Hans-Dieter Kübler Interkulturelle Medienkommunikation
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Hans-Dieter Kübler Interkulturelle Medienkommunikation
Hans-Dieter Kübler
Interkulturelle Medienkommunikation Eine Einführung
III VSVERLAG
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar.
1. Auflage 2011 Alle Rechte vorbehalten
© VS Verlag für Sozialwissenschaften I Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011 Lektorat: Barabra Emig-Roller I Eva Brechtel-Wahl VS Verlag für Sozialwissenschaften ist eine Marke von Springer Fachmedien. Springer Fachmedien ist Teil der Fachverlagsgruppe Springer Science+Business Media. www.vs-verlag.de Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften. umschlaggestaltung: KünkelLopka Medienentwicklung, Heidelberg Satz: www.text-plus-form.de Druck und buchbinderische Verarbeitung: Ten Brink, Meppel Gedruckt auf säurefreiem und chlorfrei gebleichtem papier Printed in the Netherlands ISBN 978-3-531-18229-2
Inhalt
Vorwort .................................................................................................................... 7 1 Definitionen und Dimensionen .................................................................. 9 1.1 Medien international- internationale Medienkommunikation .............. 9 1.2 Kultur: Multikulturalität - Interkulturalität - Transkulturalität ........... 18 2 2.1 2.2 2.3
Trends gegenwärtiger Gesellschaftsentwicklung ................................ Modernisierung - geschichtliche Entwicklung ........................................ GlobaIisierung - Globalität - ,Glokalisierung' - Globalismus ............... Mediengesellschaft - Informationsgesellschaft Wissensgesellschaft - Netzwerkgesellschaft ............................................ 2.4 Zivilgesellschaft und Global Governance ................................................. 3 3.1 3.2 3.3
Analytische Zugänge des Medien(systemslvergleichs ........................ Prämissen und Ansätze des Vergleichs: die Welt als ganze ................... Prämissen und Ansätze des Vergleichs: Subglobale Reichweiten ......... Prämissen und Ansätze des Vergleichs: Funktionen und Leistungen ...................................................................................................... 3.4 Prämissen und Ansätze des Vergleichs: (Medien)Trends, Genres und Inhalte .......................................................................................
23 23 28 33 60 65 65 71 74 87
4 Konzepte und Methoden des Vergleichs ................................................ 99 4.1 Was wie vergleichen? Zur Theorie und Methode der Komparatistik .......................................................................................... 99 4.2 Wirklichkeitsreduktion und -selektion .................................................... 104 4.3 Datenrecherche, -rekonstruktion und -vergleich .................................... 109 5 5.1 5.2 5.3 5.4
Empirische Methoden und Komparatistik ........................................... Befragung ..................................................................................................... Beobachtung ................................................................................................. Inhaltsanalyse .............................................................................................. Fazit ...............................................................................................................
113 113 114 114 116
6
Literatur ........................................................................................................ 117
Vorwort
Wohl keine andere Branche ist derart international ausgerichtet und trans-
national verwoben wie die Medienbranche, und zwar nicht erst seit dem Aufkommen und der Verbreitung des Internets in den letzten Jahrzehnten. Denn Medien sind einerseits wirtschaftlich gehandelte und kommerziell hergestellte Produkte bzw. Waren, wie sie andererseits in ihren Inhalten und Symbolen sämtliche gesellschaftlichen und kulturellen Entwicklungen und Handlungen widerspiegeln, mithin stets eine doppelte Beschaffenheit und Funktionalität verkörpern. Diese Internationalität gilt mindestens seit Beginn der Phase so genannter Massenkommunikation Mitte bis Ende des 19. Jahrhunderts; vor allem der Film transnationalisierte sich seit den 1920er Jahren mit der Entstehung und raschen Dominanz von Hollywoods Traumfabrik. Andere Sparten wie die Unterhaltungsmusik, Comics, Hörfunk und Fernsehen folgten. Dass diese Internationalität meist recht einseitig war (und vielfach noch ist), sich Hegemonien und Abhängigkeiten herausbildeten und jeweils aus nationaler Warte bekämpft wurden, darf keineswegs verkannt werden. Aber die Durchdringung und Überwindung von Grenzen mittels medialer Botschaften und Wirklichkeitsentwürfe kennzeichnen ebenfalls die Errungenschaften der so genannten Moderne und Postmoderne, und diese Tendenzen halten bis heute zumal für die unterentwickelten, vielfach autoritär oder autokratisch regierten Regionen der Welt an. Vor allem das transterritoriale, omnipräsente Internet, das Netz der Netze oder das Hypermedium per se (und wie all diese künstlichen Attribute lauten) lässt sich trotz aller Regulierungs- oder gar Zensurversuche nicht an Grenzen stoppen, überwindet oder umgeht administrative Hürden und elektronische Barrieren, da seine User immer wieder Lücken, Schlupflöcher und neue Wege entdecken, besser: selbst generieren. So ist die phantastische Idee der UNESCO zu Beginn der 1980er Jahre namens"Viele Stimmen - eine Welt" mit ihm fast schon alltäglichen Realität geworden, selbst wenn derzeit noch immer wieder harsche Rückschläge vorangetrieben werden und die bislang noch drängenden ungleichen Verteilungs- und Zugangschancen weiter bestehen. Spätestens seit den 1960er Jahren orientierte sich die bundesdeutsche Kommunikations- und Publizistikwissenschaft vielfach um: Sie verabschiedete sich von ihrer geisteswissenschaftlich-normativen, oftmals ideologischen Vergangenheit und mutierte in eine empirisch ausgerichtete Sozialwissenschaft,
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Vorwort
vielfach auch in übereifrigerAnpassung an die angloamerikanischen Vorbilder (wie etwa die Kritische Theorie und die ihr folgende kritische Medienwissenschaft tadelten). Immerhin war damit die Perspektive für internationale Ansätze, Methoden und Befunde eröffnet, aber sie blieben meist implizit, wenig expliziert. Erst eigentlich seit der Jahrhundertwende - mit der wachsenden öffentlichen Debatte über die voranschreitende Globalisierung einerseits und mit der massiven Präsenz und den zunehmenden Potentialen des Internet, des so genannten Web 2.0, nach der Erholung aus der Krise der New Economy seit 2000, andererseits - werden vergleichende Fragestellungen, globalisierte Perspektiven und komparatistische Vorgehensweisen verstärkt und vor allem explizit angegangen, werden Mediensysteme in ihren strukturellen und faktischen Dimensionen verglichen, relativ klassifiziert und sogar Skizzen eines Weltmedien- oder Weltkultursystems entworfen. Mit analytischen Termini wie Inter- und Transkulturalität werden Erkenntnis- und Untersuchungsoptionen über die wachsende Verwobenheit und Penetrierung von Kultur und Medien, und zwar sowohl innergesellschaftlich, in die diversen Ethnien, (Sub)Kulturen, Milieus und Szenerien hinein, als auch über tradierte soziokulturelle Grenzziehungen hinaus anvisiert und heuristisch erprobt. Dazu sind noch viele wissenschaftlich-analytische wie auch empirisch-praktische Unternehmungen erforderlich. Dieses Bändchen versteht sich daher in der Tat als Einführung, als Sondierung des thematischen, theoretischen und methodischen Terrains; deshalb werden viele Begriffe geklärt, paradigmatische Originaltexte dokumentiert und theoretische wie methodologische Überlegungen angestellt. Entstanden als Einstiegs-Modul für den Master-Studiengang "Informationswissenschaft und -management" an der Hochschule für Angewandte Wissenschaften Hamburg (HAW) mit dem Schwerpunkt "Interkulturalität und Medien" soll es nach mehrfacher Erprobung und Überarbeitung nun einer breiteren Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden - hoffend, dass die inzwischen begonnene internationale wie auch sozial- und kulturwissenschaftliche Ausrichtung der Kommunikations- und Medienwissenschaft bereichert, motiviert wird und interessierte Studierende eine Handreichung für eigene Forschungen und Studien bekommen. Hamburg, im März 2011
Hans-Dieter Kübler
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1.1
Definitionen und Dimensionen
Medien international- internationale Medienkommunikation
Mediale Kommunikation Mediale Kommunikation bzw. Medienkommunikation' ist ein recht amorpher und diffuser, daher komplexer Analysebereich, der interdisziplinär betrachtet und beforscht wird. Seine elementaren Komponenten sind
Zeichenkomplexe wie Texte, Töne- und Bilderfolgen, Grafiken und diverse Kombinationen daraus, die zum einen immaterielle Bedeutungs- und Symboldimensionen haben - heute auch als content bezeichnet -, zum anderen materielle Ausdrucks- oder Präsentationsdimensionen wie Buchstaben, Schriften, Noten, Zeichnungen, Grafiken, Tabellen etc. brauchen, um sich realisieren zu können; sie werden in technischer Hinsicht als Kanäle bzw. Codes bezeichnet; mediale Figurationen (Mittel/Vermittler), um die Zeichen über Raum und Zeit hinweg zu vermitteln, also zu speichern, zu transportieren und zu verbreiten, wozu neben Bildern und Grafiken insbesondere die Schrift fungiert; im Laufe der Kulturgeschichte, besonders seit Erfindung der Drucktechnik Mitte des '5- Jahrhunderts, sind neue, leistungsstärkere und komplexere 1 In der deutschen Medienforschung gibt es einen kleinen Disput darüber, welcher der beiden Begriffe angemessener ist, weshalb beide Verwendungen zu finden sind: nämlich Mediatisierung undJoder Medialisierung, um die Expansion und fortschreitender Durchdringung sämtlicher Lebensbereiche durch Medien zu kennzeichnen: Die einen - etwa Friedrich Krotz (2007) - verweisen darauf, dass in der internationalen.. vor allem englisch-
sprachigen Medienforschung der Terminus ,Mediation" bzw. "Mediatization" gebräuchlich
ist, die anderen - etwa W. Schulz (2008, 32) - argumentieren dagegen,. dass Mediatisierung im Deutschen bereits besetzt ist, nämlich durch ,Mediation' als Konfliktschlichtung, aber auch durch Mediatisierung in historischem Kontext, nämlich als Herstellung der Reichsunmittelbarkeit zahlreicher Kleinstaaten durch den Reichsdeputationshauptschluss 1806. Zusammenfassend und mit Systematisierungsvorschlägen: Meyen (2009). Unverfänglicher sind daher Medien- oder mediale Kommunikation, um sich auch von dem früheren Begriff der Massenkommunikation abzugrenzen. Sie ist für eine bestimmte Phase der Massenmedien (etwa von 18)0 bis 1970) vorbehalten, da mit der Digitalisierung die Dualität von personaler, privater Kommunikation und öffentlicher, technisch vermittelter Massenkommunikation aufgehoben ist und besagte Konvergenz aller Kommunikationsformen - mit Ausnahme der unmittelbar direkten" dialogischen Form ohne jegliche technische Unterstützung - voranschreitet (Kübler 20(0).
