KLEINE
BIBLIOTHEK
DES
WISSENS
LUX-LESEBOGEN NATUR-
UND
KULTURKUNDLICHE
HEFTE
HANS HARTMANN
Max Planck B E G R ...
57 downloads
1324 Views
413KB Size
Report
This content was uploaded by our users and we assume good faith they have the permission to share this book. If you own the copyright to this book and it is wrongfully on our website, we offer a simple DMCA procedure to remove your content from our site. Start by pressing the button below!
Report copyright / DMCA form
KLEINE
BIBLIOTHEK
DES
WISSENS
LUX-LESEBOGEN NATUR-
UND
KULTURKUNDLICHE
HEFTE
HANS HARTMANN
Max Planck B E G R Ü N D E R D E S ATOM Z E I T A L T ERS
VERLAG SEBASTIAN
LUX
MURNAU • MÖNCHEN • INNSBRUCK . BASEL
Max Planck, geboren im Jahre 1858, gestorben im Jahre 1947, ist als einer der größten Forscher und Denker in die Geschichte eingegangen. Er öffnete iveit das Tor in die bis dahin kaum betretene Welt der Atome. Er hat nicht die Atomkraft werke und Atomreaktoren gescliajfen, seine Leistung ist eine geistige Tat: Planck hat als erster die Gesetze erkannt und in Formeln gefaßt, nach denen sich das „innere Leben" in den Atomen abspielt. Andere haben auf seinen Erkenntnissen aufgebaut oder sie technisch ausgewertet. Von dem Menschen Max Planclt, dem Begründer des Atomzeitalters, bericlitet auf den folgenden Seiten einer, der ihm nahe gestanden hat. Von den Bildern und Erinnerungen aus Plancks Leben ausgehend, erschließt sich dem Leser auch ein erster Einblick in die Kleinstiveit der Natur.
Kriegsende 1945 Ende Januar des unheilvollen Jahres 1945 war der Gang durch Berlin zu jeder Tages- und Nachtzeit ein Abentevier. Dumpf und gespannt zugleich lebten die Millionen Menschen der Reichshauptstadt dahin. Dumpf im Erleiden der täglichen Bombenangriffe, in unerträglicher Spannung aber zwischen der vagen Erwartung eines baldigen Kriegsendes und einem winzigen Rest künstlich angefachter Hoffnung: Verantwortungslose streuten Gerüchte aus von Geheimwaffen, die das Kriegsschicksal in letzter Minute zugunsten Deutschlands entscheiden würden. Flüsterpropaganda erfand Flugzeuge, „die in die feindlichen Bombengeschwader hineinfliegen und ihr Benzin zum Vereisen bringen, so daß sie zu Tausenden abstürzen mußten". Solche Phantasien wurden durch Andeutungen in Presse und Rundfunk bewußt genährt. Aber das Verhängnis war nicht mehr aufzuhalten. An einem der Tage des Januar gingen wir zum LangenbeckVirchow-Haus. Das Haus lag gegenüber der Charite mit ihren weltbekannten Universitätskliniken. Dort sollte eine Physikertagung stattfinden — es war wie das letzte Glimmen eines Flämmchens der Wissenschaft, gegen dessen Erlöschen wir uns verzweifelt aufbäumten. Jede Sekunde auf Alarm gefaßt, der die Tagung unmöglich machen würde, kam uns in Erinnerung, wie oft Max Planck in den vergangenen Jahren dieses Furchtbare vorausgesagt hatte. Diejenigen unter uns, die sich etwas von der Planckschen Klarheit des Geistes und der inneren Aufrichtigkeit der Seele bewahrt hatten, spürten: Jetzt ist es zu spät für trügerische Hoffnungen und Selbsttäuschungen. Jetzt kommt das Ende mit Schrecken, wirklich und unerbittlich! Aber wann? Vielleicht erst in Monaten? Wer konnte es wissen? Wie sehr hofften wir, Max Planck in dieser bedrückenden Stunde wiederzusehen! Denn gerade von seiner lauteren, nur der Wahrheit verpflichteten Persönlichkeit konnten wir Stärkung und Führung erwarten. Aber durften wir überhaupt damit rechnen, daß er kommen werde? Wußten wir doch, daß er schon seit anderthalb Jahren nicht mehr in Berlin lebte. Brandbomben hatten sein schönes, gepflegtes, von allem Prunk freies Haus im stillen Vorort Grunewald völlig vernichtet. Einige Monate hatten wir von dem bald 87 Jahre alten Geheimrat nichts mehr gehört. Wir wußten nur, daß 3
er mit seiner Frau als Flüchtling auf Gut Rogätz bei Magdeburg an der Elbe lebte. Wie mochte es ihm gehen? Truppenbewegungen überall, Alarmnachrichten jagten sich. Man sprach davon, die Amerikaner und die Russen würden sich nun bald an der Elbe vereinigen und dort die letzten Reste der deutschen Armee mit ungeheurer Übermacht an Flugzeugen, Panzern, Bomben und Geschützen niederkämpfen. Max Planck würde mitten in dieser Schreckenszone sein. Wir gingen an Trümmern vorbei. Noch schwelten beizender Rauch und die Glut der Zerstörungen aus der vergangenen Nacht durch die Straßen. Um so erstaunter stellten wir fest: Es waren zur Tagung fast hundert Physiker erschienen. Max Planck fanden wir nicht unter ihnen. Wer die gefährdeten Bahnstrecken kannte, auf denen die wenigen überfüllten Züge nur nachts verkehrten, der begriff, daß er den Strapazen nicht mehr gewachsen war. Aber Max Planck wollte doch seine Verbundenheit mit den Fachgenossen bekunden und hatte darum seine um fünfundzwanzig Jahre jüngere Frau Marga, die sich die Reise zutraute, entsandt, damit sie den Tagungsteilnehmern seine Grüße überbringe. Die Wiederbegegnung mit der schwergeprüften Frau war für uns alle, war für mich, der ich der Familie Planck seit vielen Jahren herzlich verbunden war, von einem dunklen Schicksal überschattet. „Ihr lebt sicher in großer Ungewißheit um Euren Sohn Erwin!" fragte ich Frau Planck. Plancks Sohn Erwin war im Zusammenhang mit dem Attentat vom 20. Juli durch ein terroristisches Gericht zum Tode verurteilt worden, obwohl er in keinem Zusammenhang mit dem Anschlag auf Hitler stand; aber schon der Verdacht genügte in jener Zeit des Schreckens zu einem Schuldspruch. „Wir haben ein Gnadengesuch eingereicht", erwiderte Frau Planck. „Wir leben immer noch in der Zuversicht, daß es bewilligt werden wird. Schon um des Namens Planck willen; denn eine gewisse Rücksicht nimmt man wohl doch noch auf das Ausland." Ich konnte nur sagen: „Wie viele Menschen, sofern sei von dem Schrecklichen erfahren haben, mit Euch hoffen, wißt Ihr." Der Physiker-Kongreß dauerte nur einen Tag. Aber er wurde im Geiste Max Plancks, der als Senior der deutsehen Physiker unsichtbar bei uns war, durchgeführt: sachlich, nüchtern, nur vom Drang nach Wissenschaft und Erkenntnis beseelt. Noch tief bewegt von den Worten einer Frau und Mutter, aus denen die ganze Bangigkeit der zunächst Beteiligten, aber auch die furchtbare innere und äußere Not der Zeit sprach, vertiefte ich 4
»