Thomas Nicolai Florian Hoffmann Kindernotfall-ABC
Thomas Nicolai Florian Hoffmann
Kindernotfall-ABC Kompendium für N...
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Thomas Nicolai Florian Hoffmann Kindernotfall-ABC
Thomas Nicolai Florian Hoffmann
Kindernotfall-ABC Kompendium für Notärzte und Kindernotärzte
Mit 61 Abbildungen
IV
Dr. Florian Hoffmann Dr. von Haunersches Kinderspital Kinderklinik und Kinderpoliklinik der Ludwig Maximilian Universität München Lindwurmstr. 4 80337 München
Professor Dr. Thomas Nicolai Dr. von Haunersches Kinderspital Kinderklinik und Kinderpoliklinik der Ludwig Maximilian Universität München Lindwurmstr. 4 80337 München
ISBN-13 978-3-642-16856-7
Springer-Verlag Berlin Heidelberg New York
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22/2122/AK – 5 4 3 2 1 0
V
Vorwort Notfälle bei Kindern machen nur einen kleinen Prozentsatz der typischen Notarzteinsätze aus. Untersuchungen über die Verbesserung der Prozessqualität dieser Einsätze kommen übereinstimmend zu dem Schluss, dass die Einsatzfrequenz für den typischen Notarzt oder Rettungsassistenten zu gering ist, um eine ausreichende Übung für Kindernotfälle zu erlangen oder aufrecht zu erhalten. Diese mangelnde Routine zusammen mit dem anderen Erkrankungsspektrum im Vergleich zu Erwachsenen, der Mitbehandlung der Eltern und der häufig notwendigen gewichtsadaptierten Medikamentendosierung machen Kindernotfälle für den Großteil der Notärzte und Mitarbeiter des Rettungsdienstes zu emotional belasteten und gefürchteten Einsätzen. Daher wird gefordert, dass eine spezifische Weiterqualifizierung durch entsprechende Kurse bzw. Lehrmaterial initial und zur Erhaltung der Kompetenz für Kindernotfälle zwingend erforderlich ist. München ist mit fast 1,5 Millionen Einwohnern auf einer sehr umgrenzten Fläche eine der kompaktesten Großstädte der Welt. Dies hat es erlaubt, einen Kindernotarztdienst rund um die Uhr zu gewährleisten, welcher 2010 sein 20-jähriges Bestehen gefeiert hat. Es hat sich gezeigt, dass hierbei immer wieder wichtige Therapieverbesserungen für einzelne Patienten möglich sind. Nachdem dieses System nicht flächendeckend nachgebildet werden kann, muss es unser Ziel sein, trotzdem die Qualität der Versorgung durch Schulung und Weiterbildung überall zu verbessern. Hierzu haben wir aus der täglichen Praxis des Kindernotarztdienstes München heraus Handlungsanleitungen sowohl für die häufigsten als auch für zwar seltene aber besonders gefährliche oder sich von der Erwachsenenmedizin
VI
Vorwort
unterscheidende Notfalleinsätze zusammengetragen. Besonderer Wert wurde auf die strikte Konzentration auf die präklinische Versorgung gelegt, es wurde bewusst auf eine Diskussion der Literatur etc. verzichtet. In den Abschnitten »Tipps und Tricks« werden die nach unserer Erfahrung wichtigsten Fehlermöglichkeiten, Differenzialdiagnosen und Handlungsalternativen bei Problemen dargestellt. Diese Handlungsanleitungen eignen sich auch für die präklinische Erstversorgung von Kindernotfällen in der Kinder- oder Allgemeinarztpraxis. Im Medikamententeil werden fertig ausgerechnete Dosierungstabellen in mg und ml für die verschiedenen Gewichtsklassen zur Verfügung gestellt. Nach unserer Erfahrung lassen sich hierdurch Dosierungsfehler weitgehend vermeiden. Praktische Hilfestellungen für die (für den Erwachsenen-Notarzt doch oft ungewohnten) pädiatrischen Größenverhältnisse und Problemsituationen bilden den Kern der einzelnen Kapitel. Unsere Hoffnung ist es, durch dieses Buch das Leben des gestressten Notarztes beim Kindereinsatz zu erleichtern und die Qualität der Versorgung zu verbessern. Mit Hilfe an der Praxis ausgerichteter Kurse für Kindernotfälle, z. B. nach den Leitlinien der DIVI oder pädiatrische Simulationstrainings (www.paedsim.org), sowie der Benutzung von Hilfsmitteln wie dem hier vorgestellten Büchlein sollte die Erstversorgung von Kindernotfällen für jeden Notarzt einfacher und sicherer werden. München, Juni 2011 Thomas Nicolai
Florian Hoffmann
VII
Danksagung Für die kritische Durchsicht von Teilen des Manuskripts danken wir Ute Nicolai, Karl Reiter, Carola Schön, Alenka Pecar, Tina Heinrich, Markus Lehner, Hans-Georg Dietz, Sebastian Zimatschek und Barbara Zimatschek. Bei der Erstellung von Abbildungen war Bert Woodward besonders behilflich, wofür wir uns herzlich bedanken möchten. Im Kapitel Atemwegmanagement möchten wir Herrn Anton Pleinert unseren besonderen Dank aussprechen für die Hilfe bei der Erstellung des Teils zu den in der Notfallmedizin verbreiteten Beatmungsgeräten. Besonders bedanken möchten wir uns außerdem bei Oliver Heinzel, Ellen Heimberg und Walter Eppich der Arbeitsgruppe PAEDSIM für die Hilfe bei der Erstellung der Algorithmen bei kardialen Notfällen, Schock und Reanimation im Kindesalter.
VIII
Inhaltsverzeichnis 1
Physiologische und anatomische Besonderheiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1
2
Umgang mit Eltern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6
3 3.1 3.2
Analgosedierung und Narkose . . . . . . . . . . . . . . 8 Analgosedierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8 Narkose . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11
4 4.1 4.2
Zugangswege . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17 Peripher-venöser Zugang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18 Intraossärer Zugang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22
5 5.1
Kardiopulmonale Reanimation . . . . . . . . . . . . . 30 Basisreanimation (Paediatric basic life support) . . . . . . . . . . . . . . . . . 30 Erweiterte Reanimationsmaßnahmen (Paediatric advanced life support) . . . . . . . . . . . . 35
5.2 6 6.1 6.2
Ertrinkungsunfälle und thermische Schäden 41 Ertrinkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41 Thermische Schäden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43
7 7.1 7.2
Respiratorische Notfälle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kernpunkte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Differenzialdiagnostischer Algorithmus zum Vorgehen bei akuter Atemnot . . . . . . . . . . . . Basis-Diagnostik (»Sofort-Check«) . . . . . . . . . . . . Respiratorische Notfälle nach Häufigkeit . . . . . . Atemnot bei Kindern mit Tracheostoma . . . . . . .
7.3 7.4 7.5
45 45 46 50 51 76
Inhaltsverzeichnis
IX
8
Atemwegsmanagement, Beatmung, Intubation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 79 8.1 Initialmaßnahmen bei Atemwegsproblemen . . 79 8.2 Beatmungsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 85 8.3 Intubation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 90 8.4 Rachenbeatmung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 97 8.5 Larynxmaske . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 99 8.6 Weder Beatmung noch Intubation möglich . . 100 8.7 Beatmung trotz Intubation/Tracheotomie nicht möglich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 103 8.8 Kanülenzwischenfall bei Kindern mit Tracheostoma . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 105 8.9 Sonstige Atemhilfen/Intubationshilfen . . . . . . . 105 8.10 Anwendung von Beatmungsgeräten bei Kindern in der Notfallmedizin . . . . . . . . . . . . . . . 107 9 9.1 9.2 9.3 9.4
Kardiale Notfälle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Rhythmusstörungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tachykardie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Bradykardie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Sonderfälle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
118 118 120 126 130
10 10.1 10.2 10.3 10.4 10.5
Schock . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Alarmierungsgrund . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Diagnostik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ursachen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Initiale Schocktherapie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Einzelne Schockformen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
136 136 136 136 137 141
11 11.1 11.2 11.3
Allergische Reaktion und Anaphylaxie . . . . . Alarmierungsgrund . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Beschwerden und Befunde . . . . . . . . . . . . . . . . . . Entscheidungskriterien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
145 145 145 146
X
Inhaltsverzeichnis
11.4 Differenzialdiagnose . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 147 11.5 Therapie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 147 12 Epileptischer Anfall . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 152 12.1 Kernpunkte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 152 12.2 Therapeutisches Vorgehen bei Krampfanfall . . 153 13 13.1 13.2 13.3
Bewusstlosigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Alarmierungsgrund . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Vorgehen bei tief bewusstlosem Patienten . . . Therapie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
167 167 168 171
Vergiftung/Ingestionsunfälle . . . . . . . . . . . . . . Kernpunkte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Praktisches Vorgehen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Spezifische Vergiftungen, die bei Kindern häufig oder besonders relevant sind . . . . . . . . . 14.4 Wichtigste präklinisch sinnvolle Antidota . . . . 14.5 Ingestion/Verätzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
177 177 178
15 15.1 15.2 15.3
190 190 191
14 14.1 14.2 14.3
Traumatologische Notfälle . . . . . . . . . . . . . . . . Kernpunkte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Polytrauma . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Spezielle, organbezogene traumatologische Aspekte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15.4 Besondere Handlungsanweisungen . . . . . . . . .
181 187 189
196 201
16
Kindesmisshandlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 204
17 17.1 17.2 17.3
Verbrennungen und Verbrühungen . . . . . . . Alarmierungsgrund: . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Einteilung und Schweregrad . . . . . . . . . . . . . . . . Präklinische Behandlungsmaßnahmen . . . . . . .