Hans-Dieter Kübler, Interkulturelle Medienkommunikation, DOI 10.1007/978-3-531-92904-0_1, © VS Verlag für Sozialwissenschaften | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011
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Definitionen und Dimensionen
Techniken entwickelt worden bis hin zur heutigen Mikroelektronik, Teleund Satelliten-, Computer- und Internet-Technologie, die die so genannten digitalen Medien verkörpern und für ihre Generierung und Steuerung (Computer)Programme brauchen, so dass Medien, die heute nicht mehr nur individuell handhabbare Kommunikationsinstrumente wie Stift, Feder und Papier ete. sind, sondern neben technischen Geräten und ihrer gewerblichen Fertigung industrielle Organisationen (wie Verlage, Sendeunternehmen bzw. Medienkonzerne, Provider) und technisch-kommunikative Infrastrukturen (wie Sendeanlagen, Kabel- und Satelliten-Netze), die von gesellschaftlichen Verhältnissen und rechtlichen Rahmenbedingungen konstituiert werden und vor allem die öffentliche, publizistische Kommunikation herstellen. Für sie haben sich inzwischen vielfältige Berufssparten herausgebildet und professionalisiert, von den ,Content'-Produzenten (wie Autoren, Journalisten, Werbetexter) über Techniker (wie Drucker, Setzer; Toningenieure) und Kreative (wie Kameraleute, Musiker, Designer) bis hin zu Managern und ökonomisch Planenden. Seit der Verlegung der ersten Übersee-Telegrafiekabel Mitte des 19. Jahrhunderts, später auch der Telefonkabel sorgen diese Netze für die breite Entgrenzung der medialen Kommunikation über nationale und auch kontinentale Grenzen hinweg, wie es zuvor mit der Versendung von Büchern und Printprodukten nur begrenzt möglich war. Weiter beschleunigt und verbreitet wird diese Entwicklung durch die Entdeckung der Funkwellen, der Radiophonie, zu Beginn des 20. Jahrhunderts, die später auch Fernsehsignale übertragen. Sie werden ergänzt durch die rasante Innovationen in der Raumfahrt und der Satellitensysteme. Vollends optimiert werden die Verbreitungssysteme durch die Verknüpfung all dieser Netze durch das Internet und seine Anwendungen in den j'Oer Jahren des 20. Jahrhunderts. Mit dem WWWwird das Internet seit den 90er Jahren visuell, damit multimedial und für private und ökonomische Nutzung sowie für deren Kommunikationsoptionen disponibel. Diese Optionen verstärken und multiplizieren sich noch seit der Jahrtausendwende und werden daher - werbewirksam - Web 2.0 bezeichnet. Mit diesen medientechnischen Innovationen gehen auch gesellschaftliche Veränderungen einher, ohne damit eindeutige Kausalitäten zu postulieren. Eher sind wechselseitige Dynamiken am Werke, die immerhin die Relevanz der Medienanstöße für den gesellschaftlichen Wandel unterstreichen. Anfangs, zumal zur Beginn der Technisierung der Kommunikation durch den Druck, verläuft die Entwicklung sehr gemächlich; erst seit Mitte des 19. Jahrhunderts
Medien intemational- internationale Medienkommunikation
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kommt es zur Beschleunigung, die sich mit dem 20. Jahrhundert noch enorm erhöht, zunächst in eine immense Vielfalt der Medien mündet. Mit der so genanten Digitalisierung Ende des 20. Jahrhunderts kündigt sich unter der binären Norm des Computers die Konvergenz der medialen Formen und Codes, so dass sich das digitale Gerät zum Universal- oder Hypermedium entwickelt. Im groben Überblick lässt sich die gesamt Entwicklung wie folgt darstellen: Archaische Gesellschaften: Feudalismus
Handschrift
erste Mecltanisierungen (z. B. Block-Druck)
Reformation
Aufkla,.ng
Industrialisierung BI/rg6-9 %1 die Nieder1ande (NL, ,6,8 %1 Australien (AUS, '5,1 %1 Frankreich (FR: 2.4.9 %) und Finnland (FIN: 2.4.3 %). Im Mitte1feld zwischen 20 und"" Prozent!iegenKanada (CAN"JA %), Luxemburg (LUX) und Norwegen (NOR: je 2.),0 %), Dänemark (DNK: 22,7 %), Japan GAP: 22,6 %, 1998), Deutschland (GER,. 2.2,.2 %) und Italien (ITA: 2.l,8 %). Die letzte Gruppe mit weniger als 20 Prozent bilden die USA (~8 %1 ÖSterreich (AUT, 18,6 %), Spuoien (ESP, 18,5 %) und Griechenland (GRC, 15,7 %). Der Fall USA mag überraschen, gelten sie doch als Pioniere in der Transformation zur Informations- und Wissensgesellschaft. Offenbar werden dort (wie auch in Italien) nur Vollzeitpositionen
Mediengesellschaft - Informationsgesellsffiaft - Wissensgesellschaft
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anerkannt - womit auch signalisiert wird, dass die BeredmungsgrundIagen längst noch nicht einheitlich sind. Einen ähnlichen Trend verzeichnen auch die Wachstumsraten des Anteils des Wissenssektors am Bruttoinlandsprodukt seit den 19]Oer Jahren: Abbildung 2:
Prozentantcil Bruttowertschöpfung des Wissenssektors an der Gesamtwirtschaft nach Ländern (beobachtete Wette) und im Länderdurchschnitt (fotal), 1970-2002
ALTr W% - - AUS _ DNK ~ ESP
28%
-'"
26% _
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GER -
-
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_
NOR ---+- NZ UK Total
~ SWE
-e-USA
-
1970
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-
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24% _
-
197~
1980
GRC
- + - LUX
1985
'990
199~
2000
Quelle: Rohrbach 2008, 95 Hinweise: AUS, FR, GRc, NL, NOR, NZ, Sm, USA: jährlich nachgewidttete Las~ Kettenindizes, andere: fest gewid11ete Laspeyres Indizes; AUS, NZ, PRT, SWE: laufende Preise, CAN: 1997 -100, FD\I::waD -100. Quelle: DECD, eigene Berechnungen
Allerdings differieren die Entwicklungsverläufe in den Ländern erheblich. Außerdem vollziehen sich Richtungen und Schwerpunkte vielfach unterschiedlich (s. a. Castel1s 2001j 2002; 200). Berücksichtigt man ferner die Entwic:klungsraten der übrigen drei Sektoren" stellt sich heraus, dass in keiner der untersuchten Volkswirtschaften der Informations- und WlSSenSsektor den größten Anteil an der Wertschöpfung der Gesamtwirtschaft einnimmt. Unterteilt man den Informations- und Wissenssektor in die genannten Segmente, so behauptet in den 1990er Jahren die Wissensverbreitung in den 19 OECD-Ländern mit 9,59 Prozent der Gesamtbesdtäftigung oder 43 Prozent
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Trends gegenwärtiger Gesellschaftsentwicklung
innerhalb des Informations- und Wissenssektor den größten Anteil, zumal zu ihm die schon seit den 197"er Jahren beschäftigungsintensiven und dann noch wachsenden Bereiche ,Medienindustrie' und ,Bildung' zählen. Auf 7,46 Prozent der Gesamtbeschäftigung (32 Prozent im Informations- und Wissenssektor) kommt Ende der 1990er Jahre das Segment des Wissensmanagements, worunter vor allem professionelle Untemehmensdienstleistungen wie Beratungs-,
Vermittlungs- und Kommunikationsdienstleistungen zählen. Sie verkörpern den dynamischsten Bereich in den 19 OECD-Ländern und verzeichnen im betrachteten Zeitraum daher ein nahezu dreifaches Wirtschaftswachstum. Das Segment ,Wissensinfrastruktur~ d. h. die Industrien zur Herstellung und Pflege der technischen Rahmenbedingungen, macht im Jahre 1999 im Mittel knapp fünf Prozent der Gesamtbeschäftigung aus, verliert aber im gesamten Zeitraum anteilig. Während 197" 6,7 Prozent der Beschäftigung im Ländermittel durch diese Industrien und drunit die zweitgräßte Gruppe gestellt werden, überholen sie gegen Ende der 1990er Jahre die ,Wissensmanager'. Insbesondere in Deutschland ist ein überproportionaler Rückgang zu verzeichnen. Schließlich das letzte Segment, das als das wichtigstes und markanteste für den gesellschaftlichen Wandel und die Entstehung neuer Industriebranchen gilt: die Produktion neuen Wissens. Jedoch ist sein Beitrag zur Gesamtbeschäftigung mit 042 Prozent im Ländermittel äußerst gering und eigentlich zu vernachlässigen. Zwar verdoppelt sich der Anteil der Beschäftigten in den drei Jahrzehnten, bleibt aber trotzdem das schwächste Segment. So erweisen sich nach diesen Berechnungen die betrachteten OECDGesellschaften an der Schwelle zum neuen Millennium allenfalls als "Wissensvermittlungsgesellschaften'~ zutreffender wohl als Informationsvermittlungsgesellschaften zumal von instrumentellem und ökonomisch verwertbarem Wissen, das vor allem in wirtschaftlichen und industriellen Kontexten verwaltet, angewendet und vermarktet wird, wie es der überproportionale Zuwachs des Management-Segments abbildet. Zwar sind die Trends eindeutig, aber noch in keiner Gesellschaft, die wohl die reichsten und am weitesten fortgeschrittenen auf der Welt sind,. überflügeln die Anteile der Informationsund Wissens sektor in der Bruttowertschöpfung und der Beschäftigtenzahlen die drei traditionellen Wirtschafts sektoren, wie das Erreichen des Stadiums "Informations- und Wissensgesellschaft' bekanntlich definiert wird. Deshalb sei, so D. Rohrbach (2008), das Prädikat noch unangemessen; vielmehr dauere es noch "etwa weitere 30 Jahre [...], bis die heutigen hoch technologisierten Industrie- und Dienstleistungsgesellschaften voll entwickelte Wissensgesellschaften sein werden" (Ebd., 98).
Mediengesellschaft - Informationsgesellschaft - Wissensgesellschaft
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Wissensgesellschaft Fließend und uneinheitlich sind die Übergänge bzw. Abgrenzungen zwischen Informations- und Wissensgesellschaft (knowledge society) nach wie vor: Während manche Beobachter in letzterer ein fortgeschrittenes und damit meist wohl auch höheres, mutmaßlich: humaneres Stadium gesellschaftlicher Evolution erkennen wollen, halten andere ihre Bezeichnung für eine unnötige Spezifizierung, die sich im internationalen Gebrauch nicht durchsetzen werde.
So zitiert etwa die Enquetekommission des Deutschen Bundestags in ihrem Schlussbericht zum Thema "Globalisierung" zustimmend die Unterscheidung von Nico Stehr (2001, 10) und verleiht ihr damit quasi-offizielle Anerkennung: "Der Begriff der ,Wissensgesellschaft' befreit sich von der technologischen Verengung des Informationsbegriffs und verweist darüber hinaus auf die komplexen sozialen Kontexte allen Wissens. Er markiert daher einen qualitativen Bedeutungszuwachs des Wissens in allen Gesellschaftsbereichen. Wissen wird insgesamt zum Organisations- und Integrationsprinzip und damit zur zentralen Problemquelle der modernen Gesellschaft" (Deutscher Bundestag 2002, 259 f.).
