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A.B.S. ist das Pseudonym für Astrid Schumacher, Jahrgang 1948, und Bernt Schumacher, Jahrgang 1947. Seit vielen Jahr...
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A.B.S. ist das Pseudonym für Astrid Schumacher, Jahrgang 1948, und Bernt Schumacher, Jahrgang 1947. Seit vielen Jahren schreiben sie gemeinsam Kriminalromane (u.a. "Ole, Dole, Doff", "Double Feature" und "Kalaschnikow") sowie Drehbücher fürs Fernsehen. Für "Nur wer vergessen wird" erhielt Astrid Schumacher den Förderpreis für Literatur der Stadt Hamburg. Von A.B.S. erschien außerdem als Heyne-Taschenbuch Double Feature. Band 02/2199
A.B.S.
OLE, DOLE, DOFF Kriminalroman WILHELM HEYNE VERLAG MÜNCHEN
HEYNE BLAUE KRIMIS Nr. 02/2213
Herausgegeben Von Bernhard Matt
Copyright © 1985 by A.B.S., Printed in Germany 1987 Umschlagfoto: Argus, Hamburg Umschlaggestaltung: Atelier Ingrid Schütz, München Gesamtherstellung: Eisnerdruck, Berlin ISBN 3-453-00535-X
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1 Dem Polizeibericht nach waren sie am Freitagabend um 17.30 Uhr von Jönköping aus zu einer Spritztour auf dem Vätternsee gestartet. Sie waren zu dritt gewesen. Als das Boot am Sonntagmorgen von der Wasserschutzpolizei etwa 25 km nördlich in der Höhe von Bankeryd treibend aufgebracht wurde, fehlte Lennart Boström. Seine beiden Saufkumpane erklärten lakonisch, sie hätten ihn wohl verloren, irgendwann. Die Suche nach Lennart Boström wurde nach zwei Tagen eingestellt. Besonders das rote Suchflugzeug fand Gefallen bei den kleineren Kindern, die am Strand von Bankeryd Ole, Dole, Doff* spielten. Das Boot der Wasserschutzpolizei ging im allgemeinen Gewirr von Segeljachten, Surfbrettern und Wasserskiläufern unter. Vielleicht sollte noch bemerkt werden, daß die Eigner eines deutschen Motorkreuzers die Suche aus solch höflicher Distanz beobachteten, wie sie sonst gar nicht zu deutschen Touristen paßt. Die christlich angehauchte JÖNKÖPINGS POSTEN sowie andere Lokalblätter aus dem Jerusalem Schwedens verwiesen auf die wahrhaft tödlichen Gefahren des übermäßigen Alkoholgenusses, denn Lennart Boström war ein stadtbekannter Säufer. Andere Berichterstatter gingen dagegen mehr auf Lennarts schwierige soziale Situation ein, doch bald verdrängten die günstigen Erdbeerpreise Lennarts Schicksal von den Schlagzeilen. Daß seine Leiche gerade dann an Land gespült wurde, als man mit dem Abriß des Jönköpinger Bahnhofs begann, mag als Ironie des Schicksals gelten, denn die Herrentoilette des Bahnhofs war Lennarts Lieblingsplatz für einen kleinen Umtrunk gewesen. Sein drei Wochen alter Leichnam konnte zwar nicht mehr Sympathie erwecken, als Boström es jemals zu Lebzeiten vermocht hatte, jedoch zumindest mäßiges Interesse seitens der Polizei. 2 Für seine Nachbarn war er hauptsächlich ein Erbschleicher. Er dagegen gab vor, Polizist zu sein. Seinen Ruf erhielt er dadurch, daß er als Vormund für eine alte Frau eingesetzt wurde. Fräulein Norlen wurde nicht deshalb in ein Altenheim eingewiesen, weil sie zum wiederholten Male ihre Nachbarn zwang, enge, vereiste Waldwege im Rückwärtsgang zurückzulegen. Sie weigerte sich auszuweichen, geschweige denn zu stoppen, fuhr stur geradeaus wie seit ewigen Zeiten und zeigte auch keine Neigung, ihren Fahrstil auf der Reichsstraße den heutigen Verkehrsverhältnissen anzupassen. Erst als ein ARLA-Milchtransporter deshalb von der Fahrbahn abkam, ein Elchschild plattwalzte und kurz vor einer Wurstbude zum Stehen kam, wurden die sozialen Dienste auf Fräulein Norlen aufmerksam. Ljungqvist besuchte sie zunächst wöchentlich, dann vierzehntägig, umhegte sie liebevoll, brachte verschiedene Freundinnen mit, die sie auch liebevoll umhegten, * schwedischer Abzählreim, wie Ene, Mene, Muh 3
tätigte alle Geschäfte für sie, machte Behördengänge, kümmerte sich um das Sommerhaus. Im Laufe der Zeit kümmerte er sich nur noch um das Sommerhaus, fällte Bäume, reparierte den Zaun, baute um und fiel durch seinen unkonventionellen Baustil unangenehm auf. So verlagerten sich die Gespräche der Nachbarn von der unrühmlichen Vormundschaftsgeschichte mehr und mehr auf die eklatanten Probleme von Sommerhausbesitzern. Aber erst, als er bei der Festnahme eines Jugendlichen, der in das Schlafzimmer eines Sommerhauses eingebrochen war, zu Hilfe geholt wurde, konnte er endlich seinen Polizeiausweis zeigen: Kommissar Ljungqvist, Mordkommission Jönköping. Keiner seiner Nachbarn hätte ihm zugetraut, einen Mordfall zu klären. Er war den Leuten suspekt. Er redete zuviel, steckte seine Nase in fremde Angelegenheiten, tauchte mal hier, mal dort auf, stellte Fragen, gab unbestimmte Antworten. Kurz, er erregte schon deswegen Mißtrauen, weil er der letzte war, an den man sich als Nachbarn gewöhnen mußte. Ljungqvist verließ unwillig sein Grundstück. Es war mehr der geplante Abriß des Bahnhofs als die Leiche Boströms, der ihn veranlaßte, nach Jönköping zu fahren. Der Bahnhof stand noch, als Ljungqvist am frühen Vormittag in Jönköping ankam. Es versprach, ein schöner, heißer Sommertag zu werden, und eine größere Menge Schaulustiger hatte sich eingefunden, um dem Abriß der Centralstation zuzusehen. Das - selbst für einen Bahnhof - ungewöhnlich häßliche Gebäude bildete gemeinsam mit der angegliederten Busstation das Kernstück einer umfangreichen Gleis -und Verschiebeanlage, die die Jönköpinger Stadtväter vor ca. 100 Jahren mit dem sicheren Instinkt für landschaftliche Schönheit just an der Stelle hatten errichten lassen, wo ein kiefer- und birkenbewachsenes Ufer sanft zum Vätternsee abfiel. Die Bäume hatten das nicht überlebt, und der ehemals feine, helle Sandstrand der Bucht war unter Schottermassen verschwunden, die zur Stabilisierung der Gleise aufgeschüttet worden waren. Ljungqvist blickte wehmütig auf den ausgeweideten Bahnhof und fuhr dann auf der den Gleisen parallel laufenden Uferstraße weiter bis zu einer Stelle, wo eine lange, aus Beton geschüttete Mole in den See hinausragte. Er stoppte hinter dem Polizeiauto und kletterte über die Gleise. Auf dem hier steinigen Ufer lag unter einer Zeltplane eine unförmige Gestalt, bewacht von einem älteren Polizeiikonstapel. Sein junger Kollege stand abseits und blickte - grüngelb im Gesicht - starr auf den See hinaus. Auf der Mole saßen die beiden Angler, die die Leiche entdeckt hatten. Ljungqvist stolperte gerade steifbeinig über die Ufersteine, als ein weiterer Wagen ankam. Dr. Sjö war groß, rothaarig, kleinnasig und besaß außer einer Unmenge von Sommersprossen eine nie versiegende gute Laune. »Hej, Äke, hast du gesehen, der Bahnhof ist hin!« »Eben, als ich vorbeifuhr, stand er noch.« »Zweimal WAMM, und dann Schutt!«
