WISSENSCHAFTLICHE KOMMENTARE ZU GRIECHISCHEN UNrl LATEINISCHEN SCHRIFTSTELLERN
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PUBLIUS AELIUS ARISTIDES I
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WISSENSCHAFTLICHE KOMMENTARE ZU GRIECHISCHEN UNrl LATEINISCHEN SCHRIFTSTELLERN
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PUBLIUS AELIUS ARISTIDES I
HEILIGE BERICHTE Einleitung;, deutsche Übersetzung und Kommentar von
HEINRICH OTTO SCHRÖDER Vorwort von Hildebrecht Hommel
HEIDELBERG 1986 CARL WINTER· UNIVERSITÄTSVERLAG
Gedruckt mit Unterstützung des Förderungs- und Beihilfefonds Wissenschaft \ der VG Wort
CIP-Kurztitelaufnahme der Deutschen Bibliothek Schröder, Heinrich Olto:
Publius Aelius Aristides, Heilige Berichte: Ein!., dt. Übers. u. Kommentar I von Heinrich Otto Schröder. Vorw. von Hildebrecht Homme!. - Heidelberg: Winter, 1986. (Wissenschaftliche Kommentare zu griechischen und lateinischen Schriftstellern) ISBN 3-533-03697-9 kart. ISBN 3-533-03698-7 Gewebe NE: Aristides, Aelius: Heilige Berichte
ISBN 3-533-03697-9 kart. ISBN 3-533-03698-7 Ln. Alle Rechte vorbehalten. © 1986. Carl Winter Universitätsverlag, gegr. 1822, GmbH., Heidelberg Photomechanische Wiedergabe nur mit ausdrücklicher Genehmigung durch den Verlag Imprime en Allemagne. Printed in Germany Photosatz und Druck: Carl Winter Universitätsverlag, Abteilung Druckerei, Heidelberg
INHALTSVERZEICHNIS
Vorwort .. Einleitung: Persönlichkeit und Leben des Aristides Die Krankheiten des Aristides . Die Religiosität des Aristides Die Hieroi Logoi: a) Abfassungszeit und Inhalt b) Literarische und sprachliche Form Ziel und Anlage dieser Ausgabe . . . Inhaltsübersicht über die Bücher der Hieroi Logoi Verzeichnis der in abgekürzter Form zitierten Literatur .
7-8 9-10 11-12 12-13 13 14-15 15 16 17
Heilige Berichte (Übersetzung und Kommentar): Buch I . Buch II . Buch III Buch IV Buch V . Buch VI
19-40 41-63 64-80 81-122 123-142 143-144
Index ..
145-150
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VORWORT
von Hildebrecht Hommel
Otto Weinreich, der mehr als ein Menschenalter hindurch den Lehrstuhl für Klassische Philologie mit dem Schwerpunkt Latein an der Universität Tübingen innehatte, war durch seine religionsgeschichtlichen Studien schon in jungen Jahren - vor dem ersten Weltkrieg - auf die in vielfacher Hinsicht merkwürdige Gestalt des griechischen Sophisten und Rhetors der römischen Kaiserzeit Aelius Aristides gestoßen, dessen autobiographische Krankheitsgeschichte, ein Loblied auf den Heilgott Asklepios, ihn vor allem anzog. Da es damals noch keine Übersetzung dieser eigenartigen Bekenntnisschrift in eine moderne Sprache gab, regte Weinreich zu Beginn der dreißiger Jahre den im Ruhestand lebenden namhaften Gräzisten Constantin Ritter in Tübingen an, sich der Aufgabe einer deutschen Übertragung der 'Heiligen Berichte' des Aristides zu unterziehen. Der Gymnasialprofessor a. D. und Honorarprofessor an der Universität, der vor allem als Platonforscher hervorgetreten war und durch sein zweibändiges diesem Philosophen gewidmetes Werk heute noch lebendig ist, machte sich an die Arbeit, die im Frühjahr 1936, als Ritter plötzlich starb, unmittelbar vor dem Erscheinen stand. Übersetzung und Anmerkungen waren bereits gesetzt, lediglich die Einleitung war noch nicht vollendet. Da dem Veranlasser Weinreich wegen der mangelnden Kompetenz Ritters speziell für die auch medizinhistorische Kenntnisse erfordernde Seite des Unternehmens nachträglich Bedenken kamen, blieb der Torso liegen, bis 1978, sechs Jahre nach Weinreichs Tod, die Tochter Ritters, Frau Dr. med. Hilde Noltenius, auf den Faszikel der Korrekturfahnen stieß und ihn mir übergab. Mein Kollege Günther Wille, der den wissenschaftlichen Nachlaß Weinreichs verwaltete, konnte zur Aufklärung der Geschichte des ganzen Vorhabens wesentlich beitragen. Wir kamen nach reiflicher Überlegung zu dem Schluß, daß die so weit gediehene Aufgabe doch noch zu Ende geführt werden sollte. Dies um so mehr, als bis dahin immer noch keine deutsche Übersetzung der für viele Wissenschaftszweige wichtigen Schrift erschienen war. Nach langer in viele Richtungen gehender Umschau gelang es mir schließlich im Jahr 1980 meinen früheren Gießener Assistenten, den nunmehrigen Oberstudiendirektor i. R. und Honorarprofessor an der Universität Köln, Heinrich Otto Schröder, für die Aufgabe zu gewinnen. Er war dazu als vortreillich geschulter Klassischer Philologe und als ausgewiesener Spezialist für die Geschichte der antiken Medizin in besonderem Maß prädestiniert. Schröder wird des Dankes einer breiten an der Schrift interessierten Öffentlichkeit sicher sein dürfen, dafür daß er die Sache in fast dreijähriger Arbeit zu gutem Ende
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Vorwort
geführt hat. Günther Wille hat dankenswerterweise das Ganze noch einmal einer kritischen Durchsicht unterzogen, was freilich nur geringe Verbesserungen notwendig machte. Wenn auch anfangs geplant war, die Rittersehe Vorarbeit lediglich einer Revision zu unterziehen und seine Einleitung zu Ende zu führen, so zeigte sich doch alsbald, daß angesichts der inzwischen angewachsenen internationalen Forschung zur Schrift des Aristides ein völliger Neuansatz geboten war. Dieser erfolgte in ständigem Blick auf Ritters Bemühungen und mit gelegentlicher Benützung seiner Anmerkungen, worüberjeweils genaue Rechenschaft gegeben wird. Wenn nun also das Ganze billigerweise nicht anders als unter Schröders Namen und Verantwortung an die Öffentlichkeit treten darf, so bleibt doch den beiden unvergessenen Vertretern der Klassischen Philologie in Tübingen, atto Weinreich und Constantin Ritter, das Verdienst der Veranlassung und Förderung des eine Lücke der Forschung ausfüllenden Unternehmens. 'Habent sua fata libelli!' 7. 10. 1983
H.H.
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EINLEITUNG
Persönlichkeit und Leben des Aristides
Publius Aelius Aristides Theodoros - so sein voller Name - wurde geboren am 26. November 117 nC. in Hadrianoi in Mysien, im Nordwesten von Kleinasien. Sein Vater Eudaimon war Priester eines Zeustempels am mysischen Berg Olympos. Als der große Philhellene Kaiser Publius Aelius Hadrianus im Jahre . 123 nC. auf einer Reise durch Mysien die Provinz neu ordnete und drei Plätzen Hadrianoi, Hadrianutherai und Hadrianeia - seinen Namen und die Stadtrechte verlieh, erhielten wohl auch Eudaimon und sein Sohn das römische Bürgerrecht, und dieser nahm nach damaliger Sitte Pränomen und nomen gentile seines kaiserlichen Gönners an. Den Beinamen Theodoros glaubte er später von seinem Schutzgott, dem Heiland Asklepios, in Pergamon erhalten zu haben. Daß wir sogar den Geburtstag des Aristides kennen, verdanken wir sorgfältigen und mühevollen Berechnungen nach seinem von ihm selbst angegebenen Horoskop in dieser vorliegenden großen Autobiographie. Wer war nun dieser P. Aelius Aristides? Ein Großer seiner Zeit, geschätzt von den römischen Kaisern, den Statthaltern der römischen Provinz Asia und den berühmten kleinasiatischen Weltstädten der damaligen Zeit wie Smyrna, Ephesos und Pergamon. Er pflegte schon zu seinen Lebzeiten den Dialog mit der Nachwelt und war von seinem Nachruhm fest überzeugt. Diesen zollten ihm die folgenden Jahrhunderte, besonders auch während der byzantinischen Zeit, in vollem Maße, bis zu Ende des vorigen und zu Anfang dieses Jahrhunderts sein Stern zu erbleichen begann und die ungünstigen, z. T. überheblichen Urteile moderner Philologen sich zu häufen begannen. Es hängt dies zusammen mit der veränderten Einstellung zu der seit Philo- . stratos so genannten 'Zweiten Sophistik', jenem 'Herbstflor antiker Beredsamkeit', einer puristischen Stilrichtung, die im zweiten Jahrhundert der römischen Kaiserzeit einen besonders hohen Aufschwung erlebte. Als bewußte Gegenströmung zu der Stilrichtung eines schwülstigen 'Asianismus' war der 'Attizismus' eine klassizistische Bewegung, die sich eng an die attischen Stilm\.lster vor allem des 4. Jahrhunderts vC. anlehnte, und zwar besonders an die großen Redner wie Demosthenes. Der seit Platon in Verruf gekommene Name 'Sophist' war wieder Ehrenname ftir die klassisch gebildeten Literaten geworden, die vielfach in den öffentlichen Hochschulen staatlich besoldete Lehrstühle innehatten. Meist bekleideten sie in ihren Heimatstädten hohe Ehrenämter, reisten zu öffentlichen Vorträgen von Stadt zu Stadt und erlebten Beifallsstürme, die ihr schon vorhandenes, nicht geringes Selbstbewußtsein und ihre Eitelkeit ins ungemessene stei-
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Einleitung
gerten. Man hat sie deshalb zu Recht mit den Humanisten der Städte und Fürstenhöfe der Renaissance verglichen. Unter ihnen nimmt Aristides unbestritten eine Spitzenstellung ein, aber zugleich hebt er sich von ihnen deutlich und in charakteristischer Weise ab. Wie sehr er sich über seine Zunftgenossen erhaben fühlte, zeigt schon die Tatsache, daß er den Titel 'Sophist' meist in abschätziger Weise auf seine Gegner anwendet, während er sich selbst als einen Eingeweihten in die heilige Mysterienreligion der Rhetorik betrachtet, der fast stets nach sorgfältiger Vorbereitung seine kunstvollen Reden vor einem sachverständigen und urteilsfähigen Publikum vortrage. Er habe sich "seines Wissens als einziger von den Hellenen nicht um des Reichtums, des Ansehens, der Ehre, Heirat, Machtausübung oder eines sonstigen Erwerbs willen der Redekunst gewidmet, sondern als ihr wahrer und reiner Liebhaber habe er durch seine Reden die ihm gebührenden Ehren erhalten ... Für ihn bedeute die Redekunst schlechthin alles, er habe sie zu seinen Kindern und Eltern gemacht, zu seinem Werk und seiner Erholung ... sie sei sein Spiel und sein Ernst, seine Freude und seine Liebe, ihr mache er wie einer Dame den Hof'. Diese Worte aus einer Verteidigungsrede (33,19 f. Keil) sind für Aristides in mehrfacher Hinsicht charakteristisch. Zunächst wußte er sich frei von Gewinnstreben. Deshalb lehnte er es auch ab, Schüler um sich zu sammeln. Dann besaß er keinerlei politischen Ehrgeiz. Deshalb wehrte er sich mit äußerster Anstrengung gegen alle ihm angetragenen Ehrenämter, scheute nicht davor zurück, in immer erneuten Eingaben an die römischen Statthalter um Befreiung davon zu bitten, und wußte dabei auch einflußreiche Freunde und sogar die Kaiser selber einzuschalten. Schließlich hatte er anscheinend weder Frau noch Kinder, und eine besondere Zuneigung zu seinen Eltern ist nicht erkennbar. Seinen Vater erwähnt er zwar mehrfach, aber nur in seiner Eigenschaft als Priester des heimischen Zeustempels, seine Mutter nur einmal, wie sie ihn bejammerte, als er in einer schweren Krankheit schon dem Tode nahe schien. Um so enger war sein Verhältnis zu seinen Erziehern, unter denen ihm Zosimos später sein engster Vertrauter wurde, dessen Tod ihn in eine tiefe Krise stürzte, und zu seiner Amme und deren Kindern, die mit ihm zusammen aufwuchsen, ja sogar durch ihren stellvertretenden Tod, wie er glaubte, sein Leben um Jahre verlängerten. Aristides gehörte zu den Wohlhabenden, wenn nicht sogar zu den Reichen. Sein Vater besaß in Mysien mehrere Landgüter und hatte enge Beziehungen zur Stadt Kyzikos am Marmarameer. Ihm war mit seinem Sohn das Bürgerrecht von Smyrna verliehen worden, und Aristides besaß dort und in der Vorstadt von Smyrna ein Haus. Der Vater war auch in der Lage, seinem Sohn eine vorzügliche Ausbildung zuteil werden zu lassen. Nach dem Tode des Vaters erwarben Freunde des Aristides für ihn das Landgut Laneion, knapp 12 km nördlich von Hadrianutherai, während er selbst auf einer einjährigen Studienreise in Ägypten weilte. Dieses Landgut war später sein Lieblingssitz, wohin er sich oft zurückzog und wo er auch seine letzten Lebensjahre verbrachte. Dort starb er vermutlich um das Jahr 181 nC.
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Die Krankheiten des Aristides Sein Biograph Philostratos sagt, Aristides sei schon von früher Jugend an kränklich gewesen (Vitae Sophistarum II 9). Diese Angabe bestätigt Aristides selbst, wenn er von seiner Erkrankung während der Ägyptenreise berichtet (36,49.91 Keil). Im Winter 144 begann Aristides seine Romreise, die für ihn die große Karriere eröffnen sollte. Sie wurde auch zur großen Wende in seinem Leben, wenn auch in nicht geahnter Weise. Noch in der Heimat hatte er sich eine schwere Erkältung zugezogen. Durch die Strapazen der Reise steigerten sich die Beschwerden immer mehr und zwangen ihn unterwegs zu mehreren Aufenthalten. In Rom kam die Krankheit rasch zu vollem Ausbruch. Die Ärzte mußten bald die Heimreise anordnen, die infolge der Schwäche des Patienten nur zu Schiff erfolgen konnte. Bei einem Aufenthalt an den Warmen Quellen in der Nähe von Smyrna erreichte den Aristides in einer Traumweisung der Ruf des Asklepios nach Pergamon, und er siedelte im Sommer des Jahres 145 dorthin über, wo er dann über lange Jahre als Patient im Asklepieion nach den Vorschriften des Heilgottes, seines Heilandes, lebte - übrigens keineswegs vereinsamt, sondern umgeben von einer großen Zahl bedeutender Männer, die gleich ihm zu den 'Verehrern' des Asklepios gehörten. Natürlich gab es längere Perioden, in denen er glaubte, ganz geheilt zu sein, und Pergamon für einige Zeit verließ, aber immer wieder gab es Rückschläge und neue Erkrankungen, die ihn zwangen, in das Asklepieion von Pergamon zurückzukehren. Von dem baulichen Zustand dieses damals in höchster Blüte stehenden Kurortes und von dem kultischen und medizinischen Betrieb hat uns Aristides die wertvollsten Nachrichten hinterlassen. Die Beschreibung der vielen Krankheiten, die den Aristides befielen, und die eindringliche Schilderung ihrer Symptome durchziehen vor allem die ersten Bücher der Hieroi Logoi. Hier sollen nur die mehr oder minder sicher diagnostizierten Krankheiten genannt werden: Malaria (Herbst 147) Schwindsucht (Okt. 147 nC.), Wassersucht (Okt. 147 - Jan. 148), Opisthotonus (Febr. 148), Pocken (165 nC.). Die Fülle der von Aristides geschilderten Krankheitssymptome ist von Behr in zeitlicher Ordnung genau aufgelistet (s. u.; S. 165-68). Die Unterscheidung zwischen organischen Leiden und funktionellen Störungen war weder dem Aristides noch seiner Zeit hinreichend bekannt. Wer aber die Krankheitsschilderungen mit ihren plötzlichen Umschwüngen von tiefster Depression zu körperlich-geistigen Zuständen einer frohen Hochgestimmtheit bedenkt, dem kann der stark neurotische Einschlag im Wesen dieses Mannes nicht verborgen bleiben. Er wird andererseits aber auch der Willenskraft und Standhaftigkeit des Aristides seine Anerkennung nicht versagen, der in geradezu verzweifelten Lagen durch unzählige Klistiere, (diätetisches) Erbrechen, Aderlässe, Fastenkuren, Bäder im Winter in eiskalten Flüssen oder Meeresbuchten trotz hohen Fiebers und ähnliche 'paradoxe' Kuren ohne Ende seine Gesundheit fast mehr aufs Spiel setzte als bewahrte. Diesen buchstabengetreuen
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Einleitung
Gehorsam leistete er den Traumweisungen des Asklepios, dem er sich in wachsender Zuversicht und bis zu mystischer Inbrunst gesteigerter Hingabe anvertraute. Neben dieser 'Tempelmedizin' mit Inkubation und Wunderbetrieb gab es in Pergamon auch eine anerkannte Ärzteschule. Aus ihr seien hier nur genannt der Hippokratiker Stratonikos, der Empiriker Aischrion, der Anatom Satyros und sein berühmtester Schüler Galen. Satyros behandelte den Aristides als Patienten, und von Galen besitzen wir eine wertvolle Diagnose über den berühmten Redner (Schröder, Corpus Medicorum Graecorum Suppl. I, Lpz. 1934, S. 33, 83ff.; s. hier: III 11 u. Anm. 16). Aber Aristides zeigte große Zurückhaltung gegenüber der wissenschaftlichen Medizin und bevorzugte Ärzte, die, wie er selbst, sich dem Gott als dem 'wahren Arzt' (I 57) widerspruchslos fUgten.