Doch weder der Informations- noch der Wissensbegriff sind systematisch und hinlänglich an bestimmte Kontexte gebund"", sondern lassen sich jeweils von der eingenommenen Perspektive aus unterschiedlich definieren: Zweifelsohne befördern die enorme Entwicklung und Verbreitung der so genannten neuen Informations- und Kommunikationstechnologie", also Computer und Netze, die Debatte und Analytik um den Informationsbegriff, ohne für ihn bislang eine überzeugende und konsensuell zu vereinbarende Definition zu finden. So weist die Enquete-Kommission des Deutschen Bundestag zum Thema "Deutschlands Weg in die Informationsgesellschaft" (Deutscher Bundestag 1998, S. 38) bereits daraufhin, dass (auch) "Information ein subjekt- und kontextrelatives Phänomen ist" und es "keine allgemein akzeptierten Ansatz
[gibtj, um Wissen und Information als Input oder Output quantitativ zu erfassen" (Ebd., S. 38). Noch rigoroser wird in einem Sondervotum der Arbeitsgruppe der (damaligen) Fraktionen von SPD und Bündnis 90/Die Grünen in der Enquete konstatiert, der Begriff Informationsgesellschaft habe "sich in den letzten Jahren immer mehr zu einer entleerten Formel entwickelt, zur begrifflich beliebig
füllbaren Hülse". Denn selbst in den USA werde heute "nicht mehr ernsthaft behauptet, dass Information zur bedeutendsten Ressource und zum wichtigsten Sektor in der Volkswirtschaft geworden sei". Demnach seien allen Hochrechnungen über den Anteil von Beschäftigten in der Informationswirtschaft
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Trends gegenwärtiger Gesellschaftsentwicklung
ein "hohes Maß an Beliebigkeit" zu bescheinigen, weshalb sich die amerikanisehe Volkwirtschaftslehre von solchen Kalkulationen und ihren Folgerungen über den gesellschaftlichen Wandel inzwischen verabschiedet habe (Ebd., 114) Dennoch kursiert das Schlagwort von der Informationsgesellschaft unbeirrt weiter und wird mehr oder weniger selbstverständlich, gewissermaßen als Rahmenlabel, genutzt; weniger häufig und selbstverständlich findet sich das der Wissensgesellschaft, zumal in internationalen Diskursen. Beide hängen davon ab, wie man die Kerngrößen - Information bzw. Wissen - definiert und welche Berechtigung und Reichweite man ihnen zur Otarakterisierung einer gesellschaftlichen Formation bzw. einer Entwicklungsstufe einräumt (Kübler/Elling 2004; Kübler 2009; Engelhardt/Kajetzke 2010). Erstmals verwendet und theoretisch begründet hat den Terminus Wissensgese//schaft - so eine vorsichtige wissenshistorische Rekonstruktion (Stehr 1994, 14 f.; 26 f.) - der amerikanische Politikwissenschaftler Robert E. Lane (1966) in einem Aufsatz über den angeblichen Niedergang irrationaler und ideologischer Positionen - mithin in einem ganz anderen, nämlich ideengeschichtlichen und damit recht eingeengten Verständnis. Denn noch mit dem technokratischen Optimismus der 1960er Jahre diagnostiziert Lane einen Bedeutungszuwachs wissenschaftlichen Wissens und prognostiziert eine erhöhte Rationalität und Wissenschaftlichkeit gesellschaftlicher Entscheidungen. Danach sollen sich so genannte Wissensgesellschaften dadurch auszeichnen, dass ihre Mitglieder ,,(a) ihre Vorstellungen vom Menschen, von der Natur und der Gesellschaft bis ins Tiefste zu ergründen versuchen; (b) (möglicherweise unbewusst) objektiven, der Realität angemessenen Standards
folgen und die Forschung nach den Regeln wissenschaftlicher Beweisführung
betreiben; (c) für diese Forschungstätigkeit einen beachtlichen Teil ihrer Ressourcen aufwen-
den und daher über umfangreiche Kenntnisse verfügen; (d) vorhandenes Wissen in dem Bemühen sammeln.. organisieren und interpretieren, um aus zweckdienlichen Gründen auf dieses Wissen zurückgreifen zu können;
(e) dieses Wissen sowohl zur Erläuterung (vielleicht sogar Änderung) als auch Verwirklichung ihrer eigenen Werte und Zielvorstellungen verwenden" (Stehr 1994,26).
Damit sind viele Erwartungen formuliert, die damals angesichts der schon von Max Weber prognostizierten Entzauberung der Welt, mithin der fortschreitenden Rationalisierung, die man insbesondere dem Fortschritt der Wissenschaf-
Mediengesellschaft - Informationsgesellschaft - Wissensgesellschaft
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ten, auch der Sozialwissenschaften und ihrer wachsenden Durchdringung viele Lebensbereiche zugeschrieben, gehegt hat und etwa von Rolf Kreibich (1986) im Terminus "Wissenschaftsgesellschaft" zusammengefasst worden sind. Sicherlich haben sie sich in vielen gesellschaftlichen Segmenten ganz oder ansatzweise durchsetzen können; aber ebenso wird - ob als Reaktion oder als Relikt - vielfach der Anstieg von Irrationalismen beobachtet, die etwa die Rationalität und Planbarkeit von gesellschaftlichen Prozessen untergraben. Beispielsweise wird vielfach befürchtet, dass das autonome wissenschaftliche Wissen gegenüber spezieller, organisierter und meist auch kommerzieller Wis-
sensproduktion in den Kultur-, Rechts-, Wirtschafts- und Gesundheitssystemen an Relevanz, zumindest an Dignität und Anerkennung verliert (Willke '998; Maasen 2009)' Doch dabei dürfte es sich allerdings um jeweils unterschiedliche Wissensformen, mindestens -wertigkeiten hande~ die zunächst herausgearbeitet, wenigstens typisierend kategorisiert werden müssen.
Exkurs: Information und Wissen Information Zum Allerweltssynonym für Transport, Inhalt, Struktur, Währung, Zeichen, Stimulus oder Vehikel von Kommunikation (die selbst wieder unterschiedlich definiert wird, mit einer Spannweite von Austausch bis hin Verständigung) ist bekanntlich Information längst geworden und wird auch so genutzt (Knoblauch 2010). Daher wird der Begriff unentwegt thematisiert, euphemistisch deklamiert oder scheinwissenschaftlich deklariert, denn alle vermeinen zu verstehen, was er bedeutet, und kaum einer fragt mehr nach. Und in dieser Allerweltssemantik kann er in fast alle Kontexten reüssieren, von der Technik/Kybernetik bis hin zur Linguistik, von der Soziologie und Psychologie bis hin zur Kommunikations- oder gar zu einer sich inzwischen behauptenden Informationswissenschaft. Daher seien seine gängigen Versionen einmal aufgelistet, ohne sie zu geWichten und zu bewerten: Information ([Iat. ,informatio'] meint ursprünglich in Form bzw. Gestalt bringen, formen, bilden, ist daher verwandt mit deutschen Bildungsbegriff) und:
firmiert für syntaktisch angeordnete, relational auf Sachverhalte bezogene Daten ist jener Anteil einer Nachricht, der für den Empfänger unerwartet und über-
raschend ist (C. E. Shannon/W. Weaver '949; '976)
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Trends gegenwärtiger Gesellschaftsentwicklung misst die Wahrscheinlichkeit oder Unwahrscheinlichkeit eines Ereignisses, ungeachtet seiner jeweilige Relevanz (Entropie) ist Hdie Reduktion von Ungewissheit aufgrund von Kommunikationsprozessen"
(G. Wersig 1971; 1973) ist weniger als Wissen,. denn Wissen schließt subjektive Dimensionen des Nutzers wie ErfahrungeI\t- Emotionen, soziale Kompetenzen ein
wird dennoch. definiert als "Wissen in Aktion (R. Kuhlmann 1995; 2004) ist eine allgemein relevante Neuigkeit (ähnlich wie Nachricht) ll
ist vorgeblich objektive, mindestens sachliche, dokumentarische Abbildung von
Realität wird gleichgesetzt mit Inhalt (content) ist nicht Unterhaltung (E. Klaus 1996) ist nonfiction, Dokumentation, Sachverhalt verbleibt - anders als andere Waren - auch beim Austausch beim Urheber/ Verbreiter
kann unendlich kopiert, verbreitet und benutzt werden kann nicht ,verbraucht' werden, veraltet nur, wird nur obsolet und trivial kann für andere Nutzer wieder neu sein, bleibt also relativ (auch in der Re-
dundanz) hat unterschiedliche Werte (bzw. Preise), die sich nach Relevanz bzw. Redundanz, nach Novität bzw. Bekanntheit, nach Aktualität und Novität, aber auch
nach anderen Kriterien (wie Prestige e!c.) richten Bekanntlich lassen sich Informationen nicht nur über Sprache wahrnehmen und rezipieren, vielmehr über alle menschliche Sinne - die Semiotik bietet dafür den neutralen Begriff des Zeichens an, das ja im Kern eine triadische Relation von Syntax, Semantik und Pragmatik darstellt. Daher sind alle Bemühungen, Information zu objektivieren und in stochastischen Definitionen zu fassen - wie etwa die vermeintliche messbare Verringerung von Ungewissheit (Wersig 1m1, 74) - unzureichend (Weingarten 1990)' Denn Ungewissheit lässt sich ebenso wenig abstrakt und objektiv bestimmen (oder man muss ihre Semantik auf eine bestimmte eindeutige Relation beschränken), vielmehr ergibt sie sich in kontingenten und subjektiven Kontexten: Was für den einen ungewiss ist, scheint für den anderen klar und selbstverständlich zu sein, d. h. die jeweilige Kriterien variieren und können sogar das Subjekt selbst täuschen. Außerdem werden auch Informationen aufgenommen oder erzeugt, die irritieren, verunsichern, irreleiten und belasten. Schließlich sind Informationen mit wertenden und emotionalen Komponenten verknüpft. Der Prozess des Informierens bzw. Informiertwerdens und der Tatbestand des Informiertseins
Mediengesellschaft - Informationsgesellschaft - Wissensgesellschaft
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lassen sich also nicht auf Gewissheiten im Sinne von ausschließlich kognitiven Parametern beschränken. Inzwischen wird sogar darüber spekuliert, dass mit immer mehr Information die Ungewissheit wächst (Bolz 2000) - wobei allerdings zu fragen ist: welcherart und wessen Ungewissheit das ist. Umgangssprachlich ausgedrückt, sind Informationen Mitteilungen, vorgetragene Gedanken, Gespräche, persönliche Bekanntschaften, Eindrücke,
Erfahrungen, Erlebnisse - wobei heute stets zwischen direkten, unmittelbar erfahrbaren und medial vermittelten unterschieden werden muss. All diesen Kommunikationsak:ten wohnen Informationen inne - genauer formuliert: aus
ihnen generieren Individuen Informationen bzw. sie konstruieren mit ihnen Informationen. Somit lassen sich Informationen als konstruktive, möglichst kognitiv ausgerichtete, immaterielle Erzeugnisse bzw. Phänomene ansehen, die aber erst entstehen, sich aktualisieren, wahrnehmen und verarbeiten lassen, wenn sie rezipiert, d. h. wahrgenommen, angeeignet und auch auf gewisse Weise aktualisiert werden. Und diese Rezeption ist jeweils ein subjektiver Prozess, der von individuellen Dispositionen, Motivationen, Interessen und Relevanzen gesteuert wird. Information ist also weder etwas objektiv Vorgegebenes, wie es die von Nachrichtentheorie und Naturwissenschaftlich inspirierten "Akkumulationsmodelle" (Gödert 2000) glauben machen wollen, noch ist sie allein ein subjektiver, kontingenter Prozess, wozu sich radikale