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»Auch die Halle für Expreßgüter?« fragte Ljungqvist kleinlaut. Er hatte dort vor mehr als 20 Jahren seine erste Verhaftung durchgeführt und hing an seinen Erinnerungen. »Alles platt. Ist nicht schade um den Prachtbau«, antwortete Sjö gefühllos. »Man hätte ihn noch sehr gut renovieren können.« »Was wolltest du denn an der Leichenhalle noch renovieren?« Ljungqvist zeigte Neigung, das Thema zu vertiefen, besann sich dann aber doch, daß sie schließlich nicht hier standen, um die städtebauliche Umgestaltung von Jönköping zu diskutieren, nickte dem schweigend ausharrenden Konstapel zu und beugte sich zur Zeltplane hinab. »Das ist Boström«, bemerkte der Konstapel. »Woher willst du das denn wissen?« Ljungqvist zog die Plane weg. »Bah, wie der aussieht!« »Ich habe ihn siebenmal wegen Trunkenheit in der Öffentlichkeit verhaftet.« »Ach so, na denn.« Boström war schon zu Lebzeiten kein schöner Mann gewesen, und die drei Wochen im Wasser hatten diesen Zustand auch nicht positiv verändern können. Am besten erhalten war seine Unterhose: Gelb auf blauem Grund zeigte sie in vielfacher Ausführung die schwedische Krone. »Vielleicht war er Patriot«, meinte Ljungqvist launig. »Wieso?« fragte Sjö. »Das würde ich nicht sagen«, antwortete der Konstapel todernst. Ljungqvist seufzte. Er erlebte es oft, daß seine Scherze bei seinen Mitmenschen nicht die erwartete Wirkung zeigten. »Was hat er denn?« Er wies auf den jungen Konstapel, der immer noch in Betrachtung der blauen Fluten des Väternsees versunken zu sein schien. »Erik ist übel«, sagte der Konstapel mitfühlend und fügte erklärend hinzu: »Es ist seine erste Wasserleiche.« »Na denn«, und zu Sjö gewandt: »Fang man an, ich red' mal mit den beiden Anglern.« »Das sind Bengt Olofsson und Carl Malm, beide Pensionäre. Die beiden angeln hier immer. Sie haben die Leiche gegen acht Uhr entdeckt. Malm hat hier gewartet, und Olofsson hat uns alarmiert. Sie haben die Leiche angeblich nicht berührt, aber das kann man wohl glauben«, berichtete der Konstapel bedächtig. »Haben sie sich ausgewiesen?« fragte Ljungqvist. »Nein, aber ich kenne die beiden.« »Hast du die auch schon besoffen verhaftet?« »Nein, die beiden trinken nicht, sie sind Pingstvänner* und würden niemals Alkohol anrühren.« Ljungqvist gab auf. »Gibt es noch was, das du schon weißt und ich nicht?« fragte er resigniert. »Nein, Herr Kommissar. Ich habe nur Olofsson und Malm gesagt, sie müßten hier * Sekte, die in Schweden viele Anhänger hat. 5
bis zu Ihrem Eintreffen warten, damit Sie sie verhören können.« »Wozu eigentlich«, murmelte Ljungqvist und humpelte zu den beiden Anglern. In der Tat ergab die Befragung nichts Neues. Beide pflegten oft von der Mole aus zu angeln. Sie hatten die Leiche unmittelbar nach ihrem Eintreffen entdeckt, und Olofsson war gleich zur Polizei gelaufen, während Malm auf der Mole gewartet und die Zeit genutzt hatte, um Kaffee aus einer Thermoskanne zu trinken und die mitgebrachten Brote mit Leberpastete und Gurke zu essen. »Mit Leberpastete?« fragte Ljungqvist ungläubig. Er war im Grunde seiner Seele ein sensibler Mann. Mittlerweile herrschte rege Betriebsamkeit am Ufer. Mehrere Polizisten staksten zwischen den Steinen umher und suchten am Strand nach etwaigen weiteren Hinweisen. Der ältere Konstapel hatte den Arm um die Schulter seines jungen Kollegen gelegt und sprach leise und begütigend auf ihn ein. Dr. Sjö richtete sich mit strahlendem Lächeln neben der Leiche auf. »Nichts zu sehen soweit, paar Hautabschürfungen, aber sonst alles okay. Ist wohl bloß ersoffen.« »Dann könnt ihr ihn ja mitnehmen. Wann kann ich den Bericht haben?« »Schriftlich oder so vorweg?« »Bloß so, erste Übersicht.« »Ich mach' heute nur bis 17 Uhr«, sagte Sjö. »Ich hab' Kerstin versprochen, um 18 Uhr wieder auf dem Land zu sein und die Kinder zu baden. Ihr wird das zu schwer, mit dem Faß, das sie da mit sich rumträgt.« Sjös Frau war hochschwanger, Ljungqvist wagte nicht zu fragen, mit dem wievielten Kind. Er war aber sicher, daß es wieder so ein rotschöpfiges, sommersprossiges, ewig hüpfendes und trällerndes Etwas werden würde wie die schon vorhandenen drei oder vier oder fünf. »Wenn ich bis dann fertig bin, ruf ich dich an.« Sjö entfernte sich, leichtfüßig von Stein zu Stein springend. Ljungqvist wollte auch aufs Land, am liebsten gleich, spätestens heute abend. Er versuchte einen kleinen Hüpfer auf den nächstgrößeren Stein, glitschte ab und landete auf den Knien zwischen spitzen Kieseln. 3 Nachmittags um vier hatten sie Boströms Lebensgeschichte, soweit sie aktenkundig war, fertig zusammengestellt auf dem Schreibtisch liegen. Dieses war hauptsächlich Kriminalassistent Zettermarks Verdienst, der ruhig und überlegt die Informationen vom Vermißtendezernat eingeholt und geordnet hatte, während Ljungqvist - Hektik verbreitend - von Abteilung zu Abteilung gehetzt war. Jetzt saß er an seinem Schreibtisch und starrte blicklos auf das relativ uninteressante Stück verbauter Seelandschaft, das sich als Aussicht aus seinem Fenster bot, und dachte an den Bahnhof. Ab und zu stieß er säuerlich auf. Der Küchenchef der Kantine hatte gerade den heutigen heißen Sommertag als passend 6