Die Religiosität des Aristides Aus der Fülle der Abhandlungen über dieses Thema seien zwei hervorgehoben: die Antrittsvorlesung von O. Weinreich, Typisches und Individuelles in der Religiosität des Ai!. Aristeides, NJbb 33, 1914,597-602, und C. A. Behr (s. u.), Chapter VI Eclectic Polytheism, 148-61. Hier müssen einige Hinweise genügen. Ein nicht geringer Teil der literarischen Hinterlassenschaft des Aristides besteht aus Götterreden (als Prosahymnen), mit denen sich Aristides gut in die Gesamttendenz des 2. Jhs. nC. einfUgt. Auch die Hieroi Logoi sind voll von Götteranrufungen und Bruchstücken von Hymnen und Päanen. Darin erscheinen fast alle Götter und Göttinnen des griechischen Pantheons, an ihrer Spitze Zeus, der "Schöpfer und Urheber des Alls und Vater aller Dinge" (43,6ff. Keil). Solche Worte werden vielfach als echtes Bekenntnis zu dem sog. heidnischen 'Monotheismus' angesehen, der bei den Gebildeten der damaligen Zeit allgemein verbreitet war und durch die philosophischen Bemühungen der Platoniker und Stoiker unterstützt wurde. Freilich spaltet sich dieser Monotheismus doch wieder in eine Vielzahl von Göttern auf, die, wenn die Reihe an sie kommt, ihrerseits die Prädikate des Allgottes erhalten, die im Grunde nur dem Göttervater zustehen. Dies gilt besonders fUr Sarapis und Asklepios. Seit seinem Ägyptenaufenthalt und der Rettung aus Seenot auf der Heimreise, die er dem Sarapis zuschrieb, hatte Aristides ein enges Verhältnis zu diesem 'Heiland', der nur allmählich vor dem übermächtig werdenden Asklepios zurücktrat. So feiert Aristides in seinen Lobreden aufSarapis und Asklepios auch diese beidenje als Allgott. Dabei sollte man aber folgendes nicht vergessen: einmal war keiner der Götter der Antike ein 'eifersüchtiger Gott', der keine fremden Götter neben sich geduldet hätte, und dann werden jene drei Götter auch bei Aristides oft synkretistisch zu 'einem' Gott verschmolzen, dem 'Einen Zeus-Sarapis' (111 48 Anm. 94), zum 'Zeus Asklepios' (I 45 Anm. 89) und zum einen Asklepios-Sarapis (III 46 Anm. 84).
Die Religiosität des Aristides
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In den Hieroi Logoi steht Asklepios eindeutig im Mittelpunkt. Ihm glaubte Aristides nicht nur seine vielfachen Heilungen aus schwersten Krankheiten zu verdanken, in ihm sah er auch den unermüdlichen Förderer seiner rednerischen Bemühungen und Erfolge, in ihm sah er schließlich den "Einen und Einzigen", der sich ihm in persönlichem Verkehr und Zuspruch als sein Schutzpatron offenbarte (IV 50). Von ihm glaubte er den Beinamen 'Theodoros' deshalb erhalten zu haben, weil "eben alles, was er sei und habe, ein Geschenk des Gottes sei" (IV 53.70). Die Hieroi Logoi a) Abfassungszeit und Inhalt Während des Winters 170/1 nC. begann Aristides auf seinem Landgut Laneion mit der Niederschrift des ersten Buches der Heiligen Berichte. Nach einer kürzeren Pause fuhr er dann mit der Abfassung der Bücher 2-6 fort, bei denen er sich weitgehend aufsein Tagebuch stützte, in welchem er auf Weisung des Asklepios fast von Anfang an die ihm zuteil gewordenen Träume aufgezeichnet hatte. Die Niederschrift erreichte nicht weniger als dreihunderttausend Zeilen, geriet aber später in Unordnung und ging auch teilweise schon zu seinen Lebzeiten verloren. Nach seinen eigenen Worten (II 8) enthielten diese Traumberichte "Heilmittel jeglicher Art, einige Unterredungen, umfangreiche Reden, allerlei Erscheinungen und Prophezeiungenjeder Art über die verschiedensten Gegenstände, teils in prosaischer, teils in metrischer Fassung". Daß das 6. Buch der Heiligen Berichte nur ein kurzes Fragment ist und mitten im Satz abbricht, hat der große Polyhistor aus dem 14. Jh. nC. Nikephoros Gregoras damit erklärt, daß der Tod dem Aristides die Feder aus der Hand genommen habe. Wahrscheinlicher ist dagegen, daß der fragmentarische Zustand - ebenso wie der der letzten Rede 'Auf das Wasser in Pergamon' (Nr. 53 Keil) - auf einen mechanischen Verlust im Archetypus der Handschriften zurückzuführen ist. Man hat sich manchmal über die Genauigkeit der Traumaufzeichnungen gewundert und ihre Zuverlässigkeit bezweifelt, dabei aber weniger bedacht, wie sehr die Erwartung derer, die sich in den Inkubationsräumen der Tempel zum Schlaf niederlegten, auf das Eintreten der Heilträume gerichtet war und wie die Kenntnis allgemein üblicher Heilmittel und Diätanweisungen in der damaligen Zeit zum Allgemeinwissen gehörte. Aber trotz dieser Gedächtnisstützen: die Sprunghaftigkeit der Darstellung, das assoziative Verbinden ähnlicher Erscheinungen unbekümmert um deren zeitlichen Ablauf, die eingestandene Ratlosigkeit über eine einzuhaltende Ordnung (II 24), das alles gibt dem Ganzen ein kaleidoskopartiges Aussehen, so daß die Klagen der Gelehrten über die Schwierigkeit,ja fast Unmöglichkeit einer zeitlichen Fixierung der geschilderten Begebenheiten wohl verständlich sind. Bisher hat fast jeder Aristidesforscher mit Fleiß und Scharfsinn eine eigene Datierung vorgelegt. Ich habe mich - in Übereinstimmung mit F. W. Lenz (Gnomon 42, 1970, S. 244ff.) - meist auf die jüngste von C. A. Behr gestützt (zu ihr mehr weiter unten).
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Einleitung
b) Literarische und sprachliche Form Die Aufzeichnungen, die Aristides auf Geheiß des Asklepios VOn seinen Träumen machte, nannte der Gott selbst 'Hieroi Logoi' (11 9) und gab ihnen damit einen Titel, der in der Spätantike sehr häufig anzutreffen ist. Man hat diese Überschrift bisher fast immer als 'Heilige Reden' übersetzt und die sechs Bücher überall so zitiert, wohl in Angleichung an die vielen sonstigen 'Reden' des Aristides, obwohl es sich doch eindeutig nicht um Reden, sondern um erzählende Berichte handelt. Den Zusatz 'Heilige' tragen sie, weil in ihnen von den Offenbarungen und Traumweisungen des Gottes Asklepios berichtet wird. Bei seiner Niederschrift nahm sich Aristides offensichtlich die Aufzeichnungen zum Vorbild, die, von Priestern in den Asklepiosheiligtümern redigiert, uns aus den 'Wunderheilungen von Epidauros' bekannt sind. Sie erklären wohl zunächst die bunte Mischung der Offenbarungen und Gnadenerweise und die gesuchte 'Schlichtheit' (apheleia) der Darstellung, die allerdings an vielen Stellen die klassizistische Rhetorik nicht verbergen kann. Es finden sich hier zwar nicht die lang hinrollenden Perioden nach Art des Demosthenes, aber die durch lange Übung in der Rednerschule erworbene Fähigkeit, bald in der Art Platons zu schreiben, bald in der des Demosthenes, bald in der des Thukydides, ist auch hier überall zu spüren. So erscheinen die drei genannten Attiker auch als Redemuster (IV 15.18f. V 58), und die sprachlichen Anlehnungen an Platon und Demosthenes sind kaum zu zählen. Daneben erscheinen auch öfters Anklänge an Xenophon und Herodot, Zitate aus Aristophanes und Pindar und vor allem aus Homer. Daß bei ihm die Odyssee gegenüber der Ilias weit überwiegt, mag damit zusammenhängen, daß Aristides sich dem 'viel gewandten' Odysseus nahe verwandt fühlte! und bei manchen Überlistungen des prophezeiten Schicksals sich dessen Schlauheit zum Vorbild nahm. Der Attizismus des Aristides verbot ihm, Worte zu verwenden, die nicht zu Zeiten eines Platon in Gebrauch waren, selbst wenn es sich um solche handelte, die als termini technici zur Bezeichnung neuer Ämter unter römischer Verwaltung fest eingebürgert waren. Der Rhetor half sich dann mit Umschreibungen, oder er verwendete Worte, die in früheren Jahrhunderten ähnliche oder vergleichbare Ämter bezeichnet hatten. Diese lexikalische Erstarrung und museale Stilpflege erinnert stark an die Zeiten des Renaissancehumanismus, als der 'Ciceronianismus' ein ebenso viel umkämpftes Thema war. Erasmus nennt ihn in seinem Dialog 'Ciceronianus' eine 'Zelodulia' (sklavische Nachahmungssucht). Wenn die sprachliche Ausdrucksfähigkeit des Aristides dadurch einigermaßen eingeschränkt erscheint, so zeigt er sich auf der anderen Seite aber auch fähig, souverän mit der überlieferten Sprache umzugehen und sie durch nur bei ihm belegte Neubildungen zu bereichern (z. B. II 31 Anm. 66; IV28 Anm. 72 usw.). Es war Ziel und Hoffnung des Aristides, wie er selbst öfters sagt, in der Nachwelt weiterzuleben. Dieses Ziel hat er über lange Jahrhunderte erreicht. Wenn in !
Dies gedenke ich demnächst in einem Aufsatz 'Das Odysseusbild des Aelius Aristides' im Rheinischen Museum näher darzulegen.
Ziel und Anlage dieser Ausgabe
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der letzten Zeit die Reserve gegenüber seinen großen Reden gewachsen ist, denen E. Norden "gesinnungstüchtige Langeweile" bescheinigt (Ant. Kunstprosa 401), so trifft dies, wie ich glaube, nicht auf die Hieroi Logoi zu. Der Leser wird, wie ich hoffe, bei der Lektüre der Autobiographie eines gewiß eitlen, aber doch achtenswerten Menschen neben reicher Belehrung auch Freude und vielleicht sogar etwas wie Zuneigung zu diesem Manne empfinden.
Ziel und Anlage dieser Ausgabe Von den Hieroi Logoi lag jahrhundertelang nur eine lateinische Übersetzung (mit Interpretation) des bedeutenden niederländischen Humanisten W. Carter vor, die im Jahre 1566 in Basel erschien. Vielleicht war das der Grund dafür, daß dieses Werk außerhalb enger Fachkreise nicht die Beachtung gefunden hat, die es seines Inhalts wegen verdient. Nun erschien im Jahre 1968 in Amsterdam das Buch "Aelius Aristides and the Sacred Tales" von C. A. Behr, das neben einer umfassenden Darstellung von Leben und Werk des Aristides auch eine wortgetreue Übersetzung der Hieroi Logoi ins Englische enthält. Ihr folgte i. J. 1981 (bei Brill in Leiden): P. Aelius Aristides, The complete works, Volume II, Orations XVII - LIII, translated into English by Charles A. Behr. Dieser Band enthält auf S. 278-353 eine revidierte Fassung der Übersetzung mit erläuternden 'Notes' (S. 425-45), die z. T. auf die ausführlichen Darlegungen in dem früheren Werk verweisen. Vor allem mit dem ersten dieser beiden Werke ist, wie die Kritik hervorhebt, ein großer Schritt nach vorne getan, indem Behr "mit guter Sachkenntnis und großer Sorgfalt" (w. Lenz in: Gnomon, 42, 1970, S. 250) auch die gesamte inzwischen erschienene umfangreiche Literatur eingearbeitet hat, die sich mit Aristides und der Erforschung der Verhältnisse in den griechischen Städten der römischen Provinz Kleinasien im 2. Jh. nC. befaßt hat. Wenn ich es nun unternehme, in Anlehnung an eine nicht veröffentlichte Übersetzung von Constantin Ritter (s. Vorwort von H. Hommel) eine deutsche Übersetzung mit ausführlicherem Kommentar vorzulegen, so seien einige grundsätzliche Bemerkungen vorausgeschickt. In den Anmerkungen zur Übersetzung sind - soweit nötig - Überlieferung, Konjekturen und abweichende Deutungen verzeichnet und die eigene Auffassung begründet. In den sachlichen Erläuterungen habe ich die vorliegenden Arbeiten dankbar benutzt und Abweichungen - unter Hinweis auf deren Autoren - vermerkt. Schließlich aber glaube ich, im Kommentar doch wesentlich mehr als Behr erklärt, ihn öfters berichtigt, vor allem aber an einer großen Anzahl von Stellen, die Behr übergangen hat, wichtige Ergänzungen geliefert zu haben. Wer beide Kommentare miteinander vergleicht, wird dies, denke ich, feststellen. Ich will hier nur als Beispiele auf Buch III Anm. 88ff. und Buch IV Anm. 140ff. verweisen. Solche Erweiterungen scheinen mir zur Rechtfertigung dieser Ausgabe wesentlich beizutragen.
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Einleitung
Inhaltsübersicht über die Bücher der Hieroi Logoi Buch I § 1 - 4 Vorwort § 5 - 60 Verschiedene Erkrankungen, Traumeriebnisse im Asklepieion von Pergamon und in Smyrna § 61 - 68 Hernie - Wassersucht § 69 - 77 Tod des Zosimos § 78 Heilung der Philumene Buch 11 § 1- 4 § 5 - 10 § 11 - 23 § 24 - 36 § 37 - 45 § 46 - 59 § 60 - 70 § 71 - 80 § 81 - 82
Vorwort Krankheitsbeginn - Eingreifen des Asklepios Erste von Asklepios verordnete Kuren Wunderbare Errettung aus Gefahren Die Pockenepidemie Fluß- und Seebäder Erste Reise nach Rom Bäder im Tempelbezirk Reise nach Ephesus
Buch III § 1- 6 § 7 - 14 § 15 - 20 § 21 - 37 § 38 - 43 § 44 - 46 § 47 - 50
Reise nach Alianoi Reise nach Lebedos: Schwindsucht und Heilung Opisthotonus Salben, Arzneimittel, Diätvorschriften Erdbeben in Westkleinasien Heilige Opfer Tod des Zosimos: Macht der ägyptischen Götter
Buch IV § 1 - 12 § 13 - 30 § 31 - 47 § 48 - 70
Reise zum Aisepos und Rückkehr Wiederaufnahme der Redeübungen Lyrische Dichtungen Traumbegegnungen mit großen Männern der Vergangenheit; Horoskop (59-60) § 71 -108 Siegreiche Kämpfe um Freistellung von Ehrenämtern Buch V § 1 - 10 § 11 - 17 § 18 § 19 - 25 § 26 - 41 § 42 - 55 § 56 - 66
Reise zum heimischen Zeustempel Erste Reise nach Kyzikos Rückkehr nach Pergamon Tod der Philumene und des Hermias an Stelle des Aristides Pergamon: rednerische Triumphe in Smyrna und Ephesus Zweite Reise nach Kyzikos und Rückkehr Im Traum in Athen
Buch VI § 1 - 3 Traumgeschichte künftiger Reisen
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Verzeichnis der in abgekürzter Form zitierten Literatur Altert. v. Perg.
Behr Behr (Übers.)
Edelstein I (Il) Festugiere
Herzog, Wunderheil. Herzog, Asklep. Hymn.
