ξ0 , . . . , ∧, . . . , ξk ) 2 j=0 j−1 k j i 1 t j r = − crs (−1)i es (ξi )(i(et )α)(ξ0 , . . . , ∧, . . . , ∧, . . . , ξk ) (−1) e (ξj ) 2 i=0 j=0 k j i i−1 s + (−1) e (ξi )(i(et )α)(ξ0 , . . . , ∧, . . . , ∧, . . . , ξk ) i=j+1
=− − =− − =
j i 1 (−1)i+j ctrs er (ξj )es (ξi )(i(et )α)(ξ0 , . . . , ∧, . . . , ∧, . . . , ξk ) 2 i<j
j i 1 (−1)i+j−1 ctrs er (ξj )es (ξi )(i(et )α)(ξ0 , . . . , ∧, . . . , ∧, . . . , ξk ) 2 j
j i 1 (−1)i+j (i([ξj , ξi ])α)(ξ0 , . . . , ∧, . . . , ∧, . . . , ξk ) 2 i<j
j i 1 (−1)i+j−1 (i([ξi , ξj ])α)(ξ0 , . . . , ∧, . . . , ∧, . . . , ξk ) 2 i<j
j i (−1)i+j α([ξi , ξj ], ξ0 , . . . , ∧, . . . , ∧, . . . , ξk ). i<j
Daß δCE eine Superderivation vom Grad +1 ist, folgt unmittelbar aus der Formel (3.241). Ebenso gilt mit der Jacobi-Identit¨at von [·, ·] die Gleichung ctrs cutv + ctsv cutr + ctvr cuts = 0. Damit folgt auch sofort 2 = δCE
1 1 t r c e ∧ es ∧ i(et ) (cuvw ev ∧ ew i(eu )) = ctrs cutv er ∧ es ∧ ev ∧ i(eu ) = 0. 4 rs 2 ⊓ ⊔
3.3 Impulsabbildungen und Phasenraumreduktion
181
Bemerkung 3.3.45. Man kann obige Proposition in vielerlei Richtungen verallgemeinern. Zun¨ achst gilt die zweite Aussage des Satzes auch f¨ ur nicht notwendigerweise endlichdimensionale Lie-Algebren u ¨ ber beliebigen K¨orpern (der Charakteristik ungleich 2). Im unendlichdimensionalen Fall gilt die Formel (3.241) dann nat¨ urlich nicht mehr in dieser Form. Ist weiter ̺ eine Darstellung von g auf V , so kann man anstelle von C • (g, ) entsprechend einen Komplex C • (g, V ) = Λ• g∗ ⊗ V mit Koeffizienten in V “ betrachten. Die rich” tige Definition des Chevalley-Eilenberg-Operators δCE in diesem Fall lautet dann
Ê
δCE (α ⊗ v)(ξ0 , . . . , ξk ) =
k i=0
+
i
(−1)i α(ξ0 , . . . , ∧, . . . , ξk ) ⊗ ̺(ξi )v
i<j
i
j
(−1)i+j α([ξi , ξj ], ξ0 , . . . , ∧, . . . , ∧, . . . , ξk ) ⊗ v (3.243)
2 und es gilt nach wie vor δCE = 0. Man vergleiche diese Formel mit Gleichung (2.184) f¨ ur die a ¨ußere Ableitung.
Definition 3.3.46 (Lie-Algebrakohomologie). Sei g eine Lie-Algebra. Die δCE -Kohomologie ker δCE H•CE (g, ) = (3.244) im δCE
Ê
heißt skalare Lie-Algebrakohomologie von g.
Ê
Bemerkung 3.3.47. Wie schon die deRham-Kohomologie ist auch H•CE (g, ) eine assoziative, superkommutative Algebra mit 1. Die Lie-Algebrakohomologie ist eine der wichtigsten Kenngr¨ oßen einer Lie-Algebra. Eine analoge Definition f¨ ur eine Lie-Algebradarstellung (V, ̺) liefert die Lie-Algebrakohomologie H•CE (g, V ) mit Werten in (V, ̺). Nach diesem kleinen Exkurs k¨ onnen wir nun die Obstruktion f¨ ur (3.238) pr¨ azise formulieren: Satz 3.3.48. Sei Φ : G × M −→ M eine symplektische G-Wirkung auf einer zusammenh¨angenden symplektischen Mannigfaltigkeit (M, ω) und sei ur Φ. J : M −→ g∗ eine Impulsabbildung f¨ i.) Die Funktion c(ξ, η) = J([ξ, η]) − {J(ξ), J(η)}
(3.245)
ist eine von ξ, η ∈ g abh¨angige und auf M konstante Funktion. ii.) Die Abbildung c : g × g ∋ (ξ, η) → c(ξ, η) ∈ definiert einen 2-Kozyklus c ∈ C 2 (g, ), es gilt also δCE c = 0. (3.246)
Ê
Ê
182
3 Symplektische Geometrie
iii.) Es gibt genau dann eine Impulsabbildung J ′ mit J ′ ([ξ, η]) = {J ′ (ξ), J ′ (η)} f¨ ur alle ξ, η ∈ g, falls [c] ∈ H2CE (g, ) trivial ist, also
Ê
c = δCE μ f¨ ur ein μ ∈ C 1 (g,
(3.247)
Ê) = g∗.
Beweis. F¨ ur den ersten Teil rechnet man nach, daß d(J([ξ, η])) = i[ξ,η]M ω = − i[ξM ,ηM ] ω = − (LξM iηM − iηM LξM ) ω
= − LξM iηM ω = − LξM d(J(η))
= −d(LξM J(η)) = −d(XJ(ξ) J(η))
= d({J(ξ), J(η)}),
womit die Differenz (3.245) lokal konstant und damit u ¨berhaupt konstant ist, da M zusammenh¨ angend ist. Offenbar h¨angt c(ξ, η) bilinear von ξ und η ab, da J linear ist und sowohl [·, ·] als auch {·, ·} bilinear sind. Weiter gilt c(ξ, η) = −c(η, ξ), so daß c ∈ Λ2 g∗ = C 2 (g, ) eine 2-Kokette ist. Wir berechnen nun δCE c
Ê
(δCE c)(ξ, η, χ) = −c([ξ, η], χ) + c([ξ, χ], η) − c([η, χ], ξ) = −J([[ξ, η], χ]) + J([[ξ, χ], η]) − J([[η, χ], ξ])
+ {J([ξ, η]), J(χ)} − {J([ξ, χ]), J(η)} + {J([η, χ]), J(ξ)},
ausgewertet auf ξ, η, χ ∈ g. Mit der Linearit¨ at von J und der Jacobi-Identit¨at f¨ ur die Lie-Klammer [·, ·] verschwinden die ersten drei Terme. In den PoissonKlammern k¨ onnen die Terme J([ξ, η]) etc. durch {J(ξ), J(η)} etc. ersetzt werden, da der Fehler ja gerade die Konstante c(ξ, η) ist, welche in PoissonKlammern nichts beitr¨ agt. Dann liefern auch die Terme mit den PoissonKlammern 0, da hier wieder die Jacobi-Identit¨ at gilt. Dies zeigt δCE c = 0. Um den dritten Teil zu beweisen, verwendet man, daß die Differenz zwischen zwei Impulsabbildungen −J + J ′ = μ eine konstante Form μ ∈ g∗ ist, siehe (3.233). Wir vergleichen nun c mit c′ , wobei J = J ′ − μ. Es gilt c(ξ, η) = J([ξ, η]) − {J(ξ), J(η)} = J ′ ([ξ, η]) − μ([ξ, η]) − {J ′ (ξ), J ′ (η)} = c′ (ξ, η) + (δCE μ)(ξ, η),
womit c = c′ + δCE μ. Daher kann man genau dann c′ = 0 erreichen, wenn c = δCE μ exakt ist, also die triviale Kohomologieklasse in H2CE (g, ) definiert. ⊓ ⊔
Ê
3.3 Impulsabbildungen und Phasenraumreduktion
183
¨ Definition 3.3.49 (ad∗ -Aquivariante Impulsabbildung). Eine Impulsabbildung J : M −→ g∗ , welche {J(ξ), J(η)} = J([ξ, η]),
ξ, η ∈ g,
(3.248)
erf¨ ullt, heißt ad∗ -¨aquivariante Impulsabbildung. ¨ Diese Aquivarianz“ bezieht sich auf folgende G-Wirkung beziehungsweise g” Wirkung. Sei Conj : G × G ∋ (g, h) → ghg −1 ∈ G (3.249) die G-Wirkung auf sich selbst durch Konjugation. Es ist unmittelbar klar, daß Conj eine glatte G-Wirkung ist und daß Conjg : G −→ G f¨ ur jedes g ∈ G ein Gruppenautomorphismus ist. Insbesondere gilt Conjg (e) = e, womit Adg = Te Conjg : Te G −→ Te G
(3.250)
ein linearer Automorphismus von g = Te G ist. Proposition 3.3.50 (Adjungierte und Koadjungierte Darstellung). Sei G eine Lie-Gruppe mit Lie-Algebra g. i.) Die Abbildung g → Adg ∈ End(g) definiert eine glatte Darstellung von G auf g, die adjungierte Darstellung von G. ii.) Die fundamentalen Vektorfelder ξg zur adjungierten Darstellung von G liefern die adjungierte Darstellung ξg (η) = adξ (η) = [ξ, η]
(3.251)
Ad∗ : G ∋ g → Ad∗g−1 ∈ End(g∗ )
(3.252)
ad∗ : g ∋ ξ → − ad∗ξ ∈ End(g∗ )
(3.253)
von g auf sich. iii.) Die Definitionen
beziehungsweise
liefern die koadjungierte Darstellung von G beziehungsweise g auf g∗ . Die durch Ad∗ induzierte g-Darstellung ist die koadjungierte Darstellung ξg∗ = − ad∗ξ . ⊓ ⊔
Beweis. Der Beweis wird in Aufgabe 3.23 besprochen. ∗
Eine Impulsabbildung J : M −→ g∗ heißt nun Ad -¨aquivariant, falls J ◦ Φg = Ad∗g−1 ◦J
(3.254)
∗
und ad -¨aquivariant, falls entsprechend T J ◦ ξM = ξg∗ ◦ J.
(3.255)
Diese Begriffsbildung stimmt mit obiger Definition tats¨achlich u ¨ berein, wie folgende Proposition zeigt:
184
3 Symplektische Geometrie
Proposition 3.3.51. Sei J : M −→ g∗ eine Impulsabbildung.
i.) Ist J Ad∗ -¨aquivariant, so ist J auch ad∗ -¨aquivariant. Die Umkehrung gilt beispielsweise, wenn die Gruppe G zusammenh¨angend ist. ii.) Die Bedingungen (3.255) und (3.248) sind ¨aquivalent.
Beweis. Den ersten Teil erh¨ alt man durch Ableitung von Gleichung (3.254) nach t bei t = 0 mit g = exp(tξ) in einer Weise, wie wir das bereits mehrfach gesehen haben. Umgekehrt folgt (3.254) aus (3.255), indem man zeigt, daß ur alle p ∈ M und ξ ∈ g verdie t-Ableitung von Ad∗exp(−tξ) (J(Φexp(−tξ) (p))) f¨ schwindet. Damit folgt die Behauptung f¨ ur kleine“ Gruppenelemente exp(tξ) ” und somit f¨ ur die ganze Zusammenhangskomponente der Eins von G. Den vielleicht einfachsten Beweis f¨ ur den zweiten Teil erh¨alt man durch eine Rechnung in linearen Koordinaten auf g beziehungsweise g∗ . Sei also e1 , . . . , eN eine Basis von g mit dualer Basis e1 , . . . , eN von g∗ und Strukturkonstanten ckij = ek ([ei , ej ]). Auf der Basis ausgewertet lautet die Bedingung (3.248) mit J(p) = Ji (p)ei einfach {Ji , Jj } = ckij Jk . Andererseits gilt Tp J((ei )M ) = Tp (Jj ej )((ei )M ) = ej Tp Jj (XJi ) = ej dJj (XJi ) p = ej {Jj , Ji }(p)
sowie
(ei )g∗ (J(p)) = (ei )g∗ (Jj (p)ej ) = −Jj (p) ad∗ei ej
= −Jj (p)ej ([ei , ·]) = −Jj (p)cjik ek = ej ckji Jk (p)
¨ womit die Aquivalenz der beiden Bedingungen folgt, da es offenbar gen¨ ugt, dies auf einer Basis zu zeigen. ⊓ ⊔ ¨ Bemerkung 3.3.52. Die ad∗ -Aquivarianz ist also gerade die Bedingung, welche es erlaubt, die Vertauschungsrelationen“, also die Poisson-Klammern der ” Komponenten der Impulsabbildung untereinander, mit rein Lie-algebraischen Techniken in g zu bestimmen. Definition 3.3.53. Eine symplektische Gruppenwirkung Φ : G × M −→ M auf (M, ω) heißt stark Hamiltonsch, falls es eine Ad∗ -¨aquivariante Impulsabur Φ gibt. bildung J : M −→ g∗ f¨ Manche Autoren bezeichnen symplektische G-Wirkungen als Hamiltonsch, falls es eine Impulsabbildung gibt. Es sind aber auch die Bezeichnungen Ha” miltonsch“ und schwach Hamiltonsch“ gebr¨ auchlich. ”
3.3 Impulsabbildungen und Phasenraumreduktion
185
3.3.3 Die Marsden-Weinstein-Reduktion Wir betrachten folgende Situation: Sei Φ : G × M −→ M eine stark Hamiltonsche G-Wirkung auf (M, ω) mit Ad∗ -¨aquivarianter Impulsabbildung J : M −→ g∗ . Wir wollen durch Festsetzen der Werte der Erhaltungsgr¨oßen J(ξ) einen neuen Phasenraum der verbleibenden Freiheitsgrade konstruieren. Sei also μ ∈ g∗ ein Wert von J. Wir wollen, daß die Impulsniveaufl¨ache C = J −1 ({μ}) ⊆ M
(3.256)
eine Untermannigfaltigkeit von M ist. Dies wird beispielsweise dadurch erreicht, daß wir einen regul¨aren Wert μ ∈ g∗ w¨ ahlen, wie in Aufgabe 2.4 diskutiert. Dann bezeichnen wir mit Gμ ⊆ G die Isotropiegruppe von μ bez¨ uglich der koadjungierten Darstellung, also Gμ = {g ∈ G | Ad∗g μ = μ}.
(3.257)
Nach Folgerung 3.3.14 ist Gμ wieder eine Lie-Gruppe und eine eingebettete Untermannigfaltigkeit von G. Wir ben¨ otigen nun einige technische Vor¨ uberlegungen. Lemma 3.3.54. Sei μ ∈ g∗ regul¨arer Wert von J und C = J −1 ({μ}). i.) Die Untermannigfaltigkeit C wird unter Φ Gµ in sich abgebildet. ii.) Der Tangentialraum Tp C ⊆ Tp M an C ist durch gegeben. iii.) F¨ ur p ∈ C gilt iv.) F¨ ur p ∈ C gilt
Tp C = ker Tp J ⊆ Tp M
(3.258)
Tp (Gμ · p) = Tp (G · p) ∩ Tp C.
(3.259)
Tp C = (Tp (G · p))⊥ ,
(3.260)
wobei ⊥ das ω-orthogonale Komplement bezeichnet, siehe auch Aufgabe 1.4. ¨ Beweis. Der erste Teil ist gerade die Ad∗ -Aquivarianz von J, denn f¨ ur g ∈ Gμ gilt J(Φg (p)) = Ad∗g−1 J(p) = Ad∗g−1 μ = μ, falls p ∈ C. Daher ist auch Φg (p) ∈ C. Der zweite Teil gilt ganz allgemein f¨ ur Untermannigfaltigkeiten, die als Urbild eines regul¨aren Wertes geschrieben werden k¨ onnen: Sei φ : M −→ N eine glatte Abbildung und c ∈ N ein regul¨ arer Wert sowie C = φ−1 ({c}). Dann gilt dim C = dim M − dim N . Andererseits gilt f¨ ur t → γ(t) ∈ C offenbar φ ◦ γ = c = const , also ur alle p ∈ C. Da aber folgt γ(0) ˙ ∈ ker Tγ(0) φ und damit Tp C ⊆ ker Tp φ f¨ dim ker Tγ(0) φ = dim M − dim N = dim C gilt, folgt die Gleichheit, wobei
186
3 Symplektische Geometrie
G .p
Tp G . p C p
Tp C
Gμ. p
Abb. 3.9. Die Tangentialr¨ aume an die Bahn G · p und an die Impulsniveaufl¨ ache C sowie an die Bahn Gµ · p bei p ∈ C
verwendet wurde, daß Tγ(0) φ surjektiv ist, da c regul¨arer Wert ist. F¨ ur den dritten Teil betrachtet man zun¨ achst Abbildung 3.9. Wir wissen, daß G · p eine immersierte Untermannigfaltigkeit ist und daß Tp (G · p) durch die fundamentalen Vektorfelder bei p aufgespannt wird Tp (G · p) = {ξM (p) | ξ ∈ g}, siehe Bemerkung 3.3.26. Andererseits wissen wir, daß die Lie-Algebra gμ zur Lie-Untergruppe Gμ ⊆ G als Lie-Unteralgebra von g durch gμ = {ξ ∈ g | exp(tξ) ∈ Gμ f¨ ur alle t ∈
Ê}
gegeben ist. Dies wurde im Beweis von Satz 3.3.12 gezeigt. Sei nun also ξ ∈ g gegeben und entsprechend ξM (p) ∈ Tp (G · p). Es ist also zu zeigen, daß ξ ∈ gμ ¨ genau dann gilt, wenn ξM (p) ∈ ker Tp J. Nun gilt nach der ad∗ -Aquivarianz Tp J(ξM (p)) = ξg∗ (J(p)) = ξg∗ (μ), und daher gilt ξM (p) ∈ ker Tp J genau dann, wenn ξg∗ (μ) = 0. Dies ist aber ur alle t ∈ , da ja genau dann der Fall, wenn Ad∗exp(−tξ) (μ) = const = μ f¨ Ad∗exp(−tξ) der Fluß zu ξg∗ ist. Also gilt exp(tξ) ∈ Gμ , womit die Gleichheit (3.259) folgt. Den letzten Teil zeigt man folgendermaßen: Sei ξ ∈ g und damit ξM (p) ∈ Tp (G · p). Sei weiter vp ∈ Tp M beliebig. Dann gilt ωp (ξM (p), vp ) = (dJ(ξ)) p (vp ) = (Tp J(vp ))(ξ)
Ê
und daher vp ∈ ker Tp J genau dann, wenn vp ∈ (Tp (G · p))⊥ . Mit dem zweiten Teil folgt dann auch (3.260). ⊓ ⊔
3.3 Impulsabbildungen und Phasenraumreduktion
187
Wir k¨ onnen nun den Satz von Marsden und Weinstein in seiner einfachsten Form formulieren. F¨ ur eine weiterf¨ uhrende Diskussion sei auf [1, Sect. 4.3] sowie auf [232, 259] verwiesen. Satz 3.3.55 (Marsden-Weinstein-Reduktion). Sei Φ : G × M −→ M eine stark Hamiltonsche G-Wirkung auf (M, ω) mit Ad∗ -¨aquivarianter Impulsabbildung J : M −→ g∗ . Sei weiter μ ∈ g∗ ein regul¨arer Wert. Falls die Isotropiegruppe Gμ ⊆ G von μ frei und eigentlich auf C = J −1 ({μ}) wirkt, so gibt es eine eindeutig
bestimmte symplektische Form ωred auf dem Quotientenraum Mred = C Gμ , so daß ι∗ ω = π ∗ ωred ,
(3.261)
wobei ι : C −→ M die Einbettung der Untermannigfaltigkeit C in M und π : C −→ Mred die Projektion auf den Quotienten Mred bezeichnet. Beweis. Wir wissen, daß unter den gemachten Annahmen C eine eingebettete und abgeschlossene Untermannigfaltigkeit von M ist und Mred eine eindeutig bestimmte differenzierbare Struktur besitzt, so daß π eine surjektive Submersion ist. Weiter gilt, daß ι∗ ω ∈ Γ∞ (Λ2 T ∗ C) eine geschlossene, aber eventuell ausgeartete Zweiform auf C ist. Nach (3.259) und (3.260) gilt, daß bei p ∈ C der Ausartungsraum von ι∗ ω durch Tp (Gμ · p) gegeben ist. Sei also x ∈ Mred vorgegeben und p ∈ C mit π(p) = x. Jeder Tangentialvektor vx ∈ Tx Mred ist von der Form vx = Tp π(vp ) mit vp ∈ Tp C, da π eine Submersion ist. Die Bedingung (3.261) bedeutet dann, daß ωred π(p) (Tp π(vp ), Tp π(wp )) = (π ∗ ωred ) p (vp , wp ) = (ι∗ ω) (vp , wp ) = ω (vp , wp ), p
(∗)
wobei wir p mit ι(p) sowie vp mit Tp ι(vp ) identifizieren. Falls es also u ¨berhaupt eine Zweiform ωred mit (3.261) gibt, so ist ωred eindeutig bestimmt, da Tp π surjektiv ist. Um die Existenz zu zeigen, erheben wir (∗) zur Definition von ωred . Wir definieren also ωred x (vx , wx ) = ωp (vp , wp ),
wobei p ∈ π −1 ({x}) und Tp π(vp ) = vx ebenso wie Tp π(wp ) = wx . Es ist zun¨ achst zu zeigen, daß ωred dadurch wohl-definiert ist. Sei also p′ ∈ π −1 ({x}) und vp′ , wp′ ∈ Tp′ C eine andere Wahl der Repr¨asentanten. Dann gibt es ein g ∈ Gμ mit Φg (p) = p′ . Sei weiter v˜ = Tp Φg (vp ) und w ˜ = Tp Φg (wp ). Nun gilt π ◦ Φg = π, womit nach der Kettenregel v ) = Tp′ π ◦ Tp Φg (vp ) = Tp π(vp ) = vx = Tp′ π(vp′ ) Tp′ π(˜
und genauso f¨ ur w. ˜ Daher ist v˜ − vp′ ∈ ker Tp′ π = Tp′ (Gμ · p). Nach dem oben Gesagten ist dieser Differenzvektor im Ausartungsraum von ι∗ ω, wonach
188
3 Symplektische Geometrie
folgt, daß ωred wohl-definiert ist. Es bleibt zu zeigen, daß ωred symplektisch ist. Zun¨ achst gilt π ∗ dωred = dπ ∗ ωred = dι∗ ω = ι∗ dω = 0 und da π ∗ injektiv ist, was aus der Surjektivit¨ at von Tp π f¨ ur alle p folgt, ist ωred geschlossen. ur alle wx . Nach Wahl Sei schließlich vx ∈ Tx Mred mit ωred x (vx , wx ) = 0 f¨ von Repr¨ asentanten gilt dann ωp (vp , wp ) = 0 f¨ ur alle wp ∈ Tp C. Nach (3.259) und (3.260) folgt aber vp ∈ ker Tp π und damit vx = 0. Dies zeigt, daß ωred nichtausgeartet ist. ⊓ ⊔ Definition 3.3.56 (Reduzierter Phasenraum). Die symplektische Mannigfaltigkeit (Mred , ωred ) heißt der reduzierte Phasenraum oder auch MarsdenWeinstein-Quotient zu (M, ω, J, μ). Will man die Abh¨ angigkeit von der Wahl des Impulswertes μ betonen, ist auch die Bezeichnung (Mμ , ωμ ) gebr¨ auchlich. Bemerkung 3.3.57 (Phasenraumreduktion). i.) Es gibt verschiedene Verallgemeinerungen, wo diverse Voraussetzungen fallen gelassen werden. Insbesondere kann man schwach regul¨are Werte der Impulsabbildung betrachten, wo nur gefordert wird, daß J −1 ({μ}) eine Untermannigfaltigkeit mit Tangentialraum Tp (J −1 ({μ})) = ker Tp J ist. Des weiteren k¨ onnen bestimmte Typen von Singularit¨aten in C und in Mred erlaubt werden, wie sie beispielsweise auftreten, wenn Gμ zwar eigentlich aber nicht mehr frei wirkt. Dies liefert Orbifolds anstelle von Mannigfaltigkeiten. Schließlich kann man auf die Gruppenwirkung verzichten und alles f¨ ur Lie-Algebrenwirkungen formulieren. Ist nicht einmal mehr eine Lie-Algebrawirkung vorgegeben, sondern nur noch die Untermannigfaltigkeit C ⊆ M , so l¨ aßt sich eine Phasenraumreduktion bez¨ uglich C formulieren, was entscheidende Anwendungen in der Physik von constraints findet. Weiteres findet man beispielsweise in [1, 167, 259, 292]. ii.) Umgekehrt kann man zeigen, daß im wesentlichen jede symplektische Mannigfaltigkeit (M, ω) als reduzierter Phasenraum zu einer geeignet gew¨ ahlten G-Wirkung auf ( 2n , ω0 ) auftritt [143]. Dies rechtfertigt letztlich auch f¨ ur den Physiker“ die Besch¨ aftigung mit symplektischer Geo” metrie jenseits von Kotangentenb¨ undeln, da man selbst im einfachsten Phasenraum ( 2n , ω0 ) mit Symmetrien rechnen muß, die beliebig komplizierte reduzierte Phasenr¨ aume liefern.
Ê
Ê
Die Phasenraumreduktion ist aber nicht nur mit der Kinematik vertr¨ aglich, sondern auch mit einer G-invarianten Dynamik. Dies zeigt folgender Satz: Satz 3.3.58. Sei Φ : G × M −→ M eine stark Hamiltonsche G-Wirkung auf (M, ω) mit Ad∗ -¨aquivarianter Impulsabbildung J : M −→ g∗ und einem regul¨aren Wert μ ∈ g∗ . Ist H ∈ C ∞ (M )G eine G-invariante Hamilton-Funktion, so ist das Hamiltonsche Vektorfeld XH tangential an die Impulsniveaufl¨ache H C = J −1 ({μ}) und der Hamiltonsche Fluß ΦX bildet C in sich ab. Weiter t
3.3 Impulsabbildungen und Phasenraumreduktion
189
gibt es eine eindeutig bestimmte Hamilton-Funktion Hred ∈ C ∞ (Mred ) mit XH Hamiltonschem Fluß Φt red , so daß ι∗ H = π ∗ Hred und
XHred
H = Φt π ◦ ΦX t
(3.262) ◦ π.
(3.263)
Beweis. Da H invariant unter G ist, folgt, daß J(ξ) f¨ ur alle ξ ∈ g eine ErH H haltungsgr¨ oße bez¨ uglich H ist. Daher ist J ◦ ΦX = J und somit bildet ΦX t t XH die Impulsniveaufl¨ ache C in sich ab. F¨ ur p ∈ C ist daher t → Φt (p) ∈ C eine Kurve in C, so daß deren Tangentialvektor bei t = 0 in Tp C liegt. Dieser ist aber gerade XH (p), so daß XH tangential an C ist. Die G-Invarianz H H von H impliziert Φ∗g XH = XH und somit Φg ◦ ΦX = ΦX ◦ Φg f¨ ur alt t le g ∈ G nach Satz 2.1.32. Angewandt auf g ∈ Gμ und p ∈ C finden wir, XH H (Φg (p)) in der gleichen Gμ -Bahn liegen. Daher ist durch daß ΦX t (p) und Φt XH Ψt (π(p)) = π(Φt (p)) eine glatte Einparametergruppe von Diffeomorphismen von Mred wohl-definiert. F¨ ur die Glattheit verwendet man, daß π submersiv H ist, siehe Aufgabe 2.7. Es gilt nach Definition Ψt ◦ π = π ◦ ΦX t . Weiter gilt ∗ ∗ ∗ H H H π ∗ Ψt∗ ωred = ΦX π ∗ ωred = ΦX ι∗ ω = ι∗ ΦX ω = ι∗ ω = π ∗ ωred , t t t
H die Untermannigfaltigkeit C in sich abbildet und auf M symplektisch da ΦX t ist. Da π ∗ injektiv ist, folgt, daß Ψt ebenfalls symplektisch ist. Das Vektorfeld d ∈ Γ∞ (T Mred) Y = Ψt dt t=0
ist also ein symplektisches Vektorfeld auf Mred . Wir m¨ ussen nun zeigen, daß Y Hamiltonsch ist. Zun¨ achst ist H l¨ angs der G-Bahnen und damit erst recht l¨ angs der Gμ -Bahnen konstant. Damit wird durch Hred (x) = H(p) mit π(p) = x eine glatte Abbildung Hred ∈ C ∞ (Mred ) wohl-definiert, wobei die Glattheit wieder gilt, weil π submersiv ist. Damit gilt insbesondere (3.262) nach Konstruktion, und Hred ist offenbar die einzige Funktion mit dieser Eigenschaft. Sei nun vp ∈ Tp C mit Tp π(vp ) = vx und π(p) = x. Dann gilt vp (H) = vp (ι∗ H) = vp (π ∗ Hred ) = (Tp π(vp ))Hred = dHred (vx )
= ωred XH , vx . x
red
x
Andererseits gilt
vp (H) = dH(vp ) = ω p (XH p , vp ) = (ι∗ ω) p (XH p , vp ) = (π ∗ ωred ) p (XH p , vp )
190
3 Symplektische Geometrie
= ωred x Tp π(XH p ), Tp π(vp ) = ωred Tp π(XH ), vx , x
p
womit XHred (π(p)) = Tp π(XH p ) f¨ ur alle p ∈ C folgt. Schließlich gilt f¨ ur Y nach Ableiten von (3.263) bei t = 0, daß Y (π(p)) = Tp π(XH p ), womit Y = XHred gezeigt ist. ⊓ ⊔
Folgerung 3.3.59. Sei (M, ω) eine symplektische Mannigfaltigkeit und H ∈ ein regul¨arer Wert von H, so daß der Fluß Φt C ∞ (M ). Sei weiter E ∈ von H eine freie und eigentliche -Wirkung (oder bei periodischer Bewegung eine freie 1 -Wirkung) auf H −1 ({E}) ⊆ M definiert. Dann ist der Raum der L¨osungen zur Energie E
ME = H −1 ({E}) (3.264)
eine symplektische Mannigfaltigkeit und die durch Satz 3.3.58 induzierte Hamilton-Funktion Hred ist konstant gleich E.
Bemerkung 3.3.60 (Reduktion und Poisson-Klammern). Sind F, G ∈ C ∞ (M ) invariante Funktionen, so gilt f¨ ur die gem¨ aß Satz 3.3.58 definierten Funktionen Fred , Gred ∈ C ∞ (Mred ) {Fred , Gred }red = ({F, G})red .
(3.265)
Dies zeigt man analog zu Satz 3.3.58, siehe auch Aufgabe 3.30. Beispiel 3.3.61 (Der harmonische Oszillator). Sei H(q, p) = 12 (p2 + q 2 ) der isotrope harmonische Oszillator in (n + 1) Raumdimensionen. Dann ist jeder 2n+1 Energiewert E > 0 regul¨ ar und H −1 ({E}) = √ ⊆ 2(n+1) ist die (2n+1)2E √ osungen zur Energie E > 0 ist dann Sph¨ are mit Radius 2E. Der Raum der L¨ als differenzierbare Mannigfaltigkeit
1 n 2n+1 ∼ (3.266) =
der komplex-projektive Raum, also die Menge der komplexen Strahlen in
n+1 , womit n eine symplektische Mannigfaltigkeit (sogar eine K¨ahler-
Mannigfaltigkeit) wird, siehe auch Aufgabe 3.28 und 3.29. Man beachte, daß die Zeitentwicklung des isotropen harmonischen Oszillators periodisch ist, so daß die -Wirkung durch eine 1 -Wirkung ersetzt werden kann, welche dann ungliche -Wirkung ist wefrei und eigentlich auf H −1 ({E}) wirkt. Die urspr¨ der eigentlich noch frei. F¨ ur n = 1 erh¨ alt man die ber¨ uhmte Hopf-Faserung
3 1 ∼ 2 (3.267) =
der 3-Sph¨ are durch Kreise, da der eindimensionale komplex-projektive Raum zur 2-Sph¨ are isomorph ist, siehe auch Aufgabe 2.2 f¨ ur die komplexe Struktur der 2-Sph¨ are sowie Aufgabe 3.27.
1
3.4 Aufgaben
191
3.4 Aufgaben Aufgabe 3.1 (Poisson-Abbildungen I). Betrachten Sie zwei symplektische Mannigfaltigkeiten (M, ω) und (M ′ , ω ′ ) sowie eine glatte Abbildung φ : M −→ M ′ , welche nicht notwendigerweise ein Diffeomorphismus ist. i.) Zeigen Sie, daß φ∗ ω ′ = ω impliziert, daß φ eine Immersion ist. ur alle f, g ∈ C ∞ (M ′ ) impliii.) Zeigen Sie, daß φ∗ {f, g}M ′ = {φ∗ f, φ∗ g}M f¨ ziert, daß φ eine Submersion ist.
Eine Abbildung φ mit φ∗ {f, g}M ′ = {φ∗ f, φ∗ g}M heißt Poisson-Abbildung. Aufgabe 3.2 (Die musikalischen Isomorphismen). Sei (M, ω) eine symplektische Mannigfaltigkeit. i.) Zeigen Sie, daß ein Diffeomorphismus φ : M −→ M genau dann symplektisch ist, wenn φ∗ (Y ♭ ) = (φ∗ Y )♭ beziehungsweise φ∗ (α♯ ) = (φ∗ α)♯ f¨ ur alle Y ∈ Γ∞ (T M ) und α ∈ Γ∞ (T ∗ M ) gilt. ii.) Zeigen Sie, daß ein Vektorfeld X genau dann symplektisch ist, wenn LX (Y ♭ ) = (LX Y )♭ beziehungsweise LX (α♯ ) = (LX α)♯ f¨ ur alle Y ∈ Γ∞ (T M ) und α ∈ Γ∞ (T ∗ M ) gilt. Aufgabe 3.3 (Antisymplektische Abbildungen). Betrachten Sie das Kotangentenb¨ undel π : T ∗ Q −→ Q eines Konfigurationsraumes Q und definieren Sie folgende Abbildung T : T ∗ Q ∋ αq → −αq ∈ T ∗ Q.
(3.268)
i.) Zeigen Sie, daß T2 = idT ∗ Q und daß T antisymplektisch ist, also T∗ ω0 = −ω0 .
(3.269)
ii.) Betrachten Sie die Hamiltonschen Bewegungsgleichungen zu einer gegebenen Hamilton-Funktion H auf T ∗ Q, welche die Bedingung T∗ H = H erf¨ ullen soll. Welche Bedeutung hat die Kurve t → T ◦ γ(−t), wenn γ eine Integralkurve zu XH ist? Interpretieren Sie so die physikalische Bedeutung einer antisymplektischen Abbildung. Aufgabe 3.4 (Minimale Kopplung und magnetische Monopole). Sei H ∈ C ∞ (T ∗ Q) eine Hamilton-Funktion eines geladenen Teilchens mit Ladung e, welches sich in einem Konfigurationsraum Q bewegt. Sei weiter B ∈ Γ∞ (Λ2 T ∗ Q) ein Magnetfeld, also eine geschlossene Zweiform dB = 0. Sei weiterhin ω0 die kanonische symplektische Form auf T ∗ Q, Xf0 das Hamiltonsche Vektorfeld zu f ∈ C ∞ (T ∗ Q) und {f, g}0 die Poisson-Klammer bez¨ uglich ω0 . Die Hamiltonsche Mechanik bei eingeschaltetem Magnetfeld wird dann durch ωB = ω0 − eπ ∗ B beschrieben, mit Hamiltonschem Vektorfeld XfB und Poisson-Klammer {f, g}B .
192
3 Symplektische Geometrie
i.) Definieren Sie f¨ ur f ∈ C ∞ (T ∗ Q) das Vektorfeld YfB ∈ Γ∞ (T (T ∗ Q)) durch YfB = XfB − Xf0
(3.270)
und zeigen Sie, daß YfB vertikal ist, also T πYfB = 0 f¨ ur alle f . Zeigen Sie dazu zun¨ achst, daß ein vertikales Vektorfeld, eingesetzt in π ∗ B, immer verschwindet. ii.) Zeigen Sie, daß in induzierten lokalen Koordinaten YfB = −eπ ∗ (Bij )
∂f ∂ , ∂pi ∂pj
(3.271)
wobei B = 21 Bij dxi ∧dxj und (q 1 , . . . , pn ) die aus den lokalen Koordinaten (x1 , . . . , xn ) von Q gewonnenen lokalen Darboux-Koordinaten von T ∗ Q sind. iii.) Zeigen Sie {f, g}B = {f, g}0 + eπ ∗ B(Xf0 , Xg0 ) (3.272) und finden Sie eine lokale Formel f¨ ur {·, ·}B bez¨ uglich der Koordinaten (q 1 , . . . , pn ). Berechnen Sie insbesondere {pi , pj }B . Was f¨allt auf? iv.) Stellen Sie die Hamiltonschen Bewegungsgleichungen f¨ ur eingeschaltetes Magnetfeld in den lokalen Koordinaten (q 1 , . . . , pn ) auf. Spezialisieren Sie 1 p2 + V (q), wobei V ∈ q , p) = 2m sich auf den Fall Q = 3 und H( ∞ B C (Q) ein Potential sei. Zeigen Sie, daß XH die richtige Lorentz-Kraft liefert, wenn die Zweiform B auf geeignete Weise mit dem Vektorfeld B identifiziert wird, siehe auch Aufgabe 2.10. Bemerkung: Die obige Formulierung ist offenbar immer m¨oglich, solange dB = 0 gilt, also f¨ ur geschlossenes B. Insbesondere braucht B nicht exakt zu sein, und die obige Formulierung der Bewegungsgleichungen eines geladenen Teilchens im Magnetfeld liefert also auch f¨ ur einen magnetischen Monopol die richtige Lorentz-Kraft. Aufgabe 3.5 (Lineare fast-komplexe Strukturen). Sei V ein reeller endlichdimensionaler Vektorraum. Eine lineare Abbildung J : V −→ V heißt lineare fast-komplexe Struktur, falls J 2 = − idV .
(3.273)
Ein reeller Vektorraum V mit fast-komplexer Struktur heißt fast-komplexer Vektorraum. i.) Zeigen Sie, daß durch die Definition z · v = Re(z)v + J(Im(z)v) z ∈
, v ∈ V
der reelle Vektorraum V zu einem komplexen Vektorraum wird.
(3.274)
3.4 Aufgaben
193
ii.) Zeigen Sie, daß V als reeller Vektorraum gerade-dimensional ist und eine Basis e1 , . . . , en , f1 , . . . , fn besitzt, so daß J(ek ) = fk
und
J(fk ) = −ek .
(3.275)
Bestimmen Sie so dim V , indem Sie eine Basis von V bez¨ uglich der komplexen Vektorraumstruktur angeben. Hinweis: Was ist i · ek ? iii.) Zeigen Sie, daß jeder 2n-dimensionale reelle Vektorraum V eine fastkomplexe Struktur besitzt und daß je zwei fast-komplexe Strukturen auf V isomorph sind, es also eine lineare Bijektion φ : (V, J) −→ (V, J ′ ) mit φ ◦ J = J ′ ◦ φ gibt. Sei nun (V, ω) ein reeller symplektischer 2n-dimensionaler Vektorraum. Eine fast-komplexe Struktur J heißt kompatibel mit ω, falls g(x, y) = ω(x, Jy)
(3.276)
ein positiv definites Skalarprodukt ist. iv.) Zeigen Sie, daß es auf jedem symplektischen Vektorraum eine kompatible fast-komplexe Struktur gibt. v.) Sei L ⊆ V ein Lagrangescher Teilraum und J eine kompatible fastkomplexe Struktur. Zeigen Sie, daß J(L) ebenfalls Lagrangesch ist und daß L ⊕ J(L) = V gilt. Bestimmen Sie dazu das orthogonale Komplement von L bez¨ uglich g. vi.) Sei g ein beliebiges positiv definites Skalarprodukt auf V . Zeigen Sie, daß durch g(x, y) = ω(x, Ay) ein eindeutig bestimmter, invertierbarer Endomorphismus A : V −→ V definiert wird. Zeigen Sie umgekehrt, daß jeder lineare invertierbare Endomorphismus A mittels g(x, y) = ω(x, Ay) eine nichtausgeartete Bilinearform g auf V definiert. vii.) Sei A ∈ End(V ) invertierbar. Zeigen Sie, daß g(x, y) = ω(x, Ay) genau dann symmetrisch ist, wenn A schiefsymmetrisch bez¨ uglich g ist, also AT = −A. Zeigen Sie weiter, daß dies genau dann der Fall ist, wenn A schiefsymmetrisch bez¨ uglich ω ist. Sei nun AT = −A. Zeigen Sie, daß A genau dann eine fast-komplexe Struktur ist, wenn A eine Isometrie bez¨ uglich g ist, was genau dann der Fall ist, wenn A symplektisch ist. viii.) Sei nun g ein positiv definites Skalarprodukt und A wie oben definiert. Zeigen Sie mit Hilfe der Polarzerlegung von A in A = J|A|, wobei |A| = √ AT A die eindeutig bestimmte invertierbare positive Wurzel von A ist, daß J eine mit ω kompatible, fast-komplexe Struktur ist. Bestimmen Sie das nach (3.276) zu ω und J geh¨ orende Skalarprodukt g A . Hinweis: Hier d¨ u√ rfen Sie verwenden, daß jede Matrix B, die mit AT A vertauscht, auch mit AT A vertauscht (Spektralsatz). Zeigen Sie so zun¨achst, daß J mit A vertauscht und daß J T J = id folgt. Bemerkung: Nach dem Spektralsatz f¨ ur endlichdimensionale Vektor√ ur invertierbare Matrizen A glatt. r¨ aume ist die Abbildung A → AT A f¨
194
3 Symplektische Geometrie
Aufgabe 3.6 (Komplexe Koordinaten f¨ ur 2n ). Betrachten Sie den 2n Phasenraum ( , ω0 ) mit den kanonischen Koordinaten q 1 , . . . , q n , p1 , . . . , pn . Sei weiter ein harmonischer Oszillator mit Frequenz ω und Masse m gegeben, oder eben ein anderes physikalisches System, welches dimensionsbehaftete Parameter der Dimension [Masse] und [Frequenz] beinhaltet. Definieren Sie dann die komplexwertigen Funktionen zk =
√ 1 mω q k + i √ pk , mω
k = 1, . . . , n.
(3.277)
i.) Zeigen Sie, daß die Funktionen z k auch physikalisch wohl-definiert sind, indem Sie eine Dimensionsanalyse durchf¨ uhren und die physikalischen Dimensionen von z k bestimmen. Darf man ohne weitere Struktur als Physiker zu komplexen Koordinaten z k u ¨ bergehen? ii.) Berechnen Sie die kanonischen Poisson-Klammern {z k , z ℓ },
{z k , z ℓ },
{z k , z ℓ }.
(3.278)
Ein komplexes Vektorfeld X auf einer Mannigfaltigkeit M ist als eine lineare Derivation der komplexwertigen Funktionen definiert. Offenbar kann X als Schnitt des komplexifizierten Tangentenb¨ undels T M = T M ⊗ aufgefaßt werden. Analog definiert man komplexe Einsformen und komplexe Tensorfelder h¨ oherer Stufe. Definieren Sie weiter f¨ ur ein komplexes Vektorfeld X das komplex-konjugierte Vektorfeld X durch X(f ) = X(f ),
(3.279)
wobei f eine glatte komplexwertige Funktion auf M sei. Analog definiert man die komplex-konjugierte Einsform α einer Einsform α durch α(X) = α(X).
(3.280)
Betrachten Sie nun folgende komplexe Vektorfelder und Einsformen auf , den Sie im folgenden via (3.277) immer mit n identifizieren d¨ urfen: 1 ∂ ∂ ∂ ∂ 1 ∂ ∂ und (3.281) = −i k +i k = k k k k ∂z 2 ∂x ∂y 2 ∂x ∂y ∂z
2n
dz k = dxk + idy k
und dz k = dxk − idy k .
(3.282)
Hier bezeichnen xk und y k die Real- und Imagin¨arteile von z k . iii.) Zeigen Sie, daß f¨ ur komplexe Vektorfelder und Einsformen die komplexe Konjugation tats¨ achlich wohl-definiert ist, also wieder ein Vektorfeld beziehungsweise eine Einsform definieren und daß df = df gilt. Zeigen Sie damit, daß ∂ ∂ (3.283) = k und dz k = dz k . ∂z k ∂z
3.4 Aufgaben
195
iv.) Zeigen Sie, daß die 2n komplexen Vektorfelder ∂z∂ k und ∂z∂ k an jedem Punkt in n eine komplexe Basis des komplexifizierten Tangentialraumes bilden. Welche Dimension hat Tp 2n als komplexer Vektorraum, welche als reeller Vektorraum? v.) Zeigen Sie, daß an jedem Punkt die 2n Einsformen dz k und dz k die zu ∂ und ∂z∂ k duale komplexe Basis bilden. ∂z k vi.) Schreiben Sie die kanonische symplektische Form ω0 und die kanonische Poisson-Klammer bez¨ uglich der komplexen Basisvektorfelder dz k und dz k ∂ beziehungsweise ∂zk und ∂z∂ k .
Aufgabe 3.7 (Der Levi-Civita-Zusammenhang). Sei g eine Riemannsche (oder Pseudo-Riemannsche) Metrik auf M . Sei weiter ∇ eine kovariante Ableitung f¨ ur T M , so daß mit den u ¨ blichen Regeln eine kovariante Ableitung f¨ ur alle Tensorpotenzen von T M und T ∗ M induziert wird. Diese bezeichnen wir ebenfalls mit ∇. Dann heißt ∇ metrisch, falls ∇g = 0,
ur alle X ∈ Γ∞ (T M ), also ∇X g = 0 f¨
(3.284)
d.h. der metrische Tensor g ist kovariant konstant. i.) Zeigen Sie, daß ∇ genau dann metrisch ist, falls X(g(Y, Z)) = g(∇X Y, Z) + g(Y, ∇X Z)
(3.285)
f¨ ur X, Y, Z ∈ Γ∞ (T M ). ii.) Zeigen Sie, daß es genau einen torsionsfreien und metrischen Zusammenhang f¨ ur g gibt, den Levi-Civita-Zusammenhang. Hinweis: Betrachten Sie die zyklische Summe von (3.285) f¨ ur drei Vektorfelder X, Y, Z und dr¨ ucken Sie an geeigneter Stelle ∇Y X und ∇Z X durch Lie-Klammern und kovariante Ableitungen in Richtung X aus, indem Sie die Torsionsfreiheit verwenden. Auf diese Weise erhalten Sie eine explizite Formel f¨ ur g(∇X Y, Z), wodurch ∇ eindeutig festgelegt wird, da g nichtausgeartet ist. Verwenden Sie diese Formel, um ∇ zu definieren, und weisen Sie die Eigenschaften einer kovarianten Ableitung explizit nach. iii.) Seien x1 , . . . , xn lokale Koordinaten. Zeigen Sie, daß die ChristoffelSymbole des Levi-Civita-Zusammenhangs ∇ ∇
∂ ∂xi
∂ ∂ = Γijk ∂xj ∂xk
(3.286)
mit den Christoffel-Symbolen aus Satz 3.2.40 u ¨ bereinstimmen. Welche Eigenschaft der Christoffel-Symbole ist f¨ ur die Torsionsfreiheit von ∇ verantwortlich? Aufgabe 3.8 (Autoparallelen und Geod¨ aten). Sei ∇ ein (torsionsfreier) Zusammenhang f¨ ur T M , beispielsweise der Levi-Civita-Zusammenhang zu einer Riemannschen Metrik. Sei weiter γ : I −→ M eine glatte Kurve in M . undel u Dann kann man das zur¨ uckgezogene B¨ undel γ # T M −→ I als B¨ ¨ ber
196
3 Symplektische Geometrie
dem Intervall I betrachten, zusammen mit dem zur¨ uckgezogenen Zusammen∂ hang ∇# . Mit ∂t werde das kanonische Vektorfeld auf I bezeichnet. Seien weiter in einer lokalen Karte Γijk die Christoffel-Symbole des Zusammenhangs ∇. Zeigen Sie, daß γ genau dann eine Geod¨ ate bez¨ uglich ∇ ist, wenn γ autoparallel ist, also ˙ =0 (3.287) ∇#∂ γ(t) ∂t
f¨ ur alle t ∈ I. Hier wird γ(t) ˙ ∈ Γ∞ (γ # T M ) als Schnitt des zur¨ uckgezogenen B¨ undels aufgefaßt (wie?). Interpretieren Sie diese Bedingung geometrisch. Aufgabe 3.9 (Lagrange-Mechanik und Euler-Lagrange-Gleichung). are Lagrange-Funktion mit Faserableitung Sei L ∈ C ∞ (T Q) eine hyperregul¨ L : T Q −→ T ∗Q. Sei weiter (U, x) mit x = (x1 , . . . , xn ) eine lokale Karte f¨ ur Q und sei (T U, (q, v)) die entsprechende lokale Karte f¨ ur T Q. i.) Beweisen Sie Lemma 3.2.34: Zeigen Sie, daß X ∈ Γ∞ (T (T Q)) genau dann eine Gleichung zweiter Ordnung definiert, wenn lokal ∂ ∂ X (q, v) = v i i + X2i (q, v) i (3.288) ∂q ∂v TU
gilt, wobei X2i ∈ C ∞ (T U ) lokale Funktionen sind. ii.) Sei E ∈ C ∞ (T Q) nun die Energie zur Lagrange-Funktion L und ωL = ( L)∗ ω0 die Lagrangesche Zweiform auf T Q. Bestimmen Sie das Lagrangesche Vektorfeld XE in den lokalen Koordinaten explizit. iii.) Zeigen Sie, daß die Bewegungsgleichung c(t) ˙ = XE (c(t)) lokal gerade den Euler-Lagrange-Gleichungen f¨ ur die Fußpunktkurve γ(t) = πT Q (c(t)) entspricht. Aufgabe 3.10 (Der geod¨ atische Fluß als Hamiltonsches System). Betrachten Sie den Fall, daß L = T ein freies Teilchen in einer Riemannschen Mannigfaltigkeit (Q, g) mit Riemannscher Metrik g beschreibt, wobei T (vq ) = 12 gq (vq , vq ) die u ¨ bliche kinetische Energie ist. Seien weiter lokale Koordinaten x = (x1 , . . . , xn ) auf U ⊆ Q gegeben. i.) Bestimmen Sie f¨ ur diesen Fall XE explizit und stellen Sie die EulerLagrange-Gleichungen in lokalen Koordinaten auf. ii.) Zeigen Sie, LξT Q L = 2L und [ξ T Q , XE ] = XE , wobei ξ T Q das EulerVektorfeld auf T Q ist. Ein auf T Q erkl¨artes Vektorfeld X, welches zum einen eine Gleichung zweiter Ordnung definiert und zum anderen ullt, heißt Spray auf Q. Zeigen Sie allgemein, daß X [ξ T Q , X] = X erf¨ genau dann ein Spray ist, wenn lokal in jeder Karte ∂ ∂ X (q, v) = v k k − v i v j Γijk (q) k (3.289) ∂q ∂v TU mit lokalen Funktionen Γijk ∈ C ∞ (U ) gilt. Wie lauten die Funktionen Γijk f¨ ur das Spray XE ?
3.4 Aufgaben
197
Ê
iii.) Sei X ein Spray und Φt der zugeh¨ orige Fluß Φ : U ⊆ × T Q −→ T Q, wobei U diejenige maximale offene Umgebung von {0} × T Q ist, auf der der Fluß definiert ist. Zeigen Sie Φt (λvq ) = λΦλt (vq )
(3.290)
Ê
f¨ ur alle λ ∈ . Insbesondere gilt genau dann (t, λvq ) ∈ U wenn (λt, vq ) ∈ ur alle q ∈ Q ein Fixpunkt von Φ ist. U. Folgern Sie, daß 0q f¨ ⊆ T Q des Nullschnittes ι(Q) ⊆ iv.) Zeigen Sie, daß es eine offene Umgebung U T Q gibt, so daß Φ auf U f¨ ur alle t ∈ [−1, 1] noch erkl¨art ist. Hinweis: Betrachten Sie 0q ∈ Q und zeigen Sie, daß es dann ein ǫ > 0 und eine offene Umgebung V ⊆ T Q von 0q gibt, so daß Φ auf [−ǫ, ǫ] × V definiert ist. Betrachten Sie dann die immer noch offene Umgebung ǫV von 0q . v.) Die Exponentialabbildung exp des Sprays X ist die Abbildung ∋ vq → πT Q ◦ Φ1 (vq ) ∈ Q, exp : U
(3.291)
wie oben, maximal gew¨ahlt. Zeigen wobei Φ der Fluß des Sprays ist und U Sie, daß [−1, 1] ∋ t → exp(tvq ) ∈ Q die Fußpunktkurve zur Integralkurve c(t) von X mit der Anfangsbedingung c(0) = vq ist. q = Tq Q ∩ U und exp = exp e die Einschr¨ankung der Exponenvi.) Sei U q Uq q offen in Tq Q tialabbildung auf einen Tangentialraum. Zeigen Sie, daß U ist und daß (3.292) T0q expq = idTq Q , wobei der Tangentialraum bei 0q an Tq Q in der u ¨ blichen Weise mit Tq Q identifiziert sei. Folgern Sie so, daß expq auf einer kleinen Umgebung von 0q ∈ Tq Q ein Diffeomorphismus auf eine kleine Umgebung von q ∈ Q ist. vii.) Betrachten Sie nun wieder das Vektorfeld XE , welches ja ein Spray ist. Die Fußpunktkurven t → exp(tvq ) heißen dann Geod¨aten zur Riemannschen Metrik g, der Fluß Φt von XE heißt auch geod¨atischer Fluß. Zeigen Sie, daß f¨ ur alle vq ∈ U und alle t ∈ (−1, 1) die Gleichung d d d expq (tvq ), expq (tvq ) =0 (3.293) gexpq (tvq ) dt dt dt gilt. In diesem Sinne sind Geod¨ aten also Kurven, welche mit konstanter ” Geschwindigkeit“ durchlaufen werden. Hinweis: Zeigen Sie (3.293) nicht durch eine Rechnung in lokalen Koordinaten, sondern argumentieren Sie Hamiltonsch. Aufgabe 3.11 (Die Nijenhuis-Torsion). Sei A ∈ Γ∞ (End(T M )) ein Endomorphismenfeld des Tangentenb¨ undels. Zeigen Sie, daß die NijenhuisTorsion NA von A ein Tensorfeld NA ∈ Γ∞ (Λ2 T ∗ M ⊗ T M ) ist.
198
3 Symplektische Geometrie
Aufgabe 3.12 (Die 2-Sph¨ are als symplektische Mannigfaltigkeit). Sei 2 ⊆ 3 die 2-Sph¨ are im 3 vom Radius 1.
i.) Zeigen Sie, daß Tx
2 als Untervektorraum von Tx Tx 2 = {v ∈ 3 | v · x = 0}
3
=
3
durch (3.294)
beschrieben werden kann, wobei v ·x das u ¨ bliche Euklidische Skalarprodukt von 3 bezeichnet. ii.) Zeigen Sie, daß die Definition ωx (v , w) = x · (v × w) x ∈
2, v, w ∈ Tx2
(3.295)
eine symplektische Form ω auf 2 liefert, wobei × das u ¨ bliche Kreuzprodukt von Vektoren im 3 bezeichnet. Damit ist S 2 also eine kompakte symplektische Mannigfaltigkeit, insbesondere also sicherlich kein Kotangentenb¨ undel. Aufgabe 3.13 (Charakterisierung von K¨ ahler-Mannigfaltigkeiten). Betrachten Sie eine geradedimensionale Mannigfaltigkeit M mit einer Riemannschen Metrik g, Levi-Civita-Zusammenhang ∇ und einer nichtausgearteten Zweiform ω ∈ Γ∞ (Λ2 T ∗ M ). Nehmen Sie an, daß der durch g(X, Y ) = ω(X, JY ) definierte Endomorphismus J eine fast-komplexe Struktur ist, wobei ¨ X, Y ∈ Γ∞ (T M ). Zeigen Sie dann die Aquivalenz der folgenden drei Bedingungen: i.) dω = 0 und NJ = 0. Mit anderen Worten, (M, ω, g, J) ist eine K¨ahlerMannigfaltigkeit. ii.) ∇ω = 0. iii.) ∇J = 0. ¨ Hinweis: Die Aquivalenz der zweiten und dritten Bedingung ebenso wie die Implikation von ii.) nach i.) ist einfach, siehe auch Aufgabe 2.14. F¨ ur die schwierige Richtung i.) nach ii.) oder iii.) beweisen Sie zun¨achst, daß die Rechenregeln aus Bemerkung 3.2.58 gelten. Die anschließende Rechnung ist zwar langwierig aber nicht weiter trickreich.
Aufgabe 3.14 (Eigenschaften des K¨ ahler-Zusammenhangs). Betrachten Sie eine K¨ ahler-Mannigfaltigkeit (M, ω, J, g) mit zugeh¨origem K¨ahlerummungsZusammenhang ∇. Sei weiter R ∈ Γ∞ (End(T M ) ⊗ Λ2T ∗ M ) der Kr¨ tensor des K¨ ahler-Zusammenhangs. Sei schließlich X ∈ Γ∞ (T M ) und Y, Z ∈ Γ∞ (T M (1,0) ) sowie W, U ∈ Γ∞ (T M (0,1) ). i.) Zeigen Sie ∇X Y ∈ Γ∞ (T M (1,0) )
und ∇X U ∈ Γ∞ (T M (0,1) )
Hinweis: Benutzen Sie Aufgabe 3.13.
(3.296)
3.4 Aufgaben
199
ii.) Zeigen Sie, daß der Kr¨ ummungstensor R bez¨ uglich seines Zweiformenanteils vom Typ (1, 1) ist und daß R(Y, U )Z ∈ Γ∞ (T M (1,0) ) und
R(Y, U )W ∈ Γ∞ (T M (0,1) ). (3.297)
Zeigen Sie weiter, daß der Kr¨ ummungstensor reell ist, also R = R. iii.) Betrachten Sie nun eine holomorphe Karte (U, z) von M . Bez¨ uglich dieser m m , etc. dann durch , Γkℓ Karte sind die komplexen Christoffel-Symbole Γkℓ ∇
∂ ∂z k
∂ m ∂ m ∂ = Γkℓ + Γkℓ ∂z ℓ ∂z m ∂z m
(3.298)
und analog f¨ ur die u ¨brigen Kombinationen der Basisfelder ∂z∂ k und ∂z∂ ℓ definiert. Zeigen Sie, daß die einzigen nicht verschwindenden Christoffelm und Γkmℓ gegeben sind und daß Symbole durch Γkℓ ∂ωkt m = ωmt Γℓk ∂z ℓ
(3.299)
m = Γ m. sowie Γkℓ kℓ iv.) Betrachten Sie nun den Kr¨ ummungstensor R und zeigen Sie, daß die einzigen nicht verschwindenden Komponenten durch ∂ ∂ ∂ ∂ ∂ ∂ ∂ ∂ n n R , = R und R , = Rmkℓ mkℓ ∂z n ∂z k ∂z ℓ ∂z m ∂z k ∂z ℓ ∂z m ∂z n (3.300) n n . gegeben sind. Zeigen Sie weiter Rmkℓ = −Rmℓk n v.) Bestimmen Sie die Komponenten Rmkℓ explizit in Termen der ChristoffelSymbole.
Aufgabe 3.15 (Die Ricci-Form und das kanonische Geradenb¨ undel). Sei (M, ω, J, g) eine K¨ ahler-Mannigfaltigkeit der reellen Dimension 2n und R der Kr¨ ummungstensor des K¨ ahler-Zusammenhangs. Definieren Sie nun die Ricci-Form lokal in einer holomorphen Karte (U, z) durch ̺=
i j R dz k ∧ dz ℓ 2 jkℓ
(3.301)
Betrachten Sie weiter das kanonische Geradenb¨ undel (n,0)
L = Λ
T∗ M
(3.302)
der holomorphen Volumenformen, welches also ein komplexes Vektorb¨ undel der komplexen Faserdimension 1 u ¨ ber M ist. i.) Zeigen Sie explizit, daß ̺ eine global definierte reelle Zweiform ist, also nicht von der gew¨ ahlten holomorphen Karte (U, z) abh¨angt. ii.) Zeigen Sie, daß ̺ geschlossen ist, indem Sie die Bianchi-Identit¨aten f¨ ur R benutzen.
200
3 Symplektische Geometrie
iii.) Zeigen Sie, daß der K¨ ahler-Zusammenhang ∇ auf nat¨ urliche Weise einen ¨ Zusammenhang ∇L auf dem kanonischen Geradenb¨ undel induziert. Uberlegen Sie sich hierzu, daß ∇ Zusammenh¨ ange f¨ ur die Unterb¨ undel T M (1,0) und T M (0,1) liefert, indem Sie Aufgabe 3.14 verwenden. Verfahren Sie dann ganz allgemein wie in Abschnitt 2.2.4, um einen Zusammenhang auf (n,0) Λ T∗ M zu erhalten. iv.) Zeigen Sie, daß jeder Schnitt s ∈ Γ∞ (L) lokal als s U = f dz 1 ∧ · · · ∧ dz n geschrieben werden kann, wobei f ∈ C ∞ (U ) eine eindeutig bestimmte Funktion ist. Zeigen Sie dann, daß lokal 1
n k ℓ ∇L (3.303) X s U = X(f ) − dz (X)Γℓk dz ∧ · · · ∧ dz , f¨ ur X ∈ Γ∞ (T M ). v.) Zeigen Sie durch eine lokale Berechnung, daß die Kr¨ ummung RL von ∇L durch i L R =̺ (3.304) 2 gegeben ist. Dies liefert zum einen eine Interpretation der Ricci-Form als Kr¨ ummung des kanonischen Geradenb¨ undels, zum anderen eine koordinatenfreie Definition.
Aufgabe 3.16 (Holomorphe Abbildungen). Sei φ : M −→ N eine glatte Abbildung zwischen komplexen Mannigfaltigkeiten. Zeigen Sie, daß φ genau dann holomorph ist, wenn φ∗ ∂α = ∂φ∗ α f¨ ur alle α ∈ Γ∞ (Λ• T ∗ N ). Zeigen Sie weiter, daß dies genau dann der Fall ist, wenn φ∗ ∂α = ∂φ∗ α. Aufgabe 3.17 (Lie-Gruppen und ihre Lie-Algebren I). In dieser Aufgabe beginnen wir, die elementaren Bestandteile der Theorie der Lie-Gruppen zu diskutieren. Sei also G eine Lie-Gruppe. Dann sollen hier die Details zu Satz 3.3.2 nachgetragen werden. i.) Zeigen Sie, daß f¨ ur jedes g ∈ G die Links- und Rechtsmultiplikationen ℓg und rg Diffeomorphismen sind und bestimmen Sie die Umkehrabbildungen. ii.) Zeigen Sie, daß die Menge aller linksinvarianten Vektorfelder Γ∞ (T G)G auf G einen (dim G)-dimensionalen Vektorraum bilden und daß Γ∞ (T G)G ∋ X → X(e) ∈ Te G
(3.305)
ein Vektorraumisomorphismus ist. iii.) Zeigen Sie, daß die Lie-Klammer zweier linksinvarianter Vektorfelder wieder linksinvariant ist. Damit wird g = Te G mittels (3.305) zu einer LieAlgebra, der Lie-Algebra von G. iv.) Sei X ξ ∈ Γ∞ (T G)G dasjenige linksinvariante Vektorfeld mit X ξ (e) = ξ ∈ g. Zeigen Sie, daß der Fluß Φξ von X ξ vollst¨andig ist. Hinweis: Zeigen Sie zun¨ achst: ist t → γ(t) Integralkurve von X ξ f¨ ur ur t ∈ (a, b) t ∈ (a, b) durch γ(0), so ist ℓg (γ(t)) Integralkurve von X ξ f¨
3.4 Aufgaben
201
durch gγ(0). Nehmen Sie nun an, X ξ hat keinen vollst¨andigen Fluß und γ : (a, b) −→ G sei die maximale Integralkurve durch γ(0) mit b < +∞. Betrachten Sie dann die Kurve t → γ(b/2)γ(0)−1 γ(t) und zeigen Sie so, daß b nicht maximal war, was einen Widerspruch liefert. Analog behandelt man den Fall a > −∞. v.) Folgern Sie, daß f¨ ur alle t ∈ , g ∈ G und ξ ∈ g
Ê
Φξt ◦ ℓg = ℓg ◦ Φξt .
(3.306)
vi.) Definieren Sie die Exponentialabbildung durch exp : g ∋ ξ → exp(ξ) = Φξ1 (e) ∈ G,
(3.307)
und zeigen Sie, daß t → exp(tξ) eine Einparameteruntergruppe in G ist, also exp((t + s)ξ) = exp(tξ) exp(sξ)
und
exp(0) = e
(3.308)
Ê Ê
f¨ ur t, s ∈ . Zeigen Sie umgekehrt, daß f¨ ur jede (glatte) Einparameteruntergruppe ∋ t → c(t) ∈ G (also einfach ein glatter Gruppenmorphismus von ( , +) nach G) die Gleichung
Ê
c(t) = exp(tξ)
mit
ξ = c(0) ˙
(3.309)
gilt. Hinweis: Zeigen Sie, daß die Kurven s → exp((t + s)ξ) und s → exp(tξ) exp(sξ) die selbe Differentialgleichung zur selben Anfangsbedingung erf¨ ullen. Damit erh¨ alt man (3.308). Um (3.309) zu zeigen, zeigt man, daß c(t) und exp(tξ) Integralkurven zum linksinvarianten Vektorur t = 0 feld X mit X ξ (e) = ξ sind, und die selbe Anfangsbedingung f¨ erf¨ ullen. vii.) Zeigen Sie weiter, daß (3.310) T0 exp = idg , wobei T0 g kanonisch mit g identifiziert sei, da g ja ein Vektorraum ist. Hinweis: Betrachten Sie f¨ ur (3.310) die Kurve c : s → sξ als glatte Kurve in g und berechnen Sie c(0) ˙ sowie (T0 exp)(c(0)) ˙ nach den Rechenregeln f¨ ur die Tangentialabbildung. viii.) Zeigen Sie, daß es eine offene Umgebung U von 0 ∈ g und eine offene Umgebung V von e ∈ G gibt, so daß (3.311) exp U : U ⊆ g −→ V ⊆ G ein Diffeomorphismus ist.
Aufgabe 3.18 (Lie-Gruppen und ihre Lie-Algebren II). Das fundamentale Beispiel einer Lie-Gruppe sind die invertierbaren n × n-Matrizen.
202
3 Symplektische Geometrie
i.) Zeigen Sie, daß die invertierbaren n×n-Matrizen GLn ( ) eine Lie-Gruppe bilden. ii.) Bestimmen Sie die linksinvarianten Vektorfelder f¨ ur GLn ( ), indem Sie ein Vektorfeld X : GLn ( ) −→ T GLn ( ) = GLn ( ) × Mn ( ) in seine beiden Komponenten aufspalten. Wie lautet dann die Bedingung, daß X linksinvariant ist? iii.) Bestimmen Sie die Lie-Klammer von zwei linksinvarianten Vektorfeldern X, Y auf GLn ( ), und zeigen Sie, daß die durch (3.305) induzierte LieKlammer f¨ ur gln ( ) = Mn ( ) gerade der Kommutator der Matrizen X(e) = ξ und Y (e) = η ist. Aufgabe 3.19 (Lie-Gruppen und Lie-Algebren III). Viele bekannte Untergruppen von GLn ( ) sind auf kanonische Weise Lie-Gruppen: i.) Sei φ : M −→ N glatt und seien M0 ⊆ M und N0 ⊆ N Untermannigfaltigkeiten, so daß φ(M0 ) ⊆ N0 . Zeigen Sie, daß φ M0 : M0 −→ N0 ebenfalls glatt ist. ii.) Zeigen Sie, daß folgende Untermannigfaltigkeiten von N , mit N hinreichend groß, bez¨ uglich ihrer nat¨ urlichen Gruppenstruktur Lie-Gruppen sind: a) Die spezielle lineare Gruppe SLn ( ) und SLn ( ). b) Die spezielle pseudoorthogonale Gruppe SO(n, m). c) Die unit¨ are Gruppe U(n) und die spezielle unit¨are Gruppe SU(n). d) Die symplektische Gruppe Sp2n ( ).
Aufgabe 3.20 (Lie-Gruppen und Lie-Algebren IV). Seien H und G Lie-Gruppen mit Lie-Algebren h und g. Sei φ : H −→ G ein glatter Gruppenmorphismus, also eine glatte Abbildung mit φ(eH ) = eG und ur alle h, h′ ∈ H. φ(hh′ ) = φ(h)φ(h′ ) f¨ i.) Zeigen Sie, daß jede glatte Einparametergruppe in H mittels φ auf eine glatte Einparametergruppe in G abgebildet wird. Folgern Sie so mit Hilfe von Aufgabe 3.17, Teil vi.), daß φ ◦ expH = expG ◦TeH φ.
(3.312)
ξ ii.) Zeigen Sie: Ist ξ ∈ h und XH das zu ξ geh¨ orende linksinvariante Vektorfeld TeH φξ auf H sowie XG orende linksinvariante Vektorfeld das zu TeH φξ geh¨ auf G, so gilt Te φξ ξ (3.313) XH ∼ φ XG H .
iii.) Zeigen Sie, daß
TeH φ : h −→ g
(3.314)
ein Homomorphismus von Lie-Algebren ist. Folgern Sie, daß die Zuordnung G → g und (φ : H −→ G) → (TeH φ : h −→ g) einen kovarianten Funktor von der Kategorie der Lie-Gruppen (mit glatten Gruppenmorphismen als Morphismen) in die Kategorie der reellen Lie-Algebren (mit Lie-Algebrahomomorphismen als Morphismen) liefert.
3.4 Aufgaben
203
Aufgabe 3.21 (Lie-Gruppen und Lie-Algebren V). Betrachten Sie erneut die Lie-Gruppe GLn ( ).
i.) Zeigen Sie, daß GLn ( ) eine reelle Lie-Gruppe ist, indem Sie GLn ( ) als geeignete Untergruppe und Untermannigfaltigkeit von GL2n ( ) schreiben. ii.) Bestimmen Sie explizit die Exponentialabbildung exp : gln ( ) −→ GLn ( ), und zeigen Sie so, daß exp mit der u ¨blichen Exponentialfunktion von Matrizen u ¨ bereinstimmt. iii.) Bestimmen Sie die Lie-Algebren sowie die Exponentialabbildungen der Lie-Gruppen SO(n, m), SLn ( ), GLn ( ), U(n), SU(n), Sp2n ( ). Hinweis: Betrachten Sie diese Lie-Gruppen als Untergruppen einer großen GLN ( ) und beschreiben Sie die Tangentialr¨aume an die Eins jeweils als geeigneten Untervektorraum vom Tangentialraum Te GLN ( ) = glN ( ) = MN ( ). Benutzen Sie dann (3.314), um die Lie-Algebrastruktur und (3.312) um die Exponentialabbildung zu bestimmen.
Aufgabe 3.22 (Vorzeichenverwirrung). Betrachten Sie einen endlichdimensionalen reellen Vektorraum V mit einer Basis e1 , . . . , en sowie lineare Vektorfelder X, Y auf V . Die Vektorfelder X, Y k¨onnen aufgrund ihrer Linearit¨ at mit Endomorphismen von V identifiziert werden, da ja Tv V = V kanonisch identifiziert wird. Zeigen Sie, daß die Lie-Klammer X, Y zweier linearer Vektorfelder wieder eine lineares Vektorfeld ist, indem Sie X, Y in den kanonischen globalen Koordinaten v = v i ei berechnen. Zeigen Sie weiter, daß X, Y = −[X, Y ], wobei [X, Y ] = X ◦ Y − Y ◦ X den Kommutator der ¨ Endomorphismen bezeichnet. Wie k¨ onnen Sie diese Uberraschung“ erkl¨aren? ” Aufgabe 3.23 (Die adjungierte und koadjungierte Darstellung). Betrachten Sie eine Lie-Gruppe G mit Lie-Algebra g. i.) Zeigen Sie, daß die Konjugation Conj : G × G −→ G mit Conj(g, h) = Conjg (h) eine Gruppenwirkung von G auf sich ist und daß alle Conjg Automorphismen von G sind. Ist Conj eine freie Wirkung? ii.) Zeigen Sie, daß durch Adg = Te Conjg : g = Te G −→ g = Te G
(3.315)
eine glatte Darstellung von G auf g definiert wird. Ad heißt adjungierte Darstellung von G auf g. iii.) Berechnen Sie die Tangentialabbildung von Ad bei e, und finden Sie somit die zugeh¨ orige Lie-Algebrendarstellung ad : g −→ End(g), welche als adjungierte Darstellung von g auf g bezeichnet wird. d Adexp(tξ) η t=0 Anleitung: Sei ξ, η ∈ g, dann gilt es, adξ η = ξg (η) = dt zu berechnen. Zeigen Sie dazu zun¨ achst, daß der Fluß des linksinvarianten Vektorfelds X ξ ∈ Γ∞ (T G) durch rexp(tξ) gegeben ist, wobei rg die Rechtsmultiplikation mit g ∈ G bezeichnet, indem Sie die bekannte Linksinvarianz des Flusses und die Assoziativit¨ at der Gruppenmultiplikation verwenden. Verwenden Sie dann die Definition der Lie-Klammer [ξ, η] durch
204
iv.) v.)
vi.)
vii.)
3 Symplektische Geometrie
linksinvariante Vektorfelder, um zu zeigen, daß [ξ, η] = adξ η. Schreiben Sie dazu Conjg als Produkt von Links- und Rechtsmultiplikationen. Verifizieren Sie direkt, daß ξ → adξ = [ξ, ·] eine Darstellung von g auf sich selbst ist. Betrachten Sie nun Ad∗ : g → Ad∗g−1 , wobei Ad∗g : g∗ −→ g∗ die zu Adg adjungierte (transponierte) Abbildung bezeichnet. Es gilt also (Ad∗g (α))(η) = α(Adg η) f¨ ur η ∈ g und α ∈ g∗ . Zeigen Sie, daß auch ∗ Ad eine glatte Darstellung von G liefert, die koadjungierte Darstellung von G auf g∗ . Berechnen Sie analog zu Teil iii.) auch die zu Ad∗ geh¨orige koadjungierte Darstellung ad∗ von g auf g∗ . Hinweis: Hier k¨ onnen Sie die Linearit¨ at von α und Ad∗g gewinnbringend ∗ d einsetzen, um die Ableitung adξ (α) = dt Ad∗exp(tξ) (α) zu berechnen. t=0 ∗ Verifizieren Sie direkt, daß ad eine Darstellung von g auf g∗ ist.
Bemerkung: Die Bezeichnung Ad∗ beziehungsweise ad∗ f¨ ur die koadjungierte Darstellung ist nicht ganz einheitlich in der Literatur. Aus dem Kontext sollte aber immer klar werden, ob eine Links- oder Rechtsdarstellung gemeint ist und ob entsprechend das −1“ beziehungsweise das −“ in die Definition schon mit ” ” aufgenommen ist oder nicht, siehe auch [1, Sect. 4.1]. Aufgabe 3.24 (Gruppenwirkungen und fundamentale Vektorfelder). Betrachten Sie eine glatte G-Wirkung Φ : G × M −→ M mit zugeh¨origen fundamentalen Vektorfeldern ξM f¨ ur ξ ∈ g. i.) Zeigen Sie mit Hilfe der Kettenregel und einer geeigneten Wahl einer repr¨ asentierenden Kurve, daß ξM (p) = T(e,p) Φ (ξ, 0p ) ,
(3.316)
wobei (ξ, 0p ) ∈ T(e,p) (G × M ) = Te G × Tp M . Folgern Sie so, daß ξ → ξM linear ist. ii.) Zeigen Sie mit Hilfe der Kettenregel und der Gruppenwirkungseigenschaft von Φ, daß
Φ∗g ξM = Adg−1 ξ M . (3.317)
Verwenden Sie dazu die Definition (Φ∗g ξM )(p) = (Tp Φg )−1 ξM (Φg (p)) = uglich des (TΦg (p) Φ−1 g )(ξM (Φg (p))) des pull-backs von Vektorfeldern bez¨ Diffeomorphismus Φg . iii.) Verwenden Sie (3.317) sowie Aufgabe 3.23, um zu zeigen, daß [ξM , ηM ] = −[ξ, η]M
(3.318)
f¨ ur alle ξ, η ∈ g, indem Sie geeignete Gruppenelemente g ∈ G betrachten. Aufgabe 3.25 (Translationen und Drehungen). Betrachten Sie den Konfigurationsraum Q = n , sowie die Translationsgruppe ( n , +) und die Drehgruppe SO(n), welche auf die u ¨bliche Weise auf Q wirken.
Ê
Ê
3.4 Aufgaben
205
i.) Bestimmen Sie die fundamentalen Vektorfelder auf Q zu diesen Gruppenwirkungen, indem Sie die fundamentalen Vektorfelder zun¨achst nur f¨ ur eine geeignete Basis der jeweiligen Lie-Algebren konstruieren. ii.) Bestimmen Sie die zugeh¨ origen Punkttransformationen (also die Lifts auf das Kotangentenb¨ undel 2n ) explizit, und zeigen Sie explizit, daß die resultierenden Gruppenwirkungen exakt symplektisch sind. iii.) Bestimmen Sie die zugeh¨ origen Impulsabbildungen explizit, und berechnen Sie die Poisson-Klammern der Komponenten (bez¨ uglich einer Basis der Lie-Algebra) der Impulsabbildungen. Welche physikalischen Observablen erhalten Sie auf diese Weise?
Ê
Aufgabe 3.26 (Das Kotangentenb¨ undel einer Lie-Gruppe). Ziel dieser Aufgabe ist es, das Tangenten- und Kotangentenb¨ undel einer Lie-Gruppe G zu studieren. Dies ist von großer physikalischer Bedeutung, wenn man beispielsweise den starren K¨ orper beschreiben will, da hier der Konfigurationsraum (im Schwerpunktsystem) die Drehgruppe SO(3) ist und daher die Hamiltonsche Mechanik auf T ∗ SO(3) stattfindet. Dieses Beispiel erkl¨art auch die folgenden Bezeichnungen, siehe auch [1, Sect. 4.4] sowie [231, Chap. 15]. Sei G eine Lie-Gruppe der Dimension n mit Lie-Algebra g. Sei weiter ahlt mit dualer Basis e1 , . . . , en von g∗ . Die eine Basis e1 , . . . , en von g gew¨ ur entsprechenden globalen linearen Koordinaten sind ξ = ξ i ei und α = αi ei f¨ ξ ∈ g und α ∈ g∗ . Seien weiterhin X1 , . . . , Xn die linksinvarianten Vektorfelder mit Xi (e) = ei und entsprechend θ1 , . . . , θn die linksinvarianten Einsformen mit θi (e) = ei . i.) Zeigen Sie, daß die Linkstrivialisierung λ : T G ∋ vg → (g, Tg ℓg−1 (vg )) ∈ G × g
(3.319)
ebenso wie die Rechtstrivialisierung ρ : T G ∋ vg → (g, Tg rg−1 (vg )) ∈ G × g
(3.320)
eine Trivialisierung des Tangentenb¨ undels T G liefert, also einen Vektorb¨ undelisomorphismus. Die Koordinaten (eigentlich: die globale B¨ undelkarte) λ werden auch K¨orperkoordinaten“ genannt, wohingegen ρ Raum” ” koordinaten“ genannt werden. uglich den Basisvektorfeldern X1 , . . . , Xn aus ii.) Dr¨ ucken Sie vg ∈ Tg G bez¨ und beschreiben Sie (3.319) bez¨ uglich dieser Koordinaten. iii.) Zeigen Sie, daß der Koordinatenwechsel“ von K¨orper- zu Raumkoordi” naten durch die adjungierte Darstellung gegeben ist: ρ ◦ λ−1 (g, ξ) = (g, Adg (ξ)).
(3.321)
iv.) Ebenso wie T G kann man auch T ∗ G auf zwei Arten trivialisieren, indem man die induzierten Vektorb¨ undelisomorphismen, welche wir ebenfalls (mit einigem Mißbrauch der Notation) mit λ und ρ bezeichnen. Genauer definiert man
206
3 Symplektische Geometrie
λ : T ∗ G ∋ αg → (g, (Te ℓg )∗ α) = (g, α ◦ Te ℓg ) ∈ G × g∗
(3.322)
ρ : T ∗ G ∋ αg → (g, (Te rg )∗ α) = (g, α ◦ Te rg ) ∈ G × g∗ .
(3.323)
und
Zeigen Sie, daß dies ebenfalls Trivialisierungen von T ∗ G liefert und daß f¨ ur vg ∈ Tg G und αg ∈ Tg∗ G gilt αg (vg ) = (λ(αg ))(λ(vg )) = (ρ(αg ))(ρ(vg )).
(3.324)
Bestimmen Sie damit den Koordinatenwechsel“ von K¨orper- zu Raum” koordinaten auch f¨ ur T ∗ G analog zu (3.321). v.) Zeigen Sie zun¨ achst, daß jede polynomiale Funktion f ∈ Polk (T ∗ G) eindeutig als f (αg ) =
1 i1 ···ik f (g)αg (Xi1 (g)) · · · αg (Xik (g)) k!
(3.325)
mit f i1 ···ik ∈ C ∞ (G), total symmetrisch in i1 , . . . , ik , geschrieben werden kann. Dies legt nahe, die globalen Impulsfunktionen Pi (αg ) = αg (Xi (g)) = J(Xi ) α (3.326) g
zu verwenden. Zeigen Sie, daß die Funktionen P1 , . . . , Pn zusammen mit ur π ∗ C ∞ (G) die Polynomalgebra Pol• (T ∗ G) erzeugen. Zeigen Sie, daß f¨ ξ ∈ g und das linksinvariante Vektorfeld X ξ ∈ Γ∞ (T G) J(X ξ ) = ξ i Pi
(3.327)
gilt. vi.) Berechnen Sie die Poisson-Klammer von Pi und Pj f¨ ur i, j = 1, . . . , n sowie die Poisson-Klammer von Pi mit einer Funktion π ∗ u mit u ∈ C ∞ (G). K¨ onnen die P1 , . . . , Pn die Impulskoordinaten von induzierten Koordinaten auf G sein? vii.) Sei f ∈ C ∞ (T ∗ G). Zeigen Sie, daß f genau dann G-invariant unter den gelifteten Linksmultiplikationen T∗ ℓg ist, wenn f ◦ λ−1 ∈ C ∞ (G × g∗ ) nicht vom ersten Faktor abh¨ angt. Die G-invarianten Funktionen auf T ∗ G ∞ ∗ G werden mit C (T G) bezeichnet. Folgern Sie so, daß C ∞ (T ∗ G)G ∼ = C ∞ (g∗ )
(3.328)
als assoziative Algebren via λ. Zeigen Sie so, daß C ∞ (g∗ ) eine PoissonAlgebra wird, da C ∞ (T ∗ G)G eine Poisson-Unteralgebra von C ∞ (T ∗ G) ist. Kommt die Poisson-Klammer f¨ ur C ∞ (g∗ ) von einer symplektischen ∗ Struktur auf g ?
n Aufgabe 3.27 (Der komplex-projektive Raum ). Betrachten Sie n+1 den Vektorraum mit der u ¨ blichen Darstellung der Lie-Gruppe × = \ {0} der invertierbaren komplexen Zahlen durch Multiplikation.
3.4 Aufgaben
207
i.) Zeigen Sie, daß diese Wirkung auf n+1 \ {0} frei ist. ii.) Zeigen Sie, daß die Wirkung auf n+1 \ {0} eigentlich ist. Ist sie auch auf n+1 eigentlich?
Nach Satz 3.3.18 ist daher der komplex-projektive Raum, also der Quotient
n π : n+1 \ {0} −→ ( n+1 \ {0}) × = (3.329)
eine differenzierbare Mannigfaltigkeit und π eine surjektive Submersion. Sei n n ˜k = π −1 (Uk ) ⊆ | z k = 0} ⊆ f¨ ur k = 0, . . . , n und U nun Uk = {[z] ∈ n+1 0 n \ {0}, wobei z , . . . , z die u ¨blichen holomorphen Koordinaten auf n+1 sind. Weiter definiert man ϕk : Uk −→ n durch 0 k z zn , . . . , ∧, . . . , k . ϕk ([z]) = (3.330) zk z
n ¨ iii.) Zeigen Sie, daß die Teilmengen Uk eine offene Uberdeckung von n bilden und daß die Funktionen ϕk Diffeomorphismen von Uk auf sind. n . Damit bilden die (Uk , ϕk ) also einen differenzierbaren Atlas von iv.) Bestimmen Sie Uk ∩ Uℓ und berechnen Sie explizit die Kartenwechsel ϕk ◦ ϕ−1 ℓ . Zeigen Sie so, daß alle Kartenwechsel holomorph sind. Damit wird n eine komplexe Mannigfaltigkeit. n v.) Zeigen Sie, daß die Gruppe GLn+1 ( ) durch A : [z] → [Az] auf sogar auf holomorphe Weise wirkt. n transitiv wirkt. Zeigen vi.) Zeigen Sie, daß die Untergruppe SU(n+1) auf n Sie weiter, daß die Isotropiegruppe eines Punktes [z] ∈ zu U(n) isomorph ist.
n vii.) Zeigen Sie, daß diffeomorph zum homogenen Raum SU(n + 1) U(n) n ist, und folgern Sie, daß kompakt ist. 1 diffeomorph zu 2 ist, und geben Sie einen m¨oglichst viii.) Zeigen Sie, daß expliziten Diffeomorphismus an.
n als K¨ ahler-Mannigfaltigkeit). Seien (Uk , ϕk ) mit Aufgabe 3.28 ( n k = 0, . . . , n die inhomogenen Koordinaten auf . Dann definiert man die n+1 1 n lokalen Funktionen Zk : Uk −→ \ {0} durch Zk ◦ ϕ−1 k (v , . . . , v ) = 1 n (v , . . . , 1, . . . , v ) mit der 1 an k-ter Stelle.
i.) Zeigen Sie, daß Zk auf Uk holomorph ist und daß es auf Uk ∩ Uℓ eine holomorphe Funktion fkℓ mit Zk = fkℓ Zℓ gibt. 2 2 ii.) Zeigen Sie, daß ∂∂ ln Zk = ∂∂ ln Zℓ auf Uk ∩ Uℓ , und folgern Sie, daß die Zweiform i 2 ωFS = ∂∂ ln Zk (3.331) 2 n eine global erkl¨ arte, reelle, glatte und geschlossene Zweiform auf ist. iii.) Zeigen Sie, daß die Zweiform ωFS invariant unter der kanonischen Wirkung der Gruppe U(n + 1) ist. iv.) Bestimmen Sie ωFS explizit in den inhomogenen Koordinaten (U0 , ϕ0 ).
208
3 Symplektische Geometrie
n v.) Benutzen Sie die Darstellung von als homogener Raum, um zu zeigen, daß ωFS an jedem Punkt nichtausgeartet also symplektisch ist. vi.) Zeigen Sie schließlich mit einem analogen Argument, daß ωFS bez¨ uglich n eine K¨ahler-Form ist, und der kanonischen komplexen Struktur von bestimmen Sie in den inhomogenen Koordinaten (U0 , ϕ0 ) explizit die zugeh¨ orige K¨ ahler-Metrik gFS .
Die K¨ ahler-Metrik gFS heißt Fubini-Study-Metrik und entsprechend heißt ωFS Fubini-Study-Form, siehe auch [201, Chap. IX.6]. Es sind jedoch verschiedene Normierungen u ¨blich.
n Aufgabe 3.29 ( als reduzierter Phasenraum). Sei x(z) = 2H(z) = zz das Euklidische Abstandsquadratf¨ ur z ∈ n+1 \{0} und sei ωFS die Fubinin i und ωcan = 2 k dz k ∧dz k die kanonische symplektische Study-Form auf n+1 \ {0}. Zweiform auf
i.) Zeigen Sie, daß π ∗ ωFS = 2i ∂∂ ln(x). Benutzen Sie hierzu Aufgabe 3.16 und die lokale Definition (3.331). Zeigen Sie zun¨achst, daß ∂∂ ln(z k z k ) = 0. ii.) Zeigen Sie 2i ∂∂ ln(x) = 2i ∂ x1 ∧ ∂x + x1 ωcan . Zeigen Sie weiter, daß diese beiden Zweiformen invariant unter U(n + 1) sind. √ iii.) Sei nun ιE : 2n+1 −→ n+1 \ {0} die Einbettung der (2n + 1)-Sph¨are √ 2E √ mit Radius 2E, wobei E > 0. Sei weiter N = ( 2E, 0, . . . , 0) der Nord¨ pol. Zeigen Sie nun, daß ι∗E ∂ x1 ∧ ∂x bei N verschwindet. Uberlegen Sie ∂ ∂ sich hierzu, welche der 2n + 2 Vektoren ∂zk , ∂zℓ Sie ben¨otigen, um den 2n+1 Tangentialraum TN √ aufzuspannen. 2E
iv.) Benutzen Sie nun die U(n+1)-Invarianz, um zu zeigen, daß ι∗E ∂ x1 ∧∂x = 0. 1 ∗ Folgern Sie so ι∗E π ∗ ωFS = 2E ιE ωcan . v.) Zeigen Sie, daß die durch die Marsden-Weinstein-Reduktion induzierte
n ∼ symplektische Form ωE auf = 2n+1 1 zum Energiewert E des isotropen harmonischen Oszillators H gerade durch 2EωFS gegeben ist.
Aufgabe 3.30 (Phasenraumreduktion und Poisson-Klammern). Betrachten Sie eine stark Hamiltonsche G-Wirkung Φ : G×M −→ M auf (M, ω) mit Ad∗ -¨ aquivarianter Impulsabbildung J. Sei weiter μ ∈ g∗ ein regul¨arer Wert und (Mred , ωred ) der entsprechende reduzierte Phasenraum. i.) Zeigen Sie, daß die G-invarianten Funktionen C ∞ (M )G eine PoissonUnteralgebra von C ∞ (M ) bilden. ii.) Benutzen Sie Satz 3.3.58 und zeigen Sie so, daß f¨ ur F, G ∈ C ∞ (M )G die Poisson-Klammer der reduzierten Funktionen durch {Fred , Gred }Mred = ({F, G}M )red
(3.332)
gegeben ist. Benutzen Sie, daß XF und XG tangential an J −1 ({μ}) sind.
4 Poisson-Geometrie
Ê
Ausgehend vom einfachsten Phasenraum ( 2n , ω0 ) mit seiner kanonischen Poisson-Klammer f¨ ur die Funktionenalgebra C ∞ ( 2n ) haben wir sowohl eine geometrische als auch eine algebraische Charakterisierung von klassischen mechanischen Systemen erhalten, siehe Tabelle 4.1. Im Hinblick auf die angestrebte Quantisierung wird die algebraische Charakterisierung eine zunehmend wichtigere Rolle spielen, da ja die Quantentheorie in erster Linie eine algebraische Theorie ist (Vertauschungsrelationen). Es gilt also, die klassische Mechanik in dieser algebraischen Sichtweise weiter zu entwickeln und zu untersuchen. Insbesondere stellt sich die Frage, an welcher Stelle sich die Nichtausgeartetheit der symplektischen Form beziehungsweise ihrer Poisson-Klammer bemerkbar macht. Umgekehrt kann man versuchen, die obige, algebraische Charakterisierung als die wesentlichere anzusehen. Dann stellt sich die Frage, welche Verallgemeinerung der symplektischen Geometrie sich ergibt, wenn man nur noch eine Poisson-Algebrastruktur f¨ ur C ∞ (M ) fordert, ohne vorauszusetzen, daß die Poisson-Klammer auch symplektisch ist. Dies wird im Rahmen der Poisson-Geometrie geschehen. Der zentrale Begriff der Poisson-Mannigfaltigkeit spielt jedoch auch in weiteren Bereichen der mathematischen Physik eine zunehmend gr¨oßere Rolle. Als Beispiel seien hier die Poisson-Sigma-Modelle genannt. Dies sind spezielle Feldtheorien, bei denen die Raumzeit“ (1 + 1)-dimensional ist und die ” Felder“ ihre Werte in einer Poisson-Mannigfaltigkeit annehmen [284]. Ebenso ” stellt die Poisson-Geometrie einen Ausgangspunkt f¨ ur die Connessche nichtkommutative Geometrie dar [84], welche als m¨oglicher Kandidat f¨ ur einen erweiterten Geometriebegriff bei sehr kleinen Abst¨anden (Planck-Skala) gehandelt wird, siehe beispielsweise [215, 226]. Schließlich verallgemeinern PoissonMannigfaltigkeiten in einem noch zu diskutierenden Sinne Lie-Algebren und damit Symmetriebegriffe an vielen Stellen in der Physik. Es gilt also zun¨ achst, die Grundlagen der Poisson-Geometrie zu diskutieren und ihre Beziehungen zur symplektischen Geometrie und klassischen Mechanik zu identifizieren. Als weiterf¨ uhrende Literatur seien hier vor allem
Ê
210
4 Poisson-Geometrie Tabelle 4.1. Charakterisierung klassischer mechanischer Systeme Geometrisch
Algebraisch
Observablen: Funktionen C ∞ (M ) auf einem Poisson-∗ -Algebra A mit Eins. Phasenraum (M, ω). Zust¨ ande Positive Funktionale ω : A −→ , ω(a∗ a) ≥ 0, ω( ) = 1. Rein: Punkte des Phasenraums. Nur auf triviale Weise konvex zerlegbare positive Funktionale. Gemischt: Positive Borel-Maße auf M . Nichttrivial konvex zerlegbare positive Funktionale ω = λ1 ω1 + λ2 ω2 mit 0 < λi < 1, λ1 + λ2 = 1 und ω1 , ω2 linear unabh¨ angig. Zeitentwicklung Innere Poisson-Derivation Infinitesimal: Hamiltonsches Vektorfeld XH zur Hamilton-Funktion H. {·, H}. Integriert: Hamiltonscher Fluß Φt zu XH , Einparametergruppe von entspricht Einparametergruppe Poisson-Automorphismen Φ∗t . von Symplektomorphismen. Symmetrien Darstellung ̺ von g auf A durch Infinitesimal: Symplektische Poisson-Derivationen Lie-Algebrenwirkung ̺(ξ) = −ξM . ϕ : g −→ Γ∞ (T M ). Integriert: Symplektische Darstellung von G auf A durch Lie-Gruppenwirkung Poisson-Automorphismen Φ∗g−1 . Φ : G × M −→ M . aquivariante Darstellung durch innere Hamiltonsch: Ad∗ - bzw. ad∗ -¨ Impulsabbildung J : M −→ g∗ . Poisson-Derivationen ̺(ξ) = {·, J(ξ)} mit {J(ξ), J(η)} = J([ξ, η]).
[73,107,194,224,231,259,306] sowie die Originalarbeiten [63,212,222,318,322] genannt.
4.1 Poisson-Mannigfaltigkeiten In diesem Abschnitt werden wir die Grundlagen der Geometrie von PoissonMannigfaltigkeiten diskutieren.