205 205 205 208
Inhaltsverzeichnis
XI
18 18.1 18.2 18.3 18.4
Neugeborenenversorgung . . . . . . . . . . . . . . . . Kernpunkte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Erstversorgung des Neugeborenen . . . . . . . . . . Reanimation des Neugeborenen . . . . . . . . . . . . Probleme, Tipps, Fehlermöglichkeiten . . . . . . .
218 218 218 222 231
19
Notfall-Koffer »Kinder« . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 233
20 Notfallmedikamente . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 236 20.1 Übersicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 236 21
Normalwerte und Scores . . . . . . . . . . . . . . . . . . 260
XII
Die Autoren Professor Dr. Thomas Nicolai
Professor Dr. Thomas Nicolai hat sein Medizinstudium an der LMU München mit Forschungszeit an der Cleveland Clinic absolviert. Seine Facharztausbildung und Weiterbildung in pädiatrischer Intensivmedizin erhielt er am Dr. v. Haunerschen Kinderspital München der LMU und am Royal Childrens Hospital in Melbourne, mit Aufenthalten am Hospital for Sick Children in Toronto und am Princess Margaret Hospital in Perth. Er ist langjähriger Fachberater der Landesärztekammer Bayern für die Weiterbildung in pädiatrischer Intensivmedizin und Sprecher der Sektion pädiatrische Intensivmedizin der DIVI. Er ist Leiter der Kinder-Intensivstation und leitender Oberarzt der Kinderklinik der Universität München. Sein besonderes Engagement galt über viele Jahre dem Aufbau des Kindernotarztdienstes der Stadt München, dessen derzeitiger ärztlicher Leiter er ist.
Die Autoren
XIII
Dr. Florian Hoffmann
Florian Hoffmann absolvierte sein Medizinstudium an der LMU München. Nach seiner pädiatrischen Facharztausbildung mit Schwerpunkt »pädiatrische Intensivmedizin« am Dr. von Haunerschen Kinderspital ist er als Funktionsoberarzt auf der Kinderintensivstation tätig. Sein Engagement gilt der Kindernotfall-Ausbildung, in dessen Rahmen er regelmäßig für die Landesärztekammer Bayern, Kindernotfall-Kurse der DIVI und als EPLS-Instruktor für die ERC tätig ist. Im Rahmen des Kooperationsprojekts PAEDSIM-Teamtrainig für Kindernotfälle ist er als SimulationsInstruktor tätig und leitet das PAEDSIM-Zentrum in München. Seit vielen Jahren ist er als Kliniksprecher und aktiver Notarzt im Kindernotarztdienst der Stadt München tätig.
1
1
Physiologische und anatomische Besonderheiten Physiologische Besonderheiten und Unterschiede zwischen Kindern und Erwachsenen, die für die Erstversorgung durch den Notarzt präklinisch von Bedeutung sind: A. Kurze Apnoetoleranz Ursache: Besonders bei vermindertem Muskeltonus oder
zentral nervöser Depression, z. B. durch Sedativa, Schmerzmittel, Narkosemittel, sinkt die funktionelle Residualkapazität bei Säuglingen soweit ab, dass bereits nach 50 sec. der darin enthaltene Sauerstoff selbst nach Präoxygenierung verbraucht ist. Dadurch steht z. B. bei der Intubation oder bei Beatmungsbeginn nur sehr wenig Zeit zur Verfügung. Dies bedeutet, dass respiratorische Maßnahmen, wie eine Intubation, zügig erfolgen müssen oder bei Erfolglosigkeit rasch genug abgebrochen und von erneuter Maskenbeatmung gefolgt sein müssen. B. Kleinheit der Verhältnisse
Diese spielt insbesondere bei den Atemwegen eine große Rolle, da bei den häufigen respiratorischen Virusinfektionen durch Schleimhautschwellung oft Atemwegsobstruktionen auftreten. Viele akut lebensbedrohliche Zustände bei Kindern sind durch obstruktive respiratorische Probleme ausgelöst. T. Nicolai, F. Hoffmann, Kindernotfall-ABC, DOI 10.1007/978-3-642-16857-4_1, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2011
2
Kapitel 1 · Physiologische und anatomische Besonderheiten
C. Besonderheiten in der Atemantriebssteuerung (Apnoe als Antwort auf Hypoxie oder CO2-Anstieg, fehlendes Arousal bei Atemwegsverlegung) können z. B. zum plötzlichen Kindstod beitragen. o Konsequenz aus A, B, C: 4 4
Bei schwierigen klinischen Verhältnissen zunächst Stabilisierung der respiratorischen Situation. Beibehaltung des Reanimationsbeginnes mit fünf effektiven Atemzügen im Gegensatz zum Vorgehen beim Erwachsenen.
D. Schwierige Untersuchung, fehlende Kooperation
Gerade beeinträchtigte Kleinkinder und Säuglinge lassen sich oft nur sehr schwer klinisch untersuchen, da sie sich wehren oder bei Berührung durch fremde Personen schreien und damit z. B. eine Auskultation, ein effizientes Messen des Blutdrucks oder das Anlegen eines Pulsoxymeters unmöglich machen. E. Viele diagnostische Maßnahmen sind entweder nicht durchführbar (Blutdruckmessung ohne geeignetes Spezialgerät bei kleinen Kindern) oder zu invasiv und verschlech-
tern bei ihrer Implementation den Zustand z. B. eines dyspnoischen Kindes durch Aufregung (z. B. »Verkabelung«, arterielle Blutdruckmessung). o Konsequenz aus D, E: 4
Genaue Beobachtung, nicht invasive Messmethoden, klinische Erfahrung.
F. Lange aufrecht erhaltenen Kompensation (Kreislauf,
Respiration) dann abrupte Dekompensation.
3
1
Beispiele: 4 4
Dehydriertes Kind bei Enteritis o RR normal, aber mental reduziert, apathisch o rasch Schockentwicklung Bronchiolitis lange mit maximaler Tachydyspnoe kompensiert, SaO2, pCO2 normal o Bradykardien und Apnoen o kaum noch reversible Dekompensation
o Konsequenz aus F: 4
Klinische Beobachtung oft hilfreicher als physiologische Messwerte
G. Krankheitsspektrum im Notarzteinsatz
Hitliste Erwachsene: 4 Kardiozirkulatorische Probleme: Herzinfarkt, Rhythmusstörung, Lungenembolie o im Kindesalter praktisch unbekannt. Hitliste Kinder: 4 Obstruktive respiratorische Erkrankungen 4 Neurologische Probleme (Infektkrampf) 4 Infektionen (Meningokokkensepsis, Enteritis) o Konsequenz aus G:
Kenntnis der Erkrankungsspektren/Symptome/Therapien ist Voraussetzung für erfolgreiches Handeln H. Trauma, Intoxikationen 4 4
4
Verbrennung: beim Kind Verbrühung viel häufiger als Verbrennung Verletzungsmuster: Schädel-Hirn-Verletzungen (großer Kopf mit wenig muskulärer Kontrolle) häufig entscheidend Unfallmechanismen anders (oft Angefahrenwerden durch Kfz), dabei weiter kranial gelegene Körperteile
4
4
4
Kapitel 1 · Physiologische und anatomische Besonderheiten
betroffen als beim Erwachsenen (Oberschenkel statt Unterschenkel, Aufschlagen des Schädels auf der Kühlerhaube) Intoxikation o akzidentelle Einnahme von Medikamenten und Haushaltsgiften (Erwachsene, Jugendliche: suizidale oder rekreative Drogeneinnahme); andere Gifte, andere Maßnahmen An Kindsmisshandlung denken!
I. Extreme Variation von Körpergröße und Gewicht
(3 kg–60 kg) o Dosierungsfehler. o Konsequenz aus I: 4
Fertig ausgerechnete Dosisbereiche in mg und ml (7 Medikamentenverzeichnis/Inneneinband)
J. Besonderheit der Anatomie 4 4
Stellung und Aussehen des Larynx erschweren Intubation Unterhautfettgewebe und kleine Venen erschweren periphervenöse Zugänge
o Konsequenz aus J: 4 4
Alternative Atemhilfen, wie Rachenbeatmung oder Larynxmaske Früher Einsatz der intraossären Nadel
K. Psychologie und Interaktion
Kleinkinder sind häufig nicht kooperativ, können Schmerz nicht lokalisieren und lassen aus Angst keine ungestörte körperliche Untersuchung zu, Eigenanamnese ist nicht möglich, Beruhigung durch Notarzt nicht möglich.
5
1
o Konsequenz aus K: 4 4
Fremdanamnese, beobachtende Einschätzung, Untersuchung durch die Eltern nach Anleitung Indirekte Beruhigung von Kleinkindern: erklärende und beruhigende Worte über die Natur des medizinischen Problems und die möglichen/geplanten Maßnahmen gegenüber den Eltern (Ruhe überträgt sich auf Kind)
Weitere Besonderheiten Neugeborenen-Erstversorgung: 4 4
Andere Physiologie, andere Probleme (Apnoe, Atempumpe zu schwach) o Reanimationsmaßnahen wesentlich anders als für alle späteren Altersgruppen
6
Kapitel 2 · Umgang mit Eltern
Umgang mit Eltern
Häufig sind bei der präklinischen Erstversorgung die Eltern des zu versorgenden Kindes anwesend. Dadurch sind eine indirekte Einflussnahme auf das Kind (Beruhigung) und die Anamneseerhebung möglich. Bei kritischen Situationen oder Reanimation können die Emotionen der Eltern die Versorgung aber auch durchaus erschweren. Es gibt eine Diskussion, inwieweit Eltern auch bei dramatischen Versorgungssituationen (wie einer Reanimation) am Kind zugegen sein sollen. In der Praxis ist es häufig so, dass eine kurze Erklärung über die durchzuführenden Maßnahmen und eine fest ausgesprochene Bitte, die Maßnahmen nicht zu behindern und daher einige Schritte z. B. an die Tür des Zimmers zurückzutreten, das richtige Vorgehen sind. Am Günstigsten ist es, wenn eine Person explizit damit beauftragt wird, sich um die Eltern zu kümmern. Dies wird nicht immer möglich sein. Die Eltern sollen unbedingt (kurz) über geplante Maßnahmen etc. informiert werden. In der Regel wird das Vorgehen des Notarztes gegenüber der Eltern korrekt sein, wenn dieser sich vorstellt, sein eigenes Kind wäre betroffen und er wäre als Elternteil involviert. Vor Einleitung zusätzlicher Maßnahmen oder beim Abtransport müssen erklärende Worte für die Eltern gefunden werden. Es ist darauf zu achten, dass die Eltern ggf. entweder zur Beruhigung des Kindes im Notarztwagen T. Nicolai, F. Hoffmann, Kindernotfall-ABC, DOI 10.1007/978-3-642-16857-4_2, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2011
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2
mitgenommen werden oder ansonsten möglichst nicht selbst mit dem eigenen Pkw dem Notarztwagen hinterherzufahren versuchen und dabei womöglich sich selbst und andere gefährden. Nach der Übergabe des Patienten im Krankenhaus soll der Notarzt noch einmal ein kurzes zusammenfassendes Gespräch mit den Eltern suchen. Es sollte die wesentlichen Punkte des Ablaufes und mögliche prognostischen Einschätzungen enthalten.