Herzog, Urkunden
Höfler, Sarapishymnus
Magie Norden, Agn. Theos
Norden, Ant. Kunstprosa
RE
Weinreich, Heilungswunder
=
Deutsches Archäologisches Institut. Altertümer von Pergamon. Bd. 8, 3 Christian Habicht, Die Inschriften des Asklepieions. Berlin 1969. Bd. 11, lOskar Ziegenaus-Gioia de Luca, Das Asklepieion, Bin. 1968 Bd. 11,2 Oskar Ziegenaus-Gioia de Luca, Das Asklepieion, Bin. 1975 Bd. 11,3 Ziegenaus, Das Asklepieion, Bin. 1981. C. A. Behr, Aelius Aristides and the Sacred Tales, Amsterdam 1968. P. Aelius Aristides, The complete works. Volume II. Orations XVII - LIII. Translated into English by Charles A. Behr, Leiden 1981. Edelstein E. und L., Asc1epius, Bd. I Testimonies. Bd. II Interpretation, Baltimore 1945. A.-J. Festugiere, Sur les 'Discours sacres' d' Aelius Aristide, in: Revue des Etudes Grecques, LXXXII, 1969, S.I17-53. Rudolf Herzog, Die Wunderheilungen von Epidauros. Philologus, Supplementband 22, Heft 3, 1931. Rudolf Herzog, Ein Asklepios-Hymnus des Aristeides von Smyrna; Sitzungsber. Berliner Akademie, (Philol.histor. Klasse), Bd. 21, 1934, S. 753-70. Urkunden zur Hochschulpolitik der römischen Kaiser; Sitzungsber. Berliner Akademie, (Philol.-histor. Klasse), Bd. 22, 1935, S. 967-1019. Anton Höfler, Der Sarapishymnus des Ailios Aristeides, Tübinger Beiträge zur Altertumswissenschaft, Heft 27, 1935. D. Magie, Roman Rule in Asia Minor. 2 Bde. Princeton 1950. Eduard Norden, Agnostos Theos. Untersuchungen zur Formengeschichte religiöser Rede. Bin. 1912 (Nachdruck Darmstadt 1956). Eduard Norden, Die antike Kunstprosa vom VI. Jahrh. v. Chr. bis in die Zeit der Renaissance. Dritter Abdruck. 1. Bd. Lpz.-Bln. 1915.2. Bd. Lpz.-Bln. 1918. Realencyc10pädie der c1assischen Altertumswissenschaft. Neue Bearbeitung, begonnen von G. Wissowa, fortgeflihrt von W. Kroll u. K. Mittelhaus usw. Stuttgart 1. Reihe 1893ff. 2. Reihe 1914ff. Supplementbände 1903ff. Otto Weinreich, Antike Heilungswunder. Religionsgeschichtliche Versuche und Vorarbeiten. 8. Heft 1, 1909.
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Heilige Berichte ERSTES BUCH Ich gedenke, meinen Bericht nach dem Muster der Helena bei Homer zu gestalten. Denn auch sie erklärt, sie wolle nicht aufzählen, "was so an Kämpfen bestanden der standhaft kluge Odysseus"', sondern wählt, denke ich, nur eine einzige Tat von ihm aus und berichtet sie dem Telemachos und Menelaos. So könnte auch ich nicht alle Krafterweise des Heilandes 2 erzählen, die ich an mir erfahren durfte bis zum heutigen Tage. Und dabei will ich auch nicht den homerischen Zusatz machen: "Auch wenn ich zehn Zungen und zehn Münder hätte"l, denn das ist zu wenig gesagt, sondern wenn meine Kraft und Stimme und Einsicht auch alles menschliche Maß überstiegen, könnte ich diesem Ziel nicht entfernt nahekommen. Vielmehr so oft mich auch schon meine Freunde gebeten oder ermahnt haben, davon zu berichten und zu schreiben, habe ich mich doch von keinem je dazu bestimmen lassen aus Scheu vor dem Unmöglichen. Denn das schien mir ein ähnliches Unterfangen zu sein, wie wenn ich , Od. 4, 241. Asklepios: sonst meist 'der Gott' genannt. Der Titel Soter wurde den meisten Gottheiten der Spätantike verliehen, am häufigsten allerdings dem Asklepios. - Zum Thema: 'Asclepios and Christ' s. Edelstein 11 6.132-38, bes. 133f. u. Dölger, Antike u. Christentum VI, 1950, 241-72, bes. 257ff. Il. 2,489. Hier, wie in der Rede aufSarapis (Nr. 45,16 K.) gebraucht Aristides mit dem Homerzitat "einen in der antiken Literatur längst eingebürgerten Topos" (Höfler, Sarapishymnus. S. 45). - Die Hornerstelle wird so auch wörtlich zitiert bei Ps. Aeschines epist, 10, 1. - "Für die rhetorisierenden römischen Dichter ist es charakteristisch, daß sie aus der Zehnzahl eine Hundertzahl machen" Norden, Verg. Aen. 6, 625. Diese Übertreibung "durch bloße Steigerung des Zahlworts" (Norden a. O. S. 281) beginnt bei Ennius, anno 56lf., setzt sich fort bei einern seiner Nachahmer, dem Dichter Hostius (Bell. Histr. 2 frg. 3 Morei), geht über zu Lukrez (6, 839f. Lachrn.) und den bekannten Vergilversen (Georg. 2, 43 u. Aen. 6, 625f.), erscheint wieder bei Ovid, Met. 8,533, wird von Persius 5, If. als Dichtermode verspottet (wiewohl er 5, 26 selbst diesen Wunsch ausspricht) und endet, soweit ich sehe, in der röm. Antike bei Claudian 1,55 u. 28,436. Bei Ovid, fast. 2,119, Valerius Flaccus 6, 40 u. Apul. met. 11,25 (im Gebet des Lucius an Isis) wird noch einmal mit zehn multipliziert, so daß es dann sogar 1000 Zungen sind. (Angaben von Stellen und ähnlichen Steigerungen bei Norden a. 0., Bömer, Die Fasten Bd. 11 S. 89f. u. Weinreich, A. f. R. W. 19, 1916-19, S. 172f., der auf den "humanistisch geschulten Kirchenlieddichter Joh. Mentzer" (1658-1734) hinweist: ,,0 daß ich ·tausend Zungen hätte und einen tausendfachen Mund", u. schließlich Weinreich, Antike Heilungswunder S. 199-201, wo weitere Beispiele, auch aus christlicher Literatur, angegeben sind. Vgl. a. H. Hommel in: Theologia Viatorum 1.1949, S. 129 Anm. 4. Abdruck und Nachträge dazu in H. H., Sebasmata 11, 1984.
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unter Wasser das ganze Meer durchquert hätte und dann gezwungen würde, Rechenschaft davon abzulegen, wievielen Strömungen ich im ganzen etwa begegnet sei', wie ich bei jeder einzelnen das Meer gefunden und was mir 3 Rettung gebracht habe. Denn jeder meiner Tage hat seine Geschichte und ebenso jede meiner Nächte, falls jemand, der dabei wars, entweder die Begebenheiten aufzeichnen oder die Fürsorge des Gottes schildern wollte, die dieser teils in persönlicher Erscheinung, teils durch Sendung von Traumbildern 6 bezeigte, soweit es mir wenigstens vergönnt war, Schlafzu finden. Doch das kam nur selten 4 vor in den Brandungen meines körperlichen Befindens. Das bedenkend war ich zu dem Entschluß gekommen, wirklich wie einem Arzt mich dem Gott zu überlassen und schweigend zu tun, was er wolle. Jetzt also will ich euch darlegen, wie es mit meinem Unterleib stand. Ich will über alle Einzelheiten Rechenschaft ablegen Tag um Tag7 • Wir hatten den Monat Posideon8, ihr wißt, in wie strengem 5 Winter. Während der Nächte litt ich an Magenschmerzen und übermäßiger Schlaflosigkeit, so daß ich nicht den kleinsten Bissen verdauen konnte. Schuld daran war nicht zum wenigsten das fortdauernde Sturmwetter, das, wie es hieß, auch nicht ein einziger Dachziegel heil überstand. Auch stand mir der Schweiß 6 (auf der Haut) diese ganze Zeit über, außer wenn ich im Bad war. Am 12. des Monats aber befiehlt mir der Gott, mich des Bades zu enthalten und genau ebenso am folgenden und nächstfolgenden Tag. Diese drei Tage hintereinander9 verbrachte ich völlig ohne Schweiß bei Nacht und Tag, so daß ich nicht einmal das Hemd wechseln mußte lO • Und niemals früher hatte ich mich leichter gefühlt. Ich verbrachte die Zeit mit Umhergehen im Haus und mit Spielen, da es Feiertage waren. Denn die Nachtfeier des Gottes ll hatte sich an den vorhergehenden 7 Festtag des Poseidon angeschlossen. Darauf 2 wurde mir ein Traum beschert, der die Andeutung 13 eines Bades enthielt, doch nicht ohne Zweideutigkeit; vielmehr kam es mir vor, als hätte ich mich auch etwas besudelt. Trotzdem entschied 4
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Wohl Anspielung auf das sprichwörtliche XUf.lUtU f.lEtPe'iv 'Wogen zählen' s. Theocr. Id. 16, 60; die vielen sachlichen und sprachlichen Parallelen dazu gesammelt bei Gow, Theocr. Bd. 11 Commentary, Cambridge 1952, S. 317. - Die Seenot, in der sich Aristides mehrfach befand (s. z. B. Rede 45, 33 Keil), wird hier nur als Bild gebraucht. nupwv 0; Keil konjiziert: nup' ev = "im einzelnen". sprachliche Anlehnung an Platon Rep. 383a. Der Bericht von I 4-57 umfaßt die Zeit vom 4. Jan. - 15. Febr. 166 nC.; er stammt aus dem Tagebuch des Aristides. Der 4. Monat des im römischen Kleinasien geltenden Jahres entspricht der Zeit vom 24. Dez. - 23. Jan. 4. - 6. Jan. Ähnlich die Vorschrift in 11 78; zur Deutung vgl. Michenaud-Dierkens, Les reves dans les 'Discours sacres' (1972) S. 107. Sie fand wohl am 6. lan. statt. Solche Nachtfeiern zu Ehren des Asklepios sind auch inschriftlich bezeugt: Edelst. I test 553. Zur Bedeutung der Nachtfeiern im Asklepioskult s. Edelst. 11 S. 197f. u. Behr 32. Am 7. Jan. . EvvotU: sie erwies sich als trügerisch: s. Behr 194.
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ich mich für ein Bad; jedenfalls hätte ich ja auch, wenn mir das in Wirklichkeit passiert wäre, Wasser nötig. Sogleich nun befand ich mich nicht zum besten in der Badeanstalt, und als ich heimkam, hatte ich das Gefühl, alles sei aufgetrieben, und mein Atem war wie der eines Keuchenden, so daß ich mit dem Beginn des Essens sogleich (auch damit) Schluß machte. Daraufvon der Nacht an Darmstörung,die so weit fortschritt, daß kaum kurz vor Mittag ein Stillstand eintrat. Ein Traum aber zeigte etwa folgendes Bild: Ich war im heißen Bad, beugte mich vornüber und sah, daß die unteren Teile der Bauchhöhle sich in einem ziemlich befremdlichen Zustand befanden. Natürlich beschloß ich, es bei dem Verzicht auf das Bad bewenden zu lassen. Aber da sagte jemand, das Übelbefinden, das sich zeigte, sei nicht Folge des Bades selbst und es sei nicht vernünftig, sich vor ihm zu hüten, als wäre es schuld daran. Ich badete auf den Abend, und am frühen Morgen hatte ich Bauchweh, und der Schmerz breitete 9 sich aus nach rechts hin und nach unten bis zur Leistengegend. Am 17. 14 Enthaltung vom Bad dem Traum zufolge, am 18. Enthaltung vom Bad. Am 19. kam es mir vor, als hätten einige der Barbaren 15 mich in ihre Gewalt bekommen und einer von ihnen trete auf mich zu und stelle sich an, als wolle er mir ein Brandmal aufdrücken. Dann steckte er mir einfach den Finger in den Mund und bis zur Kehle hinab und schüttete mir etwas ein, offenbar nach heimischem Brauch, und nannte das 'Essigtrank'16. Nachher aber meinte ich, dies als Traumerlebnis zu erzählen, wobei die Hörer sich verwunderten und sagten, das eben sei die Ursache davon, daß man Durst habe und doch nicht trinken könne, weil eben die Speisen sich in Essig verwandelten. Daraufwurde mir Erbrechen angezeigt, und der Barbar schrieb mir vor, für den heutigen Tag mich des Bades zu enthalten und mir einen Diener (als Zeugen dafür) zu nehmen. Enthaltung vom 10 Bad und Erbrechen mit dem Gefühl der Erleichterung. Am 20. kam es mir vor, als befinde ich mich in den Propyläen des Asklepiostempels l7 • Dort begegnete mir (wie mir schien) einer meiner Bekannten und umarmte mich mit herzlicher Begrüßung, da er mich lange nicht gesehen hatte. Ich sagte ihm nun, mir sei sehr übel gewesen, und im Verlauf des Gespräches gedachte ich auch der vielen Veränderungen, die der Tempel erfahren habe, und während dieser Reden traten 11 wir ein. Als wir an den Platz kamen, wo die Agathe Tyche und der Agathos Daimon sich befinden l8 , blieben wir stehen und setzten unsere Unterhaltung 14 Am 9. Jan. 15 Keil und Behr halten die 'Barbaren' für Parther (es ist die Zeit des Partherkrieges unter dem Kaiser 1. Verus: s. I 36); man könnte aber auch an 'Myser' denken: s. IV 105. eine Verdauungsstörung, bei der sich die Speisen in 'Essig' verwandeln; ähnlich 6~upeyl-L(ct = saures Aufstoßen, Sodbrennen. Zum Propylon des A. Claudius Charax (cos. 147 nC.) vgl. Altert. v. Perg. 11,3 S. 15ff. Nach Wiegand (Ber. üb. d. Ausgrab. in Pergamon, Abh. Ber!. Ak. 1932, Nr. 5, S. 9) befanden sich die beiden Kultbilder des 'Guten Daimon' und der 'Guten Glücksgöttin' in zwei inneren Nischen des Propylons. Als Paar zusammengehörig, waren sie "ihrem Charakter nach gewiß geeignet, den Heilsuchenden zu empfangen und zu ermutigen". - Zum Standort vorsichtiger Wörrle (Altert. v. Perg. 8,3, 1969, S. 177) "im oder beim
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fort. Ich erblickte einen der Tempeldiener und fragte ihn, wo der Priester sei. Er antwortete: "Hinter dem Tempel". Es seija schon um die Zeit der heiligen Lampen l9 , und der TempelwärterO bringe schon die Schlüssel. Inzwischen meinte ich, sei der Tempel geschlossen worden, doch so, daß trotz der Schließung noch eine Art Zugang offen blieb und man das Innere sehen konnte. Ich schritt nun auf die Tür zu und sehe anstelle der alten eine neue Statue21 mit niedergeschlagenen Augen. Als ich meine Verwunderung aussprach und nachforschte, wo die alte Statue sei, brachte sie jemand, und obwohl sie mir nicht recht bekannt war, 12 bezeigte ich ihr eifrig meine Verehrung. Wir gingen dann umher und begegneten dem Priester. Ich begann das Gespräch mit ihm mit folgenden Worten: "Schon in Smyrna habe ich mehrfach durch Träume Weisung erhalten, ich solle mich mit dir über den Tempel besprechen. Doch weil ich meinte, die Sache übersteige meine Urteilskraft, schwieg ich. Aber jetzt im Augenblick habe ich über diese selbe Sache wieder einen Traum gehabt". Zugleich hatte ich im Sinn, ihm zu sagen,er solle das Götterbild an seinen alten Platz stellen lassen. Doch beim Umhergehen fiel mir der Schuh von einem Fuß ab. Der Priester hob ihn aufund brachte ihn mir. Ich freute mich über die Ehrung, wollte sie gleichsam erwidern und ihm die Hand geben und nahm ihn deshalb in gebückter Haltung in 13 Empfang. In diesem Augenblick kam ein Stier auf mich zu, unmittelbar bei den 'Ohren,22 des Gottes. Ich war voller Furcht und suchte mich irgendwie in Propylon des Asklepieions". - Der Agathos Daimon und die Agathe Tyche sind im offiziellen wie privaten Kult engstens miteinander verbunden; Weihungen oder Stiftungen von Standbildern - auch in einem Tempel anderer Gottheiten - sind mehrfach bezeugt, ebenso die Verbindung mit Asklepios; s. dazu Herzog-Hauser, RE VIIA 1643 ff., bes. 1649,1673, 1676-81 und Wörrle a. O. S. 177. - Zur bildnerischen Gestaltung derbeiden Statuen läßt sich nichts Sicheres sagen;jedenfalls gab es von der Hand des Praxitelesje eine Statue der beiden Gottheiten (RE a. O. Sp. 1683). - Vielleicht darf man noch an die bekannte Tatsache erinnern, daß die von Aristides so stark verehrten ägyptischen Gottheiten Sarapis und Isis vom Jahre 133/4 ne. an "auch auf Münzen dem Agathosdaimon und der Agathetyche angeglichen (werden), indem sie die Gestalt einer männlichen und weiblichen Schlange annehmen; die Uräusschlange ist nämlich das Zeichen der Agathetyche" (Höfler a. O. S. 83). 19 Zur Zeit des Aristides scheint der regelmäßige Tempeldienst zweimal täglich stattgefunden zu haben, morgens und abends, als die Lampen angezündet waren. Die Zeit der brennenden Lampen bezeichnet allgemein 'vor Tagesbeginn oder nach Eintreten der Dunkelheit', s. dazu Behr 32, Edelst. 11 S. 193 u. bes. Wörrle, Altert. v. Perg. 8, 3 S. 184 mit weiterer Literatur. 20 Dieser Neokoros wird auch sonst erwähnt, z. B. 11 35; es gab ihn auch in Kos: Edelst. I test. 482 v. 90; entsprechend seiner Bedeutung hatte Pergamon sogar zwei Tempelwächter: 11 30. 47. Über ihre Aufgaben s. Edelst. 11 S. 193. 21 Wohl eine Sitzstatue des Asklepios. Die entsprechende in Epidauros war aus Gold und Elfenbein, s. Behr 29. 22 Mit dieser Stelle hat sich Weinreich in seinem Artikel Seol E:m'pcoo\ (d. h. Götter, die die Gebete erhören) befaßt (Wiederabdruck in: O. Weinreich, Ausgew. Schriften I, 1969, S. 131-195, bes. S. 185f.). Nachdem Weinreich die Liste der Göt!er vorgelegt hat, die auf Inschriften den Titel E:1t11XOOl tragen (darunter Asklepios S. 140f., Hygieia u.