befunden, Blutpudding mit angedickten Bohnen und Kartoffelbrei zu servieren, und Ljungqvist hatte den Fehler begangen, den Geschmack des Menüs mit mehreren Tassen gallebitteren Kaffees vertreiben zu wollen. Zettermark hüstelte diskret und riß Ljungqvist aus seinen düsteren Gedanken. Der seufzte, streckte sich, rülpste verhalten und schlug die vorbildlich eingerichtete Akte Boström auf. Boström, Lennart, Sten, Gustav, ledig, wohnhaft in Jönköping/Barnap, Västra Skogsvägen 8, war am 10. April 1942 in Nässjö geboren. Vater Holzarbeiter, Mutter Hausfrau, eine Schwester, Marta Patalainen, geboren 1936, verwitwet, jetzt wohnhaft in Karlstad. In der Schule war Lennart, außer durch sehr bescheidene intellektuelle Leistungsfähigkeit, nicht weiter aufgefallen. Der Vater starb bei einem Unfall, als Lennart 14 Jahre alt war, die Mutter nahm daraufhin eine Arbeit bei der Post an. Vier Jahre später starb auch sie, »ausgelaugt und von Sorgen zermürbt.« »Hast du das geschrieben?« fragte Ljungqvist irritiert. Zettermark schaute ihm über die Schulter. »Nein, das steht so im Bericht des Psychologen aus dem Entziehungsheim, wo Boström damals war.« Nach der Schule hatte Boström wie sein Vater als Waldarbeiter angefangen, wurde aber bald wegen »mangelhafter Arbeitsmoral, zurückzuführen auf fortgesetzten Alkoholmißbrauch« entlassen. Er jobbte dann mal hier, mal da, blieb aber nirgendwo lange und fiel immer wieder durch Trunkenheit auf. Mit 18 Jahren kam er zum ersten Male ins Entziehungsheim. Der Psychologe dort beschrieb Boström als labil, leicht zu beeinflussen und bescheinigte ihm geringes Selbstwertgefühl und eine stark eingeschränkte Frustrationstoleranz. »Was ist das denn?« »Er kann Fehlschläge nicht verkraften«, übersetzte Zettermark. Ljungqvist überlegte, wie hoch seine Frustrationstoleranz anzusetzen war, kam zu keinem Ergebnis und wandte sich wieder dem Bericht zu. Es war im Prinzip die übliche Karriere. Zunächst wechselten Phasen relativ geregelten Lebens mit Zeiten ab, wo Lennart Boström immer wieder durch Trunksucht auffiel. Er wurde oft verhaftet und verhielt sich bei diesen Gelegenheiten stets gutwillig. Schlägereien und ähnliches wurden nicht bekannt. 1976 starb Lennarts Schwager Patalainen. Seine Schwester - durch lange, schwere Ehe mit dem trinkfreudigen Finnen abgehärtet und durch ihren festen Glauben mit dem nötigen moralischen Rüstzeug versehen - sah es ab sofort als ihre Aufgabe an, ihren Bruder zu retten, zumal ihre Ehe kinderlos geblieben war. Zunächst ging auch alles ganz gut. Lennart zog zu Marta nach Karlstad, und sie verschaffte ihm eine Arbeitsstelle in einer Autowerkstatt. Lennart hatte eine Freundin, und Marta übernahm aus Dank für Lennarts Errettung immer mehr ungeliebte Pflichten in der Ge meinde.
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Nach einer zweiwöchigen Spanienreise, die Lennarts Freundin mit einer Kollegin unternahm, kühlte ihr ohnehin nie sehr heißes Liebesverhältnis sozusagen über Nacht ab. Und es schien, daß Lennart augenblicklich wieder zu trinken anfing. »Keine Frustrationstoleranz, ich sag's ja«, bemerkte Ljungqvist fachmännisch. Nach mehreren Verhaftungen, einem weiteren erfolglosen Aufenthalt in einer Entziehungsanstalt und nachdem Boström ihr mehrmals die Küche vollgekotzt hatte, sah sich Marta gezwungen, ihren Errettungsversuch als gescheitert anzusehen und rang sich zu einer unchristlichen Tat durch: Sie setzte Boström vor die Tür. Etwa ein Jahr später tauchte Boström zum ersten Male in Jönköpinger Polizeiakten auf. Er hatte Anschluß an die stadtbekannte Säuferclique gewonnen und wurde mehrmals wegen Trunkenheit verhaftet. Die Akte enthielt noch diverse Originalberichte von Psychologen verschiedener Entzugsanstalten, eine Bescheinigung über Boströms Untauglichkeit zum Wehrdienst wegen einer - allerdings ausgeheilten - Lungentuberkulose und den Bericht über Boströms Verschwinden bei der Bootsfahrt am 20. Juli. Ljungqvist schielte nach seiner Armbanduhr. Angesichts der nachlassenden Konzentration seines Vorgesetzten zog Zettermark es vor, die Protokolle über Boströms Verschwinden mündlich zusammenzufassen, damit Ljungqvist nicht durch allzu viele Fakten verwirrt wurde. Außerdem hatte dieses Verfahren den Vorteil, daß Ljungqvist nicht das Gefühl bekam, furchtbar lange im Büro zu sitzen und überarbeitet zu sein. Es kam seinem Bedürfnis entgegen, den Kleinkram anderen zu überlassen, nur die große Linie weitschweifig zu erläutern, Theorien aufzustellen, Theorien zu verwerfen. Darin zeigte er eine nicht zu übersehende Ähnlichkeit mit bestimmten Politikern der staatstragenden Parteien. Zettermark mochte das nicht und hatte im Laufe der Jahre gewisse Taktiken entwickelt, Ljungqvists Arbeitsstil effektiver zu gestalten. Im Augenblick litt er zudem merklich unter Ljungqvists Bewältigung der Kochkunst in der Polizeikantine. Er legte also die Fingerspitzen gegeneinander, räusperte sich und faßte zusammen. Boström war am Freitag, dem 20. Juli, mit einem kleinen Kabinenkreuzer gegen 17.30 Uhr von der Südspitze des Vätternsees gestartet. An Bord befanden sich sein Arbeitskollege Ole Olsson und ein Deutscher namens Karl-Heinz Jorde, der mit beiden lose befreundet war. Das Trio hatte zumindest Freitagnacht und Sams tagvormittag auf dem Vättern verbracht. Samstagnachmittag wurde Boström in Begleitung Jordes im ICA-Supermarkt in Huskvarna, der Zwillingsstadt Jönköpings, gesehen. Sie kauften Würstchen, Jorde fragte nach Schnaps. Man verwies ihn an die staatlichen Alkoholläden, die um diese Zeit allerdings schon geschlossen waren. Diese Maßnahme zur Bekämpfung des übermäßigen Alkoholgenusses brachte Jorde so in Rage, daß er laut pöbelte, sich weigerte, eine Nummer am Fleischstand zu ziehen, und schließlich an der Kasse vordrängelte. Solch undiszipliniertes Verhalten blieb beim Personal haften.
