Johann Fabricius
Kapitän Bontekoes
Schiffsjungen
Tosa Verlag
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Johann Fabricius
Kapitän Bontekoes
Schiffsjungen
Tosa Verlag
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Im Auftrag hergestellte Sonderausgabe Alle Rechte vorbehalten Umschlag von Erich Hölle © by Johan Fabricius und Tosa Verlag, Wien Printed in Austria
Erster Teil Seewind »Satansjunge, halt den Bolzen fest!« »Ich halt ihn doch fest, Meister!« »Nennst du das festhalten? Aus dir wird nie ein guter Schmied werden.« Peter Hajo schwieg. »Will ich auch gar nicht«, murrte er dann. »W—was sagst du? Du willst nicht Schmied werden?« »Nein, Meister; ich will zur See.« Meister Wouter, der Hufschmied in der Schmiede »Zum eisernen Mann«, ließ den schweren Vorhammer, den er gerade erhoben hatte, vor Erstaunen eine Sekunde lang in der Luft schweben. Dann dröhnte ein Hammerschlag; die Funken stoben Meister und Knechte ins Gesicht, und die Baßstimme des Schmiedes bestätigte, was der Hammer in seiner eisernen Sprache bereits gesagt hatte: »Narrengeschwätz!« Peter Hajo sah schweigend nach dem rotglühenden Bolzenende. Auch Meister Wouter schwieg, aber seine kurzen, grimmigen Hammerschläge sagten Peter Hajo genug. Peter Hajo verstand die Sprache des Schmiedehammers. Wenn er im Halbdunkel des Wintermorgens die rötlich beleuchtete Schmiede betrat, hatte er draußen schon gehört, wie sein Meister gelaunt war. »Möchtest du nicht mal ein bißchen anblasen?« brummte Meister Wouter. »Das Feuer ist beinahe aus. Auf diese Weise kann ich den Hammer plattschlagen, und der Bolzen bleibt doch rund.« »Wie kann ich anblasen, Meister, wenn ich ...« »Bist du ein Jüngferchen, daß du den Bolzen nicht mit einer Hand festhalten kannst?« Peter Hajo war kein Jüngferchen. Er umklammerte mit seiner rechten Faust den Bolzen, zog mit der linken den Blasebalg, ließ sich nicht anmerken, daß die Schläge ihm nun bis in die straffen Muskeln des Rückens weh taten. Ein breites Grinsen erschien auf seinem rußbedeckten Jungenantlitz, als er fragte: »Und wenn ich mir nun die Nase kratzen muß, Meister?« »Lege sie nur auf den Amboß, dann werde ich sie mit meinem Hammer kratzen! Was willst du auf See! Heringe fangen? Und ertrinken wie dein Vater? Oder von den Dünkirchener Kapern auf die Galeeren gebracht werden?« »Ich will mit den Walfischfängern fahren, Meister. Und später nach Ostindien. Aber...« Peter Hajo schluckte etwas hinunter. »Jungen von vierzehn wollen sie nicht mithaben, Meister. Man muß sechzehn sein. >Fange du nur Gründlinge!« sagen sie.« Meister Wouter schmunzelte. Aber sein Gesicht bezog sich, als seine böse Frau zur Schmiede hereinstob und keifte: »Bist du taub? Dreimal ist schon die Ladenklingel gegangen, und mir brennen die Rüben an!« Der Hufschmied vom »Eisernen Mann« sah verblüfft nach der Tür, die mit einem Knall wieder zugefallen war, legte dann brummend und achselzuckend den Schmiedehammer nieder und verließ die Werkstatt. Peter Hajo blieb allein, starrte in die Flammen der Esse. »Komm man wieder zurück, wenn du sechzehn bist!« hatte es geheißen. — Über zwei Jahre! Es war zum Tollwerden! Als ob er nicht die Arbeit eines sechzehnjährigen Jungen leisten könnte! Er wollte die Sechzehnjährigen aus Hoorn erst einmal sehen, die den Bolzen so festhalten konnten, wie er es soeben getan! Und gab es einen einzigen unter ihnen, der es mit ihm aufnahm? Hatte er nicht erst vor drei Tagen Peer den Bos eine Tracht Prügel verabreicht, wie der sie sein Leben lang noch nicht gekriegt hatte, weil er, ohne um Erlaubnis zu fragen, in dem Eisloch gefischt hatte, das Peter Hajo mit der größten Mühe in das zwei Fuß dicke Eis geschlagen hatte? Peer den Bos, der wohl einen Kopf
größer war als er! Es war eine Gemeinheit, ihn als Landfrosch herumspringen zu lassen, ihn, der,
als er noch kaum laufen konnte, die Taue, die die zurückkehrenden Fischer seinen älteren
Freunden zuwarfen, schon mit einem richtigen Seemannsknoten um die Molenpfähle schlang;
ihn, der sich mit fünf Jahren heimlich in Vaters Fischkutter versteckt hatte und mit zum
Heringsfang gefahren war! Wie verlangte es ihn, die weite Welt zu sehen und mit richtigen
Seemannsbeinen zurückzukommen und aufzuschneiden, gerade wie die braungebrannten
Teerbüxen, die mit Ian Pieterszoon Coen nach dem Osten gezogen waren und nun die Wahrheit
sprachen oder logen, wie es ihnen in den Sinn kam, ohne daß eine Landratte sagen konnte: »Du
saugst dir's aus den Fingern!« — Der Osten ...! Darauf brauchte er fürs erste nicht zu rechnen.