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Sicherheit zu bringen. Er tat jedoch weiter nichts, sondern bohrte mir nur das Horn ins rechte Bein unter dem Knie 23 • Theodotos 24 aber nahm ein Skalpell und reinigte (die Stelle) gründlich, so daß ich im Begriffwar, zu ihm zu sagen: "Du hast eine Wunde daraus gemacht". Das waren die Offenbarungen, und nun hörte meine Angst auf Unter dem rechten Knie bildete sich ein kleines Geschwür einem Karbunkel ähnlich, und das schien ftir die oberen Teile (des Verdauungstraktes) gut zu sein. Am 21. 25 war es mir, als trage ich das Kleid eines Priesters und sehe den Priester selber anwesend. Weiter glaubte ich, ich sehe einen meiner Bekannten infolge einer Beschwerde am Gesäß etwas hinken,
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Telesphoros 141 u. 169, Hygieia 145, Isis 145f., Sarapis 149, Telesphoros 150) - zu ergänzen ist aus neuerer Literatur u. a. Hornbostel, Sarapis, Leiden 1973, S. 198f. eine chalkidische Karpokratesinschrift aus dem 3. Jh. ne. über Sarapis und Osiris als 'erhörende' Götter und die 'Akoai' der Isis -, beginnt er auf S.175ff. mit der Besprechung und Abbildung der 'Ohren' der Götter, die entweder an einer (Tempel-)Wand oder einer Stele oder einem Altar angebracht waren, entweder als symbolische Zeichen der Macht der 'erhörenden' Götter oder als Bitte um Erhörung oder auch schließlich als Heilvotivgaben. - Solche 'Akoai' des Gottes gab es auch in Epidauros: s. Herzog, Wunderheil. S. 43f. W. 79 Z. 10 u. 19, wozu Herzog S. 45 bemerkt: "Das Wort axoat ist noch nicht eindeutig erklärt". Herzog gibt dem Wort axoat in seinem Textabdruck keinen Akzent, gibt also damit offenbar zu erkennen, daß er in dieser Frage zwischen den Ansichten von Weinreich u. Keil keine Entscheidung zu treffen wagt. Denn neben Weinreich (und schon vor ihm) steht die These von Keil (Hermes 45, 1910, 475ff.), die auch Weinreich S. 186 als durchaus möglich hinstellt, das Wort Akoai gehöre nicht zum Stamme axoijaXOUEtv, sondern zu äxo~ - aXEoflat, bedeute also "Heilgöttinnen wie Akeso und Panakeia", d. h. "untergeordnete Gehilfinnen der heilenden Gottheit", und müsse demnach Ax6at akzentuiert werden. - Dabei hat sich Keil allerdings - worauf Weinreich nicht eingegangen ist - auch darauf gestützt, daß in den drei ihm bekannten Inschriften (S. 475) die Individualnamen der Gottheiten fehlten, ja daß es "alle Wahrscheinlichkeit (habe), daß ihnen solche Namen fehlten" (a. O. S. 477). Diese Annahme ist nun durch die zahlreichen späteren Funde eindeutig widerlegt. - In einem zweiten Artikel "Noch einmal Akoai" beschäftigt sich Weinreich (a. O. S. 376-81) mit der von P. Wolter herangezogenen Stelle des Marinus, Vita Procli 32, wonach Akoai einen Ort bedeute, an dem überirdische Stimmen gehört wurden, und verteidigt demgegenüberm. E. mit Recht - seine Deutung, die 'die Ohren' als konkret dargestelltes Objekt auffaßt. - Wilamowitz (Isyllos 118,4) hatte das axoat als lateinisches Lehnwort (aquae) deuten wollen, was später allgemein abgelehnt wurde (Weinreich S. 185), aber seine Deutung oder der Hinweis von Keil (S. 478) scheint noch bei Behr nachgewirkt zu haben, der zu dem Gebäude im Osten des Asklepieions, welches sicher für medizinische Bäder genutzt wurde, schreibt (S. 28): "However, it was not direct1y mentioned by Aristides, unless it is the so called 'Gods Ears"'. Die Szene erinnert lebhaft an den 4. Mimiambus des Herondas v. 69-71, wo Kokkale, eine Besucherin des Asklepiostempels aufKos, beim Betrachten der Gemälde auf den Wänden der cella fast laut aufschreit aus Angst, der dort von Apelles in einer Prozession so lebendig gemalte Stier könne ihr ein Leid antun, da er sie mit einem Auge so schief ansehe; s. Edelst. I test. 482. Ein Arzt aus Pergamon; er wird öfters erwähnt, z. B. I 55ff. usw. - Ausführlich handelt über ihn H. Diller, RE VA, 1934, Sp. 1960 Nr. 25. Am 13. Jan.
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und sage zu ihm: "Das wird die Ruhe heilen". Es wurde auch Erbrechen für eine Reihe von Tagen 26 verordnet. Und das war der fünfte Tag fortgesetzter Enthaltung vom Bad. Es verdient aber auch das Beiwerk27 der Träume mitgeteilt zu werden. Es kam mir vor, als hätte ich bei meiner gewöhnlichen Redeübung eine der demosthenischen Reden vor mir und spräche in seiner Person zu den Athenern: "Ihr laßt durch den Herold fragen, wer zum Volke sprechen wolle. Ich aber möchte euch gerne fragen, wer von euch handeln wolle28 • Oder ist es vonjetzt an nur eine Komödie?" Damit aber nahm ich Bezug auf die Telmessier des Aristophanes 29 , wie einer dort mit Worten den Kampfführte anstatt mit Taten. Am 22. kam es mir vor, als schreite ich in Smyrna gegen Abend auf den Asklepiostempel im Gymnasion30 zu, in Begleitung des Zenon 31 • Der Tempel war größer und faßte noch von der Halle den ganzen gepflasterten Teil in sich. Zugleich aber stellte ich mir vor, das sei nur die VorhaUe des Tempels 32 • Als ich aber betete und den Gott anrief, sagte Zenon: "Unübertreffiich passend!", während er auch seinerseits zu dem Gott redete, den er unter anderem als 'Zuflucht' bezeichnete.' In der vermeintlichen Vorhalle aber betrachtete ich eine Bildsäule von mir, und bald schaute ich auf sie hin, als stelle sie meine Person dar 3, bald wieder kam es mir vor, als sei sie Asklepios selber in stattlicher, schöner Figur. Dies erzählte ich dann wieder als mir zuteil gewordene Traumoffenbarung dem Zenon selbst. Und es schien mir, als sei die Bildsäule34 eine große Ehre für mich. Wiederum sah ich dann die Bildsäule, als stehe ich in der langen SäulenhaUe des Gymnasiums 35 • Hinsichtlich der Badeanstalt aber hatte ich etwa folgendes Traumbild. 26 27 28
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öta ltoAÄwv; Behr übersetzt: "through many tokens". mxpepyov: zu dieser Erweiterung der Träume s. Behr 193. Eine für die Traumerinnerung bezeichnende Vermischung von zwei Demosthenesreden: 18, 170 u. 8, 23. Com. Att. Fragm. 1529 Kock (= J. M. Edmonds, The fragm. of Att. com., Leiden 1957, I S. 716). Dieser ältere AsklepiostempeI ist zu unterscheiden von dem jüngeren, in IV 102 erwähnten, "am äußeren Hafen, der damals noch im Bau war"; vgl. auch Edelst. I test. 814.813.709 u. Behr 62. - Weitere Asklepiostempel in Häfen verzeichnet Edelst. II S. 250. - Strabo 14, 1,4 u. 14, 1,37 berichtet, daß das "alte" Smyrna an einem Golf "nahe bei dem gegenwärtigen Gymnasion" lag, das neue dagegen 20 Stadien davon entfernt aufgebaut wurde. Dieser Zenon wird nur hier erwähnt. Behr vermutet in ihm den M. Antonius Zeno, cos. suff. des Jahres 148 ne. Ähnliche Traumverschiebungen von Personen, Gebäuden und Örtlichkeiten wiederholen sich öfters bei Aristides, z. B. gleich anschließend und 124. 25. Wir wissen von zwei Ehrenstatuen des Aristides, einer Bronzestatue auf dem Marktplatz von Smyrna und einer von einigen ägyptischen Städten gestifteten in Alexandria; vgl. R. Klein, Die Romrede des Ael. Aristides, Einführ., Darmst. 1981, S. 72. -ro -roü avöpuxVTO~ ist entweder = 6 aVöpt6:~ oder = "Die Erscheinung der Bildsäule". In dem Ausgrabungsbericht von O. Ziegenaus (Altert. v. Perg. 11, 2 S. 32ff.) wird sie "Die hellenistische lange Halle" genannt. Abbildung der "schier endlosen Portikus" auf Tafel 15. Sie erstreckt sich im Westen des Heiligtums; S. Altert. v. Perg. 11, 2 Gesamtplan Tafel 84.
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Zuerst trat ich, als ich mitten im Einreiben war, in eines der Privatbäder ein. Dann machte ich die Bemerkung, ich habe übersehen, daß ich hereinkam, während doch die Tage der Badezeit schon um waren. Dann kam es mir vor, als ob Phoibos36, der neben mir stand, mir zurede, so daß ich nun ohne Mißtrauen auch ins Wasser stieg. Ein andermal kam es mir vor, als ob unmittelbar vor der Asklepiosstatue ein junger, noch bartloser Turner über die Bäder spreche, wobei er die großen (Bäder) lobte und in dergleichen Dingen die Genüsse des Lebens suchte. Ich zeigte ihm nun das Meer und fragte ihn, ob auch hier zu baden besser sei oder in kleinem Raum. "In einem kleinen", meinte er. Daraufzeigte ich auf einen See und fragte, ob auch in einem so großen See besser oder in einem kleinen Raum. Auch hier gab er zu, vorzuziehen sei das Bad im kleinen Raum. "Also", sagte ich, "ist nicht durchweg das Größere vorzuziehen, sondern auch das Kleine hat seinen Reiz". Und zugleich bedachte ich bei mir selbst, daß auch für einen irgendwo von mir zu haltenden Vortrag die Bemerkung sich empfehle, es müßten wohl am Ende die Vergnügungen der anderen Menschen als Vergnügungen von Schweinen gelten, wogegen die meinige richtig menschlich sei, indem ich mich mit Reden beschäftige und daran meine Freude finde. Nun also jene Äußerungen meinte ich von dem jungen Menschen gehört zu haben über die Badeanstalt am Stadttor der Straße nach Ephesos. Und schließlich beschloß ich, einen Versuch anzustellen - denn wann eigentlich sonst gelte es zu wagen, wenn nicht jetzt? -, und so verabredeten wir uns auf die sechste Stunde in dem Gedanken, daß um diese Zeit ein Spaziergang am wenigsten gefährlich sei 37 • Als aber die Stunde gekommen war, beschuldigte ich den Bassus38, daß er in Verzug sei. "Siehst du", sagte ich, "wie schon der Schatten (die Mittagslinie) überschreitet?", indem ich auf den Schatten der Säulen hinwies. Wir machten uns auf den Weg, und als wir zum Ziel kamen, trat ich an das Kaltbecken draußen und prüfte das Wasser. Es schien mir wider Erwarten nicht sehr kalt zu sein, bläulich und von erfreulichem Aussehen. "Schön", sagte ich als kundiger Beurteiler der Güte des Wassers. Als ich aber weiter nach innen kam, fand ich dagegen ein anderes, das in dem wärmeren Raum besser überschlagen war, und gleich bei meinem Eintritt legte ich auch schon meine Kleider ab. Ich nahm ein Bad, und zwar ein sehr angenehmes. Am 23. Erbrechen auf den Abend, auch dies einem Traum gemäß. Am 24. fand ich mich irgendwo in (den) warmen Bädern39 • Da waren nun einige Gesellen, die Dolche trugen und auch sonst recht verdächtig waren, in der Nähe. Und wirklich, schon traten auch einige von ihnen an mich heran, als wollten sie mich zu ihrem Anwalt gewinnen, denn sie seien von gewissen Leuten vor Gericht gefordert. Als ich nun einmal umzingelt war, 36
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Sonst unbekannt; vielleicht ein Sklave? - Festugiere a. O. und Hommel (brieflich) halten ihn eher für den Gott ApolIon selbst; vgl. Anm. 108. Ähnliche Zeitvorschrift in V SI. Nach Behr 48/9 ist es vielleicht C. Julius Bassus Claudianus aus einer Seitenlinie der großen pergamenischen Familie der Quadrati. Er war Stratege von Pergamon um 129 nC. Außerhalb von Smyrna, vgl. II 7.
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befand ich mich in größter Verlegenheit, da ich den Leuten nicht traute und doch mein Mißtrauen nicht merken lassen wollte. Ich ging nun einen Weg und gewann einen sehr langen überwölbten Gang, in dem meine Angst vor einem Überfall sich aufs höchste steigerte. Als ich nun voll Freude glücklich hindurchgekommen war, schien es mir, als stehe ich in Smyrna auf dem Marktplatz der Stadt und sinne auf ein Mittel, möglichst rasch eine große Menschenmenge zusammenzubringen, der ich den Vorgang zur Anzeige bringen könnte. Darauf nehme ich selbst eine Fackel in die Hand, und alle Menschen auf dem Markt trugen Fackeln und stimmten den euripideischen Vers an: ,,0 Helios, mit flinken Rossen rollend die Flammenscheibe!"40 Denn zugleich mit Sonnenaufgang glaubte ich die Stadt zu betreten 41 . Und später war es mir so, als erzähle ich diese Geschichte dem Statthalter Quadratus 42 als Traumerlebnis, worauf er sagte: "Tu so!" Und die Fackel wurde in die Höhe gehoben: Enthaltung vom Bad 43 . Am 25. 44 träumte ich, ich trete mit meinem Lehrer Alexander45 vor den Kaiser46 , der auf einem erhöhten Sitz saß. Zuerst begrüßte ihn Alexander und war von ihm und den Leuten des Gefolges begrüßt worden als alter Bekannter und Freund. Dann trat ich näher. Nachdem auch ich ihn begrüßt hatte und stehen blieb, drückte der Kaiser sein Befremden darüber aus, daß ich nicht gleichfalls an ihn herantrete und ihn mit dem Freundeskuß begrüße47 . Daraufsagte ich, ich sei der Verehrer48 des Asklepios. Denn diese Angabe über meine Person genügte mir. 40
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41 In V 31 spielt sich die gleiche Szene in Smyrna (V 29) ab; s. Behr 307. 42 L. Statius Quadratus, Prokonsul von Asien i. J. 165/6 nC. Unter ihm erlitt der Bischof Polykarp von Smyrna den Märtyrertod. AusflihrIich über ihn Behr 98-100.
43 Wortstellung durch Keil berichtigt. Anscheinend soll das Hochhalten der Fackel die 44
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Enthaltung vom Bad anzeigen. Am 17. Jan. Alexander von Kotyaeion (heute: Kütabya, etwa 300 km Öst!. von Smyrna) in Phrygien war der berühmteste Lehrer der Grammatik und der griech. Literatur im 2. Jh. n. Chr. Er war - wohl in Smyrna - Lehrer des Aristides, der später eine Leichenrede auf ihn schrieb als Brief an Rat und Volk von Kotyaeion (= Nr. XXXII Keil). Alexander war später auch Erzieher des Mark Aurel und des L. Aurelius Verus. Ausflihrlich über ihn: Wentzel, RE I 2 Sp. 1455 'Alexandros' Nr. 95. Antoninus Pius (138-61). Die Vermutung, diese Traumszene spiegele ein Erlebnis aus der Zeit des ersten Aufenthaltes des Aristides in Rom i. J. 144 wider, ist mir nicht sehr wahrscheinlich. Weder war Aristides damals schon in einem solchen Maße "Verehrer" des Asklepios, noch wird sein Selbstvertrauen damals schon so groß gewesen sein, wie es die Fortsetzung dieser Szene zeigt. Die Sitte, den Kaiser bei der Begrüßung zu küssen und seinen Kuß zu empfangen, war allgemein verbreitet; s. Fronto, epist. ad M. Caes. III l3, 3 (= III 14,3 ed. van de Hout, 1954, S. 46). iiepa1teuTT1C;: Die" Verehrer" bildeten eine besondere kultische Gruppe in den Tempeln nicht nur des Asklepios, sondern auch des Sarapis und der Isis. - "Die Zeugnisse zeigen klar, daß die pergarnenischen Therapeuten des Asklepios einen Kultverein prominenter Personen bildeten" (Habicht, Altert. v. Perg. 8,3 S. 114). Zu ihren Mitgliedern gehörten neben Aristides der Konsular Flavianus, der Arzt Galen und viele andere, s.