4.1 Poisson-Mannigfaltigkeiten
211
4.1.1 Poisson-Klammern und Poisson-Tensoren Wir betrachten eine Mannigfaltigkeit M zusammen mit einer antisymmetrischen bilinearen Abbildung {·, ·} : C ∞ (M ) × C ∞ (M ) −→ C ∞ (M ).
(4.1)
Ziel ist es nun, Bedingungen daf¨ ur zu finden, wann {·, ·} eine Poisson-Klammer definiert, und diese geometrisch zu deuten. Wir beginnen mit der LeibnizRegel, welche wir nur f¨ ur ein Argument fordern m¨ ussen, da {·, ·} als antisymmetrisch angenommen wird. Proposition 4.1.1. Sei {·, ·} eine antisymmetrische und bilineare Klammer f¨ ur C ∞ (M ). Dann ist ¨aquivalent: i.) {·, ·} erf¨ ullt die Leibniz-Regel {f, gh} = {f, g}h + g{f, h}. ii.) Es existiert ein Bivektorfeld π ∈ X2 (M ) = Γ∞ (Λ2 T M ) mit {f, g} = π(df ⊗ dg) = i(dg) i(df )π = − f, π , g .
(4.2)
iii.) {·, ·} ist lokal, also supp{f, g} ⊆ supp f ∩ supp g und in lokalen Koordinaten (U, x) von M gilt ∂f ∂g {f, g} = π ij i j (4.3) ∂x ∂x U mit lokalen Funktionen π ij ∈ C ∞ (U ), definiert durch π ij = {xi , xj } = −π ji .
(4.4)
Die lokalen Funktionen aus (4.4) sind gerade die Koeffizientenfunktionen des Bivektorfeld π aus (4.2), also ∂ ∂ 1 π = π ij i ∧ . (4.5) 2 ∂x ∂xj U
Beweis. Der Teil i.) ⇒ ii.) ist der schwierige Teil dieser Proposition: Die Existenz eines solchen (eindeutig bestimmten) Bivektorfeldes folgt aus der Leibniz-Regel in beiden Argumenten, siehe Beispiel A.5.7. Die verbleibenden Gleichungen in (4.2) folgen aus den Rechenregeln f¨ ur die Schouten-NijenhuisKlammer nach Satz 2.3.33. Wertet man (4.2) in lokalen Koordinaten aus, erh¨ alt man unmittelbar (4.3) mit (4.4) und (4.5). Dies zeigt die Implikation ii.) ⇒ iii.) Die verbleibende Implikation iii.) ⇒ i.) ist klar, da die Leibniz-Regel ja lokal gepr¨ uft werden kann. ⊓ ⊔ Sei nun also ein Bivektorfeld π ∈ X2 (M ) vorgegeben, so daß die zugeh¨ orige Klammer {·, ·} antisymmetrisch und bilinear ist sowie die LeibnizRegel erf¨ ullt. Dann definiert man den Jacobiator Jπ von π durch Jπ (f, g, h) = {f, {g, h}} + {g, {h, f }} + {h, {f, g}}.
(4.6)
212
4 Poisson-Geometrie
Der Jacobiator beschreibt also gerade den Defekt der Jacobi-Identit¨at von {·, ·}. Offenbar ist Jπ total antisymmetrisch und erf¨ ullt ebenfalls die LeibnizRegel in jedem Argument. Dies rechnet man direkt nach. Daher gibt es ein Trivektorfeld J ∈ X3 (M ) mit Jπ (f, g, h) = J(df ⊗ dg ⊗ dh),
(4.7)
siehe Beispiel A.5.7. Es gilt also, J in Abh¨ angigkeit von π zu bestimmen, um die Jacobi-Identit¨ at Jπ = 0 zu testen. Wir formulieren dieses Problem etwas allgemeiner f¨ ur eine beliebige Gerstenhaber-Algebra. Proposition 4.1.2. Sei G• eine Gerstenhaber-Algebra mit der zus¨atzlichen Eigenschaft, daß Gk = {0} f¨ ur k < 0. Dann gilt:
uglich der assoziativen i.) G0 ist eine kommutative assoziative Algebra bez¨ Multiplikation von G• . Es gilt f, g = 0 f¨ ur f, g ∈ G0 . ii.) Ist π ∈ G2 , so ist {f, g}π = − f, π , g (4.8)
eine bilineare antisymmetrische Klammer auf G0 , welche die Leibniz-Regel in beiden Argumenten erf¨ ullt. ullt die Leibniziii.) Der Jacobiator Jπ von {·, ·}π ist total antisymmetrisch, erf¨ Regel in jedem Argument, und es gilt Jπ (f, g, h) =
1 f, g, h, π, π . 2
(4.9)
iv.) Gilt π, π = 0, so erf¨ ullt {·, ·}π die Jacobi-Identit¨at, und G0 wird zu einer Poisson-Algebra. v.) Ist die Gerstenhaber-Klammer ·, · von G• nichtausgeartet in dem Sinne, daß f¨ ur b ∈ Gk mit b = 0 und k > 0 auch a1 , . . . , ak ∈ G0 existieren, so ullt {·, ·}π genau dann die Jacobidaß a1 , · · · , ak , b · · · = 0 gilt, so erf¨ Identit¨at, wenn π, π = 0.
Beweis. Der erste Teil ist klar, da G0 immer abgeschlossen bez¨ uglich der assoziativen Multiplikation von G ist und allgemein f, g ∈ G−1 . Der zweite Teil ist ebenfalls eine einfache Folgerung aus der Superantisymmetrie sowie der Super-Leibniz-Regel von ·, ·. Daß der Jacobiator antisymmetrisch ist und die Leibniz-Regel erf¨ ullt, folgt aus der Antisymmetrie und Leibniz-Regel f¨ ur {·, ·}π . Es bleibt die Gleichung (4.9) zu zeigen. Sei also f, g, h ∈ G0 gegeben. Dann definieren wir Xf = f, π ∈ G1 . Dann gilt offenbar Xf , g = −{f, g}π , da f, g = 0. Weiter gilt allgemein f, π , π =
1 f, π, π , 2
was man leicht aus der Super-Jacobi-Identit¨ at f¨ ur ·, · erh¨alt. Damit folgt Xf , Xg = Xf , g, π
4.1 Poisson-Mannigfaltigkeiten
213
= Xf , g , π + g, Xf , π 1 = −{f, g}π , π + g, f, π, π 2 1 = −X{f,g}π + g, f, π, π . 2
Wir rechnen damit nach, daß
{f, {g, h}π }π = Xf , Xg , h = Xf , Xg , h + Xg , Xf , h 1 = − X{f,g}π , h + g, f, π, π , h − Xg , {f, h}π 2 1 = {{f, g}π , h}π + {g, {f, h}π }π − h, g, f, π, π , 2
womit der dritte Teil gezeigt ist. Der vierte Teil ist klar, ebenso der f¨ unfte.
⊓ ⊔
Korollar 4.1.3. Sei M eine Mannigfaltigkeit und π ∈ X2 (M ) ein Bivektorfeld. i.) Die Schouten-Nijenhuis-Klammer ·, · ist nichtausgeartet. ii.) In einer lokalen Karte (U, x) gilt mit π ij = {xi , xj } ∂ ∂ ∂π kℓ ∂ ∧ ∧ ℓ. π, π = π ij i j k ∂x ∂x ∂x ∂x U
(4.10)
iii.) Ein Bivektorfeld π definiert durch {f, g} = π(df ⊗ dg) genau dann eine Poisson-Klammer, wenn π, π = 0. (4.11)
Beweis. Die Nichtausgeartetheit im Sinne von Proposition 4.1.2 folgt leicht aus der Beobachtung, daß f¨ ur ein k-Vektorfeld X ∈ Xk (M ) f1 , · · · , fk , X · · · = i(df1 ) · · · i(dfk )X = X(dfk ⊗ · · · ⊗ df1 ).
Da die Differentiale von Funktionen lokal aber den ganzen Kotangentialraum aufspannen, folgt X = 0 genau dann, wenn f1 , · · · , fk , X · · · = 0 f¨ ur alle Funktionen f1 , . . . , fk . Der zweite Teil ist eine einfache Berechnung der Schouten-Nijenhuis-Klammer in lokalen Koordinaten, siehe auch Aufgabe 4.1. Der dritte Teil ist eine unmittelbare Folgerung aus Proposition 4.1.2. ⊓ ⊔ Bemerkung 4.1.4 (Abgeleitete Klammern). Die Aussage von Proposition 4.1.2 l¨ aßt sich in einem viel gr¨ oßeren Rahmen der sogenannten abgeleiteten Klammern verstehen, siehe hierzu auch [208]. Folgerung 4.1.5. Der Bivektor π ∈ X2 (M ) liefert also genau dann eine Poisson-Klammer {·, ·}, falls lokal in jeder Karte (U, x) die Koeffizienten π ij = {xi , xj } die Differentialgleichung
214
4 Poisson-Geometrie
π ij
ℓi ik ∂π kℓ kj ∂π ℓj ∂π + π + π =0 ∂xj ∂xj ∂xj
(4.12)
f¨ ur alle i, k, ℓ erf¨ ullen. Dies folgt aus (4.10) und der Tatsache, daß der total antisymmetrische Teil von kℓ π ij ∂π ∂xj gerade durch die linke Seite von (4.12) gegeben ist, siehe Aufgabe 4.1. Bemerkung 4.1.6. Das Verschwinden des Tensorfeldes π, π l¨aßt sich punktweise u ufen, also insbesondere in einer Karte. Daher ist diese Charak¨berpr¨ terisierung sehr n¨ utzlich. Die Bedingung (4.12) ist bereits lokal nichttrivial: (4.12) ist ein gekoppeltes System von quadratischen partiellen Differentialgleichungen. Es ist also alles andere als offensichtlich, daß diese nichttriviale L¨ osungen π = 0 zulassen. Wenn man aber ein π ∈ X2 (M ) mit π, π = 0 gefunden hat, so wird {·, ·} in der Tat eine Poisson-Klammer f¨ ur C ∞ (M ). Dies motiviert folgende Definition: Definition 4.1.7 (Poisson-Tensor). Ein Bivektorfeld π ∈ X2 (M ) heißt Poisson-Tensor (auch Poisson-Struktur), falls π, π = 0. In diesem Fall heißt (M, π) Poisson-Mannigfaltigkeit. Eine ¨ aquivalente Definition ist nach Proposition 4.1.1 und Korollar 4.1.3, daß agt, wobei die Poisson-Klammer C ∞ (M ) die Struktur einer Poisson-Algebra tr¨ mit π u ¨ber {f, g} = π(df ⊗ dg) = − f, π, g (4.13) verkn¨ upft ist. Als offensichtliche Beispiele kennen wir zum einen die symplektischen Mannigfaltigkeiten, da hier C ∞ (M ) ja die symplektische Poisson-Klammer tr¨agt. Als zweites Beispiel sei die triviale Poisson-Struktur π = 0 genannt, welche {f, g} = 0 f¨ ur alle f, g ∈ C ∞ (M ) liefert. Diese und weitere Beispiele werden in Abschnitt 4.1.3 im Detail vorgestellt. Zuvor diskutieren wir jedoch noch einige allgemeine Eigenschaften von Poisson-Mannigfaltigkeiten. Analog zum symplektischen (oder auch Riemannschen) Fall k¨onnen wir π dazu verwenden, Indizes hochzuziehen“. Wir definieren einen Vektorb¨ undel” homomorphismus (4.14) π = ♯ : T ∗ M −→ T M punktweise durch
α♯p = πp (·, αp ) = − i(αp )πp ,
(4.15)
wobei αp ∈ Tp∗ M eine Einsform bei p ∈ M ist. In lokalen Koordinaten (U, x) gilt dann ∂ α♯ U = π ij αj i , (4.16) ∂x wenn α U = αi dxi . Wie bereits gewohnt, gibt es auch hier verschiedene Vorzeichenkonventionen. Anders als im symplektischen (oder Riemannschen)
4.1 Poisson-Mannigfaltigkeiten
215
Fall gibt es jedoch im allgemeinen keine Umkehrabbildung ♭, da der Vektorb¨ undelhomomorphismus im allgemeinen kein Isomorphismus ist. Schlimmer noch: der Grad der Ausartung von ♯ h¨ angt im allgemeinen vom Punkt ab, da der Rang der Matrix (π ij (p)) im allgemeinen von p ∈ M abh¨angig ist. Dies liefert letztlich die F¨ ulle von neuen Ph¨ anomenen, welche deutlich u ¨ ber die symplektische Geometrie hinausf¨ uhren werden. 4.1.2 Hamiltonsche und Poisson-Vektorfelder Analog zum symplektischen Fall definiert man Hamiltonsche Vektorfelder, Poisson-Vektorfelder sowie die zugeh¨ origen Zeitentwicklungen: Definition 4.1.8 (Poisson-Vektorfelder). Sei (M, π) eine Poisson-Mannigfaltigkeit. i.) Ein Vektorfeld X ∈ Γ∞ (T M ) heißt Poisson-Vektorfeld, falls LX π = 0.
(4.17)
(T M ) bezeichnet. Die Menge der Poisson-Vektorfelder wird mit Γ∞ Poisson ii.) Das Vektorfeld (4.18) XH = (dH)♯ = H, π
heißt Hamiltonsches Vektorfeld zur Hamilton-Funktion H ∈ C ∞ (M ). iii.) Ein Diffeomorphismus φ ∈ Diff(M ) heißt Poisson-Diffeomorphismus, falls φ∗ π = π.
(4.19)
Die Beziehungen zwischen Poisson- und Hamiltonschen Vektorfelder sowie Poisson-Diffeomorphismen wird durch folgenden Satz gekl¨art, welcher uns von der symplektischen Situation her wohlbekannt ist. Satz 4.1.9. Sei (M, π) eine Poisson-Mannigfaltigkeit. i.) Jedes Hamiltonsche Vektorfeld ist ein Poisson-Vektorfeld. ii.) F¨ ur die Poisson-Klammer gilt {f, g} = Xg f
(4.20)
[Xf , Xg ] = −X{f,g} .
(4.21)
[X, XH ] = XLX H
(4.22)
und iii.) Ein Vektorfeld X ist genau dann ein Poisson-Vektorfeld, wenn sein Fluß Φt eine Einparametergruppe von Poisson-Diffeomorphismen ist. Die Poisson-Vektorfelder bilden eine Lie-Unteralgebra von Γ∞ (T M ). iv.) Ein Vektorfeld X ist genau dann ein Poisson-Vektorfeld, wenn
f¨ ur alle H ∈ C ∞ (M ). Damit bilden die Hamiltonschen Vektorfelder ein Lie-Ideal innerhalb aller Poisson-Vektorfelder.
216
4 Poisson-Geometrie
v.) Ein Vektorfeld X ist genau dann ein Poisson-Vektorfeld, wenn LX {f, g} = {LX f, g} + {f, LX g}
(4.23)
f¨ ur alle f, g ∈ C ∞ (M ). vi.) Ein Diffeomorphismus φ ist genau dann ein Poisson-Diffeomorphismus, wenn (4.24) φ∗ XH = Xφ∗ H f¨ ur alle H ∈ C ∞ (M ). vii.) Ein Diffeomorphismus φ ist genau dann ein Poisson-Diffeomorphismus, wenn φ∗ {f, g} = {φ∗ f, φ∗ g} (4.25)
f¨ ur alle f, g ∈ C ∞ (M ). viii.) Ist Φt der Fluß zum Hamiltonschen Vektorfeld XH , so gilt f¨ ur alle f ∈ C ∞ (M ) d ∗ Φ f = {Φ∗t f, H} = Φ∗t {f, H} (4.26) dt t und f ist genau dann eine Erhaltungsgr¨oße bez¨ uglich der Hamiltonschen Zeitentwicklung Φt , wenn {f, H} = 0. (4.27) Insbesondere gilt die Energieerhaltung {H, H} = 0. Beweis. Erstaunlicherweise sind die Beweise im wesentlichen sogar einfacher als im symplektischen Fall, da wir die Jacobi-Identit¨at und Nat¨ urlichkeit der Schouten-Nijenhuis-Klammer verwenden k¨ onnen (was man im symplektischen Fall auch h¨ atten tun k¨ onnen). F¨ ur die erste Aussage rechnet man nach, daß LXH π = XH , π = H, π , π = H, π, π − H, π , π = 0 − LXH π = 0.
Gleichung (4.20) hatten wir implizit bereits im Beweis von Proposition 4.1.2 ¨ verwendet. Gleichung (4.21) folgt ebenfalls aus unseren Uberlegungen im Beweis von Proposition 4.1.2. Der dritte Teil ist klar. F¨ ur den vierten Teil gilt zun¨ achst X, XH = X, H, π = X, H , π + H, X, π = LX H, π + H, LX π = XLX H − i(dH) LX π.
Da die Differentiale dH punktweise ganz Tp∗ M aufspannen, verschwindet der zweite Term genau dann, wenn LX π = 0 ist. Damit folgt die erste Behauptung. Offenbar impliziert (4.22) auch, daß die Hamiltonschen Vektorfelder ein Lie-Ideal bilden, womit der vierte Teil bewiesen ist. F¨ ur den f¨ unften Teil betrachten wir f¨ ur X ∈ Γ∞ (T M )
4.1 Poisson-Mannigfaltigkeiten
217
LX {f, g} = − X, f, π , g
= − X, f, π , g − f, π , X, g = − X, f , π , g − f, X, π , g + {f, LX g} = {LX f, g} + (LX π) (df ⊗ dg) + {f, LX g}.
Da wieder die Differentiale df , dg punktweise die ganzen Kotangentialr¨aume ur den sechaufspannen, ist die Gleichung (4.23) ¨ aquivalent zu LX π = 0. F¨ sten Teil benutzen wir die Nat¨ urlichkeit der Schouten-Nijenhuis-Klammer bez¨ uglich Diffeomorphismen. Dies liefert φ∗ XH = φ∗ H, π = φ∗ H, φ∗ π = − i(dφ∗ H)φ∗ π.
Mit dem selben Argument wie oben folgt, daß φ∗ π = π genau dann gilt, wenn φ∗ XH = Xφ∗ H . Der siebte Teil folgt analog aus der Rechnung φ∗ {f, g} = −φ∗ f, π , g = − φ∗ f, φ∗ π , φ∗ g = (φ∗ π) (dφ∗ f ⊗ dφ∗ g).
F¨ ur den achten und letzten Teil berechnen wir schließlich
d ∗ Φ f = LXH Φ∗t f = {Φ∗t f, H} = Φ∗t LXH f = Φ∗t {f, H}, dt t womit die verbleibenden Behauptungen wie im symplektischen Fall folgen, siehe auch Aufgabe 4.2. ⊓ ⊔ Bemerkung 4.1.10. Die Aussagen von Satz 4.1.9 sind die Verallgemeinerungen der Aussagen von Proposition 3.1.5, Satz 3.1.12 und Satz 3.1.15 mit einer wichtigen Ausnahme: Im allgemeinen sind Poisson-Vektorfelder nicht lokal Hamiltonsch und die Lie-Klammer von zwei Poisson-Vektorfeldern ist im allgemeinen nicht Hamiltonsch. Beispiel 4.1.11. F¨ ur die triviale Poisson-Struktur π = 0 gilt offenbar, daß jedes Vektorfeld ein Poisson-Vektorfeld ist, aber XH = 0 f¨ ur alle H ∈ C ∞ (M ). Dieses Ph¨ anomen wird durch folgenden Quotienten gemessen“: Man definiert ” die erste Poisson-Kohomologie von (M, π) durch H1π (M ) =
{Poisson-Vektorfelder} . {Hamiltonsche Vektorfelder}
(4.28)
Proposition 4.1.12. Sei (M, π) eine Poisson-Mannigfaltigkeit. Dann ist die uglich der induzierten erste Poisson-Kohomologie H1π (M ) eine Lie-Algebra bez¨ Lie-Klammer der Vektorfelder Γ∞ (T M ). Beweis. Zun¨ achst ist H1π (M ) ein reeller Vektorraum, da ja die Hamiltonschen Vektorfelder ein Untervektorraum aller Poisson-Vektorfelder sind. Weiter gilt, daß die Poisson-Vektorfelder eine Lie-Unteralgebra von Γ∞ (T M ) bilden und die Hamiltonschen Vektorfelder ein Lie-Ideal darin sind. Damit ist der Quotient kanonisch eine Lie-Algebra. ⊓ ⊔
218
4 Poisson-Geometrie
W¨ ahrend im symplektischen Fall ein Hamiltonsches Vektorfeld XH seine Hamilton-Funktion H bis auf eine Konstante festlegt, sofern M zusammenh¨ angend ist, siehe Bemerkung 3.1.11, kann es im allgemeinen Poisson-Fall vorkommen, daß verschiedene Funktionen das selbe Hamiltonsche Vektorfeld besitzen, beispielsweise f¨ ur die triviale Poisson-Struktur. Dies motiviert folgende Definition: Definition 4.1.13 (Casimir-Funktionen). Sei (M, π) eine Poisson-Mannigfaltigkeit. Eine Funktion f heißt Casimir-Funktion, falls Xf = 0. Die Menge aller Casimir-Funktionen wird als nullte Poisson-Kohomologie H0π (M ) oder auch als Poisson-Zentrum bezeichnet. Bemerkung 4.1.14 (Casimir-Funktionen). i.) Da f → Xf = f, π linear ist, folgt, daß die nullte Poisson-Kohomologie ein Untervektorraum von C ∞ (M ) ist. Da weiter Xf g = f Xg + gXf gilt, folgt, daß H0π (M ) sogar eine Unteralgebra ist und damit insbesondere eine assoziative, kommutative Algebra ist. ii.) Ist f ∈ H0π (M ) eine Casimir-Funktion und H ∈ C ∞ (M ) beliebig, so gilt {f, H} = 0.
(4.29)
Die Casimir-Funktionen sind also f¨ ur alle Hamiltonschen Zeitentwicklungen Erhaltungsgr¨ oßen. Dies liefert eine Interpretation als klassische Superauswahlregel , denn startet eine beliebige Hamiltonsche Zeitentwicklung in einer Hyperfl¨ache zu konstantem f , so wird diese Hyperfl¨ache nicht mehr verlassen. Derartige Superauswahlregeln sind in der symplektischen Geometrie nat¨ urlich nicht vorhanden beziehungsweise trivialer Natur. Bemerkung 4.1.15. Die Bezeichnung H0π (M ) und H1π (M ) legt nahe, daß es tats¨ achlich eine Kohomologietheorie f¨ ur Poisson-Mannigfaltigkeiten gibt, welche die Casimir-Funktionen als nullte beziehungsweise H1π (M ) als erste Kohomologiegruppe besitzt. Wir werden diese Kohomologie in Abschnitt 4.2.2 noch eingehend diskutieren. 4.1.3 Beispiele von Poisson-Mannigfaltigkeiten Wir diskutieren nun einige fundamentale Beispiele von Poisson-Mannigfaltigkeiten. Die triviale Poisson-Struktur π = 0 Auch wenn dieses Beispiel scheinbar zu trivial ist, um interessant zu sein, liefert es doch ein Beispiel und manchmal insbesondere ein brauchbares Gegenbeispiel. Es stellt gewissermaßen den einen Extremfall an Ausartungsgrad dar. Insbesondere gilt H0π (M ) = C ∞ (M ) und H1π (M ) = Γ∞ (T M ),
(4.30)
jeweils mit der u ¨ blichen Algebra- beziehungsweise Lie-Algebrastruktur.
4.1 Poisson-Mannigfaltigkeiten
219
Symplektische Mannigfaltigkeiten (M, ω) Dies war der Ausgangspunkt unserer Verallgemeinerungen. Ist lokal ω = 1 i j 2 ωij dx ∧ dx , so ist die Matrix (ωij (p)) an jedem Punkt p invertierbar mit ij Inversem ω ωjk = δki . Die Poisson-Klammer ist dann {f, g} = −ω ij
∂f ∂g , ∂xi ∂xj
(4.31)
wie man mit (3.12) und Definition 3.1.14 unmittelbar sieht. Daher ist der Poisson-Tensor π einer symplektischen Mannigfaltigkeit lokal durch π=
∂ 1 ij ∂ π ∧ 2 ∂xi ∂xj
mit
π ij = −ω ij
(4.32)
¨ gegeben. Es bleibt als eine kleine Ubungsaufgabe nachzupr¨ ufen, daß die in Kapitel 3 gemachten Definitionen f¨ ur XH , {·, ·}, symplektische Vektorfelder und Symplektomorphismen sowie ♯ mit den in diesem Kapitel gemachten Definitionen u ¨ bereinstimmen. Insbesondere sind symplektische Vektorfelder und Symplektomorphismen gerade die Poisson-Vektorfelder und PoissonDiffeomorphismen bez¨ uglich π. Die folgende Proposition charakterisiert diejenigen Poisson-Tensoren, welche von einer symplektischen Form kommen: Proposition 4.1.16. Ein Poisson-Tensor π f¨ ur M ist genau dann von der Form (4.32) mit einer symplektischen Form ω, falls π punktweise nichtausgeartet ist. Dies ist genau dann der Fall, wenn ♯ : T ∗ M −→ T M ein Vektorb¨ undelisomorphismus ist. Die Bedingung π, π = 0 entspricht genau der Bedingung dω = 0. ¨ Beweis. Der Beweis ist eine leichte Ubung.
⊓ ⊔
Im symplektischen Fall kann man die nullte und erste Poisson-Kohomologie leicht berechnen und erh¨ alt die entsprechende deRham-Kohomologie H0π (M ) ∼ = H0dR (M ) und H1π (M ) ∼ = H1dR (M ),
(4.33)
wobei der kanonische Isomorphismus Γ∞ (T M ) ∋ X → iX ω ∈ Γ∞ (T ∗ M ) die zweite Isomorphie induziert. Wir werden dieses einfache Resultat sp¨ater nochmals aufgreifen und auf die h¨ oheren Kohomologiegruppen verallgemeinern, siehe auch Aufgabe 4.3. Konstante Poisson-Strukturen Sei V ein N -dimensionaler Vektorraum und sei π ∈ Γ∞ (Λ2 T V ) ein konstantes Bivektorfeld auf V . Da V nach Wahl einer Basis e1 , . . . , eN eine globale Karte x1 , . . . , xN via
220
4 Poisson-Geometrie
V ∋ v = xi ei → x = (x1 , . . . , xN ) ∈
ÊN
(4.34)
besitzt, siehe Beispiel 2.1.6, ist es wohl-definiert, von einem bez¨ uglich dieser Karte konstanten Tensorfeld zu sprechen. Offenbar h¨angt diese Charakterisierung nicht von der gew¨ ahlten Vektorraumbasis ab, so daß man von konstanten Tensorfeldern auf Vektorr¨ aumen sprechen kann. Das Tensorfeld π ist also von der Form ∂ ∂ 1 (4.35) mit π ij = −π ji ∈ . π = π ij i ∧ 2 ∂x ∂xj Daher kann man π mit einem Element in Λ2 V identifizieren. Es gilt nun folgende Proposition, welche das lineare Darboux-Theorem aus Aufgabe 1.4 geringf¨ ugig verallgemeinert:
Ê
Proposition 4.1.17. Sei V ein N -dimensionaler reeller Vektorraum und π ∈ Γ∞ (Λ2 T V ) ein konstantes Bivektorfeld. Dann ist π ein Poisson-Tensor und es gibt eine Vektorraumbasis e1 , . . . , en , f 1 , . . . , f n , z1 , . . . , zk mit 2n+k = N , so daß n π= ei ∧ f i . (4.36) i=1
Die Poisson-Klammer ist damit
n ∂g ∂h ∂g ∂h {g, h}(q, p, c) = − (q, p, c), ∂q i ∂pi ∂pi ∂q i i=1
(4.37)
wobei q 1 , . . . , q n , p1 , . . . , pn , c1 , . . . , ck die linearen Koordinaten bez¨ uglich e1 , . . . , en , f 1 , . . . , f n , z1 , . . . , zk sind. Der Ausartungsgrad von π ist k und die Koordinatenfunktionen c1 , . . . , ck sind Casimir-Funktionen. Beweis. Mit dem u ¨ blichen Induktionsbeweis nach dem Rang 2n der Matrix (π ij ) folgt die Existenz einer solchen Darboux-Basis“, wie dies in Aufgabe 1.4 ” besprochen wird. Die u ¨brigen Behauptungen folgen sofort aus der Gestalt (4.37) der Poisson-Klammer. ⊓ ⊔ Lineare Poisson-Strukturen Wir betrachten erneut einen n-dimensionalen Vektorraum V mit Dualraum V ∗ . Sei e1 , . . . , en eine Basis von V mit dualer Basis e1 , . . . , en von V ∗ und induzierten linearen Koordinaten ξ 1 , . . . , ξ n f¨ ur V und x1 , . . . , xn f¨ ur V ∗ . ∗ Ein Bivektorfeld π auf V heißt linear, wenn es linear von den Koordinaten x1 , . . . , xn abh¨ angt. Offenbar ist dies ebenfalls eine basisunabh¨angige Charakterisierung. Es gilt also π(x) =
Ê
1 xk ckij ei ∧ ej 2
(4.38)
∂ in der u mit Konstanten ckij = −ckji ∈ , wobei wir ei und ∂x ¨ blichen Weise i identifizieren. Entsprechend gilt f¨ ur die zu π geh¨orige Klammer
4.1 Poisson-Mannigfaltigkeiten
{f, g}(x) = xk ckij
∂f ∂g (x) (x). ∂xi ∂xj
221
(4.39)
Proposition 4.1.18. Sei V ein n-dimensionaler reeller Vektorraum und π ∈ Γ∞ (Λ2 T V ∗ ) ein lineares Bivektorfeld auf V ∗ . Dann ist ¨aquivalent: i.) π ist ein Poisson-Tensor. ii.) Die Konstanten ckij aus (4.38) erf¨ ullen die Gleichung cℓij crℓk + cℓjk crℓi + cℓki crℓj = 0
(4.40)
f¨ ur alle i, j, k, r = 1, . . . , n. iii.) Es existiert eine eindeutig bestimmte Lie-Algebrastruktur [·, ·] auf V , so daß
(4.41) {f, g}(x) = x df x , dg x f¨ ur x ∈ V ∗ . Hier identifiziert man Tx∗ V ∗ = V ∗∗ = V , womit df x , dg x ∈ V.
¨ Beweis. Die Aquivalenz der ersten und zweiten Bedingung folgt unmittelbar aus den allgemeinen Formeln (4.12) und der lokalen Gestalt (4.38). Wir betrachten nun den bekannten Isomorphismus gradierter Algebren J : S• (V ) −→ Pol• (V ∗ ), siehe Aufgabe 2.1, wobei insbesondere ξ, η ∈ V als lineare Funktionen J(ξ), J(η) auf V ∗ aufgefaßt werden. Da der Poisson-Tensor linear vom angt und in {f, g} jede Funktion einmal differenziert wird, Punkt in V ∗ abh¨ folgt, daß {J(ξ), J(η)} wieder eine lineare Funktion auf V ∗ ist, also durch einen eindeutig bestimmten Vektor [ξ, η] ∈ V gegeben ist: {J(ξ), J(η)} = J([ξ, η]).
Die so definierte Klammer [·, ·] macht V tats¨achlich zu einer Lie-Algebra und J schr¨ ankt sich zu einem Lie-Algebraisomorphismus J : S1 (V ) = V −→ Pol1 (V ∗ ) ein. Wir berechnen nun [ξ, η] explizit x([ξ, η]) = {J(ξ), J(η)}(x) = xk ckij
∂(ξ ℓ xℓ ) ∂(η r xr ) ∂xi ∂xj
= xk ckij ξ i η j
= x ckij ξ i η j ek .
Somit sind die ckij tats¨ achlich die Strukturkonstanten von [·, ·]. Es bleibt (4.41) zu zeigen. Sei also f ∈ C ∞ (V ∗ ). Dann gilt
und daher
∂f df x = (x)ei ∂xi
222
4 Poisson-Geometrie
∂f ∂g df x , dg x = (x) (x)ckij ek , ∂xi ∂xj
womit auch (4.41) folgt. Die Umkehrung erfolgt durch eine einfach Rechnung in linearen Koordinaten, indem man die obigen Schritte r¨ uckw¨arts durchl¨auft. ⊓ ⊔ Folgerung 4.1.19. Sei g eine reelle n-dimensionale Lie-Algebra. i.) Der Dualraum g∗ ist auf kanonische Weise eine Poisson-Mannigfaltigkeit mit linearer Poisson-Struktur. ii.) Es gilt π(0) = 0, weshalb der Rang der Poisson-Struktur von g∗ nur dann konstant (und gleich Null) ist, wenn g abelsch ist. iii.) Die Polynome Pol• (g∗ ) auf g∗ sind eine gradierte Poisson-Unteralgebra von C ∞ (g∗ ) mit Polk (g∗ ), Polℓ (g∗ ) ⊆ Polk+ℓ−1 (g∗ ). (4.42) iv.) Die symmetrische Algebra S• (g) wird durch den kanonischen Algebraisomorphismus S• (g) ∼ = Pol• (g∗ ) zu einer gradierten Poisson-Algebra mit k S (g), Sℓ (g) ⊆ Sk+ℓ−1 (g). (4.43) Die durch (4.43) auf S1 (g) = g induzierte Lie-Algebrastruktur stimmt mit der urspr¨ unglichen u ¨ berein. Entsprechend ist Pol1 (g∗ ) eine zu g isomorphe Lie-Algebra.
Beweis. Der erste Teil ist klar nach Proposition 4.1.18. Da sicherlich π(0) = 0 gilt, muß π identisch verschwinden, damit π konstanten Rang haben kann. Dies ist aber genau dann der Fall, wenn alle Strukturkonstanten verschwinden, also wenn g abelsch ist. Die Gradierungseigenschaften (4.42) und (4.43) sind offensichtlich. Der letzte Teil wurde im Beweis von Proposition 4.1.18 bereits gezeigt. ⊓ ⊔ In den Aufgaben 3.26 und 4.7 werden weitere Eigenschaften dieses wichtigen Beispiels einer Poisson-Mannigfaltigkeit diskutiert werden. Insbesondere erlaubt dieses Beispiel zum einen, geometrische Konzepte f¨ ur das Studium von Lie-Algebren zu verwenden, zum anderen, Lie-algebraische Techniken f¨ ur die Poisson-Geometrie zu verallgemeinern. Wir werden daher noch an verschiedenen Stellen auf dieses Beispiel zur¨ uckkommen. Zweidimensionale Poisson-Mannigfaltigkeiten Sei Σ eine zweidimensionale orientierbare Mannigfaltigkeit, siehe auch Abbildung 4.1. Es gebe also eine nirgends verschwindende Volumenform ω ∈ Γ∞ (Λ2 T ∗ Σ). In zwei Dimensionen ist ω daher sogar symplektisch, da ω nichtausgeartet ist und trivialerweise dω = 0. Sei also πω ∈ Γ∞ (Λ2 T Σ) der zugeh¨ orige symplektische Poisson-Tensor. Da Λ2 Tp Σ eindimensional ist, folgt,
4.1 Poisson-Mannigfaltigkeiten
223
daß jedes andere Bivektorfeld π ∈ Γ∞ (Λ2 T Σ) ein C ∞ (Σ)-Vielfaches von πω ist. Es gibt also eine eindeutig bestimmte Funktion f ∈ C ∞ (Σ) mit π = f πω .
(4.44)
Umgekehrt liefert jede Funktion durch (4.44) einen neuen Bivektor π, womit man also die Isomorphie C ∞ (Σ) ∼ = Γ∞ (Λ2 T Σ) (sogar als C ∞ (Σ)-Moduln) gezeigt hat. Diese Isomorphie ist jedoch nicht kanonisch, sondern h¨angt von der Wahl von πω ab. Da Σ zweidimensional ist, ist jedes π ein Poisson-Tensor, da aus Dimensionsgr¨ unden trivialerweise π, π = 0 gilt. Offenbar ist π genau dann symplektisch, wenn f keine Nullstellen hat. Mehr zu dieser Beispielklasse findet sich in [271].
S2
T2
g=0
g=1
g=2
Abb. 4.1. Die Liste der zweidimensionalen, orientierbaren, kompakten Mannigfaltigkeiten, klassifiziert durch ihr Geschlecht g ∈ 0
Nichttriviale Poisson-Strukturen mit kompaktem Tr¨ ager Auf jeder Mannigfaltigkeit gibt es nichttriviale Poisson-Strukturen in folgendem Sinne: Proposition 4.1.20 (Existenz von Poisson-Strukturen). Sei M eine ndimensionale Mannigfaltigkeit und p ∈ M . Sei weiter πp ∈ Λ2 Tp M vorgegeben. Dann gibt es eine Poisson-Struktur π ∈ Γ∞ (Λ2 T M ) mit π(p) = πp . 2 ahlen. Man kann sogar π ∈ Γ∞ 0 (Λ T M ) w¨
(4.45)
Ê
2 n Beweis. Wir m¨ ussen offenbar nur ein π ∈ Γ∞ ) konstruieren, welches 0 (Λ T seinen Tr¨ ager in einer kleinen offenen Kugel hat. Dann kann man mittels einer Karte von M , deren Bild die Kugel umfaßt, π auf M zur¨ uckziehen. Die Vorgabe von πp entspricht dann einer antisymmetrischen Matrix (πpij ) ∈ Mn ( ), wobei ∂ ∂ 1 πp = πpij i ∧ 2 ∂x p ∂xj p und ohne Einschr¨ ankung p = 0 angenommen werden darf. Die Konstruktion von π basiert dann auf folgendem Lemma:
Ê
224
4 Poisson-Geometrie
Lemma 4.1.21. Sei R > 0. Dann gibt es n Vektorfelder X1 , . . . , Xn ∈ Γ∞ (T n ) mit Tr¨ager in BR (0), welche bei 0 linear unabh¨angig sind und
Ê
[Xi , Xj ] = 0
(4.46)
f¨ ur alle i, j = 1, . . . , n erf¨ ullen. Der Beweis des Lemmas nach [45] wird in Aufgabe 4.5 und 4.6 besprochen. Insbesondere kann man annehmen, daß Xi (0) = ei , womit die Definition π=
1 ij π Xi ∧ Xj 2 p
offenbar ein Bivektorfeld mit kompaktem Tr¨ ager in BR (0) ist. Die Eigenschaft π, π = 0 folgt nun unmittelbar aus (4.46), womit die Proposition bewiesen ist. ⊓ ⊔ Poisson-Quotienten Sei (M, π) eine Poisson-Mannigfaltigkeit, auf der eine Lie-Gruppe G mit einer Wirkung Φ : G × M −→ M von links wirkt. Die Wirkung heißt PoissonWirkung, falls f¨ ur alle g ∈ G (4.47) Φ∗g π = π gilt. Dies stellt die offensichtliche Verallgemeinerung einer symplektischen GWirkung dar. Insbesondere gilt Φ∗g {f, h} = {Φ∗g f, Φ∗g h}
(4.48)
f¨ ur alle f, h ∈ C ∞ (M ) und g ∈ G. Proposition 4.1.22. Sei (M, π) eine Poisson-Mannigfaltigkeit und Φ : G × M −→ M eine Poisson-Wirkung einer Lie-Gruppe G auf M . Ist Φ eigentlich und frei, so ist der Quotient M G eine Poisson-Mannigfaltigkeit mit einer durch (4.49) {pr∗ f, pr∗ g}M = pr∗ {f, g}M/G eindeutig bestimmten Poisson-Struktur πM/G . Hier bezeichnet pr : M −→
M G die Projektion.
Beweis. Der Beweis ist denkbar einfach. Man u ¨berlegt sich zun¨achst leicht, ∞ daß eine Funktion F ∈ C (M ) genau dann von der Form F = pr∗ f mit
∞ f ∈ C (M G) ist, wenn F eine G-invariante Funktion ist: sicherlich ist F = pr∗ f eine G-invariante Funktion. Ist umgekehrt F invariant unter G,
so ist f (pr(p)) = F (p) eine wohl-definierte Funktion auf M G. Die Glattheit von f folgt, da pr unter der Voraussetzung einer freien und eigentlichen Wirkung eine surjektive Submersion ist, siehe Satz 3.3.18, womit Aufgabe 2.7 zur Anwendung kommen kann. Damit ist also zun¨achst allgemein gezeigt, daß
4.1 Poisson-Mannigfaltigkeiten
C ∞ (M )G = pr∗ C ∞ (M G).
225
(4.50)
Hier bezeichnet C ∞ (M )G die G-invarianten Funktionen auf M . Aus (4.48) folgt aber sofort, daß die invarianten Funktionen eine Poisson-Unteralgebra sind, siehe auch Aufgabe 3.30. Somit wird auch C ∞ (M G) zu einer PoissonAlgebra, indem man pr∗ zu einem Poisson-Algebraisomorphismus erkl¨art. Da mit ist M G aber eine Poisson-Mannigfaltigkeit und die so erhaltene PoissonStruktur ist offenbar durch (4.49) eindeutig festgelegt. ⊓ ⊔ Betrachtet man insbesondere eine symplektische Mannigfaltigkeit (M, ω) mit einer symplektischen G-Wirkung, so erh¨alt man im allgemeinen keine
symplektische Mannigfaltigkeit M G. Dies wird in Aufgabe 3.26 und Aufgabe 4.9 am Beispiel des Kotangentenb¨ undels T ∗ G und der kanonischen GWirkung durch Punkttransformationen gezeigt. 4.1.4 Symplektische Bl¨ atterung und das Splitting -Theorem Dieser Abschnitt erl¨ autert (im wesentlichen ohne Beweise), wie eine PoissonMannigfaltigkeit kanonisch in symplektische Untermannigfaltigkeiten verschiedener Dimension zerbl¨ attert“ wird. Die zentralen Begriffe hierzu sind ” die einer singul¨ aren Distribution und einer singul¨aren Bl¨atterung. Da die Beweise der folgenden Aussagen technisch und lang sind, sei auf die Literatur verwiesen, insbesondere auf [235, Sect. 3.18–3.25 und Thm. S3.5]. Mit Xloc (M ) werden die auf offenen Teilmengen von M definierten glatten Vektorfelder bezeichnet. Ein Element X ∈ Xloc (M ) definiert also zun¨achst einen Definitionsbereich U ⊆ M , so daß X ∈ Γ∞ (T U ). Definition 4.1.23 (Glatte Distribution). Sei M eine Mannigfaltigkeit. i.) Eine Distribution E auf M ist eine Teilmenge E ⊆ T M mit π(E) = M , so daß Ep = π −1 ({p}) ⊆ Tp M f¨ ur alle p ∈ M ein Untervektorraum ist. ii.) Eine Distribution E ⊆ T M heißt glatt, falls es zu jedem Punkt p ∈ M lokal um p definierte Vektorfelder X1 , . . . , Xk ∈ Xloc (M ) gibt, so daß Ep′ von X1 (p′ ), . . . , Xk (p′ ) f¨ ur alle p′ in einer offenen Umgebung U von p aufgespannt wird. Mit XE ⊆ Xloc (M ) wird die Teilmenge aller lokal deur alle Punkte p finierten Vektorfelder X bezeichnet, so daß X(p) ∈ Ep f¨ im Definitionsbereich von X gilt. iii.) Eine glatte Distribution E heißt regul¨ar, falls dim Ep konstant ist. Anderenfalls heißt E singul¨ar. Bemerkung 4.1.24 (Regul¨are und singul¨are Distributionen). i.) In der Definition einer glatten Distribution wird nicht verlangt, daß die lokalen Vektorfelder X1 , . . . , Xk auf U punktweise linear unabh¨angig sind. Dies l¨ aßt sich im f¨ ur uns interessanten Fall einer singul¨aren Distribution im allgemeinen auch nicht erreichen.
226
4 Poisson-Geometrie
ii.) Wenn E glatt ist, so findet man auch global definierte Vektorfelder, welche E punktweise aufspannen: Seien X1 , . . . , Xk auf U ⊆ M definierte glatte Vektorfelder mit der Eigenschaft, daß Ep = span{X1 (p), . . . , Xk (p) | p ∈ U }. Sei weiter χ eine Abschneidefunktion mit χ(p0 ) = 1 und supp χ ⊂ U , wobei p0 ∈ U ein fest gew¨ ahlter Punkt ist. Dann spannen die global erkl¨ arten Vektorfelder χX1 , . . . , χXk ∈ Γ∞ (T M ) die Distribution E auf einer im allgemeinen kleineren offenen Umgebung von p0 auf. Da man aber solche Vektorfelder X1 , . . . , Xk und eine offene Umgebung U f¨ ur jeden Punkt der Mannigfaltigkeit finden kann, folgt die Behauptung. Trotzdem ist es manchmal vorteilhaft, nur auf einer offenen Umgebung definierte Vektorfelder zu verwenden. iii.) Eine regul¨ are Distribution E ist dasselbe wie ein Untervektorb¨ undel von T M . Man erh¨ alt eine Untervektorb¨ undelkarte auf folgende Weise: Sei p0 ∈ M vorgegeben und seien X1 , . . . , Xk′ lokal um p0 definierte Vektorfelder, welche Ep f¨ ur p ∈ U ′ aufspannen. Ist die Faserdimension der Distribution k, so kann man k Vektorfelder ausw¨ahlen, welche bei p0 linear unabh¨ angig sind und Ep0 immer noch aufspannen. Da die lineare Unabh¨ angigkeit eine stetige Bedingung ist, sind diese k Vektorfelder auch auf einer eventuell kleineren Umgebung U linear unabh¨angig. Da aber die Bilder in Ep liegen und Ep konstante Dimension k hat, spannen sie Ep nach wie vor auf, f¨ ur alle p ∈ U . Wir k¨onnen daher annehmen, daß ahlt ist. Durch Hinzunahme von k = k ′ und U = U ′ bereits richtig“ gew¨ ” n−k lokalen Vektorfeldern erh¨ alt man, wieder auf einer eventuell kleineren Umgebung, Basisvektorfelder X1 , . . . , Xk , Xk+1 , . . . , Xn von T U . Dann ist durch ϕ : T U −→ U × n mit v → (π(v), v 1 , . . . , v k , v k+1 , . . . , v n ), wobei v = v i Xi (π(v)), eine glatte Untervektorb¨ undelkarte von E definiert. Dies erreicht man nach Voraussetzung um jeden Punkt p0 .
Ê
Das f¨ ur die Poisson-Geometrie entscheidende Beispiel ist durch das Bild eines Vektorb¨ undelhomomorphismus gegeben. Allgemein hat man folgende Aussage, welche das Bildb¨ undel aus Abschnitt 2.2.2 verallgemeinert: Proposition 4.1.25. Sei F −→ M ein Vektorb¨ undel und φ : F −→ T M ein Vektorb¨ undelhomomorphismus (¨ uber der Identit¨at id : M −→ M ). Dann ist E = im φ ⊆ T M
(4.51)
eine glatte Distribution, welche genau dann regul¨ar ist, wenn φ konstanten Rang hat. Beweis. Sei p ∈ M und seien e1 , . . . , eN lokale Basisschnitte von F , definiert auf einer offenen Umgebung U ⊆ M von p. Dann sind die Abbildungen φ ◦ e1 , . . . , φ ◦ eN glatte, auf U definierte Schnitte von T U , denn πT M ◦ φ = πF , da φ ein Vektorb¨ undelhomomorphismus u ¨ ber der Identit¨at ist. Weiter wird ur alle p′ ∈ U von den Schnitten φ◦e1 , . . . , φ◦eN aufgespannt, da E p′ = φ(Fp′ ) f¨ φ F ′ linear ist und die Vektoren e1 (p′ ), . . . , eN (p′ ) eine Basis von Fp′ bilden. p
4.1 Poisson-Mannigfaltigkeiten
227
Somit hat man die ben¨ otigten lokalen glatten Schnitte gefunden, die E zu einer glatten Distribution machen. Da dim Ep = rang φ Fp f¨ ur alle p ∈ M , folgt auch die zweite Behauptung. ⊓ ⊔ Das folgende Beispiel zeigt, wieso im allgemeinen singul¨are Distributionen in der Poisson-Geometrie eine Rolle spielen:
Beispiel 4.1.26 (Singul¨are Distribution einer Poisson-Mannigfaltigkeit). F¨ ur eine Poisson-Mannigfaltigkeit (M, π) ist im ♯ ⊆ T M eine glatte, im allgemeinen singul¨ are Distribution auf M , wobei ♯ : T ∗ M −→ T M der durch π induzierte Vektorb¨ undelhomomorphismus ist. Definition 4.1.27 (Involutive und integrable Distributionen). Sei E eine glatte Distribution auf M . i.) Eine Integralmannigfaltigkeit (N, ι) von E ist eine zusammenh¨angende immersierte Untermannigfaltigkeit ι : N ֒→ M von M , so daß Tp ι(Tp N ) = Eι(p)
(4.52)
f¨ ur alle p ∈ N . ii.) E heißt integrabel, falls es durch jeden Punkt p ∈ M eine Integralmannigfaltigkeit gibt. iii.) E heißt involutiv, falls E von einer Teilmenge V ⊆ XE aufgespannt wird, so daß f¨ ur X, Y ∈ V auch [X, Y ] ∈ V gilt, wobei die Lie-Klammer [X, Y ] entsprechend auf dem Durchschnitt der jeweiligen Definitionsbereiche von X und Y erkl¨art ist. Man kann nun zeigen, daß wenn p ∈ M u ¨ berhaupt in einer Integralmannigfaltigkeit liegt, dann auch in einer eindeutig bestimmten maximalen Integralmannigfaltigkeit, dem Blatt durch p. Weiter kann man zeigen, daß sich die Bedingung an eine Integralmannigfaltigkeit, immersiert zu sein, versch¨arfen l¨aßt, indem man initiale Untermannigfaltigkeiten betrachtet, siehe [235, Def. 2.14 und Thm. 3.22]. Der folgende nichttriviale Satz von Stefan und Sussman zeigt, unter welchen Umst¨ anden eine Distribution integrabel ist: Satz 4.1.28 (Stefan-Sussman-Theorem). Sei E eine glatte Distribution, welche von einer involutiven Teilmenge V ⊆ XE aufgespannt wird. Gilt dann, daß die Faserdimensionen von E l¨angs der Flußlinien von Vektorfeldern in V konstant sind, so ist E integrabel. Einen Beweis einschließlich einer weiterf¨ uhrenden Diskussion findet man beispielsweise in [235, Thm. 3.25]. Man beachte, daß die Flußlinien von Vektorfeldern in XE immer innerhalb eines bestimmten Blattes verlaufen. Die Idee ist daher, das Blatt durch p auszusch¨ opfen, indem man allen m¨oglichen Flußlinien von Vektorfeldern in XE folgt, die in p starten. Ist insbesondere E regul¨ ar, so sind die Faserdimensionen u ¨ berhaupt konstant. Daher ist die Involutivit¨ at bereits hinreichend f¨ ur die Integrabilit¨at. Dies ist der klassische Satz von Frobenius, siehe beispielsweise [235, Sect. 3.27] und [316, Thm. 1.60]:
228
4 Poisson-Geometrie
Korollar 4.1.29 (Frobenius-Theorem). Ist E eine regul¨are Distribution, so ist E genau dann integrabel, wenn E involutiv ist. Das Frobenius-Theorem besagt dar¨ uberhinaus, daß man angepaßte Koordinatensysteme um jeden Punkt p finden kann, so daß p ∈ U ⊆ M mit einer Karte (U, (x, y)), so daß lokal die Bl¨ atter durch y = const beschrieben werden, siehe auch Abbildung 4.2. Global kann durchaus ein Blatt N zu verschiedenen Werten von y in die Karte zur¨ ucklaufen“. ”
(x, y)
N
y
p
U
M
x Abb. 4.2. Eine Bl¨ atterungskarte
Eine integrable Distribution E liefert also eine Zerlegung von M in immersierte Untermannigfaltigkeiten, die Bl¨atter. Eine derartige Zerlegung heißt auch Bl¨atterung von M . Im allgemeinen ist die Dimension der Untermannigfaltigkeiten nicht konstant, siehe Abbildung 4.3.
Blatt durch p
Ep p Ep’ p’
Blätter niedrigerer Dimension
Abb. 4.3. Eine (singul¨ are) Bl¨ atterung
4.1 Poisson-Mannigfaltigkeiten
229
Beispiel 4.1.30. Sei X ∈ Γ∞ (T M ) ein Vektorfeld mit Fluß Φt und Ep der von X(p) ∈ Tp M erzeugte Untervektorraum. Das definiert offenbar eine glatte Distribution. Besitzt X Nullstellen, so ist E singul¨ar. Im allgemeinen ist E involutiv, da trivialerweise [X, X] = 0 gilt und somit V = {X} gew¨ahlt werden kann. Weiter gilt allgemein Φ∗t X = X, so daß die Faserdimension von E l¨angs der Flußlinien von X konstant ist, also entweder 0 bei den Nullstellen von X, die den Fixpunkten von Φt entsprechen, oder 1 an den Stellen mit X(p) = 0. Nach Satz 4.1.28 ist E daher integrabel. Dies sieht man selbstverst¨andlich auch direkt, da die Integralmannigfaltigkeiten von E gerade die Flußlinien beziehungsweise Fixpunkte von Φt sind, siehe Abbildung 4.4. Am Beispiel des irrationalen Flusses auf dem Torus sieht man auch, daß Integralmannigfaltigkeiten im allgemeinen nicht eingebettete Untermannigfaltigkeiten sein k¨ onnen. Das Stefan-Sussman-Theorem impliziert in diesem Sinne insbesondere den Satz von Picard-Lindel¨ of.
Abb. 4.4. Ein hyperbolischer Fixpunkt
Wir kommen nun zum Fall einer Poisson-Mannigfaltigkeit (M, π) zur¨ uck. Die glatte Distribution aus Beispiel 4.1.26 stellt sich dabei als integrabel heraus: Satz 4.1.31 (Symplektische Bl¨ atterung). Sei (M, π) eine Poisson-Mannigfaltigkeit. Dann gilt: i.) Die Hamiltonschen Vektorfelder spannen die glatte Distribution im ♯ ⊆ T M auf. ii.) im ♯ ist involutiv und integrabel. iii.) Jedes Blatt L ⊆ M tr¨agt eine kanonische symplektische Struktur ωL , welche durch (4.53) ωL p (Xf (p), Xg (p)) = {f, g}(p) uglich wohl-definiert ist, wobei Xf , Xg die Hamiltonschen Vektorfelder bez¨ π zu Funktionen f, g ∈ C ∞ (M ) sind.
Beweis. Die Differentiale df von Funktionen f ∈ C ∞ (M ) spannen lokal um jeden Punkt die Kotangentialr¨ aume auf. Nach Definition von im ♯ spannen
230
4 Poisson-Geometrie
daher die Vektorfelder (df )♯ = Xf lokal um jeden Punkt die Distribution im ♯ auf. Dies zeigt den ersten Teil. Da die Teilmenge aller Hamiltonschen Vektorfelder offenbar involutiv ist, nach [Xf , Xg ] = −X{f,g} , ist die Distribution involutiv. Um die Integrabilit¨ at zu zeigen, verwenden wir das Stefan-Sussman Kriterium. Wir m¨ ussen also zeigen, daß die Dimension von im ♯ l¨angs der Flußlinien von Hamiltonschen Fl¨ ussen konstant ist. Dies folgt aber direkt aus der Tatsache, daß Hamiltonsche Fl¨ usse insbesondere Poisson-Diffeomorphismen ur den Hasind. Zun¨ achst ist klar, daß dim(Tp∗ M )♯ = rang πp ist. Nun gilt f¨ miltonschen Fluß Φt zur Hamilton-Funktion f ∈ C ∞ (M ) aber Φ∗t π = π. Daher gilt f¨ ur alle t, f¨ ur die der (eventuell unvollst¨andige) Fluß definiert ist,
−1 πp (αp , βp ) = (Φ∗t π)p (αp , βp ) = πΦt (p) αp ◦ TΦt (p) Φ−1 . t , βp ◦ TΦt (p) Φt
ein linearer Isomorphismus ist, folgt rang πp = rang πΦt (p) f¨ ur Da TΦt (p) Φ−1 t alle t. Damit kann Satz 4.1.28 angewandt werden und im ♯ ist integrabel. Eine Poisson-Mannigfaltigkeit zerbl¨ attert also in immersierte Untermannigfaltigkeiten. Sei nun ιL : L ֒→ M ein solches Blatt dieser Bl¨atterung und sei p ∈ L. Da nach Identifikation mittels Tp ιL der Tangentialraum Tp L nach Definition eines Blattes gerade (Tp∗ M )♯ ist, gibt es also f¨ ur jeden Tangentialvektor vp ∈ Tp L eine Darstellung als Xf (p) mit einer Funktion f . Es ist also zu zeigen, daß (4.53) wohl-definiert ist und daß ωL tats¨achlich symplektisch ist. Sei also f, f ′ und g, g ′ ∈ C ∞ (M ) mit Xf (p) = Xf ′ (p) sowie Xg (p) = Xg′ (p). Dann gilt {f, g}(p) = df p (Xg (p)) = df p (Xg′ (p)) = {f, g ′ }(p) = −dg ′ p (Xf (p)) = −dg ′ p (Xf ′ (p)) = {f ′ , g ′ }(p), womit (4.53) wohl-definiert ist. Die Bilinearit¨ at von ωL p ist klar. Sei ein Tan ur alle Xg (p) gegeben. Dann gentialvektor Xf (p) mit ωL p (Xf (p), Xg (p)) = 0 f¨ gilt {f, g}(p) = 0 f¨ ur alle g und damit dg p (Xf (p)) = 0 f¨ ur alle g. Da aber die ∗ Differentiale dg p den Kotangentialraum Tp M aufspannen, folgt Xf (p) = 0. Da ιL : L ֒→ M eine injektive Immersion ist, k¨onnen wir mittels Tp ιL den Tangentialraum Tp L als Untervektorraum von Tp M identifizieren, und daher verschwindet Xf (p) auch als Tangentialvektor an L. Dies zeigt die Nichtausgeartetheit. F¨ ur die Geschlossenheit von ωL verwenden wir die Vektorfelder Xf , Xg und Xh , welche alle tangential an L sind, also Vektorfelder auf L liefern. Dann gilt nach Definition (dωL )(Xf , Xg , Xh ) = Xf (ωL (Xg , Xh )) + Xg (ωL (Xh , Xf )) + Xh (ωL (Xf , Xg )) − ωL ([Xf , Xg ], Xh ) − ωL ([Xg , Xh ], Xf ) − ωL ([Xh , Xf ], Xg ) = {f, {g, h}} + {g, {h, f }} + {h, {f, h}} + {{f, g}, h} + {{g, h}, f } + {{h, f }, g} = 0.
4.1 Poisson-Mannigfaltigkeiten
231
Bei der Rechnung haben wir mit einigem Notationsmißbrauch Tangentialvektoren in T L mit ihren Bildern unter der Tangentialabbildung T ιL in T M identifiziert. Da nun aber die Vektorfelder Xf , Xg , Xh an jedem Punkt den Tangentialraum an L aufspannen, folgt die Geschlossenheit. ⊓ ⊔ Bemerkung 4.1.32. Sei (M, π) eine Poisson-Mannigfaltigkeit und ιL : L ֒→ M ein symplektisches Blatt. i.) Ist {·, ·}L die Poisson-Klammer zur symplektischen Form ωL auf L, so gilt {ι∗L f, ι∗L g}L = ι∗L {f, g}
(4.54)
f¨ ur alle f, g ∈ C ∞ (M ), siehe Aufgabe 4.8. ii.) Ist f ∈ H0π (M ) eine Casimir-Funktion auf M , so ist ι∗L f konstant, denn zum einen spannen die dι∗L g = ι∗L dg jeden Kotangentialraum auf, da ja Tp ι : Tp L ֒→ Tp M injektiv ist und damit (Tp ιL )∗ : Tp∗ M → Tp∗ L surjektiv ist. Zum anderen gilt 0 = ι∗L {f, g} = {ι∗L f, ι∗L g} = −(dι∗L g)(Xι∗L f ), womit das auf L gebildete Hamiltonsche Vektorfeld Xι∗L f verschwindet. Da L aber symplektisch und zusammenh¨ angend ist, folgt ι∗L f = const. Zu jeder Casimir-Funktion liegen die symplektischen Bl¨atter also immer in einer bestimmten Niveaufl¨ ache. iii.) Wir k¨ onnen die Aussage von Bemerkung 4.1.14 insofern versch¨arfen, als daß wir nun die symplektischen Bl¨ atter als verallgemeinerte, klassische Superauswahlregeln ansehen, da nach Konstruktion der symplektischen Bl¨ atter ein Hamiltonscher Fluß nie aus einem solchen Blatt herausf¨ uhren kann. Dies liefert offenbar eine im allgemeinen feinere Unterteilung des gesamten Phasenraums M als die Casimir-Funktionen durch ihre Urbildmengen zu bestimmten Werten. Beispiel 4.1.33 (Symplektische Bl¨atter in so(3)∗ ). Wir betrachten so(3) = wobei die Lie-Algebrastruktur bez¨ uglich der Standardbasis durch [ei , ej ] = ǫkij ek
Ê3,
(4.55)
beschrieben wird. Da das Euklidische Skalarprodukt rotationsinvariant ist, k¨ onnen wir mit seiner Hilfe die Lie-Algebra mit ihrem Dualraum identifizieren. Die resultierende lineare Poisson-Klammer auf 3 wie in Abschnitt 4.1.3 ist daher explizit durch
Ê
{f, g}(x) = xk ǫkij
∂g ∂f (x) (x) ∂xi ∂xj
(4.56)
gegeben. Eine leichte Rechnung zeigt, daß x2 eine Casimir-Funktion ist. Daher liegen die symplektischen Bl¨ atter innerhalb der Niveaufl¨achen von 2 x , also innerhalb des Ursprungs beziehungsweise der konzentrischen 2Sph¨ aren um den Ursprung. Da π(x) f¨ ur x = 0 nicht identisch verschwindet, m¨ ussen die symplektischen Bl¨ atter mindestens zweidimensional sein. Damit folgt aber insgesamt, daß die symplektischen Bl¨atter mit den Sph¨aren
232
4 Poisson-Geometrie
ubereinstimmen, denn sie m¨ ussen offenbar offene Teilmengen der Sph¨aren ent¨ halten und die Rotationsinvarianz liefert, daß sie mit der jeweiligen ganzen Sph¨ are u ussen. Ausnahme bleibt der Ursprung 0, welcher ¨ bereinstimmen m¨ ein nulldimensionales symplektisches Blatt darstellt. Die symplektische Form, die durch (4.53) auf den Sph¨ aren definiert wird, stimmt bis auf ein radiusabh¨ angiges Vielfaches mit der symplektischen Struktur u ¨ berein, welche in Aufgabe 3.12 diskutiert wird. In Aufgabe 4.7 wird dieses Beispiel in einen gr¨ oßeren Zusammenhang gestellt werden. Wir schließen diesen Abschnitt mit Weinsteins Splitting-Theorem, welches lokal die Form einer Poisson-Mannigfaltigkeit beschreibt: Satz 4.1.34 (Splitting -Theorem). Sei (M, π) eine Poisson-Mannigfaltigkeit und p ∈ M . Dann existiert eine um p zentrierte Karte (U, (q, p, y)) mit (q, p, y) = (q 1 , . . . , q n , p1 , . . . , pn , y 1 , . . . , y ℓ ), so daß ℓ n ∂ ∂ 1 ij ∂ ∂ ϕ (y) i ∧ j ∧ + π (q, p, y) = i ∂q ∂pi 2 i,j=1 ∂y ∂y U i=1
(4.57)
mit ϕij (0) = 0.
F¨ ur einen Beweis verweisen wir auf [73, Thm. 4.2] sowie auf [107] f¨ ur eine detailliertere Diskussion verschiedener Normalformentheoreme in der PoissonGeometrie. Letztlich beinhaltet dieses Theorem die selbe Aussage wie Satz 4.1.31, da aus (4.57) das symplektische Blatt L durch p zumindest lokal durch die Bedingung y 1 = · · · = y ℓ = 0 beschrieben wird. Die auf L induzierte symplektische Form ist in dieser Untermannigfaltigkeitskarte dann einfach die kanonische symplektische Form in den Koordinaten (q, p). Lokal kann also eine Poisson-Mannigfaltigkeit als Kartesisches Produkt einer symplektischen Mannigfaltigkeit und einer Poisson-Mannigfaltigkeit mit einer an einem Punkt verschwindenden Poisson-Klammer geschrieben werden. In der Tat gilt lokal in den Koordinaten von Satz 4.1.34 ℓ ℓ ∂ ∂ ∂ 1 ∂ 1 (4.58) ϕij i ∧ j , ϕrs r ∧ s = 0, 2 i,j=1 ∂y ∂y 2 r,s=1 ∂y ∂y da π, π = 0, die Koordinatenvektorfelder alle ·, ·-kommutieren und die Funktionen ϕij nicht von den Koordinaten (q, p) abh¨angen. Das Splitting-Theorem kann auch als eine nichtlineare Verallgemeinerung von Proposition 4.1.17 gesehen werden, wo wir die Normalform von konstanten Poisson-Strukturen diskutiert haben. Angewandt auf eine symplektische Mannigfaltigkeit liefert das Splitting-Theorem gerade wieder das DarbouxTheorem.
4.1 Poisson-Mannigfaltigkeiten
233
4.1.5 Poisson-Abbildungen Da wir an der Funktionenalgebra C ∞ (M ) als der Poisson-Algebra der Observablen interessiert sind, ist es naheliegend, f¨ ur verschiedene Poisson-Mannigfaltigkeiten (M1 , π1 ) und (M2 , π2 ) Poisson-Algebrahomomorphismen ϕ : C ∞ (M2 ) −→ C ∞ (M1 )
(4.59)
zu betrachten, also lineare Abbildungen ϕ mit den beiden Eigenschaften ϕ(f g) = ϕ(f )ϕ(g)
(4.60)
ϕ({f, g}2 ) = {ϕ(f ), ϕ(g)}1
(4.61)
f¨ ur alle f, g ∈ C ∞ (M2 ). Im Falle komplexwertiger Funktionen verlangen wir zudem noch ϕ(f ) = ϕ(f ). Auf diese Weise erh¨alt man ganz allgemein unabh¨ angig davon, ob die Poisson-Algebra eine Funktionenalgebra ist, die gute und naheliegende Definition eines Morphismus f¨ ur Poisson-Algebren. Dies definiert die Kategorie der Poisson-Algebren Poisson beziehungsweise der ur den Fall C ∞ (M ) die LiPoisson-∗-Algebren ∗ Poisson. Es zeigt sich, daß f¨ nearit¨ at von ϕ zusammen mit (4.60) bereits impliziert, daß ϕ der pull-back mit einer glatten Abbildung Φ : M1 −→ M2 ist (Milnor’s Exercise, siehe Bemerkung 2.1.30). Dies motiviert folgende Definition, welche die PoissonDiffeomorphismen verallgemeinert: Definition 4.1.35 (Poisson-Abbildung). Seien (M1 , π1 ) und (M2 , π2 ) zwei Poisson-Mannigfaltigkeiten und sei Φ : M1 −→ M2 eine glatte Abbildung. Dann heißt Φ Poisson-Abbildung, falls Φ∗ {f, g}2 = {Φ∗ f, Φ∗ g}1
(4.62)
f¨ ur alle f, g ∈ C ∞ (M2 ). Poisson-Abbildungen sind also die geometrische Version von Poisson-Algebrahomomorphismen. Bevor wir uns den Beispielen zuwenden, geben wir zun¨achst einige ¨aquivalente Umformulierungen. Zwei beliebige k-fach kontravariante Tensorfelder X1 ∈ Γ∞ (T k T M1 ) und X2 ∈ Γ∞ (T k T M2 ) heißen Φ-verwandt, falls (4.63) (Tp Φ ⊗ · · · ⊗ Tp Φ) X1 p = X2 Φ(p) f¨ ur alle p ∈ M1 gilt. Dies verallgemeinert den Begriff von Φ-verwandten Vektorfeldern, wie er in Aufgabe 2.8 diskutiert wird. F¨ ur einen Diffeomorphismus Φ gilt, daß X1 genau dann Φ-verwandt zu X2 ist, falls Φ∗ X1 = X2 gilt, was unmittelbar aus der Definition folgt. Da im allgemeinen aber kein push-forward oder pull-back von kontravarianten Tensorfeldern definiert werden kann, stellt die obige Relation eine nichttriviale Erweiterung f¨ ur glatte Abbildungen Φ dar, die keine Diffeomorphismen zu sein brauchen.
234
4 Poisson-Geometrie
Satz 4.1.36 (Poisson-Abbildungen). Sei Φ : (M1 , π1 ) −→ (M2 , π2 ) eine glatte Abbildung zwischen zwei Poisson-Mannigfaltigkeiten. Dann sind folgende Aussagen ¨aquivalent: i.) Die Abbildung Φ ist eine Poisson-Abbildung. ii.) Die Hamiltonschen Vektorfelder XΦ1 ∗ f und Xf2 sind f¨ ur alle f ∈ C ∞ (M2 ) Φ-verwandt. iii.) Die Poisson-Tensoren π1 und π 2 sind Φ-verwandt. iv.) Es gilt Tp Φ ◦ ♯1 p ◦ (Tp Φ)∗ = ♯2 Φ(p) f¨ ur alle p ∈ M1 .
Beweis. Wir zeigen i.) ⇒ ii.) ⇒ iii.) ⇒ iv.) ⇒ i.) . Sei also zun¨achst {Φ∗ f, Φ∗ g}1 = Φ∗ {f, g}2 . Dann gilt f¨ ur alle p ∈ M1 df Φ(p) Xg2 Φ(p) = (df (Xg2 )) Φ(p) = Φ∗ (df (Xg2 ))(p)
= (Φ∗ {f, g}2 )(p) = {Φ∗ f, Φ∗ g}1 (p) = (dΦ∗ f ) p XΦ1 ∗ g p = (Φ∗ df ) p XΦ1 ∗ g p = df Φ(p) Tp Φ XΦ1 ∗ g p .
∗ Da die df Φ(p) den Kotangentialraum TΦ(p) M2 aufspannen, folgt Xg2 Φ(p) = Tp Φ XΦ1 ∗ g p , also ii.). Mit ii.) gilt , df Φ(p) = Xf2 Φ(p) π2 Φ(p) = Tp Φ XΦ1 ∗ f p , (dΦ∗ f ) p = Tp Φ π1 p , (Φ∗ df ) p = Tp Φ π1 p = Tp Φ π1 p , df Φ(p) ◦ Tp Φ = (Tp Φ ⊗ Tp Φ) π1 p , df Φ(p) ,
wobei die letzte Gleichung ganz allgemein f¨ ur Tensorprodukte von Abbildun∗ gen gilt. Damit folgt iii.). Wir nehmen nun iii.) an. Sei also α ∈ TΦ(p) M2 . Dann gilt Tp Φ ◦ ♯1 p ◦ (Tp Φ)∗ α = Tp Φ ◦ ♯1 p (α ◦ Tp Φ) = Tp Φ π1 p ( , α ◦ Tp Φ)
4.1 Poisson-Mannigfaltigkeiten
235
= (Tp Φ ⊗ Tp Φ) π1 p ( , α) = π2 p ( , α) = α♯2 ,
womit iv.) folgt. Schließlich zeigt man unter der Annahme von iv.), daß {Φ∗ f, Φ∗ g}1 (p) = (dΦ∗ f ) p XΦ1 ∗ g p ♯ = (Φ∗ df ) p (dΦ∗ g) 1 p = df Φ(p) Tp Φ (dΦ∗ g)♯1 p ♯ = df Φ(p) Tp Φ (dg ◦ Tp Φ) 1 p = df Φ(p) (dg)♯2 Φ(p) = df Φ(p) Xg2 Φ(p) = (Φ∗ {f, g}) (p),
also i.).
⊓ ⊔
Bemerkung 4.1.37 (Die Poisson-Kategorie). Da die Hintereinanderausf¨ uhrung von Poisson-Abbildungen wieder eine Poisson-Abbildung ist, was unmittelbar aus der Definition folgt, und die Identit¨at idM : (M, π) −→ (M, π) ebenfalls eine Poisson-Abbildung ist, folgt, daß die Poisson-Abbildungen die Morphismen einer Kategorie sind: Als Objekte nimmt man Poisson-Mannigfaltigkeiten und als Morphismen die Poisson-Abbildungen. Diese PoissonKategorie PoissonMf ist in vielerlei Hinsicht reichhaltiger als ihr symplektisches Analogon, da es nun nicht nur sehr viel mehr Objekte sondern auch mehr Morphismen zwischen den Objekten gibt. Offenbar ist es genau diese Kategorie, welche uns interessieren sollte, da sie gerade die klassischen Observablenalgebren mit ihren Poisson-Algebrahomomorphismen beschreibt. Die Zuordnung (M, π) → (C ∞ (M ), {·, ·}) und (Φ : (M1 , π1 ) −→ (M2 , π2 )) → (Φ∗ : C ∞ (M2 ) −→ C ∞ (M1 )) liefert dann einen kontravarianten Funktor PoissonMf −→ Poisson. Wir kommen nun zu den Beispielen. Das wichtigste Beispiel sind ad∗ aquivariante Impulsabbildungen: ¨ Proposition 4.1.38. Sei Φ : G × M −→ M eine symplektische G-Wirkung auf (M, ω) und J : M −→ g∗ eine Impulsabbildung f¨ ur Φ. Dann ist ¨aquivalent: i.) J ist ad∗ -¨aquivariant, also {J(ξ), J(η)} = J([ξ, η]) f¨ ur alle ξ, η ∈ g. ii.) J ist eine Poisson-Abbildung bez¨ uglich der kanonischen linearen PoissonStruktur auf g∗ , also {J ∗ f, J ∗ g}M = J ∗ {f, g}g∗
236
4 Poisson-Geometrie
∗ Beweis. Sei p ∈ M und die Impulsabbildung wollen sei ad -¨aquivariant. Dann ∗ wir zeigen, daß (Tp J ⊗ Tp J)(πM p ) = πg∗ J(p) . Sei also ξ, η ∈ TJ(p) g∗ = g
gegeben und J(ξ), J(η) ∈ Pol1 (g∗ ) die entsprechenden linearen Funktionen achst J ∗ J(ξ) = J(ξ). Mit der u auf g ∗ . Dann gilt zun¨ ¨blichen Identifikation dJ(ξ) α = ξ folgt weiter (Tp J ⊗ Tp J) πM p dJ(ξ) J(p) , dJ(η) J(p) = πM p (Tp J)∗ dJ(ξ) J(p) , (Tp J)∗ dJ(η) J(p) = πM p (J ∗ dJ(ξ)) p , (J ∗ dJ(η)) p = πM dJ ∗ J(ξ) , dJ ∗ J(η) p
∗
p
p
∗
= {J J(ξ), J J(η)}M (p) = J([ξ, η])(p)
= {J(ξ), J(η)}g∗ (J(p)) = πg∗ J(p) dJ(ξ) J(p) , dJ(η) J(p) .
Da ξ, η beliebig sind, folgt nach Satz 4.1.36, daß J eine Poisson-Abbildung ist. Sei also umgekehrt J eine Poisson-Abbildung und ξ, η ∈ g∗ . Dann liefert die Definition von J(ξ) die Gleichung J ∗ ({J(ξ), J(η)}g∗ ) (p) = J ∗ (J([ξ, η])) (p) = J([ξ, η])(p). Andererseits gilt {J ∗ J(ξ), J ∗ J(η)}M (p) = {J(ξ), J(η)}M (p), womit J eine aquivariante Impulsabbildung ist. ⊓ ⊔ ad∗ -¨ Neben den Impulsabbildungen gibt es aber auch noch weitere wichtige Beispiele, die wir schon in anderen Zusammenh¨angen gesehen haben: Beispiel 4.1.39 (Poisson-Abbildungen). i.) Sei Φ : G × M −→ M eine eigentliche und freie Poisson-Wirkung von G auf (M, π) und sei (M G, πM/G ) der zugeh¨orige Poisson-Quotient. Dann ist die Quotientenabbildung
pr : (M, π) −→ (M G, πM/G ) (4.64)
eine Poisson-Abbildung, siehe Proposition 4.1.22, Gleichung (4.49). Die Poisson-Struktur πM/G f¨ ur M G war ja gerade durch diese Bedingung definiert. ii.) Sei (M, π) eine Poisson-Mannigfaltigkeit und ιL : L ֒→ M ein symplektisches Blatt. Dann zeigt Bemerkung 4.1.32, Gleichung (4.54), daß die symplektische Struktur ωL auf L gerade so beschaffen ist, daß ιL eine Poisson-Abbildung ist.
4.2 Lie-Algebroide und Poisson-Kohomologie
237
iii.) Eine Poisson-Abbildung zwischen zwei symplektischen Mannigfaltigkeiten ist notwendigerweise eine Submersion, siehe Aufgabe 3.1. F¨ ur allgemeine Poisson-Mannigfaltigkeiten braucht dies nicht der Fall zu sein, wie die bisherigen Beispiele, insbesondere ii.), demonstrieren. Hier gibt es also viel mehr interessante“ Morphismen. ” Von besonderem Interesse sind Poisson-Abbildungen zwischen PoissonMannigfaltigkeiten, wo die eine Mannigfaltigkeit symplektisch ist. Die symplektischen Bl¨ atter ebenso wie die Impulsabbildungen sind Beispiele hierf¨ ur. Definition 4.1.40 (Symplektische Realisierung). Eine Poisson-Abbildung φ : (N, ω) −→ (M, π) mit (N, ω) symplektisch heißt symplektische Realisierung von (M, π). Nichttriviale symplektische Realisierungen erh¨alt man dann durch folgenden Satz von Weinstein und Karasev, siehe beispielsweise [73, Thm. 6.3]: Satz 4.1.41 (Surjektive submersive symplektische Realisierungen). Jede Poisson-Mannigfaltigkeit besitzt eine surjektive submersive symplektische Realisierung. Die Frage, ob es sogar eine vollst¨andige surjektive submersive symplektische Realisierung gibt, siehe Aufgabe 4.11 f¨ ur den Begriff einer vollst¨andigen Poisson-Abbildung, konnte erst k¨ urzlich umfassend beantwortet werden. Im allgemeinen gibt es Obstruktionen, welche in [86] detailliert charakterisiert werden. Bemerkung 4.1.42. Ist φ : (N, ω) −→ (M, π) eine surjektive submersive symplektische Realisierung von (M, π), so ist φ∗ : C ∞ (M ) −→ C ∞ (N )
(4.65)
ein injektiver Poisson-Algebrahomomorphismus. Man kann die Observablenalgebra C ∞ (M ) also als eine Unteralgebra von C ∞ (N ) auffassen, wobei letztere eben eine symplektische Poisson-Klammer ist. Dies liefert eine weitere Interpretation von Poisson-Mannigfaltigkeiten, n¨ amlich als (bestimmte) PoissonUnteralgebren von symplektischen Observablenalgebren. Es ist jedoch nicht ur symplektisches (N, ω) von dieser jede Poisson-Unteralgebra von C ∞ (N ) f¨ Form. Die polynomialen Funktionen auf 2n bilden ein Gegenbeispiel.
Ê
4.2 Lie-Algebroide und Poisson-Kohomologie In diesem Abschnitt diskutieren wir die Grundlagen der Theorie der LieAlgebroide mit einigen Beispielen, siehe beispielsweise [73, 216, 224, 238] f¨ ur weiterf¨ uhrende Literatur, um als die f¨ ur uns wichtigste Anwendung die Poisson-Kohomologie definieren zu k¨ onnen. Diese wird insbesondere in der formalen Deformationstheorie von Poisson-Strukturen und sp¨ater auch in der
238
4 Poisson-Geometrie
Deformationsquantisierung eine zentrale Rolle spielen. Die globale Theorie der Lie-Algebroide ist die Theorie der Lie-Gruppoide, auf welche hier nicht eingegangen werden kann. Wir verweisen stattdessen auf die ausf¨ uhrlichen Darstellungen in [73, 194, 224, 238] sowie die dort angegebene Literatur. 4.2.1 Lie-Algebroide Lie-Algebroide verallgemeinern zum einen Lie-Algebren, indem man die Strukturkonstanten punktabh¨ angig“ macht, zum anderen verallgemeinern sie das ” Tangentenb¨ undel T M −→ M . Dazu betrachtet man ein beliebiges (reelles) Vektorb¨ undel E −→ M u ¨ber einer Mannigfaltigkeit M . Man will nun aus den Schnitten Γ∞ (E) von E in sinnvoller Weise Tangentialvektorfelder, also Schnitte von T M konstruieren, so daß die wesentlichen Eigenschaften von ur Γ∞ (E) nachgebildet werden. Dies motiviert folgende Definition: Γ∞ (T M ) f¨ Definition 4.2.1 (Lie-Algebroid). Ein Lie-Algebroid ¨ uber M ist ein Vektorb¨ undel E −→ M zusammen mit einer Lie-Klammer [·, ·]E f¨ ur Γ∞ (E) und einem Vektorb¨ undelhomomorphismus ̺ : E −→ T M , der Ankerabbildung, so daß folgende Leibniz-Regel [s, f t]E = f [s, t]E + (̺(s)f )t
(4.66)
f¨ ur s, t ∈ Γ∞ (E) und f ∈ C ∞ (M ) gilt. Hier und im folgenden bezeichnet ̺(s) ∈ Γ∞ (T M ) den Schnitt ̺ ◦ s von T M . Die folgenden noch recht trivialen Beispiele illustrieren in gewisser Weise die extremen“ F¨ alle eines Lie-Algebroids. Etwas kompliziertere und interessan” tere Beispiele werden wir sp¨ ater noch sehen: Beispiel 4.2.2 (Lie-Algebroide I). i.) Das Tangentenb¨ undel T M −→ M ist selbst ein Lie-Algebroid mit Anker ̺ = idT M und der u ur Γ∞ (T M ). Dieser Fall soll¨blichen Lie-Klammer f¨ te durch den Begriff des Lie-Algebroids ja insbesondere verallgemeinert werden. Wir werden das Tangentenb¨ undel immer mit dieser kanonischen Lie-Algebroidstruktur versehen. ii.) Ist die Ankerabbildung ̺ = 0, so ist die Lie-Klammer [·, ·]E funktionenlinear, also nach Satz 2.2.24 ein Tensorfeld. In diesem Fall ist also jede Faser Ep von E eine Lie-Algebra mit einer durch [·, ·]E induzierten LieAlgebrastruktur. Diese Lie-Algebrastruktur h¨angt glatt vom Fußpunkt p ∈ M ab, ist aber nicht notwendigerweise isomorph f¨ ur verschiedene Fußpunkte. Man erh¨ alt so ein B¨ undel von Lie-Algebren. iii.) Ist M = {pt} ein Punkt, so ist E −→ {pt} ein Vektorraum und eine Lie-Algebroidstruktur ist einfach eine Lie-Algebrastruktur auf E. Folgende einfache Beobachtung zeigt, daß die Ankerabbildung automatisch ein Homomorphismus von Lie-Algebren ist:
4.2 Lie-Algebroide und Poisson-Kohomologie
239
Proposition 4.2.3. Sei E −→ M ein Lie-Algebroid. Dann gilt ̺([s, t]E ) = [̺(s), ̺(t)]
(4.67)
f¨ ur s, t ∈ Γ∞ (E). Beweis. Es gilt f¨ ur s, t, u ∈ Γ∞ (E) und f ∈ C ∞ (M ) [[s, t]E , f u]E = f [[s, t]E , u]E + (̺ ([s, t]E ) f )u und andererseits mit Hilfe der Jacobi-Identit¨ at und Leibniz-Regel f¨ ur [·, ·]E [[s, t]E , f u]E = [s, [t, f u]E ]E + [[s, f u]E , t]E = [s, f [t, u]E + (̺(t)f )u]E + [f [s, u]E + (̺(s)f )u, t]E = f [[s, t]E , u]E + ([̺(s), ̺(t)] f ) u. Daraus folgt also, da ̺(s) und ̺(t) Vektorfelder sind und der Kommutator von Lie-Ableitungen der Lie-Klammer von Vektorfeldern entspricht, daß ur alle u ∈ Γ∞ (E). Da wir aber lokal u = 0 (̺([s, t]E )f ) u = ([̺(s), ̺(t)] f ) u f¨ erreichen k¨ onnen, muß bereits ̺([s, t]E )f = [̺(s), ̺(t)] f gelten. Damit folgt die Behauptung. ⊓ ⊔ Diese Beobachtung erlaubt es uns, ein weiteres Beispiel f¨ ur Lie-Algebroide in die Liste mit aufzunehmen: Beispiel 4.2.4 (Lie-Algebroide II). iv.) Sei E −→ M ein Lie-Algebroid mit injektivem Anker ̺ : E −→ T M . Dann kann man E als Untervektorb¨ undel E ⊆ T M betrachten und Proposition 4.2.3 zeigt, daß Γ∞ (E) unter der u ¨ blichen Lie-Klammer von Vektorfeldern abgeschlossen ist, also eine Lie-Unteralgebra von Γ∞ (T M ) liefert. Damit ist E ⊆ T M ein involutives Untervektorb¨ undel und somit, da der Rang sowieso konstant ist, integrabel. Umgekehrt ist nat¨ urlich jede involutive regul¨ are Distribution genau von dieser Form, so daß involutive regul¨ are Distributionen besonderen F¨ allen von Lie-Algebroiden entsprechen, eben jenen mit injektivem Anker. Allgemein erh¨ alt man immer eine singul¨ are aber involutive Distribution als Bild von ̺ gem¨ aß Proposition 4.2.3. Folgerung 4.2.5. Sei E −→ M ein Lie-Algebroid ¨ uber M mit Anker ̺. Dann ist ̺(E) ⊆ T M eine involutive, im allgemeinen singul¨are Distribution. Es zeigt sich, siehe beispielsweise [73, Sect. 16.1], daß ̺(E) sogar integrabel ist, also eine im allgemeinen singul¨ are Bl¨ atterung von M in immersierte Untermannigfaltigkeiten liefert. Man nennt diese Bl¨atter auch die Bahnen des Lie-Algebroids. Da Lie-Algebroide in gewisser Hinsicht das Tangentenb¨ undel ersetzen, kann man versuchen, die u ur Multivektor¨ blichen, kanonischen Strukturen f¨ felder und Differentialformen auch f¨ ur ein Lie-Algebroid nachzubauen. Da die
240
4 Poisson-Geometrie
Konstruktion der ¨ außeren Ableitung d und der Schouten-Nijenhuis-Klammer ·, · rein algebraisch ist, ist dies tats¨ achlich m¨ oglich. Weiter hatten wir in Proposition 3.2.8 gesehen, daß die Lie-Klammer von Vektorfeldern vollst¨andig in der kanonischen, symplektischen Poisson-Mannigfaltigkeit T ∗ Q kodiert ist, da {J(X), J(Y )} = −J([X, Y ]) und ebenso {J(X), π ∗ f } = −π ∗ LX f f¨ ur alur ein le X, Y ∈ Γ∞ (T Q) und f ∈ C ∞ (Q) gilt. Dies legt nahe, daß auch f¨ allgemeines Lie-Algebroid E auf dem dualen Vektorb¨ undel E ∗ −→ M eine Poisson-Struktur existiert, welche ihrerseits E als Lie-Algebroid charakterisiert. Der folgende Satz zeigt, daß dies in der Tat der Fall ist: Satz 4.2.6. Sei π : E −→ M ein Vektorb¨ undel ¨ uber M . Dann sind folgende Aussagen beziehungsweise Strukturen ¨aquivalent: i.) E ist ein Lie-Algebroid mit Lie-Klammer [·, ·]E und Anker ̺. ii.) Γ∞ (Λ• E) ist eine Gerstenhaber-Algebra mit dem assoziativen Produkt ∧ und einer Gerstenhaber-Klammer ·, ·E . iii.) Γ∞ (Λ• E ∗ ) ist eine differentielle gradierte Algebra mit einem Differential dE bez¨ uglich ∧ vom Grad +1. iv.) E ∗ ist eine Poisson-Mannigfaltigkeit mit einer Poisson-Klammer {·, ·}E , so daß Polk (E ∗ ), Polℓ (E ∗ ) ⊆ Polk+ℓ−1 (E ∗ ), (4.68) f¨ ur alle k, ℓ ∈
E
0.
Die Beziehungen zwischen den einzelnen Strukturen sind dabei folgende, jeweils ausgedr¨ uckt durch die Lie-Algebroidstrukturen [·, ·]E und ̺: •
Die Gerstenhaber-Klammer ·, ·E ist durch f, sE = −̺(s)f = − s, fE ,
•
s, tE = [s, t]E , (4.69) sowie die kanonische Fortsetzung auf Γ∞ (Λ• E) mittels der Super-LeibnizRegel festgelegt. Das Differential dE ist durch (dE α)(s0 , . . . , sk ) =
k i=0
+
i<j
•
f, gE = 0
und
i (−1)i ̺(si ) α(s0 , . . . , ∧, . . . , sk )
j i (−1)i+j α [si , sj ]E , s0 , . . . , ∧, . . . , ∧, . . . , sk (4.70)
bestimmt, wobei α ∈ Γ∞ (Λk E ∗ ) und s0 , . . . , sk ∈ Γ∞ (E). Die Poisson-Klammer ist durch {π ∗ f, π ∗ g}E = 0, und
{π ∗ f, J(s)}E = π ∗ (̺(s)f )
{J(s), J(t)}E = −J([s, t]E )
(4.71)
4.2 Lie-Algebroide und Poisson-Kohomologie
241
zusammen mit der kanonischen Fortsetzung durch die Leibniz-Regel festgelegt. Hier ist J : S• (E) −→ Pol• (E ∗ ) der kanonische gradierte Algebraisomorphismus aus Satz 2.2.23 und s, t ∈ Γ∞ (E) und f, g ∈ C ∞ (M ).
Mit der Definition LsE = [i(s), dE ] gelten die Beziehungen von i, d, ·, · und L aus Satz 2.3.35 auch f¨ ur i, dE , ·, ·E und L E .
Beweis. Der Beweis besteht im wesentlichen darin, zu sehen, daß die Aussagen u ur T M beziehungsweise T ∗ M nur von der Lie¨ ber i, d, ·, · und L f¨ Algebroidstruktur von T M Gebrauch machen und daher u ¨ bernommen werden k¨ onnen. Auf die Gefahr hin zu langweilen, wiederholen und skizzieren wir dennoch die relevanten Argumente. i.) ⇒ ii.) Die E-Schouten-Nijenhuis-Klammer ·, ·E wird durch Erzwingen der Super-Leibniz-Regel ausgehend von den Graden 0 und 1 (beziehungsweise −1 und 0 bez¨ uglich ·, ·E ) auf ganz Γ∞ (Λ• E) fortgesetzt. Daß die SuperJacobi-Identit¨ at dann tats¨ achlich gilt, folgt wie im Fall T M aus der JacobiIdentit¨ at f¨ ur die (lokalen) Generatoren. ii.) ⇒ i.) Die Einschr¨ ankung der Gerstenhaber-Klammer ·, ·E auf die Tensorgrade 0 und 1 liefert gerade ̺ und [·, ·]E gem¨aß den Formeln (4.69). Die Jacobi- und Leibniz-Regel f¨ ur [·, ·] und ̺ sind dann einfach die Schatten“ der ” entsprechenden Regeln f¨ ur ·, ·E . unschte Formel (4.70) und rechi.) ⇒ iii.) Wir definieren dE durch die gew¨ nen zun¨ achst mit Hilfe der Leibniz-Regel nach, daß dE α in jedem Argument C ∞ (M )-linear ist, womit dE α nach Satz 2.2.24 ein Tensorfeld ist. Die Antisymmetrie ist klar, und damit erh¨ alt man dE : Γ∞ (Λ• E ∗ ) −→ Γ∞ (Λ•+1 E ∗ ). Es bleibt zu zeigen, daß dE ein Differential ist, also d2E = 0 und dE (α ∧ β) = dE α ∧ β + (−1)k α ∧ dE β f¨ ur α ∈ Γ∞ (Λk E ∗ ), β ∈ Γ∞ (Λ• (E ∗ )). Dies erfolgt aber durch direktes Nachrechnen analog zum Fall der ¨ außeren Ableitung. ur Γ∞ (Λ• E ∗ ) vorgegeben, dann definiert iii.) ⇒ i.) Sei ein Differential dE f¨ man zun¨ achst ̺(s)f = (dE f )(s) f¨ ur s ∈ Γ∞ (E) und f ∈ C ∞ (M ). Da dE die Leibniz-Regel bez¨ uglich ∧ erf¨ ullt, folgt, daß ̺(s) eine Derivation bez¨ uglich des punktweisen Produkts von Funktionen ist. Daher ist ̺(s) nach Satz 2.1.26 ein Vektorfeld in T M . Weiter folgt ̺(gs)f = (dE f )(gs) = g(dE f )(s) = g̺(s)f , womit ̺ funktionenlinear ist. Damit ist ̺ aber ein Vektorb¨ undelhomomorphismus ̺ : E −→ T M nach Satz 2.2.24, und der Anker ist gefunden. Sei nun α ∈ Γ∞ (E ∗ ) und s, t ∈ Γ∞ (E). Dann betrachtet man die Funktion [[i(s), dE ], i(t)]α = (dE (α(t)))(s) − (dE α)(s, t) − (dE (α(s)))(t) und rechnet mit Hilfe der Leibniz-Regel f¨ ur dE nach, daß dieser Ausdruck C ∞ (M )-linear in α ist. Daher gibt es nach Satz 2.2.24 ein Vektorfeld [s, t]E mit
242
4 Poisson-Geometrie
(dE (α(t)))(s) − (dE α)(s, t) − (dE (α(s)))(t) = α([s, t]E ).