Konstruktivisten mit ihrer Ignoranz der objektiven Welt verstiegen haben (Schmidt 1994). Es sind vielmehr permanente, letztlich nie abgeschlossene und eindeutige Prozesse der Vermittlung, der Emanation und Produktion kognitiver Konstrukte. Geht man von einem solch aufgeklärt oder gemäßigt konstruktivistischen Informationsbegriff aus, lässt er sich weder umstandslos auf unilineare Re-
lationen reduzieren noch einfach quantitativ vermessen. Es wundert daher nicht, dass der Informationsbegriff in zweckrationalen Kontexten eher auf die materiellen Komponenten wie die Träger, Leitungen, Netze, Medien oder auf
schlichte Wirkungsverhältnisse reduziert wird. Dadurch wird vermeintliche Klarheit und Eindeutigkeit erzielt, freilich meist um den Preis der Ignoranz des eigentlich unhintergehbaren Subjekts. Wissen Über den Wissensbegriff wird ungleich gründlicher nachgedacht als über den Informationsbegriff. Schließlich ist er eine essentielle Kategorie vieler Wissenschaften, insbesondere von Philosophie, Lerntheorie, Psychologie, aber auch von Soziologie, neuerdings auch von den Neurowissenschaften (Knoblauch 2010). Wissen lässt sich nicht ohne menschliches Subjekt denken. Wenn
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Trends gegenwärtiger Gesellschaftsentwicklung
Computer oder Datenbanken Wissen attestiert wird, dann geschieht dies in gedankenloser, metaphorischer Übertragung. Allerdings sind wiederum die Grenzen zu Erkenntnis, Erfahrun~ Bewusstsein, aber auch zu Fähigkeit und Kompetenz fließend und definieren sich aus diversen Perspektiven unterschiedlich. Elementar betrachtet, impliziert Wissen eine zeitliche Dimension, nämlich Dauer, Kontinuität und Konstanz kognitiver Prozesse: Wissen hat, erwirbt, behält und nutzt man. Außerdem beinhaltet Wissen Wertungen meist impliziter Art: Man behält, erinnert, verwendet, was wichtig ist, was ihm Gedächtnis bleibt (Spinner '994): Beileibe nicht alles, was gehört, gesehen, erfahren, mithin als Nachricht und Information empfangen wird, wird als Wissen gewertet, sondern wird ignoriert, kurz behalten oder vergessen. Mithin wird es in bestimmte, höher- und minderwertige Wissenskategorien einsortiert. Nicht allem, was gewusst wird, liegen Informationen - zumindest nicht explizite und intendierte - zugrunde; denn Wissen kann sich auch aus Intuition, Introspektion, Erfahrung, informelles Lernen, Nachahmung, Gewohnheiten ete. ergeben. Ein zwingender, vor allem exklusiver Zusammenhang zwischen Information und Wissen existiert mithin schwerlich. eher handelt es sich um sich überschneidende Bereiche. Solche Unklarheiten oder eben nur kontingente Verbindungen fallen auf, wenn in diversen Disziplinen - von der Informatik bis hin zur Informationswissenschaft - unterschiedliche Definitionen von Wissen und Information und deren Verhältnis zueinander betrachtet werden: Mal soll Information eine spezielle Teilmenge von Wissen umfassen, mal beschreibt sie handlungsbestimmende und zweckrational geformte Äußerungen desselben, mal ist sie im Sinne der Logik eine "Eigenschaft von Eigenschaften" (Dittmar 2004, 108 f.). Jedenfalls befriedigen vermeintlich evidente und pragmatische Definitionen wie "Information ist Wissen in Aktion (Kuhlen '995, 34) nur vordergründig. Information kann ein Teil des Wissens werden, muss aber nicht, wie umgekehrt vieles Wissen nie als Information geäußert, verbreitet und weitergegeben wird. Ihre wechselseitigen Formungen lassen sich also nicht abstrakt bestimmen, sondern ergeben sich wiederum situativ und kontingent, in der Kommunikation von Menschen miteinander. Wenn sich Wissen grundsätzlich nicht ohne Subjekt denken lässt, sind Annahmen, Wissen ließe sich objektiv speichern und managen, wie sie mit der Verbreitung von Rechnern und mit den einhergehenden Konzepten des Wissensmanagements kursieren, fraglich. Der Preis solcher "Erweiterungen" (Kuhlen '99', 340) ist in jedem Falls wiederum eine Entspezifizierung und Aufweichung des Wissensbegriffs. Er verliert damit seine konstruktivistische und kommunikative Substanz und wird vermeintlich objektiviert. Natürlich ll
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kann er im übertragenen, fast metaphorischen Sinne gebraucht werden und steht dann für materielle Daten und ihre syntaktischen Vernetzungen; aber das Risiko seiner Hypostasierung ist ständig gegeben. Außerdem fällt eine zweite Diskrepanz zwischen den Disziplinen auf: Die aktuelle informationswissenschaftliche Debatte über Wissen und Wissensmanagement nimmt die wissenssoziologischen Diskussionen und Erkenntnisse nicht zur Kenntnis, wie umgekehrt die Wissenssoziologie sich noch nicht in jene einbringt und ihre Prämissen geltend macht (Maasen ZOQ9): Wissen ist daher gegenwärtig eine ebenso vage und diffuse Kategorie wie die der Information.
Solche Prämissen gelten auch für Begriffe wie Weltwissen, Karl Poppers Wissensebenen (1973), das Wissen einer Gesellschaft, einer Kultur oder das kollektive Wissen, das auch mit dem kulturellen oder kollektiven Gedächtnis einer Gesellschaft (Halbwachs 1985) gleichgesetzt wird (Spinner 1994). Auch die makrosoziologische Frage, wie Wissen in der Welt, über die verschiedenen Gesellschaften verteilt wird und welche Strukturen und Mechanismen für die eher ungleiche Verteilung verantwortlich sind (Schiller 198{) - eine Frage, die in der anhaltenden, meist euphemistischen Globalisierungsdiskussion viel zu wenig gestellt, geschweige denn hinreichend erforscht wird -, rekurriert unvermeidlich auf einen abstrakten, subjektfernen Wissensbegriff. Demnach muss man seine semantische Spannweite zwischen angestrebter analytischer Präzision und vielfältigem übertragenem Gebrauch gewärtigen; sie signalisiert in jedem Fall den kommunikativen Bedarf gegenüber diesem Begriff und lässt die Verunsicherung ahnen, die sich jeweils mit der Wirklichkeit, ihrer Vorstellung und deren jeweils zureichenden Beschreibungen ergeben. Schon die erste Medienkritik übrigens, nämlich die von Platon im berühmten Phaidros-Dialog, rang mit der Dichotomie von subjektiver Aneignung und Verfügung einerseits und der medialen Materialität andererseits, mit jenem prinzipiellen Unterschied also, der heute in jenen Gleichsetzungen oftmals ignoriert zu werden droht. Denn mit der möglichen Auslagerung und Konservierung von Wissensbeständen in objektivierbare Speicher - wie damals in der Schrift - wird nicht das Wissen selbst, sondern eben nur sein material-medialer Niederschlag, seine objektivierbaren Komponenten, fixiert: "Nicht [...] für das Gedächtnis, sondern nur für die Erinnerung erfandest du ein Mittel'~ lautet der grundsätzliche Tadel an der Schrift, der weniger als erste Kulturkritik, denn als originäre medientheoretische Präzision verstanden werden kann.
"Und von der Weisheit bringst du deinen Lehrlingen nur den Schein bei, nicht die Sache selbst" (zit. nach Weingarten 1989, 29; Hörisch ZOOl, 108) - womit ebenfalls schon auf potenzielle Folgen unbegrenzter Vervielfältigung und auf die damit einhergehenden Vorstellungen vermeintlicher Gewissheit hingewie-
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Trends gegenwärtiger Gesellschaftsentwicklung
sen wird. Die Schrift und mit ihr alle anderen inzwischen verfügbaren Zeichen- bzw. Mediensystemen sind demnach Techniken und Mittel, die Wissen in seinen materialen Substraten speichern und repräsentieren können, nicht
aber selbst Wissen enthalten (sondern eben allenfalls Informationen). Mittels menschlicher Wahrnehmung (Lesen), kognitiver (Re)Konstruktion, Verarbeitung und Deutung werden diese Substrate aktiviert und aktualisiert, wieder individuell verfügbar gemacht, freilich nie in einem simplen Abbild-Modus, sondern stets als subjektive Leistungen und Perspektivierungen, mit Eigensinn und individueller Besonderheit. Gleichwohl verkörpern diese materiellen Reservoirs dadurch Tradition, kulturelle Kontinuität, kollektives Gedächtnis, überlieferbare und überlieferte Geschichte, ermöglichen Wissenschaft, Bibliotheken und heute Datenbanken. Trotz all dieser Unklarheiten und Widersprüche sind an die ,Wissensgesellschaft' vielfältige, meist hoch gezogene oder sogar euphorische Erwartungen herangetragen worden. Ein "dritter gewaltiger Paradigmenwechsel in der Geschichte der Menschheit" sei damit unumkehrbar eingeleitet (Miegel 2.001; zit. nach Bittlingmayer, 2001, 15). "Die Zeit der rauchenden Schlote, der Massenproduktion und monotonen Handarbeit ist vorbei, die Zukunft gehört der Wissensverarbeitung, den intelligenten und sauberen Jobs. Demnach befinden wir uns inmitten eines Strukturwandels, an dessen Ende die Wissensgesellschaft das Industriezeitalter abgelöst haben wird, so wie jenes einst die Agrargesellschaft verdrängte'~ prophezeit etwa Jeanette Hoffmann (2001, 3), damals Leiterin des Verbundprojektes "Internet und Politik" am Wissenschaftszentrum für Sozialforschung in Berlin. Nach nur einigen wenigen Jahren weiterer Entwicklung dürfte die Prognose nicht mehr so optimistisch ausfallen; in jedem Fall müsste sie für Regionen und Länder der Welt, die sich in verschiedenen Stadien und Graden der Entwicklung befinden, erheblich differenziert werden; eher überwiegen die Ungleichzeitigkeit und damit auch die vielfältigen Diskrepanzen der Entwicklung denn die implizierte Gleichförmigkeit und homogene Universalität. Zwei Erwartungen, die mit der Entwicklung zur Wissensgesellschaft meist selbstverständlich unterstellt werden, überprüft der Bielefelder Soziologe Uwe Bittlingmayer: nämlich die eine, dass sich "Wissensgesellschaften [...] durch eine bereits durchgesetzte Leistungsgerechtigkeit - insbesondere im Bildungssystem - sowie durch gesamtgesellschaftlich gestiegene Handlungsoptionen auszeichnen". Und die andere Erwartung ist, dass diese [erweiterten Handlungsoptionen] mittelfristig zu einer Nivellierung sozialer Ungleichheit führen, weil Wissen durch alle Schichten diffundiere und die sozialen Akteure
