Stefan Schweiger (Hrsg.) Lebenszykluskosten optimieren
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Stefan Schweiger (Hrsg.) Lebenszykluskosten optimieren
Stefan Schweiger (Hrsg.)
Lebenszykluskosten optimieren Paradigmenwechsel für Anbieter und Nutzer von Investitionsgütern
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar.
1. Auflage 2009 Alle Rechte vorbehalten © Gabler | GWV Fachverlage GmbH, Wiesbaden 2009 Lektorat: Stefanie A. Winter Gabler ist Teil der Fachverlagsgruppe Springer Science+Business Media www.gabler.de Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften. Umschlaggestaltung: Nina Faber de.sign, Wiesbaden Druck und buchbinderische Verarbeitung: Krips b.v., Meppel Gedruckt auf säurefreiem und chlorfrei gebleichtem Papier Printed in the Netherlands ISBN 978-3-8349-0989-3
Nachhaltige Wettbewerbsvorteile für Anbieter und Nutzer von Maschinen/ Anlagen durch Lebenszykluskosten-optimierung schaffen
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Vorwort
Um eine möglichst vollständige Nutzung sämtlicher Leistungspotenziale von Maschinen und Anlagen sicherzustellen, ist eine Betrachtung sowie kosten- und nutzenbezogene Optimierung des gesamten Produktlebenszyklus erforderlich. Die Nutzer solcher Investitionsgüter sind im Regelfall Teil einer vernetzten Supply Chain, in der sich Prozessstörungen multiplizieren. Hohe Verfügbarkeit und Prozessstabilität sind daher von außerordentlicher Bedeutung – selbstverständlich bei gleichzeitig niedrigen Gesamtkosten sowie hoher Qualität und Flexibilität. Stillstandskosten, die pro Stunde mitunter über eine Million Euro betragen sowie beträchtliche Schleppverluste beim Wiederanlauf der Produktion sind immer weniger hinnehmbar. Für den Anbieter von Maschinen und Anlagen gilt es, sich in einem hoch kompetitiven Umfeld vom häufig preisfokussierten Wettbewerb abzuheben. Kundenprobleme und -bedürfnisse müssen im Rahmen eines umfassenden Customer Relationship Management verstanden und Lösungen angeboten werden. Professionelle Serviceleistungen entwickeln sich immer mehr zu einer wichtigen Säule des Geschäftserfolgs. Vor diesem Hintergrund rücken sowohl für Anbieter als auch für Abnehmer von Maschinen und Anlagen zunehmend Gesamtlebenszykluskonzepte – Life-Cycle-Costs (LCC) oder TotalCost-of-Ownership (TCO) – in den Managementfokus. Zahlreiche zu diesem Thema durchgeführte Experteninterviews lassen für die Zukunft eine steigende Bedeutung solcher Ansätze erwarten – ein grundlegender Paradigmenwechsel in der Geschäftsbeziehung zwischen Anbieter und Nutzer. Das vorliegende Buch stellt diese Thematik sowohl aus der Anbieter- als auch aus der Nutzerperspektive dar. Zahlreiche Experten aus Industrie- und Dienstleistungsunternehmen, vom Branchenverband VDMA sowie aus Forschung und Lehre berichten praxis- und umsetzungsorientiert über notwendige Veränderungen und deren erfolgreiche Implementierung. Neue Formen der Zusammenarbeit sind zu entwickeln, in der Strategie, den Strukturen und Prozessen abzubilden, juristisch abzusichern und durch geschulte Mitarbeiter konsequent umzusetzen. Das Buch wendet sich an betriebswirtschaftlich und technisch orientierte Fachund Führungskräfte aus den Unternehmensfunktionen Service, Vertrieb, Entwicklung/Konstruktion, Einkauf, Instandhaltung und Unternehmensführung sowie an Vertreter aus Lehrund Forschungseinrichtungen.
6
Vorwort
Ohne die engagierte Mitarbeit aller Autorinnen und Autoren wäre dieses Buch nicht realisierbar gewesen. Daher gilt ihnen mein ganz besonderer Dank. Weiterhin bedanke ich mich bei Frau Stefanie Winter vom Gabler-Verlag für die konstruktive Zusammenarbeit sowie bei Frau Kerstin Müller für die professionelle Erstellung der kompletten Druckvorlage. Großer Dank gebührt schließlich auch meiner Familie, die jederzeit großes Verständnis für den zur Realisierung des Buchprojektes erforderlichen Zeitaufwand aufgebracht hat.
Konstanz / St. Gallen, im September 2008
Stefan Schweiger
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Inhaltsverzeichnis
Vorwort ...................................................................................................................................... 5 Abbildungsverzeichnis ...............................................................................................................9 Abkürzungsverzeichnis ............................................................................................................13 Nachhaltige Wettbewerbsvorteile für Anbieter und Nutzer von Maschinen/ Anlagen durch Lebenszykluskostenoptimierung schaffen ..................................................... 15 Stefan Schweiger Lebenszykluskostenbetrachtungen bei Investitionsgütern ..................................................... 35 Frank Bünting Bedeutung und Anwendung von Lebenszyklusanalysen bei Werkzeugmaschinen ............... 51 Eberhard Abele, Marina Dervisopoulos, Benjamin Kuhrke M-TCO – Daimler AG ........................................................................................................... 81 Volker Albrecht/Peter Wetzel Betrachtungen zu Life-Cycle-Costing bei Werkzeugmaschinen aus der Sicht eines Automobilzulieferers .............................................................................................................. 97 Thomas Köllner, Roland Wieser, Matthias Striefler LCC/TCO aus Sicht eines Werkzeugmaschinenherstellers................................................... 117 Christian Boge Design-to-Life-Cycle-Cost bei Investitionsgütern am Beispiel von Werkzeugmaschinen ............................................................................................................................. 135 Heiko Noske, Christos Kalogerakis TCO als Ausgangspunkt für die Entwicklung dienstleistungsbasierter Geschäftsmodelle in der Investitionsgüterindustrie ............................................................. 153 Gunter Lay, Marcus Schröter, Heidi Armbruster
8
Inhaltsverzeichnis
Herausgeber ........................................................................................................................... 181 Autoren ................................................................................................................................ 183
Abbildungsverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1.1:
Strategisches Risiko: Stuck-in-the-middle
Abbildung 1.2:
Gründe für Kundenverlust im Maschinen- und Anlagenbau
Abbildung 1.3:
Service optimiert den Produktnutzen im gesamten Lebenszyklus
Abbildung 1.4:
Dienstleistungsentwicklung
Abbildung 1.5:
Outsourcing-Optionen
Abbildung 1.6:
Service unterstützt die zentralen Unternehmensziele
Abbildung 1.7:
Zunehmende Bedeutung von LCC/TCO
Abbildung 1.8:
Streuung von LCC/TCO-Werten
Abbildung 1.9:
Spielregeln für unternehmerischen Erfolg
Abbildung 1.10: Paradigmenwechsel im Service Abbildung 1.11: LCC/TCO-Konzepte aus Anbieter- und Nutzersicht Abbildung 1.12: Regelungsbedarf im Anbieter-Nutzer-Verhältnis Abbildung 1.13: Handlungsfelder zur Einführung von TCO Abbildung 2.1:
Grundidee bei LCC-Betrachtungen
Abbildung 2.2:
Grunddaten und Belastungsprofil
Abbildung 2.3:
Überschrift Grundmodell der SAE
Abbildung 2.4:
Gegenüberstellung der LCC-Berechnungsansätze
Abbildung 2.5:
Phasenmodell für Lebenszykluskostenbetrachtungen
Abbildung 2.6:
Generisches Prognosemodell für Lebenszykluskosten
Abbildung 2.7:
Auszug aus der Tabelle zur Ermittlung der Kosten in der Phase „während der Nutzung“
Abbildung 2.8:
Konfiguration eines Prognosemodells
Abbildung 2.9:
Struktur des Stammbaums für eine Montageanlage
9
10
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 3.1:
Aufbau eines Konzeptes zur Lebenszyklusanalyse von Werkzeugmaschinen
Abbildung 3.2:
Klassische Dreiteilung der Lebenszykluskosten eines Investitionsgutes
Abbildung 3.3:
Anwendungsleitfäden und Normen im Zusammenhang mit LZK
Abbildung 3.4:
Analysebeispiel Lebenszykluskosten einer Werkzeugmaschine (zehn Jahre)
Abbildung 3.5:
Einflussfaktoren auf die Höhe der Lebenszykluskosten und verantwortliche Akteure
Abbildung 3.6:
MTBF Werte identischer Betriebsmittel bei unterschiedlichen Anwendern
Abbildung 3.7:
Felddatenanalyse der Ausfallursachen einer Werkzeugmaschine
Abbildung 3.8:
Bausteine der Lebenszyklusanalyse
Abbildung 3.9:
Grundsätzlicher Aufbau eines Maschinenstrukturmodells
Abbildung 3.10: Auf der Basis von Leistungsmessungen projizierter, jährlicher Energieverbrauch eines Drehautomaten für unterschiedliche Fertigungstypen. Abbildung 3.11: Verteilung des Jahresenergieverbrauchs der Komponenten eines Drehautomaten in einer Drei-Schicht Serienfertigung Abbildung 3.12: Gestufte Analyse von Serviceeinsätzen und Ersatzteilbestellungen Abbildung 3.13: Vergabe von Risikostufen für Prognosefehler bei MTBF Werten Abbildung 3.14: Erforderliche Informationsstruktur von Serviceberichten Abbildung 3.15: Auswertungsbeispiel zu den Kostentreibern der Wartung an einem BAZ Abbildung 3.16: Ausfallwahrscheinlichkeit, Prozesskosten und Lebenszykluskosten Abbildung 4.1:
Prozessschema M-TCO
Abbildung 4.2:
Der M-TCO-Regelkreis – TCO-Prozessüberblick
Abbildung 4.3:
Maschinenstammbaum
Abbildung 4.4:
Angebotsvergleich
Abbildung 4.5:
TCO-Ampel
Abbildung 4.6:
Phasen von M-TCO
Abbildung 5.1:
In der Entscheidungsphase unbekannte Kostenelemente der Betriebsphase ohne LCC-Betrachtung
Abbildung 5.2:
Bedeutung der Betriebskosten für die Bewertung von Investitionsalternativen
Abbildungsverzeichnis
11
Abbildung 5.3:
Definition Life-Cycle-Performance
Abbildung 5.4:
Im LCC-Konzept betrachtete Kostenelemente
Abbildung 5.5:
Beispiel für LCC-Komponenten
Abbildung 5.6:
Informationsfluss zwischen Betreiber und Hersteller im LCC-Konzept des ZF Standorts Friedrichshafen
Abbildung 6.1:
Einsparungspotenzial bei LCC-Betrachtung trotz höherer Investitionskosten
Abbildung 6.2:
Verlauf von ausgewählten LCC-Kosten in der Betriebsphase
Abbildung 6.3:
Portfolio zur Beschreibung von Belastungsprofilen
Abbildung 6.4:
Datenfluss der Felddatenerfassung
Abbildung 6.5:
Nutzung der Felddaten in Entwicklung, Planung und Projektabwicklung beim Hersteller
Abbildung 6.6:
LCC-Angebotsprozess
Abbildung 6.7:
Prozesstreiber und -beteiligte im LCC-Angebotsprozess
Abbildung 6.8:
Festlegung von Wartungskosten im Rahmen des LCC-Angebotsprozesses
Abbildung 6.9:
Einbindung von Komponenten-Lieferanten in den LCC-Prozess
Abbildung 7.1:
Angebote mit unterschiedlichen Einmal- und Folgekosten
Abbildung 7.2:
Kostenentstehung und -verursachung
Abbildung 7.3:
Vergleich von kumulierten TCO-Plan- und Folgekosten
Abbildung 7.4:
Risikominimierung des Maschinenherstellers
Abbildung 7.5:
Vergleich einer Low-Cost-Werkzeugmaschine mit einer Low-LCC-Werkzeugmaschine
Abbildung 7.6:
LoeWe-Konsortium
Abbildung 7.7:
TCO-Navigator Maskenbeispiel Projektdaten
Abbildung 7.8:
LCC-Kalkulationsblatt
Abbildung 7.9:
Softwarestruktur des LCC-Navigators
Abbildung 7.10: LCC-Prognose pro Baugruppe (BG) Abbildung 7.11: LCC-Vergleichskalkulationen der hydraulischen Werkstückspannfunktion Abbildung 7.12: Vergleich der hochgerechneten Lebenszykluskosten der LoeWe-Maschine kumuliert über zehn Jahre mit einer herkömmlichen Vertikaldrehmaschine Abbildung 8.1:
Kostenarten der Total-Cost-of-Ownership
12
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 8.2:
Eignung neuer Geschäftsmodelle für Werkzeugmaschinen (BAZ)
Abbildung 8.3:
Auswahlkriterien für Montagesysteme
Abbildung 8.4:
Eignung neuer Geschäftsmodelle für hybride Montagesysteme
Abbildung 8.5:
Eignung neuer Geschäftsmodelle für Industrieroboter
Abbildung 8.6:
Vergleich der Eignung neuer Geschäftsmodelle für Werkzeugmaschinen (BAZ), Hybride Montagesysteme und Industrieroboter
Abkürzungsverzeichnis
BAZ
Bearbeitungszentrum
BDE
Betriebsdatenerfassung
BG
Baugruppe
DoD
Department of Defense
DMZ
Demilitarisierte Zone
FME(C)A
Failure Mode and Effect (Criticality) Analysis
GAO
General Accounting Office
IH
Instandhaltung
KVP
Kontinuierlicher Verbesserungsprozess
LCA
Lebenszykluskostenanalyse
LCC
Life-Cycle-Costs
LCP
Life-Cycle-Performance
LICMA
Life-Cycle-Performance im Maschinen- und Anlagenbau
MCRP
Mean-Cost-of-Replacement-Parts
MTBE
Mean-Time-Between-Events
MTBF
Mean-Time-Between-Failures (Mittlere Ausfallzeit)
M-TCO
Maintenance-Total-Cost-of-Ownership
MTTR
Mean-Time-To-Repair (Mittlere Reparaturzeit)
PTW
Produktionsmanagement, Technologie und Werkzeugmaschinen
RHB
Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffe
T
Belegungszeit, Beobachtungszeit
TCO
Total-Cost-of-Ownership
TF
Technische Ausfallzeit
14
Abkürzungsverzeichnis
TM
Ausfallzeit für Wartung und Inspektion
TN
Nutzungszeit, Produktionszeit
TO
Organisatorische Ausfallzeit
Wettbewerbsvorteile durch Lebenszykluskostenoptimierung
Nachhaltige Wettbewerbsvorteile für Anbieter und Nutzer von Maschinen/ Anlagen durch Lebenszykluskostenoptimierung schaffen Stefan Schweiger
1. Einleitung 2. Intelligente Serviceleistungen: Nutzen für Abnehmer und Anbieter 2.1 Nutzen für Abnehmer 2.2 Nutzen für Anbieter 3. Lebenszykluskostenoptimierung: Paradigmenwechsel in der Geschäftsbeziehung 3.1 Paradigmenwechsel beim Maschinen-/Anlagennutzer 3.2 Paradigmenwechsel auf Anbieterseite 4. Aufwand und Nutzen von LCC/TCO 5. Umsetzung von LCC/TCO 6. Ausblick Literatur
15
16
Stefan Schweiger
„Best products get you a seat at the table. Best services move you to the head of the table.” [Jack Welch, Ex-CEO von General Electric]
1.
Einleitung
Erfolgreiche Unternehmen müssen Anforderungen genügen, die in der Vergangenheit stetig gestiegen sind und – nicht zuletzt durch den zunehmenden Standortwettbewerb im Zuge der Globalisierung – in Zukunft weiter steigen werden. Die Marktforderung nach individuellen Produkten bei gleichzeitig möglichst geringen Lieferzeiten und hoher Termineinhaltung ist nur mit flexiblen Wertschöpfungsprozessen zu erreichen. Darüber hinaus wird stabile Qualität auf hohem Niveau bei konkurrenzfähigen Kosten und hoher Auslastung gefordert. Diese Quadratur des Kreises erfordert die konsequente Ausschöpfung sämtlicher Kosten- und Leistungsreserven innerhalb und außerhalb des eigenen Unternehmens. Auf der Suche nach Wettbewerbsvorteilen stellt sich immer wieder die Make-or-buy-Frage, sowohl im klassischen Teile- und Komponentengeschäft als auch im Bereich intelligenter High-Value-Serviceleistungen. Kunden fordern von ihren Maschinen-/Anlagen-Lieferanten Full-Service-Pakete, bestehend aus Produkten und begleitenden Dienstleistungen, die sie modular und nahtlos mit der eigenen Wertschöpfung kombinieren können. Hiermit geht eine mitunter erhebliche Verlagerung des unternehmerischen Risikos vom Abnehmer auf dessen Lieferanten einher. Insbesondere die Premiumanbieter von Maschinen und Anlagen stecken in diesem hoch kompetitiven Marktumfeld nicht selten in einem Dilemma: Einerseits sind unternehmerisches Selbstverständnis und Marktpositionierung auf das Spitzensegment ausgerichtet, andererseits werden Vertragsverhandlungen abnehmerseitig oft preisgetrieben geführt. Diese für mittelständische Unternehmen potenziell Existenz gefährdende Situation („Stuck-in-the-middle“, vgl. Abbildung 1.1), gleichzeitig Kosten- und Nutzenführer sein zu wollen bzw. müssen, führt insbesondere in nachfrageschwachen Zeiten regelmäßig zum Shake-out von Marktteilnehmern. Eine Nutzenargumentation, die bei Premiumanbietern höhere Verkaufspreise rechtfertigen würde, lässt sich vielfach aufgrund fehlender Informationen nur qualitativ führen und erhält damit den Charakter einer „Glaubenswissenschaft“.
Wettbewerbsvorteile durch Lebenszykluskostenoptimierung
Nutzenführer
„Stuck-in-themiddle“
Kostenführer
17
Individuelle Problemlösung, Preispremium
Individuelle Leistung, hoher Preisdruck
Standardisierte Leistung, konkurrenzfähiger Preis
Abbildung 1.1: Strategisches Risiko: Stuck-in-the-middle Vor diesem Hintergrund entwickeln sowohl Hersteller als auch Abnehmer von Maschinen und Anlagen Total-Cost-of-Ownership (TCO) bzw. Life-Cycle-Costs (LCC) Konzepte, welche Investitionsentscheidungen unter Beachtung von Gesamtlebenszykluskosten und -leistungen möglich machen. Mit TCO können unterschiedliche Prozess- und Investitionsalternativen miteinander verglichen werden mit dem Ziel, die insgesamt beste Lösung zu finden. Abnehmerseitig lassen sich Kosteneinsparungen in der Instandhaltung, Verbesserungen in der Prozesssicherheit und damit in der Qualität und kontinuierliche Prozessoptimierungen in der Produktion erreichen. Herstellerseitig bietet TCO die Möglichkeit, nachhaltige Wettbewerbsvorteile gegenüber Low-Cost-Anbietern zu generieren.
2.
Intelligente Serviceleistungen: Nutzen für Abnehmer und Anbieter
Als Reaktion auf die Forderung nach erhöhter Kundenorientierung haben viele produzierende Unternehmen in den letzten Jahren Maßnahmen zur Individualisierung ihres Produktspektrums umgesetzt. Während jedoch die Umsätze hierdurch gestützt werden, gelingt es vielfach nicht, gleichzeitig auch die Ergebnissituation nachhaltig zu verbessern. Im Wesentlichen ist dies darin begründet, dass eine Differenzierung über Produkte zu hoher Varianz bzw. Teilevielfalt und damit letzten Endes zu einer ungünstigen Kostenstruktur führt. Die klassische Zuschlagskalkulation unterstützt dabei ungewollt die Quersubventionierung von Exoten durch die Standardprodukte. Die Schere zwischen einer überproportional wachsenden Variantenvielfalt und ständig sinkenden Stückzahlen wird auf Kosten der Prozesseffizienz immer
18
Stefan Schweiger
größer, es kommt zu einer Negativ-Spirale der Variantenvielfalt. Strategisch endet dieser Ansatz zur Differenzierung in einer Nischenpolitik, mitunter auch in einer Sackgasse. Ein oftmals mehr Erfolg versprechender Differenzierungsansatz liegt im Service. Getreu dem Motto „Nach dem Verkauf ist vor dem Verkauf“ lohnt sich eine Betrachtung der Wechselgründe von Maschinen- und Anlagenbau-Kunden. Hierbei zeigt sich, dass der vertriebsseitig oft angeführte Grund für einen Auftragsverlust – nämlich ein zu hoher Produktpreis – im Investitionsgüterbereich vielfach von untergeordneter Bedeutung ist.
3 Hauptgründe für einen Lieferantenwechsel aus Abnehmersicht
50% 35% 15%
Unzufriedenheit mit dem Service während der gesamten Produkt-Nutzungsdauer
Technisch besseres Produkt verfügbar
Billigeres Produkt vorhanden
Quelle: Impuls Management Consulting (Basis: 200 Maschinenbau-Kunden) Abbildung 1.2: Gründe für Kundenverlust im Maschinen- und Anlagenbau. Entscheidender – zumindest im Falle eines Folgekaufs – ist in der Mehrzahl der Fälle die Zufriedenheit mit dem Service entlang des gesamten Lebenszyklus. Diese Erkenntnis ist eigentlich nicht verwunderlich, sind es doch die Nutzenpotenziale industrieller Dienstleistungen, die im Wertschöpfungsprozess des Maschinenbetreibers einen deutlichen Mehrnutzen schaffen können (vgl. Abbildung 1.3). Die Instandhalter des Kunden werden dann zum „besten Verkäufer“ des Investitionsgüteranbieters.
Nutzen, Leistung
Wettbewerbsvorteile durch Lebenszykluskostenoptimierung
Investition
Inbetriebnahme, Anlauf
19
Betrieb
Zubehör Teleservice
Verwertung
Softwareupdates Technologieupdates
Betrieb ET-Versorgung
Finanzierung
Umbau, Modernisierung
Wartung Engineering, Projektmanagement
Inspektion Montage, IBN
Reinigung Produktionsbegleitung
Schulung
Consulting
Gebrauchtmaschinenverkauf
Produktionsoptimierung Zeit Verlauf ohne Dienstleistungen Verlauf mit Dienstleistungen Verlauf mit Dienstleistungen inkl. Anpassung an technologischen Fortschritt
Abbildung 1.3: Service optimiert den Produktnutzen im gesamten Lebenszyklus Viele Hersteller von Maschinen und Anlagen sind jedoch in ihrem Geschäftsverhalten eher technologie- bzw. produktgetrieben. Während in die Entwicklung neuer Maschinen regelmäßig nennenswerte Beträge investiert werden, erfolgt die Entwicklung von Dienstleistungspaketen eher reaktiv, zufallsgetrieben und tendenziell zu spät. Das Potenzial des in der Regel margenstarken Servicegeschäfts wird somit nur unzureichend ausgeschöpft.
„Zu welchem Zeitpunkt beginnen Sie mit der Planung bzw. Entwicklung von Produkt begleitenden Dienstleistungen für ein neues Primärprodukt?“
immer
häufig
gelegentlich
67%
27%
11 %
l rfo
20%
selten
40%
nie
29%
45%
ick tw n E
Parallel zur Produktentwicklung
Quelle: Expertenbefragung 2007 Abbildung 1.4: Dienstleistungsentwicklung
ge lun
g
ät“ sp „ t
22%
11 %
18%
9%
Mit dem Start des Produktverkaufs
Während der Produktnutzungsphase
20
2.1
Stefan Schweiger
Nutzen für Abnehmer
Zur Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit wird in zahlreichen Firmen Outsourcing als Option zur Eigendurchführung geprüft. Dieser grundsätzlich umfassend zu interpretierende Begriff bezieht sich dabei sowohl auf Einzelteile, Komponenten, Systeme oder komplette Produkte – wie beispielsweise im Falle von Nischenmodellen in der Automobilindustrie – als auch auf diverse Prozesse oder Funktionen wie industrielle Dienstleistungen.
Produkt-Portfolio
Lieferant
Einzelteile, Komponenten, Systeme
Kunde
Prozesse bzw. Funktionen
Abbildung 1.5: Outsourcing-Optionen Die dahinter stehende Business-Logik beinhaltet im Wesentlichen folgende Aspekte: Senkung und Variabilisierung von Kosten, Verlagerung des unternehmerischen Risikos auf Zulieferer, Fokussierung auf Kernaktivitäten, Nutzung des Know-hows von Zulieferern sowie Nutzung externer Kapazitäten. Das Risiko der Abhängigkeit wird dabei regelmäßig im Störfall deutlich. So kostet die Nichtverfügbarkeit von Produktionsmitteln im günstigsten Fall einige hundert Euro pro Stunde, im Falle verketteter Just-in-Sequence-Prozesse mit hoher Wertschöpfungsleistung und geringen Pufferbeständen mitunter auch mehrere Millionen Euro. Hieraus wird unmittelbar der erhebliche Nutzen professioneller Serviceleistungen ersichtlich: Schnelle weltweite Ersatzteilversorgung, kompetentes Notfallmanagement und eine Hotline, die bei Bedarf auch tatsächlich verfügbar ist, werden zum Wettbewerbsfaktor sowohl für den Nutzer wie auch den Anbieter von Investitionsgütern. Zeit ist Geld und der nächste Hubschrauberlandeplatz hoffentlich nicht weit entfernt.
Wettbewerbsvorteile durch Lebenszykluskostenoptimierung
2.2
21
Nutzen für Anbieter
Im Servicegeschäft gibt es über Jahre bzw. Jahrzehnte regelmäßige Kundenkontakte („Moments-of-truth“), in denen Kundenzufriedenheit und -vertrauen aufgebaut oder aber verspielt werden können. Es trägt somit große Verantwortung bei der Steigerung von Kundenzufriedenheit und -bindung. Eine positive Positionierung im Wettbewerb sowie die Steigerung der kundenseitigen Preisbereitschaft führen zu „moderaten Mehrumsätzen bei überwiegend attraktiven Margen“. Insgesamt unterstützt der Service die zentralen Unternehmensziele des Anbieters.
„Welche Bedeutung hat die Erreichung folgender Ziele im Rahmen Ihrer Servicestrategie?“ Steigerung der Kundenzufriedenheit Steigerung der Kundenbindung Vorteile gegenüber Wettbewerbern Gewinnsteigerung Sicherstellung des Produktnutzens Umsatzsteigerung Steigerung der Preisbereitschaft Differenzierung des Leistungsangebotes Kostensenkung Verbesserung des Unternehmensimage Neukundengewinnung Informationsversorgung der Kunden Auslastungssteigerung keine Bedeutung
hohe Bedeutung
Quelle: Expertenbefragung 2007 Abbildung 1.6: Service unterstützt die zentralen Unternehmensziele Wichtig ist dabei, dass das Dienstleistungsangebot zum Primärprodukt passt und auf dessen spezifische Eigenschaften abgestimmt ist: Bei Produkten mit hoher finanzieller Mittelbindung können beispielsweise Leistungen wie Leasing, Finanzierung oder Versicherung positioniert werden. Auf einen produkt- bzw. technologiebedingt hohen Wartungs- und Reparaturbedarf kann der Anbieter mit einem professionellen technischen Kundendienst reagieren. Sofern das Primärprodukt bei dessen Entsorgung oder Wiederverkauf Probleme bereitet, kann eine Rücknahmegarantie die Kaufhürde verringern. Bei technisch komplexen Produkten kann eine 24-Stunden-Hotline zweckmäßig sein.
22
3.
Stefan Schweiger
Lebenszykluskostenoptimierung: Paradigmenwechsel in der Geschäftsbeziehung
Vor dem Hintergrund der skizzierten Zunahme der Relevanz des Service sowie der Erkenntnis, dass die Folgekosten von Investitionsentscheidungen oft nennenswert, nach einigen Jahren mitunter sogar höher sind als der Kaufpreis, gewinnt LCC/TCO für Maschinen und Anlagen weiterhin an Bedeutung.
„Existiert in Ihrem Servicegeschäft die kundenseitige Nachfrage nach Total-Cost-of-Ownership (TCO) bzw. Lebenszyklus-Kosten (LCC) Verträgen? Wie groß wird die kundenseitige Nachfrage nach TCO/LCC in den nächsten zwei bis drei Jahren sein?“ sehr starke Nachfrage
keine Nachfrage
heute
zukünftig
„Bieten Sie Ihren Kunden heute/zukünftig TCO/LCC an?“
nie
heute
gelegentlich
häufig
immer
zukünftig
Quelle: Expertenbefragung 2007 Abbildung 1.7: Zunehmende Bedeutung von LCC/TCO Nachdem sich beispielsweise Automobilkunden für Gesamtkosten pro Kilometer interessieren und Mietverträge für Fotokopierer nur bei Kenntnis der Lebenszykluskosten unternehmerisch zu rechtfertigen sind, stellt sich die Frage, warum LCC/TCO-Konzepte für Maschinen bzw. Anlagen nicht schon längst gängige Praxis sind. Hierfür lassen sich zahlreiche Begründungen anführen: Investitionsentscheidungen sind in der Regel einkaufsgetrieben und damit oft anschaffungspreisfokussiert. Die Instandhaltung hat in vielen Fällen nur beratende Funktion. In einigen Unternehmen, die zwischenzeitlich LCC/TCO-Richtlinien umgesetzt haben, ist sogar eine Rückwärtsbewegung – weg von LCC/TCO zurück zur Anschaffungspreisfokussierung – festzustellen. Diese Bewegung hat ihren Ursprung dann oftmals in einer internen Machtverschiebung zugunsten des Einkaufs.
Wettbewerbsvorteile durch Lebenszykluskostenoptimierung
23
Aufgrund der oft vorherrschenden Misstrauenskultur besteht das Bestreben, sämtliche Eventualitäten vertraglich regeln zu wollen – ein aufgrund der Komplexität des Themas zum Scheitern verurteilter Ansatz. Die Folgekosten sind für den Hersteller oftmals schwer abschätzbar, Betriebsdaten des Kunden werden von diesem nicht zur Verfügung gestellt. Die späteren Einsatzbedingungen über den gesamten Lebenszyklus sind für den Hersteller intransparent. Die tatsächlichen Belastungen haben jedoch erheblichen Einfluss auf das Ausfallverhalten. Die Nachweisbarkeit von fahrlässigem Verhalten bzw. Bedienfehlern ist schwierig. Über die Frage, ob es sich im Störfall um Maschinen-, Bediener- oder Instandhaltungsfehler handelt, lässt sich beliebig lange und ebenso erfolglos diskutieren. Falsche Kalkulationsgrundlagen bzw. unzutreffende Abschätzungen können die überwiegend mittelständischen Anbieter wirtschaftlich existenziell gefährden. Die Preisentwicklung für Löhne und Ersatzteile ist schwer kalkulierbar. Aufgrund des hohen Zukaufanteils bei Maschinen bzw. Anlagen ist die Qualität der Zulieferungen zwar relevant, jedoch nur mühsam absicherbar.
Lebenszykluskosten
Wahrscheinlichkeit des Auftretens eines Instandhaltungs- bzw. Ersatzteil-Bedarfes
Wegen der statistischen Streuung von Instandhaltungs- und Ersatzteilbedarfen sind Prognosewerte zwar theoretisch zutreffend, praktisch jedoch nur zufällig auch tatsächlich einhaltbar.
Ø-Kosten
Ist-Kosten
Nutzungszeit
Nutzungszeit
Abbildung 1.8: Streuung von LCC/TCO-Werten Trotz dieser und weiterer Probleme bzw. Klärungsbedarfe sind sich Experten weitgehend einig: Der Paradigmenwechsel wird kommen, getrieben insbesondere von großen Automobilherstellern und -zulieferern.
24
Stefan Schweiger
3.1
Paradigmenwechsel beim Maschinen-/ Anlagennutzer
Die Forderungen der Kunden nach individuellen Produkten bei verkürzten Lieferzeiten und maximaler Termintreue stellen hohe Anforderungen an Produktionsprozesse. Gleichzeitig müssen die interne Auslastung aus Kostengründen möglichst hoch und der Ressourceneinsatz optimal sein, bei zunehmenden Anforderungen an die Flexibilität. Um die Marktforderungen zu erfüllen, werden Produktionsprozesse immer komplexer. Die Vernetzung der Supply Chain nimmt beständig zu. Mit steigender Komplexität der Prozesse wächst allerdings auch deren Fehleranfälligkeit. Neben den reinen Stillstandskosten sind im Falle einer instabilen Wertschöpfung insbesondere die Kosten und Qualitätsprobleme des Wiederanlaufs gravierende Nachteile. Fehler oder Stillstände der wertschöpfenden Prozesse müssen daher konsequent vermieden werden. Ein umfassend verstandener LCC/TCO-Ansatz für Investitionsgüter bietet in diesem Kontext die Möglichkeit, Produktionskonzepte hinsichtlich deren Gesamtkosten und Zuverlässigkeit im Anlagenlebenszyklus zu bewerten. LCC/TCO leistet daher einen Beitrag zum aktiven Kostenmanagement in der Produktion. Grundsätzlich ist festzustellen, dass die Anschaffungskosten von Investitionsgütern traditionell eines der zentralen Auswahlkriterien im Beschaffungsprozess sind. Sie tragen allerdings oft nur mit 10 - 50 Prozent zu den gesamten Lebenszykluskosten bei. Bei Pumpen beträgt der Einkaufspreis oftmals sogar nur fünf Prozent der Lebenszykluskosten, die Energiekosten sind mit über 60 Prozent Kostenanteil demgegenüber von erheblich höherer Relevanz. Anschaffungspreise sind daher im unternehmensinternen Zielsystem gegenüber einer Gesamtkostenperspektive oft übergewichtet, was einer klassischen unternehmerischen Fehlsteuerung gleichkommt. Mittlerweile rückt jedoch zunehmend ins Bewusstsein, dass sich Investitionsgüter mitunter erheblich in ihren Folgekosten unterscheiden. Eine herkömmliche Investitionsplanung und -entscheidung betrachtet daher oft nur die Spitze des Kosteneisbergs. Eine Reihe der relevanten Kostenpositionen wird bei dieser Betrachtung selektiv ausgeblendet, was zu signifikant falschen Entscheidungen führen kann. Im Spannungsfeld von Investitionskosten, Zuverlässigkeit, Verfügbarkeit und Lebensdauer fordern Kunden der Investitionsgüterindustrie daher immer häufiger belastbare Aussagen zu Folgekosten und Qualitäts- bzw. Zuverlässigkeitskriterien für Maschinen und Anlagen. Sie tun dies nicht zuletzt deshalb, weil die Beeinflussbarkeit der Gesamt-Lebenszykluskosten in der Planungs- und Anschaffungsphase besonders hoch ist. Lediglich in späteren Umbauphasen ergeben sich weitere nennenswerte Möglichkeiten zur Prozesskostenbeeinflussung im Maschinen-/Anlagenlebenszyklus.
Wettbewerbsvorteile durch Lebenszykluskostenoptimierung
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Gegenwärtig gibt es Produktionsunternehmen, die wie die Daimler AG eigene LCC/TCOModelle am Markt positionieren und bei Überschreitung definierter Bestellvolumina – im Falle von Daimler 200 TEUR – obligatorisch zur Anwendung bringen. Es ist damit zu rechnen, dass andere Automobilhersteller und -zulieferer nachziehen werden. Der LCC/TCO-Ansatz berücksichtigt alle relevanten Kosten, die mit der Beschaffung und der Verwendung eines Investitionsgutes verbunden sind. Er stellt eine Anwendung der Lebenszyklusbetrachtung auf Beschaffungsentscheidungen dar und wird insbesondere bei kapitalintensiven, langfristig zu nutzenden Gütern mit hohen Kosten in der Betriebsphase angewendet. Beim Aufbau eines unternehmensindividuellen LCC/TCO-Systems ist es erforderlich, ein dem jeweiligen Anwendungsfall angepasstes System zu entwickeln, welches die produktund firmenspezifischen Anforderungen berücksichtigt. Dabei gilt normalerweise die 80:20-Regel, d. h., eine Abbildung sämtlicher Lebenszykluskosten ist erfahrungsgemäß aufgrund der hohen Komplexität sowie des überproportional ansteigenden Erhebungsaufwandes unzweckmäßig. Eine fundierte Investitionsentscheidung setzt lediglich die Kenntnis bzw. geeignete Abschätzung der relevanten Kostenpositionen voraus. Die Vorteile von LCC/TCO spiegeln sich für den Maschinen-/Anlagennutzer in der Verbesserung zahlreicher Wertschöpfungs-Kennzahlen wider. Beispielhaft lassen sich Prozessqualität (Mean-Time-Between-Failures MTBF, Mean-Time-To-Repair MTTR), Prozesszeiten (Stillstandshäufigkeit und -zeit), Prozesszuverlässigkeit (Liefertermineinhaltung), Kosten (Instandhaltung, Qualität) sowie Produktqualität (Ausschuss, Fehlerrate) anführen.
3.2
Paradigmenwechsel auf Anbieterseite
In der Vergangenheit waren die Spielregeln für unternehmerischen Erfolg vergleichsweise stabil. Die Präsenz auf einem Wachstumsmarkt brachte Umsatzwachstum, ein hervorragendes Produkt schuf Wettbewerbsbarrieren und ein hoher Marktanteil sicherte Kostenvorteile. Heute gelten diese Regeln für die Unternehmen des Maschinen- und Anlagenbaus nicht mehr.
26
Stefan Schweiger
Abbildung 1.9: Spielregeln für unternehmerischen Erfolg Unternehmerischer Erfolg setzt eine konsequente Fokussierung auf Profitabilität, Problemlösungen und Kundennutzen voraus – Ziele, die in der Regel der Service in besonderem Masse erfüllt. Empirische Untersuchungen belegen jedoch, dass viele Maschinen-/Anlagenbauer die mit einem umfassenden produktbegleitenden Dienstleistungsangebot verbundenen Kundenbindungs-, Umsatz- und Ergebnispotenziale nur unzureichend ausschöpfen. Diejenigen Unternehmen, die in puncto Service Benchmarks setzten wollen, entwickeln ihren Service daher von einer reaktiven Problembeseitigungsinstanz zu einem proaktiven Generator von kundenspezifischen Lösungen.
Wettbewerbsvorteile durch Lebenszykluskostenoptimierung
Wertschöpfung
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Angebot • Lösungen, FullService • Kapital • Betreibermodelle • LCC/TCO („Gut-Teile pro Stunde“)
Angebot • Maschinen/Anlagen • Ersatzteile
Leistungsparameter • Lebenszykluskosten und -leistung • Verfügbarkeit
Leistungsparameter • Preis • Lieferzeit
reaktiv
proaktiv/ interaktiv
„Profit mit Kundenproblem“
„Profit mit Kundenerfolg“
Abbildung 1.10: Paradigmenwechsel im Service Vor diesem Hintergrund sowie auf Basis der bereits geschilderten Kundenforderungen rücken LCC/TCO-Konzepte in den Fokus vieler Maschinen-/Anlagenanbieter. Für sie bietet sich die Möglichkeit, auf Basis des quantifizierten Nutzens ihrer Produkte höhere Preise zu realisieren. Darüber hinaus lassen sich im Zuge von LCC/TCO-Vereinbarungen zusätzliche Serviceleistungen wie Ersatzteillieferungen und Serviceverträge platzieren. Die Chance, auf zukünftige Kosten Einfluss zu nehmen, spielt bei Neubeschaffungen von Maschinen und Anlagen sowohl für den Anbieter als auch für den Nutzer eine wichtige Rolle. Ein besonderes Augenmerk liegt dabei auf Verfügbarkeit und Prozessstabilität. LCC/TCO ist in der Startphase für den Anbieter oft mit hohem Aufwand verbunden. Idealerweise ergibt sich jedoch für Premiumhersteller im Investitionsgütersektor eine quantitative Argumentationshilfe bei Aufbau und Pflege einer Kundenbeziehung. Die konsequente Umsetzung von LCC/TCO bedeutet für die Konstruktion oft einen Paradigmenwechsel: „Am Anfang teurer, insgesamt kostengünstiger“. Dies betrifft z. B. die Dimensionierung/Auslegung von Komponenten, die Verwendung von in der Anschaffung teureren Komponenten, die Betrachtung von Gesamtlebenszykluskosten oder die Zugänglichkeit/ Austauschbarkeit von Bauteilen. Als Beispiel lassen sich Linearführungen von Werkzeugma-
28
Stefan Schweiger
schinen anführen. Die klassische herstellkostenfokussierte Wertanalyse hat praktisch bei allen Anbietern weltweit zu Konzepten geführt, die zwar niedrige Entstehungskosten und damit Verkaufspreise ermöglichen, unter dem Aspekt der Folgekosten jedoch insgesamt deutlich ungünstiger sind im Vergleich zu robusteren, in der Anschaffung teureren Führungen. Über LCC/TCO lassen sich demgegenüber auch Mehrkosten in der Anschaffung rechtfertigen, sofern sie sich im Betrieb innerhalb nützlicher Frist amortisieren. Soll in einem Unternehmen der Investitionsgüterindustrie der LCC/TCO-Ansatz zur Anwendung kommen, stellt sich oft heraus, dass einige der für einen LCC/TCO-Vertrag erforderlichen Kostendaten bereits im Unternehmen vorhanden sind. Sie müssen jedoch vielfach noch strukturiert und systematisiert werden. Daten aus dem Maschinenbetrieb beim Kunden sowie Erlös- bzw. Nutzendaten liegen oftmals nicht bzw. unvollständig vor.
4.
Aufwand und Nutzen von LCC/TCO
Die Fokussierung auf die Gesamt-Lebenszykluskosten führt für Hersteller und Abnehmer von Investitionsgütern einerseits zu Aufwand- und Nutzenpositionen, andererseits auch zu Chancen und Risiken. Für den Abnehmer reduziert sich das Risiko kostspieliger Fehlentscheidungen im Rahmen von Investitionsvorhaben. Oft zeigt sich, dass die Kosten in der Nutzungsphase diejenigen der Anfangs-Investition in einer Mehrjahresbetrachtung durchaus bereits nach wenigen Jahren übersteigen können. Über eine LCC/TCO-Betrachtung können somit einerseits Gesamtkosten besser verglichen und geplant werden, andererseits lassen sich Kosten reduzieren und durch Outsourcing von Instandhaltungsleistungen variabilisieren. Ein weiterer Effekt besteht darin, dass die Anlagenverfügbarkeit und damit die Produktivität durch LCC/TCO steigen. Hieraus resultieren geringere Stillstandszeiten und -kosten und – was mitunter noch gravierender ist – geringere Qualitäts- und Zeitverluste sowie Kosten in der Wiederanlaufphase nach einem Anlagenstillstand. Über die Datentransparenz ist es sowohl dem Anlagennutzer als auch dem -anbieter möglich, einen kontinuierlichen Verbesserungsprozess zu betreiben, der nicht im Sinne der klassischen Wertanalyse auf geringe Investitionskosten bzw. Anlagenverkaufspreise fokussiert ist sondern den Gesamtprozess betrachtet. Somit können in der Anschaffung zunächst teurere, im laufenden Betrieb jedoch störungsärmere, robustere und damit kostengünstigere Lösungen identifiziert und ausgewählt werden. Dem Nutzen von LCC/TCO steht sowohl einmaliger Initialisierungs- als auch laufender Pflegeaufwand gegenüber. So muss der Anlagennutzer Betriebsdatentransparenz schaffen und verdichtete sowie detaillierte Controllingdaten auswerten und an den Lieferanten weiterleiten. Hierzu muss ein geeignetes Berichtssystem aufgebaut werden.
Wettbewerbsvorteile durch Lebenszykluskostenoptimierung
29
Wesentliche Chancen und Risiken bzw. Aufwand und Nutzen von LCC/TCO aus Anbieterund Nutzersicht sind in der Abbildung 1.11 dargestellt.
+
-
Marketinginstrument; Preisoptimierung
Erhebliches Risiko, wenn erforderliche Informationen (über Zuverlässigkeit, Instandhaltbarkeit, …) fehlen
Argumentationshilfe beim Neumaschinen- und Dienstleistungsverkauf (Kostentransparenz) Kontinuierlicher Dialog mit Abnehmer
Anbieter
Differenzierung im Wettbewerb Kundenbindung Erfüllung einer Grundbedingung Grundlage für KVP, Identifizierung und Erschließung von Potenzialen hinsichtlich Kosten-Nutzen-Optimierung
Keine Einflussmöglichkeit auf Betrieb Offenlegung wettbewerbssensitiver Daten Mehraufwand bei Datenerfassung und -auswertung Einseitige Nutzenverteilung (Malus, jedoch kein Bonus) …
Aufdeckung tatsächlicher Kostentreiber; Generierung von Erwartungswerten für Garantie- und Serviceleistungen
Nutzer
… Verbesserung der Investitionsentscheidung; Vermeidung kostspieliger Fehlentscheidungen
Hersteller erhält Dateneinsicht
Bessere Vergleichbarkeit und Prognostizierbarkeit/Planbarkeit von Gesamtkosten
Mehraufwand bei Datenerfassung und -auswertung
Erhöhung der Anlagenverfügbarkeit/ Produktivität und Prozessstabilität, geringere Stillstandszeiten, längere Serviceintervalle
Geschwächte Position bei Neuinvestitionen
Know-how-Verlust Abhängigkeit vom Lieferanten …
Kostenreduzierung und -variabilisierung Grundlage für KVP …
Abbildung 1.11: LCC/TCO-Konzepte aus Anbieter- und Nutzersicht
30
5.
Stefan Schweiger
Umsetzung von LCC/TCO
Die Umsetzung einer tragfähigen LCC/TCO-Lösung erfordert grundsätzlich einen langen Atem. Quick-Wins sind eher unwahrscheinlich, im ungünstigsten Fall aufgrund des langfristigen Kosten- bzw. Ergebnishebels sogar potenziell Existenz gefährdend. Idealerweise erfolgt die Ausgestaltung und schrittweise Verfeinerung des Konzeptes in enger und vertrauensvoller Zusammenarbeit zwischen Anbieter und Abnehmer. Ein bereits bestehendes, langfristiges Kunde-Lieferanten-Verhältnis bietet hierzu in der Regel eine zweckmäßige Ausgangsbasis. Auf dieser Grundlage können im Rahmen eines Pilotprojektes Erfahrungswerte gesammelt und ein Regelwerk erarbeitet werden. Erst danach erscheint ein flächendeckender Roll-Out mit aktiver Vermarktung von LCC/TCO sinnvoll. Grundsätzlich bestehen die beiden Ausprägungsformen „Vertrag“ und „Abkommen“ bzw. diesen entsprechende Ausprägungen mit ähnlichen Bezeichnungen. Eine bindende vertragliche Fixierung wird insbesondere aus Anbietersicht eher skeptisch gesehen. So bedingen im Falle von vertraglichen Garantiezusagen seitens des Herstellers – z. B. hinsichtlich Austauschintervallen und -dauer oder Kosten im Lebenszyklus – für diesen auch gleichzeitig die Beweislast, beispielsweise von unsachgemäßem Gebrauch durch den Nutzer. Harte vertragliche Regelungen neigen dazu, dass Risiko des Betreibers weitgehend auf den Hersteller zu übertragen. In der Konsequenz droht eine Kultur des Misstrauens, die eine partnerschaftliche Zusammenarbeit erschwert oder gänzlich verunmöglicht. Ein offener Informationsaustausch, der eine wesentliche Voraussetzung beispielsweise für den Kontinuierlichen Verbesserungsprozess (KVP) auf Anbieter- und Abnehmerseite darstellt, ist auf dieser Basis wenig wahrscheinlich. Insbesondere vom Anbieter werden daher eher Partnerschaftsabkommen oder Absichtserklärungen angestrebt. Der Produktverkauf und die nachfolgende Zusammenarbeit können damit als separate Vorgänge dargestellt werden. Auch eine derartige, auf den ersten Blick eher weiche, Form der Zusammenarbeit beinhaltet einen klaren Marktmechanismus: Werden Anbieterzusagen nicht eingehalten bzw. Kundenerwartungen nicht erfüllt, wird der Lieferant abnehmerseitig auf „Abbau“ gesetzt, sofern es aus dessen Sicht Alternativen gibt. Im Rahmen eines Partnerschaftsabkommens bzw. einer Absichtserklärung besteht ein nicht unerheblicher Regelungsbedarf, der in Abbildung 1.12 auszugsweise dargestellt ist. Welche Zielsetzungen werden mit TCO/LCC angestrebt? Wie wird der KVP auf beiden Seiten sichergestellt? Welche Management- und Controllinginstrumente (Reporting, Lieferantengespräche, …) kommen zum Einsatz? Welche Eskalationsszenarien gelten bei Nichterfüllung? Ist das Abkommen auf andere Gegenstände erweiterbar?