Dies definiert die Lie-Klammer [s, t]E . Es bleibt zu zeigen, daß [·, ·]E die Jacobi-Identit¨ at sowie die Leibniz-Regel bez¨ uglich ̺ erf¨ ullt. Dies geschieht durch einfaches Nachrechnen unter Verwendung der Leibniz-Regel f¨ ur dE sowie d2E = 0. Im wesentlichen ist diese Definition der Lie-Klammer (insbesondere auch im Fall T M ) die Idee von Bemerkung 2.3.36, womit man auch die gesamte E-Schouten-Nijenhuis-Klammer ·, ·E h¨atte erhalten k¨onnen. ¨ i.) ⇒ iv.) Wir beginnen mit einigen lokalen Uberlegungen in einer Karte (U, x) von M und einer lokalen Trivialisierung von E mittels auf U definier ¨ in Abter Basisschnitte e1 , . . . , ek von E U , siehe auch unsere Uberlegungen schnitt 2.2.3. Letztere induzieren Faserkoordinaten vp = v α eα (p) f¨ ur vp ∈ Ep , womit wir lokale Koordinaten (x1 , . . . , xn , v 1 , . . . , v k ) f¨ ur π −1 (U ) = E U er∞ halten. Ein Vektorfeld s ∈ Γ (E) definiert lokale Funktionen sα ∈ C ∞ (U ) durch s U = sα eα und die Funktion J(s) auf E ∗ erh¨alt man als J(s)(x, p) = sα (x)pα , wobei die Faserkoordinaten p1 , . . . , pk die Koordinaten bez¨ uglich der dualen Basisfelder e1 , . . . , ek von E ∗ U sind. Wir haben also Koordina ten (x1 , . . . , xn , p1 , . . . , pk ) f¨ ur E ∗ U . In diesen Koordinaten k¨onnen wir eine beliebige Poisson-Struktur π auf E ∗ lokal als ∂F ∂G ∂F ∂G ∂F ∂G ∂F ∂G + παβ − {F, G} = π ij i j + παi i i ∂x ∂x ∂x ∂pα ∂pα ∂x ∂pα ∂pβ schreiben, wobei π ij = −π ji , παi und παβ = −πβα glatte Funktionen auf ∗ E U sind. Die Bedingung (4.68) ist offenbar dazu ¨aquivalent, daß die π ij verschwinden, die παi von den Koordinaten p1 , . . . , pk unabh¨angig sind und die παβ linear von den Koordinaten p1 , . . . , pk abh¨angen. Sei nun E ein LieAlgebroid, dann gibt es lokal auf U definierte glatte Funktionen cγαβ und ̺iα , so daß ∂ [eα , eβ ]E = cγαβ eγ und ̺(eα ) = ̺iα i . ∂x Umgekehrt legen diese Funktionen die Klammer und den Anker bereits eindeu∂ ∂ tig fest, da sowohl die ∂x 1 , . . . , ∂xn als auch die e1 , . . . , ek lokale Basisschnitte von T M beziehungsweise von E bilden. Die Bedingungen (4.71) f¨ ur {·, ·}E legen die Funktionen π ij , παi und παβ daher eindeutig als π ij = 0,
παi = π ∗ ̺iα
und
παβ = −pγ π ∗ cγαβ
fest, womit es h¨ ochstens eine Poisson-Klammer auf E ∗ gibt, welche (4.71) erf¨ ullt. Daher definieren wir {·, ·}E lokal durch diese Bedingungen, womit wir eine lokal definierte Klammer {·, ·}E erhalten. Die Definition ist von der Karte und den Basisschnitten unabh¨ angig, also tats¨achlich eine global erkl¨arte Klammer, da die Bedingungen (4.71) unabh¨ angig von diesen Wahlen sind. Da die Jacobi-Identit¨ at f¨ ur {·, ·}E gezeigt ist, wenn sie f¨ ur Funktionen aus π ∗ C ∞ (M ) = Pol0 (E ∗ ) und Pol1 (E ∗ ) ∼ = Γ∞ (E) gezeigt ist, folgt die JacobiIdentit¨ at f¨ ur {·, ·}E aus der Jacobi-Identit¨ at f¨ ur [·, ·]E sowie der Leibniz-Regel uglich ̺. f¨ ur [·, ·]E bez¨
4.2 Lie-Algebroide und Poisson-Kohomologie
243
iv.) ⇒ i.) Ist umgekehrt eine Poisson-Klammer {·, ·}E auf E ∗ vorgegeben, welche (4.68) erf¨ ullt, so definiert man ̺(s) durch π ∗ (̺(s)f ) = {π ∗ f, J(s)}E , was tats¨ achlich wohl-definiert ist, da {π ∗ f, J(s)}E ∈ Pol0 (E ∗ ) = π ∗ C ∞ (M ) nach Voraussetzung gilt. Aus der Leibniz-Regel f¨ ur {·, ·}E folgt unmittelbar, daß f → ̺(s)f eine Derivation ist und damit ein Vektorfeld ̺(s) ∈ Γ∞ (T M ) definiert. Zusammen mit {π ∗ f, π ∗ g}E = 0 liefert die Leibniz-Regel ebenfalls, daß s → ̺(s) funktionenlinear ist, also einen Vektorb¨ undelhomomorphismus uglich {·, ·}E ̺ : E −→ T M liefert. Dies definiert den Anker. Da Pol1 (E ∗ ) bez¨ eine Lie-Unteralgebra von C ∞ (E ∗ ) ist und Pol1 (E ∗ ) ∼ = Γ∞ (E) via J gilt, folgt, daß Γ∞ (E) zu einer Lie-Algebra wird, wenn man J([s, t]E ) = −{J(s), J(t)}E fordert. Aus der Leibniz-Regel f¨ ur {·, ·}E folgt schließlich die gew¨ unschte Leibniz-Regel f¨ ur [·, ·]E bez¨ uglich ̺. Die verbleibende Aussage zu den Beziehungen von i, dE , ·, ·E und L E ist nun klar, da alle Beweisschritte von Satz 2.3.35 w¨ortlich u ¨bernommen werden k¨ onnen. ⊓ ⊔ Bemerkung 4.2.7 (Lie-Algebroide). i.) Im Falle des Lie-Algebroids T M −→ M reproduziert dieser Satz die u ange zwischen Lie-Ableitung, ¨außerer Ableitung und ¨ blichen Zusammenh¨ Schouten-Nijenhuis-Klammer. Bemerkenswert ist, daß alle diese Strukturen untereinander gleichwertig und zudem gleichwertig zur kanonischen symplektischen Poisson-Struktur auf T ∗ M sind. Diese erh¨alt man n¨amlich aus Satz 4.2.6, was anhand der Formeln (4.71) unmittelbar klar ist. Man h¨ atte daher die gesamte Differentialgeometrie von Lie-Ableitung, ¨außerer Ableitung und Schouten-Nijenhuis-Klammer aus der kanonischen symonnen und diese als das prim¨are plektischen Struktur von T ∗ M ableiten k¨ Objekt auf einer Mannigfaltigkeit ansehen k¨onnen. ii.) Der zweite Spezialfall ist das Lie-Algebroid g −→ {pt}, also eine LieAlgebra. In diesem Fall liefert das Differential dg auf Γ∞ (Λ• g∗ ) = Λ• g∗ gerade das Chevalley-Eilenberg-Differential δCE , was man direkt durch Vergleich der Formeln (4.70) und (3.240) sieht. Die Schouten-NijenhuisKlammer in diesem Fall ist die Fortsetzung der Lie-Klammer von g auf ur elemenΛ• g, so daß Λ• g eine Gerstenhaber-Algebra wird. Explizit gilt f¨ tare Tensoren ξ1 ∧ · · · ∧ ξk , η1 ∧ · · · ∧ ηℓ j i (−1)i+j [ξi , ηj ] ∧ ξ1 ∧ · · · ∧ · · · ∧ ξk ∧ η1 ∧ · · · ∧ · · · ∧ ηℓ =
(4.72)
i,j
Ê
f¨ ur ξ1 , . . . , ξk , η1 , . . . , ηℓ ∈ g. Da C ∞ ({pt}) = , entf¨allt der Anteil in (2.208), der in Mannigfaltigkeitsrichtung“ ableitet. Nat¨ urlich kann man ” die Gerstenhaber-Algebra (Λ• g, ∧, ·, ·) auch direkt und unabh¨angig von
244
4 Poisson-Geometrie
¨ differentialgeometrischen Uberlegungen gewinnen, da die Formel f¨ ur die Klammer (4.72) offenbar rein algebraisch ist. Die Poisson-Struktur auf g∗ , die durch Satz 4.2.6 induziert wird, ist gerade die negative lineare PoissonStruktur aus Folgerung 4.1.19. Das Vorzeichen ist in Satz 4.2.6 konventionsm¨ aßig so gew¨ ahlt, daß der Satz im Fall von Kotangentenb¨ undeln die richtige“ Poisson-Klammer reproduziert. ” Wie immer wollen wir nicht nur neue Objekte sondern auch deren Morphismen studieren. Im Falle von Lie-Algebroiden sind dies also strukturerhaltende Abbildungen zwischen Lie-Algebroiden. Der Einfachheit wegen beschr¨anken wir uns auf den Fall von Lie-Algebroiden u ¨ ber derselben Basis M . Dann ist folgende Definition naheliegend: Definition 4.2.8 (Lie-Algebroidhomomorphismus). Seien E1 −→ M uber M . Ein Lie-Algebroidhomomorphismus Φ : und E2 −→ M Lie-Algebroide ¨ E1 −→ E2 ist ein Vektorb¨ undelhomomorphismus (¨ uber der Identit¨at M −→ M ), so daß ̺2 ◦ Φ = ̺1 (4.73) und Φ ([s, t]E1 ) = [Φ(s), Φ(t)]E2
(4.74)
f¨ ur alle s, t ∈ Γ∞ (E1 ). Da Satz 4.2.6 vier ¨ aquivalente Formulierungen f¨ ur ein Lie-Algebroid bereitstellt, k¨ onnen wir entsprechend vier ¨ aquivalente Formulierungen f¨ ur einen LieAlgebroidhomomorphismus finden. F¨ ur einen gegebenen Vektorb¨ undelhomomorphismus Φ : E1 −→ E2 bezeichnen wir mit Φ : Λ• E1 −→ Λ• E2 seine kanonische Fortsetzung auf die entsprechenden Grassmann-B¨ undel. Den transponierten Vektorb¨ undelhomomorphismus bezeichnen wir mit Φ∗ : E2∗ −→ E1∗ und setzen Φ∗ : Λ• E2∗ −→ Λ• E1∗ , nicht zu verwechseln mit dem pull-back. Dann sind die Fortsetzungen auf die Grassmann-Algebren Homomorphismen bez¨ uglich der jeweiligen ∧-Produkte. uber M und sei Φ : E1 −→ Satz 4.2.9. Seien E1 , E2 −→ M Lie-Algebroide ¨ E2 ein Vektorb¨ undelhomomorphismus (¨ uber der Identit¨at M −→ M ). Dann ist ¨aquivalent: i.) Φ ist ein Homomorphismus von Lie-Algebroiden. ii.) Φ : Γ∞ (Λ• E1 ) −→ Γ∞ (Λ• E2 ) ist ein Homomorphismus von GerstenhaberAlgebren, also
(4.75) Φ s, tE1 = Φ(s), Φ(t)E2
f¨ ur alle s, t ∈ Γ∞ (Λ• E1 ). iii.) Φ∗ : Γ∞ (Λ• E2∗ ) −→ Γ∞ (Λ• E1∗ ) ist ein Homomorphismus von differentiell gradierten Algebren, also Φ∗ ◦ dE2 = dE1 ◦ Φ∗ .
(4.76)
4.2 Lie-Algebroide und Poisson-Kohomologie
245
iv.) Φ∗ : E2∗ −→ E1∗ ist eine Poisson-Abbildung. Beweis. Wir zeigen erneut, mit einiger Redundanz, die Beziehungen zur ersten Charakterisierung eines Lie-Algebroidhomomorphismus. ur alle s, t ∈ i.) ⇒ ii.) Wir m¨ ussen zeigen, daß Φ(s, tE1 ) = Φ(s), Φ(t)E2 f¨ Γ∞ (Λ• E1 ). Da Φ aber ein Homomorphismus des ∧-Produkts ist und ·, ·E1 uglich ∧ erf¨ ullen, gen¨ ugt es, sowie ·, ·E2 die gleiche Super-Leibniz-Regel bez¨ die Gleichung auf den lokalen Generatoren nachzupr¨ ufen. Dies ist aber nach Definition eines Homomorphismus von Lie-Algebroiden und der Definition der Klammern erf¨ ullt. ii.) ⇒ i.) Dies folgt durch Spezialisierung auf die Grade 0 und 1. i.) ⇒ iii.) Gleichung (4.76) folgt direkt aus der Definition der Differentiale ur α ∈ Γ∞ (Λ• E2∗ ). sowie der Definition von Φ∗ α f¨ iii.) ⇒ i.) Die Gleichung ̺1 (s)f = −(dE1 f )(s) legt ̺1 bereits eindeutig fest. ur Funktionen f ∈ C ∞ (M ) Damit folgt mit Φ∗ f = f f¨ −̺1 (s)f = (dE1 f )(s) = (dE1 Φ∗ f )(s) = (Φ∗ dE2 f )(s) = (dE2 f )(Φ(s)) = −̺2 (Φ(s))f, womit wie gew¨ unscht ̺1 = ̺2 ◦ Φ. Ebenso legt die Gleichung α([s, t]E1 ) = (dE1 (α(t)))(s) − (dE1 α)(s, t) − (dE1 (α(s)))(t) die Klammer [·, ·]E1 eindeutig fest. Damit rechnet man nach, daß α(Φ([s, t]E1 )) = (Φ∗ α)([s, t]E1 ) = (dE1 ((Φ∗ α)(t)))(s) − (dE1 (Φ∗ α))(s, t) − (dE1 ((Φ∗ α)(s)))(t)
= (dE1 Φ∗ (α(Φ(t))))(s) − (Φ∗ dE2 α)(s, t) − (dE1 Φ∗ (α(Φ(s))))(t) = (Φ∗ dE2 (α(Φ(t))))(s) − (dE2 α)(Φ(s), Φ(t)) − (Φ∗ dE2 (α(Φ(s))))(t)
= (dE2 (α(Φ(t))))(Φ(s)) − (dE2 α)(Φ(s), Φ(t)) − (dE2 (α(Φ(s))))(Φ(t)) = α([Φ(s), Φ(t)]E2 ), womit i.) folgt. i.) ⇒ iv.) Seien F, G ∈ C ∞ (E1∗ ) vorgegeben. Dann m¨ ussen wir {F ◦ Φ∗ , G ◦ Φ∗ }E2 = {F, G}E1 ◦ Φ∗ zeigen. Da wieder beide Poisson-Klammern lokal durch ihre Werte auf den in Faserrichtung konstanten Funktionen π ∗ C ∞ (M ) und den linearen Funktionen Pol1 (E1∗ ) beziehungsweise Pol1 (E2∗ ) festgelegt sind, gen¨ ugt es, die Gleichung f¨ ur solche Funktionen zu zeigen. Zun¨ achst ist klar, daß (π1∗ f )◦Φ∗ = f ◦π1 ◦Φ∗ = f ◦ π2 = π2∗ f . Entsprechend gilt ((J(s)) ◦ Φ∗ )(α) = J(s)(Φ∗ α) = (Φ∗ α)(s) = α(Φ(s)) = J (Φ(s)) (α),
246
4 Poisson-Geometrie
also (J(s)) ◦ Φ∗ = J (Φ(s)) f¨ ur s ∈ Γ∞ (E1 ). Damit folgt die Gleichung aber direkt aus (4.71) und der Definition eines Homomorphismus von LieAlgebroiden. ¨ iv.) ⇒ i.) Die R¨ uckrichtung folgt schließlich durch eine analoge Uberlegung, da der Anker und die Lie-Klammer wieder durch die Poisson-Klammer von ⊓ ⊔ Funktionen der Gestalt π ∗ f und J(s) eindeutig bestimmt ist. Bemerkung 4.2.10 (Lie-Algebroidmorphismen). i.) Proposition 4.2.3 besagt also, daß der Anker ̺ : E −→ T M eines LieAlgebroids immer ein Homomorphismus von Lie-Algebroiden ist, da das kanonische Lie-Algebroid T M −→ M die Identit¨at als Anker hat. ii.) Die Aussage des Satzes 4.2.9 l¨ aßt sich noch etwas umformulieren. Zun¨achst ist klar, daß mit der Definition 4.2.8 die Lie-Algebroide u ¨ber M eine Kategorie bilden, wenn man als Morphismen die Lie-Algebroidmorphismen verwendet. Dann besagt der Satz, daß die Zuordnungen des Lie-Algebroids E zur Gerstenhaber-Algebra Γ∞ (Λ• E), zur differentiell gradierten Algebra Γ∞ (Λ• E ∗ ) sowie zur Poisson-Mannigfaltigkeit E ∗ funktoriell ist. Eine ¨ Aquivalenz von Kategorien erh¨ alt man im allgemeinen aber nicht, da die drei letzteren Kategorien im allgemeinen mehr Morphismen besitzen, als nur diejenigen, die von Vektorb¨ undelhomomorphismen induziert werden. Man kann dies aber als Ausgangspunkt einer Verallgemeinerung von Homomorphismen von Lie-Algebroiden verwenden, indem man erzwingt, daß ¨ obige Zuordnung eine Aquivalenz von Kategorien wird, siehe auch [224]. Da ein Lie-Algebroid E −→ M insbesondere auch eine differentiell gradierte Algebra Γ∞ (Λ• E ∗ ) liefert, kann man jedem Lie-Algebroid eine Kohomologie zuordnen, n¨ amlich die von (Γ∞ (Λ• E ∗ ), dE ): Definition 4.2.11 (Lie-Algebroidkohomologie). Sei E −→ M ein LieAlgebroid ¨ uber M . Dann ist die Lie-Algebroidkohomologie von E durch HE (M ) =
ker dE im dE
(4.77)
definiert. Proposition 4.2.12. Sei E −→ M ein Lie-Algebroid ¨ uber M .
i.) Die Lie-Algebroidkohomologie H•E (M ) ist eine gradierte, assoziative, superkommutative Algebra mit Eins bez¨ uglich der von Γ∞ (Λ• E ∗ ) induzierten Gradierung und des ∧-Produkts. ii.) Jeder Lie-Algebroidhomomorphismus Φ : E1 −→ E2 liefert einen induzierten Algebrahomomorphismus Φ∗ : H•E2 (M ) −→ H•E1 (M ).
(4.78)
4.2 Lie-Algebroide und Poisson-Kohomologie
247
Beweis. Die Wohl-Definiertheit des ∧-Produkts und der Gradierung im Quotienten folgt unmittelbar aus der Superderivationseigenschaft von dE , ganz analog zum Fall der ¨ außeren Ableitung. Der zweite Teil folgt ebenso, da nach (4.76) die Abbildung Φ∗ auch im Quotienten wohl-definiert ist und die algebraischen Eigenschaften auf Repr¨ asentanten nachgepr¨ uft werden k¨onnen. ⊓ ⊔ Beispiel 4.2.13 (Lie-Algebroidkohomologie). i.) Die Lie-Algebroidkohomologie des kanonischen Lie-Algebroids T M −→ M ist offenbar gerade die deRham-Kohomologie von M , da ja bereits der Komplex (Γ∞ (Λ• T ∗ M ), dT M = d) mit dem deRham-Komplex u ¨ bereinstimmt, siehe Bemerkung 4.2.7. ii.) Die Lie-Algebroidkohomologie von g −→ {pt} ist die skalare Lie-Algebrakohomologie, siehe ebenfalls Bemerkung 4.2.7. Damit verallgemeinert und vereinheitlicht der Begriff der Lie-Algebroidkohomologie sowohl die deRham-Kohomologie einer Mannigfaltigkeit als auch die Lie-Algebrenkohomologie. iii.) Da die Anker-Abbildung ̺ : E −→ T M eines jeden Lie-Algebroids E −→ M ein Homomorphismus von Lie-Algebroiden ist, gibt es immer einen induzierten Algebrahomomorphismus ̺∗ : H•dR (M ) −→ H•E (M ).
(4.79)
Im allgemeinen ist ̺∗ weder injektiv noch surjektiv. Es sollte abschließend zu dieser Einf¨ uhrung noch bemerkt werden, daß es einen g¨ anzlich algebraischen Zugang zur Theorie der Lie-Algebroide gibt, welche auf Rinehart [274] zur¨ uckgeht, siehe beispielsweise die Arbeiten von Huebschmann [174, 175]. 4.2.2 Poisson-Kohomologie Wir betrachten nun eine Poisson-Mannigfaltigkeit (M, π) aus der wir ein Lie-Algebroid u ¨ ber M konstruieren wollen. Wie wir schon gesehen haben, spielt in der Poisson-Geometrie das Kotangentenb¨ undel T ∗ M eher die Rolle des Tangentenb¨ undels T M und umgekehrt. Das wird die nun folgende Konstruktion weiter untermauern. Da wir vier ¨ aquivalente Definitionen f¨ ur ein Lie-Algebroid nach Satz 4.2.6 vorliegen haben, wollen wir die Konstruktion des zu (M, π) geh¨ orenden Lie-Algebroids auch in allen vier Varianten vorstellen. Die einfachste ist dabei die Konstruktion eines Differentials dπ f¨ ur Γ∞ (Λ• (T ∗ M )∗ ) = Γ∞ (Λ• T M ): Wir wollen T ∗ M −→ M zu einem LieAlgebroid machen, dazu m¨ ussen wir auf Γ∞ (Λ• T M ) = X• (M ) ein Differential dπ angeben. Dies leistet folgende Proposition: Proposition 4.2.14. Sei (M, π) eine Poisson-Mannigfaltigkeit. Dann ist die Abbildung dπ : X• (M ) −→ X•+1 (M ), (4.80)
248
4 Poisson-Geometrie
definiert durch dπ X = π, X
(4.81)
d2π = 0.
(4.82)
f¨ ur X ∈ X• (M ), eine Superderivation des ∧-Produkts vom Grad +1 mit
Beweis. Daß dπ eine Superderivation vom Grad +1 ist, folgt schon unmittelbar aus der Super-Leibniz-Regel f¨ ur die Schouten-Nijenhuis-Klammer ·, · bez¨ uglich des ∧-Produkts. Daß d2π = 0 ist, folgt aus der Super-Jacobi-Identit¨at f¨ ur ·, · und π, π = 0, denn f¨ ur X ∈ X• (M ) gilt dπ dπ X = π, π, X = π, π , X − π, π, X = −dπ dπ X.
In der Tat gilt d2π = 0 genau dann, wenn π, π = 0, was man unmittelbar ⊓ ⊔ durch Anwenden auf Funktionen f ∈ X0 (M ) sieht. Man beachte, daß diese Proposition eine weitere Interpretation der JacobiIdentit¨ at π, π = 0 f¨ ur ein Bivektorfeld π liefert: Ein Bivektorfeld π ist genau dann ein Poisson-Tensor, wenn d2π = 0. Nach Satz 4.2.6 definiert das Differential dπ also die Struktur eines LieAlgebroids auf T ∗ M −→ M . Man beachte die vertauschten Rollen von T M und T ∗ M . Wir wollen nun dieses Lie-Algebroid explizit bestimmen, ebenso wie die zugeh¨ orige lineare Poisson-Struktur auf (T ∗ M )∗ = T M . Die Gerstenhaber-Algebra auf Γ∞ (Λ• T ∗ M ) ist dann wie immer durch die u ¨ bliche Fortsetzung von Anker und Lie-Klammer von Γ∞ (T ∗ M ) gegeben. Satz 4.2.15. Sei (M, π) eine Poisson-Mannigfaltigkeit. Die durch das Differential dπ = π, · f¨ ur X• (M ) festgelegte Struktur eines Lie-Algebroids f¨ ur T ∗ M −→ M ist explizit durch den Anker ̺(α) = −α♯
(4.83)
[α, β]π = − Lα♯ β + Lβ ♯ α − d(π(α, β))
(4.84)
und die Lie-Klammer [·, ·]π f¨ ur α, β ∈ Γ∞ (T ∗ M ) gegeben. Es gilt insbesondere [df, dg]π = d{f, g}
(4.85)
f¨ ur exakte Einsformen df, dg ∈ Γ∞ (T ∗ M ). Die induzierte lineare PoissonStruktur auf T M ist durch {πT∗ M f, πT∗ M g} = 0, und
{πT∗ M f, J(α)} = πT∗ M (α(Xf ))
{J(df ), J(dg)} = −J(d{f, g})
(4.86)
festgelegt, wobei wir zur Unterscheidung hier die B¨ undelprojektion mit πT M : T M −→ M bezeichnen.
4.2 Lie-Algebroide und Poisson-Kohomologie
249
Beweis. Wir rekonstruieren den Anker ̺ und die Lie-Klammer [·, ·]π gem¨aß Satz 4.2.6 aus dem Differential dπ . Sei f ∈ C ∞ (M ), dann ist dπ f = π, f = Xf = (df )♯ gerade das Hamiltonsche Vektorfeld von f , womit ̺(α)f = dπ f (α) = α(Xf ) = α(π(·, df )) = π(α, df ) = −α♯ (df ), also ̺(α) = −α♯ . Weiter gilt f¨ ur X ∈ Γ∞ (T M ) und α, β ∈ Γ∞ (T ∗ M ) zun¨achst die Gleichung (Lα♯ β) (X) = α♯ (β(X)) − β (Lα♯ X)
= d (β(X)) α♯ + β LX α♯
= d (β(X)) (π( · , α)) + β (LX π( · , α)) = π(d(β(X)), α) + β ((LX π) ( · , α) + π( · , LX α))
= − β(X), π (α) + (LX π) (β, α) + π(β, LX α).
Damit gilt weiter
Lα♯ β − Lβ ♯ α + d(π(α, β)) (X)
= − β(X), π (α) + (LX π) (β, α) + π(β, L X α) + α(X), π (β) − (LX π) (α, β) − π(α, LX β) + X(π(α, β))
= −α (dπ (β(X))) + β (dπ (α(X))) − X, π (α, β) = (dπ (α(X))) (β) − (dπ (β(X))) (α) − (dπ X) (β, α) = X ([β, α]π ) ,
womit (4.84) folgt. Anwenden auf α = df und β = dg liefert [df, dg]π = − L(df )♯ dg + L(dg)♯ df − d(π(df, dg)) = −d LXf g + d LXg f − d{f, g} = d{f, g},
und damit (4.85). Da [·, ·]π die Leibniz-Regel bez¨ uglich ∧ erf¨ ullt, bestimmt (4.85) bereits (4.84). F¨ ur die induzierte Poisson-Klammer {·, ·}T M auf T M wissen wir bereits allgemein, daß pull-backs πT∗ M f von Funktionen f ∈ C ∞ (M ) Poisson-kommutieren. F¨ ur die zweite Gleichung in (4.86) berechnen wir ̺(α)f = α♯ f = π(df, α) = −α(Xf ).
Schließlich erf¨ ullt {·, ·}T M ebenfalls die Leibniz-Regel. Da jede Einsform α lokal als Summe von Einsformen der Gestalt f dg geschrieben werden kann und J(f dg) = πT∗ M f J(dg) gilt, ist {·, ·}T M auch durch die Werte auf exakten Einsformen bestimmt. Wir m¨ ussen also die allgemeinere Definition {J(α), J(β)}T M = −J([α, β]π ) auf α = df und β = dg auswerten. Dies ist aber einfach und liefert {J(df ), J(dg)}T M = −J([df, dg]π ) = −J(d{f, g}). ⊓ ⊔
250
4 Poisson-Geometrie
Folgerung 4.2.16. Sei (M, π) eine Poisson-Mannigfaltigkeit und (U, x) eine lokale Karte von M mit induzierter Karte (T U, (q, v)) von T M . Dann gilt f¨ ur die durch Satz 4.2.15 festgelegte lineare Poisson-Struktur Π auf T M lokal ij
∂ ∂π ∂ ∂ 1 ∗ ∂ Π T U = −πT∗ M π ij π ∧ − (4.87) vk i ∧ j ∂q i ∂v j 2 T M ∂xk ∂v ∂v und entsprechend
{q i , q j }T M = 0
ij {q , v }T M = π ij ∂π vk , {v i , v j }T M = −πT∗ M ∂xk i
∂ wobei π U = 12 π ij ∂x i ∧
j
−πT∗ M
(4.88) (4.89) (4.90)
∂ ∂xj .
Beweis. Da q i = πT∗ M xi folgt (4.88) ganz allgemein. F¨ ur die lokale Einsform dxi gilt J(dxi ) = v i . Dies folgt unmittelbar aus der Definition, denn J(dxi )(vp ) = (dxi )(vp ) = v i (vp ). Damit berechnen wir
{q i , v j }T M = πT∗ M (̺(dxj )xi ) = πT∗ M −π(dxi , dxj ) = −πT∗ M π ij . Analog gilt
{v i , v j }T M = −J(d{xi , xj })
= −J(dπ ij ) ij ∂π k dx = −J ∂xk ij ∂π ∗ = −πT M vk , ∂xk
womit die drei Gleichungen (4.88), (4.89) und (4.90) gezeigt sind. Da allgemein die Koeffizienten eines Poisson-Tensors durch die Poisson-Klammern der entsprechenden Koordinatenfunktionen gegeben sind, folgt daraus auch (4.87). ⊓ ⊔ Folgerung 4.2.17. Sei (M, π) eine Poisson-Mannigfaltigkeit. Die auf T M induzierte lineare Poisson-Struktur Π ist genau dann symplektisch, wenn (M, π) symplektisch ist. Beweis. Nach Folgerung 4.2.16 ist der Poisson-Tensor Π auf T M in lokalen B¨ undelkoordinaten durch (4.87) bestimmt. Damit ist Π offenbar genau dann nichtausgeartet, wenn π ij nichtausgeartet ist. ⊓ ⊔ Proposition 4.2.18. Sei (M, ωM ) symplektisch. Die durch Satz 4.2.6 und Folgerung 4.2.17 auf T M induzierte symplektische Form ωT M ist durch ωT M = ♭∗ ω0 ∗
(4.91)
gegeben, wobei ♭ : T M −→ T M der durch ωM induzierte musikalische Isomorphismus und ω0 die kanonische symplektische Form auf T ∗ M ist.
4.2 Lie-Algebroide und Poisson-Kohomologie
251
Beweis. Wir m¨ ussen zeigen, daß ♭ : (T M, ωT M ) −→ (T ∗ M, ω0 ) ein Symplektomorphismus ist. Da ♭ bereits ein Diffeomorphismus ist, gen¨ ugt es nach Satz 3.1.15 zu zeigen, daß ♭ eine Poisson-Abbildung ist. Um dies zu zeigen, gen¨ ugt es, lokale Koordinatenfunktionen zu betrachten. Insbesondere k¨ onnen wir durch Darboux-Koordinaten von M induzierte B¨ undelkoordinaten i , y ) lokale Darboux-Koordinaten auf U ⊆ M , so daß w¨ ahlen. Seien also (x i ωM U = dxi ∧ dyi . Dann bezeichnen wir die induzierten B¨ undelkoordinaten undelkoordinaten von von T M mit (qxi , qiy , vxi , viy ) und die entsprechenden B¨ T ∗ M mit (qxi , qiy , pxi , piy ), jeweils mit i = 1, . . . , n = 12 dim M . Ein Tangentialvektor vp ∈ Tp M schreibt sich also als ∂ ∂ vp = vxi i + viy ∂x p ∂yi p und eine Einsform αp entsprechend als αp = pxi dxi p + piy dyi p .
Der musikalische Isomorphismus ♭ : T M −→ T ∗ M lautet in diesen Koordinaten einfach ♭ ∂ ∂ = −viy dxi p + vxi dyi p , vxi i + viy ∂x p ∂yi p i da ωM U = dx ∧ dyi . Damit gilt f¨ ur die Koordinatenfunktionen ♭∗ pxi = −viy
sowie ♭∗ piy = vxi
und
♭∗ qxi = qxi
und ♭∗ qiy = qiy .
Wir zeigen nun ♭∗ {f, g}T ∗ M = {♭∗ f, ♭∗ g}T M f¨ ur alle 4n × 4n Kombinationen undelkoorder Koordinatenfunktionen f, g ∈ {qxi , qiy , pxi , pyi }i=1,...,n . Da die B¨ dinaten von T ∗ M prinzipiell Darboux-Koordinaten bez¨ uglich ω0 sind, siehe Satz 3.2.4, liefern die q-Koordinaten sowie die p-Koordinaten untereinander nur verschwindende Poisson-Klammern. Da andererseits die q-Koordinaten untereinander auch bez¨ uglich der Klammer {·, ·}T M vertauschen, und die Konstanz der Koeffizienten πωij in einer Darboux-Karte bewirkt, daß auch die v-Koordinaten untereinander verschwindende Poisson-Klammern besitzen, siehe (4.90), m¨ ussen nur die gemischten Terme gepr¨ uft werden. Es gilt {qxi , pjy } = 0 = {qiy , pxj }
sowie {qxi , pxj } = δji = {qjy , piy }
und andererseits {qxi , vxj }T M = −π ∗ {xi , xj }M = 0 = {qiy , vjy }T M = −π ∗ {yi , yj }M . Schließlich gilt {qxi , vjy } = −π ∗ {xi , yj }M = −δji Damit folgt die Behauptung.
und {qiy , vxj }T M = −π ∗ {yi , xj }M = δij . ⊓ ⊔
252
4 Poisson-Geometrie
Insbesondere folgt aus dem Beweis auch, daß die durch Darboux-Koordinaten (xi , yi ) induzierten B¨ undelkoordinaten (qxi , qiy , vxi , xyi ) auf T M ebenfalls Darboux-Koordinaten sind, sofern (konventionsbedingt) viy durch −viy ersetzt wird. Da eine Poisson-Mannigfaltigkeit ein Lie-Algebroid auf T ∗ M −→ M definiert, kann man nach Definition 4.2.11 die zugeh¨orige Kohomologie-Theorie betrachten. Wir haben in Proposition 4.2.14 die Lie-Algebroidstruktur ja gerade u ¨ ber die differentiell gradierte Algebra definiert. Dies liefert also die Definition der Poisson-Kohomologie: Definition 4.2.19 (Poisson-Kohomologie). Sei (M, π) eine Poisson-Mannigfaltigkeit. Dann ist die Poisson-Kohomologie H•π (M ) als die Lie-Algebroidkohomologie des durch (M, π) bestimmten Lie-Algebroids T ∗ M −→ M definiert. Explizit ist der Komplex durch die differentiell gradierte Algebra (X• (M ), ∧, dπ ) mit dem Differential dπ = π, · gegeben und demnach ker dπ Xk (M) {X ∈ Xk (M ) | π, X = 0} Hkπ (M ) = . (4.92) = {π, Y | Y ∈ Xk−1 (M )} im dπ Xk−1 (M)
Bemerkung 4.2.20. F¨ ur k = 0, 1 deckt sich diese Definition mit unserer zuvor gemachten: H0π (M ) sind die Casimir-Funktionen und H1π (M ) ist der Quotient von Poisson-Vektorfeldern modulo Hamiltonschen Vektorfeldern. Damit haben die beiden Kohomologiegruppen H0π (M ) und H1π (M ) eine konkrete Interpretation. F¨ ur H2π (M ) und H3π (M ) werden wir im Rahmen der formalen Deformationstheorie von Poisson-Tensoren ebenfalls eine konkrete Interpretation finden, die h¨ oheren Poisson-Kohomologiegruppen besitzen dagegen im allgemeinen keine einfache Deutung. Anders als bei einem allgemeinen Lie-Algebroid besitzt die Poisson-Kohomologie H•π (M ) nicht nur die Struktur einer gradierten, assoziativen, superkommutativen Algebra mit Eins, sondern darauf aufbauend die Struktur einer Gerstenhaber-Algebra: Proposition 4.2.21. Sei (M, π) eine Poisson-Mannigfaltigkeit. Die Gerstenhaber-Algebra der Multivektorfelder (X• (M ), ∧, ·, ·) induziert die Struktur eine Gerstenhaber-Algebra f¨ ur die Poisson-Kohomologie H•π (M ). Beweis. Das ∧-Produkt ist f¨ ur jedes Lie-Algebroid auch in der Kohomologie wohl-definiert. Da jetzt das Differential dπ aber eine innere Superderivation dπ = π, · bez¨ uglich der Super-Lie-Klammer ·, · ist, ist auch ·, · in der Kohomologie wohl-definiert. Dies zeigt man analog zur Wohl-Definiertheit von achlich eine Gerstenhaber-Algebra, da die entspre∧. Damit wird H•π (M ) tats¨ chenden Identit¨ aten f¨ ur ∧ und ·, · auf Repr¨ asentanten nachgepr¨ uft werden k¨ onnen und daher aus den jeweiligen Identit¨ aten f¨ ur (X• (M ), ∧, ·, ·) folgen. ⊓ ⊔
4.2 Lie-Algebroide und Poisson-Kohomologie
253
Bemerkung 4.2.22 (Lie-Bialgebroide). Was hier als gl¨ ucklicher Zufall“ er” scheint, findet seine konzeptionell klare Deutung im Rahmen der Lie-Bialgebroide, siehe beispielsweise [207,209,225]. Letztlich liegt diese Situation bereits in der algebraischen Situation von Proposition 4.1.2 vor und kann daher auch im Rahmen der abgeleiteten Klammern verstanden werden. Dieser Aspekt soll hier jedoch nicht weiter verfolgt werden. Nach der allgemeinen Aussage von Beispiel 4.2.13, Teil iii.), liefert die Ankerabbildung ♯ : T ∗ M −→ T M einen Algebrenhomomorphismus ♯ : H•dR (M ) −→ H•π (M ).
(4.93)
Im allgemeinen ist ♯ weder injektiv noch surjektiv, f¨ ur eine symplektische Poisson-Struktur dagegen ist (4.93) ein Isomorphismus. Proposition 4.2.23. Sei (M, ω) eine symplektische Mannigfaltigkeit. Dann ist die Poisson-Kohomologie von (M, πω ) kanonisch zur deRham-Kohomologie von M via ∼ = ♯ : H•dR (M ) −→ H•πω (M ) (4.94) isomorph, wobei das Inverse durch ♭ induziert wird. Beweis. Wir wissen, daß ♯ : Ω• (M ) −→ X• (M ) eine Kettenabbildung ist, also ullt. Da im symplektischen Fall ♯ bijektiv mit Inversem ♭ ist, dπ (α♯ ) = (dα)♯ erf¨ folgt zum einen, daß auch ♭ eine Kettenabbildung ist. Zum anderen induzieren ♯ und ♭ in der Kohomologie zueinander inverse Abbildungen. Damit folgt die Behauptung, da die Vertr¨ aglichkeit mit dem ∧-Produkt offensichtlich nach Definition der Fall ist. ⊓ ⊔ 4.2.3 Die fundamentale und die modulare Klasse F¨ ur jede Poisson-Mannigfaltigkeit besitzt die Poisson-Kohomologie zwei kanonisch definierte Klassen, die fundamentale Klasse und die modulare Klasse, welche wir nun diskutieren wollen, siehe auch [73, 113, 321]. Definition 4.2.24 (Fundamentale Klasse). Sei (M, π) eine PoissonMannigfaltigkeit. Die durch π ∈ X2 (M ) definierte Klasse [π] ∈ H2π (M ) heißt kanonische (oder fundamentale) Kohomologieklasse der Poisson-Mannigfaltigkeit. Ist [π] = 0, so heißt die Poisson-Struktur exakt. Zun¨ achst ist klar, daß π wegen dπ π = π, π = 0 tats¨achlich geschlossen ist, also eine Kohomologieklasse [π] ∈ H2π (M ) definiert. Die Exaktheit [π] = 0 ist gleichbedeutend mit der Existenz eines Vektorfeldes ξ ∈ X1 (M ) mit π = dπ ξ = π, ξ = − ξ, π = − Lξ π. Ein derartiges Vektorfeld ξ heißt auch Liouville-Vektorfeld f¨ ur π, wie folgendes Beispiel motiviert:
254
4 Poisson-Geometrie
Beispiel 4.2.25. Sei (M, ω) eine symplektische Mannigfaltigkeit. Dann gilt [ω]♯ = [πω ].
(4.95)
Nach der Cartan-Formel ist πω genau dann exakt als Poisson-Struktur, wenn ω = dα exakt ist. Gleichung (4.95) gilt bereits f¨ ur die Repr¨asentanten direkt, uft. Gilt nun πω = dπω ξ = also ω ♯ = πω , was man leicht in Koordinaten nachpr¨ − Lξ πω , so folgt nach Anwenden von ♭ die Gleichung ω = πω♭ = (dπω ξ)♭ = dξ ♭ , da ♭ ebenfalls eine Kettenabbildung ist. Daher ist ω exakt mit einem Potential ξ ♭ und es gilt iξ ω = ξ ♭ . (4.96) Damit folgt Lξ ω = dξ ♭ = ω, wonach ξ ein konform-symplektisches Vektorfeld ist, also die offensichtliche Verallgemeinerung des Liouville-Vektorfeldes auf T ∗ Q. Das Poincar´e-Lemma garantiert nun insbesondere, daß die fundamentale Klasse im Falle einer symplektischen Poisson-Struktur zumindest lokal trivial ist, und daher nur die globale Struktur der Poisson-Mannigfaltigkeit beschreibt. F¨ ur eine allgemeine Poisson-Struktur muß dies nicht gelten: Hier kann die fundamentale Klasse auch auf jeder offenen Umgebung eines Punktes nichttrivial sein:
Ê
Beispiel 4.2.26 (Homogene Poisson-Strukturen). Wir betrachten M = n mit linearen Koordinaten x1 , . . . , xn . Wir betrachten nun eine Poisson-Struktur π=
1 ij ∂ ∂ π ∧ 2 ∂xi ∂xj
(4.97)
Ê
mit polynomialen Koeffizientenfunktionen π ij ∈ Polk ( n ) vom homogenen Grade k. Beispiele daf¨ ur sind die konstante oder die lineare Poisson-Struktur, ∂ es gibt aber auch f¨ ur k ≥ 2 Beispiele. F¨ ur das Euler-Vektorfeld ξ0 = xi ∂x i auf n gilt dann (4.98) Lξ0 π = (k − 2)π.
Ê
Damit ist f¨ ur k = 2 die Poisson-Struktur exakt, da π = − Lξ π
mit
ξ=−
1 ξ0 . k−2
(4.99)
Insbesondere sind konstante oder lineare Poisson-Strukturen immer exakt. Der Fall k = 2 ist allerdings komplizierter: Hier kann man zeigen, daß beispielsweise die Poisson-Struktur π2 (x, y) =
Ê
1 2 ∂ ∂ (x + y 2 ) ∧ 2 ∂x ∂y
(4.100)
auf 2 nicht exakt ist. Schlimmer noch, auf jeder offenen Umgebung U ⊆ von 0 ist π U nicht exakt, siehe die Diskussion in [306, Example 5.8].
Ê2
4.2 Lie-Algebroide und Poisson-Kohomologie
255
Im symplektischen Fall werden die zumindest lokal existierenden LiouvilleVektorfelder von großer Bedeutung in der Deformationsquantisierung sein, siehe Abschnitt 6.3.5. Das obige Beispiel zeigt nun, daß mit diesen Techniken im allgemeinen Poisson-Fall nicht zu rechnen ist. Die zweite kanonische Klasse in H•π (M ) ist die sogenannte modulare Klasse von (M, π). Wir betrachten der Einfachheit wegen eine orientierbare und orientierte Mannigfaltigkeit M . Der Beweis des folgenden Satzes ist dann geringf¨ ugig einfacher, als wenn man mit positiven Dichten argumentiert, was jedoch prinzipiell ebenfalls m¨ oglich ist. Satz 4.2.27. Sei (M, π) eine orientierte Poisson-Mannigfaltigkeit und Ω ∈ Γ∞ (Λn T ∗ M ) eine positiv orientierte Volumenform. Dann definiert die Abbildung ∆Ω : C ∞ (M ) ∋ f → ∆Ω f ∈ C ∞ (M )
mit
LXf Ω = (∆Ω f )Ω
(4.101)
eine Derivation und damit ein Vektorfeld ∆Ω ∈ X1 (M ). Das Vektorfeld ∆Ω ist ein Poisson-Vektorfeld und es gilt ∆eg Ω = ∆Ω − Xg
(4.102)
f¨ ur alle g = g ∈ C ∞ (M ). Beweis. Hier ist ∆Ω f als das eindeutig bestimmte C ∞ (M )-Vielfache LXf Ω = (∆Ω f )Ω von Ω offenbar wohl-definiert. Es gilt LXf Ω = Lπ,f Ω = [Lπ , Lf ]Ω = Lπ (−df ∧ Ω) + Lf Lπ Ω = −df ∧ ([iπ , d]Ω) = −df ∧ (iπ dΩ − d iπ Ω) = df ∧ d iπ Ω,
wobei wir den Kalk¨ ul aus Satz 2.3.35 verwenden sowie, daß jede (n + 1)-Form verschwindet. Damit folgt die Leibniz-Regel LXf g Ω = d(f g) ∧ d iπ Ω = gdf ∧ d iπ Ω + f dg ∧ d iπ Ω = g LXf Ω + f LXg Ω und somit auch die Leibniz-Regel f¨ ur ∆Ω . Also ist ∆Ω nach Satz 2.1.26 ein Vektorfeld. Wir zeigen nun, daß ∆Ω ein Poisson-Vektorfeld ist. Es gilt (∆Ω {f, g})Ω = LX{f,g} Ω
= − L[Xf ,Xg ] Ω
= − LXf LXg Ω + LXg LXf Ω
= − LXf ((∆Ω g)Ω) + LXg ((∆Ω f )Ω)
256
4 Poisson-Geometrie
= − LXf (∆Ω g) Ω + LXg (∆Ω f ) Ω
= {f, ∆Ω g}Ω + {∆Ω f, g}Ω.
Da Ω nirgends verschwindet, folgt die Derivationseigenschaft ∆Ω {f, g} = {∆Ω f, g} + {f, ∆Ω g}, womit ∆Ω eine Poisson-Derivation und damit ein Poisson-Vektorfeld ist. Sei nun Ω ′ = eg Ω eine beliebige andere positiv orientierte Volumenform. Dann gilt LXf Ω ′ = LXf (eg Ω) = (Xf eg )Ω + eg LXf Ω = −{f, g}eg Ω + eg (∆Ω f )Ω = (−Xg f + ∆Ω f ) Ω ′ , womit auch die letzte Behauptung bewiesen ist.
⊓ ⊔
Das Poisson-Vektorfeld ∆Ω heißt auch das modulare Vektorfeld bez¨ uglich Ω. Der Satz besagt also, daß ∆Ω zwar von der Wahl des Repr¨asentanten Ω abh¨ angt, aber verschiedene Ω der gleichen Orientierung zu modularen Vektorfeldern f¨ uhren, die sich nur um ein Hamiltonsches Vektorfeld unterscheiden. Daher ist die Kohomologieklasse [∆Ω ] ∈ H1π (M ) von der Wahl von Ω unabh¨ angig und h¨ angt nur von der Orientierung ab. Definition 4.2.28 (Modulare Klasse). Sei (M, π) eine orientierte PoissonMannigfaltigkeit. Die Kohomologieklasse [∆Ω ] ∈ H1π (M ) des modularen Vektorfeldes ∆Ω heißt die modulare Klasse von (M, π). Ist [∆Ω ] = 0, so heißt (M, π) unimodular. Bemerkung 4.2.29 (Die modulare Klasse). i.) Die modulare Klasse [∆Ω ] verschwindet offenbar genau dann, wenn es eine positive Volumenform Ω gibt, welche unter allen Hamiltonschen Vektorullt. feldern Xf invariant ist, also LXf Ω = 0 erf¨ ii.) Ist (M, ω) symplektisch, so lassen nach dem Satz von Liouville alle Hamiltonschen Vektorfelder Xf die Liouville-Form Ω = ω ∧ · · · ∧ ω invariant, LXf Ω = 0. Daher sind symplektische Mannigfaltigkeiten als PoissonMannigfaltigkeiten immer unimodular. iii.) Mit Hilfe von positiven Dichten anstelle von n-Formen l¨aßt sich die modulare Klasse analog auch f¨ ur nicht-orientierbare Poisson-Mannigfaltigkeiten definieren. Als erste Anwendung betrachten wir die Existenz einer Poisson-Spur , also eines linearen Funktionals auf C0∞ (M ), welches auf allen Poisson-Klammern verschwindet. Im allgemeinen ist es sehr schwer solche Poisson-Spuren zu klassifizieren. Unter der Annahme, daß es sich dabei aber um eine Integration bez¨ uglich einer positiven Volumenform handelt, liefert folgender Satz eine einfache Charakterisierung:
4.2 Lie-Algebroide und Poisson-Kohomologie
257
Satz 4.2.30 (Poisson-Spur). Sei (M, π) eine orientierbare und orientierte Poisson-Mannigfaltigkeit und Ω eine positive Volumenform. Das Funktional ∞ C0 (M ) ∋ f → fΩ (4.103) M
ist genau dann eine Poisson-Spur, wenn ∆Ω = 0. Insbesondere gibt es genau dann eine positive Volumenform Ω, so daß (4.103) eine Poisson-Spur ist, wenn die modulare Klasse von (M, π) trivial ist. Beweis. Es habe mindestens eine der beiden Funktionen kompakten Tr¨ager. Dann gilt {f, g}Ω = Xg (f )Ω = LXg (f Ω) − f LXg Ω. Integrieren liefert {f, g} Ω = f LXg Ω nach (2.236) und der Definition des Integrals. Da das Integral nichtausgeartet ist und wir u ugen k¨onnen, folgt LXg Ω = 0 f¨ ur alle ¨ ber alle Funktionen f verf¨ g. Nach Bemerkung 4.2.29, Teil i.), folgt dann die Behauptung. ⊓ ⊔ Bemerkung 4.2.31. Der Satz zeigt insbesondere, daß im symplektischen Fall die Integration bez¨ uglich der Liouville-Volumenform eine Poisson-Spur ist. In dieser Situation kann man sogar zeigen, daß dies bis auf Normierung die einzige Poisson-Spur ist, siehe Proposition 6.3.35 sowie Aufgabe 4.4. F¨ ur eine weiterf¨ uhrende Diskussion der modularen Klasse verweisen wir auf Weinsteins Arbeit [321] sowie auf [113]. Namensgebend f¨ ur die modulare Klasse ist dabei zum einen die Tomita-Takesaki-Theorie f¨ ur von NeumannAlgebren, siehe beispielsweise [52, 53, 321], zum anderen folgendes Beispiel: Beispiel 4.2.32 (Unimodulare Lie-Algebra). Wir betrachten wieder die lineare Poisson-Struktur auf g∗ . Diese ist genau dann unimodular als PoissonStruktur, falls die Strukturkonstanten der Lie-Algebra g bez¨ uglich einer und ur alle s = 1, . . . , n erf¨ ullen. Dies damit aller Basen die Eigenschaft crrs = 0 f¨ ist ¨ aquivalent zu tr adξ = 0 f¨ ur alle ξ ∈ g. Lie-Algebren mit diese Eigenschaft heißen unimodular, siehe auch Aufgabe 4.13. In diesem Fall ist die Integration orige Poisson-Spur. bez¨ uglich der Volumenform dn x die zugeh¨ 4.2.4 Formale Poisson-Tensoren Wir wollen nun untersuchen, wie Poisson-Tensoren auf kleine St¨orungen“ ” reagieren. Genauer sind wir an Einparameterfamilien πt von Poisson-Tensoren ein Parameter ist. Eine solche Familie von Poissoninteressiert, wobei t ∈ Tensoren nennen wir dann eine Deformation des Poisson-Tensors π0 . Die physikalische Motivation, derartige Deformationen zu betrachten, kann man als eine Frage nach der Stabilit¨ at der Theorie ansehen: Die Poisson-Struktur als wesentlicher Baustein der kinematischen Beschreibung eines klassischen mechanischen Systems muß in ihren Details aus dem Experiment entnommen
Ê
258
4 Poisson-Geometrie
werden und unterliegt daher unweigerlich Meßungenauigkeiten. Daher ist man daran interessiert, die Auswirkungen solcher kleiner St¨orungen zu verstehen. Wir werden diesen Gedanken in Abschnitt 6.2 in gr¨oßerem Detail und einem wesentlich verallgemeinerten Rahmen nochmals aufgreifen. Je nachdem welche Regularit¨ at im Parameter t verlangt werden soll, ergeben sich verschiedene Deformationstheorien: i.) ii.) iii.) iv.)
Reell-analytische Abh¨ angigkeit von t. angigkeit von t. Glatte oder C k -Abh¨ Stetige Abh¨ angigkeit von t. Formale Abh¨angigkeit von t.
Wir werden uns vor allem mit der formalen Version besch¨aftigen, da diese einer kohomologischen Beschreibung zug¨ anglich ist und deshalb in gewisser Hinsicht die einfachste ist. Zudem werden wir so auch Obstruktionen f¨ ur eine glatte oder gar reell-analytische Deformation formulieren k¨onnen. Im Hinblick auf die physikalische Motivation ist die formale Abh¨angigkeit jedoch sicherlich noch nicht die endg¨ ultig w¨ unschenswerte, da hier gewissermaßen nur infini” tesimale“ St¨ orungen zugelassen werden. Die glatte Deformationstheorie ist andererseits leichter zu definieren und liefert die Motivation f¨ ur die Definition der formalen Deformationstheorie. Wir beginnen daher mit folgender Definition: Definition 4.2.33 (Glatte Deformation von Poisson-Tensoren). Sei (M, π0 ) eine Poisson-Mannigfaltigkeit. Eine glatte Deformation πt von π0 ist eine glatte Abbildung (4.104) π : I × M −→ Λ2 T M, mit πt (p) = π(t, p) ∈ Λ2 Tp M f¨ ur alle t ∈ I und p ∈ M , sowie π(0, p) = π0 (p) f¨ ur alle t ∈ I, wobei I ⊆
und
πt , πt = 0,
(4.105)
Ê ein offenes Intervall um 0 ist.
Es ist also zu jedem t ∈ I eine Poisson-Struktur πt gesucht, welche glatt von t abh¨ angt und die f¨ ur t = 0 die vorgegebene Poisson-Struktur ist. Auf folgende Weise kann man sich viele triviale“ Deformationen von π0 ” verschaffen: Proposition 4.2.34. Sei (M, π0 ) eine Poisson-Mannigfaltigkeit und {Φt }t∈I eine glatte Kurve von Diffeomorphismen von M mit Φ0 = idM . Dann ist πt = Φ∗t π0 eine glatte Deformation von π0 . Beweis. Mit der Nat¨ urlichkeit der Schouten-Nijenhuis-Klammer ist dies offensichtlich, es gilt πt , πt = Φ∗t π0 , Φ∗t π0 = Φ∗t π0 , π0 = 0,
und πt ∈ Γ∞ (Λ2 T M ) h¨ angt nach Konstruktion in der gew¨ unschten Weise glatt von t ab. ⊓ ⊔
4.2 Lie-Algebroide und Poisson-Kohomologie
259
Eine derartige glatte Deformation nennt man aus naheliegenden Gr¨ unden trivial . Entsprechend nennt man zwei Deformationen πt und π ˜t ¨aquivalent, falls es eine glatte Kurve von Diffeomorphismen Φt mit Φ0 = idM gibt, so daß ˜t f¨ ur alle t. πt = Φ∗t π Ein Ziel der glatten Deformationstheorie ist es, die glatten Deformationen modulo den trivialen Deformationen zu klassifizieren, was allerdings nur in wenigen, besonders einfachen Spezialf¨ allen gelingt. Im allgemeinen ist dies nahezu hoffnungslos kompliziert. Etwas einfacher ist die folgende Situation f¨ ur formale Deformationen: Definition 4.2.35 (Formale Poisson-Struktur). Eine formale Deformation πt einer Poisson-Struktur π0 auf M ist eine formale Potenzreihe πt = π0 + tπ1 + t2 π2 + · · · =
∞ r=0
tr πr ∈ Γ∞ (Λ2 T M )[[t]],
(4.106)
so daß πt , πt = 0
(4.107)
in jeder Ordnung von t gilt. Gilt (4.107) bis zur Ordnung k, so heißt πt Deformation von π0 bis zur Ordnung k. Ein πt ∈ X2 (M )[[t]] mit (4.107) heißt auch formale Poisson-Struktur. Es sei nun kurz an die Sprache der formalen Potenzreihen erinnert. Wir werden im Rahmen der formalen Deformationsquantisierung in Abschnitt 6.2.1 noch ausf¨ uhrlich hierauf zur¨ uckkommen. Der Nachweis der folgenden einfachen Be¨ hauptungen sei als Ubung gestellt, siehe beispielsweise auch [219, Chap. IV.§9] oder [198, Sect. XVI.1] sowie Aufgabe 6.1 und 7.1. Bemerkung 4.2.36 (Formale Potenzreihen). orper, dann ist [[t]] der Raum aller Folgen a = (a0 , a1 , a2 , . . .) i.) Sei ein K¨ in , welche als formale Potenzreihe im formalen Parameter t geschrieben werden ∞ tr ar mit ar ∈ . (4.108) a= r=0
Formale Potenzreihen a, b ∈ [[t]] werden gliedweise addiert. Durch die Definition eines Produkts ab von a, b als ∞ ∞ ∞ r r s ab = tr as br−s (4.109) t ar t bs = r=0
s=0
r=0
s=0
wird eine assoziative, kommutative Multiplikation f¨ ur [[t]] definiert. Dadurch wird [[t]] ein assoziativer, kommutativer Ring mit Eins. ii.) Ist V ein -Vektorraum, so bezeichnet V [[t]] die formalen Potenzreihen mit Koeffizienten in V , also Folgen v = (v0 , v1 , v2 , . . .) mit vr ∈ V , die wieder als Reihen
260
4 Poisson-Geometrie
v=
∞
tr vr
(4.110)
r=0
geschrieben werden. Elemente in V [[t]] werden wieder gliedweise addiert und durch die Definition ∞ ∞ ∞ r r s tr av = t ar t vs = as vr−s (4.111) r=0
r=0
s=0
s=0
wird V [[t]] zu einem [[t]]-Modul. Ist schließlich A eine -Algebra (beispielsweise assoziativ, kommutativ, mit Eins, oder (Super-)Lie), so wird A[[t]] durch analoge Formeln zu einer [[t]]-Algebra vom selben Typ, also wieder assoziativ, kommutativ, mit Eins, oder (Super-)Lie. iii.) Ist schließlich φ0 , φ1 , . . . eine Folge von linearen Abbildungen φr : V −→ W , so wird ∞ tr φr ∈ Hom (V, W )[[t]] (4.112) φ=
r=0
mittels der Definition ∞ ∞ ∞ r r s φ(v) = tr t φr φs (vr−s ) t vs = r=0
r=0
s=0
(4.113)
s=0
zu einer [[t]]-linearen Abbildung φ : V [[t]] −→ W [[t]]. Genauso erweitert man -multilineare Abbildungen zu [[t]]-multilinearen Abbildungen. ∞ Bemerkung 4.2.37. Die Schreibweise r=0 tr ar impliziert keineswegs irgendeine Art der Konvergenz. Das Konzept formaler Potenzreihen ist vielmehr rein algebraisch. Die Schreibweise motiviert lediglich die Definition der Multiplikation.
Fundamental f¨ ur das Verst¨ andnis der Beziehung von glatten Funktionen und formalen Potenzreihen ist folgendes klassische Lemma von Borel: Proposition 4.2.38 (Borel-Lemma, erste Version). Sei I ⊆ nes Intervall um 0. Die Abbildung C ∞ (I) ∋ f → fˆ =
∞ r t r=0
r!
f (r) (0) ∈
[[t]]
ein offe-
(4.114)
ist ein -linearer surjektiver Algebrahomomorphismus. Eine analoge Aussage gilt f¨ ur komplexwertige Funktionen. Beweis. Der eigentlich schwierige Teil des Beweises ist die Surjektivit¨at. Da wir sp¨ ater nochmals eine allgemeinere Version dieses Satzes diskutieren werden, siehe Satz 5.3.33, sei dieser Teil hier ausgelassen. Daß die Abbildung
4.2 Lie-Algebroide und Poisson-Kohomologie
261
(4.114), die einer Funktion ihre formale Taylor-Reihe bei 0 zuordnet, ein Algebrahomomorphismus ist, folgt letztlich einfach aus der Leibniz-Regel: Die Linearit¨ at von (4.114) ist klar und es gilt (r)
(f g)
r r (s) f (0)g (r−s) (0), (0) = s s=0
womit man f g = fˆgˆ leicht nachrechnet.
⊓ ⊔
Analoge Aussagen gelten, wenn die Funktionen ihre Werte in einem Banach-Raum oder allgemeiner in einem Fr´echet-Raum annehmen. Dies illustriert, daß wir die formalen Potenzreihen als die (formale) Taylor-Entwicklung einer glatten Funktion um t = 0 ansehen k¨ onnen. In diesem Sinne ist die Definition formaler Deformationen von π0 als die Taylor-Entwicklung einer glatten Deformation zu verstehen. Dabei wird jedoch nicht verlangt oder erwartet, daß es eine zugeh¨ orige glatte Deformation u ¨ berhaupt gibt, geschweige denn, daß diese eindeutig ist. Dies ist nicht zu erwarten, da bereits (4.114) alles andere als injektiv ist (warum?). Nach diesem Exkurs wenden wir uns also erneut Definition 4.2.35 zu. Sei πt ∈ Γ∞ (Λ2 T M )[[t]]. Dann lautet die Bedingung πt , πt = 0 ausgeschrieben nach Ordnungen von t sortiert π0 , π0 = 0
π0 , π1 + π1 , π0 = 0
(4.115) (4.116)
und allgemein in Ordnung k
k−1
π0 , πk = −
1 πℓ , πk−ℓ . 2
(4.117)
ℓ=1
Bemerkung 4.2.39. Im Gegensatz zur glatten Version (4.105), welche eine quadratische partielle Differentialgleichung f¨ ur πt ist, ist die formale Version (4.107) ein rekursives System von linearen partiellen Differentialgleichungen in den Koeffizienten π1 , π2 , . . . , da die einzige nichtlineare quadratische Gleichung π0 , π0 = 0 nach Voraussetzung bereits erf¨ ullt ist, da ja eine gegebene Poisson-Struktur π0 deformiert werden soll. Aus diesem Grunde ist letztlich die formale Deformationstheorie einfacher. Bevor wir uns der L¨ osungstheorie von πt , πt = 0 zuwenden, wollen wir das formale Analogon der trivialen Deformationen finden. Zur Motivation betrachten wir erneut den glatten Fall mit einer speziellen trivialen Deformation πt = Φ∗t π0 , wobei Φt sogar eine Einparametergruppe von Diffeomorphismen sein soll. Damit ist Φt also der Fluß eines Vektorfeldes X ∈ Γ∞ (T M ). Wir finden die formale Version einer trivialen Deformation durch Taylor-Entwicklung der Gleichung πt = Φ∗t π0 um t = 0.
262
4 Poisson-Geometrie
Wegen
d ∗ Φ = LX Φ∗t = Φ∗t LX dt t f¨ ur alle t folgt durch Induktion, daß dn dn n π = Φ∗ π0 = (LX ) π0 . t dtn t=0 dtn t=0 t
(4.118)
Damit ist die formale Taylor-Reihe von πt durch π!t = π0 + t LX π0 +
t2 2 (LX ) π0 + · · · = et LX π0 2
(4.119)
gegeben. Wir nennen den Operator et LX auch eine formale Einparametergruppe von Diffeomorphismen. Den allgemeinen Fall erh¨alt man, wenn man ein t-abh¨ angiges Vektorfeld zul¨ aßt. Dies motiviert nun folgende Definition: Definition 4.2.40 (Formaler Diffeomorphismus). Ein formaler Diffeomorphismus von M ist eine [[t]]-lineare Abbildung
Ê
Φt : Γ∞ (Λ• T M )[[t]] −→ Γ∞ (Λ• T M )[[t]]
(4.120)
der Form Φt = eLXt
mit
Xt ∈ t Γ∞ (T M )[[t]].
(4.121)
Eine formale Deformation πt eines Poisson-Tensors π0 heißt trivial, wenn sie von der Form (4.122) πt = eLXt π0 mit einem formalen Diffeomorphismus eLXt ist. Zwei formale Deformationen πt und π ˜t von π0 heißen ¨aquivalent, falls es einen formalen Diffeomorphismus eLXt mit ˜t (4.123) πt = eLXt π gibt. ¨ Ausgeschrieben in den untersten Ordnungen bedeutet die Aquivalenz von πt und π ˜t π0 = π ˜0 , (4.124) π1 = π ˜0 , ˜1 + LX1 π
(4.125)
1 2 π2 = π ˜2 + LX2 π˜0 + (LX1 ) π ˜1 , ˜0 + LX1 π 2
(4.126)
¨ und so weiter. Die Trivialit¨ at einer Deformation πt ist dann die Aquivalenz zur konstanten Deformation π0 , also in diesen Fall π0 = π0 ,
(4.127)
π1 = LX1 π0 ,
(4.128)
4.2 Lie-Algebroide und Poisson-Kohomologie
263
1 2 (LX1 ) π0 , (4.129) 2 und so weiter, wobei immer Xt = tX1 + t2 X2 + · · · ∈ t Γ∞ (T M )[[t]]. Es ¨ zeigt sich, daß die Bedingung f¨ ur Aquivalenz beziehungsweise f¨ ur Trivialit¨ at ebenfalls ein rekursives System von linearen Gleichungen f¨ ur X1 , X2 , . . . ist. Diese drastische Vereinfachung gegen¨ uber der nichtlinearen Bedingung Φ∗t π ˜t = πt macht die formale Deformationstheorie kohomologischen Argumenten zug¨ anglich. Wir interessieren uns nun insbesondere f¨ ur die beiden folgenden Fragestellungen, welche letztlich die beiden Grundprobleme einer jeden formalen Deformationstheorie sind: π2 = LX2 π0 +
(k)
A Sei πt = π0 + tπ1 + · · · tk πk von π0 gegeben, so daß
eine Deformation (k) (k) πt , πt = 0 bis zur Ordnung k gilt. Kann man dann ein πk+1 so
(k+1) (k) (k+1) (k+1) =0 finden, daß πt = πt + tk+1 πk+1 die Gleichung πt , πt bis zur Ordnung k + 1 erf¨ ullt? B Seien zwei Deformationen πt und π ˜t von π0 gegeben, welche πt , πt = ˜t erf¨ ullen und bis zur Ordnung tk ¨aquivalent sind, es gebe also 0 = ˜ πt , π ein X (k) = tX1 + · · · tk Xk , so daß πt = eLX (k) π ˜t bis zur Ordnung k gilt. Kann man dann ein Xk+1 finden, so daß f¨ ur X (k+1) = X (k) + tk+1 Xk+1 die Gleichung πt = eLX (k+1) π ˜t bis zur Ordnung k + 1 gilt? Insbesondere interessiert uns der Fall k = 1, welcher die Startwerte“ von nichttrivialen ” Deformationen klassifiziert. Wir beginnen mit der Existenz einer formalen Deformation: Satz 4.2.41. Sei (M, π0 ) eine Poisson-Mannigfaltigkeit und sei π (k) = π0 + · · · + tk πk eine formale Deformation von π0 bis zur Ordnung k. Dann ist k
Rk+1 = −
1 πℓ , πk+1−ℓ 2
(4.130)
ℓ=1
ein dπ0 -Kozyklus, dπ0 Rk+1 = 0. Die Deformation π (k) l¨aßt sich genau dann zu einer Deformation π (k+1) = π (k) + tk+1 πk+1 fortsetzen, wenn Rk+1 exakt bez¨ uglich dπ0 ist. In diesem Fall liefert jedes πk+1 mit dπ0 πk+1 = Rk+1
(4.131)
eine Fortsetzung. Beweis. Es gilt nach Voraussetzung π (k) , π (k) = 0 + · · · + 0 + tk+1 (· · · ). Sei weiter πk+1 ∈ X2 (M ) beliebig und π (k+1) = π (k) + tk+1 πk+1 . Dann gilt
π (k+1) , π (k+1)
= π (k) + tk+1 πk+1 , π (k) + tk+1 πk+1
264
4 Poisson-Geometrie
= 0 + ···+ 0 + t =t
k+1
k+1
2 π0 , πk+1 +
(2dπ0 πk+1 − 2Rk+1 ) + t
k+2
k ℓ=1
πℓ , πk+1−ℓ
+ tk+2 (· · · )
(· · · ),
womit πk+1 genau dann eine Deformation π (k+1) bis zur Ordnung k +1 liefert, wenn dπ0 πk+1 = Rk+1 . Damit l¨ aßt sich π (k) genau dann zu einer Deformation π (k+1) bis zur Ordnung k + 1 fortsetzen, wenn Rk+1 exakt bez¨ uglich des Differentials dπ0 ist. Eine notwendige Bedingung daf¨ ur ist, daß Rk+1 geschlossen ist, da d2π0 = 0. Diese notwendige, aber im allgemeinen nicht hinreichende Bedingung ist aber immer erf¨ ullt. Um dies zu sehen, betrachten wir zun¨achst ein beliebiges Bivektorfeld Πt ∈ X2 (M )[[t]]. Dann gilt mit der Super-Jacobi-Identit¨at der SchoutenNijenhuis-Klammer Πt , Πt , Πt = 0. Dies gilt sogar in jeder Super-Lie-Algebra f¨ ur jedes ungerade Element. Angewandt auf π (k+1) liefert diese universell g¨ ultige Identit¨at in Ordnung k + 1
0 = π (k+1) , π (k+1) , π (k+1)
= π (k+1) , tk+1 (2dπ0 πk+1 − 2Rk+1 ) + · · · = tk+1 (π0 , 2dπ0 πk+1 − 2Rk+1 ) + · · · = −2tk+1 dπ0 Rk+1 + · · · ,
da d2π0 = 0 und π (k) eine Deformation bis zur Ordnung k ist. Also ist das Verschwinden der (k + 1)-ten Ordnung gleichbedeutend mit der Geschlossenheit ⊓ ⊔ von Rk+1 . Damit ist der Satz gezeigt. Damit ist die Ordnung f¨ ur Ordnung“-Konstruktion einer Deformation in ” jeder neuen Ordnung ein kohomologisches Problem: die Konstruktion kann genau dann fortgesetzt werden, wenn die Obstruktion [Rk+1 ] ∈ H3π0 (M ) verschwindet. Da im allgemeinen die dritte Poisson-Kohomologie H3π0 (M ) nichttrivial ist, muß das Verschwinden der Obstruktion mit zus¨atzlichen Argumenten sichergestellt werden. Im allgemeinen wird es sogar so sein, daß die Obstruktion tats¨ achlich auftritt und eine gegebene Deformation bis zur Ordnung tk nicht fortgesetzt werden kann. W¨ ahrend die rekursive Konstruktion auf ein kohomologisches Problem in ur alle Ordnungen tk f¨ uhrt, ist die rekurder selben Kohomologie H3π0 (M ) f¨ ¨ sive Frage nach der Aquivalenz etwas komplizierter. Um dies zu diskutieren, ¨ ben¨ otigen wir einige vorbereitende Uberlegungen. Zun¨achst ist u ¨ berhaupt zu ¨ ¨ zeigen, daß der Begriff von Aquivalenz tats¨ achlich eine Aquivalenzrelation darˆt ˜t und π ˜t = Ψt∗ π stellt. Im glatten Fall ist dies offensichtlich, da mit πt = Φ∗t π
4.2 Lie-Algebroide und Poisson-Kohomologie
265
aquivalent sind, weil t → Ψt ◦ Φt wieder eine glatte Kurauch πt = (Ψt ◦ Φt )∗ π ˆt ¨ ve von Diffeomorphismen ist, welche f¨ ur t = 0 durch idM geht. Im formalen Fall ist insbesondere die Transitivit¨ at nicht mehr ganz selbstverst¨andlich und bedarf eines unabh¨ angigen Beweises. Dazu betrachten wir folgende Charakterisierung der formalen Diffeomorphismen, welche auch von unabh¨angigem Interesse ist: Proposition 4.2.42. Die Menge FDiff(M ) der formalen Diffeomorphismen FDiff(M ) = Φt = eLXt : X• (M )[[t]] −→ X• (M )[[t]] Xt ∈ t X1 (M )[[t]] (4.132) stimmt mit der Gruppe der homogenen Automorphismen der GerstenhaberAlgebra X• (M )[[t]] vom Grade 0 u ¨berein, welche mit id in nullter Ordnung beginnen. Beweis. Wir verwenden zun¨ achst ein Resultat aus Abschnitt 6.2.1. Jeder solche Automorphismus Φ ist von der Form Φ = etD mit einer Derivation D der Gerstenhaber-Algebra X• (M )[[t]], welche homogen vom Grade 0 ist, dies folgt aus Proposition 6.2.7, angewandt auf beide Multiplikationen ∧ und ·, ·. Es gilt also die Derivationen von X• (M )[[t]] zu bestimmen. Da D den Grad erh¨ alt und eine Derivation des ∧-Produkts ist, ist D eingeuglich eines (formalen) Vektorschr¨ ankt auf X0 (M )[[t]] die Lie-Ableitung bez¨ feldes X ∈ X1 (M )[[t]]. Dies folgt direkt aus Satz 2.1.26. Daher kann man D − LX betrachten, was immer noch eine Derivation ist, welche nun auf X0 (M )[[t]] verschwindet. Daher ist D−LX funktionenlinear. Die Homogenit¨at zeigt nun, daß D−LX , auf X1 (M )[[t]] eingeschr¨ankt, ein Schnitt des Endomorphismenb¨ undels A ∈ Γ∞ (End(T M ))[[t]] sein muß, also A(Y ) = D(Y ) − LX Y f¨ ur Y ∈ X1 (M )[[t]]. Nun betrachtet man die Derivationseigenschaft bez¨ uglich der Schouten-Nijenhuis-Klammer 0 = (D − LX )(Y, f) = f, A(Y ) + 0 = A(Y )f,
womit A(Y ) auf allen Funktionen verschwindet und daher A(Y ) = 0 erf¨ ullt. Also ist A = 0. Da die Funktionen und Vektorfelder die Gerstenhaber-Algebra bez¨ uglich des ∧-Produkts aber (zumindest lokal) erzeugen, ist die Derivation D durch ihre Werte auf Funktionen und Vektorfeldern bereits festgelegt und ⊓ ⊔ stimmt somit mit der Lie-Ableitung LX u ¨ berein. Insbesondere ist FDiff(M ) eine Gruppe. Da sie aus Automorphismen der gesamten Gerstenhaber-Algebra besteht, u uhrt die Anwendung von Ele¨ berf¨ menten in FDiff(M ) L¨ osungen der Gleichung πt , πt = 0 wieder in L¨osungen dieser Gleichung. Daher erh¨ alt man folgende Umformulierung der Definition 4.2.40: Korollar 4.2.43. Die Gruppe FDiff(M ) wirkt kanonisch auf der Menge aller formalen Poisson-Strukturen
266
4 Poisson-Geometrie
FPoisson(M ) = πt ∈ X2 (M )[[t]] πt , πt = 0
(4.133)
¨ auf M und die Aquivalenzklassen von formalen Poisson-Strukturen entspreuglich dieser Wirkung. Der chen den FDiff(M )-Bahnen in FPoisson(M ) bez¨ Quotientenraum
(4.134) FPoisson(M ) = FPoisson(M ) FDiff(M )
¨ ist in Bijektion zu den Aquivalenzklassen von formalen Poisson-Strukturen. ¨ Man bezeichnet mit FPoisson(M, π0 ) diejenigen Aquivalenzklassen von 2 formalen Poisson-Strukturen, welche π0 ∈ X (M ) in nullter Ordnung deformieren. Offenbar erh¨ alt die Gruppenwirkung immer die nullte Ordnung, da alle Gruppenelemente in FDiff(M ) in nullter Ordnung mit id beginnen. ¨ Insbesondere folgt nun auch, daß es sich beim Aquivalenzbegriff aus Definiti¨ on 4.2.40 tats¨ achlich um eine Aquivalenzrelation handelt. ¨ Korollar 4.2.44. Die Aquivalenz von formalen Deformationen einer Poisson2 ¨ Struktur π0 ∈ X (M ) ist eine Aquivalenzrelation.
Wir wenden uns nun dem Problem der rekursiven Klassifikation von ¨ aquivalenten Deformationen zu. Im Hinblick auf unsere Uberlegungen zu ¨ Gruppenwirkungen, Bahnen und Isotropiegruppen in Abschnitt 3.3.1 ist folgende Umformulierung des Klassifikationsproblems offensichtlich: Proposition 4.2.45. Sei πt ∈ FPoisson(M, π0 ) eine formale Deformation von π0 und sei FDiff(M )πt = {Φt ∈ FDiff(M ) | Φt πt = πt }
(4.135)
die Untergruppe von formalen πt -Poisson-Diffeomorphismen. Dann sind die Deformationen von π0 in Bijektion zum hozur Deformation πt ¨aquivalenten
mogenen Raum FDiff(M ) FDiff(M )πt .
Der homogene Raum“ ist eben in Bijektion zur Bahn, dies gilt ganz allge” mein f¨ ur Gruppenwirkungen. Nat¨ urlich besitzt FDiff(M
) FDiff(M )πt keinerlei geometrische Struktur wie die homogenen R¨ aume G H aus Abschnitt 3.3.1. Die Bijektion ist rein algebraischer Natur und besitzt keinerlei Stetigkeitseigenschaften. Die Aussage der Proposition 4.2.45 ist zudem nicht von großen praktischem Nutzen, da die Bestimmung der Isotropiegruppe FDiff(M )πt
sowie des Quotienten FDiff(M ) FDiff(M )πt im allgemeinen gleichermaßen schwierig (unm¨ oglich) ist, wie die Klassifikation direkt. Wir n¨ahern uns dem Problem der Klassifikation daher ebenfalls mit dem rekursiven Ansatz. Dabei ist folgendes Lemma n¨ utzlich: Lemma 4.2.46. Ist πt bis zur Ordnung k ¨aquivalent zu π ˜t , so gibt es eine zu π ˜t ¨aquivalente Deformation πt′ mit πℓ′ = πℓ f¨ ur ℓ = 1, . . . , k.
(4.136)
4.2 Lie-Algebroide und Poisson-Kohomologie
267
¨ Beweis. Sei Φt = eLXt mit Xt = tX1 + · · · + tk Xk + · · · eine Aquivalenz zwischen πt und π ˜t bis zur Ordnung k. Es gilt also eLXt π ˜t = πt + tk+1 (· · · ), womit πt′ = eLXt π ˜t die gesuchte formale Deformation ist.
⊓ ⊔
¨ Wir k¨ onnen damit bei der Frage, ob eine Aquivalenz von πt und π ˜t der Ordnung k bis zur Ordnung k+1 fortgesetzt werden kann, ohne Einschr¨ankung ˜t bereits bis zur Ordnung k ¨ ubereinstimmen. In diesem annehmen, daß πt und π Fall hat man folgendes Resultat: Proposition 4.2.47. Seien πt und π ˜t formale Deformationen von π0 , welche bis zur Ordnung k ¨ ubereinstimmen. Dann ist πk+1 − π ˜k+1 ein dπ0 -Kozyklus dπ0 (πk+1 − π ˜k+1 ) = 0.
(4.137) k+1
¨ Eine Aquivalenz bis zur Ordnung k + 1 der Form et LXk+1 gibt es genau ˜k+1 exakt ist. In diesem Fall liefert jedes Xk+1 mit dann, falls πk+1 − π ˜k+1 dπ0 Xk+1 = πk+1 − π
(4.138)
¨ eine solche Aquivalenz. Beweis. Da πt , πt = 0 = ˜ πt , π ˜t folgt
πt − π˜t , πt − π ˜t = −2 πt , π ˜t .
Die linke Seite ist nach Annahme von der Ordnung 2k + 2, da πt und π ˜t bis zur Ordnung k u bereinstimmen. Also verschwindet die (k + 1)-te Ordnung ¨ von πt , π ˜t = πt − π ˜t , πt . Diese ist aber durch tk+1 π0 , πk+1 − π ˜k+1 = ¨ ˜k+1 ) gegeben, womit (4.137) folgt. F¨ ur eine Aquivalenz bis tk+1 dπ0 (πk+1 − π zur Ordnung k + 1 werden keine Beitr¨ age von Xt in h¨oheren Ordnungen als ¨ k + 1 ben¨ otigt. Daher ist die allgemeinste Aquivalenz bis zur Ordnung k + 1 LtX +···+tk+1 X 1 k+1 ohne Einschr¨ ankung von der Form e . W¨ unscht man sogar die L k+1 ¨ Form e t Xk+1 , so ist dies genau dann eine Aquivalenz bis zur Ordnung Ltk+1 X k+2 k+1 k + 1, wenn e πt = π ˜t + t (· · · ) oder ausgeschrieben
id +tk+1 LXk+1 + · · · π0 + tπ1 + · · · + tk πk + tk+1 πk+1 + · · · = π0 + tπ1 + · · · + tk πk + tk+1 π ˜k+1 + · · · ,
da πt und π ˜t nach Voraussetzung bis zur Ordnung k u ¨ bereinstimmen. Dies ist gleichbedeutend mit der Bedingung LXk+1 π0 = − π0 , Xk+1 = −dπ0 Xk+1 = π ˜k+1 − πk+1 ,
so daß (4.138) folgt.
⊓ ⊔
268
4 Poisson-Geometrie
Bemerkung 4.2.48. Das Problem der vorangehenden Proposition ist, daß sie ¨ zwar ein hinreichendes Kriterium f¨ ur die Aquivalenz von Deformationen liefert, im allgemeinen jedoch keineswegs ein notwendiges: Es kann sehr wohl ¨ Aquivalenzen geben, welche von der Form eLXt mit Xt = tX1 +· · ·+tk+1 Xk+1 sind. F¨ ur den Fall k = 0 liefert die Proposition jedoch ein hinreichendes und notwendiges Kriterium. Wir fassen diesen wichtigen Ausgangspunkt der Deformationstheorie zusammen: Satz 4.2.49. Sei (M, π0 ) eine Poisson-Mannigfaltigkeit und π1 ∈ X2 (M ). Dann ist π (1) = π0 + tπ1 genau dann eine Deformation bis zur Ordnung uglich dπ0 ist. Zwei Defor1, wenn dπ0 π1 = 0, also wenn π1 geschlossen bez¨ mationen π (1) und π ˜ (1) bis zur Ordnung 1 sind genau dann ¨aquivalent bis zur ˜1 = dπ0 X1 exakt ist. Ordnung 1, wenn π1 − π Beweis. Wir k¨ onnen Satz 4.2.41 f¨ ur k = 0 anwenden. Die Bedingung dπ0 π1 = R1 lautet hier einfach dπ0 π1 = 0, da R1 offenbar verschwindet. Dies zeigt ˜1 vorgegeben, so k¨onnen wir uns f¨ ur die den ersten Teil. Sind nun π1 und π ¨ Frage nach der Aquivalenz bis zur Ordnung 1 auf formale Diffeomorphismen anken, da h¨ohere Ordnungen in Xt noch der Form eLXt mit Xt = tX1 beschr¨ keinen Beitrag liefern k¨ onnen. Dann zeigt Proposition 4.2.47 die verbleibende Aussage des Satzes. ⊓ ⊔ Bemerkung 4.2.50. W¨ ahrend nach Satz 4.2.41 die dritte Poisson-Kohomologie oglichen Obstruktionen bei der rekursiven KonstrukH3π0 (M ) als Quelle der m¨ tion einer Deformation identifiziert ist, liefert Satz 4.2.49 die Interpretation ur nichtder zweiten Poisson-Kohomologie H2π0 (M ) als m¨ogliche Kandidaten f¨ triviale Deformationen von π0 in erster Ordnung. Damit klassifiziert H2π0 (M ) die infinitesimalen Deformationen von π0 , also die Deformationen bis zur Ord¨ nung 1, bis auf Aquivalenz. Ist insbesondere H2π0 (M ) = {0}, so sind alle Deformationen trivial. Leider l¨ aßt sich f¨ ur ein gegebenes π1 mit der notwendigen Eigenschaft dπ0 π1 = 0 nicht ohne weiteres entscheiden, ob es zu einer Deformation h¨oherer Ordnung fortgesetzt werden kann. Das folgende triviale Beispiel illustriert dieses Ph¨ anomen auf drastische Weise: Beispiel 4.2.51 (Deformationen der trivialen Poisson-Struktur). Wir betrachten die triviale Poisson-Struktur π0 = 0. Dann ist jedes Bivektorfeld π1 ∈ X2 (M ) geschlossen, dπ0 π1 = 0, womit π (1) = π0 + tπ1 = tπ1 immer eine Deformation bis zur Ordnung 1 ist. Da in diesem Fall sogar X2 (M ) = H2π0 (M ) gilt, folgt, daß verschiedene Wahlen von π1 immer in¨aquivalente Deformationen bis zur Ordnung 1 liefern. Im allgemeinen l¨aßt sich π (1) aber nicht fortsetzen, die Obstruktion (4.130) ist n¨ amlich 1 R2 = − π1 , π1 , 2
(4.139)
4.2 Lie-Algebroide und Poisson-Kohomologie
269
und R2 ist genau dann dπ0 -exakt, wenn R2 = 0 gilt. Damit k¨onnen wir nur diejenigen infinitesimalen Deformationen π1 fortsetzen, die selbst PoissonStrukturen sind. Dies l¨ aßt sich selbstverst¨ andlich auch elementarer verstehen. Wir beenden diesen Abschnitt mit einer Diskussion des Falls eines symplektischen Poisson-Tensors. Lemma 4.2.52. Sei (M, ω0 ) eine symplektische Mannigfaltigkeit mit zugeh¨origem symplektischen Poisson-Tensor π0 . Ist πt = π0 + tπ1 + · · · ∈ X2 (M ), so ist die induzierte [[t]]-lineare Abbildung
Ê
♯t = ♯0 + t♯1 + · · · : Γ∞ (T ∗ M )[[t]] −→ Γ∞ (T M )[[t]]
(4.140)
ein C ∞ (M )[[t]]-linearer Isomorphismus. Es existiert eine eindeutig bestimmte, formale Zweiform ωt = ω0 + tω1 + · · · ∈ Γ∞ (Λ2 T ∗ M )[[t]] mit ωt♯t = πt ,
(4.141)
wobei ♯t auf Ω• (M )[[t]] als ∧-Produkthomomorphismus fortgesetzt ist. Das Inverse von ♯t ist durch ♭t = ♭0 + t♭1 + · · · : Γ∞ (T M )[[t]] ∋ X → X ♭t = iX ωt ∈ Γ∞ (T ∗ M )[[t]] (4.142) gegeben. Beweis. Der einzig nichttriviale Teil des Lemmas ist die Bijektivit¨at von ♯t . Da aber ♯0 invertierbar ist, folgt, daß auch ♯t invertierbar ist, egal welche h¨oheren Ordnungen ♯r man zu ♯0 dazuaddiert, da wir das Inverse als geometrische Reihe definieren k¨ onnen, welche eine wohl-definierte formale Potenzreihe darstellt. ⊓ ⊔ Suchen wir also nach Deformationen von π0 , so erhalten wir gleichermaßen eine formale Reihe von Zweiformen. Die Umkehrung gilt nat¨ urlich auch: ist ω0 symplektisch, so ist ♭t = ♭0 +t♭1 +· · · : X → iX ωt f¨ ur jedes ωt = ω0 +tω1 +· · · ∈ Γ∞ (Λ2 T ∗ M ) ein Isomorphismus mit Inversem ♯t und ωt♯t = πt ist eine formale Reihe von Bivektorfeldern, welche in nullter Ordnung mit π0 u ¨ bereinstimmen. Das n¨ achste Lemma kl¨ art, wann das so erhaltene formale Bivektorfeld πt wieder eine formale Poisson-Struktur ist. Lemma 4.2.53. Sei (M, ω0 ) eine symplektische Mannigfaltigkeit und πt = π0 + tπ1 + · · · ∈ X2 (M )[[t]] mit zugeh¨origer Zweiform ωt ∈ Ω2 (M )[[t]]. Dann gilt πt , πt = 0 genau dann, wenn dωt = 0.
Beweis. Der Beweis ist w¨ ortlich der selbe wie f¨ ur den Fall ohne formale Potenzreihen. ⊓ ⊔
¨ ¨ Als letzten Schritt ben¨ otigen wir eine Ubersetzung der Aquivalenz von formalen Poisson-Strukturen in die Sprache der formalen geschlossenen Zweiformen. Dies leistet folgendes Lemma:
270
4 Poisson-Geometrie
Lemma 4.2.54. Sei (M, ω0 ) eine symplektische Mannigfaltigkeit. Seien weiter πt = π0 + tπ1 + · · · und π ˜t = π0 + t˜ π1 + · · · ∈ X2 (M )[[t]] mit zu2 geh¨origen Zweiformen ωt , ω ˜ t ∈ Ω (M )[[t]]. Dann gibt es ein formales Vek˜t = πt genau dann, torfeld Xt = tX1 + t2 X2 + · · · ∈ tX1 (M )[[t]] mit eLXt π ˜ t = ωt . wenn eLXt ω Beweis. Hier ist die Wirkung des formalen Diffeomorphismus eLXt auf formale Zweiformen wie immer Ordnung f¨ ur Ordnung zu verstehen. Zun¨achst ˜t = πt genau dann gilt, wenn die beiden zugeh¨origen zeigt man, daß eLXt π Isomorphismen ˜♯t und ♯t ineinander u ¨ bersetzt werden. Damit folgt dann die ¨ entsprechende Aquivalenz f¨ ur die Zweiformen. Die Umkehrung ist analog. ⊓ ⊔ Faßt man diese einzelnen Resultate zusammen, so erh¨alt man folgendes Bild f¨ ur die Deformation einer symplektischen Poisson-Struktur:
Satz 4.2.55. Sei (M, ω0 ) eine symplektische Mannigfaltigkeit. Dann erh¨alt man jede formale Deformation πt = π0 + tπ1 + · · · ∈ X2 (M )[[t]] als PoissonTensor aus einer formalen Deformation der symplektischen Form ωt = ω0 + tω1 + · · · ∈ Ω2 (M )[[t]],
dωt = 0,
(4.143)
und zwei Deformationen πt und π ˜t sind genau dann ¨aquivalent, wenn die Zweiform ωt − ω ˜ t exakt ist. Jede Deformation der Ordnung k kann zu einer Deformation der Ordnung k + 1 fortgesetzt werden. Beweis. Die Aussage zur Fortsetzbarkeit ist trivial, da man immer geschlosse¨ ne Zweiformen hinzuaddieren kann. Es bleibt also die Aussage zur Aquivalenz LXt π ˜t oder entsprechend zu zeigen. Sei also πt = e ωt = eLXt ω ˜t 1 (LXt )2 ω ˜t + · · · 2 1 ˜t + · · · =ω ˜ t + (iXt d + d iXt )˜ ωt + (iXt d + d iXt )2 ω 2 1 =ω ˜ t + d iXt ω ˜t + · · · ˜ t + d iXt d iXt ω 2 =ω ˜ t + dαt . ˜t + =ω ˜ t + LXt ω
Gilt andererseits ωt = ω ˜ t = ωt ˜ t + dαt , so l¨ aßt sich das gesuchte Xt mit eLXt ω rekursiv aus αt bestimmen. ⊓ ⊔
Korollar 4.2.56. Sei (M, ω0 ) symplektisch. Die formalen Deformationen der Poisson-Struktur π0 werden kanonisch durch die zweite deRham-Kohomologie H2dR (M )[[t]] klassifiziert. Diese Aussage wird ihre wirklich Bedeutung im Rahmen der formale Deformationsquantisierung erhalten, wo wir sehen werden, daß die Klassifikation der klassischen“ Deformationen von symplektischen Formen auf kanonische ” Weise mit der Klassifikation der Quantisierungen u ¨ bereinstimmt. Dies gilt auch f¨ ur den allgemeinen Poisson-Fall, ist aber in dieser Allgemeinheit sehr viel schwieriger zu zeigen.
4.3 Aufgaben
271
4.3 Aufgaben Aufgabe 4.1 (Die Jacobi-Identit¨ at). Betrachten Sie ein Bivektorfeld π ∈ Γ∞ (Λ2 T M ) auf einer n-dimensionalen Mannigfaltigkeit M . Sei weiter eine Karte (U, x) von M gegeben, so daß lokal 1 ∂ ∂ π = π ij i ∧ j (4.144) 2 ∂x ∂x U
mit Koeffizientenfunktionen π ij ∈ C ∞ (U ). Sei weiter {f, g} die durch π induzierte Klammer.
i.) Berechnen Sie die Schouten-Nijenhuis-Klammer π, π in den lokalen Koordinaten (U, x) auf U und zeigen Sie so, daß {·, ·} genau dann die JacobiIdentit¨ at erf¨ ullt, wenn π ij
ℓi ik ∂π kℓ kj ∂π ℓj ∂π + π + π =0 ∂xj ∂xj ∂xj
(4.145)
f¨ ur alle i, k, ℓ = 1, . . . , n gilt. ii.) Zeigen Sie somit, daß {·, ·} genau dann die Jacobi-Identit¨at auf U erf¨ ullt, wenn die Jacobi-Identit¨ at f¨ ur die lokalen Koordinatenfunktionen x1 , . . . , xn erf¨ ullt ist. Geben Sie f¨ ur diese Tatsache einen weiteren unabh¨angigen Beweis unter Verwendung des Satzes von Stone-Weierstraß. iii.) Zeigen Sie, daß ein lineares Bivektorfeld π auf einem Vektorraum V genau ij k ij dann die Jacobi-Identit¨ at erf¨ ullt, wenn die Konstanten cij k mit π = x ck die Strukturkonstanten einer Lie-Algebra bilden. Aufgabe 4.2 (Poisson-Strukturen und Gerstenhaber-Algebren). Beur trachten Sie eine Gerstenhaber-Algebra G• mit der Eigenschaft Gk = {0} f¨ k < 0. Weiter sei G• nichtausgeartet im Sinne von Proposition 4.1.2. Setzen Sie A = G0 . Schließlich sei π ∈ G2 mit π, π = 0 gegeben, und sei ur A gem¨aß Proposition 4.1.2. For{·, ·}π die induzierte Poisson-Klammer f¨ mulieren Sie dann Satz 4.1.9 f¨ ur diese rein algebraische Situation, indem Sie solche Derivationen und Automorphismen der Algebra A betrachten, welche von Derivationen und Automorphismen von G• kommen. Aufgabe 4.3 (Die erste Poisson-Kohomologie). Betrachten Sie eine Poisson-Mannigfaltigkeit (M, π) mit zugeh¨ origem Vektorb¨ undelhomomorphismus ♯ : T ∗ M −→ T M . i.) Zeigen Sie, daß ♯ eine lineare Abbildung ♯ : H1dR (M ) −→ H1π (M )
(4.146)
induziert. Zeigen Sie dazu zun¨ achst, daß eine exakte Einsform unter ♯ auf ein Hamiltonsches Vektorfeld und eine geschlossene Einsform auf ein Poisson-Vektorfeld abgebildet wird. Folgern Sie dann, daß (4.146) wohldefiniert ist.
272
4 Poisson-Geometrie
ii.) Geben Sie einfache Beispiele daf¨ ur, daß ♯ im allgemeinen weder injektiv noch surjektiv ist. iii.) Zeigen Sie, daß f¨ ur einen symplektischen Poisson-Tensor π die Abbildung (4.146) ein Isomorphismus ist, indem Sie von der dann existierenden Abbildung ♭ explizit zeigen, daß auch ♭ eine wohl-definierte Abbildung der Kohomologien liefert. Aufgabe 4.4 (Klassische Spur-Funktionale). Sei (M, π) eine PoissonMannigfaltigkeit. Ein lineares Funktional μ : C0∞ (M ) −→
Ê
(4.147)
heißt Poisson-Spur , falls μ({f, g}) = 0 f¨ ur alle f, g ∈ C0∞ (M ). Zeigen Sie dann folgenden Satz:
Ê
Satz. Sei M = 2n versehen mit der Standardsymplektik ω0 . Ein lineares Funktional μ : C0∞ ( 2n ) −→ ist genau dann eine Poisson-Spur, falls μ ein Vielfaches der Integration ist μ(f ) = c f (x)d2n x (4.148)
Ê
Ê
Ê
2n
Ê. Insbesondere ist μ eine Distribution. Dieser Satz ist nach wie vor richtig, wenn man Ê2n durch eine beliebige zusammit c ∈
menh¨angende symplektische Mannigfaltigkeit M ersetzt und die Integration bez¨ uglich der Liouville-Volumenform Ω verwendet. Anleitung (nach [46, 155]): i.) Zeigen Sie, daß die Integration tats¨ achlich eine Poisson-Spur ist. ii.) Zeigen Sie zun¨ achst folgendes Lemma:
Ê
Lemma. Eine glatte Funktion f ∈ C0∞ ( N ) mit kompaktem Tr¨ager ist dann eine Linearkombination von partiellen Ableitungen f = genau ∂gi von glatten Funktionen gi mit ebenfalls kompaktem Tr¨ager, wenn i " i ∂x N f (x)dx = 0. N Ê
Die eine Richtung ist trivial. Betrachten Sie zun¨achst den Fall N = 1 und verwenden Sie den Hauptsatz der Differential- und Integralrechnung. Hier ist die Aussage des Lemmas trivial (warum?). Beweisen Sie das durch Induktion nach N . Sei also f eine Funktion mit "Lemma dann N −1 N ∞ ) durch ÊN f (x)dx = 0 und definieren Sie g ∈ C (
Ê
g(x1 , . . . , xN −1 ) =
+∞
f (x1 , . . . , xN −1 , t)dt.