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Das Telefon unterbrach Zettermarks Referat. Er hob ab und reichte nach wenigen Augenblicken den Hörer an Ljungqvist weiter. »Sjö für dich, Äke.« »Hej, Äke«, Sjö war in Eile. »Mit dem Boström bin ich soweit fertig. Tod durch Ertrinken, wie vermutet.« »Keine Anzeichen von Gewalt?« »Nee! Aber er muß ganz schön geladen haben. Und das nicht nur kurz vor seinem Tode. Lange hätte er's sowieso nicht mehr gemacht. Fortgeschrittene Leberzirrhose mit beginnendem Aszites, Nephrose und ...« »Und was heißt das?« »Leber und Nieren waren hin, und auch sonst noch so einiges. Muß mal 'ne Tuberkulose gehabt haben. Wenn du mich fragst, dann ist er besoffen über Bord gegangen.« »Kann aber auch jemand nachgeholfen haben.« »Schon, aber bei dem Alkoholgehalt im Blut war das kaum notwendig. Anzeichen von Gewaltanwendung sind jedenfalls nicht feststellbar. Morgen mittag kannst du den Bericht haben. Ich fahr' jetzt los. Hej, Äke.« »Hej, und danke.« Ljungqvist lehnte sich zufrieden zurück, klatschte darin mit den Handflächen auf den Schreibtisch und erhob sich unternehmungslustig. »Die Sache scheint klar. Boström war voll und ist über Bord gegangen.« »Wir sollten den Bericht zu Ende durchgehen, Äke«, mahnte Zettermark und blieb unbeirrt sitzen. »Ich meine jetzt, wo du alles frisch im Kopf hast und wir ohnehin fast fertig sind.« Ljungqvist ergab sich. »Mach weiter.« Am frühen Abend des Samstags waren die drei im Hafen von Bankeryd aufgetaucht, bekamen jedoch bald Ärger mieden anderen Jachteignern und zogen es vor, wieder auszulaufen. Von diesem Augenblick bis zu dem Moment, wo das Boot mit leerem Tank treibend aufgebracht wurde, existierten keine außenstehenden Zeugen. Olsson und Jorde wurden am Sonntag sofort in eine Ausnüchterungszelle gebracht, nachdem sie gründlich ärztlich untersucht worden waren. Eine eingehende Befragung konnte man sich zunächst schenken; sie waren schlicht vernehmungsunfähig. Jordes Vernehmung konnte sowieso erst am Montag beginnen, da die Dolmetscherin am Wochenende nicht arbeitete. Beide Überlebenden berichteten getrennt und übereinstimmend, daß sie den späten Samstagabend in der Kajüte mit Trinken verbracht hätten. Ihr Abendbrot war ausgefallen, da sie nach dem ungastlichen Benehmen der Jachthafenbenutzer Zitat Jorde (die Dolmetscherin hatte sich etwas schwergetan mit der Übersetzung): »absolut voll keinen Bock darauf hatten«, am Strand die mitgebrachten Würstchen zu grillen. Diese Formulierung mißfiel Zettermark. Ljungqvist merkte sie sich. Falls er noch einmal zum Kaffeetrinken bei seinen Nachbarn eingeladen werden sollte und man 9
ihn wieder nötigte, trockene, staubige Kekse zu essen, würde er so geschickt seine internationalen Sprachkenntnisse ausspielen. Man behielt beide bis zum Donnerstag in Gewahrsam, entließ sie aber dann, da ihre Gedächtnislücken beim besten Willen nicht zu füllen waren. Jorde wurde erlaubt, das Land zu verlassen, da die Polizeibehörde Hamburgs auf eine Anfrage hin nichts Nachteiliges zu berichten hatte. Zettermark atmete tief durch. »Es folgen dann noch Angaben zur Person, diesen Jorde und Olsson betreffend. Olsson arbeitete mit Boström bei seinem Bruder, einem Schrotthändler, OLSSONS BILDE-MONTERINGS AB. Liegt an der Straße nach Mullsjö. Olsson hat Automechaniker gelernt. Jorde hat er angeblich vor drei Jahren bei einem Urlaub auf Mallorca kennengelernt. Hier sind dann noch Fotos vom Boot. Willst du sie sehen?« »Zeig mal her.« Ljungqvist besaß keine Jacht, nur ein Ruderboot zum Angeln draußen am Sommerhaus. »Wieso kann der sich so was leisten?« »Man verdient nicht schlecht beim Schrott«, antwortete Zettermark düster. »Außerdem gehört das Boot dem Bruder. Jedenfalls gab es keine Spuren von gewaltsamen Auseinandersetzungen. Boströms Hose und T-Shirt lagen in der Kabine. Jorde und Olsson schliefen, als die Kollegen sie fanden. Vielleicht wollte Boström Luft schnappen oder ...« »... oder pinkeln oder kotzen.« Ljungqvist hatte sich endgültig erhoben. »Du hast das sehr gut gemacht«, lobte er. »Wenn morgen der Befund von Sjö vorliegt, machen wir den Abschlußbericht und Marta Panta ... äh, Para ...« »Patalainen«, half Zettermark. »Ja, dann kann sie ihren Bruder beerdigen.« 4 Kloess saß in der Sauna, entspannte sich langsam, fühlte sich besser. »Hochhaus Zombie aus Steilshoop wollte Blut.« Die Woche hatte ruhig begonnen und deprimierend geendet, auch ohne die Bemühungen der Boulevard-Presse, den Fall attraktiver zu gestalten. Ein gewöhnlicher Totschlag im Affekt, begangen von einem armen Kerl, arbeitslos, mit Ratenzahlungen eingedeckt. Sie hatten einen Videofilm gesehen, er und seine Frau. Irgendwas mit Liebe, Kloess hatte den Titel vergessen, ein Zombiefilm war es jedenfalls nicht gewesen. Und dann hatte die Frau ihrem Mann eröffnet, sie wolle ihn verlassen, nicht mehr bleiben bei jemandem, der sowieso ein Versager sei, bei dem man nur versauern könne. Der Mann war in die Küche gegangen, hatte ein Messer geholt und zugestoßen, immer wieder. »Wahrscheinlich muß man jetzt neu tapezieren«, hatte Kollege Mertens gemeint, »Blümchentapeten sind sowieso out.« Auch nach bald 15 Jahren bei der Polizei 10