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über Konzepte wie ,lebenslanges', ,lebensbegleitendes' oder ,selbstgesteuertes Lernen' Methoden zur individuellen Nutzung des gesellschaftlichen Optionszuwachses an die Hand bekommen" - alles Prognosen und Zuschreibungen, die in den einschlägigen Diskursen zuhauf und freihändig verteilt werden (Bittlingmayer 2001, 15). Nach Durchsicht wichtiger Trends und Parametern kommt Bittlingmayer jedoch zu dem Ergebnis: Weder hat beispielsweise die Bildungsexpansion zu einer durchgreifenden Chancen- oder Leistungsgerechtigkeit beigetragen, noch sind durch die Produktionssteigerungen der letzten Jahrzehnte Phänomene sozialer Ungerechtigkeit verschwunden. Die Gesellschaften, die auf Konkurrenz- und Marktmechanismen als zentrale Vergesellschaftungsinstanzen aufbauen, produzieren systematisch sozial ungleiche Lebenslagen und Lebenschancen. Zwar werden diese seitens der Politik zum Teil durch Maßnahmen der Umverteilung abgefedert, aber an dem grundsätzlichen Mechanismus der Ungleichheitsproduktion hat sich seit zweihundert Jahren nur wenig geändert (Bittlingmayer 2001, 22) - und dieses Urteil gilt nicht nur national, sondern auch für die OECD-Länder, aber erst recht im globalen Maßstab, also im Verhältnis der Länder der nördlichen Hemisphäre zu denen der südlichen. Drastisch und unerwartet bestätigt haben diese Disparitäten für den Bildungsbereich die PISA-Studien seit 2001, bei denen das deutsche Bildungssystem verheerend schlechte Leistungen zeitigt und sich wie schon früher, nun aber im international vergleichenden empirischen Maßstab, gänzlich unterschiedlichen Bildungscilancen attestieren lassen muss. Daher greift Bittlingmayer die Polarsierung Theodor W. Adornos (1979) vom 16. deutschen Soziologentag 1978, nämlich "Spätkapitalismus oder Industriegesellschaft?'~ erneut auf und wendet sie auf die jüngsten Gegebenheiten an: "Nach dem Stand der technologischen Entwicklung [können] Gesellschaften heute als Wissensgesellschaften bezeichnet werden [...], nach dem Stand der ökonomischen und politischen Struktur noch immer als kapitalistische" (Bittlingrnayer 2001, 22). Netzwerkgesellschaft Das derzeit theoretisch wie sachlich-empirisch am weitesten reichende Konzept für die gegenwärtige Gesellschaftsformation - zumal im globalen Maß-
stab - ist das des amerikanischen Stadtsoziologen Manuel Castells, da es zugleich erforderliche Differenzierungen als auch globale Strukturen herausarbeitet. Es erschien Ende der 1990er Jahre in drei Bänden,: nämlich der erste mit dem Titel The Rise of the Network Sodety (1996; dt. 2001), in dem die Grundzüge der so genannten informationellen Gesellschaft, die Revolution der In-
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Trends gegenwärtiger Gesellschaftsentwicklung
formationstechnologie, die globale informationelle Wirtschaft, Strukturen von Netzwerkunternehmen, die Transformation von Arbeit und Beschäftigungs-
verhältnissen, die Entstehung einer "Kultur der realen Virtualitäe' und end-
lich ihre Kulmination im Befund der Netzwerkgesellschaft dargestellt werden; der zweite, The Power of Identity (1997; dt. 2002), der dem subjektiven Pendant, nämlich dem Selbst und den neuen sozialen Bewegungen, gewidmet ist, die im Widerstreit mit der instrumentellen und universalistischen Ordnung der Netzwerke stehen; und endlich der dritte mit dem Titel The End of Millenium (1998; dt. 2003), der verschiedene Analysen versammelt zum Zusammenbruch des Sozialismus und der so genannten zweiten Welt, zum "Niedergang der vierten Welt'~ also zum Schicksal der peripheren Länder der ehemaligen Dritten Welt ebenso wie zu den peripheren Gebieten in den Metropolen, zur globalen. organisierten Kriminalität, zum Aufstieg der so genannten Tigerstaaten im asiatisch-pazifischen Raum und endlich zur Einigung Europas. Abschließend führt Castells die breit spannenden Stränge seiner Studien zu einer Zeitdiagnose am Beginn des 21. Jahrhunderts zusammen, um aufzuzeigen und zu belegen, warum und wie das Zeitalter des "InformationalismusJ' begonnen hat bzw. die Netzwerkgesellschaft sich global zu etablieren beginnt (Steinbicker 2001, 80 ff.; siehe auch Castells 2005). Seit Ende der 1960er Jahre sieht Castells die Industriegesellschaften in einem fundamentalen Wandel zu informationellen Gesellschaften und dadurch ein neues Zeitalter heraufziehen. Dieses charakterisiert er in dezidierter Abgrenzung zur Theorie des Postindustrialismus von Alain Touraine und Daniel Bell als postindustrielles Informationszeitalter (Hepp 2004, '79 f.), da sich "die Quellen der Produktivität und der Macht auf direkte Weise aus der Erzeugung von Wissen und aus der Kontrolle und Verarbeitung von Information"
(Castells '9% 122) speisen. Im Mittelpunkt des Informationszeitalters stehen unterschiedliche Netzwerke; dafür verantwortlich sind im wesentlichen drei voneinander unabhängige Entwicklungsschübe:
1. die Revolution der Informationstechnologien. beginnend mit der Entwicklung und Verbreitung der elektronischen Datenverarbeitung, später des Computers und des Internets. Sie erzeugen nicht Wissen per se, wie es vielfach fälschlich heißt, sondern ermöglichen die rationelle Verarbeitung von Information, ihre effiziente Verbreitung, Speicherung und Wiederverwen-
dung, mithin generieren sie immer leistungsfähigere, billigere und produktivere Kreisläufe von Fortschritt, Wissensakkumulation, Management und Technologie, so dass Wissen permanent auf Wissen einwirken kann
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(,..the action of knowledge upon knowledge" Castells 1996, 13 ff.). Damit erhöhen sich enorm die Dynamik der Entwicldung, aber auch das Zirkulationstempo von Finanz- und Warenströme rund um den Globus sowie die Zyklen der Konjunkturen. Die Wertschöpfung beruht nicht mehr nur auf materieller Produktion, sondern audl- und zunehmend - auf Innovation.. intellektueller Marktbeherrsdlung, Management und dienstleistenden Zusatzprodukte: "Information processing is focused on improving the tedlnology of information processing as a source of productivity" (Ebd., S. 17). Folgende Informationsströme haben sich zwischen 1982 und 1990 als absolut größte herausgestellt:
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Express. bNtbeitetvon M~.wId 'MIeeIet (1994)
Quelle: Caste118 2001, 436
Im Gegensatz zum etwas simplen Sequ.enzkonzept der post-indusbiel1en Gesellschaft betrachtet Castells den gesellschaftlichen Wandel differenzierter: nämlich nicht als linearen Übergang zu einer anderen Art wirtschaftlicher Produktion, sondern als Durchdringung sämtlicher Tätigkeiten und
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Trends gegenwärtiger Gesellschaftsentwicklung
Reproduktionsformen mit neuen Technologien, zumal informationsverarbeitender Modalität, und dadurch entstehen überall, gewissermaßen schleichend, strukturelle Transformationen traditioneller Konstellationen. So implementiert etwa auch die Landwirtschaft solche Komponenten, zunächst mechanisch-automatisierende Maßnahmen, dann chemische und inzwischen auch digitale Hilfsmittel; sie wandelt sich dadurch grundlegend und wird so gegenüber archaischeren Formen der Lebensmittelerzeugung hochproduktiv, aber auch gegenüber älteren Stadien bedrohlich überlegen, wie etwa die bereits enorm verzerrte ,Arbeitsteilung" zwischen der nördliche und südlichen Agrarproduktion auf der Erde belegt. 2. Diese Veränderungen - primär durch die Informationstechnologien - erwirken gerade nach den Rohstoff- und Energie-Krisen in den '970er Jahren eine umfassende Restrukturierung des Kapitalismus in den '98oer Jahren, gewissermaßen eine neue Modifikation als so genannter "globaler informationeller Kapitalismus" (und sie tun es seither mit ständig hektischeren Ausschlägen und Hypes immer wieder, bis in die erste Dekade des 21. Jahrhunderts hinein): InformationeIl ist er insofern, als es Unternehmen, Regionen und Staaten gelingt, mit wissensbasierten Innovationen und Produkten ihre Produktivität und Wettbewerbsfähigkeit zu steigern und damit auf den globalen Märkten zu reüssieren. Und global ist er darüber hinaus, da sämtliche Komponenten von Produktion und Distribution - also Kapital, Arbeit und Rohstoffe ebenso wie Management, Information, Technologie und Märkte - global organisiert sind bzw. werden müssen. Beide Aspekte hängen untrennbar miteinander zusammen und schaffen so eine neues globales Wirtschaftssyslern. Seine Konturen lassen sich erkennen: etwa an der massiven Steigerung des Außenhandels seit den 1980er Jahren, an der immer engeren Verflechtung von Unternehmen und Branchen über den Globus hinweg und an der steigenden Entkoppelung von Kapitalströmen und nationalen Ökonomien, von internationalen Finanzmärkten und realen Produktionswirtschaften mit diversen Entwicklungsgraden - für deren Interaktionen weltweite digitale Informations- und Kommunikationsnetze unabdingbar sind. Beispielhaft dafür sind etwa die Exporte von Informationen aus den Vereinigten Staaten in wichtige Weltregionen und -zentren, schon im Jahre '994:
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Quelle: Castells :wal" 4'7
3. Den dritten grundlegenden Wandel sieht CasteUs in - eher vage - formulierten soziologischen und kulturellen Veränderungen: etwa im Aulkommen neuer, sozialer Bewegungen" die sich auf spezielle, aber global ausgreifende Probleme - etwa den Klimawandel- konzentrieren und sich nidlt mehr in das vorgegebene institutionelle Gefüge von Politik und Administration einpassen, mithin neue Formen von govern.ance verlangen; Daneben eröffnen sidl. aber auch neue Spaltungen der Gesellschaften" etwa zwischen profitierenden" aktiven Eliten und abgehängten, ausgegrenzten, peripheren Populationen (preka:riaten). Außerdem. ergeben sich in einer umfassenden, immer lauter und greller werdenden Welt imaginäre, symbolische Repräsentationen via Medien, die Caste1ls als "Kultur realer Virtualität" bezeichnet. Neben ihr verschwinden zusehends die autochthonen" regionalen und lokalen Kulturen bzw. ziehen sich in nidlt im Rampenlicht der Medien stehenden Nischen zurück: "All messages of a11 kinds become enclosed in the mediturt. because the medium has become so comprehensive, so diversifi.ed" so malleable, that it absorbs in the same multimeda text the whole of human experience, past, present, and the future" (Castells 1996, .373)· Doch diese neuen Systeme digitaler Repräsentation integrieren die Publika nur an der Oberfläche,. tatsächlich differenzieren sie sie kulturell und sozial aus, etwa nach dem Grad der (lnter)Akt:ivität bei Gebrauch und Nutzung von Medien, aber sicherlich wohl aw:n nach der Finanzkraft und dem "kulturellen Kapital" (Bourdieu 1982.) der Rezipienten.