(4.149)
−∞
Zeigen Sie, daß g kompakten Tr¨ ager und verschwindendes Integral hat, so daß nach Induktionsvoraussetzung g die Summe der i-ten partiellen
4.3 Aufgaben
273
Ê
Ableitungen von Funktionen hi ∈ C0∞ ( N −1 ) mit" i = 1, . . . , N − 1 ist. ∞ Sei nun χ ∈ C0∞ ( ) eine Abschneidefunktion mit −∞ χ(t)dt = 1, solche Funktionen gibt es ja. Betrachten Sie dann die Funktion
Ê
f (x1 , . . . , xN ) −
N −1 i=1
∂(hi (x1 , . . . , xN −1 )χ(xN )) ∂xi
(4.150)
und zeigen Sie, daß sie kompakten Tr¨ ager in allen Variablen hat. Berechnen Sie nun das Integral u ¨ber die Variable xN und verwenden Sie nochmals den bereits bewiesenen Fall N = 1, um (4.150) umzuschreiben. iii.) Zeigen Sie nun, daß die Integration τ : C0∞ ( N ) −→ bis auf Vielfache das einzige lineare Funktional ist, welches auf allen partiellen Ableitungen ∂ ∂xi f verschwindet. Sei hierzu μ ein anderes solches Funktional und f ∈ C0∞ ( N ) eine Funktion mit τ (f ) = 1. Betrachten Sie f¨ ur beliebiges g ∈ C0∞ ( N ) dann die (eindeutige) Zerlegung g = τ (g)f +h mit h ∈ C0∞ ( N ), und zeigen Sie so, daß h ∈ ker τ und damit nach dem Lemma auch h ∈ ker μ. Betrachten Sie dann μ(g). iv.) Betrachten Sie nun μ({f, g}) = 0 und zeigen Sie, daß Sie f¨ ur f auch die Kourfen, obwohl diese nat¨ urlich ordinatenfunktionen q 1 , . . . , pn verwenden d¨ keinen kompakten Tr¨ ager haben. Beweisen Sie dann den Satz.
Ê
Ê
Ê Ê
Ê
Aufgabe 4.5 (Kommutierende Vektorfelder I). Betrachten Sie Vektorfelder X1 , . . . , XN ∈ Γ∞ (T M ) auf einer Mannigfaltigkeit M mit der Eigenschaft, daß (4.151) [Xi , Xj ] = 0 f¨ ur alle i, j = 1, . . . , N .
Ê
i.) Sei (π ij ) ∈ MN ( ) eine antisymmetrische Matrix. Zeigen Sie, daß π=
1 ij π Xi ∧ Xj 2
(4.152)
eine Poisson-Struktur definiert. Diese ist konstant“ bez¨ uglich der paar” weise kommutierenden Vektorfelder X1 , . . . , XN . Diese Vektorfelder sind im allgemeinen nat¨ urlich nicht die Koordinatenvektorfelder zu einem (lokalen) Koordinatensystem. Auf diese Weise erh¨alt man also einfache Poisson-Strukturen. ii.) Zeigen Sie folgendes Lemma:
Ê
Lemma. Sei R > 0. Dann gibt es n Vektorfelder X1 , . . . , Xn ∈ Γ∞ (T n ) mit Tr¨ager in BR (0), welche bei 0 linear unabh¨angig sind und paarweise miteinander kommutieren. Anleitung (nach [45]): Zun¨ achst kann man R = n annehmen und nachtr¨ aglich alles zurechtskalieren. Man w¨ahlt zwei Funktionen φ, ψ ∈ C0∞ ( ) mit den Eigenschaften φ(0) = 1 und supp φ ⊆ [− 21 , 12 ], sowie
Ê
274
4 Poisson-Geometrie
ψ(t) = 1 f¨ ur t ∈ [− 21 , 12 ] und supp ψ ⊆ [−1, 1]. Veranschaulichen Sie sich diese Wahlen durch ein Bild. Betrachten Sie dann Xi (x1 , . . . , xn ) = ψ(x1 ) · · · φ(xi ) · · · ψ(xn )ei .
(4.153)
iii.) Folgern Sie nun die Existenz von Poisson-Strukturen mit vorgegebenem Wert in Λ2 Tp M an einem Punkt p ∈ M und kompaktem Tr¨ager. Aufgabe 4.6 (Kommutierende Vektorfelder II). Wir wollen nun eine alternative Konstruktion von kommutierenden Vektorfeldern mit kompaktem Tr¨ ager diskutieren [323]. i.) Betrachten Sie die Abbildung φ : [0, 1) −→ [0, +∞) mit 1
φ(t) = tχ(t) + (1 − χ(t))e 1−t ,
(4.154)
wobei χ eine glatte Abschneidefunktion mit χ(t) = 1 f¨ ur t ∈ [0, 21 ) und ¨ Sie sich, daß Sie χ derart w¨ahlen χ(t) = 0 f¨ ur t ∈ [ 34 , 1) ist. Uberlegen k¨ onnen, daß φ ein glatter Diffeomorphismus wird. Skizzieren Sie den Verlauf von φ. ii.) Sei n ≥ 1. Betrachten Sie nun die Abbildung Φ : B1 (0) ⊆ n −→ n
Ê
Φ(y) =
y φ(y), y
Ê
(4.155)
wobei y die Euklidische Norm von y bezeichnet. Zeigen Sie, daß Φ ein Diffeomorphismus ist und bestimmen Sie die Umkehrabbildung. ∂ ∂ iii.) F¨ ur i = 1, . . . , n sei Xi = Φ∗ ∂x ¨ blichen Koordinatenveki , wobei ∂xi die u n sind. Schreiben Sie Xi = Xij ∂y∂ j und zeigen Sie, daß sich torfelder auf
Ê
Ê
die Koeffizientenfunktionen Xij zu glatten Funktionen auf n fortsetzen lassen. Hinweis: Hier ben¨ otigen Sie nur das Verhalten von φ f¨ ur t nahe 1. iv.) Zeigen Sie, daß Sie auf diese Weise n glatte kommutierende Vektorfelder auf n erhalten, welche in B 12 (0) mit den Koordinatenvektorfelder u ager in B1 (0) besitzen. ¨ bereinstimmen und Tr¨ v.) Zeigen Sie, daß Φ sogar O(n)-¨ aquivariant ist.
Ê
Aufgabe 4.7 (Die Poisson-Struktur von g∗ ). Sei G eine n-dimensionale zusammenh¨ angende Lie-Gruppe mit Lie-Algebra g und Dualraum g∗ , welcher mit der kanonischen linearen Poisson-Struktur # $ π μ df μ , dg μ = μ df μ , dg μ (4.156)
versehen sei. Hier ist μ ∈ g∗ und df μ ∈ Tμ∗ g∗ = g∗∗ = g. Betrachten Sie weiter die koadjungierte Darstellung Ad∗ von G auf g∗ . Diese Gruppenwirkung definiert die koadjungierte Bahn Oμ ⊆ g∗ durch μ sowie die Stabilisatorgruppe
4.3 Aufgaben
275
Gμ ⊆ G f¨ ur μ ∈ g∗ . Nach Proposition 3.3.24 wissen wir, daß Oμ eine zu G Gμ diffeomorphe immersierte Untermannigfaltigkeit von g∗ mit Tangentialraum Tμ′ Oμ = {ξg∗ (μ′ ) | ξ ∈ g}
(4.157)
ist. Ist die Gruppe sogar kompakt, so sind die koadjungierten Bahnen abgeschlossene Untermannigfaltigkeiten (warum?). Ziel dieser Aufgabe ist es nun, die koadjungierten Bahnen als die symplektischen Bl¨atter der PoissonMannigfaltigkeit g∗ zu identifizieren. i.) Zeigen Sie, daß die koadjungierte Darstellung Ad∗ von G auf g∗ eine Poisson-Wirkung ist. ii.) Zeigen Sie, daß die fundamentalen Vektorfelder ξg∗ = XJ(ξ) Hamiltonsch sind, wobei die Hamilton-Funktion gerade die lineare Funktion J(ξ) : μ → μ(ξ) ist. iii.) Zeigen Sie explizit, daß die Hamiltonschen Vektorfelder XJ(ξ) zu den linearen Funktionen J(ξ) mit ξ ∈ g eine involutive Teilmenge von Vektorfeldern auf g∗ bilden, welche die Distribution im ♯ punktweise aufspannt. iv.) Zeigen Sie, daß die koadjungierten Bahnen gerade die symplektischen Bl¨ atter der Poisson-Mannigfaltigkeit g∗ sind. Wie k¨onnen Sie zeigen, daß die Bahnen maximale Integralmannigfaltigkeiten sind? v.) Betrachten Sie die induzierte symplektische Form ωOµ auf Oμ und zeigen Sie explizit, daß ωOµ symplektisch ist. Hierzu betrachten Sie die definierende Formel ωOµ XJ(ξ) , XJ(η) (4.158) = μ′ ([ξ, η]) μ′
μ′
μ′
mit μ′ ∈ Oμ , ξ, η ∈ g, und zeigen Sie explizit, daß ωOµ wohl-definiert, ¨ nichtausgeartet und symplektisch ist. Uberlegen Sie sich zun¨achst, daß es gen¨ u gt, Vektorfelder der angegebenen Form zu betrachten. Was ist dJ(ξ) μ ? vi.) Folgern Sie, daß die koadjungierte Bahn Oμ eine symplektische Mannigfaltigkeit mit einer transitiven symplektischen G-Wirkung ist, welche eine kanonische Ad∗ -¨ aquivariante Impulsabbildung besitzt. Wie lautet diese?
Aufgabe 4.8 (Poisson-Abbildungen II). Betrachten Sie eine PoissonMannigfaltigkeit (M, π) und ein symplektisches Blatt ι : L −→ M , wobei die Inklusionsabbildung ι eine injektive Immersion ist. Sei weiter ωL die symplektische Form auf L, definiert durch ωL p (Tp ι)−1 XfM ι(p) , (Tp ι)−1 XgM ι(p) = {f, g}(ι(p)), (4.159)
wobei XfM und XgM Hamiltonsche Vektorfelder auf M bez¨ uglich π zu f, g ∈ achst klar, daß (4.159) tats¨achlich C ∞ (M ) sind und p ∈ L. Machen Sie sich zun¨ wohl-definiert ist.
276
4 Poisson-Geometrie
i.) Betrachten Sie nun das Hamiltonsche Vektorfeld XιL∗ f auf L bez¨ uglich ωL ∗ ∞ L M der Funktion ι f ∈ C (L). Zeigen Sie, daß Xι∗ f und Xf ι-verwandt sind. ii.) Zeigen Sie so, daß ι eine Poisson-Abbildung ist, also ι∗ {f, g}M = {ι∗ f, ι∗ g}L
(4.160)
f¨ ur alle f, g ∈ C ∞ (M ). Aufgabe 4.9 (Poisson-Quotienten). Betrachten Sie eine Lie-Gruppe G und deren Kotangentenb¨ undel T ∗ G, welches mittels der Linkstrivialisierung ∗ λ als G × g geschrieben werden kann, siehe Aufgabe 3.26. Die Lie-Gruppe wirke auf sich durch Linksmultiplikationen ℓ und auf T ∗ G durch T∗ ℓ. i.) Bestimmen Sie die Gruppenwirkung T∗ ℓ in der Trivialisierung G × g∗ und bestimmen Sie die fundamentalen Vektorfelder.
ii.) Zeigen Sie, daß der Poisson-Quotient T ∗ G G unter Verwendung der Linkstrivialisierung λ kanonisch zu g∗ isomorph ist, wobei auf g∗ der induzierte Poisson-Tensor das Negative des u ¨ blichen linearen Poisson-Tensors ist. Hinweis: Argumentieren Sie, warum es hinreichend ist, G-invariante lineare Funktionen in den Impulsen zu betrachten, um die Poisson-Struktur auf g∗ zu identifizieren. Aufgabe 4.10 (Poisson-Abbildungen III). Betrachten Sie eine Untermannigfaltigkeit ι : C −→ M einer Poisson-Mannigfaltigkeit (M, π), sowie das Verschwindungsideal I(C) = {f ∈ C ∞ (M ) | ι∗ f = 0},
(4.161)
der Funktionen auf M , welche auf C verschwinden. Betrachten Sie weiter das Annihilatorb¨ undel T C ann −→ C, wobei die Faser u ¨ ber c ∈ C der Annihilatorann raum Tc C ⊆ Tc∗ M von Tc C ⊆ Tc M ist, also Tc C ann = {α ∈ Tc∗ M | α(v) = 0 f¨ ur alle v ∈ Tc C}
(4.162)
Die Untermannigfaltigkeit C heißt koisotrop, falls I(C) eine Poisson-Unteralgebra von C ∞ (M ) ist. i.) Zeigen Sie, daß I(C) f¨ ur beliebige Untermannigfaltigkeiten ein Ideal von C ∞ (M ) ist. ii.) Bestimmen Sie die Dimension von Tc C ann in Abh¨angigkeit von dim C und dim M . Zeigen Sie, daß v ∈ Tc M genau dann ein Tangentialvektor an Tc C ist, falls α(v) = 0 f¨ ur alle α ∈ Tc C ann . iii.) Zeigen Sie, daß (4.163) Tc C ann = df c f ∈ I(C) . Sie k¨ onnen hierzu eine geeignete Untermannigfaltigkeitskarte verwenden.
4.3 Aufgaben
277
iv.) Zeigen Sie, daß C genau dann koisotrop ist, wenn Xg (c) ∈ Tc C f¨ ur alle g ∈ I(C) und c ∈ C. v.) Zeigen Sie, daß C genau dann koisotrop ist, wenn (T C ann )♯ ⊆ T C gilt. Betrachten Sie nun eine glatte Abbildung φ : (M1 , π1 ) −→ (M2 , π2 ) zwischen zwei Poisson-Mannigfaltigkeiten und definieren Sie ihren Graph durch C = graph(φ) = {(p, φ(p)) ∈ M1 × M2 | p ∈ M1 },
(4.164)
welcher offenbar eine zu M1 diffeomorphe Untermannigfaltigkeit von M1 × M2 ist. Die Projektion pr1 : M1 × M2 −→ M1 induziert einen solchen Diffeomorphismus. Versehen Sie nun M = M1 ×M2 mit dem Poisson-Tensor π = π1 ⊖π2 .
∞ ur alle (M2 ). Zeigen vi.) Zeigen Sie, daß F = pr∗2 f − pr∗1 φ∗ f ∈ J(C) f¨ f ∈ C ann den ganzen Sie weiter, daß f¨ ur derartige F die Differentiale dF c ∈ Tc C Annihilatorraum Tc C ann f¨ ur c = (p, φ(p)) aufspannen. vii.) Folgern Sie, daß C koisotrop ist, falls φ eine Poisson-Abbildung ist. Hinweis: Sind die Projektionen pr1 , pr2 (Anti-) Poisson-Abbildungen? viii.) Zeigen Sie, daß φ eine Poisson-Abbildung ist, falls C koisotrop ist. Damit haben Sie also eine ¨ aquivalente Formulierung f¨ ur eine Poisson-Abbildung gefunden: φ ist genau dann eine Poisson-Abbildung, wenn der Graph von φ koisotrop ist.
Aufgabe 4.11 (Vollst¨ andige Poisson-Abbildungen). Eine Poisson-Abbildung φ : (M1 , π1 ) −→ (M2 , π2 ) heißt vollst¨andig, wenn zu jedem vollst¨ andigen Hamiltonschen Vektorfeld Xf ∈ Γ∞ (T M2 ) auch das Hamiltonsche andig ist. Im Hinblick auf die ZeitentwickVektorfeld Xφ∗ f ∈ Γ∞ (T M1 ) vollst¨ lung ist diese Eigenschaft aus physikalischen Gr¨ unden sehr w¨ unschenswert. mit der trivialen Poisson-Struktur und eine PoissonBetrachten Sie Abbildung φ : M −→ . Da φ Werte in annimmt, kann φ auch als Element von C ∞ (M ) angesehen werden. Zeigen Sie, daß φ genau dann als PoissonAbbildung vollst¨andig ist, wenn das Hamiltonsche Vektorfeld Xφ vollst¨andig ist [73, Prop. 6.3]. Hinweis: Verwenden Sie die Energieerhaltung und das kanonische Vektorfeld ∂ . ∂t auf
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Aufgabe 4.12 (Das Wirkungs-Lie-Algebroid). Betrachten Sie eine LieAlgebra g, welche auf einer Mannigfaltigkeit M mit einer Wirkung ϕ : g −→ undel E = M × g. Γ∞ (T M ) wirkt. Betrachten Sie dann das triviale Vektorb¨ Die Faser u ¨ ber p ∈ M ist dann gerade die Lie-Algebra g.
i.) Zeigen Sie, daß die Schnitte Γ∞ (E) mit den g-wertigen Funktionen auf M identifiziert werden k¨ onnen. W¨ ahlen Sie dazu eine Basis e1 , . . . , en von g und zeigen Sie, daß sich jeder Schnitt Ξ ∈ Γ∞ (E) eindeutig als Ξ i ei mit Ξ i ∈ C ∞ (M ) schreiben l¨ aßt. So k¨ onnen Sie die Lie-Ableitung eines Schnittes Ξ ∈ Γ∞ (E) in Richtung eines Vektorfeldes X ∈ Γ∞ (T M ) definieren, indem Sie LX Ξ komponen” tenweise“
278
4 Poisson-Geometrie
LX Ξ = (LX Ξ i )ei
(4.165)
definieren. Zeigen Sie, daß diese Definition nicht von der Wahl der Basis in g abh¨ angt. Bemerkung: Dies ist letztlich f¨ ur jedes triviale und trivialisierte Vektorb¨ undel m¨oglich und definiert in diesem Fall eine Lie-Ableitung von Schnitten. F¨ ur ein nichttriviales Vektorb¨ undel l¨aßt sich im allgemeinen keine Lie-Ableitung von Schnitten konsistent definieren. Die Ausnahmen bilden hier die Tensorb¨ undel und Dichtenb¨ undel u ¨ ber dem Tangentenb¨ undel. ii.) Definieren Sie nun die Abbildung ̺ : E −→ T M durch (4.166) ̺(p, ξ) = ϕ(ξ) p sowie die Klammer [·, ·] : Γ∞ (E) × Γ∞ (E) −→ Γ∞ (E)
[Ξ, Ψ ](p) = [Ξ(p), Ψ (p)]g + Lϕ(Ξ(p)) Ψ (p) − Lϕ(Ψ (p)) Ξ (p), (4.167)
wobei [·, ·]g die Lie-Klammer von g bezeichnet. Die Lie-Ableitung des Schnittes Ψ beziehungsweise Ξ ist im obigen Sinne zu verstehen. Zeigen Sie, daß ̺ und [·, ·] das Vektorb¨ undel E zu einem Lie-Algebroid machen.
Dieses Lie-Algebroid heißt Wirkungs-Lie-Algebroid oder Transformations-LieAlgebroid, siehe etwa [73, Sect. 16.2].
Aufgabe 4.13 (Divergenzen und unimodulare Poisson-Strukturen). Betrachten Sie eine zusammenh¨ angende n-dimensionale Mannigfaltigkeit M mit einer nirgends verschwindenden Volumenform Ω ∈ Γ∞ (Λn T ∗ M ). Mit anderen Worten, M sei orientierbar und orientiert. i.) Zeigen Sie, jede andere nirgends verschwindende Volumenform Ω ′ ∈ Γ∞ (Λn T ∗ M ) ist ein Funktionenvielfaches Ω ′ = f Ω mit einer invertierbaren Funktion f ∈ C ∞ (M ), welche entweder positiv oder negativ ist. ii.) Sei X ∈ Γ∞ (T M ) ein Vektorfeld. Dann ist die Ω-Divergenz von X durch LX Ω = (divΩ X)Ω definiert. Zeigen Sie, divΩ : Γ∞ (T M ) −→ C ∞ (M )
(4.168)
ist linear und erf¨ ullt eine Leibniz-Regel. Bestimmen Sie diese LeibnizRegel explizit, indem Sie divΩ (f X) berechnen. iii.) Berechnen Sie divΩ X in lokalen Koordinaten x1 , . . . , xn f¨ ur Ω = dx1 ∧ ∂ · · · ∧ dxn und X = X i ∂x . i iv.) Betrachten Sie nun den Dualraum g∗ einer Lie-Algebra g mit seiner linearen Poisson-Struktur. W¨ ahlen Sie eine Basis e1 , . . . , en von g mit zugeh¨ origer dualer Basis e1 , . . . , en und induzierten linearen Koordinaten x1 , . . . , xn auf g∗ . Die Strukturkonstanten bez¨ uglich dieser Basis seien mit ckij bezeichnet. Betrachten Sie dann die konstante Volumenform ur f ∈ C ∞ (g∗ ) das HamilΩ = dx1 ∧ · · · ∧ dxn auf g∗ . Berechnen Sie f¨ tonsche Vektorfeld Xf sowie das modulare Vektorfeld ∆Ω in den obigen (globalen) Koordinaten.
4.3 Aufgaben
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v.) Zeigen Sie, daß die Poisson-Mannigfaltigkeit g∗ genau dann unimodular ist, wenn die Lie-Algebra g unimodular ist, also tr adξ = 0 f¨ ur alle ξ ∈ g. Hier ist adξ ∈ End(g) als Endomorphismus aufzufassen, womit die Spur von adξ definiert ist. Formulieren Sie dazu beide Bedingungen mit Hilfe der Strukturkonstanten. Aufgabe 4.14 (Jenseits von klassischer Mechanik). Bevor Sie mit Kapitel 5 beginnen: Schreiben Sie ein kleines Essay u ¨ber die Ihrer Meinung nach wichtigen Strukturmerkmale der klassischen Mechanik. Diskutieren Sie dabei insbesondere die Begriffe Observable, Zustand, Meßwert, Erwartungswert, Zeitentwicklung, Symmetrien jeweils im Hinblick auf ihre physikalische Bedeutung und ihre mathematische Modellierung in der geometrischen Mechanik. Formulieren Sie dann, ausgehend von diesen Begriffen und ihren entsprechenden Analoga in der Quantenmechanik, eine Wunschliste“ daf¨ ur, was eine ” Quantisierung“ der klassischen Mechanik sein und leisten soll. ”
5 Quantisierung: Erste Schritte
¨ Der Ubergang von klassischer Physik zur Quantenphysik wird allgemein und meist recht vage als Quantisierung bezeichnet. Ziel dieses Kapitels ist es, die eigentliche Problemstellung so pr¨ azise wie m¨oglich zu formulieren, um festzustellen, daß es sich beim Quantisieren um ein recht schlecht gestelltes Problem handelt: es gibt keine kanonische“ Weise, dies zu bewerkstelligen. ” Der Begriff kanonische Quantisierung“ ist daher irref¨ uhrend und bedarf einer ” Pr¨ azisierung. Als eine recht allgemeine Antwort auf das Quantisierungsproblem wird sich die Wahl einer Ordnungsvorschrift erweisen, die bestimmten klassischen Observablen quantenmechanische Observablen auf systematische Weise zuordnet. Die wichtigsten Beispiele hierf¨ ur werden wir f¨ ur den einfachsten Phasenraum ( 2n , ω0 ) im Detail diskutieren und so die ersten Beispiele f¨ ur Sternprodukte finden. Die Ordnungsvorschriften und Sternprodukte treten in zwei Varianten auf: f¨ ur polynomiale Funktionen gibt es algebraische Formeln, welche mittels Integralformeln eine Ausdehnung auf bestimmte Funktionenklassen, die Symbole“, besitzen. Diese Zusammenh¨ange werden wir im ” Hinblick auf den Symbolkalk¨ ul f¨ ur Pseudodifferentialoperatoren eingehend diskutieren. Zum Abschluß dieses Kapitels werden wir den flachen Phasenraum hinter uns lassen und als n¨ achst wichtige Beispielklasse die Kotangentenb¨ undel (T ∗ Q, ω0 ) und deren Quantisierung betrachten.
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5.1 Die Problemstellung Nimmt man Plancks Arbeiten zur Schwarzk¨ orperstrahlung als Geburtsstunde der Quantentheorie, so stellt sich die berechtigte Frage, warum man sich gut 100 Jahre sp¨ater immer noch mit dem Problem der Quantisierung befassen sollte, zumal die Quantenmechanik zu Recht als eine der experimentell bestbest¨ atigten Theorien der Physik gilt. Tats¨ achlich zeigt es sich, daß das Problem der Quantisierung noch lange nicht umfassend verstanden ist und letztlich als eines der fundamentalen
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5 Quantisierung: Erste Schritte
Probleme der gegenw¨ artigen theoretischen und mathematischen Physik gelten kann. Gleichermaßen spielt es aber auch in den praktischen Anwendungen aufgrund zunehmend verfeinerter Meßtechniken eine immer gr¨oßere Rolle, das Verh¨ altnis von klassischer Physik und Quantenphysik besser zu verstehen. Wir wollen diese Sichtweise anhand einiger Bemerkungen und Beispiele rechtfertigen: Die enormen experimentellen Fortschritte auf dem Gebiet der Atomspektroskopie insbesondere mittels Lasertechniken erm¨oglichen es nun, viele der fundamentalen Gedankenexperimente der Quantenmechanik tats¨achlich im Labor durchzuf¨ uhren. Damit werden bestimmte, oft als seltsam empfundene Vorhersagen der Quantentheorie wie die Existenz verschr¨ankter Zust¨ande bei zusammengesetzten Systemen (EPR-Zust¨ande) unmittelbar im Experiment verifizierbar. Hier sind insbesondere quantenoptische Experimente, also Experimente mit einzelnen Photonen, hervorzuheben, siehe beispielsweise [218, 276]. Die alten und letztlich ungel¨ osten Fragen der Interpretation der Quantentheorie und ihrer Beziehung zur klassischen Welt, siehe etwa [217,237], gewinnen hierdurch eine erneute Aktualit¨at, wobei das Verst¨andnis des klassischen Limes“, also das Erscheinen der klassischen Physik aus der ” fundamentaleren Quantenphysik eine zentrale Rolle spielt. Bemerkenswerterweise ist der hierf¨ ur relevante klassische Phasenraum der einfachste, n¨amlich uchern wohlbekannte ( 2n , ω0 ), und die Quantentheorie ist die aus Lehrb¨ Quantenmechanik endlich vieler nichtrelativistischer Teilchen. Schwieriger wird das Verst¨ andnis der Quantentheorie unendlich vieler Freiheitsgrade, also thermodynamischer Systeme oder Feldtheorien. Hier ist die Quantisierung alles andere als trivial, was schon die Tatsache zeigt, daß die u ¨ blichen wechselwirkenden Quantenfeldtheorien wie beispielsweise die QED oder das Standardmodell der Teilchenphysik nur in einer st¨orungstheoretischen Weise u onnen. Die auftretenden Schwierigkeiten ¨ berhaupt definiert werden k¨ sind hierbei sowohl technischer als auch konzeptioneller Natur, wobei selten eine einfache Trennung dieser beiden Aspekte m¨oglich ist. Eines der konzeptionellen Probleme ist dabei, wie man bei der Quantisierung mit den Eichfreiheitsgraden der klassischen Feldtheorien verfahren soll: alle derzeit bekannten fundamentalen Feldtheorien werden auf klassischer Seite mit Hilfe von unphysikalischen“, also unbeobachtbaren, Freiheitsgraden ” formuliert, wie beispielsweise die Elektrodynamik mit Hilfe der unbeobacht und φ formuliert wird, obwohl die physikalisch relevanten baren Potentiale A ∂ = ∇ ×A sind. Im weitesten Sinne handelt A und B Felder E = −∇φ − ∂t es sich dabei um eine Phasenraumreduktion M ; Mred , wobei die physikalisch relevanten Freiheitsgrade durch den reduzierten Phasenraum Mred beschrieben werden. Wie wir bereits in den einfachsten endlichdimensionalen F¨ allen gesehen haben, ist selbst bei trivialem Phasenraum M das Resultat einer Phasenraumreduktion Mred im allgemeinen geometrisch sehr kompliziert, siehe insbesondere Bemerkung 3.3.57. Somit stellt sich die Frage, ob beim ¨ Ubergang zur Quantentheorie M , Mred oder gar die ganze Phasenraumreduk-
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5.1 Die Problemstellung
283
tion M ; Mred ein quantentheoretisches Analogon erhalten soll und wenn ja, wie. Die Bedeutung endlichdimensionaler Modelle ist dabei, daß mit ihnen zumindest die nichttriviale Phasenraumgeometrie von Mred beschrieben werden kann. Die zus¨ atzlich auftretenden funktionalanalytischen Schwierigkeiten, die aus der unendlichen Zahl von Freiheitsgraden in Feldtheorien erwachsen, lassen sich in den endlichdimensionalen Spielzeugmodellen“ selbstverst¨andlich ” nur erahnen. Es ist jedoch klar, daß ein tieferes Verst¨ andnis der Quantisierung auch und insbesondere von geometrisch nichttrivialen Phasenr¨aumen notwendig ist. Im folgenden werden wir vornehmlich endlichdimensionale Beispiele betrachten, um die geometrischen von den funktionalanalytischen Problemen zu isolieren. Eine Hoffnung ist dabei, bestimmte generische Ph¨anomene, wie sie dann auch bei Feldtheorien zu erwarten sind, bereits in diesem technisch sehr viel einfacheren Fall zu verstehen. 5.1.1 Klassische Mechanik und Quantenmechanik im Vergleich Um eine hinreichend allgemeine und physikalisch vern¨ unftige Definition“ des ” Begriffs Quantisierung geben zu k¨ onnen, bedarf es zun¨achst einer eingehenden strukturellen Analyse der Gemeinsamkeiten und Unterschiede von klassischer Physik und Quantenphysik. Die f¨ ur unsere Zwecke geeignetste Charakterisie¨ rung basiert auf der strukturellen Ahnlichkeit der Observablen, wohingegen die Zust¨ ande als ein daraus abgeleitetes Konzept erhalten werden. Wir beginnen mit folgender wohlbekannter Gegen¨ uberstellung, deren Aussagen wir zum Teil bereits verschiedentlich und in wachsender Allgemeinheit diskutiert haben. Die klassischen Observablen Aklass bilden eine Poisson-∗-Algebra, mathematisch gegeben durch die glatten, komplexwertigen Funktionen C ∞ (M ) auf einer Poisson-Mannigfaltigkeit (M, π), versehen mit der durch π bestimmten Poisson-Klammer und der punktweisen komplexen Konjugation als ∗ Involution. Observabel im eigentlichen Sinne sind die Hermiteschen Elemente, f = f , also die reellwertigen Funktionen. Die Wahl C ∞ (M ) stellt eine physikalisch nicht leicht zu rechtfertigende Idealisierung dar, bietet aber die gr¨ oßtm¨ ogliche Funktionenalgebra auf der die Poisson-Klammer uneingeschr¨ ankt definiert ist. Physikalisch relevant sind hingegen typischerweise echte Poisson-∗-Unteralgebren von C ∞ (M ), wie beispielsweise Pol• (T ∗ Q) im Falle von Kotangentenb¨ undeln M = T ∗ Q. Jedoch h¨ angt diese Auswahl meist stark vom betrachteten Beispiel und den damit verbundenen zus¨atzlichen Strukturen, wie beispielsweise Symmetrien, ab. Die physikalische Interpretation der Observablen f ∈ C ∞ (M ) kann aus der Anschauung als bekannt angenommen werden. Die reinen Zust¨ande sind die Punkte des Phasenraumes, allgemeiner werden gemischte Zust¨ande durch Wahrscheinlichkeitsverteilungen auf M realisiert. Mathematisch entspricht dies positiven Borel-Maßen auf M , wobei wie-
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5 Quantisierung: Erste Schritte
der nicht alle solchen Maße physikalisch relevant sind, siehe die Diskussion in Bemerkung 1.3.7. Der Erwartungswert einer Observablen f = f ∈ C ∞ (M ) im reinen Zuist der Erwartungswert in einem stand p ∈ M ist Ep (f ) = f (p). Entsprechend " gemischten Zustand μ durch Eμ (f ) = M f (x)dμ(x) gegeben. Die m¨oglichen Meßwerte, also das Spektrum, einer Observablen f ∈ C ∞ (M ) sind die Funktionswerte f (M ) ⊆ . Die Wahrscheinlichkeitsverteilung der Meßwerte in einem Zustand p beziehungsweise μ ist das auf f (M ) induzierte Bildmaß. Insbesondere ist in einem reinen Zustand p ∈ M das Bildmaß das Punktmaß bei f (p) = Ep (f ), so daß bei wiederholter Messung von f im Zustand p immer der Erwartungswert gemessen wird und die Varianz Varp (f ) = Ep ((f − Ep (f ))2 ) = 0 ist. Somit wird der oben definierte Erwartungswert tats¨ achlich der maßtheoretische Erwartungswert bez¨ uglich der Wahrscheinlichkeitsverteilung der Meßwerte im Zustand p beziehungsweise μ. Die Dynamik wird durch ein Hamiltonsches Vektorfeld XH einer HamiltonFunktion H ∈ C ∞ (M ) und dessen Hamiltonschen Fluß Φt beschrieben. Auf algebraischer Seite beziehungsweise f¨ ur die Observablen entspricht dies einer inneren Poisson-Derivation f → {f, H} mit einer Einparametergruppe von Poisson-Automorphismen f → Φ∗t f als integrierter Version. Symmetrien werden schließlich infinitesimal durch Poissonsche Lie-Algebrawirkungen beziehungsweise integriert durch Poissonsche Lie-Gruppenwirkungen beschrieben. Die Standardformulierung der Quantenmechanik startet mit einem HilbertRaum H. Die Observablen bilden dann eine ∗ -Unteralgebra AQM der beschr¨ ankten Operatoren B(H) auf H, oder allgemeiner, eine ∗ -Algebra von nicht notwendigerweise beschr¨ ankten Operatoren, welche auf einem gemeinsamen dichten Unterraum D ⊆ H definiert sind und diesen in sich u uhren. Die ¨ berf¨ ∗ -Involution ist hier die Adjunktion von (dicht definierten) Operatoren und im eigentlichen Sinne observabel sind diejenigen Operatoren A auf D, welche eine (eindeutige) selbstadjungierte Fortsetzung (A, DA ) = (A∗ , DA∗ ) besitzen. Die Algebra AQM ist in allen nichttrivialen Beispielen nichtkommutativ. Eine mathematisch pr¨ azise Formulierung der funktionalanalytischen Erfordernisse im unbeschr¨ ankten Fall erh¨ alt man beispielsweise mit dem Begriff einer O∗ -Algebra, siehe etwa [272, 288]. Typischerweise kann man, mit einigem funktionalanalytischen Aufwand, immer wieder zu beschr¨ankten Operatoren zur¨ uckkehren, indem man beschr¨ ankte Funktionen der selbstadjungierten Operatoren benutzt. Geeignete Wahlen enthalten letztlich dieselbe Information. Auf diese Weise kommt man zu Unteralgebren von B(H) zur¨ uck. ¨ Die reinen Zust¨ande werden nun durch Aquivalenzklassen von nichtverschwindenden Vektoren ψ ∈ D beschrieben, wobei ψ zu ψ ′ ¨aquivalent ist, falls \ {0}. Damit sind die reinen Zust¨ande also eine Teilψ = zψ ′ mit z ∈ menge des projektiven Hilbert-Raumes H. Man beachte, daß im allgemeinen nicht ganz H physikalisch realisierbare Zust¨ ande beschreibt, da die Vektoren ψ ∈ H, welche den komplexen Strahl [ψ] ∈ H repr¨asentieren, im Definitionsbereich D aller physikalisch relevanten Observablen liegen m¨ ussen, um
5.1 Die Problemstellung
285
beispielsweise endliche Energieerwartungswerte, Impulserwartungswerte etc. zu besitzen. Die Vervollst¨ andigung H des Pr¨ a-Hilbert-Raumes D stellt daher eine mathematische Idealisierung dar. Gemischte Zust¨ande werden durch Dichtematrizen ̺ beschrieben, also positive Spurklasseoperatoren mit tr ̺ = 1. Die reinen Zust¨ ande erscheinen damit als Spezialfall der gemischten, wobei [ψ] ∈ D mit dem Orthogonalprojektor ̺[ψ] = |ψψ| ψ,ψ identifiziert wird. Physikalisch realisierbar sind wieder nicht alle Dichtematrizen. Der Erwartungswert E̺ (A) einer Observablen A im (reinen oder gemischur eine allgemeine Dichten) Zustand ̺ ist durch E̺ (A) = tr(̺A) definiert. F¨ tematrix liefert die Bedingung, daß ̺A f¨ ur alle Observablen A ∈ AQM als Spurklasseoperator definiert ist, gerade die Bedingung daf¨ ur, daß ̺ einen physikalisch realisierbaren Zustand beschreibt. F¨ ur einen reinen Zustand [ψ] gilt offenbar E[ψ] (A) = ψ,Aψ ψ,ψ . Die m¨oglichen Meßwerte einer Observablen A, also deren physikalisches Spektrum, ist das mathematische Spektrum spec(A) von A, aufgefaßt als selbstadjungierter Operator (A, DA ). Hierzu wird die Vervollst¨andigung von D zu H wichtig, um den Spektralkalk¨ ul selbstadjungierter Operatoren zur Verf¨ ugung zu haben. Insbesondere werden verschiedene physikalische Observablen A und B trotz gemeinsamen Definitionsbereichs D im allgemeinen selbstadjungierte Fortsetzungen mit DA = DB besitzen. Zudem erlaubt ein Pr¨ a-Hilbert-Raum D allein noch keinen vern¨ unftigen Spektralkalk¨ ul, weshalb die Vervollst¨ andigung notwendig ist. Die Wahrscheinlichkeitsverteilung der Meßwerte in einem reinen Zustand [ψ] ist das durch [ψ] definierte Spektralmaß d ψ, Eλ ψ auf spec(A), wobei {Eλ }λ∈Ê das projektorwertige Spektralmaß von A ist. In einem gemischten Zustand ist das Maß entsprechend d tr(̺Eλ ). Somit stimmt der Erwartungswert E̺ (A) mit dem maßtheoretischen Erwartungswert bez¨ uglich dieser Wahrscheinlichkeitsverteilung der Meßwerte im Zustand ̺, wie auch schon klassisch, u ¨ berein. Der fundamentale Unterschied zur klassischen Theorie ist jetzt jedoch, daß im allgemeinen in einem reinen Zustand [ψ] die Verteilung d ψ, Eλ ψ kein Punktmaß ist, es sei denn, ψ ist ein Eigenvektor von A. Insbesondere ist im allgemeinen die Varianz von Null verschieden, was physikalisch den Unsch¨arferelationen entspricht und seinen mathematischen Grund in der Nichtkommutativit¨at der Observablenalgebra findet. Da die Gr¨oße“ der ” Unsch¨ arfe in den Unsch¨ arferelationen durch die Plancksche Konstante kontrolliert wird, deutet dies darauf hin, daß die Nichtkommutativit¨at der quantenmechanischen Observablenalgebra ihrerseits ebenfalls durch kontrolliert werden sollte. In der Quantentheorie wird die Dynamik ebenfalls von einer speziellen Observablen H, dem selbstadjungierten Hamilton-Operator , erzeugt und infinitesimal als innere Derivation A → i [H, A] beschrieben. Integriert liefert dies eine Einparametergruppe Ut von unit¨ aren Abbildungen, welche aufgrund der im allgemeinen gegebenen Unbeschr¨ anktheit von H nach dem Stone-von
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5 Quantisierung: Erste Schritte
Neumann-Theorem stark-stetig von t abh¨ angt. Die Konjugation mit Ut liefert entsprechend eine Einparametergruppe von ∗ -Automorphismen von AQM . Die quantenmechanischen Symmetrien werden durch (anti-) Hermitesche Lie-Algebradarstellungen auf H beziehungsweise unit¨are Lie-Gruppendarstellungen beschrieben, welche ihrerseits entsprechende Darstellungen durch Derivationen beziehungsweise Automorphismen auf der Observablenalgebra liefern. Die nichttrivialen funktionalanalytischen Details zur obigen Formulierung der Quantenmechanik finden sich beispielsweise in [216,272,280,288,304,308]. Im folgenden werden wir diese Aspekte jedoch nicht weiter verfolgen. Wir fassen die bisherigen Resultate in der Tabelle 5.1 analog zu den ¨ Uberlegungen in Tabelle 4.1 zusammen. Diese Tabelle legt nun folgenden VerTabelle 5.1. Vergleich von klassischer Mechanik und Quantenmechanik Klassisch Observablen:
Quantenmechanisch
∗
Poisson- -Algebra A klass ⊆ C ∞ (M ), mit Poisson-Mannigfaltigkeit (M, π). Reine Zust¨ ande: Punkte des Phasenraums M. Gemischte Positive Borel-Maße µ auf Zust¨ ande: M. R Erwartungswerte: Eµ (f ) = M f (x)dµ(x). M¨ ogliche Meßwerte: spec(f ) = f (M ) ⊆ . Wahrscheinlichkeits- Bildmaß von µ unter f . verteilung der Meßwerte: Zeitentwicklung Hamilton-Funktion H. d f (t) = {f (t), H}. Infinitesimal: dt Integriert: Einparametergruppe von Poisson-∗ -Automorphismen f (0) → f (t). Symmetrien g-Wirkung oder G-Wirkung.
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∗
-Algebra A QM von Operatoren auf D ⊆ H mit Hilbert-Raum H. Strahlen in D. Dichtematrizen ̺. E̺ (A) = tr(̺A). spec(A) ⊆ . Spektralmaß d tr(̺Eλ ).
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Hamilton-Operator H. d 1 A(t) = i [A(t), H]. dt Einparametergruppe von ∗ -Automorphismen A(0) → A(t). g-Darstellung oder G-Darstellung.
¨ gleich nahe, der die strukturellen Ahnlichkeiten und Unterschiede von klassischer und quantenphysikalischer Beschreibung illustriert. In beiden F¨allen bilden die Observablen eine ∗ -Algebra A mit Eins und die Zust¨ande sind die normierten, positiven linearen Funktionale ω : A −→ , also ω(a∗ a) ≥ 0 und ω( ) = 1. Dies haben wir f¨ ur den klassischen Fall bereits zu Beginn von Kapitel 4 gesehen und auch f¨ ur den quantenmechanischen Fall ist dies offensichtlich, da A → tr(̺A) f¨ ur eine Dichtematrix ̺ sicherlich ein positives Funktional im obigen Sinne ist. Die Erwartungswerte werden daher mit den
5.1 Die Problemstellung
287
positive Funktionalen identifiziert. Ebenfalls lassen sich in beiden F¨allen reine und gemischte Zust¨ ande anhand ihrer (Nicht-)Zerlegbarkeit in konvexe Kombinationen anderer positiver Funktionale unterscheiden. Die Dynamik ebenso wie die Symmetrien lassen sich auf einheitliche Weise mittels strukturerhaltender Derivationen und Automorphismen beschreiben. Etwas technischer ist die Beschreibung der m¨ oglichen Meßwerte und der Wahrscheinlichkeitsverteilung derselben. Hier wird in beiden F¨ allen ein sinnvoller Spektralkalk¨ ul“ ben¨otigt. ” In beiden F¨ allen l¨ aßt sich der Spektralkalk¨ ul, technische Details ignorierend, ist im aus der assoziativen Struktur der Observablenalgebra ableiten: λ ∈ Spektrum von a ∈ A falls a − λ in A nicht invertierbar ist. Worin besteht also nun der Unterschied klassischer und quantenmechanischer Physik? Klassisch ist die Observablenalgebra kommutativ, aber daf¨ ur mit einer zus¨ atzlichen Struktur, der Poisson-Klammer, versehen, welche eine mit der kommutativen und assoziativen Multiplikation vertr¨agliche LieKlammer darstellt. Die quantenmechanische Observablenalgebra ist dagegen nichtkommutativ und besitzt daher eine kanonische, mit der assoziativen Multiplikation vertr¨ agliche Lie-Klammer: den Kommutator . Dies wird sich als Ausgangspunkt f¨ ur die angestrebte Quantisierung erweisen. Die obige Formulierung stellt also die Observablenalgebra eines physikalischen Systems in den Vordergrund, um eine gr¨oßtm¨ogliche strukturelle ¨ Ahnlichkeit zwischen klassischer und quantenmechanischer Beschreibung zu erm¨ oglichen. Insbesondere erscheinen die Zust¨ande als ein daraus abgeleitetes Konzept. Dies ist selbstverst¨ andlich nicht zwingend und in vielen anderen Zug¨ angen sowohl zur klassischen Mechanik als auch zur Quantenmechanik verf¨ ahrt man gerade anders herum: zuerst der Phasenraum, dann die Funktionen darauf und zuerst der Hilbert-Raum und dann die Operatoren. Auf klassischer Seite haben wir insbesondere in Abschnitt 4.1 gesehen, wie man von der algebraischeren Sichtweise zur geometrischeren Sichtweise und zur¨ uck wechseln kann. Es stellt sich also die berechtigte Frage, ob ein ¨ahnlicher Wechsel auch auf quantenmechanischer Seite m¨oglich oder u ¨ berhaupt n¨otig ist. Konkret bedeutet dies, ob man bei vorliegender Observablenalgebra AQM den Hilbert-Raum, auf dem AQM durch (dicht definierte) Operatoren wirken soll, rekonstruieren kann, beziehungsweise ob man dies u ¨berhaupt tun sollte, da die Zust¨ ande als positive Funktionale auf AQM ja zun¨achst keinerlei Bezug darauf nehmen. Es ist vielleicht die merkw¨ urdigste Vorhersage der Quantenmechanik, die dies tats¨ achlich notwendig macht, n¨ amlich das Superpositionsprinzip f¨ ur die Zust¨ ande: F¨ ur zwei Hilbert-Raumvektoren ψ1 , ψ2 ∈ H, welche physikalisch realisierbare Zust¨ ande [ψ1 ] und [ψ2 ] repr¨ asentieren, ist auch ψ = z1 ψ1 +z2 ψ2 ∈ wieder ein g¨ ultiger Zustand des Systems, und es sind H f¨ ur alle z1 , z2 ∈ genau die Interferenzterme ψ1 , ψ2 , welche eine nichttriviale Superposition i ,Aψi kennzeichnen. Vom Standpunkt der positiven Funktionale ωi (A) = ψ ψi ,ψi besteht keine offensichtliche M¨ oglichkeit, diese Superposition zu beschreiben. Eine konvexe Kombination der Art ω = c1 ω1 + c2 ω2 mit c1 , c2 ≥ 0 und
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5 Quantisierung: Erste Schritte
c1 + c2 = 1 liefert zwar wieder einen Zustand, jedoch einen gemischten und nicht einen reinen, ganz im Gegensatz zu ψ. Die nichttriviale Phaseninformation ist in ω verloren gegangen. Man ben¨ otigt also tats¨achlich die lineare Struktur des umgebenden Hilbert-Raums. Diese Beobachtung kl¨art die Frage nach dem ob u ¨berhaupt“. Die Frage, wie man aus einer abstrakt gegebenen ” Observablenalgebra einen Hilbert-Raum konstruieren kann, werden wir mit Hilfe der GNS-Konstruktion in Abschnitt 7.2.2 diskutieren. Hier stellt sich heraus, daß es zu jedem positiven Funktional eine kanonische Konstruktion einer solchen Darstellung auf einem Pr¨ a-Hilbert-Raum gibt. Klar ist jedoch bereits jetzt schon, daß zu einer vollst¨ andigen quantenmechanischen Beschreibung eine solche Darstellung geh¨ oren wird. 5.1.2 Quantisierung und klassischer Limes Um es nochmals zu betonen: das Problem der Quantisierung ist kein physikalisches Ph¨ anomen, da die Natur, nach allem was wir heutzutage wissen, durch die Quantentheorie bestens beschrieben wird und da die Quantentheorie die fundamentalere Beschreibung, verglichen mit der klassischen Physik, ist. In diesem Sinne ist die Natur bereits quantisiert“. ” Das eigentliche und zum Teil nach wie vor schlecht verstandene physikalische Ph¨ anomen ist der klassische Limes. Wie die klassische Physik als Grenzfall der Quantenphysik erscheint und unter welchen physikalischen Bedingungen dies der Fall ist, stellt eine tats¨ achliche physikalische Fragestellung dar, die sich zudem als außerordentlich komplex erweist. Was soll also nun mit Quantisierung gemeint sein? Unsere Schwierigkeit beim Auffinden quantenphysikalischer Naturbeschreibungen besteht darin, daß dies nur in den allerwenigsten F¨ allen a priori und ohne Zuhilfenahme einer klassischen Theorie gelingt. Eine bemerkenswerte Ausnahme bildet dabei der axiomatische Zugang zur Quantenfeldtheorie, siehe beispielsweise [158]. Abgesehen davon besitzen wir viele gut verstandene a priori Argumente, um eine klassische Theorie zu formulieren. Die klassische Physik scheint unserer Denkweise erheblich n¨ aher zu liegen als die Quantenphysik. Dar¨ uberhinaus scheint eine physikalische Interpretation des mathematischen Formalismus der Quantenmechanik ohne Zuhilfenahme der klassischen Theorie wenn nicht unm¨ oglich so doch sehr schwierig. Daher ist Quantisierung“ der bescheidene Versuch, aus einer uns wohlbe” kannten klassischen Theorie die eigentlich relevante Quantentheorie eines physikalischen Systems zu konstruieren, wobei dieses Konstruieren oftmals nahe an einem Raten“ sein wird. Wir wollen uns im folgenden nicht so sehr in me” taphysikalischen Spekulationen verlieren, ob dies prinzipiell so zu geschehen hat und was der tiefere Grund f¨ ur unser Unverm¨ogen ist, a priori Quantentheorien aufzustellen. Vielmehr nehmen wir einen pragmatischen Standpunkt ein und betrachten die Problemstellung, aus einer bekannten, klassischen Theorie eine Quantentheorie zu konstruieren, welche physikalisch vern¨ unftige Vorher-
5.1 Die Problemstellung
289
sagen liefern soll. Es sollen nun also Bedingungen und Richtlinien formuliert werden, die dieses Programm n¨ aher eingrenzen. Die vergleichende Tabelle 5.1 legt nahe, daß den jeweiligen Observablenalgebren eine Schl¨ usselrolle zukommt. Die Zust¨ ande k¨onnen in beiden F¨allen als ein abgeleitetes Konzept verstanden werden, wenn die Observablen erst einmal bekannt sind. Auch scheint es, insbesondere im Hinblick auf die noch zu diskutierenden Beispiele, schwieriger, eine direkte Konstruktion der quantenmechanischen Zust¨ ande aus den klassischen heraus anzugeben. Im folgenden soll Quantisierung“ daher f¨ ur eine Konstruktion der quantenmechanischen ” Observablenalgebra AQM aus der bekannten klassischen Observablenalgebra Aklass stehen. Die folgenden Richtlinien sollen dabei weniger als Axiome denn als Ideen und Motivationen dienen: A Die quantenmechanische Observablenalgebra AQM soll genauso groß wie die klassische sein. Da die klassischen Observablen als klassischer Limes von Quantenobservablen auftreten und die Quantentheorie die fundamentalere Naturbeschreibung ist, kann es nicht mehr“ klassische Observa” blen als Quantenobservablen geben. G¨ abe es umgekehrt echt mehr Quantenobservablen als klassische, so w¨ are Quantisierung ein hoffnungsloses Unterfangen, da die klassische Theorie als Grenzfall kein Indiz f¨ ur diese zus¨ atzlichen Observablen geben k¨ onnte. Ein Ausweg w¨are in diesem Fall, auch zus¨ atzliche klassische Observablen“ hinzuzunehmen, um be” reits klassisch alle relevanten Observablen zu sehen. Bemerkenswerterweise kann man tats¨ achlich so verfahren, wenn man beispielsweise quantenmechanische Spinfreiheitsgrade beschreiben will. Da es zun¨ achst keine klassischen Freiheitsgrade gibt, welche dem quantenmechanischen Spin entsprechen, ist die Quantentheorie eines Elektrons ein Beispiel f¨ ur die obige hoffnungslose“ Situation. Allerdings kann man im ” Rahmen einer Supermechanik“ bereits auf klassischer Seite mit Hilfe von ” superkommutierenden Observablen Spin beschreiben und das Problem dadurch umgehen, siehe beispielsweise [25] sowie [109]. Da jedoch in beiden Theorien idealisierte Beschreibungen bevorzugt werden, die einfachere mathematische Strukturen erlauben, ist dieses ge” nauso groß“ nicht unbedingt als eine Bijektion im mathematischen Sinne zu werten. Es k¨ onnen beispielsweise Vervollst¨andigungen in bestimmten, naheliegenden Topologien durchgef¨ uhrt werden, welche klassisch und quantenmechanisch in verschiedene Richtungen“ verlaufen. Man denke ” beispielsweise an die Vervollst¨ andigung der Polynome zu glatten Funktionen auf klassischer Seite sowie der Vervollst¨andigung von bestimmten Operatoralgebren zu allen beschr¨ ankten Operatoren auf einem HilbertRaum auf quantenmechanischer Seite. Diese Idealisierungen der Observablen sind von der mathematischen Seite her sehr bequem, verhindern aber im allgemeinen eine bijektive Entsprechung von klassischen und quantenmechanischen Observablen. Eine physikalisch sehr nichttriviale Frage ist
290
5 Quantisierung: Erste Schritte
daher, welche Observablen wirklich noch operationell begr¨ undet werden k¨ onnen. Eine von diesen Schwierigkeiten g¨ anzlich unber¨ uhrte Komplikation stellt die Frage dar, was man u ¨berhaupt als sinnvolle Observable in der klassischen Theorie zu betrachten hat, wenn das physikalische System mit Eichfreiheitsgraden beschrieben wird. Sollen dann nur die Funktionen auf dem reduzierten Phasenraum als observabel gelten oder auch bestimmte Funktionen auf dem großen Phasenraum? Diese Fragestellung ist alles andere als trivial, auch wenn auf mathematischer Seite die Phasenraumreduktion, wie wir sie in ihrer einfachsten Form in Abschnitt 3.3.3 diskutiert haben, gut verstanden ist. Diese Fragestellungen sind der Ausgangspunkt einer jeden Theorie der Quantisierung von Phasenraumreduktionen, welche wir hier aber nicht weiter verfolgen wollen. Hierzu gibt es eine F¨ ulle an Literatur, wir verweisen exemplarisch auf [216] und dortige Referenzen. B Die Korrespondenz zwischen klassischen und Quantenobservablen, also zwischen Aklass und AQM sollte hinreichend explizit sein, da die physikalische Bedeutung der Quantenobservablen durch ihre klassischen Analoga festgelegt werden soll. Es gilt also eine Konsistenz mit der klassischen Theorie zu erreichen. Es ist klar, daß eine Aussage wie AQM ist die Alge” bra B(H)“ physikalisch leer ist, solange nicht gesagt wird, welcher Operator dem Hamilton-Operator, den Impulsoperatoren etc. entspricht. Die physikalische Interpretation der klassischen Observablen, also der Algebraelemente in Aklass kann hingegen als trivial angesehen werden, da es sich bei Aklass um bestimmte Funktionen auf dem klassischen Phasenraum handelt, der unserer Anschauung unmittelbar zug¨anglich sein sollte. Dieses Korrespondenzprinzip schließt nat¨ urlich solche Quantentheorien aus, welche keinen (vern¨ unftigen) klassischen Limes besitzen. C Die angestrebte Korrespondenz sollte mit dem klassischen Limes vertr¨ aglich sein. Insbesondere sollten die algebraischen Strukturen von Aklass und AQM nicht v¨ ollig verschieden sein: die Existenz des klassischen Limes zeigt ja, daß die klassische Beschreibung nicht einfach falsch ist, sondern vielmehr in weiten Bereichen eine hervorragende N¨aherung darstellt. Konkret erwartet man, daß im klassischen Limes die Korrespondenz von Aklass ∋ a a ˆ ∈ AQM mit den algebraischen Strukturen vertr¨aglich ist, also za + wb zˆ a + wˆb ∗
∗
a a ˆ ab a ˆˆb 1 ˆ a, b]. {a, b} [ˆ i
(5.1) (5.2) (5.3) (5.4)
¨ W¨ ahrend die strukturelle Ahnlichkeit von Aklass und AQM (beide sind ∗ Algebren) die ersten drei Anforderungen noch gut motiviert, ist die letzte schwieriger einzusehen. Zun¨ achst sei bemerkt, daß die klassische Poisson-
5.1 Die Problemstellung
291
Klammer tats¨ achlich die physikalische Dimension [Wirkung]−1 besitzt, womit (5.4) zumindest bez¨ uglich der Dimensionen konsistent ist. Die Realit¨ at der Poisson-Klammer erzwingt ebenfalls ein i vor dem Kommutator. Somit w¨ are die Korrespondenz (5.4) zumindest frei von offensichtlichen Widerspr¨ uchen. Ihre tats¨ achliche Rechtfertigung erf¨ahrt sie unter Ber¨ ucksichtigung der Zeitentwicklung. Die klassische Zeitentwicklung soll der klassische Limes der quantenmechanischen Zeitentwicklung sein, davon ist (5.4) gerade die infinitesimale Version, wenn eine der beiden Observablen die Hamilton-Funktion beziehungsweise der Hamilton-Operator ist. Man beachte jedoch die Nichttrivialit¨ at der Kombination von (5.3) und (5.4). Eine M¨ oglichkeit, “ genauer zu fassen, wird in der Deforma” tionstheorie algebraischer Strukturen bestehen, was zudem eine weitere, unabh¨ angige Rechtfertigung von (5.4) ergeben wird. D Die Vertr¨ aglichkeit des Korrespondenzprinzips mit der assoziativen Struktur sollte nicht unterbewertet werden, da in beiden F¨allen die assoziative Struktur f¨ ur die Definition eines Spektrums entscheidend ist und die Spektren von Observablen diejenigen Gr¨ oßen sind, deren klassischen Limes man experimentell pr¨ ufen kann. Wir betonen dies bereits an dieser Stelle, da bestimmte Quantisierungstheorien, wie beispielsweise die geometrische Quantisierung [328], genau diesen Aspekt (5.3) zugunsten von (5.4) zun¨ achst v¨ ollig außer Acht lassen und erst sp¨ater mit viel M¨ uhen und konzeptionell nicht sehr klar wieder implementieren m¨ ussen, um Spektren auch nur in den einfachsten F¨ allen korrekt zu erhalten, siehe auch Bemerkung 5.2.5. Es ist klar, daß sich eine Quantisierungsmethode daran messen lassen muß, ob sie f¨ ur physikalische Systeme, deren Quantentheorie bekannt und verstanden ist, die korrekten Spektren vorhersagen kann. E Die Nichtkommutativit¨at von AQM ist die mathematische Implementation der physikalischen Unsch¨arferelationen, deren Gr¨oße“ durch die Planck” sche Konstante bestimmt wird. Der klassische Limes liefert eine kommutative Algebra Aklass , so daß, beziehungsweise weil, die Unsch¨arfen im klassischen Limes vernachl¨ assigbar werden. Daher schreibt man gemeinhin −→ 0“ f¨ ur den klassischen Limes. Dies ist aber sehr mißverst¨andlich, ” da dimensionsbehaftet ist, und deshalb die numerische Gr¨oße von einheitenabh¨ angig ist. Der klassische Limes besteht also vielmehr darin, daß im Verh¨altnis zu anderen, das System auch im klassischen Limes charakterisierenden, dimensionsbehafteten Gr¨oßen der Dimension [Wirkung] klein ist. Die Konstruktion von AQM hat dieser Konsistenz Rechnung zu tragen. Es ist zu erwarten, daß es im allgemeinen keinen universellen“ ” dimensionslosen Parameter gibt, der den klassischen Limes kontrolliert. Vielmehr werden diese Parameter stark vom Beispiel abh¨angen, was die Konstruktion einer vern¨ unftigen Quantisierung nat¨ urlich erschwert. F Da nicht zu erwarten ist, daß es eine kanonische“ Art der Quantisierung ” gibt (wir werden dies noch in bestimmten F¨allen pr¨azisieren und als nogo-Theorem beweisen), werden bestimmte Wahlen bei der Konstruktion von AQM aus Aklass zu treffen sein. Mathematisch gesehen wird es mehr
292
5 Quantisierung: Erste Schritte
oder weniger viele verschiedene Quantisierungen von einer vorgegebenen klassischen Observablenalgebra Aklass geben. Da andererseits die Quantentheorie die fundamentalere Beschreibung der Natur ist, kann nur eine dieser M¨ oglichkeiten die physikalisch relevante sein. Daher m¨ ussen die Wahlen bei der Konstruktion physikalisch a priori zu rechtfertigen sein. Falls dies nicht auf offensichtliche Weise geschehen kann, m¨ ussen die Auswirkungen von Entscheidungen r¨ uckverfolgt werden k¨onnen, um eventuell a posteriori bestimmte Konstruktionen auszuschließen beziehungsweise zu favorisieren. Diese Punkte deuten bereits an, daß es keinen K¨onigsweg zur Quantisierung geben wird, da man die sich zum Teil gegenseitig im Wege stehenden Anforderungen unterschiedlich favorisieren kann. Es sollte daher an dieser Stelle betont werden, daß es mannigfaltige Weisen, Ans¨atze und Techniken gibt, das Quantisierungsproblem genauer zu formulieren und auch zu l¨osen. Einen gu¨ ten und vergleichenden Uberblick findet man beispielsweise in [7], siehe aber auch [216, 328]. Ungeachtet dessen stellen sich gerade auch im Hinblick auf den letzten Punkt folgende beiden Fragen: (a) Welche Aspekte der Quantisierung sind robust“ in dem Sinne, daß sie ” nicht allzusehr vom betrachteten Beispiel und der Konstruktion von AQM aus Aklass abh¨ angen? (b) Welche beispielabh¨ angigen Eigenschaften der Quantisierung treten auf und wie l¨ aßt sich die Beispielabh¨ angigkeit verstehen? ¨ Uberraschenderweise gibt es tats¨ achlich etliche robuste“ aber trotzdem nicht” triviale Aspekte, welche generische Aussagen u ¨ ber Quantisierung an sich“ ” erlauben. Die Deformationsquantisierung wird insbesondere f¨ ur diese Fragestellungen interessante Techniken und L¨ osungen bereitstellen, weshalb man die Deformationsquantisierung auch mit einiger Berechtigung als eine Me” taquantisierung“ oder Theorie der Quantisierung verstehen kann und nicht so sehr als eine konkrete Quantisierungsmethode.
5.2 Kanonische Quantisierung fu ¨r polynomiale Funktionen Auch wenn der Name mehr als irref¨ uhrend ist, stellt die kanonische“ Quanti” sierung f¨ ur den einfachsten Phasenraum ( 2n , ω0 ) das wichtigste und bestverstandene Beispiel dar, welches bereits viele der in allgemeineren Situationen zu erwartenden Ph¨ anomene und Schwierigkeiten aufzeigt. Konkret bedeutet kanonische Quantisierung, daß man f¨ ur k, ℓ = 1, . . . , n den Funktionen q k und pℓ auf 2n die Orts- und Impulsoperatoren
Qk : ψ → q → (Qk ψ)(q) = q k ψ(q) (5.5)
Ê
Ê
und
5.2 Kanonische Quantisierung f¨ ur polynomiale Funktionen
293
∂ψ Pℓ : ψ → q→ (Pℓ ψ)(q) = (q) i ∂q ℓ
(5.6)
[Qk , Pℓ ] = iδℓk
(5.7)
zuordnet, wobei ψ eine Wellenfunktion der Ortsvariablen q 1 , . . . , q n ist. Die offensichtlichen Vertauschungsregeln
entsprechen, bis auf den Faktor i, gerade den kanonischen Vertauschungsuge getan hat. regeln {q k , pℓ } = δℓk , womit man der Korrespondenz (5.4) gen¨ Hierbei sind nat¨ urlich einige funktionalanalytische Details zu beachten: Man muß kl¨ aren, welche Definitionsbereiche die Operatoren Qk und Pℓ haben sollen und ob dann auf diesen Bereichen Gleichung (5.7) tats¨achlich gilt. Da diese technischen Fragen bekanntermaßen l¨ osbar und wohlverstanden sind, siehe beispielsweise [32, 272, 303], wollen wir uns hier auf die algebraischen Aspekte konzentrieren. Deshalb w¨ ahlen wir als Definitionsbereich C0∞ ( n ), k worauf sowohl Q als auch Pℓ wohl-definiert sind. Weiter bilden sie C0∞ ( n ) in sich ab, erf¨ ullen (5.7) und sind bez¨ uglich des Skalarprodukts φ(q)ψ(q)dn q (5.8) φ, ψ =
Ê Ê
Ê
n
symmetrische Operatoren. Es gilt & % & % φ, Qk ψ = Qk φ, ψ
Ê
und
φ, Pℓ ψ = Pℓ φ, ψ
(5.9)
f¨ ur alle φ, ψ ∈ C0∞ ( n ) und k, ℓ = 1, . . . , n. Der Frage, der wir uns nun zuwenden wollen, ist, wie den anderen klassischen Observablen Operatoren zuzuordnen sind, so daß man eine Quantisierung im (immer noch sehr vagen) Sinne von Abschnitt 5.1.2 erh¨alt. Da die kleinste Poisson-Algebra, welche die Observablen q k und pℓ mit k, ℓ = 1, . . . , n erh¨ alt, die Polynomalgebra Pol( 2n ) ist, sollte die angestrebte Quantisierung mindestens eine Quantisierung f¨ ur diese klassischen Observablen umfassen, da wir ja die algebraische Struktur der Observablen in den Vordergrund stellen wollen. Somit steht man vor dem Problem, den Monomen q k1 · · · q kr pℓ1 · · · pℓs Operatoren zuzuordnen. Wir wollen eine derartige Zuordnung linear w¨ahlen, so daß unsere Anforderung (5.1) exakt erf¨ ullt ist. Auch wenn dies prinzipiell zu hinterfragen ist, scheint diese Annahme vern¨ unftig zu sein. Deshalb m¨ ussen wir tats¨ achlich nur den Monomen Operatoren zuordnen. Um der Anforderung (5.3) Rechnung zu tragen, liegt es nahe, die Quantisierung von Monomen q k1 · · · q kr pℓ1 · · · pℓs mit Hilfe von Produkten der Operatoren Qk und Pℓ zu konstruieren, welche die entsprechenden Faktoren enthalten. Da die Operatoren aber nicht kommutieren, stellt sich ein Ordnungsproblem: soll beispielsweise qp durch QP , P Q oder eine Linearkombination beider M¨ oglichkeiten quantisiert werden? Wir werden sp¨ater noch konkrete Beispiele f¨ ur Ordnungsvorschriften diskutieren, siehe beispielsweise auch [2–4] sowie die exotischeren Beispiele aus [252, Abschnitt 3.3].
Ê
294
5 Quantisierung: Erste Schritte
5.2.1 Das Groenewold-van Hove-Theorem Das Ziel diese Abschnittes ist es, zu zeigen, daß die Forderung (5.4) nach Korrespondenz von Poisson-Klammern und Kommutatoren nicht exakt realisiert werden kann, sofern man darauf besteht, gleichviele klassische wie quantenmechanische Observablen zu haben. Dies wird eine Konsequenz des Theorems von Groenewold und van Hove sein [148, 307], welches wir zun¨achst formulieren werden. Die Darstellung, welcher wir hier folgen, basiert auf einer Diskussion mit Martin Bordemann [36], siehe aber auch [1, Sect. 5.4] und [7]. Wir beginnen dazu mit folgender Definition: Definition 5.2.1 (Groenewold-van Hove-Eigenschaft). Sei h ⊆ g eine Lie-Unteralgebra einer Lie-Algebra g u ¨ ber . Dann hat das Paar (g, h) die Groenewold-van Hove-Eigenschaft, falls keine treue irreduzible Darstellung von h eine Fortsetzung zu einer Darstellung von g erlaubt.
Hier ist Irreduzibilit¨at in dem Sinne gemeint, daß die Kommutante der Darstellung ̺ von h trivial ist, also [̺(ξ), A] = 0 f¨ ur alle ξ ∈ h impliziert, daß A ein Vielfaches der Identit¨ at ist, siehe auch Bemerkung 5.2.4. Beispiel 5.2.2. Man betrachte die Lie-Algebra g = so(3) mit der u ¨blichen Drehimpulsbasis L1 , L2 , L3 , so daß [Li , Lj ] = ǫkij Lk
(5.10)
gilt. Weiter sei h = L3 die eindimensionale abelsche Lie-Unteralgebra, die vom Drehimpuls in 3-Richtung aufgespannt wird. Da h abelsch ist, ist jede irreduzible Darstellung von h notwendigerweise eindimensional. Die einzige eindimensionale Darstellung von g = so(3) ist aber die triviale Darstellung, womit eine nichttriviale irreduzible Darstellung von h nie zu einer Darstellung von g ausgedehnt werden kann. Da es solche nichttrivialen Darstellungen von h aber gibt, hat das Paar (g, h) die Groenewold-van Hove-Eigenschaft. F¨ ur die Quantisierung ist folgender Satz von entscheidender Bedeutung. Wir betrachten die Lie-Algebra g = Pol( 2n ) mit der Poisson-Klammer als Lie-Klammer, sowie die von 1, q 1 , . . . , q n , p1 , . . . , pn aufgespannte LieUnteralgebra, welche wir mit h bezeichnen. Satz 5.2.3 (Groenewold-van Hove-Theorem). Sei g = Pol( 2n ) und sei h die von {1, q 1 , . . . , q n , p1 , . . . , pn } aufgespannte reelle Lie-Unteralgebra, jeweils mit der kanonischen Poisson-Klammer als Lie-Klammer. Dann besitzt das Paar (g, h) die Groenewold-van Hove-Eigenschaft. Beweis. Den Beweis erbringt man mittels einer elementaren Rechnung durch einen Widerspruch. Wir beschr¨ anken uns auf den Fall n = 1, der Beweis f¨ ur n ≥ 2 verl¨ auft analog. Wir betrachten nun Darstellungen von h
5.2 Kanonische Quantisierung f¨ ur polynomiale Funktionen
295
und g auf einem Vektorraum V . Zun¨ achst wollen wir den Begriff der LieAlgebrendarstellung etwas besser an unsere physikalischen Bed¨ urfnisse anpassen. Anstelle von [̺(f ), ̺(g)] = ̺({f, g}) fordern wir die Gleichung [̺(f ), ̺(g)] = i̺({f, g}) f¨ ur f, g ∈ g als Darstellungsbedingung, was einer einfachen Reskalierung der Lie-Klammer von End(V ) entspricht. Sei also eine irreduzible und treue Darstellung ̺ von h auf V gegeben. Daher ist ̺(1) notwendigerweise ein Vielfaches der Identit¨at, da 1 in h wie auch in g ein zentrales Element ist. Es gilt also ̺(1) = α
mit α ∈ . Da ̺ außerdem treu ist, gilt α = 0. Wir betrachten nun die Operatoren 1 1 Q = √ ̺(q) und P = √ ̺(p). α α Aus der Darstellungseigenschaft folgt unmittelbar die kanonische Vertauschungsrelation [Q, P ] = i. Man beachte, daß man α nicht ohne weiteres wegskalieren“ kann, da die Darstellungen von h f¨ ur verschiedene α alle ” in¨ aquivalent sind. Wir suchen nun eine Ausdehnung von ̺ zu einer Darstellung der großen Lie-Algebra g, welche wir ebenfalls mit ̺ bezeichnen. Angenommen eine solche Darstellung existiert, dann folgt
und analog
i i ̺(q 2 ), P = √ ̺({q 2 , p}) = √ ̺(2q) = 2iQ α α
̺(p2 ), Q = −2iP.
Andererseits gilt auch 2 Q , P = 2iQ und
P 2 , Q = −2iP,
womit folgt, daß ̺(q 2 ) − Q2 ebenso wie ̺(p2 ) − P 2 in der Kommutante der Darstellung von h liegen, da offenbar [̺(q 2 ), ̺(q)] = i̺({q 2 , q}) = 0 etc. Nach der Annahme der Irreduzibilit¨ at folgt daher ̺(q 2 ) = Q2 + c1
und
̺(p2 ) = P 2 + c2
mit gewissen Konstanten c1 , c2 ∈ . Weiter betrachten wir die klassische Relation 4qp = {q 2 , p2 }, so daß in der Darstellung entsprechend 1 2 1 2 1 2 2 ̺(q ), ̺(p2 ) = Q + c1 , P 2 + c2 = Q ,P i i i = 2(QP + P Q)
4̺(qp) =
296
5 Quantisierung: Erste Schritte
gilt. Klassisch gilt weiter {qp, p2 } = 2p2 , womit 1 2(P 2 + c2 ) = 2̺(p2 ) = ̺(qp), ̺(p2 ) i ( ' 1 1 1 QP + P Q, P 2 = 2P 2 . (QP + P Q), P 2 + c2 = = i 2 2i
Also folgt c2 = 0 und analog c1 = 0. F¨ ur die quadratischen Monome in q und p gelten deshalb zwingend die Relationen ̺(q 2 ) = Q2 ,
̺(p2 ) = P 2
und ̺(qp) =
1 (QP + P Q). 2
Wir betrachten als n¨ achstes kubische Monome in q und p und versuchen genauso, die Darstellung ̺ zu konstruieren, was dann zum Widerspruch f¨ uhren wird. Zun¨ achst gilt
und genauso
i 3i i ̺(q 3 ), P = √ ̺({q 3 , p}) = √ ̺(3q 2 ) = √ Q2 α α α
3i ̺(p3 ), Q = − √ P 2 . α
Andererseits gilt auch [Q3 , P ] = 3iQ2 ebenso wie [P 3 , Q] = −3iP 2 , womit nach dem gleichen Irreduzibilit¨ atsargument √ √ α̺(q 3 ) − Q3 = c3 und α̺(p3 ) − P 3 = c4 mit Konstanten c3 , c4 ∈ 3q 3 , wonach
. Wir betrachten die klassische Relation {q3, qp} =
( ' 3 1 1 1 3 3 3 3 √ (Q + c3 ) = 3̺(q ) = ̺(q ), ̺(qp) = √ Q + c3 , (QP + P Q) α i i α 2 3 3 =√ Q . α Damit folgt c3 = 0, und analog zeigt man c4 = 0. Also gilt 1 ̺(q 3 ) = √ Q3 α
1 und ̺(p3 ) = √ P 3 . α
Als n¨ achstes betrachten wir die klassische Relation {q 3 , p2 } = 6q 2 p. Die Darstellungseigenschaft von ̺ liefert dann die Gleichung 6̺(q 2 p) =
3
1 1 3 ̺(q ), ̺(p2 ) = √ Q3 , P 2 = √ Q2 P + P Q2 . i i α α
Mit einer analogen Argumentation f¨ ur qp2 finden wir dann insgesamt
5.2 Kanonische Quantisierung f¨ ur polynomiale Funktionen
1
̺(q 2 p) = √ Q2 P + P Q2 2 α
297
1
und ̺(qp2 ) = √ QP 2 + P 2 Q . 2 α
Den gew¨ unschten Widerspruch erreicht man nun, indem man ̺(q 2 p2 ) auf zwei Weisen berechnet. Zum einen gilt 9q 2 p2 = {q 3 , p3 }, zum anderen 3q 2 p2 = {q 2 p, qp2 }. Anwenden von ̺ liefert daher zum einen 9̺(q 2 p2 ) = und zum anderen
1 3 3 1 3 ̺(q ), ̺(p3 ) = Q ,P i iα
( ' 1 2 1 1 2 2 2 1 2 2 ̺(q p), ̺(qp ) = (Q P + P Q ), (QP + P Q) . 3̺(q p ) = i iα 2 2 2 2
Dies ist aber inkonsistent, denn der Operator
3 2 A = Q3 , P 3 − Q P + P Q2 , QP 2 + P 2 Q 4
ist ungleich Null. Es gilt vielmehr unter Ausnutzung der kanonischen Vertauschungsrelationen f¨ ur Q und P die Gleichung [Q, [Q, [P, [P, A]]]] = 244 = 0. Demnach ist auch A = 0 und der Widerspruch ist erreicht.
⊓ ⊔
Bemerkung 5.2.4. Da die kanonische Quantisierung von q k und pℓ wie in (5.5) und (5.6) zu einer irreduziblen Lie-Algebradarstellung der Lie-Unteralgebra h f¨ uhrt, zeigt das Groenewold-van Hove-Theorem, daß die kanonische Quantisierung nicht als eine Lie-Algebradarstellung auf alle Observablen in g = Pol( 2n ) fortgesetzt werden kann. Im endlichdimensionalen Fall ist der oben genannte Irreduzibilit¨ atsbegriff Dank des Schurschen Lemmas gleichbedeutend damit, daß es keine echten invarianten Teilr¨aume gibt, siehe beispielsweise [176, Sect. 6.1]. F¨ ur eine weiterf¨ uhrende Diskussion, welche insbesondere die funktionalanalytischen Details des Begriffes Irreduzibilit¨at“ f¨ ur unend” lichdimensionale Darstellungen diskutiert, verweisen wir auf [1, Sect. 5.4].
Ê
Bemerkung 5.2.5 (Geometrische Quantisierung). Eine m¨ogliche Antwort auf das Groenewold-van Hove-Theorem besteht nun darin, zun¨achst eine sehr reduzible Darstellung aller Observablen, hier also Pol(T ∗ n ) oder C ∞ ( 2n ) zu konstruieren und in einem zweiten Schritt die Frage nach Irreduzibilit¨at erneut aufzugreifen und eine entsprechende Unteralgebra auszuzeichnen. Dies ist im wesentlichen die Idee der geometrischen Quantisierung nach Kirillov [200], Kostant [210] und Souriau [293], siehe auch [328] f¨ ur eine ausf¨ uhrliche Darstellung. Der konzeptionell einfachere Teil besteht in der Pr¨aquantisierung, also der geometrischen Konstruktion einer treuen Lie-Algebradarstellung von C ∞ (M ), welche jedoch in hohem Maße reduzibel ist. In einem zweiten Schritt, der Polarisierung, versucht man dann ebenfalls auf geometrisch motivierte
Ê
Ê
298
5 Quantisierung: Erste Schritte
Weise die Darstellung zu verkleinern. Die große Bedeutung der geometrischen Quantisierung liegt vor allem in der Darstellungstheorie von Lie-Gruppen. In den Aufgaben 5.1 und 5.2 werden weitere Details hierzu diskutiert; in unserer weiteren Diskussion wird die geometrische Quantisierung jedoch keine große Rolle mehr spielen. Es stellt sich nun die Frage, wie man die kanonische Quantisierung“ fort” setzen soll. Die naheliegende kanonische“ Weise ist durch das Groenewold” van Hove-Theorem ja ausgeschlossen. Bevor wir uns dieser Frage zuwenden, wollen wir aber noch eine weitere Formulierung des Groenewold-van HoveTheorems geben, welche nicht ganz ¨ aquivalent aber von der Beweisidee sehr ahnlich ist. ¨ Proposition 5.2.6. Es gibt keine assoziative Algebra A mit Eins zusammen mit einem Lie-Algebraisomorphismus
wobei A mit
1 i [·, ·]
Φ : Pol(
2n
∼ = ), {·, ·} −→ A,
(5.11)
als Lie-Klammer versehen ist.
Beweis. Wir betrachten wieder nur den Fall n = 1. Angenommen es g¨abe eine solche Algebra A und einen solchen Isomorphismus Φ von Lie-Algebren iΦ({f, g}) = [Φ(f ), Φ(g)].
Dann w¨ are das Zentrum von A trivial, Z (A) = , da das Poisson-Zentrum der Poisson-Algebra Pol( 2n ) trivial ist. Insbesondere folgt Φ(1) = α f¨ ur ein α ∈ \ {0}. Demnach gilt die Vertauschungsregel
[Φ(q), Φ(p)] = iα. Andererseits gilt aufgrund der Darstellungseigenschaft ganz allgemein ∂f ad(Φ(q))Φ(f ) = [Φ(q), Φ(f )] = iΦ({q, f }) = iΦ ∂p und analog ad(Φ(p))Φ(f ) = −iΦ
∂f ∂q
.
Damit folgt aber auch, daß ein Element z ∈ A bereits zentral und damit ein Vielfaches von ist, wenn
[Φ(q), z] = 0 = [Φ(p), z]
(∗)
gilt, denn es gilt z = Φ(f ) f¨ ur ein eindeutiges f ∈ Pol( 2n ). Dann bedeutet (∗) aber gerade f = const. Von hier an kann man der Argumentationskette vom Beweis des Groenewold-van Hove-Theorems w¨ortlich folgen und somit den gleichen Widerspruch erreichen. ⊓ ⊔
5.2 Kanonische Quantisierung f¨ ur polynomiale Funktionen
299
Bemerkung 5.2.7. Diese Version des no-go-Theorems“ besagt, daß wir, ganz ” unabh¨angig von der Darstellbarkeit durch Operatoren, keine als Vektorraum zur klassischen Observablenalgebra Pol( 2n ) isomorphe Quantenobservablenalgebra finden k¨onnen, so daß die Entsprechung (5.4) von Kommutatoren und Poisson-Klammern f¨ ur alle Observablen exakt erf¨ ullt ist. Aus diesem Grunde werden wir uns nun dem Ordnungsproblem stellen m¨ ussen. Erwartungsgem¨ aß wird es keine eindeutige L¨osung geben, und man wird a posteriori entscheiden m¨ ussen, welche Ordnung physikalisch brauchbare Ergebnisse liefert. Gl¨ ucklicherweise wird sich die Wahl einer Ordnung nicht f¨ ur alle Observablen gleichermaßen auswirken. Insbesondere f¨ ur die physikalisch besonders wichtigen Observablen wie die Symmetriegeneratoren und die Hamilton-Funktion wird man in konkreten Situationen schnell brauchbare Antworten finden. Von einem etwas abstrakteren Standpunkt aus bleibt diese Mehrdeutigkeit in der Wahl der Ordnungsvorschrift jedoch bestehen und stellt einen eher unbefriedigenden Aspekt der Quantisierung dar. Wir werden daher zun¨ achst recht naiv mit dieser Problematik umgehen und zuerst einige bekannte Ordnungsvorschriften exemplarisch vorstellen, ohne deren physikalische Relevanz eingehender zu diskutieren. Dies wird im Rahmen der Deformationsquantisierung dann in einen weiteren Kontext gestellt werden. 5.2.2 Ordnungsvorschriften: Standard- und Weyl-Ordnung Die einfachste M¨ oglichkeit, allen Polynomen Pol( 2n ) eine quantenmechanische Observable zuzuordnen, ist die Standardordnung: man schreibt zun¨achst alle Impulse nach rechts und ersetzt dann gem¨ aß (5.5) und (5.6) die klassischen Orts- und Impulskoordinaten durch die entsprechenden Orts- und Impulsoperatoren. Explizit heißt dies s
∂s ̺Std q i1 · · · q ir pj1 · · · pjs = , (5.12) q i1 · · · q ir j1 i ∂q · · · ∂q js wobei es auf die Reihenfolge der Ortsoperatoren beziehungsweise der Impulsoperatoren untereinander nicht ankommt. Auf diese Weise erh¨alt man eine -lineare Abbildung
̺Std : Pol(
2n
) −→ DiffOp(
n
),
(5.13)
wobei wir noch ̺Std (1) = verabreden. Hier bezeichnet DiffOp( n ) die Algebra der Differentialoperatoren mit glatten Koeffizientenfunktionen. Etwas kompakter geschrieben gilt r ∞ ∂r 1 ∂rf ̺Std (f ) = , (5.14) r! i ∂pi1 · · · ∂pir p=0 ∂q i1 · · · ∂q ir r=0 i ,...,i 1
r
wobei die vermeintlich unendliche Reihe nach endlich vielen Termen abbricht, da f ein Polynom ist.
300
5 Quantisierung: Erste Schritte
Gleichung (5.14) legt auch nahe, wie man mehr klassische Observable als die Polynome Pol( 2n ) quantisieren kann. Solange f polynomial in den Impulsen ist, ist (5.14) wohl-definiert; die Ortsabh¨angigkeit ist daf¨ ur offenbar irrelevant. Damit hat man eine Fortsetzung von ̺Std auf alle glatten, in den Impulsen polynomialen Funktionen gefunden. Wenn wir den Phasenraum 2n als Kotangentenb¨ undel T ∗ n des Konfigurationsraums n interpretieren, so sind diese Funktionen gerade diejenigen aus Definition 2.2.20. Da diese in typischen Hamiltonschen Systemen die physikalisch relevanten Observablen sind, wollen wir die Standardordnung auf Pol(T ∗ n ) ausdehnen. Wir erhalten somit eine Bijektion auf alle Differentialoperatoren mit glatten Koeffizienten:
Ê
Ê
Ê
Ê
Ê
Proposition 5.2.8 (Standardordnung). Die Standardordnung ̺Std : Pol(T ∗
Ên) −→ DiffOp(Ên)
(5.15)
ist eine lineare Bijektion. Das Inverse ist die standardgeordnete Symbolabbildung (5.16) σStd : DiffOp( n ) −→ Pol(T ∗ n ),
Ê
Ê
welche explizit durch
gegeben ist.
i i σStd (D) = e− p·q D e p·q
(5.17)
Beweis. Die Bijektivit¨ at von ̺Std ist anhand der Formel (5.14) offensichtlich. Um zu zeigen, daß σStd das Inverse von ̺Std ist, gen¨ ugt es daher, eine Richtung, ufen. Weiter gen¨ ugt es aufgrund der also beispielsweise σStd ◦ ̺Std = id, zu pr¨ Linearit¨ at, diese Gleichung f¨ ur f (q, p) = χ(q)pi1 · · · pir zu zeigen. Dann gilt r i ∂r − i p·q χ(q) (σStd ◦ ̺Std (f ))(q, p) = e e p·q i ∂q i1 · · · q ir = χ(q)pi1 · · · pir = f (q, p).
⊓ ⊔ Die Standardordnung hat einen wesentlichen Nachteil: Sie bildet observable Elemente f = f ∈ Pol(T ∗ n ) auf im allgemeinen nicht observable Elemente ab. So ist beispielsweise ̺Std (qp) kein symmetrischer Operator bez¨ uglich der u a-Hilbert-Raumstruktur auf C0∞ ( n ), geschweige denn (wesent¨ blichen Pr¨ lich) selbstadjungiert. Diesen Defekt will man nun kurieren, wozu folgendes Lemma n¨ utzlich ist:
Ê
Ê
Lemma 5.2.9. Sei f ∈ Pol(T ∗ wobei
Ên) und φ, ψ ∈ C0∞(Ên). Dann gilt
& % φ, ̺Std (f )ψ = ̺Std (N 2 f )φ, ψ ,
N = e 2i ∆
mit
∆=
r
∂2 . ∂q r ∂pr
(5.18)
(5.19)
5.2 Kanonische Quantisierung f¨ ur polynomiale Funktionen
301
Beweis. Der Beweis besteht in einer einfachen partiellen Integration, wobei es gen¨ ugt, Funktionen f der Form f (q, p) = χ(q)pi1 · · · pir mit χ ∈ C ∞ ( n ) zu betrachten. Da die Orts- und Impulsoperatoren zu verschiedenen Koordinaten miteinander vertauschen, gen¨ ugt es auch, n = 1 zu betrachten. Die ¨ verbleibende Rechnung ist eine leichte Ubung, siehe Aufgabe 5.4. ⊓ ⊔
Ê
Bemerkung 5.2.10. Der Operator N ist offenbar eine wohl-definierte bijektive lineare Abbildung N : Pol(T ∗ n ) −→ Pol(T ∗ n ) und das Inverse ist entspre ur ̺Std (f ) gilt also chend N −1 = e− 2i ∆ . F¨
Ê
Ê
̺Std (f )† = ̺Std (N 2 f ),
(5.20)
was im allgemeinen von ̺Std (f ) verschieden ist. Dieses Problem l¨ aßt sich mit Hilfe des Operators N einfach beheben. Man definiert die Weyl-Ordnung (auch: Weyl-Darstellung oder Schr¨odingerDarstellung in Weyl-Ordnung) durch r ∞ ∂ r (N f ) 1 ∂r ̺Weyl (f ) = ̺Std (N f ) = r! i ∂pi1 · · · ∂pir p=0 ∂q i1 · · · ∂q ir r=0 i ,...,i 1
f¨ ur f ∈ Pol(T ∗
r
Ên) und erh¨alt gleichermaßen eine lineare Bijektion ̺ : Pol(T ∗ Ên ) −→ DiffOp(Ên ), Weyl
(5.21)
(5.22)
da N invertierbar ist. Mit (5.20) und N f = N −1 f liefert dies unmittelbar die Gleichung (5.23) ̺Weyl (f )† = ̺Weyl (f ). unschte Vertr¨aglichkeit der beiden ∗ -InvoluSomit hat man mit ̺Weyl die gew¨ tionen erreicht. Bemerkung 5.2.11 (Weylsche Symmetrisierung). Die Quantisierungsabbildankt auf Polynome Pol( 2n ) in Impulsen und ung ̺Weyl entspricht, eingeschr¨ Orten, genau der Weylschen Symmetrisierungsvorschrift . Einem klassischen Monom in q und p wird das entsprechende, in Q und P vollst¨andig symmetrisierte Polynom zugeordnet, also beispielsweise
Ê
̺Weyl (q 2 p) =
∂ 1 2 Q P + QP Q + P Q2 = −iq 2 − iq. 3 ∂q
(5.24)
¨ F¨ ur die richtige Kombinatorik beim Ubergang von Standardordnung zur WeylOrdnung ist gerade der Operator N verantwortlich, siehe Aufgabe 5.6. Wir werden diese Tatsache jedoch nicht weiter ben¨otigen. Mit Hilfe des Operators N k¨ onnen wir sogar auf eine analytische“ Wei” se zwischen Standardordnung und Weyl-Ordnung interpolieren. F¨ ur κ ∈ definiert man den Operator
Ê
302
5 Quantisierung: Erste Schritte
Nκ = e−iκ∆ ,
(5.25)
so daß also N0 = id und N 12 = N gilt. Offenbar ist der Operator Nκ f¨ ur alle κ eine lineare bijektive Abbildung Nκ : Pol(T ∗
Ên) −→ Pol(T ∗Ên)
(5.26)
mit Inversem Nκ−1 = N−κ
(5.27)
sowie und Nκ f = N−κ f .
Nκ Nκ′ = Nκ+κ′
(5.28)
Die κ-geordnete Darstellung einer klassischen Observablen f ∈ Pol(T ∗ oder kurz die κ-Ordnung, ist dann durch ̺κ (f ) = ̺Std (Nκ f )
Ên),
(5.29)
definiert, so daß also ̺ 12 = ̺Weyl und ̺0 = ̺Std . Es gilt ̺κ (f )† = ̺1−κ (f ),
(5.30)
was man ebenfalls mit Hilfe von (5.20) und (5.28) unmittelbar sieht. Dies hebt abermals die Besonderheit der Weyl-Ordnung κ = 12 hervor, da diese unter allen κ-Ordnungen die einzige mit der Eigenschaft (5.23) ist. Der Fall κ = 1 ist ebenfalls ausgezeichnet und liefert die Antistandardordnung ̺Std = ̺κ=1 , welche wir auch als antistandardgeordnete Darstellung bezeichnen. Explizit gilt r ∞ ∂r ∂rf 1 ̺Std (f ) = , (5.31) i1 · · · ∂q ir ∂p · · · ∂p r! i ∂q i i r 1 p=0 r=0 i ,...,i 1
r
Ên ) gilt mit (5.30) zum einen
denn f¨ ur alle φ, ψ ∈ C0∞ (
% & φ, ̺Std (f )ψ = ̺Std (f )φ, ψ .
(5.32)
Andererseits ist der adjungierte Operator zur rechten Seite gleichermaßen durch ) ∞ * 1 r % & ∂r ∂rf ̺Std (f )φ, ψ = φ, ψ i1 · · · ∂q ir ∂p · · · ∂p r! i ∂q i i r 1 p=0 r=0 i ,...,i 1
r
(5.33) gegeben. Da das Skalarprodukt nichtausgeartet ist, folgt also die Gleichheit (5.31). Man kann dies jedoch auch explizit aus der Definition ̺Std (f ) = ̺Std (N 2 f ) durch sukzessives Anwenden der Leibniz-Regel leicht nachrechnen, siehe Aufgabe 5.4.
5.2 Kanonische Quantisierung f¨ ur polynomiale Funktionen
303
5.2.3 Wick-, Anti-Wick- und κ ˜ -Ordnung Die Wick-Ordnung, auch Normalordnung genannt, spielt vor allem in der Quantenfeldtheorie eine herausragende Rolle. Wir diskutieren hier gewissermaßen das endlichdimensionale Analogon. Dazu betrachten wir zun¨achst komplexe Koordinaten z k = q k + ipk
und z k = q k − ipk
(5.34)
auf 2n . Wie in Aufgabe 3.6 diskutiert, m¨ ussen zus¨atzliche Parameter wie beispielsweise eine Massenskala und eine Frequenzskala dazu verwendet werden, die Orte und Impulse zun¨ achst auf eine gemeinsame physikalische Dimensi1 on [Wirkung] 2 zu skalieren, was mathematisch der Wahl einer kompatiblen komplexen Struktur und damit einer K¨ ahler-Struktur entspricht. Dies wollen wir hier jedoch in unserer Notation unterdr¨ ucken und als bereits geschehen ansehen. Es gilt dann f¨ ur die klassischen Poisson-Klammern {z k , z ℓ } =
2 kℓ δ i
sowie {z k , z ℓ } = 0 = {z k , z ℓ }
(5.35)
f¨ ur k, ℓ = 1, . . . , n, siehe Beispiel 3.2.64. Die entsprechenden kanonischen Vertauschungsrelationen sind gerade die der Erzeugungs- und Vernichtungsoperatoren. Die Wick-Ordnung besteht nun darin, alle Vernichtungsoperatoren nach rechts und alle Erzeugungsoperatoren nach links zu schreiben. Konkret l¨ aßt sich diese Quantisierung folgendermaßen realisieren. Man betrachtet den uglich des Hilbert-Raum aller quadratintegrablen Funktionen L2 ( n , dμ) bez¨ Gaußschen Maßes zz 1 dμ(z, z) = (5.36) e− 2 dzdz (2π)n
mit dem zugeh¨ origen L2 -Skalarprodukt 1 zz φ, ψ = φ(z, z)ψ(z, z)e− 2 dzdz. n (2π)
(5.37)
Dieser Hilbert-Raum besitzt nun einen bemerkenswerten Unterraum: Satz 5.2.12 (Bargmann-Fock-Raum). Der Untervektorraum H der quadratintegrablen antiholomorphen Funktionen + , 1 − zz 2 dzdz < ∞ φ(z)φ(z)e (5.38) HBF = φ ∈ O( n ) (2π)n
n , dμ) und damit selbst ein
ist ein abgeschlossener Untervektorraum von L2 ( Hilbert-Raum. Die Vektoren
1 k1 1 k ek1 ...kn (z) = · · · (z n ) n z k +···+k 1 n k1 ! · · · kn ! (2)
(5.39)
304
5 Quantisierung: Erste Schritte
bilden ein vollst¨andiges Orthonormalsystem in HBF , also eine Hilbert-Basis. Das Skalarprodukt ist f¨ ur φ, ψ ∈ HBF explizit durch ∞ (2)r ∂rφ ∂rψ φ, ψBF = (5.40) k1 kr k1 kr r! ∂z ∂z · · · ∂z · · · ∂z z=0 z=0 r=0 k ,...,k 1
r
gegeben.