Wettbewerbsvorteile durch Lebenszykluskostenoptimierung
31
Welches sind die Kosten treibenden Größen? Welche werden vernachlässigt? Welches sind die kritischen bzw. Risiko-Komponenten? Welche Kenngrößen/Parameter sollen erhoben werden? Wie werden Datenverdichtung und -austausch geregelt und IT-technisch umgesetzt? Gibt es eine ERP-Schnittstelle? Wie sollen bzw. können Sublieferanten eingebunden werden? Gibt es ein Bonus-Malus-System? Wie soll dieses ausgestaltet werden? Über welchen Zeitraum soll das Abkommen gelten? Unter welchen Umständen kann die Zusammenarbeit früher beendet werden? Welche Nutzungsbedingungen werden zugrunde gelegt? Wie werden nachträgliche Änderungen berücksichtigt? Wie werden zukünftige Preisentwicklungen berücksichtigt? Wie wird die Qualifikation der Kundenmitarbeiter (Maschinenbediener, Programmierer, Instandhalter) sichergestellt? Wer ist zur Durchführung von Instandhaltungsarbeiten berechtigt? Welche Ersatzteilbezugsquellen sind zulässig? Welche Eckwerte gelten für die Verfügbarkeit? Gibt es einen Servicevertrag? Welche Bestandteile beinhaltet dieser?
Wie wird die Maschinenhistorie (Belastungen, Instandhaltungsmaßnahmen etc.) dokumentiert?
Abbildung 1.12: Regelungsbedarf im Anbieter-Nutzer-Verhältnis Die gemeinsame Zielsetzung sollte darin bestehen, Lebenszykluskosten zu minimieren und insbesondere auch ungeplante Nichtverfügbarkeit durch eine vertrauensvolle Zusammenarbeit möglichst zu verhindern, zumindest aber zu reduzieren. Die Vereinbarungen sollten erweiterbar und – aus Gründen der Komplexitätsbegrenzung – möglichst einfach aufgebaut sein sowie ein IT-gestütztes Management Controlling ermöglichen. Dies setzt beiderseitige Transparenz voraus. In regelmäßigen Lieferantengesprächen sollten gemeinsam Schwachstellen analysiert und Optimierungsmaßnahmen erarbeitet werden. Die Konzeption und Umsetzung von LCC/TCO gestaltet sich erfahrungsgemäß firmen- und produktindividuell unterschiedlich. Abbildung 1.13 gibt einen Überblick über wesentliche Handlungsfelder, die es bei der Realisierung von LCC/TCO zu bearbeiten gilt.
32
Stefan Schweiger
Entwicklung einer TCO-Gesamtkonzeption (Masterplan) Ermittlung der Anforderungen Analyse Wettbewerbsumfeld Erstellung Stärken-Schwächen-Profil und Ableitung von Handlungsbedarf Identifikation, Auswertung und Konsolidierung relevanter Datenquellen - Felddaten des Anbieters (z. B. BDE, Servicedaten) - Felddaten des Nutzers (Maschinentagebücher, Fehlerprotokolle, …) - FMEA-Daten - Lebensdauerberechnungen - Komponentenhersteller-Angaben - Prüfstanddaten - … Ganzheitliche Abbildung der Maschinen mittels Maschinenstammbaum Ermittlung wesentlicher Kostentreiber Durchführung Risikoanalyse Konzeption und Implementierung TCO-Managementsystem, Controlling Klärung der Auswirkungen auf andere Unternehmensbereiche Definition von TCO-Vorgaben, z. B. hinsichtlich - Zeitnahem Vorliegen von Kundendaten aus der Anwendung - Originärem Leistungsumfang der Maschine vs. Nachrüstung - Legitimation zum Austausch von Teilen - Verwendung von Original-Ersatzteilen/-Service - Generierung standardisierter Berichte - Ausgeglichener Bonus-Malus-Regelung - Klärung der rechtlichen Auswirkungen … Klärung der Anforderungen an die IT-Unterstützung Erstellung eines (möglichst einfachen) Berechnungstools, welches die firmenspezifischen Belange optimal abbildet Abstimmung von Maßnahmen zur Umsetzung Einleitung eines kontinuierlichen Verbesserungsprozesses
Abbildung 1.13: Handlungsfelder zur Einführung von TCO
Wettbewerbsvorteile durch Lebenszykluskostenoptimierung
6.
33
Ausblick
Gegenwärtig verhalten sich Investitionsgüterhersteller eher reaktiv und tun vielfach noch zu wenig, um die Lebenszyklusvorteile Ihrer Produkte aktiv zu vermarkten und dem Kunden quantitativ zu belegen, obwohl gerade hierin ein zentrales Differenzierungskriterium am ansonsten eher anschaffungspreisfokussierten Markt liegt. Expertenbefragungen bestätigen jedoch die Prognose, dass grundsätzlich sowohl das Angebot von als auch die Nachfrage nach LCC/TCO-Verträgen zukünftig zunehmen werden. Die Veränderungsgeschwindigkeit, mit welcher dies geschehen wird, ist dabei unter anderem vom abnehmerseitigen Kräfteverhältnis zwischen Einkauf und Instandhaltung abhängig. Unterstützt wird dieser Veränderungsprozess auch dadurch, dass heutige ERP-Systeme die Ermittlung und Verarbeitung von LCC/TCO-relevanten Daten erleichtern und damit den zu betreibenden Aufwand zumindest an dieser Stelle reduzieren. Es ist zu erwarten, dass sich der beschriebene Paradigmenwechsel weg von Investitionsentscheidungen auf Basis der Anschaffungskosten hin zu einer Lebenszyklus-Prozesskostenbetrachtung in Zukunft deutlich ausweiten und bald gängige Praxis sein wird. Damit führt LCC/TCO – konsequent umgesetzt – zu einer Neudefinition der Geschäftsmodelle sowohl von Investitionsgüteranbietern als auch von deren Kunden.
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Stefan Schweiger
Literatur
ALBRECHT, V.: Ausgangslage, Hintergründe und Motivation zu TCO – TCO als Lösungsansatz, EUROFORUM-Workshop „Total-Cost-of-Ownership“, Mainz 2007 DERVISOPOULOS, M., u. a.: Life-Cycle-Costing im Maschinen- und Anlagenbau, Industrie Management 22, 2006 FLEISCHER, J., u. a.: Life-Cycle-Performance in der Produktionstechnik, VDI-Z 10, 2004 NOSKE, H.: Billig kann teuer sein! TCO im Einkauf und in der Entwicklung von Investitionsgütern, ZWF Jahrg. 102 (2007) 5 SCHWEIGER, S.: Einführung in TCO, EUROFORUM-Workshop „Total-Cost-of-Ownership“, Mainz 2007 VDMA: VDMA-Einheitsblatt 34160 „Prognosemodell für die Lebenszykluskosten von Maschinen und Anlagen“, Frankfurt am Main 2006
Lebenszykluskostenbetrachtungen bei Investitionsgütern
Lebenszykluskostenbetrachtungen bei Investitionsgütern Frank Bünting
1. Grundidee für Lebenszykluskosten 2. Abgrenzung der Begriffe TCO und LCC 3. Lebenszykluskostenmodelle 3.1 Gegenüberstellung der bestehenden Lebenszykluskostenansätze 3.2 LCC-Berechnungsmodell am Beispiel des VDMA Einheitsblattes 34160 3.3 Messbarkeit am Beispiel der VDI 2884 4. Wann macht LCC überhaupt Sinn? 5. Identifikation der relevanten Kostentreiber/branchenübliche Kostentreiber 5.1 Kostenelemente 5.2 Baugruppenmodell Literatur
35
36
1.
Frank Bünting
Grundidee für Lebenszykluskosten
Die Grundidee von Lebenszykluskosten (LCC) ist, nicht nur die unmittelbaren Kosten, die mit dem Erwerb eines Investitionsgutes zusammenhängen, sondern auch die Kosten für den Betrieb, die Wartung und die Instandhaltung zu berücksichtigen. Beispiele aus dem täglichen Leben zeigen, dass schon lange unbewusst Entscheidungen auf Basis dieser Überlegungen getroffen werden. Wie sonst könnte der Siegeszug von Diesel-Pkw erklärt werden. Die Käufer haben die Vermutung, dass der höhere Einstandspreis sich über einen geringeren Kraftstoffverbrauch und einer höheren Lebensdauer rechnet.
zunehmend
Im industriellen Umfeld gelten die gleichen Motive. Die Zielsetzung des Käufers ist es, dasjenige Investitionsgut herauszufinden, das ihm über einen definierten Zeitraum die geringsten Kosten verursacht. Der Einfluss einzelner Kostenfaktoren kann je nach Anwendung und Branche unterschiedlich sein. Das Beispiel in Abbildung 2.1 zeigt ein sehr einfaches Modell einer solchen LCC-Betrachtung. Geht man davon aus, dass die Betriebskosten – Energie, Betriebsmittel, Personal usw. – unabhängig von der Zuverlässigkeit der Maschine sind, so lautet die Optimierungsfunktion für den Kunden „Investitionskosten versus Instandhaltungskosten“. Würde man nur nach den Investitionskosten entscheiden, so käme immer nur die günstigste Maschine in Betracht. Möchte man aber die günstigsten LCC Kosten haben, so muss das Optimum zwischen den Investitionskosten und Instandhaltungskosten gefunden werden. Das Optimum liegt dann bei den niedrigsten Gesamtkosten
Gesamte Lebenszykluskosten Optimum
Kosten
Beschaffungskosten
Instandhaltungskosten Betriebskosten Zuverlässigkeit
Abbildung 2.1: Grundidee bei LCC-Betrachtungen
zunehmend
Lebenszykluskostenbetrachtungen bei Investitionsgütern
37
Voraussetzung für eine Berechnung der Lebenszykluskosten ist eine klare Definition der Aufgabenstellung, die Spezifikation der Einsatzbedingungen und eines vergleichbaren Outputs für das Investitionsgut. Das heißt, eine Vergleichbarkeit der Leistungen ist zwingend erforderlich, ansonsten werden „Äpfel mit Birnen“ verglichen. Konkret heißt dies, der Kunde muss spezifizieren, welche Teile er wie bearbeitet haben möchte, in welcher Zeit und in welcher Menge. Als Grunddaten müssen neben den technischen Spezifikationen der Betrachtungszeitraum und das Belastungsprofil (vgl. Abbildung 2.2) definiert werden. Der Betrachtungszeitraum wird normalerweise als ein Lebensabschnitt der Maschine definiert, der mit der Anschaffung beginnt und nach einer jeweils festgelegten Nutzungszeit endet. Sollen die Lebenszykluskosten über den Umbau hinaus betrachtet werden, so ist das Modell mehrfach für die jeweiligen Teilzeiträume anzuwenden. Dabei geht der Restwert aus der Betrachtung vor dem Umbau als Anschaffungskosten in die Betrachtung des Folgezeitraums ein. Das Lastkollektiv gibt an, wie stark die Maschine im Einsatz voraussichtlich belastet wird. Leider gibt es in der Praxis nur sehr wenige Belastungsprofile, die es ermöglichen würden, vergleichbare Lebenszykluskostenprognosen mit vertretbarem Aufwand zu erstellen.1
Lastkollektiv Name Lastkollektiv
Beschreibung Verteilung der Lastenarten, Volllast, Teillast oder Leerlauf der Maschine, z. B. „20% Volllast, 40% Teillast, 40% Leerlauf“.
Bemerkung Ist für jede LCCPrognose separat festzulegen.
Grunddaten Kode D1
Name Betrachtungszeitraum
D2 D3
Betriebsstunden der Maschine pro Jahr Qualitätsgrad
D4
Produktionsleistung
D5
Vorgänge pro Jahr oder Gutteile pro Jahr
Beschreibung Zeitraum der vom Kunden geplanten Nutzung Geplante Belegungszeit T nach VDI 3423 Anteil von Gutteilen an allen produzierten Produkten Durchschnittliche Anzahl von produzierten Teilen pro Stunde. Durchschnittliche Anzahl von Arbeitsvorgängen pro Jahr geplant Produzierte Gutteile pro Jahr geplant
Berechnungsformel Einheit Eingabe Jahre Eingabe
Stunden
Eingabe
%
Eingabe
Einheiten / Stunde
Eingabe
Anzahl
Quelle: VDMA Einheitsblatt 34160 Abbildung 2.2: Grunddaten und Belastungsprofil
1
In der VDV 2315 sind Belastungsprofile für unterschiedliche Einsatzgebiete bei Busflotten definiert
38
Frank Bünting
Damit allerdings die Berechnung der Basisdaten einheitlich erfolgt, sollten im Vorfeld die wesentlichen Einflussgrößen definiert werden. Hierzu wird in der Praxis die VDI 3423 verwendet, da sie alle Zeitgrößen definiert wie: Belegungszeit, Beobachtungszeit (T) Technische Ausfallzeit (TF) Ausfallzeit für Wartung und Inspektion (TM) Organisatorische Ausfallzeit (TO) Nutzungszeit, Produktionszeit (TN) Darüber hinaus werden die Zuverlässigkeitsgrößen wie: Mittlere Ausfallzeit, Mean-Time-Between-Failure (MTBF), Mittlere Reparaturzeit, Mean-Time-To-Repair (MTTR) und die technische Verfügbarkeit definiert.
2.
Abgrenzung der Begriffe TCO und LCC
Im Zusammenhang mit Lebenszykluskosten werden immer auch die Total-Cost-ofOwnership (TCO) genannt. Eine Klärung der Differenzierung der Begriffe TCO und LCC fällt in der Praxis sehr schwer, da sich auch die Fachliteratur nicht einig ist. Bereits 1987 erarbeitete die Gartner Group ihre erste Studie zur Bestimmung der Kosten eines PCArbeitsplatzes und weckte damit erhebliches Interesse.2 Dieses „Total-Cost-of-Ownership“ oder „Gesamtkosten des Eignerschaft“-Modells diente dazu, nicht nur die Anschaffungskosten eines Rechners, sondern sämtliche Kosten (wie z. B. für Software und Wartung) zu ermitteln, die durch dessen Einsatz im Laufe seiner Nutzungsdauer anfallen. Alle weiteren Ansätze für TCO-Modelle gehen in dieselbe Richtung. Die Definition der Lebenszykluskosten liest sich ähnlich: „Unter Lebenszykluskosten wird im Sinne dieses Blattes die Summe aller zum bestimmungsgemäßen Gebrauch einer geeignet ausgelegten Maschine oder Anlage erforderlichen Aufwendungen von der Anschaffung bis zur Entsorgung verstanden.“3 Dass es zwei Begriffe für dasselbe Thema gibt, mag an den unterschiedlichen Ursprüngen liegen. Der
2 3
Vgl. Wolf, K., Holm, C. (1998), S. 19 Vgl. VDMA Einheitsblatt 34160, S.2
Lebenszykluskostenbetrachtungen bei Investitionsgütern
39
TCO-Begriff kommt aus der Computerindustrie, während der LCC-Begriff eher aus der Investitionsgüterindustrie stammt. In der Fachliteratur werden die Begriffe meist synonym benutzt, jedoch gibt es auch einige Autoren, die LCC als Untermenge des TCO-Ansatzes sehen.4 Nüchtern betrachtet gibt es nur marginale Unterschiede zwischen den beiden Definitionen.
3.
Lebenszykluskostenmodelle
Um die Ergebnisse von Lebenszykluskostenberechnungen vergleichen zu können, müssen sie auf den gleichen Annahmen aber auch nach dem gleichen Verfahren ermittelt worden sein. Es gibt inzwischen einige Modelle, denen gemeinsam ist, dass sie die Gesamtkosten in „Einmal“ und „Wiederkehrende“ Kosten unterteilen. Die meisten Modelle unterteilen dabei den Lebenszyklus noch in Abschnitte wie „Anschaffung“, „Betrieb“, „Instandhaltung“ und „Verwertung“. Abbildung 2.3 zeigt die Modellstruktur des SAE-Modells.
Lebenszykluskosten Ansatz der SAE und Ford
Akquisitionskosten
Instandhaltungskosten
Betriebskosten
Beschaffungskosten
Werkzeuge
Engineering
Verbrauchsstoffe
Installation
Personalkosten
Schulung
Abfall
Umbau
Ersatzteilbevorratung
Geplante Instandhaltung
Haltbarkeit
Umbau / Demontage
Ungeplante Instandhaltung
Haltbarkeit
Vorbeugende Wartung
Fehler
Ersatzteile
Reparaturkosten
Fixe Personalkosten
Variable Personalkosten
Transport
Produktionsausfall
Quelle: SAE 4293 Abbildung 2.3: Überschrift Grundmodell der SAE
4
Vgl. Ellram, 1994
40
Frank Bünting
3.1
Gegenüberstellung der bestehenden Lebenszykluskostenansätze
Derzeit gibt es eine Reihe von unterschiedlichen Modellen zur Beschreibung und Kalkulation von LCC. In den USA sind viele auf den Militär (EDCAS)- und Gebäudebereich fokussiert. Allerdings ist der SAE ARP 42935-Ansatz für die Investitionsgüter sehr gut anwendbar. Von der europäischen Normenseite ist hier vor allem die DIN 60300-3-36 zu nennen, die ein Rahmenmodell für die LCC-Berechnung ausstellt. Daneben gibt es noch eine Reihe von Verbänden, wie zum Beispiel die VDV Mitteilung 23157, das VDMA-Einheitsblatt 341608 oder die VDI 28849. Von besonderer Bedeutung für die Investitionsgüterbranche ist der Maintenance-TCO-Ansatz von Daimler. Bei der Anwendung der Modelle müssen einige Rahmenbedingungen beachtet werden. In der Praxis hat sich herausgestellt, dass es einige Anforderung gibt, die ein Lebenszykluskostenmodell erfüllen muss, damit es tauglich für die Praxis ist: 1. Der Ansatz muss ein Berechnungsmodell enthalten, das die Grundstruktur und die Berechnungsweisen vorgibt. Weiter muss das Modell so flexibel gestaltet sein, dass es innerhalb von definierten Grenzen modifiziert oder angepasst werden kann, ohne dass das Berechnungsmodell in Frage gestellt wird. 2. Die Eingangsgrößen für das Modell müssen messbar sein, das heißt sie müssen mit quantifizierbaren Größen wie Zeit, Menge, Geld usw. beschreibbar sein. 3. Ein solches Modell sollte nicht zu komplex sein, damit man nicht den Blick für das Wesentliche verliert. 4. Die Anwendung des Modells sollte auf möglichst viele Einsatzgebiete passen. 5. Die Ausgestaltung des Modells sollte keinen der Partner weder den Kunden noch die Lieferanten übervorteilen, damit es zu einer echten gewinnbringenden Partnerschaft kommt. 6. Im Idealfall zeigt die Berechnung der Lebenszykluskosten nicht nur die Kosten, sondern auch die Optimierungspotenziale auf. 7. Im globalen Wettbewerb ist es notwendig, dass ein solches Modell auch über die Grenzen der einzelnen Länder Bestand hat. Das bedeutet auch, dass keine länderspezifischen Restriktionen enthalten sind. 5 6 7 8 9
Vgl. SAE 4293 Vgl. VDV 2315 Vgl. DIN 60300-3-3 Vgl. VDMA 34160 Vgl. VDI 2884
Lebenszykluskostenbetrachtungen bei Investitionsgütern
41
8. Das Modell sollte so aufgebaut sein, dass es ohne größere Schwierigkeit in eine ITLösung umgesetzt werden kann. Anhand der acht Kriterien sind in Abbildung 2.4 die gängigen Ansätze zur Berechnung von Lebenszykluskosten gegenübergestellt.
Modelle
VDI 2884
SAEAnsatz
VDVAnsatz
M-TCOAnsatz von Daimler
VDMA 34160
ISO 60300 3-3
EDCAS
nein
festes Modell
Festes Branchen Modell
Festes Unternehmens Modell
ja
nein
Festes Branchen Modell
Anforderungskriterien Vorkonfiguriertes und erweiterbares Modell (Spielregeln) Messbarkeit
ja
ja
ja
ja
ja
teilweise
ja
Einfachheit
ja
ja
ja
ja
ja
nein
nein
Universalität
ja
ja
nein
nein
ja
ja
nein
nein
nein
ja
teilweise
ja
nein
ja
teilweise
teilweise
teilweise
ja
ja
nein
ja
Internationale Einsatzfähigkeit
ja
ja
ja
ja
ja
ja
ja
IT-Fähigkeit
ja
ja
ja
ja
ja
ja
ja
Partnerschaftliches Modell Aufzeigen von Optimierungspotenzialen / Marketinginstrument
Abbildung 2.4: Gegenüberstellung der LCC-Berechnungsansätze Die meisten Modelle beschränken sich konsequent auf die Kostenseite, was zu einer Reduzierung des Datenaufwands führt. Sie lassen dem Anbieter jedoch die Freiheit, die Prognose der Nutzenseite selbst hinzuzufügen oder Investitionsrechnungen durchzuführen. Der Verzicht auf Finanzierungskosten in vielen Modellen kommt der Praxis entgegen. Lediglich das Modell von EDCAS berücksichtigt Finanzierungskosten über den Betrachtungszeitraum.
3.2
LCC-Berechnungsmodell am Beispiel des VDMA Einheitsblattes 34160
Der Umstand, dass es kein einheitliches Berechnungsmodell gibt, hat den VDMA dazu veranlasst, mit Hilfe eines Arbeitskreises genau ein solches generisches Modell für die Prognose von Lebenszykluskosten zu entwerfen. Hauptmotivation dabei war, einen Standard zu schaffen, der sich möglichst in der gesamten Branche durchsetzt. Ohne eine einheitliche und in der Branche akzeptierte Standardisierung würde jedes Unternehmen sein eigenes Berechnungs-
42
Frank Bünting
modell definieren, was zur Folge hätte, dass die Unternehmen am Markt mit einer Vielzahl von Berechnungsvorschriften und Verfahren konfrontiert würden. Dem Berechnungsmodell liegt ein dreistufiges Phasenkonzept für den Lebenszyklus von einer Maschine vor. In der ersten Phase, der Entstehung, werden die Kostenblöcke Anschaffung, Inbetriebnahme und notwendige Aufwendungen zur Bereitstellung der Infrastruktur als statische Kostenblöcke aufbereitet, die die Anfangsinvestition darstellen.
Entstehung
Betrieb
Verwertung
Wartung/ Inspektion Instandsetzung Ersatzteile Schulungsauf wand
Erhalt der Funktion Produktionsprozess Anschaffung
Material
Inbetriebnahme Infrastruktur
Rohstof f
Prozessparameter Produktionsleistung, MTBF, MTTR, Verf ügbarkeit, Lebenszeit, Qualitätsgrad, Betrachtungszeitraum, Betriebsstunden pro Jahr, Spezif ikation der Leistung
Produkt Verkauf Gutteile Ausschuss Abf all
Entsorgung
Nutzung Werkzeuge Raum Betriebsstof fe
Kontext
Energie Personal Lagerkosten
Lohnkosten etc.
Quelle: VDMA-Einheitsblatt 34160 Abbildung 2.5: Phasenmodell für Lebenszykluskostenbetrachtungen Die Betriebsphase betrachtet alle Aufwände, die während des Betriebes der Maschine anfallen. Dies sind zum einen Kosten für Materialien, Roh- und Hilfsstoffe, zum anderen die notwendigen Werkzeug-, Energie-, Lager- oder Personalkosten. Über die Zuverlässigkeit und den Qualitätsgrad können die Anteile der Gutteile, des Ausschusses und des Abfalls bestimmt werden. Parallel dazu werden noch Aufwendungen betrachtet, die zum Erhalt der Funktion notwendig sind. Dies sind die Wartung, die Inspektion, die Instandsetzung, die Ersatzteile oder der Schulungsaufwand. In der Verwertungsphase werden jene Kosten betrachtet, die bei der Entsorgung und beim Rückbau einer Anlage entstehen, aber auch Erlöse, die z. B. durch den Verkauf oder durch die Wiederverwertung der Anlage entstehen. Damit das Modell den Anforderungen einer universellen Einsatzfähigkeit genügt, wurde es als generisches Modell konzipiert, das es ermöglicht, die Lebenszykluskosten in unterschied-
Lebenszykluskostenbetrachtungen bei Investitionsgütern
43
licher Detaillierungsebene und in unterschiedlichen Kombinationen der Kostenelemente zu ermitteln (vgl. Abbildung 2.6). Es ermöglicht damit gezielt, nicht relevante Kostenelemente wegzulassen oder neue Kostenelemente in der Systematik hinzuzufügen. Es kann mit detaillierten Berechnungen genauso gut umgehen, wie etwa mit Schätzung von ganzen Blöcken. Werden die Detailtiefe und die relevanten Kostenelemente spezifiziert, ist der Vergleich unterschiedlicher Maschinen gewährleistet.
Detaillierung
LCC Entstehungsphase
Betriebsphase
Verwertungsphase
E
B
V
E1
E2
E3
IH1
IH2
RK3 ... SO1
V1
V1.1 Pauschale
n
IH1.1 IH1.1 IH1.1
V2
V1.2 V1.2
V3
V1.3
Erweiterung des Modells
IH1.6 ... IH1.2 ... IH1.6 IH1.2 ... IH1.6 IH1.2
Quelle VDMA Einheitsblatt 34160 Abbildung 2.6: Generisches Prognosemodell für Lebenszykluskosten
3.3
Messbarkeit am Beispiel der VDI 2884
Die VDI 2884 gibt in mehreren Tabellen vor, welche Kosten in den einzelnen Phasen berücksichtigt werden können. Leider wird in diesem Ansatz nicht angegeben, wie die einzelnen Informationen zu einer Lebenszykluskostenberechnung zusammengefasst werden.
44
Frank Bünting
zu VDI 2884, Abschnitt 5
zu VDI 2884, Abschnitt 5.6
Einheit
Während der Nutzung
Bedarf pro Betriebsstunde
Kosten pro Einheit
Mehrmalige Kosten
Einmalige Kosten
Summe Kosten
Erlöse
in EUR
in EUR
in EUR
in EUR
in EUR
in EUR
Betriebs- und Hilfsstoffe Wasser
m³
Luft
m³
Gase
m³
Schmiermittel
m³
Kühlmittel
m³
Hydrauliköl
m³
Elektrische Leistungsaufnahme im Leerlauf
kWh
Elektrische Leistungsaufnahme unter Last
kWh
Personalaufwand für die Bedienung
EUR
Quelle: VDI 2884 Abbildung 2.7: Auszug aus der Tabelle zur Ermittlung der Kosten in der Phase „während der Nutzung“ Für die einzelnen Kostenblöcke sind die Eingabegrößen vorgegeben, mit denen dann die Gesamtkosten ermittelt werden können. Um vergleichbare Berechnungen zu erhalten, müssen die Kosten pro Einheit in allen Berechnungen gleich sein. Hier zeigt sich aber, dass der ein Kostensatz für das Personal nicht ausreichend ist. Für unterschiedlich Aufgaben müssen unterschiedliche Kostensätze definiert werden wie zum Beispiel für: Instandhaltungspersonal Kunde Monteure vom Anbieter Service-Techniker vom Anbieter Montage Ingenieur/NC-Ingenieur vom Anbieter Maschinenbediener vom Kunden Rüstpersonal vom Kunden Im konkreten Fall müssen die Informationen von Kunden bereitgestellt werden oder aber mit Branchendurchschnittswerten gerechnet werden.10
10
Branchenwerte gibt es zum Teil bei den einzelnen Branchenverbänden
Lebenszykluskostenbetrachtungen bei Investitionsgütern
4.
45
Wann macht LCC überhaupt Sinn?
Im Militärbereich, in der Bahntechnik oder bei Busflotten sind Lebenszykluskostenbetrachtungen inzwischen vorgeschrieben. Hier werden die LCC-Prognosezahlen Vertragsbestandteile. Auch bei einigen großen Untenehmen wie Daimler oder Ford setzt sich diese Denkweise immer stärker durch. Jedoch funktioniert eine solche Betrachtungsweise nur dann, wenn sich alle Teilnehmer auch an die Spielregeln halten. Eine Verhandlung zu führen und über Lebenszykluskosten zu reden, um dann am Ende doch nur nach dem Einkaufpreis zu entscheiden ist kontraproduktiv. Denn die Chance der Vergleichbarkeit von Angeboten, die es ermöglicht, unterschiedliche Maschinenkonzepte hinsichtlich ihrer Kostensituation zu vergleichen, ermöglicht es, die Qualität von Maschinen monetär bewertbar zu machen. Damit lässt sich das „Made in Germany“ für den Kunden rechnen. Der Einsatz solcher Modelle bietet sowohl für den Anbieter als auch für den Käufer eine Reihe von Vorteilen: Nutzen für den Anbieter Wenn die Bedeutung der Kosten in der Betriebsphase sichtbar wird, kann der Anbieter anhand der Zusammenhänge seine Entwicklungsanstrengungen gezielter einsetzen. Er kann für Kundengruppen mit hoher Preissensitivität die preistreibenden Faktoren beim Anschaffungspreis gezielt zurücknehmen. Er kann für Kundengruppen mit hoher Sensitivität für die Gesamtkosten seine Entwicklungsanstrengungen bis zum optimalen Punkt für diese Größe treiben. Nutzen für den Käufer Hersteller, deren Produkte durch hohe technologische Kompetenz und hohen Entwicklungsaufwand erheblich höhere Zuverlässigkeit aufweisen, können diesen Vorteil monetär darstellen. Niedrigere Kosten in der Betriebsphase und das hohe Maß an Werterhalt senken die Gesamtkosten. Ansatzpunkte für Verbesserungen in Maschinenkonzepten können gezielt identifiziert werden Darüber hinaus ergeben sich Absatzchancen für Servicedienstleistungen bis hin zu FullServiceverträgen für die Anbieter, die bei erweiterten Verfügbarkeitszusagen zwingend erforderlich sind. Full-Serviceverträge wiederum erzeugen eine höhere Bindung des Kunden an das Unternehmen, denn die Kunden-Lieferanten-Beziehung endet nicht mit dem Auslaufen der Garantiezeit, sondern geht zwangsläufig darüber hinaus. Nur wenn regelmäßig ein Austausch über die Maschinendaten stattfindet, kann ein LCC-Modell langfristig bewertet werden. Allerdings birgt die Anwendung einer LCC-Berechnung auch einige Risiken, die nicht unterschätzt werden dürfen. Im Vertragsfall können LCC-Prognosezahlen, die nicht valide sind, zu hohen wirtschaftlichen Schäden führen, wenn die prognostizierten Werte nicht erreicht wer-
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Frank Bünting
den. Deshalb sind bei der Abgabe von LCC Aussagen auch immer Augenmaß und eine gesicherte Datenbasis notwendig. Sollte diese nicht zur Verfügung stehen, werden besser keine LCC-Aussagen gemacht. Allein die Existenz von LCC-Modellen weckt bei einigen Kunden Begehrlichkeiten, die in keinem angemessenen Aufwand/Nutzen Verhältnis stehen. Dies kann in extreme Forderungen münden, die einer Garantiezeitverlängerung von bis zu zehn Jahren gleichkommen. LCC-Verträge bedürfen aber eines gegenseitigen Vertrauensverhältnisses, damit sie zum Nutzen beider abgeschlossen werden können. Dies beinhaltet natürlich auch, dass von Kunden keine vertraulichen Informationen an Wettbewerber weitergegeben werden. Ein Risiko, das oft von den Betreibern unterschätzt wird ist, dass der Betreiber sicherstellen muss, dass die Maschinen innerhalb der definierten Grenzen betrieben werden. Eine LCCAussage für eine Maschine im Ein-Schicht-Betrieb ist gleichzusetzen mit einer Maschine im Drei-Schicht-Betrieb. Eine zwingende Voraussetzung für eine LCC-Vereinbarung ist, dass nach Abschluss dieser Vereinbarung die relevanten Daten und Kosten transparent für beide Seiten erfasst und überwacht werden, damit bei Abweichungen eingegriffen werden kann. Ein Beispiel für das Controlling dieser Informationen ist im Beitrag von Herrn Albrecht im Daimler-M-TCO-Ansatz beschrieben.
5.
Identifikation der relevanten Kostentreiber/ branchenübliche Kostentreiber
Modelle zur Prognose der LCC können sowohl von Kunden als auch von Anbietern genutzt werden. Wird das Prognosemodell zur Ausschreibung verwendet, so spezifiziert der Kunde die Rahmenbedingungen und gibt den Anbietern vor, welche Positionen des Modells mit jeweils welchem Detaillierungsgrad auszufüllen sind. Am Beispiel des VDMAPrognosemodells ist in Abbildung 2.8 exemplarisch dargestellt, wie ein solches Modell in der Praxis konfiguriert werden kann.
Lebenszykluskostenbetrachtungen bei Investitionsgütern
47
Prognose der Lebenszykluskosten gemäß VDMA Einheitsblatt 34160 für Maschine X Kürzel LCC
Beschreibung Anbieter prognostizierte Lebenszykluskosten
E
Entstehung Beschaffung Infrastrukturkosten Sonstige Entstehungskosten
E1 E2 E3 B D1 B1 IH1 IH2 IH3 RK1 MK1 EK1 HB1 EN1 PK1 WK1 RU1 LK1 SO1 V V1 V2 V3
Betriebskosten Betrachtungszeitraum Betriebskosten pro Jahr Wartung und Inspektion Instandsetzung Ungeplante Instandsetzung Raumkosten Materialkosten Energiekosten Hilfs- und Betriebsstoffe Entsorgungskosten Personalkosten Werkzeugkosten Rüstkosten Lagerkosten Sonstige Betriebskosten Verwertungskosten Rückbau Restwert Sonstige Verwertungskosten
Kunde
-
€
Wert
-
ja ja nein
ja ja nein
ja ja ja ja
ja ja ja ja ja ja ja nein nein nein nein nein ja ja
Detaillierung
€ -
-
€
-
€
€ € €
ja ja
-
nein
ja ja ja ja nein
€
ja ja nein
€
10 Jahre - € - € - € - € - € - € - € - € - € - € - € - € - € - € €
ja ja ja ja ja nein
ja nein -
-
€ € €
€ nein nein
Quelle: VDMA-Einheitsblatt 34160 Abbildung 2.8: Konfiguration eines Prognosemodells Ebenso kann der Kunde vorgeben, welche Leistungen er selbst erbringen will, muss aber dann die entsprechenden Informationen bereitstellen oder nach Erhalt des Angebots ergänzen. Wird das Prognosemodell zur Erstellung eines freien Angebots verwendet, so spezifiziert der Anbieter die Maschine und deren Anwendungsbereich. Ebenso definiert er die Rahmenbedingungen und den Detaillierungsgrad des Modells unter denen er anbietet. Der Aufwand für eine Lebenszykluskostenberechnung hängt sehr stark vom Umfang und dem Detaillierungsgrad des Berechnungsmodells ab. So kann man bei militärischen Kleinprojekten durchaus mit Aufwänden von vier bis sechs Mannwochen rechnen, um alleine die LCC Berechnung nach dem vorgeschriebenen EDCAS-Modell zu erfassen. Hier sind noch nicht die Zeiten eingerechnet, die zur Datenbeschaffung und -validierung notwendig sind. Um den Aufwand in einem vertretbaren Rahmen zu halten sollte nicht versucht werden, alle Kosten zu erfassen, sondern nur die relevanten Kostentreiber zu definieren. Dafür ist die Betrachtung der Kostenelemente als auch eines abgestimmten Baugruppenmodells notwendig.
48
5.1
Frank Bünting
Kostenelemente
Als Erstes muss gesehen werden, welche Kosten überhaupt in diesem Anwendungsfall eine Rolle spielen. Fallbeispiel: Pumpensysteme Die Lebenszykluskosten eines Pumpensystemes werden determiniert durch zwei wesentliche Größen. Den Anschaffungspreis von ca. fünf bis zehn Prozent und den Energiekosten von ca. 90 Prozent. Da diese Geräte wartungsfrei und für die Betrachtungsdauer ausgelegt sind, spielen die Instandhaltungskosten keine Rolle. Auch Raumkosten oder Kosten für das Bedienpersonal sind vernachlässigbar klein. Hier reduziert sich die LCC-Berechnung auf wenige Größen. Fallbeispiel: Werkzeugmaschinen Für Werkzeugmaschinen spielen neben den Anschaffungskosten die Kosten für Wartung und Instandhaltung eine große Rolle, da diese durchaus 15 Prozent der Gesamtlebenszykluskosten ausmachen. Die Kosten für Bedienpersonal sind auch nicht zu unterschätzen, aber es ist zu bedenken, dass in den meisten Fällen für Maschinen unterschiedlicher Anbieter die gleiche Anzahl von Bedienern notwendig ist. In einer Vergleichsbetrachtung könnte man diese auch herauskürzen. Manchmal werden auch Raumkosten für den umbauten Raum gerechnet. Dies macht aber nur dann Sinn, wenn Hallenraum beim Kunden wirklich knapp ist. Fallbeispiel: Kunststoffspritzmaschinen Neben den Anschaffungskosten, den Kosten für Wartung und Instandhaltung und den Energiekosten spielen hier auch Materialkosten eine Rolle. Bei hochwertigen Kunststoffen zum Beispiel ist es kostentechnisch hoch relevant, wie hoch der Ausnutzungsgrad der Eingangsmaterialien ist.
5.2
Baugruppenmodell
Bei der Berechnung der Kosten für Wartung und Instandhaltung wird es notwendig, die übergreifende Betrachtungsweise eines Investitionsgutes zu verlassen und sich den Systemkomponenten, Baugruppen oder sogar den Bauteilen zuzuwenden. Denn diese haben spezifische Ausfallraten und erzeugen unterschiedlichen Aufwand bei der Wartung und Instandhaltung. Im Militärbereich wird diese Betrachtungsweise auf die kleinste austauschbare Einheit heruntergebrochen, was durchaus dazu führen kann, das schnell 2.000 bis 3.000 Einheiten in die Berechnung mit einfließen müssen. Hier gilt es einen pragmatischen Weg zu gehen, um den
Lebenszykluskostenbetrachtungen bei Investitionsgütern
49
Aufwand in ein vernünftiges Verhältnis zum Nutzen zu halten. Im Daimler M-TCO-Ansatz wird ein Stammbaum für die Maschine vorgegeben, an der sich alle orientieren können.
Stammbaum Montageanlagen Produktionssystem
Systemkomponente
Funktionsgruppe
Bauteilgruppe
Montageeinrichtungen
installierte Fördertechnik
Transportelemente “Geraden/Kurven”
Antrieb
Verschubelement Führungselement Zusatzfunktionen
Quelle: Daimler Abbildung 2.9: Struktur des Stammbaums für eine Montageanlage
50
Frank Bünting
Literatur
DIN EN 60300-3-3: 2005-03, Zuverlässigkeitsmanagement – Teil 3-3: Anwendungsleitfaden – Lebenszykluskosten (IEC 60300-3-3:2004), Beuth Verlag, Berlin 2005 ELLRAM, L. M.: Total-Cost-of-Ownership: An Analysis Approach for Purchasing, in: International Journal of Physical Distribution & Logistics Management, 25. Jg., 1995, H. 8, S. 4-23, 1995 SAE ARP 4293 Life-Cycle-Cost – Techniques and Applications (1992) VDI 2884: 2005-12, Beschaffung, Betrieb und Instandhaltung von Produktionsmitteln unter Anwendung von LCC Life-Cycle-Costing; Bezugsquelle Beuth Verlag, Berlin 2005 VDI 3423: 2002-01, Verfügbarkeit von Maschinen und Anlagen, Begriffe, Definitionen, Zeiterfassung und Berechnung VDMA-Einheitsblatt 34160: 2006-06, Prognosemodell für die Lebenszykluskosten von Maschinen und Anlagen, Beuth Verlag, Berlin 2006 VDV Mitteilung 2315: 05-2003, Life-Cycle-Costs (LCC) bei Linienbussen – Bewertungskriterien bei Ausschreibungen, Beka-Verlag, Köln 2003
Bedeutung und Anwendung von Lebenszyklusanalysen bei Werkzeugmaschinen
Bedeutung und Anwendung von Lebenszyklusanalysen bei Werkzeugmaschinen Eberhard Abele, Marina Dervisopoulos, Benjamin Kuhrke
1. Einleitung 2. Entwicklung des Lebenszykluskostenbegriffs 3. Grundlagen der Lebenszyklusanalyse von Werkzeugmaschinen 3.1 Aufbau von Lebenszyklusanalysen 3.2 Bestehende Anwendungsleitfäden und Normen 4. Bedeutung und Herausforderungen der Lebenszyklusanalyse am Beispiel Werkzeugmaschine 4.1 Bedeutung der Lebenszykluskosten 4.2 Herausforderungen der Lebenszyklusanalyse 5. Anwendung der Lebenszyklusanalyse im Vertrieb und der Entwicklung 5.1 Methodik zur Nutzung der Lebenszyklusanalyse 5.2 Aufbau eines Maschinenstrukturmodells 5.3 Vorgehensweise zur Generierung einer Lebenszyklusdatenbank und Analysebeispiele 5.3.1 Analysebeispiele zum Energieverbrauch von Werkzeugmaschinen 5.3.2 Analysebeispiele zur ungeplanten Instandsetzung von Werkzeugmaschinen 5.3.3 Analysebeispiel zum Wartungsaufwand von Werkzeugmaschinen 5.3.4 Analysebeispiel zur Prozesszeit und Lebensdauer 6. Zusammenfassung Literatur
51
52
1.
Eberhard Abele, Marina Dervisopoulos, Benjamin Kuhrke
Einleitung
Die Beachtung der Lebenszykluskosten in Relation zum Erstinvest, sowohl bei der Beschaffung eines neuen Investitionsgutes als auch bei der Produktentwicklung, ist im Prinzip nicht neu. Das Grundkonzept der Lebenszykluskostenanalyse wurde in den 1930er Jahren zunächst hauptsächlich für Großprojekte beim Militär entwickelt und hat sich spätestens seit Beginn des 21. Jahrhunderts auch in der Werkzeugmaschinenindustrie etabliert. Führt man für ein übliches Bearbeitungszentrum eine Lebenszykluskostenanalyse für einen Betrachtungszeitraum von zehn Jahren durch, dann stellt der Anschaffungspreis der Werkzeugmaschine mit durchschnittlich 30 Prozent nur einen geringen Teil der Gesamtkosten dar, die dem Anwender aus dem Betrieb einer Maschine über deren Lebenszyklus hinweg erwachsen. Die systematische Berücksichtigung der Lebenszykluskosten von Werkzeugmaschinen wird damit sowohl für den Maschinenanwender als auch für den Maschinenhersteller zunehmend zu einem wesentlichen Erfolgsfaktor. Während der Maschinenanwender Lebenszyklusanalysen beim Betriebsmitteleinkauf berücksichtigen muss, sollte der Werkzeugmaschinenhersteller die Lebenszyklusanalysen nutzen, um die Vorteile seiner Maschine im Vertrieb darzustellen beziehungsweise um Optimierungsansätze für die nächste Maschinengeneration abzuleiten. Um die lebenszyklusbezogene Vorteilhaftigkeit einer Werkzeugmaschine im Vertrieb darstellen zu können und um darüber hinaus Verbesserungsansätze für zukünftige Maschinengenerationen in der Produktentwicklung zu identifizieren, müssen dabei alle wesentlichen Kostenelemente, die unterschiedlichen Einsatzbedingungen sowie die Wechselwirkungen zwischen diesen berücksichtigt werden. Eine Herausforderung, die auf dem Weg zu einer erfolgreichen Nutzung der Lebenszyklusanalysen gemeistert werden muss, besteht in der Generierung einer geeigneten Datenbasis für die Durchführung der Analysen. Dies umfasst beispielsweise die geeignete Abbildung des Wartungs- und Inspektionsaufwandes, die geeignete Erfassung und Auswertung von Maschinenhistorien, Serviceberichten und Ersatzteilbestellungen oder die Durchführung von komponentenspezifischen Energie- oder Druckluftmessungen an der Maschine. In diesem Beitrag werden, nach einer einleitenden Diskussion einiger Grundlagen zum Thema Lebenszykluskosten, methodische Ansätze und Analysebeispiele zur Nutzung von Lebenszykluskostenanalysen durch den Maschinenhersteller vorgestellt.
Bedeutung und Anwendung von Lebenszyklusanalysen bei Werkzeugmaschinen
2.