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"Unter anderen Weisungen nun", bemerkte ich, "hat mir der Gott auch diese gegeben, ich solle nicht so ohne weiteres Freundschaft pflegen". Darauf sagte er: "Schon gut". Und ich verstummte. Darauf er: "Führwahr die Verehrung des 24 Asklepios übertrifft jede andere"49. Am 26. zeigte sich mir das Heiligtum des ApolIon auf dem Berge Milyas50 • Es schien aber, als seien einige Gebäude hinzugekommen und der Platz heiße Elephantine nach dem ägyptischen Elephantine 51 • Da freute ich mich wegen der Gebäude selbst und wegen der 25 Verwandtschaft des eines Platzes mit dem anderen. Auch schien es mir, als sei Priester des Gottes der Isispriester von Smyrna52 , bei dem ich auch zur Herberge sei. Und ich bedachte bei mir, daß ich seit langer Zeit in mancherlei freundschaftlichen Verbindungen mit diesem stehe, und glaubte, zufällig auch früher etwas von ihm gekauft zu haben, wovon ich noch einen Rest übrig hätte, den ich 26 umtauschen möchte. Demgemäß kam es mir vor, als sagejemand: "Koiphi mit Wein"53. Sogleich habe ich es als Heilmittel genommen und mir überlegt, ob man es dem Gesicht applizieren müsse oder auch den inneren Teilen. Und alsjemand bemerkte, es brenne, wo man es hinbringe, sei mir der Gedanke gekommen, daß es mehr als alles (andere) sich für eine kühlende Arznei eigne. Und so habe ich wohl demgemäß zu dem Priester gesagt, es sei klar aus dem, was ich gelesen, daß ich es nicht essen dürfe. Und natürlich stand es mir sofort im Sinne fest, daß ich den Tag ohne Speise verbringen sollte. Ich fastete also. Der folgende war wieder Habicht a. O. - In der sog. Lex sacra von der Hallenstraße des Asklepieions ist von den Aufgaben dieser "Verehrer" die Rede, s. Wörrle, Altert. v. Perg. 8, 3 S. 169 Z. 24ff. u. 182-4. - Aristides erwähnt diese 'Verehrer' noch mehrmals, z. B. Ir 47. IV 16. 19.50 usw. 49 Über die Wertschätzung der verschiedenen Asklepieien durch die römischen Kaiser und ihre tatkräftige Hilfe bei Erdbebenkatastrophen s. u. a. Edelst. Ir S. 254. 50 Seine Lage ist unbestimmt und umstritten. Behr sucht ihn in Mysien in der Nähe des Pelekas-Gebirges bzw. hält ihn möglicherweise für identisch mit diesem. Literatur zu dieser Frage bei Behr, Übersetz. S. 426 Anm. 43. 51 Aristides weilte vom Mai 141 - Apr. 142 in Ägypten. Von seinem Standquartier in Alexandria aus unternahm er viele touristische Exkursionen bis zu den Nilkatarakten. Seine Erlebnis'se dort spiegeln sich in seiner später verfaßten Rede 'Aigyptios' (Nr. 48 Keil; ebd. § 46ff. über Elephantine) und beeinflußten auch noch lange sein TraumerIeben (vg!. I 26. 61; III 3. 4). - Ausführlich dazu Behr S. 15-21. 52 Neben dem beherrschenden Sarapis spielte Isis nur eine untergeordnete Rolle im Leben des Aristides. In Smyrna allerdings, wo ihr Kult den des Asklepios überragte, lebte der Glaube an die Gnade der Isis gelegentlich stärker wieder auf; vg!. z. B. III 45 f. 49f. IV 97. 53 'Kyphi', ein ägyptisches Räuchermittel, dem Aristides vielleicht bei einer Inkubation im Isistempel (in Smyrna) empfohlen, wurde auch von griech. Ärzten als abführender Trank wie als erweichendes Einreibemittel verwendet. Die Zahl der zu verarbeitenden Ingredienzien wuchs von 10 (bei Dioskurides) bis zu 50 (bei dem byzantin. Nikolaos 'Myrepsos' = Salbenkoch, im 13. Ih.). Das Kyphi wurde in Ägypten in eigenen Tempellaboratorien hergestellt unter Vorlesen heiliger Schriften (wohl Rezitation von Zauberformeln). Vg!. dazu ausführ!.: Plutarch, Über Isis und Osiris cap. 80, Übersetz. u. Kommentar v. Th. Hopfner 2. Teil, Darmstadt 1967, S. 5011 u. 287ff.
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ein Tag des Badeverbotes. Am 28. kam es mir vor, als hätte ich meine Nahrung nicht richtig verdaut und hielte mit meinem Erzieher Zosimos 54 Beratung über das Bad und frage ihn, ob ich fernerhin baden solle. Er habe nicht zugestimmt. Daraufhin habe ich gebadet, und mein Magen sei in übler Verfassung gewesen. Dann habe ich zu Zosimos gesagt: "Hätte ich denn fasten sollen?". Und er habe 28 erwidert: "Allerdings". So fastete ich wieder. Und am folgenden Tage mußte ich mich wieder erbrechen gegen Abend. Mein Traum aber war, daß ein Knochen drinnen (im Magen) liege, den man herausbringen müsse, mein Gedanke aber auch: Blutentziehung an den Knöcheln 55 • Ich tat so, und es trat nur 29 wenig (Blut) aus. Am 1. des Lenaion 56 kam es mir vor, als habe ich mich im Hadrianeum57 gesalbt, doch ohne zu baden. Als ich dann zurückkam, habe ich zu einem meiner Freunde gesagt, ich habe nicht gebadet, sondern mich bloß gesalbt. Daraufhabe er erwidert: "Auch ich habe mich bloß gesalbt". Enthaltung 30 vom Bad für sechs Tage. Am 2. kam es mir vor, ich sei im Asklepiostempel 58 in aller Morgenfrühe, gerade von einer Reise kommend, und freue mich, wie schnell geöffnet wurde. Ich meinte aber auch, ich höre die Knaben59 das alte Lied 60 singen, das anfängt: "Zeus, den Allerhöchsten, rühme ich", und sie seien an jener Stelle des Liedes: 27
"Denn viel ist es mir, viel, Zu lobsingen den Göttern Das Herz sich zu wärmen 31
Kerngehalt des Lebens Und in Festfreude Unter solchem Führer der Jugend",
so daß ich mich wunderte, wie das Lied von sich aus einsetzte 61 • Wiederum schien es mir, als ob ich, im Gedanken, daß das Geburtsfest62 herannahe, meine 54 55
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AusfUhrlich über ihn: Zucker, Zosimos 4, RE X A, 1972, Sp. 787-90. Ähnliche Aderlässe I 56. 59. - Zu den vorhergehenden Krankheitssymptomen s. Einleit. S. 1l. Der Monat, der dem Posideon folgt; er umfaßt die Zeit vom 24. Jan. - 20. Febr. Die Stifterin der Bibliothek im NO des Asklepieions, Flavia Melitine, hat in der Bibliothek eine Statue des 'Gottes Hadrian' gesetzt, der in Pergamon auch als 'neuer Asklepios' gefeiert wurde. Dies ist die von Aristides als 'Hadrianeum' bezeichnete Kultstätte. - Zu erinnern ist auch daran, daß der Stifter der Nordhalle des Heiligtums diese dem Asklepios und dem Kaiser gemeinsam gewidmet hat. Zu dieser alten Streitfrage s. jetzt ausfUhrlich Habicht (Altert. v. Perg. 8, 3) S. 9f.; 29f. (m. 6); 84f. (m. 38); 103-6 (m. 64). Offensichtlich in Pergamon, wo Aristides schon vor seinem Daueraufenthalt häufiger Gast war. Aus IV 38 geht hervor, daß Aristides auf Geheiß des Asklepios in Pergamon einen "Knabenchor" unterhielt (Edelst. II S. 194 hält ihn anscheinend fUr einen "Sklavenchor"). Der Verfasser ist unbekannt. Der Text bei Bergk, Poetae Lyrici Graeci III 4 S. 684. Aristides wundert sich, daß er den Anfang des Liedes nicht gehört hatte, das für ihn erst mit den zitierten Worten einsetzte. "Aristides war geboren am 4. Aydnaios (= 26. Nov.), aber wie manche andere der Alten feierte er seinen Geburtstag am 4.jedes Monats (Hier: am 4. Lenaion = 27. Jan.)" Behr, Übers. S. 427 Anm. 52.
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Diener ins Heiligtum schicke, damit sie irgend etwas dorthin bringen, während ich zugleich eine Aufschrift mache auf die Gegenstände, die sie überbrachten6l, und Kunst anwende für ein Wort guter Vorbedeutung, damit alles, was für meine Rede notwendig sei, gut vonstatten gehe 6'. Am 3. bot sich das Bild, daß Lampen ins Heiligtum getragen wurden vom Türhüter, entsprechend einem Gelübde für mein Wohlergehen. Auch sollte ich mich erbrechen. Das Erbrechen trat ein. Am 5. war es mir, als bete ich zu den Göttern, zunächst zu allen, die anzurufen ich gewohnt bin, zugleich, dann insbesondere zu Zeus, zu Ares und zu den SChutzgottheiten Syriens 65 • Und die baulichen Anlagen schienen dort ähnlich zu sein wie bei mir zu Hause. Und darauffand die Audienz66 beim Kaiser statt. Ich hatte ja zu dem damals in Syrien weilenden Kaiser geschickt. Und die Sache lief gut ab. Am 7. kam es mir vor, als erblicke ich in dem Auskleideraum eines Bades den Redner Charidemos aus Phönikien67 • Er war strahlenden Angesichts und kam frisch vom Bad. Bei der Begrüßung glaubte ich, nebenbei zu ihm zu sagen, er habe früher gebadet, und zugleich mich auszuziehen. Ich nahm ein Bad. Und wieder am 10. des Monats schien es mir, als führe Antoninus, der Sohn des Pythodoros 68 , mit mir ein Gespräch über Preisreden auf die Nymphen69 • Auch ich selber bemerkte dann, es gebe keine anmutigeren Göttinnen und es sei unbedingt auch dem wackeren Manne vergönnt, von ihnen einen Vorteil zu haben, selbst wenn er nicht häufig Bäder nehme, wenigstens in bescheidenem
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Die verschiedenen Arten von Dankgaben an Asklepios verzeichnet Edelst. II S. 190. Wie aus § 33 hervorgeht, hatte Aristides dem Kaiser L. Verus, der i. J. 162 in den Krieg gegen die Parther gezogen war, eine Glückwunschrede nach Syrien gesandt. Man wird am ehesten an Atargatis, die 'dea Syria', denken, daneben an den Jupiter Heliopolitanus, dessen riesiger von Antoninus Pius restaurierter Tempel sich noch heute in Baalbek erhebt, und noch mehr an den Jupiter Dolichenus, den zum Schutzpatron der kaiserlichen Heere erhobenen Blitzgott einer kleinen Stadt Kommagenes; s. F. Cumont, Die oriental. Religionen im röm. Heidentum' (Darmstadt 1959) S. 94-103 u. neuerdings M. J. Verrnaseren, Die oriental. Religionen im Römerreich, Leiden 1981, bes. S. 193-263. 1tp6aoöo~: Behr übersetzt: 'Prozession'. Sonst unbekannt. Sex . .Tulius Maior Antoninus Pythodorus. Der volle Name seines Sohnes, von dem wir sonst nichts wissen, wird ähnlich gelautet haben. Beide entstammen einer vornehmen Familie aus der karischen Stadt Nysa. Der Vater wurde bes. durch seine reichen Stiftungen fiir Epidauros bekannt, doch hat er sich auch um das Asklepieion und die Stadt Pergamon verdient gemacht, wie aus einer Inschrift hervorgeht. AusfiihrIich über ihn Habicht, Altert. v. Perg. 8, 3 S. 59. 64/5 und Stein RE 24, 1963, Sp. 593-6 (nr. 14). In seiner Rede "Auf den Brunnen im Asklepiosheiligtum" (39 Keil) bezeichnet Aristides (§ 3) die Nymphen als Hüterinnen dieses heiligen Brunnens und als Helferinnen des Asklepios Soter bei der Heilung Kranker. Es ist der Brunnen (mit Quelle) auf der Felsbarre im NW des Heiligtums (Ziegenaus, Altert. v. Perg. 11, 2 S. 5/6). Aristides benutzte ihn oft bei seinen Kuren (U 70.73/4). Auch in IV 4 spricht Aristides von Liedern, die er auf die Nymphen verfaßte. - Über die Verehrung der Nymphen in Pergamon s. Habicht, Altert. v. Perg. 8, 3 S. 134f.
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Maße. Außerdem aber hielt ich im Traum auch eine Lobrede aufHygieia70 • Am 12. kam es mir vor, als ob der Kaiser Antoninus der Ältere 7l und der König der Feinde 72 einen Friedens- und Freundschaftsvertrag geschlossen hätten. Als aber Vologaeses mit seinem Gefolge herankam, sprachen sie mit sehr lauter Stimme, wie es schien in griechischer Sprache73 • Darauf kamen beide mit ihrem königlichen Gepränge in meine Nähe: Antoninus rechts in der Fülle seiner Kraft, der andere dem Aussehen nach männlich imponierend. Er nahm aber nicht weit von 37 mir Platz, auf der anderen Seite auf einem Thronsessel Antoninus. Ich glaubte wahrzunehmen, daß der Meder sich auch auf manche ärztliche Fragen verstehe. Er reichte mir die Hand und fragte: "Wann hältst du uns eine Vorlesung?" Ich freute mich über das Wort und erwiderte: "Wann Ihr befehlt". Darauf machten jene sich bereit, meinen Vortrag zu hören, ich aber ging heim, um unter meinen 38 Schriften Auswahl zu halten. Auch beschloß ich, so gut es in der Eile gehe, einen Prolog auf sie zu verfassen. Er lautete etwa so - ich träumte, ihn ganz im Gedächtnis zu haben, doch was ich davon behalten habe, (ist nur dies): "Wohl hat auch sonst schon ein Mensch, wenn ihm ein Glück widerfahren war und er seiner Freude Ausdruck geben wollte, ausgesprochen, ihm sei der Mut mehr als doppelt gewachsen7" oder ein anderer, es komme ihm vor, als sei er auf den Inseln der Seligen75 : ebenso ergeht es auch mir selbst heute am gegenwärtigen Glückstage". Zugleich überlegte ich mir auch, ob ich meine Rede auf beide gleichmäßig einstellen oder unserem Kaiser größere Ehre erweisen solle und dann erst das folgen lasse, was den anderen angehe. Dann fuhr ich etwa folgendermaßen fort: "Wäre ich nicht geübt im Anschauen göttlicher Erscheinungen, so hätte ich schwerlich auch nur diesen Anblick aushalten können. So wunderbar scheint er mir zu sein und überwältigend für einen menschlichen Zuschauer". Ich sprach von göttlichen Erscheinungen und wollte damit hauptsächlich auf Asklepios und 39 Sarapis hinweisen. Soviel hiervon76 • Aus meinen Schriften aber hielt ich anfangs für gut eine auszuwählen, dann aber entschloß ich mich, die Truhe bringen zu lassen und ihnen selbst die Auswahl nach ihrem Belieben anheimzustellen. Denn das, dachte ich, sei auch sonst eine Höflichkeitsbezeugung, und zugleich werde ich auf diese Weise ihnen am meisten imponieren. Später 36
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Göttin der "Gesundheit", gehört zum Kreis der Heilgötter um Asklepios, mit dem sie in Kult und bildlichen Darstellungen eng verbunden ist. - In Pergamon sind bisher 11 (bzw. 13) Dank- und Weihinschriften auf Hygieia (zusammen mit Asklepios Soter) gefunden worden. Übersicht bei Habicht a. O. S. 197 'Hygieia'. - Zur Darstellung in der Kunst s. Hausmann, Kunst u. Heiltum (1948) S. 28-34 u. 175ff. Mark Aurel, im Gegensatz zu dem jüngeren L. Verus. VOlogaeses III., König der Parther seit 148. Der Friede wurde 166 n. ehr. geschlossen.Die Szene ist natürlich bloß 'geträumt'. Griechisch und Aramäisch waren Amtssprachen im philhellenischen Königreich der Arsakiden. Sprachliche Anlehnung an Plat. Euthyd. 300 d. Sprachliche Anlehnung an Plat. Menex. 235 c. Einer der vielen einförmigen Überleitungssätze.