Beweis. Der Beweis findet sich beispielsweise in der Originalarbeit von Bargmann [12]: Im wesentlichen muß gezeigt werden, daß bei der Berechnung des Skalarprodukts (5.40) tats¨ achlich die Integration mit der Summation der Taylor-Entwicklung um 0 vertauscht werden kann, siehe Aufgabe 5.3 f¨ ur eine detaillierte Diskussion. ⊓ ⊔ Bemerkung 5.2.13 (Bargmann-Fock-Raum). Dieser Bargmann-Fock-Raum genannte Hilbert-Raum besitzt einige weitere bemerkenswerte Eigenschaften. So ist beispielsweise das δ-Funktional ein stetiges Funktional δ : HBF −→ und damit nach dem Satz von Riesz durch das Skalarprodukt mit einem eindeutig bestimmten Vektor in HBF gegeben. Es gilt offenbar explizit
δ(φ) = φ(0) = e0...0 , φBF .
(5.41)
Man beachte, daß das δ-Funktional auf L2 ( n , dμ) nicht einmal wohl-definiert geschweige denn stetig ist. Die δ-Funktionale an anderen Punkten δw : φ → φ(w) lassen sich ebenso darstellen. Weitere Details und Eigenschaften des Bargmann-Fock-Raumes finden sich etwa in [12, 13, 216]. Wir wollen nun eine Quantisierung f¨ ur die Polynome Pol( 2n ) durch Operatoren auf HBF angeben. Man definiert die Erzeuger und Vernichter durch a†k = z k
und aℓ = 2
∂ ∂zℓ
(5.42)
f¨ ur k, ℓ = 1, . . . , n. Als unkritischer dichter Definitionsbereich eignet sich beispielsweise der Untervektorraum der antiholomorphen Polynome [z 1 , . . . , z n ] ulle der Hilbert-Basis {ek1 ...kn }k1 ,...,kn ∈0 . in HBF , also gerade die -lineare H¨ Durch eine elementare partielle Integration rechnet man nun nach, daß auf diesem gemeinsamen Definitionsbereich . / φ, ak ψBF = a†k φ, ψ (5.43)
BF
gilt, was die Bezeichnungen in (5.42) rechtfertigt. Man kann tats¨achlich zeigen, daß bei geeigneter Vergr¨ oßerung der Definitionsbereiche die Operatoren ak und a†k zueinander adjungiert sind. Ferner gilt die Vertauschungsregel # $ ak , a†ℓ = 2δkℓ , (5.44)
5.2 Kanonische Quantisierung f¨ ur polynomiale Funktionen
305
womit die Operatoren ak und a†ℓ die kanonischen Vertauschungsrelationen analog zu (5.35) erf¨ ullen. Wir definieren nun die Wick-Ordnung (auch Wick-Darstellung oder Bargmann-Fock-Darstellung) auf Monomen, indem wir alle Vernichtungsoperatoren nach rechts schreiben, also
̺Wick z k1 · · · z kr z ℓ1 · · · z ℓs = (2)r z ℓ1 · · · z ℓs
∂r . · · · ∂z kr
(5.45)
∂r z ℓ1 · · · z ℓs . ∂z k1 · · · ∂z kr
(5.46)
∂z
k1
Entsprechend definiert man die Anti-Wick-Ordnung (auch Anti-Wick-Darstellung), indem man die Erzeugungsoperatoren nach rechts schreibt, also
̺Wick z k1 · · · z kr z ℓ1 · · · z ℓs = (2)r
Anschließend setzt man beide zu linearen Abbildungen auf Pol( Explizit gilt f¨ ur f ∈ Pol( 2n ) ̺Wick (f ) ∞ (2)r = r!s! r,s=0
k1 ,...,kr ℓ1 ,...,ℓs
2n
) fort.
∂r ∂ r+s f ℓ1 ℓs · · · z z (0) ℓ ℓ k ∂z k1 · · · ∂z kr ∂z 1 · · · ∂z s ∂z 1 · · · ∂z kr , (5.47)
sowie ̺Wick (f ) ∞ (2)r = r!s! r,s=0
k1 ,...,kr ℓ1 ,...,ℓs
∂ r+s f ∂r z ℓ1 · · · z ℓs , (0) ℓ ℓ k kr k1 · · · ∂z kr ∂z 1 · · · ∂z s 1 ∂z ∂z · · · ∂z , (5.48)
wobei die Summation nur endlich viele von Null verschiedene Summanden hat, da f ein Polynom in z und z ist. Als n¨ achstes wollen wir zwischen ̺Wick und ̺Wick eine Beziehung analog zu (5.21) herleiten. Wir betrachten dazu den Operator ˜
S = e ∆
mit
∆˜ =
k
∂2 , ∂z k ∂z k
(5.49)
welcher auf den Polynomen in z und z offenbar wohl-definiert ist und eine bijektive lineare Abbildung liefert. Der Operator ∆˜ ist (bis auf einen Faktor) gerade der u uglich der kanonischen ¨ bliche Euklidische Laplace-Operator bez¨ positiv-definiten Metrik g0 auf 2n ∼ = n.
Lemma 5.2.14. Sei f ∈ Pol(
2n
). Dann gilt
̺Wick (f ) = ̺Wick (S 2 f ).
(5.50)
306
5 Quantisierung: Erste Schritte
Beweis. Der Beweis erfolgt durch elementares Nachrechnen in Aufgabe 5.4. ⊓ ⊔ Diese Beziehung legt nahe, den Operator S ebenso wie den Operator N dazu zu verwenden, auf kontinuierliche Weise zwischen Wick-Ordnung und AntiWick-Ordnung zu interpolieren. Man definiert daher die κ ˜-Ordnung (auch κ ˜ -Darstellung) ̺κ˜ (f ) = ̺Wick (S 1−˜κ f ) (5.51)
Ê
˜ = 1 die Wick-Ordnung und κ ˜ = −1 die Anti-Wickf¨ ur κ ˜ ∈ , so daß κ Ordnung liefert. Der Fall κ ˜ = 0 entspricht wieder einer totalen Symmetrisierung, also einer Weyl-Ordnung, jetzt jedoch in den Erzeugern und Vernichtern. Als letzte Bemerkung stellen wir noch fest, daß f¨ ur alle κ ˜ ∈ die Operatoren ̺κ˜ (f ) f¨ ur f = f symmetrisch sind, allgemein gilt
Ê
̺κ˜ (f )† = ̺κ˜ (f ).
(5.52)
F¨ ur ̺Wick pr¨ uft man dies direkt mit Hilfe der definierenden Gleichung (5.45) nach. F¨ ur κ ˜ = 1 folgt es aus der Definition (5.51) sowie der Eigenschaft S κ˜ f = S κ˜ f ,
(5.53) ˜
was man leicht aus der expliziten Gestalt von S κ˜ = e˜κ∆ gewinnt. 5.2.4 Die ersten Sternprodukte Nachdem wir nun u ulle an Beispielen von Quantisierungen“ ¨ ber eine gewisse F¨ ” verf¨ ugen, welche die kanonische Quantisierung konkretisieren, gilt es nun, die von uns gew¨ unschten Eigenschaften aus Abschnitt 5.1.2 n¨aher zu untersuchen und gegebenenfalls zu verifizieren. Insbesondere soll das Korrespondenzprinzip, welches in (5.1), (5.2), (5.3) und (5.4) ja noch recht vage formuliert ist, anhand dieser Beispiele genauer betrachtet werden. Somit stellt sich also die Frage, wie der klassische Limes −→ 0 zu verstehen ist, da ja offenbar die Operatoren Pℓ = ̺κ (pℓ ) = −i ∂q∂ ℓ ebenso wie die Operatoren ak = ̺κ˜ (z k ) = 2 ∂z∂ k im klassischen Limes“ −→ 0 verschwin” den. So naiv ist der klassische Limes also sicherlich nicht zu verstehen. Um die klassischen Observablen nun besser mit den quantenmechanischen vergleichen zu k¨ onnen, verfolgt man eine andere Strategie: Da die Abbildungen ̺κ lineare Bijektionen zwischen der klassischen Observablenalgebra Pol(T ∗ n ) und der quantenmechanischen Observablenalgebra DiffOp( n ) darstellen, k¨onnen wir das nichtkommutative Produkt von DiffOp( n ) mittels ̺κ zu einem neuen Produkt ⋆κ f¨ ur Pol(T ∗ n ) zur¨ uckziehen. Dann k¨onnen wir auf dem selben zugrundeliegenden Vektorraum der klassischen Observablen zwei verschiedene Produktstrukturen miteinander vergleichen.
Ê
Ê
Ê
Ê
5.2 Kanonische Quantisierung f¨ ur polynomiale Funktionen
307
Definition 5.2.15 (κ-Geordnete Sternprodukte). Das durch ̺κ (f ⋆κ g) = ̺κ (f ) ̺κ (g)
(5.54)
Ê
definierte Produkt ⋆κ f¨ ur Pol(T ∗ n ) heißt κ-geordnetes Sternprodukt. Die Spe1 zialf¨alle κ = 0, κ = 2 und κ = 1 heißen standardgeordnetes Sternprodukt ⋆Std , Weyl-geordnetes Sternprodukt (auch Weyl-Moyal-Sternprodukt) ⋆Weyl und antistandardgeordnetes Sternprodukt ⋆Std . Bemerkung 5.2.16. Da ̺κ bijektiv ist, ist ⋆κ durch (5.54) tats¨achlich wohldefiniert. Die Sternprodukte ⋆κ sind ihrer Konstruktion nach assoziativ, da das Operatorprodukt von DiffOp( n ) assoziativ ist. Weiter gilt, daß die so erhaltenen Algebren (Pol(T ∗ n ), ⋆κ ) alle zu DiffOp( n ) isomorph sind: nach Konstruktion ist die κ-geordnete Darstellung
Ê
Ê
̺κ : (Pol(T ∗
Ê
∼ = Ên), ⋆κ) −→ DiffOp(Ên )
(5.55)
ein Isomorphismus von assoziativen Algebren. Demnach sind auch alle Produkte untereinander isomorph und zwar mittels der Isomorphismen ̺−1 κ 1 ◦ ̺κ 2 . Wir wollen nun diese Produkte etwas n¨ aher untersuchen, weshalb einige explizite Formeln hilfreich sein werden. Proposition 5.2.17. Das standardgeordnete Sternprodukt ⋆Std ist durch r ∞ 1 ∂rg ∂rf (5.56) f ⋆Std g = r! i ∂pi1 · · · ∂pir ∂q i1 · · · ∂q ir r=0 i ,...,i 1
f¨ ur f, g ∈ Pol(T ∗
r
Ên) gegeben. Weiter gilt f¨ur alle κ ∈ Ê f ⋆κ g = Nκ−1 (Nκ f ⋆Std Nκ g)
(5.57)
mit Nκ = e−iκ∆ wie in (5.25). Beweis. Wir k¨ onnen ohne Einschr¨ ankung wieder n = 1 annehmen, da die Ableitungen und Multiplikationen zu verschiedenen kanonisch konjugierten Koordinatenpaaren vertauschen. Weiter gen¨ ugt es aufgrund der Bilinearit¨at, Funktionen der Form f (q, p) = u(q)pk und g(q, p) = v(q)pℓ zu betrachten, wobei u, v ∈ C ∞ ( ). Dann gilt
Ê
k+ℓ ∂k ∂ℓ u kv ℓ ̺Std (f ) ̺Std (g) = i ∂q ∂q k+ℓ k r k ∂ v ∂ ℓ+k−r = u r ∂q r ∂q ℓ+k−r i r=0 k r r k k−r ∂ v ℓ = ̺Std up p r i ∂q r r=0
308
5 Quantisierung: Erste Schritte
k 1 r ∂ r pk ∂ r v ℓ = ̺Std u r p r! i ∂p ∂q r r=0 k 1 r ∂ r f ∂ r g , = ̺Std r! i ∂pr ∂q r r=0 und wir k¨ onnen in der ersten Summe k durch ∞ ersetzen, da die h¨oheren p-Ableitungen von f bereits alle verschwinden. Die Injektivit¨at von ̺Std impliziert dann (5.56). Man beachte, daß die Summe in (5.56) immer nur endlich viele Terme ungleich Null enth¨ alt, da die p-Ableitungen von f identisch verschwinden, sobald der Polynomgrad von f u ¨ berschritten ist. Da ̺κ = ̺Std ◦Nκ und Nk bijektiv ist, folgt schließlich f ⋆κ g = ̺κ −1 (̺κ (f ) ̺κ (g)) = (̺Std ◦Nκ )−1 ((̺Std ◦Nκ )(f )(̺Std ◦Nκ )(g)) = Nκ−1 ̺Std −1 (̺Std (Nκ f ) ̺Std (Nκ g))
= Nκ−1 (Nκ f ⋆Std Nκ g) . ⊓ ⊔ Um auch explizitere Formeln f¨ ur ⋆κ und insbesondere ⋆Weyl zu gewinnen, schreiben wir ⋆Std nochmals auf etwas andere Weise. Gem¨aß Aufgabe 1.8 bezeichnen wir mit μ : Pol(T ∗
Ên) ⊗ Pol(T ∗Ên) −→ Pol(T ∗Ên)
(5.58)
die kommutative, punktweise Multiplikation von Funktionen, also μ(f ⊗ g) = f g. Weiter betrachten wir die beiden linearen Abbildungen P, P ∗ : Pol(T ∗
Ên) ⊗ Pol(T ∗Ên) −→ Pol(T ∗Ên) ⊗ Pol(T ∗Ên),
(5.59)
∂ ∂ ⊗ ∂q k ∂pk
(5.60)
definiert durch P =
und P ∗ =
k
Dann gilt f¨ ur alle f, g ∈ Pol(T ∗
∂ ∂ ⊗ k. ∂pk ∂q k
Ên) die Gleichung
∗
f ⋆Std g = μ ◦ e i P (f ⊗ g),
(5.61)
wobei die Exponentialreihe wieder nur endlich viele nichtverschwindende Terme liefert, da (P ∗ )k (f ⊗ g) = 0 sobald k gr¨ oßer als der Polynomgrad von f in den Impulsen wird. Die Gleichung (5.61) ist offenbar nur eine kompaktere Schreibweise f¨ ur (5.56). F¨ ur den Operator ∆ aus (5.19) gilt nun folgende Gleichung ∆ ◦ μ = μ ◦ (∆ ⊗ id +P + P ∗ + id ⊗ ∆) ,
(5.62)
5.2 Kanonische Quantisierung f¨ ur polynomiale Funktionen
309
was aus der allgemeinen Rechenregel D ◦ μ = μ ◦ (D ⊗ id + id ⊗D)
(5.63)
f¨ ur eine beliebige Derivation des Produkts μ folgt, siehe Aufgabe 1.8. Durch sukzessives Anwenden von (5.62) auf die einzelnen Terme der Exponentialreihe Nκ = e−iκ∆ findet man so Nκ ◦ μ = μ ◦ e−iκ(∆⊗id +P +P
∗
+id ⊗∆)
.
(5.64)
Mit diesen Formulierungen erhalten wir folgendes Resultat: Proposition 5.2.18. Sei f, g ∈ Pol(T ∗ Sternprodukt ⋆κ die Gleichung
Ên). Dann gilt f¨ur das κ-geordnete ∗
f ⋆κ g = μ ◦ eiκP −i(1−κ)P (f ⊗ g). Insbesondere gilt
∗
i
(5.65)
f ⋆Weyl g = μ ◦ e 2 (P −P ) (f ⊗ g)
(5.66)
f ⋆Std g = μ ◦ eiP (f ⊗ g).
(5.67)
und ∗
Ê Ê
n
Ê
n
Mit Hilfe der Projektion π : T −→ auf den Konfigurationsraum und der Einbettung ι : n −→ T ∗ n als Nullschnitt l¨aßt sich die κ-geordnete Darstellung als (5.68) ̺κ (f )ψ = ι∗ (Nk f ⋆Std π ∗ ψ)
Ê
Ên).
schreiben, wobei ψ ∈ C ∞ (
Beweis. Da partielle Ableitungen kommutieren, folgt, daß die Operatoren ∆ ⊗ id, P , P ∗ und id ⊗∆ alle paarweise kommutieren. Somit k¨onnen wir die Exponentialfunktionen von ∆ ⊗ id, P , P ∗ und id ⊗∆ nach Belieben zusammenfassen oder faktorisieren. Damit rechnet man mit (5.64) sowie (5.61) nach, daß f ⋆κ g = Nκ−1 (Nκ f ⋆Std Nκ g) ∗
= eiκ∆ ◦ μ ◦ e−iP (Nκ f ⊗ Nκ g) = μ ◦ eiκ(∆⊗id +P +P
∗
∗
+id ⊗∆)
∗
◦ e−iP (Nκ f ⊗ Nκ g)
= μ ◦ eiκP −i(1−κ)P ◦ eiκ∆⊗id ◦ eiκ id ⊗∆ (Nκ f ⊗ Nκ g) ∗
= μ ◦ eiκP −i(1−κ)P ◦ (N−κ ⊗ id) ◦ (id ⊗N−κ ) (Nκ f ⊗ Nκ g) ∗
= μ ◦ eiκP −i(1−κ)P (f ⊗ g).
Damit ist (5.65) gezeigt. Die Spezialf¨ alle (5.66) und (5.67) sind damit offensichtlich. Der letzte Teil ist anhand der expliziten Formeln f¨ ur ⋆Std und ⊓ ⊔ ̺κ = ̺Std ◦Nκ ebenfalls klar.
310
5 Quantisierung: Erste Schritte
Aus den Formeln (5.65) beziehungsweise (5.66) und (5.67) erh¨alt man nun leicht explizite Formeln analog zu (5.56). Insbesondere gilt f ⋆Std g =
∞ (i)r r=0
r!
i1 ,...,ir
∂rg ∂rf ∂q i1 · · · ∂q ir ∂pi1 · · · ∂pir
(5.69)
und f ⋆Weyl g =
r r ∞ 1 i r (−1)r−s s r! 2 r=0 s=0 ∂rf
i1 ,...,ir
∂rg , ∂q i1 · · · ∂q is ∂pis+1 · · · ∂pir ∂pi1 · · · ∂pis ∂q is+1 · · · ∂q ir
(5.70)
was man durch Ausschreiben der Exponentialreihen (5.66) beziehungsweise (5.67) unmittelbar nachpr¨ uft. Die (Nicht-) Vertr¨ aglichkeit der κ-Ordnung mit der klassischen ∗ -Involution wie in (5.30) schl¨ agt sich in folgender Aussage nieder: Proposition 5.2.19. F¨ ur alle κ ∈
Ê und f, g ∈ Pol(T ∗Ên) gilt
f ⋆κ g = g ⋆1−κ f .
(5.71)
Insbesondere ist die komplexe Konjugation eine ∗ -Involution f¨ ur das Weylgeordnete Sternprodukt f ⋆Weyl g = g ⋆Weyl f . (5.72) Beweis. Dies folgt direkt aus (5.30) und der Definition von ⋆κ . Wir geben jedoch noch einen alternativen Beweis, der ohne die Verwendung von ̺κ auskommt, also intrinsischer“ ist. F¨ ur die komplexe Konjugation C : f → f gilt ” offenbar C ◦ μ = μ ◦ (C ⊗ C). Mit Hilfe des kanonischen Flips
Ê
Ê
Ê
Ê
τ : Pol(T ∗ ) ⊗ Pol(T ∗ ) ∋ f ⊗ g → g ⊗ f ∈ Pol(T ∗ ) ⊗ Pol(T ∗ ) (5.73) aus Aufgabe 1.8 sieht man, daß P = τ ◦ P∗ ◦ τ
und
P ∗ = τ ◦ P ◦ τ,
da τ 2 = id. Weiter gilt μ ◦ τ = μ, da μ kommutativ ist. Schließlich sind die Operatoren P und P ∗ reell in dem Sinne, daß (C ⊗ C) ◦ P = P ◦ (C ⊗ C)
und (C ⊗ C) ◦ P ∗ = P ∗ ◦ (C ⊗ C).
Damit rechnen wir nach, daß ∗
f ⋆κ g = C ◦ μ ◦ eiκP −i(1−κ)P (f ⊗ g)
∗
= μ ◦ τ ◦ (C ⊗ C) ◦ eiκP −i(1−κ)P (f ⊗ g)
5.2 Kanonische Quantisierung f¨ ur polynomiale Funktionen
311
∗
= μ ◦ τ ◦ e−iκP +i(1−κ)P ◦ (C ⊗ C)(f ⊗ g)
= μ ◦ e−iκP = μ◦e
∗
+i(1−κ)P
∗
−iκP +i(1−κ)P
= g ⋆1−κ f .
◦ τ (f ⊗ g)
(g ⊗ f )
⊓ ⊔
Damit ist die Proposition bewiesen, da ⋆Weyl = ⋆ 21 .
Insbesondere ist ⋆Weyl also das einzige κ-geordnete Sternprodukt, f¨ ur welches die komplexe Konjugation eine ∗ -Involution ist. Als n¨ achstes f¨ uhren wir die gleiche Analyse f¨ ur die κ ˜ -geordneten Darstellungen ̺κ˜ durch, um dort ebenfalls Sternprodukte zu erhalten. Die κ ˜geordneten Darstellungen sind jedoch nicht mehr auf ganz Pol(T ∗ n ) definiert, sondern zun¨ achst nur auf den Polynomen in p und q, beziehungsweise den Polynomen in z und z. Trotzdem ist das Bild von ̺κ˜ abgeschlossen unter der Operatormultiplikation und ̺κ˜ ist sicherlich injektiv. Daher k¨onnen wir zumindest f¨ ur die Polynome Pol( 2n ) neue Produkte ⋆κ˜ analog zu ⋆κ definieren.
Ê
Ê
Definition 5.2.20 (˜ κ-Geordnetes Sternprodukt). Das durch f ⋆κ˜ g = ̺κ˜ −1 (̺κ˜ (f ) ̺κ˜ (g))
(5.74)
Ê
˜ -geordnetes Sternprodukt. Insbesondefinierte Produkt f¨ ur Pol( 2n ) heißt κ dere heißt ⋆κ˜=0 = ⋆Wick das Wick-geordnete Sternprodukt oder auch WickSternprodukt und ⋆κ˜=1 = ⋆Wick das anti-Wick-geordnete Sternprodukt oder auch Anti-Wick-Sternprodukt. Daß ⋆κ˜ tats¨ achlich wohl-definiert ist, haben wir oben bereits diskutiert. Es liefert wieder ein assoziatives Produkt f¨ ur Pol( 2n ). Um eine analoge Diskussion wie f¨ ur ⋆κ durchf¨ uhren zu k¨ onnen, betrachten wir die linearen Abbildungen
Ê
Ê2n) ⊗ Pol(Ê2n ) −→ Pol(Ê2n) ⊗ Pol(Ê2n ),
Q, Q : Pol(
(5.75)
welche wir durch Q=
∂ ∂ ⊗ k k ∂z ∂z k
und Q =
∂ ∂ ⊗ k k ∂z ∂z k
(5.76)
definieren. Damit erh¨ alt man analog zu den Propositionen 5.2.17, 5.2.18 sowie 5.2.19 folgende Resultate: Proposition 5.2.21. F¨ ur das Wick-geordnete Sternprodukt ⋆Wick gilt explizit f ⋆Wick g =
∞ (2)r r=0
und f¨ ur ⋆κ˜ gilt
r!
k1 ,...,kr
∂z k1
∂rf ∂rg , k k · · · ∂z r ∂z 1 · · · ∂z kr
(5.77)
312
5 Quantisierung: Erste Schritte
f ⋆κ˜ g = S κ˜ −1 S 1−˜κ f ⋆Wick S 1−˜κ g
(5.78)
˜ wie in (5.49). Explizit gilt mit S = exp(∆)
f ⋆κ˜ g = μ ◦ e(˜κ+1)Q+(˜κ−1)Q (f ⊗ g).
(5.79)
f ⋆κ˜ g = g ⋆κ˜ f
(5.80)
Es gilt und
2 (Q − Q), (5.81) i mit dem Weyl-geordneten Sternprodukt u ¨bereinstimmt. P − P∗ =
womit ⋆κ˜ =0 = ⋆Weyl
Beweis. Die Rechnungen verlaufen v¨ ollig analog zum κ-geordneten Fall. Wir zeigen zun¨ achst (5.77), wobei wir wieder n = 1 annehmen d¨ urfen und die Gleichung f¨ ur Monome zeigen. Sei also f (z, z) = z k z ℓ und g(z, z) = z r z s . Es gilt ∂k s ∂r z ∂z k ∂z r k k ℓ ∂ t z s ∂ k+r−t k+r z = (2) t ∂z t ∂z k+r−t t=0
̺Wick (f ) ̺Wick (g) = (2)k+r z ℓ
min(k,s)
k s! ∂ k+r−t z ℓ+s−t k+r−t = (2) t (s − t)! ∂z t=0 ⎞ ⎛ min(k,s) (2)t ∂ t z k ∂ t z s zr t ⎠ = ̺Wick ⎝ zℓ t t! ∂z ∂z t=0 ∞ (2)t ∂ t f ∂ t g . = ̺Wick t! ∂z t ∂z t t=0 k+r
Da ̺Wick injektiv ist, folgt somit (5.77). Man beachte, daß die vermeintlich unendliche Reihe abbricht, da f und g polynomial sind. Nach Definition gilt ̺κ˜ (f ) = ̺Wick (S 1−˜κ f ), womit (5.78) unmittelbar klar ist. F¨ ur ∆˜ rechnet man nach, daß ˜ ⊗ id +Q + Q + id ⊗∆ ˜ , ∆˜ ◦ μ = μ ◦ ∆
analog zu (5.62). Entsprechend gilt
˜
˜
S κ˜ ◦ μ = μ ◦ eκ˜(∆⊗id +Q+Q+id ⊗∆)
f¨ ur alle κ ˜∈
Ê. Weiter gilt f¨ur ⋆
Wick
nach (5.77) gerade
f ⋆Wick g = μ ◦ e2Q (f ⊗ g),
5.2 Kanonische Quantisierung f¨ ur polynomiale Funktionen
313
und somit folgt (5.79) durch eine analoge Rechnung wie f¨ ur ⋆κ , da wieder alle ˜ vertauschen. Schließlich folgt beteiligten Operatoren ∆˜ ⊗ id, Q, Q und id ⊗∆ f¨ ur die komplexe Konjugation C (C ⊗ C) ◦ Q = Q ◦ (C ⊗ C) und τ ◦ Q = Q ◦ τ. Damit zeigt man (5.80) durch eine analoge Rechnung wie f¨ ur ⋆κ . Die Gleichheit von P − P ∗ und 2i (Q − Q) ist mit Hilfe der Definition (3.146) von ∂z∂ k und ∂ elementar nachzupr¨ ufen. Damit ist aber mit der expliziten Formel (5.79) ∂z k offensichtlich, daß ⋆κ˜ f¨ ur κ ˜ = 0 das Weyl-geordnete Produkt ⋆Weyl ist. ⊓ ⊔ Bemerkung 5.2.22. Die Gleichung (5.81) kann man nun noch auf andere Weise interpretieren. Die kanonische Poisson-Klammer auf 2n kann man als
Ê
{f, g} = μ ◦ (P − P ∗ )(f ⊗ g) =
2 μ ◦ (Q − Q)(f ⊗ g) i
(5.82)
schreiben. Ausgeschrieben bedeutet dies gerade die Form (1.36) beziehungsweise (3.175). Das Weyl-geordnete Sternprodukt ⋆Weyl erh¨alt man also durch Exponenzieren“ der Poisson-Klammer. ” Bemerkung 5.2.23. Ausgehend vom Weyl-geordneten Sternprodukt ⋆Weyl , also κ ˜ = 0, liest sich die Beziehung (5.78) folgendermaßen
(5.83) f ⋆κ˜ g = S κ˜ S −˜κ f ⋆Weyl S −˜κ g ,
womit insbesondere
f ⋆Wick g = S(S −1 f ⋆Weyl S −1 g).
(5.84)
Abschließend wollen wir nun die Gemeinsamkeiten der Produkte ⋆κ und ahlen. Dies wird sp¨ ater die allgemeine Definition f¨ ur ein Sternprodukt ⋆κ˜ aufz¨ motivieren. Es gilt folgender Satz: Satz 5.2.24. Die Sternprodukte ⋆κ beziehungsweise ⋆κ˜ haben, jeweils auf Pol(T ∗ n ) beziehungsweise Pol( 2n ), folgende Eigenschaften: Es gilt
Ê
Ê
f ⋆g =
∞ r=0
mit bilinearen Abbildungen Cr , so daß: i.) ii.) iii.) iv.)
⋆ ist ein assoziatives Produkt. C0 (f, g) = f g. C1 (f, g) − C1 (g, f ) = i{f, g}. 1 ⋆ f = f = f ⋆ 1.
r Cr (f, g)
(5.85)
314
5 Quantisierung: Erste Schritte
v.) Cr ist ein Bidifferentialoperator der Ordnung r in jedem Argument. F¨ ur die κ ˜ -geordneten Sternprodukte gilt zudem vi.) f ⋆κ˜ g = g ⋆κ˜ f . Beweis. Die Assoziativit¨ at der Sternprodukte ist nach Konstruktion trivialerweise gegeben, da sie als isomorph zum assoziativen Operatorprodukt bestimmter (Differential-) Operatoralgebren definiert wurden. Wir werden jedoch in Abschnitt 6.2.4 einen von der Darstellung unabh¨angigen, intrinsi” ¨ schen“ Beweis f¨ uhren. Man kann (und sollte als Ubung) die Assoziativit¨at auch anhand der expliziten Formeln (5.56), (5.69), (5.70) und (5.77) durch eine elementare aber l¨ angere Rechnung nachpr¨ ufen. Die u ¨ brigen Behauptungen sind mit Hilfe der expliziten Formeln leicht zu sehen. ⊓ ⊔ Bemerkung 5.2.25 (Assoziativit¨atsbedingung). Die Assoziativit¨at gilt Ordnung f¨ ur Ordnung in . Man kann somit direkt zeigen, daß (f ⋆g)⋆h = f ⋆(g⋆h) aquivalent zu den Bedingungen ¨ k r=0
Æ
Cr (Ck−r (f, g), h) =
k
Cr (f, Ck−r (g, h))
(5.86)
r=0
ist, wobei k ∈ 0 . Der Fall k = 0 liefert gerade die Assoziativit¨at des punktweisen Produkts. Die Sternprodukte sind offenbar nicht kommutativ. Bemerkung 5.2.26 (Klassischer Limes und Korrespondenzprinzip). Der klassische Limes = 0 liefert offenbar die gew¨ unschte klassische Produktstruktur. Somit findet unser gew¨ unschtes Korrespondenzprinzip in ii.) und iii.) seine Umsetzung. Man beachte, daß im Kommutator f ⋆ g − g ⋆ f die h¨oheren Ordnungen als die erste in im allgemeinen von Null verschieden sind. Nach Proposition 5.2.6 ist dies auch nicht anders m¨oglich. Den klassischen Limes −→ 0“ sollte man jedoch nach wie vor mit Vorsicht genießen, da die Ent” ” wicklung“ nach Potenzen von in (5.85) ja nicht die Entwicklung nach einem dimensionslosen Parameter ist, von welchem es sinnvoll w¨are zu sagen, er sei klein“. Vielmehr ist (5.85) eine Entwicklung“ nach den (dimensionsbehafte” ” ten!) Ableitungsordnungen der Bidifferentialoperatoren Cr . Das Sternprodukt ⋆ ist insgesamt dimensionslos, wie man aus v.) ersieht. Wir werden diesen Gedanken in Abschnitt 5.3.3 nochmals aufgreifen.
5.3 Symbolkalku ¨l fu ¨ r Pseudodifferentialoperatoren In diesem Abschnitt wollen wir uns der Frage zuwenden, ob und gegebenfalls wie die κ-geordnete Darstellung und das κ-geordnete Sternprodukt ⋆κ auf eine gr¨ oßere Funktionenklasse als Pol(T ∗ n ) ausgedehnt werden kann. Der naive Versuch, dies mittels der Gleichungen (5.14) und (5.29) beziehungsweise (5.65) zu tun, involviert die alles andere als triviale Frage nach geeigneten
Ê
5.3 Symbolkalk¨ ul f¨ ur Pseudodifferentialoperatoren
315
Konvergenzbedingungen der Reihen in , da diese ja nur f¨ ur den Fall von in den Impulsen polynomialen Funktionen trivialerweise konvergieren. Wir werden daher einen anderen Zugang mittels Integralformeln f¨ ur die Darstellungen und die Produkte w¨ ahlen und zeigen, wie diese mit den bisherigen Formeln zusammenh¨ angen. 5.3.1 Integralformeln und Pseudodifferentialoperatoren Im folgenden werden wir uns der in der Theorie der Distributionen u ¨blichen Notation anpassen und daher die folgende Multiindexschreibweise verwenden:
Æ
Bemerkung 5.3.1 (Multiindexschreibweise). Sei n ∈ fest. Dann bezeichnen wir mit K = (k1 , . . . , kn ) ∈ n0 einen Multiindex der L¨ange n und definieren
Æ
|K| = k1 + · · · + kn
sowie K! = k1 ! · · · kn !.
(5.87)
ur alle i = 1, . . . , n. Ist L ≤ K, so Wir schreiben L ≤ K, falls ℓi ≤ ki f¨ definieren wir K k1 kn K! = = ··· . (5.88) L L!(K − L)! ℓ1 ℓn
Weiter verwenden wir gelegentlich die Abk¨ urzung
f¨ ur x ∈
xK = (x1 )k1 · · · (xn )kn
Ên und setzen DK =
∂ |K| ∂ |K| . = n k · · · ∂(x ) n ∂xK
∂(x1 )k1
(5.89)
(5.90)
In dieser Schreibweise schreibt sich beispielsweise die Leibniz-Regel f¨ ur mehrfache Ableitungen als K DK (f g) = (5.91) DL f DK−L g. L 0≤L≤K
Wir erinnern nun an einige elementare Resultate der Distributionentheorie und der Fourier-Theorie: Definition 5.3.2 (Schwartz-Funktionen und Schwartz-Raum). Der Raum S ( n ) der Schwartz-Funktionen (schnell abfallende Testfunktionen) ist durch
Ê
Ên) = {f ∈ C ∞(Ên) | rm,ℓ (f ) < ∞ f¨ur m, ℓ ∈ Æ0}
S(
(5.92)
definiert, wobei rm,ℓ (f ) =
sup
x∈
Ê
2 (1 + x )m/2 (DL f )(x) ,
n ,|L|≤ℓ
und die Norm · die Euklidische Norm auf
Ên ist.
(5.93)
316
5 Quantisierung: Erste Schritte
Der Raum der Schwartz-Funktionen wird, versehen mit den Halbnormen rm,ℓ f¨ ur m, ℓ ∈ 0 , zu einem der wichtigsten Testfunktionenr¨aume der Distributionentheorie und insbesondere der Theorie der Fourier-Transformation.
Æ
Satz 5.3.3 (Schwartz-Funktionen und Fourier-Transformation).
Ê
i.) Die Schwartz-Funktionen S ( n ) bilden bez¨ uglich des Halbnormensystem {rm,ℓ }m,ℓ∈Æ0 einen Fr´echet-Raum und C0∞ ( n ) ist ein dichter Teilraum von S ( n ). ii.) Die Orts- und Impulsoperatoren Qk , Pℓ bilden S ( n ) stetig in sich ab. iii.) Die Fourier-Transformation F : f → fˆ mit e−iξ·x f (x)dn x (5.94) fˆ(ξ) =
Ê
Ê
Ê
Ê
n
ist eine stetige bijektive Abbildung
Ên) −→ S (Ên)
F : S(
(5.95)
mit stetigem Inversen 1 f (x) = (2π)n
Ê
eiξ·x fˆ(ξ)dn ξ.
(5.96)
n
Es gilt
Ê
∂ fˆ k f (ξ) = i (ξ) x4 ∂ξk
und
4 ∂f (ξ) = iξℓ fˆ(ξ). ∂xℓ
(5.97)
iv.) Ist a ∈ C ∞ ( n ) eine glatte Funktion mit polynomial beschr¨ankten Ableitungen, existiert also f¨ ur alle ℓ ∈ 0 ein m ∈ 0 , so daß 1
sup
x∈
Æ
Ê
(1 +
n ,|K|≤ℓ
x2 )m/2
so ist die lineare Abbildung
Æ
K (D a)(x) < ∞,
Ên ) ∋ f → af ∈ S (Ên)
S(
stetig. v.) Das algebraische Tensorprodukt S ( Teilraum des Schwartz-Raums S (
(5.98)
(5.99)
n Ên+m ) ⊗ S (Êm ) l¨aßt sich kanonisch als Ê ) auf fassen, indem man (f ⊗ g)(x, y) = f (x)g(y) mit (x, y) ∈ Ên+m (5.100) f¨ ur f ∈ S (Ên ) und g ∈ S (Êm ) setzt. Die bilineare Abbildung (5.101) ⊗ : S (Ên ) × S (Êm ) −→ S (Ên+m ) ist stetig und das Bild liegt dicht in S (Ên+m ).
5.3 Symbolkalk¨ ul f¨ ur Pseudodifferentialoperatoren
Ê Ê
317
Ê
vi.) Die kanonische Wirkung von GLn ( ) ⋉ n auf n durch affine Transformationen liefert eine stetige Darstellung durch pull-backs
Ê Ên) × S (Ên) −→ S (Ên). (5.102) Insbesondere ist die Definition von S (Ên ) vom gew¨ahlten Ursprung, dem Skalarprodukt und der gew¨ahlten Basis unabh¨angig, h¨angt also nur von der affinen Struktur von Ên ab. vii.) Ist ι : Ên −→ Êm ein affiner Unterraum, so ist der pull-back ι∗ : S (Êm ) −→ S (Ên ) (5.103) (GLn ( ) ⋉
stetig und surjektiv. Zusammen mit v.) folgt, daß die Multiplikation
Ên) × S (Ên) ∋ (f, g) → f g ∈ S (Ên )
S(
(5.104)
stetig ist. Weiter ist die komplexe Konjugation (5.105) Ên) ∋ f → f ∈ S (Ên) eine stetige Involution, womit S (Ên ) zu einer Fr´echet-∗ -Algebra wird. viii.) Die kanonische Poisson-Klammer auf Ê2n ist eine stetige Abbildung (5.106) {·, ·} : S (Ê2n ) × S (Ê2n ) −→ S (Ê2n ), womit S (Ê2n ) eine Fr´echet-Poisson-Algebra wird. S(
Beweise zu diesen Behauptungen sowie eine weiterf¨ uhrende Diskussion finden sich beispielsweise in [32, 173, 280]. Bemerkung 5.3.4. Auch wenn wir diesen Satz hier nicht beweisen werden, so sollen doch einige Anmerkungen gemacht werden. i.) F¨ ur die Fourier-Transformation gibt es unterschiedliche Konventionen, was die Vorfaktoren und Skalierungen betrifft. Gebr¨auchlich ist beispielsweise auch die physikalischere“ Konvention ” i 1 (F f ) (p) = e− p·x f (x)dn x (5.107) (2π)n/2 Ên
−1 1 i F f (x) = (5.108) e p·x f (p)dn p. n/2 (2π) Ên
Die Aussagen des Satzes gelten dann sinngem¨aß weiter. ii.) Durch Kombination der Teile ii.) und iv.) von Satz 5.3.3 folgt, daß auch Differentialoperatoren mit Koeffizientenfunktionen, deren Ableitungen polynomial beschr¨ ankt sind, den Schwartz-Raum stetig in sich abbilden.
318
5 Quantisierung: Erste Schritte
iii.) Die Stetigkeit der komplexen Konjugation ist offensichtlich, da rm,ℓ (f ) = rm,ℓ (f ). Die Stetigkeit der Multiplikation folgt aus Teil v.) und vii.) des Satzes 5.3.3, da (5.109) f g = ∆∗ (f ⊗ g),
Ê
Ê
wobei ∆ : n −→ 2n die Einbettung als Diagonale ist und damit die Multiplikation als Verkettung stetiger Abbildungen geschrieben werden kann. Alternativ kann man dies auch direkt mit den Halbnormen rm,ℓ verifizieren. Eine Fr´echet-Algebra ist entsprechend eine assoziative Algebra A, so daß der zugrundeliegende Vektorraum ein Fr´echet-Raum und die Multiplikation stetig ist. Die Stetigkeit der Poisson-Klammer folgt aus der Stetigkeit von Differentialoperatoren mit konstanten Koeffizienten sowie aus der Stetigkeit des Produkts. iv.) Zwar ist der Schwartz-Raum nach Teil vi.) intrinsisch auf jedem endlichdimensionalen reellen affinen Raum definiert, jedoch ist die Definition nicht invariant unter beliebigen Diffeomorphismen. Aus diesem Grunde steht uns ein Analogon von S ( n ) nicht mehr zur Verf¨ ugung, sobald wir allgemeinere Mannigfaltigkeiten als Phasenr¨aume betrachten wollen.
Ê
Die einfachste Integralformel f¨ ur ̺Std sowie f¨ ur die κ-geordnete Darstelalt man, indem man anstelle des Definitionsbereichs C0∞ ( n ) die lung ̺κ erh¨ Schwartz-Funktionen S ( n ) ⊆ L2 ( n , dn x) verwendet und nur klassische Observablen f ∈ S ( 2n ) betrachtet. W¨ ahrend die erste Modifikation eine willkommene Vergr¨ oßerung des Definitionsbereichs der Operatoren darstellt, ist die Wahl der Poisson-Algebra S ( 2n ) anstelle von Pol(T ∗ n ) physikalisch schwerer zu rechtfertigen. Alle physikalisch relevanten Observablen zeigen ja typischerweise ein unbeschr¨ anktes Verhalten und sind daher sicherlich nicht ankung gilt es also in einem zweiten Schritt wieder in S ( 2n ). Diese Beschr¨ aufzuheben, was sich auch als m¨ oglich erweisen wird. Trotzdem ist es zun¨achst bequem, mit S ( 2n ) zu arbeiten.
Ê
Ê
Ê
Ê
Ê
Ê
Ê
Ê
Ê
Ê
Proposition 5.3.5. Sei f ∈ S ( 2n ) und ψ ∈ S ( n ). Dann definiert i 1 (OpStd (f )ψ)(q) = e− p·v f (q, p)ψ(q + v)dn vdn p (5.110) (2π)n
Ên). Die Abbildung
eine Funktion OpStd (f )ψ ∈ S (
Ê2n ) × S (Ên) ∋ (f, ψ) → Op
S(
Std
Ên)
(f )ψ ∈ S (
(5.111)
ist stetig. Beweis. Die Abbildung (5.111) besteht aus einer Kombination von Multiplikationen, pull-backs mit Translationen und Fourier-Transformationen. Daher folgt die Stetigkeit aus Satz 5.3.3. Es ist aber auch nicht schwer, die entsprechenden Absch¨ atzungen von rmℓ (OpStd (f )ψ) durch geeignete Halbnormen ⊓ ⊔ rm′ ,ℓ′ (f ) und rm′′ ,ℓ′′ (ψ) anzugeben.
5.3 Symbolkalk¨ ul f¨ ur Pseudodifferentialoperatoren
319
Wir k¨ onnen wieder eine κ-Ordnung definieren, indem wir eine Integralformel f¨ ur den Operator Nκ angeben. F¨ ur f ∈ S ( 2n ) und κ ∈ definieren wir i ′ 1 (Nκ f )(q, p) = e− p ·v f (q + κv, p + p′ )dn p′ dn v (5.112) (2π)n
Ê
Ê
und entsprechend Opκ (f ) = OpStd (Nκ f ).
(5.113)
Ê2n) wohl-definiert
Es zeigt sich, daß der Operator Nκ und somit Opκ auf S ( ist:
Ê
Ê2n ) −→ S (Ê2n) eine bi-
Proposition 5.3.6. F¨ ur alle κ ∈ ist Nκ : S ( jektive stetige lineare Abbildung, und es gilt N0 = idS (Ê2n )
sowie
Nκ ◦ Nκ′ = Nκ+κ′ .
(5.114)
Entsprechend ist Opκ wohl-definiert und besitzt die selben Stetigkeitseigenschaften wie OpStd = Op0 . Explizit gilt i 1 (5.115) (Opκ (f )ψ)(q) = e− p·v f (q + κv, p)ψ(q + v)dn vdn p (2π)n
Ê2n) und ψ ∈ S (Ên). Daß Nκ f ∈ S (Ê2n ) und daß Nκ stetig ist, folgt wieder aus Satz 5.3.3,
f¨ ur f ∈ S (
Beweis. indem man Nκ als geeignete Hintereinanderausf¨ uhrung von Multiplikationen mit Phasen und Fourier-Transformationen schreibt: Es gilt n¨amlich folgende Formel f¨ ur κ = 0 ′ ′ i 1 (5.116) e− κ (p −p)·(q −q) f (q ′ , p′ )dn q ′ dn p′ , (Nκ f )(q, p) = n (2π|κ|) welche man unmittelbar durch die Substitution q ′ = q + κv und p′′ = p + p′ und anschließende Umbenennung p′′ ; p′ erh¨ alt. Damit ist Nκ eine skalierte Fourier-Transformation mit anschließender Multiplikation mit einer Phase. F¨ ur κ = 0 gilt dagegen 1 i ′ (N0 f )(q, p) = e− p ·v f (q, p + p′ )dn p′ dn v = f (q, p) (2π)n nach den Inversionsformeln f¨ ur die Fourier-Transformation in den Variablen p und v. Dies zeigt die Stetigkeitseigenschaften. F¨ ur den zweiten Teil rechnen wir nach, daß ′ ′′ ′ i 1 (Nκ Nκ′ f )(q, p) = · · · e− (p ·v+p ·v ) 2n (2π) × f (q + κv + κ′ v ′ , p + p′ + p′′ )dn p′′ dn v ′ dn p′ dn v
320
5 Quantisierung: Erste Schritte
=
1 (2π)2n
i ˜ p)·v+( ˆ p− ˜ p)·v ˆ ′) · · · e− 2 ((p+
1 × f (q + κv + κ′ v ′ , p + p˜) n dn p˜dn pˆdn vdn v ′ 2 i 1 2p·v ˜ − 2 f (q + (κ + κ′ )v, p + p˜)dn p˜dn v e = (2π)n = (Nκ+κ′ f )(q, p), wobei wir die Variablensubstitution p˜ = p′ + p′′ und pˆ = p′ − p′′ verwendet haben, um dann die Fourier-Inversionsformeln f¨ ur das Variablenpaar pˆ und v ′′ anzuwenden. Damit folgt (5.114). Schließlich zeigen wir (5.115) durch Nachrechnen, denn mit der gleichen Argumentation folgt ′ ′ i 1 · · · e− (p·v−p ·v ) f (q + κv ′ , p + p′ ) (Opκ (f )ψ)(q) = (2π)2n × ψ(q + v)dn p′ dn v ′ dn pdn v i 1 ˜ p)·v+( ˆ p− ˜ p)·v ˆ ′) f (q + κv ′ , p˜) = · · · e− 2 ((p+ 2n (2π) 1 × ψ(q + v) n dn p˜dn pˆdn vdn v ′ 2 1 i ˜ e− 2 2p·v = f (q + κv, p˜)ψ(q + v)dn p˜dn v, n (2π) ⊓ ⊔
womit auch (5.115) gezeigt ist. Den Fall κ =
1 2
bezeichnen wir wieder als Weyl-Ordnung 1 1 − i p·v f q + v, p ψ(q +v)dn vdn p. (5.117) (OpWeyl (f )ψ)(q) = e (2π)n 2 Bemerkung 5.3.7. In der Literatur sind verschiedene Integralformeln f¨ ur die Weyl-Ordnung gebr¨ auchlich, welche sich jedoch nur durch Variablensubstitutionen von (5.117) unterscheiden. Die hier gezeigte ist f¨ ur die geometrische Verallgemeinerung auf beliebige Kotangentenb¨ undeln die geeignetste, siehe [42]. Wir werden diesen Aspekt hier jedoch nicht weiter verfolgen. Wir wollen nun die Formeln f¨ ur OpStd , OpWeyl und allgemein f¨ ur Opκ f¨ ur klassische Observablen f nutzen, welche nicht notwendigerweise in S ( 2n ) liegen. Insbesondere sollte die neue Funktionenklasse eine Poisson-Algebra sein und Pol(T ∗ n ) umfassen, so daß wir damit auch in der Lage sind, die Integralformeln mit den bereits diskutierten Formeln f¨ ur ̺Std , ̺Weyl und ̺κ zu vergleichen. Die folgende Definition von H¨ ormander-Symbolen, welche wir in zwei Varianten aussprechen wollen, leistet genau das Gew¨ unschte. Wir verweisen f¨ ur weitere Details auf [147, 172, 296].
Ê
Ê
Definition 5.3.8 (H¨ ormander-Symbole). Sei m ∈
Ê.
5.3 Symbolkalk¨ ul f¨ ur Pseudodifferentialoperatoren
321
Ê
i.) Eine Funktion f ∈ C ∞ ( 2n ) heißt (globales) Symbol der Ordnung m, falls es f¨ ur alle Multiindizes L, M Konstanten CL,M gibt, so daß L M (Dq Dp f )(q, p) ≤ CL,M (1 + p)m−|M| , (5.118)
Ê Ê Ê Ê
f¨ ur alle (q, p) ∈ 2n . Die Menge der globalen Symbole der 5 Ordnung m wird mitSm ( n × n ) bezeichnet, und man setzt S−∞ = m∈Ê Sm sowie S+∞ = m∈Ê Sm . ii.) Sei nun U ⊆ n offen. Dann heißt f ∈ C ∞ (U × n ) (lokales) Symbol der Ordnung m, falls f¨ ur alle χ ∈ C0∞ (U ) die Funktion (q, p) → χ(q)f (q, p) ein globales Symbol der Ordnung m ist. Die Menge der lokalen Symbole (U × 5n ) oder einfach mit Sm(U × n ) der Ordnung m wird mit Sm loc −∞ +∞ bezeichnet. Man setzt wieder Sloc = m∈Ê Sm = m∈Ê Sm loc sowie Sloc loc .
Ê
Ê
Ê
Bemerkung 5.3.9 (H¨ormander-Symbole).
i.) Die Bedingung (5.118) versucht das Verhalten von polynomialen Funktionen in p bez¨ uglich Ableitungen und des Verhaltens f¨ ur p −→ ∞ nachzubilden. Man beachte, daß f ∈ Sm ( n ) in den Ortsraumvariablen q (U × n ) gilt dies hingegen nicht notwendigerbeschr¨ ankt ist, f¨ ur f ∈ Sm loc weise. ii.) Die Wahl der besten“ (also kleinsten) Konstanten CL,M in (5.118) defi” niert ein System von Halbnormen, welches Sm ( n × n ) zu einem Fr´echetRaum macht. Insbesondere ist Sm ein Vektorraum f¨ ur alle m. aßt sich a¨quivalent so formulieren, daß (U × n ) l¨ iii.) Die Bedingung f ∈ Sm loc es f¨ ur jedes Kompaktum K ⊆ U und alle Multiindizes M , L Konstanten CK,L,M gibt, so daß L M (Dq Dp f )(q, p) ≤ CK,L,M (1 + p)m−|M| (5.119)
Ê
Ê
Ê Ê
Ê
Ê
f¨ ur alle (q, p) ∈ K × n . Die Wahl der besten Konstanten CK,L,M macht n Sm ) ebenfalls zu einem Fr´echet-Raum, da insbesondere abz¨ahlbar loc (U × ugen, um U auszusch¨opfen. viele Kompakta Kn gen¨ iv.) Die Bedingungen an die Impulse (5.118) beziehungsweise (5.119) h¨angt in sofern nicht von der verwendeten Norm · ab, als sich zwar die numerischen Werte der Konstanten CL,M beziehungsweise CK,L,M ¨andern, die resultierende Fr´echet-Topologie jedoch von dieser Wahl unabh¨angig ist. ′ n v.) Es ist klar, daß Sm ( n × n ) ⊆ Sm ( n × n ) ebenso wie Sm )⊆ loc (U × n ′ m′ ) f¨ ur m ≤ m . Sloc (U ×
Ê
Ê
Ê Ê
Ê Ê
Ê
Daß wir mit den Symbolen die richtigen Kandidaten gefunden haben, die in den Impulsen polynomialen Funktionen zu verallgemeinern, zeigt folgende einfache Proposition: Proposition 5.3.10. Die Symbole haben folgende Eigenschaften:
Ê Ê
′
Ên × Ên) gilt f g ∈ Sm+m (Ên × Ên)
i.) F¨ ur f ∈ Sm ( n × n ) und g ∈ Sm ( sowie DqL DpM f ∈ Sm−|M| ( n × n ).
Ê
Ê
′
322
5 Quantisierung: Erste Schritte
Ê
Ê
ii.) F¨ ur m ≤ 0 ist Sm ( n × n ) eine Fr´echet-Poisson-Algebra bez¨ uglich der kanonischen Poisson-Klammer auf 2n . n ), und es gilt zudem iii.) Die analogen Aussagen gelten auch f¨ ur Sm loc (U × f¨ ur m ∈ 0
Æ
Polm (T ∗ U ) ⊆ Sm loc (U ×
Ên)
Ê
sowie
Ê
Pol(T ∗ U ) ⊆ S+∞ loc (U ×
Ên). (5.120)
Beweis. Die n¨ otigen Absch¨ atzungen f¨ ur den ersten Teil erh¨alt man aus der Leibniz-Regel f¨ ur mehrfache Ableitungen. Damit ist der zweite Teil ebenfalls klar. Die Aussagen lassen sich unmittelbar auf die lokalen Symbole u ¨ bertragen, indem man die entsprechenden Absch¨ atzungen auf K ⊆ U anwendet. Die Inklusionen in (5.120) sind offensichtlich. ⊓ ⊔ Die beiden folgenden S¨ atze zeigen nun, daß wir die Quantisierungsvorachlich auf Sm beziehungsweise Sm ausdehnen k¨onnen. F¨ ur schriften Opκ tats¨ Beweise verweisen wir auf [172, Chap. 18].
Ên × Ên) und ψ ∈ S (Ên). Dann definiert
Satz 5.3.11. Sei f ∈ Sm (
1 (Opκ (f )ψ) (q) = (2π)n
i
e− p·v f (q + κv, p)ψ(q + v)dn vdn p
(5.121)
Ên) und die Abbildung
eine Funktion Opκ (f )ψ ∈ S (
Ên × Ên) × S (Ên) ∋ (f, ψ) → Opκ(f )ψ ∈ S (Ên)
Sm (
ist stetig.
(5.122)
Ên × Ên) sowie ψ ∈ C0∞ (Ên). Dann ist durch
Satz 5.3.12. Sei f ∈ Sm ( loc
1 (Opκ (f )ψ) (q) = (2π)n
i
e− p·v f (q + κv, p)ψ(q + v)dn vdn p
(5.123)
Ê
eine Funktion Opκ (f )ψ ∈ C ∞ ( n ) definiert und die Abbildung Opκ (f ) : C0∞ ( n ) −→ C ∞ ( n ) ist stetig bez¨ uglich der kanonischen lokal konvexen Topologien.
Ê
Ê
Definition 5.3.13 (Pseudodifferentialoperator). Der Operator Opκ (f ) heißt κ-geordneter Pseudodifferentialoperator der Ordnung m zum Symbol f .
Ê
Ê
¨ Ublicherweise werden stetige Operatoren A : C0∞ ( n ) −→ C ∞ ( n ) als Pseudodifferentialoperatoren der Ordnung m bezeichnet, wenn es ein Sym( n × n ) gibt, so daß bol a ∈ Sm loc i 1 e− p·v a(q, p)ψ(q + v)dn vdn p (Aψ)(q) = (5.124) (2π)n
Ê
Ê
Ê
f¨ ur alle ψ ∈ C0∞ ( n ). Dies entspricht dem Fall κ = 0. Man kann nun durch eine einfache Variablensubstitution zeigen, daß auch die κ-geordneten Pseudodifferentialoperatoren Pseudodifferentialoperatoren in diesem Sinne sind. ul f¨ ur Man bezeichnet die Abbildung Opκ auch als κ-geordneten Symbolkalk¨ die Pseudodifferentialoperatoren. Die Bezeichnung Pseudodifferentialopera” tor“ wird durch folgende einfache Rechnung gerechtfertigt:
5.3 Symbolkalk¨ ul f¨ ur Pseudodifferentialoperatoren
Ê
Ên × Ên). Dann gilt f¨ur
Proposition 5.3.14. Sei f ∈ Polm (T ∗ n ) ⊆ Sm ( loc alle ψ ∈ C0∞ ( n ) Opκ (f )ψ = ̺κ (f )ψ,
Ê
323
(5.125)
womit in diesem Fall der Pseudodifferentialoperator Opκ (f ) ein Differentialoperator ist. Beweis. Es gen¨ ugt, f (q, p) = χ(q)pk und n = 1 zu betrachten. Der allgemeine Fall n ≥ 2 folgt analog. Die Funktion v → χ(q + κv)ψ(q + v) hat kompakten Tr¨ ager, ist also ein Element des Schwartz-Raums S ( ). Daher k¨ onnen wir Satz 5.3.3 anwenden und die p-Potenzen als Ableitungen vor die Fourier-Transformation schreiben. Explizit gilt mit den Inversionsformeln f¨ ur die Fourier-Transformation
Ê
(Opκ (f )ψ) (q) i 1 = e− p·v pk χ(q + κv)ψ(q + v)dvdp 2π k k i 1 ∂ = (χ(q + κv)ψ(q + v)) dvdp e− p·v 2π i ∂v k k k k ℓ ∂ ℓχ ∂ k−ℓ ψ 1 − i p·v (q + κv) (q + v)dvdp e = κ 2π i ∂q ℓ ∂q k−ℓ ℓ ℓ=0 k k k ℓ ∂ ℓ χ ∂ k−ℓ ψ = (q) k−ℓ (q) κ ℓ i ∂q ℓ ∂q ℓ=0 k (−iκ)ℓ ∂ ℓ χ ∂ ℓ (pk ) = ̺Std ψ (q) ℓ! ∂q ℓ ∂pℓ ℓ=0
= (̺Std (Nκ (f ))ψ)(q).
⊓ ⊔ Diese Proposition rechtfertigt zum einen die Bezeichnung κ-geordneter Pseudodifferentialoperator, zum anderen liefert sie die gesuchte Erweiterung der κ-Ordnungsvorschrift ̺κ auf eine gr¨ oßere Funktionenklasse als Pol(T ∗ n ), ∞ n n n¨ amlich auf Sloc ( × ). Gerade im Hinblick auf die Anwendungen in der Quantenmechanik schließen wir die Diskussion der Pseudodifferentialoperatoren mit einigen Bemerkungen zu ihrem Verhalten bez¨ uglich des L2 -Skalarprodukts. Wir betrachten m n n dazu Symbole in S ( × ), da wir das Wachstumsverhalten in Ortsrichtung ebenfalls kontrollieren m¨ ussen.
Ê
Ê
Ê
Ê
Ê
Ên × Ên) und ψ, φ ∈ S (Ên). Dann gilt
Lemma 5.3.15. Sei f ∈ Sm (
% & φ, Opκ (f )ψ = Op1-κ (f )φ, ψ .
(5.126)
324
5 Quantisierung: Erste Schritte
Ê
Beweis. Da Opκ (f )ψ, Opκ (f )φ ∈ S ( n ) gilt, ist in beiden F¨allen das L2 Skalarprodukt mit φ beziehungsweise ψ wohl-definiert. Wir rechnen nach, daß φ, Opκ (f )ψ 1 i = φ(q) e− p·v f (q + κv, p)ψ(q + v)dn vdn pdn q n (2π) 1 i = e− p·v φ(q ′ − v)f (q ′ − v + κv, p)ψ(q ′ )dn vdn pdn q ′ n (2π) i 1 e+ p·v φ(q + v)f (q + v − κv, p)ψ(q)dn vdn pdn q = (2π)n % & = Op1-κ (f )φ, ψ ,
wobei wir eine einfache Variablensubstitution q ′ = q + v f¨ ur festes v vorgenommen haben und anschließend v durch −v ersetzt haben. ⊓ ⊔
Ê
Ê
Da S ( n ) ⊆ L2 ( n , dn q) ein dichter Teilraum des Hilbert-Raumes der quadratintegrablen Funktionen ist, stellt sich die Frage, welche der Operatoren Opκ (f ) sich zu beschr¨ankten Operatoren auf L2 ( n , dn q) ausdehnen lassen. Hier gibt es folgendes nichttriviale Resultat:
Ê
Ê Ê
Ê
Ê
Satz 5.3.16. Sei f ∈ S0 ( n × n ). Dann ist Opκ (f ) : S ( n ) −→ S ( n ) im L2 -Sinne beschr¨ankt und besitzt daher eine eindeutige Fortsetzung als stetiger Operator auf L2 ( n , dn q).
Ê
Einen Beweis findet man (f¨ ur κ = 0) in [172, Thm. 18.1.11]. Der Fall κ = 0 verl¨ auft analog. Wir bezeichnen die Fortsetzung von Opκ (f ) auf L2 ( n , dn q) ebenfalls mit Opκ (f ). Ist das Symbol f sogar eine Schwartz-Funktion, so l¨aßt sich der Operator Opκ (f ) weiter charakterisieren:
Ê
Ê2n). Dann ist Opκ(f ) ein Spurklasseoperator und
Satz 5.3.17. Sei f ∈ S ( es gilt
tr(Opκ (f )) =
1 (2π)n
f (q, p)dn qdn p.
(5.127)
Ê Ê
Der Satz gilt auch noch f¨ ur Symbole f ∈ Sm ( n × n ) mit m < −n, f¨ ur welche auch die Ortsabh¨ angigkeit schneller abfallend als |q|n ist, so daß das Integral (5.127) existiert. Dies bedeutet gerade die Integrabilit¨at von f bez¨ uglich des Liouville-Maßes auf dem Phasenraum. F¨ ur einen Beweis verweisen wir erneut auf [172]. 5.3.2 Integralformeln f¨ ur die Sternprodukte Die Beziehung von ̺κ und Opκ nach Proposition 5.3.14 legt nahe, f¨ ur die Sternprodukte ⋆κ analog zu verfahren und das Operatorprodukt mittels Opκ n zur¨ uckzuziehen, um ein neues Sternprodukt f¨ ur S∞ × n ) zu erhalten. Dies loc (
Ê Ê
5.3 Symbolkalk¨ ul f¨ ur Pseudodifferentialoperatoren
Ê
325
Ê
ist jedoch nicht mehr so leicht m¨ oglich, da Opκ (f ) f¨ ur f ∈ Sm ( n × n ) im loc ∞ n allgemeinen nur auf C0 ( ) definiert ist und ein Resultat in C ∞ ( n ) liefert. n × n ) gab es ja keine Kontrolle des Wachstums In der Definition von Sm loc ( in Ortsrichtung. Daher ist die Hintereinanderausf¨ uhrung Opκ (f ) Opκ (g) im allgemeinen nicht wohl-definiert. Wir werden uns hier also wieder auf eine kleinere Funktionenklasse als S∞ einschr¨ anken m¨ ussen. Da wir insbesondeloc re auch den Operator Nκ verwenden wollen, um zwischen den verschiedenen Ordnungsvorschriften zu wechseln, sollte die Funktionenklasse eine PoissonAlgebra sein, welche unter Anwendung von Nκ stabil ist. Um die Details so einfach wie m¨ oglich zu gestalten, w¨ ahlen wir erneut den Schwartz-Raum S ( 2n ), da hier sowohl Nκ als auch Opκ unzweifelhaft wohl-definiert sind. Die Frage nach der Ausdehnbarkeit der Integralformeln wurde in den letzten Jahren intensiv diskutiert, geht aber in ihrer endg¨ ultigen Antwort u ¨ ber den Rahmen dieser Darstellung hinaus, siehe beispielsweise [106, 164, 183, 227] f¨ ur eine Interpretation im Rahmen von lokal-konvexen Algebren. Bei Rieffel findet sich eine sehr viel allgemeinere Konstruktion in einem C ∗ -algebraischen Rahmen [216, 273]. Weiter wollen wir die Rolle der neuen Produkte in den Vordergrund stellen, so daß wir diese direkt definieren und anschließend zeigen, daß Opκ die Darstellungseigenschaft besitzt. Wir beginnen mit dem technisch einfachsten Fall der Standardordnung κ = 0.
Ê Ê Ê
Ê
Ê
Definition 5.3.18 (κ-geordnetes Sternprodukt, Integralformel). Seien f, g ∈ S ( 2n ). Dann ist das standardgeordnete Sternprodukt f ◦Std g durch ′ ′ i 1 (f ◦Std g)(q, p) = e− (q−q )·(p−p ) f (q, p′ )g(q ′ , p)dn q ′ dn p′ (5.128) (2π)n
Ê
definiert. Entsprechend definiert man das κ-geordnete Sternprodukt f ◦κ g durch (5.129) f ◦κ g = N−κ ((Nκ )f ◦Std (Nκ g)) ,
wobei der Fall κ = 12 als Weyl-geordnetes Sternprodukt ◦Weyl und der Fall κ = 1 als antistandardgeordnetes Sternprodukt ◦Std bezeichnet wird.
Die punktweise Existenz der Integrale in (5.128) ist offensichtlich, da f, g ∈ S ( 2n ). Daß ◦κ tats¨ achlich wohl-definiert ist, gilt es noch zu zeigen: Zwar sind Nκ f und Nκ g wieder in S ( 2n ), von deren standardgeordnetem Sternprodukt Nκ f ◦Std Nκ g ist es aber zun¨ achst noch zu zeigen. Dies leistet folgende Proposition:
Ê
Ê
Ê2n) gilt f ◦ g ∈ S (Ê2n) und (5.130) : S (Ê2n ) × S (Ê2n ) −→ S (Ê2n )
Proposition 5.3.19. F¨ ur f, g ∈ S ( ◦Std
Std
ist eine assoziative und stetige Multiplikation bez¨ uglich der Fr´echet-Topologie von S ( 2n ).
Ê
326
5 Quantisierung: Erste Schritte
Beweis. Wir schreiben f ◦Std g wieder als geeignete Hintereinanderausf¨ uhrung von stetigen Operationen aus Satz 5.3.3. Zun¨ achst ist die Abbildung (f, g) → (f ⊗ g)(q, p′ , q ′ , p) = f (q, p′ )g(q, p) das stetige Tensorprodukt, so daß die anschließende Multiplikation mit der Phase eine stetige Abbildung i (f, g) → (q1 , p1 , q2 , p2 ) → e− q2 ·p1 f (q1 , p1 )g(q2 , p2 )
liefert. Die Fourier-Transformation in den Variablen q2 ; p˜ und p1 ; q˜ liefert ebenfalls eine stetige Abbildung, so daß die anschließende Auswertung i auf der Diagonale q1 = q˜ und p2 = p˜ und Multiplikation mit der Phase e− q·p insgesamt eine stetige Abbildung liefert. Damit ist die Stetigkeit von (5.130) und insbesondere f ◦Std g ∈ S ( 2n ) gezeigt. Es bleibt die Assoziativit¨at zu zeigen. Seien also f, g, h ∈ S ( 2n ) gegeben, dann gilt ′ ′ ′′ ′ ′′ i i 1 · · · e− (q−q )·(p−p ) e− (q−q )·(p −p ) ((f ◦Std g) ◦Std h))(q, p) = (2π)2n × f (q, p′ )g(q ′′ , p′ )h(q ′ , p)dn q ′ dn p′ dn q ′′ dn p′′
Ê
und andererseits (f ◦Std (g ◦Std h))(q, p) =
Ê
′ ′ ′ ′′ ′′ i i 1 · · · e− (q−q )·(p−p ) e− (q −q )·(p−p ) 2n (2π) × f (q, p′ )g(q ′ , p′′ )h(q ′′ , p)dn q ′ dn p′ dn q ′′ dn p′′ .
Ausmultiplizieren der Phasen und eine Umbenennung q ′ ↔ q ′′ und p′ ↔ p′′ liefert die Assoziativit¨ at. ⊓ ⊔
Ê
Da Nκ f¨ ur alle κ eine stetige Abbildung von S ( 2n ) in sich mit stetigem Inversen N−κ ist, erh¨ alt man unmittelbar folgendes Korollar:
Ê
Ê
Korollar 5.3.20. F¨ ur alle κ ∈ ist (S ( 2n ), ◦κ ) eine Fr´echet-Algebra, welche zur Fr´echet-Algebra (S ( 2n ), ◦Std ) via Nκ isomorph ist.
Ê
In einem zweiten Schritt zeigen wir nun, daß Opκ eine Darstellung von
Ê2n) ist.
S(
Ê
Proposition 5.3.21 (κ-Geordnete Darstellung). F¨ ur f, g ∈ S ( 2n ) und n ψ ∈ S ( ) gilt Opκ (f ) Opκ (g)ψ = Opκ (f ◦κ g)ψ. (5.131)
Ê
Beweis. Wir m¨ ussen Dank (5.129) und (5.113) nur den Fall κ = 0 zeigen. Es gilt i ′ ′ i 1 (OpStd (f ) OpStd (g)ψ) (q) = · · · e− p·v e− p ·v (2π)2n × f (q, p)g(q + v, p′ )ψ(q + v + v ′ )dn pdn vdn p′ dn v ′ ′ ′ ′ i 1 = · · · e− (p·(q −q)+p ·(q−q +v)) 2n (2π)
5.3 Symbolkalk¨ ul f¨ ur Pseudodifferentialoperatoren
327
× f (q, p)g(q ′ , p′ )ψ(q + v)dn pdn vdn p′ dn q ′
= (OpStd (f ◦Std g)ψ) (q),
nach der Substitution q ′ = q + v und anschließend bei festem q ′ die Substitution q ′ + v ′ = q + v sowie die Umbenennung p ↔ p′ . ⊓ ⊔ Abschließend wollen wir noch eine explizite Formel f¨ ur ◦κ f¨ ur allgemeiherleiten. Die Rechnung beruht auf beharrlichem Auswerten der nes κ ∈ definierenden Gleichung (5.129).
Ê
Satz 5.3.22 (Integralformel f¨ ur ◦κ ). Sei κ = 0, 1. Dann gilt f¨ ur das κgeordnete Sternprodukt f ◦κ g f¨ ur f, g ∈ S ( 2n ) die explizite Formel ′ ′ ′′ ′′ i 1 · · · e− Φκ (q,p,q ,p ,q ,p ) (f ◦κ g)(q, p) = 2n n (2π) |κ(1 − κ)| (5.132) ′ ′ ′′ ′′ n ′ n ′ n ′′ n ′′ × f (q , p )g(q , p )d q d p d q d p
Ê
mit der expliziten Phasenfunktion 1 Φκ (q, p, q ′ , p′ , q ′′ , p′′ ) = κ(1 − κ)
× (2κ − 1)q·p + κ (q ′′ ·p′ − q·p′ − q ′′ ·p) + (1 − κ) (q ′ ·p − q ′ ·p′′ + q·p′′ ) . (5.133) Beweis. Der Beweis verwendet die Formel (5.116) f¨ ur Nκ sowie die explizite Formel f¨ ur ◦Std . Die anschließende Auswertung von (5.129) ist technisch, benutzt aber letztlich nur zweimal die Fourier-Inversionsformel (5.96) und sei ¨ daher als Ubung gestellt. ⊓ ⊔ Bemerkung 5.3.23. Die Antistandardordnung κ = 1 erh¨alt man analog, nur kann man ein weiteres Integrationspaar dn qdn p unter Verwendung von (5.96) auswerten. Das Resultat ist ′ ′ 1 i e (q−q )·(p−p ) f (q ′ , p)g(q, p′ )dn q ′ dn p′ . (5.134) (f ◦Std g) (q, p) = n (2π) Dieses Resultat und ebenso den bereits bekannten Fall κ = 0 erh¨alt man ebenso aus Satz 5.3.22, indem man die Integrationsvariablen zun¨achst geeignet mit κ beziehungsweise 1 − κ reskaliert und dann κ = 0 beziehungsweise κ = 1 setzt. So erweisen sich die Singularit¨ aten in (5.132) f¨ ur κ = 0, 1 als scheinbare. Korollar 5.3.24. F¨ ur κ ∈
Ê2n), ◦
womit (S (
Ê und f, g ∈ S (Ê2n) gilt f ◦κ g = g ◦1−κ f ,
Weyl
, ¯) eine Fr´echet-∗ -Algebra ist.
(5.135)
328
5 Quantisierung: Erste Schritte
Beweis. Anhand der Formel f¨ ur Φκ sieht man leicht, daß Φκ reell ist und Φκ (q, p, q ′ , p′ , q ′′ , p′′ ) = −Φ1−κ (q, p, q ′′ , p′′ , q ′ , p′ )
(5.136)
erf¨ ullt. Damit folgt (5.135) f¨ ur κ = 1, 0 unmittelbar. Der Fall κ = 0, 1 ist nach (5.128) und (5.134) ebenfalls offensichtlich. ⊓ ⊔ Bemerkung 5.3.25 (Weyl-geordnetes Sternprodukt). F¨ ur κ = 21 erh¨alt man die explizite Formel ′′ ′ ′ ′′ ′ ′ ′′ ′′ 2i 1 · · · e− (q ·p −q·p −q ·p+q ·p−q ·p +qp ) (f ◦Weyl g) (q, p) = 2n (π) (5.137) × f (q ′ , p′ )g(q ′′ , p′′ )dn q ′ dn p′ dn q ′′ dn p′′ . Verwendet man die kanonische symplektische Form ω0 (x, x′ ) = q · p′ − q ′ · p aßt sich die Phase auch als f¨ ur x = (q, p) und x′ = (q ′ , p′ ), so l¨ ′ ′ ′′ ′′ 2i 1 (f ◦Weyl g) (x) = e+ (ω0 (x,x )+ω0 (x ,x )+ω0 (x ,x)) (π)2n (5.138) × f (x′ )g(x′′ )d2n x′ d2n x′′
schreiben. Geometrisch interpretiert ist die Phase gerade der vierfache symplektische Fl¨acheninhalt des Dreiecks (x, x′ , x′′ ), siehe Abbildung 5.1 sowie [28, 193, 319] f¨ ur eine weiterf¨ uhrende Diskussion dieser symplektischen Drei” ecke“. Bemerkung 5.3.26. Wir haben hier die einfachste Funktionenklasse, n¨amlich ahlt, welche durch die explizite Integralden Schwartz-Raum S ( 2n ), gew¨ formel (5.137) zu einer assoziativen Algebra wird. Man kann nun, ausgehend von S ( 2n ), die Funktionenklasse erweitern, um eine m¨oglichst große Klasse von Funktionen (Distributionen) zu finden, f¨ ur welche (5.137) noch sinnvoll interpretiert werden kann und welche unter der Multiplikation abgeschlossen ist. Hierzu sei auf die Literatur verwiesen, insbesondere auf die Arbeiten von Rieffel f¨ ur einen C ∗ -algebraischen Kontext [273], siehe auch Landsmans Monographie [216], sowie auf Dubois-Violette et al. f¨ ur einen Fr´echet-algebraischen Zugang [106], siehe auch die fr¨ uheren Arbeiten [164, 183, 227].
Ê
Ê
x ’’ A x
x’
Abb. 5.1. Der orientierte symplektische Fl¨ acheninhalt des Dreiecks ∆(x, x′ , x′′ )
5.3 Symbolkalk¨ ul f¨ ur Pseudodifferentialoperatoren
329
Wir wollen nun eine etwas knappere Schreibweise f¨ ur Opκ gewinnen, indem wir ein Analogon zur Darstellung (5.68) aus Proposition 5.2.18 verwenden. Da f¨ ur ψ ∈ S ( n ) die Funktion π ∗ ψ ∈ C ∞ (T ∗ n ) in Impulsrichtung konstant ist, k¨ onnen wir nicht direkt π ∗ verwenden, um aus ψ eine Schwartz-Funktion auf dem Phasenraum T ∗ n zu machen. Statt dessen verwenden wir ein geeignetes Tensorprodukt:
Ê
Ê
Ê
Ê
Ê
Proposition 5.3.27. Sei f ∈ S ( 2n ) und ψ ∈ S ( n ). Sei weiter χ ∈ S ( n ) fest gew¨ahlt mit χ(0) = 1 und sei κ ∈ n . Dann gilt
Ê
Ê
Opκ (f )ψ = ι∗ ((Nκ f ) ◦Std (ψ ⊗ χ)) ,
(5.139)
wobei (ψ ⊗ χ)(q, p) = ψ(q)χ(p) wie in Satz 5.3.3. Beweis. Zun¨ achst ist klar, daß die rechte Seite tats¨achlich wohl-definiert ist, da nach Satz 5.3.3 ψ ⊗ χ ∈ S ( 2n ). Es gilt
Ê
ι∗ ((Nκ f ) ◦Std (ψ ⊗ χ)) (q) 1 ′ ′ n ′ n ′ − i (q−q′ )·(p−p′ ) = (N f )(q, p )ψ(q )χ(p)d q d p e κ (2π)n p=0 ′ ′ i 1 e (q−q )·p (Nκ f )(q, p′ )ψ(q ′ )dn q ′ dn p′ = (2π)n 1 i = e p·v (Nκ f )(q, p)ψ(q + v)dn vdn p (2π)n = (OpStd (Nκ f )ψ) (q) = (Opκ (f )ψ) (q), wobei wir χ(0) = 1 sowie die Substitution q ′ = q + v benutzt haben.
⊓ ⊔
Bemerkung 5.3.28. Diese Proposition erlaubt einen alternativen Beweis von Proposition 5.3.21: Zun¨ achst ist klar, daß f¨ ur g ∈ S ( 2n ) und ψ ∈ S ( n ) mit χ wie in Proposition 5.3.27 die Gleichung
Ê
ι∗ (f ◦Std g) = ι∗ (f ◦Std (ι∗ g) ⊗ χ)
Ê
(5.140)
gilt, was man unmittelbar aus den definierenden Integralformeln ersieht. Damit folgt aber mit Proposition 5.3.27 und der Assoziativit¨at von ◦Std OpStd (f ) OpStd (g)ψ = ι∗ (f ◦Std (ι∗ (g ◦Std (ψ ⊗ χ))) ⊗ χ) = ι∗ (f ◦Std (g ◦Std (ψ ⊗ χ))) = ι∗ ((f ◦Std g) ◦Std (ψ ⊗ χ)) = OpStd (f ◦Std g)ψ.
Der κ-geordnete Fall folgt wieder direkt aus der Definition von Opκ .
330
5 Quantisierung: Erste Schritte
Abschließend wollen wir einen intrinsischen Zugang zu Satz 5.3.17 geben, wobei wir zeigen wollen, daß die Integration bez¨ uglich des Liouville-Maßes sich wie die Operatorspur verh¨ alt: das Funktional verschwindet auf Kommutatoren. Proposition 5.3.29. Sei κ ∈
Ê und f, g ∈ S (Ê2n). Dann ist das Funktional
tr(f ) =
1 (2π)n
f (x)d2n x
(5.141)
ein Spurfunktional in dem Sinne, daß tr(f ◦κ g) = tr(g ◦κ f ).
(5.142)
tr(f ◦Weyl g) = tr(f g)
(5.143)
tr(Nκ f ) = tr(f ).
(5.144)
Weiter gilt sogar und Beweis. Wir zeigen zun¨ achst (5.143) unter Verwendung von (5.138) f¨ ur das Weyl-Produkt. Es gilt (f ◦Weyl g)(x)d2n x ′ ′ ′′ ′′ 2i 1 e (ω0 (x,x )+ω0 (x ,x )+ω0 (x ,x)) f (x′ )g(x′′ )d2n xd2n x′ d2n x′′ = 2n (π) ′ ′′ ′ ′′ 2i 2i 1 = e x·Ω0 (x −x ) e ω0 (x ,x ) f (x′ )g(x′′ )d2n xd2n x′ d2n x′′ 2n (π) = f (x)g(x)d2n x, wobei Ω0 die u ¨ bliche symplektische Matrix mit det Ω0 = 1 wie in (1.14) ist, so daß wir y ′ = Ω0 x′ und y ′′ = Ω0 x′′ substituieren k¨onnen. Im letzten Schritt verwenden wir die Fourier-Inversionsformeln aus Satz 5.3.3 sowie die Antisymmetrie von ω0 (x′ , x′′ ), weshalb die Phase bei Auswertung auf der Diagonalen x′ = x′′ verschwindet. Dies zeigt (5.143). Weiter gilt f¨ ur alle κ = 0 (Nκ f )(q, p)dn qdn p ′ ′ i 1 · · · e− κ (q−q )·(p−p ) f (q ′ , p′ )dn qdn pdn q ′ dn p′ = n (2π|κ|) = f (q, p)dn qdn p nach den Fourier-Inversionsformeln aus Satz 5.3.3. Damit ist auch (5.144) gezeigt, da der Fall κ = 0 trivial ist. Die Spureigenschaft von tr folgt nun leicht durch
5.3 Symbolkalk¨ ul f¨ ur Pseudodifferentialoperatoren
−1 Nκ− 12 f ◦Weyl Nκ− 21 g tr(f ◦κ g) = tr Nκ− 1 2 = tr Nκ− 21 f ◦Weyl Nκ− 21 g = tr Nκ− 12 f Nκ− 21 g ,
womit auch (5.142) gezeigt ist.
331
⊓ ⊔
5.3.3 Asymptotische Entwicklungen und ihre Konvergenz In Proposition 5.3.14 haben wir gesehen, daß die κ-geordneten Pseudodifferentialoperatoren f¨ ur ein Symbol f ∈ Pol(T ∗ n ) wohl-definiert sind und mit unserer vorherigen Definition ̺κ (f ) u ¨ bereinstimmen. Andererseits ist die Ausdehnung der Integralformeln f¨ ur das Produkt ◦κ sowie f¨ ur den Operator Nκ auf Pol(T ∗ n ) ohne Wachstumsbeschr¨ ankung in Ortsrichtung sicherlich nicht m¨ oglich, selbst wenn man das polynomiale Anwachsen in Impulsrichtungen durch eine oszillatorische Interpretation der Integrale noch verarbeiten kann. Es stellt sich also die berechtigte Frage, wie ◦κ und Nκ mit ⋆κ und Nκ zusammenh¨ angen. Es zeigt sich, daß die Integralformeln f¨ ur Opκ , ◦κ und Nκ alle eine asymptotische Entwicklung f¨ ur −→ 0 besitzen, welche durch die entsprechenden Formeln f¨ ur ̺κ , ⋆κ und Nκ gegeben ist. Dies wollen wir nun pr¨ azisieren, wobei wir nicht die allgemeinst m¨ogliche Formulierung mit den sch¨ arfsten Resultaten anstreben werden.
Ê
Ê
Definition 5.3.30 (Asymptotische Potenzreihenentwicklung). Sei V ein topologischer Vektorraum mit Hausdorffscher Topologie. Sei weiter eine Abbildung f : (−ǫ, ǫ) −→ V gegeben. Dann heißt v=
∞ r=0
λr vr ∈ V [[λ]]
(5.145)
asymptotische Potenzreihenentwicklung von f um t = 0, falls f¨ ur alle N N 1 (5.146) f (t) − tr vr = 0 lim t→0 tN r=0 gilt. In diesem Fall schreiben wir f ∼ v f¨ ur t −→ 0. Bemerkung 5.3.31. Offenbar bedeutet dies, daß f bei t = 0 unendlich oft differenzierbar ist und 1 dr f vr = (0) ∈ V (5.147) r! dtr gerade die Taylor-Koeffizienten bei 0 sind. Die asymptotische Entwicklung von f ist eindeutig, sofern sie u ¨ berhaupt existiert, da V als Hausdorffsch vorausgesetzt ist.
332
5 Quantisierung: Erste Schritte
Bemerkung 5.3.32. W¨ ahrend die asymptotische Potenzreihenentwicklung zun¨achst noch keinen wirklich neuen Begriff gegen¨ uber unendlicher Differenzierbarkeit liefert, gibt es im Stile von (5.146) jedoch weitgehende Verallgemeinerungen. Zum einen kann man die asymptotische Entwicklung nur von einer Seite aus betrachten, also t −→ 0+ oder t −→ 0− in (5.146), wobei die Abbildung f entsprechend nur auf einem Intervall (0, ǫ) beziehungsweise (−ǫ, 0) definiert sein muß. Dies entspricht dann links- beziehungsweise rechtsseitiger Differenzierbarkeit. Interessanter ist dagegen, andere Funktionen als die ur r ∈ 0 als Vergleich zuzulassen. Hier sind insbesondere asymPotenzen tr f¨ ptotische Laurent-Reihenentwicklungen, wo man tr mit r ∈ verwendet, und r asymptotische Newton-Puiseux-Reihenentwicklungen, wo man t N mit r ∈ und N ∈ verwendet, zu nennen, siehe beispielsweise [268, 281] f¨ ur eine weiterf¨ uhrende Diskussion sowie [310, App. A.3.4].
Wir wollen nun das Borel-Lemma aus Proposition 4.2.38 nochmals aufgreifen und in einem etwas verallgemeinerten Rahmen formulieren: Satz 5.3.33 (Borel-Lemma, zweite Version). Sei V ein Fr´echet-Raum, und sei I ⊆ ein offenes Intervall um 0 und v ∈ V [[λ]]. Dann existiert eine glatte Funktion f ∈ C0∞ (I, V ) mit f ∼ v.
Beweis (nach [29]). Es gen¨ ugt, ein f ∈ C ∞ ( , V ) mit der Eigenschaft f ∼ v zu konstruieren, da wir anschließend f mit Hilfe einer geeigneten ∞ r Abschneidefunktion um die 0 lokalisieren k¨ onnen. Sei also v = r=0 λ vr vorgegeben. Da V ein Fr´echet-Raum ist, k¨ onnen wir eine aufsteigende Folge p0 ≤ p1 ≤ p2 ≤ · · · von Halbnormen w¨ ahlen, welche die Topologie von V bestimmen: Ausgehend von einer beliebigen abz¨ahlbaren Menge {qn }n∈0 kann man n¨ amlich pn = max(q1 , . . . , qn ) w¨ ahlen. Weiter w¨ahlen wir eine glatte Abschneidefunktion ϕ ∈ C0∞ ( ) mit 0 ≤ ϕ ≤ 1 sowie supp ϕ ⊆ [−1, 1] und ϕ(t) = 1 f¨ ur t ∈ [− 21 , 12 ], siehe Abbildung 5.2. Dann betrachten wir folgende glatte Funktionen fn ∈ C ∞ ( , V ), definiert durch fn (t) = vn
tn ϕ(λn t), n!
wobei die Konstanten λn > 0 noch festzulegen sind. Offenbar ist fn glatt, und es gilt
ϕ
1
1 2
1 2
Abb. 5.2. Die Abschneidefunktion ϕ.
1
5.3 Symbolkalk¨ ul f¨ ur Pseudodifferentialoperatoren
'
supp fn ⊆ − Da ϕ kompakten Tr¨ ager besitzt, ist n
Mn =
k=0
1 1 , . λn λn
(∗)
sup |ϕ(k) (t)| < ∞. t∈
333
(
(∗∗)
Ê
Weiter definiert man Kn = pn−1 (vn ). Sei nun 0 ≤ k ≤ n − 1. Dann gilt k n k−ℓ ℓ k ∂ t ∂ pn−1 fn(k) (t) = pn−1 vn ℓ ϕ(λn t) ℓ ∂t n! ∂tk−ℓ ℓ=0 k−ℓ k ∂ ϕ 1 k |t|n−ℓ λk−ℓ (λ t) ≤ Kn n n k−ℓ (n − ℓ)! ∂t ℓ ℓ=0 k (∗) k 1 1 k−ℓ ∂ k−ℓ ϕ ≤ Kn (λ t) λ n n n−ℓ k−ℓ ℓ (n − ℓ)! λn ∂t ℓ=0 k (∗∗) 1 k 1 Mn . ≤ Kn n−k (n − ℓ)! λn ℓ ℓ=0 W¨ ahlen wir nun λn ≥ 1, so gilt weiter λnn−ℓ ≥ λn , da ℓ ≤ n − 1, also pn−1
Ê
fn(k) (t)
k Kn Mn k 1 ≤ λn ℓ (n − ℓ)! ℓ=0
k 1 ahlen wir zudem λn ≥ 2n Kn Mn ℓ=0 kℓ (n−ℓ)! f¨ ur alle t ∈ . W¨ f¨ ur alle k = 0, . . . , n − 1, so gilt f¨ ur alle 0 ≤ k ≤ n − 1 und alle t ∈ die Ungleichung 1 pn−1 fn(k) (t) ≤ n . (⋆) 2
Ê
Wir w¨ ahlen daher λn so, daß λn ≥
max
k=0,...,n−1
n
1, 2 Kn Mn
k k ℓ=0
1 ℓ (n − ℓ)!
6
.
(⋆⋆)
In diesem Fall behaupten wir, daß die Reihe f = ∞ n=0 fn im Sinne der Topologie von C ∞ ( , V ) sogar absolut konvergiert. Die Konvergenz in C ∞ ( , V ) ist dabei analog zu Bemerkung 2.1.9 durch das Halbnormensystem pK,k,m (f ) = sup pm f (ℓ) (t)
Ê
Ê
t∈K,ℓ≤k
Ê
Æ
festgelegt, wobei K ⊆ alle Kompakta durchl¨auft und k, m ∈ 0 . Damit wird C ∞ ( , V ) wieder ein Fr´echet-Raum, da offenbar abz¨ahlbar viele Kompakta
Ê
334
5 Quantisierung: Erste Schritte
Æ
wie etwa [−n, n] mit n ∈ gen¨ ugen. Da mit λn wie in (⋆⋆) offenbar f¨ ur alle n der Tr¨ ager von fn in [−1, 1] enthalten ist, gen¨ ugt es, hier sogar nur das eine Kompaktum [−1, 1] zu betrachten, da gr¨ oßere Kompakta keine neuen Beitr¨age zu den Halbnormen pK,k,m liefern. Wir zeigen nun die absolute Konvergenz: Sei also [−1, 1] ⊆ K und s ≥ k, m. Dann gilt ∞
pK,k,m (fn ) =
n=0
=
∞
sup pm fn(ℓ) (t)
n=0 t∈K,ℓ≤k s
∞ sup pm fn(ℓ) (t) +
n=0 t∈K,ℓ≤k
sup pm fn(ℓ) (t) .
n=s+1 t∈K,ℓ≤k
F¨ ur den zweiten und entscheidenden Teil der Summe gilt m ≤ s ≤ n − 1 und daher pm ≤ pn−1 sowie k ≤ s ≤ n − 1. Damit gilt sup pm f (ℓ) (t) ≤
t∈K,ℓ≤k
(⋆) 1 pn−1 f (ℓ) (t) ≤ n , 2 t∈K,ℓ≤n−1 sup
Ê
d : C ∞ ( , V ) −→ womit die Konvergenz folgt. Da weiter die Ableitung dt ∞ ∞ uglich der Fr´echet-Topologie von C ( , V ) ist, d¨ urfen C ( , V ) stetig bez¨ Ableitung und Summation vertauscht werden, womit
Ê
Ê
f (k) (t) =
∞
fn(k) (t)
n=0
und fn(k) (t) =
k k ∂ ℓ tn ∂ k−ℓ ϕ(λn t). vn ℓ ℓ ∂t n! ∂tk−ℓ ℓ=0
Bei t = 0 liefert nur ℓ = k einen Beitrag, da ϕ lokal konstant um 0 ist. Weiter (k) liefert dies nur einen Beitrag, wenn k = ℓ = n gilt. Daher ist fn (0) = vn δnk , womit der Satz bewiesen ist. ⊓ ⊔ Bemerkung 5.3.34. Mit einer analogen Konstruktion erh¨alt man das BorelLemma auch f¨ ur glatte Funktionen mehrerer Variablen t1 , . . . , tn . Mit dieser Begriffsbildung ger¨ ustet, ist es nun das Ziel, zu zeigen, daß die Integralformeln f¨ ur Opκ , ◦κ und Nκ zumindest asymptotisch f¨ ur −→ 0+ die urlich zu entsprechenden Ausdr¨ ucke f¨ ur ̺κ , ⋆κ und Nκ liefern. Hierbei ist nat¨ kl¨ aren, in welchem Sinne, also bez¨ uglich welcher Topologie, diese Asymptotik verstanden werden soll. Der einfachste Fall ist die punktweise Asymptotik f¨ ur festes (q, p) ∈ 2n .
Ê
Ê
Ê2nn) sowie ψ ∈ S (Ên). Ê
Satz 5.3.35. Sei κ ∈ fest gew¨ahlt und f, g ∈ S ( Dann gilt f¨ ur festes (q, p) ∈ 2n beziehungsweise q ∈
Ê
(f ◦κ g)(q, p) ∼ (f ⋆κ g)(q, p)
f¨ ur
−→ 0+
(5.148)
5.3 Symbolkalk¨ ul f¨ ur Pseudodifferentialoperatoren
(Nκ f )(q, p) ∼ (Nκ f )(q, p)
(Opκ (f )ψ)(q) ∼ (̺κ (f )ψ)(q)
f¨ ur f¨ ur
−→ 0+
335
(5.149)
+
−→ 0 ,
(5.150)
wobei die jeweils rechte Seite als formale Potenzreihe in aufzufassen ist. Beweis. Wir betrachten exemplarisch den standardgeordneten Fall. Sei F () durch ′ ′ 1 i F () = e− (q−q )·(p−p ) f (q, p′ )g(q ′ , p)dn q ′ dn p′ (2π)n
f¨ ur = 0 definiert. Dann ist die Behauptung, daß F eine Fortsetzung f¨ ur = 0 besitzt, so daß F bei = 0 unendlich oft differenzierbar wird und die formale Taylor-Reihe von F () durch (f ⋆Std g)(q, p) gegeben ist. Wir bezeichnen mit f˜ ∈ S ( nq × nv ) die partielle Fourier-Transformierte von f bez¨ uglich der Impulsvariablen. Dann gilt nach einer einfachen Reskalierung der Integrationsvariablen 1 F () = eip·v f˜(q, v)g(q + v, p)dn v, (2π)n
Ê
Ê
Ê2n),
wobei v nun die physikalische Dimension [Impuls]−1 besitzt. Da g ∈ S ( gibt es Konstanten Ci1 ···ir ≥ 0 mit ∂rg < ∞, Ci1 ···ir = sup i1 (q, p) i q∈Ên ∂q · · · ∂q r
so daß r ip·v ∂rg e f˜(q, v) ∂ g(q + v, p) = eip·v f˜(q, v)v i1 · · · v ir (q + v, p) i r i r 1 ∂ ∂q · · · ∂q ˜ i1 ≤ Ci1 ···ir f (q, v)v · · · v ir ∈ L1 ( nv , dn v).