Vielleicht später, wenn er erst ein paar Reisen mit einem Walfischfänger gemacht hatte, wenn
die Haut seiner Hände gesprungen war durch das Einsalzen, wenn die Tranluft ihm in Haar und
Kleidern hing — vielleicht würden sie ihn dann mitnehmen. Ach, die Herrlichkeit! Peter Hajo
erschienen im Geist Bilder von Bergen, flatternden Papageien, tanzenden Wilden, von Affen,
Tigern, Krokodilen ...
Weg war das Bild. Da stand er, Peter Hajo, Lehrling in der Hufschmiede »Zum eisernen Mann«.
Da lag der Bolzen, den er nachher wieder festhalten mußte; da hing der Balg. Zwei Jahre lang
noch würde er zwischen grauen Wänden und schmutzigen Fensterscheiben den Blasbalg ziehen
müssen und Bolzen festhalten. Zwei Jahre lang noch würde er statt des Seewindes, der ihm das
Blut klopfen machte, Eisengeruch und den Gestank versengter Pferdehufe einatmen müssen.
Still! Was hörte er da? Er lauschte. Draußen, auf der Gasse, kam singend ein Trupp Jungen
vorbei:
»Zur See! Zur See!
Der Wind bläst von der Rhee!
Der Wind bläst in den Rocken!
Wer wird zu Hause hocken?
Zur See! Zur See!«
Peter Hajo wußte, daß sie im Hafen Butt fangen gingen. Und er? Er...! Als Meister Wouter nach
einer Weile wieder die Schmiede betrat, machte er große Augen. »Satansjunge!« murmelte er.
Grimmig packte er den Bolzen; der Hammer fiel mit der Wucht eines Donnerschlags auf das
glühende Eisen. Peter Hajo war verschwunden.
Draußen herrschte Dezember. Peter Hajo zog die Mütze über die Ohren, steckte die Hände in die
Taschen und setzte sich in Trab, um warm zu werden. Im siebzehnten Jahrhundert war ein
Winter noch ein Winter! Bald bekam er die singenden Jungen zu Gesicht. Da stakte Leendert,
»Langer Leen«, der natürlich wieder der Anführer des Trupps war. Peter Hajo würde ihn, sobald
sich die Gelegenheit bot, mal ordentlich durchhauen, denn Leen sah stets verachtungsvoll auf
einen herab und konnte sich auf die Dauer zuviel einbilden. Und auch Padde war dabei, der
gutmütige Dicke, der fortwährend mit den Äuglein zwinkerte und natürlich wieder die Netze und
den Eimer tragen mußte. Padde war Hajos Schatten, folgte ihm auf dem Fuß bei all seinen
Streichen. Er war es, der Hajos Heldentat ruchbar machte und ihn jedermann gegenüber
verteidigte, wenn Hajo selbst nicht dabei war, um es zu tun. Hundertmal war es vorgekommen,
daß Padde, der nicht so schnell laufen konnte, wie die Umstände es manchmal erforderten, in die
Klauen eines zornigen Bauern oder Nachtwächters geriet und Hajo am nächsten Tag unter
bitteren Vorwürfen auf seine Beulen, Schrammen und blauen Flecken aufmerksam machte. »Warum läßt du dich fassen?« fragte Hajo dann. Padde fuhr auf. »Gut, geh du künftig nur allein! Du brauchst nicht zu denken, daß ich mir das geringste aus dir mache!« Und er zwinkerte stärker denn je mit den Augen. Aber wenn Hajo wieder zum »Apfelauflesen« nach dem Garten des Sankt-Katharinen-Klosters ging, war Padde wieder bei ihm und kroch schnaufend und keuchend über Mauern und Zäune — zum großen Mißvergnügen seiner Mutter, die ihn darüber mit ihren großen, harten Händen braun und blau schlug, wenn sie nicht zu müde dazu war. Das kam dann vom vielen Flicken und Stopfen; denn Padde hatte sieben jüngere Geschwister, die einen ganzen Haufen Höschen und Röckchen zerreißen konnten. »Hajo!« rief Padde erfreut, als er seinen Helden ankommen sah. »Ich dachte, du stündest im >Eisernen Mann