konnte sich Kloess nicht daran gewöhnen, nicht an Mertens' Kaltschnäuzigkeit, nicht an den Geruch von Stumpfsinn und Verzweiflung in den bienenwabenartigen Behausungen des sozialen Wohnungsbaus. Als er nach dem Abitur nicht zur Bundeswehr wollte, auch nicht zum Grenzschutz oder zur Feuerwehr, hatte sein Vater für ihn das Problem gelöst. »Verweigern? Leichen waschen und alten Leuten den Hintern abwischen, das ist nichts für dich! Geh zur Polizei, mein Junge, da hast du nichts auszustehen!« Kloess hatte sich seit damals schon oft gefragt, aus welchen Quellen sein Vater wohl seine Kenntnisse über die Polizeiarbeit geschöpft haben mochte. Kloess betrachtete seinen Körper. Schweißperlen rannen den Hals hinunter, tropften auf seine zu kurz geratenen Beine. Er lehnte sich zurück und schloß die Augen. Steilshoop, das war für ihn vor allem die Erinnerung an einen seiner ersten Fälle. Eine dreißigjährige Frau hatte damals ihren etwa gleichaltrigen Mann mit dem Bügeleisen erschlagen. Nachbarn hatten einen lauten Streit in der Wohnung gehört, was sie jedoch nicht weiter beunruhigte, wohl aber die völlige Stille, die dann plötzlich eintrat. Auf Rufen, Klopfen und Klingeln hatte niemand in der Wohnung reagiert, so daß die Beamten vom zuständigen Revier die Tür gewaltsam hatten öffnen müssen. Als Kloess am Tatort eingetroffen war, hatte die Frau apathisch in der Küche gesessen, während eine Beamtin sie zu bewegen versuchte, sich die blutbefleckten Arme zu waschen und die Kleidung zu wechseln. Im Nebenzimmer hatte man zwei fünf- beziehungsweise siebenjährige Kinder angetroffen, die mit weit aufgerissenen Augen in ihren Betten saßen, während ein etwa einjähriges Baby wunderbarerweise ruhig und völlig ungestört in einem Gitterbettchen schlief. Die Kinder, die sich - mit Ausnahme des Babys - heftig wehrten und schreiend am Bett festklammerten, hatten später - in Decken gewickelt - von zwei Sozialfürsorgern mit Gewalt abtransportiert werden müssen. Kloess sah sich wie in einem alten Film. Die Haare noch etwas voller, sein Oberlippenbart noch nicht grau gesträhnt, mit Hornbrille, schlank, fast mager, beim Gehen die Schultern etwas vorgeschoben. Neben ihm die Frau in Begleitung der Polizistin, auf Stöckelschuhen, eine kleine, billige Tasche, in die für sie das Nötigste eingepackt worden war. Die Bäume der Einfachbegrünung paßten in ihren Proportionen damals noch viel weniger als heute zu den grauen Hochhäusern mit schmutzigblauen, grünlichen und orangefarbenen Balkons. Der kaum zu überbietende Zynismus des Bauschilds NEUE HEIMAT war ihm zu jener Zeit allerdings noch nicht so klar bewußt geworden. Schröder hatte damals das Verhör geführt, das heißt eigentlich hatten sie nur schweigend zugehört, während die Frau mit leidenschaftsloser Stimme eine alltägliche Lebensgeschichte erzählte, die über die Stationen einer ereignislosen Kindheit, einer phantasielosen Liebesbeziehung und einer lieblosen Ehe zur Eskalation, zum Totschlag geführt hatte. Kloess seufzte und erhob sich, um zur Dusche zu gehen, drehte erst auf lauwarm, dann langsam immer kälter, brüllte wie ein Stier, als der kälteste Strahl ihn traf. 11
»Hörst du nicht, Herrgott noch mal, Telefon für dich!« vernahm er Kristina, noch ganz benommen von dem Temperaturschock. Mertens war am Telefon ungehalten. »Mein Himmel! Wie lange dauert das denn, bis du ans Telefon kommst?« »Ich war in der Sauna.« »In der Sauna! Und ich frier' mir hier den Arsch ab!« »Was willst du eigentlich?« »Du müßt herkommen, Rainer, tut mir leid für dich!« antwortete Mertens kleinlaut. »Was ist denn überhaupt los?« »Ein Kollege ist in Schwierigkeiten, in großen Schwierigkeiten«, sagte Mertens ungewöhnlich dezent. Kloess begann zu frösteln. Im Wohnzimmer herrschten - gemäß einem mehr oder weniger demokratisch gefaßten Familienbeschluß - 19° Celsius Raumt emperatur. Kloess hatte allerdings seine Frau in Verdacht, dieses Abkommen immer wieder zu unterlaufen, indem sie den Thermostat heimlich höherstellte. »Kannst du dich nicht 'n bißchen klarer ausdrücken?« »Hier sind zwei erschossen worden, von 'ner Verkehrsstreife«, sagte Mertens leise. 5 Die schönen Tage des Herbstes waren vorüber. Man schrieb den 28. Oktober, und ein feiner, kalter Nieselregen ging nieder, als Kloess am Tatort anlangte. Beide Spuren der Schnellstraße waren in Höhe der Tankstelle gesperrt; die Blaulichter zahlreicher Einsatzfahrzeuge der Polizei zuckten wie defekte, überdimensionale Neonreklamen. Rechts unterhalb der Schnellstraße lag das Industriegebiet von Billbrook. Die industrielle Entwicklung des Kapitalismus konnte hier anhand der Bauten gut nachvollzogen werden. Zwischen alten, roten Backsteingebäuden aus der Gründerzeit mit freistehenden Schornsteinen standen eternitverkleidete Flachbauten mit lichteren Fassaden, die eine andere Art von Trostlosigkeit ausstrahlten. Linker Hand lag der Ortskern von Billstedt, der diese Bezeichnung allerdings nicht mehr verdiente. Die Straßenbahnhaltestelle mit Würstchenbude und Tabakladen hatte der neuen Straßenführung ebenso weichen müssen wie die vielen kleinen Einzelhandelsgeschäfte. Geblieben waren die Kneipen, neu waren zwei Hotels, eines davon mit dem schönen Namen PANORAMA, womit vermutlich die Aussicht auf das Industriegebiet gemeint war, ein Parkhochhaus mit Einkaufszentrum sowie einige Geschäfte mit absolut unleserlichen Aufschriften in türkischer Sprache. Die späte Stunde und das Wetter hatten Schaulustige abgehalten, obgleich die Aussicht von der Brücke ideal gewesen wäre. Aber auch ohne sie herrschte ein unbeschreibliches Chaos. Es schien, als hätten sich sämtliche Polizeiwagen Hamburgs eingefunden. Kloess stieg aus , und ging an einem Wagen vorbei, in dem ein junger Polizeibeamter mit enthusiastischer Stimme unablässig Meldungen in sein Funkgerät schrie. Unmittelbar darauf mußte Kloess zur Seite springen, um 12
zwei Notarztwagen auszuweichen, die mit plötzlich einsetzender Sirene den Tatort verließen. Der Wagen, oder was von ihm übriggeblieben war, stand quer zur Fahrbahn; die Scheinwerfer der Einsatzfahrzeuge beleuchteten die völlig zertrümmerte Front, Fahrer- und Beifahrertür standen offen, die Rückscheibe fehlte. Plötzlich stand Mertens neben ihm. »Wir haben den Motor abgestellt, der hat noch wie wahnsinnig gehupt. Und das Radio spielte auch noch. NDR 2«, sagte Mertens zusammenhanglos. Kloess sah sich suchend um und ging dann langsam auf die beiden mit Planen zugedeckten Gestalten zu, die hinter der Leitplanke auf dem Boden lagen. »Carl Wawliczek, 26 Jahre, und Ursula Walkmann, 25 Jahre«, Mertens hielt zwei Personalausweise in der Hand. Kloess kniete nieder und zog die Plane weg. Der Mann war hübsch gewesen, mit dunklen, lockigen Haaren und voluminösem Schnurrbart. In der Stirn hatte er ein großes Loch mit ausgefransten Rändern. Bei dem Mädchen konnte man nicht feststellen, ob sie ebenfalls hübsch gewesen war. Sie hatte kein Gesicht mehr. »War sie nicht angeschnallt?« fragte Kloess. Mertens schüttelte den Kopf: »Nur er.