8
Kapitel 3 · Analgosedierung und Narkose
Analgosedierung und Narkose 3.1
Analgosedierung
Ziel: Analgesie, manchmal auch parallel leichte Sedierung
erwünscht, Schutzreflexe und Atemwegskontrolle sollen erhalten bleiben Alarmierungsgrund:
Analgosedierung bei Frakturen/Verbrühungen/sonstigen Verletzungen Typische Probleme: 4 4 4 4
!
Monitoring SaO2 obligat obei fehlendem Kindersensor häufig schwierig Uhrzeit und Dosis notieren, da zu frühe Nachdosierungen häufig Ursache für Überdosierung sind Patienten selten nüchtern o Aspirationsgefahr i. v.-Zugang initial häufig schwierig zu legen, da Kinder mit starken Schmerzen heftige Gegenwehr zeigen o initiale Analgosedierung intranasal oder rektal, dann bei ruhigem Kind i. v.-Zugang legen CAVE Analgosedierung kann unbemerkt zu tiefer Sedierung mit Verlust der Schutzreflexe und der Atemwegskontrolle führen o Notfallausrüstung für Atemwegssicherung und Absauger bereit halten
T. Nicolai, F. Hoffmann, Kindernotfall-ABC, DOI 10.1007/978-3-642-16857-4_3, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2011
3
9
3.1.1
Analgosedierung OHNE i. v.-Zugang
z Intranasal Über Mucosal Atomization Device MAD . Tab. 3.1 . Tab. 3.1 Intranasale Analgosedierung Dosierung
5 kg
10 kg
20 kg
30 kg
Fentanyl 50 μg/ml*
1,5 μg/kg intranasal
0,15 ml
0,3 ml
0,6 ml
1,2 ml
Ketanest-S (25 mg/ ml)** + Midazolam (5 mg/ml)
2,0 mg/kg intranasal
0,4 ml
0,8 ml
1,6 ml
2,4 ml
+ 0,3 mg/kg intranasal
0,3 ml
+ 0,6 ml
+ 1,2 ml
+ 1,8 ml
* Dosis ggf. nach 10 min wiederholen **ggf. Ketanest-S alle 10–20 min. wiederholen
Tipps und Tricks zur intranasalen Medikamentenapplikation 4 Optimale Medikamentenresorption mit atomisierten Partikeln o Einsatz des Mucosal Atomization Device (MAD) dringend zu empfehlen 4 Wegen inkompletter und langsamerer Resorption höhere Dosierungen als i. v. notwendig 4 Immer die höchstkonzentrierte Lösung = kleinstes Volumen des jeweiligen Medikaments benutzen 4 Optimale Menge pro Nasenloch 0,2–0,3 ml, maximal 1,0 ml pro Nasenloch 6
10
Kapitel 3 · Analgosedierung und Narkose
4 Zu applizierende Menge auf beide Nasenlöcher verteilen 4 Bei größeren Mengen ggf. fraktioniert applizieren 4 Nase bei Sekret ggf. vorher absaugen 4 Bei Nasenbluten keine sichere Medikamentenresorption möglich
z Rektal Über Rektalapplikator oder abgeschnittene kurze Infusionsleitung tief rektal . Tab. 3.2 . Tab. 3.2 Rektale Analgosedierung
Ketanest-S (25 mg/ml)* + Midazolam (5 mg/ml)
Dosierung
5 kg
10 kg
20 kg
30 kg
5 mg/kg rektal + 0,3 mg/kg rektal
1,0 ml
2,0 ml
4,0 ml
6,0 ml
+ 0,3 ml
+ 0,6 ml
+ 1,2 ml
+ 1,8 ml
* Ketanest-S ggf. alle 10–20 min wiederholen
z Intramuskulär Alternative bei schlecht erreichbarem oder eingeklemmtem Patienten
Ketanest-S (25 mg/ml)
Dosierung
5 kg
10 kg
20 kg
30 kg
3 mg/kg i.m.
0,6 ml
1,2 ml
2,4 ml
3,6 ml
3
11
3.1.2
Analgosedierung MIT i. v.-Zugang
Intravenöse Analgosedierung . Tab. 3.3 . Tab. 3.3 Intravenöse Analgosedierung Dosierung
5 kg
10 kg
20 kg
30 kg
Piritramid 1 mg/ml*
0,1 mg/kg i. v.
0,5 ml
1,0 ml
2,0 ml
3,0 ml
Fentanyl 50 μg/ml
1 μg/kg i. v.
0,1 ml
0,2 ml
0,4 ml
0,6 ml
Morphin 1 mg/ml**
0,1 mg/kg i. v.
0,5 ml
1,0 ml
2,0 ml
3,0 ml
Ketanest-S 5 mg/ml*** + Midazolam 1 mg/ml
0,5 mg/kg i. v.
0,5 ml
1,0 ml
2,0 ml
3,0 ml
+ 0,05 mg/kg i. v.
+ 0,25 ml
+ 0,5 ml
+ 1,0 ml
+ 1,5 ml
Fentanyl 50 μg/ml + Propofol 1% 10 mg/ml
1 μg/kg i. v.
0,1 ml
0,2 ml
0,4 ml
0,6 ml
+ 1 mg/kg i. v.
+ 0,5 ml
+ 1,0 ml
+ 2,0 ml
+ 3,0 ml
* Piritramid: Verdünnung 1 Amp. = 2 ml +13 ml NaCl 0,9% o Konzentration 1 mg/ml ** Morphin: 1 ml + 9 ml NaCl 0,9% aufziehen o Konzentration 1 mg/ml *** ggf. Ketanest-S nach 5 min wiederholen
3.2
Narkose
Ziel: Verlust von Atemwegskontrolle und Schutzreflexen zur
endotrachealen Intubation
12
Kapitel 3 · Analgosedierung und Narkose
Typische Situation:
Narkoseeinleitung bei Status epilepticus, respiratorischer Insuffizienz oder Trauma Typische Probleme: 4 4
4 4
4
4
Geringe Hypoxietoleranz des kindlichen Organismus o Vermeidung von Hypoxie höchste Priorität Kurze Apnoetoleranz bei Intubationsversuch o nach max. 30 Sekunden oder SaO2-Abfall auf 1 J. Mund-zu-Mund-Beatmung, beim Säugling evtl. Mund-zu-Mund/Nase-Beatmung
33
5
. Abb. 5.2 Maskenbeatmung 2 Personen-Technik 4 4 4 4
4 4
Möglichst durchsichtige gut abdichtende Beatmungsmasken verwenden Kopfposition: Säuglinge »Schnüffelstellung«, je älter, desto mehr Reklination des Kopfes C-Griff ohne Kompression der Halsweichteile Bei insuffizienter Maskenbeatmung: 2-Personen-Technik anwenden (!): eine Person hält Maske und modifiziert Kopfposition, eine zweite Person komprimiert den Beutel, . Abb. 5.2 5 initiale Beatmungen (Inspirationsdauer 1–1,5 Sek.) Lebenszeichen (Bewegungen, Husten, Würgen)? o wenn keine vorhanden o sofort wieder zu C (= Circulation) = Herzdruckmassage
C Kreislauf 4
Identifikation des Pulses im Kindesalter auch für Profis extrem schwierig o Indikation zur Herzdruckmassage bei Fehlen von Lebenszeichen (Husten, Würgen, Bewegungen)
34
Kapitel 5 · Kardiopulmonale Reanimation (ERC-Leitlinien 2010)
b
a
c
. Abb. 5.3 Techniken der Herzdruckmassage im Kindesalter 4
4 4 4 4 4
Pulsprüfung fakultativ möglich, aber max. 10 Sekunden Zeit bis zur Entscheidung (Säuglinge: A. brachialis, A. femoralis; >1. LJ: A. carotis communis, A. femoralis) o im Zweifelsfall immer Herzdruckmassage durchführen! Druckpunkt: untere Sternumhälfte (1 Querfinger oberhalb des Processus xiphoideus) Neugeborene/Säuglinge: thoraxumfassende Technik/2Finger-Technik (. Abb. 5.3a und b) Säuglinge/Kleinkinder: 1-Handballen-Technik (. Abb. 5.3c) Frequenz: mind. 100 – max. 120/min (ca. 2/Sekunde) Drucktiefe: je nach Alter 4 cm (Säuglinge) bis 5 cm (>1. LJ)
35
4 4 4 4 4 4
5
Auf komplette Entlastung des Thorax achten (Druck: Entlastung 1:1) Unterbrechungen minimieren Kein Druck auf Rippen des Kindes häufiger Wechsel bei Herzdruckmassage (HDM), um Übermüdung mit insuffizienter Kompression vorzubeugen 15 × Herzdruckmassage + 2 Beatmungen (bei 1 Helfer: 30:2) Lautes Zählen zur Koordination von Herzdruckmassage und Beatmung bis der Patient intubiert ist, dann ist keine Synchronisation von Beatmung und Herzdruckmassage mehr erforderlich
Häufigste Fehler: 4 4 4 4 4
Zu später Reanimationsbeginn: Beginn der Reanimation nach ABC-Algorithmus, wenn keine Schmerzreaktion Zu langsame Frequenz der Thoraxkompression Zu häufige Unterbrechungen der Thoraxkompressionen Desorganisation durch fehlende »Kommandoübernahme« Kompression der Halsweichteile mit den Fingern bei der Maskenbeatmung.