53
Entwicklung des Lebenszykluskostenbegriffs
Das Grundkonzept der Lebenszykluskosten wurde zunächst für Großprojekte angewandt. Ziel war es, bei Investitionsentscheidungen neben den Anschaffungskosten auch den zunehmend größer werdenden Teil der Folgekosten zu berücksichtigen. Dabei standen die Interessen der Nutzer immer im Vordergrund. Die historische Entwicklung des Lebenszykluskostenkonzeptes lässt sich in drei Stufen unterteilen: Die Konzentration auf Großprojekte beim Militär, die Erweiterung auf öffentliche und private Gebäude und letztlich die Übertragung auf Investitionsgüter allgemein.1 Die ersten Ansätze zur Betrachtung der Gesamtkosten von Investitionen entstanden in den 1930er Jahren durch das General Accounting Office (GAO) in den USA. Bei der Beschaffung von neuen Traktoren forderte der Controller des GAO nicht nur die Anschaffungskosten, sondern auch die Betriebs- und Wartungskosten verbindlich beim Entscheidungsprozess zu berücksichtigen. Die Investitionsentscheidung sollte für die Traktoren mit den geringsten Gesamtkosten bei einer vorgegebenen Betriebszeit von 8.000 Stunden fallen. Die erste systematische Befassung mit dem Thema findet sich ebenfalls in den USA, allerdings erst in den 1960er und 1970er Jahren, bei Projekten im Bereich der Luft- und Raumfahrt sowie beim Erwerb von Waffensystemen. Im Jahr 1971 wurde dann vom amerikanischen Verteidigungsministerium, dem Department of Defense (DoD), der Begriff und Umgang mit Lebenszykluskosten zum ersten mal in einer Richtlinie, der DoD Directive 5000.1 zur „Acquisition-ofMajor-Defense-Systems“ verankert.2 Im weiteren Verlauf wurde das Konzept der Lebenszykluskosten in den USA auch beim Bau oder Leasing von Gebäuden angewendet. In der folgenden Zeit wurde das Konzept auf verschiedene Branchen und technologische Produkte, insbesondere auf Industriegüter, übertragen. Ein Beispiel hierfür ist die 1985 von Bill Kirwin von der Unternehmensberatung Gartner entwickelte Berechnungsmethode, die unter dem Begriff der Total-Cost-of-Ownership (TCO) bekannt wurde.3 Ziel war die Prognose der direkten und indirekten Kosten, die mit dem Erwerb von IT (Software und Hardware) verbunden ist. Die Institutionalisierung im Maschinen- und Anlagenbau erfolgte beispielsweise anhand der vom VDI 2003 erlassenen Richtlinie 2884 zur Beschaffung, Betrieb und Instandhaltung von Produktionsmittel unter Anwendung von Life-Cycle-Costing oder dem 2006 veröffentlichten VDMA Einheitsblatt 34160, einem Prognosemodell für die Lebenszykluskosten von Maschinen und Anlagen.4 Intensiviert wurde die Beachtung der Lebenszykluskosten im Maschinen- und Anlagenbau auch durch die zunehmende Integration von Lebenszykluskostendaten in die Beschaffungsentscheidung der Automobilindustrie.
1 2 3 4
Zehbold, Cornelia (1996), S. 78 ff.. Department of Defense (2003); Department of Defense (1989.) Kirwin, Bill (2007). VDI-2884 (2003); VDMA Einheitsblatt 34160 (2006).
54
Eberhard Abele, Marina Dervisopoulos, Benjamin Kuhrke
3.
Grundlagen der Lebenszyklusanalyse von Werkzeugmaschinen
3.1
Aufbau von Lebenszyklusanalysen
Der Schwerpunkt von Lebenszyklusanalysen besteht in der ökonomischen Bewertung von Investitionsgütern anhand der gesamten über deren Lebenszyklus hinweg entstehenden Kosten. Einige methodische Ansätze ergänzen die reine Kostenbetrachtung um die Bewertung der mit der Nutzung des Investitionsgutes erzielbaren Leistung (z. B. produzierbare Stück pro Zeiteinheit oder erzielbare Qualität) sowie um qualitative Faktoren (z. B. Benutzerfreundlichkeit).5 Kostenseitig wurde bislang vor allem den Kosten für die ungeplante Instandsetzung und somit der Bewertung von Verfügbarkeitskennwerten wie Mean-Time-Between-Failure (MTBF), Mean-Time-To-Repair (MTTR) und Mean-Cost-of-Replacement-Parts (MCRP) eine besondere Bedeutung beigemessen.6 Diese eng gefasste Betrachtungsweise wird heute zunehmend zugunsten einer umfassenden Berücksichtigung sämtlicher durch den Erwerb und Besitz eines Betriebsmittels anfallender Kosten erweitert. Es werden auch Aufwände für Energie, für Hilfs- und Betriebsstoffe, für Werkzeuge bis hin zu den Kosten der Ersatzteilbevorratung berücksichtigt. Die Höhe der Lebenszykluskosten und die Bedeutung der verschiedenen Kostenelemente sind maschinenspezifisch und werden darüber hinaus durch die jeweiligen Einsatzbedingungen und den Umgang des einzelnen Anwenders mit dem Betriebsmittel beeinflusst. Dementsprechend muss bei jeder Lebenszyklusanalyse einzelfallbezogen definiert werden, welche Kostenelemente berücksichtigt werden sollen und welcher Detailgrad bei der Erfassung und Analyse erforderlich ist. Ein Konzept zur Lebenszyklusanalyse von Betriebsmitteln sollte dabei grundsätzlich folgende Elemente umfassen (vgl. Abbildung 3.1): Einteilung des gesamten Lebenszyklus in geeignete Abschnitte bzw. Phasen Aufbrechen des Betriebsmittels in eine Funktions- bzw. Komponentenstruktur Definition von Kostenelementen und Berechnung auf Basis der Kostenarten Identifikation und Analyse der Wirkungsweise von Kostentreibern
5 6
Männel (1992); Böning (1997); Kalaitzis (1992); Degen (2004). Dervisopoulos et al. (2006).
Bedeutung und Anwendung von Lebenszyklusanalysen bei Werkzeugmaschinen
55
…….
Kostenarten ……. Raum Energie
Funktionsgruppen / Komponentenstruktur
Personal
Motorspindel X-Achse
Werkzeug -wechsler
Kostenelement Wartungskosten Motorspindel
………
Kostentreiber Entwicklung
Beschaf f ung
Nutzung
……
Phasen des Lebenszyklus
Prozessparameter Einsatzland Organisation Anwender …..
Quelle: Institut für Produktionsmanagement, Technologie und Werkzeugmaschinen (PTW) Abbildung 3.1: Aufbau eines Konzeptes zur Lebenszyklusanalyse von Werkzeugmaschinen Die DIN EN 60300-3-37 unterscheidet sechs Hauptphasen im Lebenszyklus eines Produktes: Konzept und Definition Entwurf und Entwicklung Herstellung Einbau Betrieb und Instandhaltung Entsorgung Für die kostenorientierte Lebenszyklusbewertung von Maschinen und Anlagen bietet sich eine Dreiteilung der Lebensphasen an; aus diesen Phasen lassen sich dann die wesentlichen Kostengruppen einer Maschine oder Anlage ableiten.8 Dies sind die Kosten der Anschaffungsphase, der Nutzungsphase und der Nachnutzungshase (vgl. Abbildung 3.2). Prinzipiell sollten zusätzlich zu den Kosten immer auch die Leistung, Funktionsfähigkeit und andere Merkmale (wie zum Beispiel ergonomische Eigenschaften) berücksichtigt werden.
7 8
DIN EN (2005). Dervisopoulos et al. (2006).
56
Eberhard Abele, Marina Dervisopoulos, Benjamin Kuhrke
Hauptphasen im Lebenszyklus
Kostengruppen der Lebenszyklusanalyse
Konzept & Definition
Anschaffungsphase: Der Anschaffungsphase werden prinzipiell sämtliche Kosten zugerechnet, die im Rahmen der Beschaffung und Bereitstellung eines Investitionsgutes anfallen. Hierzu zählen neben dem reinen „Preis“ bzw. den Herstellkosten unter anderem der Aufwand für die Installation und Inbetriebnahme, der Transport, die Abnahme sowie die Mitarbeiterschulung.
Entwurf & Entwick-
lung Herstellung Einbau Betrieb &
Instandhaltung
Entsorgung
Nutzungsphase: Während der Nutzungsphase wird der gesamte durch den Besitz und die Nutzung bedingte Aufwand betrachtet. Neben Betriebsstoffen wie etwa Energie und Schmierstoffen werden Raumkosten, Instandhaltung, Werkzeugkosten, Kosten für Ersatzteile sowie weitere Nutzungskosten berücksichtigt. Nachnutzungsphase: Die Betrachtung der Phase nach der Nutzung des Investitionsgutes ermöglicht die Beurteilung der kostenmäßigen Wirkung, die mit der Ausmusterung oder Überholung eines Investitionsgutes (z. B. durch Entsorgungskosten, Restwert oder Rekonfiguration) verbunden ist.
Abbildung 3.2: Klassische Dreiteilung der Lebenszykluskosten eines Investitionsgutes Das Aufbrechen des Betriebsmittels in seine Produktstruktur ermöglicht es, die Lebenszykluskosten den einzelnen Funktionsgruppen bzw. Komponenten zuzuordnen. Hierdurch können die kostenverursachenden Komponenten identifiziert werden und Rückschlüsse für konstruktive Verbesserungsmaßnahmen gezogen werden. Als Ausgangspunkt für die Definition der wesentlichen Kostenelemente und deren Berechnung können die bestehenden Normen und Leitfäden (vgl. Kapitel 3.2) herangezogen werden. Für die in die Berechnung einfließenden Kostenarten (wie Energiekosten, Personalkosten, Kosten für Druckluft etc.) müssen durchschnittliche Kostensätze erhoben werden. Hier bietet es sich an, Kostenbeispiele von Maschinenanwendern aufzunehmen. Die Höhe der Lebenszykluskosten wird durch verschiedene Kostentreiber beeinflusst, so dass je nach Einsatzszenario identische Betriebsmittel starke Variationsbreiten der Lebenszykluskosten aufweisen können. Die Höhe der Energiekosten wird beispielsweise unter anderem durch den Bearbeitungsprozess und das Verhältnis von Stillstands- zu Produktionszeit beeinflusst. Um eine Aussage hinsichtlich des Einflusses der Energiekosten auf die Gesamtkosten treffen zu können, müssen verschiedene Szenarien entwickelt werden. Aus diesem Grund müssen für jedes Kostenelement die wesentlichen Kostentreiber identifiziert werden und bei der Modellierung der Lebenszykluskosten jeweils durch „Best-Case“ und „Worst-Case“ Szenarien in ihrer Auswirkung berücksichtigt werden.
Bedeutung und Anwendung von Lebenszyklusanalysen bei Werkzeugmaschinen
3.2
57
Bestehende Anwendungsleitfäden und Normen
Im Zusammenhang mit Lebenszykluskosten existieren eine Reihe von Normen und Anwendungsleitfäden, aus denen entnommen werden kann, welche Kostenelemente bei der Analyse von Lebenszykluskosten berücksichtigt werden sollten und wie diese ermittelt beziehungsweise berechnet werden können. Eine Auswahl dieser Normen und Leitfäden wird im Folgenden kurz vorgestellt. Die meisten Normen und Leitfäden konzentrieren sich auf eine detaillierte Beschreibung der Instandhaltungsphase. Die Bewertung erfolgt teilweise anhand qualitativer, teilweise anhand quantitativer Faktoren. Einen breiten Fokus hinsichtlich der LZK Bewertung empfiehlt der VDI9, der neben den Instandhaltungskosten unter anderem auch Raumkosten, Kosten der Ersatzteilbevorratung sowie Kosten für Betriebs- und Hilfsstoffe berücksichtigt, ergänzt um die Bewertung der Kosten und Erlöse der Nachnutzungsphase (d. h. Außerbetriebnahme- und Verwertungskosten). Die Analyse der LZK als nützlichen Input in der Entwurfsphase eines Produktes betont die DIN 60300-3-310, in deren Fokus die Zuverlässigkeit der betrachteten Produkte steht. Die Zielsetzung des aktuell vorgestellten VDMA-Einheitsblattes11 liegt in der Standardisierung von LZK Bewertungen für Maschinen und Anlagen, um die Vergleichbarkeit von LZK Aussagen sicherzustellen. Hierfür werden die über den Lebenszyklus von Maschinen und Anlagen anfallenden Kosten, unterteilt in die Phasen Entstehung, Betrieb und Verwertung, tabellarisch aufgezählt. Die LZK ermitteln sich durch ein reines Aufsummieren der Kostenelemente. Unberücksichtigt bleiben dabei der zeitliche Anfall der Kosten sowie die Betrachtung der aus der Nutzung einer Maschine oder Anlage resultierenden Erlöse. Ergänzend hierzu pflegen einige Automobilhersteller, wie beispielsweise DaimlerChrysler, die Ford Motor Company und Fiat Powertrain Anforderungen an die Ermittlung von lebenszyklusrelevanten Werten, wobei sich bislang auch diese auf den Bereich der Instandhaltung konzentrieren. Einen Überblick über bestehende Normen gibt Abbildung 3.3.
9
VDI-2884 (2003). DIN EN (2005). 11 VDMA Einheitsblatt 34160 (2006).
10
Unterstützung Betreiber bei Auswahl Beurteilungsrahmen für den Hersteller für innovative Konfigurationen
Eindeutige Beschreibung von Instandhaltungsprozessen als Grundlage für den Austausch zwischen Hersteller und Lieferant
Transparenz der instandhaltungsrelevanten Ereignisse
Definition Kostenelemente und Formeln der Berechnung
Definition von Kennzahlen für zielorientierte Ausrichtung der Instandhaltung.
Einheitliche Daten für die Instandhaltungsplanung und Ermittlung von Instandhaltungskosten
Instandhaltungskriterien bei der Beschaffung von Investitionsgütern
Prognosemodell für die Lebenszykluskosten von Maschinen und Anlagen
Auswahl und Bildung von Kennzahlen für die Instandhaltung
VDI 2885
VDI 2891
VDMA 34160
VDI 2893
Ziel der Norm
Beschaffung, Betrieb und Instandhaltung von Produktionsmitteln unter Anwendung von Life-Cycle-Costing
Titel der Norm
VDI 2884
Norm / Leitfaden
Kostentreibende Kriterien der Instandhaltung, z. B.: Zuverlässigkeit Instandhaltungsaufwand
Anschaffungspreis, Installation, Zoll… Wartung, Instandsetzung, Energie, Raum, Werkzeuge,… Demontage, Verschrottung…
Qualitativ Quantitativ
Quantitativ
Qualitativ Quantitativ
Besitz/Nutzung
Beschaffung Besitz/Nutzung Entsorgung
Besitz/Nutzung
Kennzahlenkatalog zur Instandhaltung
Mengenleistung, Maschinenfähigkeit, Verfügbarkeit etc. Instandhaltungsplan für Inspektion, Wartung, Instandsetzung (mit Angaben zu Intervall, Ausfallzeit, Mitarbeiterqualifikation … ) Lebensdauer von Verschleißteilen Leistung des Hersteller-Service
Qualitativ Quantitativ
Maschinenbeschaffung Betriebs- und Hilfsstoffe Instandhaltungskosten Leistungs- und Qualitätsangaben Außerbetriebnahme und Verwertung
Besitz/Nutzung
Bewertungskriterien und Kostenelemente (exemplarisch)
Qualitativ Quantitativ
Grundlage der Bewertung
Beschaffung Besitz/Nutzung Entsorgung
Berücksichtigte Lebenszyklusphasen
58 Eberhard Abele, Marina Dervisopoulos, Benjamin Kuhrke
Abbildung 3.3: Anwendungsleitfäden und Normen im Zusammenhang mit LZK
Mathematische Ausdrücke
Anwendungsleitfaden Lebenszykluskosten
DIN EN 60300-3-3
DIN EN 61703
Grundlagen der Instandhaltung
DIN 31051
Definition der Begriffe, Zeiterfassung und Berechnung der Verfügbarkeit
Verfügbarkeit von Maschinen und Anlagen
VDI 3423
Mathematischer Ausdrücke und Formeln
Beschreibung Zweck, Vorgehen und Elemente der LZK Analyse
Definition der Begriffe der Instandhaltung
Definition von Verfügbarkeitskenngrößen
Zuverlässigkeitskenngrößen Verfügbarkeitskenngrößen
VDI 4004 Blatt 4
Definition von Kriterien zur Bewertung der Instandhaltbarkeit.
Ziel der Norm
Kenngrößen der Instandhaltbarkeit
Titel der Norm
VDI 4004 Blatt 3
Norm / Leitfaden
Besitz/Nutzung
Beschaffung Besitz /Nutzung Entsorgung
Quantitativ
Qualitativ Quantitativ
Funktionsfähigkeit Verfügbarkeit Instandhaltbarkeit Instandhaltungsbereitschaft
Formel und Kostenelemente Investitionsrechnung Beispielrechnung
Instandhaltung
Instandhaltung
Quantitativ
Besitz/Nutzung
Qualitativ
Instandhaltung
Qualitativ Quantitativ
Besitz/Nutzung
Besitz/Nutzung
Instandhaltung Kennzahlen (z. B. MTBF) und qualitative Beurteilungsgrößen (Zugänglichkeit…)
Bewertungskriterien und Kostenelemente (exemplarisch)
Qualitativ Quantitativ
Grundlage der Bewertung
Besitz/Nutzung
Berücksichtigte Lebenszyklusphasen
Bedeutung und Anwendung von Lebenszyklusanalysen bei Werkzeugmaschinen 59
60
Eberhard Abele, Marina Dervisopoulos, Benjamin Kuhrke
4.
Bedeutung und Herausforderungen der Lebenszyklusanalyse am Beispiel Werkzeugmaschine
4.1
Bedeutung der Lebenszykluskosten
Der Anschaffungspreis einer Werkzeugmaschine stellt mit durchschnittlich 30 Prozent12 nur einen geringen Teil der Gesamtkosten dar, die dem Anwender aus dem Betrieb einer Maschine über deren Lebenszyklus hinweg erwachsen.13 Berechnet am Beispiel eines einfachen Bearbeitungszentrums wird die Bedeutung der Lebenszykluskosten deutlich:
Beispiel Die Berechnung der Lebenszykluskosten erfolgt für ein vertikales, dreiachsiges Bearbeitungszentrum (BAZ). Das einspindelige BAZ ist mit einer Motorspindel ausgestattet. Der Erstinvest beträgt inklusive der üblichen Kosten für Installation und Inbetriebnahme, einer Werkzeug- sowie Ersatzteilerstausstattung sowie einer zweitägigen Schulung der Maschinenbediener rund 198.000 EUR. Die Bearbeitung erfolgt im Zwei-Schicht-Betrieb an 224 Tagen im Jahr, woraus rund 3.584 Stunden pro Jahr resultieren. Bearbeitet wir ein einfaches Frästeil mit einer Bearbeitungsdauer von 145 Sekunden, die jährliche Produktionsmenge beträgt 85.000 Stück. Bei einem angenommenen Qualitätsgrad von 99,99 Prozent entspricht dies einer Maschinenlaufzeit von rund 2.928 Stunden, in der verbleibenden Zeit (656 Stunden) wird die Maschine im Stand-by-Betrieb belassen. Die durchschnittliche Leistungsaufnahme für Werkzeugmaschine und Peripheriegeräte (KSS-Anlage und Absaugung) beträgt in der Bearbeitungszeit 22 kW und die Grundleistung, die die Maschine im Stand-by aufnimmt, elf kW. Die Dauer der kostenfreien Gewährleistung beträgt zwölf Monate. Die Reaktionszeit des Servicepersonals des Maschinenherstellers liegt bei durchschnittlich zwölf Stunden. Im Falle eines unvorhergesehenen Maschinenausfalls entstehen beim Maschinenanwender Stillstandskosten in Höhe von 75 EUR/Stunde (~Stundensatz Maschinenbediener).
12 13
Abele (2006c). Die Höhe der Lebenszykluskosten an sich und der Anteil der Anschaffungskosten an diesen sind in hohem Maße einzelfallabhängig. Beeinflussende Parameter sind beispielsweise neben der Maschinenkonstruktion der Bearbeitungsprozess und die Einsatzbedingungen beim Kunden. Bei einem Betrachtungszeitraum von 10 Jahren kann man jedoch, basierend auf den Ergebnissen einer Studie die am Institut für Produktionsmanagement, Technologie und Werkzeugmaschinen zwischen 2004 und 2007 durchgeführt wurde, in erster Näherung davon ausgehen, dass der Anschaffungspreis ca. 30 % der Lebenszykluskosten ausmacht.
Bedeutung und Anwendung von Lebenszyklusanalysen bei Werkzeugmaschinen
61
Bei einem Betrachtungszeitraum von zehn Jahren belaufen sich die Lebenszykluskosten in Summe auf rund 582.000 EUR mit der in Abbildung 3.4 dargestellten Verteilung der berücksichtigten Kostenelemente.
Raumkosten 5%
Kapitalbindungskosten 4%
Druckluftkosten 5%
Energiekosten 17%
Ungeplante Instandsetzung 15%
Maschinenbeschaffung 34%
Wartung & geplante Instandsetzung 20%
Quelle: Institut für Produktionsmanagement, Technologie und Werkzeugmaschinen (PTW) Abbildung 3.4: Analysebeispiel Lebenszykluskosten einer Werkzeugmaschine (zehn Jahre) Bei Berücksichtigung der Stillstandskosten müsste nochmals ein Betrag in Höhe der Kosten aus ungeplanter Instandsetzung hinzuaddiert werden. Weitere Kostenelemente, die prinzipiell berücksichtigt werden können, sind etwa Kosten für Ausschuss, Werkzeugkosten sowie Rüstkosten. Selbst bei einer Betrachtung nur ausgewählter Kostenelemente wie in obigem Beispiel machen die Kosten der Maschinenbeschaffung nur noch etwa 30 Prozent der Gesamtkosten aus. Die hohe Bedeutung einer systematischen Beachtung der Lebenszykluskosten sowohl durch den Maschinenanwender als auch durch den Maschinen- und Komponentenhersteller ist damit augenscheinlich.
4.2
Herausforderungen der Lebenszyklusanalyse
Die Höhe der Lebenszykluskosten eines Betriebsmittels stellt keinen unveränderlichen Absolutbetrag dar. Sie wird beeinflusst durch den (Bearbeitungs-) Prozess, durch den Systemaufbau und die Konstruktion sowie durch die Organisation. Damit haben zum einen der Maschi-
62
Eberhard Abele, Marina Dervisopoulos, Benjamin Kuhrke
nenhersteller und der Komponentenhersteller die Möglichkeit, das zukünftige Verhalten der Maschine durch die Konstruktion, die Auslegung und die Wahl der Komponenten (Führungen, Lager, Antriebe) zu beeinflussen. Zum anderen entscheiden aber auch die Nutzungsbedingungen und das Lebenszyklusmanagement des Maschinenanwenders über die im Nutzungszeitraum resultierende Höhe der Lebenszykluskosten. Die verantwortlichen Akteure und die wesentlichen Einflussfaktoren auf die Höhe der Lebenszykluskosten sind in Abbildung 3.5 dargestellt.14
Betriebsmittel Anwender
Betriebsmittel Hersteller
Komponenten Hersteller
Prozess
Systemaufbau & Konstruktion
Organisation
Hoher Einfluss
Mittlerer Einfluss
Geringer Einfluss
Quelle: Institut für Produktionsmanagement, Technologie und Werkzeugmaschinen (PTW) Abbildung 3.5: Einflussfaktoren auf die Höhe der Lebenszykluskosten und verantwortliche Akteure Wie stark die Lebenszykluskosten von Betriebsmitteln durch die Prozessparameter, Einsatzbedingungen und Organisation des Maschinenanwenders beeinflusst werden, ist in Abbildung 3.6 exemplarisch dargestellt. Anhand einer Analyse der Felddaten eines Maschinenherstellers kann gezeigt werden, in welch hohem Umfang die Ausfallhäufigkeit identischer Werkzeugmaschinen bei verschiedenen Anwendern variieren kann. Dabei stellt eine Streuung der MTBF-Werte von 700 bis 3.200 Stunden keine Seltenheit dar. Grundsätzlich lassen sich auch hier wieder zwei Kategorien von Einflussfaktoren auf Anwenderseite unterscheiden, der Prozess und die Organisation. Beeinflussende Prozessparameter ergeben sich aus dem Ferti14
Abele (2006a); Abele (2006b).
Bedeutung und Anwendung von Lebenszyklusanalysen bei Werkzeugmaschinen
63
gungsverfahren, also beispielsweise aus den unterschiedlichen resultierenden Belastungen, die mit Schrupp- oder Schlichtprozessen einhergehen. Auch führt der Einsatz eines identischen Betriebsmittels in einer Grosserienfertigung zu anderen Belastungen als die Nutzung in einer Kleinserien- oder Einzelteilfertigung, die mit häufigen Umrüstvorgängen sowie wechselnden Belastungen verbunden ist. Ebenso können die aus der Bearbeitung unterschiedlicher Materialien (beispielsweise Stahl im Vergleich zu Aluminium) resultierenden Belastungen zu unterschiedlichen Ausfallraten führen.
Mean Time Between Failure [MTBF] 3000
2500
2000
1500
1000
500
0 Anwender 1
Anwender 2
Anwender 3
Anwender 4
Anwender 5
Anwender 6
Quelle: Institut für Produktionsmanagement, Technologie und Werkzeugmaschinen (PTW) Abbildung 3.6: MTBF Werte identischer Betriebsmittel bei unterschiedlichen Anwendern Der hohe Einfluss der Instandhaltungsstrategie, die sich auch in der Intensität der routinemäßigen Wartung und Inspektion einer Werkzeugmaschine widerspiegelt, wird aus dem in Abbildung 3.7 dargestellten Fallbeispiel einer Ursachenanalyse von Werkzeugmaschinenausfällen deutlich. In diesem Kundenbeispiel ließen sich ca. 31 Prozent der Ursachen auf Verschleiß zurückführen und ca. zwölf Prozent auf Verschmutzung. Beide Ausfallarten sind durch den Maschinenanwender beeinflussbar. Durch präventiven Austausch besonders verschleiß-anfälliger Bauteile kann der Maschinenanwender ungeplante Maschinenausfälle reduzieren. Ausreichende Wartung verhindert verschmutzungsbedingte Ausfälle. Gleichzeitig kann jedoch auch der Maschinenhersteller einen Teil der verschmutzungs- und verschleißbedingten Ausfälle durch die geeigneten konstruktiven Lösungen vermeiden.
64
Eberhard Abele, Marina Dervisopoulos, Benjamin Kuhrke
Schmutz 12% Sonstiges 41%
Verschleiß 31%
Bedienung / Crash 16%
Quelle: Institut für Produktionsmanagement, Technologie und Werkzeugmaschinen (PTW) Abbildung 3.7: Felddatenanalyse der Ausfallursachen einer Werkzeugmaschine Der hohe Einfluss der Einsatzbedingungen beim Kunden auf die Ausfallrate stellt die Werkzeugmaschinenhersteller vor die Schwierigkeit, gute und statistisch abgesicherte Prognosen bezüglich der Ausfallrate ihrer Maschinen angeben zu können sowie fundierte Aussagen hinsichtlich der notwendigen und erfolgversprechenden Optimierungsmaßnahmen abzuleiten.
5.
Anwendung der Lebenszyklusanalyse im Vertrieb und der Entwicklung
5.1
Methodik zur Nutzung der Lebenszyklusanalyse
Um die Vorteile einer Maschine im Vertrieb darstellen zu können beziehungsweise um aus Lebenszyklusanalysen Optimierungsansätze für die nächste Maschinengeneration abzuleiten, greift eine alleinige Betrachtung der Kostenseite zu kurz. Hierfür muss neben den Kosten auch die aus dem Maschinenkonzept resultierende Leistungsfähigkeit berücksichtigt werden. In Abbildung 3.8 sind die wesentlichen Bausteine, die eine Methodik für eine erfolgreiche Nutzung der Lebenszyklusanalysen umfassen sollte, dargestellt.
Bedeutung und Anwendung von Lebenszyklusanalysen bei Werkzeugmaschinen
Maschinenstrukturmodell
Lebenszyklusdatenbank
- Aufbau eines geeigneten Maschinenstrukturmodells
- Generierung der Datenbasis - Identifikation von Datenquellen --> Ersatzteilbestellungen --> Serviceeinsätze… --> ….
- Funktionsorientiertes Aufbrechen der Maschine (mehrere Ebenen) - Verursachungsrechte Zuordnung der Daten / Kosten - Abbildung von optionalen Ausstattungselementen - …..
65
- Definition der Datenstruktur --> Betriebsstunden --> Ausfallursache ….. --> …. - Energie- & Druckluftmessung - …….
Bewertungsmodell
Baukasten LZK Analysen
- Identifikation der wesentlichen Kostenelemente der jeweiligen Werkzeugmaschine
- Definition von Demonstratorprozessen die repräsentativ für das Beanspruchungskollektiv der Maschine sind
- Berücksichtigung der Berechnungsvorschriften der einschlägigen Normen und Kundenvorschriften
- Definition Einsatzszenarien - Entwicklung von Analyseroutinen
- Abbildung der Kosten & Leistung
- Aufbau von Argumentationsketten für den Vertrieb
-
- …..
……
Quelle: Institut für Produktionsmanagement, Technologie und Werkzeugmaschinen (PTW) Abbildung 3.8: Bausteine der Lebenszyklusanalyse Das Kernelement, welches eine erfolgreiche Nutzung der Lebenszyklusanalysen durch den Maschinenhersteller maßgeblich bestimmt, besteht in der Generierung einer geeigneten Datenbasis für die Durchführung der Analysen. Dies umfasst beispielsweise die geeignete Abbildung des Wartungs- und Inspektionsaufwandes, die geeignete Erfassung und Auswertung von Maschinenhistorien, Serviceberichten und Ersatzteilbestellungen oder die Durchführung komponentenspezifischer Energie- oder Druckluftmessungen an der Maschine. Um Kosten- und Leistungsfaktoren verursachungsgerecht den Maschinenkomponenten zuzuordnen und flexible Analysen des Lebenszyklusverhaltens zu ermöglichen, muss als erstes ein geeignetes Maschinenstrukturmodell entwickelt werden. Die lebenszyklusrelevanten Daten können dann auf Basis des Maschinenstrukturmodells in einer zentralen Lebenslaufdatenbank vorgehalten werden und stehen damit, auch in ihrer zeitlichen Entwicklung, für Analysen zu Verfügung.
66
Eberhard Abele, Marina Dervisopoulos, Benjamin Kuhrke
Der zweite Baustein besteht in der Entwicklung geeigneter Verfahren, die es dem Maschinenhersteller ermöglichen, die notwendige Datenbasis für Lebenszyklusanalysen zu generieren. Eine besondere Herausforderung stellt hier die Nutzbarmachung der instandsetzungsbezogenen Daten (bspw. die Auswertung von Serviceeinsätzen und Ersatzteilbestellungen) dar. Da bei verschiedenen Maschinentypen (etwa umformende Maschinen im Vergleich zu spanenden Maschinen, oder bei den spanenden Maschinen Fräsmaschinen im Vergleich zu Schleifmaschinen) einzelne Lebenszykluselemente unterschiedliche Bedeutung haben und zwischen den Elementen unterschiedliche Zusammenhänge bestehen, ist für den zu analysierenden Maschinentyp ein angepasstes Bewertungsmodell zu entwickeln. Dies sollte unter Beachtung der entsprechenden Normen und Richtlinien15 erfolgen. Die relevanten Kostenelemente (Wartung, ungeplante Instandsetzung, Energie, Druckluft, Stillstandskosten, Werkzeugkosten, Kosten für Maschinenbediener, etc.) sollten über die Prozesszeit des zu fertigenden Bauteils in Relation zur Maschinenleistung gesetzt werden. Um die zumeist sehr aufwendigen und zeitintensiven Lebenszyklusanalysen im Alltag handhabbar zu machen, sollte ein – wiederum auf den Maschinentyp abgestimmter – Baukasten der Lebenszyklusanalysen entwickelt werden. Ziel ist dabei immer, die Transparenz über die Kostentreiber zu erhöhen, zum Beispiel durch eine bauteilbezogene Aufgliederung der Wartungskosten oder durch Szenario- und Sensitivitätsanalysen wie der Abbildung der Auswirkungen steigender Energiepreise über den Lebenslauf einer Maschine.
5.2
Aufbau eines Maschinenstrukturmodells
Das Maschinenstrukturmodell bildet die Grundlage für die lebenszyklusbezogenen Analysen der Werkzeugmaschine. Das Strukturmodell muss so aufgebaut sein, dass alternative konstruktive Lösungen abgebildet und verglichen werden können. Gleichzeitig müssen unterschiedliche Varianten eines Maschinentyps dargestellt werden können. Varianten können dabei zum einen durch Substitution einer Komponente durch eine andere (beispielsweise kann die Hauptspindel in verschiedenen Leistungsklassen eingebaut sein), zum anderen durch optionale beziehungsweise ergänzende Maschinenausstattung (etwa Zentralschmierung) begründet sein. Die Untergliederung in Maschinentypen und Varianten ermöglicht es dem Maschinenhersteller, Varianten, die über verschiedene Ausstattungsmerkmale/Optionen verfügen, hinsichtlich ihrer Lebenszykluskosten beziehungsweise Lebenszyklusleistung direkt zu vergleichen. Mögliche Unterscheidungsmerkmale sind hier erzielbare Prozesszeiten aufgrund von Maschinenleistung oder Maschinenkonzept (beispielsweise Einspindler vs. Mehrspindler), Investitionskosten (beispielsweise für eine optionale Ausstattung mit einer Zentralschmierung
15
Vgl. Kapitel 2.3.
Bedeutung und Anwendung von Lebenszyklusanalysen bei Werkzeugmaschinen
67
im Vergleich zu anfallenden Wartungskosten ohne Zentralschmierung) oder Automatisierungsgrade im Vergleich zum Mensch-Maschine-Bedienverhältnis. Eine diesen Anforderungen genügende Strukturform ist die Baumstruktur, wie sie zum Beispiel bei der FMEA eingesetzt wird. Das Maschinenstrukturmodell wird dabei so aufgebaut, dass die hierarchische Struktur der Werkzeugmaschinenkonstruktion beginnend beim Gesamtsystem über Hauptbaugruppen, untergeordnete Bauteilgruppen bis hin zu dem einzelnen Bauteil abgebildet werden kann. Die Anzahl der benötigten Unterebenen ergibt sich aus dem verfügbaren sowie aus dem notwendigen Detaillierungsgrad der maschinenseitigen Daten. Hier muss der üblichen Zusammenfassung von Bauteilgruppen zu Funktionsgruppen bei konstruktiven Änderungen Rechnung getragen werden, beispielsweise entsprechend dem verfügbaren und sinnvollen Detaillierungsgrad von Maschinenausfällen, der Zuordnung von Druckluftverbrauch oder von Wartungsvorgängen. Auf diese Weise ist es dann möglich, eine Auswertung je nach Datenlage detaillierter oder weniger detailliert zu gestalten. Der Aufbau einer solchen Datenstruktur ist exemplarisch in Abbildung 3.9 dargestellt, eine Unterscheidung in die Werkzeugmaschine i.e.S. und Peripherie hat sich dabei zumeist als sinnvoll erwiesen. Für die einzelnen Betrachtungseinheiten des Strukturmodells müssen sodann alle benötigten maschinenseitigen Informationen beziehungsweise Datensätze und Werte erhoben werden.
Werkzeugmaschine
BG 1
BG 2
Peripherie
BG 3
PG 1
BG n
PG n
Spindeleinheit BG 1.1
BG 1.2
BG 1.n
BG 2.1
BG 2.n
Lager
PG 1.n 1.1 1.2
Quadring BG 1.1.1 BG 1.1.2 BG 1.1.n BG n
BG = Bauteilgruppe Ebene 1-n
BG n
Optionale Ausstattung, bzw. Varianten einer Bauteilgruppe
PG n
PG = Bauteilgruppe Peripherie Ebene 1-n Optionale Ausstattung Peripherie, bzw. Varianten einer Bauteilgruppe
PG n
Motor Leistungs- und Regelteil Deublin Linearachsen Führungen
Quelle: Institut für Produktionsmanagement, Technologie und Werkzeugmaschinen (PTW) Abbildung 3.9: Grundsätzlicher Aufbau eines Maschinenstrukturmodells
68
Eberhard Abele, Marina Dervisopoulos, Benjamin Kuhrke
5.3
Vorgehensweise zur Generierung einer Lebenszyklusdatenbank und Analysebeispiele
Grundvoraussetzung für eine erfolgreiche Durchführung von Lebenslaufanalysen ist die Verfügbarkeit und Qualität der verwendeten Datengrundlage der Maschine. Anhand einiger Beispiele sollen im Folgenden mögliche Ansätze zur Datengenerierung sowie Beispiele zur Lebenszyklusanalyse gegeben werden.
5.3.1
Analysebeispiele zum Energieverbrauch von Werkzeugmaschinen
Der Energieverbrauch ebenso wie der Druckluftverbrauch von Werkzeugmaschinen gewinnt nicht nur im Zusammenhang mit Lebenszykluskosten, sondern auch angesichts der steigenden Energiekosten an Bedeutung. Bereits bei einem Bearbeitungszentrum mittlerer Leistung können je nach Einsatzbedingung die Energiekosten (bewertet mit den durchschnittlichen Energiepreisen von 2007) pro Jahr mit bis zu 9.000 EUR zu Buche schlagen und damit bis zu 20 Prozent der jährlichen Gesamtbetriebskosten einer Fertigung ausmachen. Da der Energieverbrauch (ebenso wie der Druckluftverbrauch) der jeweiligen Werkzeugmaschine vom Fertigungsszenario abhängt (beispielsweise der Anzahl an Werkzeugwechseln), sollten die Datensätze jeweils für Referenzprozesse beziehungsweise -bauteile erhoben werden. Günstigstenfalls erfolgt die Messung unter Produktionsbedingungen. Um das Verbrauchsverhalten von Werkzeugmaschinen transparent zu machen, sollte dabei die Messung sowohl „in Produktion“ als auch in den verschiedenen Betriebsmodi der nicht produzierenden Maschine, d. h. während der Stillstandszeiten, wie beispielsweise im Stand-by-Betrieb erfolgen, denn auch hier wird Energie (z. B. Regelung der Antriebe) oder Druckluft (z. B. Sperrluft an der Spindel) verbraucht.16
Beispiel Auf der Basis von Energiemessungen an modernen fünfachsigen Bearbeitungszentren und Drehautomaten und anschließender Projektion auf den Jahresverbrauch ergeben sich in Abhängigkeit verschiedener Fertigungsszenarien Energieverbräuche von bis zu 45.000 kWh (Abbildung 3.10). Je nach Fertigungstyp verteilt sich der Energieverbrauch auf die eigentliche Bearbeitungszeit und die Stand-by-Zeit, in der die Maschine in eingeschaltetem Zustand verweilt. Während im Drei-Schicht-Betrieb in der Serienfertigung der Verbrauch während der Bearbeitung mit 97 Prozent deutlich überwiegt, hat der Stand-by-Verbrauch 16
Kuhrke et al. (2007); Müller et al (2008).
Bedeutung und Anwendung von Lebenszyklusanalysen bei Werkzeugmaschinen
69
bei der Wiederholfertigung einen Anteil von bis zu 43 Prozent des Jahresenergieverbrauchs. Aus diesen Analysen lassen sich erste Strategien für wirksame Optimierungsmaßnahmen ableiten. Während in der Serienfertigung vor allem die Erhöhung der Energieeffizienz der Komponenten erfolgversprechend ist, lassen sich in der Wiederholfertigung Einsparpotenziale insbesondere durch ein konsequentes selektives oder umfassendes Abschalten der Maschinenkomponenten erzielen. In der Hochrechnung für den Zwei-SchichBetrieb zeigt sich, dass eine einfache Maßnahme wie das Schließen der Arbeitstür in freien Schichten bis zu 14 Prozent der Energiekosten sparen kann. Das ist dann der Fall, wenn, wie bei der untersuchten Maschine, dadurch einige Komponenten wie Hydraulik, Beleuchtung oder Hydraulik- und Spindellüftung nach einer bestimmten Zeitspanne automatisch abgeschaltet werden.
Energieverbrauch [kWh]
Bearbeitung
Standby
45.000
40.000
35.000
30.000
25.000
97 % 20.000
15.000
10.000
29 %
5.000
43 % 17 %
0
Serienfertigung 1 3-Schicht-Betrieb
Serienfertigung 2 3-Schicht-Betrieb Arbeitstür geöffnet
Serienfertigung 3 3-Schicht-Betrieb Arbeitstür geschlossen
Wiederholfertigung 4
Quelle: Institut für Produktionsmanagement, Technologie und Werkzeugmaschinen (PTW) Abbildung 3.10: Auf der Basis von Leistungsmessungen projizierter, jährlicher Energieverbrauch eines Drehautomaten für unterschiedliche Fertigungstypen. Um tatsächliche Verursacher zu identifizieren, sollten die Messungen getrennt für die einzelnen Maschinenkomponenten erfolgen. Denn welche Komponente für welchen Anteil des Energiebedarfs verantwortlich ist, kann nicht pauschal beantwortet werden, sondern ist wiederum vom jeweiligen Fertigungstyp, der Maschinenausstattung, der Bearbeitungsaufgabe und der jeweiligen Komponentenauswahl abhängig; entsprechend variiert auch das jeweilige
70
Eberhard Abele, Marina Dervisopoulos, Benjamin Kuhrke
Einsparpotenzial der Komponenten. In Abbildung 3.11 sind die auf Basis von Energiemessungen an einem modernen Drehautomaten hochgerechneten Verbräuche von Einzelkomponenten für eine Drei-Schicht-Serienfertigung bei einer Bearbeitungsaufgabe mit geringen Prozesskräften dargestellt. Der Hydraulikmotor hat in diesem Fallbeispiel mit über 15.000 kWh den größten Anteil. Das liegt vor allem daran, dass die verbaute Hydraulikpumpe direkt am Netz betrieben wird und somit eine konstante Leistungsaufnahme von vier kW besitzt. Die vom Prozess tatsächlich benötigte Leistung wird über ein mechanisches Drosselventil gesteuert und zu viel gefördertes Öl wird ungenutzt in den Kreislauf zurück befördert. Legt man zugrunde, dass die Hydraulik nur in 30 Prozent der Bearbeitungszeit tatsächlich benötigt wird, sind über den Einsatz drehzahlgeregelter Aggregate oder abschaltbarer Kompaktaggregate Einsparungen von bis zu 10.000 kWh/Jahr realistisch. Erst an zweiter Stelle folgt in diesem Beispiel mit knapp 13.000 kWh die komplette Antriebsseite, bestehend aus zwei Spindel- und zahlreichen Vorschub- und Revolvermotoren inklusive der Leistungselektronik. Da diese Komponenten eine vergleichsweise hohe Effizienz besitzen, liegen die Ansätze zur Kosten- und Energieverbrauchsreduzierung hier vor allem in einer prozessangepassten Dimensionierung. In dem betrachteten Beispiel werden die Antriebe in einem energetisch ungünstigen Teillastbereich beansprucht. Eine optimale Dimensionierung führt zum Erreichen eines höheren Wirkungs-grades der Motoren und Leistungselektronik bei gleichzeitig geringeren Anschaffungskosten. Nachteilig wirken sich natürlich die Flexibilitätseinbußen bei einem zu erwartenden breiten Teilespektrum aus.
Jahresenergieverbrauch Serienfertigung 3-Schicht-Betrieb Hydraulikmotor 11 Antriebsstrang 10 Kühlmittelpumpe Niederdruck9 Trafo 24 V u. SPS8 Lüfter Hauptspindel7 4 Schaltschranklüfter6 Kühlmittelpumpe Hochdruck5 Hydraulikölkühler4 Trafo 230 V3
Gesamtenergieverbrauch Anteil des Standby
Maschinenleuchten2 Hebepumpe Kühlschmierstoff1 0
2000
4000
6000
8000
10000
12000
14000
16000
18000
Energieverbrauch [kWh]
Quelle: Institut für Produktionsmanagement, Technologie und Werkzeugmaschinen (PTW) Abbildung 3.11: Verteilung des Jahresenergieverbrauchs der Komponenten eines Drehautomaten in einer Drei-Schicht-Serienfertigung
Bedeutung und Anwendung von Lebenszyklusanalysen bei Werkzeugmaschinen
71
Einen weiteren wichtigen Anteil am Gesamtenergieverbrauch haben KSS-Pumpen sowie die Lüfter für Hauptspindeln und Schaltschrank. Auch hier können durch den Einsatz bedarfsgerecht angesteuerter Komponenten ungenutzte Einsparpotenziale umgesetzt werden. Über eine exakte Aufschlüsselung der Verbräuche von Einzelkomponenten unter Berücksichtigung der Fertigungsstruktur und des Teilespektrums können fundierte Aussagen über Einsparpotenziale und die Effizienz der Gesamtmaschine getroffen werden. Durch den Einsatz bereits heute existierender effizienter Technologien können Optimierungsmaßnahmen durchgeführt werden. Die wesentlichen Schritte sind in der folgenden Checkliste nochmals zusammengefasst.
Checkliste Definition von Referenzbauteilen bzw. Referenzprozessen, die charakteristisch für die typischen Einsatzbedingungen der Werkzeugmaschine sind Durchführung von Messungen bis auf Komponentenebene Hochrechnen der Messergebnisse für verschiedene Fertigungstypen (Wiederholfertigung, Serienfertigung,…) Identifikation der größten Energietreiber Zusammenstellung möglicher Alternativen für energieintensive Komponenten und Optimierungsmaßnahmen durch intelligente Steuerung in enger Zusammenarbeit mit den Komponentenlieferanten und unter Berücksichtigung der Kundenanforderungen Berechnung der Lebenszykluskosten der einzelnen Komponenten für die zur Verfügung stehenden Alternativen
5.3.2
Analysebeispiele zur ungeplanten Instandsetzung von Werkzeugmaschinen
Eine Herausforderung besteht in der Generierung der Daten für die ungeplante Instandsetzung. Hierfür muss aus Vergangenheitsdaten auf ein zukünftiges und verallgemeinerbares Verhalten der Maschine geschlossen werden. Dabei entscheiden die Repräsentativität und der Umfang der verfügbaren Datenbasis sowie die Art und Weise der Auswertung über die Qualität der Prognose und damit auch über die Qualität der Lebenszyklusanalysen. Im Gegensatz zum Maschinennutzer hat der Hersteller zumeist nur einen sehr eingeschränkten Zugang zu Informationen hinsichtlich der Störungshistorie seiner Maschinen. Die für den Hersteller zugänglichen Daten ergeben sich vor allem aus den von ihm durchgeführten Serviceeinsätzen sowie den Ersatzteilbestellungen. Ergänzt werden können diese Daten durch
72
Eberhard Abele, Marina Dervisopoulos, Benjamin Kuhrke
Auswertungen einzelner Maschinenanwender oder Lebensdauertests einzelner Komponentenzulieferer. Dabei stellen die dem Maschinenhersteller zur Verfügung stehenden Daten immer nur einen kleinen Ausschnitt der tatsächlichen Störhistorien der Maschinen dar. Alle Störungen der Maschine, die ein Maschinenanwender selbst behebt, bleiben unberücksichtigt. Bei den Serviceeinsätzen betrifft dies insbesondere den Zeitraum nach Ablauf der Gewährleistungszeit und bei den Ersatzteilbestellungen so genannte „universelle“ Ersatzteile, die der Maschinenanwender prinzipiell überall beziehen kann. Diese schwierige Datensituation hat in der Vergangenheit dazu geführt, dass neben groben Abschätzungen vor allem subjektive Expertenaussagen zur Bestimmung des für das Ausfallverhalten charakteristischen MTBF-Wertes (Mean-Time-Between-Failure) herangezogen werden. Um die Qualität der Analysen und die Aussagekraft der Auswertung von Maschinenhistorien zu verbessern sowie das Risiko von fehlerbehafteten Prognosewerten zu reduzieren, empfiehlt sich eine gestufte Auswertung der verfügbaren Datengrundlage (vgl. Abbildung 3.12).
