Gottfried Blumenstein
dQAB d@BbA Biographie einer Rocksängerin
edition schwarzwasser
Janis Joplin war die Tochter vo...
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Gottfried Blumenstein
dQAB d@BbA Biographie einer Rocksängerin
edition schwarzwasser
Janis Joplin war die Tochter von typischen amerikanischen Mittelklasseeltern. Alles war für Janis mustergültig geplant. Das brave Mädchen sollte einen hohen Schulabschluß erreichen, ein Universitätsdiplom erwerben, heiraten Die einzige, die da nicht mitspielte, war Janis, keinesfalls so brav, wie man sich es gewünscht hatte. Schon als Kind hatte sie für ihre Umgebung eigenartige Vorlieben. Nicht die seichten Schlager von Connie Francis oder Pat Boone hat sie gemocht, sondern die Musik der Schwarzen, den Blues. Sie war fasziniert von dem Countrybluessänger Leadbelly und von Bessie Smith. Später, als Janis Joplin schon eine berühmte Sängerin war, hat sie gemeinsam mit schwarzen Bürgerinnen aus Philadelphia für die letzte, namenlose Ruhestätte von Bessie Smlth, der ,,Kaiserin des Blues", einen Grabstein gestiftet. Nun, den Schulabschluß hat Janis noch geschafft, dann ist sie jedoch losgezogen, hat auch ein bißchen studiert, trampte aber meist durchs Land. Sie schlug sich mit Gelegenheitsarbeitendurch, und sie begann mit einem Folk-Trio in Kneipen und Bars zu tingeln. 1966wurde Janis Joplin Mitglied der in San Francisco ansässigen Rockgruppe ,,Big Brother and
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the Holding Company". Sie stand zum erstenmal vor einer Band, und der Lärm, der aus den Lautsprechertürmen kam, stürzte auf sie ein und zermalmte sie fast. Dies war für sie eine sinnliche Erfahrung. Und um da gegenzuhalten, mußte sie ihren Gesangsstil und die Art der Präsentation ändern. ,,Ich weiß nicht, was geschah. Ich bin fast explodiert. Ich habe niemals vorher so gesungen. Ich stand still und sang einfach. Aber du kannst so nicht singen, wenn du vor einer Rockband stehst, mit all ihrem Rhythmus und ihrer Kraft. Du mußt laut singen und dich wild bewegen. Nun, ich weiß nicht, auf welch andere Weise ich auftreten soll. Ich habe versucht, mich abzukühlen und nicht zu schreien, und ich bin in Gefühl aufgegangen wie nichts." Ihr Gesang war echt und ergreifend. Sie sang den Blues, wie es zuvor noch niemals eine Weiße getan hatte. Der Bluesvortrag gipfelte bei Janis Joplin in Hysterie und Agonie. Sie hat sich auf der Bühne gequält und geschunden. Es war so schmerzhaft, daß die ganze Hippiegemeinde aufstöhnte. Selbst ihr großes musikalisches Talent bewahrte sie nicht davor, mitunter Songs mit ihrer emotionalenWucht so zu treffen, daß sich Melodie, Rhythmus und Harmonie in einem einzigen verzweifelten Schrei zusammenballte. Das Leben von Janis Joplin wird beschrieben " a l s eine exaltierte Jagd zwischen Bühne, Bett und Bourbon-Whisky. Sie war die Verkörperung der Beatnik-Philosophie ,Lebe intensiv, liebe heftig, stirb jung'. Damit und mit ihrem hemmungslosen Vokalstil, in dem ,die gesamte Geschichte des Gesangs auf den Kopf gestellt'wurde, etablierte sie sich als Leitbild der Hippiegeneration und als unbestrittene Königin der Rockmusik." lm Sommer 1970 ist sie nach Texas in ihren Heimatort Port Arthur zu einem Klassentreffen (!) gefahren, den dortigen Spießern ihren Ruhm „vorzuführen". Ihr Aufzug war phantastisch und bizarr. Sie trug blaue und rosa Federn im