5.2
Erweiterte Reanimationsmaßnahmen (Paediatric advanced life support)
5.2.1
Rhythmusanalyse
Monitoring: EKG-Monitor und SaO2 sobald verfügbar
z Asystolie/pulslose elektrische Aktivität (häufig) (. Abb. 5.1, rechte Spalte) 4 Schnellstmöglich Suprarenin 0,01 mg/kg (0,1 ml/kg ei-
ner 1:10.000 Lösung) o Notfallkarte Reanimation siehe Inneneinband und . Abb. 5.5
36
Kapitel 5 · Kardiopulmonale Reanimation (ERC-Leitlinien 2010)
4
Danach Fortsetzung der Basismaßnahmen für 2 min bis zur Reevaluation Jeden 2. Zyklus (= alle 3–5 min.) Suprarenin 0,01 mg/kg
4
z Kammerflimmern/pulslose ventrikuläre Tachykardie (selten) (. Abb. 5.1, linke Spalte) 4
Schnellstmögliche Defibrillation mit 4 J/kg als Einzelschock
4
Anschließend sofortige Fortsetzung der kardiopulmonalen Reanmination für 2 min Nach Reevaluation bei weiterhin bestehender defibrillierbarer Störung 2. Schock mit 4 J/kg Nach erneuter 2-minütiger Reanimation 3. Schock mit 4 J/kg verabreicht werden, gefolgt von der direkten Gabe von 0,01 mg/kg Adrenalin und 5 mg/kg Amiodaron nach Wiederaufnahme der CPR Danach sollte Adrenalin bei jedem 2. Zyklus (d. h. alle 3–5 min) verabreicht werden Nach 5. Schock soll erneut 5 mg/kg Amiodaron verabreicht werden
4 4
4 4
5.2.2
Defibrillation
z Manuelle Defibrillation 10 kg (oder älter 1 Jahr) 8–12 cm Durchmesser 4 Selbstklebende Elektroden oder vorgefertigte Gel-Pads bevorzugen 4 Herzdruckmassage bis zum Laden des Defibrillators fortführen, max. Unterbrechung der Herzdruckmassage für 5–10 Sekunden 4
37
4
4
4
5
Positionierung der Paddles in anterolateraler Position, d. h., das eine unterhalb der rechten Clavicula und das andere in der linken Axilla Falls Paddels zu groß sind und die Gefahr eines Spannungsbogens besteht, können die Paddels auch in antero-posteriorer Position (1 Paddel am Rücken links unterhalb der Scapula, das andere links am Thorax parasternal) angelegt werden Die empfohlene Energiedosis beträgt 4 J/kg (biphasisch oder monophasisch) für den ersten und alle folgenden Schocks
z Automatische Defibrillatoren (AED) Kein manueller Defibrillator o Einsatz AED 4 Kinder 1–8 Jahre ggf. Dosisreduktion auf 50–75 J, ansonsten muss ein AED mit voreingestellten Dosen für Erwachsene verwendet werden 4
5.2.3
4
4 4
Atemwegsmanagement bei Reanimation
Falls Maskenbeatmung schwierig und Intubation nicht möglich: Atemwegsalternativen anwenden: Larynxmaske, Larynxtubus (bei größeren Kindern) (7 Kap. 8, ) Notfallintubation = orale Intubation (einfacher, schneller, möglichst mit passendem Führungsstab) Unter Reanimation höchstmögliche Sauerstoffkonzentration verwenden (wenn möglich 100%), nach Wiedererlangen eines Spontankreislaufs FiO2 soweit reduzieren, dass Ziel-Sättigungswerte von 94–98% erreicht werden (Ausnahme: Rauchgasinhalation, schwere Anämie)
38
Kapitel 5 · Kardiopulmonale Reanimation (ERC-Leitlinien 2010)
D
Dislokation
• etCO2 • Inspektion
O
Obstruktion
• Absaugen
P
Pneumothorax
• Einseitiges AG • Hypersonorer Klopfschall
E
Equipment
• O2 angeschlossen? • Beatmungsgerät defekt?
S
Stomach
• Magen gebläht? Absaugen!
. Abb. 5.4 DOPES 4 4 4 4
4 4 4
4 4
Nach Intubation durchgehende Thoraxkompressionen oAtemfrequenz 10–12/min Nach Wiedererlangen eines Spontankreislaufs o Atemfrequenz 12–20/min, keine Hyperventilation Nach Intubation oder Larynxmaske keine Unterbrechung von Herzdruckmassagen zur Beatmung notwendig Überprüfung der Tubuslage mittels Kapnographie oder CO2-Detektor (kein CO2 o Fehlintubation oder Kreislaufstillstand) Sichere Fixierung des Tubus und regelmäßige Überprüfung der Tubuslage Korrekte Beatmung = sichtbare Thoraxexkursionen Bei akuter Verschlechterung unter Beatmung oder fehlender Thoraxexkursion: Ursachenforschung o DOPES (. Abb. 5.4) Legen einer Magenablaufsonde nach Intubation V. a. (Spannungs-)Pneumothorax: »blinde« Pleuradrainage mit grauem 16 G Abbocath im 2. ICR medioklavikulär am oberen Rippenrand
39
5
0,1 ml/kg 1 ml
9 ml
. Abb. 5.5 Verdünnung von Adreanin bei Kindern 5.2.4
Zugang und Medikamente
7 Tabelle Inneneinband 4 4 4 4 4
4
4
Max. 1 min. bis zum erfolgreichen Zugang Zumeist direkte Anlage eines i. o.-Zugangs notwendig (7 Kap. 4)! Bei i.o.-Zugang nach jeder Medikamentengabe mit 3–10 ml NaCl 0,9% nachspülen Adrenalin 1 mg ad 10 ml NaCl 0,9% verdünnen o 0,1 ml/kg pro Einzelgabe = 0,01 mg/kg (. Abb. 5.5) Kammerflimmern/pulslose ventrikuläre Tachykardie: Amiodaron 5 mg/kg als Bolus nach 3. und 5. Defibrillation Atropin: kein Medikament der kardiopulmonalen Reanimation, bei vagal bedingter Bradykardie 0,02 mg/kg (mind. 0,1 mg!) Natrium-Bikarbonat: keine routinemäßige Verabreichung, nur bei prolongierter Reanimation und nachgewiesener metabolischer Azidose erwägen (1–2 mmol/kg langsam i.v./i.o.)
40
Kapitel 5 · Kardiopulmonale Reanimation (ERC-Leitlinien 2010)
4
Vasopressin (0,4 IE/kg)/Terlipressin (0,02mg/kg): Ultima ratio bei adrenalin-refraktären Reanimationsbemühungen
5.2.5 4
4 4
Wenn keine EKG-Aktivität und kein Kreislauf nach 20–30 min. bei optimal durchgeführten CPR-Maßnahmen o Abbruch der Maßnahmen gerechtfertigt Trotzdem vorher an reversible und behandelbare Ursachen (4Hs und HITS) denken (. Abb. 5.1) Ausnahmen: Hypothermie (Ertrinkung, Unterkühlung im Freien), Intoxikationen
5.2.6 4
4
Beendigung der Reanimation
Postreanimationsbehandlung
Hypothermiebehandlung in Zentrum erwägen (Datenlage für Kinder jenseits der Neugeborenenlage bisher unklar, bei beobachtetem Kollaps oder persistierendem Koma nach erfolgreicher Reanimation strenge, individuelle Indikationsstellung) Keine aktive Wiedererwärmung von hypothermen Kind nach Wiedererlangen eines Spontankreislaufs (Ausnahme Körpertemperatur 15 kg: 150 μg/>30 kg: 300 μg) – Bei manifestem Schock ggf. auch intravenöse Bolusgabe 1 μg/kg (Erw. 50 μg-Bolus), Dosis nach Wirkung titrieren, CAVE: Stenokardie (RRn, Kopfschmerzen)
Adrenalin 1:10.000 verdünnt i. v.
Dosierung
5 kg
10 kg
20 kg
30 kg
0,001 mg/ kg i. v.
0,05 ml
0,1 ml
0,2 ml
0,3 ml
– Falls wiederholte Adrenalinboli erforderlich sind, empfiehlt sich die kontinuierliche Adrenalingabe via Dauerinfusion 0,1–2 μg/kg/min
Adrenalin 1 mg ad 50 ml NaCl 0,9%
Dosierung
5 kg
10 kg
20 kg
30 kg
0,1 μg/kg/ min i. v.