S1 Auswertung aller Maschinen bei denen 100% aller Daten vorliegen (z.B. Wartungsvertrag) S2 Auswertung aller Komponenten bei denen ein Großteil aller Daten vorliegen (Instandsetzung nur durch entsprechendes Personal möglich, z.B. Motorspindel) S3 Auswertung über alle Maschinen, die mindestens einen Serviceeinsatz aufweisen der außerhalb der Gewährleistung liegt S4 Auswertung über alle Maschinen, die Serviceeinsätze nur im Gewährleistungszeitraum aufweisen S5 Auswertung über alle verkauften Maschinen
Gestufte Analyse der Ersatzteilbestellungen
Gesamtheit dokumentierter Ersatzteilbestellungen
Gesamtheit dokumentierter Serviceeinsätze
Gestufte Analyse der Serviceeinsätze
E1 Für alle Komponenten die nur beim Maschinenhersteller zu beziehen sind
E2 Für alle universell beziehbaren Komponenten
E3 Auswertung aller Maschinen und deren Ersatzteilbestellungen bei denen eine eindeutige Zuordnung der Betriebsstunden möglich ist E4 Auswertung aller Maschinen und deren Ersatzteilbestellungen bei denen die Laufzeit über Durchschnittswerte abgeschätzt werden muss
S1-S5 = Teilmengen der Serviceauswertung; E1-E4 Teilmengen der Ersatzteilauswertung.
Quelle: Institut für Produktionsmanagement, Technologie und Werkzeugmaschinen (PTW) Abbildung 3.12: Gestufte Analyse von Serviceeinsätzen und Ersatzteilbestellungen Jeder Teilmenge der Auswertung bzw. jeder Stufe kann ein Risikoindex für das Fehlerrisiko der MTBF-Prognose zugeordnet werden. Beispielsweise ist das Risiko einer Fehleinschätzung bei der Auswertung der Ersatzteilbestellungen bei Komponenten, die ausschließlich beim Maschinenhersteller bezogen werden können, gering. Dies trifft insbesondere dann zu,
Bedeutung und Anwendung von Lebenszyklusanalysen bei Werkzeugmaschinen
73
wenn die Ersatzteilbestellung einer Maschinennummer zugewiesen wird und damit Informationen über die Einsatzbedingungen der jeweiligen Maschine (z. B. Belastungskennwerte Prozess, Betriebsstunden bei Ausfall, etc.) verfügbar sind. Besonders hoch ist dagegen die „Dunkelziffer“ nicht erfasster Ausfälle bei der Teilmenge S4, den Maschinen, denen nur Serviceeinsätze zugeschrieben werden können, die im Gewährleistungszeitraum lagen (d. h. typische Frühausfälle). Gewichtet über den Risikoindex können die Einzelwerte dann zu einem Gesamtwert zusammengeführt werden.
Gering
Fehlerrisiko MTBF Prognose
Hoch
Gering
Teilmenge S1
Teilmenge E1
Teilmenge S2
Teilmenge E2
Teilmenge S3
Teilmenge E3
Teilmenge S4
Teilmenge E4
Fehlerrisiko MTBF Prognose
Hoch
Teilmenge S5 Definition des Fehlerrisikos der MTBF Schätzung je Teilmenge, Gewichtung des Bewertungsanteil je Teilmenge und Verrechnung der Einzelwerte der Teilmengen zu MBTF-Gesamtwerten
Quelle: Institut für Produktionsmanagement, Technologie und Werkzeugmaschinen (PTW) Abbildung 3.13: Vergabe von Risikostufen für Prognosefehler bei MTBF Werten Ergänzend zu dieser Vorgehensweise bei der Auswertung der Daten muss ein geeigneter Ursachencode für die Codierung der Ausfälle, eine geeignete Zuweisung der Ausfälle zu den Bauteilgruppen durch das Servicepersonal des Maschinenherstellers sowie eine geeignete Beschreibung der Einsatzbedingungen beim Anwender gewährleistet sein.
74
Eberhard Abele, Marina Dervisopoulos, Benjamin Kuhrke
Betroffene Komponente Spindeleinheit Lager Quadring Motor Leistungs- und Regelteil Deublin Linearachsen Führungsbahn Kugelrollspindel Bauteilgruppe n Funktionsgruppe 3 Bauteilgruppe 3.1 Bauteilgruppe 3.2 Bauteilgruppe 3.n ……… …..
Beurteilung Maschine / Umfeld Betriebsstunden Einsatzdauer Ein-Schicht-Betrieb Zwei-Schicht-Betrieb Drei-Schicht-Betrieb Bearbeiteter Werkstoff Werkstoff 1
Fertigungstyp überwiegend Einzelteile Kleinserie Großserie Typ Schmierung Emulsion
Beurteilung Ausfallursache Ausfall generell Verschleiss Crash
Bedienfehler ….. …..
Allgemeine Angaben Bestehender Wartungsvertrag [ja/nein] Beurteilung Wartungszustand Maschine […….] ……..
Quelle: Institut für Produktionsmanagement, Technologie und Werkzeugmaschinen (PTW) Abbildung 3.14: Erforderliche Informationsstruktur von Serviceberichten Besondere Bedeutung hat die Erfassung der Betriebsstunden bei jedem Serviceeinsatz, denn nur bei Berücksichtigung dieser ist es möglich, die MTBF Werte zu berechnen. Ausgehend von einer derart aufgebauten Datenbasis können sodann Optimierungsmaßnahmen an der Maschine diskutiert und hinsichtlich ihrer Auswirkungen auf die Lebenszykluskosten bewertet werden. Ansatzpunkte für eine konstruktive Beeinflussung der Lebenszykluskosten finden sich prinzipiell in jeder Maschinenkomponente. Ein Beispiel hierfür ist der Systemaufbau der Spindel. So ergeben sich zum Beispiel für fettgeschmierte Lager und für Lager mit Öl-Luftschmierung gänzlich andere Verhältnisse im Bezug auf die Ausfallrate. Dies liegt zum einen an der in der Regel wesentlich höheren Drehzahlbelastung der Öl-Luft geschmierten Systeme, die heute Drehzahlkennwerte von bis zu 2,5 x 106 mm/min erreichen, was bei einer HSK-63 A Spindel gut 30.000 1/min entspricht. Fettgeschmierte Systeme sind hier unkritischer, da die maximalen Drehzahlen und damit Drehzahlkennwerte um fast 50 Prozent niedriger liegen. Dies ist durch die Grenzen der Schmierfähigkeit des Fettes bedingt führt aber gleichzeitig auch zu deutlich geringeren kinematischen Belastungen der Lager. Die Herausforderung der Bewertung lebenszykluskostenorientierter Optimierungsmaßnahmen an der Werkzeugmaschine durch konstruktive Maßnahmen liegt demnach in der Beurteilung der Auswirkungen einer konstruktiven Veränderung einer Komponente auf die Gesamtkosten.17 17
Abele (2006b).
Bedeutung und Anwendung von Lebenszyklusanalysen bei Werkzeugmaschinen
5.3.3
75
Analysebeispiel zum Wartungsaufwand von Werkzeugmaschinen
Die Datenbasis für Analysen der LZK aus Wartung und geplanter Instandsetzung kann üblicherweise aus den Wartungshandbüchern entnommen werden. Die einzelnen Wartungs-vorgänge sollten den im Maschinenstrukturmodell definierten Bauteil- und Funktionsgruppen zugewiesen werden, nach Möglichkeit sollte zudem bei der Bewertung des Wartungsaufwandes unterschieden werden, ob hierfür ein Maschinenstillstand notwendig ist oder nicht. Weiterhin sollte eine Unterscheidung hinsichtlich des erforderlichen Qualifikationsniveau des Wartungspersonals getroffen werden (d. h. zum Beispiel, ob der Vorgang durch einen angelernten Mitarbeiter oder durch einen Facharbeiter durchgeführt werden muss), um die resultierenden Kosten verursachungsgerecht ermitteln zu können. Eine detaillierte Analyse der aus den Wartungsempfehlungen resultierenden Kosten ist in Abbildung 3.15 dargestellt.
Wartungsaufwand in Stunden pro Jahr 2-Schicht-Betrieb Standard Bearbeitungszentrum 15 h
2,6 h
0,3 h
2,3 h
3,4 h
0,3 h
4.500
10.000
109 h 100 %
22 h
63 h
Intervall [h]
8
40
125
500
1.000
2.000
Ø Dauer [h]
0,05
0,05
0,1
0,1
0,03
0,2
3
5
5
4
3
Vorgänge [Anzahl]
6
0,35
0,75
12
1
Alle Wartungsvorgänge gemäß Wartungshandbuch
Quelle: Institut für Produktionsmanagement, Technologie und Werkzeugmaschinen (PTW) Abbildung 3.15: Auswertungsbeispiel zu den Kostentreibern der Wartung an einem BAZ Für eine Analyse der Kostentreiber der Wartung wurden in Abbildung 3.15 die Wartungsvorgänge laut Wartungshandbuch für ein einfaches Bearbeitungszentrum nach Wartungsintervall (d. h. der Angabe nach welchem Betriebsstundenzeitraum der Vorgang wiederholt werden
76
Eberhard Abele, Marina Dervisopoulos, Benjamin Kuhrke
muss), nach dem zeitlichen Aufwand der für den Vorgang notwendig ist (Dauer in Stunden) und der Anzahl der Wartungsvorgänge, die in diesem Intervall erfolgen müssen, aufgegliedert. Die Analyse zeigt, dass nur drei Wartungstätigkeiten 58 Prozent der Kosten verursachen – nämlich genau die Tätigkeiten, die in kurzen Intervallen durchgeführt werden müssen, und dies, obwohl die Tätigkeiten selbst jeweils nur rund drei Minuten Zeit beanspruchen. Um den Wartungsaufwand zu reduzieren, müssen daher zunächst kurze Wartungsintervalle durch geeignete konstruktive Maßnahmen vermieden werden. Die Höhe der Lebenszykluskosten, die durch den Wartungsbedarf einer Maschine entstehen, wird, unabhängig von der Verteilung auf einzelne Kostentreiber, zumeist unterschätzt. Eine Analyse der Wartungsanweisungen von fünf unterschiedlichen Maschinenherstellern zeigte, dass die Herstellerempfehlungen zur Wartung (bezogen auf Werkzeugmaschine und Peripheriegeräte) aufsummiert leicht einem jährlichen Zeitaufwand von über 250 Stunden erreichen können, was dann oftmals Wartungskosten von rund 20.000 EUR pro Jahr entspricht. Um Wartungskosten gezielt zu senken, müssen zunächst Prioritätslisten erstellt und vermeidbare Vorgänge bewusst ausgespart werden. Durch eine Verlängerung der Wartungszyklen können die größten Einsparungseffekte realisiert werden, gegebenenfalls sollte der Maschinenhersteller die Wartungszyklen im Wartungshandbuch bereits an die prozessbedingte Beanspruchungshöhe anpassen. Ergänzend sollten konstruktive Maßnahmen zur Reduktion des Wartungsaufwandes hinsichtlich ihrer Lebenszykluskosten verglichen werden. Die Lebenszykluskostenanalyse zeigt beispielsweise recht anschaulich die Rentabilität der optionalen Ausstattung einer Maschine mit einer Zentralschmierung im Vergleich zum Wartungsaufwand ohne Zentralschmierung und lässt sich in dieser Form gut argumentativ im Vertriebsgespräch einsetzen.
Beispiel Betrachtet wird ein fünfachsiges Bearbeitungszentrum mit einem Maschinenpreis von rund 184.000 EUR. Die optionale Ausstattung mit einer Zentralschmierung kostet den Käufer 4.200 EUR. Bei Maschinen, die über keine Zentralschmierung verfügen, müssen die Führungen manuell gefettet werden. Ist eine Zentralschmierung eingebaut, entfällt dieser Vorgang, es entstehen jedoch andere Wartungsarbeiten: Der Füllstand des Ölbehälters muss geprüft und bei Bedarf nachgefüllt werden, die Ölfilterpatrone muss ausgetauscht werden und der Druck am Manometer geprüft werden. Bei einem Betrachtungszeitraum von acht Jahren können durch die Zentralschmierung, trotz der Wartungsarbeiten an der Einrichtung selbst, bei Annahme eines deutschen Lohnniveaus Wartungskosten iH.v. 17.729 EUR eingespart werden. Die Anschaffung einer Zentralschmierung hätte sich damit bereits nach zwei Jahren amortisiert.
Bedeutung und Anwendung von Lebenszyklusanalysen bei Werkzeugmaschinen
5.3.4
77
Analysebeispiel zur Prozesszeit und Lebensdauer
Auch durch eine günstige Wahl der Prozessparameter kann die Lebensdauer von Schlüsselkomponenten des Systems verlängert werden, indem auf das System wirkende Kräfte und Schwingungen reduziert werden. Die alleinige Betrachtung der Lebensdauer reicht jedoch nicht aus, um das Lebenszyklusverhalten eines Betriebsmittels gesamthaft zu optimieren. Hierfür muss zusätzlich die Produktivität des Prozesses mit der aus der Belastung des Systems resultierenden Ausfallrate einzelner Komponenten und den hiermit verbundenen Kosten in Beziehung gesetzt werden. Abbilden lässt sich dies über den Abnutzungsvorrat der einzelnen Komponenten. Dieser beschreibt den einer Betrachtungseinheit aufgrund der Herstellung, Instandsetzung oder Verbesserung innewohnenden Vorrat der möglichen Funktionserfüllung. Die Abbaukurve des Abnutzungsvorrats und damit die erreichbare Lebensdauer einer Betrachtungseinheit hängen von den Einsatzbedingungen ab, wobei die Gestaltung des Prozesses einen besonderen Einfluss ausübt. Wird ein ansonsten störungsfreier Betrieb zu Grunde gelegt, dann ist die Systembelastung bei einer Fräsmaschine zum maßgeblichen Teil von den Prozessparametern wie Schnitttiefe und Schnittbreite, Drehzahl und Zahnvorschub sowie der Geometrie der eingesetzten Werkzeuge abhängig.
Bezogene Größen
Lebenszykluskosten je Volumeneinheit zerspantes Material
Relative Ausf allwahrscheinlichkeit Komponente
Prozesskosten je Volumeneinheit zerspantes Material
Prozessparameter mit minimalen Lebenszykluskosten
Prozessparameter [Schnitttief e]
Quelle: Institut für Produktionsmanagement, Technologie und Werkzeugmaschinen (PTW) Abbildung 3.16: Ausfallwahrscheinlichkeit, Prozesskosten und Lebenszykluskosten In Abbildung 3.16 ist dieser Zusammenhang, der sich beispielsweise für die Belastung der Lager einer Motorspindel in einer Fräsmaschine konkret berechnen lässt, qualitativ dargestellt. Im Beispiel sinkt bei erhöhten Zustellungen zwar die Hauptzeit und damit die direkten Kosten (Prozesskosten je Volumeneinheit zerspantes Material), es steigt aber gleichzeitig die
78
Eberhard Abele, Marina Dervisopoulos, Benjamin Kuhrke
Belastung der Lager (und damit die relative Ausfallwahrscheinlichkeit).18 Dies bedeutet eine Verkürzung der Lagerlebensdauer und damit häufigere Systemausfälle. Die damit verkürzten MTBF Werte führen zu einer Erhöhung der Instandsetzungskosten an der Maschine über der Schnitttiefe. Die Prozessparameter mit minimalen Lebenszykluskosten lassen sich nur definieren, wenn beide Kostenanteile berücksichtigt werden.
6.
Zusammenfassung
Die Bewertung von Werkzeugmaschinen auf Basis von Lebenszyklusanalysen ist sowohl im Rahmen der Einkaufsentscheidung, als auch bei der Weiterentwicklung der bestehenden Maschinengenerationen unabdingbar. Dabei muss immer die Kostenperspektive im Verhältnis zur Leistungsperspektive gesehen werden. Wesentliche Voraussetzung für eine erfolgreiche Implementierung der Lebenszyklusanalyse im eigenen Unternehmen ist eine qualitativ hochwertige Datenbasis zum Lebenszyklusverhalten der Maschine. Hier muss neben den Ausfalldaten der Maschine eine geeignete Beschreibung der Einsatzbedingungen erfolgen. Nur so können die richtigen Angriffspunkte für Optimierungsmaßnahmen zu identifiziert und die Vorteile der eigenen Maschinenkonzepte im Vertrieb anschaulich dargestellt werden. Im diesem Beitrag wurde eine umfassende Methodik dargestellt, die alle notwendigen Bausteine miteinander verbindet und damit die Grundlage für die Bewertung von Maßnahmen zur lebenszyklusorientierten Optimierung von Werkzeugmaschinen schafft.
18
Abele (2006b).
Bedeutung und Anwendung von Lebenszyklusanalysen bei Werkzeugmaschinen
79
Literatur
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M-TCO – Daimler AG
M-TCO – Daimler AG Volker Albrecht, Peter Wetzel
1. Motivation 2. Leitlinien des Verfahrens 3. Das M-TCO-Verfahren 3.1 Kostentreiber 3.2 Angebotserstellung und -vergleich 3.3 Vertragssteuerung 3.4 TCO-relevante Instandsetzungen und TCO-Störfälle 3.5 Kostenverteilung und Optimierungsmaßnahmen 4. Erfahrungen aus der Praxis 5. Ausblick
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Volker Albrecht, Peter Wetzel
1.
Motivation
Die Daimler AG, damals noch DaimlerChrysler, suchte Anfang dieses Jahrzehnts nach Optimierungsmöglichkeiten in der Instandhaltung von Produktionsanlagen. Die Zusammenarbeit mit den Lieferanten dieser Anlagen sollte intensiviert werden und insbesondere die technische Verfügbarkeit der Anlagen auch nach der Gewährleistungszeit von zwei Jahren verbessert werden. Es stellte sich die Frage, wie schon bei der Beschaffung von Anlagen die Qualität der Maschinen nach der Gewährleistung für einen langen Zeitraum bewertet und verglichen werden könnte. Nicht mehr die billigste Maschine sollte bei einem Angebotsvergleich den Zuschlag erhalten, sondern diejenige, die auch langfristig die beste Qualität und die niedrigsten Instandhaltungskosten garantiert. Die Idee bestand darin, dass für aus der Maschine ausgewählte, besonders teure oder kritische Teile, die so genannten Kostentreiber, seitens des Lieferanten eine Garantie über die maximalen Instandhaltungsmaßnahmen an diesen Komponenten abgegeben wird. Dadurch wird einerseits die Ausfallzeit der Maschine durch Störungen dieser Komponenten als auch andererseits die zu erwartenden direkten Reparaturkosten begrenzt. Über ein laufendes Controlling während des Betriebs der Anlage sollten in regelmäßigen Überprüfungen einerseits die Zusagen verifiziert werden und andererseits frühzeitig möglichen Abweichungen durch Einleitung von Optimierungsmaßnahmen entgegengewirkt werden.
Ziele des TCO-Controllings bei der Daimler AG: -
Steigerung der Produktivität / Verfügbarkeit Optimierung der Konstruktion bei Neuanlagen Einbringen von TCO-Erkenntnissen/KVP Einkaufsmöglichkeit „besserer“ Maschinen Kostenbegrenzung für Investition und Betrieb Engere Lieferantenbindung Besserer Informationsfluss, mehr Kommunikation Symbiose-Effekte über Werksgrenzen hinweg
Mit diesem Konzept und ersten Abfragen solcher Zusagen seitens der Lieferanten neuer Maschinen fand die Daimler AG in dem Beratungs- und Lösungshaus Infoman AG einen idealen Partner zur gemeinsamen Entwicklung des Verfahrens und zur Entwicklung einer entsprechenden IT-Unterstützung. Die Infoman AG fokussiert sich auf den deutschen Maschinen- und Anlagenbau und unterstützt diesen insbesondere bei kundennahen Geschäftsprozessen in Marketing, Vertrieb und Service. Durch diese Positionierung nimmt sie gleichzeitig eine Mittlerrolle zwischen den Interessen der Daimler AG und den Interessen der Maschinenlieferanten ein.
M-TCO – Daimler AG
2.
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Leitlinien des Verfahrens
Die Anforderungen an das Verfahren waren eine möglichst einfache Handhabung und eine realisierbare Standardisierungsfähigkeit. Sowohl auf der Seite des Maschinenlieferanten, als auch auf Seiten des Maschinenbetreibers sollte ein möglichst hoher Nutzen bei einem gleichzeitig vertretbaren Aufwand entstehen. Langfristig soll das Verfahren eine enge Zusammenarbeit zwischen Betreiber und Maschinenlieferant bewirken, bei dem sich die Qualität der Produktionsanlagen kontinuierlich verbessert. Gerade die Eigenschaften deutscher Qualitätsprodukte wie Langlebigkeit und Fehlerfreiheit sollen den Wettbewerb im Einkauf von der Betrachtung des billigsten Produkts hin zur Betrachtung des günstigsten Produkts verlagern. Die Reduktion der Komplexität wird durch eine Betrachtung von wenigen, kritischen Komponenten erreicht. Betrachtet werden nur die größten Maßnahmen, die mehr als die Hälfte aller Instandhaltungskosten ausmachen. Dabei handelt es sich in der Regel um sehr wenige Komponenten. Eine Zahl von sieben bis dreizehn verschiedenen Komponenten je Produktionssystem wird angestrebt. Während des Betriebszeitraums soll regelmäßig überprüft werden können, ob die Erwartungen noch erfüllt werden. Dazu muss das Verfahren bereits vor Ablauf der Vertragslaufzeit Aussagen machen und Optimierungsmaßnahmen zur Sicherstellung der Erwartungen einleiten können. Eine einfache „Ampelsteuerung“ soll jederzeit einen Überblick über die Ist-Situation bezüglich der Vertragserfüllung geben. Betreiber und Hersteller sollen jederzeit eine Transparenz über die tatsächlichen Instandhaltungsaufwendungen haben. Dadurch werden Trends für beide Seiten erkennbar. Zudem erhält der Anlagenhersteller Informationen über den Betrieb seiner Maschinen im Feld und kann diese dadurch marktgerechter entwickeln.
3.
Das M-TCO-Verfahren
Um die angestrebten Ziele erreichen zu können wurde das M-TCO-Verfahren der Daimler AG entwickelt. M-TCO steht dabei für „Maintenance-Total-Cost-of-Ownership“, also die ganzheitliche Betrachtung der für den Betreiber anfallenden Instandhaltungskosten einer Produktionsanlage. Letztlich wurden mit der Infoman AG auch IT-Systeme entwickelt, die
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Volker Albrecht, Peter Wetzel
den gesamten Prozess von der Anlagenausschreibung über die Vergabe bis zur Überwachung der Anlagen und dem Datenaustausch mit dem Lieferanten unterstützen. Dieses Verfahren teilt den TCO-Prozess in drei Phasen, die Ausschreibungsphase, die Inbetriebnahmephase und die Betriebsphase. Phase 1 Die erste Phase beschreibt die Ausschreibung einer neuen Maschine (Neubeschaffung, Ersatzbeschaffung). Hier wird vom Maschinenlieferant zusätzlich zu den üblicherweise geforderten Dokumenten der so genannte TCO-Vertragsanhang angefordert. In diesem Vertragsanhang wird der Lieferant aufgefordert auf bestimmte Bauteilgruppen der Maschine, die so genannten Kostentreiber (eine detaillierte Erklärung folgt später in diesem Kapitel), TCOWerte (MTBF, MTTR, MCRP) abzugeben.
Abbildung 4.1: Prozessschema M-TCO Diese TCO-Werte umfassen MTBF – Mean-Time-Between-Failure, MCRP – Mean-Costs-of-Replacement-Parts sowie MTTR – Mean-Time-To-Repair und können sowohl mit früheren Angeboten desselben Anbieters, als auch mit den anderen abgegebenen Angeboten verglichen werden. Mit dem Auftrag bestätigt der Lieferant die Zusage dieser Grenzwerte durch seine Unterschrift.
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Phase 2 Diese Phase überwacht nun die Umsetzung und Inbetriebnahme der Anlage anhand des verhandelten TCO-Vertragsanhangs. Hier wird geprüft, ob die gelieferte Maschine auch der bestellten entspricht. Treten während der Phase Umbauten an den angebotenen Maschinen und Anlagen auf, so wird der TCO-Vertragsanhang entsprechend an die neuen Gegebenheiten angepasst. Phase 3 In der dritten Phase, der so genannten Serienbetreuung, wird die in Betrieb genommene Maschine entsprechend der zugesagten TCO-Grenzwerte überwacht. Die Überwachungsdauer entspricht in der Regel der im TCO-Vertrag vereinbarten Vertragslaufzeit, also z. B. zehn Jahre. Um dem Betreiber die Freiheit zu geben, die Anlage bei steigender Produktion stärker zu nutzen als in der ursprünglichen Ausschreibung gefordert, wird zudem die maximale Stückzahl für den Vertrag festgeschrieben. Der Vertrag endet vorzeitig, wenn die maximale Stückzahl bereits vor Ablauf des Vertragszeitraums erreicht wird. Damit wird der stärkeren Abnutzung der Maschinen Rechnung getragen. Während der Überwachungsphase werden regelmäßig Berichte an den Maschinenlieferanten geschickt, ein übliches Intervall beträgt 180 Tage, in denen der Lieferant über seinen aktuellen Vertragsstatus informiert wird. Werden die zugesagten Grenzwerte für einzelne Kostentreiber überschritten, so wird nach einem festgelegten Schema ein KVP-Prozess initiiert. Je nach Grad der Überschreitung wird der Lieferant an den laufenden Instandhaltungskosten beteiligt. Gemeinsam wird nach Optimierungsmaßnahmen zur Einhaltung der Grenzwerte gesucht, um eine störungsfreie Produktion sicherzustellen. Optimierungsleistungen durch den Lieferanten können mit möglichen Beteiligungen an Instandhaltungsaufwendungen direkt verrechnet werden. Die folgende Abbildung veranschaulicht nochmals den etablierten Regelkreis für das MTCO-Verfahren.
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Abbildung 4.2: Der M-TCO-Regelkreis – TCO-Prozessüberblick Ausgehend von einem Anhang zur Vertragserstellung wird mit dem Lieferanten ein TCOVertrag zwischen der Daimler AG und dem Maschinenlieferanten verhandelt. In diesem Vertrag werden wichtige und ausfallkritische Bauteilgruppen als Kostentreiber definiert. Diese Kostentreiber werden vertraglich abgesichert und dann von M-TCO während der Maschinenlebensdauer überwacht, der Lieferant erhält in regelmäßigen Intervallen einen Regelbericht über einen aktuellen Maschinenstatus. Treten Verletzungen der Grenzwerte auf, so wird dem Lieferanten sofort ein Bericht zugesandt und KVP-Maßnahmen eingeleitet.
Beispiel zur Grenzwertüberwachung: Folgende Werte sind z. B. für eine Spindel vereinbart: -
Minimaler MTBF von zwei Jahren, d. h. die Spindel wird z. B. in zehn Jahren nur maximal fünfmal repariert, da alle Reparaturen mindestens zwei Jahre auseinander liegen.
-
Maximal vier Stunden Reparaturdauer je Reparatur (MTTR).
-
Maximal 12.000 EUR durchschnittliche Ersatzteilkosten je Reparatur (MCRP).
Wird die Spindel repariert, so wird geprüft, ob seit Inbetriebnahme (Job#1) der tatsächliche Abstand zwischen zwei Instandhaltungsmaßnahmen größer ist als der zugesagte MTBF, ob die Reparaturen durchschnittlich weniger als MTTR Reparaturaufwand hatten und die durchschnittlichen Kosten der eingesetzten Ersatzteile je Reparatur unter dem zugesagten Grenzwert MCRP liegen. Ist eine der Bedingungen nicht erfüllt, liegt ein TCO-Störfall vor und der KVP (= Kontinuierlicher Verbesserungsprozess) wird eingeleitet.
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3.1
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Kostentreiber
Zur Optimierung des Verwaltungsaufwands und des Angebotsvergleichs bewertet das MTCO-Verfahren nicht die ganze Produktionsanlage, sondern nur ausgewählte, besonders kritische oder hinsichtlich der Instandhaltung teure Komponenten, die so genannten Kostentreiber. Damit verschiedene Technologien leicht verglichen und bewertet werden können, wurde eine Systematik geschaffen, die Maschinen mit vergleichbarer Funktion auch ähnlich strukturiert und vergleichbare Kostentreiber identifiziert. Diese Systematik wird im M-TCO als Maschinenstammbaum bezeichnet. Die nächste Abbildung zeigt einen solchen Maschinenstammbaum am Beispiel eines Bearbeitungszentrums.
Abbildung 4.3: Maschinenstammbaum1 Dargestellt sind die vier Ebenen Produktionssystem, Systemkomponente, 1
ISI ist eines der Instandhaltungssysteme bei der Daimler AG, TCO-MS ist das TCO Managementsystem zur Steuerung des M-TCO-Verfahrens, Daten sind Beispieldaten. Übereinstimmungen mit realen Systemen, auch wenn zur besseren Veranschaulichung z. B. Firmennamen genannt werden, wären zufällig.
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Funktionsgruppe, Bauteilgruppe. Diese Ebenenstruktur wird durch den gesamten Prozess abgebildet. Auf der untersten Ebene dieser Struktur, den so genannten Bauteilgruppen werden teure und/oder ausfallkritische Bauteile als so genannte Kostentreiber definiert. Für diese (und nur für diese) Bauteilgruppen werden vom Maschinenlieferant TCO-Grenzwerte vertraglich garantiert. In der Regel erfassen Instandhaltungsmaßnahmen an diesen ausgewählten Kostentreibern über 60 Prozent der gesamten Instandhaltungskosten. In der Praxis werden mit wenigen Komponenten sogar über 80 Prozent dieser Kosten erreicht. Die gesamten Instandhaltungskosten können damit über einen pauschalen Aufschlag auf die zugesagten Grenzwerte bereits bei der Beschaffung budgetiert werden. Die betrachteten Kostentreiber werden einzeln überwacht, d. h. die Zusagen gelten für jeden Kostentreiber unabhängig von anderen Zusagen. Dies sichert der Daimler AG die gewünschte Zuverlässigkeit der Anlage, da Ausfälle einer Komponente nicht durch fehlerfreies Arbeiten einer anderen Komponente ausgeglichen werden.
3.2
Angebotserstellung und -vergleich
In der Angebotsphase werden in der Regel von mehreren Maschinenlieferanten Angebote angefordert. Nachdem die Angebote der Maschinenhersteller beim Auftraggeber eingegangen sind, können diese Angebote nicht nur anhand des Kaufpreises und der technischen Angaben verglichen werden, sondern auch anhand der vereinbarten TCO-Werte, die die Definition der Kostentreiber mit den Werten enthält. Während in der Vergangenheit die Senkung der Anschaffungskosten für eine Maschine oder Anlage im alleinigen Fokus stand, ergibt sich heute unter Einschluss der Betrachtung der TCO-Verträge ein differenzierteres Bild. Abbildung 4.4 zeigt parallel zum TCO-Ablauf, dass sich bei einem Vergleich, der sich nicht nur auf die Angebotswerte, sondern auch auf die Folgekosten bezieht ein ganz anderes Bild ergeben kann.
M-TCO – Daimler AG
89
Überprüfung der Herstellerdaten (ggf. Nachberechnung) Optimierung Angebotsvergleich, Gegenüberstellung
Entscheidungsgrundlage mit TCO
LCC (10a) Folgekosten
Folgekosten
Investkosten
Investkosten
Hersteller A
Hersteller B
Folgekosten
Investkosten
Klassischhe Entscheidungsgrundlage
Hersteller C
Erstmalig kann für eine Anlage bzw. Maschine bereits in der Angebotsphase zu den Investitionskosten ein aussagefähiger Folgekosten-Anteil für die Auftragsvergabe bewertet werden. Abbildung 4.4: Angebotsvergleich Im Beispiel werden hier drei Maschinen von Hersteller A, B und C angefragt. Würde man diese Maschinen auf Basis der klassischen Entscheidungsgrundlage auswählen, so wäre Hersteller C der klare Favorit, Hersteller B wäre der teuerste. Wird die Entscheidung unter Berücksichtigung von Kaufpreis und TCO-Kosten getroffen, so ergibt sich ein ganz anderes Bild, in diesem Falle ist Hersteller C der teuerste, Hersteller A wäre der preiswerteste und Hersteller B wäre im Mittelfeld.
3.3
Vertragssteuerung
Der TCO-Vertrag wird durch das Controlling der TCO-Werte auf Maschinen- und Komponentenbasis hinsichtlich TCO-Werte (MTBF, MTTR, MCRP) gesteuert. Als klares Signal für den aktuellen Status auf Komponenten- und Maschinenebene wurde die so genannte TCOAmpel entwickelt. Abbildung 4.5 zeigt diese TCO-Ampel, eine normale Verkehrsampel ergänzt um die Signalfarbe blau. Jeder Farbe der TCO-Ampel ist eine eindeutige Aussage im Berichtswesen des TCO-Vertrages zugewiesen. Das Berichtswesen dient unter anderem der Kommunikation zwischen der Daimler AG als Maschinenbetreiber und den Maschinenherstellern und erfolgt
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Volker Albrecht, Peter Wetzel
in der Regel alle sechs Monate. Vorteil der TCO-Ampel ist die einfache und klare Botschaft des aktuellen Status des TCO-Vertrages auf Komponenten- und Maschinenebene hinsichtlich der garantierten Eigenschaften (MTBF, MTTR, MCRP). Diese Farben sind für Komponenten anhand der überwachten Werte im gesamten TCOProzess dargestellt und werden unter anderem an folgenden Stellen genutzt: Überwachung der TCO-Werte im TCO-Managementsystem, Berichtswesen für die Kommunikation zwischen der Daimler AG und den Maschinenlieferanten sowie als interne Meldung zur Unterstützung des Anwenders bei der Nutzung des Systems.
-
endgültige Vertragsverletzung
-
besonders kritisch
-
kritisch
-
in Ordnung
Abbildung 4.5: TCO-Ampel Um den Status der garantieren Werte auf Maschinen- und Komponentenebene eindeutig und klar darzustellen, wurden den Farben der TCO-Ampel folgende Bedeutungen zugeordnet: Grün bedeutet, die überwachten Bauteilgruppen befinden sich innerhalb der vertraglich vereinbarten Grenzwerte (MTBF, MTTR, MCRP). Gelb bedeutet, mindestens ein TCO-Grenzwert einer Komponente hat den garantierten Wert überschritten. Der Maschinenlieferant erhält in der Regel sofort bei Eintreten dieser Situation (TCO-Störfall) einen Bericht über diese Komponente. Ziel sind sofortige Verbesserungsmaßnahme an der Maschine oder Komponente, damit auf längere Sicht im Verlauf des TCO-Vertrages wieder der angestrebte grüne Zustand erreicht wird. Bei einer roten TCO-Komponente wurde der vertraglich vereinbarte Bereich deutlich verlassen, hier müssen dringend Gegenmaßnahmen getroffen werden, damit der Gerade-
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91
auslauf der Maschine nicht weiter gefährdet wird und seinen TCO-Vertrag betrachtet auf die gesamte TCO-Vertragslaufzeit wieder einhalten kann. Die blaue Ampelfarbe wurde zusätzlich hinzufügt und zeigt den so genannten „Point of no Return“ an. Hat bezogen auf eine Komponente das TCO-Grenzwert-Controlling einen blauen Status erreicht, so haben die Ausfälle oder Instandhaltungsaufwendungen den für die gesamte Vertragslaufzeit zulässigen Maximalwert überschritten. Beispielsweise bedeutet ein MTBF von zwei Jahren bei einer Laufzeit von zehn Jahren, dass die Komponente maximal fünfmal repariert werden kann, wenn am Ende der zehn Jahre der zugesagte MTBF eingehalten werden soll. Wird die Komponente sechsmal repariert, so kann auch durch Abwarten innerhalb der Vertragslaufzeit nie wieder ein MTBF von zwei oder mehr Jahren erreicht werden. Anhand der beschriebenen Ampelfarben erfolgt eine effektive Vertragsüberwachung und Vertragssteuerung. Der aktuelle Status kann entweder direkt am IT-System oder im Berichtswesen überwacht werden und der verantwortliche Mitarbeiter kann auf einen Blick sehen, wo die Probleme bei der Maschine liegen und das Gespräch mit dem Maschinenlieferanten suchen.
3.4
TCO-relevante Instandsetzungen und TCOStörfälle
Die effektive Beobachtung der Grenzwerte geschieht in einem mehrstufigen Verfahren, das einerseits den Verwaltungsaufwand in der Instandhaltung optimiert und andererseits verlässliche Werte für das Berichtswesen bereitstellt. Wird eine Maschine instandgesetzt, so bewertet der Handwerker vor Ort, ob diese Instandsetzung einer TCO-relevanten Komponente zuzuordnen ist. Auch Instandsetzungen, die eindeutig auf menschliches Versagen oder andere, nicht vom Maschinenhersteller zu verantwortende Einflüsse zurückzuführen sind, werden bereits hier ausgefiltert. Sie fließen nicht in die TCO-Betrachtung ein. Instandsetzungsvorgänge, die TCO-Relevanz haben, werden an das TCO-Managementsystem weitergeleitet. Das TCO-Managementsystem legt den einzelnen Vorgang einem technischen Gutachter vor, der nochmals die Angaben des Handwerkers auf technische Korrektheit, Vollständigkeit und Eindeutigkeit überprüft. Der Gutachter bestätigt die Korrektheit oder korrigiert die Angaben nach Rücksprache mit der jeweiligen Instandhaltung entsprechend. Erkennt der technische TCO-Beauftragte, dass der Vorgang nicht TCO-relevant ist, so wird auch dies vermerkt. Der Instandhaltungsvorgang fließt damit nicht in die vertragsrelevante Betrachtung ein.
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Volker Albrecht, Peter Wetzel
TCO-Relevanz haben nur die folgenden Maschinenstörungen: -
Störfälle, die TCO-überwachte Komponenten betreffen, Störfälle, die den Einsatz der Instandhaltung benötigen und nicht durch das Bedienpersonal behoben werden, Störfälle, die trotz bestimmungsgemäßem Gebrauch entstehen, also keine Bedienfehler oder sonstige durch äußere Einwirkung verursachten Ausfälle. Keine Wartungen oder Inspektionen
Das System überprüft sofort, ob die Vertragszusagen eingehalten werden und zeigt den Zustand der betroffenen Komponente mit den zugehörigen Ampelfarben an. Außerdem wird aufgrund der Angaben auch eine mögliche Beteiligung des Lieferanten an den laufenden Instandhaltungskosten berechnet. Ein so genannter kaufmännischer TCO-Beauftragter prüft die erfolgte Buchung im TCOManagementsystem hinsichtlich eines Kommunikationsbedarfs mit dem Lieferanten und leitet diesen bei Bedarf ein. Der Lieferant erhält einen Bericht und kann kurzfristig Stellung nehmen. Wird durch die TCO-relevante Instandsetzung an der Maschine ein zugesagter Grenzwert nicht eingehalten, so wird der Vertrag verletzt. Diese Vertragsverletzung wird als TCOStörfall bezeichnet. Dieser führt zu einer Kostenübernahmeermittlung für den Lieferanten und zum direkten Bericht über die auslösende Komponente.
3.5
Kostenverteilung und Optimierungsmaßnahmen
Stimmen die Zusagen des Lieferanten, sind alle beobachteten Komponenten im grünen Bereich. Kommt es zu einer Verletzung eines Grenzwerts, dem TCO-Störfall, so wird der Lieferant darüber in einem Bericht informiert. Gleichzeitig tritt ein Kostenverteilungsmodell in Kraft, das einen Teil der mit dieser Reparatur angefallenen Kosten dem Lieferanten zuordnet. Dabei richtet sich der Anteil der zu übernehmenden Kosten nach dem Grad der Verletzung der garantierten TCO-Grenzwerte. Die Abstufung erfolgt über den Kennwert (MTBF vor MCRP vor MTTR) und den jeweiligen Farbwert (blau vor rot vor gelb) und reicht von weniger als zwei Prozent (nur MTTR gelb) bis 100 Prozent (alle Werte rot oder blau). Natürlich liegt das Hauptinteresse der Daimler AG in der Funktionsfähigkeit der Produktionsanlagen und der Einhaltung der zugesagten Eigenschaften. Die entstehende Kostenbeteiligung ist in erster Linie ein Anstoß an den Lieferanten, die Maschine so zu verbessern, dass die zugesagten Grenzwerte zumindest im Mittel in einer Langzeitbetrachtung über die gesamte Vertragslaufzeit wieder eingehalten werden. Daher stimmt sich die Instandhaltung mit dem Lieferanten ab, ob durch gezielte Optimierungsmaßnahmen die Maschine so verbessert wer-
M-TCO – Daimler AG
93
den kann, dass die zugesagten Eigenschaften erfüllt werden. Diese Optimierungsmaßnahmen werden ebenfalls im TCO-Managementsystem erfasst. Leistungen, die der Lieferant und die Daimler AG in die Optimierung investieren, können mit Kostenbeteiligungen und auch mit Kennwerten verrechnet werden, so dass gemeinsam ein Weg zur Einhaltung der Zusagen und zur optimalen Produktion gefunden werden kann.
Abbildung 4.6: Phasen von M-TCO
4.
Erfahrungen aus der Praxis
Die Daimler AG überwacht mittlerweile ein Anlagenvolumen in Höhe von mehreren Milliarden Euro mit dem M-TCO-Verfahren. Gleichzeitig gingen die Instandhaltungsaufwendungen deutlich zurück. Wurde das Verfahren anfangs kritisch beäugt, so ist es doch zwischenzeitlich fester Bestandteil der Beschaffungspraxis aller größeren Produktionsanlagen und -maschinen. Sicher verursacht das System direkte Mehrarbeit in der Beschaffungsphase und auch in der Betriebsphase. Dies wird aber durch die Effekte aus der Auswahl der besseren Maschinen mit niedrigerem Instandhaltungsaufwand und der Optimierungspotenziale deutlich kompensiert.
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Volker Albrecht, Peter Wetzel
Alle Beteiligten erhalten durch die aussagekräftigen Kennzahlen und Berichte vergleichbare Grundlagen für die Bewertung von Maschinen, für die fachliche Diskussion und für die Entwicklung künftiger Maschinen. Die drei Kennzahlen der Anzahl der instandhaltungsrelevanten Störungen, der Ersatzteilkosten und des Arbeitsaufwandes treffen die für den grundsätzlichen Betrieb wesentlichen Eigenschaften. Der M-TCO-Regelkreis wird zwischenzeitlich weitgehend IT-gestützt überwacht. So hat die Infoman AG für die Daimler AG neben dem Überwachungssystem für die Betriebsphase auch ein System zur Online-Erfassung und dem Vergleich der TCO-Anhänge der Angebote entwickelt. M-TCO ist auch Gegenstand der Forschung. Die Daimler AG hat im Rahmen des Projekts LICMA, Life-Cycle-Performance im Maschinen- und Anlagenbau, in den Jahren 2005 bis 2008, das vom Bundesministerium der Wirtschaft gefördert wird, ein System zum automatisierten Austausch von Betriebsdaten entwickelt. Damit können künftig Lieferanten direkt interessante Betriebswerte aus der Instandhaltung und der Maschinendaten- und Betriebsdatenerfassung abrufen. Sie erhalten ein noch genaueres Bild der Leistung ihrer Maschinen im Feld. Im Projekt LICMA wurden auch Verfahren entwickelt, um TCO-Grenzwerte aus Sicht des Maschinenherstellers besser zu bestimmen. Damit kann der M-TCO-Regelkreis auch für künftige Angebote und neue Maschinenkonstruktionen weiter geschlossen werden.
5.
Ausblick
Das M-TCO-Verfahren hat sich in der Praxis bewährt. In den vergangenen fünf Jahren, in denen das Verfahren angewendet wird, wurden die Instandhaltungsaufwendungen optimiert und die Verfügbarkeit der Maschinen verbessert. Durch die Betrachtung der zu erwartenden Maschinenausfälle und der damit verbundenen künftigen Instandsetzungsaufwendungen wird schon bei der Beschaffung eine optimale Maschine ausgewählt. Betrachtet M-TCO die großen, meist mechanischen Störungen, so ist die Daimler AG nun in der Optimierung des Verfahrens und der kleinen Störungen sowie der Störungen des Produktivbetriebs unterwegs. Eine Entwicklung ist die Ausdehnung der Überwachungsfunktionen auf die Vorhersage von Ausfällen. Über Condition Monitoring, also die gezielte Beobachtung von Komponenten hinsichtlich kritischer Trends und die Prognose des Ausfallzeitpunkts, werden Störungen
M-TCO – Daimler AG
95
noch vor ihrem Auftreten erkannt. Die Reparatur kann damit in produktionsfreie Zeiten verlagert und Folgekosten durch stehende Produktion vermieden werden. Aktuell werden auch Ansätze untersucht, bei denen der Geradeauslauf der Produktion im Vordergrund steht. Gerade die kleinen Störungen, die die Arbeitsabläufe unterbrechen oder behindern, führen zu Problemen in der produzierten Qualität und zu einer überproportionalen Störung der Effizienz. Ziel ist die störungsfreie Produktion sowohl aus Sicht der produzierten Teile als auch aus Sicht der Maschinenbediener. Wird ein Bediener seltener in seiner Tätigkeit unterbrochen, steigt die Arbeitseffizienz überproportional an. Erreicht wird dies z. B. durch die gezielte Bekämpfung von Kleinstörungen als auch durch die gezielte Konzentration von Störungen auf einen Zeitpunkt. Durch den extremen Anstieg der Energiekosten rücken diese zunehmend in den Fokus. So wurde in der Vergangenheit der Energiebedarf der Maschinen pauschal bewertet und verglichen. Eine genaue Bewertung der tatsächlichen Energiekosten und der möglichen Optimierungspotenziale ist nicht erfolgt. Auch dazu laufen Arbeiten, das M-TCO-Verfahren auf die Energieverbräuche, ihre strukturierte Einbeziehung in die Angebotsphase und ihre Optimierung im laufenden Betrieb auszudehnen. Das M-TCO-Verfahren ist bei der Daimler AG gereift. Es hat sich in der Praxis bewährt und es wurden IT-Systeme zur Unterstützung des Verfahrens implementiert, die eine effiziente Umsetzung erlauben. Die Daimler AG hat sich mit ihrem Verfahren anderen Anlagenbetreibern und insbesondere auch den anderen deutschen Premiumautomobilanbietern geöffnet. Durch den Austausch in der Industrie wird eine Weiterentwicklung des kooperativen Ansatzes des Verfahrens und letztlich die Schaffung eines breiten Industriestandards erwartet, der weit mehr der Qualität der Produktionsanlagen Rechnung trägt als der bisher übliche Ansatz des Vergleichs der Erstinvestition.
LCC bei Werkzeugmaschinen aus der Sicht eines Automobilzulieferers
97
Betrachtungen zu Life-Cycle-Costing bei Werkzeugmaschinen aus der Sicht eines Automobilzulieferers Thomas Köllner, Roland Wieser, Matthias Striefler
1. Einleitung 2. Life-Cycle-Costing bei Werkzeugmaschinen 2.1 Motivation für den Einsatz von Life-Cycle-Cost-Konzepten 2.2 Aufbau von LCC-Konzepten 2.3 Bonus-Malus-System 2.4 Auswirkungen von LCC-Konzepten auf die Hersteller 2.5 Auswirkungen von LCC-Konzepten auf die Betreiber 2.6 Bewertung der LCC-Thematik aus der Sicht eines Betreibers 3. LCC-Konzept des ZF-Standorts Friedrichshafen 3.1 Zielsetzung 3.2 Annahmen 3.3 Erfasste Kostenelemente 3.4 Herausforderung „Lastkollektiv“ 3.5 Kooperationsmodell 3.6 Aussagekraft der ermittelten LCC 3.7 Vision 4. Zusammenfassung Literatur
98
1.