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träumte ich auch, daß ich das als Traumerlebnis dem Pelops 77 Wort fiir Wort erzähle. Später schien es mir dann, als ob mir nach einem Bad etwas gebracht werde. Bald kam es mir vor wie kaltes Wasser, bald wie Milch. Ich fand mich nun in Verlegenheit und sagte so zu Zosimos, ich hätte weder Durst noch Hunger: warum sollte dajemand essen? Daraufwurde das Fasten genehmigt,und es kam mir vor, als ob der Priester meine Lippen aussauge 18 . An diesem Tage Fasten, am nächsten Enthaltung vom Bad, am übernächsten Enthaltung vom Bad und Erbrechen. Am 15. kam es mir vor, als hätte der Statthalter19 mir einen Brief geschickt mit folgender Anredeformel: "Dem Priester80 Aristides Gruß". Auch dieser Tag war ein Tag ohne Bad. Am folgenden Tag mußte ich mich mit einigen Eimern Wasser übergießen lassen. Darauf Enthaltung vom Bad. Am 18. war es mir, als ob der Dichter Metrodoros81 in Smyrna beim Dichterwettstreit auftrete, der gerade etwa auf diesen Tag fiel. Ehe er hineinging, plauderte er mit mir über einige Dinge, und zugleich aß er Lauchblätter und ein Ei mit Brot, und einen Teil des Eies ließ er übrig. Ich aber sprach zu ihm: "Daß du auch nur nach einer kurzen Pause zum Wettkampf kommst!"82 Es kam aber die Rede auch auf das Heiligtum in Pergamon und den Brunnen, wie herrlich es sei, selber an ihn heranzutreten und zu trinken, wie herrlich auch, einen anderen trinken zu sehen, wie herrlich endlich sein bloßer Anblick83 . In solcher Unterhaltung glaubte ich begriffen zu sein und dabei die Bemerkung gehört zu haben, wenn ich mich in den Händen des Gottes befände, dann dürfte man Hoffnungen hegen. Zugleich aber war es mir doch auch irgendwie, als stünde ich daheim im Torweg und trete mit erstarrtem Fuß in den großen Saal ein und es komme jemand von den Leuten im Tempel des Olympischen Zeus 84 zu mir, ich aber erzähle ihm von Träumen, die mir von dem Gott geschickt worden seien, und fordere ihn auf, mir zu helfen. Er erwiderte, auch ihm selber sei ein Traumauftrag geworden, er solle nämlich eine Schweinskeule nehmen und sie im Heiligtum des Asklepios zum Schlaf niederlegen, nachdem er sie so hergerichtet habe, wie ich es (mit mir 77
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Wird nur hier erwähnt; vielleicht ist der Lehrer Galens gemeint, dem dieser sich in Smyrna enger angeschlossen hatte, s. Deichgräber, RE 19, 1 Sp. 391 nr. 5. Behr (Hommages iL Vermaseren I, Leiden 1978, S. 19 und 22) bringt diese seltsame Szene in Verbindung mit dem Traum III 47 und sieht in ihr: "an action reminiscent of the conjectural circumcision ofhis face in the dream following the death ofZosimos". s. oben Anm. 42. Schon oben§ 15 sah Aristides sich im Traum inPriesterkleidern; in IV 101 wird ihm das allgemeine Priesteramt Asiens angeboten und in IV 102 das Priesteramt des Asklepios, die er allerdings beide ablehnt. Sonst nicht bekannt. Zum Text der Stelle s. IV 18 u. Kühner-Gerth, Gramm. der griech. Sprache3 II 2 S. 376 Anm.6. s. oben Anm. 69. - In den §§ 1. 13. 17 dieser Rede preist Aristides das Trinken, Baden und den bloßen Anblick. Dieses Zeusheiligtum, das mehrfach erwähnt wird (z. B. III 20.41 usw.),ist das heimatliche des Aristides, "bei dem ich aufwuchs" (IV 28). Über seine Lage und Identifizierung s. Behr 5-6.
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selber) zu machen pflege 85 • Darauf schien es mir, als befinde ich mich in Pergamon und übersende dem Gott einen Kranz von der Art der langen, wie man sie besonders dem ASklepios darbringt, mit dem Auftrag an den Überbringer es war dies Agathion86 -, er solle mir dafür vom Tempelwärter einen anderen bringen. Als er diesen zurückbrachte, meinte ich, ihn neben mich zu legen, so wie ich gerade dalag, an die rechte Seite. Darauf befand ich mich an irgendeinem unbestimmten Orte. Ich stand aber auf und suchte meine Amme 87 - sie hatte ihr Zimmer meiner Tür gegenüber -, und irgend jemand gab Auskunft, als wären ihr einige Widerwärtigkeiten begegnet, ehe ich gewahr wurde, daß die Amme selbst herankam und daß Kallityche, meine Pflegeschwester88 , sie begleitete. In der Hand trug die Amme - zuerst hielt ich es für Äpfel, dann aber waren es drei gekochte Eier, geschält, als sollte ich sie sogleich verspeisen. Sie brachte mir diese und sagte dabei: "Wie eben die Dinge vom Lande sind". Ich aber wunderte mich und sagte, daß die Eier nach göttlicher Fügung kommen. "Denn", sagte ich, "der Gott gab mir heute die Weisung, ein Ei und Gemüse zu essen und einen Kranz von seiten des Gottes neben mich zu legen". So machte ich es. Der Kranz stammte aus dem Tempel des Zeus Asklepios 89 • Enthaltung vom Bad aber 85
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Die Schweinskeule wird in Decken gehüllt im Heiligtum niedergelegt, wie der Kranke sich zum Heilschlaf im Abaton (Inkubationsraum) niederlegt. - Schweineopfer sind im Asklepioskult bes. in Epidauros bezeugt. - "Von dem geopferten Tier sind dem Gott auf der Trapeza [dem heiligen Tisch] der rechte 'Schenkel' und die inneren Teile vorzulegen" als Opferanteil für den Priester; s. Habicht, Altert. v. Perg. 8, 3 S. 175 - Zu den Inkubationsräumen in Pergamon s. Ziegenaus, Altert. v. Perg. 11, 1 S. 17. 19.32 und Bd. 11, 2 Tafel 84. Sonst nicht bekannt; vielleicht soll sein Name an die Glücksgöttin (Agathe Tyche) anklingen. Sie hieß Philumene (I 78). Zu ihr und ihren Kindern hatte Aristides ein inniges Verhältnis. Die Tochter seiner Amme. Sie wird noch einige Male erwähnt (z. B. V 19 - 25) mit ihren Kindern Philumene und Hermias. Dieser Doppelname ist nicht nur mehrfach bei Aristides und Galen bezeugt, sondern auch inschriftlich (Habicht, Altert. v. Perg. 8, 3 S. 103 nr. 63). Der Sinn dieses Doppelnamens ergibt sich aus Aristides' "Ansprache an Asklepios" (42,4 Keil): "Asklepios' Macht ist groß und vielfältig,ja geradezu allumfassend ... und nicht umsonst haben die hiesigen Bewohner einen Tempel des Zeus Asklepios errichtet ... dieser ist es, der das Universum lenkt und leitet, der Heiland des Alls und Wächter der Unsterblichen ... wenn wir ihn aber für den Sohn ApolIons und den dritten von Zeus [der Abstammung nach] halten, so verknüpfen wir sie auch wieder mit ihren Namen". - Damit wird Zeus Asklepios zum universalen Allgott gesteigert, wie das zur gleichen Zeit etwa bei Apuleius mit Isis geschieht. - Dieser "universale Zeus Asklepios ist eine gedankliche Konstruktion gebildeter Kreise ... (er) hatte seine Gläubigen in einer relativ dünnen Schicht Intellektueller" (Habicht a. O. S. 13). - Ebenso eindeutig ergibt sich der Sinn des Tempels aus der Form seiner Anlage und der Zeit seiner Erbauung. Der Tempel war eine "verkleinerte Wiederholung des Pantheons" mit kugelförmiger Kuppel und kreisrunder Öffnung in der Mitte als einziger Lichtquelle (Habicht a. O. S. 11). Während der Bauzeit des Pantheons war Hadrian i. J. 123 n. ehr. in Pergamon. Mög-
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wurde mir für die Dauer vieler Tage90 angezeigt. Am 19.91 war es mir, als ob ich mich im Palast92 befände, die Aufmerksamkeiten und Ehren aber, die mir die Kaiser93 fortgesetzt in all ihren Handlungen bezeigten, wunderbar und nicht zu überbieten wären. Denn mir ausschließlich wurde alles erwiesen, wovon sonst niemand auch nur einen bescheidenen Teil erhielt. Fürs erste nämlich verbrachte ich mit ihnen die Zeit drinnen und teilte mit ihnen die Wohnung, während keiner der hochmögenden Herren 94 sonst zugegen war. Ferner aber nahmen sie mich auf ihren Gängen mit. Sie gingen aus, um einen Graben zu besichtigen, den sie um die Stadt ziehen ließen, damit das eindringende Wasser keinen Schaden tue 9s, wobei ich auch die ausgeworfene Erde sah 96 • Wunderbares bezeigten sie mir auch auf dem Wege. Wiederholt geriet ich nämlich in die Mitte der bei den, und sooft ich dann auf die andere Seite treten wollte, um den Älteren in die Mitte zu bringen, tat der Jüngere das selbst, und ich blieb immer an meinem Platz. Er schien mir aber auch noch im Knabenalter zu stehen. Das traf sich oft so, und als wir vollends an eine steile Stelle kamen und gleichsam eine Leiter anlegen mußten, leistete zuerst der Jüngere Hilfe - und ich sagte dazu, wie dankbar ich dafür sei -, dann oben am Ende der Ältere. Und als er fragte: "Wie (hat er geholfen)?", versicherte ich, in allem und jedem habe er mir geholfen. Als ich mich darauf entfernen wollte, sagte ich: "Ich danke Euch, Majestäten, für alle Fürsorge und Ehre, womit Ihr mich geehrt habt". Sie aber fielen mir ins Wort und sagten: "Vielmehr wir danken den Göttern, daß wir einen solchen Mann kennenlernen durften. Denn wir glauben, daß er auch in seinen Reden ähnlich ist". Darauf sagte zuerst der Ältere, es komme demselben Menschen zu, ein tüchtiger Mann zu sein und ein tüchtiger Redner. Der Jüngere aber führte das weiter aus, indem er den Ausspruch zitierte, der rednerische Charakter sei eine Auswirkung des persönlichen97 • Darauf sagte ich: "Ich wünschte wohl, daß dem so wäre. Denn es kommt mir zugute für meine Reden, weil ich ja doch im übrigen so günstig von Euch beurteilt werde und also zwei Iicherweise war er sogar der Initiator und spätere Förderer dieses Rundtempels, der schließlich durch einen (von Hadrian in den Senat aufgenommenen) Pergamener, den Konsular L. Cuspius Pactumeius Rufinus, errichtet wurde, vielleicht noch vor dem Tode Hadrians (138 n. Chr.), s. IV 28 und Habicht a. O. S. 10f. - Zur baulichen Gestaltung dieses Tempels s. die abschließende Publikation von Ziegenaus, Altert. v. Perg. 11,3 S. 30-75, bes. 68 und die Tafeln 9ff. 90 s. oben Anm. 26. 91 11. Febr. 92 wahrscheinlich in Rom. 93 M. Aurel und L. Verus. 94 Gemeint sind die "Sophisten"; zum abschätzigen Gebrauch dieses Wortes durch Aristides s. zu III 8 (Anm. 13). 95 Behr (Übersetz. S. 427 Anm. 75) verweist auf den Kanal, den Trajan zur Ableitung des Tibers hatte graben lassen (nach Plin. epist. 8, 17). 96 s. unten § 50 Ende. 97 Zu dem Sprichwort: 'Wie der Charakter so auch die Rede' vgL E. Norden, Die antike Kunstprosa I S. 11 Anm. 2.
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Vorzüge zugleich haben soll statt des einen". So etwa erwiderte ich ihnen. Es war aber noch zahlloses andere, was vorging und besprochen wurde und was alles Erzählen und Hoffen übersteigt. Als ich darauf wieder einschlief, war es mir, als ob einer der Vornehmen98 , Diophanes mit Namen99, zu mir spreche als Beobachter und Zeuge meiner überschwenglichen Ehren, aber auch, als ob einer meiner jüngeren Freunde zugegen sei und sich verwundere, als er hörte, wie ich überall so hohe Achtung genieße. Darauffinde ich mich in einer Badeanstalt. Und zuerst kam mir der Gedanke, was ich da doch angestellt habe, daß ich nämlich ein Bad nahm, ehe ich die Kaiser sah lOo • Denn es kam mir vor, als wäre ich gestern schon mit ihnen zusammengetroffen. Darauf sagte ich, als ich mich schon einrieb und ein wenig Schweiß auftrat: "Gehen wir hinein!" So nahm ich denn ein Bad, und am Abend erbrach ich mich, der Bedeutung der ausgeworfenen Grabenerde gedenkend. Trotzdem war ich noch unschlüssig hinsichtlich der Reise nach Pergamon wegen der früheren Träume 101 • Jetzt nun wurde mir deutlich angezeigt, ich solle zuwarten. Einmal nämlich schien es mir, als hätte ich mich gegen Abend irgendwohin aufgemacht und bereute das und erklärte es für unmöglich, Hadrianutherai zu erreichen, und dann, als sei ein Mann von Hadrianutherai gekommen, der eine Rolle von Menander lO2 brachte und aussagte, es sei ein furchtbarer Dreck und Morast und unmöglich durchzukommen. Und wieder glaubte ich, es regne und es tretejemand an mich heran mit der Meldung, einer meiner Prozeßgegner sei in Hadrianutherai anwesend und ich müsse hinab gehen, um etwas zu erreichen, und ich hätte ihm erwidert: "Was kommt dabei für ein Vorteil heraus, da mir der Gott doch zu bleiben befohlen hat?" Dann wieder war mir, als ob ich das später einigen Leuten erzählte, wobei ich das Ganze so auffaßte: weil ich mich ungern zum Bleiben verstand, habe der Gott mir einen Ausweg gezeigt, indem er meinen Sinn ändern wollte, damit ich lieber dabliebe. Auch Hinweise auf Enthaltung vom Bad waren damit verbunden. Und es trat furchtbares Regen- und Sturmwetter ein noch am Abend. Am folgenden Tage wurde nicht gebadet und das Genossene erbrochen. Und nach dem 98 YVWptf.Lwv: Keil = 'clarissimus', Behr 99 Sonst nicht bekannt. 100 101
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= 'Bekannten'.
In I 45 war ihm Badeverbot erteilt worden. Der Gedankengang ist verwickelt. Keil deutet ihn so: Die Worte "Gehen wir hinein!" (§ 50) sind für Aristides ein Traumbefehl, sich nach Pergamon zu begeben. Es gab jedoch Leute, die von der Reise abrieten. "Trotzdem" dachte Aristides weiter an die Reise "wegen der früheren Träume" (I 42. 44), in denen ebenfaIls Pergamon aufgetaucht war. - Der Traum fand am 19. Lenaion (= 11. Februar) statt (I 46). Es kommt hier nicht auf ein bestimmtes Stück des berühmten Komödiendichters an, sondern auf die Bedeutung der 1. Silbe seines Namens (f.Levetv = bleiben). Vgl. dazu das Traumbuch des Artemidor III 38: "Die eigentliche Bedeutung der Eigennamen darf man bezüglich der Auslegungen nicht als überflüssig außer acht lassen ... Oft kann man schon aus ihnen allein etwas weissagen; so verhindern z. B. 'Menon' [= der Bleibende], 'Menekrates' [= der Platzbehaupter] das Antreten einer Reise ... "; vgl. auch die späteren Namensdeutungen in IV 19 u. V 66.
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Erbrechen fühlte ich mich so elend, daß ich froh sein wollte, wenn ich nur bis zum nächsten Tage das Leben friste. Am folgenden Tage wurde mir Fasten auferlegt, und zwar auf folgende Weise: ich glaubte, mich in Smyrna zu befinden, war aber voll Mißtrauen gegen alles, was ich wahrnahm und sah, weil ich mir nicht bewußt war, eine Reise gemacht zu haben. Ich glaubte, es würden mir Feigen aufgetragen; darauf zeigte mir der Seher Koros lO \ der zugegen war, daß darin ein schnell tötendes Gift sei. Infolgedessen wurde ich voll Argwohns, erbrach mich geflissentlich und überlegte zugleich: wie, wenn ich es nicht gründlich herausbringe? Darauf sagte jemand, auch in einer anderen Speise sei von dem Gift, worauf ich in noch größerer Beklemmung war und mich darüber aufregte, daß ich das nicht schon früher erfahren hatte. Nach diesem Gesicht vermutete ich, es werde mir Fasten angezeigt, jedenfalls entschied ich mich dafür. Ich bat aber den Gott, er möge mir deutlicher kundtun, welches von beiden er meine, Fasten oder Erbrechen. Darüber schliefich ein,und es kam mir vor, als sei ich beim Heiligtum in Pergamon und schon sei der halbe Tag mit Fasten vergangen. Da kam Theodotosl04 heran mit einigen Freunden. Er trat ein und setzte sich neben mich, wie ich so auf dem Bette lag. Ich teilte ihm mit, daß ich fastete. Er aber gab mir (mit einer Geste) zu verstehen, daß er das wisse, und sagte: "Nach all dem, was diese machen, zögerte ich, den Aderlaß anzuwenden. Denn der Schmerz kommt von der Niere; das Fasten aber", fügte er bei, "ist eine Art illegitimen Auswegs für die Entzündung, der durch die Brust hinausführt". Und während er das sagte, wurden vorne zwei Funken sichtbar. Ich schaute staunend auf Theodotos hin, faßte dies als sinnbildliche Bestätigung seiner Worte und fragte ihn, was das zu bedeuten habe. Er aber sagte: "Von dieser Entzündung", indem er auf das hinwies, was bei mir vorlag. Nun erwachte ich aus meinem Schlafe und fand, daß es genau die Stunde war, in der ich geglaubt hatte, Theodotos unterhalte sich mit mir. Und Freunde waren da, die mich besuchen wollten. Diese Traumbilder waren mir geoffenbart worden, während ein ArztI°5 gekommen war und sich bereit gemacht hatte, mir zu helfen, soweit er es verstand. Als er jedoch von den Träumen hörte, räumte er selber als verständiger Mann dem Gott den Platz lO6, und wir erkannten den wahrhaftigen und für uns passenden Arzt und taten, was er verordnete. Die Nacht war schon ganz leicht und alles schmerzlos. Später verordnete Er in der Gestalt des Tempelwärters Asklepiakos101 Gänsefett und (ordnete an), man solle auch noch den Gott fragen,
103 Sonst nicht bekannt. Behr (102 und Übers. S. 396) sieht in ihm den (ungenannten) Freund, dem Aristides einen Verteidigungsbrief schrieb (Nr. 33 Keil). In diesem wird aufseine Seherschaft angespielt (§ 14) und Smyrna als seine Heimatstadt bezeichnet. 104 Der in I 13 erwähnte Arzt. lOS Vielleicht der in V 12 und 24 erwähnte Arzt, der dem Asklepios sehr ergeben war. 106 Ähnliche Äußerungen aus dem Corpus Hippocraticum zitiert Herzog, Wunderheil. S. 150. 101 Einer der beiden Tempelwärter des Asklepieions. Aristides, der ihn noch oft erwähnt, wohnte in seinem Hause und besprach mit ihm seine Träume(II 34).