« »Wo ist der Schütze?« »Im Krankenhaus, Rainer, er hat einen Schock. Und der andere, den der hier angefahren hat, der ist auch im Krankenhaus. Wahrscheinlich hat er 'nen Beckenbruch.« Kloess seufzte. Er hätte gern geraucht, trug aber seit längerem grundsätzlich keine Zigaretten bei sich und war deshalb auf freundliche Angebote seitens seiner Kollegen angewiesen. Die Stumpen, die Mertens paffte, hätte er allerdings auch bei stärkeren Entzugserscheinungen nicht angerührt. Er konnte sich den Ärger, der jetzt auf ihn zukommen würde, lebhaft ausmalen. Erst im Sommer hatte ein Zivilfahnder auf einem Parkplatz einen Jugendlichen erschossen. Der Junge war überwacht worden; man hielt ihn für einen Autoknacker, was sich posthum dann als falsch erwies. Während der eine Fahnder im Einsatzfahrzeug sitzengeblieben war, hatte der andere den Jungen gestellt und abgeführt, mit der entsicherten Pistole direkt an dessen Kopf. Der Schuß hatte sich angeblich gelöst, weil der Fahnder plötzlich stolperte und der Druckpunkt seiner neuen, erst kürzlich eingeführten Waffe überaus emp findlich war. Der eigentliche Skandal hatte jedoch erst begonnen, als bekannt wurde, daß der Schütze volle zehn Monate nach dem Unglücksfall zum ersten Male ausführlich vernommen worden war. »Sind Bundschuh und Grabbe benachrichtigt?« »Sie sind schon hier, Rainer, da drüben im Mannschaftswagen. Sie haben mit den Vernehmungen angefangen.« »Na, Gott sei Dank, bloß jetzt keine Schlamperei!« »Schröder kommt auch, den mußte ich von der Verlobung seines Sohnes wegholen. Den hättest du mal hören sollen!« Mertens grinste schadenfroh. Psychisch außerordentlich stabil wie er war, gewann er offensichtlich seine gewohnte Zuversicht und Unbekümmertheit schnell 13
zurück. Im Augenblick fragte er jedoch zartfühlend den blassen Kloess: »Fühlst du dich nicht gut, Rainer?« Kloess sah ihn verständnislos an. 6 Es war schon weit nach Mitternacht, als sich endlich alle in Schröders Arbeitszimmer eingefunden hatten. Der jüngste der Gruppe, Manuel Grabbe, und Claus Bundschuh, langjähriger Kollege und persönlicher Freund von Kloess, waren in die Teeküche gegangen, um Kaffee zu kochen. Mertens, der am längsten von allen im Regen gestanden hatte, naß und entsprechend schlecht gelaunt war, bemühte sich, eine große Übersichtsskizze vom Unfallort an einer Pinnwand zu befestigen. Die feuchten Hosenbeine klebten an seinen stämmigen Waden, und er nieste in regelmäßigen Abständen, wobei ihm seine randlose Brille auf die Nasenspitze herabrutschte. Schröder selbst war noch immer im feierlichen Gesellschaftsanzug, hatte zwar die Fliege, nicht aber die Nelke abgelegt, die langsam in seinem Knopfloch verwelkte. Er blätterte mürrisch in einem Wust von Papieren, die unübersichtlich über seinen Schreibtisch verstreut waren. Kloess lehnte im Besuchersessel in seiner typischen Haltung, die Beine weit von sich gestreckt, das Körpergewicht auf einen Punkt irgendwo zwischen Kreuz- und Steißbeinwirbel verlagert, und betrachtete mißmutig Schröders Blume. Dieser blickte auf seine Armbanduhr, ließ die Akte, in der er geblättert hatte, mit einem Klatsch fallen und lehnte sich zurück. »Jetzt sind sie alle abgehauen, bestimmt«, sagte er düster. »Dann kannst du ja auch endlich die verdammte Blume wegschmeißen«, bemerkte Kloess trocken. Schröder nestelte schuldbewußt an seinem Anzug und warf die Nelke in den Papierkorb. Mertens nieste und zog den Naseninhalt hoch. »Hast du kein Taschentuch?« Schröder war gereizt. »Kannst du mir vielleicht mal sagen, mit welcher Hand ich das noch machen soll?« gab Mertens zurück. Kloess seufzte, stand mühsam auf und half dem überforderten Mertens, die Skizze zu befestigen. Dann ging er zu Schröders Schreibtisch, schnappte sich ein Bündel Papiere und hing sich wieder in den Sessel. Mertens nieste abermals. »Wie kann man bei solchem Wetter 'ne Verkehrskontrolle machen?« schniefte er, »da fährt doch eh kein Schwein!« Schröder klopfte auf seine Uhr. »Wie lange brauchen die denn für den Kaffee?« beschwerte er sich. Wie aufs Stichwort erschienen Bundschuh und Grabbe; letzterer trug ein Tablett mit Kanne und Kaffeegeschirr. Bundschuh schwenkte einen Papierstreifen: »Das Auto gehörte nicht dem Fahrer, das ist zugelassen auf einen, warte mal, Dr. 14
Manfred Skobel. Der ist aber im Moment nicht zu erreichen. Die unten versuchen es weiter. Der Vater von Wawliczek sagte ja gleich, sein Sohn hätte kein Auto gehabt. So 'ne Karre hätte der sich wohl auch nicht leisten können als Student!« »Vielleicht hat er es geklaut, so 'n Mercedes ist ja auch 'ne feine Sache«, brummte Mertens. »Und wie geht es dem schießwütigen Kollegen von der Verkehrsstreife?« fragte Kloess anzüglich. Mertens' Gesicht wurde noch röter, als es schon war, und er sah jetzt endgültig nach einer fiebrigen Erkältung aus. »So kannst du das aber nicht sehen, Rainer! Ich möchte wissen, was du gemacht hättest, wenn einer mich über den Haufen fährt«, gab er aufgebracht zurück. Bundschuh sah zweifelnd zu Kloess und dann zu Mertens. »Aber er mußte ihm wohl doch nicht gleich 'nen Kopfschuß verpassen«, gab er zu bedenken. Kloess klopfte mit der Hand auf die Papiere. »Ich verstehe überhaupt nicht, wieso der getroffen hat, bei den bekanntermaßen guten Schießkünsten unserer lieben Kollegen. Ich hätte eher erwartet, er verpaßt seinem Kollegen 'nen Blattschuß.« »Wenn die Herren sich vielleicht setzen möchten!« Schröder erhob seine Stimme. »Und statt dummer Sprüche könntest du uns mal eine Zusammenfassung geben, Rainer!