1,7 ml/h
3,3 ml/h
6,7 ml/h
10,0 ml/h
150
4
Kapitel 11 · Allergische Reaktion und Anaphylaxie
Volumen:
– NaCl 0,9%, Ringer-Lsg. 20 ml/kg als Bolus (aus der Hand)
NaCl 0,9%, Ringer
Dosierung
5 kg
10 kg
20 kg
30 kg
20 ml/kg i. v. als Bolus
100 ml
200 ml
400 ml
600 ml
– Wiederholen bis 100 ml/kg Gesamtmenge bis RR und Rekap-Zeit im Normbereich (= < 3 sek.) – Evtl. Volumenexpander: 20 ml/kg (aus der Hand!) i. v. 4
Weitere Therapie bei Schock
– Evtl. Noradrenalin (Arterenol): 0,1–0,5 μg/kg/min (falls Adrenalin nicht ausreicht) – Bei Bewusstseinsverlust Intubation – Bei paradoxer Bradykardie (Insektenstiche!) o Atropin 0,02 mg/kg i. m i. v. – Bei Versagen von Adrenalin, Noradrenalin + Volumen: Vasopressin: 0,4 E/kg i. v. erwägen – Bei Betablockervortherapie und Unwirksamkeit von Adrenergika: Glucagon 20–30 μg/kg über 5 min i. v. dann 0,1–0,2 μg/kg/min Dauerinfusion Glucagon (1 mg/ml)
Dosierung
5 kg
10 kg
20 kg
30 kg
BetablockerTherapie + Katecholamintherapie ohne Ansprechen
0,03 mg/ kg i. v.
0,15 ml
0,3 ml
0,6 ml
0,9 ml
151
11
z Sonstige Therapie Meist aufschiebbar, präklinisch erst nach Durchführung der Akutmaßnahmen: 4 Prednison/olon: 1–2 mg/kg i. v., p. o., 100 mg Supp. o nur zur Verhinderung eines zweigipfeligen Verlaufes, keine akute Wirkung! 4 Dimetindenmaleat (Fenistil-Tropfen im Mund behalten lassen, rasche Resorption, Wirkung wie i. v.): 0,02– 0,04 mg/kg p.o. (oder 20 Tr. absolut p.o.), keine Wirkung auf Blutdruck, Stridor oder Asthma! 4 Oder: Dimetindenmaleat: 0,1 mg/kg i.v. (1 ml= 1 mg) langsam über 1 min Tipps und Tricks bei Anaphylaxie Volumenzufuhr und Adrenalin i.m. sofort = entscheidende Therapiemaßnahme! 4 Atmung, Oxygenierung sichern! 4 Intubation – Bei Quincke-Ödem oder Insektenstich im Mund evtl. extrem erschwert o möglichst vorher Adrenalin lokal/p. i., vorher O2 über Maske/ Rachentubus/(Larynxmaske), um 0.5 mm ID kleineren Tubus wählen – Überlegen, ob Intubation wirklich präklinisch zwingend ist – Tracheotomiebereitschaft 4 Besonders bei Insektengiftallergie: Bradykardie (relativ), Besserung des RR erst nach Atropin 4 Bei Anaphylaxie auf Nahrungsmittel: zweigipfeliger Verlauf bei schubweiser Resorption möglich 4 Patienten mit Betablockertherapie: evtl. resistent gegenüber Adrenergika, dann Glukagon 4 Vasopressin bei Adrenalinresistenz
152
Kapitel 12 · Epileptischer Anfall
Epileptischer Anfall
12.1 4
4
4 4
4
Kernpunkte
Häufigste Ursache: Infektkrampf (= Fieberkrampf) o zumeist im Fieberanstieg, absolute Temperatur nicht ausschlaggebend Risiko bakterielle Meningitis: unkomplizierter Infektkrampf ~1%, komplizierter Infektkrampf ~4%, febriler Status 12% Anfallstyp und Anfallsbeginn dokumentieren (generalisiert/fokal/Absence, Augenstellung) Gefährliche Differenzialdiagnosen ausschließen: – Hypoglykämie (Diabetes oder Stoffwechselstörung, Betablocker) – Hypokalzämie (Vit-D-Mangel) – Meningitis (Risiko: Cochleaimplantate!) – Enzephalitis (Herpes) – Elektrolytstörungen (Hypokalzämie z. B. bei VitaminD Mangel)) – Blutung intrakraniell (CAVE: Kindsmisshandlung o nach Hämatomen etc. suchen, Schädel abtasten) – Tumoren (besonderes Risiko: Dauer >30 min, lange postiktale Somnolenz, fokal neurologisches Defizit) – Rhythmusstörung (=Adam-Stokes-Anfall bei VT z. B. Long-QT bei Romano-Ward Syndrom) – Intoxikation Anfall ≥3 Minuten medikamentös unterbrechen, aber:
T. Nicolai, F. Hoffmann, Kindernotfall-ABC, DOI 10.1007/978-3-642-16857-4_12, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2011
153
4
Nebenwirkungen der Medikamente antizipieren: – Apnoen – Atemwegsobstruktion durch Tonusverlust pharyngeal – Erschwerte neurologische Beurteilbarkeit – Aspirationsgefahr
12.2
Therapeutisches Vorgehen bei Krampfanfall
12.2.1
Kind krampft noch
!
12
CAVE Anfall zumeist > 5 min Dauer o Therapiedringlichkeit wie bei Status epilepticus
z Initialmaßnahmen Erster Schritt meist Lagerung: nichts forcieren, Selbstverletzung verhindern, kein Zungenkeil, Kopf schützen, etc. 4 Glukose kapillär messeno Hypoglykämie o Glukose 20% 2,5 ml/kg oder Glukose 10% 5ml/kg i.v.! 4 Sonderfall: Glukosemessung unmöglich, keine Epilepsie bekannt o Glukose 20% 2,5 ml/kg oder Glukose 10% 5ml/kg i.v.! 4 Atmet nicht/zu wenig/Zyanose: O erlaubt (obwohl frag2 lich Verlängerung der Krampfaktivität möglich ist) 4 Atemhilfe meist nur bei Apnoen notwendig 4
154
Kapitel 12 · Epileptischer Anfall
z Therapie des Anfalls 4
Säulen der Krampftherapie
1. Früher Einsatz, Benzodiazepin möglichst i.v. ab 5 min. Krampfdauer 2. Ausreichend hoch dosieren 3. Stufentherapie mit Eskalation 4
Stufentherapie bei Krampfanfall (. Tab. 12.1) . Tab. 12.1 Stufenschema zur Therapie bei Krampfanfall/Status epilepticus Persistierender Krampfanfall
Vorgehen
Sofort
Benzodiazepin rektal/oral/buccal/nasal
5 min
i.v.-Zugang legen
5-10 min
1. Gabe Benzodiazepin i.v. Intensivbett organisieren
10-15 min
2. Gabe Benzodiazepin i.v. Diagnose überprüfen Weiteres Medikament festlegen (Indikationen/Kontraindikationen)
15-60 min
Phenobarbital i.v. oder Phenytoin i.v. oder Valproat i.v. oder Levetiracetam i.v.
> 60 min
Narkoseeinleitung Midazolam DTI oder Propofol oder Thiopental
155
12
. Abb. 12.1 Buccale Applikation von Dormicum
z Initialtherapie OHNE Gefäßzugang . Tab. 12.2, Anfallsbeginn < 5 min oder bis i.v.-Zugang
gelegt: 4 Midazolam buccal (. Abb. 12.1) 4 Midazolam nasal über MAD (. Abb. 12.2) 4 Lorazepam buccal, sublingual 4 Diazepam rektal (. Abb. 12.3) !
CAVE Midazolam intranasal/buccal oder Lorazepam buccal zu bevorzugen!
156
Kapitel 12 · Epileptischer Anfall
. Tab. 12.2 Antiepileptische Medikamente und ihre Dosierung bei Kindern ohne i.v.-Zugang Medikament
Dosierung
5 kg
10 kg
20 kg
30 kg
Midazolam buccal 5 mg/ ml-Lösung1
0,5 mg/kg buccal
0,5 ml
1,0 ml
2,0 ml
3,0 ml
Midazolam buccal 5 mg/ml (Buccolam®)2
0,5 mg/kg buccal
2,5 mg (gelb)
5,0 mg (blau)
7,5 mg (pink)
10 mg (rot/ orange)
Midazolam rektal 5 mg/ ml-Lösung1
0,5 mg/kg rektal
0,5 ml
1,0 ml
2,0 ml
3,0 ml
Midazolam intranasal 5 mg/ ml-Lösung1
0,3 mg/kg nasal
0,3 ml
0,6 ml
1,2 ml
1,8 ml
Lorazepam buccal (Tavor expidet® 1 mg)3
½
1
2
2
Diazepam-Rektiole 5 mg4
½
1
–
–
Diazepam-Rektiole 10 mg4
–
–
1
1
Hinweis: 1 Midazolam: immer 5 mg/kg-Lösung für buccale, rektale und intranasale Applikation verwenden, für intranasale Applikation Mucosal Atomization Device verwenden (MAD) 2 ab 09/2011 kommerziell erhältlich als Buccolam® 2,5/5/7,5/10 mg (Fa. Viropharma) 3 Lorazepam: nicht für diese Indikation zugelassen, aber wirksam, deutlich längere Anschlagzeit als i.v. oder Midazolam buccal/nasal 4 Diazepam: 15 kg 10mg-Rektiole, Tube ausdrücken und in komprimiertem Zustand rausziehen, Pobacken zusammendrücken
157
12
. Abb. 12.2 Mucosal Atomization Device (MAD) zur nasalen Applikation von Medikamenten
. Abb. 12.3 Diazepam Rectiole
158
Kapitel 12 · Epileptischer Anfall
z Initialtherapie MIT Gefäßzugang . Tab. 12.3 4 4
i.v.-Zugang möglich o Midazolam/Lorazepam/Clonazepam i.v. Kein i.v.-Zugang möglich o i.o.-Zugang o Midazolam/ Lorazepam/Clonazepam i.o.
. Tab. 12.3 Antiepileptische Medikamente und ihre Dosierung bei Kindern mit i.v.-Zugang Medikament
Dosierung
5 kg
10 kg
20 kg
30 kg
Midazolam 1mg/ml-i.v.Lösung1
0,1 mg/kg i.v./i.o.
0,5 ml
1,0 ml
2,0 ml
3,0 ml
Midazolam 5mg/ml-i.v.Lösung1
0,1 mg/kg i.v./i.o.