Ê
Ê Ê
Die Integrabilit¨ at folgt, da mit f˜ ∈ S ( 2n ) auch das Produkt mit einem Polynom in den v-Variablen noch in S ( 2n ) liegt und daher integrabel ist. Daher k¨ onnen wir nach dem Satz von der majorisierenden Konvergenz die Grenz¨ uberg¨ ange von Ableitung und Integration vertauschen und erhalten unter Verwendung von Satz 5.3.3 1 ∂rg (r) ir ip·v ˜ i1 (q, p)dn v · · · v e f (q, v)v F (0) = (2π)n ∂q i1 · · · ∂q ir ∂rg ∂rf (q, p) i1 (q, p). = (−i)r ∂pi1 · · · ∂pir ∂q · · · ∂q ir
Dies zeigt aber, daß die formale -Taylor-Reihe von F durch r ∞ 1 ∂rf ∂rg F ∼ (q, p) i1 (q, p) f¨ ur r! i ∂pi1 · · · ∂pir ∂q · · · ∂q ir r=0
−→ 0+
gegeben ist. Eine analoge Diskussion liefert den κ-geordneten Fall ebenso wie ⊓ ⊔ die asymptotischen Entwicklungen von Opκ und Nκ .
336
5 Quantisierung: Erste Schritte
Bemerkung 5.3.36. Die asymptotischen Entwicklungen in Satz 5.3.35 sind wirklich nur formale Potenzreihenentwicklungen. Man kann mit Hilfe des Borel-Lemmas sofort Funktionen in S ( 2n ) beziehungsweise S ( n ) konur einen gegebenen Punkt (q, p) struieren, so daß f ⋆κ g, Nκ f und ̺κ (f )ψ f¨ beziehungsweise q den Konvergenzradius 0 in besitzen. Die -Abh¨angigkeit von f ◦κ g, Nκ f und Opκ (f )ψ ist daher zwar glatt aber nicht analytisch.
Ê
Ê
Bemerkung 5.3.37. Durch eine etwas verfeinerte Analyse der Punktabh¨angigkeit von (q, p) ∈ 2n beziehungsweise q ∈ n kann man die asymptotischen Entwicklungen in Satz 5.3.35 auch in st¨ arkeren Topologien zeigen, insbesondere in der Fr´echet-Topologie der Schwartz-Funktionen, siehe etwa [19, Abschnitt 3.3.2]. Weiter l¨ aßt sich Satz 5.3.35 auch auf die allgemeineren Symbolklassen u bertragen, hierf¨ ur sei auf die Diskussion in [172, Sect. 18.1] ver¨ wiesen. Einen weiteren Zugang zur Asymptotik erh¨alt man aus den Arbeiten von Rieffel [273].
Ê
Ê
5.3.4 Asymptotische Entwicklung und klassischer Limes Auch wenn der Satz 5.3.35 die mathematische Seite der Asymptotik klar formuliert, ist die physikalische Interpretation der asymptotischen Entwicklungen f¨ ur −→ 0+ hingegen nicht so offensichtlich, da, wie bereits mehrfach betont, nicht dimensionslos ist und daher die Gr¨oße“ von immer nur relativ ” zu anderen Parametern der physikalischen Dimension [Wirkung] zu verstehen ist. Eine sich anbietende Interpretation, warum die Asymptotik in Satz 5.3.35 einen semiklassischen Limes“ darstellt, ist die, daß die Entwicklung nicht ” als eine Entwicklung in Potenzen von sondern als eine Entwicklung in Ableitungsordnungen von f , g und ψ zu sehen ist. Dies kann man so interpretieren, daß das Verhalten umso klassischer wird, je kleiner die Ableitungen der (klassischen) Observablen sind, also je weniger stark sich ihre klassischen Werte u andern. Dies ist insofern plausibel, da ¨ ber den Phasenraum hinweg ¨ die quantenmechanischen Unsch¨ arferelationen es verbieten, zu starke, lokali¨ sierte Anderungen der klassischen Observablen im klassischen Phasenraum zu beobachten. Weiter ist dies sicherlich eine recht generische Aussage u ¨ber das Verh¨ altnis von klassischer Physik und Quantenphysik. Man beachte aber, daß diese Argumentation bedeutet, daß die (formale) Potenzreihenentwicklung f¨ ur ur Nκ und ̺κ nicht zul¨ aßt, nur bis zu einer bestimmten Ord⋆κ und ebenso f¨ nung von zu rechnen, um eine Approximation der klassischen Physik an die Quantenphysik zu erhalten: Es ist nicht die Gr¨oße“ von f¨ ur die G¨ ute der ” Entwicklung entscheidend sondern die Gr¨ oße der Ableitungen der Observablen relativ zu . Insbesondere wird es keine feste Potenz von geben, nach der ute der N¨aherung zu man die Reihe f¨ ur ⋆κ abbrechen kann, um eine gewisse G¨ erhalten, da diese von den betrachteten Observablen abh¨angt und letztere eine klassische Poisson-Algebra bilden m¨ ussen, um physikalisch interpretierbar zu sein. Somit werden, selbst wenn f¨ ur zwei feste Observablen f, g die Reihe age f¨ ur r mit r ≤ N liefert, die h¨oheren Produkte f ⋆κ g nur relevante Beitr¨
5.4 Geometrische Verallgemeinerung: Kotangentenb¨ undel
337
und Poisson-Klammern von f, g im allgemeinen nur dann eine vergleichbare G¨ ute der Approximation liefern, wenn man auch h¨ohere Potenzen von als nur N ber¨ ucksichtigt. Dies ist mit der Leibniz-Regel f¨ ur h¨ohere Ableitungen offensichtlich und l¨ aßt sich am Beispiel von Polynomen leicht exemplifizieren. ur Wir kommen daher zum Schluß, daß die Reihen f¨ ur ⋆κ und ebenso f¨ Nκ und ̺κ nur als Ganzes physikalisch interpretierbar sind, was insbesondere wieder ihre wahre algebraische Struktur betont: es sind die Multiplikationsvorschriften der Quantenobservablen und da diese eine assoziative Algebra bilden sollen, k¨ onnen die Produkte nicht f¨ ur alle Observablen gleichermaßen bei einer festen -Potenz abgebrochen werden, da dann beispielsweise die Verletzung der Assoziativit¨ at je nach Observable immer gr¨oßere Ausmaße annimmt. F¨ ur die Integralformeln selbst ist die Interpretation leichter, da hier nicht nach Potenzen von sortiert“ werden kann. Man erh¨alt mit ◦κ direkt die ” exakte Multiplikationsvorschrift f¨ ur die Quantenobservablen. Bemerkenswerterweise ist die im allgemeinen nicht konvergente asymptotische Entwicklung ur bestimmte Observablen wie insbesondere die physika⋆κ von ◦κ trotzdem f¨ lisch wichtigsten Observablen Pol(T ∗ n ) exakt. Es wird sich zeigen, daß in einem allgemeinen geometrischen Kontext die Reihenentwicklungen der Form ⋆ nach wie vor existieren, w¨ahrend die Integralformeln im allgemeinen schwierig zu erlangen sind. Der Grund ist der, daß f¨ ur Integralformeln analog zu denen f¨ ur ◦κ bestimmte Funktionenklasussen, w¨ahrend Formeln sen innerhalb von C ∞ (M ) ausgezeichnet werden m¨ der Gestalt ⋆ zumindest als formale Potenzreihen in nach wie vor f¨ ur alle glatten Funktionen sinnvoll sind.
Ê
5.4 Erste geometrische Verallgemeinerungen: Kotangentenbu ¨ndel Mit dem Ziel, m¨ oglichst allgemeine Phasenr¨aume quantisieren zu wollen, kommt den Kotangentenb¨ undeln mit ihrer kanonischen symplektischen Struktur eine besondere Rolle zu. Einerseits kann hier die Geometrie des Konfigurationsraumes Q im Rahmen differenzierbarer Mannigfaltigkeiten bereits die allgemeinste geometrische Komplexit¨ at erreichen, andererseits erlauben die geometrisch trivialen Impulsrichtungen Tq∗ Q eine geometrische Definition von glatten Funktionen, die in Impulsrichtung polynomial sind. Diese PoissonUnteralgebra Pol(T ∗ Q) ⊆ C ∞ (T ∗ Q) wird erwartungsgem¨aß eine zentrale uberhinaus sind Rolle spielen, wie dies schon f¨ ur Q = n der Fall ist. Dar¨ die Kotangentenb¨ undel sicherlich die physikalisch wichtigsten Phasenr¨aume, weshalb eine gut verstandene Quantisierungstheorie gerade hier besonders w¨ unschenswert ist. In der Tat gibt es auch eine F¨ ulle an Literatur, die sich diesem Problem stellt, siehe beispielsweise die Monographien [194, 216, 328] und dortige Referenzen. Die Vorgehensweise soll nun in gr¨ oßtm¨ oglicher Analogie zum Fall Q = n gestaltet werden. F¨ ur die in den Impulsen polynomialen Funktionen sol-
Ê
Ê
338
5 Quantisierung: Erste Schritte
len Differentialoperatoren gefunden werden, welche auf den Wellenfunktionen C0∞ (Q) operieren. Dies wird geometrisch mit Hilfe einer kovarianten Ableitung geschehen, wodurch der Begriff des Differentialoperators vom flachen Fall n auf Mannigfaltigkeiten verallgemeinert wird. Dar¨ uberhinaus sollen die Wellenfunktionen C0∞ (Q) wieder mit einem Skalarprodukt versehen werden, so a-Hilbert-Raum wird, was wir durch die Wahl daß C0∞ (Q) zumindest ein Pr¨ einer positiven Dichte erreichen. Die Sternprodukte erh¨alt man dann wie im flachen Fall durch Zur¨ uckziehen des Operatorprodukts der Differentialoperatoren. Wir folgen bei unserer Darstellung im wesentlichen [42–44, 252], nicht zuletzt im Hinblick auf die Deformationsquantisierung.
Ê
5.4.1 Standardgeordnete Quantisierung auf T ∗ Q Wir betrachten den Phasenraum T ∗ Q mit kanonischer Poisson-Klammer, so daß Pol(T ∗ Q) eine gradierte Poisson-Unteralgebra von C ∞ (T ∗ Q) ist. Intrinsisch l¨ aßt sich leider keine Abbildung von Pol(T ∗ Q) in die Differentialoperatoren auf den Wellenfunktionen C0∞ (Q) finden, welche die Standardordnung otigt man eine zus¨atzliche Struktur, wie auf 2n verallgemeinert. Vielmehr ben¨ etwa eine kovariante Ableitung ∇ auf Q. In konkreten physikalischen Situationen ist diese meistens bereits durch die klassischen Daten vorgegeben: sobald eine kinetische Energie festgelegt ist, ist eine Riemannsche Metrik vorgegeben und somit auch eine kovariante Ableitung, der Levi-Civita-Zusammenhang der Metrik. Aus diesem Grunde scheint es vern¨ unftig, einen torsionsfreien Zusammenhang ∇ zu verwenden. Wir wollen uns jedoch nicht von Beginn an darauf festlegen, daß ∇ tats¨ achlich metrisch bez¨ uglich irgendeiner (Pseudo-) Riemannschen Metrik ist, auch wenn dies in konkreten Anwendungen sicherlich der Fall sein wird. aßt sich in diesem Lichte dann so versteDer eingehend studierte Fall T ∗ n l¨ hen, daß wir implizit den kanonischen flachen Zusammenhang auf n verwendet haben und die partiellen Ableitungen besser als kovariante Ableitungen h¨ atten geschrieben werden sollen. Wir werden dies noch im Detail sehen. Man steht f¨ ur einen allgemeinen Konfigurationsraum Q jedoch vor dem Problem, daß es keinen flachen Zusammenhang mehr geben wird: lokal ist das zwar immer m¨ oglich, global gibt es aber topologische Eigenschaften von Q, welche dies verbieten k¨ onnen. Deshalb werden kovariante Ableitungen in verschiedene Richtungen im allgemeinen nicht mehr miteinander vertauschen, wobei das Nichtvertauschen gerade durch den Kr¨ ummungstensor von ∇ beschrieben wird. Aus diesem Grunde wird folgender Operator der symmetrisierten kovarianten Ableitung von großem Nutzen sein:
Ê
Ê
Ê
Definition 5.4.1 (Symmetrisierte kovariante Ableitung). Sei ∇ ein torsionsfreier Zusammenhang auf Q und γ ∈ Γ∞ (Sk T ∗ Q) eine symmetrische k-Form. Dann ist die symmetrisierte kovariante Ableitung Dγ von γ durch (Dγ)(X1 , . . . , Xk+1 ) =
k+1 ℓ=1
ℓ
(∇Xℓ γ) (X1 , . . . , ∧, . . . , Xk+1 )
(5.151)
5.4 Geometrische Verallgemeinerung: Kotangentenb¨ undel
339
f¨ ur X1 , . . . , Xk+1 ∈ Γ∞ (T Q) definiert. Proposition 5.4.2. Sei ∇ ein torsionsfreier Zusammenhang. i.) F¨ ur γ ∈ Γ∞ (Sk T ∗ Q) gilt Dγ ∈ Γ∞ (Sk+1 T ∗ Q). ii.) Ist (U, x) eine lokale Karte von Q, so gilt Dγ = dxi ∨ ∇
∂ ∂xi
γ.
(5.152)
iii.) Der Operator D ist Derivation vom Grad +1 der symmetrischen Aleine ∞ gebra S• (T ∗ Q) = k=0 Γ∞ (Sk T ∗ Q). iv.) F¨ ur f ∈ C ∞ (Q) = Γ∞ (S0 T ∗ Q) gilt Df = df.
(5.153)
Beweis. Offenbar ist Dγ in den Argumenten X1 , . . . , Xk+1 symmetrisch. Nach Satz 2.2.24 bleibt nur die Funktionenlinearit¨at zu pr¨ ufen. Diese folgt aber unmittelbar aus den definierenden Eigenschaften einer kovarianten Ableitung, womit der erste Teil gezeigt ist. F¨ ur den zweiten Teil betrachten wir eine lokale Karte (U, x). Dann rechnet man nach, daß (Dγ)(X1 , . . . , Xk+1 ) =
k+1 ℓ=1
=
k+1 ℓ=1
ℓ
(∇Xℓ γ) (X1 , . . . , ∧, . . . , Xk+1 ) dxi (Xℓ ) ∇
= dxi ∨ ∇
∂ ∂xi
γ
∂ ∂xi
ℓ γ (X1 , . . . , ∧, . . . , Xk+1 ) (X1 , . . . , Xk+1 ),
was den zweiten Teil zeigt. Damit folgt der dritte aber direkt, da ∇X f¨ ur alle X ∈ Γ∞ (T Q) eine Derivation von ∨ ist und entsprechend α ∨ ∇X f¨ ur alle α ∈ Γ∞ (T ∗ Q) ebenso, da S• (T ∗ Q) kommutativ ist. Der vierte Teil ist offensichtlich, da konventionsgem¨ aß ∇X f = X(f ) f¨ ur f ∈ C ∞ (Q). ⊓ ⊔ Wir wollen nun charakterisieren, was Differentialoperatoren auf einer Mannigfaltigkeit sind, um dann mit Hilfe des Operators D eine standardgeordnete Quantisierung ̺Std definieren zu k¨ onnen. Die folgende Definition ist zwar konzeptionell nicht die klarste, besticht aber durch ihre Einfachheit. Wir werden sp¨ ater eine Alternative kennenlernen. Definition 5.4.3 (Differentialoperator). Sei D : C ∞ (Q) −→ C ∞ (Q) eine lineare Abbildung. Dann heißt D Differentialoperator der Ordnung k ∈ 0 , falls sich D auf alle offenen Teilmengen U ⊆ Q einschr¨anken l¨aßt und somit lineare Abbildungen D U : C ∞ (U ) −→ C ∞ (U ) mit D U f U = Df U (5.154)
induziert, und falls lokal in jeder Karte (U, x) von Q
340
5 Quantisierung: Erste Schritte k 1 i1 ···ir ∂rf DU Df U = i r! ∂x 1 · · · ∂xir r=0
(5.155)
i1 ···ir mit glatten, in den Indizes symmetrischen Funktionen DU ∈ C ∞ (U ) gilt. Die Menge der Differentialoperatoren der Ordnung k bezeichnen wir mit DiffOpk (Q), die Menge aller Differentialoperatoren mit DiffOp(Q). i1 ···ir Das Transformationsverhalten der Koeffizientenfunktionen DU bei Kartenwechsel ist sehr kompliziert. Die Ausnahme bilden die f¨ uhrenden, also die h¨ ochsten Ableitungsterme:
der OrdLemma 5.4.4. Sei D : C ∞ (Q) −→ C ∞ (Q) ein Differentialoperator nung k und sei (U, x) eine lokale Karte von Q, so daß D U wie in (5.155) gegeben ist. Dann ist durch ∂ 1 i1 ···ik ∂ σk (D) U = DU ∨ ···∨ i k! ∂xi1 ∂x k
(5.156)
uhrende Symbol ein global definiertes Tensorfeld σk (D) ∈ Γ∞ (Sk T Q), das f¨ von D, gegeben. ˜, x ˜ = Beweis. Sei also eine andere lokale Karte (U ˜) von Q gegeben, wobei U ∩ U ˜ nach der Kettenregel ∅. Dann gilt auf U ∩ U ∂ ∂x ˜j ∂f f= . i ∂x ∂xi ∂ x ˜j Daraus resultiert das Transformationsverhalten f¨ ur h¨ohere Ableitungen. Per Induktion zeigt man, daß ∂xi1
∂kf ∂x ˜j1 ∂kf ∂x ˜jk = · · · + ··· , i j j i · · · ∂x k ˜ k ∂x 1 ∂x ˜ 1 · · · ∂x ∂xik
(∗)
wobei die verbleibenden Terme eine niedrigere Differentiationsordnung von f als k besitzen. Deren explizite Form kann im Prinzip mit der Leibniz-Regel berechnet werden, ist aber unerheblich. Da wir f¨ ur σk (D) nur die h¨ochsten Ableitungsordnungen ben¨ otigen, folgt aus (∗) bereits das korrekte Transformationsverhalten eines (offensichtlich symmetrischen) kontravarianten Tensorfeldes. ⊓ ⊔ Bemerkung 5.4.5 (Ordnung von Differentialoperatoren). i.) Die Ordnung eines Differentialoperators auf Q ist immer nur als die h¨ ochste auftretenden Differentiationsordnung in den partielle Ableitungen in (5.155) zu verstehen. Ob noch partielle Ableitungen niedrigerer Ordnung auftreten, h¨ angt im allgemeinen von der Wahl der Karte ab und liefert keine invariante geometrische Charakterisierung.
5.4 Geometrische Verallgemeinerung: Kotangentenb¨ undel
341
ii.) Die Hintereinanderausf¨ uhrung von Differentialoperatoren der Ordnung k und ℓ liefert offenbar wieder einen Differentialoperator der Ordnung k + ℓ. Damit bilden die Differentialoperatoren auf Q eine assoziative Algebra mit Eins, welche bez¨ uglich der Ordnung filtriert aber eben nicht gradiert ist. Es gilt (5.157) DiffOpk (Q) DiffOpℓ (Q) ⊆ DiffOpk+ℓ (Q)
und DiffOpk (Q) ⊆ DiffOpℓ (Q) f¨ ur alle k ≤ ℓ. iii.) Die Algebra der Differentialoperatoren ist nichtkommutativ, aber es gilt f¨ ur D1 ∈ DiffOpk (Q) und D2 ∈ DiffOpℓ (Q) die Beziehung [D1 , D2 ] ∈ DiffOpk+ℓ−1 (Q).
(5.158)
Dies sieht man leicht mit der lokalen Beschreibung und einer expliziten Rechnung. Genauer l¨ aßt sich anhand der lokalen Formeln zeigen, daß J (σ([D1 , D2 ])) = {J(σ(D1 )), J(σ(D2 ))},
(5.159)
wenn wir die Tensorfelder σ(D1 ), σ(D2 ) wie gewohnt als polynomiale Funktionen J(σ(D1 )), J(σ(D2 )) ∈ Pol• (T ∗ Q) auf dem Kotangentenb¨ undel auffassen und dort die kanonische Poisson-Klammer verwenden. iv.) Die kommutative Unteralgebra DiffOp0 (Q) ist offenbar gerade C ∞ (Q), wobei die Wirkung auf C ∞ (Q) durch Linksmultiplikationen gegeben ist. Bemerkung 5.4.6 (Peetre-Theorem). Folgendes Theorem von Peetre gibt eine alternative Charakterisierung von Differentialoperatoren: ein linearer Operator D : C ∞ (Q) −→ C ∞ (Q) heißt lokal , falls supp Df ⊆ supp f
(5.160)
f¨ ur alle f ∈ C ∞ (Q). Dann gilt, daß ein lokaler Operator lokal ein Differentialoperator ist, in dem Sinne, daß es um jeden Punkt p ∈ Q eine offene Umgebung U ⊆ Q gibt, so daß D auf U ein Differentialoperator ist, siehe [262, 263] sowie [202, Sect. 19]. Ist die Ordnung der so erhaltenen lokalen Differentialoperatoren beschr¨ ankt, so ist D insgesamt ein Differentialoperator. Dies ist insbesondere f¨ ur kompaktes Q immer der Fall. Ein Beispiel f¨ ur einen lokalen Operator, der global kein Differentialoperator ist, erh¨alt man f¨ ur Q = folgendermaßen: sei χ ⊆ C0∞ ( ) eine Funktion mit χ = 0 und supp χ ⊆ [0, 1]. Dann ist ∞ ∂kf (5.161) (Df )(x) = χ(x − k) k (x) ∂x
Ê
Ê
k=0
ein lokaler Operator, der offensichtlich zwar lokal ein Differentialoperator aber global kein Differentialoperator ist.
Bemerkung 5.4.7 (Algebraische Differentialoperatoren). Differentialoperatoren lassen sich auf konzeptionell besonders elegante Weise rein algebraisch
342
5 Quantisierung: Erste Schritte
definieren: Sei A eine assoziative kommutative Algebra u ¨ber . Dann definieren wir die Linksmultiplikationen wie u ur alle ¨blich als La : A ∋ b → ab ∈ A f¨ a ∈ A. Differentialoperatoren DiffOpk (A) der Ordnung k ∈ werden nun ur k < 0 und induktiv als DiffOpk (A) = {0} f¨ DiffOpk (A) = D ∈ End (A) ∀a ∈ A : [D, La ] ∈ DiffOpk−1 (A) (5.162)
f¨ ur k ≥ 0 definiert. Der Vorteil dieser algebraischen Definition ist, das sie sehr viel gr¨ oßere Allgemeinheit besitzt und auf einfache Weise f¨ ur Multidifferentialoperatoren, Differentialoperatoren auf A-Moduln, Superdifferentialoperatoren etc. verallgemeinert werden kann. In Anhang A diskutieren wir diesen Zugang im Detail. Mit Hilfe einer kovarianten Ableitung ∇ und des zugeh¨origen Operators D der symmetrisierten kovarianten Ableitung k¨onnen wir nun einen Vektorraumisomorphismus zwischen S• (T Q) ∼ = Pol(T ∗ Q) und DiffOp(C ∞ (Q)) konstruieren. Entscheidend daf¨ ur ist folgendes technische Lemma: Lemma 5.4.8. Sei ∇ eine torsionsfreie kovariante Ableitung auf Q und ψ ∈ C ∞ (Q). Ist (U, x) eine lokale Karte von Q, so gilt f¨ ur k ∈ ∂kψ k (5.163) + Γi1 ···ik (ψ) dxi1 ∨ · · · ∨ dxik , D ψU = ∂xi1 · · · ∂xik
wobei Γi1 ···ik (ψ) linear von ψ und seinen partiellen Ableitungen bis maximal i zur Ordnung k − 1 sowie polynomial von den Christoffel-Symbolen Γjk von ∇ und deren Ableitungen bis maximal zur Ordnung k − 2 abh¨angt.
Beweis. Wir beweisen (5.163) durch eine einfache Induktion nach k, wobei ur k = 1 ist (5.163) offenbar wir die lokale Form D = dxi ∨ ∇ ∂ i verwenden. F¨ ∂x richtig, hier gilt sogar Γi (ψ) = 0. Den Fall k = 0 k¨onnen wir definitionsgem¨aß mit D0 ψ = ψ ebenfalls als korrekt ansehen. Eine einfache Rechnung zeigt nun, daß, unter Annahme von (5.163) f¨ ur k, ∂kψ ik i1 k i + Γi1 ···ik (ψ) dx ∨ · · · ∨ dx DD ψ = dx ∨ ∇ ∂ i ∂x ∂xi1 · · · ∂xik ∂ k+1 ψ ∂Γi1 ···ik (ψ) = dxi ∨ dxi1 ∨ · · · ∨ dxik + ∂xi ∂xi1 · · · ∂xik ∂xi k ∂kψ + Γ (ψ) − dxi1 ∨ · · · Γijiℓ ∨ dxj ∨ · · · ∨ dxik . i ···i 1 k ∂xi1 · · · ∂xik ℓ=1
Ein einfaches Abz¨ ahlen der neu hinzugekommenen Differentiationen zeigt dann die Behauptung. Auf diese Weise kann man auch die Koeffizienten Γi1 ···ik rekursiv bestimmen. ⊓ ⊔
5.4 Geometrische Verallgemeinerung: Kotangentenb¨ undel
343
Bemerkung 5.4.9 (Normalkoordinaten). Man kann sogar zeigen, daß zumindest an einem festen Punkt p ∈ Q durch geeignete Wahl der Koordinaten x um p die zus¨ atzlichen Terme Γi1 ···ik (ψ) in (5.163) alle wegtransformiert werden k¨ onnen. Sind n¨ amlich (x1 , . . . , xn ) Normalkoordinaten um p, also von der Exponentialabbildung der kovarianten Ableitung ∇ kommende Koordinaten, siehe Aufgabe 3.10, so gilt sogar Dk ψ p =
∂kψ (p)dxi1 p ∨ · · · ∨ dxik p . i i 1 k ∂x · · · ∂x
(5.164)
Der Beweis wird in Aufgabe 5.17 besprochen.
Wir kommen nun zum zentralen Satz dieses Abschnitts: Satz 5.4.10 (Standardordnung). Sei ∇ eine torsionsfreie kovariante Ableitung auf Q. F¨ ur f ∈ Pol(T ∗ Q) und ψ ∈ C ∞ (Q) definiert
r ∞ ∂ 1 r ∂ ∂rf 1 D ψ ̺Std (f )ψ = · · · is is i i 1 r r! i ∂pi1 · · · ∂pir p=0 ∂x ∂x r! r=0 (5.165) kartenunabh¨angig einen Differentialoperator ̺Std (f ), so daß ̺Std (f ) von der Ordnung k ist, falls der polynomiale Grad von f kleiner gleich k ist. Weiter liefert die Abbildung ∼ =
̺Std : Pol(T ∗ Q) −→ DiffOp(Q)
(5.166)
einen Isomorphismus von Vektorr¨aumen. F¨ ur u ∈ C ∞ (Q) gilt ̺Std (π ∗ u) = u,
(5.167)
̺Std (J(X)) = −i LX .
(5.168)
und f¨ ur X ∈ Γ∞ (T Q) gilt
Beweis. Zun¨ achst m¨ ussen wir die Unabh¨ angigkeit von (5.165) von den gew¨ ahlten B¨ undelkoordinaten (T ∗ U, (q, p)), welche durch Koordinaten (U, x) auf ˜, x Q induziert werden, zeigen. Ist also (U ˜) eine andere lokale Karte von Q ∂ ∂x ˜j ∂ ˜ ¨ mit U ∩ U = ∅, so gilt auf dem Uberlapp mit ∂x i = ∂xi ∂ x ˜j und pi (αq ) = ∂ αq ∂xi q j ∂x ˜ p˜j . pi = π ∗ ∂xi Wir berechnen explizit die Jacobi-Matrix des Kartenwechsels (q, p) ↔ (˜ q , p˜). Es gilt i ∂x ˜ ∂ ∂xk ∂ ∂ ∂ ∗ ∗ =π + pk π (5.169) ∂q j ∂xj ∂ q˜j ∂xj ∂ x ˜i ∂ p˜i und
344
5 Quantisierung: Erste Schritte
∂ = π∗ ∂pi
∂xj ∂x ˜i
∂ . ∂ p˜j
(5.170)
Somit transformieren sich die partiellen Ableitungen nach den Impulsen gut” artig“, womit man auch f¨ ur mehrfache partielle Ableitungen das einfache Transformationsverhalten i1 ∂r ∂r ∂x ∂xir ∗ =π · · · ∂pi1 · · · ∂pir ∂x ˜j1 ∂x ˜jr ∂ p˜j1 · · · ∂ p˜jr findet, da die mittels π hochgezogenen Jacobi-Matrizen ja nicht von den Impulsen abh¨ angen. Andererseits ist das Transformationsverhalten der Tangen∂ tialvektoren ∂x i gerade entgegengesetzt, und is (·) ist funktionenlinear. Daher folgt ∂x ˜j1 ∂ ∂ ∂x ˜j1 ∂ ∂ · · · i1 is · · · is = · · · is . is ∂xi1 ∂xir ∂xi1 ∂x ∂x ˜j1 ∂x ˜jr Auswerten bei p = 0 sowie die Regel f¨ ur die Ableitung der Umkehrfunktion liefern dann die Kartenunabh¨ angigkeit von (5.165). Mit Hilfe von Lemma 5.4.8 k¨ onnen wir (5.165) weiter auswerten. Es gilt mit den Bezeichnungen von (5.163) ∂ 1 r ∂rψ ∂ D + Γi1 ···ir (ψ), ψ = · · · i is s ∂xi1 ∂xir r! ∂xi1 · · · ∂xir
∂ j dx = δij und da is (·) eine Derivation von ∨ ist. Damit ist aber klar, da is ∂x i daß ̺Std (f ) ein Differentialoperator ist. Ebenfalls ist klar, daß die Ordnung von ̺Std (f ) f¨ ur f ∈ Polk (T ∗ Q) gerade k ist. Die Injektivit¨at von ̺Std folgt auch aus der lokalen Darstellung, da die komplette p-Taylor-Reihe von f um p = 0 zum Tragen kommt und die q-Abh¨ angigkeit sowieso erhalten bleibt. F¨ ur eine in den Impulsen polynomiale Funktion ist darin aber die gesamte Information enthalten. Die Surjektivit¨ at ist geringf¨ ugig schwieriger: Sei D ein Differentialoperator der Ordnung k, der lokal durch Dψ =
k ∂rψ 1 i1 ···ir D r! ∂xi1 · · · ∂xir r=0
gegeben ist. Ist dann σk (D) ∈ Γ∞ (Sk T Q) das f¨ uhrende Symbol von D, so k¨ onnen wir die zugeh¨ orige polynomiale Funktion f = J(σk (D)) ∈ Polk (T ∗ Q) betrachten, wobei lokal f=
1 ∗ i1 ···ik pi1 · · · pik π D k!
gilt. Dann liefert die Standardordnung ̺Std (f ) einen Differentialoperator, welcher lokal durch
5.4 Geometrische Verallgemeinerung: Kotangentenb¨ undel
̺Std (f )ψ =
345
k ∂kψ + Γ (ψ), Di1 ···ik i ···i 1 k i ∂xi1 · · · ∂xik
1 k!
k gegeben ist. Somit ist der Differentialoperator D − i ̺Std (f ) nur noch von der Ordnung k − 1. Eine einfache Induktion nach k zeigt, daß man so tats¨ achlich alle Differentialoperatoren erh¨alt, da offenbar die Differentialoperatoren nullter Ordnung Multiplikationsoperatoren mit Funktionen u ∈ C ∞ (Q) sind, welche man alle als ̺Std (π ∗ u) schreiben kann. Dies ist gerade die Aussage von (5.167). Die verbleibende Gleichung (5.168) ist anhand der lokalen Formeln ebenfalls leicht zu verifizieren. ⊓ ⊔ Die Standardordnung ̺Std ist also das direkte geometrische Analogon der Standardordnung im 2n . Ist n¨ amlich die kovariante Ableitung sogar flach, so findet man lokale Koordinaten x1 , . . . , xn , so daß alle Christoffel-Symbole Γijk in diesen Koordinaten verschwinden. Dann gilt, daß ̺Std aus (5.165) mit ̺Std aus (5.14) u ¨bereinstimmt. Unsere bisherige Standardordnung auf T ∗ n erscheint somit als Spezialfall f¨ ur eine flache kovariante Ableitung.
Ê
Ê
Bemerkung 5.4.11 (Homogenit¨at der Standardordnung). Sind die Funktionen f und ψ unabh¨ angig von , so erhalten wir folgende Homogenit¨atseigenschaft der Standardordnung
∂ (̺Std (f )ψ) = ̺Std (Lξ f )ψ, ∂
(5.171)
wobei ξ wieder das Liouville-Vektorfeld bezeichnet. Physikalisch interpretiert ist dies nichts anderes als die Dimensionslosigkeit der Quantisierungsvorschrift ̺Std . Bevor wir nach einem Analogon zur Weyl-Ordnung suchen, wollen wir zun¨ achst eine etwas kompaktere und vor allem koordinatenfreie Schreibweise f¨ ur ̺Std etablieren, welche einen n¨ utzlichen Kalk¨ ul liefern wird. Dazu konstruieren wir aus symmetrischen kovarianten Tensorfeldern γ ∈ Γ∞ (Sk T ∗ Q) auf Q spezielle Differentialoperatoren auf T ∗ Q. Definition 5.4.12. Seien γ1 , . . . , γk ∈ Γ∞ (T ∗ Q) Einsformen auf Q und f ∈ C ∞ (T ∗ Q). Dann definiert man (F(γ1 ∨· · ·∨γk )f )(αq ) = sowie
∂k f (αq + t1 γ1 (q) + · · · + tk γk (q)) ∂t1 · · · ∂tk t1 =···=tk =0 (5.172) F(φ)f = (π ∗ φ)f
(5.173)
f¨ ur φ ∈ C ∞ (Q) und erweitert F zu einer linearen Abbildung von S• (T ∗ Q) in die Differentialoperatoren auf T ∗ Q.
346
5 Quantisierung: Erste Schritte
Proposition 5.4.13. F¨ ur eine Einsform γ ∈ Γ∞ (T ∗ Q) gilt F(γ) = γ v . Die lineare Abbildung F : S• (T ∗ Q) =
∞ k=0
Γ∞ (Sk T ∗ Q) −→ DiffOp(T ∗ Q)
(5.174)
ist ein injektiver filtrierter Algebrahomomorphismus. Weiter gilt f¨ ur das Liouville-Vektorfeld (5.175) [Lξ , F(γ)] = −kF(γ)
f¨ ur γ ∈ Γ∞ (Sk T ∗ Q). Ist in einer lokalen Karte (U, x) von Q 1 γ U = γi1 ···ik dxi1 ∨ · · · ∨ dxik k!
(5.176)
so gilt in der induzierten Karte (T ∗ U, (q, p)) F(γ)
T ∗U
=
1 ∗ ∂k . π (γi1 ···ik ) k! ∂pi1 · · · ∂pik
(5.177)
Ist insbesondere S ∈ C ∞ (Q), so gilt f¨ ur das Hamiltonsche Vektorfeld Xπ∗ S von π ∗ S ∈ C ∞ (T ∗ Q) (5.178) Xπ∗ S = −F(dS). Beweis. Zun¨ achst ist zu bemerken, daß F tats¨ achlich auf dem ∨-Produkt wohldefiniert ist. Die Symmetrie unter Vertauschen der γi ist unmittelbar klar, etwas schwieriger ist die Wohl-Definiertheit bez¨ uglich der C ∞ (Q)-Linearit¨at von ∨. Da aber f¨ ur (F(γ1 ∨ · · · ∨ γk )f )(αq ) nur die Werte von γ1 , . . . , γk bei q = π(αq ) eine Rolle spielen, folgt dies ebenfalls, da in (5.172) nur Ableitungen in vertikale Richtungen berechnet werden. Daß F(γ)F(γ ′ ) = F(γ ∨ γ ′ ) gilt, folgt unmittelbar aus der Definition. Insbesondere ist F(γ) ein Differentialoperator der Ordnung k, sofern γ ∈ Γ∞ (Sk T ∗ Q), womit F mit der Filtrierung vertr¨ aglich ist. Die Injektivit¨ at ist ebenfalls klar, insbesondere anhand der lokalen Formel (5.177). Diese beweist man leicht mit Hilfe der Kettenregel. F¨ ur Einsformen folgt sie auch unmittelbar aus Satz 3.2.16, Teil iv.). F¨ ur k-Formen benutzt man die Homomorphismuseigenschaft von F. Gleichung (5.175) ist mit ∂ ebenfalls klar und (5.178) haben wir in (3.86) der lokalen Gestalt ξ = pi ∂p i bereits gesehen. ⊓ ⊔ Die Definition von F ist also in gewisser Hinsicht die kanonische Fortsetzung des vertikalen Lifts von Einsformen. Da wir aus einer Funktion ψ ∈ C ∞ (Q) durch wiederholtes Anwenden der symmetrisierten kovarianten Ableitung D symmetrische kovariante Tensorfelder Dk ψ ∈ Γ∞ (Sk T ∗ Q) erhalten, l¨ aßt sich die Standardordnung ̺Std nun auch folgendermaßen schreiben: Satz 5.4.14. Sei f ∈ Pol• (T ∗ Q) und ψ ∈ C ∞ (Q). Dann gilt
5.4 Geometrische Verallgemeinerung: Kotangentenb¨ undel
̺Std (f )ψ = ι∗ F e−iD ψ f ,
347
(5.179)
wobei nur endlich viele Terme der Exponentialreihe beitragen, da f polynomial in den Impulsen ist und F in Impulsrichtung ableitet. Beweis. Schreibt man lokal Dr ψ = so gilt is
∂ ∂xi1
1 r (D ψ)j1 ···jr dxj1 ∨ · · · dxjr , r! · · · is
∂ ∂xir
Dr ψ = (Dr ψ)i1 ···ir
und damit nach (5.177) ∂ ∂ 1 r ∂rf D · · · i π ∗ is ψ s ∂pi1 · · · ∂pir ∂xi1 ∂xir r! r ∂ f 1 ∗ r = π (D ψ)i1 ···ir ∂pi1 · · · ∂pir r! = F(Dr ψ)f. Damit folgt die Behauptung aber sofort.
⊓ ⊔
Mit der Schreibweise (5.179) hat man offenbar eine koordinatenfreie Form der Standardordnung gefunden, welche als einziges eine kovariante Ableitung auf Q zu ihrer Definition ben¨ otigt. 5.4.2 κ-Ordnung und Sternprodukte auf T ∗ Q Ausgehend von der Standardordnung wollen wir nun analog zum Fall des flachen Konfigurationsraumes T ∗ n eine Weyl-Ordnung konstruieren. Dazu m¨ ussen wir zun¨ achst festlegen, welchen Pr¨ a-Hilbert-Raum wir verwenden wollen. Anders als im flachen Fall gibt es auf Q zun¨achst kein ausgezeichnetes Integrationsmaß. Hier bieten sich (mindestens) zwei M¨oglichkeiten an: Zum einen kann man den intrinsischen Pr¨ a-Hilbert-Raum der Halbdichten n 21 ∗ T Q) auf Q mit seinem kanonischen inneren Produkt (2.220) ver(|Λ | Γ∞ 0 wenden, wie dies in verschiedenen Zug¨ angen auch durchgef¨ uhrt wird [1, 194– 197, 305, 328]. Dazu muß zun¨ achst die Standardordnung ̺Std , welche ja Differentialoperatoren auf Funktionen liefert, umgeschrieben werden, um Differentialoperatoren auf Halbdichten zu erhalten. Dies kann man unter Verwendung der kovarianten Ableitung ∇ tats¨ achlich auf einfache Weise tun, da ∇ nach Proposition 2.2.43 ja ebenfalls eine kovariante Ableitung f¨ ur die Halbdichten induziert. Eine detaillierte Diskussion findet man beispielsweise in [42] sowie in [310, Absch. 5.3.3]. Wir werden jedoch einen anderen Weg beschreiten und eine weitere nichtkanonische Wahl treffen, um C0∞ (Q) direkt zu einem Pr¨a-Hilbert-Raum zu
Ê
348
5 Quantisierung: Erste Schritte
machen. Wir w¨ ahlen daher eine positive Dichte μ ∈ Γ∞ (|Λn |T ∗ Q) auf Q. In typischen Situationen ist diese Wahl gut motiviert, wenn ∇ beispielsweise der Levi-Civita-Zusammenhang einer (Pseudo-) Riemannschen Metrik g auf Q ist, so k¨ onnen wir die (Pseudo-) Riemannsche Volumendichte μ = μg verwenden: Lemma 5.4.15. Sei α ∈ tigkeit. Dann ist durch
und (Q, g) eine Pseudo-Riemannsche Mannigfalμg (v1 , . . . , vn ) = 1
(5.180)
f¨ ur alle v1 , . . . , vn ∈ Tp Q mit |gp (vi , vj )| = δij eine positive Dichte μg ∈ Γ∞ (|Λn |T ∗ Q) festgelegt und entsprechend legt μα g (v1 , . . . , vn ) = 1 eine α∞ n α ∗ Dichte μα ∈ Γ (|Λ | T Q) fest. g Beweis. Die Bedingung |gp (vi , vj )| = δij bedeutet, daß die v1 , . . . , vn eine orthonormierte Basis von Tp M bilden. Seien nun zwei orthonormale Basen v1 , . . . , vn und w1 , . . . , wn gegeben und sei (k, ℓ) mit k + ℓ = n die Signatur der Metrik. Dann k¨ onnen wir die Basen so anordnen, daß die ersten k Vektoren ein positives Skalarprodukt und die folgenden ℓ ein negatives Skalarprodukt besitzen. Es gibt daher einen Basiswechsel Avi = wi , welcher A ∈ O(k, ℓ) erf¨ ullt, also AT gA = g. Damit folgt aber | det(A)| = 1, womit (5.180) punktweise wohl-definiert ist. Die Positivit¨ at von μg ist offensichtlich und die Glattheit folgt, da es lokal immer glatte orthonormale Basisvektorfelder e1 , . . . , en gibt. ⊓ ⊔ Definition 5.4.16 (Riemannsche Volumendichte). Die Dichte μg auf einer (Pseudo-) Riemannschen Mannigfaltigkeit (Q, g) heißt kanonische (Pseudo-) Riemannsche Volumendichte zur Metrik g. Weitere Details zur Riemannschen Volumendichte finden sich in Aufgabe 5.10. Zun¨ achst ist es jedoch vorteilhaft, die Wahl einer Dichte nicht weiter zu spezifizieren. Nach Wahl von μ > 0 wird C0∞ (Q) gem¨aß Bemerkung 2.3.41 mittels des Skalarprodukts φψμ (5.181) φ, ψ = Q
zu einem Pr¨ a-Hilbert-Raum. Um nun das Adjungierte von ̺Std (f ) bez¨ uglich (5.181) berechnen zu k¨ onnen, ben¨ otigen wir zun¨achst folgendes Lemma: Lemma 5.4.17. Sei ∇ eine torsionsfreie kovariante Ableitung auf Q und μ ∈ Γ∞ (|Λn |T ∗ Q) eine positive Dichte. Dann definiert α(X) =
∇X μ μ
(5.182)
eine Einsform α ∈ Γ∞ (T ∗ Q) und es gilt tr R = −dα,
(5.183)
wobei (tr R)(X, Y ) = tr(Z → R(X, Y )Z) die Spur des Kr¨ ummungstensors R von ∇ ist.
5.4 Geometrische Verallgemeinerung: Kotangentenb¨ undel
349
Beweis. Zun¨ achst ist klar, daß f¨ ur jedes X ∈ Γ∞ (T Q) durch (5.182) eine glatte Funktion α(X) definiert wird, da μ eine positive Dichte ist und somit μ−1 eine positive (−1)-Dichte ist. Weiter ist α(X) im Argument X sogar C ∞ (Q)-linear, da die kovariante Ableitung diese Eigenschaft besitzt. Es folgt, daß α eine Einsform ist. F¨ ur (5.183) rechnet man nach, daß R1 (X, Y )μ = ∇X ∇Y μ − ∇Y ∇X μ − ∇[X,Y ] μ = ∇X (α(Y )μ) − ∇Y (α(X)μ) − α([X, Y ])μ
= X(α(Y ))μ + α(Y )α(X)μ − Y (α(X))μ − α(X)α(Y )μ − α([X, Y ])μ = (dα)(X, Y )μ, wobei R1 wie in Proposition 2.2.43 der Kr¨ ummungstensor des induzierten Zusammenhangs auf 1-Dichten ist. Andererseits gilt nach dieser Proposition ⊓ ⊔ allgemein R1 (X, Y ) = −(tr R)(X, Y ), womit (5.183) gezeigt ist. Definition 5.4.18. Ein torsionsfreier Zusammenhang heißt unimodular, falls tr R = 0. Proposition 5.4.19 (Unimodulare Zusammenh¨ ange). i.) Der Levi-Civita-Zusammenhang ∇ einer (Pseudo-) Riemannschen Metrik g ist unimodular. F¨ ur die Riemannsche Volumendichte gilt sogar ∇μg = 0.
(5.184)
ii.) Gibt es bez¨ uglich einer torsionsfreien kovarianten Ableitung ∇ eine kovariant konstante positive Dichte, so ist ∇ unimodular. iii.) Ist ∇ unimodular, so gibt es genau dann eine kovariant konstante positive ur eine positive Dichte μ die Einsform α exakt ist. In Dichte μ∇ , wenn f¨ diesem Fall ist α f¨ ur jedes μ exakt und f¨ ur zusammenh¨angendes Q gibt es bis auf konstante Vielfache genau eine kovariant konstante positive Dichte μ∇ . Beweis. Der erste Teil wird in Aufgabe 5.10 gezeigt. Der zweite Teil ist klar nach Lemma 5.4.17. F¨ ur den dritten Teil w¨ ahlt man eine positive Dichte μ. Dann ist jede andere positive Dichte von der Form eg μ mit einer reellwertigen Funktion g ∈ C ∞ (Q). Gilt nun ∇X μ = α(X)μ, so folgt ∇X (eg μ) = eg dg(X)μ + eg α(X)μ = (dg + α)(X)μ. Damit ist eg μ genau dann kovariant konstant, wenn dg = −α gilt. Dies ist genau dann m¨ oglich, wenn α exakt ist. Ist dies f¨ ur ein μ der Fall, so auch f¨ ur alle anderen positiven Dichten, da sich α gerade um einen exakten Term andert, wenn man zu einer anderen positiven Dichte u ¨ ¨ bergeht. Sei nun sowohl μ als auch eg μ kovariant konstant, dann gilt X(g) = 0, womit g und somit ⊓ ⊔ auch eg lokal konstant sind.
350
5 Quantisierung: Erste Schritte
Im unimodularen Fall l¨ aßt sich also insbesondere dann eine kanonische Wahl f¨ ur μ treffen, wenn H1dR (Q) = {0} ist, da dann ja jede geschlossene Einsform exakt ist und somit eine (im wesentlichen) eindeutige, kovariant konstante positive Dichte existiert. Im allgemeinen ist α = 0, was sich beim partiellen Integrieren von Ableitungen bez¨ uglich des Skalarprodukts ·, · aus (5.181) bemerkbar machen wird. uglich des SkalarproUm nun den adjungierten Operator von ̺Std (f ) bez¨ dukts (5.181) berechnen zu k¨ onnen, ben¨ otigen wir noch das Analogon des Operators ∆ aus (5.19). Lemma 5.4.20. Sei ∇ eine torsionsfreie kovariante Ableitung auf Q mit uglich einer lokalen Karte (U, x) von Q. Seien Christoffel-Symbolen Γijk bez¨ weiter (T ∗ U, (q, p)) die induzierten lokalen B¨ undelkoordinaten von T ∗ Q. Dann ist der Operator ∆ T ∗ U =
k ∂2
∂ ∂2 ∗ + p π + π ∗ Γiji Γij k i ∂q ∂pi ∂pi ∂pj ∂pj
(5.185)
unabh¨angig von der Karte (U, x) und somit ein global definierter Differentialoperator zweiter Ordnung ∆ : C ∞ (T ∗ Q) −→ C ∞ (T ∗ Q),
(5.186)
[Lξ , ∆] = − ∆
(5.187)
welcher erf¨ ullt. Beweis. Die Koordinatenunabh¨ angigkeit von ∆ ist eine l¨angere aber einfache Rechnung, welche wir hier nicht explizit vorf¨ uhren wollen, siehe Aufgabe 5.18. Gleichung (5.187) ist nach der lokalen Formel (5.185) aber offensichtlich. ⊓ ⊔ Die Aussage von Gleichung (5.187) liefert insbesondere, daß ∆ die polynomialen Funktionen in den Impulsen Pol(T ∗ Q) wieder auf solche abbildet, wobei (5.188) ∆ : Pol• (T ∗ Q) −→ Pol•−1 (T ∗ Q). Bemerkung 5.4.21. Die Koordinatenunabh¨ angigkeit von ∆ l¨aßt sich auch so verstehen, daß ∆ bis auf einen Faktor der Laplace-Operator zur PseudoRiemannschen Metrik g ∇ auf T ∗ Q ist, welche man aus der nat¨ urlichen Paa∗ ∗ (T Q) und der π ⊆ T (T Q) = ker T Ver rung der Vertikalr¨ aume Tq∗ Q ∼ = αq αq αq ∇ ∗ ∗ ∼ uglich des ZusammenHorizontalr¨ aume Tq Q = Horαq (T Q) ⊆ Tαq (T Q) bez¨ hangs ∇ erh¨ alt. Dieser Aspekt wird jedoch im folgenden keine Rolle spielen, so daß wir f¨ ur die genauen Definitionen und die entsprechenden Beweise auf die Literatur [42–44,252,310,330] sowie auf Aufgabe 5.15 und 5.18 verweisen.
5.4 Geometrische Verallgemeinerung: Kotangentenb¨ undel
351
Wir kommen nun zum entscheidenden Satz von Neumaier, welcher es gestattet den adjungierten Operator zu ̺Std (f ) in voller Allgemeinheit zu berechnen: Satz 5.4.22 (Neumaier). Sei ∇ eine torsionsfreie kovariante Ableitung auf Q mit zugeh¨origer standardgeordneter Quantisierung ̺Std , und sei μ ∈ Γ∞ (|Λn |T ∗ Q) eine positive Dichte, μ > 0, mit zugeh¨origem Skalarprodukt f¨ ur ur f ∈ Pol(T ∗ Q) und φ, ψ ∈ C0∞ (Q) die Gleichung C0∞ (Q). Dann gilt f¨ & % φ, ̺Std (f )ψ = ̺Std (N 2 f )φ, ψ (5.189)
mit dem Neumaier-Operator
N = e 2i (∆ +F(α))
(5.190)
mit ∆ wie in (5.185) und α wie in (5.182). Beweis. Zun¨ achst ist zu bemerken, daß N : Pol(T ∗ Q) −→ Pol(T ∗ Q) tats¨ achlich ein wohl-definierter linearer Isomorphismus ist, da ∆ und auch F(α) den Impulsgrad um eins verringern und somit nur endlich viele Terme der Exponentialreihe beitragen. F¨ ur den Beweis von (5.189) gen¨ ugt es offenbar, nur solche φ, ψ zu betrachten, deren Tr¨ ager in einem Kartenbereich liegt. Den allgemeinen Fall erh¨ alt man dann durch eine entsprechende Zerlegung der Eins. Lokal besteht (5.189) in einer technisch aufwendigen partiellen Integration im Stile der aus Lemma 5.2.9, wobei nun jedoch Ableitungen von μ sowie Kr¨ ummungsterme ber¨ ucksichtigt werden m¨ ussen. F¨ ur diese technischen Details sei auf [42–44, 252] verwiesen. ⊓ ⊔ Das Bemerkenswerte, insbesondere in Hinblick auf die nichttriviale partielle Integration, welche zu (5.189) f¨ uhrt, ist, daß sich der adjungierte Differentialoperator ̺Std (f )† so einfach aus ̺Std (f ) beziehungsweise f berechnen l¨ aßt, und dies zudem in v¨ olliger Analogie zum flachen Fall. Bemerkung 5.4.23. Ist μ sogar kovariant konstant, also beispielsweise f¨ ur den Levi-Civita-Zusammenhang ∇ und das Riemannsche Volumen μg einer (Pseudo-) Riemannschen Metrik g, so gilt
N = e 2i ∆ ,
(5.191)
Ê
wie bereits im flachen Fall T ∗ n in Abschnitt 5.2.2. Im allgemeinen vertauschen ∆ und F(α) jedoch nicht, womit sich die Exponentialfunktion nicht auf einfache Weise faktorisieren l¨ aßt, siehe jedoch Aufgabe 5.13. Da ̺Std (f )† diese einfache Form besitzt, liegt es nahe, die Weyl-Ordnung und allgemeiner die κ-Ordnung aus Abschnitt 5.2.2 auch auf diesen Fall zu verallgemeinern:
352
5 Quantisierung: Erste Schritte
Definition 5.4.24 (κ-Ordnung). Seien ∇ und μ wie zuvor. Dann definiert man die κ-Ordnung f¨ ur κ ∈
Ê
̺κ : Pol• (T ∗ Q) −→ DiffOp(Q)
(5.192)
̺κ (f ) = ̺Std (Nκ f )
(5.193)
Nκ = e−iκ(∆ +F(α)) .
(5.194)
durch mit 1 2
wird als Weyl-Ordnung ̺Weyl (auch Weyl-Darstellung oder Der Fall κ = Schr¨odinger-Darstellung in Weyl-Ordnung) und κ = 1 als Antistandardordnung ̺Std bezeichnet. Da weiter ̺Std und damit auch alle κ-Ordnungen ̺κ lineare Isomorphismen zwischen den klassischen Observablen Pol(T ∗ Q) und den Differentialoperatoren DiffOp(Q) sind, k¨ onnen wir erneut das Produkt von DiffOp(Q) ur Pol(T ∗ Q). zur¨ uckziehen und erhalten somit Sternprodukte ⋆κ f¨ Definition 5.4.25 (κ-geordnetes Sternprodukt). Seien ∇ und μ wie zuvor. Dann definiert man das κ-geordnete Sternprodukt ⋆κ f¨ ur Funktionen f, g ∈ Pol(T ∗ Q) durch f ⋆κ g = ̺κ −1 (̺κ (f ) ̺κ (g)) .
(5.195)
Der Fall κ = 0 wird als standardgeordnetes Sternprodukt ⋆Std , der Fall κ = 21 als Weyl-geordnetes Sternprodukt ⋆Weyl und der Fall κ = 1 als antistandardgeordnetes Sternprodukt ⋆Std bezeichnet. Die Beziehungen zwischen ⋆κ , ̺κ und Nκ sind nun v¨ollig analog zu denen im flachen Fall T ∗ n . Wir stellen sie trotzdem nochmal zusammen:
Ê
Satz 5.4.26 (κ-Geordnetes Sternprodukt auf T ∗ Q, I). Seien ∇ und μ wie zuvor. Dann gilt: i.) Das κ-geordnete Sternprodukt ⋆κ ist ein assoziatives Produkt f¨ ur den Vekur alle κ zum standardgeordneten Sternprotorraum Pol(T ∗ Q), welches f¨ dukt ⋆Std isomorph ist, wobei f ⋆κ g = Nκ−1 (Nκ f ⋆Std Nκ g)
(5.196)
ein Isomorphismus ist. ii.) Die κ-geordnete Quantisierung ̺κ ist eine Darstellung von (Pol(T ∗ Q), ⋆κ ), es gilt (5.197) ̺κ (f ⋆κ g) = ̺κ (f ) ̺κ (g). iii.) F¨ ur die komplexe Konjugation gilt f ⋆κ g = g ⋆1−κ f
(5.198)
sowie ̺κ (f )† = ̺1−k (f ), ∗
(5.199) ∗
womit f → f eine -Involution f¨ ur ⋆Weyl und ̺Weyl eine -Darstellung ist.
5.4 Geometrische Verallgemeinerung: Kotangentenb¨ undel
353
Der Beweis ist klar und erfolgt ausschließlich unter Benutzung der algebraischen Identit¨ aten f¨ ur ⋆κ , ̺κ und Nκ wie bereits im flachen Fall. Die Vertr¨ aglichkeit der κ-Ordnung mit den physikalischen Impulsdimensionen beschreibt man am besten mit Hilfe des Homogenit¨atsoperators H=
∂ + Lξ . ∂
(5.200)
Proposition 5.4.27 (Homogenit¨ at). Der Operator Nκ , die κ-geordnete Darstellung sowie das κ-geordnete Sternprodukt sind homogen im Sinne, daß
[H, Nκ ] = 0,
(5.201)
∂ψ ∂ (̺κ (f )ψ) = ̺κ (Hf )ψ + ̺κ (f ) ∂ ∂
(5.202)
H(f ⋆κ g) = Hf ⋆κ g + f ⋆κ Hg.
(5.203)
und Beweis. Der Beweis folgt zun¨ achst f¨ ur ̺Std aus Bemerkung 5.4.11. Daß Nκ mit (∆ +F(α)) offenbar mit H vertauscht. H vertauscht, ist klar, da der Exponent 2i Damit folgt aber sofort auch (5.202). Mit Hilfe der Injektivit¨at von ̺κ und der Darstellungseigenschaft erh¨ alt man dann auch (5.203). ⊓ ⊔ Wir bestimmen nun die κ-Darstellung einiger f¨ ur die Physik besonders wichtigen Observablen: Bemerkung 5.4.28. Sei V ∈ C ∞ (Q) eine Funktion der Ortsvariablen und sei X ∈ Γ∞ (T Q) ein Vektorfeld mit zugeh¨ origem linearen Impuls J(X) ∈ Pol1 (T ∗ Q). Dann gilt (5.204) ̺κ (π ∗ V ) = V ̺κ (J(X)) = −i LX −iκ divμ (X).
(5.205)
Die erste Gleichung ist offensichtlich. Die zweite l¨aßt sich leicht mit Hilfe der lokalen Formeln f¨ ur ∆, ̺Std und divμ zeigen. Bemerkung 5.4.29. Ist g eine (Pseudo-) Riemannsche Metrik und w¨ahlt man den Levi-Civita-Zusammenhang ∇ sowie das Riemannsche Volumen μg zur ur die κ-geordnete Quantisierung der Konstruktion von ⋆κ und ̺κ , so gilt f¨ kinetischen Energie T (αq ) = 12 gq−1 (αq , αq ) aus Abschnitt 3.2.2 die Gleichung ̺κ (T ) = −
2 ∆g , 2
(5.206)
wobei ∆g der zur Metrik g geh¨ orende Laplace-Operator ist, siehe Aufgabe 5.12. Insgesamt gilt also f¨ ur die Quantisierung einer typischen Hamilton-Funktion H = T + U mit kinetischer Energie T und potentieller Energie U = π ∗ V in diesem Fall
354
5 Quantisierung: Erste Schritte
2 ∆g +V, (5.207) 2 was offenbar den u ¨ blichen Hamilton-Operator in der Quantenmechanik auf geometrische Weise verallgemeinert. Man beachte jedoch, daß verschiedene andere Quantisierungsvorschriften hier geringf¨ ugig andere Ergebnisse liefern, wobei typischerweise noch Beitr¨ age des Kr¨ ummungsskalars auftreten, siehe etwa [195–197, 305]. ̺κ (H) = −
Als letzten Schritt wollen wir die Sternprodukte ⋆κ wieder als Potenzreihen in schreiben und die Eigenschaften der entsprechenden bilinearen Operatour den flachen Fall getan ren Cr diskutieren, wie wir das bereits in Satz 5.2.24 f¨ haben. Es gilt folgender Satz: Satz 5.4.30 (κ-Geordnete Sternprodukte auf T ∗ Q, II). F¨ ur alle κ ∈ ist das κ-geordnete Sternprodukt ⋆κ von der Form f ⋆κ g =
∞
r Cr (f, g),
Ê
(5.208)
r=0
wobei die bilinearen Abbildungen Cr : Pol(T ∗ Q) × Pol(T ∗ Q) −→ Pol(T ∗ Q)
(5.209)
folgende Eigenschaften besitzen: i.) Es gilt die Assoziativit¨atsbedingung k r=0
ii.) iii.) iv.) v.)
Cr (Ck−r (f, g), h) =
k
Cr (f, Ck−r (g, h))
(5.210)
r=0
f¨ ur alle k und f, g, h ∈ Pol(T ∗ Q). C0 (f, g) = f g. C1 (f, g) − C1 (g, f ) = i{f, g}. 1 ⋆κ f = f = f ⋆κ 1. Cr ist ein Bidifferentialoperator der Ordnung r in jedem Argument.
W¨ ahrend die ersten Eigenschaften leicht nachzurechnen sind, ist es die letzte Eigenschaft v.), welche sich als schwierig erweist: das Problem ist, daß die Cr nur auf den in den Impulsen polynomialen Funktionen definiert sind und deshalb a priori durchaus unendlich viele Impulsableitungsordnungen in einem onnten, da dies auf Polynomen ja wohl-definierte Abbildungen Cr auftreten k¨ liefert. F¨ ur einen detaillierten Beweis sowie eine weiterf¨ uhrende Diskussion dieser Sternprodukte und ihrer Darstellungen verweisen wir auf [42–44, 252, 310] sowie auf die Aufgaben 6.2, 6.3 und 6.9. Bemerkung 5.4.31 (H¨ormander-Symbole auf Kotangentenb¨ undeln). Der Vollst¨ andigkeit wegen sei auch erw¨ ahnt, daß es f¨ ur Kotangentenb¨ undel ebenfalls
5.5 Aufgaben
355
den Begriff der H¨ ormander-Symbole gibt, da die Impulsrichtungen nach wie vor Vektorr¨ aume sind. Ebenso gibt es eine wohlformulierte Theorie der Pseudodifferentialoperatoren auf den Wellenfunktionen C0∞ (Q), welche man durch geeignetes Zusammenkleben der lokalen Theorie erh¨alt. Details hierzu sind etwa in [172] sowie in den dort angef¨ uhrten Literaturangaben zu finden. Es gibt aber auch einen globalen Symbolkalk¨ ul f¨ ur Pseudodifferentialoperatoren, der auf die Wahlen eines torsionsfreien Zusammenhangs ∇, einer positiven Dichte μ > 0 sowie einer technisch notwendigen Abschneidefunktion χ zur¨ uckgreift. Damit l¨ aßt sich zeigen, daß die Formeln f¨ ur Nκ und ̺κ ebenso wie im flachen Fall asymptotische Entwicklungen f¨ ur −→ 0 der zugeh¨ origen Integralformeln sind. Wir bemerken aber, daß f¨ ur Polynour Details me Pol(T ∗ Q) diese asymptotischen Formeln bereits exakt sind. F¨ sei auf [42, 194, 264, 265, 267, 282, 326, 327] verwiesen.
5.5 Aufgaben Aufgabe 5.1 (Geometrische Quantisierung: Pr¨ aquantisierung). Sei (M, ω) eine symplektische Mannigfaltigkeit. i.) Zeigen Sie, daß die Abbildung f → Q(1) (f ) = −iXf eine Lie-Algebrauglich der Lie-Klammer i{·, ·} darstellung von C ∞ (M ) auf C0∞ (M ) bez¨ ist. Hier ist also die Korrespondenz (5.4) exakt erf¨ ullt. ii.) Zeigen Sie Q(1) (const ) = 0. Argumentieren Sie mit Hilfe der Unsch¨arferelationen zwischen Orten und Impulsen, wieso diese Eigenschaft zu einer physikalisch unbrauchbaren Quantisierung f¨ uhrt. Daher ist Q(1) also zu verwerfen. iii.) Betrachten Sie als zweiten Versuch die Abbildung f → Q(2) (f ) = −iXf + f , wobei f als Multiplikationsoperator auf C0∞ (M ) wirke. Zeigen Sie, daß zwar Q(2) (1) = id gilt, daß aber Q(2) keine Lie-Algebradarstellung ist. Daher ist auch Q(2) keine L¨ osung. iv.) Sei nun eine Einsform θ ∈ Γ∞ (T ∗ M ). Betrachten Sie dann Qθ (f ) = −iXf + θ(Xf ) + f.
(5.211)
Zeigen Sie, daß Qθ genau dann eine Lie-Algebradarstellung wird, wenn dθ = ω gilt. Hinweis: Aufgabe 2.5 und Satz 3.1.15. Nicht auf jeder symplektischen Mannigfaltigkeit ist ω eine exakte Zweiform, auf einer kompakten ist dies beispielsweise nie der Fall. Da man trotzdem an einer Quantisierung interessiert ist, gilt es, Q geeignet zu modifizieren. v.) Sei π : L −→ M ein komplexes Geradenb¨ undel u ¨ber M und ∇ eine kovariante Ableitung f¨ ur L. Definieren Sie dann Q∇ (f ) = −i∇Xf + f
(5.212)
356
5 Quantisierung: Erste Schritte
als Operator auf Γ∞ ummungszweiform von ∇. Fin0 (L). Sei R die Kr¨ den Sie dann eine Beziehung zwischen R und ω, so daß Q∇ eine LieAlgebradarstellung wird. Ist Q∇ treu? vi.) Sei nun ∇′ ein weiterer Zusammenhang auf L und θ(X) = ∇X − ∇′X . Berechnen Sie die Differenz R − R′ . K¨ onnen Sie, falls ∇ die Kr¨ ummungs′ ullt, ∇′ so w¨ ahlen, daß Q∇ die Bedingung aus bedingung f¨ ur Q∇ nicht erf¨ Teil v.) doch erf¨ ullt. Interpretieren Sie Ihr Ergebnis kohomologisch. vii.) Diskutieren Sie die Vertr¨ aglichkeit der Quantisierung mit der assoziativen Struktur der klassischen Observablen C ∞ (M ). Vergleichen Sie hierzu insbesondere Q∇ (f g) mit Q∇ (f )Q∇ (g). Bemerkung: Die Existenz eines Geradenb¨ undels L mit einem Zusammenhang ∇, welcher der Bedingung aus Teil v.) gen¨ ugt, ist eine topologische ugig schw¨acher als die ExBedingung an [ω] ∈ H2dR (M, ), welche geringf¨ aktheit [ω] = 0 ist. Diese Pr¨aquantenbedingung ist das Analogon der Integralit¨ atsbedingung f¨ ur das Vektorpotential beim Aharonov-Bohm-Effekt f¨ ur Zweiformen anstelle von Einsformen, siehe Bemerkung 6.3.26.
Ê
Aufgabe 5.2 (Geometrische Quantisierung: Polarisierung). Sei (M, ω) eine symplektische Mannigfaltigkeit und π : L −→ M ein Geradenb¨ undel mit Zusammenhang ∇, so daß die Pr¨ aquantenbedingung aus Aufgabe 5.1 erf¨ ullt ist. Das Problem bei der Interpretation von Γ∞ a-Hilbert-Raum der 0 (L) als Pr¨ Quantenmechanik ist, daß die Wellenfunktionen“ noch von zu vielen Varia” blen abh¨ angen: in einer Darboux-Karte h¨ angt ein Schnitt ψ ∈ Γ∞ 0 (L) eben sowohl von den q’s als auch von den p’s ab. Daher versucht man eine geeignete Auswahl zu treffen. Eine reelle Polarisierung ist eine involutive glatte Distribution L ⊆ T M derart, daß an jedem Punkt Lp ⊆ Tp M ein Lagrangescher Unterraum ist. i.) Zeigen Sie, daß eine reelle Polarisierung immer regul¨ar und integrabel ist, also ein Unterb¨ undel von T M definiert. Zeigen Sie weiter, daß die Bl¨atter von L (im allgemeinen nur immersierte) Lagrangesche Untermannigfaltigkeiten sind. Hier heißt eine Untermannigfaltigkeit L Lagrangesch, falls ur jeden Punkt p ∈ L ein Lagrangescher Untervektorraum Tp L ⊆ Tp M f¨ ist. ii.) Sei X, Y ∈ Γ∞ (L) ⊆ Γ∞ (T M ). Zeigen Sie, daß R(X, Y ) = 0 f¨ ur die Kr¨ ummung des Zusammenhangs ∇.
uglich L, wenn ∇X ψ = 0 Sei nun ψ ∈ Γ∞ (L). Dann heißt ψ polarisiert bez¨ f¨ ur alle X ∈ Γ∞ (L). Dies bedeutet anschaulich, daß ψ konstant“ l¨angs der ” Lagrangeschen Bl¨ atter von L ist. Eine Funktion f ∈ C ∞ (M ) heißt quantisierbar, wenn Q(f )ψ polarisiert ist, f¨ ur alle lokal definierten Schnitte ψ, welche polarisiert sind.
iii.) Zeigen Sie, daß die quantisierbaren Observablen eine Lie-Unteralgebra von C ∞ (M ) bilden.
5.5 Aufgaben
357
iv.) Zeigen Sie, daß es lokal immer nichttriviale polarisierte Schnitte von L gibt. Hinweis: W¨ ahlen Sie eine geeignete Trivialisierung von L und zerbl¨attern Sie M in die Lagrangeschen Bl¨ atter gem¨ aß des Frobenius-Theorems Korollar 4.1.29. Definieren Sie dann ψ lokal konstant l¨angs der Bl¨atter unter Benutzung einer Bl¨ atterungskarte. ur alle lokal defiv.) Zeigen Sie, daß f quantisierbar ist, falls ∇[X,Xf ] ψ = 0 f¨ nierten X ∈ Γ∞ (L) und alle lokalen polarisierten Schnitte ψ. Hinweis: Hier ben¨ otigen Sie die Pr¨ aquantenbedingung. vi.) Zeigen Sie, daß f genau dann quantisierbar ist, wenn f¨ ur alle X ∈ Γ∞ (L) ∞ auch LXf X ∈ Γ (L) gilt, also Xf die Polarisierung erh¨alt. vii.) Betrachten Sie den Fall M = T ∗ Q. Zeigen Sie, daß die vertikale Polarisierung L = Ver(T ∗ Q) = ker T π ⊆ T (T ∗Q) tats¨achlich eine reelle Polarisierung ist und bestimmen Sie die Lagrangeschen Bl¨atter. viii.) Zeigen Sie in diesem Fall, daß die einzigen quantisierbaren Funktionen auf T ∗ Q von der Form f = π ∗ u + J(X) mit u ∈ C ∞ (Q) und X ∈ Γ∞ (T Q) sind. Bemerkung: Mit der Wahl einer Polarisierung beginnen die Probleme in der geometrischen Quantisierung: die Existenz hinreichend vieler quantisierbarer Funktionen ist alles andere als gesichert, im Gegenteil, es m¨ ussen meist ¨ erhebliche Anstrengungen und ad-hoc Uberlegungen angestellt werden, um die relevanten Observablen zu quantisieren. Nach diesem ersten Einblick in die geometrische Quantisierung sei f¨ ur ein weiteres Studium auf die Literatur verwiesen [328]. Aufgabe 5.3 (Der Bargmann-Fock-Raum). Betrachten Sie den Bargmann-Fock-Raum HBF der quadratintegrablen anti-holomorphen Funktionen 1 − zz bez¨ uglich des Gaußschen Maßes dμ = 2π e 2 dzdz, wobei dzdz das auf u ¨ bliche Lebesgue-Maß auf bezeichnet
1 zk (2)k k!
i.) Zeigen Sie, daß die Vektoren ek (z) = √
mit k ∈
0 ein Ortho-
normalsystem in HBF bilden, indem Sie zur Integration Polarkoordinaten verwenden. ii.) Definieren Sie f¨ ur k ∈ 0 und R ≥ 0 die Funktion 1 R 2k+1 − r2 r e 2 dr ck (R) = (5.213) 0
und zeigen Sie, daß ck streng monoton wachsend ist. Bestimmen Sie limR−→∞ ck (R). iii.) Sei nun φ ∈ HBF . Zeigen Sie unter Verwendung des Satzes von der monotonen Konvergenz und der gleichm¨ aßigen Konvergenz der Taylor-Reihe auf jedem Kompaktum die Gleichung ∞ 1 ∂ k φ 2 (5.214) φ, φBF = lim k! ∂z k (0) ck (R). R−→∞ k=0
358
5 Quantisierung: Erste Schritte
iv.) Benutzen Sie nun die Eigenschaften von ck (R), um abermals mittels des Satzes von der monotonen Konvergenz auch die verbleibende Summation in (5.214) mit dem Grenz¨ ubergang R −→ ∞ zu vertauschen. Zeigen Sie damit f¨ ur φ ∈ HBF 2 ∞ (2)k ∂ k φ φ, φBF = (0) . (5.215) k! ∂zk k=0 v.) Zeigen Sie f¨ ur φ ∈ HBF
|φ(z)| ≤ e
|z|2 4
φBF ,
(5.216)
und folgern Sie somit die Stetigkeit aller δ-Funktionale auf HBF . Hinweis: Schreiben Sie φ(z) als konvergente Taylor-Reihe und verwenden Sie zur Absch¨ atzung die Cauchy-Schwartz-Ungleichung. uglich ·BF . Zeigen vi.) Betrachten Sie nun eine Cauchy-Folge φn ∈ HBF bez¨ Sie, daß φn auf jedem Kompaktum gleichm¨aßig konvergiert und daher gegen eine anti-holomorphe Funktion φ strebt. Zeigen Sie nun φ ∈ HBF und folgern Sie so die Abgeschlossenheit von HBF in L2 ( , dμ). Hinweis: Benutzen Sie, daß φn bez¨ uglich ·BF gegen eine quadratintegrable Funktion ψ konvergiert. Weiter k¨onnen Sie benutzen, daß damit eine Teilfolge existiert, welche fast u ¨ berall punktweise gegen ψ konvergiert. Folgern Sie dann ψ = φ fast u ¨ berall. vii.) Zeigen Sie nun mit Verwendung des Satzes von der majorisierten Konvergenz und der gleichm¨ aßigen Konvergenz der Taylor-Reihe auf Kompakta, daß 7 (2)k ∂ k φ ek , φBF = (0). (5.217) k! ∂z k Folgern Sie damit und aus Teil iv.), daß {ek }k∈0 eine Hilbert-Basis ist. Berechnen Sie dann das Skalarprodukt φ, ψBF explizit, und zeigen Sie so die Gleichung (5.40).
Aufgabe 5.4 (Ordnungsvorschriften). Wir betrachten die polynomialen Funktionen Pol( 2n ) beziehungsweise die in den Impulsen polynomialen ˜-geordnete QuantisieFunktionen Pol(T ∗ n ) sowie deren κ-geordnete und κ rungen. i.) Sei φ, ψ ∈ C0∞ ( n ) und f ∈ Pol(T ∗% n ). Zeigen Sie & durch eine explizite partielle Integration φ, ̺Std (f )ψ = ̺Std (N 2 f )φ, ψ , indem Sie zun¨achst ∞ ir i1 n Funktionen der Form f (q, p) = χ(q)p · · · p mit χ ∈ C ( ) betrach ten. Hier ist N = exp 2i ∆ wie in (5.19). ii.) Zeigen Sie durch explizite Berechnung mit Hilfe der Leibniz-Regel die Gleichheit ̺Std (f ) = ̺Std (N 2 f ) f¨ ur die antistandardgeordnete Quantisierung. ur f ∈ Pol( 2n ) iii.) Zeigen Sie analog die Gleichung ̺Wick (f ) = ̺Wick (S 2 f ) f¨ ˜ wie in (5.49). mit S = exp(∆)
5.5 Aufgaben
359
iv.) Finden Sie eine explizite Formel f¨ ur ⋆Wick analog zu (5.77), indem Sie zum ¨ einen die Aquivalenztransformation S und zum anderen die Darstellung ̺Wick benutzen. Aufgabe 5.5 (Sternprodukte von Exponentialfunktionen I). Betrachten Sie das κ-geordnete Sternprodukt ⋆κ auf 2n sowie die Funktionen eαβ (q, p) = eαq+βp . Hier bezeichnen q ∈ n die Ortskoordinaten und p ∈ ( dinaten. Entsprechend gilt α ∈ ( n )∗ und β ∈ n .
(5.218) n ∗
) die Impulskoor-
i.) Bestimmen Sie die physikalischen Dimensionen von α und β, so daß eαβ wohl-definiert ist. ii.) Berechnen Sie eαβ ⋆Std eγδ . iii.) Berechnen Sie Nκ eαβ . iv.) Berechnen Sie eαβ ⋆κ eγδ . Die so erhaltenen Relationen heißen auch Weyl-Relationen. Aufgabe 5.6 (Vollst¨ andige Symmetrisierung). Definieren Sie f¨ ur Polynome [q, p] in q und p die Quantisierung durch vollst¨andige Symmetrisierung
W (q n pm ) =
1 (n + m)!
σ∈Sn+m
Aσ(1) · · · Aσ(n+m) ,
(5.219)
wobei A1 = · · · = An = Q und An+1 = · · · = An+m = P die Orts- und Impulsoperatoren sind. Definieren Sie weiter f¨ ur Buchstaben A, B die Summe oglichen Worte mit n Kopien von A und m Kopien wn,m (A, B) u ¨ber alle m¨ von B, also etwa w1,2 (A, B) = ABB + BAB + BBA. n!m! i.) Zeigen Sie W (q n pm ) = (n+m)! wn,m (Q, P ). ii.) Zeigen Sie die Rekursionsformel
wn+1,m (A, B) = Awn,m (A, B) + Bwn+1,m−1 (A, B).
(5.220)
iii.) Zeigen Sie nun durch Induktion nach k die Gleichung (A + B)k =
k
wℓ,k−ℓ (A, B).
(5.221)
ℓ=0
iv.) Sei α, β ∈
. Folgern Sie aus (5.221) die Identit¨at
k W (αq + βp)k = (αQ + βP ) .
(5.222)
v.) Folgern Sie damit, im Sinne von formalen Reihen in α und β, W (eαq+βp ) = eαQ+βP . vi.) Zeigen Sie W = ̺Weyl . Benutzen Sie hierzu Aufgabe 5.5.
360
5 Quantisierung: Erste Schritte
Literatur: [50, Thm. 6] Aufgabe 5.7 (A-Geordnete Sternprodukte). Sei (V, ω) ein symplektischer Vektorraum und e1 , . . . , e2n eine Basis. Die Koeffizienten der symplektischen Form seien ωij = ω(ei , ej ) und die inverse Matrix werde wie u ¨blich mit ω ij bezeichnet mit der Konvention ω ij ωjk = δki . Definieren Sie weiter den Operator Λ = ω ji
∂ ∂ ⊗ j : Pol• (V ) ⊗ Pol• (V ) −→ Pol• (V ) ⊗ Pol• (V ) i ∂x ∂x
(5.223)
wobei x1 , . . . , x2n die durch die Vektorraumbasis e1 , . . . , e2n induzierten linearen Koordinaten auf V sind. i.) Zeigen Sie, daß Λ von der gew¨ ahlten Basis unabh¨angig ist. Ist e1 , . . . , e2n sogar eine Darboux-Basis, so gilt Λ = P − P ∗ , wobei P und P ∗ die Operatoren aus (5.60) sind. ii.) Zeigen Sie, daß i (5.224) f ⋆Weyl g = μ ◦ e 2 Λ f ⊗ g ein Sternprodukt f¨ ur Pol• (V ) liefert, welches nach Wahl einer DarbouxBasis mit dem Weyl-Moyal-Sternprodukt (5.66) u ¨ bereinstimmt. Auf diese Weise folgt, daß ⋆Weyl nicht von der gew¨ahlten Darboux-Basis abh¨angt, sondern intrinsisch auf (V, ω) definiert ist, ganz im Gegensatz zu ⋆κ f¨ ur κ = 21 .
Betrachten Sie nun eine symmetrische -wertige Bilinearform A auf V ∗ , welche in Koordinaten die Koeffizienten Aij = A(ei , ej ) habe. Die Bilinearform A kann durchaus ausgeartet sein. Man definiert den Operator ∆A = Aij
∂2 : Pol• (V ) −→ Pol• (V ) ∂xi ∂xj
(5.225)
sowie PA = Aij
∂ ∂ ⊗ j : Pol• (V ) ⊗ Pol• (V ) −→ Pol• (V ) ⊗ Pol• (V ) ∂xi ∂x
(5.226)
iii.) Zeigen Sie, daß die Definition von ∆A und PA nicht von der Wahl der Basis abh¨ angen. iv.) Zeigen Sie die Identit¨ at ∆A ◦μ = μ ◦ (∆A ⊗ id +2PA + id ⊗ ∆A ) . v.) Sei NA = exp( ∆A ). Zeigen Sie, daß
f ⋆A g = NA NA−1 f ⋆Weyl NA−1 g
(5.227)
(5.228)
ein Sternprodukt definiert, welches die kanonische Poisson-Klammer quantisiert. Geben Sie eine explizite Formel analog zu (5.65) an.
5.5 Aufgaben
361
vi.) Zeigen Sie, daß alle Sternprodukte ⋆κ und ⋆κ˜ von dieser Form sind und bestimmen Sie die zugeh¨ orige Bilinearformen Aκ und Aκ˜ . Aufgabe 5.8 (Sternprodukte von Exponentialfunktionen II). Analog zu Aufgabe 5.5 betrachten wir nun die κ ˜-geordneten Sternprodukte auf n und die Exponentialfunktionen
eαβ (z, z) = eαz+βz f¨ ur α, β ∈
(5.229)
n und αz = αk z k etc.
i.) Berechnen Sie eαβ ⋆Wick eγδ . ii.) Berechnen Sie S κ˜ eαβ . iii.) Berechnen Sie eαβ ⋆κ˜ eγδ . Aufgabe 5.9 (Sternprodukte von Exponentialfunktionen III). Betrachten Sie wie in Aufgabe 5.7 einen symplektischen Vektorraum (V, ω) mit dem kanonischen Weyl-Moyal-Sternprodukt und einer -wertigen symmetrischen Bilinearform A auf V ∗ . Seien weiter ∆A , PA und NA die Operatoren wie in Aufgabe 5.7 und ⋆A das entsprechende A-geordnete Sternprodukt. Dann betrachten wir die Exponentialfunktionen
eα (x) = eα(x) ,
(5.230)
wobei α ∈ V ∗ nat¨ urlich mit x ∈ V gepaart wird. i.) Berechnen Sie eα ⋆Weyl eβ . ii.) Berechnen Sie ∆A eα sowie NA eα . iii.) Berechnen Sie eα ⋆A eβ . Aufgabe 5.10 (Die Riemannsche Volumendichte). Betrachten Sie eine n-dimensionale Riemannsche Mannigfaltigkeit (M, g) mit der zugeh¨origen Riemannschen Volumendichte μg ∈ Γ∞ (|Λn |T ∗ M ). Der Levi-Civita-Zusammenhang ∇ induziert nach Abschnitt 2.2.5 einen Zusammenhang f¨ ur das Dichtenb¨ undel |Λn |T ∗ M , welcher auch mit ∇ bezeichnet sei.
i.) Sei A ∈ GLn ( ) eine invertierbare Matrix. Zeigen Sie folgende Gleichung ∂ det(A) = det(A)aji , ∂aij
(5.231)
wobei aij die Matrixeintr¨ age der zu A inversen Matrix seien. Hinweis: Es gibt (mindestens) zwei Strategien: einmal kann man den Laplaceschen Entwicklungssatz f¨ ur die Determinante bem¨ uhen. Zum anderen kann man von der Gleichung det(eB ) = etr B Gebrauch machen, und verwenden, daß alle invertierbaren Matrizen endliche Produkte von Matrizen der Form eB sind.
362
5 Quantisierung: Erste Schritte
ii.) Zeigen Sie, daß μg in einer Karte (U, x) lokal als μg = det(g)|dx1 ∧ · · · ∧ dxn |
(5.232)
geschrieben werden kann, wobei g = (gij ) die Matrix der Koeffizienten der Riemannschen Metrik bez¨ uglich der Koordinaten x und |dx1 ∧ · · · ∧ dxn | ∂ diejenige lokal definierte Dichte ist, welche auf den Basisvektorfelder ∂x 1, ∂ . . . , ∂xn an jedem Punkt in U den Wert 1 annimmt. iii.) Zeigen Sie, daß die Riemannsche Volumendichte μg bez¨ uglich des LeviCivita-Zusammenhangs kovariant konstant ist, also ∇X μg = 0
(5.233)
f¨ ur alle X ∈ Γ∞ (T M ). Am einfachsten ist vermutlich eine Rechnung in lokalen Koordinaten. iv.) Nehmen Sie nun weiter an, daß M orientierbar und orientiert ist. Dann ist die Riemannsche Volumenform definiert als diejenige positive Volumenform Ωg ∈ Γ∞ (Λn T ∗ M ) mit |Ωg | = μg . Zeigen Sie, daß auch diese kovariant konstant ist, indem Sie zuerst einen lokalen Ausdruck f¨ ur Ωg finden. Aufgabe 5.11 (Zweidimensionale K¨ ahler-Mannigfaltigkeiten). Betrachten Sie eine zweidimensionale symplektische Mannigfaltigkeit (M, ω). i.) Zeigen Sie, daß es eine Riemannsche Metrik g auf M gibt, f¨ ur welche die Riemannsche Volumenform Ωg durch ω gegeben ist. Hinweis: Betrachten Sie zun¨ achst eine beliebige Riemannsche Metrik g˜ ˜g . Da M zweidimensional ist, gilt Ω ˜ g = ̺ω mit zugeh¨ origer Volumenform Ω mit einer eindeutig bestimmten positiven Funktion ̺. Reskalieren Sie nun g˜ geeignet. ii.) Definieren Sie f¨ ur diese Riemannsche Metrik g einen Endomorphismus J ∈ Γ∞ (End(T M )) durch g(X, Y ) = ω(X, JY ). Zeigen Sie durch eine explizite Rechnung in lokalen Koordinaten, siehe auch Aufgabe 5.10, daß J eine fast-komplexe Struktur ist. iii.) Zeigen Sie, daß (M, ω, J, g) eine K¨ ahler-Mannigfaltigkeit ist. Hinweis: Aufgabe 3.13 und 5.10. Aufgabe 5.12 (Der Laplace-Operator). Sei ∇ ein torsionsfreier Zusammenhang auf Q. Sei weiter (U, x) eine lokale Karte und Γijk die ChristoffelSymbole von ∇. i.) Bestimmen Sie die zweite und dritte kovariante Ableitung D2 f und D3 f einer Funktion explizit in den lokalen Koordinaten (U, x) von Q.
Sei nun g eine Pseudo-Riemannsche Metrik und ∇ der Levi-Civita-Zusammenhang von g. Dann ist der Laplace-Operator ∆g definiert durch ∆g = −
2 ̺Std (T ), 2
(5.234)
5.5 Aufgaben
363
wobei ̺Std die standardgeordnete Darstellung bez¨ uglich des Zusammenhangs ∇ und T (αq ) = 12 g −1 (αq , αq ) die kinetische Energie ist. ii.) Berechnen Sie ∆g f in lokalen Koordinaten und vergleichen Sie Ihr Ergebnis mit der gewohnten Definition des Laplace-Operators im Euklidischen Raum n . iii.) F¨ ur ein Vektorfeld X ∈ Γ∞ (T Q) definiert man die Riemannsche Divergenz durch div(X) = divμg (X), wobei μg die Riemannsche Volumendichte ist. Bestimmen Sie div(X) in lokalen Koordinaten unter Benutzung von (5.232). iv.) F¨ ur eine Funktion f ∈ C ∞ (Q) definiert man den Gradient durch grad f = (df )♯g ∈ Γ∞ (T Q), wobei ♯g der durch g induzierte musikalische Isomorphismus ist. Bestimmen Sie grad f in lokalen Koordinaten und zeigen Sie
Ê
∆g f = div(grad f ).
(5.235)
Diese Gleichung stellt die in der Riemannschen Geometrie u ¨ bliche Definition von ∆g dar. v.) Benutzen Sie nun die Riemannsche Volumendichte, um die κ-Ordnung zu definieren. Zeigen Sie dann, daß f¨ ur alle κ ̺κ (T ) = ̺Std (T ) = −
2 ∆g , 2
(5.236)
indem Sie benutzen, daß ∇ der Levi-Civita-Zusammenhang zu g ist. Berechnen Sie dazu ∆ T unter Verwendung von (3.119), wobei ∆ der Operator (5.185) ist. Aufgabe 5.13 (Eine Faktorisierung des Neumaier-Operators). Der Neumaier-Operator Nκ = exp(−iκ(∆ +F(α))) aus (5.194) h¨angt sowohl von der Wahl des Zusammenhangs als auch von der Wahl der Dichte ab. Es soll nun eine geeignete Faktorisierung gefunden werden, um diese beiden Einfl¨ usse getrennt diskutieren zu k¨ onnen, siehe [42, Lem. 3.6]. i.) Zeigen Sie f¨ ur γ ∈ S• (T ∗ Q) die Gleichung [∆, F(γ)] = F(Dγ).
(5.237)
Hinweis: Zeigen Sie (5.237) durch eine elementare Rechnung in Koordinaten zun¨ achst f¨ ur Funktionen und Einsformen. Benutzen Sie dann die Tatsache, daß ad(∆) = [∆, ·] eine Derivation in der Algebra aller Differentialoperatoren, F ein Algebrahomomorphismus und D eine Derivation der Algebra S• (T ∗ Q) ist, um (5.237) f¨ ur allgemeines γ zu zeigen. ii.) Sei A eine assoziative Algebra mit Einselement u ¨ ber und A, B ∈ A[[λ]]. Zeigen Sie exp(λA)B exp(−λA) = exp(λ ad(A))(B). (5.238)
Ê
iii.) Zeigen Sie folgendes algebraisches Lemma:
364
5 Quantisierung: Erste Schritte
Ê
Lemma. Sei A eine assoziative Algebra mit Einselement ¨ uber und sei B ⊆ A eine kommutative Unteralgebra. Erf¨ ullt ∆ ∈ A[[λ]] die Bedingung ad(∆)B[[λ]] ⊆ B[[λ]], so gilt f¨ ur alle B ∈ B[[λ]] und t ∈ die Gleichung λ ad(∆) e − id (B) exp (λ∆) . (5.239) exp (λ(∆ + tB)) = exp t ad(∆)
Ê
Hinweis: Zeigen Sie zun¨ achst allgemein die Differentialgleichung d λ(∆+tB) id −e−λ ad(∆+tB) e (B), = eλ L∆+tB dt ad(∆ + tB)
(5.240)
welche im Sinne formaler Potenzreihen in λ wohl-definiert ist. Hier bezeichnet LA die Linksmultiplikation in A mit A. Zeigen Sie weiter ad(∆ + tB)k B = ad(∆)k B und vereinfachen Sie (5.240) entsprechend. Zeigen Sie nun, daß (5.239) die eindeutige L¨ osung von (5.240) mit der korrekten Anfangsbedingung ist. iv.) Zeigen Sie nun die Faktorisierung des (formalen) Neumaier-Operators exp(−iκλD) − id α exp (−iκλ ∆) . exp (−iκλ(∆ +F(α))) = exp F D (5.241) Aufgabe 5.14 (Zusammenhangsabbildung und der horizontale Lift). Betrachten Sie ein Vektorb¨ undel π : E −→ M mit einer kovarianten Ableitung ∇. Sei weiter I ein offenes Intervall um 0 und s : I −→ E eine glatte Kurve. Mit c = π ◦ s bezeichnen wir dann die zugeh¨ orige Fußpunktkurve. Schließlich seien (U, x) lokale Koordinaten auf M um c(0) und e1 , . . . , ek ∈ Γ∞ (E U ) lokale Basisschnitte von E. Die lokalen Zusammenhangseinsformen seien dann mit Aα β bezeichnet. i.) Betrachten Sie das zur¨ uckgezogene Vektorb¨ undel c# E −→ I mit dem entsprechenden zur¨ uckgezogenen Zusammenhang ∇# . Fassen Sie t → s(t) als ein Vektorfeld s ∈ Γ∞ (c# E) auf und zeigen Sie β ∇#∂ s(t) = s˙ α (t)eα (c(t)) + Aα ˙ (t)eα (c(t)). β (c(t))s
(5.242)
∂t
ii.) Folgern Sie nun, daß die Zusammenhangsabbildung (auch: Konnektor ) K : T E ∋ s(0) ˙ → ∇#∂ s(t) t=0 ∈ E (5.243) ∂t
wohl-definiert ist, wobei s(t) eine beliebige Kurve ist, welche den Tangentialvektor s(0) ˙ repr¨ asentiert. Zeigen Sie weiter, daß K die Faser Ts E linear auf die Faser Eπ(s) abbildet. iii.) Betrachten Sie nun auf π −1 (U ) die lokalen Koordinaten q 1 = x1 ◦ π, . . . , q n = xn ◦ π und s1 , . . . , sk . Zeigen Sie
5.5 Aufgaben
K und
∂ ∂ α = A sβ (s)eα (π(s)) β ∂q i s ∂xi π(s) K
∂ ∂sα s
= eα (π(s)),
365
(5.244)
(5.245)
und folgern Sie, daß K faserweise surjektiv ist. iv.) Betrachten Sie nun auch die Tangentialabbildung T π : T E −→ T M der B¨ undelprojektion und zeigen Sie, daß T π(s(0)) ˙ und K(s(0)) ˙ den selben Fußpunkt in M besitzen. Daher k¨ onnen Sie die Produktabbildung K × T π auch als Abbildung K ⊕ T π : T E −→ E ⊕ T M auffassen. Berechnen Sie explizit ∂ ∂ (K ⊕ T π) und (K ⊕ T π) , ∂q i s ∂sα s
(5.246)
(5.247)
und zeigen Sie so, daß K ⊕ T π faserweise ein linearer Isomorphismus ist. Ist K ⊕ T π ein Diffeomorphismus?
Die Zusammenhangsabbildung erlaubt nun folgende Definition: Man definiert den Horizontalraum Hors (E) ⊆ Ts E bei s ∈ E als das Urbild von Tπ(s) M unter dem linearen Isomorphismus K ⊕ T π : Ts E −→ Eπ(s) ⊕ Tπ(s) M . Entsprechend definiert man den horizontalen Lift vph s von vp ∈ Tp M an den Punkt s ∈ Ep als das Urbild von vp unter K ⊕ T π. Ist schließlich X ∈ Γ∞ (T M ) ein Vektorfeld, so definiert man den horizontalen Lift X h ∈ Γ∞ (T E) punktweise h h durch X (s) = X(π(s)) s . v.) Bestimmen Sie explizit die lokale Gestalt des horizontalen Lifts vph s f¨ ur ∂ vp = vpi ∂x i ∈ Tp M . Zeigen Sie mit Hilfe dieses lokalen Ausdrucks, daß der horizontale Lift X h eines glatten Vektorfeldes X ∈ Γ∞ (T M ) selbst wieder glatt ist. vi.) Sei X ∈ Γ∞ (T M ) und f ∈ C ∞ (M ). Zeigen Sie T π(X h ) = X ◦ π
und
(f X)h = π ∗ f X h .