« Alle verstummten, waren damit beschäftigt, Kaffee einzuschenken, umzurühren und sich eine Sitzgelegenheit zu suchen. Claus Bundschuh drehte eine Zigarette, zündete sie an und reichte sie Kloess. »Leg mal los, Rainer«, sagte er ruhig. Kloess wand sich aus dem Sessel und trat an die Pinnwand. »Okay«, sagte er, »die Kollegen von der Verkehrspolizei begannen um genau 21.00 Uhr die linke Spur der B5, Fahrtrichtung Bergedorf, in Höhe der Tankstelle zu sperren. Es handelte sich um eine routinemäßige Kontrolle, und hier«, er klopfte auf die Skizze, »ist ein beliebter Platze dafür. Die Tankstelle hatte schon geschlossen. Man benutzte sie als Parkplatz für die Einsatzfahrzeuge. Normalerweise finden sich dann auch gleich ein paar Taxen ein, aber gestern abend war es so ruhig, daß da weder" Taxifahrer noch Schaulustige rumhingen. Es waren erst einige wenige Fahrzeuge kontrolliert worden, als um ca. 21.30 Uhr mit deutlich überhöhter Geschwindigkeit das bewußte Auto, ein weißer Mercedes 280 SL, auftauchte. Der Fahrer wurde eingewinkt, drosselte auch gleich das Tempo, und der eine ...« »Polizeimeister Siebert«, half Bundschuh. »Ja, genau, der trat an den Wagen heran. Als er auf etwa drei Meter an das Auto herangekommen war, gab der Fahrer plötzlich Gas, streifte Siebert mit dem linken vorderen Kotflügel und raste an der Absperrung vorbei. Eschke, der auf der anderen Seite des Fahrzeugs, also hier, gestanden hatte, zog sofort seine Pistole und schoß hinter dem Auto her.« »Da hat er aber wirklich Glück gehabt, daß er getroffen hat«, murmelte Mertens anerkennend. Kloess fuhr herum, aber Bundschuh mahnte: »Mach weiter, Rainer.«
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Kloess ging zu Schröders Schreibtisch, drückte die Zigarette aus und kehrte langsam zur Pinnwand zurück. Schröder nahm den Aschenbecher mit spitzen Fingern und stellte ihn zur Seite auf die Fensterbank. »Wie Kollege Mertens eben so schön bemerkte«, fuhr Kloess fort, »kann man nur von Zufall reden, daß Eschke getroffen hat. Die Kugel drang in den Hinterkopf des Fahrers ein, ungefähr hier. Er muß das Steuer noch nach links verrissen haben, jedenfalls fuhr der Wagen auf die Gegenfahrbahn, knallte dort nahezu frontal gegen den Brückenpfeiler, hier, wurde zurückgeschleudert, drehte sich zweimal und blieb quer beziehungsweise mit dem Kühler leicht in Fahrtrichtung Innenstadt stehen. Da war es genau 21.34 Uhr. Der Fahrer und das Mädchen waren beide tot, als die Kollegen ans Auto kamen, das Mädchen mit starken Verletzungen im Gesicht und Brustkorb.« Manuel Grabbe atmete hörbar aus. Kloess drehte sich abrupt um und nahm wieder seine Hängestellung im Sessel ein. »Siebert hat vermutlich einen mehrfachen Beckenbruch«, übernahm Bundschuh. »Als ich mit dem Krankenhaus telefonierte, operierten sie immer noch. Er ist aber nicht in Lebensgefahr. Eschke ist 23 Jahre alt. Er hatte heute eigentlich frei und ist für einen Kollegen eingesprungen, dessen Frau gerade ein Kind bekommt. Siebert war sein direkter Vorgesetzter. Eschke ist mit einem Schock ebenfalls ins Krankenhaus eingeliefert worden und bleibt zur Beobachtung über Nacht da. Mehr konnte ich erst mal nicht erfahren. Aber wir haben wirklich Glück gehabt«, er schielte vorsichtig zu Kloess hinüber, aber der war in dumpfes Brüten versunken und reagierte nicht, »die Presse ist erst sehr spät aufgetaucht und hat nicht viel mitbekommen.« Bundschuh nahm einen Schluck Kaffee und schob die Tasse angeekelt von sich weg. »Kannst du dir keinen besseren Kaffee leisten?« fragte er anklagend in Schröders Richtung. Der ignorierte die Bemerkung. »Was wissen wir über die Insassen des Fahrzeugs?« »Carl Wawliczek, 26 Jahre, Student, und Ursula Walkmann, seine Freundin, 25 Jahre, ebenfalls Studentin«, Mertens trat gewichtig vor. »Autopapiere hatten sie keine bei sich, aber Personalausweis und Führerschein.« »Hat schon jemand die Angehörigen benachrichtigt?« fragte Schröder. »Ja, ich natürlich mal wieder«, brummte Bundschuh. »Das Mädchen hatte so 'nen Zettel dabei mit der Adresse, wer im Falle eines Unfalls benachrichtigt werden sollte. Das waren die Eltern. Wawliczek lebt in 'ner Wohngemeinschaft, aber die hatten auch die Anschrift von den Eltern. Die wohnen in der Seumestraße, Eilbek. Vater Rentner, Mutter wohl Hausfrau. Wawliczek war der einzige Sohn. Der Vater sagte, daß Wawliczek seines Wissens nach kein Auto besessen habe, aber manchmal für irgendeine Firma fahre. Die Freundin kannten die Eltern nicht.« »Was denn für 'ne Firma?« Bundschuh drehte sich langsam zu ihm um. »Ich habe nicht gefragt, Willi. Ich dachte, das hätte wohl erst mal Zeit. Du kannst ja das nächste Mal die Benachrichtigung der Eltern in solchen Fällen übernehmen.« 16
»Und das Mädchen?« »Ursula Walkmanns Eltern wohnen in Reinbek, tolles Haus. Vermutlich wollte Wawliczek sie gerade nach Hause fahren, sie wohnt da noch hin und wieder. Die Eltern gaben gerade 'ne Cocktail-Party oder so was ähnliches. Du kannst dir vorstellen, wie schön es war, da hineinzuplatzen. Aus den Eltern war überhaupt nichts herauszukriegen, aber den Wawliczek, den haben sie nicht gemocht, das wurde schon deutlich.« »Warum hat der bloß so durchgedreht, der Wawliczek meine ich?« fragte Grabbe. Volle fünf Minuten sagte niemand ein Wort. Dann erhob sich Kloess. »Na also, das Wochenende ist im Eimer.« »Ich habe sowieso Bereitschaftsdienst«, sagte Mertens. »Ich aber nicht! Ich wollte was mit den Kindern unternehmen, damit Kristina in Ruhe am Schreibtisch arbeiten kann.« »Am Schreibtisch?« Manuel Grabbe machte runde Augen und sah noch jünger und unschuldiger aus als gewöhnlich. Er war erst vor kurzer Zeit zu Kloess versetzt worden und kannte sich noch nicht in den besonderen Gepflogenheiten von dessen Ehe aus. Kloess' Frau Kristina war Dozentin an der Hamburger Universität, ein Umstand, der in Polizeikreisen als ebenso exotisch wie verdächtig angesehen wurde. »Ja, da hast du wohl recht, Rainer, das Wochenende ist hin«, sagte Schröder und fügte entschlossen hinzu: »Wir haben auch keine Veranlassung, dem Kollegen zehn Monate Bedenkzeit zu geben! Dann wollen wir die Arbeit mal verteilen!« 7 Am Vormittag erhielt Manuel Grabbe endlich Antwort auf seine Frage, warum Wawliczek in offensichtlicher Panik zu fliehen versucht hatte. Das Wochenende hatten alle damit verbracht, die zahlreichen Augenzeugen des Vorfalls zu verhören. Siebert war im Krankenhaus und der vorläufig vom Dienst suspendierte Eschke zu Hause besucht worden. Neue Gesichtspunkte hatten sich nicht ergeben, wenn man von der Tatsache absah, daß Polizeimeister Siebert vermutlich vorzeitig in den schmerzlich erworbenen Ruhestand würde gehen können, nicht ohne vorher noch zum Obermeister befördert zu werden. Der Obduzent steuerte die Erkenntnis bei, daß Wawliczek, abgesehen von dem Hirntrauma, nur geringfügige Verletzungen davongetragen hatte, die es ihm durchaus erlaubt hätten, den Unfall ohne Dauerschäden zu überleben, während das Mädchen mit mehrfachem Schädelbruch und umfangreichen Lungenverletzungen durch gebrochene Rippen keinerlei Chance gehabt hätte. Als Claus Bundschuh an diesem Morgen zum zigsten Male die Nummer von Dr. Skobel wählte, war er fast erschrocken, als nach einmaligem Läuten am anderen Ende der Hörer abgenommen wurde. »Dr. Skobel«, meldete sich eine resolute Männerstimme. Bundschuh überlegte gerade, ob es wohl Sitte sei, sich mit akademischem Titel am Telefon zu melden, als die Stimme ungeduldig fragte: »Hallo, bitte, wer ist denn da?« 17