Thomas Köllner, Roland Wieser, Matthias Striefler
Einleitung
Für produzierende Unternehmen haben die Betriebskosten der Produktionsanlagen einen großen Einfluss auf den langfristigen Unternehmenserfolg. Um diese in der Investitionsentscheidung besser berücksichtigen zu können, eignet sich eine vollständige Betrachtung der so genannte Lebenszykluskosten (LCC) der eingesetzten Maschinen und maschinellen Anlagen. Darunter wird „die Summe aller zum bestimmungsgemäßen Gebrauch einer […] Maschine oder Anlage erforderlichen Aufwendungen von der Anschaffung bis zur Entsorgung“ verstanden (VDMA, 2007, S. 3). Vor diesem Hintergrund hat sich der ZF Standort Friedrichshafen intensiv mit der LCCThematik auseinandergesetzt und aus den gewonnenen Erkenntnissen eine eigene Vorgehensweise zur Berücksichtigung der Lebenszykluskosten bei Produktionsanlagen entwickelt. Im allgemeinen Teil der hier verfassten Ausführungen wird zunächst die Motivation für den Einsatz eines LCC-Konzepts beleuchtet und dessen Aufbau beschrieben. Danach werden die Auswirkungen dieser Vorgehensweise auf die Maschinenhersteller und Betreiber diskutiert. Den Abschluss der allgemeinen Betrachtungen bildet eine Bewertung der LCC-Thematik aus der Sicht eines Betreibers von Werkzeugmaschinen. Der vorliegende Beitrag geht darüber hinaus auf das vom ZF-Standort Friedrichshafen entwickelte LCC-Konzept ein, beginnend mit der Zielsetzung und den zu Grunde liegenden Annahmen für die Umsetzung der erarbeiteten Vorgehensweise. Ebenso werden die Kostenelemente beschrieben, die im Hinblick auf die Lebenszykluskosten erfasst werden sollen. Dabei wird auch der Einfluss der Betriebsbedingungen auf diese dargestellt. Abschließend wird die Philosophie erläutert, die der ZF-Standort Friedrichshafen mit seiner Herangehensweise verfolgt.
LCC bei Werkzeugmaschinen aus der Sicht eines Automobilzulieferers
2.
Life-Cycle-Costing bei Werkzeugmaschinen
2.1
Motivation für den Einsatz von Life-Cycle-CostKonzepten
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In der industriellen Praxis werden Investitionsentscheidungen für Werkzeugmaschinen zwischen verschiedenen Alternativen bisher mehrheitlich auf Grund von zwei Entscheidungskriterien getroffen: 1. Erfüllt die Maschine die technischen Mindestanforderungen? 2. Wie hoch sind die Investitionskosten der Maschine? Die Lebenszykluskosten (LCC) einer Werkzeugmaschine spielen bei Investitionsentscheidungen somit derzeit eher eine untergeordnete Rolle, obwohl die Kosten der Betriebs- und Entsorgungsphase die Beschaffungskosten um ein Vielfaches übersteigen können. Dies liegt daran, dass der Großteil der LCC bei der Investitionsentscheidung noch unbekannt ist. Dabei sind die Beschaffungskosten nur die sprichwörtliche Spitze des Kosteneisbergs (vgl. Abbildung 5.1), wohingegen die Aufwendungen der Betriebs- und Entsorgungsphase als „unsichtbare“ Kosten dem zukünftigen Betreiber der Maschine verborgen sind (Blanchard, B. 1978, S. 5).
Kapitalkosten Nebenkosten der Beschaffung Transportkosten … Personalkosten Bediener Betriebsmittelkosten IH-Kosten (geplant, ungeplant) Verschleiß-/Ersatzteilkosten Energiekosten ...
Anschaffungskosten
Unsicherheit über Kostenhöhe
Betriebs-/ Verwertungskosten
Abbildung 5.1: In der Entscheidungsphase unbekannte Kostenelemente der Betriebsphase ohne LCC-Betrachtung
100
Thomas Köllner, Roland Wieser, Matthias Striefler
Obwohl diese „unsichtbaren“ Kosten erst während der Nutzung der maschinellen Anlage beim Betreiber anfallen, so sind sie in ihrer Höhe durch die konstruktive Gestaltung der Maschine zum Zeitpunkt der Investitionsentscheidung bereits weitestgehend festgelegt (Wübbenhorst, K. 1984, S. 123). Eine einseitige Berücksichtigung der Beschaffungskosten bei der Auswahlentscheidung verschiedener Investitionsalternativen kann somit zur Realisierung einer suboptimalen Alternative führen. Die Abbildung 5.2 veranschaulicht diesen Sachverhalt an einem einfachen Beispiel. Sie zeigt den theoretischen Verlauf der LCC für drei alternative Maschinen mit vergleichbarer Produktionsleistung.
€
T€
Betriebskosten/Jahr
Entwicklung 190.000 300.000
110,000
Invest.höhe
Invest.höhe
Invest.höhe
1.000.000
700.000
800.000
Maschine 1 Maschine 2 Maschine 3
Einsparungen Einsparungen
Invest. höhe
0
10 t
Betriebsnutzungszeit der Maschine
Abbildung 5.2: Bedeutung der Betriebskosten für die Bewertung von Investitionsalternativen Falls der Betreiber keine verlässlichen Informationen über die zu erwartenden jährlichen Betriebskosten der Investitionsalternativen hat, wird er sich für Maschine 2 entscheiden. Schließlich kann der Betreiber – ohne die Ermittlung der LCC – nicht wissen, dass die Gesamtkosten dieser Maschine über die Betriebsnutzungszeit deutlich höher sind als die der anderen Maschinen. Erfahrungswerte aus der Instandhaltung erlauben zwar einen groben Vergleich der Instandhaltungskosten für maschinelle Anlagen verschiedener Hersteller. Diese sind für die Investitionsentscheidung jedoch nur begrenzt einsetzbar, da sie zum einen auf historischen Daten beruhen und damit keine direkte Aussagekraft für neue maschinelle Anlagen haben. Zum anderen ermöglichen sie nur einen qualitativen Vergleich. Für die der Investitionsentscheidung zu Grunde liegende Wirtschaftlichkeitsrechnung sind allerdings quantitative Aussagen notwendig. Die Auswahl der über den Lebenszyklus wirtschaftlichsten Maschine kann somit nur durch eine korrekte Erfassung der LCC realisiert werden.
LCC bei Werkzeugmaschinen aus der Sicht eines Automobilzulieferers
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Trifft der Betreiber die Investitionsentscheidung nur auf Basis der Beschaffungskosten, übt er damit zusätzlich einen erheblichen Druck auf die Maschinenhersteller aus, den Anschaffungspreis und damit die Investitionskosten für den Betreiber zu senken. Denn nur dadurch kann sich der Maschinenhersteller zunächst sichtbar von seinen Mitbewerbern differenzieren. Die dafür erforderlichen Einsparungen gehen oft einher mit Abstrichen in der Qualität der Maschine und ihrer Komponenten. Als Folge erhöhen sich die „unsichtbaren“ Kosten für den Betreiber in der Betriebsphase (Bünting, F. 2006, S. 4). Aus diesen Gründen ist der Einsatz eines LCC-Konzepts, das die Prognose der wesentlichen Betriebskosten ermöglicht, in der Investitionsentscheidung aus Sicht des Betreibers von großer Bedeutung. Ein nachhaltiges LCC-Konzept bietet somit eine gute Voraussetzung für einen wertorientierten Einsatz des zu Verfügung stehenden Kapitals.
2.2
Aufbau von LCC-Konzepten
Die Zielsetzung von LCC-Konzepten ist die möglichst genaue Prognose der LCC, die beim Betreiber in der Betriebsnutzungszeit einer Maschine anfallen. Der Betrachtungszeitraum, der mit einem LCC-Konzept überwacht werden soll, orientiert sich deshalb an der Betriebsnutzungszeit des Investitionsobjekts. Um die LCC für diesen Zeitraum bestimmen zu können, ist der Betreiber auf Informationen vom Hersteller angewiesen. Spezifische Daten einer Maschine, die dem Betreiber nicht bekannt sind und die nur der Hersteller angeben kann, sind unter anderen: Art und Häufigkeit der notwendigen Wartungstätigkeiten Arbeits- und Materialaufwendungen für diese Wartungstätigkeiten Lebensdauer/Wechselintervalle bestimmter relevanter Komponenten (LCC-Komponenten) Ersatzteilpreise für die LCC-Komponenten Arbeitsaufwendungen und Stillstandszeiten für die Instandsetzungsvorgänge der LCCKomponenten Energieverbrauch je Betriebsstunde Hilfs- und Betriebsstoffverbrauch je Betriebsstunde Personalbindung an der maschinellen Anlage … Viele dieser Daten sind jedoch von den Betriebsbedingungen abhängig, unter denen der Betreiber die Maschine einsetzen wird. Um die für die Berechnung der LCC erforderlichen Daten liefern zu können, benötigt der Hersteller deshalb vom Betreiber Informationen, die Rückschlüsse auf die Beanspruchung der Maschine im Betrachtungszeitraum ermöglichen.
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Dies sind unter anderem: Anzahl geplanter Betriebsstunden der Maschine pro Jahr geforderte technische Verfügbarkeit Teilespektrum: Zeichnungen der Roh- und Fertigteile geforderte Taktzeit / geplante Produktionsleistung Werkstoff Prozessdaten … Ein LCC-Konzept benötigt somit nicht ausschließlich ein Modell zur Berechnung der LCC. Vielmehr muss festgelegt werden, welche Informationen die beiden Parteien (Betreiber und Hersteller) der jeweils anderen Seite angeben müssen. Deshalb sollte es auch ein vertragliches Regelwerk, Werkzeuge zum Informationsaustausch, eine umfangreiche Maschinendokumentation (Einsatzbedingungen, Wartungslogbuch, Störmeldungen, Lebensdauer der LCCKomponenten) und einen Controlling-Prozess umfassen. In diesem Zusammenhang ist auch zu klären, wie die Einhaltung dieser Angaben während des gesamten Betrachtungszeitraums der Maschine überwacht werden kann. Und es müssen Regelungen für den Fall definiert werden, dass Angaben aus der Angebotsphase in der Betriebsphase nicht eingehalten oder erreicht werden. Zu diesem Zweck enthalten viele LCCKonzepte ein Bonus-Malus-System, dass eine eventuelle Mehrkostenbeteiligung der Hersteller regelt.
2.3
Bonus-Malus-System
Die LCC, die mit einem LCC-Konzept berechnet werden, fließen direkt in die Wirtschaftlichkeitsrechnung des Betreibers ein und haben damit einen großen Einfluss auf die Investitionsentscheidung. Deshalb werden Hersteller grundsätzlich ein Interesse daran haben, die LCC ihrer Maschine möglichst gering anzugeben, um ihre Chancen bei der Auftragsvergabe zu erhöhen. Der Betreiber benötigt jedoch wahrheitsgemäße LCC-Daten, um die richtige Investitionsentscheidung zu treffen. Aus diesem Grund enthalten viele LCC-Konzepte Bonus-Malus-Systeme. Diese verpflichten die Hersteller dazu einen Teil der Mehrkosten zu übernehmen, wenn sich herausstellt, dass die Angaben aus der Angebotsphase nicht erreicht wurden. Die Höhe der finanziellen Forderung an die Hersteller in diesen Bonus-Malus-Systemen kann 50 Prozent bis 100 Prozent der
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Mehrkosten betragen. Sie ist abhängig von verschiedenen Kennzahlen – wie z. B.: Anzahl der Störungen, Instandsetzungskosten oder Reparaturdauer. Bonus-Malus-Systeme dieser Art können beim Hersteller jedoch den Endruck erwecken, dass die Betreiber damit lediglich Kosten auf die Hersteller abwälzen wollen. Dies erzeugt bei den Herstellern den Eindruck, dass ein Betreiber mit Malus-Forderungen „gewollte“ Erträge erzielen kann und damit Mistrauen darüber, ob der Betreiber das vereinbarte Lastkollektiv einhält und vorgeschriebene Wartungs- und Reinigungstätigkeiten ausführt. Ein von Herstellern akzeptiertes Bonus-Malus-System sollte deshalb so gestaltet werden, dass eine Malus-Forderung immer geringer ist als der Schaden, der dem Betreiber durch das auslösende Ereignis entstanden ist. Dieser Ansatz stellt sicher, dass der Betreiber keine Vorteile daraus ziehen kann, wenn er seinen Verpflichtungen im LCC-Konzept nicht nachkommt. Auf diese Weise kann glaubhaft versichert werden, dass der Betreiber seine Verpflichtungen im LCC-Konzept einhält. Das Ziel eines Bonus-Malus-System darf nicht die Generierung von Einnahmen sein, sondern sollte sich auf die Schaffung von Anreizen für den Hersteller beschränken, die LCC-Daten wahrheitsgemäß anzugeben. Für dieses Ziel sind deutlich kleinere Mehrkostenbeteiligungen und eine Beschränkung auf die Wechselintervalle der LCC-Komponenten und die technische Verfügbarkeit ausreichend. Eine Begrenzung der Malus-Forderungen in der oben beschriebenen Form erscheint auf den ersten Blick als Nachteil für den Betreiber. Der Versuch, möglichst viele Kosten auf den Hersteller abzuwälzen, belastet jedoch das Verhältnis zwischen Hersteller und Betreiber und erschwert eine partnerschaftliche Zusammenarbeit. Außerdem müssen die Hersteller das finanzielle Risiko, das die Malus-Forderungen darstellen, in ihrer Kalkulation berücksichtigen. Das bedeutet, dass entweder der Verkaufspreis erhöht wird, oder die LCC-Daten mit Sicherheitsaufschlägen und -abschlägen angegeben werden. Dies kann jedoch nicht im Interesse des Betreibers sein. Deshalb sollte die Anwendung von Bonus-Malus-System zwischen Betreiber und Hersteller einvernehmlich abgestimmt sein.
2.4
Auswirkungen von LCC-Konzepten auf die Hersteller
Ganz offensichtlich sind LCC-Konzepte mit einem erhöhten Aufwand für den Hersteller bei der Angebotserstellung verbunden. Sie müssen – zusätzlich zur Preiskalkulation – die Angaben des Betreibers zum Produktionsprozess analysieren und daraus unter anderem die zukünftigen Wechselintervalle der LCC-Komponenten und den Energieverbrauch der Maschine ableiten. Darüber hinaus integrieren viele Betreiber ein Bonus-Malus-System in ihre LCCKonzepte. Darin verlangen sie von den Herstellern eine Kostenbeteiligung und in manchen Fällen sogar eine vollständige Kostenübernahme, falls höhere LCC in der Betriebsphase
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anfallen als nach den Angaben des Herstellers errechnet wurden. Dies stellt für die Hersteller ein sehr schwer kalkulierbares finanzielles Risiko dar, da weder die Höhe noch der Zeitpunkt möglicher Strafzahlungen bekannt sind. LCC-Konzepte haben jedoch nicht nur Nachteile für die Hersteller. Ein wichtiger Nutzen für Hersteller hochwertiger und damit auch teurer maschineller Anlagen ist, dass die Investitionsentscheidung nicht mehr nur auf der Basis des Anschaffungspreises getroffen wird. Die längere Lebensdauer von Qualitätsbauteilen gegenüber Standardkomponenten von so genannten Billiganbietern werden durch die Kenntnis der daraus resultierenden Kosten quantifizierbar und können dadurch in der Investitionsentscheidung des Betreibers berücksichtigt werden. Außerdem werden beispielsweise die Vorteile einer wartungsfreundlichen Konstruktion messbar. Die Erfassung der LCC bietet den Herstellern somit eine Möglichkeit, sich von ihren Wettbewerbern nachhaltig konzeptionell zu differenzieren. Ein weiterer, nicht zu vernachlässigender Nutzen von LCC Konzepten für Hersteller liegt im Informationsrückfluss vom Betreiber während des Betrachtungszeitraums. Da vom Hersteller verbindliche Angaben zu Wechselintervallen und Verbrauchsmengen gefordert werden, hat er in den meisten LCC-Konzepten auch ein Recht darauf, die tatsächlichen Betriebsbedingungen zu verfolgen und mit den Angaben des Betreibers in der Angebotsphase zu vergleichen. Diese Betriebsinformationen unterstützen zusammen mit den erreichten Lebensdauern der LCC-Komponenten den Hersteller, die Schwachstellen und die Stärken seiner Produkte zu erkennen. Dies ermöglicht ihm eine signifikante Weiterentwicklung seiner Maschinen. Die Hauptschwierigkeit für Hersteller im Zusammenhang mit LCC-Konzepten stellt die Bestimmung der Wechselintervalle der LCC Komponenten dar. Um Angaben zu Wechselintervallen von LCC-Komponenten geben zu können, benötigen sie historische Daten, die statistisch ausgewertet werden, um die erwartete Lebensdauer einer LCC-Komponente bestimmen zu können. Deren Gewinnung und Interpretation sind aber aus mehreren Gründen sehr schwierig: Wegen des technologischen Fortschritts sind die Komponenten neuer maschineller Anlagen nur begrenzt mit den Komponenten früherer Produktgenerationen vergleichbar. Umfangreiche Informationen vom Kundendienst liegen vor allem während der Gewährleistung vor. Nach der Gewährleistung werden Reparaturen häufig vom Betreiber durchgeführt, und es fließen kaum Informationen an den Hersteller zurück. Viele Betreiber beziehen ihre Ersatzteile direkt bei den Komponentenzulieferern oder kaufen auf Vorrat. Auch wenn historische Ausfalldaten vorliegen, so fehlen meistens Informationen über Betriebsbedingungen (Hart- oder Weichbearbeitung, Zwei- oder Drei-Schicht-Betrieb…) und Ausfallursache (Verschleiß, Bedienerfehler…).
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Auswirkungen von LCC-Konzepten auf die Betreiber
Die offenkundigste Auswirkung eines LCC-Konzepts für den Betreiber ist, dass sie damit eine bessere Informationsgrundlage für ihre Investitionsentscheidungen haben. Die Prognose der LCC versetzt den Betreiber theoretisch in die Lage, alle mit einer Investition verbundenen Kosten in der Investitionsbewertung zu berücksichtigen und dadurch die wirtschaftlichste Alternative wählen zu können. In der Praxis ist die exakte Vorhersage der LCC aus verschiedenen Gründen jedoch nicht möglich. Der Anwender eines LCC-Konzepts sollte sich immer darüber im Klaren sein, dass die errechneten LCC eine Prognose für größtenteils zukünftige Kosten sind, die naturgemäß mit Risiko behaftet sind. So kann die Höhe der Inflation und ihre Auswirkung auf Ersatzteilpreise und Energiekosten nicht mit Sicherheit vorausgesagt werden. Zudem sind die ermittelten Wechselintervalle statistische Größen und unterliegen somit einer gewissen, relativen Unsicherheit. Deshalb muss an dieser Stelle darauf hingewiesen werden, dass kein LCCKonzept die LCC einer maschinellen Anlage garantieren kann und dass die während des Betrachtungszeitraums realisierten LCC von den prognostizierten LCC abweichen können. Ein gutes LCC-Konzept versetzt den Betreiber jedoch in die Lage, einen Großteil der Folgekosten einer Investition abzuschätzen. Es unterstützt damit den Betreiber beim Vergleich alternativer Maschinen und ermöglicht dadurch die Auswahl der langfristig wirtschaftlichsten Alternative. Ein weiterer Vorteil liegt in der dauerhaften Zusammenarbeit und Kommunikation mit dem Hersteller, was durch langjährige LCC-Verträge gefördert werden kann. Diese bilden die Basis für einen kontinuierlichen Verbesserungsprozess, durch den Schwachstellen an der Maschine behoben und für neue Maschinen reduziert werden können. Darüber hinaus kann ein LCC-Konzept dazu beitragen, die technische Verfügbarkeit einer Maschine zu erhöhen und gleichzeitig die vorbeugende Instandhaltung effizienter zu gestalten. Dies ist von großer Bedeutung für den Betreiber, da die Wirtschaftlichkeit einer Maschine maßgeblich von der technischen Verfügbarkeit bestimmt wird. Die Angaben von Wechselintervallen in einem LCC Konzept ermöglicht den Austausch von LCC-Komponenten genau dann, wenn der Abnutzungsvorrat eines Verschleißteils verbraucht ist. Die Alternativen wären, entweder die LCC-Komponenten vorzeitig zu wechseln oder die LCC-Komponenten erst im Schadensfall zu ersetzen. Der vorzeitige Austausch von LCC-Komponenten würde allerdings die Ersatzteilkosten erhöhen. Die LCC-Komponenten erst nach dem Eintreten des Schadensfalls zu ersetzen, würde dagegen zu ungeplanten Stillständen während der Produktionszeit führen. Dies muss jedoch unbedingt vermieden werden, da im Zuge der Zielsetzung der Lean Production Pufferbestände in modernen Betrieben kontinuierlich reduziert werden sollen. Ein ungeplanter Stillstand an einer Maschine kann deshalb die Produktivität einer ganzen Fabrik erheblich beeinträchtigen.
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LCC-Konzepte sind allerdings auch mit Nachteilen für den Betreiber verbunden. Wie bereits erwähnt wurde, muss der Betreiber dem Hersteller in der Angebotsphase genaue Informationen über den späteren Produktionsprozess zu Verfügung stellen, damit dieser aussagekräftige Informationen liefern kann. Dies ist teilweise mit einem erheblichen Aufwand verbunden und es schränkt den Betreiber in der Betriebsphase ein. So können Änderungen am Produktionsprozess dazu führen, dass vom Hersteller gemachte Angaben ihre Gültigkeit verlieren. Die Maschinendokumentation und das Controlling der LCC stellen jedoch den größten Aufwand für die Betreiber dar. Der Betreiber muss die Einsatzbedingungen über den gesamten Betrachtungszeitraum in einer Form dokumentieren, dass er dem Hersteller gegenüber die Einhaltung der in der Angebotsphase angegebenen Einsatzbedingungen beweisen kann. Außerdem sollte er ein System zur Verschleiß- und Kollisionsüberwachung einsetzen. Lösungen für ein geeignetes Conditionmonitoring sind daher zurzeit vielerorts in der Entwicklung, die den LCC-Prozess deutlich unterstützen sollen. Diese Anstrengungen gewinnen auch aus einem anderen Hintergrund zunehmend an Bedeutung. Nur wenn der Betreiber belegen kann, dass er die vereinbarten Betriebsbedingungen eingehalten hat, kann er dem Hersteller bei einer Überschreitung der LCC nachweisen, dass dessen Angaben in der Angebotsphase nicht korrekt waren und eine Beteiligung an den daraus resultierenden Mehrkosten einfordern.
2.6
Bewertung der LCC-Thematik aus der Sicht eines Betreibers
In den vorangegangenen Kapiteln wurde der Nutzen der Erfassung der LCC ausführlich beschrieben. Es wurde jedoch auch auf den Aufwand hingewiesen, der betrieben werden muss, um diesen Nutzen zu realisieren. Deshalb muss im Vorfeld überprüft werden, ob der erwartete Nutzen den erforderlichen Aufwand für eine Betrachtung der LCC rechtfertigt. Vor dem Hintergrund großer Preisunterschiede zwischen den einheimischen, etablierten Maschinenherstellern und neuen Anbietern vor allem aus Asien ist aus Betreibersicht davon auszugehen, dass der Nutzen den Aufwand übersteigt. Damit ein LCC-Konzept wirtschaftlich angewendet werden kann, müssen trotzdem alle Automatisierungs- und Standardisierungspotenziale der mit diesem Konzept verbundenen Prozesse ausgeschöpft werden. Dies beginnt in der Beschaffungsphase mit einer standardisierten Angebotsanfrage, einer automatischen Berechnung der LCC und dem abschließenden Angebotsvergleich, der zur Investitionsentscheidung führt. Die Beschaffungsphase umfasst jedoch nur einen kleinen Ausschnitt der LCC-Betrachtung. Da die Herstellerangaben und die vom Betreiber zugesagten Betriebsbedingungen während der gesamten Nutzungsdauer der Maschine überwacht werden müssen, ist die Gestaltung dieser Prozesse für den effizienten Einsatz eines LCC-Konzepts von größter Bedeutung. Außerdem muss der Informationsaustausch
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zwischen Betreiber und Hersteller in dieser Phase geregelt werden. Zudem ist sicher zustellen, dass die gewonnenen Erkenntnisse in zukünftigen Investitionsentscheidungen berücksichtigt werden.
3.
LCC-Konzept des ZF-Standorts Friedrichshafen
Auf der Basis der in Kapitel 2 dargestellten Überlegungen hat der ZF-Standort Friedrichshafen die Entwicklung und Anwendung eines eigenen LCC-Konzepts beschlossen. Für die Erstellung einer eigenen Vorgehensweise war es wichtig, dass darin die in vielen Jahren gesammelten Erfahrungen mit den eingesetzten Produktionsanlagen einfließen. Diese ist zunächst auf Werkzeugmaschinen zugeschnitten, wurde aber so konzipiert, dass es in Zukunft an alle Produktionsmittel anpassbar ist.
3.1
Zielsetzung
Wie bereits erläutert, ist es ein wesentliches Ziel von LCC-Konzepten, die Folgekosten einer Investitionsentscheidung zu ermitteln und diese bei der Auswahl zwischen alternativen Produktionsmitteln zu berücksichtigen. Schließlich kann eine Auswahl allein auf Basis des Anschaffungspreises zu einer suboptimalen Entscheidung führen. Der ZF-Standort Friedrichshafen verfolgt mit seinem LCC-Konzept jedoch noch ein weiteres Ziel. Das Produktionssystem der ZF orientiert sich – wie viele andere ganzheitliche Produktionssysteme auch – an den Grundsätzen der Lean Production. In diesem Zusammenhang werden Pufferbestände reduziert, um die Kapitalbindung zu optimieren. Dies hat zur Folge, dass ungeplante Stillstände an einzelnen Maschinen nach kurzer Zeit zu erheblichen Produktionsstörungen für einen ganzen Standort führen können bis hin zu einem Stillstand der Endmontage, was sich negativ auf die Belieferung des Kunden auswirken kann. Daraus resultieren teilweise hohe ungeplante Folgekosten, die es unbedingt zu vermeiden gilt. Die Hauptziele, die der ZF-Standort Friedrichshafen mit seinem LCC-Konzept erreichen will, sind deshalb: 1. Reduzierung ungeplanter Stillstände 2. Kostentransparenz in der Angebotsphase 3. Auswahl der wirtschaftlichsten Investitionsalternative
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Annahmen
Um ein LCC-Konzept korrekt anwenden zu können, ist es notwendig die für eine Berücksichtigung der Lebenszykluskosten zu Grunde liegenden Annahmen zu kennen. Anderenfalls kann dies zu Fehlinterpretationen führen. In diesem Zusammenhang ist die zentrale Grundannahme des ZF-Standorts Friedrichshafen, dass die zur Auswahl stehenden Maschinen vergleichbare Produktionsleistungen aufweisen. Diese Bedingung ist notwendig, um eine Entscheidung auf Grund von unterschiedlichen LCC treffen zu können. Ist diese Annahme nicht gegeben, muss neben den LCC auch der Nutzen der alternativen Maschinen bestimmt und mit den LCC in Beziehung gesetzt werden, um eine optimale Entscheidung zu garantieren. Für diesen Fall wurde vom Institut für Produktionstechnik (wbk) der Universität Karlsruhe der Begriff Life-Cycle-Performance entwickelt, der das Verhältnis von Nutzen pro LCC angibt (vgl. Abbildung 5.3).
Abbildung 5.3: Definition Life-Cycle-Performance (Fleischer, J. 2004, S. 88) Diese Annahme ist bei der Beschaffung von Maschinen am ZF-Standort Friedrichshafen gegeben. In einem Lastenheft werden die technischen Anforderungen für die zu beschaffende Maschinen über Taktzeiten, geforderte technische Verfügbarkeit und Fertigungstoleranzen genau vorgegeben. Somit sind die Output-Mengen der Investitionsalternativen vergleichbar und die LCC sind als Basis für die Auswahlentscheidung ausreichend. Auf die Berücksichtigung der Produktionsleistung im LCC-Konzept kann deshalb verzichtet werden.
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3.3
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Erfasste Kostenelemente
Das LCC-Konzept des ZF-Standorts Friedrichshafen orientiert sich an der Kostenstruktur des VDMA-Einheitsblatts 34160. Im Gegensatz zum Modell des VDMA beinhaltet das LCCKonzept des ZF-Standorts Friedrichshafen jedoch nur die Entstehungs- und Betriebsphase. Die Verwertungsphase am Ende der Nutzungsdauer einer Produktionsanlage ist – aus Sicht des ZF-Standorts Friedrichshafen – für Werkzeugmaschinen nur von untergeordneter Bedeutung und wird deshalb nicht berücksichtigt. Dies liegt zum einen daran, dass die Entsorgungskosten einer Werkzeugmaschine am Ende der Nutzungsdauer verglichen mit den Kosten der Entstehungs- und Betriebsphase relativ gering sind. Zum anderen ist die Prognose des Restwerts einer Produktionsanlage sehr schwierig. Dieser ist im großen Umfang vom technologischen Fortschritt, der gesamtwirtschaftlichen Lage und der daraus resultierenden Nachfrage nach gebrauchten Produktionsanlagen abhängig. Da die konjunkturelle Entwicklung über einen so lange Zeitraum nicht mit ausreichender Genauigkeit vorhergesagt werden kann, wäre eine Prognose der Kosten der Verwertungsphase mit großer Unsicherheit behaftet. Die Kostenelemente, die im LCC-Konzept des ZF-Standorts Friedrichshafen betrachtet werden, sind in Abbildung 5.4 aufgelistet. Entstehungsphase
Betriebsphase
Anschaffungspreis
Wartung & Reinigung
Installationskosten
geplante Instandhaltung
Inbetriebnahmekosten
ungeplante Instandhaltung
Schulungskosten
Energiekosten
(R)HB-Stoffe
Werkzeugkosten
Ersatzteilkosten
Flächenkosten
Abbildung 5.4: Im LCC-Konzept betrachtete Kostenelemente Ein besonderes Augenmerk liegt dabei auf den Angaben zur geplanten/vorbeugenden Instandhaltung. Diese muss optimiert werden, um das Ziel der Reduzierung ungeplanter Stillstände zu erreichen. Zu diesem Zweck wird von den Herstellern die Angabe von Wechselintervallen, Arbeitsaufwendungen, Stillstandszeiten und Materialaufwendungen für wichtige Komponenten gefordert. Es ist jedoch weder möglich noch sinnvoll Wechselintervalle und Ersatzteilpreise für alle Komponenten einer Maschine abzufragen, da die Angabe dieser Informationen für den Hersteller in der Angebotsphase mit einem großen Aufwand verbunden ist. Deshalb muss der
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Betreiber die Anzahl der Komponenten, für die diese Daten abgefragt werden, einschränken. Dies ist auch im Interesse des Betreibers, da die Angaben der Hersteller in der Betriebsphase überwacht werden müssen. Das LCC-Konzept beschränkt sich deshalb auf die Hauptkostentreiber, die in diesem Konzept als LCC-Komponenten bezeichnet werden. Die Auswahl der LCC-Komponenten erfolgt in Absprache mit dem Hersteller. Der Betreiber muss jedoch darauf achten, dass bei allen alternativen Angeboten eines Investitionsprojekts identische Maßstäbe für die Festlegung der LCC-Komponenten angewendet werden, da sonst kein Vergleich der Alternativen möglich ist. Als Grundlage gilt ein vom ZF-Standort Friedrichshafen entwickeltes, zweistufiges Maschinenmodell (vgl. Abbildung 5.5). In diesem Modell wird die Maschine zunächst in ihre wesentlichen Baugruppen untergliedert, die in der zweiten Ebene in die wichtigsten Komponenten aufgespalten werden.
Maschine Baugruppe LCC-Komponenten
Werkzeugmaschine
Linearachse
Führung
Spindeleinheit
KGT
Rotationsachse
Messsystem
Werkzeugwechselsystem/ Werkzeugrevolver
Abdeckungen
Motor
Abbildung 5.5: Beispiel für LCC-Komponenten Welche Baugruppen in einer Anfrage relevant sind, ist immer vom konkreten Investitionsprojekt und der Maschinenstruktur abhängig. Deshalb sollten diese möglichst flexibel von Fall zu Fall ausgewählt werden. Die LCC-Komponenten einer Baugruppe sind jedoch meistens die Selben, so dass für jede Baugruppe eine standardisierte Liste mit LCC-Komponenten verwendet werden kann. Um Missverständnisse zu vermeiden, werden diese trotzdem mit den Herstellern besprochen, da zum Teil unterschiedliche Bezeichnungen verwendet werden.
3.4
Herausforderung „Lastkollektiv“
Wie bereits im Abschnitt über den Aufbau von LCC-Konzepten erwähnt, benötigen die Hersteller Informationen über die Einsatzbedingungen, um daraus die Beanspruchung ihrer Maschinen und der LCC-Komponenten beim Betreiber ableiten zu können. Zu diesem Zweck wird vom Betreiber ein Lastkollektiv definiert, das alle wesentlichen Einflussfaktoren auf die Belastung der Maschine enthält. Die Festlegung eines Lastkollektivs ist von zentraler Bedeutung für ein LCC-Konzept, da der Hersteller ohne die Angabe eines konkreten Lastkollektivs keine konkreten Angaben zu den
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vom Betreiber geforderten Maschinendaten machen kann. Wenn dem Hersteller keine Informationen zum Lastkollektiv vorliegen, kann er unter der Annahme einer sehr großen Beanspruchung nur minimale Wechselintervalle und maximale Verbrauchsmengen angeben, um sicherzustellen, dass die daraus ermittelten LCC in der Betriebsphase nicht überstiegen werden. Auf dieser Informationsbasis können jedoch keine genauen LCC berechnet werden und die Aussagekraft des LCC-Konzepts ist gering. Die Angabe eines Lastkollektivs ist für den Betreiber allerdings keine leichte Aufgabe. Das Lastkollektiv muss vor der Abgabe des endgültigen Angebots des Herstellers erfolgen. Bei der ZF sind zu diesem Zeitpunkt jedoch noch nicht alle Parameter des zukünftigen Bearbeitungsprozesses festgelegt. Darüber hinaus wird sich das Lastkollektiv einer Maschine während des Betrachtungszeitraums aus verschiedenen Gründen ändern: das Teilespektrum, das auf der Maschine gefertigt wird, kann sich während des Betrachtungszeitraums ändern technologische Optimierungen führen zu Veränderungen am Produktionsprozess, die auch das Lastkollektiv beeinflussen können maschinelle Optimierungen verändern die Leistungsfähigkeit der maschinellen Anlage. Wenn das Lastkollektiv jedoch deutlich geändert wird, sind die Herstellerangaben, die auf dem ursprünglichen Lastkollektiv basieren, möglicherweise nicht mehr korrekt. In dieser Situation müssen die Wechselintervalle der LCC-Komponenten überprüft und gegebenenfalls angepasst werden. Denn nur dann kann die vorbeugende Instandhaltung weiterhin effizient geplant und durchgeführt werden. Die Schwierigkeit besteht darin, ein Modell zu entwickeln, mit dem objektiv entschieden werden kann, ob durch Änderungen am Bearbeitungsprozess die Beanspruchung der Maschine und ihrer LCC-Komponenten entscheidend erhöht wurde. In diesem Fall muss der Hersteller seine zugesagten Wechselintervalle anpassen dürfen. Wenn nicht, behalten die ursprünglich zugesagten Wechselintervalle und die damit einhergehenden Verpflichtungen des Herstellers ihre Gültigkeit. Aus diesen Gründen ist vorgesehen, dass im LCC-Konzept des ZF-Standorts Friedrichshafen das Lastkollektiv im Lastenheft über die Angabe verschiedener Belastungsfaktoren beschrieben wird. Diese sollen in der Betriebsphase überwacht werden, um den Hersteller bei einer signifikanten Änderung des Lastkollektivs darüber informieren zu können. Wird auf diese Weise eine deutliche Änderung der Beanspruchung der Maschine und der LCCKomponenten erkannt, muss der Hersteller die zugesagten Wechselintervalle überprüfen und gegebenenfalls anpassen dürfen. Selbstverständlich können in diesem Zusammenhang auch Abweichungen bei den Energieund KSS-Verbrauchsmengen eintreten. Da in der Betriebsphase die Investitionsentscheidung bereits getroffen wurde, liegt allerdings kein Nutzen darin, diese Daten ebenfalls vom Hersteller überprüfen zu lassen. Die Richtigkeit dieser Angaben kann direkt nach der betriebsbe-
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reiten Übergabe vom Betreiber kontrolliert werden, indem er diese während der Produktion unter dem definierten Lastkollektiv misst.
3.5
Kooperationsmodell
Ein zentrales Anliegen des ZF-Standorts Friedrichshafen ist in Anlehnung an die Unternehmenskultur die Förderung und Realisierung einer konstruktiven und partnerschaftlichen Zusammenarbeit mit den Zulieferern. Aus diesem Grund wurden viele Hersteller von Werkzeugmaschinen frühzeitig in die Konzept-Entwicklung eingebunden, um deren Fachwissen zu nutzen und um gleichzeitig dadurch deren Akzeptanz zu erhöhen. Dies ist vor dem Hintergrund der bei vielen Maschinen-Herstellern anzutreffenden Skepsis gegenüber LCCKonzepten von großer Bedeutung. Der ZF-Standort Friedrichshafen versteht daher sein LCC-Konzept grundsätzlich nicht als Instrument zur Kompensation und/oder Begrenzung der Betriebskosten, sondern als Werkzeug, um die technische Verfügbarkeit der eingesetzten Bearbeitungsmaschinen zu erhöhen. Dies zeigt sich bereits in der Formulierung der Zielsetzung. Ein weiteres Zeichen, mit dem der ZF-Standort Friedrichshafen den partnerschaftlichen Charakter seines LCC-Konzepts darstellt, ist der offene Datenaustausch in der Betriebsphase. Dieser sieht vor, dass neben den Informationen zu Störungen an der Maschinen und der Lebensdauer der LCC-Komponenten auch Betriebsdaten zu Verfügung gestellt werden, mit denen die Einhaltung des Lastkollektivs überprüft werden kann. Außerdem prüft der ZFStandort Friedrichshafen die Einführung eines Systems zur Kollisionsüberwachung, um Bedienfehler und dadurch verursachte Schädigungen der Maschine erkennen zu können. Parallel dazu wird an der Einführung einer technische Lösung für ein zielgerichtetes Conditionmonitoring zur automatischen Verschleißerkennung und -messung wichtiger, kostenintensiver Komponenten gearbeitet. Auf Basis eines damit geschaffenen Vertrauensverhältnisses sollen während des Betriebs erkannte Schwachstellen in gemeinsamen KVP-Workshops ohne gegenseitige Schuldzuweisungen kurzfristig angegangen und behoben werden.
3.6
Aussagekraft der ermittelten LCC
Die systematische Erfassung der Kostenelemente und deren mathematische Berechnung können den Eindruck erwecken, dass die ermittelten LCC eine determinierte Größe sind. Tatsächlich wird durch ein LCC-Konzept jedoch nur eine Prognose für die zukünftigen Be-
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triebskosten erstellt. Diese Prognose ist – wie jede andere Vorhersage – mit Unsicherheit behaftet. So können die in der Betriebsphase tatsächlich anfallenden Kosten aus verschiedenen Gründen von den prognostizierten LCC abweichen. Die Gründe für diese Abweichungen sind entweder beim Hersteller, beim Betreiber oder bei externen Markteinflüssen zu suchen. Externe Markteinflüsse, die in diesem Zusammenhang erwähnt werden müssen, sind die: Entwicklung der Lohnkosten Marktpreisentwicklung für Energieträger Preispolitik der Zulieferer (Komponenten und Werkzeuge). Zusätzlich zu diesen externen Markteinflüssen können die LCC jedoch auch durch Entscheidungen des Betreibers beeinflusst werden. Änderungen des Teilespektrums oder Optimierungen des Bearbeitungsprozesses können sowohl den Energieverbrauch als auch den Bedarf an Hilfs- und Betriebsstoffen erhöhen. Eine Steigerung des Lastkollektivs führt zu einem höheren Verschleiß der LCC-Komponenten und damit auch zu einer Zunahme der Kosten für die geplante Instandhaltung. Fehlerhafte Angaben des Herstellers in der LCC-Angebotsmappe stellen die dritte Ursache für Abweichungen zwischen prognostizierten und realisierten LCC dar. Die Erfahrung zeigt, dass die Hersteller große Schwierigkeiten bei der Angabe der geforderten Daten haben. So weisen Hersteller immer wieder darauf hin, dass sie die genauen Energie- und KSS Verbrauchsmengen sowie die Wechselintervalle nicht kennen. Diese Fehlerquelle wird jedoch mit zunehmender Erfahrung der Hersteller im Umgang mit LCC-Konzepten abnehmen. Eine Investitionsentscheidung sollte aus den genannten Gründen nicht alleine auf der Basis der ermittelten LCC gefällt werden. Neben den technischen Eigenschaften der Maschine sollten darüber hinaus immer noch folgende nicht monetäre Faktoren berücksichtigt werden: Erfahrungen in der Zusammenarbeit mit dem Hersteller Qualität des Kundendienstes (Erreichbarkeit, Dauer bis zum Eintreffen eines Servicetechnikers) Ersatzteilverfügbarkeit Stillstandszeiten der Maschine (Wartung & Reinigung, geplante IH, Rüstvorgänge und Werkzeugwechsel). Auch wenn die prognostizierten LCC aus den erwähnten Gründen mit einer nicht zu vernachlässigenden Unsicherheit behaftet sind, stellen sie doch einen wesentlichen Informationsgewinn für den Betreiber dar und sind deshalb in der Angebotsphase von großer Bedeutung. Es ist daher wichtig sich dieser Unsicherheit bewusst zu sein, um die ermittelten LCC richtig bewerten zu können und gegenüber den anderen Entscheidungskriterien richtig zu gewichten.
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Vision
Die Vision, die der ZF-Standort Friedrichshafen mit seinem LCC-Konzept verfolgt, ist die Unterstützung der Hersteller bei der langfristigen nachhaltigen Verbesserung der Werkzeugmaschinen, die sich vorteilhaft auf ihren Einsatz in der ZF auswirken wird. Hierzu wird der Maschinen-Hersteller durch den gezielten und gemeinsam abgestimmten Informationsfluss unterstützt werden, die Schwachstellen seiner Maschinen zu erkennen. So liefert der Rückfluss umfangreicher Felddaten den Herstellern eine umfangreiche Datenbasis, die bei der Entwicklung neuer Maschinen herangezogen werden kann. Darüber hinaus versetzen diese Felddaten den Hersteller in die Lage den Betreiber bei der Behebung von Schwachstellen aktuell betriebener Maschinen besser zu unterstützen. Viele LCC-Komponenten, wie z. B. Motorspindeln und Kugelgewindetriebe werden, allerdings nicht von Maschinenherstellern produziert, sondern von diesen bei Zulieferern bezogen. Deshalb soll nach erfolgreicher Einführung des LCC-Konzepts zwischen dem ZFStandort Friedrichshafen und den Maschinen-Herstellern geprüft werden, wie diese Zulieferer in das LCC-Konzept mit eingebunden werden können. Die Abbildung 5.6 stellt die Vision des zukünftigen Informationsflusses zwischen Betreiber, Herstellern und Zulieferern im Rahmen des LCC-Konzepts anschaulich dar. Damit soll verdeutlicht werden, dass auch der Lieferant von Komponenten einen sehr wichtigen Beitrag für einen störungsfreien zuverlässigen Einsatz der Produktionsanlagen liefert.
ZF Instandhaltung
Fertigungssegmente
Unterstützung bei Fehlerbehebung, Ferndiagnose, Serviceeinsätze, Schwachstellenbeseitigung, etc.
Felddaten
Komponentenlieferanten
Hersteller Service/KD After Market
Konstruktion - ggf. Änderungen an neuen Maschinen - kontinuierliche Verbesserungen an bestehenden Maschinen
Anfrage, Lastenheft
MaschinenBeschaffung
Vertrieb technisches Konzept, LCC-Daten
Abbildung 5.6: Informationsfluss zwischen Betreiber und Hersteller im LCC-Konzept des ZF Standorts Friedrichshafen
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4.
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Zusammenfassung
Die Kenntnis der Lebenszykluskosten (LCC) einer Maschine bereits vor der Investitionsentscheidung ist für den Betreiber von großem Vorteil. Schließlich ermöglicht ihm diese Information die Auswahl der für ihn langfristig wirtschaftlichsten Maschine. Die Ermittlung der LCC ist allerdings aufwendig und erfordert einen umfangreichen und offenen Informationsaustausch zwischen Betreiber und Hersteller. Dieser fällt nicht nur in der Beschaffungsphase an, sondern auch während der Betriebsphase. Der Aufwand kann jedoch reduziert werden, indem sich das LCC-Konzept auf die Hauptkostentreiber beschränkt und nicht versucht sämtliche Kostenelemente zu erfassen. Eine Grundvoraussetzung für ein funktionierendes LCC-Konzept ist die konstruktive Zusammenarbeit in KVP-Workshops und ein Vertrauensverhältnis zwischen Betreiber und Hersteller. Aus diesem Grund versteht der ZF-Standort Friedrichshafen sein LCC-Konzept nicht als Instrument zur Kompensation und/oder Begrenzung der Betriebskosten. Vielmehr soll damit in Anlehnung an die ZF-Unternehmenskultur die Philosophie eines Kooperationsmodells verfolgt werden, um mit der Unterstützung des Herstellers sowohl die technische Verfügbarkeit als auch die Zuverlässigkeit der eingesetzten Maschinen zu erhöhen. Bei der Auswertung der ermittelten Lebenszykluskosten in der Investitionsentscheidung und dem ständigen Controlling der Herstellerangaben in der Betriebsphase muss berücksichtigt werden, dass ein LCC-Konzept nur eine Kosten-Prognose darstellt. Eine Überschreitung kann vielschichtige Gründe haben. Deren Ursache kann allerdings wirksam durch ein LCCKonzept aufgedeckt werden und stellt damit einen wertvollen Ansatzpunkt für eine zukünftige Vermeidung dar.
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Literatur
BLANCHARD, B.: Design and Manage to Life-Cycle-Cost, Portland 1978. BÜNTING, F.: VDMA-Einheitsblatt 34160 Prognose der Lebenszykluskosten, VDMA-InfoTag, Frankfurt 2006. FLEISCHER, J.: Life-Cycle-Performance in der Produktionstechnik, in: VDI-Z, Oktober 2004, S. 87-90. VERBAND DEUTSCHER MASCHINEN- UND ANLAGENBAU (VDMA): VDMA 34160: Prognosemodell für die Lebenszykluskosten von Maschinen und Anlagen, Berlin 2007. WÜBBENHORST, K.: Konzept der Lebenszykluskosten – Grundlagen, Problemstellungen und technologische Zusammenhänge, Darmstadt 1984.