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Trends gegenwärtiger Gesellschaftsentwicklung
Neue Informationstechnologien, wissensbasierte, vernetzte Mechanismen des weltweiten Wirtschaftens, deregulierte, weitgehend sich selbst steuernde Märkte, davon abgekoppelte globale Finanznetzwerke, flexible, schnell agierende, innovative Netzwerkunternehmen, vernetzte Governance politischer Administrationen und informeller Organisationen, aber auch nur lose verbundene Gruppen und Initiativen, hochgradige Individualisierung, poröse Wertsysteme und volatile Gruppenbildung in der Gesellschaft, der indes unweigerlich wachsende Spaltungen zwischen Profiteuren und Verlierern des sozialen Wandels nicht existenziell bedrohlich werden, IIthe informational city" als Prototyp moderner, funktionaler Lebensweise mit einem steigenden Angebot virtueller, symbolischer Optionen wie überhaupt expandierende mediale Repräsentationssysteme, die weltweit Szenerien, Themen, Trends und Figuren zirkulieren lassen - das sind nach Castells markante Kennzeichen der heraufziehende "Netzwerkgesellschaft" im "Informationszeitalter Sie wird nicht mehr zentral von Individuen und Kollektiven, seien sie Unternehmen, Gruppierungen, Klassen, Institutionen ete., getragen von ihren Interessen, Bedürfnissen, Entscheidungen und Konflikten, gesteuert, sondern von "networks, made up of a variety of subjeets and of organizations, relentlessly modified as networks adapt to supportive networks and market struetures" (Castells 1996, 198). Allerdings bezieht Castells weder das Mediensystem noch die soziale Spaltung systematisch in seine ökonomische Konzeption ein, sondern belässt es eher bei kulturkritischen Einschätzungen, so dass sein Entwurf der Netzwerkgesellschaft insgesamt eher homogen ausfällt und die wachsenden strukturellen Widersprüche in, besonders aber zwischen den Gesellschaften nicht als unabdingbare Merkmale erkennt. Diese recht nivellierende Metaphorik von Informationstechnologie und Netz als anonyme Triebfedern des gesellschaftlichen Wandels ist wohl die entscheidende theoretische Schwäche des umfangreichen und materialreichen Werkes Castells, das eigentlich nur einen formalen Bezugsrahmen für die vielen, lose verbundenen Dimensionen und Aspekte deskriptiv aufzeigt. Es ist auch schon als "Weltsozialkunde" (zit nach Steinbicker 2001, 102) charakterisiert worden und lässt sich grafisch so darstellen: lJ •
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60 2.4
Trends gegenwärtiger Gesellschaftsentwicklung Zivilgesellschaft und Global Governance
All diese Transformationen rufen wiederholt Diskussionen und Konzepte darüber hervor, wie sich (post)moderne Gesellschaften organisieren und steuern. Haben sich mit der Moderne, also nach dem Feudalismus, mit der Etablierung moderner Wirlschaftsform und parlamentarischer Demokratie, das Gegen-
über von Staat (als legitimierte Regelungsmacht) und Gesellschaft (als sich möglichst frei entwickelnde, dynamische Gruppen- und Beziehungsgeflechte, wozu auch der Markt gehört) sowie das Gegenüber von Öffentlichkeit und Privatheit (Habermas 2001) herausgebildet, so scheint sich angesichts der steigenden Komplexität, des erhöhten Regelungsbedarfs und der fortschreitender Ausdifferenzierung weiterer Segmente dazwischen eine neue Sphäre, eine Art
dritter Sektor, zu schieben, der strukturierter ist als die Gesellschaft als ganze und auch mehr Regelungsverantwortung für bestimmte Aufgaben übernimmt, zugleich aber informeller, konkreter und kollektiv verantwortlicher agiert als der traditionelle Staat. Es sind herkömmlicherweise Vereine, Verbände, Vereinigungen, inzwischen aber auch viele Initiativen und Bewegungen, die oftmals - wie z. B. green peace, attac u. a. - inter- oder transnational ausge-
richtet sind und dort als NGOs (non governmental organizations) bezeichnet werden. Diese Entwicklung bezeichnet man inzwischen in Anlehnung an die klassische antike Demokratie als Zivilgesellschaft (griech.: politik" koinonia; lat.: societas civilis): "Gemeinhin meint Zivilgesellschaft eine Vielfalt gesellschaftlicher Gruppen, Initiativen und Bewegungen.. die weitgehend unabhängig von staatlichen, parteipolitischen oder privat-wirtschaftlichen Institutionen wirken. Die Zugehörigkeit zu diesen gesellschaftlichen Gruppen ist freiwillig, die Organisationsstruktur demokratisch. Achtung der allgemeinen Menschenrechtel Toleranz gegenüber anderen Meinungen und Wertvorstellungen.. Anerkennen der Grundsätze des bürgerlichdemokratischen Gesellschaftsmodells und des demokratischen Rechtsstaats gehören ebenfalls zu den zivilgesellschaftlichen Prinzipien. Auch ein konsequentes Agieren nach dem Legalitätsprinzip und eine aus der Akzeptanz des staatlichen Gewaltmonopols resultierende unbedingte Gewaltlosigkeit in den eigenen Handlungsansätzen bilden den gemeinsamen Nenner, der die Zivilgesellschaft einerseits von rechtsextremen Strukturen abgrenzt, sie andererseits aber auch von revolutionär-antifaschistischen Politikkonzepten unterscheidet (Kolb 2000) ll
Solche Organisationen und Vereinigungen, die das zivilgesellschaftliche Engagement von Bürgern - in den USA auch Kommunitarismus (z. B. Etzioni 1998)
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genannt - koordinieren, ziel- und aufgabenspezifisch orientieren und damit politikfähig machen, agieren in demokratische Staaten unter einem rechtlichen Rahmen (z. B. Versammlungs-, Vereinigungs- und Meinungsfreiheit), der in der Verfassung garantiert wird und sogar - nach der Intention vieler politischer Kräfte - erweitert werden muss. Deshalb werden solche Erweiterungen als weitere Dimension, ja als Qualität von Entwicklung von Gesellschaften erachtet, und sie wird mit den Werten wie Zivilisierung und Demokratisierung spezifiziert. Gemessen wird sie auch am Grad der Partizipation aller Bürger an gesellschaftlichen Entscheidungen (wie etwa an der Zahl und Qualität von Volksentscheiden). Für die Medien - hier spezifiziert für die deutschen - existieren ähnliche Strukturen und Organisationen, die als vom Staat geschützte Einrichtungen und Aufgaben der Selbstkontrolle und -verpflichtung firmieren. Sie werden immer wichtiger: einerseits infolge der (wachsenden) inter- bzw. transnationalen Verflechtungen und Reichweiten der Medien, wie es insbesondere das Internet kennzeichnet. (Als frühe Beispiele können schon gelten: etwa der Kartellvertrag der drei großen europäischen Nachrichtenagenturen, nämlich Havas (Frankreich), Wolffs Telegrafisches Bureau (WTB) (Deutschland) und Reuters Telegram Company (Großbritannien), zu der später die amerikanischen Assoeiated Press hinzugezogen wurde, im Jahr 187" über die Aufteilung der Welt in drei bzw. vier Einflusszonen, für die jeweils eine Agentur das exklusive Recht der Nachrichtensammlung und -verbreitung zugestanden bekam (Wilke 1991; 2002., 335). Oder die Kopenhagener Wellenkonferenz von 1948, auf der die Senderfrequenzen für den Hörfunk nach dem 2. Weltkrieg neu verteilt wurden (Dussel 2004); andererseits wegen der verfassungsrechtlich garantierten Meinungs- und Medienfreiheit, die dem staatlichen Handeln enge Grenzen setzt und deshalb die Eigeninitiative der Medien fördert, um etwa im Jugendschutz, aber auch bei sonstigen normativen Entscheidungsräume die Grenzen der Medienfreiheit selbst zu fixieren und zu überwachen: so etwa durch den Presserat, den Werberat, die freiwilligen Selbstkontrollen bei Film, Fernsehen, Online-Spielen und Internet-Providern. In den USA sind dadurch strenge Regelungen für das Internet verhindert worden ("information freedom act"); in vielen Free-ware- und Open-Source-Plattformen sorgen die einschlägigen communities für die Einhaltung der Standards und sanktionieren Tabuverletzungen (Regeln des Netikette) (Donges/Puppis 2010).
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Trends gegenwärtiger Gesellschaftsentwicklung
ln einem weiteren Sinn werden all diese Vorkehrungen und Aktivitäten zum politischen Handeln, d. h. zur Steuerung und Regelung, oder auch zum Management gesellschaftlicher Prozesse gezählt, selbst wenn sie auch nicht mehr ausschließlich vom Staat und der Regierung (Govemment) ausgeführt werden. Deshalb ist in den Sozialwissenschaften dafür inzwischen der breite, aber auch unscharfe Terminus der Governance eingeführt worden, mit dem sämtliche dieser neuen kollektiven und/oder formellen Lenkungsformen umrissen werden. Governance umfasst "das Gesamt aller nebeneinander bestehenden Formen der kollektiven Regelung gesellschaftlicher Sachverhalte: von der institutionalisierten zivilgesellschaftlichen Selbstregelung über verschiedene Formen des Zusammenwirkens staatlicher und privater Akteure bis hin zu hoheitlichem Handeln staatlicher Akteure" (Mayntz 2004, 66 zit. in Brosda :wo8, 16{)
Geschuldet ist die inzwischen vielfache, auch unklare Verwendung des Begriffs folgenden Entwicklungen: 1. Veränderungen bzw. Erweiterungen der Regelungsbedarfe und -strukturen über die staatlichen Kompetenzen hinaus und unter Einbeziehung nichtstaatlicher, zivilgesellschaftlicher Organisationen und Akteure in diversen gesellschaftlichen HandlungsfeIdern; diese Entwicklungen werden auch mit dem Schlagwort ,government by society' oder eben zivilgesellschaftliches Handeln umschrieben; 2. Entwicklung und Etablierung von Entscheidungs- und Regelungsstrukturen in trans- und internationalen Dimensionen, die nicht mehr von den Nationalstaaten, auch nicht von ihren diversen Zusammenschlüssen und
Kooperationen wie EU, G-8, G-20, WTO, NAFTA (Nordamerika), UNASUR (Südamerika), aber auch nicht von den UN allein bestritten werden können; wird auch als "govemment without government" gekennzeichnet;
3. Zunahme und wachsende Bedeutung von strukturellen Verflechtungen politischer und gesellschaftlicher Entscheidungen auf verschiedenen Ebenen, auch zwischen staatlichen und nichtstaatlichen Akteuren, auch als "multilevel government" bezeichnet, in Europa etwa: regionale-nationale-
supranationale Ebenen sowie Wirtschaftskonzerne. Für inter- und supranationale Dimensionen wird entsprechend von Global Governance gesprochen, die mit der Globalisierung, also mit den multiplen Verflechtungen unzähliger Bereiche und Aktivitäten, immer wichtiger, komplexer, aber auch regelungsbedürftiger werden. Und da es für die inter- und
Zivilgesellschaft und Global Governance
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supranationalen Dimensionen keine Weltregierung (global government) gibt, sieht man von den geringen Koordinationskompetenzen der UN und ihrer Suborganisationen ab, müssen Regelungen und Entscheidungen in vielfältigen Strukturen und mit den jeweils involvierten Akteuren getroffen werden. Daher geht ,global governance' über den angestammten Begriff der internationalen Politik weit hinaus und umfasst als dynamisches, ständig wandelndes Aufgabenfeld vor allem Folgendes: 1. die Suche nach Lösungen für supranationale bzw. globale, anhaltende, strukturelle und grenzüberschreitende Probleme wie z. B. Klimawandel, Wachstum der Weltbevölkerung, Energieressourcen etc.; 2. die Entwicklung neuer politischer Strukturen zur Lösung dieser Probleme, wobei neben formellen auch informelle Regelungen ebenso wie das Verhältnis von staatlichen und nichtstaatlichen Akteuren von Bedeutung sind; 3. die Platzierung und Zuordnung von Aufgaben auf verschiedenen Ebenen und die Verteilung von Verantwortlichkeiten bzw. Kompetenzen auf diverse Institutionen und Akteure; 4. die Konzeption und Entwicklung dafür geeigneter, interdisziplinärer, traditioneller Ressorts und übergreifender Strukturen. Es ist offensichtlich, dass auch die Medien sowohl bei der nationalen als auch bei der global governance relevante Parts spielen, und zwar gleich auf mehrfache Weise: einmal müssen ihre eigenen, also die medienspezifischen Strukturen, Rechte und Grenzen - zumal angeSichts ihrer transnationalen Konzentration und Ausrichtung - transnational geregelt werden, wie schon umrissen wurde; für das Internet, etwa für die Vergabe von Domains, ist dafür ICANN (Internet Corporation für Assigned Names and Numbers) eine signifikante Organisationsform für informelle, von den User getragene Regelungen (DongeslPuppis 2010, 85 f.); zum anderen thematisieren und verbreiten die Medien globale und transnationale Themen und Aufgabenfelder, die bearbeitet und geregelt werden müssen, drittens identifizieren sie diverse Regelungsdefizite in allen gesellschaftlichen Bereichen und motivieren Akteure und Organisationen zum zivilgesellschaftlichen, globalen Engagement und schließlich ermöglichen sie allen Beteiligten die Kommunikation und Diskussion über besagte Aufgaben und Problemfelder.