»Kriminaloberkommissar Bundschuh«, meldete er sich etwas atemlos. Dr. Skobel wurde sofort laut und ärgerlich. »Ja, zum Donnerwetter! Kann die Polizei einen nicht mal am frühen Morgen in Ruhe lassen? Wir haben nichts mehr zu sagen, sprechen Sie mit meinem Anwalt!« »Wie bitte?« fragte Bundschuh entgeistert. »Wir haben jetzt schon dreimal eine Aussage gemacht, das muß doch wohl reichen. Es war ja schließlich kein Kapitalverbrechen«, schnauzte die akademische Stimme aufgebracht. Bundschuh hatte sich noch nicht wieder gefaßt. »Ja, Herr Skobel, sind Sie denn schon benachrichtigt worden?« »Für Sie immer noch Dr. Skobel! Ob ich benachrichtigt worden bin? Ja, Herrgott, die Sache läuft doch schon seit fast zwei Wochen!« Bundschuh hatte seine Verblüffung überwunden. »Dr. Skobel, hier handelt es sich wohl um ein Mißverständnis. Ich muß Ihnen leider mitteilen, daß Ihr Fahrzeug Freitag nacht in einen schweren Unfall verwickelt war. Leider konnten wir Sie nicht früher erreichen. Wir hätten nämlich noch einige Fragen.« Einen Augenblick war es am anderen Ende der Leitung still. Der Schreck, der Schock über den Verlust, dachte Bundschuh schadenfroh. Dann polterte Dr. Skobel los. »Ja, sind Sie denn verrückt geworden? Mein Wagen steht sicher und unbeschädigt in der Garage. Ich bin doch gerade erst von Düsseldorf damit gefahren. Wollen Sie mich auf den Arm nehmen, junger Mann?« Junger Mann ist nett, dachte Bundschuh. Laut sagte er: »Sind Sie, Herr Dr. Skobel, der Halter des Fahrzeugs mit dem. amtlichen Kennzeichen HH-SM 1047?« »Nein!« schnappte Dr. Skobel, »das bin ich nicht, das war ich, betone war.« »Kennen Sie denn den neuen Besitzer Ihres Wagens?« »Nein! Den kenne ich nicht! Den kann ich auch nicht kennen, weil es ihn nicht gibt! Lesen Sie denn Ihre eigenen Akten nicht? Der Wagen ist Schrott, verstehen Sie, hin! Und das schon seit vierzehn Tagen.« Bundschuh begriff augenblicklich und sagte mit ungewöhnlicher Schärfe: »Ich verstehe sehr gut, Dr. Skobel, daß dies alles sehr lästig für Sie ist. Sie werden jedoch nicht umhin kommen, sich mit mir zu unterhalten. Wo und wann kann ich Sie aufsuchen?« »Kommen Sie um 10.00 Uhr zu mir in die Praxis«, antwortete Dr. Skobel verdrossen, und dann gab er die Anschrift durch. Bundschuh blieb einen Augenblick mit dem Hörer in der Hand stehen und grinste. Dann wählte er erneut und sagte: »Gib mir so schnell wie möglich nach oben, ob wir was über Skobel, Dr. Manfred, haben.«
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8 Die Praxisräume von Dr. Manfred Skobel, Zahnarzt und Kieferorthopäde, lagen in einem der großen, erst kürzlich stilvoll renovierten Kaufmannshäuser am Neuen Wall, einer der feinsten Straßen der Hamburger City. Bundschuh musterte die Hinweistafel in der ganz in weißem Marmor gehaltenen Eingangshalle, stellte fest, daß hier vorzugsweise Rechtsanwälte und Ärzte residierten, und verzichtete auf den Fahrstuhl, da die Zahnarztpraxis im ersten Stock lag. Gegenüber war der Schaukasten eines Haarstudios angebracht mit eindrucksvollen Fotos von Toupetbesitzern: »vorher - nachher«. Eine hochgewachsene Frau unbestimmbaren Alters geleitete ihn vorbei an einem kleinen Wartezimmer, in dem genau die Sessel standen, die Bundschuh gern angeschafft hätte, wenn er in der Lage gewesen wäre, pro Stück den Gegenwert eines gebrauchten Mittelklassewagens anzulegen, führte ihn in eine Art Herrenzimmer und nötigte ihn, Platz zu nehmen. Bundschuh sah sich in dem Raum um. Die einzige Referenz an die zahnmedizinische Tätigkeit des Dr. Skobel bestand in einem etwa 20 cm hohen Backenzahnmodell aus einem silbrigen Metall, welches als Ständer für einen Kugelschreiber der kostspieligen Sorte diente und in der gediegenen Atmosphäre fast unanständig wirkte. Dr. Skobel war von athletischer Statur, und Bundschuh überlegte, daß sicherlich Kraft dahintersäße, wenn dieser Mann seinen Patienten die Zähne zog. Aber vielleicht zog man in seiner Stellung nicht mehr selber, sondern ließ ziehen. Dr. Skobel nickte kurz, bat, doch bitte wieder Platz zu nehmen, und ließ sich hinter seinem Schreibtisch nieder. »Wie ich Ihnen schon am Telefon mitteilte«, begann Bundschuh etwas eingeschüchtert, »so gibt es da offenbar einige Probleme mit dem Unfallwagen, dessen Eigner Sie nach unseren Unterlagen zu sein scheinen.« Mein Gott, was für ein Satz, dachte er. Dr. Skobel schien sich nicht an Bundschuhs Diktion zu stören. »Um es kurz zu machen, lieber Herr Kommissar, ich habe einen Wagen mit dem bewußten Kennzeichen besessen, 280 SL, silbergrau. Am 16. Oktober wollte mein Sohn, übrigens mit meinem Einverständnis, mit dem Wagen nach Bremen fahren. Er ist nicht sehr weitgekommen. Kurz hinter den Elbbrücken wurde er aus der Kurve getragen, der Wagen überschlug sich. Selbstverständlich ist er zu schnell gefahren, daran besteht kein Zweifel, das hat er ja auch zugegeben. Meinem Sohn ist, Gott sei Dank, bis auf einige Prellungen nichts passiert, andere kamen auch nicht zu Schaden. Die Reparatur des Wagens hätte sich nicht mehr gelohnt. Ich habe das Auto durch meine Werkstatt abholen und verschrotten lassen.« »Der Unfall Ihres Sohnes ist aktenkundig«, sagte Bundschuh. Oder hätte er lieber sagen sollen; >Ihres Herrn Sohnes