LCC/TCO aus Sicht eines Werkzeugmaschinenherstellers
LCC/TCO aus Sicht eines Werkzeugmaschinenherstellers Christian Boge
1. Einleitung 2. LCC als "Interessengemeinschaft" 3. Technische Aspekte 3.1 Belastungsprofil 3.2 Felddaten 3.3 Zustandsorientierte Instandhaltung 4. Organisatorische Aspekte 4.1 Organisation der Maschinenherstellung 4.1.1 Entwicklung und Konstruktion 4.1.2 Angebotsprozess 4.1.3 Einbindung der Komponenten-Lieferanten 4.2 Service-Organisation 5. LCC-Vereinbarungen – Chancen und Risiken für Maschinenhersteller Literatur
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1.
Christian Boge
Einleitung
Im heutigen Wettbewerbsumfeld bestimmen die Anwender den Nutzen eines Investitionsgutes wie einer Werkzeugmaschine zunehmend nicht mehr nur durch die über die technischen Daten bestimmten Produktivitätswerte, sondern sie stellen eine ganzheitliche Nutzenbetrachtung über die Einsatzdauer in den Vordergrund. Getrieben wird diese Art der Bewertung nicht nur durch den Zwang zur möglichst vollständigen Ausnutzung der Produktionsmittel, sondern auch durch die stark gestiegenen Anforderungen an die Zuverlässigkeit der Produktion im Rahmen von Just-In-Time- bzw. One-PieceFlow-Produktionskonzepten. Die durch den globalen Wettbewerbsdruck getriebene ständige Suche nach vermeidbaren Verschwendungspotenzialen im Rahmen von KVP- und KAIZENAktivitäten auf allen Ebenen eines Unternehmens rückt in Zeiten ständig steigender Energieund Rohstoffkosten auch bisherige Randbedingungen einer Produktion in den Fokus. Zur quantitativen Abbildung dieser ganzheitlichen Nutzenbetrachtung sind die Verfahren der Lebenszykluskostenermittlung insbesondere in den letzten Jahren durch große Anwender aus der Automobilindustrie wie Ford oder Mercedes Benz an die Belange der Produktionstechnik angepasst worden und zum Bestandteil der Anfrageprozesse gemacht worden. Dabei sind Begriffe wie „Total-Cost-of-Ownership – TCO“, „Life-Cycle-Costs – LCC“ oder „Lebenszykluskostenanalyse – LCA“ eingeführt worden. In diesem Beitrag wird im Folgenden nur der Begriff LCC verwendet. Allgemeine Grundlagen werden in weiteren Beiträgen dargestellt und hier als bekannt angenommen. Ziel dieses Beitrages ist die Darstellung der Chancen und Risiken des LCC-Konzeptes aus Sicht eines Werkzeugmaschinenherstellers in der Interessengemeinschaft zwischen Maschinenanwendern, Maschinenherstellern und Komponentenlieferanten. Der Schwerpunkt liegt auf der Betrachtung der Gebrauchskosten, denn die Entstehungskosten sind im Allgemeinen gut bekannt und die Verwertungskosten haben auch für die Anwender zurzeit keine hohe Priorität. Im Weiteren sind mit LCC-Kosten die Kosten in der Gebrauchsphase gemeint.
2.
LCC als „Interessengemeinschaft“
Der Wettbewerbsdruck in der Werkzeugmaschinenindustrie hat in vielen Bereichen zu einer technischen Angleichung der Maschinen geführt. Ein Differenzierung im Markt erfolgt daher neben den technischen Produkteigenschaften zunehmend über die Gebrauchseigenschaften, die sich durch LCC-Angaben beschreiben lassen. Damit bietet das LCC-Konzept den Ma-
LCC/TCO aus Sicht eines Werkzeugmaschinenherstellers
119
schinenherstellern auch die Chance, ihre oft beworbenen Qualitätsstandards quantitativ zu belegen und so Premiumansprüche auch in Form höherer Preise am Markt umsetzten zu können. Abbildung 6.1 veranschaulicht diesen Mechanismus.
T€ e2 h in c s Ma 1 L CC C Masc hine LC
Einsparungen 0
10
t
Quelle: Bleich, Philipp (2007) Abbildung 6.1: Einsparungspotenzial bei LCC-Betrachtung trotz höherer Investitionskosten Die Anwender verfolgen mit einer LCC-Betrachtung im Wesentlichen die folgenden Ziele: Abgesicherte Investitionsentscheidung : Ermittlung „realistischer“ Gesamtkosten zum Zeitpunkt der Investition als Basis des Anbietervergleiches :
Beschaffungskosten Wartung Geplante Instandhaltungskosten Servicekosten, insbesondere Ersatzteile
Dabei werden Nutzungszeiträume von typischerweise zehn Jahre bei gleichförmiger Belastungsart unterstellt. Erhöhte Anlagenverfügbarkeit durch Absicherung der Vermeidung ungeplanter Ausfälle über Abfrage von Angaben zu sicherer Maschinenauslegung (R&M-Daten) vorbeugender/zustandsorientierter Instandhaltung Erhöhte Planungssicherheit im Produktionsprozess Erhöhte Planungssicherheit der Produktionskosten Der Aufbau von zuverlässigen Partnerschaften zwischen Anwendern und Herstellern wird als zusätzlicher qualitativer Nutzen betrachtet.
120
Christian Boge
Wenn nun aber neben Investitionskosten die Kosten der Gebrauchsphase einer Maschine verstärkt betrachtet werden, müssen neben den weithin bekannten und akzeptierten technischen Leistungsparametern einer Maschine wie z. B. Achsgeschwindigkeiten, -beschleunigungen, Span-zu-Span-Zeit oder Werkzeugwechselzeiten vermehrt einsatzabhängige Aspekte wie Energie-, Druckluft-, Kühlmittel- oder Werkzeugverbrauch beachtet werden. Schon diese kurze Aufzählung macht deutlich, dass hier die durch den Betreiber beeinflusste Nutzungsart die Kosten bestimmt. Unmittelbar nachvollziehbar ist auch, dass die technische Verfügbarkeit einer Maschine in hohem Maße von der Beanspruchung durch den Bearbeitungsprozess sowie die Durchführung der Wartungs- und Instandhaltungsmaßnahmen bestimmt wird. Diese hohe Abhängigkeit der LCC-Kosten von ausschließlich oder schwerpunktmäßig durch den Betreiber induzierten Kostenanteilen wird im Rahmen der Anfrage- und Verhandlungsphase oftmals nicht ausreichend berücksichtigt. Zur Durchführung einer LCC-Betrachtung ist damit die Abschätzung der Kostentreiber sowohl auf Anwender- als auch auf Herstellerseite notwendig: Kostentreiber auf Anwenderseite:
Betriebsmittelverbrauch (Energie, Kühlmittel, ...) Bearbeitung (Vorrichtung, Werkzeug, Kühlmittel, Energie) Wartungs-/Instandhaltungs-Intervalle Zuverlässigkeit (Qualifikation, Wartung/Instandhaltung)
Kostentreiber auf Anbieterseite:
Investition (Preis, Lieferung/Aufstellung) Zuverlässigkeit: Verfügbarkeit in Abhängigkeit vom Belastungsprofil Wartbarkeit (Energieverbrauch)
Weitere Fragestellungen betreffen: Behandlung von lebensdauerbehafteten Verschleißteilen
Verfolgung Lebenslauf zwischen Lieferant, Maschinenhersteller und Betreiber Einlagerung (keine „Abnutzung“ aber Alterung, Gewährleistungsdauer) Einbau Ausbau Wiederaufarbeitung
R&M-Datenübertragung zwischen Betreiber und Hersteller (s.u.) Abgestimmtes Strukturmodell der Maschine Datenübertragung, Umsetzung, Auswertung Methoden und Maschinenausrüstung für zustandsabhängige Instandhaltung (s.u.) Logbücher Sensorik (Spindelstatus, Crash, Maschinenauslastung)
LCC/TCO aus Sicht eines Werkzeugmaschinenherstellers
121
Die Bedeutung der durch das Belastungsprofil besonders beeinflussten Kostenblöcke „Wartung“ und „Instandhaltung“ zeigt Abbildung 6.2. Hierbei konnten die bearbeitungsabhängigen Energiekosten sowie die Hilfs- und Betriebsmittelkosten mangels Vorgaben durch den Betreiber nicht dargestellt werden, ihre Höhe wird aber mindestens in der Größenordnung der Wartungskosten geschätzt.
LCC-Kostenverlauf 1.000.000
80.000
900.000
70.000
800.000
EURO
700.000
50.000
600.000
40.000
500.000 400.000
30.000
300.000 20.000
aufsummierte Kosten
60.000
Ene rgie kosten pro Ja hr be i Lee rlau f Hi lfs- u nd Betrie bsmittelko sten ge samt p ro Jahr Wartung u nd Rei nig ung
200.000
10.000
100.000
Gepl ante Instand setzung i m Betrach tu ngsze itraum Entstehu ngsko ste n
0
Betriebsjahre
0
La ufend e aufsummi erte Kosten
Abbildung 6.2: Verlauf von ausgewählten LCC-Kosten in der Betriebsphase Daher wird eine Methodik für das Belastungsprofil im Weiteren separat vorgestellt. Bei der Absicherung der LCC-Zusagen der Hersteller gehen die Anwender im Wesentlichen zwei Wege: Vertragliche Fixierung, z. B. über Bonus/Malus-Regelungen Derartige, oftmals einseitige, Regelungen laufen im Kern auf eine Verlängerung der Gewährleistungszusagen hinaus. Es resultieren umfangreiche Vertragswerke, die beim Hersteller u. a. über Rückstellungen abgesichert werden müssen und somit zu kalkulatorischen Kostenerhöhungen führen. Zudem ist die zumeist unterstellte gleichförmige Nutzung der Maschinen zumindest im Bereich von Standardmaschinen wie z. B. Bearbeitungszentren nicht zutreffend. Somit ist die Nutzungsart der Maschinen durch den Hersteller laufend zu überwachen. Insgesamt tendieren diese Systeme eher zu einem Klima des Misstrauens, die notwendigen Überwachungs- und Kontrollmechanismen auf Seiten der Anwender müssen sehr nachweisfest sein. Eine Tendenz zu nicht mehr Wert schöpfend wirkender Zusammenarbeit zwischen Anwendern und Herstellern kann nicht ausgeschlossen werden.
122
Christian Boge
Abschluss von partnerschaftlich gestalteten LCC-Vereinbarungen, gestützt durch separate Serviceverträge Im Gegensatz zu Bonus/Malussystemen umgehen auf Partnerschaft ausgelegte „LCCVereinbarungen“ den praktisch problematischen Zwang zur vollständig nachweisfesten Kontroll- und Überwachungsmechanismen, ohne jedoch in der Praxis wirkungslos zu sein. Kern ist die Trennung zwischen „LCC-Angebotsunterlagen“ in der Anfragephase, „LCCVereinbarung“ sowie Serviceverträgen zwischen Anwender und Hersteller. „LCC-Anfrage“ Vorgabe der LCC-Berechnungsvorschrift durch den Anwender, Festlegung von technischen und betrieblichen Grundlagen durch den Anwender : o Belastungsprofile o Datenaustausch o Qualifikation Bediener/Instandhalter Abgabe eines Angebotes mit verbindlichen Daten für den vorgegebenen Lastfall „LCC-Vereinbarung“ in der Nutzungsphase (hier nur ausgewählte Aspekte aufgezeigt) Definition gegenseitiger Rechte und Pflichten : o Verbindliche „Regelgespräche“ zwischen Anwender und Hersteller o Anbieter - Recht auf „Audit“ - Pflicht zu R&M-Ermittlung - Pflicht zu Produktpflege, KVP o Betreiber - Recht auf Eskalationsstrategie - Pflicht zur Übertragung von Felddaten - Pflicht zur Bekanntgabe einer Nutzungsänderung Eigenständiger Servicevertrag in der Nutzungsphase Ersatzteilversorgung (Preise, Verfügbarkeit) Reaktionszeiten (Monteure, Ersatzteile) Die Vorteile dieser Konstruktion sind beiderseitig. Der Anwender kann „harte“ Serviceanforderungen von Nachweis „weicher“ Nutzungsbedingungen entkoppeln und vertraglich bindend regeln.
LCC/TCO aus Sicht eines Werkzeugmaschinenherstellers
123
Der Hersteller kann die Verantwortlichkeit für die Umsetzung der LCC-Vereinbarung in der produzierenden Einheit lassen und die Serviceaspekte eindeutig dem Servicebereich zuordnen. Dies kommt üblichen Unternehmensstrukturen mit Cost-Centern oder eigenständigen Unternehmensbereichen für Produktion und Service entgegen. Die Produktion ist üblicherweise nur bis zum Ende der Gewährleistung beteiligt, während die Servicebereiche den gesamten Lebenslauf einer Maschine betreuen. Dies erlaubt eine partnerschaftliche Zusammenarbeit beider Parteien über die gesamte Nutzungszeit.
3.
Technische Aspekte
3.1
Belastungsprofil
Entscheidende Eingangsgröße für die Ermittlung der LCC-Kosten ist die Kenntnis der Maschinennutzung. Neben organisatorischen und damit leicht beschreibbaren Parametern wie Schichtmodell und Produktionsprogramm ist die Kenntnis der Bearbeitungstechnologie entscheidend. Die vom Anwender eingesetzte Bearbeitungstechnologie bestimmt wesentliche Kostenblöcke wie Werkzeug-, Kühlmittel-, Strom- und Druckluftverbrauch. Wartungsintervalle an den verschiedenen Maschinenkomponenten sind von den Nutzungsbedingungen – z. B. Nassoder Trockenbearbeitung, Stahl-, Guss- oder Aluminiumbearbeitung – abhängig. Allerdings ist eine detaillierte Beschreibung der Lastfälle auf Basis von Vorschubkräften, -geschwindigkeiten, Spindeldrehzahlen, Anzahl Werkzeugwechseln etc. nicht praxisgerecht. Vorgeschlagen wird daher eine Portfoliobildung (vgl. Abbildung 6.3) auf Basis des bearbeiteten Materials einerseits und einer Einteilung in „leichte“ und „schwere“ Bearbeitung andererseits. Eine detaillierte Erarbeitung eines derartigen Portfolios steht allerdings noch aus.
124
Christian Boge
Option 2
Option 4
Option 6
Option 1
Option 3
Option 5
- Bewegungen/min - Kräfte - Verschmutzung
Material (Alu, Guss, Stahl)
Abbildung 6.3: Portfolio zur Beschreibung von Belastungsprofilen
3.2
Felddaten
Entscheidend für die beiderseitige Akzeptanz der R&M-Daten ist der Rückfluss aller Felddaten an den Hersteller. Dieser muss die Daten aller im Feld befindlichen Maschinen nach einheitlichen Strukturen auswerten (vgl. Abbildung 6.4). Basis des Datenaustausches sind im Minimum die Fehlermeldungen mit Fehlerort an der Maschine, Fehlerbeschreibung, Datum und Störungsdauer. Dabei ist die Codierung des Fehlerortes aufgrund der unterschiedlichen Maschinenstrukturen eine besondere Herausforderung. Zudem stimmen die Codes der Anwender und der Hersteller in aller Regel nicht überein. Eine in der Praxis erprobte Lösung ist die Codierung nach: „generischem Maschinentyp“ (z. B. horizontales Bearbeitungszentrum, vertikale Drehmaschine, ..) Funktionsgruppe (z. B. Linearachse-X, Drehtisch, Spindel) lebensdauerbehafteter Baugruppe oder Bauteil („LCC-Komponente“) (z. B. Linearführung, Kugelrollspindel, Antriebsmotor) Derartige Strukturen finden sich bei vielen Anwendern. Dies erlaubt die automatisierte Umsetzung der Anwendermeldungen in das Meldungssystem des Herstellers. Auf dieser Basis sind dann Auswertungen auf dem gesamten Maschinenbestand im Feld möglich.
LCC/TCO aus Sicht eines Werkzeugmaschinenherstellers
Kunden mit IH-Systemen, z.B. SAP
125
Maschinenhersteller: Service Reports
Maschinenhersteller: Service Center/Hotline
Service Report
Input Tool (PC basiert)
Download (Fehler, -ort, Datum, Störungsdauer)
EXCEL
Code Transformation (EXCEL)
SAP Service Report
Z3
Reporting
Abbildung 6.4: Datenfluss der Felddatenerfassung Die Felddaten sind für eine Vielzahl von LCC relevanten Aussagen unerlässlich (vgl. Abbildung 6.5). Dazu gehören insbesondere: Katalogisieren von Ausfallmöglichkeiten von Baugruppen Standardisierung von Maßnahmen zur Fehlervermeidung Datenbank für FMEA Analysen Einsatz in
Maschinenentwicklung, SE-Prozessen, Anlagensimulation Konstruktion, Erstellung von Ersatzteillisten und Wartungsplänen
126
Christian Boge
Datenanalyse Engineering Review MTBF max., MTTR min.
R&M Datenermittlung
R&M Datenbank Bauteil-Lebensdauer MTBF, MTTR, FMEA
Lebensdauerkosten Ersatzteile, TCOWartungsplan
R&D Prozess Bauteilauswahl Bauteil-Analyse
Projekt-Konstruktion Produkt FMEA Ersatzteil-Liste
SE Prozess Maschinenauswahl Systemlayout Simulation Verfügbarkeit, MTBF, MTTR, OEE
Abbildung 6.5: Nutzung der Felddaten in Entwicklung, Planung und Projektabwicklung beim Hersteller Durch Vergleich der Felddaten aller Maschinen im Feld mit denen eines speziellen Anwenders können Aussagen über die einsatzspezifische Situation gewonnen werden. Diese Aussagen sind eine wesentliche Eingabe in die Regelgespräche, wenn es um die Diskussion über anwenderspezifische Maschinenausfälle geht.
3.3
Zustandsorientierte Instandhaltung
Verfahren der zustandsorientierten Instandhaltung bieten Einsparpotenziale in Form längerer Maschinenlaufzeiten ohne gleichzeitig erhöhtes Ausfallrisiko. Dabei sollen die Lebensdauervorräte der Maschinenkomponenten abhängig von den aktuellen Belastungen möglichst genau erfasst und ausgenutzt werden. Verfahren auf der Basis zusätzlicher Sensorik an kritischen Maschinenkomponenten sind weitestgehend noch in der Entwicklung. Ein flächendeckender produktiver Einsatz an Werkzeugmaschinen findet noch nicht statt. Die Auswertung der Felddaten erlaubt zum einen die Identifikation der anfälligsten Maschinenelemente und damit die Identifizierung von Komponenten, bei denen eine Überwachung am ehesten lohnt.
LCC/TCO aus Sicht eines Werkzeugmaschinenherstellers
127
Durch Zusammenführung der Felddaten mit den Belastungsfällen lassen sich Hinweise auf zustandsabhängige Wartungs- und Instandhaltungsintervalle ableiten. So ist eine belastungsabhängige Dynamisierung auch ohne zusätzliche Sensorik vorstellbar.
4.
Organisatorische Aspekte
Die Umsetzung der LCC-Anforderungen der Anwender und die Nutzbarmachung der Vorteile für die eigene Organisation erfordern eine Anpassung der Prozesse beim Hersteller. Etliche Werkzeugmaschinenunternehmen haben ihre Produktherstellung und den Service organisatorisch getrennt, daher werden im Folgenden diese beiden Organisationen getrennt betrachtet und die Auswirkung dieser Trennung unter LCC-Gesichtspunkten für die am meisten betroffenen Prozesse untersucht. Es zeigt sich, dass LCC-Anforderungen in einer Organisation eine Intensivierung zahlreicher Nahtstellen erfordert.
4.1
Organisation der Maschinenherstellung
4.1.1
Entwicklung und Konstruktion
Die Einflüsse auf den Prozess der Maschinenentwicklung verdeutlichte bereits Abbildung 6.5. Den Bereichen Entwicklung und Konstruktion obliegt in Zusammenarbeit mit dem Service die Auswertung der Felddaten und die Ermittlung der R&M-Daten sowie die Produktpflege. Selbstverständlich müssen die Erkenntnisse aus dem Feld bei Neuentwicklungen berücksichtigt werden.
4.1.2
Angebotsprozess
Der herkömmliche Angebotsprozess kann sich nicht mehr auf die Ermittlung der vom Anwender benötigten Maschinenkonfiguration beschränken, sondern muss auf Basis der vom Anwender vorgegebenen Einsatzdaten die für diesen Einsatzfall gültigen LCC-Daten ermitteln. Eine Standardkalkulation scheidet aus, um keine Wettbewerbsnachteile zu erleiden. Einen Vorschlag für die hierzu notwendige Prozessmodifikation zeigt Abbildung 6.6.
128
Abbildung 6.6: LCC-Angebotsprozess
Christian Boge
LCC/TCO aus Sicht eines Werkzeugmaschinenherstellers
129
Abbildung 6.7 zeigt die Prozesstreiber und -beteiligte und verdeutlicht damit die Querschnittsfunktion einer LCC-Betrachtung.
Prozessschritte LCC Angebotsprozess Blanko Nr.
Prozessschritt (Reiter)
Prozesstreiber
Beteiligte
1
LCC-Ausschreibung
Vertrieb
Festlegung Eingangsgrößen
2
LCC-Ausschreibung
Vertrieb
Festlegung Option/Lastkollektiv
3
LCC-AngebotMaschinendaten
Vertrieb
Entwicklung
Ausfüllen der geforderten Felder
4
Komponenten Wartung Reinigung
Entwicklung
Service
Wartungs- und Reinigungsarbeiten, mit Angabe zur Dauer
5
Komponenten geplante IH
Entwicklung
Service/ Einkauf
Entwicklung: Angabe Kennwerte, Dauer Service: Gegencheck der Werte, Angabe Zuständigkeit Einkauf: Festlegung Ersatzteilpreise, Komponentenpreise
6
LCC-Kostenblatt
Automatisch
Werte werden automatisch berechnet
7
LCC-Diagramm
Automatisch
Werte werden automatisch grafisch aufbereitet
8
Analyse Diagramme
Automatisch
Vertrieb
Aufgaben
Hier können verschiedenste Diagramme erstellt werden
Abbildung 6.7: Prozesstreiber und -beteiligte im LCC-Angebotsprozess Abbildung 6.8 verdeutlicht die Bedeutung des Belastungsprofils in Bezug auf die Wartungskosten. Je nach Belastungsprofil wird ein anderer Satz an Wartungsanweisungen mit unterschiedlichen Zyklen und Zeitaufwänden gewählt.
130
Christian Boge
Wartungshandbuch Inhalt Lastkollektiv anhand der Matrix wählen Option 2
Option 4
Option 6
Guss Alu Stahl schwere schwere schwere Bearbeitung Bearbeitung Bearbeitung
Option 1
Option 3
Automatische Auswahl
Reinigung und Wartung nach 3000 h
Zeitaufwand: ca.
6 Std.
Reinigung und Wartung nach 5000 h
Zeitaufwand: ca.
3 Std.
Reinigung und Wartung nach 6000 h
Zeitaufwand: ca. 3,5 Std.
Reinigung und Wartung nach 10 000 h Zeitaufwand: ca. 11,5 Std. Reinigung und Wartung nach 20 000 h Zeitaufwand: ca
Option 5
9 Std.
Alu Guss Stahl leichte leichte leichte Bearbeitung Bearbeitung Bearbeitung
Automatische Kalkulation
Betriebskosten
Automatische Kalkulation
80.000,00 € 70.000,00 € 60.000,00 €
sonstige Kosten
50.000,00 €
Personal Entsorgung RHB
40.000,00 € 30.000,00 €
Energiekosten FK + RK geplante IH
20.000,00 €
Wartung und Reinigung
10.000,00 € -
€ 1
2
3
4
5
6
7
8
9
10
Abbildung 6.8: Festlegung von Wartungskosten im Rahmen des LCC-Angebotsprozesses
4.1.3
Einbindung der Komponenten-Lieferanten
Alle Werkzeugmaschinenhersteller verwenden auch für Kernfunktionen ihrer Maschinen komplexe Baugruppen und Teile von externen Lieferanten. Zur Ermittlung der LCC-Angaben einer Maschine und der Beherrschung der Risiken ist daher eine Einbindung der Lieferanten unerlässlich (Noske, H. 2007) (vgl. Abbildung 6.9).
Zulieferer
LCC-Risiko
LCC-Kennwerte
WZM Hersteller
LCC-Risiko
Betreiber
LCC-Kennwerte
Abbildung 6.9: Einbindung von Komponenten-Lieferanten in den LCC-Prozess Gerade die LCC-Kennwerte in Form der R&M-Daten sind von Lieferanten schwer zu erhalten. Zum einen trifft auch hier die Problematik der anwenderspezifischen Lastkollektive zu.
LCC/TCO aus Sicht eines Werkzeugmaschinenherstellers
131
Zum anderen sind R&M-Daten im Kern statistische Größen, für die Lieferanten in aller Regel keine verbindlichen Zusagen geben. Abhilfe kann auch hier nur eine partnerschaftlich Zusammenarbeit, z. B. in Form auf Felddaten basierter Regelgespräche, bieten.
4.2
Service-Organisation
Die Servicebereiche sind für die in Abbildung 6.4 dargestellte Felddatenerfassung verantwortlich. Gleichzeitig sollte ihnen die Verantwortung für die Koordination der Regelgespräche mit dem Anwender übertragen werden.
5.
LCC-Vereinbarungen – Chancen und Risiken für Maschinenhersteller
Bei der Umsetzung von „LCC-Vereinbarungen“ in Verbindung mit Serviceverträgen werden folgende Chancen und Risiken für den Maschinenhersteller gesehen: Chancen Langfristige Kundenbindung Hohe Güte der Felddaten
o Sachliche Grundlage für Regelgespräche zwischen Anwender und Hersteller o Kontinuierliche Produktverbesserung o Eingaben in die Produktentwicklung Erträge im Service o Wartung o Geplante Instandhaltung o Schulungen Risiken, zu lösende Fragestellungen
Übertragung der Felddaten an eigene Systeme Einbindung der Komponentenlieferanten Langfristige Sicherstellung kurzer Ersatzteil-Lieferzeiten Langfristige Preisgestaltung Ersatzteile und Dienstleistungen
132
Christian Boge
Die „Risiken“ in Bezug auf die Ersatzteile sind jedoch schon immer vorhanden und nicht neu im Rahmen der LCC-Thematik aufgetaucht. Aus alldem ergibt sich als
Fazit: Bei einer partnerschaftlichen Umsetzung von „LCC-Vereinbarungen“ und vertraglicher Beschränkung auf „Service-Verträge“ ergibt sich mit LCC eine Win-win-Situation für Anwender und Maschinenhersteller.
LCC/TCO aus Sicht eines Werkzeugmaschinenherstellers
133
Literatur
BLEICH, PH.: Konzept zur Berücksichtigung der Life-Cycle-Cost als Kriterium für die Investitionsentscheidung bei Maschinen und maschinellen Anlagen; Diplomarbeit WBK, Technische Universität Karlsruhe, 2007 NOSKE, H.: Lebenszyklusorientierte WZM, VDMA ERFA, Leipzig 2006 OTT, P.: Konzeption und prototypische Realisierung eines Life-Cycle-Costing-Modells für einen mittelständischen Werkzeugmaschinenhersteller, Diplomarbeit, Hochschule für Technik, Wirtschaft und Gestaltung, Konstanz 2007
Design-to-Life-Cycle-Cost bei Investitionsgütern am Beispiel von Werkzeugmaschinen
Design-to-Life-Cycle-Cost bei Investitionsgütern am Beispiel von Werkzeugmaschinen Heiko Noske, Christos Kalogerakis
1. Einleitung 2. Grundlagen 2.1 Kostenverursachung und -festlegung 2.2 LCC/TCO in der Beschaffung 2.3 Design-to-Cost 3. Design-to-Life-Cycle-Cost 3.1 Konzeption 3.2 Anforderungen und Funktionsmerkmale 3.3 EDV-Architektur 3.4 Anwendungsbeispiel 4. Fazit und Ausblick Literatur
135
136
1.
Heiko Noske, Christos Kalogerakis
Einleitung
Neben der Führungsposition im Export stellen Maschinen- und Anlagenbauer die meisten Arbeitsplätze in Deutschland. Als Schlüssel zum Erfolg werden Entwicklungstätigkeiten gesehen (VDMA 2004). Dabei sind Werkzeugmaschinen das Kronjuwel in der deutschen Maschinenbauindustrie. Ohne ein Produkt aus diesem Industriezweig kann nahezu kein anderes Investitions- oder Konsumgut entstehen. Der internationale Wettbewerb kennzeichnet sich durch die kundenseitige Forderung nach leistungsfähigen, qualitativ hochwertigen und zuverlässigen sowie kundenindividuellen Produkten. Dem entgegen steht ein zunehmender Preisverfall am Markt, da für viele Käufer der Anschaffungspreis einer Werkzeugmaschine bei der Beschaffung neuer Fertigungsanlagen im Vordergrund steht. Aber immer mehr Kunden schließen eine Kalkulation der gesamten, über den Lebenszyklus einer Werkzeugmaschine anfallenden Kosten bei der Kaufentscheidung mit ein. Eine Untersuchung des Fraunhofer Instituts für System- und Innovationsforschung belegt, dass die Betrachtung von Lebenszykluskosten (engl. Life-Cycle-Costs, abgekürzt „LCC“) in Zukunft bei der Kaufentscheidung von Werkzeugmaschinen enorm an Bedeutung gewinnen wird (Kinkel, S. 2005). Daimler hat den Anfang gemacht und beschafft weltweit Produktionsanlagen nur noch auf Basis von TCO-Verträgen (Oesterlin, T. 2004). Dabei werden die gesamten Kosten einer Investition (engl. Total-Cost-of-Ownership, abgekürzt: „TCO“) betrachtet. Daimler hat eine wichtige Vorreiterrolle inne. Andere Großabnehmer von Werkzeugmaschinen ziehen langsam nach. In den Entwicklungsabteilungen von Werkzeugmaschinenherstellern hat bislang die Optimierung der Kosten und somit das Erzielen eines möglichst günstigen Marktpreises des Produkts höchste Priorität. Lebenszykluskostenbetrachtungen werden erst angestellt, wenn die Produktentwicklung bereits abgeschlossen ist. Diese Vorgehensweise liefert aus Anwendersicht ein nur eingeschränktes, da kurzfristiges Kostenminimum. Sind zum Beispiel bei einer neuartigen Maschinenspindel, die über den gesamten Lebenszyklus wartungsfrei arbeitet, die Herstellkosten höher als bei einer herkömmlichen Spindel, so wird erst bei einer Betrachtung der Lebenszykluskosten deutlich, dass der Einsatz der wartungsfreien Spindel aus Kundensicht unter Umständen wirtschaftlicher und somit der Einsatz dieser Komponente in der neuen Werkzeugmaschine durchaus sinnvoll ist (Denkena, B., Möhring, H.-C., Harms, A., Vogeler, S., Noske, H. 2005). In Abbildung 7.1 wird veranschaulicht, welche Wirkung die auf Lebenszykluskosten basierten Entscheidungsverfahren beim Einkauf von Investitionsgütern haben. Bei einem rein preisbasierten Entscheidungsverfahren wird der Lieferant B den Kaufzuschlag auf Grund des geringsten Anschaffungspreises erhalten. Wird aber die Summe aus Beschaffungs- und Instandhaltungskosten über die ersten zehn Jahre bei den Lieferanten angefragt und als Vertragsbestandteil im Kaufvertrag verbindlich festgeschrieben, so zeigt der Lieferant C das mit Abstand beste Preis/Leistungsverhältnis.
Design-to-Life-Cycle-Cost bei Investitionsgütern am Beispiel von Werkzeugmaschinen
137
1.200 Instandhaltungskosten
1.000
Beschaffungskosten
800
600
400
200
0 Lieferant A
Lieferant B
Lieferant C
Abbildung 7.1: Angebote mit unterschiedlichen Einmal- und Folgekosten
2.
Grundlagen
2.1
Kostenverursachung und -festlegung
Zahlreiche Untersuchungen haben ergeben, dass etwa 90 Prozent der Produktkosten und der daraus resultierenden Erlöse aus dem Absatz bereits nach dem Gestaltungsprozess determiniert sind (Siegwart, H., Senti, R. 1995, Männel, W. 1996, Ehrlenspiel, K., Kiewert, A., Lindemann, U. 2003) (vgl. Abbildung 7.2). Daher ist eine frühe Identifizierung der Lebenszykluskostentreiber notwendig, um frühzeitig gegensteuern zu können oder Vergleichsstudien zur Entscheidungsunterstützung durchzuführen. Bauteilkonstruktion, Materialwahl und die Wahl des Fertigungsprozesses im Entwicklungszyklus definieren in weiten Teilen die im Marktzyklus anfallenden Kosten und Erlöse. Die Kostenbetrachtung ist deshalb simultan im Entwicklungsprozess durchzuführen, da andernfalls zeit- und kostenintensive Änderungen notwendig
138
Heiko Noske, Christos Kalogerakis
werden oder aber das Produkt nicht gewinnbringend abgesetzt werden kann. Die „Rule of Ten“ verdeutlicht den Zusammenhang exponentiellen Wachstums von Kosten über den Lebenslauf: „Eine Änderung während der Aufgabenklärung kostet z. B. ein EUR, während der Konstruktion zehn EUR, während der Fertigungsvorbereitung 100 EUR, während der Fertigung 1.000 EUR und nach der Auslieferung 10.000 EUR“ (Ehrlenspiel, K. 2003). Im Nachsorgezyklus entstehende Kosten für Garantie, Kundendienst oder Entsorgung werden ebenfalls durch qualitative Eigenschaften des Produkts, wie sie in der Entwicklung festgelegt werden, vorherbestimmt.
100 Kostenfestlegung Kostenverursachung
Kosten in %
80
60
40
20
0
Produktion/Vertrieb
Entwicklungsstart Entwicklungszeit
Quelle: Ehrlenspiel, K. 2003 Abbildung 7.2: Kostenentstehung und -verursachung
2.2
LCC/TCO in der Beschaffung
DaimlerChrysler lässt sich die Instandhaltungskosten der ersten zehn Jahre einschließlich Fehler- und Ersatzteilkosten von den Lieferanten vertraglich garantieren. Hersteller von Maschinen, die die zugesicherten Folgekosten während der Betriebsphase überschreitet, werden haftbar gemacht (vgl. Abbildung 7.3). Hierzu soll es einmal im Jahr ein Abstimmungsgespräch mit dem Lieferanten geben. Auch MAN geht ähnlich vor, aber verschafft den Lieferanten mit einem Bonus-System Anreize: Nur solche Lieferanten, die die zugesicherten Fol-
Design-to-Life-Cycle-Cost bei Investitionsgütern am Beispiel von Werkzeugmaschinen
139
gekosten in der Betriebsphase unterschreiten, werden an den Einsparung beteiligt (Bonus/ Malus-System) (Krawitz, G. 2004).
kumulierte Folgekosten in €
Außerplanmäßige Kosten Haftung!
Folgekosten der WZM
TCO-Plankosten
0
10 Jahre
t
Abbildung 7.3: Vergleich von kumulierten TCO-Plan- und Folgekosten Mit dem TCO-Beschaffungsverfahren werden die Instandhaltungskosten für Maschinen und Anlagen planbar. Mit der Kaufentscheidung kann die zuständige Abteilung im Unternehmen die Plankosten für die Instandhaltung der Maschinen der nächsten zehn Jahre in ihr Budget einstellen. Mehrkosten müssen vom Lieferanten übernommen werden. Das Risiko übermäßiger Instandhaltungs- und Fehlerkosten durch den Einkauf weniger wertvoller Maschinen, das nach dem Gewährleistungszeitraum praktisch ausschließlich beim Endanwender lag, wird durch TCO-Auswahlverfahren weitgehend ausgeschlossen. Bei der Übertragung von TCO-Beschaffungsverfahren auf andere Unternehmen ist zu beachten, dass das von der Beschaffung vorgegebene Kalkulationsschema zur Berechnung der Folgekosten an den jeweiligen Anwendungsfall angepasst und nicht einfach kopiert werden kann. Wenn zum Beispiel Energie-, Raum- oder Recyclingkosten einen wesentlichen Stellenwert bei den Lebenszykluskosten des jeweiligen Anwendungsfalls einnehmen, dann sollten diese auch im TCO-Kalkulationsschema Berücksichtigung finden. Für eine erfolgreiche Einführung von TCO-Entscheidungsverfahren in den Einkaufsabteilungen produzierender Unternehmen müssen demnach firmen- und produktspezifische Randbedingungen beachtet werden.
140
Heiko Noske, Christos Kalogerakis
Vor dem Abschluss von TCO-Verträgen sollten Maschinenhersteller beachten, dass das Haftungsrisiko möglichst umfassend auf die Lieferanten übertragen wird. Ein verantwortungsvoller Maschinenhersteller kann gar nicht die Gewährleistung zum Beispiel für die Maschinensteuerung innerhalb der nächsten zehn Jahre übernehmen, da die Maschinensteuerung in der Regel zugekauft wird. Allein durch die Preisentwicklung von Ersatzteilen können gerade im Bereich der Elektronik Mehrkosten entstehen, die ein Maschinenhersteller überhaupt nicht absehen kann. Aber auch für andere Zukaufbaugruppen müssen Maschinenhersteller in den Kaufverträgen das TCO-Risiko verursachungsgerecht möglichst umfassend an die Lieferanten weitergeben und somit das eigene Restrisiko minimieren (vgl. Abbildung 7.4).
Risiko
überplanmäßige TCOKosten
Risiko
Komponenten-Lieferanten
überplanmäßige Instandhaltungskosten
WZM-Hersteller
Maschinenanwender
Restrisiko
Abbildung 7.4: Risikominimierung des Maschinenherstellers Zusammenfassend kann festgestellt werden, dass das TCO-Beschaffungsverfahren große Chancen für deutsche Hersteller von Maschinen- und Anlagen birgt, weil die Vorteile qualitativ hochwertiger, aber teurer Produkte auch in Form von TCO-Vergleichskalkulationen deutlich werden. Es wird für den Kunden transparent, welcher Anteil des Mehrpreises beim Angebotsvergleich durch eine höhere technische und qualitative Performance verursacht wird. Dies bedeutet für den deutschen Maschinen- und Anlagenbau eine Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit.
Design-to-Life-Cycle-Cost bei Investitionsgütern am Beispiel von Werkzeugmaschinen
2.3
141
Design-to-Cost
Die Vorgabe verbindlicher Kostenziele zu Beginn einer Produktentwicklung (Design-to-Cost) hat sich heute bereits durchgesetzt. Die Überwachung und Steuerung eines Entwicklungsprojekts steckt aber noch in den Kinderschuhen. Sehr große Zeitspannen zwischen Bewertbarkeit des ersten und des letzten Bauteils und sich überlagernder Make-or-buy-Entscheidungen machen beim herkömmlichen Vorgehen erst am Ende des Entwicklungsprozesses eine Aussage über die Gesamtkosten und damit über die Einhaltung der Design-to-Cost-Vorgaben möglich. Das verstärkt sich mit zunehmender Größe des Entwicklungsprojektes sowie mit wachsender Anzahl von Konstrukteuren, externen Konstruktionsbüros und Lieferanten. Wird nach dieser üblichen Arbeitsweise festgestellt, dass die Entwicklung das Kostenziel verfehlt, dann kommt diese Erkenntnis zu spät. Die Entwicklung muss „von hinten“ wieder aufgerollt werden und kostenseitig optimiert werden. Der Wirkungsgrad dieser Bemühungen ist gering. Der von Firma ProWerk entwickelte Kostennavigator gibt den Projektbeteiligten das zur kostenbewussten Produktentwicklung erforderliche Werkzeug zur ständigen Kostentransparenz an die Hand (vgl. Noske, H. 2002). Der Kostennavigator ist ein Werkzeug und eine Methode, mit dem der „Blindflug“ im Entwicklungsprozess unterbunden wird, so dass bei Fehlentwicklungen frühzeitig eingegriffen werden kann. Ständige Kostentransparenz fördert ein zielstrebiges Vorgehen hin auf das Kosten- und Terminziel, ohne kosten- und zeitintensive Umwege. Dazu wird das Informationssystem bereichsübergreifend eingesetzt. So vermittelt es allen Beteiligten einschließlich Unternehmensleitung und Controlling einen stets aktuellen Überblick über den Stand der Herstellkosten eines in der Entwicklung befindlichen Produkts.
3.
Design-to-Life-Cycle-Cost
3.1
Konzeption
Wie reagieren Maschinen- und Anlagenbauer auf die zunehmende Verbreitung von TCOBeschaffungsverfahren? Grundsätzlich tun sie heute noch zu wenig, um die wirtschaftlichen Vorteile ihrer Produkte offensiv zu vertreten und auch den Käufern transparent zu machen. So wird der Kundennutzen deutscher Investitionsgüter zwar in Form technischer Parameter verdeutlicht, aber nur selten auch in Form einer Kalkulation des geldwerten Kundennutzens (vgl. Abbildung 7.5). Die Ursache hierfür liegt bereits im frühesten Entwicklungsstadium der Maschine oder Anlage. Die Entscheidung für den Einsatz von sehr hochwertigen und teuren
142
Heiko Noske, Christos Kalogerakis
Maschinenkomponenten wird in der Regel von den Ingenieuren auf Basis der technischen Performance getroffen. LCC- bzw. TCO-Kalkulationen werden aber im Entwicklungsstadium praktisch nie angestellt, obwohl gerade ein Vergleich der Lebenszykluskosten mit minderwertigen Alternativkomponenten die Vorteile der weitsichtigeren Entscheidungen für jeden transparent und verständlich macht.
Lebenszyklus kosten in €
Low-Cost Werkzeugmaschine Low-LCC Werkzeugmaschine
Folgekosten - Werkzeuge - Service - Wartung - Energie etc. Beschaffungskosten
0
5 Jahre
10 Jahre
t
© ProWerk GmbH
Abbildung 7.5: Vergleich einer Low-Cost-Werkzeugmaschine mit einer Low-LCC-Werkzeugmaschine Die Entwickler und Konstrukteure im Maschinen- und Anlagenbau jedoch besitzen heute kaum Werkzeuge zur Kalkulation von Lebenszykluskosten. Auch für die ControllingAbteilungen der Maschinenhersteller sind TCO- bzw. LCC-Kalkulationen zumeist absolutes Neuland. Aus diesem Grunde wurde der Kostennavigator, der in diversen Kostensenkungsprojekten im Maschinenbau erfolgreich zum Einsatz kommt, zum TCO-Navigator weiterentwickelt (vgl. Noske, H. 2002). Dieses Werkzeug bietet den Entwicklern und Konstrukteuren sämtliche Hilfsmittel zur Prognoserechnung von Lebenszykluskosten einzelner Bauteile und Baugruppen bis hin zur gesamten Maschine oder Produktionsanlage. Die beschriebenen Zusammenhänge lassen sich jetzt bei der Entwicklung einer Werkzeugmaschine erstmalig praktisch nachweisen (Denkena, B., Harms, A., Jacobsen, J., Möhring, H.-C., Jungk A., Noske H. 2006). Im Rahmen eines vom BMBF geförderten Verbundprojekts mit den Firmen Gildemeister AG, Siemens AG sowie mit dem Produktionstechnischen Zentrum Hannover (PZH) und Komponentenlieferanten wurde erstmalig schon im frühen Entwicklungsstadium einer Produktionsmaschine Design-to-TCO betrieben und nicht, wie sonst üblich, Design-toCost (vgl. Abbildung 7.6). Dabei wurde unter ständigem Einsatz des TCO-Navigators die
Design-to-Life-Cycle-Cost bei Investitionsgütern am Beispiel von Werkzeugmaschinen
143
Low-TCO-Werkzeugmaschine LOEWE entwickelt und realisiert. Das Ziel des Entwicklungsprojekts war es, dass jeder Euro Mehrpreis der Maschine durch TCO-Konstruktionslösungen nach maximal einem halben Jahr Betriebsdauer beim Anwender wieder eingespart werden soll.
Steuerungstechnik, Überwachung
Schwenkspindeleinheit
Maschinen-/ProzessÜberwachung
Maschinenkonzeption Überwachungsstrategien
Konzeption + Prototyp
LCC-überwachter KGT
Elektrisches Spannsystem
TCO-Navigator
Transpondertechnik zur Datenspeicherung auf Komponenten
Abbildung 7.6: LoeWe-Konsortium
3.2
Anforderungen und Funktionsmerkmale
Im Rahmen des Forschungsprojektes wurde die Phase der Konzepterstellung mit der Erstellung eines Pflichtenhefts für den LCC-Navigator abgeschlossen. Die wesentlichen Eckpunkte des Pflichtenhefts sind nachfolgend zusammengefasst: Einfache Implementierung des LCC-Navigators in jedem Firmennetzwerk ohne jede Zusatzsoftware. Es dürfen keine Zusatzkosten entstehen. Zugriffsrechtverwaltung im Firmennetzwerk über einen Administrator. Für kundenspezifische Auswertungen müssen sämtliche Daten auf Knopfdruck in Excel portierbar sein.
144
Heiko Noske, Christos Kalogerakis
Mehrprojektverwaltung und bis zu 100 Kalkulationsstücklisten pro Projekt (vgl. Abbildung 7.7). Nachträgliche Editierung von Zusatzspalten, z. B. für zusätzliche Kalkulationsparameter der Lebenszykluskosten, muss einfach handhabbar sein. Hohe Flexibilität im Layout der Kalkulationsstücklisten à la Excel. Korrekte Einbindung der vorgegebenen Kalkulationsschemen zur Berechnung der Lebenszykluskosten (vgl. Abbildung 7.8). Kopierschutz.
Abbildung 7.7: TCO-Navigator Maskenbeispiel Projektdaten
Design-to-Life-Cycle-Cost bei Investitionsgütern am Beispiel von Werkzeugmaschinen
Abbildung 7.8: LCC-Kalkulationsblatt
145
146
3.3
Heiko Noske, Christos Kalogerakis
EDV-Architektur
Die Softwarestruktur des LCC-Navigators basiert auf einem Drei-Schicht-Modell (vgl. Abbildung 7.9). Die 1. Schicht – Datenbankverwaltung – wurde mit der Software Microsoft SQL Server Express Edition aufgebaut. Es wurde Wert darauf gelegt, dass die Datenverwaltung mit einer weit verbreiteten Software eines angesehenen Softwarehauses umgesetzt wird. In der 2. Schicht – Applikationslogik – werden die Daten der Datenbank aufbereitet und editierbar gemacht. Diese Schicht wird mit dem Microsoft.NET Framework umgesetzt, welches eine reibungslose Schnittstelle zur Datenbank garantiert. Die 3. Schicht – Benutzerschnittstelle – regelt die Zugriffsberechtigungen im Firmennetzwerk und erstellt die Eingabemasken, die grafischen Auswertungen und den Datenexport.