(5.248)
Aufgabe 5.15 (Horizontal- und Vertikalb¨ undel). Sei π : E −→ M ein Vektorb¨ undel und ∇ ein Zusammenhang. i.) Zeigen Sie, daß das Horizontalb¨ undel Hor(E) = Hors (E) ⊆ T E
(5.249)
s∈E
ein glattes Unterb¨ undel von T E ist, wobei die Horizontalr¨aume wie in Aufgabe 5.14 definiert sind. Was ist die Faserdimension von Hor(E)?
366
5 Quantisierung: Erste Schritte
ii.) Definieren Sie das Vertikalb¨ undel durch Ver(E) = ker T π und zeigen Sie, daß (5.250) TE ∼ = Hor(E) ⊕ Ver(E).
Sei s ∈ Γ∞ (E) ein Schnitt, dann definiert man den vertikalen Lift sv ∈ Γ∞ (T E) punktweise durch d (vp + ts(p)) sv v = (5.251) p dt t=0 f¨ ur vp ∈ Ep . Dies verallgemeinert offenbar unsere Definition 3.2.14.
iii.) Zeigen Sie, daß die horizontalen Lifts X h von Vektorfeldern X ∈ Γ∞ (T M ) zusammen mit den vertikalen Lifts sv von Vektorfeldern s ∈ Γ∞ (E) faserweise ganz T E aufspannen. iv.) Zeigen Sie folgende Identit¨ aten f¨ ur die Lie-Klammern von horizontalen und vertikalen Lifts [X h , Y h ] = [X, Y ]h − (J(R(X, Y ) · ))v ,
(5.252)
[X h , sv ] = (∇X s)
(5.253)
[sv , s˜v ] = 0,
(5.254)
v
und v
wobei (J(R(X, Y ) · )) folgendermaßen zu interpretieren ist: Der Kr¨ ummungstensor R von ∇ ist nach Einsetzen von X und Y ein Schnitt des Endomorphismenb¨ undels R(X, Y ) ∈ Γ∞ (End(E)). Unter Verwendung von ∗ ∼ End(E) = E ⊗ E k¨ onnen wir den E ∗ -Anteil mittels der kanonischen Abbildung J zu einer in den Fasern linearen Funktion auf E erkl¨aren. Der verbleibende E-Anteil wird dann vertikal geliftet. Am einfachsten ist vermutlich eine Rechnung in lokalen Koordinaten. ur alle X ∈ Γ∞ (T M ) und v.) Zeigen Sie Lξ X h = 0 und Lξ sv = −sv f¨ ∞ ∞ s ∈ Γ (E), wobei ξ ∈ Γ (T E) das Euler-Vektorfeld auf E sei.
Bemerkung: Die Kr¨ ummung von ∇ erweist sich nach (5.252) als Obstruktion daf¨ ur, daß der horizontale Lift ein Morphismus von Lie-Algebren ist.
Aufgabe 5.16 (Lift von Zusammenh¨ angen). Betrachten Sie erneut ein Vektorb¨ undel π : E −→ M u ummungs¨ ber M mit Zusammenhang ∇E mit Kr¨ ur das tensor RE sowie einen torsionsfreien Zusammenhang ∇M auf M , also f¨ Tangentenb¨ undel, mit Kr¨ ummungstensor RM . Es soll nun aus diesen Daten ur das Tangentenb¨ undel ein torsionsfreier Zusammenhang ∇Lift auf E, also f¨ von E konstruiert werden. Seien X, Y ∈ Γ∞ (T M ), s, s˜ ∈ Γ∞ (E), dann definiert man v
M h 1
h (5.255) J(RE (X, Y ) · ) , ∇Lift − X h Y = ∇X Y 2
E v v ∇Lift (5.256) X h s = ∇X s und
h ∇Lift ˜v = 0 = ∇Lift sv s sv X .
(5.257)
5.5 Aufgaben
367
i.) Zeigen Sie unter Verwendung von Aufgabe 5.15, daß ∇Lift einen torsions¨ freien Zusammenhang auf E definiert. Uberlegen Sie sich zun¨achst, daß ∇Lift u ¨berhaupt einen Zusammenhang definiert und zeigen Sie anschließend die Torsionsfreiheit. ii.) Sei nun ξ das Euler-Vektorfeld auf E. Zeigen Sie dann die Homogenit¨at des Zusammenhangs ∇Lift Lift Lift Lξ (∇Lift V W ) = ∇Lξ V W + ∇V (Lξ W )
(5.258)
f¨ ur beliebige Vektorfelder V, W ∈ Γ∞ (T E) auf E. Hinweis: Warum gen¨ ugt es, (5.258) f¨ ur horizontale und vertikale Lifts zu zeigen? α i iii.) Seien Γijk die Christoffel-Symbole von ∇M und Aα β = Aβi dx die Zusammenhangseinsformen von ∇E bez¨ uglich lokaler Koordinaten (U, x) auf M und lokaler Basisschnitte e1 , . . . , ek ∈ Γ∞ (E U ). Bestimmen Sie dann die Christoffel-Symbole von ∇Lift in Abh¨ uglich angigkeit der Γijk und Aα βi bez¨ −1 der lokalen Koordinaten auf π (U ), welche durch die Koordinaten x und die linearen Koordinaten s1 , . . . , sk bestimmt sind. Wie ¨außert sich die Homogenit¨ at (5.258) von ∇Lift ? Hinweis: Zeigen Sie zun¨ achst ∂ = ∂q i
∂ ∂xi
h
β + π ∗ (Aα βi )s
∂ . ∂sα
(5.259) k
α
Bezeichnen Sie die Christoffel-Symbole von ∇Lift dann mit Γqqi qj , Γqsi qj , etc. Benutzen Sie nun (5.255), (5.256) und (5.257). Aufgabe 5.17 (Taylor-Entwicklung in Normalkoordinaten). Sei ∇ eine torsionsfreie kovariante Ableitung auf M und p ∈ M . Seien weiter lineare Koordinaten v 1 , . . . , v n auf Tp M gew¨ ahlt und V ⊆ Tp M eine offene Umgebung von 0p , so daß die Exponentialabbildung expp auf U ein Diffeomorphismus auf das Bild U = expp (V ) ist, siehe auch Aufgabe 3.10. Die lokalen Koordinaten xi = v i ◦ exp−1 uglich p , i = 1, . . . , n, auf U heißen Normalkoordinaten um p bez¨ uglich der Normalkoor∇. Mit Γijk bezeichnen wir die Christoffel-Symbole bez¨ dinaten (U, x). i.) Sei nun v ∈ Tp M und γ(t) = expp (tv) die zugeh¨orige Geod¨ate durch p. Zeigen Sie, daß die Geod¨ atengleichung in diesen Koordinaten Γijk (γ(t))v i v j = 0
(5.260)
lautet. ii.) Folgern Sie Γijk (p) = 0. Warum gilt trotzdem im allgemeinen Γijk (q) = 0 f¨ ur p = q ∈ U ? iii.) Folgern Sie weiter durch sukzessives Ableiten der Geod¨atengleichung nach t, daß am Punkt p
368
5 Quantisierung: Erste Schritte
∂ k Γiℓk+1 ik+2 dxi1 p ∨ · · · ∨ dxik+2 p = 0 i i 1 k ∂x · · · ∂x p
(5.261)
f¨ ur alle k ≥ 0. iv.) Zeigen Sie nun mit der Rekursionsformel aus dem Beweis von Lemma 5.4.8, daß f¨ ur ψ ∈ C ∞ (M ) in den Normalkoordinaten (U, x) um p Dk ψ p =
∂xi1
∂kψ dxi1 ∨ · · · ∨ dxik . i p p p k · · · ∂x
(5.262)
Folgern Sie so, daß die (formale) Taylor-Entwicklung eD ψ bez¨ uglich ∇ von ψ am Punkte p in Normalkoordinaten um p mit der (formalen) TaylorEntwicklung von ψ in diesen Koordinaten u ¨ bereinstimmt. Aufgabe 5.18 (Indefinite Metrik auf T ∗ Q). Betrachten Sie ein Kotangentenb¨ undel π : T ∗ Q −→ Q u ¨ ber einem Konfigurationsraum Q mit torsionsfreiem Zusammenhang ∇. Wie u ur ¨ blich, induziert ∇ auch Zusammenh¨ange f¨ alle Tensorb¨ undel u ur T ∗ Q. ¨ber Q, insbesondere f¨ urliche i.) Sei αq ∈ Tq∗ Q. Zeigen Sie, daß der Vertikalraum Verαq (T ∗ Q) auf nat¨ Weise zum Horizontalraum Horαq (T ∗ Q) dual ist, wobei horizontale Lifts immer bez¨ uglich ∇ zu verstehen sind. ii.) Nutzen Sie diese nat¨ urliche Dualit¨ at, um auf T ∗ Q eine Pseudo-Riemann∇ sche Metrik g zu definieren: setzen Sie g ∇ (X h , Y h ) = 0 = g ∇ (β v , γ v ) und g ∇ (X h , β v ) = π ∗ (β(X))
(5.263)
f¨ ur X, Y ∈ Γ∞ (T Q) und β, γ ∈ Γ∞ (T ∗ Q), und zeigen Sie, daß g ∇ eine Pseudo-Riemannsche Metrik der Signatur (n, n) ist, wenn dim(Q) = n. uniii.) Sei (U, x) eine lokale Karte f¨ ur Q und (T ∗ U, (q, p)) die induzierte B¨ delkarte. Berechnen Sie die Koeffizienten gqi qj , gqi pj und gpi pj von g ∇ in diesen Koordinaten explizit unter Verwendung der Christoffel-Symbole von ∇. iv.) Zeigen Sie, daß f¨ ur X, Y ∈ Γ∞ (T Q) und β, γ ∈ Γ∞ (T ∗ Q) durch v S(X h , Y h ) αq = (αq (R( · , X)Y + R( · , Y )X)) αq (5.264) und
S(X h , β v ) = S(β v , X h ) = S(β v , γ v ) = 0 ∞
2
∗
∗
(5.265)
∗
ein Tensorfeld S ∈ Γ (S T (T Q) ⊗ T (T Q)) definiert wird. v.) Sei ∇g der Levi-Civita-Zusammenhang zur Metrik g ∇ und ∇Lift der geliftete Zusammenhang gem¨ aß Aufgabe 5.16, wobei wir f¨ ur T ∗ Q immer den durch ∇ induzierten Zusammenhang verwenden. Zeigen Sie 1 ∇gV W = ∇Lift V W + S(V, W ) 2
(5.266)
f¨ ur alle V, W ∈ Γ∞ (T (T ∗Q)). Hinweis: Hier ist vermutlich wieder einmal eine konkrete Rechnung in Koordinaten die schnellste M¨ oglichkeit.
5.5 Aufgaben
369
vi.) Bestimmen Sie Lξ S und zeigen Sie so, daß im Sinne von (5.258) auch ∇g ein homogener Zusammenhang auf T ∗ Q ist. vii.) Bestimmen Sie den Laplace-Operator auf T ∗ Q bez¨ uglich der Metrik g0 und vergleichen Sie mit (5.185). Aufgabe 5.19 (Symplektischer Zusammenhang auf T ∗ Q). Betrachten Sie erneut ein Kotangentenb¨ undel π : T ∗ Q −→ Q u ¨ ber einem Konfigurationsraum Q mit torsionsfreiem Zusammenhang ∇. Den gelifteten Zusammenhang auf T ∗ Q bezeichnen wir wie schon in Aufgabe 5.16 und 5.18 mit ∇Lift .
ur i.) Bestimmen Sie θ0 (X h ), θ0 (β v ), ω0 (X h , Y h ), ω0 (X h , β v ) und ω0 (β v , γ v ) f¨ X, Y ∈ Γ∞ (T Q) und β, γ ∈ Γ∞ (T ∗ Q). ii.) Berechnen Sie ∇Lift ω0 . Hinweis: Verwenden Sie wieder horizontale und vertikale Lifts und zeigen h h Sie, daß der einzige nichtverschwindende Term (∇Lift X h ω0 )(Y , Z ) ist. iii.) Verwenden Sie das Tensorfeld S aus Aufgabe 5.18, und addieren Sie ein geeignetes Vielfaches von S zu ∇Lift , um einen torsionsfreien Zusammenhang ∇ω zu erhalten, f¨ ur welchen ∇ω ω = 0. Vergleichen Sie ∇ω mit ∇g . iv.) Zeigen Sie, daß auch ∇ω ein homogener Zusammenhang im Sinne von (5.258) ist. Aufgabe 5.20 (Vertikale Lifts von Tensorfeldern). Sei π : E −→ M ein reelles Vektorb¨ undel der Faserdimension N . i.) Zeigen Sie, daß der vertikale Lift von Schnitten s ∈ Γ∞ (E) zu Schnitten sv ∈ Γ∞ (T E) sich zu einem injektiven Algebramorphismus v
: Γ∞ (T • (E)) −→ Γ∞ (T • (Ver(E))) ⊆ Γ∞ (T • (T E))
(5.267)
bez¨ uglich des ⊗-Produkts fortsetzt, wobei man f v = π ∗ f f¨ ur f ∈ C ∞ (M ) = Γ∞ (T 0 (E)) setzt. ii.) Ist der vertikale Lift surjektiv auf Γ∞ (T • (Ver(E)))? iii.) Sei ξ ∈ Γ∞ (T E) das Euler-Vektorfeld auf E. Zeigen Sie, daß ein vertikales kontravariantes Tensorfeld X ∈ Γ∞ (T k (Ver(E))) auf E genau dann ein vertikaler Lift ist, wenn Lξ X = −kX gilt. iv.) Seien nun e1 , . . . , eN ∈ Γ∞ (E U ) lokale Basisschnitte auf einer offenen Teilmenge U ⊆ M . Zeigen Sie, daß X ∈ Γ∞ (T k (Ver(E))) auf π −1 (U ) als (5.268) X π−1 (U) = X α1 ···αk evα1 ⊗ · · · ⊗ evαk geschrieben werden kann. Charakterisieren Sie einen vertikalen Lift anhand der lokalen Funktionen X α1 ···αk . v.) Allgemein nennt man ein vertikales kontravariantes Tensorfeld X ∈ Γ∞ (T k (Ver(E))) polynomial in Faserrichtung vom Grad ℓ, falls Lξ X = (ℓ − k)X gilt. Rechtfertigen Sie diese Bezeichnung durch eine alternative Charakterisierung in der lokalen Darstellung (5.268).
370
5 Quantisierung: Erste Schritte
∈ Γ∞ (Sℓ E ∗ ⊗ T k (E)). Definieren Sie nun ein vertikales kontravi.) Sei nun X variantes Tensorfeld X ∈ Γ∞ (T k (Ver(E))) durch v , (5.269) (v, . . . , v) X(v) = X π(v)
einsetzen indem Sie v ∈ Eπ(v) in den symmetrischen E ∗ -Anteil von X und den verbleibenden E-Anteil vertikal liften. Zeigen Sie, daß dies eine Bijektion zwischen Γ∞ (Sℓ E ∗ ⊗T k (E)) und den vertikalen kontravarianten Tensorfeldern auf E liefert, die polynomial in Faserrichtung vom Grad ℓ sind.
6 Formale Deformationsquantisierung
Ausgehend von den Eigenschaften der Sternprodukte ⋆Std , ⋆Weyl und ⋆Wick aus den Abschnitten 5.2.4 und 5.4.2 wollen wir eine allgemeine Definition eines Sternprodukts auf einer beliebigen Poisson-Mannigfaltigkeit geben. Da es jetzt im allgemeinen keine ausgezeichnete Poisson-Unteralgebra von C ∞ (M ) geben wird, muß man entweder weitere Informationen und Strukturen, wie beispielsweise Symmetrien hinzunehmen, um eine Unteralgebra auszuzeichnen, oder aber mit der Poisson-Algebra C ∞ (M ) vorlieb nehmen. Letztere M¨oglichkeit stellt physikalisch eine nicht unerhebliche Idealisierung der relevanten Observablen dar, ist aber letztlich die einzige M¨ oglichkeit, generische, beispielunabh¨ angige Aussagen treffen zu k¨ onnen. Verwendet man also C ∞ (M ), so zeigen die expliziten Formeln in Abschnitt 5.2.4, daß die Sternprodukte nur noch als formale Potenzreihen in definiert werden k¨onnen. Dies ist der Ausgangspunkt der formalen Deformationsquantisierung, da in diesem Rahmen die Eigenschaften von ⋆Std , ⋆Weyl und ⋆Wick leicht verallgemeinert werden k¨onnen. Die anschließenden Fragen nach Existenz und Klassifikation sind mittlerweile im allgemeinsten Fall gut verstanden und beantwortet. Die mathematische Theorie, die hinter der Deformationsquantisierung auf Poisson-Mannigfaltigkeiten steht, ist die Theorie formaler assoziativer Deformationen von Gerstenhaber, welche wir mit einigen Details diskutieren wollen. Anschließend widmet sich dieses Kapitel dem Kalk¨ ul mit Sternprodukten, wobei wir insbesondere die Hamiltonsche Zeitentwicklung diskutieren werden. Einen besonders sch¨onen und geometrischen Beweis f¨ ur die Existenz von Sternprodukten liefert die Konstruktion von Fedosov. Zusammen mit Kontsevichs Formalit¨atstheorem ist dieser Beweis nun Grundlage f¨ ur Sternprodukte auf allgemeinen PoissonMannigfaltigkeiten, auch wenn Fedosovs urspr¨ ungliche Idee nur f¨ ur den symplektischen Fall anwendbar ist. Da mit seiner Methode auch die Klassifikation von Sternprodukten verstanden wird, werden wir diese Konstruktion detailliert vorstellen. Insgesamt erh¨ alt man so ein recht klares und gut verstandenes Bild der quantenmechanischen Observablenalgebra in der Deformationsquantisierung.
372
6 Formale Deformationsquantisierung
6.1 Sternprodukte auf Poisson-Mannigfaltigkeiten In diesem Abschnitt werden wir die Grundlagen der Deformationsquantisierung diskutieren, wobei wir im wesentlichen auf die zum Teil sehr aufwendigen und technischen Beweise verzichten wollen. Einige werden wir jedoch im Laufe der folgenden Abschnitte noch besprechen. In diesem Abschnitt sei vielmehr ¨ der Schwerpunkt auf die physikalische Interpretation und auf eine Ubersicht u ur weiterf¨ uhrende historische Anmerkungen zur ¨ ber die Resultate gelegt. F¨ Entwicklung der Deformationsquantisierung sowie eine F¨ ulle an Referenzen ¨ seien hier die Ubersichtsartikel [98, 153, 320] erw¨ahnt. 6.1.1 Ziele und Erwartungen Will man die Eigenschaften der Sternprodukte aus Satz 5.2.24 beziehungsweise Satz 5.4.30 axiomatisch fordern, so stellt sich unmittelbar folgendes Problem. Auf einer allgemeinen Poisson-Mannigfaltigkeit (M, π) gibt es keine ausgezeichnete Poisson-Unteralgebra A von Funktionen, die zumindest in be” stimmte Richtungen“ polynomiales Verhalten besitzen. Polynome sind eben kein invariantes Konzept unter beliebigen Kartenwechseln, und in den bisher betrachteten F¨ allen wie den Kotangentenb¨ undeln T ∗ Q war eine zus¨atzliche ∗ ur verantwortlich, daß man geometrisch eine Struktur, n¨ amlich M = T Q, daf¨ Unteralgebra von polynomialen“ Funktionen auszeichnen und charakterisie” ren konnte. Kann man dies also im allgemeinen nicht, so sind die zu erwartenden Sternprodukte aber nicht l¨ anger wohl-definiert, da die Reihen in aus Bidifferentialoperatoren Cr bestehen, deren Differentiationsordnung mit r anw¨ achst. In den von uns betrachteten F¨ allen war die Differentiationsordnung gerade exakt gleich der Potenz von . Nach dem Borel-Lemma k¨onnen wir daher aber immer zwei Funktionen f, g ∈ C ∞ (M so daß an ei ) finden, r nem vorher festgelegten Punkt p ∈ M die Reihe ∞ r=0 Cr (f, g) in nur Konvergenzradius 0 besitzt. Damit k¨ onnen solche Produkte nie auf allen glatten Funktionen C ∞ (M ) als konvergente Reihe definiert sein. Eine a¨hnliche Einschr¨ ankung erhalten wir auch f¨ ur die Integralformeln aus Abschnitt 5.3.2. ur spezielle FunktionenBereits im Fall M = 2n sind diese Formeln nur f¨ klassen definiert, welche ein bestimmtes Wachstumsverhalten im Unendlichen besitzen m¨ ussen. Auch bei dieser Charakterisierung handelt es sich offenbar um kein geometrisches Konzept, so daß auch hier eine Verallgemeinerung auf beliebige Mannigfaltigkeiten nicht ohne weiteres erreichbar scheint. Ein Ausweg ist daher, die Sternprodukte ⋆ als formale Potenzreihen in anzusehen. Dadurch werden im Fall M = 2n die Sternprodukte aus Abschnitt 5.2.4 zu wohl-definierten Multiplikationen f¨ ur C ∞ ( 2n )[[]], deren Eigenschaften aus Satz 5.2.24 abgelesen werden k¨ onnen. W¨ahrend mathematisch dieser Trick“ keinerlei Probleme verursacht, ist er physikalisch jedoch h¨ochst ” nichttrivial: die Plancksche Konstante ist eben kein formaler Parameter sondern eine Naturkonstante mit einem festen Wert ungleich Null. Das Konvergenzproblem ist dadurch also keineswegs gel¨ost, sondern nur auf sp¨ater
Ê
Ê
Ê
6.1 Sternprodukte auf Poisson-Mannigfaltigkeiten
373
verschoben. Selbst wenn es gelingt, solche formalen Sternprodukte ⋆ zu finden, und es stellt sich heraus, daß zumindest dies der Fall sein wird, so muß anschließend immer noch eine konvergente Unteralgebra“ gefunden werden. ” Es scheint also, daß das Problem, eine spezielle Funktionenklasse innerhalb ∞ von C (M ) auszuzeichnen, um quantisieren zu k¨onnen, innerhalb der Deformationsquantisierung nicht gel¨ ost wird. Physikalisch kann man dies mit der zu großen Idealisierung der klassischen Observablen als C ∞ (M ) interpretieren. Damit stellt sich nun um so mehr die Frage, wie solche formalen Sternprodukte nun zu bewerten sind. Zum einen haben wir gesehen, daß die formalen urlicher Weise auftreten, wenn wir die InReihen schon im Fall M = 2n in nat¨ tegralformeln asymptotisch f¨ ur −→ 0 entwickeln. Man kann also hoffen, daß es tats¨ achlich eine konvergente Version auf einer entsprechenden Unteralgebra gibt, deren asymptotische Entwicklung die formalen Produkte liefert. Andererseits k¨ onnen wir direkt nach Konvergenzkriterien suchen, nachdem wir die formale Version der quantenmechanischen Observablenmultiplikation gefunuhrt dies recht zwanglos zu den Funktionen den haben. Im Fall M = 2n f¨ Pol( 2n ) oder gar zu Pol(T ∗ n ), f¨ ur welche das Konvergenzproblem trivial gel¨ ost werden kann. Insbesondere liefert hier die formale Multiplikation nach Ersetzung des formalen Parameters durch den tats¨achlichen Wert von bereits die exakte Produktstruktur der quantenmechanischen Observablen und nicht nur eine asymptotische Version. Die angestrebte Strategie wird daher sein, ein formales Sternprodukt f¨ ur alle glatten Funktionen C ∞ (M ) zu finden und anschließend durch die Forderung nach Konvergenz eine Unteralgebra auszuzeichnen. Wie das Beispiel in [21] zeigt, ist dies zumindest nicht ganz hoffnungslos. Auf diese Weise kann man hoffen, daß man auf jeden Fall alle interessanten Vorschl¨ age f¨ ur eine Quantenobservablenalgebra ber¨ ucksichtigt, denn wenn eine bestimmte Konstruktion nicht einmal im formalen Rahmen m¨ oglich ist, so ist schwer vorstellbar, daß sie sich in einem sehr viel restriktiveren, konvergenten Rahmen besser verh¨ alt. Ein weiterer Vorteil dieser Herangehensweise wird sein, daß man den Zeitpunkt, zu dem man Konvergenz in fordert, dem Problem und der Fragestellung anpassen kann. Letztlich m¨ ussen aus physikalischer Sicht ja nur die tats¨ achlich beobachtbaren Gr¨ oßen wie die Erwartungswerte und Spektralwerte konvergent in sein. Dieser sehr minimalistische Ansatz ist sicher¨ lich nicht von besonderer Asthetik durchdrungen, bietet aber zun¨achst eine gr¨ oßtm¨ ogliche Flexibilit¨ at. Abschließend k¨ onnen wir zusammenfassen, daß der Gebrauch von formalen Potenzreihen in unausweichlich scheint, wenn man sich nicht bereits auf klassischer Seite auf eine geeignetere Poisson-Unteralgebra von C ∞ (M ) festlegen kann oder will. Dann bleibt die anschließende Frage nach Konvergenz der formalen Sternprodukte allerdings bestehen und kann selbst als Auswahlverfahren f¨ ur spezielle Funktionenklassen in C ∞ (M ) herangezogen werden. Unsere bisherigen Beispiele zeigen, daß dies unter Benutzung zus¨atzlicher Strukturen auf dem klassischen Phasenraum m¨ oglich ist und die physikalisch vern¨ unftigen Quantisierungen liefert. Nebenbei sei bemerkt, daß auch in anderen Zug¨angen
Ê
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374
6 Formale Deformationsquantisierung
zur Quantenmechanik und vor allem zur Quantenfeldtheorie mit dem Auftreten von formalen Reihen entweder in oder in einer Kopplungskonstanten gerechnet werden muß. Dar¨ uberhinaus ist typischerweise nicht klar, geschweige denn einfach zu entscheiden, ob die Reihen tats¨achlich konvergieren. Um die formalen Potenzreihen von tats¨ achlich konvergenten Ausdr¨ ucken zu unterscheiden, verwenden wir f¨ ur den formalen Parameter ein anderes Symbol, λ, anstelle von , und reservieren f¨ ur den von Null verschiedenen Wert der Planckschen Konstanten. Die Konvention ist dabei, den formalen Parameter ohne weitere Vorfaktoren durch zu ersetzen, sobald die Konvergenz gesichert ist λ ←→ . (6.1) In der Literatur sind auch andere Konventionen f¨ ur den formalen Parameter . u ¨ blich, wie beispielsweise ν = iλ oder ν = iλ 2 6.1.2 Die Definition von Sternprodukten Nach unserer vorangegangenen Diskussion ist folgende Definition eines formalen Sternprodukts nach Bayen, Flato, Frønsdal, Lichnerowicz und Sternheimer [17] nun gut motiviert: Definition 6.1.1 (Formales Sternprodukt). Sei (M, π) eine PoissonMannigfaltigkeit. Ein formales Sternprodukt ⋆ f¨ ur (M, π) ist eine [[λ]]bilineare Multiplikation
⋆ : C ∞ (M )[[λ]] × C ∞ (M )[[λ]] −→ C ∞ (M )[[λ]] der Form f ⋆g =
∞
λr Cr (f, g)
(6.2)
(6.3)
r=0
mit -bilinearen Abbildungen Cr : C ∞ (M ) × C ∞ (M ) −→ C ∞ (M ), welche auf die ¨ ubliche Weise [[λ]]-bilinear fortgesetzt werden, so daß ⋆ folgende Eigenschaften besitzt: i.) ii.) iii.) iv.)
⋆ ist assoziativ. C0 (f, g) = f g. C1 (f, g) − C1 (g, f ) = i{f, g}. 1 ⋆ f = f = f ⋆ 1.
Bemerkung 6.1.2 (Sternprodukte).
i.) Man kann leicht zeigen, daß f¨ ur zwei -Vektorr¨aume V und W eine [[λ]]lineare Abbildung Φ : V [[λ]] −→ W [[λ]] notwendigerweise von der Form Φ=
∞ r=0
λr Φr
(6.4)
6.1 Sternprodukte auf Poisson-Mannigfaltigkeiten
375
mit -linearen Abbildungen Φr : V −→ W ist. Es gilt also kanonisch Hom[[λ]] (V [[λ]], W [[λ]]) ∼ = Hom (V, W )[[λ]].
(6.5)
Ein analoges Resultat gilt auch f¨ ur multilineare Abbildungen. Daher ist die Form (6.3) eines Sternprodukts bereits eine Konsequenz der [[λ]]Bilinearit¨ at, siehe etwa [92, Prop. 2.1] sowie Aufgabe 6.1. ii.) Die Assoziativit¨ at f ⋆ (g ⋆ h) = (f ⋆ g) ⋆ h ist Ordnung f¨ ur Ordnung in λ zu ugt es, die Assoziativit¨at erf¨ ullen. Aufgrund der [[λ]]-Multilinearit¨at gen¨ nur f¨ ur Funktionen f ∈ C ∞ (M ) ⊆ C ∞ (M )[[λ]] zu zeigen. Damit wird die Assoziativit¨ atsbedingung ¨ aquivalent zur Bedingung
k r=0
Cr (f, Ck−r (g, h)) =
k
Cr (Ck−r (f, g), h)
(6.6)
r=0
f¨ ur alle k ∈ 0 und f, g, h ∈ C ∞ (M ). Die Assoziativit¨atsbedingung ist die entscheidende nichttriviale Bedingung, da es sich um eine quadratische Gleichung in den Operatoren Cr handelt. Wir werden diese Gleichung noch eingehend studieren. iii.) Die beiden Bedingungen ii.) und iii.) in Definition 6.1.1 liefern wieder die naive Version des Korrespondenzprinzips aus (5.3) und (5.4). ur iv.) Die Bedingung iv.) bedeutet offenbar, daß Cr (1, ·) = 0 = Cr (·, 1) f¨ alle r ≥ 1. Die konstante Funktion 1 ist daher nicht nur klassisch sondern auch quantenmechanisch das Einselement der Observablenalgebra. Es zeigt sich, daß diese Forderung nicht wesentlich sondern leicht zu erf¨ ullen ist. Somit sei sie hier getrost in die Definition mit aufgenommen. ur M = 2n die Offenbar erf¨ ullen die Sternprodukte ⋆Std , ⋆Weyl , ⋆Wick etc. f¨ Erfordernisse der Definition, wenn man in den konkreten Formeln wie beispielsweise (5.65) die Plancksche Konstante durch den formalen Parameter λ ersetzt. Da diese konkreten Beispiele aber dar¨ uberhinaus weitere Eigenschaften besitzen, k¨ onnen wir diese verwenden, um die Definition 6.1.1 weiter zu spezialisieren: Definition 6.1.3 (Spezielle Sternprodukte). Sei ⋆ ein formales Sternprodukt f¨ ur (M, π). i.) ⋆ heißt lokal, falls die Abbildungen Cr lokal sind, also supp Cr (f, g) ⊆ supp f ∩ supp g.
(6.7)
ii.) ⋆ heißt differentiell, falls die Abbildungen Cr Bidifferentialoperatoren sind. iii.) ⋆ heißt nat¨ urlich [156] (oder auch: vom Vey-Typ), falls f¨ ur alle r die Abbildung Cr ein Bidifferentialoperator der Ordnung r in jedem Argument ist.
376
6 Formale Deformationsquantisierung
iv.) ⋆ heißt Hermitesch (beziehungsweise auch: symmetrisch [18]), falls die komplexe Konjugation eine ∗ -Involution von ⋆ ist, also f ⋆ g = g ⋆ f,
(6.8)
wobei konventionsgem¨aß im Hinblick auf (6.1) λ=λ
(6.9)
gesetzt wird. v.) ⋆ heißt vom Weyl-Typ, falls ⋆ Hermitesch ist und Cr (f, g) = (−1)r Cr (g, f ).
(6.10)
Nach dem Peetre-Theorem, siehe Bemerkung 5.4.6, sind lokale Sternprodukte lokal differentiell und nat¨ urliche Sternprodukte immer differentiell und damit ¨ lokal. Nach den Uberlegungen in Anhang A k¨onnen wir solche Sternprodukte daher immer auf offene Teilmengen U ⊆ M einschr¨anken und erhalten Produkte ⋆U f¨ ur C ∞ (U )[[λ]], welche die entsprechenden Eigenschaften von ⋆ = ⋆M erben. Wir werden diese Einschr¨ ankungen im folgenden jedoch einfach mit ⋆ bezeichnen, um die Notation zu entlasten. Ein Sternprodukt ⋆ vom Weyl-Typ l¨ aßt sich auch so charakterisieren: Schreibt man r ∞ iλ Mr (f, g), (6.11) f ⋆g = 2 r=0
r also Cr = 2i Mr , so ist ⋆ genau dann vom Weyl-Typ, wenn die Operatoren Mr reell sind Mr (f, g) = Mr (f , g) (6.12) und Mr (f, g) = (−1)r Mr (g, f )
(6.13)
erf¨ ullen. Dies ist eine offensichtliche Umformulierung. Manche Autoren f¨ ugen der Definition eines Sternprodukts vom Weyl- oder auch Vey-Typ noch die Bedingung hinzu, daß das f¨ uhrende Symbol des Bidifferentialoperators Mr gem¨ aß Satz A.5.2 durch die r-te Potenz des Poisson-Tensors gegeben ist. Wir schließen uns dieser zus¨ atzlichen Bedingung jedoch nicht an. Beispiel 6.1.4 (Sternprodukte). Von den bisher gefundenen Sternprodukten ⋆κ urlich, aber nur ⋆Weyl und die ⋆κ˜ sind auch und ⋆κ˜ auf M = 2n sind alle nat¨ Hermitesch. Vom Weyl-Typ ist allein das Weyl-Moyal-Sternprodukt ⋆Weyl , was man leicht an der expliziten Form (5.66) sieht.
Ê
Die weiteren Eigenschaften von ⋆Std , ⋆Std sowie ⋆Wick und ⋆Wick lassen sich auf folgende Weise verallgemeinern, indem man zus¨atzliche Strukturen der Poisson-Mannigfaltigkeit ber¨ ucksichtigt:
6.1 Sternprodukte auf Poisson-Mannigfaltigkeiten
377
Definition 6.1.5 (Standardgeordnetes Sternprodukt [43, 265]). Sei π : T ∗ Q −→ Q ein Kotangentenb¨ undel mit der kanonischen Poisson-Struktur. Ein Sternprodukt ⋆ f¨ ur T ∗ Q heißt vom standardgeordneten Typ, falls π ∗ ψ ⋆ f = π ∗ ψf
(6.14)
f¨ ur alle ψ ∈ C ∞ (Q) und f ∈ C ∞ (T ∗ Q). Analog definiert man Sternprodukte vom antistandardgeordneten Typ. Definition 6.1.6 (Sternprodukt vom Wick-Typ [48]). Sei (M, ω, J) eine K¨ahler-Mannigfaltigkeit. Ein Sternprodukt ⋆ f¨ ur (M, ω, J) heißt vom WickTyp, falls f¨ ur jede offene Teilmenge U ⊆ M und jede lokale holomorphe Funktion f ∈ O(U ), jede lokale antiholomorphe Funktion g ∈ O(U ) und jede glatte Funktion h ∈ C ∞ (U ) h ⋆ f = hf
und
g ⋆ h = gh
(6.15)
gilt. Entsprechend definiert man Sternprodukte vom Anti-Wick-Typ. Sternprodukte vom Wick-Typ und Anti-Wick-Typ nennt man auch Sternprodukte mit Trennung der Variablen [184]. Dies ist dadurch motiviert, daß unter der zus¨ atzlichen Annahme, daß ⋆ differentiell ist, ⋆ genau dann vom Wick-Typ ist, wenn in jeder lokalen holomorphen Karte (U, z) von M die Bidifferentialoperatoren Cr von der Form Cr (f, g) = Cri1 ···ik j1 ···jℓ U
k,ℓ
∂z i1
∂ ℓg ∂kf j i 1 k · · · ∂z ∂z · · · ∂z jℓ
(6.16)
sind, wobei Cri1 ···ik j1 ···jℓ ∈ C ∞ (U ). Man u ¨ berzeuge sich davon, daß diese Trennung der Variablen“ auf einer K¨ ahler-Mannigfaltigkeit tats¨achlich ein ” wohl-definiertes Konzept ist, also in jeder lokalen holomorphen Karte richtig ist, sobald die Cr in einem holomorphen Atlas von der Form (6.16) sind. Den Anti-Wick-Typ erh¨ alt man dann durch Ableitung in die z-Richtungen“ ” im ersten Argument und entsprechend in z-Richtungen“ im zweiten Ar” ¨ gument. Man beachte, daß man die Aquivalenz der beiden Charakterisierungen von Sternprodukten vom Wick-Typ nur unter Verwendung der Assoziativit¨at erh¨ alt, siehe [48, Thm. 4.7]. Zu Sternprodukten auf K¨ahlerMannigfaltigkeiten gibt es eine Vielzahl von weiterf¨ uhrenden Arbeiten und Beispielen [68–71, 103, 104, 141, 153, 187, 190–192, 253, 255, 285–287]. Eine ¨ ahnliche Trennung der Variablen besitzen die Sternprodukte vom (anti-)standardgeordneten Typ. Sind sie zudem differentiell, so schreibt sich undelkarte (T ∗ U, (q, p)) von T ∗ Q als Cr lokal in einer B¨ Cr (f, g)
T ∗U
=
k,k′ ,ℓ
′
···jℓ Cr ji11···i ′ ′ k i1 ···ik′
∂kf ∂ k +ℓ g ∂pi1 · · · ∂pik ∂pi′1 · · · ∂pi′k′ ∂q j1 · · · q jℓ
(6.17)
378
6 Formale Deformationsquantisierung
···jℓ mit lokalen Funktionen Cr ij11···i ′ ′ k i ···i 1
k′
∈ C ∞ (T ∗ U ). Wieder gilt, daß unter
Wechsel der B¨ undelkarte (T ∗ U, (q, p)) die Form des Bidifferentialoperators erhalten bleibt. Beim antistandardgeordneten Typ wird entsprechend die zweite Funktion nur in Impulsrichtung differenziert. Man beachte jedoch, daß es geometrisch nicht wohl-definiert ist, zu sagen, daß die zweite Funktion g in (6.17) nur in Ortsrichtung differenziert wird. Dies ersieht man leicht aus dem Transformationsverhalten der partiellen Ableitungen ∂q∂ i gem¨aß (5.169) unter Kartenwechseln. Unn¨ otig zu betonen, daß ⋆Std aus Abschnitt 5.4.2 vom standardgeordneten Typ, ⋆Std entsprechend vom antistandardgeordneten Typ und ⋆Wick vom WickTyp und ⋆Wick vom Anti-Wick-Typ sind. Die κ-geordneten Sternprodukte auf T ∗ Q, welche wir in Abschnitt 5.4.2 diskutiert haben, stehen Dank Proposition 5.4.27 nun Pate f¨ ur folgende Definition eines homogenen Sternprodukts: Definition 6.1.7 (Homogenes Sternprodukt [91]). Sei π : T ∗ Q −→ Q ein Kotangentenb¨ undel mit kanonischer Poisson-Struktur und sei ξ das ∂ + Lξ Liouville-Vektorfeld. Ein Sternprodukt ⋆ heißt homogen, falls H = λ ∂λ eine Derivation von ⋆ ist. Einige allgemeine Eigenschaften homogener Sternprodukte werden in den Aufgaben 6.2, 6.3 sowie 6.9 diskutiert. Da wir bereits f¨ ur den Fall M = 2n verschiedene Sternprodukte gefunden haben, kann man nicht erwarten, daß die Definition 6.1.1 ein eindeutiges Sternprodukt ⋆ f¨ ur eine gegebene Poisson-Mannigfaltigkeit festlegt. Auch die zus¨ atzlichen Eigenschaften aus Definition 6.1.3 sind daf¨ ur noch lange nicht restriktiv genug. Daher ben¨ otigt man eine vern¨ unftige Vergleichsm¨oglichkeit f¨ ur Sternprodukte, welche durch folgende Beobachtung nahegelegt wird: Proposition 6.1.8. Sei ⋆ ein Sternprodukt f¨ ur (M, π). Weiter seien lineare ur r ≥ 1 gegeben. Dann Abbildungen Sr : C ∞ (M ) −→ C ∞ (M ) mit Sr 1 = 0 f¨ gilt f¨ ur ∞ λr Sr : C ∞ (M )[[λ]] −→ C ∞ (M )[[λ]], (6.18) S = id + r=1
daß die Definition
f ⋆′ g = S −1 (Sf ⋆ Sg)
(6.19)
ebenfalls ein Sternprodukt ⋆′ f¨ ur (M, π) liefert. Ist ⋆ lokal (differentiell) und alle Sr ebenfalls, so ist ⋆′ auch lokal (differentiell). Ist ⋆ Hermitesch und Sr f = Sr f , so ist auch ⋆′ Hermitesch. Beweis. Zun¨ achst ist klar, daß S als formale Potenzreihe tats¨achlich invertierbar ist, da die nullte Ordnung in λ invertierbar ist. Daher definiert ⋆′ ein [[λ]]-bilineares assoziatives Produkt, welches eine zu ⋆ isomorphe Algebrastruktur f¨ ur C ∞ (M )[[λ]] liefert, da S per definitionem ein Isomorphismus ist. ∞ Sei nun ⋆ = r=0 λr Cr . Dann gilt
6.1 Sternprodukte auf Poisson-Mannigfaltigkeiten
f ⋆′ g = S −1 (Sf ⋆ Sg) −1
= (id +λS1 + · · · )
∞ r=0
379
λr Cr ((id +λS1 + · · · ) f, (id +λS1 + · · · ) g)
= f g − λS1 (f g) + λC1 (f, g) + λS1 (f )g + λf S1 (g) + · · · , womit C0′ = C0 und C1′ (f, g) = C1 (f, g) − S1 (f g) + S1 (f )g + f S1 (g).
(6.20)
Da die Multiplikation von Funktionen kommutativ ist, sieht man, daß der antisymmetrische Teil von C1′ mit dem von C1 u ¨bereinstimmt, also gilt auch C1′ (f, g) − C1′ (g, f ) = i{f, g}. Schließlich gilt nach Voraussetzung S1 = 1 und somit f ⋆′ 1 = f = 1 ⋆′ f . Damit ist ⋆′ ein Sternprodukt. Sind nun alle Cr lokale (oder differentielle) Operatoren und ebenso alle Sr , so sind auch die Cr′ lokal (oder differentiell), da sie durch Linearkombinationen von Hintereinanderausf¨ uhrungen der Cr und Sr gewonnen werden. Die genaue (und nichttriviale) Kombinatorik ist dabei unerheblich. Ist schließlich ⋆ Hermitesch und S reell, so folgt sofort, daß ⋆′ auch Hermitesch ist. In diesem ⊓ ⊔ Fall ist S ein ∗ -Isomorphismus. Bemerkung 6.1.9 (Eindeutigkeit von Sternprodukten). i.) Diese Proposition zeigt insbesondere, daß es unendlich viele Sternprodukte gibt, sobald man auch nur ein Sternprodukt gefunden hat. Auch die Einschr¨ ankung auf differentielle und Hermitesche Sternprodukte liefert immer noch unendlich viele M¨ oglichkeiten. ii.) Startet man mit einem nat¨ urlichen Sternprodukt ⋆, so muß man die Differentiationsordnung von Sr nur geeignet beschr¨anken, um wieder ein nat¨ urliches Sternprodukt zu erhalten. Explizit k¨onnen wir jedes S immer als S = eλT mit T = T0 + λT1 + · · · und Tr : C ∞ (M ) −→ C ∞ (M ) schreiben, da S nach Voraussetzung in nullter Ordnung mit id beginnt. In der Tat lassen sich die Abbildungen Tr aus S1 , . . . , Sr−1 durch geeignete algebraische Kombinationen gewinnen und umgekehrt. Es gilt beispielsweise aßt sich nun zeigen, daß f¨ ur ein nat¨ urliches Sternprodukt S1 = T0 . Es l¨ ⋆ das Sternprodukt ⋆′ ebenfalls nat¨ urlich ist, falls die Differentiationsochstens r + 1 ist, siehe [156]. Somit kann man aus ordnung von Tr h¨ einem nat¨ urlichen Sternprodukt ebenfalls gleich unendlich viele weitere nat¨ urliche Sternprodukte konstruieren. iii.) Im Fall M = 2n haben wir bereits gesehen, daß alle Sternprodukte ⋆κ und ⋆κ˜ durch derartige Operatoren verkn¨ upft waren, n¨amlich durch Nκ und S κ˜ , siehe Abschnitt 5.2.4. Da sich diese Sternprodukte aufgrund der verschiedenen Wahlen der Ordnungsvorschrift unterschieden, kann man Proposition 6.1.8 als eine abstrakte Wahl einer anderen Ordnungsvorschrift deuten, ohne daß wir eine Operatordarstellung“ w¨ahlen mußten. ” Insbesondere f¨ uhrt uns diese Proposition sehr drastisch vor Augen, wie nicht-eindeutig die Wahl einer Ordnungsvorschrift tats¨achlich ist.
Ê
380
6 Formale Deformationsquantisierung
Ê
Da es bereits im 2n sehr schwer ist, gute physikalische Argumente f¨ ur die Wahl einer speziellen Ordnungsvorschrift und damit eines Sternprodukts zu finden, liefert folgende Definition eine sehr grobe Unterteilung der Sternprodukte bis auf die Wahl einer Ordnungsvorschrift“: ” ¨ Definition 6.1.10 (Aquivalenz von Sternprodukten). Zwei Sternprodukte ⋆ und ⋆′ f¨ ur (M, π) heißen ¨aquivalent, falls es eine formale Reihe ∞ S = id + r=1 λr Sr mit linearen Abbildungen Sr : C ∞ (M ) −→ C ∞ (M ) gibt, so daß (6.21) f ⋆′ g = S −1 (Sf ⋆ Sg) und S1 = 1 ¨ f¨ ur alle f, g ∈ C ∞ (M )[[λ]] gilt. Eine derartige Abbildung heißt auch Aquivalenztransformation. F¨ ur lokale (differentielle, nat¨ urliche, Hermitesche) Stern¨ produkte definiert man entsprechend lokale (differentielle, nat¨ urliche, ∗ -) Aqui¨ valenz, wenn die Aquivalenztransformation zus¨atzlich lokal (differentiell, na¨ t¨ urlich im Sinne von Bemerkung 6.1.9, ii.), reell) ist. Die Menge der Aquivalenzklassen wird dann mit Def(M, π) beziehungsweise mit Def loc (M, π), Def diff (M, π) und Def ∗ (M, π) bezeichnet. Insbesondere wird es interessant sein, zu sehen, ob und unter welchen Umst¨ anden es Quantisierungen gibt, welche sich um mehr“ als nur die Wahl ” einer Ordnungsvorschrift unterscheiden, also im Sinne von Definition 6.1.10 in¨aquivalente Sternprodukte liefern. Es ist einer der großen Vorz¨ uge der Deformationsquantisierung, diese Frage u ¨ berhaupt in einem wohl-definierten Rahmen stellen zu k¨ onnen. Dar¨ uberhinaus ist, wie wir noch sehen werden, eine vollst¨ andige Klassifikation von Sternprodukten m¨oglich. Bemerkung 6.1.11. Da es sich zeigen wird, daß alle bekannten Konstruktionen von Sternprodukten differentielle Sternprodukte liefern, meistens sogar nat¨ urliche, werden wir von nun an nur differentielle Sternprodukte betrach¨ ten und entsprechend auch differentielle Aquivalenztransformationen, ohne dies jedes mal explizit zu erw¨ ahnen. Dies scheint im Hinblick auf die Diskussion in Abschnitt 5.3.3 ebenfalls aus physikalischer Sicht vern¨ unftig zu sein. 6.1.3 Existenz und Klassifikation von Sternprodukten Die Frage nach der Existenz von (differentiellen) Sternprodukten auf beliebigen Poisson-Mannigfaltigkeiten erweist sich aufgrund der Assoziativit¨atsbedingung (6.6) als ein u ¨ beraus nichttriviales Problem, dessen umfassende L¨ osung erst 1997 durch Kontsevich gegeben wurde. Zuvor betrachtete man den sehr viel einfacheren symplektischen Fall (M, ω). Hier ist die Existenz, anders als im Poisson-Fall, zumindest lokal immer gesichert. Man kann eine Darboux-Karte w¨ahlen und in diesen lokalen Koordinaten beispielsweise das Weyl-Moyal-Sternprodukt verwenden. Um aber der globalen Geometrie eines nichttrivialen Phasenraums gerecht zu werden, gen¨ ugt eine derartige lokale Quantisierung selbstverst¨andlich nicht.
6.1 Sternprodukte auf Poisson-Mannigfaltigkeiten
381
Daher steht man in diesem Zugang vor dem Problem, die verschiedenen, lokal in Darboux-Karten definierten Sternprodukte zu einem global definierten Sternprodukt zusammenzukleben. Da aber keines der lokalen Sternprodukte invariant unter der gesamten Gruppe von Symplektomorphismen ist, was letztlich eine integrierte“ Version des Groenewold-van Hove-Theorems dar” stellt, ist es keineswegs klar, daß dieses Zusammenkleben tats¨achlich gelingt. Eine detaillierte kohomologische Analyse von Neroslavski und Vlassov zeigt, daß die Obstruktionen verschwinden, falls die dritte deRham-Kohomologie H3dR (M ) trivial ist [249]. Cahen und Gutt zeigten sp¨ater, daß allgemein auf Kotangentenb¨ undeln parallelisierbarer Konfigurationsr¨aume, wo also T Q und damit T ∗ Q triviale Vektorb¨ undel u ¨ ber Q sind, immer Sternprodukte existieren [65]. Dies wurde von DeWilde und Lecomte auf beliebige Kotangentenb¨ undel ausgedehnt [91] und noch im selben Jahr gelang diesen Autoren der erste allgemeine Existenzbeweis f¨ ur Sternprodukte auf symplektischen Mannigfaltigkeiten [90], siehe auch [92]. Der Beweis basiert auf eingehenden ¨ kohomologischen Uberlegungen, die sp¨ ater noch erheblich vereinfacht werden konnten, siehe auch [154]. Einen unabh¨ angigen und sehr viel geometrischeren Beweis gab Fedosov [115–117], der allerdings lange unbeachtet geblieben ist und erst mit seiner Arbeit [119] allgemein bekannt wurde. Wir werden diese Konstruktion in Abschnitt 6.4 noch eingehend studieren. Einen dritten Beweis f¨ ur den symplektischen Fall gaben Omori, Maeda und Yoshioka [257]. Es zeigt sich, daß die Fedosov-Konstruktion automatisch nat¨ urliche Sternprodukte vom WeylTyp liefert, also insbesondere auch Hermitesche Sternprodukte [48], siehe auch [253]. Wir fassen daher diese Resultate zusammen: Satz 6.1.12 (Existenz von Sternprodukten, symplektischer Fall). Auf jeder symplektischen Mannigfaltigkeit existieren (nat¨ urliche, Hermitesche) Sternprodukte. Im Fall von Kotangentenb¨ undeln konnte Pflaum zeigen, daß es immer Sternprodukte vom standardgeordneten Typ gibt [265, 267]. Unabh¨angig davon konstruierten Bordemann, Neumaier und Waldmann mittels einer leicht modifizierten Fedosov-Konstruktion ebenfalls standardgeordnete Sternprodukte f¨ ur Kotangentenb¨ undel [43,44]. Es zeigt sich, daß das in Abschnitt 5.4.2 konstruierte Sternprodukt ⋆Std mit jenem standardgeordneten Sternprodukt aus [43, 44] u ¨ bereinstimmt. Auf die gleiche Weise erh¨alt man auch antistandardgeordnete Sternprodukte auf Kotangentenb¨ undeln. Alle so konstruierten Sternprodukte sind homogen, wobei bereits die in [91] konstruierten Sternprodukte ebenfalls homogen und vom Weyl-Typ sind. F¨ ur K¨ ahler-Mannigfaltigkeiten gibt es eine F¨ ulle von Beispielen und Konstruktionen unterschiedlichster Art, welche zu Sternprodukten f¨ uhren, die sich dann als solche vom Wick- oder Anti-Wick-Typ erweisen. Hier sei vor allem auf die grundlegenden Arbeiten von Berezin [22–24] verwiesen. Spezielle Beispiele finden sich in den Arbeiten von Cahen und Gutt [64], Moreno und Ortega-Navarro [239–243], Bordemann et. al. [38, 39] sowie bei
382
6 Formale Deformationsquantisierung
Karabegov [185, 186, 189]. Durch asymptotische Entwicklung der BerezinToeplitz-Quantisierung erhielten Cahen, Gutt und Rawnsley Sternprodukte f¨ ur eine große Klasse von K¨ ahler-Mannigfaltigkeiten inklusive detaillierter Konvergenzeigenschaften [64, 68–71, 153]. F¨ ur allgemeine kompakte K¨ahlerMannigfaltigkeiten, die einer bestimmten topologischen Bedingung gen¨ ugen (die symplektische Form ist quantisierbar im Sinne der geometrischen Quantisierung, siehe auch Aufgabe 5.1) konnten Bordemann, Meinrenken und Schlichenmaier in [41] die Asymptotik der Berezin-Toeplitz-Quantisierung genau bestimmen und so Sternprodukte konstruieren, siehe auch die Folgearbeiten [285–287]. Schließlich konnte Karabegov ohne Verwendung asymptotischer Methoden durch Zusammenkleben von lokal in holomorphen Karten definierten Sternprodukten vom Wick-Typ zeigen, daß es immer Sternprodukte mit Trennung der Variablen gibt [184]. Einen weiteren Beweis daf¨ ur lieferten Bordemann und Waldmann [48, 309], ebenfalls mit einer an die K¨ahler-Geometrie angepaßten Fedosov-Konstruktion. F¨ ur einen Vergleich beider Konstruktionen sei auf Karabegovs Arbeit [190] verwiesen. Eine weitere ausf¨ uhrliche Darstellung der Sternprodukte vom Wick-Typ und Anti-Wick-Typ findet sich bei Neumaier [253, 255], wo es sich zeigt, daß die Sternprodukte vom Wick-Typ oder Anti-Wick-Typ notwendigerweise nat¨ urlich sind. Die Beziehung zu den asymptotischen Methoden wurde von Karabegov und Schlichenmaier in [192] gekl¨ art. Wir k¨ onnen also auch f¨ ur diese spezielleren Situationen eine allgemeine Existenzaussage formulieren: Satz 6.1.13. Auf jedem Kotangentenb¨ undel existieren (nat¨ urliche, homogene) Sternprodukte vom (anti-) standardgeordneten Typ und auf jeder K¨ahlerMannigfaltigkeit existieren nat¨ urliche Sternprodukte vom (Anti-)Wick-Typ. Im Gegensatz zu den Sternprodukten vom (anti-) standardgeordneten Typ gibt es Hermitesche Sternprodukte vom (Anti-) Wick-Typ. Eine weitere Verallgemeinerung des Konzepts der Trennung der Variablen findet sich in Donins Arbeit [105]. Neben diesen allgemeinen Existenzaussagen gibt es auch eine große Anzahl von expliziten Beispielen und Konstruktionen von Sternprodukten in verschiedenen speziellen Situationen. Es f¨ uhrte hier sicher zu weit, eine notwendigerweise unvollst¨ andige Liste aufzustellen. Abgesehen von der recht expliziten Konstruktion der κ-geordneten Sternprodukt auf T ∗ Q in Abschnitt 5.4 sei daher auf die Aufgaben 6.4, 6.6, 6.7 und 6.8 verwiesen, in denen zumindest einige der expliziten Konstruktionen jenseits von Kotangentenb¨ undeln vorgestellt werden. Nachdem der symplektische Fall also gut verstanden und die Existenz von Sternprodukten gesichert ist, stellt sich die Frage nach dem allgemeinen Fall von Poisson-Mannigfaltigkeiten. Dabei handelt es sich keineswegs um eine rein mathematische Fragestellung, vielmehr haben wir in Kapitel 4 zahlreiche Beispiele und Gr¨ unde kennengelernt, weshalb Poisson-Geometrie nicht nur in klassischen mechanischen Systemen sondern auch dar¨ uberhinaus eine wichtige
6.1 Sternprodukte auf Poisson-Mannigfaltigkeiten
383
Rolle in der mathematischen Physik spielt. Deshalb ist eine Ausdehnung der Resultate zur Deformationsquantisierung auf diesen allgemeinen Fall physikalisch durchaus von Interesse. Die Schwierigkeit, Sternprodukte f¨ ur allgemeine Poisson-Strukturen zu finden, besteht nun, ganz anders als im symplektischen Fall, bereits darin, das Problem lokal zu l¨ osen. Es gibt eben keine lokale Normalform“, wie das ” Darboux-Theorem eine f¨ ur den symplektischen Fall bereitstellt. Die lokale Charakterisierung aus dem Splitting-Theorem 4.1.34 gilt ja insbesondere nur ur jede Poissonpunktweise. So war es lange unklar, ob es bereits im n f¨ Struktur ein Sternprodukt gibt, von den Schwierigkeiten des anschließenden Globalisierens durch Zusammenkleben ganz abgesehen. Das erste nichttriviale Beispiel f¨ ur ein Sternprodukt wurde von Gutt [151] erbracht und zeigt, daß lineare Poisson-Strukturen im n , also die PoissonMannigfaltigkeit g∗ mit einer Lie-Algebra g und der dazugeh¨origen linearen Poisson-Struktur auf g∗ , tats¨ achlich im Sinne der Deformationsquantisierung immer quantisiert werden k¨ onnen. Unabh¨ angig davon und in einem v¨ollig anderen Kontext wurde dieses Beispiel auch von Drinfel’d in der Theorie der Quantengruppen diskutiert, siehe beispielsweise [81, 198, 228]. Dieses Beispiel ist insofern von besonderer Wichtigkeit, als wir gesehen haben, daß eine Impulsabbildung J zu einer gegebenen Hamiltonschen Symmetrie gerade eine Poisson-Abbildung J : M −→ g∗ ist, womit die Quantisierbarkeit von g∗ unmittelbar mit der Quantisierbarkeit klassischer Symmetrien verkn¨ upft ist. Abgesehen von einigen durchaus interessanten speziellen Beispielen blieb es aber unklar, ob sich allgemeine Poisson-Strukturen auf n immer quantisieren lassen, bis Kontsevich 1997 seine nun ber¨ uhmte Formalit¨atsvermutung aus [204] bewiesen hat [203,206], welche insbesondere die Existenz von Sternprodukten zu beliebigen Poisson-Strukturen auf beliebigen Mannigfaltigkeiten impliziert. Die so erhaltenen Sternprodukte sind ebenfalls nat¨ urlich und k¨ onnen Hermitesch gew¨ ahlt werden, weshalb wir also folgenden Satz formulieren k¨ onnen:
Ê
Ê
Ê
Satz 6.1.14 (Existenz von Sternprodukten, Poisson-Fall). Auf jeder Poisson-Mannigfaltigkeit existieren (nat¨ urliche, Hermitesche) Sternprodukte.
Ê
Kontsevichs urspr¨ unglicher Beweis im n basiert auf einer graphentheoretischen Beschreibung aller in Frage kommenden Bidifferentialoperatoren, wobei jedem Graph eines bestimmten Typs ein spezieller Bidifferentialoperator zugeordnet wird. Dieser Schritt ist noch sehr einfach zu verstehen und hilft letztlich nur, die Bidifferentialoperatoren in geeigneter Weise durchzunumerieren. Der eigentlich nichttriviale Schritt besteht dann darin, jedem Graphen ebenfalls ein Gewicht“, also eine reelle Konstante zuzuordnen, so daß die ” Bidifferentialoperatoren gem¨ aß ihrer Gewichte aufsummiert ein assoziatives Produkt ergeben. Die Interpretation der Graphen als Feynman-Graphen eines speziellen quantenfeldtheoretischen Modells, des Poisson-Sigma-Modells von Schaller und Strobl [284], liefert die Definition der Gewichte gem¨aß der Feynman-Regeln f¨ ur dieses Modell. Dieser Zusammenhang wurde sp¨ater von
384
6 Formale Deformationsquantisierung
Cattaneo und Felder im Detail diskutiert [74]. Die Definition der Gewichte mit all ihren Vorzeichen wurde ausf¨ uhrlich von Arnal, Manchon und Masmoudi diskutiert [10]. Die Ausdehnung von n auf eine beliebige Mannigfaltigkeit erweist sich anschließend als vergleichsweise einfach. Eine sehr sch¨one, auf Kontsevichs Formalit¨ atstheorem im n aufbauende Konstruktion der Globalisierung des Sternprodukts, welche an die Fedosov-Konstruktion angelehnt ist, wurde von Cattaneo, Felder und Tomassini gegeben [79], siehe auch Dolgushevs Arbeit [101]. Einen weiteren und konzeptionell g¨anzlich verschiedenen Beweis der Formalit¨ atsvermutung gab Tamarkin unter Benutzung operadischer Techniken, siehe [205, 299]. Nachdem die Frage nach der Existenz von Sternprodukten und daher die Frage nach der Konstruierbarkeit der quantenmechanischen Observablenalgebra im Rahmen der formalen Deformationsquantisierung in voller Allgemeinheit positiv beantwortet ist, greifen wir nun die Klassifikationsfrage auf. Da nach Proposition 6.1.8 mit einem Sternprodukt auch gleich unendlich viele ¨ konstruiert werden k¨ onnen, ist zun¨ achst die Klassifikation bis auf Aquivalenz im Sinne von Definition 6.1.10 zu diskutieren. Hier wurde ebenfalls zuerst der symplektische Fall betrachtet. Bereits vor dem ersten Existenzbeweis war klar, daß die zweite deRham-Kohomologie als ¨ Quelle m¨ oglicher Obstruktionen f¨ ur die Aquivalenz auftritt. Proposition 6.1.15. Ist (M, ω) eine symplektische Mannigfaltigkeit, und gilt H2dR (M ) = {0}, so sind je zwei Sternprodukte auf M ¨aquivalent.
¨ Dieser durch rein kohomologische Uberlegungen von Lichnerowicz [223] und Gutt [150] gefundene Satz hat bereits eine weitreichende physikalische Konsequenz. Da nach dem Poincar´e-Lemma, siehe Satz 2.3.25, die zweite deRhamKohomologie von 2n trivial ist, folgt, daß im 2n alle Sternprodukte zueinander ¨ aquivalent sind. Mit anderen Worten, Deformationsquantisierungen auf dem 2n unterscheiden sich nur durch die Wahl einer Ordnungsvorschrift. Es gibt in diesem Fall also keine exotischen“ Quantisierungen. ” Korollar 6.1.16. Bis auf die Wahl einer (verallgemeinerten) Ordnungsvorschrift ist die Quantisierung auf 2n eindeutig. Weiter sind auf einer beliebigen symplektischen Mannigfaltigkeit Sternprodukte zumindest immer lokal ¨ aquivalent, womit sich die m¨ogliche Nicht¨aquivalenz als ein globaler Effekt erweist. Die Frage nach einer tats¨ achlichen Klassifikation im Falle nichttrivialer zweiter deRham-Kohomologie H2dR (M ) = {0} blieb lange unbeantwortet, bis schließlich mit der Fedosov-Konstruktion eine Methode gefunden wurde, ¨ die Aquivalenzklassen von Sternprodukten zu parametrisieren. Insbesondere zeigen so Nest und Tsygan [250, 251], Deligne [89], Bertelson, Cahen und Gutt [27] und Weinstein und Xu [324] folgenden Satz: Satz 6.1.17 (Klassifikation von symplektischen Sternprodukten). ¨ Auf einer symplektischen Mannigfaltigkeit (M, ω) sind die Aquivalenzklassen von Sternprodukten in Bijektion zu den formalen Potenzreihen H2dR (M, )[[λ]].
6.1 Sternprodukte auf Poisson-Mannigfaltigkeiten
385
Man kann diese Aussage noch weiter versch¨arfen, indem man zeigt, daß jedes Sternprodukt ⋆ auf kanonische Weise eine charakteristische Klasse c(⋆) als Element [ω] + H2dR (M, )[[λ]] (6.22) c(⋆) ∈ iλ definiert, so daß ⋆ genau dann zu ⋆′ a ¨quivalent ist, wenn c(⋆) = c(⋆′ ) gilt. Hier [ω] 2 betrachtet man iλ + HdR (M, )[[λ]] als affinen Raum mit Ursprung [ω] ¨ ber iλ u dem Vektorraum H2dR (M, )[[λ]]. Die Wahl der Normierung der charakteristischen Klasse c(⋆) ist dabei Konvention und unterscheidet sich durchaus je nach Autor in der Literatur. Wir verweisen hier insbesondere auf die sch¨one Arbeit von Gutt und Rawnsley [154] sowie die Arbeiten von Neumaier [253, 254]. Im Zusammenhang mit der Fedosov-Konstruktion werden wir auf die charakteristische Klasse c(⋆) wieder zur¨ uckkommen und Satz 6.1.17 beweisen.
Bemerkung 6.1.18 (Klassifikation und magnetische Monopole). Im Fall M = T ∗ Q erlaubt die charakteristische Klasse c(⋆) eine einfache physikalische Deutung. Zun¨ achst gilt allgemein, daß der pull-back mit π beziehungsweise mit dem Nullschnitt ι : Q −→ T ∗ Q zueinander inverse Isomorphismen ι∗
−⇀ H•dR (T ∗ Q) ↽ H•dR (Q) − ∗ π
(6.23)
in der deRham-Kohomologie definieren. Dies folgt letztlich analog zum Beweis des Poincar´e-Lemmas. Somit ist die zweite deRham-Kohomologie von ur Repr¨asentanten von Klassen in T ∗ Q kanonisch durch die von Q gegeben. F¨ der zweiten deRham-Kohomologie von Q, also f¨ ur geschlossene Zweiformen auf Q, haben wir in Bemerkung 3.2.19 eine einfache physikalische Interpretation gefunden: Eine solche Zweiform B ∈ Γ∞ (Λ2 T ∗ Q) entspricht einem außeren Magnetfeld, in dem sich ein geladenes Teilchen, dessen Kinematik ¨ durch T ∗ Q beschrieben wird, bewegt. Ist insbesondere [B] = 0, so liegt ein magnetischer Monopol vor. Dies f¨ uhrt auf die physikalische Interpretation der charakteristischen Klasse als den magnetischen Monopolgehalt eines ¨außeren Magnetfeldes, in dessen Gegenwart quantisiert wird. Satz 6.1.17 besagt in dieser Interpretation, daß zwei Quantisierungen genau dann bis auf die Wahl einer verallgemeinerten Ordnungsvorschrift u ¨ bereinstimmen, wenn der magnetische Monopolgehalt des ¨ außeren Magnetfeldes u ¨bereinstimmt. Eine genaue Ausf¨ uhrung der Argumente f¨ uhrt hier zu weit, weshalb auf die Originalarbeiten von Bordemann et. al. [42] verwiesen sei. Man beachte jedoch, daß f¨ ur die Konstruktion der Observablenalgebra zu nichttrivialem Monopolgehalt keinerlei Diskretisierung der Monopolladung, wie dies im Diracschen Zugang [94] vorhergesagt wird, von N¨ oten ist. Diese Diskretisierung ( Quantisierung der ” Monopolladung“) wird erst durch die Darstellung beziehungsweise durch die Darstellbarkeit der Observablenalgebra erzwungen, siehe [42,58,315]. Die charakteristische Klasse c(⋆) stellt somit insbesondere eine erste der besagten robusten“ Eigenschaften der Quantisierung im Sinne unserer Diskussion in ” Abschnitt 5.1.2 dar.
386
6 Formale Deformationsquantisierung
Im allgemeinen Fall von Poisson-Mannigfaltigkeiten folgt aus dem Formalit¨ atstheorem nicht nur die Existenz sondern gleichermaßen auch die Klassifi¨ kation von Sternprodukten bis auf Aquivalenz. Ohne auf die weiteren Details einzugehen, hierf¨ ur sei auf die Originalarbeiten von Kontsevich verwiesen, k¨ onnen wir folgenden Satz formulieren: ¨ Satz 6.1.19 (Klassifikation im Poisson-Fall). Die Aquivalenzklassen von Sternprodukten auf einer Poisson-Mannigfaltigkeit (M, π0 ) sind in Bijektion ¨ zu den Aquivalenzklassen von formalen Deformationen π = π0 + λπ1 + · · · ∈ ∞ 2 Γ (Λ T M )[[λ]] des Poisson-Tensors π0 modulo formalen Diffeomorphismen, im Sinne von Definition 4.2.40. Bemerkung 6.1.20. Das letztliche Problem bei dieser Aussage ist, daß die klassische Seite, also die formalen Poisson-Tensoren modulo formalen Diffeomorphismen im allgemeinen eine extrem unzug¨ angliche und kompliziert zu charakterisierende Menge darstellen. Dies haben wir in Abschnitt 4.2.4 erahnen k¨onnen. Insbesondere ist dies im allgemeinen kein affiner Raum wie im symplektischen Fall. Im Fall, daß π0 jedoch symplektisch ist, haben wir in Satz 4.2.55 gesehen, daß die formalen Deformationen von π0 gerade den formalen Deformationen der zugeh¨ origen symplektischen Form ω0 durch geschlossene Zweiformen modulo exakter Zweiformen entsprechen. Damit erhalten wir aus Satz 6.1.19 im Spezialfall einer symplektischen Mannigfaltigkeit tats¨achlich Satz 6.1.17, wie dies nat¨ urlich aus Konsistenzgr¨ unden auch zu erwarten ist.
6.2 Algebraische Deformationstheorie nach Gerstenhaber Um die Resultate, Schwierigkeiten und Techniken in der Deformationsquantisierung besser verstehen zu k¨ onnen, wollen wir nun die zugrundeliegende mathematische Theorie der formalen Deformationen von assoziativen Algebren nach Gerstenhaber diskutieren [134–139]. Dies wird insbesondere eine weitere Interpretation des Quantisierungsproblems liefern. Die Problemstellung ist dabei folgende: Sei A eine assoziative Algebra u ¨ ber einem K¨ orper oder einem kommutativen Ring mit Multiplikation
μ0 : A ⊗ A ∋ a ⊗ b → μ0 (a ⊗ b) = ab ∈ A.
(6.24)
F¨ ur unsere Zwecke ist meistens = oder . Es wird im folgenden zweckm¨ aßig sein, zumindest ⊆ anzunehmen. Auf jeden Fall wollen wir, daß ein Einselement 1 = 0 besitzt und daß 2 = 0 in gilt, da sonst im folgenden viele der interessanten Vorzeichen trivial werden. Gesucht ist dann eine neue assoziative Multiplikation μ, welche von einem Parameter λ abh¨ angen und f¨ ur λ −→ 0 die Multiplikation μ0 liefern soll. In
6.2 Algebraische Deformationstheorie nach Gerstenhaber
387
diesem rein algebraischen Rahmen ist es offenbar nur sinnvoll, eine formale Abh¨ angigkeit von λ zu betrachten. Man sucht also μ = μ0 + λμ1 + λ2 μ2 + · · ·
(6.25)
mit μr ∈ Hom (A ⊗ A, A), so daß Ordnung f¨ ur Ordnung in λ die Gleichung μ(μ(a ⊗ b) ⊗ c) = μ(a ⊗ μ(b ⊗ c))
(6.26)
f¨ ur alle a, b, c ∈ A[[λ]] gilt, wobei wir uns wie immer die Abbildungen μr auf [[λ]]-lineare Weise fortgesetzt denken. Nach Bemerkung 6.1.2 ist jede [[λ]]bilineare Multiplikation auf A[[λ]] von dieser Form. F¨ ur das neue Produkt μ schreiben wir auch a ⋆ b = μ(a ⊗ b). (6.27) Die zentrale Definition von Gerstenhabers Deformationstheorie ist also folgende: Definition 6.2.1 (Formale assoziative Deformationen). Sei A eine assoziative Algebra ¨ uber mit assoziativer Multiplikation μ0 : A ⊗ A −→ A.
i.) Eine [[λ]]-bilineare assoziative Multiplikation μ f¨ ur A[[λ]] heißt formale assoziative Deformation von μ0 , wenn μ in nullter Ordnung von λ mit μ0 ubereinstimmt. ¨ ii.) Zwei formale assoziative Deformationen μ und μ ˜ von μ0 heißen ¨aquivalent, falls es einen [[λ]]-linearen Isomorphismus Φ : (A[[λ]], μ) −→ (A[[λ]], μ ˜) gibt, der in nullter Ordnung von λ die Identit¨at auf A ist. iii.) Entsprechend definiert man assoziative Deformationen bis zur Ordnung k ¨ und deren Aquivalenz bis zur Ordnung k. ∞ Offenbar liefert jede [[λ]]-lineare Abbildung Φ = id + r=1 λr Φr eine zu μ aquivalente formale assoziative Deformation, indem man Φ zu einem Isomor¨ phismus erkl¨ art. Dies haben wir f¨ ur Sternprodukte bereits in Proposition 6.1.8 gesehen. Eine formale assoziative Deformation μ, welche zu μ0 a¨quivalent ist, heißt auch trivial. Diese Definition f¨ uhrt nun auf eine sehr allgemeine physikalische Fragestellung, siehe insbesondere [17, 18, 98]: Ist in einer physikalischen Theorie eine bestimmte algebraische Struktur von zentraler Bedeutung, so muß diese Struktur in ihren Details aus experimentellen Daten bestimmt werden. Diese sind aber mit unvermeidlichen Meßfehlern behaftet, womit sich die Frage stellt, ob geringf¨ ugig andere gemessene Parameter zu einer im wesentlichen gleichen (isomorphen) Struktur f¨ uhren, die Theorie also stabil“ (auch rigide“ oder ” ” ¨ starr“) gegen¨ uber kleinen Anderungen der fundamentalen Strukturkonstan” ” ten“ ist, oder ob diese Stabilit¨ at nicht gegeben ist. Im letzteren Fall ist die Theorie aus physikalischer Sicht eher unbrauchbar und man sollte entweder gute strukturelle Gr¨ unde anf¨ uhren k¨ onnen, warum die gemessenen Werte der Strukturkonstanten“ tats¨ achlich diese nichtgenerischen, speziellen Werte be” sitzen sollen, oder man sollte die Deformierbarkeit ernst nehmen und zu einer entsprechend stabileren Theorie wechseln.
388
6 Formale Deformationsquantisierung
¨ Diese recht allgemeine Uberlegung zum Wesen einer stabilen physikalischen Theorie sei nun am Beispiel der Galilei-Gruppe illustriert. Das Transformationsgesetz beim Wechsel der inertialen Bezugssysteme muß letztlich experimentell bestimmt werden, was einer Messung“ der Strukturkonstan” ten der zur Transformationsgruppe geh¨ orenden Lie-Algebra gleichkommt. Hier nimmt man also an, daß die Wechsel des Bezugssystems durch 6 Parameter f¨ ur Drehungen und Boosts in glatter Weise beschrieben werden, so daß eine LieGruppe vorliegt. Man erh¨ alt so zun¨ achst die Lie-Algebra der Galilei-Gruppe. Diese erweist sich aber innerhalb der 6-dimensionalen Lie-Algebren als nicht ” stabil“ und kann insbesondere in die Lie-Algebra der Lorentz-Gruppe deformiert werden, in diesem Falle sogar auf glatte Weise, wobei der Deformationsparameter die Rolle von 1c spielt. Die anderen m¨oglichen Deformationen lassen sich aus physikalischen Gr¨ unden mehr oder weniger plausibel ausschließen. Somit steht man vor der Frage, ob man seinen nichtrelativistischen Messungen vertraut und den instabilen“ Fall der Galilei-Gruppe beibeh¨alt, oder aber ” zum physikalisch plausibleren weil stabilen Fall der Lorentz-Gruppe wechseln will. Das Experiment bevorzugt letztlich und bekanntermaßen die spezielle Relativit¨ atstheorie. Man beachte, daß diese Stabilit¨atsanalyse offenbar zumindest ein Indiz f¨ ur die spezielle Relativit¨ atstheorie liefert, welches logisch unabh¨ angig von den u ¨ blichen Herleitungen“ der speziellen Relativit¨atstheorie ” ist, siehe beispielsweise [278, 291]. Eine ¨ ahnliche Diskussion haben wir auch f¨ ur die Poisson-Strukturen in Abschnitt 4.2.4 gef¨ uhrt, wo wir, physikalisch interpretiert, die Stabilit¨at der kinematischen Beschreibung eines Teilchens untersuchten. Die Untersuchung der dynamischen Stabilit¨ at eines Systems ist ein großer Zweig der Theorie der dynamischen Systeme. Hier wird untersucht, wie sich die Dynamik qualitativ und quantitativ ver¨ andert, wenn die Hamilton-Funktion oder allgemeiner das die Zeitentwicklung erzeugende Vektorfeld gest¨ort“ wird. Im symplektischen ” Fall erh¨ alt man weitreichende Aussagen aus dem KAM-Theorem, siehe beispielsweise die Diskussion (Hamiltonscher) dynamischer Systeme in [1,11,275]. Beispiel 6.2.2 (Stabilit¨at der Observablenalgebra). Die Poisson-Algebra der glatten Funktionen C ∞ ( 2n ) mit der kanonischen symplektischen PoissonKlammer besitzt nach Satz 4.2.55 eine stabile Poisson-Struktur, da diese symplektisch ist und H2dR ( 2n ) = {0}. Als assoziative Algebra hingegen ist C ∞ ( 2n ) nicht stabil, da C ∞ ( 2n ) sehr wohl nichttriviale assoziative Deformationen wie beispielsweise das Weyl-Moyal-Sternprodukt besitzt. Es kommt also sehr darauf an, in welchem Rahmen man die Frage nach Stabilit¨at stellt.
Ê
Ê Ê
Ê
Als Fazit l¨ aßt sich sagen, daß eine physikalische Theorie immer in einem vorher festgelegten strukturellen Rahmen auf ihre Stabilit¨at hin untersucht werden sollte. Offenbar ist es dabei von entscheidender Bedeutung, den Rahmen, innerhalb dessen man auf Stabilit¨ at untersucht, genau festzulegen. Hierf¨ ur muß es letztlich u ¨ bergeordnete physikalische Argumente geben, denn faßt man den Rahmen weiter, k¨ onnen vormals stabile Theorien zu instabilen
6.2 Algebraische Deformationstheorie nach Gerstenhaber
389
werden und nichttriviale Deformationen zulassen. Faßt man ihn umgekehrt zu eng, so erscheinen Theorien als stabil, und man kann neue physikalische Effekte deshalb u ¨bersehen. Letztlich kann man die Physikgeschichte mit einiger Berechtigung so interpretieren, daß vermeintlich stabile Theorien irgendwann zu Widerspr¨ uchen mit dem Experiment gef¨ uhrt haben und in einem gr¨oßeren Rahmen als deformierbar befunden wurden und deshalb durch weiter gefaßte Theorien ersetzt wurden. Wir wollen diesen Gesichtspunkt jedoch nicht seiner selbst wegen vertiefen, sondern wenden uns im folgenden konkret der Deformationstheorie assoziativer Algebren zu. Das erkl¨ arte Ziel der Deformationstheorie assoziativer Algebren ist es nun, Techniken daf¨ ur bereitzustellen, welche es erm¨ oglichen, die Existenz und Klassifikation von assoziativen Deformationen zu untersuchen. In gewisser Hinsicht sind die dabei auftretenden Probleme universell genug, um auch die Deformationstheorie anderer algebraischer Strukturen, wie beispielsweise die von Lie-Algebren, zu begr¨ unden und zu formulieren. 6.2.1 λ-Adische Topologie und der Banachsche Fixpunktsatz Wir wollen nun zun¨ achst ein weiteres Hilfsmittel diskutieren, welches sp¨ater erlauben wird, die Frage nach rekursiver L¨ osbarkeit von Gleichungen Ordnung f¨ ur Ordnung in einem formalen Parameter leichter zu entscheiden. Wir betrachten wieder einen Modul V u ¨ber einem kommutativen Ring . Definition 6.2.3 (Ordnung, λ-adische Bewertung und Metrik). Sei V ein -Modul. Die Ordnung o(v) von v ∈ V [[λ]] ist als 6 ∞ r o(v) = min k vk = 0 wobei v = λ vr (6.28) k∈0 r=0
definiert, beziehungsweise o(0) = +∞. Die λ-adische Bewertung ϕ : V [[λ]] −→
ist dann durch
ϕ(v) = 2−o(v)
(6.29)
definiert, wobei ϕ(0) = 2−∞ = 0 gesetzt wird. Die λ-adische Metrik ist schließlich als (6.30) d(v, w) = ϕ(v − w) = 2−o(v−w) definiert. Die Bezeichnung Bewertung“ hat ihren Ursprung in der Theorie der be” werteten K¨ orper, siehe beispielsweise [219, Chap. XII], kann aber leicht auf unsere Situation u ¨bertragen werden. Die entscheidenden Eigenschaften der λ-adischen Bewertung und Metrik faßt folgende Proposition zusammen:
390
6 Formale Deformationsquantisierung
Proposition 6.2.4 (λ-Adische Topologie). Sei V ein Modul ¨ uber . i.) Die Ordnung o(·) besitzt die Eigenschaften o(v) = o(−v), o(v) = +∞ ⇐⇒ v = 0, und o(v + w) ≥ min(o(v), o(w)) (6.31) f¨ ur alle v, w ∈ V [[λ]]. ii.) Die λ-adische Metrik d ist eine Ultrametrik, es gilt d(v, w) = 0 ⇐⇒ v = w
(6.32)
d(v, w) = d(w, v) ≥ 0
(6.33)
d(v, w) ≤ max (d(v, u), d(u, w))
(6.34)
f¨ ur alle v, w, u ∈ V [[λ]]. iii.) V [[λ]] ist ein vollst¨andiger metrischer Raum und die Polynome V [λ] in λ mit Koeffizienten in V sind dicht in V [[λ]]. iv.) Versieht man [[λ]] ebenfalls mit der λ-adischen metrischen Topologie, so wird V [[λ]] ein topologischer [[λ]]-Modul. Die auf V ⊆ V [[λ]] induzierte Topologie ist diskret. v.) Eine [[λ]]-multilineare Abbildung
Φ : V1 [[λ]] × · · · × Vn [[λ]] −→ W [[λ]]
(6.35)
ist stetig in der λ-adischen Topologie. vi.) Ist v0 , v1 , . . . ∈ V eine Folge, so konvergiert die Reihe lim
n→∞
n
r
λ vr =
r=0
∞
λr vr
(6.36)
r=0
im Sinne der λ-adischen Topologie. Beweis. Die Eigenschaften der Ordnung pr¨ uft man elementar nach, womit auch unmittelbar folgt, daß d eine Ultrametrik ist. F¨ ur den dritten Teil betrachten wir eine Folge (v (n) ) ∈ V [[λ]] mit v (n) =
∞
λr vr(n) .
r=0
Ist die Folge eine Cauchy-Folge, so gibt es f¨ ur jedes k ∈ mit der Eigenschaft d v (n) , v (m) < 2−k
0 eine Zahl Nk ∈ 0 (∗)
f¨ ur alle v (n) und v (m) mit n, m ≥ Nk . Ohne Einschr¨ankung k¨onnen wir Nk ≥ (N ) ur k ≥ k ′ annehmen. Wir definieren nun wk = vk k und behaupten, daß Nk′ f¨ ∞ r w = r=0 λ wr ein und damit der Grenzwert der Folge ist. Dies ist aber klar: sei ε > 0 vorgegeben und k ∈ 0 so groß gew¨ahlt, daß 2−k < ε. Dann gilt
6.2 Algebraische Deformationstheorie nach Gerstenhaber
391
(n)
f¨ ur n ≥ Nk , daß die ersten k Ordnungen vr mit 0 ≤ r ≤ k f¨ ur alle solchen n die selben sein m¨ ussen. Dies besagt gerade die Eigenschaft (∗). Also gelten (n) (N ) f¨ ur alle n ≥ Nk die Gleichungen vr = vr k = wk f¨ ur 0 ≤ r ≤ k. Damit (n) −k folgt aber d(v , w) ≤ 2 < ε und somit die Vollst¨andigkeit. Die Stetigkeit der Addition und Multiplikation mit Skalaren in [[λ]] folgt nun aus einem einfachen Abz¨ ahlen der Ordnungen. So zeigt man auch allgemein den f¨ unften Teil. Der letzte Teil ist nach Definition der Metrik ebenfalls klar. ⊓ ⊔
Die λ-adische Topologie, welche durch die Metrik d induziert wird, eignet sich wenig f¨ ur eine λ-adische Analysis“, da die Topologie sehr fein ist. Die ” auf V induzierte Topologie ist nach Teil iv.) die diskrete Topologie, womit also jede vormals eventuell vorhandene Topologie auf V ignoriert wird. Es handelt sich bei der λ-adischen Topologie daher um ein algebraisches Konzept, denn letztlich werden nur in geschickter Weise die Ordnungen von λ gez¨ahlt. Trotzdem ist die topologische Sichtweise sehr n¨ utzlich, wie wir dies nun in den folgenden Anwendungen illustrieren wollen. Wir erinnern zun¨ achst an den Banachschen Fixpunktsatz. Sei dazu (M, d) ein metrischer Raum und φ : M −→ M eine Abbildung. Dann heißt φ kontrahierend, falls es ein 0 ≤ q < 1 gibt, so daß d(φ(x), φ(y)) ≤ qd(x, y)
(6.37)
f¨ ur alle x, y ∈ M . Die Abbildung φ ist daher Lipschitz-stetig mit einer Lipschitz-Konstante q < 1. Ist M zudem vollst¨andig, so gilt der wohlbekannte Banachsche Fixpunktsatz: Proposition 6.2.5 (Banachscher Fixpunktsatz). Sei φ : M −→ M eine kontrahierende Abbildung eines vollst¨andigen metrischen Raums in sich. Dann besitzt φ genau einen Fixpunkt x∞ = φ(x∞ ), welcher durch Iteration x∞ = limn→∞ φn (x) bei beliebigem Startwert x ∈ M gewonnen werden kann. Die N¨ utzlichkeit der λ-adischen Topologie besteht nun unter anderem darin, daß kontrahierende Abbildungen auf einfachste Weise charakterisiert werden k¨ onnen:
Lemma 6.2.6. Sei V ein -Modul. Eine Abbildung φ : V [[λ]] −→ V [[λ]] ist genau dann kontrahierend bez¨ uglich der λ-adischen Metrik d, falls es ein 0 < k ∈ ∪ {+∞} gibt, so daß
o(φ(v) − φ(w)) ≥ k + o(v − w)
(6.38)
f¨ ur alle v, w ∈ V [[λ]]. In diesem Fall ist q = 2−k eine Lipschitz-Konstante f¨ ur φ. Der Beweis ist elementar, trotzdem ist das Lemma sehr n¨ utzlich, da die Bedingung (6.38) oftmals unmittelbar einsichtig ist. Eine Anwendung des Banachschen Fixpunktsatzes besteht dann meist darin, eine Gleichung Ordnung f¨ ur Ordnung in λ l¨ osen zu wollen. Wir geben ein Beispiel aus der formalen Deformationstheorie, welches f¨ ur Sternprodukte Anwendung finden wird:
392
6 Formale Deformationsquantisierung
Proposition 6.2.7. Sei A eine assoziative -Algebra mit ⊆ und sei ∞ (A[[λ]], ⋆) eine assoziative Deformation von A. Sei T = id + r=1 λr Tr : A[[λ]] −→ A[[λ]] eine [[λ]]-lineare Abbildung, welche wir immer als T = exp(λD) mit einer eindeutig bestimmten [[λ]]-linearen Abbildung D = D0 + λD1 + · · · : A[[λ]] −→ A[[λ]] schreiben k¨onnen. Die Abbildung T ist genau dann ein ⋆-Automorphismus, wenn D eine ⋆-Derivation ist. Beweis (nach [58, Lem. 5]). Zun¨ achst ist klar, daß D eine wohl-definierte liefert, da T in nullter Ordnung von λ die Identit¨at ist und daher die Logarithmusreihe ∞ s ∞ ∞ (−1)s+1 r r λD = log T = log id + λ Tr = (∗) λ Tr s s=0 r=1 r=1
[[λ]]-lineare Abbildung
eine wohl-definierte formale Potenzreihe darstellt. Dies l¨aßt sich insbesondere sch¨ on mit Hilfe der λ-adischen Topologie zeigen, indem man die Konvergenz der Reihe (∗) im Sinne der λ-adischen Topologie pr¨ uft. Die Koeffizienten von D lassen sich aus denen von T bestimmen und es gilt beispielsweise D0 = T1 . Ein direkter Beweis der Derivationseigenschaft von D Ordnung f¨ ur Ordnung ist m¨ oglich, aber unn¨ otig kompliziert, da sowohl von der Reihe (∗) als auch vom deformierten Produkt viele h¨ ohere Ordnungen zusammenkommen m¨ ussen, um die Derivationseigenschaft in einer gegebenen Ordnung zeigen zu k¨onnen. Wir w¨ ahlen daher einen anderen Weg: Wir definieren eine [[λ]]-bilineare Abbildung E durch E(a, b) = D(a ⋆ b) − D(a) ⋆ b − a ⋆ D(b), so daß E also gerade den Defekt der Derivationseigenschaft beschreibt. Durch eine einfache Induktion nach k findet man die Gleichung Dk (a ⋆ b) =
k k−1 (k) k crst Dr (E(Ds a, Dt b)), Dℓ a ⋆ Dk−ℓ b + ℓ r,s,t=0 ℓ=0
wobei die Konstanten crst ∈ keine λ-Potenzen enthalten und prinzipiell rekursiv bestimmt werden k¨ onnen. Die genaue Form ist jedoch unerheblich. Wir berechnen nun T (a ⋆ b) und erhalten (k)
T (a ⋆ b) =
∞ λk k=0
k!
Dk (a ⋆ b)
k k−1 ∞ ∞ λk (k) r λk k = c D (E(Ds a, Dt b)) Dℓ a ⋆ Dk−ℓ b + ℓ k! k! r,s,t=0 rst k=0
ℓ=0
= T (a) ⋆ T (b) +
k=0
∞
k=0
k
λ k!
k−1
r,s,t=0
(k)
crst Dr (E(Ds a, Dt b)),
6.2 Algebraische Deformationstheorie nach Gerstenhaber
393
womit T genau dann ein ⋆-Automorphismus ist, wenn die zweite Reihe verschwindet. Der Term k = 0 tr¨ agt dabei noch nichts bei, der Term k = 1 liefert gerade λE. Also gilt, daß T genau dann ein ⋆-Automorphismus ist, wenn E(a, b) = −
∞ k−1 λk−1 k=2
k!
(k)
crst Dr (E(Ds a, Dt b))
(∗∗)
r,s,t=0
gilt. Diese Gleichung k¨ onnen wir nun als eine Fixpunktgleichung E = φ(E) f¨ ur E ∈ Hom[[λ]] (A[[λ]] × A[[λ]], A[[λ]]) = Hom (A × A, A)[[λ]] interpretieren, wobei der Operator φ durch die rechte Seite von (∗∗) definiert wird. Offenbar erh¨ oht φ die Ordnung um mindestens 1, so daß mit der Linearit¨ at von φ folgt, daß φ kontrahierend ist. Andererseits ist, da φ linear ist, 0 ein Fixpunkt und somit der einzige Fixpunkt. Dies zeigt, daß T genau dann ein ⋆-Automorphismus ist, falls E = 0, also D eine ⋆-Derivation ist. ⊓ ⊔ Man beachte, daß im Beweis an keiner Stelle verwendet wurde, daß ⋆ eine assoziative Multiplikation ist. Folglich ist die Aussage nach wie vor richtig, wenn ⋆ beispielsweise eine Lie-Klammer ist. Korollar 6.2.8. Zwei Hermitesche Sternprodukte ⋆ und ⋆′ sind genau dann -¨aquivalent, wenn sie ¨aquivalent sind.
∗
Beweis. Der Beweis wird in Aufgabe 7.6 gezeigt. 6.2.2 Die Gerstenhaber-Klammer und der Hochschild-Komplex Um die Bedingung (6.6) beziehungsweise (6.26) der Assoziativit¨at einer formalen Deformation einer assoziativen Algebra (A, μ0 ) besser verstehen zu k¨ onnen, ben¨ otigen wir den Hochschild-Komplex von A. Wir folgen in diesem Abschnitt im wesentlichen Gerstenhabers Darstellung in [134]. Es gibt mittlerweile durchaus leistungsf¨ ahigere Techniken, den Hochschild-Komplex mit seinen Strukturen zu beschreiben, wie etwa die Formulierung mit Hilfe ¨ von Koalgebren, siehe [40, App. A] f¨ ur eine Ubersicht. Wir w¨ahlen trotzdem den elementaren Zugang von [134] nicht zuletzt deshalb, um die dort erbrachte Leistung zu w¨ urdigen. Sei also A zun¨ achst nur ein -Modul, wobei ein kommutativer Ring sei und der Einfachheit wegen ⊆ gelte. Dann betrachtet man die multilinearen Abbildungen mit Werten in A ⎧ ⎪ {0} n < 0, ⎪ ⎪ ⎨ A n = 0, (6.39) C n (A, A) =
⎪Hom A ⊗ · · · ⊗ A, A n > 0, ⎪ ⎪ ⎩ n−mal
394
6 Formale Deformationsquantisierung
wobei wir wie immer -lineare Abbildungen A⊗· · ·⊗A −→ A mit den entsprechenden -multilinearen Abbildungen identifizieren, siehe auch Aufgabe 1.6. Weiter betrachten wir die direkte Summe C • (A, A) = C n (A, A). (6.40) n∈
Die Bezeichnung C • (A, A) legt bereits nahe, daß man anstelle von A auch einen anderen -Modul M als Wertebereich der multilinearen Abbildungen verwenden kann. Auf diese Weise erh¨ alt man dann C • (A, M). Da wir im folgenden jedoch immer nur A benutzen werden, schreiben wir auch einfach C • (A) = C • (A, A), um die Notation etwas zu entlasten, siehe auch Aufgabe 6.5. Es wird sich als zweckm¨ aßig erweisen, einen um eins nach unten verschobenen Grad anstelle des Tensorgrades n in (6.40) zu verwenden. Wir definieren daher f¨ ur φ ∈ C • (A) deg φ = n ⇐⇒ φ ∈ C n+1 (A).