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flir den sie die (festliche) Versammlung in der mysischen Ebene veranstalten lO8 • Denn von ihm würde ich alles erfahren, worüber ich Auskunft begehre. Der Gott 59 gab die Auskunft, es werde nichts Schlimmes eintreten. Was nun die Enthaltung vom Bade betrifft, was soll man darüber sagen? Wurde diese doch schon seit flinfJahren nebst (einigen) Monaten von mir ununterbrochen geübt, außer wenn Er zur Winterszeit mich ins Meer oder in Flüsse oder Brunnen schickte. Und ebenso widerfuhr mir die Purgation des oberen Verdauungstraktes fortgesetzt etwa zwei Jahre und zwei Monate lang, noch verbunden mit Klistieren und Aderlässen, deren Menge noch niemand gezählt hat, und das bei allerkärglichster 60 Nahrung, die mir zudem aufgenötigt werden mußte. Jedoch bei allen diesen Fastenzeiten, ebenso wie den früheren und späteren, die wir in diesem Winter einhielten, verbrachten wir wider Erwarten ziemlich den ganzen Tag mit Schreiben, Reden und Prüfen des Geschriebenen. Und während wir die Arbeit zumeist nicht weniger als bis Mitternacht ausdehnten und darauf an jedem folgenden Tage wiederum die gewohnte Tätigkeit fortsetzten, nahmen wir dabei doch nur ein Minimum an Nahrung zu uns. Und als unmittelbar nach dem Erbrechen noch das Fasten einsetzte, war es gerade dies, was mich tröstete: die Beschäftigung und der Umgang mit diesen Dingen, so daß ich, wenn ich an Sokrates denke, der vom Gelage weg den ganzen Tag im Lykeion aushält lO9 , der Meinung bin, dem Gott flir meine hierbei betätigte Ausdauer und Kraft keinen 61 geringeren Dank zu schulden. Soviel über den Zustand meines Unterleibs. Ähnlich aber wie mit dem Unterleib war es mir mit der Geschwulst 110 viele Jahre früher ergangen'l1. Denn der Gott sagte mir lange vorher voraus, ich solle mich vor der Wassersucht hüten, und verordnete mir unter anderen Schutzmitteln auch ägyptische Sandalen "\ wie sie die Priester zu tragen pflegen 113. Er fand auch 62 flir gut, den Ausfluß nach unten abzuleiten. Und es bildete sich eine Geschwulst aus unbekanntem Anlaß, zuerst von der Art, wie sie auch bei irgend jemand sonst sich bilden mag, dann wuchs sie zu außerordentlicher Größe. Die Leistengegend war ganz voll (von Eiter oder Blut), und alles war aufgebläht. Auch Der Gott ist wohl Apollo; die "mysische Ebene" ist wohl = 'Apias Pedion' s. Hirschfeld, RE I 2 (1894) Sp. 2801. - Behr (Loeb-Ausg. des Aristides Bd. I S. XVI) stellt in einer Konjektur her: i:v Öa1teÖOl~ [A1t{ol~l: zu einer Weihinschrift des Aristides aus Hadrianutherai, veröffentl. von Wiegand, Reisen in Mysien (= Mitteil. d. Archäol. Inst. Athen. Abt. 29, 1904, S. 208). 109 vgl. Plat. Sympos. 223d. 110 "Dr. R. Leclerq in Michenaud-Dierkens, Les Reves dans les Discours Sacres, p. 109 diagnosed this as an omen tal hernia, later strangulated. Possibly true. For unlike most . such ills, it apparently can cure itself." Behr, Übers. S. 428 Anm. 89. 111 Etwa Okt.-Jan. 148 n. ehr. 112 "aus dem Bast der Papyrusstaude gefertigt": Herod. 2, 37, 3. III Seit der Zeit der Diadochen verbreitete sich der Kult des Asklepios auch weit im hellenisierten Osten. Diese Orientalisierung hatte andererseits auch Rückwirkungen auf Kleinasien und Griechenland, wie in Pergamon, wo die Priester ägyptische Sandalen trugen, oder in Epidauros,wo Hygieia, ApolIon und Asklepios sogar den Beinamen "die Ägypter" trugen; vgl. Edelst. I test. 739, 6. u. 11 S. 252 u. Anm. 7. 108
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waren schreckliche Schmerzen damit verbunden und mehrtägiges Fieber. Jetzt erhoben die Ärzte von allen Seiten ihre Stimmen, die einen, man solle schneiden, die anderen, man solle mit ätzenden Mitteln eingreifen, sonst müsse 63 ich durchaus an innerer Vereiterung zugrunde gehen. Der Gott jedoch gab das entgegengesetzte Urteil ab: aushalten und die Geschwulst ausreifen lassen. Und natürlich gab es keine Wahl zwischen dem Gehorsam gegen die Ärzte oder gegen den Gott ll4 • Die Geschwulst nahm noch bedeutend zu, und es war große Not. Von meinen Freunden bewunderten die einen meine Standhaftigkeit, die anderen machten mir Vorwürfe, weil ich alles zu sehr auf die Träume setze. Einige aber beschuldigten mich sogar der Feigheit, weil ich mich weder dem Messer darbiete noch auch Arzneien zuließ. Der Gott aber widerstrebte beständig, indem er befahl, das gegenwärtige Leiden zu ertragen, denn es sei gewiß zum Heil. Die Quellen dieses Ausflusses seien nämlich oben, diese 64 Gärtner aber verstünden nicht, wohin man die Kanäle leiten müsse. Nun aber ging es wundersam zu. Es verflossen nämlich etwa vier Monate dieser Lebensweise. Während dieser Zeit waren Kopfund der obere Darmtrakt so leicht, wie man es sich nur wünschen mag, und dabei war die reinste Festversammlung in meinem Hause. Denn meine Freunde, die Spitzen der damaligen hellenischen Welt, kamen immer zu Besuch und wohnten meinen Vorträgen bei, wobei ich 65 meine Redekämpfe geradewegs vom Bett aus f1.ihrte. Es wurden mir dabei auch mancherlei seltsame Leistungen auferlegt ll5 • Eine, deren ich mich entsinne, ist ein Lauf, den ich barfuß in der Winterzeit machen mußte, und wieder ein Ritt, die schwierigste Aufgabe ll6 • Und auch an folgendes erinnere ich mich: während im Hafen J17 unter dem Südweststurm hoher Wellengang war und die Schiffe hinund hergestoßen wurden, mußte ich zum jenseitigen Ufer hinübersegeln, etwas Honig und Eicheln essen und mich dann erbrechen, was dann in der Tat eine vollständige Reinigung bewirkte. Alles das wurde ausgef1.ihrt, während die Entzündung (der Geschwulst) auf dem Höhepunkt war und sich sogar bis zum 66 Nabel hinaufzog. Zum Schluß aber machte der Heiland in derselben Nacht mir und meinem Erzieher - Zosimos war damals noch am Leben - dieselbe Eröffnung, so daß ich jenem einen Boten schickte, um ihm mitzuteilen, was der Gott 114
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Herzog, Wunderheil. S. 84 W 48 weist auf eine Parallele aus Epidauros hin. Auch dort ist rur die Ärzte das Schneiden des Geschwürs das übliche Mittel, während der Gott davon abrät, und auch dort fallt die Entscheidung zu Gunsten des Gottes. In seiner "Ansprache an Asklepios" (Edelst. I test. 317, 8) zählt Aristides eine Reihe solcher "paradoxen" Vorschriften auf, wie z. B. nackt im kalten Wasser baden, wo Wärme notwendig schien, lange Märsche bei hoffnungsloser Bettlägerigkeit, unsägliche Purgationen bei ständigem Fasten, Reden und Schreiben bei äußerster Atemnot. Diese Kuren wurden in den Heil. Berichten teils schon erwähnt (I 59), teils begegnen sie noch in den späteren Büchern, z. B. II 78ff. "Reiten oder kalte Bäder oder Barfußlaufen" gehörten aber nach dem Zeugnis des Mark Aurel zu den häufigen Vorschriften des Asklepios (Edelst. I test. 407). Ähnliches berichten auch Galen und die Tafeln der Wunderheilungen von Epidauros (Edelst. I test. 423, 37; s. auch Edelst. II S. 154 und unten II 19ff.). Von Smyrna.
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gesagt habe, er selber aber diesem begegnete, um mir mitzuteilen, was er von dem Gott vernommen hatte. Es war aber ein Heilmittel, an dessen einzelne Bestandteile ich mich nicht erinnere, außer daß Salz darunter war. Als wir es aufgestreut hatten, ging von der Geschwulst schnell das meiste ab, und mit Tages67 anbruch waren die Freunde da, freudig und ungläubig zugleich. Von jetzt an hörten die Ärzte mit ihren Vorwürfen aufund erkannten in allen Einzelheiten voll Staunen die wunderbare Fürsorge des Gottes und daß es demnach doch ein anderes Leiden gewesen war, das Er aufverborgene Weise heilte. Sie überlegten aber hin und her, wie das (durch die verschwundene Geschwulst) entstandene Loch wieder in Ordnung kommen könne. Jetzt jedenfalls, meinten sie, sei es notwendig zu schneiden, denn auf andere Weise sei es unmöglich, daß der frühere Zustand sich wiederherstelle. Und von mir verlangten sie, daß ich einwillige, denn die Anordnungen des Gottes seien ja nun jedenfalls ausgeftihrt. 68 Dieser aber gestand· ihnen nicht einmal das zu, sondern obwohl der Abszeß erstaunlich groß war und die ganze Haut zerstört schien, verordnete Er, ein Ei daraufzustreichen, und so vollbrachte er die Heilung und zog alles in einer Weise zusammen, daß schon nach wenigen Tagen niemand imstande war aufzufinden, an welchem Schenkel die Geschwulst gewesen war, sondern beide waren völlig glatt. 69 Dieser Zosimos war derselbe, dem einige Zeit danach eine große Gnade von dem Gott widerfuhr. Das ging so zu. Wir reisten durch Mysien nach Pergamon 118 ; da mich aber ein Traum auf dem Wege zurückhielt, verweilte ich meh~ere Tage hindurch, wobei sich mir immer dasselbe Gesicht darbot. Jener eilte inzwischen zurück nach einem meiner Landgüter, wo etwas zu besorgen war, und bald darauf lag er krank. Aber auch mir begegnete es, daß ich mit meinem Magen und Gaumen, meinem ganzen Kopfund überhaupt dem ganzen Leib so (übel) daran war, daß es zum Äußersten kam und ich gar keine Nahrung Zu mir nehmen konnte und (alles), was ich zu mir nahm, sogleich verdarb und der Atem mir 70 fehlte und die Kräfte ausgegangen waren. Wir waren aber ungef1ihr 120 Stadien weit voneinander entfernt ll9 • So kam es, daß wir durch die Nachrichten, die jeder von uns auf seine Erkundigungen nach dem Befinden des anderen erhielt, uns 71 weit mehr bedrückt ftihlten als durch das eigene Leiden. Als mir nun der Gott erschien, griff ich, abwechselnd die beiden Hände ausstreckend, ihm an das Haupt l20 , und als ich ihn gefaßt hatte, flehte ich, er möge mir Zosimos am Leben erhalten. Der Gott hob versagend sein Haupt l2l • Noch einmal griff ich ebenso nach ihm und flehte um Gewährung. Und wieder hob er das Haupt. Zum dritten Mal griff ich zu und versuchte, ihn zur Gewährung zu bestimmen. Er hob weder das Haupt, noch senkte er es, sondern hielt es unbewegt und sprach zu mir 118 119
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S. dazu eine Orts- und Wegekarte bei Behr (hinter S. 6). Das ist die Entfernung von Hadrianutherai zu dem nördlich davon gelegenen Landgut Laneion, s. Behr 6 Anm. 8b. Sonst faßt der Bittflehende die Knie des Gottes. "In Griechenland und Italien ist die Gebärde die üblichste Form der Verneinung", C. SittI, Die Gebärden der Griechen und Römer, Lpz. 1890, S. 82.
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gewisse Worte, die man unter solchen Umständen sagen muß, da sie Erftillung verheißen. Ich habe sie im Gedächtnis, doch glaube ich, sie nicht ohne weiteres öffentlich mitteilen zu dürfen. Ihr Sinn war jedenfalls, es werde mit diesem Bescheid genug sein. Eines der Worte lautete: "Behüte (ihn)!" Wie erging es ihm nun darauf weiter? Fürs erste stand Zosimos aus dieser Krankheit unerwartet wieder auf und nach einer durch Gerstenschleim und Linsen bewirkten Leibesreinigung, wie mir der Gott über ihn vorausgesagt hatte. Dann lebte er noch vier Monate lang, so daß wir miteinander zusammenkamen und gemeinsam Feste feierten, weil auch mir von dem Gotte reiche und andauernde und mit wunderbaren Umständen verbundene Hilfe zuteil geworden war. Ein Beispiel daftir war, daß ich, einer Ohnmacht nahe und völlig hilflos, ein Gedicht machte auf die Hochzeit der Koronis und die Geburt des Gottes 122 , indem ich die Strophen bis zur allergrößten Länge ausdehnte. Und diese Verse machte ich in voller Ruhe und innerer Sammlung, und dabei waren alle Widerwärtigkeiten vergessen. Ja auch Klistier wurde mir verordnet, so daß der Arzt, der meine Abmagerung und Schwäche sah, nicht wagte, es anzuwenden, sondern glaubte, damit würde er sozusagen zu meinem Mörder. Aber ich überredete ihn dazu mit Mühe, und sogleich erholte ich mich. Zur Nahrung aber verordnete Er mir wilde Kräuter, die meiner Verdauung und Kraft wieder etwas aufhalfen. Das also ging so. Zosimos aber wurde von allen glücklich gepriesen und wußte sich selber kaum zu fassen, voll Dankbarkeit gegen den Gott wegen seiner Fürsorge und gegen mich wegen meines Beistandes. Und ich meine, er hätte noch längere Zeit am Leben bleiben können, wenn ihm nicht eine eigene edle Tat verhängnisvoll geworden wäre. Als er nämlich erfuhr, daß einer meiner Diener, und zwar einer der besonders tüchtigen, krank sei, machte er sich im Winter auf den Weg, 40 Stadien weit, um nach ihm zu sehen und nach Vermögen zu helfen; er war nämlich auch ein guter Arzt. Er stürzte jedoch bei tiefem Schnee und großer Kälte aus dem Wagen, und nachdem er viel Schlimmes erduldet und seinen Weg hin und her zurückgelegt hatte, fiel er abermals in eine sehr schwere Krankheit, so daß er anfangs gar nicht wagte, mir irgendeine Nachricht von dem ihm widerfahrenen Mißgeschick zu senden, und ich, auf die Kunde davon, ihn nicht besuchte, aus Ärger darüber, daß ich ihn nicht überredet hatte. Denn in der vorangehenden Nacht hatte ich folgendes Traumgesicht gehabt: es war mir, als sage der Tempelwärter Asklepiakos zu mir: "Zosimos sollte sich wieder erholen, solange es möglich ist". Auf Grund diyses Traumes wollte ich nicht zulassen, daß er ausgehe, als die Botschaft über meinen Diener eintraf. Er aber gehorchte nicht und ging und zog sich damit den Tod zu. So ist sein längeres Leben ein Gnadengeschenk des Gottes gewesen, der in der Tat ihn mir behütete 123 , sein 122
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Koronis ist die Mutter des Asklepios. Der Vater ApolIon entreißt seinen Sohn dem Schoß der Mutter, als diese bereits tot auf dem Scheiterhaufen liegt; vgJ. Pind. Pyth. 3, 5ff. und Ovid, Metam. 2, 542 ff. - Anscheinend wurden die Hochzeit der Koronis und die Geburt des Asklepios auch in Kultspielen dargestellt, s. Edelst. II S. 213 u. Anm. 20. Offenbar bewußte Wiederholung des Schlußwortes von § 71.
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Ende aber fand er, weil er trotz der Offenbarung ausging. Und die Zeichen, die mir anfangs von dem Gott gegeben worden waren, als ich flehend nach seinem Haupte griff, erhielten damit ihre Erfüllung. Ferner hat Er meine alte Amme, die ich über alles liebte - Philumene hieß sie -, tausendmal unverhofft gerettet und einmal dadurch vom Krankenbett erstehen lassen, daß er mich von Pergamon fortgehen hieß mit der Verheißung, ich würde auch meiner Amme Erleichterung bringen. Zugleich bekam ich auch einen Brief in die Hand, der auf dem Boden vor den Füßen des Zeus Asklepios lag, den ich als bedeutsames Zeichen gelten ließ. Darin fand ich fast bis aufs Wort alle Einzelheiten beschrieben. So ging ich in großer Freude weg. Und ich fand meine Amme so widerstandsfähig, daß sie mich bei meinem Besuch erkannte. Und als sie mich erkannte, schrie sie auf und erhob sich bald darauf vom Bett.