0,1 ml
0,2 ml
0,4 ml
0,6 ml
Lorazepam 2mg/ml-i.v.Lösung2
0,1 mg/kg i.v./i.o.
0,3 ml
0,5 ml
1,0 ml
1,5 ml
Clonazepam 1mg/ml-i.v.Lösung3
0,02 mg/kg i.v./i.o.
0,1 ml
0,2 ml
0,4 ml
0,6 ml
Diazepam 5mg/ ml-i.v.-Lösung4
0,25 mg/kg i.v./i.o.
0,25 ml
0,5 ml
1,0 ml
1,5 ml
Hinweise: 1 Midazolam: Frakturen
15.2
Polytrauma
15.2.1
Erstuntersuchung (primary survey)
z Notfalluntersuchung nach dem AcBCDE-Algorithmus (. Abb. 15.1) A= c= B= C=
Atemwege freimachen und frei halten cervical spine immobilization Beatmung Circulation (Kreislaufprüfung und Schockbehandlung) D= Disability (Neurologischer Zustand) o AVPU (. Abb. 21.1) + Kinder-GCS (. Tab. 21.2) E= Environment
192
Kapitel 15 · Traumatologische Notfälle
Initiale Rettung
Unfallmechanismus, Bergung
Atemwege
Atmung frei und sicher?
Atemwegsobstruktion? Aspiration? Mittelgesichtsverletzungen? Wenn intubiert: Tubuslage?
cord
HWS-Immobilisation
Cervikalstütze in passender Größe Vakuummatratze
Beatmung
Beatmung suffizient?
O2, Maskenbeatmung mit/ohne Guedel-Tubus, Begl. Thoraxverletzung? → Spannungspneu
Circulation
Kreislauf ausreichend?
Zeichen für hypovolämen Schock? (Rekap-Zeit ≥3 Sek., HF ↑, RR ↓) HF ↓ + RR ↑ als Hirndruckzeichen
Disability
Neurolog. Beurteilung
Pupillenreaktion?, Hirndruckzeichen? Anisokorie?, GCS? AVPU-Score?, BZ
Environment
Umgebung, Wärme
Transport planen Reevaluation
. Abb. 15.1 Erstuntersuchung nach dem AcBCDE-Algorithmus
z Ziel der initialen Diagnostik Frühzeitige Erkennung von begleitenden lebensbedrohlichen Verletzungen (z. B. Thoraxtrauma mit Spannungspneumothorax oder hämorrhagischer Schock bei abdomineller Blutung) 4 Einleitung entsprechende Sofortmaßnahmen 4
z Algorithmus zum Vorgehen bei Polytrauma o . Abb. 15.2
z Ziel der Initialtherapie Gesicherter Gasaustausch mit ausreichender Oxygenierung + stabile Hämodynamik
15
193
A
Algorithmus Diagnostik
Therapeutische Handlungsabläufe
Atemwege frei?
Keine Eigenatmung + keine Lebenszeichen
Reanimation (7Kap. 5 »Kardiopulmonale Reanimation«)
SaO2-Sensor anbringen
- Bei passendem Unfallmechanismus (SHT) frühzeitige HWS-Immobilisation - Bei Kindern < 2 Jahre zumeist nicht möglich ggf. inline-Stabilisierung manuell oder Kopf auf Trage mit Klebeband über Stirn fixieren
c Cervical spine
Ausreichende Eigenatmung ja (SaO2 > 90%, gute Thoraxexkursionen)? nein Keine ausreichende Eigenatmung (=SaO2 < 90%, schlechter Lufteintritt) Atemwege frei? Stridor?
B Beatmung
Weiter insuffiziente Oxygenierung? (= SaO2 < 90%, schlechter Lufteintritt) weiterhin SaO2 < 90% Thoraxexkursion insuffizient? weiterhin SaO2 < 90% schlechter Lufteintritt Larynxinspektion
Oxygenierung weiterhin insuffizient oder akute Verschlechterung unter Beatmung
O2-Gabe über Maske
O2-Gabe über Maske mit Reservoir!
Absaugen? / Unterkiefervorzug ja
ja
Maskenbeatmung
Technik optimieren: 1. Maskenbeatmung + Guedel-Tubus 2. Doppel-C-Griff (2-Personen-Technik) 3. bei Mittelgesichtsfrakturen oder schweren Gesichtsverletzungen frühzeitige Atemwegssicherung anstreben! - Larynxmaske oder - Intubation (falls Erfahrung) - Keine Lebenszeichen: keine Narkose - Wach/Lebenszeichen: schneller i.v./i.o.-Zugang und Narkoseeinleitung - ggf. Entfernung Cervikalstütze und inline-Stabilisierung zur Intubation Auch denken an: Spannungspenumothorax oder Hämatothorax → Entlastung (siehe unten) DD: Fehlintubation!
. Abb. 15.2 Algorithmus zum Vorgehen bei Polytrauma Fortsetzung 7
194
C
Kapitel 15 · Traumatologische Notfälle
EKG anschließen oder HFMonitoring über Pulsoxymeter
Circulation
ja Kreislauf suffizient? - Rekap-Zeit Stamm (Sternum) ≥ 3. Sek. - Pulse nicht verlässlich zu identifizieren - RR-Messung wäre wünschenswert, aber je nach Alter häufig schwierig - RR niedrig als Spätzeichen (untere systolische RR-Grenze 70 + 2x Alter in Jahren) Kreislauf insuffizient? Rekap-Zeit Stamm (Sternum) ≥ 3. Sek.
ja
i.v.-Zugang → NaCl 0,9% 20 ml/kg/h
i.v.- oder i.o.-Zugang (früh intraossär!) Schocktherapie: Bolusgabe NaCl 0,9% oder Ringer-Lsg.* 20 ml/kg - Aus der Hand über 50ml-Spritze - Nicht frei tropfen lassen - ggf. mehrfach wh. bis Rekap-Zeit 70, Kleinkinder >80, Schulkinder >90) - ggf. Vertiefung der Analgosedierung - milde Hyperventilation (eCO2 30-35 mmHg) - SaO2 >95% halten - Thiopental 1 mg/kg/h - Hyper-HAES 4 ml/kg i.v. DD: nicht-konvulsiver Krampfanfall, Nervenverletzung, Z. n. Elektrounfall
Environment
Schutz vor Auskühlung
Kind schnell in RTW verbringen
Transportplanung Leitstelle
wie beim Erwachsenen Patient stabil → nächstes Kinder-Trauma -Zentrum, bei Transportzeiten >30 min luftgebundener Transport Lebensbedrohlicher Zustand → Transport in nächstgelegene Klinik mit chirurgischer Abteilung zur Erstversorgung, dann Weiterverlegung Kinder-Trauma-Zentrum
. Abb. 15.3 Algorithmus zum Vorgehen bei Polytrauma (Fortsetzung).
196
Kapitel 15 · Traumatologische Notfälle
15.2.2
Weiterführende Untersuchung
Nach Stabilisierung erneuter Body-Check: Patient von Kopf bis Fuß kurz untersuchen o Erfassung des gesamten Verletzungsmusters (aber kurz halten, keine Verzögerung des Transports), auf Prellmarken achten (. Abb. 15.3)
Kopf
Pupillenreaktion, Pupillenweite Blutung/Flüssigkeit aus Mund, Nase, Ohren
HWS
Schiefhals HWSFehlende Spontanbewegungen des Kopfes Fraktur
Thorax
Einziehungen, Instabilität, Schonatmung Vermindertes, rasselndes Atemgeräusch
Thoraxtrauma
Abdomen
Prellmarke (Fahrradlenker?), Druckschmerz, Abdomen aufgetrieben
Bauchtrauma
Schonhaltung, Schwellung, Schmerzen
Extremitäten Offensichtliche Fehlstellung
SHT
Frakturen
. Abb. 15.3 Body-Check zur Erfassung der Verletzungsschwere nach Stabilisierung der Vitalfunktionen
15.3
Spezielle, organbezogene traumatologische Aspekte
15.3.1
Schädel-Hirn-Trauma (SHT)
4
Hypotonie und Hypoxie verschlechtern Outcome o Atemwegsmanagement und RR-Optimierung haben höchste Priorität
4
Führende Verletzung beim Polytrauma, Letalität bestimmt durch SHT
197
4
15
Ein initialer GCS von 15 schließt eine relevante intrakranielle Verletzung nicht aus
z Nicht bewusstloses Kind 4 HWS-Immobilisation o V. a. Kombination mit HWSVerletzung 4 Oberkörperhochlagerung 30°, Kopf in Mittelstellung 4 O -Gabe o SaO >95% halten 2 2 4 Wenn starke Schmerzen, niedriger Blutdruck, RekapZeit ≥ 3 Sek. und/oder lange Transportzeit o i. v. oder i.o-Zugang 4 Wenn Rekap-Zeit ≥ 3 Sek o Volumenbolus 20 ml/kg i. v. 4 RR-Messung o CAVE: Hypotonie verhindern oVolumen + ggf. Noradrenalin 4 Analgesie mit Piritramid (CAVE: bei Ketamin-S: Verschleierung der neurologischen Beurteilbarkeit!) z Bewusstloses Kind HWS-Immobilisation 4 Oberkörperhochlagerung 30°, Kopf in Mittelstellung 4 Frühzeitige Atemwegssicherung durch Intubation oder Larynxmaske (GCS < 9) 4 Wenn tief bewusstlos: keine Notwendigkeit für Narkose 4 Wenn Gegenwehr bei Intubation: Ketamin-S 2 mg/kg i.v. + Midazolam 0,1 mg/kg i.v. + ggf. zusätzlich Relaxierung mit Succinylcholin 1 mg/kg i.v. 4 Keine Kontraindikation für Ketamin-S bei SHT 4 Bei akuter Bradykardie nach SHT: Oxygenierung optimieren! Aber DD: Hirndruck o HF p und RRn = Cushing Zeichen 4 Wenn Kind nicht wach wird o immer BZ-Messung zum Ausschluss Hypoglykämie 4 RR normal halten o Volumen 20 ml/kg i.v./i.o. wenn Volumen nicht ausreicht oggf. Noradrenalin 4
198
4
bei Einklemmungszeichen (weite, lichtstarre Pupillen) omilde Hyperventilation, Vertiefung der Analgosedierung, Thiopental 1 mg/kg/h, Hyper-HAES 4ml/kg i.v. (7 Abb. 15.3)
15.3.2 4 4 4 4 4
Kapitel 15 · Traumatologische Notfälle
Extremitätenfrakturen
Klinik: Schmerzen, Schwellung, keine Spontanbewegung, Achsenfehlstellung DMS (Durchblutung, Mototrik, Sensibilität) distal der Verletzung i.v.-Zugang an nicht betroffener Extremität Analgesie (7 Kap. 3) Ruhigstellung (Vakuumschiene, Schiene) Tipps und Tricks beim Extremitätenverletzungen 4 Offene Frakturen steril abdecken und schienen, Ruhigstellung der beiden benachbarten Gelenke, ggf. Druckverband bei Blutung 4 Präklinische Reposition unter Zug nur bei Pulsdefizit oder extremer Fehlstellung unter Analgosedierung und Ruhigstellung der beiden benachbarten Gelenke 4 Wichtig: niemals Reposition bei offenen Frakturen und Ellenbogenfrakturen (Gefahr der Verletzung von N. medianus oder A. brachialis)!