Abbildung 7.9: Softwarestruktur des LCC-Navigators
3.4
Anwendungsbeispiel
Bereits im frühesten Ideenstadium der Entwicklung der Low-TCO-LOEWE-Maschine wurden nach konstruktiven Lösungen gesucht, welche die Lebenszykluskosten minimieren. Optimiert wurde also nicht nur der Verkaufspreis der Maschine, sondern vielmehr der Verkaufs-
Design-to-Life-Cycle-Cost bei Investitionsgütern am Beispiel von Werkzeugmaschinen
147
preis in Kombination mit den zu erwartenden Folgekosten. Analysen der Betriebskosten von Drehmaschinen sowie Erfahrungen von Anwendern identifizierten zunächst die wesentlichen Kostentreiber (vgl. Abbildung 7.10).
Abbildung 7.10: LCC-Prognose pro Baugruppe (BG) Im Hydraulikaggregat, das für die Werkstückspannfunktion an nahezu allen gängigen Drehmaschinen benötigt wird, machen besonders die Wartungs- und Fehlerkosten einen erheblichen Teil der Folgekosten aus. Außerdem fallen hohe Energiekosten an. Zusammen mit dem Spannmittellieferanten Berg GmbH gelang die Entwicklung eines neuartigen, elektrisch betriebenen Werkstückspanners, der auch die hohen Spannkräfte hydraulisch betriebener Spannfutter erreicht. Dabei ersetzt ein Servomotor, der ein Planetengetriebe antreibt, den herkömmlichen hydraulischen Spannzylinder auf der Hauptspindel. In dem Planetengetriebe wird das Drehmoment um den Faktor 70 verstärkt und über ein Keilflankengewinde auf das Spannfutter übertragen. Neben der Einsparung von Hydraulik ist die kompakte Bauweise des Elektrospanners hervorzuheben. Außerdem bietet eine elektrisch betätigte Spannfunktion die Option einer drehzahlabhängig geregelten Spannkraft am Futter. Dieser Elektrospanner ist zwar erheblich teurer als ein hydraulischer Spannzylinder, durch die Einsparung des Hydraulikaggregats insgesamt aber wieder deutlich günstiger. Außerdem ist der Elektrospanner auch über zehn Jahre wartungsfrei und somit in einer TCO-Prognose insgesamt ca. 43 Prozent günstiger als eine hyd-
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Heiko Noske, Christos Kalogerakis
raulische Werkstückspannung (vgl. Abbildung 7.11). Dieses Beispiel beweist, dass TCOBetrachtungen ganz neue konstruktive Lösungen selbst für solche Baugruppen hervorbringen können, die seit über 50 Jahren praktisch unverändert an Drehmaschinen zum Einsatz kommen.
100% Kosten für Erstbeschaffung
23,7%
Kum. Wartungsk osten über 10 Jahre Kum. Lebenszyk lusk osten über 10 Jahre
75%
27,8% 50%
25%
19,5%
48,6% 37,6%
0%
hydraulische Werkstückspannung
LOEWE Elektrospanner
Abbildung 7.11: LCC-Vergleichskalkulationen der hydraulischen Werkstückspannfunktion Ein weiteres Beispiel für eine TCO-optimierte Konstruktion liefern die Linearführungen. Eine breit angelegte Anwenderbefragung zu Beginn des LOEWE-Projekts ergab den Hinweis, dass die heute eingesetzten Linearführungen anfällig sind und demnach hohe Folgekosten verursachen. Für die jeweiligen Baureihen von Drehmaschinen setzten die Hersteller weltweit praktisch identische Baugrößen der Linearführungen ein. Werden diese Lösungen aber unter TCO-Gesichtspunkten betrachtet, stellt man fest, dass stärkere Linearführungen im Anschaffungspreis zwar teurer, über zehn Jahre betrachtet jedoch um über 65 Prozent, günstiger sind. Auch die „überdimensionierten" Führungen haben sich bereits nach wenigen Monaten für den Maschinenbetreiber bezahlt gemacht. Ähnlich verhält es sich bei den Kugelgewindetrieben. Vergleicht man die TCO-Daten von preisgünstigen Anbietern mit denen der hochtechnisierte Hersteller, so wird deutlich, dass der Einsatz hochfester Materialien und aufwändige Härteverfahren zwar einen höheren Preis bewirken, letztendlich nach zehn Jahren aber um über 59 Prozent geringere Lebenszykluskosten produzieren. Daher wurde die LOEWE-Drehmaschine mit Kugelgewindetrieben der Firma A. Mannesmann ausgestattet.
Design-to-Life-Cycle-Cost bei Investitionsgütern am Beispiel von Werkzeugmaschinen
149
Zusammenfassend ergibt sich für die LOEWE-Maschine folgendes Gesamtergebnis: Die Low-TCO-Maschine ist zwar im Kaufpreis geringfügig teurer, aber in der Betriebsphase erheblich günstiger als eine vergleichbare Low-Cost-Maschine (vgl. Abbildung 7.12). Nach neun Jahren sind die prognostizierten Einsparungen sogar höher als der gesamte Anschaffungspreis der Maschine.
Total-Cost-ofOwnership (TCO) 2.500.000 €
Total-Cost-of-Ownership (TCO) = kumulierte Kosten für Beschaffung, Personal, Energie, Entsorgung, Produktionsausfall, Wartung und Instandhaltung 2.000.000 €
2.302.000 € €1.908.000
2.097.000 €
€1.730.000
€1.539.000
1.667.000 €
€1.383.000
1.522.000 €
€1.238.000
1.263.000 €
€1.078.000
€925.000
1.117.000 €
950.000 €
€792.000
743.000 €
€628.000
575.000 € €500.000
€310.000
500.000 €
Beschaffungskosten
305.000 €
1.000.000 €
1.851.000 €
1.500.000 €
0€ 0
1
2
3
4
Low-Cost Maschine
5
6
7
8
9
10
Jahre
Low-TCO Maschine (LOEWE)
Abbildung 7.12: Vergleich der hochgerechneten Lebenszykluskosten der LoeWe-Maschine kumuliert über zehn Jahre mit einer herkömmlichen Vertikaldrehmaschine
4.
Fazit und Ausblick
Werkzeugmaschinenhersteller erhalten vom Kunden verstärkt die Forderung die Kosten einer Maschine über zehn Jahre zu garantieren. Solche Beschaffungsverfahren erfordern für viele Maschinen- und Anlagenhersteller ein Umdenken in der Produktentwicklung: Weg von der Optimierung des Kaufpreises hin zur Optimierung der Gesamtheit der Kosten einer Investition die über den gesamten Lebenszyklus der Maschine anfallen.
150
Heiko Noske, Christos Kalogerakis
Der LCC-Navigator ist ein Informationssystem, das bereichsübergreifend in Entwicklung, Konstruktion, Arbeitsvorbereitung (Kalkulation) und Einkauf im Entwicklungsprozess eingesetzt wird und allen Beteiligten sowie der Unternehmensleitung und dem Controlling einen stets aktuellen Überblick über den Stand der Herstellkosten einschließlich einer Prognoseberechnung der gesamten Lebenszykluskosten eines zu entwickelnden Produktes oder einer Anlage vermittelt. Mit dem LCC-Navigator können für sämtliche Bauteile und Baugruppen einer Werkzeugmaschine TCO-Vergleichskalkulationen durchgeführt werden. In diversen LCC-/TCO-Projekten, an denen die ProWerk GmbH maßgeblich beteiligt war, hat sich gezeigt, dass nach einem Entwicklungsprozess mit dem LCC-Navigator eine ganz andere Maschine im Versuchfeld stehen kann als nach einer Entwicklung, welche nur die Initialkosten optimiert. Diese ganzheitliche Betrachtungsweise erlaubt es, Kostenvorteile beim Einsatz technologisch hochwertiger Komponenten zu bewerten sowie die wirtschaftliche Gesamtlebensdauer zu erweitern. Das Gesamtkonzept der lebenszykluskostenorientierten Entwicklung von Werkzeugmaschinen kann vom zu realisierenden Prototypen einer Vertikaldrehmaschine auf alle Werkzeugmaschinen und viele technische Anlagen ausgedehnt werden. Der LCC-Navigator liefert dem Vertrieb und dem Marketing des Maschinenherstellers eine Fülle von Verkaufsargumenten, die Techniker und Betriebswirte gleichermaßen verstehen. Gerade im Umfeld des komplexen Produktes Werkzeugmaschine ist dies ein nicht zu unterschätzender Nebeneffekt.
Design-to-Life-Cycle-Cost bei Investitionsgütern am Beispiel von Werkzeugmaschinen
151
Literatur
DENKENA, B., HARMS, A., JACOBSEN, J., MÖHRING, H.-C., JUNGK A., NOSKE H.: Lebenszykluskostenorientierte Werkzeugmaschinenentwicklung. in: wt Werkstatttechnik online 96 (2006) Nr. 7/8, S. 441-446 DENKENA, B., MÖHRING, H.-C., HARMS, A., VOGELER, S., NOSKE, H.: Können teure Werkzeugmaschinen auf längere Sicht günstiger sein? in: wt Werkstatttechnik online 95 (2005) Nr. 7/8, S. 519-523 EHRLENSPIEL, K., KIEWERT, A., LINDEMANN, U.: Kostengünstig Entwickeln und Konstruieren: Kostenmanagement bei der integrierten Produktentwicklung. 4. Auflage, Berlin 2003. EHRLENSPIEL, K.: Integrierte Produktentwicklung. Denkabläufe, Methodeneinsatz. Zusammenarbeit. 2., überarb. Auflage, Wien 2003. KINKEL, S.: Werkzeugmaschine 20XX – Zukünftige Herausforderungen für die Werkzeugmaschinenindustrie – Ergebnisse einer Mini-Delphi-Studie. Informationsschrift Nr. 3, Fraunhofer ISI, Karlsruhe, Februar 2005, http://www.isi.fraunhofer.de/pr/2005de/pri03/ pri03.htm, 2008. KRAWITZ, G.: Beschaffungsstrategien bei MAN unter Berücksichtigung von Life-CycleCosting. in: Tagungsband zur VDI Nachrichten-Konferenz „Life-Cycle-Costing“, Augsburg 2004. N.N.: Frühzeitige Produktkostenkalkulationen für das Kostenmanagement. in: Männel, W. (Hrsg.): Kostenrechnungspraxis. Zeitschrift für Controlling. Frühzeitiges Kostenmanagement. Sonderheft 1/96, Seite 1 - 8. Wiesbaden 1996. NOSKE, H.: Auf sicherem Entwicklungskurs mit dem Cost-Navigator. in: ke konstruktion + engineering 25 (2002) 5, Seite 34 25 (2002) Nr. 5, S. 34 OESTERLIN, T., DaimlerChrysler – Total-Cost-of-Ownership. in: Tagungsband zur VDI Nachrichten-Konferenz „Life-Cycle-Costing", Augsburg 2004. SIEGWART, H.; SENTI, R.: Product Life Cycle Management. Die Gestaltung eines integrierten Produktlebenszyklus. Stuttgart 1995. VDMA (HRSG.), Maschinenbau in Zahl und Bild 2004. URL: http://www.vdma.org. Frankfurt am Main 2004.
TCO als Ausgangspunkt für die Entwicklung neuer Geschäftsmodelle
153
TCO als Ausgangspunkt für die Entwicklung dienstleistungsbasierter Geschäftsmodelle in der Investitionsgüterindustrie Gunter Lay, Marcus Schröter, Heidi Armbruster
1. Einleitung 2. TCO-Kostenkategorien als Zielgrößen neuer Geschäftsmodelle 2.1 Betriebskostenorientierte neue Geschäftsmodelle 2.2 Qualitätskostenorientierte neue Geschäftsmodelle 2.3 Wartungs- und Instandsetzungskostenorientierte neue Geschäftsmodelle 2.4 Anschaffungskostenorientierte neue Geschäftsmodelle 3. Eignung TCO-orientierter neuer Geschäftsmodelle für unterschiedliche Investitionsgüter 3.1 Werkzeugmaschinen und TCO-orientierte Geschäftsmodelle 3.2 Montagesysteme und TCO-orientierte Geschäftsmodelle 3.3 Industrieroboter und TCO-orientierte Geschäftsmodelle 4. Fazit und Ausblick Literatur
154
1.
Gunter Lay, Marcus Schröter, Heidi Armbruster
Einleitung
Die Kunden der Investitionsgüterindustrie erkennen zunehmend, dass es für eine Abwägung zwischen alternativen Angeboten verschiedener Investitionsgüterhersteller nicht ausreicht, sich auf einen Preis-Leistungsvergleich zu beschränken. Da die über die gesamte Lebens- und Nutzungszeit eines Investitionsguts anfallenden Kosten meist nur zum kleineren Teil durch die Anschaffungskosten determiniert werden, rücken zunehmend bereits beim Angebotsvergleich auch die Kostenarten ins Blickfeld, die nach der Investition anfallen. Eine solche Gesamtkostenbetrachtung wurde unter dem Begriff „Total-Cost-of-Ownership“ (TCO) erstmals Ende der 80er-Jahre von der Gartner Group für IT-Investitionen propagiert (Wild/Herges 2000). Ausgangspunkt war die Feststellung, dass bei IT-Anschaffungen meist nur der finanzielle Anschaffungsaufwand kostenrechnerisch erfasst würde, die im laufenden Betrieb entstehenden Kosten jedoch intransparent seien. Mit dem Ziel, dieser Intransparenz entgegenzutreten, entwickelte die Gartner Group daher ein Modell zur Erfassung und Analyse der TCO. Nach diesem Modell setzen sich die TCO aus direkten Kosten wie Hard- und Software-Investitionen, operativen Kosten und Verwaltungskosten sowie indirekten Kosten wie Downtimes bzw. Produktivitätsverlusten zusammen. Vorreiter bei der Übertragung des TCO-Ansatzes aus dem Bereich der IT-Anwendungen in das Feld der Produktionsanlagen war die damalige DaimlerChrysler AG. Hier werden bereits seit geraumer Zeit Maschinen und Anlagen weltweit nur noch auf Basis von TCO-Verträgen beschafft (Oesterlin 2004). Wie eine Delphi-Befragung zeigte, ist dies kein Einzelfall. 56 Prozent der in diese Erhebung einbezogenen Experten erwarten, dass Automobilzulieferer flächendeckend ihre Kaufentscheidung für Werkzeugmaschinen bis 2015 ausschließlich auf Basis der Gesamtlebenszykluskosten treffen werden (Kinkel 2005). Diese wachsende Hinwendung der Kunden der Investitionsgüterindustrie zu TCO-basierten Beschaffungsprozessen macht es notwendig, dass Maschinen- und Anlagenhersteller sich umstellen. Eine rein die Anschaffungskosten optimierende Maschinenentwicklung wird zukünftig weniger zielführend sein (Noske 2007). Im Gegensatz dazu wird es darum gehen müssen, bereits in den frühen Entwicklungsstadien die Entscheidung für oder gegen den Einsatz teurer, aber hochwertiger und die TCO günstig beeinflussender Komponenten so zu treffen, dass die Gesamtkosten und nicht nur die Anschaffungskosten minimiert werden. Ein solches „Design-to-TCO“ ist in Pilotprojekten mittlerweile in Angriff genommen worden (vgl. u. a. Denkena et al. 2005; Denkena und Jacobsen 2006; Denkena et al. 2006). Der Erfolg solcher Pilotprojekte setzt jedoch voraus, dass Hersteller und Kunden bei der Gewinnung und Offenlegung von Daten aus der Life-Cycle-Performance partnerschaftlicher als in der Vergangenheit zusammenarbeiten. Wie solche Modelle aussehen könnten, wurde konzeptionell bereits untersucht und modellhaft dargestellt (Fleischer et al. 2007).
TCO als Ausgangspunkt für die Entwicklung neuer Geschäftsmodelle
155
Die Total-Cost-of-Ownership lassen sich jedoch nicht nur durch eine Neuorientierung der technischen Produktauslegung wie im „Design-to-TCO“ angestrebt positiv beeinflussen. Auch neue dienstleistungsbasierte Geschäftsmodelle der Investitionsgüterindustrie können dazu beitragen, dass im Vergleich zu gängigen Geschäftsmodellen Wirtschaftlichkeitspotenziale über den gesamten Lebenszyklus hinweg erschlossen werden können. Die Idee dieser dienstleistungsorientierten Geschäftsmodelle geht davon aus, dass die bislang überwiegend praktizierten Formen der Geschäftsbeziehungen zwischen Investitionsgüterherstellern und ihren Kunden so angelegt waren, dass die Hersteller Maschinen und Anlagen entwickelt, produziert und an die Kunden verkauft haben sowie in der Nutzungsphase der Maschinen und Anlagen Schulungs-, Wartungsund Reparaturarbeiten durchgeführt haben, die entsprechend dem damit verbundenen Zeitaufwand durch die Kunden honoriert wurden während die Kunden der Investitionsgüterindustrie nach der Investition für den Betrieb der Maschinen und Anlagen in vollem Umfang eigenverantwortlich tätig wurden, was einschließt, dass in Abhängigkeit der Qualifikation ihrer Mitarbeiter und ihrer Auslastungssituation das Produktionsergebnis in Qualität und Produktivität determiniert war. Zusammengefasst bedeutete dies, dass Sachleistungen (Maschinen und Anlagen) sowie produktbegleitende Dienstleistungen (Schulungsleistungen, Wartung, Reparatur) verkauft wurden und das Risiko des Betriebs vollumfänglich beim Kunden lag. Dienstleistungsbasierte Geschäftsmodelle beziehen im Gegensatz dazu den Hersteller der Investitionsgüter partiell in das Betriebs- und Marktrisiko ein und sind dadurch gekennzeichnet, dass nicht Leistungen verkauft werden, sondern Nutzungsmöglichkeiten oder Leistungsergebnisse. Dies bedeutet, dass beispielsweise kein Wartungsvertrag abgeschlossen wird, der entsprechend den Zeitbedarfen des Kundendienstmonteurs abgerechnet wird, sondern dass der Hersteller eine bestimmte Anlagenverfügbarkeit garantiert und für diese Zusicherung vergütet wird oder dass der Kunde beim Hersteller Fertigungskapazitäten erwirbt, deren Mengen- und Qualitätsergebnis der Hersteller zusichert und dafür einen Preis verlangt. Neue Geschäftsmodelle sind damit Leistungsbündel aus Sach- und Dienstleistungen, die entsprechend der vom Sonderforschungsbereich 29 „Engineering hybrider Leistungsbündel“ entwickelten Typologie (vgl. u. a. Meier/Kortmann/Krug 2006; Meier/Krug 2006) als verfügbarkeits- bzw. ergebnisorientierte Geschäftsmodelle bezeichnet werden können. Demgegenüber wäre eine Produkt-/Dienstleistungskombination als funktionsorientiertes Geschäftsmodell (Verkauf eines Wartungsvertrags mit Aufwandsentschädigung für den Hersteller) eher den traditionellen Geschäftsmodellen zuzurechnen, da Investitionsgüterhersteller schon immer für ihre Produkte begleitende Dienstleistungen angeboten haben, die der Kunde ordern konnte und aufwandsorientiert vergüten musste. Im folgenden Beitrag sollen die im Vorangegangenen definitorisch kurz umrissenen neuen Geschäftsmodelle vor dem Hintergrund des TCO-Ansatzes beschrieben und in ihren Beiträgen zur Verringerung der Lebenszykluskosten eingeordnet werden. Wesentlich ist dabei herauszuarbeiten, wie die jeweiligen Geschäftsmodelle angelegt sein müssen, um die TCO positiv zu beeinflussen. Ohne eine Einsparung in den TCO könnten die Geschäftsmodelle nicht
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Gunter Lay, Marcus Schröter, Heidi Armbruster
den Mehrwert gegenüber den traditionellen Geschäftsmodellen erbringen, der erst den Verteilungsspielraum zur Entstehung von Win-win-Situationen schafft. Im Anschluss daran soll diskutiert werden, ob und gegebenenfalls wie unterschiedliche Investitionsobjekte die Voraussetzungen bieten, um für neue Geschäftsmodelle im Sinne einer Verminderung der TCO geeignet zu sein. Vergleichend soll dabei auf Werkzeugmaschinen, Montagesysteme und Industrieroboter eingegangen werden.
2.
TCO-Kostenkategorien als Zielgrößen neuer Geschäftsmodelle
Die Total-Cost-of-Ownership eines Investitionsguts umfassen neben den Anschaffungskosten die Kosten der Einführung und Inbetriebnahme, die Betriebskosten während der Nutzungsphase, die aus mangelnder Qualität der auf dem Investitionsgut gefertigten Produkte entstehenden Ausschuss- und Nacharbeitskosten, die aus Wartungs- und Instandsetzungsarbeiten resultierenden Kosten sowie die Kosten der Entsorgung des Investitionsguts nach Ende seiner technisch-wirtschaftlichen Nutzungsdauer. Abbildung 8.1 zeigt diese Kostenarten, wie sie typischerweise im Laufe eines Maschinenlebens anfallen, im Überblick (vgl. u. a. auch Görtz 2001; Lay/Radermacher 2005).
Anschaffungskosten Entsorgungskosten
Einführungskosten Total Cost of Ownership
Wartungs-/ Instandsetzungskosten
Betriebskosten Qualitätskosten
Abbildung 8.1: Kostenarten der Total-Cost-of-Ownership
TCO als Ausgangspunkt für die Entwicklung neuer Geschäftsmodelle
157
Der folgende Versuch, neue Geschäftsmodelle für Hersteller von Investitionsgütern zu strukturieren und zu beschreiben, setzt an den Einsparpotenzialen in verschiedenen Kostenarten der TCO an, die durch neue Geschäftsmodelle erschlossen werden können und die somit den notwendigen Verteilungsspielraum schaffen, damit Anbieter und Kunden neuer Geschäftsmodelle gleichermaßen profitieren können (Win-win-Situationen). Generell scheinen durch neue Geschäftsmodelle Mehrwerte gegenüber traditionellen Geschäftsmodellen auf vierfache Art erwirtschaftet werden zu können: 1. Zum einen kann mit neuen Geschäftsmodellen der Versuch unternommen werden, durch eine Verbesserung der kapazitativen Auslastung von Investitionsgütern die fixen Kosten dieser Investitionsgüter auf eine breitere Basis umzulegen und so durch Senkung der Betriebskosten je genutzter Zeiteinheit Einsparungen vorzunehmen. 2. Zum Zweiten können neue Geschäftsmodelle darauf ausgelegt werden, in der Nutzung der Investitionsgüter Prozessoptimierungspotenziale zu erschließen, die in traditionellen Geschäftsmodellen nicht erschlossen werden. So können beispielsweise Ausschuss und Nacharbeit vermindert und damit Qualitätskosten gesenkt werden. 3. Zum Dritten können neue Geschäftsmodelle sicherstellen, dass die technisch bedingten Ausfallzeiten von Maschinen und Anlagen minimiert und so die Wartungs- und Instandsetzungskosten unter Einbezug der ausfallzeitbedingten Kosten abgesenkt werden. 4. Zum Vierten können neue Geschäftsmodelle darauf abzielen, durch die Übernahme von Verantwortung durch den Maschinen- und Anlagenhersteller pflichtenheft-bedingte Mehraufwände zu vermeiden und so die für die Erreichung eines definierten Outputs zu tätigenden Investitionen in Investitionsgüter zu reduzieren. Diese Verknüpfung neuer Geschäftsmodelle mit Kostenarten der TCO erhebt nicht den Anspruch, alle denkbaren Verbindungen systematisiert darstellen zu wollen. Ausgehend von empirischen Beispielen neuer Geschäftsmodelle (vgl. u. a. Lay et al. 2007), soll vielmehr der Versuch gemacht werden, diese Beispiele über eine Verknüpfung mit dem TCO-Ansatz so zu systematisieren, dass deutlich wird, woher sie ihre betriebswirtschaftlichen Vorteile beziehen. Im Weiteren sollen daher entlang der vier im Prinzip skizzierten Ansätze, Bestandteile der TCO zu minimieren, Geschäftsmodelle dargestellt werden, die eine Realisierung von Mehrwert versprechen.
2.1
Betriebskostenorientierte neue Geschäftsmodelle
Betriebskosten von Maschinen und Anlagen können dann gesenkt werden, wenn es mit Hilfe neuer Geschäftsmodelle gelingt, Stillstandszeiten wegen Unterauslastung zu vermeiden. Eine verbesserte Kapazitätsauslastung von Investitionsgütern kann mit neuen Geschäftsmodellen zum einen dadurch erreicht werden, dass bei der Planung der Investitionsgüter darauf ver-
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Gunter Lay, Marcus Schröter, Heidi Armbruster
zichtet wird, diese auf Spitzenbedarfe der Kunden auszulegen. Werden die Investitionsgüter kapazitativ lediglich auf kontinuierlich anfallende Kundenbedarfe geplant und realisiert, lassen sich Einsparungen in den Investments erzielen und gleichzeitig hohe Nutzungsgrade durch die Vermeidung von Unterauslastung realisieren. Die Spitzenbedarfe können durch zwei Arten neuer Geschäftsmodelle gedeckt werden: Geschäftsmodell 1: Angebot des Investitionsgüterherstellers zur Lohnfertigung bei Kapazitätsspitzen des Kunden auf Maschinen, die für die Bedarfe mehrerer Kunden vorgehalten werden. (Bündelung von Spitzenbedarfen auf stationären Maschinen und Anlagen). Bei diesem Geschäftsmodell installiert der Maschinen- oder Anlagenbauer selbsterstellte Produkte in der eigenen Fertigung und betreibt sie mit eigenen Mitarbeitern. Diese Maschinen und Anlagen werden damit nicht wie im traditionellen Geschäftsmodell entwickelt, produziert und anschließend an Kunden verkauft, sondern sie verbleiben im Eigentum des Herstellers, der lediglich Produktionskapazitäten verkauft. Um mit derartigen Geschäftsmodellen nicht zur Konkurrenz für die eigenen Kunden zu werden, ist es wesentlich, mit diesen vorgehaltenen Produktionskapazitäten lediglich in Situationen für Kunden tätig zu werden, in denen diese den Mehrwert gegenüber dem traditionellen Geschäftsmodell klar erkennen und in Anspruch nehmen wollen. Temporäre Spitzenbedarfe mehrerer Kunden in einem derartigen Geschäftsmodell des Maschinen- oder Anlagenbauers zu bündeln sichert eine kontinuierlich hohe Maschinenauslastung und damit eine kostengünstigere Produktion im Vergleich zu Versuchen, Produktionskapazitäten bei Kunden auf solche Spitzenbedarfe auszulegen. Geschäftsmodell 2: Angebot der temporären Bereitstellung mobiler Investitionsgüter in Zeiten von Spitzenbedarfen einzelner Kunden. (Abdeckung von Spitzenbedarfen mit mobilen Maschinen und Anlagen). Dieses Geschäftsmodell ist strukturell ähnlich zum oben skizzierten Konzept angelegt. Der Unterschied besteht darin, dass mobile, im Eigentum des Herstellers verbleibende, Maschinen und Anlagen in Zeiten von Spitzenbedarfen bei Kunden installiert werden, die sie mit ihrem Personal betreiben. Die Betriebskostenvorteile resultieren wiederum aus einer Bündelung der Bedarfe mehrerer Kunden und so möglichen Betriebskostensenkungen. Eine verbesserte Kapazitätsauslastung von Investitionsgütern kann mit neuen Geschäftsmodellen auch dadurch erreicht werden, dass berechenbar kontinuierliche, jedoch zur Anlagenamortisation zu kurze oder zu niedrige Kundenbedarfe mit speziellen Geschäftsmodellen bedient werden. Durch Modelle, die Kundenbedarfe zeitlich hintereinander schalten oder parallelisieren, können Formen einer verbesserten Anlagennutzung erreicht und damit Betriebskosten gesenkt werden. Folgende Geschäftsmodelle kommen hier in Frage: Geschäftsmodell 3: Angebot zur zeitlich befristeten Nutzung von Investitionsgütern durch mehrere, sukzessiv aufeinander folgende Kunden/Nutzer (Aneinanderreihung von Kundenbedarfen). In diesem Fall werden Maschinen oder Anlagen beim Kunden installiert, das Eigentum verbleibt entweder bei den Herstellern, die den Kunden lediglich ein zeitlich befristetes und zu vergütendes Nutzungsrecht an den Investitionsgütern einräumen oder die Kunden erwerben das Eigentum und die Hersteller kaufen nach Ablauf der Nut-
TCO als Ausgangspunkt für die Entwicklung neuer Geschäftsmodelle
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zung das Eigentumsrecht an der „Gebrauchtmaschine“ zurück. Die Kunden betreiben die Investitionsgüter in der vereinbarten Zeit mit eigenem Personal und sind auch für die Produktionsergebnisse verantwortlich. Die Hersteller übernehmen die Wartung und Instandhaltung und garantieren somit für sich selbst die Weiterverwendungsmöglichkeit der Investitionsgüter für eine zweite oder dritte Nutzungsphase bei weiteren Kunden. Betriebskostenvorteile ergeben sich durch die Umlegung der Abschreibungen auf eine längere Nutzungszeit als dies einem einzelnen Kunden möglich wäre. Geschäftsmodell 4: Angebot zur zeitlich parallelen Nutzung von Teilkapazitäten durch mehrere Kunden (Bündelung individuell unterkritischer Kundenbedarfe). Werden Investitionsgüter in Kuppelproduktionsprozessen eingesetzt, können Betriebskostenvorteile auch mit neuen Geschäftsmodellen erreicht werden, in denen der Hersteller von Investitionsgütern diese bei Kunden oder in der Nähe eines Kunden dauerhaft betreibt und die entstehenden Kuppelprodukte vermarktet. Die Käufer der Kuppelprodukte müssen so nicht in eigene Kapazitäten zur Herstellung dieser Produkte investieren. Neben der Senkung von Betriebskosten über eine Steigerung der Kapazitätsauslastung können neue Geschäftsmodelle auch Betriebskosten senkend wirken, wenn sie darauf ausgelegt sind, die technisch mögliche Produktivität von Maschinen und Anlagen zu erhöhen. Eine solche Erschließung neuer Produktivitätspotenziale von Investitionsgütern mit neuen Geschäftsmodellen kann so konzipiert werden, dass eine kontinuierliche Anpassung des Investitionsguts an den technischen Fortschritt Mehrwerte gegenüber traditionellen Geschäftsmodellen erbringt. Da bei traditionellen Geschäftsmodellen in vielen Fällen das Investitionsgut beim Kunden bis zum Ende seiner Lebensdauer unverändert betrieben wird, obwohl häufig der technische Fortschritt rasch neue, überlegene Produktzyklen hervorbringt, kann eine schnellere Nachführung des Standes der Technik bei bereits im Einsatz befindlichen Investitionsgütern Prozessoptimierungen verwirklichen. Ein darauf ausgerichtetes Geschäftsmodell wäre: Geschäftsmodell 5: Angebot kontinuierlicher Modernisierung der Investitionsgüter zur permanenten Leistungssteigerung (garantierte Produktionsverbesserungen). Dieses Geschäftsmodell sieht vor, dass parallel zum Kauf der Maschinen und Anlagen durch den Kunden zwischen Herstellern und Kunden vertraglich vereinbart und vergütet wird, die Betriebskosten jährlich um einen fixierten Prozentsatz abzusenken. Dies kann herstellerseitig beispielsweise dadurch realisiert werden, dass Komponenten modernisiert werden, die Produktivitätsverbesserungen ermöglichen oder Verbrauchswerte (Energie, etc.) senken. Die Vergütung solcher Verträge muss so kalkuliert werden, dass sie den Mehrwert aus den Betriebskosteneinsparungen nicht übersteigt, andererseits jedoch über den Aufwendungen der Modernisierungsleistungen der Hersteller liegt. Bei allen fünf Geschäftsmodellen gelingt es, wie gezeigt, gegenüber traditionellen Geschäftsmodellen eine Nutzungsintensivierung zu realisieren, die die Betriebskosten je Zeiteinheit dann senkt, wenn nicht höhere die Betriebskostenvorteile überkompensierende Investitionserhöhungen notwendig werden, und so zu einer Verringerung der TCO beiträgt. Winwin-Situationen für die Hersteller von Maschinen und Anlagen wie auch für ihre Kunden sind
160
Gunter Lay, Marcus Schröter, Heidi Armbruster
dann zu erreichen, wenn die Einsparungen der TCO zu beiderseitigem Nutzen verteilt werden.
2.2
Qualitätskostenorientierte neue Geschäftsmodelle
Neue Geschäftsmodelle zur Verringerung der TCO können neben den Betriebskosten auch die Qualitätskosten adressieren. So können Konzepte darauf ausgerichtet sein, das qualitative Ergebnis in der Nutzung der Investitionsgüter bei den Kunden der Investitionsgüterindustrie zu verbessern. Eine Absenkung von Ausschuss- und Nacharbeitskosten (Fehlerfolgekosten) kann Mehrwert erzeugen, der den Anbietern und Kunden neuer Geschäftsmodelle gleichermaßen zugute kommen kann. Folgende Geschäftsmodelle kommen hier in Frage: Geschäftsmodell 6: Angebot temporärer/dauerhafter Produktionsunterstützung des Kunden durch Mitarbeiter des Investitionsgüterherstellers mit erfolgsabhängiger Vergütung. Ein solches Geschäftsmodell ist insbesondere in Fällen erfolgversprechend, in denen der Qualifikationsstand des Personals von Kunden der Investitionsgüterindustrie bezogen auf die Anforderungen zur Bedienung des Investitionsguts niedrig ist und dadurch hohe Qualitätskosten entstehen. Gleichfalls attraktiv kann dieses Konzept dann sein, wenn die Komplexität des Investitionsguts so hoch ist, dass Kundenpersonal in der Regel mit dieser Komplexität überfordert sein wird. In beiden Fällen bietet es sich für die Maschinen- und Anlagenbauer an, produktionsunterstützend bei Kunden tätig zu werden. Personal des Investitionsgüterherstellers wird temporär oder dauerhaft beim Kunden eingesetzt und sichert eine zu definierende Qualität der Produktionsergebnisse aus der Nutzung von Investitionsgütern. Aus den eingesparten Qualitätskosten des Kunden können solche Geschäftsmodelle zu beiderseitigem Nutzen finanziert werden. Geschäftsmodell 7: Angebot erfolgsabhängig zu vergütender Personalqualifizierungskonzepte durch die Anbieter von Investitionsgütern. Solche Geschäftsmodelle knüpfen an die als produktbegleitend traditionell von Investitionsgüterherstellern angebotenen Kundenschulungen an. Im Gegensatz zu diesen traditionellen Konzepten zahlt der Kunde jedoch nicht für die Teilnahme seiner Mitarbeiter an Schulungsveranstaltungen, sondern dafür, dass seine Mitarbeiter einen bestimmten Qualifikationsstand erreichen. Der Investitionsgüterhersteller liefert in diesem Fall also nicht eine Schulungsleistung, sondern ein Schulungsergebnis, gemessen beispielsweise in zertifizierten Tests. Beide im Vorangegangenen skizzierten Geschäftsmodelle können die TCO über eine Senkung der Qualitätskosten positiv beeinflussen und so Verteilungsspielräume aus einer effizienteren Produktion schaffen, die die Geschäftsmodelle zu finanzieren in der Lage sind.
TCO als Ausgangspunkt für die Entwicklung neuer Geschäftsmodelle
2.3
161
Wartungs- und Instandsetzungskostenorientierte neue Geschäftsmodelle
Die Erschließung bislang ungenutzter Potenziale zur Optimierung des Einsatzes von Investitionsgütern mit neuen Geschäftsmodellen kann zum Dritten darauf abzielen, technisch bedingte Stillstandszeiten von Investitionsgütern zu reduzieren. Wo es wegen fehlender qualifikatorischer Voraussetzungen beim Personal der Kunden der Investitionsgüterindustrie durch suboptimale Wartung und Instandhaltung zu vermeidbaren technisch bedingten Stillstandszeiten kommt, kann ein auf die Verringerung dieser Stillstände ausgelegtes Geschäftsmodell Win-win-Potenziale entstehen lassen. Ein solches Geschäftsmodell könnte folgendes Aussehen haben: Geschäftsmodell 8: Angebot von Wartungsverträgen mit garantierten Verfügbarkeiten und Übernahme von Wartungsfunktionen zur Erreichung dieser garantierten Verfügbarkeiten durch Mitarbeiter der Investitionsgüterproduzenten. Ein solches Geschäftsmodell sieht vor, dass der Kunde wie in traditionellen Geschäftsmodellen in das Investitionsgut investiert und damit das Eigentum erwirbt. Der Aufbau erfolgt in der Fabrikation des Kunden und der Betrieb wird durch Mitarbeiter des Kunden übernommen. Lediglich im Bereich der Wartung und Instandhaltung wird der Hersteller tätig, der über Systeme des Condition Monitoring und mittels Maßnahmen einer vorbeugenden Wartung in Eigenregie dafür Sorge trägt, dass die vereinbarte Obergrenze technisch bedingter Stillstandszeiten nicht überschritten wird. Überall da, wo bei Kunden zwischen aktuellen Maschinenverfügbarkeiten und möglichen Verbesserungen der Verfügbarkeiten eine große Differenz besteht, bietet es sich an, über solche Geschäftsmodelle nachzudenken.
2.4
Anschaffungskostenorientierte neue Geschäftsmodelle
Neue Geschäftsmodelle können ihren Mehrwert auch daraus beziehen, dass sie mit Investitionsgütern auskommen, die kostengünstiger ausgelegt werden können und damit die Anschaffungskosten senken. Wenn durch neue Geschäftsmodelle Kunden veranlasst werden können, umfängliche Pflichtenhefte zur Absicherung gegen künftig u. U. auftretende Veränderungen der eigenen Marktbedingungen nicht zur Anwendung zu bringen, so wird es vorstellbar, dass „Lean Machine-Konzepte“ realisierbar werden. Ein zur Verwirklichung solcher Konzepte führendes Geschäftsmodell kann folgendermaßen ausgestaltet sein: Geschäftsmodell 9: Angebot zum Betrieb von Lean Machine-Konzepten bei und für den Kunden mit garantierter Performance (Menge, Qualität), jedoch unter Verzicht auf die
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Gunter Lay, Marcus Schröter, Heidi Armbruster
Festschreibung von technischen Lösungsprinzipien in Pflichtenheften. Dieses Geschäftsmodell setzt an der Erfahrung an, dass viele Kunden der Investitionsgüterindustrie insbesondere aus dem Bereich der Großunternehmen bei Maschinenbeschaffungen Pflichtenheftkataloge zur Anwendung bringen, die nicht das Ergebnis der Maschinenleistung definieren, sondern festschreiben, über den Einsatz welcher Module und Komponenten eine solche Performance zu realisieren ist. Diese Pflichtenhefte entspringen einem Sicherheitsbestreben dieser Großkunden. Sie sind erfahrungsgemäß in hohem Maße Kosten treibend, obwohl dieselbe Maschinenleistung auch preiswerter realisierbar wäre. Wenn nun der Maschinen- oder Anlagenbauer dem Kunden das Risiko, das dieser über seine Pflichtenhefte einzugrenzen versucht, abnimmt, indem er die Performance der Maschine in Menge und Qualität garantiert, kann er sich Freiräume schaffen, die Maschine kostengünstiger auszulegen. Auch aus Geschäftsmodellen, die zur Flankierung skalierbarer Investitionen dienen, lässt sich eine Verminderung notwendig werdender Investitionen in Maschinen und Anlagen ableiten. Bei nur schwer abschätzbaren Kapazitätsbedarfen von Kunden kann ein kapazitativ und vom Investment kleiner dimensioniertes Investitionsgut mit Ausbauoptionen und herstellerseitig in einem Geschäftsmodell fixierten Zusagen zu einem solchen Ausbau traditionellen Geschäftsmodellen wirtschaftlich überlegen sein. Geschäftsmodell 10: Angebot zum skalierbaren Kapazitätsausbau von Investitionsgütern. Bei diesem Geschäftsmodell flankiert den Kaufvertrag für Maschinen und Anlagen eine Vereinbarung zwischen Hersteller und Kunde, die Kapazitätsausbaumodule zum festen Preis beinhalten. Da der Grundpreis von Investitionsgütern bei einem Verzicht auf Überdimensionierung zum Zeitpunkt der Kaufentscheidung günstiger ausfallen kann, ein solcher Verzicht bei steigenden Kapazitätsbedarfen jedoch für den Kunden teuer werden kann, erwirbt der Kunde quasi eine Versicherungsoption zum Ausbau, die im Falle der Nichtinanspruchnahme verloren ist, im Falle der Inanspruchnahme jedoch einen kostengünstigen Ausbau erlaubt. Für den Hersteller bedeutet dieses Geschäftsmodell, dass er einen Ausbau anlegt, ohne hierfür bei der Anschaffung bezahlt zu werden. Eine solche modulare Ausbauoption erlaubt es ihm jedoch, kostengünstig Erweiterungen vorzunehmen, wenn der Kunde hierfür Bedarf hat und die vertragliche Option wahrnimmt.
3.
Eignung TCO-orientierter neuer Geschäftsmodelle für unterschiedliche Investitionsgüter
Wie im Vorangegangenen dargestellt, ist das Einsparpotenzial der skizzierten neuen Geschäftsmodelle im Sinne einer TCO-Betrachtung abhängig von bestimmten Rahmenbedingungen. Da solche Rahmenbedingungen nicht nur durch unterschiedliche Kundensituationen
TCO als Ausgangspunkt für die Entwicklung neuer Geschäftsmodelle
163
gesetzt werden, sondern auch durch die Charakteristika verschiedener Investitionsgüter, für die diese Geschäftsmodelle in Frage kommen, soll im Weiteren der Versuch gemacht werden auszuleuchten, ob und gegebenenfalls wie die Realisierungsmöglichkeiten der vorgestellten Geschäftsmodelle für die Investitionsgüter „Werkzeugmaschinen“, „Montagesysteme“ und „Industrieroboter“ zu bewerten sind. Als Bewertungskriterien dienen dabei Charakteristika von Investitionsgütern, die Anhaltspunkte für Einsparpotenziale neuer Geschäftsmodelle geben können. Hierzu zählen: Das üblicherweise vorhandene Qualifikationsniveau der an den Investitionsgütern tätigen Mitarbeiter (hohes Qualifikationsniveau: Fachkräfte, mittleres Qualifikationsniveau: angelernte Mitarbeiter, niedriges Qualifikationsniveau: ungelernte Mitarbeiter). Je geringer das Qualifikationsniveau, desto größer die Potenziale neuer Geschäftsmodelle, in denen Spezialisten des Investitionsgüterherstellers ihr Know-how zur Vermeidung von Fehlern oder zur Verbesserung der Produktivität bzw. Qualität einbringen. Die in der Praxis für die jeweiligen Investitionsgüter übliche Dauer der Nutzung in Jahren (kurze Nutzungsdauer: drei bis vier Jahre, mittlere Nutzungsdauer: vier bis acht Jahre, lange Nutzungsdauer: über acht Jahre). Je länger die übliche Nutzungsdauer, desto bedeutsamer werden Geschäftsmodelle, die unprognostiziert schwankende Auslastungssituationen auffangen oder die Investitionsgüter an den sich fort entwickelnden technischen Stand anpassen. Die Höhe der mit der Anschaffung des jeweiligen Investitionsguts verbundenen Investition (geringe Anschaffungskosten: bis 150.000 EUR, mittlere Anschaffungskosten: 150.000 bis 750.000 EUR, hohe Anschaffungskosten: über 750.000 EUR). Umso höher das Investitionsvolumen des betrachteten Investitionsobjekts, desto höher die Betriebs-, Ausfall- und Qualitätskosten und daher umso größer die Chancen neuer Geschäftsmodelle, die auf eine Verringerung dieser Kosten zielen. Die Länge der für das Investitionsgut üblicherweise veranschlagten Amortisationsdauer (kurze Amortisationszeit: bis zwei Jahre, mittlere Amortisationszeit: zwei bis sechs Jahre, lange Amortisationszeit: über sechs Jahre). Mit steigenden Amortisationszeiten wächst der Beitrag, der durch betriebskostensenkende Geschäftsmodelle erwirtschaftet werden kann und damit die Einsatzmöglichkeit dieser Modelle. Die Größe der Serien, die mit dem Investitionsgut üblicherweise produziert werden (Kleinserienfertigung: bis 50 Stück pro Monat; Mittelserienfertigung: 50 bis 1.000 Stück pro Monat; Großserienfertigung: über 1.000 Stück pro Monat). Da bei Großserienfertigung die hierfür eingesetzten Investitionsgüter üblicherweise in zwei- oder sogar dreischichtigem Betrieb laufen, sind Ausfallzeiten in hohem Maße kostspielig. Wartungsverträge mit garantierten Verfügbarkeiten finden daher unter solchen Bedingungen ein günstiges Einsatzfeld, während bei Einzel- und Kleinserienfertigung die für Wartungsverträge mit garantierten Verfügbarkeiten aufzuwendenden Kosten von Kunden eher nicht übernommen werden.
164
Gunter Lay, Marcus Schröter, Heidi Armbruster
Die Geschwindigkeit des technischen Fortschritts beim jeweiligen Investitionsgut (langsamer technischer Fortschritt: Investitionsgut entspricht auch noch nach zehn Jahren im Wesentlichen dem Stand der Technik; mittlerer technischer Fortschritt: Investitionsgut entspricht noch nach fünf bis sieben Jahren im Wesentlichen dem Stand der Technik; schneller technischer Fortschritt: Investitionsgut ist bereits nach zwei bis drei Jahren technisch veraltet). Je schneller der Alterungsprozess im Technikgebiet des Investitionsguts abläuft, desto größer sind die Chancen von Geschäftsmodellen, die eine kontinuierliche Modernisierung anbieten bzw. die Nutzer mit Know-how der Hersteller unterstützen. Der Umfang des Wissensvorsprungs, den die Hersteller des Investitionsguts üblicherweise gegenüber den Kunden haben. Ein großer Know-how-Vorsprung der Hersteller begünstigt Geschäftsmodelle, in denen Hersteller Spitzenbedarfe ihrer Kunden übernehmen (Anpassung der Maschinen an unterschiedliche Fertigungsaufgaben mehrerer Kunden), Produktionsunterstützung bieten, Kundenpersonal qualifizieren und Verfügbarkeiten garantieren. Das Ausmaß der Flexibilität des Investitionsguts im Sinne der Breite des fertigbaren Teilespektrums (geringe Flexibilität: z. B. wie bei Sondermaschinen; hohe Flexibilität: z. B. wie bei Universalmaschinen). Mit steigender Flexibilität des Investitionsguts, verschiedene Teile produzieren zu können, wächst seine Eignung für Geschäftsmodelle, die eine Bündelung von Spitzenbedarfen mehrerer Kunden vorsehen oder eine Aneinanderreihung unterkritischer Kundenbedarfe. Der Grad der Robustheit bzw. die technische Verfügbarkeit des Investitionsguts (niedrig: üblicherweise unter 60 Prozent Verfügbarkeit; mittel: üblicherweise 60 bis 80 Prozent Verfügbarkeit; hoch: üblicherweise über 80 Prozent Verfügbarkeit). Wo üblicherweise bereits sehr hohe Verfügbarkeiten realisiert werden, dürften Geschäftsmodelle, die auf eine Steigerung der Verfügbarkeit oder Produktivität ausgerichtet sind, kaum Einsatzchancen haben. Diese Auflistung wie auch die Skizzierung der Zusammenhänge ist zum gegenwärtigen Zeitpunkt zwangsläufig als vorläufig einzustufen. Sie stellt einen ersten Versuch dar, Umfeldbedingungen des Einsatzes von Investitionsgütern mit neuen Geschäftsmodellen in Beziehung zu setzen. Weitere Forschungsarbeiten sind notwendig, um hier zu einem gesicherten Stand des Wissens zu kommen. Gleichwohl scheint auch dieser vorläufige Stand geeignet, erste Unterschiede in der Eignung verschiedenartiger Investitionsgüter für neue Geschäftsmodelle explorativ auszuloten, was im Weiteren für „Werkzeugmaschinen“, „Montagesysteme“ und „Industrieroboter“ geschehen soll.