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Trends gegenwärtiger Gesellschaftsentwicklung
50 kommen den Medien gleich mehrfache Funktionen zu, weshalb auch inzwischen von Media Coveranee (Brosda 2008, 5. 364 ff.) gesprochen wird: Denn Medien sind Reglungsfelder, konkrete, aber auch symbolisch handelnde Akteure, Multiplikatoren, aber auch Anstifter und Beobachter aller anderen gesellschaftlichen, kollektiven und/oder konkreten Regelungsbedarfe und Regelungen.
3
Analytische Zugänge des Medien(systems)vergleichs
All diese inter- und transnationalen Entwicklungen und Globalisierungsprozesse haben den Bedarf nach einer entsprechend inter- und transnational ausgerichteten Medienforschung wachsen lassen, die sich inzwischen in einigen respektablen Rand- und Lehrbüchern (Repp u. a. 2005; Thomaß 2007; Melischek u. a. 2008) niederschlägt; mindestens soll sie die national ausgerichtete Medienforschung ergänzen. Denn mit der Ausbreitung und Intensivierung besagter Dynamiken, die unweigerlich vor sich gehen, dürfte sie mehr und mehr die jeweils nationale Sichtweise überlagern. Dadurch werden die Untersuchungsgegenstände gewiss nicht einfacher und überschaubarer, eher ist das Gegenteil der Fall. Grundlegende Perspektive ist die des Vergleichs, der Komparatistik; allerdings muss präzise festgelegt, was auf welchem Niveau wie mit welche Kategorien und welcher Reichweite verglichen werden soll. Zwar muss man sich zunächst vergegenwärtigen, dass jede sozialwissenschaftliche Erkenntnis letztlich vergleichend vorgeht - etwa im Vergleich von Vorher und Nachher, von der Experimental- und der Kontroligruppe, im Verhältnis von Stichprobe und Grundgesamtheit etc. (Schulz 2008, 19) -, doch ergeben sich Unterschiede und Schwerpunkte, ob vergleichende Erkenntnisinteressen explizit und vorrangig sind oder gewissermaßen nur unvermeidlich und implizit anfallen. Vergleichende Ansetzungen sind in ihrer Qualität, Reichweite, Intensität, Ergebnisorientierung natürlich von vielerlei Prämissen, Ansätzen und Aspekten abhängig, von denen folgende aufgeführt werden sollen: 3.1
Prämissen und Ansätze des Vergleichs: die Welt als ganze
Primär prägt den Vergleich, wie Gesellschaft oder Welt als ganze gesehen werden, m. a. W.: welches soziopolitische Modell und welche maßgebliche Konstituenten den Vergleichsperspektiven zugrunde liegen. So zeugt es von unterschiedlichen ,Weltsichtweisen', wenn man ihre Strukturen vorrangig als (einigermaßen nivellierte) Netzwerke sieht oder als hierarchische Dependenz-
Hans-Dieter Kübler, Interkulturelle Medienkommunikation, DOI 10.1007/978-3-531-92904-0_3, © VS Verlag für Sozialwissenschaften | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011
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Analytische Zugänge des Medien(systems)vergleichs
verhältnisse mit Welt- und Super-, Mittelmächten und abhängigen Staaten bzw. Regionen, wie sie etwa in überkommenen Theorien von Imperialismus, Kolonialismus und anderen Hierarchiemodellen konzipiert sind (Krotz 2005). Auch
die Einteilung während des Kalten Krieges in Erste und Dritte Welt, wobei dann die (meist ungenannte) Zweite die des beargwöhnten Sozialistischen und/oder Sowjetischen Blocks war, ist einem bestimmten Weltbild geschuldet. Heute signalisiert die G 8 (für die mächtigsten westlichen Industriestaaten) ähnliche Abstufungen in der Welt. Ihr exklusiver Kreis ist mit Russland auf G 9 und mit den so genannten "Schwellenländern" (wobei sich fragt, welches Land wie lang auf der "Schwelle" steht oder ob womöglich die Industriestaaten angesichts sinkender Wachstumsraten bei ihnen und steigenden bei anderen auf die [welche?] "Schwelle" zurückfallen) auf G 20 erweitert worden. Verantwortlich dafür sind gemeinhin wirtschaftliche Potentiale, mitunter auch noch militärische (wobei diese sich auch ergänzen). Würden etwa andere wie kulturelle oder soziale Errungenschaften zählen, dürften sich die Wertigkeiten durchaus verschieben. So rangiert etwa bei den PISA-Studien keines der mächtigsten Länder an der Spitze, und auch bei anderen weichen' Indikatoren erreichen die USA und Russland keine vorderen Plätze, vielmehr sind es eher die kleinen und in der Weltöffentlichkeiten peripheren wie z. B. FinnlancL die bei den Bildungs- und Kulturleistungen reüssieren. Kulturimperialismus
Die Medien sind in solche Hierarchisierungen und Dominanzen entsprechend eingespannt. Sie fungieren als Exponenten, Transporteure, Legitimationen des so genannten, oftmals kritisierten "Kulturimperialismus", wobei insbesondere der US-amerikanischen Kulturindustrie solche Hegemonie-Intentionen vorgeworfen werden. Als Protagonisten gelten die amerikanischen Medienkonzerne, die so genannten Majors der Film- und Medienindustrie. Für die modeme Informations- und Kommunikationstechnologien werden sie ergänzt
(oder auch verdrängt) durch informationstechnologische Weltkonzerne wie Microsoft, Apple, Google, Amazon, e-bay, Facebook, früher auch IBM (Schiller 1<J84), die auch schon als "digitale Supermächte" (Evsan 2009, 103 ff.) apostrophiert werden: "Das erste und offensichtlichste Argument für den Ansatz des Kulturimperialis-
mus ist der Reichtum an Indizien dafür, dass westliche (oder sogar amerikanisch.e) Kulturgeschmäc:ke und -praktiken weltweit angenommen werden. Egal welchen Indikator man heranzieht, von Kleidung bis zu Lebensmitteln, von Musik bis zu
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Film und Fernsehen oder Architektur (die Liste wird nur davon beschränkt, was man noch als ,kulturell' ansehen möchte), man kann die schiere, massive Präsenz von westlichen Kulturgüte~ -praktiken und -stilen (mit ,westlichen' sind hier vor allem nordamerikanische und westeuropäische gemeint) in jedem besiedelten Gebiet der Welt nicht einfach ignorieren. [...] Wenn wir uns die ,Weltkultur' ansehen,. wie sie sich in ihrer unmittelbarsten Form präsentiert - in Form der Distribution kultureller Produkte und Texte -, dann erscheint uns die Betrachtung der kulturellen Globalisierung als ein Kulturimperialismus am überzeugendstenH , so der britische Medien- und Kulturforscher John Torolinson [('997), hier: 2002, S. '42 ff.)]
Dependenz und/oder Zentrum-Peripherie Etwas pragmatischer oder weniger strukturpolitisch ausgerichtet silld Ansätze, die von einer (wie immer gearteten) Weltgesellschaft, einer dazu gehörigen Weltwirtschaft und einem Weltinformations- und -kommunikationssystem ausgehen. Für die Regionen und Länder werden Grade der (Unter)Entwicklung registriert, die aus vielfältigen Faktoren herrühren: aus endogenen wie etwa den Rohstoffvorräten, das Klima. der geografischen Lage, der Bevölkerungsverteilung, der Infrastruktur ete., aber auch aus exogenen wie der Integration in die Weltwirtschaft, den Welthandel und ihre dafür erforderlichen komplementären Optionen, zumal im Verhältnis zu den Industrienationen. Dafür lässt sich die Welt auch in Zentren und Peripherien einteilen (die sich auch in den einzelnen Kontinenten und Regionen wiederfinden). Berechnet werden sie nach Graden der Vernetzung bzw. Integration in die Infrastruktur des Welthandels bzw. der Desintegration oder auch der freiwilligen Dissoziation (Krotz 2005, 29). Insbesondere die Theorie der Netzwerkgesellschaft (Castells 2001; 2002; 2003) sieht bekanntlich neue Netzwerke zwischen den Mega-Cities gerade auch in unterentwickelten Staaten und Schwellenländern entstehen, die sich mit den High-Tech-Zentren der hoch entwickelten Regionen verkoppeln und so transnationale Interaktionen und Infrastrukturen jenseits der bestehenden nationalen Grenzen herausbilden:
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Systemtheorie: Weltgese11sdt.aft und WeltkommunikatiOlUlsystem Eigentlidl nur als "We1tgese11schaft" kann sich die funktional-strukturelle Systemtheorie von Niklas Luhmann (l927-1998) Gesellschaft vorstellen. da es sich bei Gesellschaft um das umfassendste Sozialsystem handelt und sie alle Kommunikationen einschließt Außerhalb der Gesellschaft gibt es keine Kommunikation. Entsprechend hat Gesellschaft keine Territorialgrenzen" sondern es gibt nur Grenzen der Kommunikation. In ihnen definieren sidl. funktionale Systeme nadl. ihren speziellen Kommunikationsmodalitäten und den sich daraus ergebenden Grenzen zur Umwelt "Eine Gesellschaft kann als funktional differenziert bezeichnet werden. wenn sie ihre wichtigsten Teilsysteme im Hinblick auf spezifisdle Probleme bildet die dann in den jeweils zuständigen Funktionssystemen gelöst werden müssen" (Luhmann ~8z. 34)
Die Gesellschaft ist dasjenige soziale System, das die grundlegenden Komplexitätsreduktionen der realen Welt vornimmt und. institutionalisiert Dadurch setzt sie Prämissen für das Operieren aller anderen sozialen Systeme. Soziale Systeme definieren sich in ihrer Differenz zur Umwelt; sie sind autopoietisch. seIbstreferenliell und. konstituieren Sinn. Kommunikationen und. Gedanken realisieren sich im Medium des Sinns, dessen Form die Unterscheidung zwischen reaVmäglich oder aktuell/potentiell ermöglicht. Auf dieser abstrakten Ebene sind soziale Systeme außer Gesellschaft jene der Interaktion und der
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Organisation, auf weniger abstrakter Ebene lassen sich konkretere Teilsysteme wie Wirtschaft, Kultur, Familie und Medien ausweisen. Elemente der Gesellschaft und der Teilsysteme sind jeweils Kommunikationen und ihre je spezifischen funktionalen Leistungen. Menschen (psychische Systeme und Körper) gehören nicht zur Gesellschaft, sie sind die Umwelt des sozialen Systems. Allerdings bezieht sich Gesellschaft auf Menschen wie auf Systeme in der Umwelt (Baraldi u. a. 1997, S. 63) Diese sehr abstrakte Theorie muss hier nicht weiter ausgebreitet werden Da sie indes Anspruch auf Universalität erhebt, und zwar "Anspruch auf ausschließliche Richtigkeit, auf Alleingeltung und in diesem Sinne auf Notwendigkeit" (Luhmann 1987, 34; Leschke 2003, 215), so auch weltweit rezipiert bzw. auf diverse Felder der Sozialwissenschaften angewendet wird und insbesondere in der deutschen Kommunikationswissenschaft zu einem mächtigen, mitunter auch schon fast dogmatischen Paradigma avanciert ist (Willke 1996, 1; Kohring 2004, 187), ist sie hier knapp und fragmentarisch erwähnt worden (sie auch Weber 2003, 202 ff.). Kritisch wird gegen sie eingewendet, dass sie unhistorisch, fern jeder Wirklichkeitsreferenz und damit keiner empirischen Analyse zugänglich sei. Zudem habe es sich als problematisch herausgestellt, Systeme, auch Mediensysteme, als autonom zu charakterisieren (Thomaß 2007,14). Der Systembegriff wird aber in den Kommunikations- und Medienwissenschaften vielfach verwendet, jedoch meist diesseits des Verständnisses und des Anspruchs Luhmanns, nämlich als das strukturelle und funktionale Gefüge von Medien, ihren Organisationsformen und Leistungen, gemeinhin bezogen auf die anderen Teilsysteme, etwa das ökonomische, politische, kulturelle, und geformt von rechtlichen Rahmenbedingungen. Dann lässt sich auch vom Mediensystem einer Region oder eines Landes sprechen, das mit anderen verglichen oder gar in eine TypolOgie eingefügt wird (s. u.). Weltinformation.- und -kommunikation.ordnung Von den Vereinten Nationen (UN) und ihrer kulturpolitischen Suborganisation UNESCO gingen immer wieder Bestrebungen aus, die ungleiche Verteilung der und die Partizipation an den Informations- und Kommunikationsströmen auf der Welt, die Disparitäten von Nachrichtenagenturen und Medienkonzernen und die damit einhergehende Benachteiligung der damaligen, so genannten Dritten Welt zu beseitigen, mindestens abzumildern. Als Ziel wurde jeweils eine neue Informations- und Kommunikationsordnung ausgerufen. Allerdings sieht diese je nach Interesse unterschiedlich aus: Die kommunikationspolitisch überlegene Staaten des Westens, vor allem die USA, verstanden
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Analytische Zugänge des Medien(systems)vergleichs
und verstehen unter dem allseits propagierten "free flow of information" die Aufrechterhaltung, wenn nicht Bestärkung des ungleichen Status quo, also die Zementierung ihrer Übermacht, während die in den 1960er und '970er Jahren erstarkenden, so genannten blockfreien Staaten unter Führung des damaligen Jugoslawiens eine annährend ausgeglichene Struktur und damit eine Einschränkung des westlichen Übergewichts erreichen wollten. Im Herbst '980 legte eine "internationale Kommission zum Studium der Kommunikationsprobleme" unter dem Vorsitz des Kanadiers Sean MacBride ihren Bericht"Viele Stimmen - eine Welt" ("Many Voices - one World") an die UNESCO (19B') vor, in dem die erste grundsätzliche Empfehlung lautet: "Alle Einzelpersonen und alle Völker haben ein unveräußerliches Recht auf besse-
res Lehen, das, auf nationaler wie globaler Ebene, ein soziales Mindestmaß gewährleisten muss. Dies erfordert die Steigerung von Kapazitäten und die Beseitigung eklatanter Ungleichheiten: diese Mängel können die soziale Harmonie, ja selbst
den Weltfrieden bedrohen. Der Übergang von Benachteiligung und Abhängigkeit zu Selbstvertrauen und Chancengleichheit muss sich schrittweise vollziehen. Da die Kommunikation mit allen Aspekten des Lebens eng verflochten ist, liegt es auf
der Hand, dass das Schwergewicht auf dem schnellen Abbau und letztendlich der Beseitigung der bestehenden ,Kommunikationsbarrieren liegen muss (UNSECO L
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1981, )21).