Haar, purpurnen und weißen Satin und mit Gold bestickte Sandalen aus Samt, zeigte ihre farbigen Zehennägel her und hatte eine Unmenge an Ringen und Armreifen angelegt. Sie glaubte, daß ein triumphaler Empfang ihr zuteil werden würde, aber sie war immer noch eine,,Exotin", die von den konservativen Kleinstädtern a b ,,niggerlover" verachtet wurde. Janis Joplin war eine der wenigen Frauen, die eine eigene Bandhatten, und sie machte ihre Sache gut. Sie hatte gelernt, sich nicht mehr von den Managern übers Ohr hauen zu lassen. Sie bestimmte im wesentlichen, was auf und hinter der Bühne geschah. Daß sie in Florida bei einem Konzert zu 200 Dollar Geldstrafe verurteilt wurde, weil sie während ihres Auftritts ,,unflätige" Worte benutzt hatte, brachte sie nicht sonderlich aus der Fassung. Es war einfach unumgänglich, daß sie mit ihren auf-
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reizenden Gesten und Worten die puritanischen Kleinbürger in Aufruhr versetzte. Im Laufe der Zeit ähnelten ihre Konzerte immer mehr einem Hasardspiel. Entweder sie brachte das Publikum mit einer grandiosen Show auf die Beine, oder ihre Zuhörer sahen entgeistert auf die Bühne und verstanden einfach nicht, weshalb sich da eine kleine und pummlige Sängerin so abmühte, und sie fanden es lächerlich und wenig unterhaltsam. Niederlagen konnte Janis Joplin nicht ertragen, sie machten sie wütend und depressiv. Sie besaß nicht die Fähigkeit, die Dinge nicht zu ernst zu nehmen. Als Allheilmittel gegen jegliche Art von Kummer und Schmerz konsumierte sie Alkohol und Drogen. Janis Joplin hat sich zu Tode getrunken und gespritzt. Sie starb mit 27 Jahren am 4. Oktober 1970 in einem Motelzimmer in Los Angeles an einer Überdosis Heroin.
Brian Jones, Jimi Hendrix und Janis Joplin sollen hier stehen für die anderen, von Duane Allmann bis Ronni Van Zandt, die ihnen folgten und auf diese oder jene Weise ihren Kontakt mit dem Rock'n' Roll mit einem fruhzeitigen Tod bezahlen mußten. Sicherlich sind nicht bei jedem dieser verstorbenen Rockmusiker die wahnwitzigen und erbarmungslosen Zustände im kapitalistischen Showgeschäft schuld. Bei dem englischen Gitarristen Les Harvey, der durch einen elektrischen Schlag an einem ungeerdeten Bühnenmikrophon ums Leben kam, war es ein Unglücksfall. Bob Marley starb an Krebs. Und der Tod von John Lennon ist eher symptomatisch für die barbarischen Zustände in der Stadt New York, wo Töten schon längst zum Alltagsgeschäft gehört, als f ür die entnervenden Erscheinungen im Rockbusiness. Aber das Gros der Rockmusiker, die gescheitert sind, hat sich an den gnadenlosen Bedingungen ihres Lebens aufgerieben. Diese jungen Musiker, Idole einer ganzen Generation, flüchteten in Alkohol und Drogen, in einen exzessiven und betäubenden Lebensstil. Sie hatten mit Lebensumständen zu kämpfen, die ihnen ihre gesamte physische und psychische Kraft abverlangte. Ihre Ideale, Hoffnungen und Wünsche gingen in dem unheilvollen Kreislauf von Tourneen, Plattenaufnahmen, Fernsehshows und Partys verloren. Ihre Enttäuschung und Verletzlichkeit barg den Hang zur Selbstzerstörung in sich, und sie gaben diesem Hang verzweifelt nach. Aber da ist ja noch die Musik. Das Beste, was der Rock 'n' Roll hervorgebracht hat, vieles von Brian Jones, Jimi Hendrix und Janis Joplin ist darunter, wird als Meilenstein in die Musikgeschichte des 20. Jahrhunderts eingehen.