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Wohlan, auch die weiter zurückliegenden Ereignisse wollen wir ins Gedächtnis zurückrufen, soweit es in unserem Vermögen steht. Es sind Dinge, von denen zu schreiben mir anfangs gar nicht in den Sinn gekommen war, weil ich nicht glaubte, daß ich überleben würde, und nachher ließ das geschilderte körperliche Befinden mir keine Muße dafür. Als dann wiederum längere Zeit verstrichen war, schien es eine unlösbare Aufgabe zu sein, die einzelnen Vorkommnisse ins Gedächtnis zurückzurufen und genau zu beschreiben. Dann sei es besser, ganz zu schweigen als solche Großtaten unwürdig darzustellen. Es wurden auch manche Entschuldigungen darüber von mir an den Gott gerichtet und an meine Freunde, die immer baten, ich solle darüber mit Wort und Schrift Auskunft geben. Jetzt aber, so viele Jahre und Zeitläufe später!, zwingen uns Traumgesichte, diese Dinge irgendwie an die Öffentlichkeit zu bringen. Ich darf jedoch soviel sagen, daß gleich von Anfang an mir der Gott die Weisung gab, die. Träume aufzuschreiben2 • Und es war das sein erster Auftrag. Ich habe aber die Niederschrift der Träume, wenn ich nicht imstande war, sie eigenhändig zu machen, durch Diktieren zustandegebrache. Doch habe ich weder die Umstände beigefügt, unter denen ich die einzelnen Träume empfing, noch Angaben über ihre Erfüllung gemacht, sondern es genügte mir, dem Gott gegenüber sozusagen mein Gewissen zu entlasten, einmal wegen der erwähnten körperlichen Schwäche und zugleich auch, weil ich niemals hätte erwarten können, daß der Gott so weitgehende Fürsorge werde walten lassen. Aber auch Adrasteia4so11 gemeinsam mit ihm von mir angerufen sein. Ich sah mich aber auch sozusagen in Verlegenheit gesetzt durch den Umstand, daß ich nicht vom ersten Anfang an alles aufgeschrieben hatte, und darum verzichtete ich auch auf das übrige, mehr oder weniger unfreiwillig. Ich fand aber andere Wege der Dankbezeigung gegen den Gott, denn ich glaube, daß ja nicht weniger als dreihunderttausend Zeilen
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Im Jahre 170/1 ne. Zu diesem Zeitpunkt vgl. § 7. Auch in Nr. 36, 1 (Keil) ist vom Diktieren die Rede und in V 66 nennt Aristides den Schreiber 'Eudoxos' mit Namen. Die 'Unentrinnbare' galt als Verkörperung der vergeltenden Gerechtigkeit und des Schicksals. - Der Sinn der Anrufung ist hier eindeutig apotropäisch, vergleichbar unserem "Unberufen", wenn man etwas Prahlerisches oder Geflihrliches gesagt hat. So fügt Aristides in 21, 12 (Keil) einem überschwenglichen Preis der wiederaufgebauten Stadt Smyrna gleich bei: "Ich rufe aber Adrasteia an". - Ähnliche Anrufungen kommen bei Lukian und vielen spätgriechischen Autoren bis Libanios (z. B. ep. 283, 2F) sehr häufig vor.
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der Niederschrift s vorliegen. Aber natürlich ist es weder leicht sie durchzugehen, noch sie in die richtige zeitliche Ordnung zu bringen. Zudem ist auch manches verstreut worden durch vielerlei Zerstörung und das Durcheinander, die injenen 6 4 Zeiten in meinem Hause herrschten • So bleibt mir nur übrig, die Hauptsachen zu berichten, indem ich bald hierher bald dorther die Erinnerung auffrische, so wie der Gott mich führt und treibt. Wir rufen ihn zu Hilfe auch zu diesem Unternehmen wie zu allen anderen. Gewiß darf er ja auch zu allem gerufen werden? so gut wie irgend einer von den Göttern. Als ich aus Italien (zu Schiff) nach Hause gebracht wurdeS, hatte ich mir durch die fortwährenden Krankheitsschmerzen und Unwetter, die ich auf meinem Wege (nach Rom) durch Thrakien und Makedonien 9 zu bestehen hatte, verschiedene schwere körperliche Leiden zugezogen. Ich hatteja schon krank die Heimatl° verlassen. Die Ärzte (in Smyrna) waren nun in großer Verlegenheit, weil sie nicht bloß keine Hilfe für mich wußten, sondern ll 6 nicht einmal meinen ganzen Zustand verstehen konnten . Das Allermiß- • lichste und Bedenklichste von allem waren meine Erstickungsanfälle, bei denen; ich nur unter großer Anstrengung und Hoffnungslosigkeit dann und wann notdürftig einen Atemzug erzwang, und (die Tatsache), daß beständig Halskrämpfe nebenhergingen, daß ich Anfälle von Schüttelfrost hatte und mehr Decken brauchte,als ich ertragen konnte. Obendrein hatte ich unsägliche andere 7 Beschwerden. So glaubte man denn, ich müsse die "Warmen Bäder"12 . brauchen, ob sie mir etwa Erleichterung verschaffen oder das Klima irgend wie l.LUptUöac; ye btwv OUX eAa't''t'ov il 't'puxxoV't'a ... 't'fjc; omoypaep6v'tw~ )(al q>avaL (ei~ 'to fleaov): Behr schließt sich Festugiere (a. O. S. 143) an und übersetzt: 'after other warm greetings ... ' 72 fleAe'tll'tii~: abermals eine Neubildung des Aristides. 73 OÜ'tw y&p ei"eiv 't0 t>iiflan: der Ausdruck ist aus Demosth. Prooem. 50, 3 entlehnt. 74 Hier scheint der (neben Herodes Atticus) berühmteste Sophist seiner Zeit gemeint zu sein: Antonius Polemon aus Laodicea. Er war zwar in Smyrna Lehrer des Aristides gewesen, war später aber auch sein Konkurrent, weshalb ihn Aristides nicht mit Namen nennt. Auch in der Rede 34, 47 meint er vermutlich den Pole mon und nennt ihn dort ebenfalls )(opuq>a1:o~, wobei er seine nach asianischer Manier in Gesang ausartende Redeweise verspottet (s. dazu Norden a. O. S. 294f. 374f.), obwohl Polemon sich anscheinend im allgemeinen von asianischen Unsitten fernhielt. - Das Wort 'ChorfUhrer' soll wohl darauf anspielen, daß dieser den Gesang 'anstimmt' (s. z. B. Aristot. de mundo 399 a 16). - Die Worte 'wenn er noch lebte' zeigen, daß Polemon schon tot war (gest. 144 n. Chr.) und also nicht mehr selbst erleben mußte, wie er später von Aristides weit überflügelt wurde. - Über Polemon ausfUhr!. Stegemann, RE 21 (1952) Sp. 1320-57; in Sp. 1354ff. 'Antike und byzantin. Urteile über Polemon' fehlen die hier angefUhrten SteHen des Aristides. 7S Überliefert ist: "po
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liegt. Dort fand ich rechts vom Tempel ein gemeinsames Grabmal für mich und Alexander, den Sohn Philipps, das durch eine mitten hindurchgezogene Schranke geteilt war. Jener, meinte ich, ruhe auf der einen Seite, auf der anderen würde ich selbst einst ruhen. Ich trat heran, beugte mich nieder und genoß den wunderbaren Wohlgeruch von Spezereien, von denen ein Teil zu seinem Grab gehörte, der andere aber mir vorbehalten war l21 . Ich freute mich und zog daraus für mich den Schluß, daß wir beide den Gipfel erreicht hätten, jener in der auf Waffen beruhenden, ich in der auf Reden sich stützenden Macht122 • Und dazu kam mir auch noch der Gedanke, daßjener in Pella 123 der 'große Mann,124 sei, auf mich aber die Leute hierzulande stolz sein würden. Solches glaubte ich zu hören und zu sehen, zu mir zu sagen und bei mir zu überlegen, teils in der Meinung, ich sei bei Zeus, teils, ich sei (im Tempel des Asklepios) vor meinem Hause. Was darauf folgt, das soll nun, wenn es zulässig ist, ausgesprochen und niedergeschrieben bleiben, andernfalls sei Dir, 0 Herr Asklepios, ans Herz gelegt, mir in den Sinn zu geben, es ohne jede Bitterkeit auszustreichen I25 • Zuerst zeigte sich die Kultstatue mit drei Köpfen 126 und, mit Ausnahme der Köpfe, rings im Feuer 121 1tpoaa1toxeiaß"at = "auch vorbehalten sein". Das Wort ist sonst nicht belegt, weshalb Liddell-Scott vermutet: 1tpoa1toxeiaß"at = "schon früher vorbehalten sein".
122 Behr (Übers. S. 437 n. 87) weist darauf hin, daß Arrian demselben Größenwahn
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verfallen war, da er in Anabas. 1, 12,5 denselben Vergleich mit derselben Begründung anstellt, allerdings - so fügt Behr witzig hinzu - Aristides tat es nur im Traum, Arrian dagegen im Wachen! Geburtsort Alexanders in Mazedonien. 1tpüYlla "toao(i'l;ov. Bei Demosthenes und Herodot ist Ileya oder Ileyta"tov 1tpüYlla = 'a big man' oder = 'un pezzo gros so' (='ein großes Tier'). ötayptXlvat 1tanOC; öuaxoAou xwpiC;: Festugiere (a. O. S. 144/5) bestreitet (für diese Stelle) die Bedeutung 'ausstreichen' und übersetzt: 'de n'en ecrire que tout juste ce qu'i1 faut, sans que nul ne le prenne it mal' und hat damit Behr (in seiner neuen Übersetzung) wenigstens teilweise überzeugt. Behr (158 n. 65) schreibt: "The statue with three heads cannot be identified and should be assigned to the aberrancies ofthe dream world". Dem stimmt Festugiere (a. O. S. 145) ausdrücklich zu, indem er seine frühere Vermutung (auf Grund von Edelst. I test. 672) zurückzieht. - Es scheint mir aber doch sehr fraglich, ob man die Erscheinung einer Kultstatue "mit drei Köpfen" so ohne weiteres als 'Verirrung einer Traumwelt' ablehnen kann, wo es nachweislich eine Reihe von dreiköpfigen Göttergestalten gab, nicht nur die bes. häufig so dargestellte (oben Anm. 96 schon erwähnte) Hekate, sondern auch Artemis und Hermes, die H. Usener in seinem Artikel 'Dreiheit', Rhein. Mus. 58, 1903, S. 163-67 aufgeführt und belegt hat. - Vor allem aber hat Willibald Kirfel in seinem umfassenden Werk, Die dreiköpfige Gottheit, Bonn 1948, aus dem griechischen Bereich neben den Genannten (Hekate S. 101ff. Abbild. TafeI30ff.; Hermes 12011; Artemis 135) auch auf den dreiköpfigen Riesen Geryon (S. I11ff. Abbild. Tafel 35ff. - von Lysipp?), den dreileibigen Typhon (S. 119120) und die vielen dreiköpfigen Gestalten aus Italien und Sardinien (S. 121fI) und solche etruskischer Herkunft (S. 121 ff.) hingewiesen. Gerade für Aristides scheint mir bedeutsam, daß auch der dreiköpfige Kerberos als ständiges Attribut des Sarapis gilt (S. 129130), ganz abgesehen von der Dreiköpfigkeit bei mythischen Gestalten wie Chimaira, Typhon, Skylla und Chronos (S. 129/31). Schließlich hat Kirfel dem Urbild des Hinduismus, der drei-
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leuchtend. Dann standen wir Gottesverehrer vor ihm, wie wenn der Paian gesungen wird 127, und fast unter den vordersten ich. In diesem Augenblick gab uns der Gott mit einem Kopfnicken das Zeichen zum Weggehen, und zwar nunmehr in seiner eigenen Gestalt, in der er uns vor Augen steht. Die anderen waren nun alle hinausgegangen, und ich wandte mich eben zum Hinausgehen, da gibt mir der Gott mit der Hand ein Zeichen zum Bleiben. Überglücklich über die Ehre und die Auszeichnung, die ich vor den anderen erhielt, rief ich aus: ,,(Du, der) Eine", wobei ich eben den Gott meinte 128 • Und Er sprach: "Du bist (der Eine)"129. Dieses Wort, 0 Herr Asklepios, ist mir wertvoller als das ganze menschliche Leben. Neben diesem verschwindet jede Krankheit, neben diesem verschwindet jede sonstige Gunst. Dieses hat mir Kraft und Willen zum Leben gegeben. Möge uns, nachdem wir das ausgesprochen haben, die Ehre, die uns der Gott vordem erwiesen hat, um nichts geschmälert werden. Einmal hörte ich auch folgenden (heiligen) Spruch llo , der sich aufReden bezog und auf Umgang mit der Gottheit. (Der Spruch) besagte, der Geist müsse sich vom gewöhnlichen Zustand l31 (fort-)bewegen und in seiner Bewegung sich mit Gott vereinigen. Nach dieser Vereinigung übersteige er dann die Schranken des menschlichen Zustandes, und keines von beiden sei verwunderlich, weder dieses Übersteigen in der Vereinigung mit Gott, noch nach dem Übersteigen die Vereinigung mit
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köpfigen Gottheit Shiva-Trimurti, eine tiefdringende Untersuchung gewidmet und ihre Parallelen im alten Europa und Afrika und in den dreiköpfigen und dreigesichtigen Gestalten des christlichen Mittelalters dargestellt. Wohl den kultischen Paian, s. oben Anm. 82 Ende. Zu dieser Gottesformel s. oben III 48 Anm. 94. - Das Epitheton ei. Auch hier vermeidet Aristides den offiziellen Namen, dessen Kurzform lautet: X01VOV A.ala~ (latein. commune Asiae, sonst oft: conventus). Die verschiedenen Benennungen sind bei Magie a. O. II 1294f. n. 54 zusammengestellt.Durch Augustus wurde der schon in der republikanischen Zeit bestehende Zusammenschluß der Städte zu einer festen, dauernden, jährlich wiederkehrenden Einrichtung eines 'Provinziallandtages' (s. Brandis, Asia, RE II, 1896, Sp. 1556-62). Seine Tätigkeiten sind bei Deininger a. O. S. 52ff. dargestellt: 1) Eigentumsverwaltung u. Münzprägung 2) Provinzialer Kaiserkult 3) Vertretung (der politischen Interessen) der Provinz (bes. S. 58). Im allgemeinen wurden die Provinziallandtage an den Orten abgehalten, an denen es auch Provinzialtempel gab. Doch scheint dies nicht zwingend vorgeschrieben gewesen zu sein (s. Anm. 247). Zu den jährlichen Festfeiern gehörten auch die Festspiele, bei denen auch christliche Martyrien bezeugt sind, wie z. B. das Martyrium des Bischofs Polykarp in Smyrna (s. cap. 11). Vorsitzende der Versammlungen und Veranstalter der Spiele waren immer die Oberpriester oder, wie sie auch gelegentlich heißen, die 'Asiarchen'. (Die oft erörterte Frage der Beziehung der Oberpriester zu den Asiarchen ist von Deininger a. O. S. 41-50 ausführlich behandelt und m. E. überzeugend im Sinne der Identität der beiden Ämter beantwortet worden. Auch
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Heilige Berichte
schJagen, daß ich aber vorher davon Wind bekam und meinen Erzieher Zosimos 249 hinsandte. Und ich wurde bei der Abstimmung dritter odervierte~50. Darauf (gab es) Berufung, Vorladung durch den Statthalte~1 und Ruf des Heilands nach Pergamon. Ich hielt mich aber schon zu dieser Zeit 252 auf dem gewöhnlich von mir bewohnten Landgue 53 auf, da Er (mich dorthin) geschickt hatte. Am zweiten Tag meiner Abreise (nach Pergamon) begegnete mir der Überbringer des Briefes des Statthalters. Nachdem ich das Schreiben gelesen hatte, sagte ich: "Ich bin schon vorher von dem Gott eingeladen, und du treibst einen Laufenden an"254. Was soll ich mich noch (länger) dabei aufhalten? Ich wurde alle Schwierigkeiten los, (während ich michi 55 im Tempelumgang256 im
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die Asiarchie war ein Priesteramt, wie aus Inschriften hervorgeht, Deininger 47). - Da dieses Amt die Verpflichtung zum Abhalten von Spielen mit sich brachte u. auch mit Ausgaben für Gesandtschaften verbunden war, war es wegen der hohen Kosten von vorneherein der Oberschicht des Landes vorbehalten. "Gern wurden auch im Zusammenhang mit den besonderen Aufgaben des Koinon Rhetoren und Philosophen in die hohen Ämter gewählt" (Deininger S. 51). s. 127. Diese Stelle darf nicht mißverstanden werden, so als wäre Aristides bei der Wahl etwa 'durchgefallen' oder als hätte der Landtag nur eine Kandidatenliste aufgestellt, aus der der Statthalter dann die Person seines Vertrauens ausgewählt hätte. Der Landtag hatte das Recht der Wahl, und Aristides war gewählt. Er wußte dies auch und legte deshalb sofort Berufung beim Statthalter ein (Diese Sachlage haben Brandis, RE II 475/6 und Deininger S. 40f. völlig klar dargelegt.). Deininger fährt dann a. O. 40 fort: "Der Bericht zeigt, daß damals in einem Wahlgang wenigstens vier ... apX\Epd