Ähnliches hatte die UNESCO bereits 1978 in ihrer Deklaration "New World of Information and Communication Order" (NWICO) beschlossen. Nachdem die westliche Position mehrmals überstimmt worden war, verließen mächtige Geldgeber wie die USA und Großbritannien die UNESCO und trieben sie damit in eine existentielle Krise. Seither hält sich die UNESCO vom brisanten medienpolitischen Terrain weitgehend fern; stattdessen engagiert sie sich in der wenig umstrittenen internationalen Medienentwicklungshilfe, etwa mit dem Projekt "International Programme foT the Development of Communication" (IPDC), das weltweit unabhängige und pluralistisch ausgerichtete Medien fördert, demokratische Strukturen und Prinzipien stärken will, nicht zuletzt auch durch die Unterstützung so genannter "community media'; also regionaler Netzwerke (Kleinsteuber 2008, 166). Mit der Verbreitung des Internets und seinen zumindest anfangs signifikanten Schwerpunkten in den USA, Europa und den asiatischen Schwellenländer befasst sich die UN erneut mit Informations- und Kommunikationsproblemen, diesmal unter dem Schlagwort des digital divide, also der Spaltung der Welt infolge der ungleichen Ausbreitung und der Benachteiligung beim Zugang
Subglobale Reichweiten
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des und zum Internet. Auf den so genannten Weltgipfeln zur Informationsgesellschaft ("World Summits on the Information Society") in Genf (2003) und in Tunis (2005) bekommen vor allem viele global tätige NGOs (nongovermental organisations) die Chance, ihre meist idealistischen Forderungen zur Beseitigung des digital divide (Marr 2005; Zillien 2009; Marr/Zillien 2010) und zu Verbesserung der informationstechnologischen Infrastruktur und Zugänglichkeit vorzutragen. Etliche einschlägige Deklarationen sind verfasst und propagiert worden. Ihre Aussichten auf Verwirklichung in absehbarer Zeit werden von Experten aber skeptisch beurteilt (Donges/Puppies 2010). 3.2
Prämissen und Ansätze des Vergleichs: Subglobale Reichweiten
Unterhalb des umfassendsten Analyseniveaus ,Welt', das unweigerlich recht abstrakt ausfallen muss und (aus der Sicht der jeweils anderen) einseitig oder gar tendenziös geraten kann, lassen sich etliche andere Ansatz- und Vergleichsebenen ansetzen: etwa die der Kontinente oder "Weltregionen" (Thomaß 20CYJ, 210 ff.), die der Nationalstaaten, aber auch die subnationaler Territorien, auch als Regionen bezeichnet, sofern ihnen gesetzgeberische und kulturpolitische Kompetenzen obliegen, wie das vielfach in Bundesstaaten der Fall ist. Mediensysteme in Weltregionen Ob sich für einen Kontinent oder für eine Weltregion pauschal ein einigermaßen konsistentes und analytisch überschaubares Mediensystem konzeptualisieren lässt, hängt natürlich von den Graden der Homogenisierung und Integration der jeweiligen realen Strukturen in Wirtschaft, Politik, Recht, Kultur, Kommunikation und Medien ab. Sie sind bei einern bundessstaatlichen System wie bei den USA, bei einem Staatenbund wie der EU mit supranationalen Strukturen und Kompetenzen von Europäischer Kommission und Parlament eher gegeben als bei kaum oder nur vordergründig integrierten oder sogar feindseligen Kontinenten wie in Afrika oder im Nahen Osten. Analytisch ist noch zu berücksichtigen, ob und welche Daten jeweils zur Verfügung stehen, um überhaupt Vergleiche anstellen zu können. In dieser Hinsicht liegen für integrierte Systeme wie die USA und Europa ungleich mehr und ergiebigere Anhaltspunkte vor als für andere Weltregionen. Ferner spielt natürlich auch der Grad der analytischen Distanz bzw. Nähe eine maßgebliche Rolle für das Abstraktionsniveau und die Perspektive. So liegen für das südliche Afrika nur ganz wenige Studien vor, die meist auf Schätzungen beruhen (Brüne 2007, 323). Und wohl nur aus westlicher Sicht lässt sich überhaupt ein
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Analytische Zugänge des Medien(systems)vergleichs
solch pauschaler Blickwinkel wählen, der vermutlich für einen Südafrikaner oder einen Einwohner von Eritrea oder Niger undenkbar ist. Ob ein identifizierbarer IlKommunikationsraum Europa (Kleinsteuberl H
Rossmann 1994; Siebenhaar 1994; Erbring 1995) oder gar eine "europäische Öffentlichkeit" mit den damit implizierten Anforderungen bereits existieren, wird diskutiert, und die Antwort darauf hängt wiederum von der gewählten Perspektive ab. Mit der EU-Gesetzgebung gibt es rechtlichen Rahmenreglungen wie die Europäische Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMKR), und die europäische Medienpolitik auf der Grundlage von EG- und EU-Verträge mit seiner Fundierung der Dienstleistungsfreiheit kümmert sich nicht nur um grenzüberschreitendes Fernsehen, elektronische Kommunikationsnetze und -dienste, betreibt nicht nur massive Forschungs- und Subventionspolitik für informationstechnologische Innovationen und Infrastrukturen, sondern greift auch mittlerweile nachhaltig in die nationale Medien- und Kulturpolitik ein. Aus deutscher Sicht sind immer wieder Konflikte und Dissonanzen darüber aufgeworfen worden, ob Medien eher Kultur- oder eher Wirtschaftsgüter sind, wie sich etwa bei der Rundfunkgebühr für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk, der Buchpreisbindung oder jüngst bei der Digitalisierung urheberrechtlich geschützter Bücher durch Google exemplifizieren lässt. Die europäischen Kommission - früher der EG, heute der EU - und ihre Referate haben inzwischen eine Vielzahl von Publikationen veröffentlicht, vorzugsweise Bestandsaufnahmen und Maßnahmenkataloge, etwa das berühmte Grünbuch "Fernsehen ohne Grenzen", das der '989 folgenden gleichnamigen EG-Richtlinie über grenzüberschreitendes Fernsehen vorausging (EG '984), sowie weitere Grünbücher zur Medienkonzentration (EU 1992), Telekommunikationspolitik (1994/95), zum Jugendschutz (EU '996), zur Informationsgesellschaft (EU 1996) und zur Konvergenz (EU 1997). Ferner hat die EU-Kommission etliche Vergleichstudien und Trendanalysen angeregt, ermutigt oder gar unterstützt (Thomaß 2007U
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Analytische Zugänge des Medien(systems)vergleichs
Mit der RTL-Gruppe, an der Bertelsmann über eine Holding mit insgesamt 89,8 Prozent beteiligt ist, ist seit dem Jahr 2000 der größte Rundfunkanbieter in Europa entstanden, der in nahezu allen wichtigen europäischen Ländern direkt und indirekt (über Beteiligungen) präsent ist. Er ist mit einem Umsatz von knapp 5,8 Mrd. € (2008) und knapp 30 Prozent an Bertelsmanns Mediengeschäften die "cash cow des Konzerns, auch wenn die darüber realisierten Werbeeinnahmen sehr konjunkturanfällig sind. Der Zeitschriftenverlag Gruner & Jahr ist 2009 mit weltweit rund 15.000 Mitarbeitern (davon ca. 4.000 in Deutschland) auf 28 nationalen Märkten aktiv, darunter neben fast allen europäischen Ländern auch in den USA, China, Mexiko und elf weiteren Ländern. Er weist damit unter den vier größten deutschen Zeitschriftenkonzernen das massivste internationale Engagement auf (Beck u. a. 2010. 135, 186). Außerdem setzt Bertelsmann damit nach wie vor primär auf die überkommenen Massenmedien, nicht so sehr auf die zeitgemäßen und zukunftsträchtigen OnlineMedien. Über die unterschiedlichen Strategien im Konzern ist es in den letzten Jahren schon mehrfach zu Kontroversen gekommen (vgl. Böckelmann/Fischler 20"4; Demirovic u. a. 2007). An Gruner & Jahr in Hamburg ist Bertelsmann zu 74,8 Prozent beteiligt, die restlichen 25,1 Prozent gehören der Hamburger Verlegerfamilie Jahr. Von seinen knapp 2,8 Mrd. € (2008) Umsatz erzielt Gruner & Jahr mehr als die Hälfte außerhalb Deutschlands. Wie die Struktur eines solch europaweiten Marktes und der Beteilungen aussieht, zeigen folgende Grafiken: ll
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