INHALTSVERZEICHNIS
Vorwort 9 EINE JUGEND IN TEXAS 13 Ein kluges Kind wächst heran 18 Der Spiegel sagt: Du bist häßlich 21 Eine von den Jungs 24 Janis entdeckt die Musik 30 Bessie Smith 34 Ausgestoßen und verfemt 36 UNTERWEGS OHNE ZIEL 41 Unter ihresgleichen 43 Janis sings the blues 45 Es ist Gift, das dich berauscht 48 Ihre Bücher 50 Auf Tramptour 52 Wieder daheim 54
IM GELOBTEN LAND 59 Ein neuer Sound 61 Hippies an die Macht! 63 Eine Band mit seltsamem Namen 67 Die Weißen tanzen nach schwarzer Musik 72 Janis singt Rock 'n' Roll 75
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GESANG WIE EIN HILFESCHREI 85 Ein wirklicher Freund 86 Monterey Pop 89 Aus tiefster Not schrei ich zu dir 91 Otis Redding 95 Tina Turner 97 Die Performance 99 A STAR IS BORN 107 Der neue Mensch heißt Yippie 110 Kleider machen Leute 112 Ein Gesicht, wie aus Stein gemeißelt 113 Cheap Thritls 120 Die Trennung 125 Und doch an der Nadel 132 EIN STÜCK VON MEINEM HERZEN 135 I Got Dem 0l’ Kozrnic Blues Again, Mama! 136 Woodstock - Fanal oder Schmierenkomödie? 138 I Need A Man For Love 150 PEARL - EIN LETZTER SONG ZUM ABSCHIED 153 Boogie mit voller Kraft 156 Let Me Go Home Whisky 159 Mystery Train 162 This is The End, My Friend 164 Pearl 168 Und plötzlich ist alles vorbei 172 DISKOGRAPHIE 177 QUELLEN DER ZITATE 180 AUSSERDEM VERWENDETE LITERATUR 184 PERSONENREGISTER 186
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"Ich glaube, Janis starb an einer Überdosis Janis." Eric Burdon
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VORWORT
In der Geschichte der populären Musik nimmt die amerikanische Sängerin Janis Joplin einen ganz besonderen Platz ein. Sie war die weiße Bluessängerin: Janis Joplin sang den Blues mit solcher Intensität, wie es noch nie eine weiße Sängerin vermocht hatte. Sie lebte den Blues, war trotz aller Erfolge und des großen Jubels um ihre Person unglücklich und lag mit der Welt und mit sich selbst in einer dauernden Fehde. Und sie starb den Blues - wie Bessie Smith, Billie Holiday und Dinah Washington brachte sie sich durch einen ausschweifenden Lebenswandel, mit Alkohol und Rauschgift jeden Tag ein Stück mehr um. Eines ihrer schönsten und traurigsten Lieder war der Kozmic Blues, in dem all das zusammengefaßt ist, was ihr Leben so schwer machte. Vor aller Augen und Ohren breitete sie die Geschichte ihrer unerfüllbaren Sehnsüchte aus: Als ich ein Kind war, sagte man mir immer: .Jetzt bist du unglücklich, weil du durch die Pubertät gehst, sobald du erwachsen bist, wird alles gut.. Ich glaubte das wirklich, weißt du. Oder: 6 o b a l d du erwachsen bist und den richtigen Mann gefunden hast.>Vomklinischpsychologischen Standpunkt aus handelte es sich um eine extrem geltungssüchtige, leistungsehrgeizige, bindungsunfähige und reizhungrige Persönlichkeit, die unter ihrer eigenen Persönlichkeit litt und wohl auch andere leiden machte.,Goldene Dreieck>schlechtes Mädchen. sein. Ich war bestürzt. Ich wußte, Janis ist keine Büroangestellte und sie ist niemandes Sekretärin!lo Doch Janis begann wieder zu singen. Nach einem Auftritt in Austin in einem Club mit dem geheimnisvollen Namen „The Eleventh Doow stand in der Zeitung The Austin Statesman eine begeisterte Kritik, die in der Bemerkung gipfelte, daß es in Texas von Leadbelly an eine Reihe großartiger Bluessänger gegeben habe und Janis Joplin eine der großartigsten sei. Als eine Freundin der Familie diesen Artikel gelesen hatte, sagte sie zu Janis' Mutter: „Dorothy, du hast keine Chance.>mit den Füßen imaginäre Zigaretten austrat und mit den Armen wedelte, als frottiere er sich mit einem Handtuch den RückenDerTwistWirhatten Schi&>Nunmöchten wir euch vorstellen... NeandertaiinstinktdieShow vermasseltalsRockversion von Edith Piaf, die ihre Lieder nicht singt, sondern zu einem vibrierenden und explosiven Teil von ihnen wird>diegesamte Geschichte des Gesanges auf den Kopf gestellt