199
15.3.3 4
4 4 4
15
Thoraxtrauma
Klinik: Prellmarke, Mechanismus plausibel?, SaO2, Thoraxexkursionen, Atemgeräusch, Atemfrequenz, Dyspnoe, Hautemphysem O2-Gabe Analgesie (7 Kap. 3) Großzügige Indikation zur Intubation und Beatmung bei SaO2-Abfällen ≤ 90%, Tachydyspnoe, insuffizienter Thoraxexkursionen, abgeschwächtem Atemgeräusch, Hautemphysem Tipps und Tricks beim Thoraxtrauma 4 Sehr elastische Thoraxwand o Lungenkontusionen häufig, Rippenfrakturen selten o Rippenserienfrakturen werden häufig gut toleriert! 4 Gefahr bei knöchernen Thoraxverletzungen o Organverletzungen, Zwerchfellrupturen (meist links, rechts Schutz durch die Leber) 4 Bei Rippen(serien)frakturen (selten): Pneumothorax, Hämatothorax, Herzbeuteltamponade 4 Wenn unter Volumenloading gestaute Halsvenen und fehlende Stabilisierung o an bilateralen Pneumothorax, Hämatothorax oder Hämatoperikard denken 4 Bei Hinweis auf Spannungspneumothorax (einseitiges Atemgeräusch, hypersonorer Klopfschall, Hautemphysem, obere Einflussstauung, akute Verschlechterung der kardiorespiratorischen Situation oder mangelnde Besserung nach Intubation) o Notfall-Entlastungspunktion 2./3. ICR medioclavikulär (7 Abschn. 15.4.4) 4 Massiver Hämatothorax: am Unfallort drainieren (4.ICR mittlere Axillarlinie) (7 Abschn. 15.4.5)
200
Kapitel 15 · Traumatologische Notfälle
15.3.4
Abdominaltrauma
4
Bei Schockzeichen ohne erkennbare sonstige Ursache immer an Abdominaltrauma denken o Volumensubstitution mit Bolusgaben 20 ml/kg i. v. zur Kreislaufstabilisierung, dann schnellstmöglicher Transport in Klinik Tipps und Tricks bei Abdominaltrauma 4 Leber und Milz bei Säugling/Kleinkind groß und noch nicht sicher knöchern durch die Rippen geschützt 4 Häufigkeit: Milz > Niere > Leber 4 Sicherheitsgurte können zu schweren Abdominalverletzungen und Wirbelkörperfrakturen führen 4 Präklinische Beurteilbarkeit sehr schwierig, auf Prellmarken, Abwehrspannung, Schock und Schmerzen fokussieren
15.3.5 4
Große Blutverluste möglich (wie beim Erwachsenen)
15.3.6 4 4 4
Beckentrauma
Wirbelsäulenverletzungen
Insgesamt selten, trotzdem jedes schwer verletzte Kind mit Schaufeltrage umlagern Schonende, achsengerechte Bergung und Lagerung (Cervikalstütze, Spine-board, Vakuummatratze) präklinische Gabe von hochdosiertem Methylprednisolon bei WS-Verletzungen mit neurologischem Defizit nicht empfohlen
15
201
15.4
Besondere Handlungsanweisungen
15.4.1
Volumentherapie
Bolusgaben aus der Hand über 50 ml-Spritze Dosierung
5 kg
10 kg
20 kg
30 kg
NaCl 0,9%/ RingerLsg.*
20 ml/kg
100 ml
200 ml
400 ml
600 ml
Hyper-HAES
4 ml/kg
20 ml
40 ml
80 ml
120 ml
*kein Ringer-Laktat bei V. a. SHT, da hypotone Lösung
15.4.2
Analgosedierung
4 7 Kap. 3.1 4 Bei eingeklemmtem oder schlecht erreichbarem Pati-
enten an intramuskuläre Gabe von Ketanest-S 3 mg/kg denken
15.4.3
Narkoseeinleitung für Intubation
7 Kap. 3.2
15.4.4
4
Entlastungspunktion »Spannungspneumothorax«
Patient zumeist schon intubiert mit mangelnder respiratorischer Besserung oder akuter respiratorischer Verschlechterung unter Beatmung
202
4 4
4
4 4
4
4
Großkalibrige Kanüle (z. B. Plastikverweilkanüle >6 J.:14G braun oder 0–6 J: 16G grau) Mit Kanüle senkrecht in Medioclavikularlinie, CAVE: parasternal läuft A. mammaria!) auf den Oberrand der 3. Rippe punktieren (3. Rippe = 2. tastbare Rippe) Kanüle dann über Rippe Richtung Oberrand verschieben und nach Erreichen der Interkostalmuskulatur senkrecht nach dorsal punktieren (2. ICR) Nach Passieren der Interkostalmuskulatur bei Widerstandsverlust den Mandrin 5 mm zurückziehen Plastikkanüle dann weiter bis zum Anschlag vorschieben, hörbares Entweichen von Luft (CAVE: bei massivem Druck kann der Mandrin auch von alleine mit großem Druck nach außen gepresst werden und zu Verletzungen des Punktierenden führen, deshalb Mandrin bei Punktion der Pleurahöhle mit Daumen fixieren!) Anschließend Metallmandrin ganz entfernen, Drainage mit Klebeband fixieren und mit steriler Kompresse abdecken Transport: Patient beatmet, Drainage offen
15.4.5
4 4
Kapitel 15 · Traumatologische Notfälle
Thoraxdrainage (Minithorakotomie) bei Hämatothorax/Pneumothorax
Größen o . Tab. 15.2 Punktionsort: 4. ICR, mittlere Axillarlinie (Höhe Intermamillarlinie)
4 4 4
Thoraxdrainage mit NaCl 0,9% benetzen Hautschnitt mit Skalpell über Rippe Bei Kindern 10% (> 1. Lebensjahr) o periphere Infusion VEL/NaCl 0,9%/Ringer 20 ml/kg/h Infusionstherapie
Dosierung
5 kg
10 kg
20 kg
30 kg
20 ml/kg/h
100 ml/h
200 ml/h
400 ml/h
600 ml/h
17
209
4
4
Wenn Schockzeichen (zentralisiert, Rekapilisierungszeit ≥ 3 Sek.) o Bolusgaben 20 ml/kg aus der Hand bis zur klinischen Besserung Bei Schockzeichen und fehlendem peripheren i. v.-Zugang o sofortiger i. o.-Zugang!
17.3.2
Analgesie
z Ohne i.v.-Zugang Intranasal (über Mucosal Atomization Device MAD)
Ketanest-S (25mg/ml) + Midazolam (5 mg/ml)
Dosierung
5 kg
10 kg
20 kg
30 kg
2,0 mg/kg intranasal + 0,3 mg/kg intranasal
0,4 ml
0,8 ml
1,6 ml
2,4 ml
+ 0,3 ml
+ 0,6 ml
+ 1,2 ml
+ 1,8 ml
Dosierung
5 kg
10 kg
20 kg
30 kg
1,5 μg/kg intranasal
0,15 ml
0,3 ml
0,6 ml
1,2 ml
oder
Fentanyl 50 μg/ml
Rektal (über Rektalapplikator oder abgeschnittene kurze Leitung tief rektal)
Ketanest-S (25mg/ml) + Midazolam (5 mg/ml)
Dosierung
5 kg
10 kg
20 kg
30 kg
5 mg/kg rektal + 0,3 mg/kg rektal
1,0 ml
2,0 ml
4,0 ml
6,0 ml
+ 0,3 ml
+ 0,6 ml
+ 1,2 ml
+ 1,8 ml
210
Kapitel 17 · Verbrennungen und Verbrühungen
z Mit i.v.-Zugang
Piritramid 1 mg/ml1
Dosierung
5 kg
10 kg
20 kg
30 kg
0,1 mg/ kg i.v.
0,5 ml
1,0 ml
2,0 ml
3,0 ml
1 Piritramid: Verdünnung 1 Amp. = 2ml ad 15 ml NaCl 0,9% o Konzentration 1 mg/ml
oder
Fentanyl 50 μg/ml
Dosierung
5 kg
10 kg
20 kg
30 kg
1 μg/kg i.v.
0,1 ml
0,2 ml
0,4 ml
0,6 ml
oder
Morphin 1 mg/ml2
Dosierung
5 kg
10 kg
20 kg
30 kg
0,1 mg/kg i.v.