(6.41)
Insbesondere haben Algebraelemente a ∈ A = C 0 (A) den Grad −1 und lineare Abbildungen A −→ A den Grad 0. Die bilinearen Abbildungen, welche wir sp¨ ater als Kandidaten f¨ ur Multiplikationen verwenden wollen, haben den Grad +1. Seien nun φ ∈ C n+1 (A) und ψ ∈ C m+1 (A) gegeben. Dann definiert man die Einsetzung von ψ in φ nach der i-ten Stelle als (φ ◦i ψ)(a0 , . . . , an+m ) = φ (a0 , . . . , ai−1 , ψ(ai , . . . , ai+m ), ai+m+1 , . . . , an+m ) , (6.42) wobei i = 0, . . . , n = deg φ und a0 , . . . , an+m ∈ A. Somit erh¨alt man ein Element φ ◦i ψ ∈ C n+m+1 (A). Dies zeigt insbesondere, daß ◦i homogen bez¨ uglich des deg-Grades ist, also deg(φ ◦i ψ) = deg φ + deg ψ
(6.43)
f¨ ur alle i = 0, . . . , deg φ. Man setzt ◦i bilinear auf ganz C • (A) fort, indem man φ ◦i ψ = 0 setzt, sobald i > deg φ. Die Einsetzung von ψ ∈ C 0 (A) = A in φ ist einfach die Einsetzung des Algebraelements ψ an die entsprechende Stelle von φ. Die Einsetzung von ψ ∈ C 1 (A) = End (A) in φ ∈ C 1 (A) ist die Hintereinanderausf¨ uhrung der Endomorphismen φ ◦0 ψ = φ ◦ ψ. Mit den richtigen Vorzeichen verziert definieren wir nun eine Linearkombination aller m¨ oglichen Einsetzungen von ψ in φ als φ◦ψ =
deg φ i=0
(−1)i deg ψ φ ◦i ψ,
(6.44)
wobei wir (6.44) f¨ ur homogene Elemente vom Grad deg φ beziehungsweise deg ψ verwenden und anschließend bilinear auf alle Elemente von C • (A)
6.2 Algebraische Deformationstheorie nach Gerstenhaber
395
fortsetzen. Insbesondere verallgemeinert (6.44) die u ¨ bliche Hintereinanderausf¨ uhrung von Endomorphismen φ, ψ ∈ C 1 (A) = End (A). Dann ist ◦ ebenso wie die einzelnen ◦i gradiert bez¨ uglich des deg-Grades deg(φ ◦ ψ) = deg φ + deg ψ.
(6.45)
Das Produkt ◦ ist weder assoziativ noch kommutativ, es gilt vielmehr folgende Identit¨ at, welche jedoch immer noch hinreichend daf¨ ur ist, daß der gradierte ◦-Kommutator eine Super-Lie-Klammer ist: Satz 6.2.9 (Gerstenhaber-Klammer). Sei A ein -Modul und seien φ, ψ, χ ∈ C • (A) homogene Elemente. i.) Es gilt ⎧ ⎪ ⎨(φ ◦j χ) ◦i+deg χ ψ (φ ◦i ψ) ◦j χ = φ ◦i (ψ ◦j−i χ) ⎪ ⎩ (φ ◦j−deg ψ χ) ◦i ψ
j i + deg ψ.
(6.46)
ii.) Es gilt
(φ ◦ ψ) ◦ χ − φ ◦ (ψ ◦ χ) = (−1)deg ψ deg χ ((φ ◦ χ) ◦ ψ − φ ◦ (χ ◦ ψ)) . (6.47) iii.) Der Superkommutator [φ, ψ] = φ ◦ ψ − (−1)deg φ deg ψ ψ ◦ φ
(6.48)
ist superantisymmetrisch und erf¨ ullt die Super-Jacobi-Identit¨at bez¨ uglich des deg-Grades, womit (C • (A), deg, [·, ·]) eine Super-Lie-Algebra wird. Beweis. Seien φ, ψ und χ als homogene Elemente der Grade n, m, und k gegeben. Dann gilt f¨ ur a0 , . . . , an+m+k ∈ A ((φ ◦i ψ) ◦j χ) (a0 , . . . , an+m+k )
= (φ ◦i ψ)(a0 , . . . , aj−1 , χ(aj , . . . , aj+k ), aj+k+1 , . . . , an+m+k ) φ (a , ..., a , ψ(a , ..., a ), ..., a , χ(a , ..., a ), ..., a
0 i−1 i i+m j−1 j j+k n+m+k ) φ (a , ..., a , ψ (a , ..., a , χ(a , ..., a ), ..., a ) , ..., an+m+k ) = 0 i−1 i j−1 j j+k i+m+k φ (a0 , ..., aj−1 , χ(aj , ..., aj+k ), ..., ai+k−1 , ψ(ai+k , ..., ai+k+m ), ..., an+m+k ) ((φ ◦j−m χ) ◦i ψ) (a0 , . . . , an+m+k ) j > i + m, = (φ ◦i (ψ ◦j−i χ)) (a0 , . . . , an+m+k ) i ≤ j ≤ i + m, ((φ ◦j χ) ◦i+k ψ) (a0 , . . . , an+m+k ) j < i.
Somit ist der erste Teil gezeigt. Man beachte, daß diese Rechenregeln unter nochmaliger Anwendung und der Vertauschung der Rollen von ψ und χ konsistent sind. F¨ ur den zweiten Teil berechnen wir unter Verwendung des ersten Teils f¨ ur die Terme mit i ≤ j ≤ i + m
396
6 Formale Deformationsquantisierung
(φ ◦ ψ) ◦ χ − φ ◦ (ψ ◦ χ) n+m
=
j=0
(−1)jk (φ ◦ ψ) ◦j χ −
n+m n
=
j=0 i=0
n i−1
=
i=0 j=0
+
(−1)im+jk (φ ◦i ψ) ◦j χ +
i=0 j=i
=
i=0
(−1)i(m+k) φ ◦i (ψ ◦ χ)
(−1)jk+im (φ ◦i ψ) ◦j χ −
n i+m
n i−1
n
+
i=0 j=0
i=0 j=0
n
(−1)im+ik+jk φ ◦i (ψ ◦j χ)
n+m
i=0 j=i+m+1
(−1)im+jk φ ◦i (ψ ◦j−i χ) −
(−1)im+jk (φ ◦i ψ) ◦j χ +
i=0 j=0 n m
n m
n
n m i=0 j=0
(−1)im+jk (φ ◦i ψ) ◦j χ
(−1)im+ik+jk φ ◦i (ψ ◦j χ)
n+m
i=0 j=i+m+1
(−1)im+jk (φ ◦i ψ) ◦j χ
(−1)im+jk−ik − (−1)im+ik+jk (φ ◦i ψ) ◦j χ, =0
womit wir die wichtige Identit¨ at (φ ◦ ψ) ◦ χ − φ ◦ (ψ ◦ χ) =
n i=0
0≤j i + m an und erhalten (φ ◦ ψ) ◦ χ − φ ◦ (ψ ◦ χ) =
n i−1 i=0 j=0
=
n+k i−k−1 j=0
i=k
=
=
(−1)im+jk (φ ◦j χ) ◦i+k ψ +
i=0
n
n+k
= (−1)
i=0 j=i+1 n n
(−1)im+mk+jk (φ ◦j χ) ◦i ψ
j=0 i=j+1
(−1)jm+ik+mk (φ ◦i χ) ◦j ψ +
((φ ◦ χ) ◦ ψ − φ ◦ (χ ◦ ψ)) .
(−1)im+jk (φ ◦j−m χ) ◦i ψ
n n
(−1)jm+mk+ik (φ ◦i χ) ◦j ψ +
i=0 j=i+k+1 mk
n+m
i=0 j=i+m+1
(−1)im+mk+jk (φ ◦j χ) ◦i ψ +
n+k j−k−1 j=k
n
n i−1 i=0 j=0
(−1)jm+mk+ik (φ ◦i χ) ◦j ψ
(−1)jm+ik+mk (φ ◦i χ) ◦j ψ (∗)
Im letzten Schritt haben wir Gleichung (6.49) f¨ ur ψ und χ in vertauschten Rollen verwandt. Die Umsummation im vorangehenden Schritt macht man
6.2 Algebraische Deformationstheorie nach Gerstenhaber
j
397
n 1
k+n
n 1
k+1
0 1
n
i
Abb. 6.1. Die beiden (i, j)-Dreiecke der Summationen in (∗)
sich am besten anhand einer graphischen Darstellung in der (i, j)-Ebene klar, siehe Abbildung 6.1. Der dritte Teil ist nun einfach. Die Superantisymmetrie ist offensichtlich, es bleibt also nur die Super-Jacobi-Identit¨at zu pr¨ ufen. Diese zeigt man aber unter mehrfacher Verwendung von (6.47) durch eine einfache Rechnung. ⊓ ⊔
Definition 6.2.10 (Gerstenhaber-Klammer). Sei A ein -Modul. Das durch (6.44) erkl¨arte nichtassoziative Produkt auf C • (A) heißt GerstenhaberProdukt und die durch (6.48) erkl¨arte Super-Lie-Klammer heißt Gerstenhaber-Klammer.
Man beachte, daß sowohl ◦ als auch [·, ·] kanonisch f¨ ur jeden -Modul A erkl¨ art sind und keine weitere Struktur auf A voraussetzen. Die GerstenhaberKlammer und somit die Super-Lie-Algebra (C • (A), [·, ·], deg) spielen in der Deformationstheorie die zentrale Rolle. Um dies zu sehen, betrachten wir folgendes triviales Lemma: Lemma 6.2.11 (Assoziativit¨ at). Sei A ein -Modul und μ ∈ C 2 (A) eine bilineare Abbildung μ : A × A −→ A. Dann definiert μ genau dann eine assoziative Multiplikation, wenn [μ, μ] = 0.
(6.50)
Beweis. Ein Element μ ∈ C 2 (A) hat deg-Grad +1 und ist damit ein ungerades Element bez¨ uglich der Gerstenhaber-Klammer. Es gilt [μ, μ] = μ ◦ μ + μ ◦ μ = 2μ ◦ μ. Weiter gilt (μ ◦ μ)(a, b, c) =
1 i=0
(−1)i (μ ◦i μ)(a, b, c) = μ(μ(a, b), c) − μ(a, μ(b, c)),
womit das Lemma bewiesen ist, da wir
1 2
∈ angenommen haben.
⊓ ⊔
Mit einer v¨ ollig analogen Argumentation wie schon bei der PoissonKohomologie in Abschnitt 4.2.2 k¨ onnen wir aus einem solchen μ ein Differential konstruieren:
398
6 Formale Deformationsquantisierung
Definition 6.2.12 (Hochschild-Kohomologie). Sei (A, μ) eine assoziative Algebra u ¨ber . Dann heißt δ : C • (A) −→ C •+1 (A) mit δφ = (−1)deg φ [μ, φ] = −[φ, μ]
(6.51)
das Hochschild-Differential und (C • (A), δ) heißt der Hochschild-Komplex von A. Die Kohomologie ker δ (6.52) HH• (A) = im δ heißt Hochschild-Kohomologie von (A, μ). Bemerkung 6.2.13. Zun¨ achst ist klar, daß δ 2 = 0 gilt. Dies folgt wie auch schon f¨ ur die Poisson-Kohomologie direkt aus der Super-Jacobi-Identit¨at der Gerstenhaber-Klammer, denn δ 2 φ = [[φ, μ], μ] = [φ, [μ, μ]] − [[φ, μ], μ] = −δ 2 φ. Das Vorzeichen in der Definition von δ ist historisch bedingt: einfacher k¨onnte man auch δ = [μ, ·] verwenden, dann bek¨ ame aber die explizite Formel (6.53) zus¨ atzliche Vorzeichen. Weiter ist δ homogen vom Grad +1, so daß die Hochschild-Kohomologie HH• (A) die Gradierung von C • (A) erbt. Proposition 6.2.14. Die Gerstenhaber-Klammer von C • (A) induziert eine uglich des um eins verschobenen TensorSuper-Lie-Klammer auf HH• (A) bez¨ grads, also bez¨ uglich deg. Weiter gilt explizit (δφ)(a0 , . . . , an+1 ) = a0 φ(a1 , . . . , an+1 ) n (−1)i+1 φ(a0 , . . . , ai ai+1 , . . . , an+1 ) + (−1)n φ(a0 , . . . , an )an+1 + i=0
(6.53)
f¨ ur φ ∈ C n+1 (A). Beweis. Der erste Teil ist wieder eine Folge der Super-Jacobi-Identit¨at, denn δ[φ, ψ] = −[[φ, ψ], μ] = −[φ, [ψ, μ]] − (−1)deg ψ [[φ, μ], ψ] = [φ, δψ] + (−1)deg ψ [δφ, ψ],
womit δ eine Super-Leibniz-Regel bez¨ uglich der Gerstenhaber-Klammer erf¨ ullt. Damit folgt aber auf die u ur Kohomologie¨ bliche Weise, daß [·, ·] auch f¨ klassen wohl-definiert ist. F¨ ur die zweite Aussage rechnet man δφ explizit mit Hilfe der Definition (6.48) der Gerstenhaber-Klammer aus. Zum einen gilt (μ ◦ φ)(a0 , . . . , an+1 ) = μ(φ(a0 , . . . , an ), an+1 ) + (−1)n μ(a0 , φ(a1 , . . . , an+1 )) = φ(a0 , . . . , an )an+1 + (−1)n a0 φ(a1 , . . . , an+1 ),
6.2 Algebraische Deformationstheorie nach Gerstenhaber
399
und zum anderen gilt (φ ◦ μ)(a0 , . . . , an+1 ) = =
n
(−1)i φ(a0 , . . . , μ(ai , ai+1 ), . . . , an+1 )
i=0
n
(−1)i φ(a0 , . . . , ai ai+1 , . . . , an+1 ).
i=0
Damit folgt aber aus der Definition −[φ, μ] = −φ ◦ μ + (−1)n μ ◦ φ sofort die Gleichung (6.53). ⊓ ⊔
Die Super-Lie-Algebra HH• (A) stellt eine der wichtigsten Kenngr¨oßen der Algebra A dar. Wir werden nun die ersten Hochschild-Kohomologiegruppen interpretieren: Sei zun¨ achst a ∈ A ∈ C 0 (A) gegeben. Dann gilt δa = 0 genau dann, wenn (6.54) (δa)(b) = ba + (−1)−1 ab = [b, a] = − ad(a)b
f¨ ur alle b ∈ A verschwindet, also wenn a zentral ist. Da es keine exakten Elemente vom deg-Grad −1 geben kann, folgt also, daß die nullte HochschildKohomologie HH0 (A) gerade das Zentrum der Algebra ist HH0 (A) = Z (A).
(6.55)
Sei nun D ∈ End (A) = C 1 (A). Dann gilt (δD)(a, b) = aD(b) − D(ab) + D(a)b,
(6.56)
womit δD = 0 genau dann gilt, wenn D eine Derivation ist. Da nach (6.54) die exakten Elemente δa ∈ C 1 (A) gerade die inneren Derivationen sind, folgt, daß die erste Hochschild-Kohomologie von A HH1 (A) =
Der(A) = OutDer(A) InnDer(A)
(6.57)
der Raum der ¨außeren Derivationen von A ist. Da HH• (A) eine Super-LieAlgebra bez¨ uglich des deg-Grades ist, folgt, daß HH1 (A) eine Lie-Unteralgebra ist. Die Gerstenhaber-Klammer f¨ ur φ, ψ ∈ End (A) = C 1 (A) ist in diesem Falle einfach der Kommutator der Endomorphismen. Demnach ist die induzierte Lie-Klammer in HH1 (A) = OutDer(A) der Kommutator von a¨ußeren Derivationen, siehe auch Aufgabe 1.8. Dies liefert eine Interpretation der nullten und ersten Hochschild-Kohomologie einer assoziativen Algebra. ¨ Man beachte die Ahnlichkeit der Interpretation der nullten und ersten Hochschild-Kohomologie mit der entsprechenden Poisson-Kohomologie. Auch dort wird das Poisson-Zentrum sowie die ¨ außeren Poisson-Vektorfelder durch die nullte und erste Poisson-Kohomologie beschrieben. Wir werden diese Analogie auch f¨ ur die zweite und dritte Kohomologiegruppe weiterf¨ uhren. Zus¨ atzlich zur Gerstenhaber-Klammer und dem Hochschild-Differential δ gibt es noch eine weitere algebraische Struktur auf dem Hochschild-Komplex C • (A) einer assoziativen Algebra, das cup-Produkt:
400
6 Formale Deformationsquantisierung
Definition 6.2.15 (cup-Produkt). Sei (A, μ) eine assoziative Algebra ¨ uber und φ ∈ C n (A), ψ ∈ C m (A). Dann ist das cup-Produkt φ ∪ ψ ∈ C n+m (A) von φ und ψ durch (φ ∪ ψ)(a1 , . . . , an+m ) = φ(a1 , . . . , an )ψ(an+1 , . . . , an+m )
(6.58)
definiert, wobei a1 , . . . , an+m ∈ A. Die Beziehungen der Gerstenhaber-Klammer, des Hochschild-Differentials und des cup-Produkts erkl¨ art nun folgender Satz: Satz 6.2.16. Sei (A, μ) eine assoziative Algebra ¨ uber . i.) Das cup-Produkt ∪ macht C • (A) zu einer gradierten, assoziativen Algebra bez¨ uglich des Tensorgrads. ii.) Das Hochschild-Differential δ ist eine Superderivation von ∪ vom Grad +1, es gilt (6.59) δ(φ ∪ ψ) = δφ ∪ ψ + (−1)n φ ∪ δψ
f¨ ur φ ∈ C n (A) und ψ ∈ C • (A). iii.) F¨ ur φ ∈ C n (A) und ψ ∈ C m (A) gilt
φ◦δψ−δ(φ◦ψ)+(−1)m−1 δφ◦ψ = (−1)m−1 ψ∪φ−(−1)nm φ∪ψ . (6.60)
Beweis. Der erste Teil ist klar, man beachte lediglich, daß die Gradierung bez¨ uglich des cup-Produkts nun tats¨ achlich der Tensorgrad und nicht der um eins verschobene deg-Grad ist. F¨ ur den zweiten Teil rechnet man elementar mit (6.53) nach, daß (δ(φ ∪ ψ)) (a0 , . . . , an+m ) = a0 (φ ∪ ψ)(a1 , . . . , an+m ) +
n+m−1 i=0
(−1)i+1 (φ ∪ ψ)(a0 , . . . , ai ai+1 , . . . , an+m )
+ (−1)n+m−1 (φ ∪ ψ)(a0 , . . . , an+m−1 )an+m
= a0 φ(a1 , . . . , an )ψ(an+1 , . . . , an+m ) + +
n−1
(−1)i+1 φ(a0 , . . . , ai ai+1 , . . . , an )ψ(an+1 , . . . , an+m )
i=0 n+m−1
(−1)i+1 φ(a0 , . . . , an−1 )ψ(an , . . . , ai ai+1 , . . . , an+m )
i=n n+m−1
+ (−1)
φ(a0 , . . . , an−1 )ψ(an , . . . , an+m−1 )an+m
= (δφ ∪ ψ)(a0 , . . . , an+m ) + (−1)n (φ ∪ δψ)(a0 , . . . , an+m ), womit (6.59) gezeigt ist. Den dritten Teil rechnen wir ebenso mit Hilfe der Definition von δ und der Gerstenhaber-Klammer nach: Zun¨achst gilt f¨ ur φ ∈ C n (A) und ψ ∈ C m (A), daß
6.2 Algebraische Deformationstheorie nach Gerstenhaber
401
((μ ◦0 φ) ◦n ψ) (a1 , . . . , an+m ) = (μ ◦0 φ)(a1 , . . . , an , ψ(an+1 , . . . , an+m )) = μ(φ(a1 , . . . , an ), ψ(an+1 , . . . , an+m )) = (φ ∪ ψ)(a1 , . . . , an+m ),
womit wir die wichtige Gleichung φ ∪ ψ = (μ ◦0 φ) ◦n ψ
(6.61)
gezeigt haben. Weiter folgt damit unter Verwendung der Identit¨at (6.47) φ ◦ δψ − δ(φ ◦ ψ) + (−1)m−1 δφ ◦ ψ
= −φ ◦ [ψ, μ] + [φ ◦ ψ, μ] − (−1)m−1 [φ, μ] ◦ ψ = −φ ◦ (ψ ◦ μ) − (−1)m φ ◦ (μ ◦ ψ) + (φ ◦ ψ) ◦ μ
− (−1)n+m−2 μ ◦ (φ ◦ ψ) + (−1)m (φ ◦ μ) ◦ ψ + (−1)n+m (μ ◦ φ) ◦ ψ
= −(φ ◦ ψ) ◦ μ + (−1)m−1 (φ ◦ μ) ◦ ψ + (φ ◦ ψ) ◦ μ
− (−1)n+m μ ◦ (φ ◦ ψ) + (−1)m (φ ◦ μ) ◦ ψ + (−1)n+m (μ ◦ φ) ◦ ψ
= −(−1)n+m (μ ◦ (φ ◦ ψ) − (μ ◦ φ) ◦ ψ) .
Unter Verwendung von (6.49) folgt schließlich mit (6.61) und (6.46) μ ◦ (φ ◦ ψ) − (μ ◦ φ) ◦ ψ =
1 i=0
0≤j 0, so liefert die Bedingung ln(f0 ) > 0 eine ausgezeichnete Wahl. Bemerkung 6.3.6 (Globaler ⋆-Logarithmus). Findet man f¨ ur eine invertierbare Funktion f ∈ C ∞ (M )[[λ]] sogar einen globalen klassischen Logarithmus H0 = ln(f0 ) ∈ C ∞ (M ), so liefert Satz 6.3.4 auch einen globalen ⋆-Logarithmus H = Ln(f ) = ln(f0 ) + · · · . Umgekehrt ist der klassische Limes eines globalen ⋆-Logarithmus Ln(f ) von f immer ein klassischer Logarithmus des klassischen Limes f0 . Damit unterliegt die Existenz eines globalen ⋆-Logarithmus einer invertierbaren Funktion f ∈ C ∞ (M )[[λ]] also den selben topologischen Einschr¨ ankungen wie bereits der klassische Logarithmus. Als Beispiel sei an die Nichtexistenz eines klassischen glatten Logarithmus der invertierbaren Funktion id : \ {0} ∋ z → z ∈ erinnert. Bemerkung 6.3.7 (⋆-Potenzen). Ist f ∈ C ∞ (M )[[λ]] invertierbar und besitzt einen globalen ⋆-Logarithmus Ln(f ), so lassen sich auch ⋆-Potenzen f ⋆z = Exp(z Ln(f ))
(6.110)
mit z ∈ [[λ]] definieren, f¨ ur die sich dann die u ¨ blichen Rechenregeln aus denen f¨ ur Exp und Ln ableiten lassen. Die Mehrdeutigkeit der ⋆-Potenzen ergibt sich in u ¨ blicher Weise aus der des ⋆-Logarithmus. 6.3.2 Derivationen von Sternprodukten Um die algebraische Struktur der Observablen besser verstehen zu k¨onnen, wollen wir in einem n¨ achsten Schritt die Derivationen als infinitesimale Version der Automorphismen der Algebra (C ∞ (M )[[λ]], ⋆) betrachten. Die LieAlgebra der Derivationen wird dabei mit Der(⋆) bezeichnet, das Lie-Ideal
424
6 Formale Deformationsquantisierung
der inneren Derivationen mit InnDer(⋆) ⊆ Der(⋆). Offenbar sind beide [[λ]]Moduln. Ist ⋆ zudem Hermitesch, bezeichnet Der∗ (⋆) die ∗ -Derivationen, also diejenigen D ∈ Der(⋆), f¨ ur welche D(f ) = D(f ) gilt. ur jedes Innere Derivationen ad(H) = [H, ·]⋆ = iλ{H, ·} + · · · beginnen f¨ Sternprodukt in Ordnung λ oder h¨ oher, da die nullte Ordnung von ⋆ das kommutative Produkt ist. Daher ist λi ad(H) = −{H, ·} + · · · ebenfalls eine wohl-definierte, im allgemeinen aber ¨außere Derivation, da λi H“ im allgemei” nen kein Element von C ∞ (M )[[λ]] darstellt, solange wir u ¨ ber den formalen Potenzreihen arbeiten. Dies motiviert folgende Definition: Definition 6.3.8 (Quasiinnere Derivationen). Sei ⋆ ein Sternprodukt auf M . Dann heißt eine ⋆-Derivation von C ∞ (M )[[λ]] der Form λi ad(H) mit H ∈ C ∞ (M )[[λ]] quasiinnere Derivation. Die Menge der quasiinneren Derivationen wird mit λi InnDer(⋆) bezeichnet. Bemerkung 6.3.9 (Quasiinnere Derivationen).
i.) Die quasiinneren Derivationen sind offenbar ein [[λ]]-Untermodul aller Derivationen Der(⋆) von ⋆. Weiter gilt f¨ ur eine beliebige Derivation D ∈ Der(⋆) und λi ad(H) ∈ λi InnDer(⋆) offenbar ( ' i i i (6.111) D, ad(H) = ad(DH) ∈ InnDer(⋆), λ λ λ womit die quasiinneren Derivationen sogar ein Lie-Ideal in Der(⋆) bilden. ii.) Der Faktor i ist reine Konvention und bewirkt, daß die unterste Ordnung von λi ad(H) durch das Hamiltonsche Vektorfeld LXH0 zur nullten Ordnung H0 von H gegeben ist. iii.) Benutzten wir formale Laurent-Reihen anstelle von formalen Potenzreiachlich eine innere Derivation, womit hen, so w¨ are λi ad(H) = ad( λi H) tats¨ die Bezeichnung quasiinnere Derivation“ erkl¨art ist. ”
Da wir (C ∞ (M )[[λ]], ⋆) immer als [[λ]]-Algebra verstehen wollen, betrachten wir nur solche Derivationen, welche auch [[λ]]-linear sind. Ist daher D eine Derivation, so gilt ∞ λr Dr (6.112) D=
r=0
∞
mit linearen Abbildungen Dr : C (M ) −→ C ∞ (M ), die wir auf die u ¨ bliche Weise auf C ∞ (M )[[λ]] fortsetzen. Die Lokalit¨at des Sternprodukts impliziert nun die Lokalit¨ at seiner Derivationen: Lemma 6.3.10. Ist ⋆ ein differentielles Sternprodukt auf M und D ∈ Der(⋆), so ist jede Abbildung Dr lokal. Die Derivation D schr¨ankt sich auf offene Teilmengen O ⊆ M zu DO ∈ Der(⋆ O ) ein.
6.3 Kalk¨ ul mit Sternprodukten
425
Beweis. Sei p ∈ M \ supp f f¨ ur f ∈ C ∞ (M ). Sei weiter O ⊆ M eine offene cl ∞ Umgebung von p mit O ∩ supp f = ∅ und χ ∈ C∞ (M ) eine Funktion mit χ Ocl = 0 sowie χ supp f = 1, die wir nach dem C -Urysohn-Lemma, siehe Korollar A.1.5, immer finden k¨ onnen. Zun¨ achst folgt f ⋆ χ = f , da die Bidifferentialoperatoren Cr des Sternprodukts ⋆ f¨ ur r ≥ 1 mindestens einmal differenzieren. Damit gilt aber D(f ) = D(f ⋆ χ) = D(f ) ⋆ χ + f ⋆ D(χ). Die Lokalit¨ at von ⋆ impliziert nun, daß in O zum einen D(f ) ⋆ χ verschwindet, da χ O = 0, und zum anderen, daß f ⋆ D(χ) in O ebenfalls verschwindet, da f O = 0. Dies zeigt D(f ) O = 0, womit supp D(f ) ⊆ supp f gezeigt ist. Die Lokalit¨ at impliziert dann mit Proposition A.3.3 die Einschr¨ankbarkeit, die Derivationseigenschaft von DO ist klar. ⊓ ⊔ Dieses Lemma erlaubt nun folgende Definition von Derivationen, welche zumindest lokal innere Derivationen sind [59, Sect. 5.2]: Definition 6.3.11 (Lokal innere Derivationen). Sei ⋆ ein Sternprodukt auf M und D eine Derivation. Dann heißt D lokal innere Derivation, falls es zu jedem Punkt p ∈ M eine offene Umgebung O ⊆ M gibt, so daß DO ∈ InnDer(⋆ O ) gilt. Die Menge der lokal inneren Derivationen wird mit LocInnDer(⋆) bezeichnet. Entsprechend definiert man die lokal quasiinneren Derivationen λi LocInnDer(⋆). ur i = 1, 2 mit geIst also D ∈ LocInnDer(⋆) mit DOi = ad(HOi ) f¨ eigneten offenen Teilmengen O1 , O2 ⊆ M und entsprechenden Funktionen HOi ∈ C ∞ (Oi )[[λ]], so ist (HO1 − HO2 ) O1 ∩O2 ein zentrales Element in C ∞ (O1 ∩ O2 )[[λ]] bez¨ uglich ⋆ O1 ∩O2 . Weiter ist klar, daß innere Derivationen erst recht lokal innere Derivationen sind. Die Obstruktion f¨ ur eine lokal innere Derivation, innere Derivation zu sein, besteht ja gerade darin, daß sich die lokalen Funktionen HO , eventuell nach geeigneter Addition zentraler Funktionen, zu einer global definierten Funktion zusammenf¨ ugen lassen. Lemma 6.3.12. Die lokal inneren Derivationen LocInnDer(⋆) ebenso wie i [[λ]]-Untermodul und ein Lie-Ideal von Der(⋆). λ LocInnDer(⋆) bilden einen
Beweis. Daß LocInnDer(⋆) ebenso wie λi LocInnDer(⋆) Untermoduln von Der(⋆) ˜ ∈ Der(⋆) und O eiu ¨ ber [[λ]] sind, ist klar. Ist D ∈ LocInnDer(⋆), D ne geeignete offene Teilmenge von M mit DO = ad(HO ), so gilt offenbar ˜ D]O = [D ˜ O , DO ] = ad(D ˜ O HO ), womit [D, ˜ D] ∈ LocInnDer(⋆) folgt. Eine [D, i analoge Argumentation gilt auch f¨ ur λ LocInnDer(⋆). ⊓ ⊔
Die folgende Konstruktion zeigt, wie wir lokal innere Derivationen erhalten k¨ onnen, welche nicht notwendigerweise innere sind. Ist A ∈ Γ∞ (T ∗ M )[[λ]] eine formale Reihe von geschlossenen Einsformen, dA = 0, so gilt beispielsweise auf zusammenziehbaren offenen Teilmengen O ⊆ M nach dem Poincar´e-Lemma, siehe Satz 2.3.25, (6.113) A O = dHO
426
6 Formale Deformationsquantisierung
mit HO ∈ C ∞ (O)[[λ]]. Weiter ist (HO − HO′ ) O∩O′ konstant auf jeder Zusammenhangskomponente von O ∩ O′ , also insbesondere zentral. Daher gilt ad(HO ) ∞ = ad(HO′ ) ∞ , womit ad(HO ) nur von A aber ′ ′ C
(O∩O )[[λ]]
C
(O∩O )[[λ]]
nicht von der Wahl des lokalen Potentials HO abh¨angt. Daher liefert dies eine global wohl-definierte Derivation, welche wir mit δA bezeichnen wollen. Offenbar gilt δA ∈ LocInnDer(⋆). Proposition 6.3.13. F¨ ur die
[[λ]]-lineare Abbildung
δ : Z 1 (M )[[λ]] −→ LocInnDer(⋆)
(6.114)
gilt: i.) δdH = ad(H) f¨ ur alle H ∈ C ∞ (M )[[λ]]. ii.) δ induziert eine [[λ]]-lineare Abbildung
δ∗ : H1dR (M )[[λ]] −→ iii.) iv.) v.) vi.)
LocInnDer(⋆) . InnDer(⋆)
(6.115)
Ist D ∈ Der(⋆), so gilt [D, δA ] ∈ InnDer(⋆). Das Bild im δ ⊆ Der(⋆) von δ ist ein Lie-Ideal. im δ InnDer(⋆) ist eine abelsche Lie-Algebra. Besteht das Zentrum von (C ∞ (M )[[λ]], ⋆) nur aus den lokal konstanten Funktionen, so ist (6.114) ebenso wie (6.115) eine Bijektion.
Beweis. Die [[λ]]-Linearit¨ at ebenso wie der erste Teil ist klar. Da δ die exakten Einsformen in InnDer(⋆) abbildet, ist (6.115) wohl-definiert. Sei nun A ∈ Z 1 (M )[[λ]] und D ∈ Der(⋆). Lokal gilt A O = dHO und daher [D, δA ]O = [DO , δdHO ] = ad(DO HO ). Da aber jede Derivation auf den lokal konstanten Funktionen verschwindet, gilt DO HO O∩O′ = DO′ HO′ O∩O′ ¨ auf Uberlappgebieten O ∩ O′ . Damit ist DO HO aber die Einschr¨ankung ˜ einer global definierten Funktion H ˜ ∈ C ∞ (M )[[λ]], und es D O HO = H O ˜ Dies zeigt den dritten Teil. Der vierte ist dann eifolgt [D, δA ] = ad(H). ne einfache Konsequenz, da nach dem ersten Teil InnDer(⋆) ⊆ im δ. Ebenso folgt aus dem dritten Teil [δA , δA′ ] ∈ InnDer(⋆), was unmittelbar den f¨ unften Teil liefert. Ist das Zentrum trivial, so ist δ offenbar injektiv. Sei ur eine geeignete offein diesem Fall D ∈ LocInnDer(⋆) mit DOα = ad(Hα ) f¨ ¨ ne Uberdeckung {Oα }α∈I von M . Da auf Oα ∩ Oβ die Funktion Hα − Hβ zentral lokal konstant. Damit gilt aber ist, ist sie nach Annahme sogar dHα Oα ∩O = dHβ Oα ∩O , womit A Oα = dHα eine global wohl-definierte β
β
geschlossene Einsform A ∈ Z 1 (M )[[λ]] mit δA = D liefert. Also ist (6.114) surjektiv und insgesamt bijektiv. Die Bijektivit¨at von δ∗ folgt dann sofort aus dem ersten Teil. ⊓ ⊔
Das folgende triviale Beispiel zeigt nun, daß die Lie-Algebren Der(⋆) im δ
und Der(⋆) InnDer(⋆) im allgemeinen nicht abelsch sind:
6.3 Kalk¨ ul mit Sternprodukten
427
Beispiel 6.3.14. Sei ⋆ das triviale Sternprodukt f ⋆ g = f g f¨ ur die triviale Poisson-Struktur. Dann gilt nach Satz 2.1.26 Der(⋆) = Γ∞ (T M )[[λ]]
(6.116)
InnDer(⋆) = im δ = LocInnDer(⋆) = {0}.
(6.117)
als Lie-Algebra und
Der symplektische Fall dagegen besitzt ein triviales Zentrum, womit wir ein Beispiel f¨ ur die Situation des letzten Teils von Proposition 6.3.13 finden: Beispiel 6.3.15 (Zentrum eines symplektischen Sternprodukts). Sei ⋆ ein Sternprodukt auf einer symplektischen Mannigfaltigkeit (M, ω). Dann besteht das (M )[[λ]] bez¨ uglich ⋆ aus den lokal konstanten Funktionen. Zentrum von C ∞ ∞ Ist n¨ amlich f = r=0 λr fr zentral, so folgt aus [f, g]⋆ = 0 in erster Ordnung von λ, daß {f0 , g} = 0 f¨ ur alle g ∈ C ∞ (M ). Da die symplektische PoissonKlammer aber nichtausgeartet ist, muß f0 lokal konstant sein. Damit ist auch f −f0 zentral und eine Induktion nach der Ordnung von f liefert das Resultat. Nach diesen speziellen Derivationen eines Sternprodukts wollen wir uns nun dem allgemeinen Fall zuwenden. Lemma 6.3.16. Ist ⋆ ein Sternprodukt f¨ ur (M, π) und D ∈ Der(⋆), so gilt D = LX +
∞
λr Dr
(6.118)
r=1
(T M ). mit einem Poisson-Vektorfeld X ∈ Γ∞ Poisson Beweis. Auswerten der Leibniz-Regel f¨ ur D in nullter Ordnung von λ liefert, daß D0 eine Derivation des punktweisen Produkts ist. Also gilt D0 = LX mit einem Vektorfeld X ∈ Γ∞ (T M ) nach Satz 2.1.26. Auswerten der Identit¨at D[f, g]⋆ = [Df, g]⋆ + [f, Dg]⋆ in erster Ordnung von λ liefert sofort, daß LX eine Poisson-Derivation ist, womit X nach Satz 4.1.9 ein Poisson-Vektorfeld ist. ⊓ ⊔ Es stellt sich also insbesondere die Frage, ob alle Poisson-Vektorfelder als nullte Ordnung einer Derivation von ⋆ auftreten. Im allgemeinen ist dies nicht zu erwarten, die triviale Poisson-Struktur liefert schnell geeignete Gegenbeispiele, wenn man Sternprodukte zu π = 0 betrachtet, welche in Ordnung λ2 eine nichttriviale Poisson-Klammer deformieren. Treten dagegen alle PoissonVektorfelder als nullte Ordnung auf, erh¨ alt man folgendes Resultat [59]: Lemma 6.3.17. Sei ⋆ ein Sternprodukt f¨ ur (M, π). Sei weiter ̺ : Γ∞ Poisson (T M ) −→ Der(⋆) eine lineare Abbildung mit den Eigenschaften, daß
(6.119)
428
6 Formale Deformationsquantisierung
̺(X) = LX + · · ·
(6.120)
und
i ad(H) (6.121) λ f¨ ur alle Poisson-Vektorfelder X ∈ Γ∞ (T M ) und H ∈ C ∞ (M ). Dann gilt: Poisson ̺(XH ) =
i.) ̺ : Γ∞ [[λ]]-lineare Bijektion. Poisson (T M )[[λ]] −→ Der(⋆) ist eine ii.) ̺ induziert eine [[λ]]-lineare Bijektion
̺∗ : H1π (M )[[λ]] −→
i λ
Der(⋆) . InnDer(⋆)
(6.122)
Beweis. Ist D ∈ Der(⋆) mit D = LX + · · · , so ist D − ̺(X) ∈ Der(⋆) eine Derivation mit verschwindender nullter Ordnung. Eine Induktion nach der Ordnung zeigt dann den ersten Teil. Mit der Eigenschaft (6.121) folgt sofort, daß ̺ eine Bijektion zwischen den formalen Reihen von Hamiltonschen Vektorfeldern und den quasiinneren Derivationen darstellt. Dies liefert dann den zweiten Teil. ⊓ ⊔ Auch wenn im allgemeinen Poisson-Fall eine solche Abbildung nicht existiert, gibt es im Falle symplektischer Sternprodukte sogar eine kanonische Wahl: F¨ ur ein symplektisches Vektorfeld X ∈ Γ∞ (T M ) ist iX ω geschlossen, so daß i (6.123) ̺(X) = δiX ω ∈ LocInnDer(⋆) λ die Anforderungen (6.120) und (6.121) erf¨ ullt. Dies liefert sofort folgenden Satz, siehe auch [27, Thm. 4.2]: Satz 6.3.18. Sei ⋆ ein Sternprodukt f¨ ur die symplektische Mannigfaltigkeit (M, ω). Dann gilt Der(⋆) = sowie i λ
i i LocInnDer(⋆) = im δ λ λ
Der(⋆) ∼ 1 = HdR (M )[[λ]] InnDer(⋆)
(6.124)
(6.125)
via δ∗ als abelsche Lie-Algebra. Beweis. Der Beweis folgt nun sofort aus Lemma 6.3.17 sowie Proposition 6.3.13, Beispiel 6.3.15 und Proposition 4.2.23. ⊓ ⊔
6.3 Kalk¨ ul mit Sternprodukten
429
6.3.3 Automorphismen von Sternprodukten ¨ Nachdem wir uns nun einen Uberblick u ¨ ber die Derivationen eines Sternprodukts verschafft haben, gilt es nun die integrierte Version der Derivationen, also die Automorphismen zu verstehen. Wir bezeichnen die Gruppe der Automorphismen einer Sternproduktalgebra (C ∞ (M )[[λ]], ⋆) kurz mit Aut(⋆), wenn der Bezug auf die PoissonMannigfaltigkeit (M, π) klar ist. Entsprechend wird die normale Untergruppe der inneren Automorphismen mit InnAut(⋆) und die Quotientengruppe der a ¨ußeren Automorphismen mit OutAut(⋆) = Aut(⋆) InnAut(⋆) bezeichnet. Ist ⋆ zus¨ atzlich ein Hermitesches Sternprodukt, so bezeichnen wir mit Aut∗ (⋆) ⊆ Aut(⋆) die ∗ -Automorphismen von ⋆. ∞ Lemma 6.3.19. Sei T = r=0 λr Tr ∈ Aut(⋆) ein Automorphismus von ⋆. Dann ist T0 = φ∗ der pull-back mit einem Poisson-Diffeomorphismus φ von (M, π). Beweis. Die nullte Ordnung der Gleichung T (f ⋆ g) = T f ⋆ T g zeigt T0 (f g) = T0 f T0 g, womit T0 einen Homomorphismus der Algebra C ∞ (M ) liefert. Da T invertierbar ist, ist auch T0 invertierbar, womit T0 ein Automorphismus von C ∞ (M ) und damit der pull-back mit einem Diffeomorphismus φ ∈ Diffeo(M ) ist. Die Gleichung T ([f, g]⋆ ) = [T f, T g]⋆ liefert dann in unterster nichtverschwindender Ordnung T0 ({f, g}) = {T0 f, T0 g}, womit φ nach Satz 4.1.9 ein Poisson-Diffeomorphismus ist. ⊓ ⊔ Bemerkung 6.3.20 (Quantisierung als Funktor). Dieses einfache Lemma legt die Frage nahe, ob jeder Poisson-Diffeomorphismus φ eine Quantisierung“ ” Tφ = φ∗ + · · · zu einem Automorphismus Tφ ∈ Aut(⋆) zul¨aßt und die Korrekturen eventuell sogar eindeutig sind. Im allgemeinen ist diese Frage schwierig zu entscheiden, wir werden jedoch sp¨ ater zumindest teilweise Antworten geben k¨ onnen. Weiter kann man sich fragen, ob man Tφ sogar so einrichten kann, daß f¨ ur je zwei Poisson-Diffeomorphismen φ, ψ auch Tφ ◦ Tψ = Tψ◦φ gilt. In diesem Falle w¨ are die Quantisierung von (M, π) durch ⋆ sogar funktoriell“. Mit ” Hilfe des Groenewold-van Hove-Theorems 5.2.3 kann man sich jedoch recht leicht u ur alle Poisson-Diffeomorphismen ¨ berlegen, daß dies im allgemeinen f¨ nicht m¨ oglich ist. Es stellt sich also die Frage, ob man die Eigenschaft ur eine gegebene Untergruppe G aller PoissonTφ ◦ Tψ = Tψ◦φ zumindest f¨ Diffeomorphismen erreichen kann. Damit gelangt man zum schwierigen Problemkreis der Quantisierbarkeit von klassischen Symmetrien, den wir an dieser Stelle nicht weiter vertiefen wollen. Mehr hierzu findet man beispielsweise in [9, 26, 118, 122–124, 153, 246, 329]. Die Frage, ob man einen Poisson-Diffeomorphismus φ quantisieren kann, f¨ uhrt ebenfalls auf die Frage, welche Freiheiten man dabei hat. Sind T, T˜ ∈ Aut(⋆) mit T0 = T˜0 gegeben, so ist T T˜ −1 = id + · · · ein Automorphismus, welcher mit der Identit¨ at in nullter Ordnung beginnt. Nach Proposition 6.2.7 gibt es daher eine eindeutig bestimmte Derivation D ∈ Der(⋆) mit T T˜ −1 =
430
6 Formale Deformationsquantisierung
exp(λD). Insbesondere ist exp(λD) nun eine formale Potenzreihe von lokalen Operatoren, da ja D nach Lemma 6.3.10 lokal ist. Innere Automorphismen sind nun immer von dieser Form: Lemma 6.3.21. Ist T = Ad(U ) ∈ InnAut(⋆) mit U ∈ C ∞ (M )[[λ]] ein innerer Automorphismus, so gilt T = id + · · · . ∞ ∞ Beweis. Sei das ⋆-Inverse von U = r=0 λr Ur durch V = r=0 λr Vr gegeben. Dann gilt insbesondere U0 V0 = 1. Dies liefert aber sofort Ad(U )f = U ⋆f ⋆V = U0 f V0 + · · · = f + · · · , da die undeformierte Multiplikation kommutativ ist. ⊓ ⊔ Eine Interpretation von Satz 6.3.4, Teil v.) ist nun, daß f¨ ur eine quasiinnere Derivation D = λi ad(H) der Automorphismus exp(λD) = exp(i ad(H)) ein innerer Automorphismus wird. Es gilt n¨ amlich exp(i ad(H)) = Ad (Exp(iH)) .
(6.126)
Der folgende Satz zeigt nun, daß dies im wesentlichen auch alle inneren Automorphismen sind: die einzige verbleibende Freiheit ist, ein invertierbares U zu suchen, welches keinen globalen ⋆-Logarithmus iH = Ln U besitzt. Um dies genauer fassen zu k¨ onnen, ben¨ otigen wir folgende Definition: Definition 6.3.22 (Integrale Einsform). Eine Einsform A ∈ Γ∞ (T ∗ M ) ¨ heißt integral, falls es eine offene Uberdeckung {Oα }α∈I von M und lokale Funktionen Hα ∈ C ∞ (Oα ) gibt, so daß (6.127) A O = dHα und (Hα − Hβ ) O ∩O ∈ α
α
β
f¨ ur alle Zusammenhangskomponenten von Oα ∩ Oβ = ∅.
Integrale Einsformen sind offenbar geschlossen und exakte Einsformen sind immer auch integral (warum?). Dies motiviert folgende Definition: Definition 6.3.23 (Erste integrale deRham-Kohomologie). Der Quotient der integralen Einsformen modulo der exakten Einsformen heißt erste integrale deRham-Kohomologie von M und wird mit H1dR (M, ) bezeichnet. Bemerkung 6.3.24. Die obige Definition der ersten integralen deRham-Kohomologie ist konzeptuell nicht die eleganteste, reicht aber f¨ ur unsere Zwecke v¨ ollig aus. Eine weiterf¨ uhrende Diskussion der h¨oheren integralen deRhamKohomologien findet sich beispielsweise in [325, Chap. II & III]. Man kann ¨ sich leicht u ¨ berlegen, indem man zu gemeinsamen Verfeinerungen von Uberdeckungen u ¨ bergeht, daß die integralen Einsformen unter Addition abgeschlossen sind und daher einen -Untermodul aller geschlossenen Einsformen bilden. Damit ist H1dR (M, ) ⊆ H1dR (M ) (6.128) ein
-Untermodul aber kein reeller (oder komplexer) Unterraum.
6.3 Kalk¨ ul mit Sternprodukten
431
Das fundamentale Beispiel f¨ ur eine integrale aber nicht exakte Einsform ist folgendes:
Beispiel 6.3.25. Sei M = \{0}. Dann ist das Differential d ln(z) = z −1 dz der (nicht global definierten) Logarithmusfunktion z = eln(z) eine global definierte Einsform d ln(z) ∈ Γ∞ (T ∗ ( \ {0})), und
1 1 dz d ln(z) = (6.129) 2πi 2πi z ist eine integrale Einsform. Den Nachweis der Integralit¨at f¨ uhrt man beispielsweise durch eine explizite Konstruktion lokaler Funktionen Hi f¨ ur i = 1, . . . , 4 auf den vier offenen Halbebenen mit Re(z) > 0, Re(z) < 0, Im(z) > 0 und Im(z) < 0. Bemerkung 6.3.26 (Aharonov-Bohm-Effekt und integrale Einsformen). Eine geschlossene aber nicht exakte Einsform A l¨ aßt sich physikalisch auch als nichttriviales Vektorpotential zu trivialem Magnetfeld B = dA = 0 auffassen. Man betrachtet nun M = 3 \ z-Achse als (idealisierten) Konfigurationsraum eines Elektrons, welches in eine d¨ unne Spule l¨angs der z-Achse nicht eindringen kann. Das Magnetfeld der Spule verl¨auft also entlang der z-Achse und ist außerhalb, also in M gleich Null. Trotzdem ist das Vektorpotential A f¨ ur dieses Magnetfeld auch in M nichttrivial. Der Aharonov-Bohm-Effekt, ¨ siehe [5] sowie [80] f¨ ur eine experimentelle Uberpr¨ ufung, besteht nun darin, daß eine Streuung des Elektrons an dieser Anordnung ein charakteristisches Interferenzmuster erzeugt, welches von B abh¨angt, obwohl das Elektron nie im Einflußbereich des Magnetfeldes war, sondern nur im Einfluß von A steht, siehe auch Abbildung 6.2. Das Interferenzmuster ist genau dann nicht vom feldfreien Fall B = 0 zu unterscheiden, wenn A integral ist.
B B=0 A =/ 0
dünne Spule
e
Abb. 6.2. Der Aharonov-Bohm-Effekt
Nach diesen Vor¨ uberlegungen kommen wir nun zur Bestimmung der inneren Automorphismen von Sternprodukten. Zun¨achst definieren wir folgende Derivationen von ⋆
432
6 Formale Deformationsquantisierung
LogInnAut(⋆) = D ∈ λ Der(⋆) exp(D) ∈ InnAut(⋆) .
(6.130)
Nach Proposition 6.2.7 ist InnAut(⋆) u ¨ ber exp in Bijektion zu LogInnAut(⋆). Der folgende Satz kl¨ art nun die Struktur von LogInnAut(⋆) vollst¨andig [59, Thm. 5.7]: Satz 6.3.27. Sei ⋆ ein Sternprodukt auf M . i.) Es gilt genau dann D ∈ LogInnAut(⋆), = δA mit einer formalen ∞ r wenn D 1 ∞ ∗ λ A ∈ Γ (T M )[[λ]], wobei 2πi Reihe von Einsformen A = A0 r r=0 integral und Ar f¨ ur r ≥ 1 exakt ist. ii.) LogInnAut(⋆) ist eine Lie-Algebra ¨ uber und InnDer(⋆) ⊆ LogInnAut(⋆) ⊆ im δ.
(6.131)
iii.) Die Abbildung δ∗ aus (6.115) induziert eine Surjektion δ∗ : 2πiH1dR (M, ) −→
LogInnAut(⋆) InnDer(⋆)
(6.132)
von abelschen Lie-Algebren u ¨ ber . Besteht das Zentrum von ⋆ nur aus den lokal konstanten Funktionen, so ist δ∗ ein Isomorphismus. Beweis. Sei zun¨ achst D = λD1 + · · · ∈ LogInnAut(⋆) und entsprechend exp(D) = Ad(U ) ein innerer Automorphismus. Dann w¨ahlen wir eine offe¨ ne Uberdeckung {Oα }α∈I von M durch zusammenziehbare Oα ⊆ M , womit nach Lemma 6.3.5 Funktionen Hα ∈ C ∞ (Oα )[[λ]] mit Exp(Hα ) = U Oα existieren. Nach Satz 6.3.4, Teil v.) folgt damit aber DOα = ad(Hα ), womit D ∈ LocInnDer(⋆) gezeigt ist. Weiter gilt mit Lemma 6.3.5, daß auf den Zusammenhangskomponenten von Oα ∩ Oβ die Funktion Hα − Hβ konstant ist und Werte in 2πi annimmt. Damit ist aber A = dHα eine global definierte 1 A0 integral und Ar f¨ ur r ≥ 1 exakt ist, Einsform A ∈ Γ∞ (T ∗ M )[[λ]], so daß 2πi da die h¨ oheren Ordnungen von Hα unabh¨ angig von α sind und daher global ur definierte Potentiale zu Ar definieren. Dies zeigt D = δA . Durchl¨auft man f¨ ein derartiges A nun die obige Konstruktion r¨ uckw¨arts, so sieht man, daß die zun¨ achst lokal definierten Funktionen Exp(Hα ) sich zu einer global definierten Funktion U zusammenf¨ ugen, da Hα − Hβ ∈ 2πi nach Satz 6.3.4, Teil vii.) nicht beitr¨ agt. Dies zeigt den ersten Teil. Offenbar ist LogInnAut(⋆) ein Untermodul von im δ, welcher InnDer(⋆) umfaßt. Da [im δ, im δ] ⊆ InnDer(⋆) nach Proposition 6.3.13, folgt auch, daß LogInnAut(⋆) unter Kommutatoren abgeschlossen ist, was den zweiten Teil zeigt. Die Surjektivit¨at von (6.132) folgt sofort aus dem ersten Teil. Ist das Zentrum trivial, so folgt die Injektivit¨ at aus Proposition 6.3.13, Teil vi.). ⊓ ⊔ Bemerkung 6.3.28 (Integrale Einsformen). Aus dem Beweis kann man insbesondere entnehmen, daß die integralen Einsformen A ∈ Γ∞ (T ∗ M ) genau 1 df diejenigen Einsformen der Form A = 2πi f mit einer invertierbaren Funktion ∞ f ∈ C (M ) sind.
6.3 Kalk¨ ul mit Sternprodukten
433
6.3.4 Zeitentwicklung und die Heisenberg-Gleichung Nachdem wir nun die Derivationen und Automorphismen eines Sternprodukts diskutiert haben, wollen wir die physikalische Zeitentwicklung in der Deformationsquantisierung n¨ aher betrachten. Da (C ∞ (M )[[λ]], ⋆) als Observablenalgebra interpretiert wird, versuchen wir gem¨aß unserer Diskussion in Abschnitt 5.1.1 die Zeitentwicklung in Form der Heisenberg-Gleichung zu for∞ mulieren. Sei also H = r=0 λr Hr ∈ C ∞ (M )[[λ]] eine Hamilton-Funktion, wobei der Fall H = H0 von besonderem Interesse ist. Die zugeh¨orige Heisenbergsche Bewegungsgleichung lautet dann i i d f (t) = [H, f (t)]⋆ = ad(H)f (t), dt λ λ
(6.133)
wobei t → f (t) ∈ C ∞ (M )[[λ]] eine Kurve von Observablen sein soll und der Anfangswert der Zeitentwicklung durch die Wahl f (0) = f ∈ C ∞ (M )[[λ]] einer Funktion f festgelegt ist. Man beachte, daß in (6.133) keine negativen Potenzen in λ auftreten, vielmehr gilt f¨ ur die quasiinnere Derivation λi ad(H) ja in unterster Ordnung i ad(H)f = LXH0 f + · · · . λ
(6.134)
Daher erweist sich (6.133) als Deformation der Hamiltonschen Bewegungsgleichungen d f (t) = LXH0 f (t) = −{H0 , f (t)} (6.135) dt bez¨ uglich der klassischen Hamilton-Funktion H0 , siehe auch Satz 4.1.9. Bemerkung 6.3.29 (Zeitentwicklung und klassischer Limes). An der Beziehung von Heisenberg- und Hamilton-Gleichung sieht man sehr sch¨on, daß der klassische Limes −→ 0 f¨ ur Observablen sehr gut mit der Zeitentwicklung harmoniert. Ganz anders pr¨ asentiert sich hier die Schr¨odinger-Gleichung als Zeitentwicklungsgleichung der quantenmechanischen Zust¨ande: Hier ist ein naiver klassischer Limes −→ 0 offenbar nicht m¨oglich, die L¨osungen der Schr¨ odinger-Gleichung tendieren vielmehr dazu, wesentliche Singularit¨aten in f¨ ur −→ 0 zu entwickeln. Dieses heuristische Argument legt erneut nahe, sich beim Quantisieren und Bilden des klassischen Limes zun¨achst auf die Observablen zu konzentrieren, um erst in einem zweiten Schritt die viel komplizierteren Zust¨ ande zu ber¨ ucksichtigen. Wir wollen uns nun der L¨ osungstheorie der Heisenberg-Gleichung zuwenden. In leichter Verallgemeinerung zu (6.133) betrachten wir eine beliebige Derivation D ∈ Der(⋆) und die zugeh¨ orige Bewegungsgleichung d f (t) = Df (t) dt
(6.136)
434
6 Formale Deformationsquantisierung
f¨ ur eine Kurve t → f (t) ∈ C ∞ (M )[[λ]] zu einer gewissen Anfangsbedingung f (0) = f ∈ C ∞ (M )[[λ]]. Der folgende Satz kl¨art nun die Struktur der L¨osungen, siehe etwa [121, Sect. 5.4], [50, Prop. 4] und [44, App. B]: ∞ Satz 6.3.30 (Zeitentwicklung). Sei D = r=0 λr Dr ∈ Der(⋆) eine Derivation, so daß das Poisson-Vektorfeld X0 mit D0 = LX0 reell ist und einen vollst¨andigen Fluß Φt besitzt. Dann besitzt die Heisenberg-Gleichung (6.136) f¨ ur alle Anfangsbedingungen f (0) = f ∈ C ∞ (M )[[λ]] und zu allen Zeiten t ∈ eine eindeutige L¨osung f (t) = At f , wobei der Zeitentwicklungsoperator At : f → f (t) folgende Eigenschaften besitzt: ∞ (r) i.) At = Φ∗t ◦ Tt mit einer formalen Reihe Tt = id + r=1 λr Tt von lokalen Operatoren. ii.) At ist eine Einparametergruppe von Automorphismen At ∈ Aut(⋆), also
Ê
A0 = id
Ê
und
At ◦ As = At+s
(6.137)
f¨ ur alle t, s ∈ . ur alle t ∈ . iii.) At ◦ D = D ◦ At f¨ iv.) Ist ⋆ Hermitesch und D ∈ Der∗ (⋆), so gilt At ∈ Aut∗ (⋆). v.) Ist D0 = 0, so gilt At = exp(tD).
Ê
Beweis. Wir betrachten zun¨ achst g(t) = Φ∗−t f (t). Dann l¨ost f (t) die Gleichung (6.136) genau dann, wenn d g(t) = Φ∗−t D+ Φ∗t g(t) dt
(∗)
und g(0) = f = f (0) gilt, wobei D + = D − D0 =
∞
λr Dr .
r=1
Dies ist eine elementare Verifikation unter Benutzung von Proposition 2.1.31. Unter Ber¨ ucksichtigung der gew¨ unschten Anfangsbedingung ist (∗) zur Integralgleichung t
g(t) = f +
0
Φ∗−τ D+ Φ∗τ g(τ )dτ
(∗∗)
a uglich der λ-adischen Topologie kon¨quivalent, deren rechte Seite einen bez¨ trahierenden Operator definiert, da D+ in Ordnung λ beginnt. Nach dem Banachschen Fixpunktsatz in Form von Lemma 6.2.6 besitzt (∗∗) und damit auch (∗) eine eindeutige L¨ osung. Dies zeigt gleichermaßen die Existenz und die Eindeutigkeit der L¨ osung von (6.136). F¨ ur den ersten Teil beachtet man, daß der Operator Tt gerade durch die Iteration der rechten Seite von (∗∗) gewonnen wird. Da D+ nach Lemma 6.3.10 in jeder Ordnung von λ lokal ist und Φ∗−τ D+ Φ∗τ ebenso, folgt auch, daß Tt eine formale Reihe von lokalen Operatoren ist. Dies zeigt den ersten Teil. Die Einparametergruppeneigenschaft folgt
6.3 Kalk¨ ul mit Sternprodukten
435
aus der Eindeutigkeit sofort. Die Automorphismeneigenschaft erh¨alt man aus der Derivationseigenschaft von D durch Ableiten d (At f ⋆ At g) = (DAt f ) ⋆ At g + At f ⋆ (DAt g) = D (At f ⋆ At g) , dt womit t → At f ⋆ At g die Differentialgleichung (6.136) zur Anfangsbedingung f ⋆ g l¨ ost. Aus der Eindeutigkeit der L¨ osung folgt dann sofort At (f ⋆ g) = At f ⋆ At g. Der dritte Teil folgt ebenfalls durch Ableiten, da DAt f =
d d d At f = At+s f = At As f = At Df, dt ds s=0 ds s=0
urfen. Sei nun ⋆ Hermiwobei wir die Ableitung nach s mit At vertauschen d¨ tesch und D ∈ Der∗ (⋆). Dann gilt d At f = DAt f = DAt f , dt womit At f die Bewegungsgleichung (6.136) zur Anfangsbedingung f erf¨ ullt. Also folgt aus der Eindeutigkeit der L¨ osung At f = At f , womit At ∈ Aut∗ (⋆) gezeigt ist. Der letzte Teil ist klar. ⊓ ⊔ Bemerkung 6.3.31 (Zeitentwicklung). Sei At der Zeitentwicklungsoperator zu D ∈ Der(⋆). r i.) Sind die Differentiationsordnungen von Dr in D = ∞ r=0 λ Dr bekannt, so lassen sich induktiv leicht die Differentiationsordnungen der Operatoren (r) Tt bestimmen, siehe etwa [44, App. B]. ii.) Der erste Teil von Satz 6.3.30 zeigt insbesondere, daß die quantenmechanische Zeitentwicklung der Observablen tats¨achlich eine Deformati¨ on der klassischen ist. Nach unseren Uberlegungen zum Verh¨altnis der Heisenberg-Gleichung zur Hamiltonschen Bewegungsgleichung war dies zu erwarten. Man beachte jedoch, daß dieses Resultat massiv vom formalen Charakter unserer Sternprodukte Gebrauch macht. Es ist daher nicht zu erwarten, daß die Aufspaltung At = Φ∗t ◦ Tt auch in einem konvergenten Rahmen bestehen bleibt. iii.) Dieser Satz liefert weiter die M¨ oglichkeit, diejenigen Poisson-Diffeomorphismen zu Sternproduktautomorphismen im Sinne von Bemerkung 6.3.20 zu quantisieren, welche sich durch eine Einparametergruppe erreichen lassen, sofern das Sternprodukt die Voraussetzungen von Lemma 6.3.17 erf¨ ullt. Insbesondere ist letzteres f¨ ur symplektische Sternprodukte immer der Fall. iv.) Eine geringf¨ ugige Verallgemeinerung erh¨ alt man, wenn man die zeitabh¨ angige Version der Heisenberg-Gleichung betrachtet, also mit einer zeitabh¨ angigen Derivation Dt ∈ Der(⋆). Dann erh¨alt man, ganz analog zum klassischen Fall zeitabh¨ angiger Vektorfelder wie in Abschnitt 3.1.3, eine
436
6 Formale Deformationsquantisierung
Zeitentwicklung durch Automorphismen, welche jedoch keine Einparametergruppe mehr bilden. Vielmehr gilt nur noch eine Zeitentwicklungsgleichung analog zu (3.36), siehe auch [121, Sect. 5.4] f¨ ur eine detaillierte Diskussion im Rahmen symplektischer Sternprodukte. v.) Sofern die nullte Ordnung von D und damit auch die klassische Zeitentwicklung nichttrivial ist, ist auch die nullte Ordnung von At nichttrivial. Daher ist At in diesem Fall kein innerer Automorphismus. Gerade bez¨ uglich des letzten Punktes verh¨alt sich die Zeitentwicklung in der formalen Deformationsquantisierung anders als in der u ¨blichen operatortheoretisch formulierten Quantenmechanik: Hier kommt die Zeitentwicklung u osung der Schr¨ odinger-Gleichung und liefert daher ¨ blicherweise von einer L¨ einen inneren Automorphismus mit einem unit¨aren Operator Ut . Ganz allgemein tendieren hinreichend nichtkommutative C ∗ -Algebren beziehungsweise von Neumann-Algebren dazu, nur innere Derivationen und Automorphismen zu besitzen, siehe etwa die ausf¨ uhrliche Diskussion in [283]. Diese Diskrepanz wurde in [18] in Beispielen nun dadurch u ¨berwunden, indem Konvergenz von ⋆ erzwungen und dann Ut zumindest in einem Distributionensinne als ⋆-Exponential konstruiert wurde. In den Beispielen, wo dies uglich der Zeitvagelingt, kann man die Fourier-Transformation von Ut bez¨ riablen t dazu verwenden, das Spektrum der zugeh¨origen Hamilton-Funktion H bez¨ uglich ⋆ zu definieren und zu berechnen, siehe auch [8, 66, 164]. Dieser Zugang zur Definition und Berechnung von Spektren scheint jedoch jenseits ur allgemeine Hamiltondes Weyl-Moyal-Produkts auf 2n und auch dort f¨ Funktionen schnell an seine Grenzen zu stoßen: Zum einen ist die notwendige Konvergenz des Sternprodukts nur schwer zu kontrollieren, zum anderen sind allgemeine Aussagen u ¨ ber die zu erwartenden Spektren nichttrivial. Weiter ist die urspr¨ unglich in [18] gegebene Definition des Spektrums u ¨ber das ⋆Exponential Ut und seiner Fourier-Transformation scheinbar nicht geeignet, auch auf topologisch nichttrivialen Phasenr¨ aumen die physikalisch korrekten Spektren zu liefern, siehe etwa das einfach Beispiel der freien Bewegung auf 1 als Konfigurationsraum [300]. So bleibt die Frage nach einem geeigneten guten Spektrumsbegriff, welcher intrinsisch in der Deformationsquantisierung ohne R¨ uckgriff auf operatoralgebraische Techniken formuliert werden kann, trotz dieses in Beispielen erfolgreichen Ansatzes im allgemeinen noch offen. Da es scheint, daß dies im Rahmen formaler Sternprodukte auch nicht zu erreichen ist, wollen wir die Frage nach einem intrinsischen Spektralkalk¨ ul hier nicht weiter verfolgen. Es ist jedoch klar, daß damit die formale Deformationsquantisierung noch nicht als eine endg¨ ultige Antwort auf das Quantisierungsproblem gesehen werden kann, da ja die verl¨ aßliche Vorhersage von Spektren ein entscheidendes Kriterium ist.
6.3 Kalk¨ ul mit Sternprodukten
437
6.3.5 Spurfunktionale Die Spurklasseoperatoren stellen f¨ ur die operatortheoretisch formulierte Quantenmechanik eine besonders wichtige Klasse von Operatoren auf dem HilbertRaum dar. Insbesondere werden die physikalisch relevanten Zust¨ande durch Dichtematrizen ̺, also positive Spurklasseoperatoren mit tr ̺ = 1, und die zugeh¨ origen Erwartungswertfunktionale durch E̺ (A) = tr(̺A) beschrieben. Es stellt sich daher auch f¨ ur die Deformationsquantisierung die Frage, ob es ein Analogon zur Operatorspur gibt. Da die wesentliche Eigenschaft der Spur die ist, auf Kommutatoren zu verschwinden, bietet sich folgende allgemeine Definition an: Definition 6.3.32 (Spurfunktional). Sei A eine assoziative Algebra ¨ uber einem Ring und B ⊆ A ein zweiseitiges Ideal. Ein lineares Funktional tr : B −→ heißt Spur, falls tr(ab) = tr(ba) (6.138)
f¨ ur alle a ∈ A und b ∈ B. Da B ein zweiseitiges Ideal ist, ist ab, ba ∈ B, so daß die Bedingung wohldefiniert ist. Offenbar bilden die auf B definierten Spuren einen -Modul. Daß die Spurfunktionale tats¨ achlich nicht auf ganz A definiert zu sein brauchen, scheint eine sinnvolle Definition, wenn man folgende Beispiele betrachtet:
Beispiel 6.3.33 (Spurfunktionale). i.) Ist H ein Hilbert-Raum und entsprechend B(H) die Algebra der beschr¨ ankten Operatoren sowie L1 (H) ⊆ B(H) das Ideal der Spurklasseoperatoren, dann ist die Operatorspur tr : L1 (H) −→ B(H) ein Spurfunktional. Ist H unendlichdimensional, so l¨ aßt sich tr nicht unter Beibehaltung der Spureigenschaft auf alle Operatoren B(H) ausdehnen. ii.) F¨ ur den Schwartz-Raum S( 2n ) mit der Multiplikation ◦κ wie in Abuglich der schnitt 5.3 ist das Integral u ¨ ber den Phasenraum 2n bez¨ Liouville-Volumenform ein Spurfunktional, siehe Proposition 5.3.29. Hier ist das Spurfunktional auf der ganzen Algebra definiert. iii.) F¨ ur das Weyl-Moyal-Produkt ⋆Weyl auf 2n ist tr : C0∞ ( 2n )[[λ]] −→ [[λ]] mit
tr(f ) =
ein
f d2n x
(6.139)
[[λ]]-lineares Funktional mit der Eigenschaft tr(f ⋆Weyl g) = tr(f g),
(6.140)
f¨ ur f ∈ C ∞ ( 2n )[[λ]] und g ∈ C0∞ ( 2n )[[λ]], was man durch eine eleur das differentielle mentare partielle Integration sieht. Da C0∞ ( 2n )[[λ]] f¨ ur das WeylSternprodukt ⋆Weyl ein Ideal ist, ist tr ein Spurfunktional f¨ Moyal-Sternprodukt. Offenbar besitzt tr auch keine Ausdehnung auf beliebige Funktionen in C ∞ ( 2n )[[λ]].
438
6 Formale Deformationsquantisierung
In der Deformationsquantisierung interessiert man sich vor allem f¨ ur Spurfunktionale, welche (mindestens) auf dem Ideal C0∞ (M )[[λ]] definiert sind, obwohl auch andere Definitionsbereiche denkbar sind, siehe etwa die Beispiele in [30]. Das folgende Lemma erh¨ alt man durch eine triviale Auswertung der Spurbedingung (6.138) in erster Ordnung: ∞ r Lemma 6.3.34. Sei ⋆ ein Sternprodukt f¨ ur (M, π). Ist μ = r=0 λ μr : uglich ⋆, so gilt C0∞ (M )[[λ]] −→ [[λ]] ein Spurfunktional bez¨
μ0 ({f, g}) = 0
(6.141)
f¨ ur alle f ∈ C0∞ (M ) und g ∈ C ∞ (M ). Mit anderen Worten, der klassische Limes eines Spurfunktionals ist eine Poisson-Spur der zugrundeliegenden Poisson-Mannigfaltigkeit, siehe auch Aufgabe 4.4. Im symplektischen Fall liefert Aufgabe 4.4 sofort die Existenz und Eindeutigkeit einer Poisson-Spur: Proposition 6.3.35. Sei (M, ω) zusammenh¨angend und symplektisch, und sei μ : C0∞ (M ) −→ ein lineares Funktional. Das Funktional μ ist genau dann eine Poisson-Spur, wenn fΩ (6.142) μ(f ) = c
M
mit einer Konstanten c ∈
, wobei Ω die Liouville-Volumenform ist.
Beweis (nach [46]). Sei {(Oα , xα )}α∈I ein Atlas von zusammenziehbaren Darboux-Karten von M . Ist nun g ∈ C ∞ (Oα ) und f ∈ C0∞ (Oα ), so gibt es eine Abschneidefunktion χ ∈ C0∞ (Oα ) mit χ supp f = 1. Damit folgt aber {f, χg} = {f, χ}g + {f, g}χ = {f, g}. Dies impliziert, daß das Funktional μα = μ C ∞ (Oα ) immer noch eine Poisson-Spur bez¨ uglich der eingeschr¨ankten 0 Poisson-Klammer ist. Nach Aufgabe 4.4 folgt dann aber 2n μα (f ) = cα f Ω = c f ◦ x−1 d x = c f Ω, α α α α xα (Oα )
Oα
M
da die xα Darboux-Koordinaten sind. Ist nun f ∈ C0∞ (M ) beliebig, so folgt mit Hilfe einer untergeordneten Zerlegung der Eins {χα } μ(f ) = μ(χα f ) = cα χα f Ω. α
α
M
Betrachtet man nun eine Funktion f ∈ C0∞ (Oα ∩ Oβ ) f¨ ur Oα ∩ Oβ = ∅, so folgt aus μ(f ) = μα (f ) = μβ (f ) sofort cα = cβ = c, womit insgesamt (6.142) folgt, da M zusammenh¨ angend ist. ⊓ ⊔
6.3 Kalk¨ ul mit Sternprodukten
439
Bemerkung 6.3.36. Sei (M, ω) eine symplektische Mannigfaltigkeit. " i.) Sucht man nach einer Poisson-Spur der Form M f μ mit einer Dichte μ ∈ Γ∞ (|Λn |T ∗ M ), so ist es eine triviale Rechnung, daß nur die Vielfachen des Liouville-Maßes μ = |Ω| die Spureigenschaft garantieren, siehe auch Satz 4.2.30. Der bemerkenswerte Aspekt an Proposition 6.3.35 ist vielmehr, daß keinerlei Annahmen u ¨ber die Natur des Funktionals μ gemacht werden m¨ ussen: es gibt im ganzen algebraischen Dualraum von C0∞ (M ) nur die Spuren der Form (6.142). ii.) Ist M nicht zusammenh¨ angend, so k¨ onnen wir auf jeder Zusammenhangskomponente von M die Konstante c in (6.142) anders w¨ahlen, was dann aber auch alle Freiheiten aussch¨ opft. Der Vektorraum der Spuren ist daher im allgemeinen zu H0dR (M ) isomorph. Im folgenden k¨onnen wir uns daher auf den zusammenh¨ angenden Fall beschr¨ anken. Eine leichte Folgerung aus diesem Resultat ist die Eindeutigkeit von Spurfunktionalen f¨ ur symplektische Sternprodukte: Korollar 6.3.37. Sei ⋆ ein Sternprodukt f¨ ur eine zusammenh¨angende symplektische Mannigfaltigkeit (M, ω). Sind μ, μ ˜ : C0∞ (M )[[λ]] −→ [[λ]] zwei Spurfunktionale, so sind sie [[λ]]-Vielfache. ∞ r Beweis (nach "ankung an, daß μ = r=0 λ μr " [46]). Wir nehmen ohne Einschr¨ nach Pro˜0 (f ) = c˜0 M f Ω mit c˜0 ∈ mit μ0 = M f Ω gilt. Dann gilt μ position 6.3.35. Das Funktional μ ˜ − c˜0 μ ist nach wie vor ein Spurfunktional, welches nun in Ordnung λ beginnt. Eine einfache Induktion nach der Ordnung ⊓ ⊔ zeigt nun μ ˜ = c˜μ mit einem eindeutig bestimmten c˜ ∈ [[λ]].
Die Existenz von Spurfunktionalen im symplektischen Fall ist um einiges schwieriger zu zeigen: urspr¨ unglich wurde dies von Nest und Tsygan in [250] gezeigt, siehe auch die Arbeiten von Karabegov und Fedosov [120, 121, 125, 188]. Wir folgen hier dem Beweis von Gutt und Rawnsley [155], welcher es uns erlaubt, gleichzeitig eine weitere wichtige Konstruktion vorzustellen: die λ-Euler-Derivationen oder auch Homogenit¨atsoperatoren. Definition 6.3.38 (λ-Euler-Derivation). ∞ Sei ⋆ ein Sternprodukt auf einer Poisson-Mannigfaltigkeit (M, π) und r=0 λr Er eine formale Reihe von Differentialoperatoren. Dann heißt die Abbildung E=λ
∞
∂ + λr Er : C ∞ (M )[[λ]] −→ C ∞ (M )[[λ]] ∂λ r=0
(6.143)
λ-Euler-Derivation von ⋆, falls E(f ⋆ g) = E(f ) ⋆ g + f ⋆ E(g)
(6.144)
f¨ ur alle f, g ∈ C ∞ (M )[[λ]]. Entsprechend definiert man lokale λ-EulerDerivationen auf offenen Teilmengen O ⊆ M .
440
6 Formale Deformationsquantisierung
Man beachte, daß E nicht [[λ]]-linear sondern nur -linear ist, womit unsere Ergebnisse zu Derivationen aus Abschnitt 6.3.2 hier keine (unmittelbare) Anwendung finden. Beispiel 6.3.39 (λ-Euler-Derivation). F¨ ur die κ-geordneten Sternprodukte ⋆κ auf T ∗ Q wie in Abschnitt 5.4.2 ist der Operator H=λ
∂ + Lξ ∂λ
(6.145)
mit dem Liouville-Vektorfeld ξ eine λ-Euler-Derivation. Die physikalische Interpretation ist einfach die, daß λ und die Impulskoordinaten pi die selbe physikalische Impulsdimension besitzen, womit (6.144) gerade besagt, daß ⋆κ bez¨ uglich der Impulsdimensionen dimensionslos ist. Der Nachweis, daß ⋆κ und H die Relation (6.144) erf¨ ullen, wurde in Proposition 5.4.27 gezeigt. Eine erste Obstruktion f¨ ur die Existenz globaler λ-Euler-Derivationen erh¨ alt man aus der nullten Ordnung: ∞ ∂ Lemma 6.3.40. Sei ⋆ ein Sternprodukt f¨ ur (M, π) und E = λ ∂λ + r=0 λr Er eine λ-Euler-Derivation f¨ ur ⋆. Dann ist E0 = Lξ mit einem konformen Poisson-Vektorfeld ξ ∈ Γ∞ (T M ), also Lξ π = ξ, π = −π.
(6.146)
Insbesondere ist die fundamentale Klasse [π] ∈ H2π (M ) trivial und π eine exakte Poisson-Struktur. Beweis. Die nullte Ordnung von (6.144) liefert, daß E0 eine Derivation des undeformierten Produkts von C ∞ (M ) ist, also von der Form E0 = Lξ mit einem Vektorfeld ξ ∈ Γ∞ (T M ). Die erste Ordnung in E([f, g]⋆ ) = [E(f ), g]⋆ + [f, E(g)]⋆ liefert nun die Gleichung {f, g} + Lξ {f, g} = {Lξ f, g} + {f, Lξ g} womit sofort Lξ π = −π folgt, siehe den Beweis zu Satz 4.1.9, Teil v.).
⊓ ⊔
Da im allgemeinen nicht nur die fundamentale Klasse [π] nichttrivial ist, ur sondern auch die lokalisierten fundamentalen Klassen [π O ] von (O, π O ) f¨ offene Teilmengen O ⊆ M nichttrivial sind, muß man nicht nur Obstruktionen f¨ ur die Existenz einer globalen λ-Euler-Derivation erwarten, sondern vielmehr sogar Obstruktionen f¨ ur die lokale Existenz. Bei hinreichend komplizierten Poisson-Strukturen wie etwa in Beispiel 4.2.26 gibt es daher nicht einmal lokale λ-Euler-Derivationen, welches Sternprodukt man auch immer zur Quantisierung verwendet.
6.3 Kalk¨ ul mit Sternprodukten
441
Im symplektischen Fall hingegen ist zwar die globale Obstruktion im allgemeinen ebenfalls nichttrivial, lokal dagegen gibt es immer konform symplektische Vektorfelder, siehe Beispiel 4.2.25, da ω nach dem Poincar´e-Lemma lokal exakt ist. Daß es sogar immer lokale λ-Euler-Derivationen gibt, zeigt nun folgende Proposition: Proposition 6.3.41 (Lokale λ-Euler-Derivationen). Sei (M, ω) symplektisch mit Sternprodukt ⋆. Zu jedem Darboux-Atlas {(Oα , xα )}α∈I von M mit zusammenziehbaren Kartenbereichen Oα gibt es lokale λ-Euler-Derivationen Eα bez¨ uglich ⋆ Oα .
Beweis. Die Konstruktion ist einfach: auf xα (Oα ) ⊆ 2n betrachten wir das Weyl-Moyal-Sternprodukt ⋆Weyl , welches via xα : Oα −→ xα (Oα ) ein lokal definiertes Sternprodukt ⋆α auf Oα liefert. Dieses besitzt nach Beispiel 6.3.39 ∂ + Lξα , woeine lokal definierte λ-Euler-Derivation von der Form Hα = λ ∂λ bei ξα der pull-back des kanonischen Euler-Vektorfeldes ξ auf Oα via xα ist. Da nun ⋆ Oα und ⋆ nach Proposition 6.1.15 a¨quivalent sind mit einer lokal ¨ definierten Aquivalenztransformation Tα , liefert Eα = Tα Hα Tα−1 eine lokale λ-Euler-Derivation f¨ ur ⋆ auf Oα . ⊓ ⊔ Die Existenz lokaler λ-Euler-Derivationen spielt an vielen Stellen in der Deformationsquantisierung symplektischer Mannigfaltigkeiten eine wichtige Rolle, so etwa bei der Klassifikation von Sternprodukten. Wir werden sie hier zur Konstruktion der Spur heranziehen [120, 121, 125, 155, 188, 250]: Satz 6.3.42 (Existenz und Normierung der Spur). Sei (M, ω) eine zusammenh¨angende symplektische Mannigfaltigkeit mit Sternprodukt ⋆. Dann existiert ein eindeutiges Spurfunktional tr : C0∞ (M )[[λ]] −→
[[λ]],
(6.147)
wobei die Normierung durch folgende Bedingung festgelegt ist: Ist (O, x) eine ∞ (r) zusammenziehbare lokale Darboux-Karte von M und TO = id + r=1 λr TO ¨ eine lokale Aquivalenztransformation TO (f ⋆ O g) = TO f ⋆Weyl TO g (6.148) f¨ ur f, g ∈ C ∞ (O)[[λ]] zum auf O definierten Weyl-Moyal-Sternprodukt ⋆Weyl , so gilt f¨ ur f ∈ C0∞ (O)[[λ]] tr(f ) = TO (f )d2n x. (6.149) O
Beweis (nach [155]). Ist (O, x) eine solche Darboux-Karte, so gibt es nach ¨ Proposition 6.1.15 eine lokale Aquivalenztransformation TO mit (6.148). Das Funktional τO,TO (f ) = TO (f )d2n x (∗) O
442
6 Formale Deformationsquantisierung
ist f¨ ur f ∈ C0∞ (O)[[λ]] offenbar ein Spurfunktional bez¨ uglich ⋆ O . Wir zeigen nun, daß die Funktionale τO,TO nicht von der Wahl der (nicht eindeuti¨ ¨ gen) Aquivalenztransformation TO abh¨ angen. Ist T˜O eine andere Aquivalenz−1 ˜ transformation, dann ist TO TO ein Automorphismus von ⋆Weyl , welcher mit id in nullter Ordnung beginnt. Da O zusammenziehbar ist, also insbesondere H1dR (O) = {0} gilt, folgt nach Proposition 6.2.7 und Satz 6.3.18, daß T˜O TO−1 = exp(λD) mit einer quasiinneren Derivation D. Damit ist T˜O TO−1 aber nach Satz 6.3.4, Teil v.) sogar ein innerer Automorphismus Ad(U ) mit einem invertierbaren U ∈ C ∞ (O)[[λ]]. Aus der Spureigenschaft der Integration bez¨ uglich ⋆Weyl folgt nun sofort τO,TO = τO = τO,T˜O , womit (∗) nicht ∂ ¨ + Lξ von der Wahl der Aquivalenztransformation abh¨angt. Sei nun H = λ ∂λ 2n und sei die λ-Euler-Derivation von ⋆Weyl zum Liouville-Vektorfeld ξ auf EO = TO−1 HTO die entsprechende λ-Euler-Derivation von ⋆ O . Dann gilt mit Lξ d2n x = nd2n x f¨ ur τO ∂ ∂ + Lξ TO (f ) d2n x = λ τO (f ) + nτO (f ). (∗∗) λ τO (EO f ) = ∂λ ∂λ ˜ x ˜ = ∅, Ist nun (O, ˜) eine andere zusammenziehbare Darboux-Karte mit O ∩ O so gilt zum einen aufgrund der Eindeutigkeit der Spur nach Korollar 6.3.37 τO (f ) = cOO˜ τO˜ (f )
(∗∗∗)
˜ f¨ ur alle f ∈ C0∞ (O ∩ O)[[λ]] mit einer gewissen Konstanten cOO˜ = 1 + · · · ∈ ˜ die Derivation EO − E ˜ nicht nur -linear [[λ]]. Zum anderen ist auf O ∩ O O sondern sogar [[λ]]-linear. Daher gilt EO − EO˜ = λi δA mit A ∈ Γ∞ (T ∗ (O ∩ ˜ O))[[λ]] nach Satz 6.3.18. Nun l¨ aßt sich mit der Spureigenschaft von τO leicht zeigen, daß τO ◦ δA = 0 f¨ ur alle A, indem man lokal A = dH schreibt. Damit ˜ gilt nun insgesamt f¨ ur f ∈ C0∞ (O ∩ O)[[λ]]
0 = τO ((EO − EO˜ )f ) (∗∗∗)
= τO (EO f ) − cOO˜ τO˜ (EO˜ f ) ∂ ∂ (∗∗) (τO (f )) − cOO˜ λ (τO˜ (f )) = λ ∂λ ∂λ ∂ (∗∗∗) = λ cOO˜ τO˜ (f ), ∂λ womit cOO˜ = 1 folgt. Damit stimmen die lokal definierten Spuren τO und ¨ u ugen sich zu einer global definierten τO˜ auf dem Uberlappgebiet ¨ berein und f¨ Spur tr zusammen, welche offenbar nach Konstruktion die angegebene Normierungsbedingung erf¨ ullt. Durch diese Normierung ist aber die Spur auch eindeutig bestimmt. ⊓ ⊔
6.3 Kalk¨ ul mit Sternprodukten
443
Bemerkung 6.3.43 (Die kanonische Spur). i.) Die oben konstruierte Spur ist in nullter Ordnung gerade die Integration bez¨ uglich der Liouville-Volumenform Ω. Im allgemeinen gibt es jedoch tats¨ achlich h¨ ohere nichttriviale Ordnungen. Diese sind von der Form " T (f )Ω mit gewissen Differentialoperatoren Tr . r M ii.) Die obige Normierung ist noch nicht die gebr¨auchliche: Hierzu weicht man typischerweise auf die formalen Laurent-Reihen aus und verwendet den 1 zus¨ atzlichen Vorfaktor (2πλ) n , ganz in Analogie zu Satz 5.3.17. Dies ist dann die kanonische Normierung, welche tr auch physikalisch zu einem dimensionslosen Funktional macht, da Ω ja die physikalische Dimension [Wirkung]n besitzt. iii.) Mit Hilfe der Spur lassen sich nun die Indextheoreme der Deformationsquantisierung formulieren und beweisen. Diese S¨atze verallgemeinern insbesondere den ber¨ uhmten Indexsatz von Atiyah und Singer, siehe [121, 250, 251] f¨ ur eine detaillierte Diskussion. iv.) Die kanonische Spur ist nichtausgeartet in dem Sinne, daß f¨ ur f ∈ ur alle g ∈ C ∞ (M )[[λ]] notwendigerweise C0∞ (M )[[λ]] mit tr(f ⋆ g) = 0 f¨ f = 0 folgt. Dies sieht man anhand der nichtausgearteten klassischen Integration in nullter Ordnung und einem einfachen Induktionsbeweis nach der Ordnung von f . Im allgemeinen ist es schwierig zu entscheiden, ob bereits die klassische Poisson-Spur (6.142) das gesuchte Spurfunktional tr aus Satz 6.3.42 ist. Sternprodukte mit dieser Eigenschaft verdienen daher besondere Aufmerksamkeit [85]: Definition 6.3.44 (Stark geschlossene Sternprodukte). Ein Sternprodukt auf einer symplektischen Mannigfaltigkeit heißt stark geschlossen, falls das Integral bez¨ uglich der Liouville-Volumenform das Spurfunktional ist. Aus der obigen Konstruktion erh¨ alt man unter Verwendung der Differentialoperatoren Tr aus Bemerkung 6.3.43 sofort folgendes Resultat [258]: Korollar 6.3.45 (Existenz stark geschlossener Sternprodukte). Auf jeder symplektischen Mannigfaltigkeit ist jedes Sternprodukt zu einem stark geschlossenen Sternprodukt ¨aquivalent. Beispiel 6.3.46. Nach Aufgabe 6.3 ist jedes homogene Sternprodukt auf einem Kotangentenb¨ undel stark geschlossen. Wir schließen diesen Abschnitt mit einigen Bemerkungen zur allgemeinen Situation auf Poisson-Mannigfaltigkeiten. Wie wir bereits in Lemma 6.3.34 gesehen haben, ist die unterste Ordnung eines Spurfunktionals immer eine Poisson-Spur. Daher stellt sich die Frage, ob eventuell jede Poisson-Spur zu einem Spurfunktional quantisiert werden kann. Mit gewissen technischen Ein¨ schr¨ ankungen an die Aquivalenzklasse von ⋆ ist dies tats¨achlich m¨oglich und
444
6 Formale Deformationsquantisierung
folgt aus den Arbeiten von Felder und Shoikhet [126], Tsygan und Tamarkin [298] sowie Dolgushev [102]. Zum Beweis ben¨otigt man Kontsevichs Formalit¨ atstheorem mit einigen nichttrivialen Erweiterungen. Einen einfachen Spezialfall, n¨ amlich die lineare Poisson-Struktur auf g∗ , findet man in [30] diskutiert. Hier stellt sich heraus, daß f¨ ur ein kanonisch gegebenes Sternprodukt [151] alle klassischen Poisson-Spuren bereits Spurfunktionale sind, ohne daß Quantenkorrekturen angebracht werden m¨ ussen. Sucht man nun nicht die Quantisierung einer beliebigen Poisson-Spur auf (M, π) sondern betrachtet Funktionale der Form fμ (6.150) f → M
∞
n
mit einer (positiven) Dichte μ ∈ Γ (|Λ |T ∗ M ), so erh¨alt man aus Satz 4.2.30 die notwendige Bedingung, daß die Poisson-Mannigfaltigkeit (M, π) unimodular ist, da nur dann ein μ existiert, f¨ ur welches (6.150) eine Poisson-Spur ist.
6.4 Die Fedosov-Konstruktion Die Konstruktion eines Sternprodukts auf einer symplektischen Mannigfaltigkeit nach Fedosov [115–117, 119, 121] ist aus mehrerlei Gr¨ unden fundamental f¨ ur die Deformationsquantisierung. Zum einen liefert diese Konstruktion einen sehr einfachen und geometrischen Existenzbeweis, welcher ohne ¨ die kohomologisch nichttrivialen Uberlegungen des urspr¨ unglichen Existenzbeweises von Lecomte und DeWilde [90, 92] auskommt und statt dessen lediglich konventionelle“ Techniken wie kovariante Ableitungen und den Ten” sorkalk¨ ul ben¨ otigt. Zum anderen ist dieser Beweis auch der Ausgangspunkt der Klassifikation von Sternprodukten auf symplektischen Mannigfaltigkeiten [27, 89, 154, 250,251,254,324]. Obwohl die urspr¨ ungliche Konstruktion nur f¨ ur den symplektischen Fall m¨ oglich ist, bietet Fedosovs Zugang doch auch eine M¨ oglichkeit, den Poisson-Fall von der lokalen Existenz aus zu globalisieren, wie dies von Cattaneo, Felder und Tomassini [78,79] sowie Dolgushev [101,102] gezeigt wurde. Dar¨ uberhinaus erlaubt die Fedosov-Konstruktion im Falle spezieller symplektischer Mannigfaltigkeiten wie beispielsweise im Falle von Kotangentenb¨ undeln, K¨ ahler-Mannigfaltigkeiten oder symplektischen Mannigfaltigkeiten mit Symmetrien eine daran angepaßte Konstruktion von Sternprodukten. So wurden insbesondere die Sternprodukte vom standardgeordneten Typ sowie vom Wick-Typ, siehe Satz 6.1.13, mittels einer modifizierten Fedosov-Konstruktion gefunden. Des weiteren k¨onnen invariante Sternprodukte im Rahmen der Fedosov-Konstruktion besonders durchsichtig diskutiert werden, siehe beispielsweise [26, 122, 246]. Die grundlegende Motivation und Idee ist dabei sehr einfach [33], siehe auch [111]. Man betrachtet erneut M = 2n mit der u ¨ blichen PoissonKlammer. Funktionen f, g ∈ C ∞ ( 2n ) lassen sich auch als Funktionen auf
Ê
Ê
6.4 Die Fedosov-Konstruktion
TM =
445
Ê2n × Ê2n auffassen, indem man τ (f )(x, v) = f (x + v)
Ê Ê
(6.151)
Ê Ê
schreibt, wobei x ∈ 2n und v ∈ Tx 2n . Dies definiert eine injektive lineare uglich der kanonischen DarbouxAbbildung τ : C ∞ ( 2n ) −→ C ∞ (T 2n ). Bez¨ Koordinaten sind die Koeffizienten π rs = {xr , xs } konstant, und das u ¨ bliche Weyl-Moyal-Sternprodukt ist durch iλ
f ⋆Weyl g = μ ◦ e 2 π
rs
∂ ∂xr
∂ ⊗ ∂x s
(f ⊗ g)
(6.152)
Ê
gegeben. Dann kann man ⋆Weyl auf Funktionen F, G ∈ C ∞ (T 2n ) erweitern, indem wir die Funktionen bez¨ uglich der Faservariablen mit ⋆Weyl multiplizieren. Wir definieren daher iλ
F ◦Weyl G = μ ◦ e 2 π
rs
∂ ∂vr
Ê2n) die Gleichung
so daß f¨ ur f, g ∈ C ∞ (
iλ
(f ⋆Weyl g)(x) = μ ◦ e 2 π
rs
∂ ∂vr
∂ ⊗ ∂v s
= τ (f ) ◦Weyl τ (g)
∂ ⊗ ∂v s
(F ⊗ G),
(6.153)
(f (x + v) ⊗ g(x + v))
v=0
v=0
(6.154)
(x)
Ê
folgt. Damit kann man also die Sternproduktalgebra (C ∞ ( 2n )[[λ]], ⋆Weyl ) mittels τ und v=0 als Unteralgebra von (C ∞ (T 2n )[[λ]], ◦Weyl ) realisieren. Man kann nun das Bild von τ in C ∞ (T 2n ) dadurch charakterisieren, daß F = τ (f ) genau dann gilt, wenn f¨ ur alle i = 1, . . . , 2n ∂ ∂ (6.155) − F = 0 mit F v=0 = f. i i ∂v ∂x
2n ∗
2n ∗ Mittels D : C ∞ (T 2n ) ⊗ Λ• −→ C ∞ (T 2n ) ⊗ Λ•+1 ∂ ∂ i . (6.156) − D = dx ∧ ∂v i ∂xi
Ê
Ê
Ê
Ê
kann man (6.155) auch als
2n ∗ F ∈ C ∞ (T 2n ) ⊗ Λ0
Ê
Ê
Ê
und
Ê
F ∈ ker D ⇐⇒ F = τ F v=0 (6.157)
formulieren. Die Idee der Fedosov-Konstruktion ist es nun, alle diese Schritte auf eine allgemeine symplektische Mannigfaltigkeit zu u ¨ bertragen, siehe auch Aufgabe 6.4 f¨ ur eine geometrischere Formulierung der obigen Motivation. F¨ ur ◦Weyl wird dies ohne Probleme m¨ oglich sein, die Abbildung τ wird jedoch nur noch als eine formale Potenzreihe in den Koordinaten v zusammen mit gewissen Quantenkorrekturen“ existieren. Der entscheidende Operator D wird ” mit Hilfe einer symplektischen kovarianten Ableitung konstruiert. Dabei wird
446
6 Formale Deformationsquantisierung
sich die Kr¨ ummung zun¨ achst als Hindernis f¨ ur die nichttriviale L¨osbarkeit der Gleichung DF = 0 erweisen, da die entscheidende Eigenschaft von D aus (6.156) die ist, daß (6.158) D2 = 0 gilt. Um dies auch im gekr¨ ummten Fall zu erreichen, muß die Kr¨ ummung in h¨ oheren Ordnungen“ von λ durch Quantenkorrekturen“ absorbiert werden. ” ” Daß dies tats¨ achlich alles m¨ oglich ist, soll nun diskutiert werden. 6.4.1 Das formale Weyl-Algebrab¨ undel Sei (M, ω) eine symplektische Mannigfaltigkeit. Wir werden lokale Koordinaten x1 , . . . , xn verwenden, so daß auf dem Definitionsbereich U der Koordinaten ∂ ∂ 1 1 ω U = ωij dxi ∧ dxj und πω U = π ij i ∧ j (6.159) 2 2 ∂x ∂x mit π ij = −ω ij und ω ij ωjk = δki gilt. Sei weiter p ∈ M ein Punkt, dann definieren wir den [[λ]]-Modul ∞ ∞ < < k ∗ Wp = Wpk mit Wpk = Sk Tp∗ M [[λ]]. (6.160) S Tp M [[λ]] =
k=0
k=0
Weiter definieren wir •
(W ⊗ Λ )p =
∞