TCO als Ausgangspunkt für die Entwicklung neuer Geschäftsmodelle
3.1
165
Werkzeugmaschinen und TCO-orientierte Geschäftsmodelle1
Bei einer Überprüfung der Eignung des Investitionsguts „Werkzeugmaschine“ für die oben dargestellten neuen Geschäftsmodelle zeigt sich, dass es notwendig ist, verschiedene Arten von Werkzeugmaschinen differenziert zu betrachten. Da beispielsweise zwischen Sondermaschinen und Bearbeitungszentren sowohl hinsichtlich der üblicherweise gefertigten Seriengrößen wie auch im Hinblick auf das Qualifikationsniveau der Beschäftigen große Unterschiede existieren, ist es notwendig, hier eine Eingrenzung vorzunehmen. Im Weiteren sollen daher Bearbeitungszentren der Bewertung zugrunde gelegt werden. Bearbeitungszentren verfügen über einen hohen Automatisierungsgrad, was zur Folge hat, dass an ihnen kaum un- oder angelernte Maschinenbediener tätig sind, die manuelle Prozessschritte ausführen. Somit gilt, dass an Bearbeitungszentren in der Regel Facharbeiter eingesetzt sind, die über eine hohe Qualifikation verfügen und die diese komplexen Maschinen durchaus fehlerfrei zu bedienen und insbesondere zu warten in der Lage sind. Die übliche Nutzungsdauer von Bearbeitungszentren liegt im Bereich von 10 bis 15 Jahren und damit weit über der Nutzungszeit beispielsweise technisch schnell überholter Investitionsgüter. Das Investitionsvolumen von Bearbeitungszentren ist in einer Spanne von 250.000 EUR bis 1 Mio. EUR zu verorten und damit vergleichsweise hoch. Aus diesen Anschaffungspreisen resultieren längere Amortisationszeiten. Üblicherweise dienen Bearbeitungszentren der Fertigung von Teilen, die in kleinen bis mittleren Serien aufgelegt werden. Im Bereich der Bearbeitungszentren ist mit einem technischen Fortschritt zu rechnen, der im mittleren Bereich liegt. IuK-Technologien veralten sicher schneller, rein mechanisch basierte Techniken dürften einem langsameren Fortschrittsprozess unterliegen. Als Anbieter von Hochtechnologie sind die Hersteller von Bearbeitungszentren mit den Möglichkeiten, diese Investitionsgüter so zu nutzen, dass alle ihre Möglichkeiten zur Entfaltung kommen können, besser vertraut als viele Kunden. Die Flexibilität von Bearbeitungszentren, eine große Teilevielfalt bearbeiten zu können, ist definitionsgemäß gegeben. Wegen der Komplexität von Bearbeitungszentren ist die Möglichkeit von Fehlern vergleichsweise groß und damit die „Mean-Operating-Time-Between-Failures (MTBF)“ eher gering. Mit diesen Spezifika kann die Eignung von Bearbeitungszentren in den verschiedenen, oben skizzierten neuen Geschäftsmodellen differenziert bewertet werden. In Abbildung 8.2 sind die Bewertungsergebnisse detailliert aufgetragen.
1
Die in diesem Abschnitt dargestellten Befunde sind Teil des von der EU geförderten Vorhabens „Next Generation Production Systems“ (NEXT). Weitere Informationen hierzu finden sich unter: http://www.nextproject.eu
166
Gunter Lay, Marcus Schröter, Heidi Armbruster
hohe Produktflexibilität
Geschäftsmodell 1: Bündelung von Spitzenbedarfen auf stationären Maschinen
+
+
+
+
Geschäftsmodell 2: Abdeckung von Spitzenbedarfen mit mobilen Maschinen
+
+
+
+
+
Geschäftsmodell 3: Aneinanderreihung von Kundenbedarfen
+
+
+
+
+
Geschäftsmodell 4: Bündelung individuell unterkritischer Kundenbedarfe
+
+
+
Geschäftsmodell 5: kontinuierliche Modernisierung der Investitionsgüter
+
+
+
+
Geschäftsmodell 6: Produktionsunterstützung durch Investitionsgüterhersteller
-
+
Geschäftsmodell 7: erfolgsabhängig zu vergütende Personalqualifizierung
-
+
Geschäftsmodell 8: Wartungsverträge mit garantierten Verfügbarkeiten
-
+
Geschäftsmodell 9: Betrieb von Lean Machine-Konzepten
-
+
Geschäftsmodell 10: skalierbarer kapazitativer Ausbau
+
+
geringe technische Verfügbarkeit
Hersteller mit Knowhow Vorsprung
Fertigung kleiner bis mittlerer Serien
mittlerer technischer Fortschritt
lange Amortisationszeit
+
mittleres bis hohes Invest.volumen
+
lange technische Nutzungsdauer
hohe Qualifikation der daran Tätigen
Investitionsgut zeichnet sich aus durch…..
+
-
+
+
+
+
+
+
-
+
+ = Kriterienausprägung bietet hohes Potenzial für Geschäftsmodell - = Kriterienausprägung bietet geringes Potenzial für Geschäftsmodell leeres Feld = neutraler Bezug zwischen Kriterienausprägung und Geschäftsmodell
Abbildung 8.2: Eignung neuer Geschäftsmodelle für Werkzeugmaschinen (BAZ)
+
TCO als Ausgangspunkt für die Entwicklung neuer Geschäftsmodelle
167
Aus dieser Auflistung ist zu entnehmen, dass das Geschäftsmodell 1 „Bündelung von Spitzenbedarfen auf stationären Maschinen“ durch mehrere Aspekte positiv unterstützt wird: Die lange Nutzungsdauer von Bearbeitungszentren, ihr hohes Investitionsvolumen wie auch ihre lange Amortisationszeit lassen es unter Beachtung des TCO-Ansatzes wirtschaftlich in besonderem Maße sinnvoll erscheinen, sie kapazitativ nicht auf Spitzenbedarfe hin auszulegen, sondern lediglich in eine kontinuierlich auszulastende Kapazität zu investieren und Spitzenbedarfe bei einem Anbieter des Geschäftsmodells 1 in Auftrag zu geben. Der bei Bearbeitungszentren gegebene Wissensvorsprung der Hersteller in der Ausreizung dieser Technologie unterstützt dieses Geschäftsmodell additiv. Schließlich trägt die Flexibilität der Bearbeitungszentren dazu bei, die Bedarfe mehrerer Kunden auf einer Maschine gebündelt bearbeiten zu können. Ohne an dieser Stelle in gleicher Detaillierung die Bewertungsergebnisse für alle anderen Geschäftsmodelle ausbreiten zu können, wird aus Abbildung 8.2 deutlich, dass alle auf die Senkung der Betriebskosten abzielenden Geschäftsmodelle (Geschäftsmodelle 1 bis 5) bei Bearbeitungszentren auf gute Voraussetzungen treffen. Bei den auf die Qualitätskosten und Wartungskosten abzielenden Geschäftsmodellen (Geschäftsmodelle 6 bis 8) steht einer Reihe fördernder Faktoren auch jeweils als eher hinderndes Charakteristikum die hohe Qualifizierung der am Bearbeitungszentrum tätigen Mitarbeiter entgegen, die selbst in der Lage sind, die qualitativ hochwertige Arbeit zu verrichten und in deren Kompetenzbereich die Wartung fällt. Die auf die Verminderung der Anschaffungskosten orientierten Modelle werden teilweise unterstützt (Geschäftsmodell 10), teilweise eher negativ tangiert (Geschäftsmodell 9). Insgesamt gilt damit, dass sich Bearbeitungszentren als Investitionsgüter für viele der neuen Geschäftsmodelle anbieten. Die Zurückhaltung vieler Anbieter von Werkzeugmaschinen, sich in solchen Geschäftsmodellen verstärkt zu engagieren, ist also weniger dem Umstand geschuldet, dass sich bei diesen Investitionsgütern durch neue Geschäftsmodelle keine Verbesserungen im Bereich TCO erzielen lassen würden, als vielmehr dem Umstand, dass sich die Verhandlungsposition der Werkzeugmaschinenhersteller gegenüber Großkunden nicht so darstellt, dass sie im Aushandlungsprozess in der Lage wären, die Einsparpotenziale so aufzuteilen, dass Investitionsgüterhersteller und Kunde in gleicher Weise profitieren (Lay et al 2007).
168
Gunter Lay, Marcus Schröter, Heidi Armbruster
3.2
Montagesysteme und TCO-orientierte Geschäftsmodelle2
Bei Montagesystemen sind manuelle, hybride (bzw. teilautomatisierte) und automatische Montagesysteme zu unterscheiden (Lotter 2006a). Diese Typen differieren zum Teil stark in den Ausprägungen der eingangs dieses Kapitels definierten Bewertungskriterien. In Abbildung 8.3 ist dies etwa anhand der Kriterien Investitionsvolumen, Flexibilität und Losgröße dargestellt.
Investment
Losgröße Automatische Montage
Halbautomatische Montage (Hybridsysteme) Manuelle Montage Flexibilität Quelle: Lotter 2006a, S. 3 Abbildung 8.3: Auswahlkriterien für Montagesysteme Aufgrund dieser Unterschiede ist es sinnvoll, für die weiteren Betrachtungen auch hier eine Fokussierung vorzunehmen. Die folgenden Ausführungen beziehen sich auf hybride bzw. halbautomatische Montagesysteme, die sich durch eine Kombination aus manuellen Arbeitsplätzen und automatisierten Montagestationen auszeichnen (Richter 2006). Die Bedeutung hybrider Montagesysteme nimmt bei der Annahme von kürzer werdenden Produktlebenszyklen und steigender Variantenanzahl zu (Lotter 2006b). Häufig sind diese Systeme modular aufgebaut, was es ermöglicht, Module für die Montage weiterer Produkte wiederzuverwenden. Dies hat den Vorteil, dass die Nutzungsdauer der einzelnen Module verlängert wird und sich die notwendigen Investitionen auf mehrere Produkte verteilen (Slama 2004). Aufgrund der Modularität und der damit zusammenhängenden Skalierbarkeit der Systeme ist das Inves2
Die in diesem Abschnitt dargestellten Befunde sind Teil des vom BMBF im Rahmenkonzept „Forschung für die Produktion von morgen“ geförderten Vorhabens „Lebenszyklusoptimierte Montagesysteme für den Hochlohnstandort Deutschland“ (LOMO). Weitere Informationen hierzu finden sich unter: http://www.lomo-team.de/index.html
TCO als Ausgangspunkt für die Entwicklung neuer Geschäftsmodelle
169
titionsvolumen für hybride Montagesysteme nur schwer anzugeben. Je nach Art des zu beschaffenden Montagesystems und Anzahl der verwendeten Module werden geringe bis mittlere Investitionsvolumina notwendig (Lotter 2006b). Dabei ist zu berücksichtigen, dass häufig mehrere hybride Montagemodule kombiniert werden oder im Zeitablauf bei einer Veränderung der zu montierenden Stückzahlen Kapazitätserweiterungen in Form des Zukaufs weiterer Montagemodule durchgeführt werden, was insgesamt die Investitionssummen steigen lässt (Lotter 2006b). Generell liegen die Investitionen aber unter denen, die für automatisierte Systeme anfallen. Aus den mit diesen Anlagen montierten kleinen bis mittleren Serien ergeben sich bei den genannten Investitionssummen mittlere Amortisationsdauern. Aufgrund der Modularität sowie der losen Verkettung einzelner Stationen der hybriden Montagesysteme sind diese Systeme deutlich flexibler als automatisierte Systeme. Darüber hinaus sind sie stückzahlflexibel durch Möglichkeiten der Anpassung der Mitarbeiteranzahl im manuellen Bereich sowie durch Veränderungen der gearbeiteten Schichten (Lotter 2006b). Hybride Montagesysteme weisen aufgrund ihrer geringeren Systemkomplexität eine höhere technische Verfügbarkeit auf als automatisierte Montageanlagen (Reinhart/Schneider 1996). In der Serienmontage werden in der Regel an- und ungelernte Arbeitskräfte eingesetzt. Durch die zunehmende Produktvarianz steigen jedoch auch die Flexibilitäts- und Kompetenzanforderungen an das Personal (Schmauch/Wingen 2004). Steht Personal mit den notwendigen Eigenschaften nicht zur Verfügung, kann dies etwa zu erhöhten Fehlerraten und demotivierten Mitarbeitern führen (Schmauch/Wingen 2004; Vielhaber 2003). Das Qualifikationsniveau des hybride Montagesysteme bedienenden Personals kann deshalb als niedrig bis mittel bezeichnet werden. Der technische Fortschritt im Bereich der hybriden Montage ist eher gering. Bei Neuentwicklungen werden in der Regel die technischen Grundprinzipien verwendet, die seit langem bekannt sind. Der Fortschritt bezieht sich dann z. B. auf Transportsysteme, welche die Montagestationen miteinander verbinden oder auf Mess-, Prüf- und Erkennungssysteme. Das Know-how über die optimale Nutzung des hybriden Montagesystems liegt sowohl beim Kunden als auch beim Hersteller. Der Hersteller kann bei entsprechender Komplexität insbesondere einen Know-how-Vorsprung im Bereich der automatisierten Teilprozesse des hybriden Montagesystems haben. Hersteller von hybriden Montagesystemen haben folglich einen mittleren Wissensvorsprung. Die beschriebenen Ausprägungen der verschiedenen Kriterien dienen nun als Ausgangspunkt für die Bewertung des Potenzials der in Kapitel 2 dargestellten dienstleistungsbasierten Geschäftsmodelle für hybride Montagesysteme. Die Ergebnisse dieser Bewertung sind in Abbildung 8.4 zu sehen. Insgesamt zeigt die Bewertung, dass vor allem die betriebskostenorientierten neuen Geschäftsmodelle 1, 2 und 3 ein gewisses Potenzial für die hybride Montage besitzen. Dies resultiert insbesondere daraus, dass es gut möglich ist, hybride Montagesysteme aufgrund ihrer relativ langen technischen Nutzungsdauer, der auf ihnen montierten kleinen und mittleren Serien sowie der hohen Produktflexibilität für mehrere Kunden zu nutzen. Dies kann sich etwa so darstellen, dass das Montagesystem eines Kunden seine Kapazitätsgrenze erreicht hat
170
Gunter Lay, Marcus Schröter, Heidi Armbruster
und deswegen Lösungen gesucht werden, die über das bestehende Kapazitätsangebot hinausgehende Kapazitätsnachfrage zu decken. Lösungsalternativen stellen hier das Geschäftsmodell 1 „Bündelung von Spitzenbedarfen auf stationären Maschinen“ sowie bei entsprechender Mobilität des Montagesystems das Geschäftsmodell 2 „Abdeckung von Spitzenbedarfen mit mobilen Maschinen“ dar. Für diese Geschäftsmodelle ist es nicht unbedingt notwendig, dass das Montagesystem des Kunden auch ein hybrides ist. Vorstellbar ist auch, dass dieser ein automatisiertes Montagesystem nutzt und dieses auf den durchschnittlichen Bedarf ausgelegt hat. Notwendig ist lediglich, dass der Anbieter des Geschäftsmodells die Produkte in der gleichen Qualität montieren kann wie der Kunde. Geschäftsmodell 3 besitzt für die Hersteller von hybriden Montagesystemen ebenfalls Potenzial. Kunden, die lediglich für einen mittelfristigen Zeitraum ein bestimmtes Produkt montieren wollen, können von einem derartigen Geschäftsmodell profitieren, wenn die Kosten für die Nutzung eines fremden Montagesystems unter den Kosten liegen, die für den Kunden entstehen würden, wenn er in ein eigenes Montagesystem investierte. Hybride Montagesysteme eignen sich für dieses Geschäftsmodell aufgrund ihres modularen Aufbaus, ihrer Produktflexibilität und ihrer Wiederverwendungsmöglichkeiten. Die ebenfalls betriebskostenorientierten Geschäftsmodelle 4 und 5 sind in ihrem Potenzial im Felde der hybriden Montage dagegen weniger vorteilhaft einzustufen. Geschäftsmodelle, die auf die Senkung von Qualitäts- und Wartungskosten abzielen (Geschäftsmodelle 6 bis 8) sind in ihren Chancen im Bereich hybrider Montagesysteme ambivalent, überwiegend jedoch skeptisch zu beurteilen. Hier sind sowohl förderliche Faktoren, wie die geringe bzw. mittlere Qualifikation der üblicherweise in der Montage eingesetzten Mitarbeiter als auch hemmende Faktoren, wie die üblicherweise bereits relativ hohe technische Verfügbarkeit von hybriden Montagesystemen und ihr relativ langsamer technischer Fortschritt gegeneinander abzuwiegen. Die Geschäftsmodelle 9 und 10, die die Senkung von Anschaffungskosten für den Kunden anstreben, sind differenziert zu beurteilen. Während hybride Montagesysteme für das Geschäftsmodell 10 „skalierbarer kapazitativer Ausbau“ mehrere förderliche Faktoren, wie die hohe Produktflexibilität und die lange Nutzungsdauer besitzen, ist dies für das Geschäftsmodell 9 „Betrieb von Lean Machine-Konzepten“ eher gegensätzlich zu beurteilen. Hier finden sich keine förderlichen Faktoren, die lange technische Nutzungsdauer wirkt sich eher negativ auf das Potenzial dieses Geschäftsmodells für Montagesystemhersteller aus. Alles in allem hat sich damit gezeigt, dass sich hybride Montagesysteme insbesondere für die dienstleistungsbasierten Geschäftsmodelle 1,2,3 und 10 eignen.
TCO als Ausgangspunkt für die Entwicklung neuer Geschäftsmodelle
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Geschäftsmodell 1: Bündelung von Spitzenbedarfen auf stationären Maschinen
+
+
+
Geschäftsmodell 2: Abdeckung von Spitzenbedarfen mit mobilen Maschinen
+
+
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Geschäftsmodell 3: Aneinanderreihung von Kundenbedarfen
+
+
+
Geschäftsmodell 4: Bündelung individuell unterkritischer Kundenbedarfe
+
Geschäftsmodell 5: kontinuierliche Modernisierung der Investitionsgüter
+
Geschäftsmodell 6: Produktionsunterstützung durch Investitionsgüterhersteller
+
Geschäftsmodell 7: erfolgsabhängig zu vergütende Personalqualifizierung
+
Geschäftsmodell 8: Wartungsverträge mit garantierten Verfügbarkeiten
+
+
-
-
Geschäftsmodell 9: Betrieb von Lean Machine-Konzepten
-
Geschäftsmodell 10: skalierbarer kapazitativer Ausbau
+
hohe technische Verfügbarkeit
geringer technischer Fortschritt Hersteller ohne wesentlichen Know-how Vorsprung hohe Produktflexibilität
Fertigung kleiner bis mittlerer Serien
mittlere Amortisationszeit
mittleres Investvolumen
lange technische Nutzungsdauer
geringe bis mittlere Qualifikation der daran Tätigen
Investitionsgut zeichnet sich aus durch…..
--
-
-
-
+
+ = Kriterienausprägung bietet hohes Potenzial für Geschäftsmodell - = Kriterienausprägung bietet geringes Potenzial für Geschäftsmodell leeres Feld = neutraler Bezug zwischen Kriterienausprägung und Geschäftsmodell
Abbildung 8.4: Eignung neuer Geschäftsmodelle für hybride Montagesysteme
+
172
3.3
Gunter Lay, Marcus Schröter, Heidi Armbruster
Industrieroboter und TCO-orientierte Geschäftsmodelle
Versucht man, die für den Industrierobotereinsatz in der Unternehmenspraxis geltenden Charakteristika zu skizzieren, um die Voraussetzungen einer Bewertung des Investitionsguts „Industrieroboter“ für neue Geschäftsmodelle zu schaffen, so zeigt sich: Die Qualifikation der in Zusammenhang mit Industrierobotern tätigen Mitarbeiter ist in der Regel sehr hoch. Für Planung, Inbetriebnahme und Einrichtung des Roboters ist spezifisches Fachwissen notwendig. Insbesondere bei Fehlern und Ausfällen des Roboters ist schnelles und kompetentes Eingreifen notwendig. Mit einer Nutzungsdauer von ca. acht Jahren ist der Roboter lange im Einsatz. Das Investitionsvolumen einer einzelnen Roboterzelle ist mit 150.000 bis 200.000 EUR zwar vergleichsweise eher gering bis mittel. Allerdings werden für Anlagen oft mehrere Roboter benötigt, was die Investitionen ansteigen lässt. Wird beispielsweise eine Anlage eingerichtet, in der sechs bis acht Roboter installiert sind, müssen dafür bis zu 800.000 EUR ausgegeben werden, was wiederum ein hohes Investitionsvolumen darstellt. Analog zum Investitionsvolumen ist die durchschnittliche Amortisationszeit eines einzelnen Industrieroboters mit ca. zwei Jahren eher gering. Betrachtet man allerdings wiederum eine Roboteranlage, dann erhöht sich die Amortisationszeit entsprechend. Generell gilt, dass die heutigen Roboterlösungen tendenziell für große Serien konzipiert sind und entsprechend genutzt werden. Einzige Ausnahme stellt das Bahnschweißen dar, da dort die Umrüst- und Programmierzeiten kürzer ausfallen und auch kleine bis mittlere Seriengrößen rentabel sind. Die Roboter selbst, also die Hardware ändert sich relativ langsam, allerdings sind die Neuerungen in den Softwarelösungen schnell bis sehr schnell. Vor allem in der Bildverarbeitung ist der Fortschritt sehr rasch. Entsprechend kennt sich der Roboterhersteller und Systemintegrator mit den technischen Gegebenheiten des Roboters besser aus als der Kunde. Es besteht daher ein hoher Wissensvorsprung durch den Hersteller bzw. Systemintegrator, der meist den Roboter an die spezifischen Produktionsprozesse des Kunden anpasst. Die technische Verfügbarkeit eines Roboters ist ebenfalls sehr hoch. Durchschnittlich liegen ca. 10.000 Stunden Robotereinsatz zwischen zwei Ausfällen. Da Roboter hauptsächlich für die Großserienproduktion eingesetzt werden, die Umrüst- und Programmierzeiten eher hoch ausfallen, ist die Breite des fertigbaren Teilespektrums bzw. der Handhabungen eines Roboters eher gering (World Robotics 2005). Diese Rahmenbedingungen des Robotereinsatzes in der Industrie sind in Abbildung 8.5 mit den in Kapitel 2 beschriebenen neuen Geschäftsmodellen in Beziehung gesetzt dargestellt. Daraus wird ersichtlich, welche Potenziale die eingangs skizzierten neuen Geschäftsmodelle im Felde Industrierobotereinsatz haben. Zusammengefasst entsteht folgendes Bild: Die Geschäftsmodelle 1 bis 5, die auf die Senkung der Betriebskosten abzielen, sind nur dann sinnvoll anwendbar, wenn es um eine Investition in einen kostenintensiven Roboter oder gar in eine Roboteranlage mit mehreren Robotern geht. Dann fallen für den Kunden hohe Investitionen und dementsprechend lange Amortisationszeiten an, die Ansätze für neue Lebenszyk-
TCO als Ausgangspunkt für die Entwicklung neuer Geschäftsmodelle
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luskosten senkende Geschäftsmodelle bieten. Durch die geringe Produktflexibilität und die hohen Umrüstzeiten von Robotern ist es zunächst schwierig über Geschäftsmodelle nachzudenken, die den Einsatz von Robotern für mehrere Kunden gleichzeitig vorsehen (Geschäftsmodell 1 und 4), zumal beim Robotereinsatz keine Kuppelprodukte anfallen. Potenziale könnten allerdings die Geschäftsmodelle haben, die den Einsatz von Robotern bei sukzessiv aufeinanderfolgenden Kunden zur Idee haben (Geschäftsmodell 2 und 3). Werden die Roboter lediglich auf kontinuierlich anfallende Kundenbedarfe geplant und realisiert, lassen sich die Lebenszykluskosten senken, indem Unterauslastung vermieden wird. Die Spitzenbedarfe könnten dann durch den Hersteller oder Systemintegrator mit dem Einsatz mobiler Roboteranlagen gewährleistet werden (Geschäftsmodell 2). Problematisch könnte bei diesem Geschäftsmodell 2 sein, dass der Hersteller zur Abdeckung der Spitzenbedarfe im Extremfall nicht nur einen mobilen Roboter beim Kunden installieren muss, sondern die gesamte Roboteranlage bereitstellen und betreiben muss, was dieses Geschäftsmodell für den Hersteller unter Umständen unattraktiv macht. Das Angebot zur zeitlich befristeten Nutzung von Investitionsgütern bietet ebenfalls Potenziale beim Robotereinsatz (Geschäftsmodell 3). Lohnt sich eine Investition in einen teuren Roboter oder in eine kostenintensive Anlage nicht, da die Investition zu hoch für den geplanten Bedarf ist, dann können durch die zeitliche Befristung des Robotereinsatzes Betriebskosten-vorteile entstehen. Der Kunde nutzt den Roboter oder die Roboteranlage für eine bestimmte Zeit, bevor diese an einen zweiten oder dritten Kunden weitergegeben wird. Durch die daraus resultierende längere Nutzungszeit durch mehrere Kunden werden die Betriebskosten gesenkt. Geschäftsmodell 5 könnte ebenfalls für die Roboterindustrie Potenziale bieten, indem durch kontinuierliche Produktionsverbesserung die Produktivität erhöht und dadurch die Betriebskosten gesenkt werden. Qualitätskostensenkende Geschäftsmodelle haben bei Roboterlösungen eher geringes Potenzial (Geschäftsmodelle 6 und 7). Die technische Verfügbarkeit von Robotern und die Qualifikation der an den Roboter tätigen Mitarbeiter sind hoch, so dass dies wenig Ansatzpunkte für qualitätskostensenkende Geschäftsmodelle bietet. Gleiches gilt für Geschäftsmodelle, die auf die Senkung der Wartungs- und Instandsetzungskosten abzielen (Geschäftsmodell 8). Qualitätskosten- und wartungskostensenkende Geschäftsmodelle könnten bei Roboteranlagen wiederum eher interessant werden, da durch den Einsatz mehrerer Roboter in einer Anlage die technische Verfügbarkeit sich unter Umständen verringert. Geschäftsmodelle 6 und 8, die durch Produktionsunterstützung und Wartungsverträge versuchen, die Produktivität der Anlage zu steigern und so die Kosten zu senken, könnten in diesem Fall von Vorteil für Hersteller und Kunde sein. Die auf die Senkung der Anschaffungskosten abzielenden Modelle sind interessant für Roboterhersteller und deren Kunden, wenn es wiederum um die Investition eines kostenintensiven Roboters oder einer Roboteranlage geht. Diese hohen Investitionen könnten durch den Verkauf von „schlanken“ weniger für alle Eventualitäten technisch ausgestatteten Robotern gesenkt werden (Geschäftsmodell 9). Allerdings ist dieses Geschäftsmodell 9 durch die relativ lange Nutzungsdauer eines Roboters eingeschränkt. Je länger der Roboter im Einsatz ist, desto schwieriger und teurer wird es für den Hersteller, für eine bestimmte Roboterleistung zu garantieren. Durch die hohen Investitionen der Roboteranlagen und die lange Nutzungs-
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dauer könnte auch das Geschäftsmodell 10 für Roboterhersteller und Kunden interessant sein. Die Anschaffungskosten werden durch den Verzicht auf technische Überfrachtung des Roboters gesenkt. Bei Bedarf kann dann durch einen beim Roboterkauf vereinbarten Vertrag zwischen Hersteller und Kunde im Laufe der Nutzung der Roboter modular ausgebaut werden, um so dem spezifischen Kundenbedarf zu entsprechen. Insgesamt lässt sich festhalten, dass es mit Einschränkung auch im Bereich „Industrieroboter“ möglich scheint, neue Geschäftsmodelle zu etablieren, in denen Roboterhersteller, Systemintegratoren und Kunden profitieren können. Neue Geschäftsmodelle zwischen Hersteller, Systemintegratoren und Kunden sind allerdings erst dann vorteilhaft, wenn hohe Investitionen getätigt werden müssen, die Amortisationszeit entsprechend lang ist und die Roboter länger im Einsatz sind. Dies ist tendenziell eher bei Roboteranlagen mit mehreren Robotern der Fall, als beim Einsatz eines einzelnen Roboters.
TCO als Ausgangspunkt für die Entwicklung neuer Geschäftsmodelle
175
Hersteller mit Know-how Vorsprung
geringe Produktflexibilität
Nutzung zur Fertigung großer Serien
-
+
-
+
Geschäftsmodell 2: Abdeckung von Spitzenbedarfen mit mobilen Maschinen
+
-
+
-
+
-
Geschäftsmodell 3: Aneinanderreihung von Kundenbedarfen
-
+
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+
-
Geschäftsmodell 4: Bündelung individuell unterkritischer Kundenbedarfe
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+
-
+
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-
+
Geschäftsmodell 5: kontinuierliche Modernisierung der Investitionsgüter
+
Geschäftsmodell 6: Produktionsunterstützung durch Investitionsgüterhersteller
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-
+
Geschäftsmodell 7: erfolgsabhängig zu vergütende Personalqualifizierung
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-
+
Geschäftsmodell 8: Wartungsverträge mit garantierten Verfügbarkeiten
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+
Geschäftsmodell 9: Betrieb von Lean Machine-Konzepten
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-
+
Geschäftsmodell 10: skalierbarer kapazitativer Ausbau
+
-
+
mittel bei Roboteranlage
+
Techn. Verfügbarkeit hoch bei einem Roboter
Geschäftsmodell 1: Bündelung von Spitzenbedarfen auf stationären Maschinen
rascher technischer Fortschritt
lang bei Roboteranlage
-
kurz bei einem Roboter
+
hoch bei Roboteranlage
Amortisationszeit
niedrig bei einem Roboter
Investvolumen
lange technische Nutzungsdauer
hohe Qualifikation der daran Tätigen
Investitionsgut zeichnet sich aus durch…..
+
-
+
+
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+
+
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+
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+
+
+
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+
+ = Kriterienausprägung bietet hohes Potenzial für Geschäftsmodell - = Kriterienausprägung bietet geringes Potenzial für Geschäftsmodell leeres Feld = neutraler Bezug zwischen Kriterienausprägung und Geschäftsmodel
Abbildung 8.5: Eignung neuer Geschäftsmodelle für Industrieroboter
-
176
4.
Gunter Lay, Marcus Schröter, Heidi Armbruster
Fazit und Ausblick
Ziel des vorliegenden Beitrags war es, zu prüfen, ob und inwieweit dienstleistungsorientierte Geschäftsmodelle von Investitionsgüterproduzenten die Total-Cost-of-Ownership positiv beeinflussen und daraus den Mehrwert generieren können, der zu Win-win-Situationen für Investitionsgüterproduzenten und -kunden führen kann. Dabei wurde deutlich, dass es vielfältig ausgestaltete neue Geschäftsmodelle gibt, die unterschiedliche Bestandteile der TCO adressieren. Die Senkung der Betriebskosten, der Qualitätskosten, der Wartungskosten und auch der Anschaffungskosten ist damit nicht nur durch eine innovative technische Auslegung von Investitionsgütern erreichbar. Alternativ bzw. ergänzend können diese für die TCO bedeutsamen Kostenarten auch durch neuartige dienstleistungsbasierte Geschäftsmodelle, in denen die Arbeitsteilung zwischen Investitionsgüterhersteller und -anwender in der Nutzungsphase neu justiert ist, in relevantem Umfang vermindert werden. Wie sich weiter zeigte, ist das Potenzial neuer dienstleistungsbasierter Geschäftsmodelle zur Verringerung der TCO jedoch nicht unabhängig von den jeweils betrachteten Investitionsgütern. Eine vertiefte Analyse für die Investitionsgüter „Werkzeugmaschinen am Beispiel Bearbeitungszentren“, „hybride Montagesysteme“ und „Industrieroboter“ machte deutlich, dass die Eignung bestimmter Investitionsgüter für die verschiedenen Geschäftsmodelle von vielfältigen Parametern beeinflusst ist, die aus der Technik der Investitionsgüter und ihrem Anwendungskontext stammen. Dies führt dazu, dass im Vergleich zwischen Werkzeugmaschinen, hybriden Montagesystemen und Industrierobotern die verschiedenen Geschäftsmodelle sehr unterschiedliche Anwendungspotenziale besitzen. Einen zusammenfassenden Überblick hierzu gibt Abbildung 8.6.
TCO als Ausgangspunkt für die Entwicklung neuer Geschäftsmodelle
Werkzeugmaschine (Bearbeitungszentren)
Betriebskosten-
modellspezifisch Potenzial vorhanden (Modelle 1, 2 und 3) bzw. ambivalent zu beurteilen (Modell 5)
ambivalent zu beurteilendes Potenzial
Potenzial
geringes Potenzial
ambivalent zu beurteilendes Potenzial
ambivalent zu beurteilendes Potenzial
geringes Potenzial
ambivalent zu beurteilendes Potenzial
modellspezifisch hohes (Modell10) bzw. geringes (Modell 9) Potenzial
modellspezifisch hohes (Modell10) bzw. geringes (Modell 9) Potenzial
ambivalent zu beurteilendes Potenzial
orientierte Geschäftsmodelle (Modelle 6 und 7)
Wartungskostenorientierte Geschäftsmodelle (Modell 8)
Anschaffungskostenorientierte Geschäftsmodelle (Modelle 9 und 10)
Industrieroboter (Roboteranlagen)
großes Potenzial
orientierte Geschäftsmodelle (Modelle 1 bis 5)
Qualitätskosten-
Hybride Montagesysteme
177
Abbildung 8.6: Vergleich der Eignung neuer Geschäftsmodelle für Werkzeugmaschinen (BAZ), Hybride Montagesysteme und Industrieroboter Diese Ergebnisse repräsentieren einen Stand der Forschung zum Thema „Neue Geschäftsmodelle und TCO“ der lediglich als explorativ bezeichnet werden kann. Weder die Zusammenstellung der Geschäftsmodelle erhebt einen Anspruch auf Vollständigkeit, noch kann die Auflistung der für die Potenziale dieser Geschäftsmodelle relevanten Technik- und Anwendungskriterien als erschöpfend bezeichnet werden. Insbesondere die Zusammenhänge zwischen den Ausprägungen dieser Kriterien und daraus resultierenden Chancen neuer Geschäftsmodelle gilt es in weiteren Forschungsarbeiten empirisch zu fundieren und zielgerichtet weiterzuentwickeln. Erst dann wird es möglich sein, belastbare Empfehlungen zu formulieren, für welche Investitionsgüter welche Geschäftsmodelle in Frage kommen. Festzuhalten bleibt, dass die TCO-Betrachtung geeignet ist, wirtschaftliche Potenziale neuer Geschäftsmodelle abzuleiten. Im Umkehrschluss sind damit neue Geschäftsmodelle ein Weg, Einfluss auf die TCO zu nehmen. Die Umfänge dieser Einflussmöglichkeiten sind nicht generell, sondern in Abhängigkeit individueller Investitionsobjekte zu ermitteln. Erste instrumentelle Ansätze, die eine solche Ermittlung unterstützen könnten, wurden aufgezeigt.
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Gunter Lay, Marcus Schröter, Heidi Armbruster
Literatur
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TCO als Ausgangspunkt für die Entwicklung neuer Geschäftsmodelle
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Autoren
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Herausgeber
Stefan Schweiger Prof. Dr.-Ing. Stefan Schweiger ist seit 2003 Professor für industrielle Projektplanung und Prozessmanagement in der Fakultät für Wirtschafts- und Sozialwissenschaften der Hochschule Konstanz (HTWG). Er studierte Maschinenbau an der TU Darmstadt und promovierte zum Thema Dienstleistungs-Qualitätsmanagement an der Universität Bremen. Seit 1992 ist Professor Schweiger als Unternehmensberater, Coach und Referent tätig. Darüber hinaus ist er Autor zahlreicher Veröffentlichungen zu den Themenfeldern Servicemanagement, Supply Chain Management, Strategie und Organisation.
Autoren
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Autoren Eberhard Abele Prof. Dr.-Ing. Eberhard Abele ist Leiter des Instituts für Produktionsmanagement, Technologie und Werkzeugmaschinen (PTW) an der Technischen Universität Darmstadt. Bevor er dem Ruf an seinen jetzigen Lehrstuhl folgte, leitete er verschiedene Projekte zur Neuausrichtung von Produktionsnetzwerken und sammelte als Leiter der Fertigungsplanung/Technologieentwicklung und Werkleiter in der Industrie umfangreiche internationale Erfahrungen in China, Spanien und Frankreich. Sein Institut beschäftigt rund 50 Mitarbeiter. Diese befassen sich mit der Entwicklung neuer Ansätze im Produktionsmanagement, mit der Konstruktion und Erprobung von neuen Werkzeugmaschinenkonzepten und mit der Entwicklung neuer Verfahren in der spanenden Fertigung, insbesondere der Hochgeschwindigkeitsbearbeitung.
Volker Albrecht Dipl.-Ing. Volker Albrecht ist Leiter Instandhaltung im Produktleistungscenter Motoren der Daimler AG in Untertürkheim. Er studierte an der Universität Stuttgart Maschinenbau. Seit 1996 arbeitet er im Produktleistungscenter Motoren. Zu seinem Verantwortungsbereich gehören Instandsetzungs- und Servicedienstleistungen aller Produktionseinrichtungen inklusive produktionsnaher Rechnersysteme sowie Umwelt- und Entsorgungstechnik an den Standorten Untertürkheim und Bad Cannstatt. Volker Albrecht sammelte neun Jahre tiefgreifende Erfahrungen entlang der gesamten Prozesskette der Instandhaltung PKW-Motorenproduktion.
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Autoren
Heidi Armbruster Dr. Heidi Armbruster ist seit 2004 als wissenschaftliche Mitarbeiterin am Fraunhofer-Institut für System- und Innovationsforschung (ISI) in Karlsruhe und seit September 2006 als stellvertretende Leiterin des Competence Center „Industrie- und Serviceinnovationen“ tätig. Sie studierte Verwaltungswissenschaft an der Universität Konstanz und promovierte 2004 an der Universität Genf (Schweiz) und an der Universität Groningen (Niederlande) zum Thema „Sozialstrukturen in Innovationsteams“. Ihre Forschungsschwerpunkte liegen in den Bereichen innovative Organisationskonzepte und Geschäftsmodelle, Innovationsmessung und soziale Netzwerkanalyse.
Christian Boge Dr.-Ing. Christian Boge war bis April 2008 Leiter des Prozessmanagements bei der Fa. MAG Hüller Hille und ist dort jetzt für den Aufbau des Bereiches „Composite“ verantwortlich. Er studierte Elektrotechnik an der RWTH Aachen und promovierte am Werkzeugmaschinenlabor und Betriebslehre (WZL) der RWTH Aachen zum Thema „Verfahren und Systeme zur Prozessüberwachung“. Seit seinem Eintritt 1992 bei Hüller Hille hatte er Positionen im Bereich der Steuerungsentwicklung, Auftragsabwicklung und dem Qualitätsmanagement inne.
Frank Bünting Dr. Frank Bünting studierte Wirtschaftsingenieurwesen der technischen Fachrichtung Maschinenbau an der TU in Darmstadt, wo er auch zum Thema „Qualitätsmanagement in der Produkt- und Prozessentwicklung“ promovierte. Seit 1995 ist er im VDMA verantwortlich für die Betreuung der Mitglieder rund um die Themen: Qualitäts- und Prozessmanagement und Messung von Kundenzufriedenheit. Seit 2003 ist er Geschäftsführer des Arbeitskreises „Lebenszykluskosten“, der das VDMA Einheitsblatt 34160 „Prognosemodell für Lebenszykluskosten“ erarbeitet hat. Gleichzeitig ist er Mitarbeiter mehrerer Forschungsprojekte zum Thema „Lebenszykluskosten und Total-Cost-of-Ownership“.
Autoren
Marina Dervisopoulos Dipl.-Wirtsch.-Ing. Marina Dervisopoulos studierte an der Technischen Universität Darmstadt und der Ecole Centrale de Lyon Wirtschaftsingenieurwesen mit dem Schwerpunkt Maschinenbau. Seit 2004 ist sie als Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Produktionsmanagement, Technologie und Werkzeugmaschinen (PTW) an der Technischen Universität Darmstadt tätig. Ihre Forschungsschwerpunkte umfassen die Optimierung globaler Produktions- und Wertschöpfungsnetzwerke, Supply Chain Management und die lebenszykluskostenorientierte Optimierung von Werkzeugmaschinen.
Christos Kalogerakis Dipl.-Wi.-Ing. Christos Kalogerakis hat an der Universität Karlsruhe (TH) Wirtschaftsingenieurwesen studiert. Er hat mehrjährige Erfahrung als Logistikberater im Bereich Benchmarking sowie als Projektingenieur im Bereich Fabrikplanung, Fertigungsrestrukturierung, Produktions- und Lagerlogistik sowie in der Auswahl betrieblicher Informationssysteme. Seit 2008 arbeitet er für die ProWerk GmbH. Seine Themenfelder sind das Zielkostenund Lebenszykluskostenmanagement.
Thomas Köllner Dr.-Ing. Thomas Köllner studierte Maschinenbau an der RWTH Aachen und promovierte dort 1999 über das Verzahnungshonen. Von 1994 bis 2000 war er Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Technologie der Fertigungsverfahren des WZL der RWTH Aachen und leitete von 1998 bis 2000 die Forschungsgruppe „Technologie der Zahnradfertigung“. Nach seiner Tätigkeit von 2000 bis 2002 als Consultant bei der Management Engineers GmbH in Düsseldorf trat er 2002 als Leiter Maschinenplanung und Technologieentwicklung in die ZF Friedrichshafen AG ein und leitet dort seit 2003 die Abteilung Produktionstechnik.
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Autoren
Benjamin Kuhrke Dipl.-Wirtsch.-Ing. Benjamin Kuhrke studierte Wirtschaftsingenieurwesen mit der technischen Fachrichtung Maschinenbau an der TU Darmstadt. Er ist seit 2005 wissenschaftlicher Mitarbeiter am PTW der TU Darmstadt. Seit 2006 ist er Leiter des Forschungsteams Umweltgerechte Produktion, in den er nach einigen Forschungsprojekten zum Thema „Umweltgerechte Produktentwicklung“ heute vor allem im Bereich der Energie- und Ressourceneffizienz in der Produktion im Allgemeinen und der Energieeffizienz von Werkzeugmaschinen im Besonderen forscht.
Gunter Lay Dr. rer. pol. Gunter Lay studierte an der Universität Mannheim Betriebswirtschaftslehre und promovierte an der Gesamthochschule Kassel im Fachbereich Arbeitswissenschaft. Nach dem Diplomabschluss war er für zwei Jahre als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl von Professor Gaugler (Universität Mannheim) tätig. 1978 wechselte er zum FraunhoferInstitut System- und Innovationsforschung (ISI), wo er den Arbeitsbereich „Innovationen in der Produktion“ begründete. Aktueller Schwerpunkt seiner Arbeiten im ISI ist die Koordination des Geschäftsfeldes „Industrielle Dienstleistungen“.
Heiko Noske Dr.-Ing. Heiko Noske hat an der Universität Hannover Maschinenbau und Konstruktionstechnik studiert. 1993 promovierte er am Institut für Fertigungstechnik und spanende Werkzeugmaschinen dieser Universität. Anschließend war er für sechs Jahre zunächst als Leiter Entwicklung und Konstruktion und anschließend als Leiter Montage und Logistik in Industrieunternehmen des Maschinenbaus tätig. Mit dem Ziel, seine Erfahrungen auch anderen Unternehmen zur Verfügung zu stellen, machte sich Dr. Noske im Jahr 2000 zunächst als beratender Ingenieur selbständig. 2003 gehörte er zum Gründungskreis der ProWerk GmbH, deren Partner und Geschäftsführer er heute ist.
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Marcus Schröter Dr. Marcus Schröter ist seit 2005 Projektleiter am Fraunhofer Institut für System- und Innovationsforschung (ISI) im Competence Center „Industrieund Serviceinnovationen“. Seine Forschungsschwerpunkte liegen im Bereich der Gestaltung und Bewertung von dienstleistungsbasierten Geschäftsmodellen für Investitionsgüter sowie der betriebswirtschaftlichen Planung von energie- und ressourceneffizienten Produktionssystemen. Er studierte Wirtschaftswissenschaft an der Universität Bremen und promovierte zur strategischen Planung geschlossener Wertschöpfungsketten an der TU Braunschweig. Er ist Autor zahlreicher Veröffentlichungen zu den Themenfeldern dienstleistungsbasierte Geschäfts- und Betreibermodelle, Kreislaufwirtschaft, Ersatzteilmanagement und System Dynamics.
Matthias Striefler Dipl.-Wi.-Ing. Matthias Striefler studierte Wirtschaftsingenieurwesen an der Universität Karlsruhe (TH). Dieses schloss er 2008 mit einer praxisorientierten Diplomarbeit zur Thematik der Lebenszykluskosten bei Werkzeugmaschinen ab, die er in der ZF Friedrichshafen AG angefertigt hat. Seit 2007 ist er als Student in der Abteilung Produktionstechnik im Aufgabenbereich der Maschinenplanung tätig und ab Oktober 2008 als Trainee.
Peter Wetzel Peter Wetzel ist Mitbegründer und Vorstand für Technik und Technologie der Infoman AG. Nach dem Informatikstudium in Stuttgart hat er beim Fraunhofer IAO die Industrie u. a. für Benutzungsoberflächen und Kundenkommunikationssysteme beraten. Seit 1996 steht er für die Technologiestrategie der Infoman AG. Seit 2003 entwickelt er mit seinen Mitarbeitern im Geschäftsfeld Life-Cycle-Performance entsprechende Lösungen für Hersteller und Betreiber von Maschinen und Anlagen.
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Roland Wieser Roland Wieser ist gelernter Industriemechaniker-Meister und schloss 1986 eine Weiterbildung zum REFA-Techniker und anschließend zum REFAIndustrial-Engineer ab. Von 1977 bis 1982 leitete er den Werkzeugbau bei der Fa. Braun in Friedrichshafen und ist seit 1982 für die ZF Friedrichshafen AG tätig. Dort führte er zunächst den Fachbereich „Steuerungstechnik“ und leitete von 1993 bis 1998 den Bereich „Anwenderkoordination Informatik Produktion“. Seit 1998 ist Roland Wieser am ZF-Standort Friedrichshafen Leiter der Abteilung Instandhaltung für Werkzeugmaschinen und Wärmebehandlungsanlagen.
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