0,5 ml
1,0 ml
2,0 ml
3,0 ml
2 Morphin: 1 ml ad 10 ml NaCl 0,9% aufziehen o Konzentration 1 mg/ml
oder
Ketanest-S 5 mg/ml + Midazolam 1 mg/ml
Dosierung
5 kg
10 kg
20 kg
30 kg
0,25 mg/kg i.v.
0,25 ml
0,5 ml
1,0 ml
1,5 ml
+ 0,05 mg/kg i.v.
+ 0,25 ml
+ 0,5 ml
+ 1,0 ml
+ 1,5 ml
Ansprechdauer 0,5-1 min, ggf. S-Ketanest alle 10–20 min wiederholen
211
17.3.3
17
Intubation/Beatmung
Selten notwendig, obligat bei: 4 Inhalationstrauma (Ruß im Mund/Rachen, Heiserkeit) 4 Periorale Verbrennungen 4 Zirkuläre Verbrühungen Hals/Gesicht 4 V. a. CO-/Blausäure-Intoxikation, ggf. Zufuhr von 100% Sauerstoff über dicht sitzende Maske ohne Rückatemventil, wenn bewusstlos Intubation und Beatmung mit 100% FiO2, stationäre Überwachung (wenn in der Nähe des Brandes), da neurologische Symptome sich erst nach Stunden einstellen können, Überwachung mind. 24h !
CAVE Pulsoxymetrie zeigt bei CO-Intoxikation gute Werte an (»erstickt« bei 100% SaO2)
– Überdruckkammer bei Kindern nach CochraneReview nicht empfohlen
17.3.4 4
4 4 4
Wundversorgung
Kühlung der verbrühten/verbrannten Wundfläche mit Wasser (z. B. Leitungswasser, kein Eiswasser) für max. 10 min. o Zeitpunkt bei Eintreffen des Rettungsdienstes zumeist überschritten Danach auf Wärmeerhalt achten (Hypothermie erhöht Letalität!) Nasse Kleidung entfernen (Gefahr der Hypothermie, evtl. aber auch noch mit heißem Wasser vollgesogen) Anklebende Kleidungsreste bei Verbrennungen belassen
212
4
4
Kein Aqua-Gel/Burn Pac o. Ä. (nur bei sehr kleinflächigen Verletzungen und immer mit Pausen o Gefahr des Wärmeverlusts über Verdunstungskälte) Wunden trocken und sauber mit sterilen Kompressen + Mullbinden oder mittels Metalline abdecken
17.3.5 4 4
4 4 4 4 4 4
Misshandlungsverdächtige Verletzungen
Scharf markierte Umrisse Kreisrunde Verbrennungen Strumpf- bzw. handschuhförmige Verbrühungen Perianale Verbrühungen Abdrücke von Mustern Widersprüchliche Schilderung des Unfalls Diskrepanz zwischen Unfallschilderung und Befund
17.3.7 4
Achten auf Begleitverletzungen
Elektrischer Strom Explosion
17.3.6
4
Kapitel 17 · Verbrennungen und Verbrühungen
Auswahl Zielklinik
> 5% KOF o Kinderklinik (Säuglinge, Verbrennung III°
auch bei 10% o Schwerbrandverletztenzentrum 4 Telefonische Anmeldung: 4
– Alter – Gewicht – klinischer Zustand
213
17
( Säuglinge ( >10% KOF° II ( 1% KOF° III ( Inhalationstrauma ( Elektroverletzung . Abb. 17.3 Indikationen zur Behandlung in einem Schwerbrandverletzten-Zentrum für Kinder (Zentren siehe Tabelle 1)
– % betroffene KOF – bereits getroffene Maßnahmen 4
Indikationen für eine Verlegung in ein Kinder-Schwerbrandverletztenzentrum . Abb. 17.3
Zentrale Vermittlungsstelle SchwerbrandverletztenZentren für Kinder:
Tel.: 040-42851-3998 oder -3999 Übersicht über die Schwerbrandverletztenzentren bei Kindern . Tab. 17.1
214
Kapitel 17 · Verbrennungen und Verbrühungen
. Tab. 17.1 Krankenhausbetten für Schwerbrandverletzte KINDER Bundesland
PLZ
Ort
Krankenhaus
Betten Telefon
Baden– Württemberg
68167
Mannheim
Klinikum Mannheim Universitätsklinikum TheodorKutzer-Ufer 1-3
2 Kinder
Baden– Württemberg
70199
Stuttgart
Klinikum 1 KinStuttgart – der Olgahospital Zentrum für Kinder- und Jugendmedizin Bismarckstraße 8
0711 / 649 8888
Bayern
80337
München
Klinikum der 2 KinUniversität der München Dr. von Haunersches Kinderspital, PIPS Lindwurmstr. 4
089 / 5160 7950
Bayern
80804
München
Klinikum Schwabing Kölner Platz 1
6 Kinder
089 / 3068 – 1
Berlin
12683
Berlin
Unfallkrankenhaus Berlin Warener Straße 7
12 030 / Kinder 56 81– 1
0621 / 383 - 0
215
17
. Tab. 17.1 Fortsetzung Bundesland
PLZ
Ort
Krankenhaus
Betten Telefon
Hamburg
22149
Hamburg
Kinderkranken- 2 Kinhaus Wilhelm- der stift Liliencronstraße 130
0561 / 9285 –0
Niedersachsen
30173
Hannover
Kinderkranken- 2 Kinhaus auf der der Bult
0511 / 8115 –0
NordrheinWestfalen
44791
Bochum
Universitätskinderklinik St. Josef Hospital Bochum
3 Kinder
0234 / 509 – 2630
NordrheinWestfalen
47055
Duisburg
Klinikum Duisburg
3 Kinder
0203 / 733 – 0
NordrheinWestfalen
59063
Hamm
Klinik für 2 KinKinder- und der Jugendmedizin Ev. Krankenhaus Hamm Werler Straße 130
02381 / 5893060
NordrheinWestfalen
50735
Köln
Klinken der 4 KinStadt Köln der Kinderkrankenhaus Riehl Amsterdamer Straße 59
0211 / 8907 –0
216
Kapitel 17 · Verbrennungen und Verbrühungen
. Tab. 17.1 Fortsetzung Bundesland
PLZ
Ort
Krankenhaus
Betten Telefon
Rheinland – Pfalz
55131
Mainz
Universitätsmedizin der JohannesGutenbergUniversität Mainz Langenbeckstraße 1
2 Kinder
06131 / 17 – 1
Sachsen
01307
Dresden
2 KinUniversitätsder klinikum Carl Gustav Carus Dresden an der Technischen Universität Dresden Fetscherstraße 74
0351 / 458 - 0
Sachsen
04103
Leipzig
Universitätsklinikum Leipzig Zentrum für Frauen- und Kindermedizin Liebigstraße 20 A
2 Kinder
0341 / 97109
Sachsen- 06120 Anhalt
Halle (Saale)
Universitätsklinikum Halle (Saale) Ernst-GrubeStraße 40
4 Kinder
0345 / 557 – 0
217
17
. Tab. 17.1 Fortsetzung Bundesland
PLZ
Ort
Krankenhaus
Betten Telefon
Sachsen- 06110 Anhalt
Halle (Saale)
St. Barbara Krankenhaus Barbarastraße 2a – 5
2 Kinder
0345 / 213 - 30
SchleswigHolstein
23538
Lübeck
Universitätsklinikum SchleswigHolstein Campus Lübeck Ratzeburger Allee 160
2 Kinder
0451 / 500 – 0
Thüringen
99089
Erfurt
HELIOS – Klinikum Erfurt Nordhäuserstraße 74
2 Kinder
0361 / 781 6035
Quelle: www.Feuerwehr.Hamburg.de, Stand: 03.01.2011
218
Kapitel 18 · Neugeborenenversorgung
Neugeborenenversorgung
18.1
Kernpunkte
z Alarmierungsgrund Unerwartete Geburt zu Hause, in der Öffentlichkeit 4 Unerwartete Probleme des Neugeborenen nach geplanter Hausgeburt 4
z Häufigkeiten der notwendigen Maßnahmen 4 Fast immer nur Atemhilfe per Maske (~10%) erforderlich 4 1% der Neugeborenen benötigen eine »Reanimation« 4 Nur 0,2% benötigen Intubation 4 Unvorhergesehene Reanimationen sind noch seltener: 0,2%, davon 90% nur Maskenbeatmung erforderlich z Häufigste Probleme bei Ankunft des Notarztes o Atmet nicht/atmet zu wenig/Zyanose, Herzfrequenz 100/min? besser: Pulsoxymeter mit Neugeborenen-Sensor an rechte Hand oBewertung 7 Tab. 18.1/ oder EKG-Ableitung 4
Zyanose 100/min: Erste Maßnahmen 4
Abtrocknen, in trockene (evtl. vorgewärmte) Tücher wickeln
220
Kapitel 18 · Neugeborenenversorgung
. Tab. 18.1 Akzeptable Sättigung am rechten Arm 2 min 60% 3 min 70% 4 min 80% 5 min 85% 10 min 90% Nach www.pediatrics.org/cgi/doi/10.1542/peds2009-1510
4
4
Abnabeln frühestens nach 1–(2) Min, 2 Nabelklemmen 2–3 cm oberhalb des Abdomens, mit Schere dazwischen abscheiden, Stumpf mit 70% Alkohol desinfizieren, Stumpf unterhalb der Klemme mit Kompresse locker umschlingen Kind zur Mutter/in den Arm geben (oder: Kind nicht einwickeln, sondern auf den Bauch der Mutter legen, Kind und Mutter mit Decke zudecken, auf kontinuierliche Beurteilbarkeit des Neugeborenen achten)
o Transport in Klinik z Krankes Neugeborenes = Kein kräftiges Schreien, insuffiziente/keine Atmung, schlaffer Muskeltonus, Herzfrequenz